Checkliste Notfallmedizin [4 ed.] 3131090340, 9783131090348

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Checkliste Notfallmedizin [4 ed.]
 3131090340, 9783131090348

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Checklisten der aktuellen Medizin Begründet von F. Largiadèr, A. Sturm, O. Wicki

Checkliste Notfallmedizin Andreas Secchi, Thomas Ziegenfuß 4., vollständig überarbeitete Außage

201 Abbildungen 73 Tabellen

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlagfoto: Studio Nordbahnhof, Stuttgart Zeichnungen: Friedrich Hartmann, Nagold Barbara Gay, Stuttgart Christiane und Michael von Solodkoff, Neckargemünd BibliograÞsche Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliograÞsche Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

1. Außage 1997 (erschien unter dem Titel „Rettungsmedizin“) 2. Außage 2000 3. Außage 2005

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, MikroverÞlmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1997, 2009 Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, D- 70469 Stuttgart Printed in Germany Unsere Homepage: http://www.thieme.de Satz: medionet Publishing Services Ltd, Berlin gesetzt in: 3B2 Druck: L.E.G.O. S.p.A., in Lavis (TN) ISBN 978-3-13-109034-8

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Vorwort

Vorwort Nach über 10 Jahren seit Erscheinen der Erstaußage der Checkliste Notfallmedizin war es an der Zeit, das Buch den aktuellen Anforderungen, die an die in der Notfall- und Rettungsmedizin Tätigen gestellt werden, anzupassen. Dieser Anspruch hatte eine komplette inhaltliche wie strukturelle Überarbeitung zur Folge. Damit gleichwohl Anfänger als auch erfahrene Notfallmediziner während ihrer Arbeit optimalen Nutzen aus dem Buch ziehen können, wurde die Struktur des Buches so geändert, dass sowohl präklinisches wie auch klinisches Vorgehen bei den wichtigsten und häuÞgsten Leitsymptomen und Krankheitsbilden in der Notfallmedizin aufgeführt sind (inkl. Nennung der Differenzialdiagnosen). Letztere wurden nach Organsystemen und funktionellen Einheiten sortiert. So wird es dem Nutzer ermöglicht, sich schnell zu orientieren und rasch genau die Information zu Þnden, die er in der aktuellen Situation gerade braucht. Alle Kapitel wurden zudem inhaltlich auf den neusten Stand gebracht, aktuelle Leitlinien und Empfehlungen wurden berücksichtigt. Um den Praxisbezug weiterhin sicherzustellen, ist mit Dr. Andreas Secchi ein zweiter Autor hinzugekommen, der seit vielen Jahren aktiv im Rettungsdienst tätig ist. Die Autoren hoffen und wünschen, dass auch die neue Checkliste Notfallmedizin den Kolleginnen und Kollegen des Rettungs- und Notarztdienstes in der Vor- und Nachbereitung ihrer Einsätze eine wertvolle Hilfe sein wird. Moers, im Juli 2009

DR. ANDREAS SECCHI DR. THOMAS ZIEGENFUSS

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Anschriften

Anschriften Dr. med. Andreas Secchi Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin St. Josef Krankenhaus Asberger Straße 4 47441 Moers Dr. med. Thomas Ziegenfuß Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin St. Josef Krankenhaus Asberger Straße 4 47441 Moers

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Grundlagen der Rettungsmedizin

1.1 Organisation und Versorgungskonzepte Organisation ▶ In Deutschland ist die gesetzliche Regelung des Rettungsdienstes Angelegenheit der Bundesländer. Diese regeln den Rettungsdienst im Rettungsdienstgesetz und können als Träger des Rettungsdienstes die Aufgaben auf Kreise und kreisfreie Städte übertragen. ▶ Leistungserbringer sind die durch die Träger beauftragten Hilfsorganisationen, Feuerwehren oder privaten Anbieter. ▶ Im Rettungsdienst unterscheidet man zwischen: • Bodenrettung (RTW, KTW, NAW, NEF). • Luftrettung (RTH). • Wasserrettung (Wasserwacht). • Bergrettung (Bergwacht). ▶ Der Rettungsdienst ist in einzelne Rettungsdienstbereiche untergliedert. Struktur der Rettungsdienstbereiche: • Rettungsleitstelle/integrierte Leitstelle (vereinzelt auch mehrere Leitstellen): Nimmt die Notrufe entgegen und koordiniert die Einsätze im Rettungsdienstbereich. • Rettungswachen sind über den gesamten Rettungsdienstbereich verteilt: Von hier fahren die Rettungsmittel (RTW, KTW) zum Patienten. • Notarztstandorte (NEF, NAW), Anzahl ≤ Anzahl Rettungswachen.

1 Grundlagen der Rettungsmedizin

1.1 Organisation und Versorgungskonzepte

Versorgungskonzepte und Transport ▶ Stay and play (stabilize): In Ländern mit notärztlicher Primärversorgung (z. B. Deutschland, Österreich). • Ziel: Weitestmögliche Stabilisierung und Versorgung des Patienten noch am Notfallort. • Anschließend Transport ins Krankenhaus. • Transport jedoch nicht unnötig verzögern; v. a. bei unstillbaren Blutungen auf jeden Fall raschen Transport anstreben. ▶ Scoop and run (load and go): V. a. im angelsächsischen Raum, wo meist keine Notärzte, sondern Paramedics die Primärversorgung durchführen. • Ziel: Möglichst rascher und zügiger Transport ins Krankenhaus, möglichst geringe Verweildauer am Notfallort. • Vor Ort nur Durchführung unaufschiebbarer Maßnahmen wie: – Reanimation. – Beatmung bei Atemstillstand. ▶ Beachte: Eine rasche präklinische Stabilisierung des Patienten ist nicht immer mög■ lich. Es muss situationsgerecht entschieden werden: • Transport des instabilen Patienten in die nächste geeignete Klinik: Bei Erkrankungen, die nur mit Mitteln der Klinik erfolgreich therapiert werden können. – Häufig erforderlich bei schwerem Thorax-, Bauch- oder Polytrauma; in der Klinik rasche Diagnostik und sofortige Operation (operative Blutstillung). – Gelegentlich auch bei nichttraumatologischen Notfällen, z. B. bei kardiogenem Schock (interventionelle Koronarangiografie bei Myokardinfarkt). • Weitere Stabilisierungsversuche vor Ort oder im NAW: Häufig sinnvoll bei nichttraumatologischen Notfällen und kardiopulmonaler Reanimation. ▶ Voranmeldung in der Klinik: Der Rettungsleitstelle bevorzugte Klinik nennen und um Voranmeldung bitten. Vor der Abfahrt rückfragen, ob die angegebene Klinik angefahren werden kann (Kapazität vorhanden?). 1

Grundlagen der Rettungsmedizin

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1.2 Rettungsmedizinisches Personal

Praxistipp: Informieren Sie sich vor dem ersten Einsatz über die Kliniken der Umgebung! ▶ Transportarten: • Primärtransport: Transport von Notfallpatienten in das nächste geeignete und aufnahmebereite Krankenhaus. Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und Vermeidung weiterer Schäden. • Sekundärtransport: Transport bereits medizinisch versorgter Notfallpatienten von einem Krankenhaus oder einem entsprechenden Behandlungsort in ein für die Weiterbehandlung besser geeignetes Krankenhaus. • Tertiärtransport: Rückverlegung von definitiv versorgten Patienten aus einem Behandlungszentrum in das Heimatkrankenhaus.

1.2 Rettungsmedizinisches Personal Notarzt ▶ Erforderlich ist der Fachkundenachweis Rettungsdienst; Voraussetzungen nach den Richtlinien der Bundesärztekammer 1994 (länderspezifische Modifikationen sind möglich). ▶ Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin: Ist bereits in einigen Bundesländern eingeführt und soll zukünftig bundesweit erworben werden können; die Anforderungen sind verglichen mit dem Fachkundenachweis höher. ▶ Keine Bindung an bestimmte Fachrichtung. • Sonderfall: Notarzt auf einem Baby-Notarztwagen, der in einigen Regionen v. a. für Interhospitaltranfers von Neugeborenen vorgehalten wird und meist mit Pädiatern besetzt ist.

Rettungsassistent, -sanitäter und -helfer

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▶ Voraussetzungen/Ausbildung: • Rettungsassistent: 2-jährige theoretische und praktische Ausbildung. • Rettungssanitäter: 13-wöchige theoretische und praktische Ausbildung oder 520 h. • Rettungshelfer: 4-wöchige Ausbildung. ▶ Aufgaben/Funktion: • Präklinische Zusammenarbeit mit dem Notarzt; Unterstützung des Notarztes bei der Behandlung der Notfallpatienten. • Rettungsassistenten, -sanitäter und -helfer fungieren im bodengebundenen Rettungsdienst zugleich als Fahrer der Rettungsfahrzeuge. • Rettungsassistenten führen bei Notfällen ohne Vitalfunktionsbedrohung die präklinische Patientenversorgung selbstständig durch. ▶ Notkompetenz: • Durchführung bestimmter, vorher abgesprochener ärztlicher Maßnahmen durch Rettungsassistenten. Voraussetzungen sind: – Es liegt eine akut lebensbedrohliche Situation vor (z. B. Herz-Kreislauf-Stillstand). – Es ist kein Arzt unmittelbar verfügbar. – Die Maßnahme ist ohne sicherere Alternativen geboten und wird vom Rettungsassistenten beherrscht. • Wichtige Beispiele sind z. B. die kardiopulmonale Reanimation, eine akute koronare Krise oder ein Asthmaanfall. Hierbei kann im Rahmen der Notkompetenz ggf. Folgendes durchgeführt werden: – Venenzugang und Beginn einer Infusionstherapie (Elektrolytlösung). – Intubation und Beatmung (ohne Relaxanzien!).

Leitender Notarzt ▶ Alarmierungsindikation: Großschadensereignis bzw. Massenunfall, wenn am Schadensort eine Koordination der ärztlichen Tätigkeiten erforderlich ist (s. S. 274). ▶ Voraussetzungen/Qualifikationen (Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin; DIVI): • Fachkundenachweis Rettungsdienst. • Langjährige und anhaltende Tätigkeit im Rettungsdienst. • Abgeschlossene Weiterbildung in einem Fachgebiet mit intensivmedizinischer Tätigkeit. • Detaillierte Kenntnisse der regionalen Rettungs- und Krankenhausstruktur. • Erfolgreiche Teilnahme an einem 40-stündigen Fortbildungsseminar. ▶ Bestellung durch Innenministerium des jeweiligen Landes. ▶ Aufgaben: • Leitung, Koordination und Überwachung aller medizinischen Maßnahmen am Schadensort. • Absprache mit dem Organisatorischen Leiter Rettungsdienst (OrgL, s. S. 4), der für die technische Rettung zuständig ist. • Beratung der technischen Einsatzleitung. • Lagebeurteilung: – Zahl der Verletzten/Erkrankten? – Art der Schädigung? – Fortbestehende Gefährdung? – Eigengefährdung? – Versorgungskapazität am Schadensort ausreichend? – Transportkapazität ausreichend? – Versorgungskapazität der Krankenhäuser ausreichend? • Bildung und Einsatz von Arbeitsgruppen: Bestehend aus Notärzten, Rettungsassistenten, Rettungssanitätern, Mitgliedern einer SEG (schnelle Eisatzgruppe, s. u.) und/oder Laienhelfern. • Sammeln und Sichten der Verletzten (Triage, s. S. 7): Erfolgt auf provisorischen Verletztensammelplätzen, deren Natur von den örtlichen Gegebenheiten und der Witterung abhängt, z. B. Turnhallen, Felder oder Zelte. • Festlegung der Behandlungsprioritäten (Triage, s. u.): ▶ Beachte: Behandlungspriorität wiederholt überprüfen! ■ • Festlegung der Transportziele. Einzelne Krankenhäuser nicht mit Patienten überlasten! Regel bei vielen Verletzten: – Schwerverletzte Patienten in nahe gelegene, geeignete Krankenhäuser. – Leichtverletzte Patienten in weiter entfernte Krankenhäuser. • Beurteilung des Nachschubbedarfs: Material (Infusionen, Medikamente, Verbandsmaterial) und Personal. • Eindeutige Identifikation der Patienten ermöglichen, z. B. durch Armbänder, Anhängekarten oder – ganz einfach und in unübersichtlichen Situationen zu bevorzugen – durch Zahlenmarkierung auf Stirn oder Brust mit einem dicken Filzschreiber. • Medizinische Dokumentation: Am besten auf Vordrucken des Roten Kreuzes o. Ä. • Delegierung medizinischer Maßnahmen an nichtärztliches Personal wie Rettungsassistenten/-sanitäter und Laien.

1 Grundlagen der Rettungsmedizin

1.2 Rettungsmedizinisches Personal

– Defibrillation mit AED. – Medikamentengabe, z. B. Nitrate (Spray, Kapseln) bei Angina pectoris, Kortikosteroide (Spray) bei Reizgasinhalation, Fenoterol (Spray) bei Bronchospasmus bzw. Asthmaanfall, Diazepam (Rectiolen) bei Krampfanfällen im Kindesalter, Glukose 40–50 % bei akuter Hypoglykämie (nach vorheriger Blutzuckeruntersuchung). Nach Einweisung der Rettungsassistenten müssen die Medikamente vom ärztlichen Leiter Rettungsdienst freigegeben werden.

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Grundlagen der Rettungsmedizin

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1.3 Rettungsmittel

• Normalerweise keine aktive und unmittelbare Teilnahme an der Patientenversorgung.

▶ Beachte: Bei einem Massenanfall von Verletzten übernimmt der ersteintreffende ■

Notarzt die Funktion des Leitenden Notarztes bis der Leitende Notarzt eintrifft (Fortführen der Funktion je nach Absprache).

Ärztlicher Leiter Rettungsdienst ▶ Für Management und medizinische Qualität der rettungsdienstlichen Patientenversorgung verantwortlicher Arzt, der einer an der notärztlichen Versorgung beteiligten Abteilung des Krankenhauses angehört. ▶ Voraussetzungen/Qualifikation: • Abgeschlossene Weiterbildung in einem Fachgebiet mit Bezug zur Notfallmedizin. • Fachkundenachweis Rettungsdienst. • Ausbildung als Leitender Notarzt (S. 3). • Langjährige Tätigkeit als Notarzt. ▶ Bestellung durch die für den Rettungsdienst zuständige Behörde. ▶ Weisungsbefugnis: • Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst ist in medizinischen Fragen gegenüber der zuständigen Rettungsorganisation und dem nichtärztlichen Personal weisungsbefugt. • Er ist gegenüber den Notärzten weisungsbefugt.

Organisatorischer Leiter Rettungsdienst (OrgL) ▶ ▶ ▶ ▶

Im Rettungsdienst erfahrene Person. Unterstützung des Leitenden Notarztes beim Einsatz. Übernahme organisationstechnischer Führungs- und Koordinierungsaufgaben. Zu Beginn übernimmt einer der ersteintreffenden Rettungsassistenten diese Funktion (z. B. NEF-Fahrer).

Schnelle Einsatzgruppe (SEG) ▶ Schnell verfügbare Gruppe geschulter medizinischer Hilfskräfte. ▶ Einsatz bei Großschadensereignis. ▶ Erreichbarkeit rund um die Uhr, Eintreffen am Einsatzort innerhalb von ca. 30 min nach Alarmierung. ▶ Materialbeschaffung (z. B. Aufnahme eines Großschadenssets in der Klinik), Zeltaufbau, Unterstützung des Rettungsdienstes vor Ort, Betreuung und Abtransport verletzter Personen. ▶ Untersteht am Notfallort den Weisungen des Leitenden Notarztes.

1.3 Rettungsmittel Krankentransportwagen (KTW) ▶ Besatzung: • Mindestens 1 Rettungssanitäter. • Zusätzlich 1 weiterer Rettungshelfer/-sanitäter. ▶ Aus Platz- und Ausstattungsgründen nur eingeschränkte Versorgungsmöglichkeit. ▶ Einsatzindikation: • Transport von Patienten ohne Vitalfunktionsstörungen. • Kein routinemäßiger Einsatz im Rettungsdienst. • Rettungsmedizinischer Einsatz nur in besonderen Situationen (z. B. Großschadensereignis, S. 7).

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Rettungswagen (RTW) ▶ Besatzung: • Mindestens 1 Rettungsassistent. • Zusätzlich 1 weiterer Rettungshelfer/-sanitäter. ▶ Einsatzindikation: • Akuter Notfall ohne offensichtliche Vitalfunktionsbedrohung. • Zusätzlich zum Einsatz eines NEF oder RTH. ▶ Versorgungsmöglichkeiten: Sicherung der Vitalfunktionen und Notfallbehandlung. • Größerer Innenraum als im KTW, daher besserer Zugang zum Patienten (von allen Seiten). • Ausreichende medikamentöse und nichtmedikamentöse Ausstattung entsprechend DIN. • Zusätzlich transportabler Notfallkoffer mit den wichtigsten Instrumentarien und Medikamenten zur Behandlung außerhalb des RTW.

1 Grundlagen der Rettungsmedizin

1.3 Rettungsmittel

Der Begriff „Krankenwagen“ sollte möglichst nicht verwendet werden (missverständlich, da von Laien oft stellvertretend für alle Rettungsmittel gebraucht).

▶ Beachte: ■

Notarztwagen (NAW) ▶ Besatzung: • Fahrer (Rettungsassistent/-sanitäter/-helfer). • Rettungsassistent. • Notarzt. ▶ Einsatzindikation: Akute Bedrohung der Vitalfunktionen. ▶ NAW = arztbesetzter RTW: Ein entsprechendes Fahrzeug kann als NAW und als RTW eingesetzt werden. ▶ Einsatz im sog. Stationssystem: Der Notarzt gelangt mit dem NAW zum Notfallort.

Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) ▶ Besatzung: • Fahrer (möglichst Rettungsassistent). • Notarzt. ▶ Aufgabe: Bringt den Notarzt zum Notfallort. ▶ Einsatz im sog. Rendezvoussystem: NEF trifft sich mit dem RTW an der Notfallstelle. ▶ Ausstattung: • Notfallkoffer (Ausstattung s. Anhang) und weiteres Rettungsmaterial zur Patientenversorgung außerhalb des Wagens. • Patiententransport im NEF nicht möglich.

Rettungshubschrauber (RTH) ▶ Standorte in Deutschland: s. Anhang 509, S. 509. ▶ Besatzung: 1–2 Piloten, 1 Notarzt, 1 Rettungsassistent. ▶ Versorgungsgebiet: • Radius von etwa 50 km um den Standort herum (Stützpunkte der Luftrettung in Deutschland). • Entspricht maximal 10–15 min Flugzeit. ▶ Einsatzarten: • Primäreinsatz: RTH fliegt direkt zum Notfallort. • Sekundäreinsatz: Verlegungsflug von Krankenhaus zu Krankenhaus. ▶ Einsatzindikation: Der RTH kann die Notfallstelle schneller erreichen kann als ein NAW/NEF. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich um traumatologische oder nichttraumatologische Notfälle handelt. ▶ Vorteile des RTH: • Schnelligkeit. 5

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1.4 Schadenskategorien

Grundlagen der Rettungsmedizin

• Möglichkeit des Erreichens abgelegener, für die bodengebundene Rettung schwer oder gar nicht zugänglicher Regionen. ▶ Nachteile des RTH: • Patientenversorgung während des Transports erschwert: – Beengte räumliche Verhältnisse. – Patient schwerer zugänglich. – Sehr laut. – Erschwerte Möglichkeit der Transportunterbrechung, um wichtige Interventionen durchzuführen. • Sicht- und Wetterabhängigkeit der Luftrettung: – Einsatz stets unter Sichtflugbedingungen. – Normalerweise keine Primäreinsätze in der Nacht. – Keine Flugmöglichkeit bei Nebel oder schlechter Sicht aus anderen Gründen. ▶ Gefahren des RTH: • Lebensgefahr durch laufende Rotoren! • Gefahr beim Landen und Starten besonders durch (Hochspannungs)leitungen.

Weitere Rettungsmittel ▶ Siehe auch S. 15. ▶ Notwendig zur Bewältigung besonderer Situationen. ▶ Löschfahrzeuge: Entsendung bei Meldung eines Brandes zusammen mit den Rettungsmitteln zur Notfallstelle. ▶ Rüstwagen: Notwendig bei schweren Verkehrsunfällen mit eingeklemmten Personen. Verfügen über hydraulische Rettungsscheren und Spreizer zur Befreiung eingeklemmter Personen aus dem Wrack. ▶ Drehleiter: Zur Rettung aus großer Höhe.

1.4 Schadenskategorien Rettungsdienstlicher Notfall ▶ Definition: Unvermittelte schwere körperliche oder geistige Gefährdung eines einzelnen Menschen durch Krankheit, Vergiftung oder Verletzung. ▶ Charakteristika: • Fachgerechte, sofortige individualmedizinische Versorgung möglich. • Bewältigung des Notfalls mit den Mitteln des regionalen Rettungsdienstes möglich. • Kein Rückgriff auf personelle und materielle Reserven erforderlich.

Massenanfall von Verletzten (ManV) ▶ Definition: Notfall mit einer größeren Anzahl von Verletzten oder Erkrankten sowie anderen Geschädigten oder Betroffenen. Versorgung mit der vorhandenen und einsetzbaren Vorhaltung des Rettungsdienstes aus dem Rettungsdienstbereich möglich (DIN 13050: 2002-09). (Bsp.: Verkehrsunfall mit mehreren Verletzten.) ▶ Charakteristika: • Zeitliche und örtliche Begrenzung. • Keine Zerstörung der regionalen Infrastruktur. • Überschaubare Anzahl verletzter oder erkrankter Personen. • Individualmedizinische Versorgung zunächst oft nur eingeschränkt möglich. • Koordination der medizinischen und technischen Einsatzkräfte vor Ort erforderlich. • Indikation für Leitenden Notarzt (s. S. 3) als medizinischer Koordinator. • ManV-Konzepte werden von den Kreisen erstellt und regeln den Ablauf.

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1.4 Schadenskategorien

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▶ Definition: Bezeichnet ein Ereignis mit einer so großen Anzahl von Verletzten oder Erkrankten sowie anderen Geschädigten oder Betroffenen, dass es mit der vorhandenen und einsetzbaren Vorhaltung des Rettungsdienstes aus dem Rettungsdienstbereich nicht bewältigt werden kann (DIN13050: 2002-9). ▶ Charakteristika: • Zeitliche und örtliche Begrenzung. • Keine Zerstörung der regionalen Infrastruktur. • Große Anzahl verletzter oder erkrankter Personen. • Rückgriff auf Ressourcen anderer Rettungsdienstbereiche erforderlich. • Individualmedizinische Versorgung zunächst oft nur eingeschränkt möglich. • Koordination der medizinischen und technischen Einsatzkräfte vor Ort erforderlich. • Indikation für Leitenden Notarzt (s. S. 3) als medizinischer Koordinator.

Grundlagen der Rettungsmedizin

Großschadensereignis

Katastrophe ▶ Definition: Außergewöhnlich schwerwiegendes und umfangreiches Ereignis mit Gefährdung von Leben und Gesundheit sehr vieler Menschen. (Bsp.: Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen, Nuklearunfälle.) ▶ Charakteristika: • Zerstörung der regionalen Infrastruktur. • Kann mit regional verfügbaren Kräften nicht bewältigt werden. • Schadensereignis zeitlich und/oder örtlich schwer abzugrenzen. • Schadensereignis wird durch zuständigen Hauptverwaltungsbeamten zur Katastrophe erklärt. • Bewältigung des Schadensereignisses durch den Katastrophenschutz. • Individualmedizinische Versorgung meist nicht möglich.

Triage (Sichtung) ▶ Vorhandene Kapazität an Ärzten, nichtärztlichen Helfern und Transportmitteln so nutzen, dass der größtmöglichen Anzahl an Patienten die bestmögliche Hilfe zuteil wird. ▶ Rasche Sichtung (Anhaltspunkt: max. 2 min/Patient) und Einteilung der Patienten in verschiedene Behandlungskategorien (s. Tab. 1.1). Patienten mit geeigneten Sichtungskarten versehen. ▶ Zuordnung in kürzeren Abständen überprüfen und ggf. modifizieren. ▶ Mögliches Vorgehen (pro Patient nicht mehr als 2 min): • Kurzanamnese mit Beurteilung der individuellen Begleitumstände bei grundsätzlich bekannter Schadenslage. • Überprüfen von Bewusstseinslage und Schmerzäußerungen. • Orientierende Untersuchung von Atmung und Kreislauf → Palpation des Pulses, RR-Messung (Delegation an Rettungsassistent), Auskultation der Lunge, insbesondere bei Atemnot. • Thorax- und Beckenkompression. • Bewegen bzw. Palpieren von Extremitäten. ▶ Im Anschluss an die Sichtung Entscheidung über die Transportpriorität: • Hohe Transportpriorität → a. • Niedrige Transportpriorität →b. ▶ Schnellsichtung: • Bei ManV bleibt oftmals keine Zeit für eine ausführliche Sichtung. • Daher zunächst Schnellsichtung mit folgender Kennzeichnung: – Rotes Klettband: Schwerverletzte Patienten, die so schnell wie möglich aus dem Schadensraum gerettet und behandelt werden müssen (entspricht Kategorie 1 [ggf. + 4]). 7

Grundlagen der Rettungsmedizin

1

1.5 Rechtsmedizinische Aspekte Tab. 1.1 • Sichtungsschema nach Konsensus-Konferenz des BMI, 2002. Farbkodierung

Kategorie

Beschreibung (Beispiel)

Behandlungspriorität

rot

1

akute, vitale Bedrohung (Spannungspneumothorax → Thoraxdrainage; akute respiratorische Insuffizienz → Intubation, Beatmung; Abdominaltrauma mit Schockentwicklung → zügiger Transport)

dringliche Sofortbehandlung und/oder zügiger Transport

gelb

2

schwer verletzt, aber zunächst keine akute Vitalbedrohung (größere Weichteilverletzungen, Oberschenkelfraktur, Abdominaltrauma ohne Schock)

dringliche Behandlung

grün

3

leicht verletzt (Unterschenkelfraktur, leichte Verbrennungen), gehfähige Patienten

keine dringliche Behandlungsindikation

blau

4

ohne Überlebenschance (weite, lichtstarre Pupillen nach SchädelHirn-Trauma mit Hirnaustritt)

humanitäre Betreuung

Tot

Kennzeichnung

schwarz

Kategorie 4 kommt nur nach Ausrufung des Katastrophenalarms durch den Regierungspräsidenten zum Tragen. Bei einem Massenanfall von Verletzten und erhaltener Infrastruktur sollte eine Behandlung der Patienten der Kategorie 4 möglich sein, da eine Einschätzung der Prognose vor Ort extrem schwierig ist, sodass Kategorie 4 üblicherweise Kategorie 1 zugeordnet wird.

– Weißes Klettband: Alle anderen (Kategorie 2–3 [4]) einschließlich Unverletzter und Verstorbener. Bedeutung: Sichtung hat stattgefunden, keine Behandlungspriorität. • Die eigentliche reguläre Sichtung ist baldmöglichst nachzuholen z. B. in der Patientenablage oder Rettungsstation. Der Patient erhält dann eine Anhängekarte anstelle des Klettbandes.

1.5 Rechtsmedizinische Aspekte Arzt-Patient-Vertrag ▶ Mit dem Beginn der Behandlung eines Notfallpatienten geht der Notarzt mit diesem stillschweigend einen Dienstvertrag ein, der Folgendes beinhaltet: • Gewissenhafte Untersuchung. • Sorgfältige Behandlung nach vorheriger Aufklärung über deren Risiken. • Anfertigung adäquater ärztlicher Aufzeichnungen (z. B. Einsatzprotokoll). • Ggf. Ausstellung von Zeugnissen und Attesten (im Rettungsdienst jedoch unüblich).

Aufklärung und Einwilligung ▶ Aufklärungspflicht besteht auch im Rettungsdienst: Bewusstseinsklare, einwilligungsfähige Patienten müssen grundsätzlich immer über alle geplanten Maßnahmen und Eingriffe (s. u.) angemessen aufgeklärt werden und ihr Einverständnis geben. 8

1 Grundlagen der Rettungsmedizin

1.5 Rechtsmedizinische Aspekte

▶ Ausnahmen: Eine Aufklärung braucht nicht zu erfolgen bei nicht einwilligungsfähigen Patienten (Geschäftsführung ohne Auftrag, s. u.). ▶ Die Aufklärung kann umso knapper erfolgen: • Je dringlicher der Eingriff. • Je geringer das Risiko. ▶ Modus der Aufklärung: Im Rettungsdienst in der Regel mündlich, am besten in Anwesenheit von Zeugen (z. B. Rettungspersonal). ▶ Einwilligung: • Für jeden ärztlichen Eingriff, auch im Rettungsdienst, grundsätzlich erforderlich. • Nur ein ausreichend aufgeklärter Patient kann rechtswirksam einwilligen. ▶ Ablehnung von Behandlung/Transport: • Wenn bewusstseinsklare Patienten ohne erkennbare Einschränkung der Einsichts- und Einwilligungsfähigkeit eine nach ärztlicher Ansicht gebotene Behandlung ablehnen, so ist dies immer, also auch im Rettungsdienst zu respektieren. • Je bedrohlicher die Erkrankung des Patienten ist, desto stärker muss der Arzt dem Patienten die Folgen seiner Behandlungs-/Transportverweigerung vor Augen führen! • Eine Ablehnung der Behandlung und/oder des Transports in die Klinik ist entsprechend (am besten zeugenschaftlich) zu dokumentieren. • Wenn möglich, Patienten einen entsprechenden im NAW vorgehaltenen Vordruck unterschreiben lassen, z. B. mit dem Wortlaut: „Ich lehne den medizinisch notwendigen Transport in die Klinik und eine weitergehende ärztliche Behandlung gegen ausdrücklichen Rat des Notarztes ab. Ich bin auf die möglichen, u. U. lebensbedrohlichen Folgen meiner Entscheidung hingewiesen worden. ▶ Beachte: ■ • Ohne Einwilligung ist jeder Eingriff eine Körperverletzung im Sinne der §§ 223ff StGB und § 823 BGB. • Auch rettungsdienstliche ärztliche Hilfe gebietet Beachtung aller Kriterien der Sorgfaltspflicht.

Geschäftsführung ohne Auftrag ▶ Voraussetzungen: • Unaufschiebbare Behandlungsnotwendigkeit. • Einwilligung nicht möglich, z. B.: – Aufgrund von Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit. – Bei Verwirrtheitszuständen oder Geisteskrankheit (auch durch Schock oder Alkohol- und Drogeneinwirkung). – Bei Minderjährigen oder unter Betreuung stehenden Patienten, ohne Anwesenheit der Eltern bzw. des Betreuers. ▶ Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen: • Gilt die grundsätzliche Annahme, dass ärztliche Hilfe dem Willen des Patienten entspricht. • Bedarf es keiner Einwilligung zum ärztlichen Eingriff. • Muss die Behandlung auch dann erfolgen, wenn vor dem Bewusstseinsverlust vom Patienten ärztliche Behandlung abgelehnt oder der Wille zum Sterben geäußert wurde (z. B. Abschiedsbrief bei Suizidversuch). ▶ Neue gesetzliche Regelungen hinsichtlich Patientenverfügungen stärken deren Verbindlichkeit. ▶ Prinzipiell müssen Patientenverfügungen, welche die Behandlung begrenzen, beachtet werden. Es obliegt der Einschätzung des Notarztes, ob die Behandlung durchgeführt werden soll. Die Entscheidungszeit (insbesondere bei Reanimationen) ist extrem kurz, sodass sich der Notarzt i. A. für eine Reanimation entscheidet, wenn keine in naher Zukunft zum Tode führende Grunderkrankung vorliegt (z. B. Tumor im Endstadium), oder eine Patientenverfügung eine Reanimation klar untersagt. ▶ Gesetzliche Grundlage: §§ 677–681 BGB. 9

Grundlagen der Rettungsmedizin

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1.5 Rechtsmedizinische Aspekte

Vorläufige Unterbringung (Zwangseinweisung) ▶ Definition: Zwangsweise Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses. ▶ Indikation: Vorliegen folgender Symptome/Situationen, die anderweitig nicht adäquat therapiert bzw. bewältigt werden können: • Akute Erregungs- und Verwirrtheitszustände (Agitiertheit, Delir). • Drohende Selbstgefährdung, z. B. bei geplantem Suizidversuch oder manifester Drogen- oder Alkoholabhängigkeit. • Drohende Fremdgefährdung. ▶ Vorgehen, wenn ein Patient von der Notwendigkeit der Einweisung in die Klinik nicht überzeugt werden kann: • Polizei verständigen. • Diese nimmt auf der Grundlage der Empfehlungen des Notarztes (jedoch grundsätzlich nach eigenem Ermessen) die Unterbringung in der psychiatrischen Klinik auch gegen den Willen des Patienten vor. • Gewaltanwendung gegenüber dem Patienten nur durch Polizei! (Ausnahmen: In Notwehrsituationen oder akuter Lebensgefahr für den Patienten). ▶ Richterlicher Beschluss zur Einweisung muss spätestens am Tag nach der vorübergehenden Unterbringung vom für die stationäre Behandlung verantwortlichen Arzt eingeholt werden. ▶ Einzelheiten regeln die im Detail unterschiedlichen Unterbringungsgesetze der einzelnen Bundesländer.

Leichenschau ▶ In Deutschland ist die Leichenschau grundsätzlich ärztliche Aufgabe, jedoch nicht unbedingt Aufgabe des Notarztes. In einzelnen Bundesländern abweichende Regelungen zu den Aufgaben des Notarztes bei der Leichenschau. ▶ Mögliche Situationen, in denen der Notarzt mit der Notwendigkeit einer Todesfeststellung bzw. Leichenschau konfrontiert wird: • Patient bei Eintreffen des Notarztes bereits tot. Der Notarzt ergreift keine therapeutischen Maßnahmen. • Erfolglose Reanimation bei leblos aufgefundenen Patienten. • Tod des Patienten während des Einsatzes. ▶ Todesbescheinigungen: • Sind von dem Arzt auszufüllen, der die Leichenschau durchgeführt hat. • Sind im NAW, auf der Rettungswache oder im Standortkrankenhaus vorzuhalten. • Weichen im Detail bundeslandabhängig voneinander ab; es gibt (z. Zt.) keine bundeseinheitlichen Totenscheine. ▶ Maßnahmen des (Not)Arztes bei der Leichenschau und ggf. Vermerk auf dem Leichenschauschein: • Feststellung des Todes. • Feststellung des Todeszeitpunkts. • Feststellung der Todesursache. • Feststellung der Todesart.

Feststellung des Todes ▶ Grundsätzliches: • Der Tod wird grundsätzlich festgestellt bei irreversiblem Aussetzen von Kreislauf, Atmung und Hirnfunktion. • Der isolierte Hirntod kann präklinisch nicht festgestellt werden, sondern nur auf der Intensivstation einer Klinik. ▶ Unsichere Todeszeichen: Zeichen des „klinischen Todes“: • Atemstillstand: Keine sichtbare Atemtätigkeit. • Kreislaufstillstand: Pulslosigkeit. 10

1 Grundlagen der Rettungsmedizin

1.5 Rechtsmedizinische Aspekte

• Herzstillstand: Fehlen von Herztönen. • Reflexlosigkeit. • Totenblässe der Haut. ▶ Beachte: Unsichere Todeszeichen reichen allein nicht aus, um den Tod festzustellen! ■ ▶ Sichere Todeszeichen: • Totenflecken: Frühes Todeszeichen. – Auftreten 30–60 min nach Eintritt des Todes an den abhängigen Körperpartien. – Wegdrückbarkeit bis zu 12–36 h nach Eintritt des Todes (länger bei Kälte, kürzer bei Wärme). ▶ Cave: Verwechslung mit Hämatomen, Dekubitus! ■ • Totenstarre: Frühes Todeszeichen. – Auftreten 1–2 h nach Todeseintritt, meist am Kiefergelenk beginnend. – Volle Ausprägung nach etwa 6–12 h (Variationsbereich: 2–20 h!). – Rückbildung 36–48(–96) h nach Eintritt des Todes (verzögert bei Kälte, beschleunigt bei Wärme). • Leichenfäulnis: Spätes Todeszeichen. – Eintritt je nach äußeren Umständen (Wärme, Feuchtigkeit) Stunden bis Tage nach Eintritt des Todes. – Evtl. gänzliches Ausbleiben der nassen Leichenfäulnis (Mumifizierung). • Mit dem Leben unvereinbare Verletzungen, z. B.: – Dekapitation. – Zertrümmerung von Schädel und Gehirn. – Zerstückelung. – Einäscherung. ▶ Formelle Todesfeststellung: • Aufgrund klinischer Untersuchung nur bei Vorliegen eines sicheren Todeszeichens! • Niemals nur aufgrund von Zeichen des klinischen Todes! Gegebenenfalls Zusatzuntersuchungen, z. B. EKG, vornehmen oder Eintreten früher sicherer Todeszeichen abwarten. ▶ Praktisches Vorgehen bei noch nicht ausgeprägten sicheren Todeszeichen: Kann der Notarzt bei gerade verstorbenen Patienten nicht warten, bis sichere Todeszeichen auftreten, so gibt es folgende Möglichkeiten: • Ein anderer Arzt (z. B. der Hausarzt) stellt später den Tod fest und füllt den Totenschein aus. • Der Notarzt stellt den Tod bei sicherem Vorliegen aller klinischen Todeszeichen und sicher über 5–10 min abgeleitetem Nulllinien-EKG fest. ▶ Cave Scheintod! Besondere Vorsicht mit der Todesfeststellung ist geboten bei: • Neugeborenen. • Unterkühlten Patienten. • Exsikkierten Patienten. • Intoxikierten Patienten; vor allem Barbituratintoxikationen. • Patienten mit Herzschrittmachern. Wichtig! ▶ Niemals darf der Tod vorschnell festgestellt werden! Im Zweifelsfall muss das Eintreten sicherer Todeszeichen abgewartet werden. ▶ Bei Zeichen des klinischen Todes (unsichere Todeszeichen) muss unverzüglich die Indikation zur kardiopulmonalen Reanimation geprüft werden!

Feststellung des Todeszeitpunkts ▶ Beobachteter Tod unter laufender EKG-Ableitung: Todeszeitpunkt = Beginn der Asystolie. 11

Grundlagen der Rettungsmedizin

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1.5 Rechtsmedizinische Aspekte

▶ Tod unter Reanimation: • Zwischenzeitliche Erzielung von elektrischen und mechanischen spontanen Herzaktionen (tastbarer Puls): Todeszeitpunkt = Beginn der definitiven Asystolie. • Keine Erzielung elektrischer und mechanischer spontaner Herzaktionen: Todeszeitpunkt liegt vor dem Beginn der Reanimation. ▶ Keine Beobachtung des Todeseintritts: Exakte Feststellung des Todeszeitpunkts grundsätzlich schwierig, insbesondere für den Notarzt. Hinweise ergeben sich u. a. aus: • Befragung von Angehörigen oder Augenzeugen. • Konstellation der Todeszeichen. • Körpertemperatur, sofern tief rektal (8–10 cm ab ano) gemessen: Temperaturabfall zunächst um etwa 1°C/h, nach der 4. h um ca. 0,5°C/h (verzögerte Abkühlung in warmer Umgebung, beschleunigter Temperaturabfall in kalter Umgebung). • Supravitale Reaktionen: – Pupillenreaktion: Einträufeln pupillenverengender (β-Blocker, Pilocarpin) oder pupillenerweiternder Augentropfen (Atropin, Adrenalin) führt bis ca. 4–5 h nach Todeseintritt zu einer entsprechenden Pupillenreaktion. Mit Pilocarpin sogar noch bis zu 21 h nach Todeseintritt! – Mechanische Muskelerregbarkeit: Auslösung eines muskulären Wulstes nach kräftigem Beklopfen der Muskulatur bis zu ca. 6 h nach Todeseintritt. (Vorgehensbeispiel: Schlag mit einem stumpfen Messerrücken auf die Oberschenkelstreckmuskulatur.) ▶ Beachte: Im Zweifel Rechtsmediziner zu Rate ziehen! ■

Feststellung der Todesursache ▶ Grundsätzliche Probleme: • Der Notarzt kennt den Patienten und seine genaue Vorgeschichte meist nicht. • Selbst bei Tod eines Patienten mit bekanntem, schwerem chronischen Leiden (z. B. Herzinsuffizienz NYHA III und IV) kann ein Tötungsdelikt (z. B. Vergiftung) durch klinische Untersuchung allein nie sicher ausgeschlossen werden. • Die genaue Todesursache bleibt daher ohne Obduktion meist mehr oder weniger spekulativ. Die Rate an Fehldiagnosen (gemessen an den späteren Obduktionsergebnissen) liegt > 60 %, selbst bei Versterben in einer Universitätsklinik noch bei 50 %! • Der Notarzt kann eine Obduktion nicht anordnen; er kann jedoch durch Bescheinigung einer nicht aufgeklärten Todesursache eine polizeiliche Ermittlung initiieren (s. u.). • Dennoch wird vom Notarzt (bzw. dem die Leichenschau durchführenden Arzt) z. Zt. noch in den meisten Bundesländern verlangt, bei Bescheinigung eines natürlichen Todes die Todesursache auf dem Totenschein zu vermerken. ▶ Feststellung der Todesursache stützt sich auf: • Körperliche Untersuchung bzw. Leichenschau. • Angaben des Hausarztes. • Umstände des Todes. • Indirekte Schlussfolgerungen aus eingenommenen Medikamenten. • Angaben der Angehörigen bzw. Schilderungen der Symptome vor Todeseintritt durch Augenzeugen (Cave: Möglichkeit der bewussten Falschaussage zwecks Verdeckung einer Straftat!). ▶ Untersuchung des Patienten zur Todesursachen- und Todesartfeststellung: • Patienten unbedingt vollständig entkleiden und dann von oben bis unten und von vorne und hinten inspizieren! • Besonders achten auf: – Einstichstellen (alle Pflaster und Verbände entfernen!). – Strangulationsmarken am Hals. – Kratzspuren an Hals und Gesicht. 12

Feststellung der Todesart ▶ Entscheidung zwischen folgenden möglichen Todesarten, basierend auf dem Ergebnis der Leichenschau (in einzelnen Bundesländern wird abweichend verfahren): • Natürlicher Tod: Jeder Tod, der auf eine natürliche Erkrankung zurückzuführen ist. Diese Erkrankung muss im Leichenschauschein benannt werden und ein plausibler Grund für den Todeseintritt sein. • Nicht natürlicher Tod: Jeder Tod, der auf eine äußere (Gewalt)Einwirkung zurückzuführen ist. – Beispiele sind Tod durch Unfall, Vergiftung, Suizid, Mord. – Der Zeitraum zwischen Gewalteinwirkung und Tod ist dabei unerheblich; er kann Sekunden bis Jahre betragen. – Auch der Tod aus innerer Ursache, der in kausalem Zusammenhang mit einer äußeren Gewalteinwirkung steht, ist zeitunabhängig (also auch noch Jahre nach Gewalteinwirkung) als nicht natürlicher Tod zu klassifizieren (z. B. Lungenembolie/Pneumonie nach Trauma). • Nicht aufgeklärter Tod (Todesursache unklar): Eine natürliche Todesursache kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden. • Natürlicher Tod nach Unglücksfall (ggf. als weitere Rubrik): Tod in zeitlichem Zusammenhang mit einem Unglücksfall, jedoch aufgrund einer natürlichen Todesursache und ohne kausalen Bezug zum vorausgegangenen Unfall. ▶ Die Klassifikation nicht natürlicher Tod oder Todesursache unklar beinhaltet keine Wertung über mögliches Fremdverschulden. Die Klärung der Schuldfrage ist Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Der Notarzt muss im Falle einer möglichen Straftat – wie jeder andere Bürger auch – im Rahmen seiner Möglichkeiten sicherstellen, dass keine weiteren Veränderungen am möglichen Tatort eintreten. Dennoch darf ein evtl. Folgeeinsatz nicht mit dem Hinweis auf Sicherstellung des Tatortes abgelehnt werden, da die Rettung von Leben ein höherwertiges Rechtsgut als die Erleichterung einer möglichen Strafverfolgung darstellt. ▶ Information der Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft z. B. telefonisch über 110: • Bei jedem nicht natürlichen Tod. • Bei jedem nicht aufgeklärten Tod. • Bei jeder unidentifizierten Leiche. ▶ Entscheidung des Staatsanwaltes über rechtsmedizinische Untersuchung und Obduktion. ▶ Beachte: Niemals darf sich der Notarzt von Angehörigen des Toten (die in der Hinzu■ ziehung der Polizei oft eine ungehörige Zumutung sehen) oder von Angehörigen der Ermittlungsbehörden (die vermeintlich unnötige Arbeit befürchten) gegen seine ärztliche Überzeugung zur Bescheinigung einer „natürlichen Todesursache“ überreden lassen!

1 Grundlagen der Rettungsmedizin

1.5 Rechtsmedizinische Aspekte

– Abwehrverletzungen an Händen (Handflächen) und Fingern. – Strommarken. – Punktförmige Bindehautblutungen bei gewaltsamen Erstickungsarten.

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Allgemeine Techniken

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2.1 Retten und Bergen

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Allgemeine Techniken

2.1 Retten und Bergen Grundlagen ▶ Schon beim Eintreffen am Notfallort auf Eigengefährdung achten: • Straßenverkehr, Brand, Hochspannungsleitung u. a. • Eigengefährdung für die Retter bedeutet auch Gefährdung für den Patienten (wenn die Gefährdung nicht vom Patienten ausgeht). • Gefährdung kann auch bei nichttraumatologischen Notfällen vorliegen, z. B. Kohlenmonoxid infolge defekter Heizanlage bei bewusstlosem Patienten. • Schutzkleidung dient dem Eigenschutz der rettenden Personen (Schutzhelme, Atemschutzanzüge, etc.) ▶ Auf Umgebung achten: • Herumliegende Getränkeflaschen (Alkoholika, Pflanzenschutzmittel, Putzmittel). Bei Verdacht auf Intoxikation Asservierung der Flaschen. • Tablettenschachteln bei Intoxikation oder Suizid(versuch). • Insulin bei Hypoglykämie. • Lebensmittel (z. B. pontischer Honig bei schweren Kreislaufsymptomen nach Genuss desselben). ▶ Hilfsbedürftigkeit des Patienten erkennen (insbesondere psychisch kranke oder demente Patienten negieren Hilfsbedürftigkeit). Ggf. die Person suchen, die den Notruf abgegeben hat und über die Gründe des Notrufs befragen. ▶ Aufgaben des Notarztes: Der Notarzt muss sich an der Rettung durch Anweisungen und häufig auch durch eigene Mitwirkung beteiligen; er ist jedoch nicht verpflichtet, sich selbst in unzumutbare Gefahr zu bringen. ▶ Durchführung der Rettung ohne dem Patienten zusätzlichen Schaden zuzufügen. ▶ Die Rettung so bald wie möglich durch adäquate Schienungs- und Lagerungsmaßnahmen ergänzen. ▶ Anfall von mehreren Verletzten: • Bei Anfall von mehreren Verletzten primär Sichtung aller Verletzten vor Versorgung (s. S. 7). • Nachforderung weiterer Rettungskräfte, Leitender Notarzt erforderlich (s. S. 3)? • Der ersteintreffende Notarzt hat zunächst die Funktion des Leitenden Notarztes bis dieser am Unfallort eintrifft. • Bei Massenanfall von Verletzten besteht die Gefahr, dass leicht verletzte Personen als Erstes abtransportiert werden und die nahe gelegenen Krankenhäuser blockieren, daher ggf. Transportstopp veranlassen (Näheres regeln i. A. die regionalen ManV-Konzepte, s. a. S. 6).

Rautek-Rettungsgriff (s. Abb. 2.1) ▶ Indikation: Beförderung des Patienten aus engen und schwer zugänglichen Bereichen (z. B. dem Fahrerhaus eines Autos) zur Trage oder zum Rettungswagen, wenn kein technisches Hilfsmittel zur Verfügung steht oder benutzt werden kann. ▶ Vorgehen: • Sitzender Patient: – Beide Hüften umfassen und Patient so drehen, dass sein Rücken zum Helfer zeigt. – Von hinten unter beiden Achseln durchgreifen. – Einen Arm abwinkeln und quer vor den Thorax legen. – Abgewinkelten Arm mit beiden Händen umfassen und Patient mit dem Oberschenkel abstützen. – Ein 2. Helfer kann die Beine nehmen. 14

2 Allgemeine Techniken

2.1 Retten und Bergen

Abb. 2.1 • Rautek-Rettungsgriff. (a) Sitzender Patient. (b) Liegender Patient.

• Liegender Patient: – Hinter den Patient treten. – Hinterkopf und Nacken mit beiden Händen umfassen. – Oberkörper aufrichten. – Vornübergebeugten Oberkörper mit einem Knie abstützen. ▶ Gefahren: • Armfrakturen und Rippenfrakturen, besonders bei alten Patienten. • Rückenmarkschädigung bei Wirbelsäulenfraktur. ▶ Beachte: Der Rautek-Rettungsgriff ist nur dann indiziert, wenn eine andere, si■ cherere und für den Patienten bequemere Form des Transports nicht möglich ist!

Rettungsgeräte und Transporthilfsmittel ▶ Rettungsgeräte: Die Rettung mit technischen Rettungsmitteln erfolgt situationsangepasst durch die Feuerwehr unter Absprache mit dem Notarzt. • Einfaches Rettungsgerät: Bergetuch, Rettungsleinen, einfache Leitern u. a. 15

Allgemeine Techniken

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2.1 Retten und Bergen

• Schweres Rettungsgerät: Rüstfahrzeug, Drehleiterfahrzeug, Hubsteiger u. a. zur Rettung aus größeren Höhen. • Hydraulische Rettungsgeräte. ▶ Beachte: Beim Einsatz hydraulischer Rettungsgeräte besteht für Unfallopfer, ■ Notarzt und Rettungspersonal Verletzungsgefahr durch scharfe Blechkanten und Splitter! Schutzmaßnahmen: Einhüllen des Verletzten in Decken; Tragen von Schutzhelmen mit Visier. ▶ Trage: • Eigenschaften moderner Tragen: – Harte Polsterung. – Integriertes ausklappbares Rollgestell, das den Transport auf ebenem Untergrund erleichtert. – Aufstellbares Rückenteil, das den Transport des Patienten auch in einer sitzenden oder halbsitzenden Lage erlaubt. – Im Rettungs-/Notarztwagen besteht die Möglichkeit, die Trage hydraulisch in Kopftief- und Kopfhochlage zu bringen. • Einsatz/Vorgehen: – Der Patient steigt entweder selbst auf die Trage oder wird von Helfern daraufgelegt, z. B. mittels Rautek-Rettungsgriff (s. o.) oder einer Schaufeltrage (s. u.). – Zum Transport des Patienten auf der Trage sind mindestens 2 Helfer, für längere Strecken und schwere Patienten besser 4 Helfer erforderlich. ▶ Beachte: Jeder Patient, der nicht im Stuhl verbleiben kann, muss zum Transport ■ auf der Trage gelagert werden. ▶ Tragestuhl/Tragsessel: • Stuhl mit Tragegriffen vorn und hinten, sowie kleinen Rollen zum Transport über ebenen Grund, er kann im Rettungswagen verankert werden. • Patient verbleibt in sitzender Position. • Erleichtert den Transport sitzfähiger Patienten durch enge Treppenhäuser und Aufzüge. ▶ Notfall-Rettungstuch/Bergetuch: • Tuch aus reißfestem Gewebe, das mit mehren Handgriffen/-schlaufen versehen ist. Dient dem sicheren Transport des Patienten durch mehrere Helfer. • Transport bei beengten Platzverhältnissen und unwegsamem Gelände. • Auch als Einmalartikel verfügbar. ▶ Schaufeltrage (s. Abb. 2.2): • Eine Schaufeltrage besteht aus dünnem, ungepolstertem Aluminium oder Kunststoff und kann in der Längsachse halbiert und wieder zusammengesetzt werden. Sie kann unter den Patienten geschoben werden, ohne dass dieser bewegt werden oder sich aktiv bewegen muss. Dadurch können Sekundärtraumatisierungen und schmerzhafte Bewegungen vermieden werden. Zusätzliche Fixierungsgurte ermöglichen den Transport des Patienten bei erschwerter Rettung. • Vorgehen: – Trage in der Längsachse halbieren. – Beide Hälften von beiden Seiten unter den Patienten schieben und dort wieder zusammenstecken. – Patienten mit der Schaufeltrage auf eine normale Trage oder Vakuummatratze legen. – Dann Schaufeltrage wieder halbieren und unter dem Patienten wegziehen. • Indikation: – Schmerzhafte Verletzungen der Beine, des Beckens oder des Thorax. – Verletzungen der Wirbelsäule, auch schon im begründeten Verdachtsfall. ▶ KED-System (Kendrick-Extrication-Device) (s. Abb. 2.3): • Korsett zur Immobilisation von Rumpf und Wirbelsäule (WS), wenn Schaufeltrage zur Rettung nicht eingesetzt werden kann.

2 Allgemeine Techniken

2.2 Lagerung

Abb. 2.2 • Schaufeltrage: geteilt (a); zusammengesetzt (b).

Abb. 2.3 • KED-System.

• In Verbindung mit Halskrause (z. B. Stifneck) Immobilisation des gesamten oberen Körperbereichs, insbesondere der gesamten WS. • Beispielhaftes Vorgehen zur Rettung einer im PKW eingeklemmten Person. – KED-System vorsichtig zwischen Sitz und Patient schieben und ventralseitig mit Brust, Bauch und Hüftgurten verschnüren. – Kopf und HWS mittels einer Halskrause (z. B. Stifneck) immobilisieren. – Mittels angebrachter Schlaufen kann der Patient mit stabilisierter WS aus dem Fahrzeug gezogen werden.

2.2 Lagerung Rückenlagerung (s. Abb. 2.4) ▶ Untersuchungen, Venenpunktionen, Intubation, Beatmung und Herzdruckmassage werden am besten in Rückenlagerung durchgeführt. ▶ Varianten sind Oberkörperhochlagerung, Flachlagerung und Schocklagerung.

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Allgemeine Techniken

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2.2 Lagerung

▶ Beachte: Die meisten Patienten werden mit erhöhtem Oberkörper (ca. 30°) auf ■

dem Rücken gelagert. ▶ Oberkörperhochlagerung: • Indikationen: – Schädel-Hirn-Trauma. – Apoplex oder (vermuteter) erhöhter intrakranieller Druck. – Stumpfes Bauchtrauma oder akutes Abdomen (mit Knierolle). • Methoden: – Hochlagerung des Oberkörpers um etwa 30° (s. Abb. 2.4d). – Kopfhochlagerung des gesamten Patienten um etwa 15° (Anti-TrendelenburgLagerung). • Wirkprinzipien: – Verbesserung des Abflusses von venösem Blut aus dem Gehirn. – Entspannung des Abdomens bei Hochlagerung des Oberkörpers um 30° und gleichzeitigem Unterlegen einer Knierolle (Abb. 2.4g). • Gefahren: – Blutdruckabfall, besonders bei Hypovolämie. – Zerebrale Minderperfusion bei Hypotonie. Wichtig! Im manifesten Schock ist die Oberkörperhochlagerung kontraindiziert! ▶ Flachlagerung (s. Abb. 2.4b): • Strikte Flachlagerung bei Wirbelsäulenverletzungen. • Patient auf Vakuummatratze z. B. bei Polytrauma. ▶ Schocklagerung: • Indikationen: – Schock, vor allem mit hypovolämischer Komponente. – Hypotensive Krise. • Methoden: – Hochlagerung der Beine um ca. 70–80° (Abb. 2.4c). – Kopftieflagerung des gesamten Patienten um ca. 15° (Trendelenburg-Lagerung, Abb. 2.4f). • Wirkprinzip: Autotransfusion durch Blutvolumenverschiebung (500–1 000 ml) aus der unteren Körperhälfte in die wichtigeren oberen Körperregionen (Herz, Lunge, Gehirn). Unterstützung und Verstärkung der Blutvolumenverschiebung durch Ausstreichen oder Auswickeln der Beine in Richtung Becken. • Gefahr: Durch die Kopftieflage steigt der Hirndruck an; ein Schädel-Hirn-Trauma ist somit eine (relative) Kontraindikation.

Sitzende und halbsitzende Lagerung ▶ Indikationen: • Linksherzinsuffizienz (ohne Schock). • Lungenödem. • Atemnot unterschiedlicher Ursache. ▶ Methoden: • Maximales Hochstellen des Oberteil der Trage (hierdurch wird allerdings meist nur eine halbsitzende Lagerung erzielt, Abb. 2.4e). • Transport des Patienten auf einem Stuhl. • Positionierung des Patienten auf einem Sitz im NAW (statt auf der Trage). ▶ Wirkprinzipien: • Verminderung des venösen Rückflusses zum Herzen, dadurch Senkung der Vorlast. Dies kann zur Entlastung eines insuffizienten Herzens beitragen. Der Effekt wird durch Herabhängenlassen der Beine noch verstärkt. 18

a

b

2 Allgemeine Techniken

2.2 Lagerung

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d

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f

g Abb. 2.4 • Lagerungsarten: Normale Rückenlagerung (a); Flachlagerung (b); Schocklagerung (c); Oberkörperhochlagerung (d); sitzende/halbsitzende Lagerung (e); Trendelenburg-Lagerung (Ganzkörperschräglagerung) (f); Oberkörperhochlagerung mit angezogenen Beinen bei Verletzungen oder Erkrankungen des Abdomens (g).

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Allgemeine Techniken

2

2.2 Lagerung

• Verbesserung der Atmung und Möglichkeit des Einsatzes der Atemhilfsmuskulatur bei Patienten mit Orthopnoe oder Dyspnoe. ▶ Gefahren: • Blutdruckabfall, besonders bei Hypovolämie. • Zerebrale Minderperfusion bei Hypotonie. • Kollabiert ein Patient bei sitzender Lagerung auf einem Stuhl, muss er auf die Trage umgelagert werden (bevor ggf. eine Reanimation begonnen werden kann). Wichtig! Im manifesten Schock und bei schwerer Hypotension ist die sitzende oder halbsitzende Lagerung kontraindiziert!

Seitenlagerung ▶ Es handelt sich um eine Erstmaßnahme, bei der der Patient noch am Notfallort oder auf der Trage auf die Seite gedreht und der Kopf überstreckt wird. ▶ Indikationen: Spontanatmende, bewusstseinsgetrübte oder komatöse Patienten. ▶ Eine besondere Indikation für eine Seitenlagerung besteht bei Patientinnen in der Spätschwangerschaft: • Durch Lagerung auf der (am besten linken) Seite lässt sich die aortokavale Kompression durch den Uterus weitgehend vermeiden (s. a. aortokavales Kompressionssyndrom, S. 372). • Hier reicht meist eine Halbseitenlagerung, z. B. mittels eines unter die rechte Seite geschobenen Kissens. ▶ Ziele: • Offenhalten der Atemwege. • Vermeidung einer Aspiration. ▶ Methoden: Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Patienten stabil auf der Seite zu lagern. Am gebräuchlichsten sind die sog. stabile Seitenlage (im engeren Sinn) und die sog. Erholungsposition. • Stabile Seitenlage: – Der Helfer stellt oder kniet sich auf eine Seite des Patienten. – Die vor ihm liegende Hand wird bei gestrecktem Arm unter das Gesäß des Patienten platziert, der andere Arm auf die Brust gelegt. – Patient wird mit beiden Händen an Schulter und Oberschenkel gefasst und über den gestreckten Arm zu sich auf die Seite gedreht. – Kopf nackenwärts strecken. – Oben liegenden Arm anwinkeln, sodass die Hand als Unterlage für den Kopf dient. – Unten liegenden Arm nach hinten unter dem Patienten wegziehen und anwinkeln. – Unteres Bein abwinkeln, oberes Bein strecken. • Erholungsposition (s. Abb. 2.5): – Der Helfer stellt oder kniet sich auf eine Seite des Patienten. – Der vor ihm liegende Patientenarm wird nach oben abgewinkelt, der andere Arm wird auf die Brust gelegt. – Patient wird mit beiden Händen an Schulter und Oberschenkel gefasst und zum Helfer auf die Seite gedreht. – Kopf nackenwärts strecken. – Oben liegenden Arm anwinkeln, sodass die Hand als Unterlage für den Kopf dient. – Unten liegenden Arm abgewinkelt nach vorne lagern. – Oberes Bein abwinkeln, unteres Bein strecken. 20

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2 Allgemeine Techniken

2.2 Lagerung

b

c

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Abb. 2.5 • Durchführung der Seitenlagerung (Erholungsposition).

▶ Vorteile: • Gefahr der Atemwegsverlegung durch die Zunge in Seitenlage erheblich geringer als in Rücken- und Bauchlagerung. • Erbrochenes kann nach außen abfließen. • Bei gleichzeitigem Schock Kombination mit Schocklagerung möglich. ▶ Nachteile: • Kein wirklich sicherer Schutz vor Aspiration und Atemwegsverlegung. • Eine Beatmung ist kaum möglich. • Bei Patienten mit Wirbelsäulenverletzungen können sekundäre Rückenmarksschäden induziert werden. 21

Allgemeine Techniken

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2.3 Schienung

▶ Kontraindikationen: • Atemstillstand. • Ausgeprägte Ateminsuffizienz (die nicht durch ein Zurückfallen der Zunge bedingt ist und/oder in Seitenlage persistiert). • Wirbelsäulen- und Rückenmarkstrauma. ▶ Beachte: ■ • Patienten mit Atemstillstand oder insuffizienter Atmung müssen in Rückenlage beatmet werden. • Bei bewusstlosen Patienten muss möglichst bald eine definitive Atemwegssicherung (vorzugsweise Intubation) durchgeführt werden.

2.3 Schienung Prinzip ▶ Immobilisation einer Extremität, der HWS oder des gesamten Körpers. ▶ Grundsätzliche Indikationen stellen (alle zugänglichen) Frakturen und Luxationen dar. ▶ Ziele sind Vermeidung einer weiteren Gewebs-, Gefäß- und Nerventraumatisierung und Schmerzlinderung.

Extremitätenschienung ▶ Improvisation: Im Notfall (ohne professionellen Rettungsdienst) mit Latten, Laken und Seilen. ▶ Schienungshilfen zur: • Stabilisierung von Oberarmfrakturen. • Stabilisierung von Unterarmfrakturen. • Stabilisierung von Frakturen der unteren Extremität (nicht beckennah, hier ggf. Vakuummatratze). • Die Antischockhose spielt im zivilen Rettungsdienst eine untergeordnete Rolle, da die Nachteile die Vorteile meist überwiegen. ▶ Prinzip: • Vakuumschienen: – Funktion nach dem Prinzip der Vakuummatratze (s. u.). – Luft nach Anlegen der Schiene mithilfe einer Vakuumpumpe heraussaugen, bis die Schiene hart wird. • Luftkammerschienen: – Luft nach Anlegen der Schiene einblasen, bis die Schiene prall und hart wird. – Vorteil: Ggf. Tamponade und externe Kompression profuser Blutungen aus der traumatisierten Extremität. – Nachteil: Gefahr der Durchblutungsstörungen und Ischämie durch zu starke Kompression. Luftkammerschienen Zum Aufblasen kann ein Beatmungsbeutel (Rubenbeutel) oder auch ein maschinelles Beatmungsgerät verwendet werden. Tubusventil (muss auf das Einblasventil der Schiene passen) auf das 3-Wege-Beatmungsventil aufsetzen. Dabei ggf. Exspirationsschenkel des 3-Wege-Richtungsventils manuell zuhalten, um Entweichen von Luft aus der praller werdenden Schiene zu verhindern. ▶ Vorgehen: • Analgesie des Patienten (z. B. mit Morphin 5–10 mg i. v., oder S-Ketamin 0,125– 0,250 mg/kgKG langsam i. v. entspricht 10–20 mg S-Ketamin beim Normalgewichtigen). 22

2 Allgemeine Techniken

2.3 Schienung

Abb. 2.6 • Schienung der HWS: Fixation des Kopfes durch 2. Helfer. Anlegen der Krawatte von vorn. Fixation der Krawatte mit einer Hand. Herumführen der Rückseite um den Nacken. Es besteht die Möglichkeit, auch bei angelegter Krawatte den Karotispuls zu tasten.

• Reposition der frakturierten Extremität unter dosiertem achsengerechtem Zug durch 1–2 Helfer. • Anlegen der Schiene durch einen weiteren Helfer. • Absaugen bzw. Einblasen von Luft. ▶ Beachte: Frakturen der Arme oder Beine so bald wie möglich unter dosiertem Zug ■ reponieren und schienen. 1 Repositionsversuch ist immer erlaubt!

Schienung der Halswirbelsäule ▶ Die Halswirbelsäule (HWS) ist am wenigsten durch Muskelgewebe geschützt. Sekundäre Schädigungen des zervikalen Rückenmarkes bei Frakturen, Luxationen oder Dislokationen der HWS sind gefürchtet, da sie besonders schlimme Folgen, z. B. ein hohes Querschnittssyndrom, nach sich ziehen können. ▶ Indikation: Jeder Verdacht auf eine traumatische HWS-Verletzung. ▶ Prinzipien: • Durch spezielle immobilisierende Halskrausen (Orthesen) kann die HWS für Rettung und Transport von außen stabilisiert werden. • Nicht alle Fabrikate sind gleichwertig! Grundsätzliche Anforderungen: – Größtmögliche Immobilisation der HWS, wobei vor allem die Verhinderung der Anteflexion des Kopfes entscheidend ist! – Möglichkeit zum Tasten des Karotispulses bei angelegter Halskrause. – Verfügbarkeit in mehreren Größen unter Berücksichtigung von Dicke und Länge des Halses. ▶ Vorgehen beim Anlegen einer Halskrause (s. Abb. 2.6): • Passende Größe aussuchen (mit der Hand Abstand zwischen Kinn und Rumpf messen). • Halskrause mit 2 Helfern anlegen, einer hält den Kopf, der zweite legt die Halskrause an. 23

Allgemeine Techniken

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2.3 Schienung

• Im Allgemeinen Halskrause von vorne fest an den Hals drücken und unter Vermeidung einer Ventralflexion Rückseite der Krawatte unter dem Nacken durchführen und befestigen. Kopf evtl. zur Stabilisierung leicht in Richtung der Längsachse ziehen. • Beim Anlegen der Halskrause sind die jeweiligen Herstellerangaben zu beachten! ▶ Beachte: Es reicht nicht aus, irgendeine Krause irgendwie um den Hals zu legen! ■

Vakuummatratze ▶ Prinzip: Bei der Vakuummatratze handelt es sich um einen mit kleinen Polyesterkügelchen gefüllten Sack, dem mittels einer Vakuumpumpe Luft entzogen werden kann. • Im „normalen Zustand“ (Abb. 2.7a) ist die Vakuummatratze weich, verformbar und kann dem Patienten anmodelliert werden. • Im „Vakuumzustand“ (Abb. 2.7b) wird sie hart und dient als Schienung des gesamten Patienten. ▶ Indikationen: • Polytrauma. • Frakturen des Beckens oder der unteren Extremitäten. • Verdacht auf Wirbelsäulentrauma. ▶ Vorgehen: • Patient mit der Schaufeltrage auf die Vakuummatratze legen. • Schaufeltrage entfernen. • Aus der Matratze unter ständigem Anmodellieren an den Patienten mithilfe einer Vakuumpumpe Luft heraussaugen, bis die Matratze hinreichend hart geworden ist. ▶ Beachte: Die Vakuummatratze kann nur dann ihre Schienungsfunktion erfül■ len, wenn auch ein hinreichendes Vakuum erzeugt wird! • Vakuummatratze mit dem Patienten flach auf eine normale Trage platzieren. • Im Krankenhaus bleibt der Patient so lange auf der Matratze, bis der verantwortliche Arzt die Umlagerung des Patienten anordnet (u. U. auch während des Primärröntgens; die Vakuummatratze ist nicht röntgendicht).

Abb. 2.7 • Vakuummatratze: „Normalzustand“ (a); „Vakuumzustand“ (b).

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Diagnostizieren und Stabilisieren

3.1 Anamnese in der Notfallsituation Grundlagen ▶ Traumatologische Notfälle: Hier gibt die Unfallsituation und die Schilderung des Unfallhergangs durch den Patienten selbst oder Augenzeugen wertvolle Hinweise auf mögliche Verletzungen. Wichtig! Schwere Unfälle (Sturz aus größerer Höhe, Autounfall mit höherer Geschwindigkeit) müssen auch dann zu großer Aufmerksamkeit, besonders sorgfältiger Untersuchung und längerer Überwachung der Patienten führen, wenn zunächst keine gravierenden Symptome zu erkennen sind!

3 Diagnostizieren und Stabilisieren

3.2 Körperliche Untersuchung

▶ Nichttraumatologische Notfälle: Hier ist zu achten auf: • Herumliegende Medikamentenschachteln, Spritzen o. Ä. • Umherstehende Alkoholikabehältnisse. ▶ Beachte: Manchmal können die Umstände der Notfallsituation in die Irre führen! ■ Beispiel: Im traumatologischen Bereich können scheinbar offensichtliche Unfallursachen lebensbedrohliche internistische/neurologische Erkrankungen verdecken.

Vorgehen und Ziele ▶ Man unterscheidet zwischen der Eigen- und der Fremdanamnese. ▶ Anamnestische Angaben des Patienten oder seiner Angehörigen sind v. a. bei nichttraumatologischen Notfällen oft richtungweisend für zugrunde liegende Störungen. In jedem Fall müssen vom Notarzt gezielte Fragen gestellt werden hinsichtlich: • Früheren Notfällen ähnlicher Art. • Vorbestehenden Erkrankungen. • Medikamenteneinnahme. • Allergien (besonders bei beabsichtigter Medikamentenapplikation). • Notfallausweise vorhanden (Marcumar, Schrittmacher-Ausweis, Z. n. Klappenersatz etc.). ▶ Bei traumatologischen Notfällen kann der Unfallhergang oder das Gespräch mit Augenzeugen Hinweise auf mögliche, von außen nicht sichtbare Verletzungen bieten (z. B. Verdacht auf Polytrauma bei Sturz aus großer Höhe [ > 3 m] oder Herausschleudern aus dem Fahrzeug). ▶ Ziele des Patientengesprächs sind weiterhin: • Beruhigung des Patienten (beruhigendes Zureden). • Untersuchung des Bewusstseins bzw. neurologisch-psychiatrische Diagnostik (S. 29). • Feststellung der Schmerzintensität und -lokalisation (S. 223). ▶ Beachte: Manchmal können anamnestische Angaben auch in die Irre führen! Bei■ spiel: Ein Patient mit mehreren Schlaganfällen in der Anamnese wird bewusstlos aufgefunden; die Bewusstlosigkeit wird einem erneuten Apoplex zugeschrieben, ist jedoch in Wirklichkeit Folge einer akuten Hypoglykämie.

3.2 Körperliche Untersuchung Grundlagen ▶ Entscheidend ist das adäquate und gezielte Einsetzen der Sinne: • Sehen: Inspektion. 25

Diagnostizieren und Stabilisieren

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3.2 Körperliche Untersuchung

• Hören: Auskultation und Perkussion. • Fühlen: Palpation. • Riechen. ▶ Einmalhandschuhe zur Vermeidung einer Infektionsübertragung durch Körpersäfte sollten von Arzt und Rettungspersonal bereits bei der Anfahrt zum Notfallort angezogen werden. ▶ Entkleidung: Zur Untersuchung und Versorgung des Patienten ist eine teilweise Entkleidung erforderlich. Meist müssen zumindest folgende Körperregionen freigemacht werden: • Thorax: Auskultation der Lunge, Aufkleben der EKG-Elektroden. • Arm: Blutdruckmessung, Anlegen einer Infusion. ▶ Kleiderschere: Können die Kleidungsstücke nicht auf normalem Wege ausgezogen werden, muss die Kleidung mit einer speziellen Kleiderschere aufgetrennt werden (unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel!). Beispiele: Frakturen, Wirbelsäulentrauma, Reanimation. ▶ Lichtquelle: Kleine Taschenlampe bzw. spezielle Pupillenleuchte oder hilfsweise auch die Beleuchtung des Laryngoskopspatels. ▶ Basischeck: Bewusstsein, Atmung, Puls (BAP). ▶ Einsatz der Untersuchungsverfahren: Methoden und Maßnahmen müssen grundsätzlich der Notfallsituation angepasst sein und durch apparative Diagnoseverfahren wie EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie ergänzt werden.

Inspektion ▶ Allgemeine Inspektion: Die Inspektion des Patienten ergibt wichtige Anhaltspunkte für die Gesamteinschätzung der Erkrankung und der Krankheitsschwere. Folgende Aspekte müssen vor allem beurteilt werden: • Blutung nach außen – hämorrhagischer Schock. • Farbe und Zustand der Haut: – Zyanose – Hypoxie. – Blässe – Anämie, Hämorrhagie, Schock. – Kaltschweißigkeit – Schock. – Prellmarken – innere Verletzungen, innere Blutung. • Thoraxbewegung: – Atmung vorhanden oder nicht wahrnehmbar – Atemstillstand. – Atemexkursionen seitengleich oder seitendifferent – Pneumothorax. – Atemfrequenz erhöht oder erniedrigt – respiratorische Insuffizienz. • Körperhaltung: – Liegende oder sitzende Haltung – Orthopnoe, Lungenödem. – Einsatz der Atemhilfsmuskulatur – Lungenödem, Asthma bronchiale, COPD. • Motorik: – Agitiertheit – akuter Erregungszustand. – Krämpfe – Epilepsie, Eklampsie. – Minderbewegung einer Körperregion – Schlaganfall. • Ausscheidungen: – Einnässen – Epilepsie, Koma. – Erbrochenes – Intoxikation, Bewusstlosigkeit. ▶ Spezielle Inspektion: Daneben sind je nach Notfall spezielle Körperregionen durch Inspektion zu beurteilen: • Pupillen: – Eng oder weit – stecknadelkopfenge Pupillen bei Opioidintoxikation, weite Pupillen bei zerebraler Hypoxie oder Schädigung des N. opticus. – Entrundung – zerebrale Hypoxie. – Reaktion auf Lichteinfall – fehlende Reaktion bei zerebraler Hypoxie, Schädigung des N. opticus. – Isokorie oder Anisokorie – Anisokorie bei einseitiger Hirndruckentwicklung. 26

Palpation ▶ Palpation des Pulses: Wichtigste palpatorische Maßnahme im Rettungsdienst! Siehe Tab. 3.1, Tab. 3.2 und Abb. 3.1. ▶ Beachte: Bei vermutetem Kreislaufstillstand darf der Karotispuls-Check nicht ■ mehr als 10 s in Anspruch nehmen (Ausnahme: ausgeprägte Hypothermie). ▶ Weitere palpatorische Diagnostik: • Extremitätenfrakturen: Abnorme Beweglichkeit, „zusätzliches Gelenk“? • Abdomens: Abwehrspannung, Druckschmerzhaftigkeit (Lokalisation!). Akutes Abdomen s. S. 226. • Thorax: Krepitationen als Hinweis auf Pneumothorax.

3 Diagnostizieren und Stabilisieren

3.2 Körperliche Untersuchung

• Kopf: – Austritt von Blut oder Liquor aus Nase oder Ohren – Schädelbasisfraktur. – Monokelhämatom (periorbitales Hämatom; „blaues Auge“) – Schädelbasisfraktur. – Brillenhämatom (beidseits periorbitale Hämatome) – Schädelbasisfraktur. • Extremitäten: – Fehlstellung – Fraktur. – Luxation. – Offene Fraktur. – Hämatome. – Lähmungen – Rückenmarksschädigung.

Auskultation und Perkussion ▶ Auskultation der Lunge: Im Notarztdienst von größter Bedeutung. Dient der Beurteilung der Belüftung der Lunge, der Diagnose bronchopulmonaler Erkrankungen und der Überprüfung der korrekten Lage eines Endotrachealtubus. Folgende Aspekte müssen v. a. beurteilt werden (in Klammern mögliche Verdachtsdiagnosen): • Atemgeräusche: – Vorhanden oder nicht vorhanden (Atemstillstand). – Abgeschwächt (Pleuraerguss). – Seitengleich oder einseitig (Pneumothorax). • Atemnebengeräusche: – Rasselgeräusche (Lungenödem). – Inspiratorisches Giemen (Pfeifen), Stridor (z. B. Fremdkörperaspiration, KruppSyndrom). – Exspiratorisches Giemen (Pfeifen) (Asthma bronchiale, COPD, Lungenödem).

Tab. 3.1 • Pulspalpation. A. radialis (Handgelenk)

• Routinepalpation beim wachen Patient • Ist der Radialispuls nicht zu tasten, muss sofort die Palpation der A. carotis erfolgen.

A. carotis (seitlich am Hals)

• Routinepalpation beim bewusstlosen Patient mit manifester Vitalfunktionsstörung (dringender Verdacht auf Herz-Kreislauf-Stillstand). • Ist der Karotispuls beidseits nicht zu tasten liegt ein klinischer Kreislaufstillstand vor. Es muss unverzüglich mit der kardiopulmonalen Reanimation begonnen werden. • Mit Mittel- und Zeigefinger wird der Schildknorpel (Adamsapfel) aufgesucht. Von dort gleiten die Finger seitwärts neben den Kehlkopf ab. Hier verläuft die A. carotis etwa 1 cm unter der Haut.

A. femoralis (Leiste)

• Alternative zum Karotispuls, wenn dieser nicht zugänglich ist.

27

Diagnostizieren und Stabilisieren

3

3.2 Körperliche Untersuchung

Abb. 3.1 • Aufsuchen des Karotispulses.

Tab. 3.2 • Pulsbeurteilung. Qualität

• tastbar? – nein – gut – schlecht – kräftig – schwach

Frequenz

• normal (60–90 /min) • schnell ( > 90 /min) • langsam ( < 60 /min) ▶ Beachte: Die Pulsfrequenz ist bei Tachykardie (insb. bei Tachyarrhythmia ■ absoluta, s. S. 233) gelegentlich niedriger als die Herzfrequenz – Pulsdefizit!

Rhythmus

• regelmäßig • unregelmäßig • Extrasystolen

▶ Auskultation des Herzens: Die Beurteilung kardialer Auskultationsphänomene erfordert viel Erfahrung, Zeit und eine ruhige Umgebung und ist daher im Notarztdienst von geringerer Bedeutung. Folgende Aspekte müssen vor allem beurteilt werden (in Klammern mögliche Verdachtsdiagnosen): • Herztöne: – Abgeschwächte Herztöne (Herzbeuteltamponade). – Überzählige Herztöne (Linksherzinsuffizienz). • Herzgeräusche: – Systolisch (Aortenklappenstenose, Mitralklappeninsuffizienz). – Diastolisch (Aortenklappeninsuffizienz, Mitralklappenstenose). ▶ Perkussion: Sie spielt in der Rettungsmedizin eine untergeordnete Rolle und kann ergänzend zur Beurteilung von Thorax und Abdomen eingesetzt werden.

Geruch ▶ Gelegentlich ist der Fötor des Patienten wegweisend für die Diagnose, z. B: • Foetor alcoholicus: Alkoholintoxikation. • Obstgeruch: Diabetisches ketoazidotisches Koma. • Bittermandelgeruch: Zyanidintoxikation.

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3.3 Neurologische Untersuchung Grundlagen ▶ Orientierende Untersuchung (s. Tab. 3.3): Die neurologische Untersuchung am Notfallort kann sich in der Regel auf eine orientierende Untersuchung folgender Parameter beschränken: • Bewusstsein. • Motorik. • Sensibilität. • Pupillenform und -reaktion. Tab. 3.3 • Orientierende neurologische Untersuchung. Bewusstsein Patient wach

• orientiert (örtlich, zeitlich, zur Person)/verwirrt

Patient erweckbar (Augen öffnen)

• auf Ansprache • durch Rütteln an der Schulter/Schmerzreiz

Patient bewusstlos

• keine Reaktion

3 Diagnostizieren und Stabilisieren

3.3 Neurologische Untersuchung

Motorik Spontanbewegungen

• alle Extremitäten • nur 1 Körperseite (Hemiparese) • nur Arme (Paraplegie)

gezielte Bewegung auf Aufforderung

• alle Extremitäten • nur 1 Körperseite (Hemiparese) • nur Arme (Paraplegie)

Reaktion auf Schmerzreize (bei Bewusstlosigkeit)

• gezielte Abwehr • Beugung • Streckung • keine Reaktion

Sensibilität und Wahrnehmung Sehen

• plötzlicher Visusverlust auf einem/beiden Auge(n) • Gesichtsfeldausfälle • Flimmern

Körperwahrnehmung

• Gefühl überall vorhanden • normale Wahrnehmung einer Berührung

Pupillen Größe/Form

• weit (Mydriasis) • mittel • eng (Miosis) • entrundet

Symmetrie

• beidseits gleich groß (Isokorie) • ungleich groß (Anisokorie)

direkte Lichtreaktion

• prompt • verzögert • fehlt

indirekte Lichtreaktion

• prompt • verzögert • fehlt

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Diagnostizieren und Stabilisieren

3

3.4 Blutdruckmessung

▶ Differenziertere neurologische Untersuchung: Untersuchungen der verschiedenen Eigen- und Fremdreflexe sowie der Koordinationsfähigkeit (Gangsicherheit, FingerNase-Versuch) sind in den meisten Fällen präklinisch unnötig. Sie würden häufig zu ungerechtfertigtem Zeitverlust führen. Entschließt man sich jedoch, den Patienten nicht in die Klinik einzuweisen, so kann die Untersuchung und Dokumentation zusätzlicher neurologischer Funktionen wichtig sein. ▶ Glasgow Coma Scale (GCS, S. Tab. 12.2): Wird routinemäßig bei allen Notfallpatienten erhoben, besonders aber bei bewusstseinsgetrübten und neurotraumatologischen Patienten.

3.4 Blutdruckmessung Grundlagen ▶ Stellenwert: Wichtige Variable für die Organperfusion (v. a. Herz und Gehirn) und die myokardiale Arbeitsbelastung. Von allen 3 Blutdruckwerten (systolisch, diastolisch und Mitteldruck) hat der Mitteldruck als Einzelwert die größte Bedeutung. Die Aufrechterhaltung eines angemessenen arteriellen Blutdrucks gehört zu den Basismaßnahmen der Notfalltherapie. ▶ Beachte: Ein normaler Blutdruck ist jedoch nicht unbedingt gleichzusetzen mit ■ einem normalen Blutfluss bzw. einer normalen Gewebsperfusion! ▶ Normwerte: • Erwachsene: Systolisch 120–130 mmHg, diastolisch 70–80 mmHg, Mitteldruck 90–100 mmHg. • Kinder: Normalerweise altersabhängig deutlich niedrigerer Druck (s. Tab. 386, S. 386). ▶ Häufigste Ursachen pathologischer Blutdruckwerte: • Niedriger Blutdruck (Hypotension): Siehe S. 244 • Hoher Blutdruck (Hypertension): Siehe S. 277

Möglichkeiten der präklinischen Blutdruckmessung ▶ Manuelle Blutdruckmessung mit Stethoskop (Riva-Rocci): Mitteldruck wenn erforderlich näherungsweise errechnen: ▶ Mittlerer Blutdruck = (systolischer Druck + 2 × diastolischer Druck)/3. ■ ▶ Manuelle Blutdruckmessung ohne Stethoskop: Die Methode ist besonders geeignet, um sich einen schnellen Überblick über die Kreislaufsituation zu verschaffen und in sehr lauter und hektischer Umgebung. Druck langsam ablassen, bis der Puls wieder tastbar wird. Der dabei am Manometer abgelesene Wert entspricht dem systolischen Blutdruck. Diastolischer und mittlerer Druck können so nicht ermittelt werden. ▶ Automatische oszillometrische Blutdruckmessung: • Möglichkeit der wiederholten automatischen Blutdruckmessung oder nach Bedarf auf Knopfdruck. • Die meisten Geräte zeigen auch den mittleren Blutdruck an. • Gefahren: Zu häufige Messungen über einen längeren Zeitraum (Messintervall < 3 min) können Durchblutungsstörungen oder Nervenschädigungen hervorrufen. • Fehlermöglichkeiten, Messungenauigkeiten der Methode bei: – Sehr niedrigem Blutdruck. – Ausgeprägter Vasokonstriktion. – Ausgeprägter Unruhe oder Zittern des Patienten. – Starken Vibrationen oder Rütteln des Rettungsfahrzeuges. – Absoluter Arrhythmie. ▶ Für alle Verfahren gilt: • Messort: Normalerweise Oberarm; in Ausnahmefällen, insbesondere bei oszillometrischen Verfahren, auch am Unterarm bzw. Handgelenk oder am Bein (Ober-, Unterschenkel). 30

3.5 Kapillarer Reperfusionstest Bedeutung ▶ Schnelle Einschätzung der peripheren Zirkulation des Patienten.

▶ Merke: Eine Störung der peripheren Zirkulation kann auf eine Zentralisation des Pa■ tienten aufgrund von Volumenmangel oder Schock hindeuten.

Durchführung

3 Diagnostizieren und Stabilisieren

3.5 Kapillarer Reperfusionstest

• Passende Manschetten verwenden! Beispiel Oberarmmanschette: Sie sollte etwa 2/ des Oberarms bedecken. 3 • In Zweifelsfällen Druck an beiden Armen messen. Der „wirkliche“ Blutdruck ist bei unterschiedlichen Messergebnissen der höhere Wert. Seitendifferente Blutdruckwerte werden u. a. gemessen bei Aortenisthmusstenose und disseziierendem Aortenaneurysma.

▶ Zugänglichen Fingernagel des Patienten aufsuchen, in Ausnahmefällen auch Zehennagel. ▶ Nagelbett kurz komprimieren, bis dessen normalerweise rosige Farbe verschwindet. ▶ Nach Beendigung der Kompression das Farbverhalten des Nagelbetts innerhalb der nächsten Sekunden beurteilen.

Interpretation ▶ Das Nagelbett wird sofort ( < 2 s) wieder rosig: Die periphere Mikrozirkulation ist (zumindest hier) intakt. ▶ Das Nagelbett wird verzögert ( ≥ 2 s) rosig: Lokale oder generalisierte periphere Mikrozirkulationsstörung, z. B.: • Periphere Vasokonstriktion im Schock. • Periphere Vasokonstriktion bei Kälte. • Regionale Durchblutungsstörungen, z. B. bei arterieller Verschlusskrankheit. ▶ Das Nagelbett ist bzw. wird gar nicht rosig: Hinweis auf schwerste globale oder regionale Mikrozirkulationsstörung: • Globale Zirkulationsstörung: – Ausgeprägte generalisierte Vasokonstriktion. – Schwerer Schock. • Regionale Zirkulationsstörung: – Thromboembolischer Gefäßverschluss. – Ischämie.

Spezielle Interpretation bei Dehydratation ▶ Zunahme der Reperfusionszeit korreliert mit der Schwere der Dehydratation (S. 320). ▶ Faustregel: • Reperfusionszeit < 2 s: Normalbefund. • Reperfusionszeit 2–3 s: Flüssigkeitsdefizit von 50–100 ml/kgKG. • Reperfusionszeit 3–4 s: Flüssigkeitsdefizit von 100–150 ml/kgKG. • Reperfusionszeit > 4 s: Flüssigkeitsdefizit von > 150 ml/kgKG.

31

Diagnostizieren und Stabilisieren

3

3.6 Elektrokardiogramm (EKG)

3.6 Elektrokardiogramm (EKG) Grundlagen ▶ Der Monitor ist meist in einen transportablen Defibrillator integriert (heute oft als Multifunktionsmonitor). ▶ Zusätzlich Möglichkeit des Ausdruckes auf Thermopapier. ▶ Stellenwert der präklinischen EKG-Diagnostik: • Die kontinuierliche Ableitung eines EKG mit wenigen Ableitungen (über 3–5 Elektroden) gehört heute zum Standardmonitoring jedes Notfallpatienten. Sie dient der Diagnosestellung und Überwachung während der präklinischen Therapie. • Die Ableitung eines 12-Kanal-EKGs ist bereits präklinisch indiziert zur Diagnostik eines akuten Koronarsyndroms, also bei allen nichttraumatologischen Thoraxschmerzen. • Die EKG-Diagnose des Herz-Kreislauf-Stillstands (im Notfall über nur 2 Elektroden) ist unverzichtbarer Bestandteil der erweiterten CPR (s. S. 104). ▶ EKG-Elektroden: Ableitung über mit Elektrodengel beschichtete Hautelektroden: • Das Elektrodengel muss feucht sein (Vorsicht bei alten Elektroden!). • Stark behaarte Haut verschlechtert die Ableitungsqualität, Rasur mit Einmalrasierer, wenn möglich. • Ableitung eines 12-Kanal-EKGs durch spezielle Brustwand-Elektrodengürtel.

Verschiedene EKG-Ableitungen ▶ EKG-Ableitung über 2 Elektroden (mittels Defibrillatorelektroden): Ein behelfsmäßiges EKG kann über die Elektroden eines Defibrillators (sog. „Paddles“) abgeleitet werden: • Anordnung der Elektroden: – 1. Elektrode: Rechts parasternal. – 2. Elektrode: Linke vordere Axillarlinie unterhalb der Mamille. • Einstellung: Defibrillator auf „EKG-Ableitung über Defi-Elektroden“ einstellen. Bei Kammerflimmern kann sofort defibrilliert werden. • Verifizieren einer Nulllinie: Zu diesem Zweck ist durch entsprechende Änderung der Elektrodenpositionen eine 2. Ableitung senkrecht zur 1. durchzuführen: – 1. Elektrode: Links infraklavikulär. – 2. Elektrode: Rechts inframamillär. ▶ Hinweis: Auch bei Verwendung eines sog. AED (automatischen elektrischen Defi■ brillators) wird ein EKG über die beiden aufgeklebten Elektroden abgeleitet; es wird jedoch meist nicht grafisch dargestellt, sondern im AED lediglich intern ausgewertet (es gibt allerdings auch AEDs mit EKG-Display). ▶ EKG-Ableitung über 3 Elektroden: Dies ist traditionell die am häufigsten gewählte Routineableitung: • Anordnung der Elektroden (Abb. 3.2): – 1. Elektrode (rot): Rechte Schulter oder rechter Arm. – 2. Elektrode (gelb): Linke Schulter oder linker Arm. – 3. Elektrode (grün): Linke untere Thoraxhälfte. • Jetzt sind folgende bipolare Ableitungen möglich (entsprechen ungefähr den Ableitungen nach Einthoven). Die jeweils nicht verwendete Elektrode dient als Nullelektrode: – Ableitung I: zwischen 1. und 2. Elektrode. – Ableitung II: zwischen 1. und 3. Elektrode. – Ableitung III: zwischen 2. und 3. Elektrode. ▶ Beachte: Meist wird zunächst die Ableitung II nach Einthoven gewählt. Da in ■ dieser Richtung bei den meisten Patienten die elektrische Herzachse verläuft, sind P-Wellen und R-Zacken hier oft gut zu erkennen. 32

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3 Diagnostizieren und Stabilisieren

3.6 Elektrokardiogramm (EKG)

aVF Abb. 3.2 • EKG: Ableitung über 3 Elektroden (a); Cabrera-Kreis (b).

• Alternative Elektrodenanordnung, sog. Poor man's V5: – 1. Elektrode (rot; negativ): über dem Manubrium sterni. – 2. Elektrode (gelb; positiv): über dem 5. ICR links, vordere Axillarlinie (V5-Position). – 3. Elektrode (grün): beliebig, z. B. rechte untere Thoraxhälfte oder linke untere Abdominalregion (oberhalb der Spina iliaca anterior superior). ▶ Beachte: Bei Ableitung zwischen der 1. und 2. Elektrode können myokardiale ■ Ischämien besser diagnostiziert werden; diese Anordnung ist daher vor allem bei akuten nichttraumatischen Thoraxschmerzen und Verdacht auf akutes Koronarsyndrom indiziert, wenn keine mehrkanalige Ableitung vorgenommen werden kann. ▶ EKG-Ableitung über 4 Elektroden: • Hierbei wird eine weitere (meist schwarze) Elektrode verwendet; sie dient als Erdung: – 1. Elektrode (rot): Rechte Schulter. – 2. Elektrode (gelb): Linke Schulter. – 3. Elektrode (grün): Linke untere Thoraxhälfte oder linke untere Abdominalregion (oberhalb der Spina iliaca anterior superior). – 4. Elektrode (schwarz): Rechte untere Thoraxhälfte oder rechte untere Abdominalregion (oberhalb der Spina iliaca anterior superior). • Jetzt sind zusätzlich zur gleichzeitigen Darstellung der bipolaren Ableitungen nach Einthoven (s. EKG mit 3 Elektroden) auch die sog. unipolaren Goldberger-Ableitungen möglich: – aVR: zwischen den Elektroden 1 und 2 + 3. – aVL: zwischen den Elektroden 2 und 1 + 3. – aVF: zwischen den Elektroden 3 und 1 + 2. ▶ ■ Beachte: Mit 4 Elektroden können alle 6 traditionellen Extremitätenableitungen vorgenommen werden. Statt an den Hand- und Fußgelenken werden die Elektroden präklinisch jedoch meist am Stamm aufgeklebt. ▶ EKG-Ableitung über 5 Elektroden: Hierbei wird zusätzlich zu den 4 lateral aufgeklebten Elektroden eine weitere Elektrode präkordial angebracht: • 5. Elektrode: Meist wird die Position V5 gewählt (links inframamillär über dem 5. ICR, vordere Axillarlinie). ▶ Merke: Die Einbeziehung von V5 verbessert die diagnostische Sensitivität für eine ■ myokardiale Ischämie. Diese Anordnung ist daher v. a. bei akuten nichttraumati33

Diagnostizieren und Stabilisieren

3

3.6 Elektrokardiogramm (EKG)

schen Thoraxschmerzen und Verdacht auf akutes Koronarsyndrom indiziert (wenn kein 12-Kanal-EKG möglich ist). ▶ EKG-Ableitung über 10 Elektroden: Klassisches 12-Kanal-EKG. Zusätzlich zu den 6 Extremitätenableitungen (s. EKG mit 4 Elektroden) werden über 6 Brustwandelektroden 6 Brustwandableitungen (nach Wilson ) erfasst. • Prinzipielle Elektrodenanordnung: – V1 im 4. ICR am rechten Sternalrand. – V2 im 4. ICR am linken Sternalrand. – V3 auf der 5. Rippe zwischen V2 und V4. – V4 im 5. ICR auf der Medioklavikularlinie. – V5 im 5. ICR vordere Axillarlinie. – V6 im 5. ICR auf der mittleren Axillarlinie. • Im Rettungsdienst erfolgt die Ableitung i. d. R. mithilfe eines Elektrodengürtels, der an der Brust angebracht wird und in den alle Elektroden so integriert sind, dass sie in etwa an ihrer korrekten Position zu liegen kommen. ▶ Beachte: Heute wird die Ableitung eines 12-Kanal-EKGs auch bereits präklinisch ■ zur Diagnostik bei akuten nichttraumatischen Thoraxschmerzen bzw. akutem Koronarsyndrom gefordert.

Bestimmung des Lagetyps ▶ Elektrische Herzachse: Angabe anhand des sog. Cabrerakreises (Abb. 3.2b, S. 33): • Um die Herzachse genau zu bestimmen, müssen alle 6 Extremitätenableitungen angefertigt werden (I, II, III, aVR, aVL, aVF). • Für eine grobe Bestimmung der Herzachsen genügt jedoch die Ableitung von I, II und III: – Die elektrische Herzachse weist ungefähr in Richtung der Ableitung, die die höchste R-Zacke aufweist. – Am häufigsten wird ein Indifferenztyp oder Linkstyp beobachtet. ▶ Merke: Akute Drehungen der Herzachse nach rechts werden bei akuter Rechts■ herzbelastung beobachtet, z. B. bei Lungenembolie.

Normaler Erregungsablauf und pathologische Veränderungen ▶ Siehe auch S. 266ff, S. 280ff und S. 271. ▶ P-Welle: Entspricht der Depolarisation und Kontraktion der Vorhöfe nach Erregungsbildung im Sinusknoten. • Pathologische Veränderungen der P-Welle: Die P-Welle fehlt beim Vorhofflimmern und (meist) beim AV-Knotenrhythmus. ▶ PQ-Zeit: Entspricht der Erregungsüberleitung vom Vorhof in die Kammern. • Dauer (vom Beginn der P-Welle bis zum Beginn des QRS-Komplexes): 0,13–0,21 s (frequenzabhängig). • Pathologische Veränderungen der PQ-Zeit und ihre möglichen Bedeutungen: – Verlängerungen der PQ-Zeit: AV-Block. – Verkürzungen der PQ-Zeit: Präexzitationssyndrome (z. B. WPW-Syndrom). ▶ QRS-Komplex: Entspricht der Depolarisation und Kontraktion der Kammern (daher auch als Kammerkomplex bezeichnet). • Komponenten: – Q-Zacke (negativ; nicht immer vorhanden). – R-Zacke (positiv). – S-Zacke (negativ; nicht immer vorhanden). • Dauer: 0,06–0,1 s. • Pathologische Veränderungen des QRS-Komplexes und ihre möglichen Bedeutungen: – Tiefe Q-Zacken: Myokardinfarkt. – Verbreiterungen des QRS-Komplexes > 0,1 und < 0,12 s: Inkompletter Schenkelblock (Links- oder Rechtsschenkelblock) oder WPW-Syndrom. 34

3.6 Elektrokardiogramm (EKG)

3

– Verbreiterungen des QRS-Komplexes > 0,12 s: Kompletter Schenkelblock (Linksoder Rechtsschenkelblock) oder WPW-Syndrom. ▶ ST-Strecke: Entspricht der Zeit, in der die Kammern vollständig erregt sind. • Pathologische Veränderungen der ST-Strecke und ihre möglichen Bedeutungen: – Hebungen der ST-Strecke: Myokardinfarkt oder Perikarditis. – Senkungen der ST-Strecke: Innenschichtläsion bzw. myokardiale Ischämie. ▶ T-Welle: Entspricht der Repolarisation (Erregungsrückbildung) der Kammern. • Pathologische Veränderungen der T-Welle und ihre möglichen Bedeutungen: – Überhöhungen der T-Welle: Hyperkaliämie, „Erstickungs-T“ bei Myokardinfarkt (sehr frühe Phase). – Abflachungen der T-Welle: Hypokaliämie. – Terminale Negativierungen der T-Welle: Myokardiale Ischämie. ▶ QT-Zeit: 0,25–0,4 s (frequenzabhängig). • Verlängerungen der QT-Strecke: Hypokalzämie, QT-Syndrom. • Verkürzungen der QT-Strecke: Hyperkalzämie.

Diagnostizieren und Stabilisieren

Wichtig! Besonders bedeutsam sind ST-Hebungen in ≥ 2 korrespondierenden Extremitäten- oder ≥ 2 benachbarten Brustwandableitungen. Sie deuten auf einen akuten Myokardinfarkt mit Schädigung einer größeren Herzmuskelmasse hin (sog. STEMI); ST-Hebungen über allen Ableitungen hingegen sind seltener und deuten auf eine Perikarditis hin.

Interpretation der präklinischen EKG-Ableitungen ▶ Diagnostik und Beurteilung von: • Störungen der Herzfrequenz und des Herzrhythmus (S. 280–295): – Tachykarde Rhythmusstörungen. – Bradykarde Rhythmusstörungen. – Arrhythmien. • Schädigungen des Herzmuskels (Ischämie oder Läsion, S. 266–274): – Hebungen der ST-Strecke: Hinweis auf akuten Myokardinfarkt (STEMI). – Senkungen der ST-Strecke: Im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms Hinweis auf eine myokardiale Ischämie (instabile Angina pectoris/NSTEMI). – Negativierung der T-Welle: Im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms Hinweis auf eine myokardiale Ischämie (instabile Angina pectoris/NSTEMI). – Nachweis ausgeprägter Q-Zacken: Hinweis auf einen abgelaufenen Myokardinfarkt. • Elektrolytstörungen (S. 320): – Hohe T-Wellen: Hyperkaliämie. – Flache T-Wellen: Hypokaliämie. – ST-Strecken-Verkürzung: Hyperkalzämie. – ST-Strecken-Verlängerung: Hypokalzämie. ▶ Beachte: Die Diagnose einer Elektrolytstörung aus dem EKG ist stets nur eine ■ Verdachtsdiagnose, die in der Klinik durch Laboruntersuchungen bestätigt werden muss! ▶ Kardiopulmonale Reanimation bei Kreislaufstillstand (s. S. 97): Differenzierung des zugrunde liegenden Herzrhythmus in • VF/VT: Kammerflimmern (ventricular fibrillation, VF) bzw. pulslose Kammertachykardie (ventricular tachycardia, VT). • Non-VF/VT: Asystolie und elektromechanische Dissoziation.

Abb. 3.3 • EKG: Normaler Erregungsablauf.

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Diagnostizieren und Stabilisieren

3

3.7 Blutzuckeruntersuchung

3.7 Blutzuckeruntersuchung Grundlagen ▶ Blutzuckergehalt (BZ): Normalerweise einziger präklinisch bestimmter Laborparameter. ▶ Indikation: • Bewusstlosigkeit, Bewusstseinstrübung. • Akuter Erregungs- und Verwirrtheitszustand. • Zerebraler Krampfanfall. ▶ Prinzip: Es gibt mehrere semiquantitative (Vergleich des Teststreifens mit Farbskala) oder quantitative (Ablesen auf dem BZ-Messgerät) Methoden der präklinischen Blutzuckerschnellbestimmung. ▶ Vorgehen: • 1 Tropfen Blut auf das Indikatorfeld tropfen lassen. Das Blut stammt: – Aus der Venenverweilkanüle, die kurz zuvor gelegt wurde. – Alternativ aus dem Ohrläppchen bzw. einer Fingerbeere.

Interpretation ▶ Siehe auch S. 315–317. ▶ Normwert: 60–90 mg/dl. ▶ Hypoglykämie: < 60 mg/dl. Kann zu Zittern, Exzitation, Verwirrtheit, Somnolenz, Sopor und Koma führen. ▶ Hyperglykämie: > 90 mg/dl. • Leichte Hyperglykämie (BZ < 300 mg/dl): Rettungsmedizinisch zumeist unbedeutend (Ausnahme: zerebrale Traumen, Blutungen und Ischämien). Meist physiologische Reaktion auf Verletzungen und akute Erkrankungen. • Schwere Hyperglykämie (BZ ≥ 300 mg/dl): Kann zum hyperosmolaren Koma (BZ meist > 600 mg/dl) führen oder zusammen mit einem ketoazidotischen Koma vorliegen. ▶ Obige Werte gelten für nüchterne Patienten. Hypoglykäme Werte sind immer pathologisch, hyperglykäme Werte müssen in Zusammenhang mit letzter Nahrungsaufnahme, bekanntem Diabetes mellitus und der Bewusstseinslage interpretiert werden. ▶ Grundsätzlich gilt: Rettungsmedizinisch bedeutsame Entgleisungen des Blutzuckerspiegels in den hypoglykämischen Bereich sind häufig und führen meist zu neurologisch-psychiatrischen Auffälligkeiten. ▶ Beachte: Daher muss bei jeder unklaren Bewusstseinstrübung, jeder unklaren ■ Agitiertheit und jedem unklaren Krampfanfall so rasch wie möglich eine Blutzuckerbestimmung erfolgen!

3.8 Pulsoxymetrie Prinzip ▶ Kontinuierliche noninvasive Messung der partiellen Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes (pSaO2). ▶ Messung der Pulsfrequenz als Nebeneffekt.

Stellenwert ▶ Siehe auch S. 241. ▶ Die Pulsoxymetrie ist erheblich besser zur Diagnose einer Hypoxie geeignet als die rein klinische Beurteilung. ▶ Sie gehört wie EKG und Blutdruckmessung zum Standardmonitoring des Notfallpatienten. 36

Technische Grundlagen: Messverfahren ▶ Die Pulsoxymetrie nutzt das unterschiedliche Extinktionsverhalten oxygenierten und desoxygenierten Hämoglobins und den pulsatilen Fluss des arteriellen Blutes. ▶ Die Extinktion wird etwa 600 × pro Minute abwechselnd mit Licht der Wellenlängen 660 nm (rot) und 940 nm (infrarot) gemessen. ▶ Varianten: • Transmissionspulsoxymeter: Das von der Lichtquelle emittierte Licht passiert das Gewebe und wird vom gegenüberliegenden Detektor wahrgenommen. Die meisten der präklinisch verwendeten Pulsoxymeter messen nach diesem Prinzip. • Reflexionspulsoxymeter: Das von der Lichtquelle emittierte Licht durchdringt das Gewebe, wird vom Knochen reflektiert, passiert das Gewebe erneut und wird dann erst detektiert; Lichtquelle und Detektor liegen nebeneinander. Pulsoxymeter dieser Art gelten als weniger störanfällig, aber ungenauer als Transmissionspulsoxymeter. ▶ Voraussetzung für eine zuverlässige Messung: Ausreichende Durchblutung von mindestens 10 % der Norm. Bei ausgeprägter Zentralisation (Schock, Kälte) können keine zuverlässigen Werte ermittelt werden.

3 Diagnostizieren und Stabilisieren

3.8 Pulsoxymetrie

▶ Diagnostisches Hilfsmittel: Bei einer Sauerstoffsättigung < 90 % liegt eine Hypoxie bzw. Hypoxygenation vor. ▶ Als therapeutische Zielgröße wird bei der Behandlung des Notfallpatienten fast immer eine Sauerstoffsättigung von > 90 % angestrebt.

Physiologische Grundlagen ▶ Gesamthämoglobin: Umfasst alle Hämoglobinvarianten: • Funktionell intakte Hämoglobinvarianten: Desoxygeniertes Hämoglobin (DesoxyHb) und oxygeniertes Hämoglobin (O2Hb). • Nichtfunktionelle, pathologische Hämoglobinvarianten: Methämoglobin (MetHb) und Carboxyhämoglobin (COHb). ▶ Hbtot = DesoxyHb + O2Hb + MetHb + COHb ■ ▶ Funktionelles Hämoglobin: Umfasst nur die funktionell intakten Hämoglobinkomponenten O2Hb und DesoxyHb; pathologische Hämoglobinfraktionen werden nicht miterfasst. ▶ Hbfunct = DesoxyHb + O2Hb ■ ▶ (Fraktionelle) Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes (SaO2): Beschreibt den Anteil oxygenierten Hämoglobins am Gesamthämoglobin. ▶ SaO2 = O2Hb/Hbtot; Normwert: 96 %. ■ ▶ Partielle (funktionelle) Sauerstoffsättigung: Beschreibt den Anteil oxygenierten Hämoglobins am funktionellen Hämoglobin. ▶ pSaO2 = O2Hb/Hbfunct; Normwert: 98 %. ■ ▶ Pulsoxymeter: Messung der partiellen Sauerstoffsättigung (pSaO2): Normalerweise liegen pathologische Hämoglobinfraktionen in so geringem Anteil vor, dass die pSaO2 die tatsächliche Sättigung nur geringfügig überschätzt: ▶ pSaO2 ist normalerweise ca. 2 % höher als SaO2. ■ ▶ Überschätzung der Sauerstoffsättigung (pSaO2 ≫ SaO2) in folgenden Situationen: • Vergiftung mit Methämoglobinbildnern: Hohe MetHb-Spiegel. • Kohlenmonoxidvergiftung und bei starken Rauchern: Hohe COHb-Spiegel. ▶ Hauptdeterminanten der SaO2: • Sauerstoffpartialdruck (paO2). • Verlauf der Sauerstoffbindungskurve (Abb. 3.4). ▶ Korrelation mit dem paO2 bei normalen Sauerstoffbindungseigenschaften des Hämoglobins: • Sauerstoffsättigung 98–100 %: paO2 > 90 mmHg. Bei hohen Sauerstoffpartialdrücken ( > 100 mmHg; Hyperoxie) ist das Hämoglobin maximal gesättigt. Die 37

Diagnostizieren und Stabilisieren

3

3.8 Pulsoxymetrie

% SaO2 100 90 80 60 40 20 0

Hypoxie PaO2 0

20

40

60

80

100

Abb. 3.4 • Sauerstoffbindungskurve.

dann angezeigte Sättigung beträgt 98–100 %. Eine Hyperoxie kann anhand der Sättigung nicht erkannt werden. Sauerstoffsättigung 95 %: paO2 ca. 80 mmHg. Sauerstoffsättigung 90 %: paO2 ca. 60 mmHg. Sauerstoffsättigung 80 %: paO2 knapp 50 mmHg. Sauerstoffsättigung 70 %: paO2 etwa 35 mmHg. ▶ Merke: Bei normaler Sauerstoffbindungskurve gilt: paO2 60 mmHg ≈ SaO2 90 %. ■ • • • •

Praktische Durchführung ▶ Anbringen des Pulsoxymetersensors an zugänglichen Akren, vorzugsweise an Fingern oder Ohrläppchen. ▶ Verwendung messstellenspezifischer Sensoren (Sensoren für Finger sind nicht für Ohrläppchen geeicht).

Interpretation ▶ Die Oxygenierung lässt sich mittels Pulsoxymetrie erheblich besser beurteilen und eine Hypoxie deutlich früher erkennen als mit klinischen Mitteln. ▶ Hypoxie bzw. Hypoxygenation: pSaO2-Werte < 90 %. ▶ Zyanose: Klassisches klinisches Zeichen der Hypoxie; tritt jedoch erst bei mindestens 5 g/dl desoxygeniertem Hämoglobin bzw. einer Sättigung von < 75 % auf; bei ausgeprägter Anämie kommt es u. U. überhaupt nicht zur Zyanose. ▶ Die Pulsoxymetrie kann grundsätzlich keine Aussagen machen über: • Den arteriellen Sauerstoffgehalt CaO2 (hängt entscheidend vom Hämoglobingehalt ab). • Den Kohlendioxidpartialdruck paCO2 (also die Ventilation). • Eine Hyperoxie. ▶ Starke Hautpigmentierung: Keine oder nur geringfügige Störung der Messgenauigkeit. ▶ Beachte: Störungen der Messgenauigkeit in folgenden Situationen: ■ • Periphere Durchblutungsstörungen (Zentralisation). • Dyshämoglobinämien (MetHb, COHb). • Nagellack (besonders blau, grün und schwarz). • Extreme Unruhe des Patienten und partielle Dislokation des Sensors. • Sehr niedrige Sättigungswerte ( < 70 %) und extreme Anämie (Hb < 5 g/dl); hier ist das Pulsoxymeter nicht mehr geeicht.

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3.9 Kapnometrie und Kapnografie

3

▶ Kapnometrie: Messung der Kohlendioxidkonzentration in der Atemluft. ▶ Kapnografie: Grafische Verlaufsdarstellung der Kohlendioxidkonzentration in der Atemluft; höhere Aussagekraft als Kapnometrie allein. ▶ Endexspiratorischer Kohlendioxidpartialdruck (pETCO2): Wird meist in mmHg angezeigt, alternativ oder wahlweise auch in kPa oder in % der Atemluft. ▶ Dabei gilt: 1 % der Atemluft entspricht unter Atmosphärendruckbedingungen ■ (760 mmHg = 100 kPa) etwa 7,6 mmHg bzw. 1 kPa. ▶ Atemfrequenz. Als Nebeneffekt wird bei Infrarotabsorptionskapnometern die Atemfrequenz angezeigt.

Diagnostizieren und Stabilisieren

3.9 Kapnometrie und Kapnografie Prinzipien und Begriffe

Stellenwert ▶ Infrarotabsorptionskapnometer: Kapnometrie war bis vor kurzem präklinisch unüblich, findet aber neuerdings mittels Geräten im Handy-Format oder integriert in Multifunktionsmonitore auch in der Notfallmedizin zunehmende Verbreitung. Gute Geräte mit integriertem Barometer zeigen Folgendes auch unter Luftrettungsbedingungen ausreichend genau an: • pETCO2. • Balken- oder Kurvengrafik des exspiratorischen CO2-Verlaufs. • Atemfrequenz pro Minute. ▶ Kolorimetrische CO2-Detektoren: Stehen keine Infrarotabsorptionskapnometer zur Verfügung, so ist der Einsatz der relativ preisgünstigen kolorimetrischen CO2-Detektoren v. a. zur Verifikation einer endotrachealen Tubuslage gerade durch den weniger intubationserfahrenen Notarzt zu erwägen. Sie geben semiquantitative Informationen über den pETCO2. Bei Kreislaufstillstand ist nicht immer ein ausreichender Farbumschlag trotz korrekter Tubuslage nachweisbar. ▶ Einsatzgebiete: • Steuerung der Beatmung: Ziel ist meist ein pETCO2 um 35–45 mmHg (Normoventilation). • Endotracheale Intubation: CO2-Nachweis als sicherster Einzelindikator einer intratrachealen Tubuslage. • Kardiopulmonale Reanimation: Evtl. Erfolgskontrolle durch Verlauf und Höhe des pETCO2.

Technische Grundlagen: Messverfahren ▶ Infrarotabsorptionskapnometer: • Je nach Platzierung des Sensors Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenstromverfahren; für beide Verfahren gibt es präklinisch einsetzbare Geräte. • Hauptstromverfahren: – Platzierung des Sensors im Atemstrom des Patienten (z. B. durch Aufstecken auf den Tubus). – Praktischer Nachteil: Sensor ist relativ schwer und zerstörungsanfällig. – Messtechnischer Nachteil: Gerät eicht sich stets gegen die Inspirationsluft ab und kann daher einen erhöhten CO2-Gehalt im Inspirationsgasgemisch bzw. in der Umgebungsluft nicht detektieren (z. B. bei Grubenunglück). • Nebenstromverfahren: – Sensor befindet sich im Hauptgerät; aus dem Atemstrom wird kontinuierlich ein Teil der Atemluft zum Hauptgerät gesaugt (ca. 20–200 ml/min, bei gängigen präklinischen Geräten 140 ml/min). – Praktischer Vorteil: Leichter und billiger Tubusadapter. – Messtechnischer Vorteil: Prinzipiell auch Nachweis erhöhter inspiratorischer CO2-Konzentrationen möglich. 39

Diagnostizieren und Stabilisieren

3

40

3.9 Kapnometrie und Kapnografie

– Nachteil: Verringerung des Atemminutenvolumens um den abgesaugten Anteil. ▶ Cave: Bei der Beatmung von Kleinkindern beachten! ■ – Anzeigen des pETCO2 mit einer gewissen Verzögerung (wenige Sekunden). – Sekretverlegung oder Abknicken des Absaugschlauches möglich. ▶ Kolorimetrische CO2-Detektoren: • Bei Anwesenheit von CO2 im Atemgas sofortiger, gut erkennbarer Farbumschlag der Indikatorzone von violett nach gelb. – Farbumschlag umso intensiver, je höher die CO2-Konzentration. – Farbumschlag reversibel – nimmt die CO2-Konzentration wieder ab, erscheint wieder die ursprüngliche Farbe. • Semiquantitative CO2-Messung möglich.

Physiologische Grundlagen ▶ CO2-Gehalt in der Umgebungsluft normalerweise nur etwa 0,4 %. ▶ pETCO2 in der Inspirationsphase: • Dieser ist daher praktisch Null. • Ausnahme bei erhöhter CO2-Konzentration: – In der Umgebungsluft, z. B. Grubenunglück, U-Boote. – Im inspiratorischen Gasgemisch, z. B. bei der – präklinisch unüblichen – Beatmung eines Patienten mit einem (Narkose-)Rückatmungssystem ohne ausreichenden Frischgasfluss und ohne ausreichende CO2-Adsorption. ▶ pETCO2 in der Exspirationsphase: • Normaler Verlauf der exspiratorischen CO2-Konzentration: – Zunächst kein Anstieg (Ausatmen der Totraumluft). – Dann steiler Anstieg. – Endexspiratorisch Plateaubildung (Ausatmen von Alveolarluft) und weitgehende Annäherung an den arteriellen Kohlendioxidpartialdruck (paCO2). • Normalwert des pETCO2: 33–43 mmHg. ▶ ■ Merke: Faustregel – bei normalen Ventilations-Perfusions-Verhältnissen ist der pETCO2 ca. 2–5 mmHg niedriger als der paCO2. ▶ Störungen des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses → pETCO2 wird deutlich niedriger als paCO2. Mögliche Ursachen: • Erhöhte Totraumventilation. • Verminderte Lungenperfusion bei Schock und Lungenembolie. ▶ Veränderungen des pETCO2: • Änderungen der alveolären Ventilation (respiratorisch): – Anstieg des pETCO2 (und Anstieg des paCO2) bei Hypoventilation. – Abfall des pETCO2 bei Hyperventilation. • Änderungen des Kohlendioxidtransports (zirkulatorisch): – Anstieg des pETCO2 bei Zunahme des Herzzeitvolumens und der Lungendurchblutung. – Abfall des pETCO2 bei globaler oder regionaler Abnahme der Lungendurchblutung: Abnahme des Herzzeitvolumens (Schock) oder Lungenembolie. • Änderungen der Kohlendioxidproduktion (metabolisch): – Anstieg des pETCO2 bei Hyperthermie, Hypothermie mit Frierreaktion, Unruhe, Angst und Schmerzen. – Abfall des pETCO2 durch tiefe Hypothermie, Sedativa und Analgetika. – Kein Nachweis von CO2 in der Ausatemluft bei Verstorbenen (Sistieren des CO2-Transports); bei Todeseintritt unter Beatmung Abnahme des pETCO2 kontinuierlich bis auf Null (Auswaschphänomen). ▶ Merke: ■ • Der paCO2 ist normalerweise nur geringfügig höher als der pETCO2. • Der paCO2 kann aber u. U. auch deutlich höher sein als der pETCO2. • Der paCO2 kann jedoch niemals (wesentlich) niedriger sein als der pETCO2.

▶ Zwischenschalten des Kapnometersensors, des Ansaugstutzens oder des CO2-Detektors zwischen Beatmungsgerät bzw. Beatmungsbeutel und: • Endotrachealtubus (häufigste Anwendung). • Larynxmaske. • Kombitubus. • Beatmungsmaske (passender Adapter bzw. Ansaugstutzen bzw. Bakterien- und Anfeuchtungsfilter erforderlich). ▶ Bei Verwendung eines Bakterien- und Anfeuchtungsfilters zwischen Beatmungsgerät und Tubus, Maske oder Tubusalternativen → Anschluss des Ansaugschlauches des Nebenstromkapnometers mittels Luer-Lock-Konnektor direkt an den Filter.

Praktische Anwendung und Interpretation ▶ Endotracheale Intubation: • CO2-Nachweis in der Ausatemluft: Sicherster Nachweis einer endotrachealen Tubuslage! Nur über die Lunge werden nennenswerte CO2-Mengen abgegeben. • Ösophageale Fehlintubation: Bei Nachweis eines normalen pETCO2 über mehr als 3–5 Atemzüge praktisch ausgeschlossen. Mögliche Störfaktoren, bei denen für einige wenige Atemzüge auch bei ösophagealer Intubation nennenswerte CO2Mengen nachgewiesen werden können: – Vorangegangene Einnahme CO2-produzierender Medikamente (Antazida). – Kürzlicher Genuss CO2-haltiger Getränke („Cola-Complication“). – Vorangegangene fehlerhafte Maskenbeatmung mit Einpressen von Teilen der Exspirationsluft in den Magen des Patienten (v. a. bei der Maskenbeatmung von Säuglingen und Kleinkindern!). • Endobronchiale Fehlintubation: CO2-Nachweis in der Ausatemluft kann jedoch eine zu tiefe Tubuslage nie ausschließen! ▶ Steuerung der Beatmung: • Bei kardiopulmonal gesunden Patienten gilt näherungsweise (s. o.) pETCO2 ≈ paCO2. • Daher lässt sich die Ventilation (also das Atemminutenvolumen) ausreichend genau über den pETCO2 steuern: – Normoventilation: Das Atemminutenvolumen wird bei künstlicher Beatmung so hoch gewählt, dass der pETCO2 um oder leicht unter 40 mmHg liegt (35–40 mmHg). – Hyperventilation: Wird ein niedriger paCO2 gewünscht, etwa beim schwersten Hirnödem mit Verdacht auf Einklemmung, so wird ein entsprechend niedrigerer pETCO2 angestrebt (30–35 mmHg). – Hypoventilation: In einigen Fällen wäre eine Normoventilation nur um den Preis einer möglichen Lungenschädigung möglich (z. B. schwerster Asthmaanfall, schweres ARDS); hier können meist auch wesentlich höhere pETCO2-Werte ( ≫ 45 mmHg) toleriert werden. ▶ Beachte: Bei Notfallpatienten mit kardiopulmonalen Störungen (s. o.) ist die Nä■ herungsgleichung pETCO2 ≈ paCO2 u. U. nicht mehr gegeben! Hier kann der gemessene pETCO2 zu einer erheblichen Unterschätzung des paCO2 führen! Daher kein blindes Verlassen auf den pETCO2 als Steuerungsgröße der Beatmung! ▶ Kardiopulmonale Reanimation (CPR): • Zunahme des pETCO2 unter CPR (bei gleichbleibendem Atemminutenvolumen) signalisiert Zunahme des pulmonalen O2-Angebots bzw. des Herzzeitvolumens (HZV). • Daher positive Korrelation von pETCO2 unter CPR mit der Höhe des HZV und mit dem Reanimationserfolg. • Bei persistierend niedrigem, abnehmendem oder gar nicht nachweisbarem pETCO2 äußerst schlechte Prognose der CPR:

3 Diagnostizieren und Stabilisieren

3.9 Kapnometrie und Kapnografie

Praktische Durchführung

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Diagnostizieren und Stabilisieren

3

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3.9 Kapnometrie und Kapnografie

• pETCO2 > 20 mmHg unter Herzdruckmassage: hohe Überlebenswahrscheinlichkeit. • pETCO2 < 10 mmHg unter Herzdruckmassage: extrem geringe Überlebenswahrscheinlichkeit. Kapnometrie Grundsätzlich gilt: Die Kapnometrie kann vor allem durch den sicheren Nachweis der endotrachealen Intubation wesentlich zur Sicherheit der Patientenversorgung beitragen. Darüber hinaus ist aufgrund der Vielfalt der Einflussfaktoren die genaue Interpretation eines veränderten pETCO2 aber in der Rettungsmedizin ohne Kenntnis des paCO2 schwierig.

4

Basismaßnahmen: Atemwege

4.1 Atemfrequenz Messprinzip ▶ Auszählen der Thoraxexkursionen. ▶ Messung der Thoraximpedanzänderungen über EKG-Kabel/-Elektroden. Anzeige bei einigen EKG-Geräten möglich. ▶ Messung als Nebeneffekt der Kapnometrie (S. 39), insbesondere bei intubierten und beatmeten Patienten.

Stellenwert ▶ Einfacher, aber wichtiger Parameter zur Diagnose respiratorischer Störungen und Überwachung des Notfallpatienten. ▶ Sehr niedrige ( < 8 /min) und sehr hohe Atemfrequenzen ( > 25 /min) bei Spontanatmung weisen oft auf eine respiratorische Störung oder Insuffizienz hin.

4 Basismaßnahmen: Atemwege

4.2 Freimachen der oberen Atemwege

Interpretation ▶ Normwerte in Ruhe: • Erwachsene: Durchschnittlich ca. 17 Atemzüge/min (12–20 /min). • Kinder: Grundsätzlich höhere Atemfrequenzen, altersabhängig (Tab. 386, S. 386). ▶ Sehr niedrige Atemfrequenzen als Hinweis auf: • Medikamentenüberdosierung, z. B. Opioide, Benzodiazepine, Barbiturate. • Zentrale Atemregulationsstörungen: Auftreten im Rahmen neurologisch-neurotraumatologischer Erkrankungen. • Unterkühlung. ▶ Hohe Atemfrequenzen: Viele Ursachen möglich, z. B.: • Erschöpfung der Atemmuskulatur. • Asthma, Lungenödem und andere respiratorische Erkrankungen. • Hypoxie (kompensatorische Hyperventilation). • Azidose (kompensatorische Hyperventilation). • Aufregung. • Fieber. • Neurologische Erkrankungen, Drogenentzug

4.2 Freimachen der oberen Atemwege Methoden ▶ Freimachen und Freihalten der Atemwege ohne Hilfsmittel: • Entfernen von Atemhindernissen außerhalb des Körpers: z. B. Abnehmen eines Integralhelms (s. u.). • Entfernen von Fremdkörpern in Mund und Rachen: Digitales Ausräumen der Mundhöhle (s. S. 44). • Entfernen von Fremdkörpern in den tieferen Atemwegen: Schläge auf den Rücken, Thorax- und Oberbauchkompression (Heimlich-Manöver, s. S. 45). • Seitenlagerung (s. S. 20). • Reklination des Kopfes und Anheben des Kinns (HTCL-Manöver, s. S. 48). • Esmarch-Handgriff (s. S. 49). ▶ Freimachen und Freihalten der Atemwege mit Hilfsmitteln: Siehe S. 50ff.

Abnehmen eines Integralhelms ▶ Indikation: Bewusstlose, ateminsuffiziente und schwer verletzte Motorradfahrer. 43

4.2 Freimachen der oberen Atemwege

Basismaßnahmen: Atemwege

4

Abb. 4.1 • Abnehmen eines Integralhelms.

• Der Helm verhindert eine Atemwegssicherung und Primärversorgung. • Der Helm kann selbst eine Behinderung der Atmung verursachen. ▶ Vorgehen (s. Abb. 4.1): Die Helmabnahme muss vorsichtig durch 2 Helfer erfolgen, ohne eine mögliche Schädigung der Halswirbelsäule zu verschlimmern: • Visier öffnen, ggf. Brille entfernen. • Verschluss des Helms öffnen; dies ist aufgrund der unterschiedlichen Verschlussarten nicht immer ganz leicht. • 1. Helfer: Mit beiden Händen Kopf und Hals von unten umfassen und achsengerecht stabilisieren. • 2. Helfer: Helm vorsichtig in Richtung der Längsachse abziehen. • 1. Helfer: Gleichzeitig kontinuierlich von unten nachgreifen, um den Kopf stabil zu halten. ▶ Beachte: Auch beim bewusstseinsklaren, gut atmenden Patienten muss der Helm im ■ Laufe der Primärversorgung vorsichtig abgenommen werden; auf jeden Fall ist sofort das Visier zu öffnen.

Freimachen von Mund und oberen Atemwegen ▶ Digitales Ausräumen: Stellt das Standardverfahren zum Freimachen von Mund und Rachen dar; wichtige Basismaßnahme der CPR. Vorgehen: • Position hinter dem Kopf der bewusstlosen Person. • Öffnen des Mundes beim Bewusstlosen mit Daumen und Zeigefinger, sog. Kreuzgriff, der rechten Hand: – Daumen im rechten Mundwinkel auf die untere Zahnreihe legen. – Zeigefinger auf die obere Zahnreihe legen. – Zahnreihen auseinanderdrücken. • Kopf zur linken Seite drehen. • Mundhöhle mit Zeige- und Mittelfinger der linken Hand ausräumen (Finger mit Handschuhen schützen). • Gebissträger: Lockere Prothese entfernen, festsitzendes Gebiss belassen.

44

Wichtig! ▶ Nicht tief bewusstlose Patienten können auf taktile Reize im Mund kräftig zubeißen! ▶ Fremdkörper können durch ungeschickte digitale Manipulation in die Tiefe gedrückt werden. • Folge: Komplette Atemwegsverlegung! Daher nur vorsichtig und unter Sicht ausräumen! Insbesondere bei Kindern nicht blind im Mund herummanipulieren! ▶ Absaugen: Mittels eines großlumigen Katheters und einer Vakuumpumpe können Erbrochenes, kleinere Partikel, breiige Massen, Blut und sonstige Flüssigkeiten, die die Atemwege verlegen, abgesaugt werden. ▶ Fremdkörperextraktion mithilfe einer Magill-Zange: • Entfernen größerer partikulärer Bestandteile aus Mund und Rachen. • Die Zange, die auch als Hilfsmittel bei der nasotrachealen Intubation verwendet wird, ist so geformt, dass auch im Hypopharynx liegende Fremdkörper gefasst werden können.

4 Basismaßnahmen: Atemwege

4.2 Freimachen der oberen Atemwege

Schläge auf den Rücken ▶ Indikation: Fremdkörperaspiration. (Drohendes) Ersticken durch größere, tiefer in den Atemwegen liegende Fremdkörper, die weder digital noch mit einer MagillZange ausgeräumt werden können. ▶ Schläge auf den Rücken: • Prinzip: Lockerung des Fremdkörpers im Tracheobronchialbaum, sodass er ausgehustet oder mittels nachfolgender Oberbauch- oder Thoraxkompressionen herausgeschleudert werden kann. • Indikation: Erste Maßnahme bei drohendem Ersticken bei Kindern und Säuglingen sowie beim nichtbewusstlosen Erwachsenen. • Vorgehen beim erwachsenen Patienten: Der Helfer steht neben oder etwas hinter dem Patienten. Mit einer Hand unterstützt er von vorn den vornübergebeugten Oberkörper; mit der Fläche der anderen Hand mehrere (bis zu 5) scharfe Schläge zwischen die Schulterblätter geben. Nach jedem Schlag Erfolg der Maßnahme überprüfen (Inspektion des Mundes, Beatmungsversuche). • Vorgehen bei Kindern ( > 1 Jahr): Analog zum Erwachsenen, die Schläge sind jedoch effektiver je mehr das Kind in Kopftieflage ist. Kleinkinder können wie Säuglinge behandelt werden. Falls dies nicht möglich ist, das Kind in eine vornübergebeugte Position bringen (z. B. über dem eigenem Schoß im Sitzen). • Vorgehen bei Säuglingen (s. a. Abb. 7.17, S. 134): Kind auf den Schoß nehmen, bäuchlings auf den Beinen des Helfers in steile Kopftieflage bringen. Kräftige Schläge auf den Rücken zwischen die Schulterblätter geben (bis zu 5). Nach jedem Schlag Erfolg der Maßnahme überprüfen (Inspektion des Mundes, Beatmungsversuche).

Oberbauchkompression (Heimlich-Manöver, s. Abb. 4.2) ▶ Prinzip: Schlagartige intraabdominale und intrathorakale Druckerhöhung in oraler Richtung durch Kompression des Oberbauchs. Soll zur Expulsion des Fremdkörpers aus Larynx oder Trachea führen. ▶ Indikation: Drohendes Ersticken beim nichtbewusstlosen Erwachsenen und bei Kindern > 1 Jahr, wenn Schläge auf den Rücken nicht ausreichend wirksam waren. ▶ Beachte: Nicht indiziert bei Säuglingen ( < 1 Jahr) und bei bewusstlosen Kindern ■ oder Erwachsenen (d. h. in einer Reanimationssituation)! ▶ Gefahren: Verletzung der Oberbauchorgane (Leber-, Milz-, Magenruptur). ▶ Vorgehen beim stehenden Patienten: Hinter dem Patienten stehen, Patient leicht vornübergeneigt. Oberbauch (zwischen Bauchnabel und Xiphoid) von hinten mit 45

4.2 Freimachen der oberen Atemwege

Basismaßnahmen: Atemwege

4

a

b

c Abb. 4.2 • Heimlich-Manöver zur Fremdkörperexpulsion: Durchführen im Stehen: Ansicht von vorn (a); Durchführung im Liegen (b, c).

beiden Händen umfassen, wobei die untere zur Faust geballt sein kann, und ruckartig in leicht kranialer Richtung komprimieren. Anschließend Erfolg der Maßnahme überprüfen (Inspektion des Mundes, Beatmungsversuche). ▶ Vorgehen beim liegenden Patienten: Der Patient liegt auf dem Rücken. Der Helfer kniet auf der Seite des Patienten oder über ihm. Oberbauch (zwischen Bauchnabel und Xiphoid) mit übereinandergelegten Händen ruckartig in leicht kranialer Richtung komprimieren. Anschließend Erfolg der Maßnahme überprüfen (Inspektion des Mundes, Beatmungsversuche).

Thoraxkompression ▶ Indikation: Drohendes Ersticken bei Säuglingen (Kindern < 1 Jahr), wenn Rückenschläge nicht erfolgreich waren. ▶ Vorgehen: Kind auf den Schoß nehmen und rücklings auf den Beinen des Helfers in steile Kopftieflage bringen. Kräftige Kompressionen des Thorax im unteren Sternumdrittel mit 2 Fingern (bis max. 5 × ). Jeweils Erfolg der Maßnahme überprüfen (Inspektion des Mundes, Beatmungsversuche).

Vorgehen bei Verlegung der Atemwege nach ERC 2005 ▶ Vorgehen bei Erwachsenen s. Abb. 4.3. ▶ Vorgehen bei Kindern > 1 Jahr, s. Abb. 4.4. Bei Kindern spielt die Fremdkörperaspiration eine erheblich größere Rolle als bei Erwachsenen. ▶ Vorgehen bei Säuglingen (Kinder < 1 Jahr), s. Abb. 4.4. 46

Schweregrad der Atemwegsverlegung beurteilen leichte Atemwegsverlegung

schwere Atemwegsverlegung

Bewusstlosigkeit (initial oder während des Versuchs, die Atemwege frei zu machen)

Patient bei Bewusstsein

Patient zum Husten auffordern und fortlaufende Kontrolle Verlegung löst sich oder Hustenstoß wird ineffektiv

5 Schläge auf den Rücken modifizierte CPR kein Erfolg

Patient in Rückenlage ggf. Mund ausräumen 30 Thoraxkompressionen auch wenn Carotispuls tastbar Beatmung (vorher nochmals Mund auf Fremdkörper kontrollieren)

4 Basismaßnahmen: Atemwege

4.2 Freimachen der oberen Atemwege

5 Oberbauchkompressionen

bei Erfolglosigkeit Sequenz wiederholen

Abb. 4.3 • Vorgehen bei Verlegung der Atemwege: Erwachsene (nach ERC 2005).

Atmung prüfen

V.a. tiefsitzenden Fremdkörper Kind atmet

Kind atmet nicht

ggf. Mund ausräumen

Kinder > 1 Jahr

Säuglinge

5 Beatmungen (Effektivität prüfen, ggf. Kopflage ändern)

5 Schläge auf den Rücken

5 Schläge auf den Rücken

kein Erfolg ohne weitere Kreislaufkontrolle 15 Thoraxkompressionen

Mund auf Fremkörper untersuchen 2 Beatmungen Sequenz von 15 : 2 (Kompression: Beatmung) fortsetzen

kein Erfolg

5 abdominelle Kompressionen

kein Erfolg

5 Thoraxkompressionen (langsamer und kräftiger als bei Herzdruckmassage) Druckpunkt unteres Sternum, ca. 1 fingerbreit oberhalb des Xiphoid kein Erfolg

bei Erfolglosigkeit Sequenz wiederholen

Sequenz wiederholen

Abb. 4.4 • Vorgehen bei Verlegung der Atemwege: Kinder > 1 Jahr und Säuglinge (nach ERC 2005).

47

Basismaßnahmen: Atemwege

4

4.3 Freihalten der Atemwege

Erweiterte Maßnahmen ▶ Beim Fehlschlagen der oben geschilderten Maßnahmen muss der Patient intubiert werden, s. Kap. 50, S. 50. ▶ Bei der Laryngoskopie kann ggf. der Fremdkörper entdeckt werden und mit MagillZange unter Sicht entfernt werden. ▶ Sitzt der Fremdkörper tiefer, so kann versucht werden, mittels Absaugen mit einem möglichst großen Absaugkatheter die tiefen Atemwege freizumachen. ▶ Kommt man mit dem Absaugschlauch nicht über das Tubusende und hat den Verdacht, dass der Fremdkörper vor dem Tubus sitzt, kann versucht werden, den Sauger an den Tubus anzuschließen (Konnektor entfernen) und unter Absaugen den Tubus mitsamt dem Fremdkörper herauszuziehen (2. Tubus zur Reintubation vorher bereitlegen). ▶ Merke: Wenn der Patient nach Intubation zu beatmen ist, eine tolerable Sättigung ■ aufweist und einen suffizienten Kreislauf hat, sollten weitere blinde Manipulationen unterbleiben und der Fremdkörper in der Klinik unter Sicht (starre, flexible Bronchoskopie) entfernt werden. ▶ Cave: Spontan atmende Patienten mit intrapulmonal gelegenem (kompaktem) ■ Fremdkörper sollten möglichst unter Spontanatmung in die Klinik gebracht werden. Durch die Intubation kann der Fremdkörper tief in den Trachealbaum hineingeschoben werden und ggf. über einen Ventilmechanismus zu einem Überblähen der distal gelegenen Lungensegmente führen. Dadurch kann es zu einem kreislaufwirksamen Verdrängen des Herzens (mit oder ohne Pneumothorax) kommen.

4.3 Freihalten der Atemwege Indikation ▶ ▶ ▶ ▶

Ateminsuffizienz und Atemstillstand. Obstruktion der Atemwege durch Zunge, Fremdkörper oder Schwellungen. Atemwegsverletzung (Kopf, Gesicht, Hals, Larynx, Trachea). Bewusstlosigkeit und Ausfall der Schutzreflexe (Hustenreflex, Schluckreflex).

Ziele ▶ Verhinderung der Atemwegsverlegung, v. a. durch die zurückfallende Zunge: Zunge und Epiglottis führen beim bewusstlosen Patienten aufgrund des Tonusverlustes der Pharynxmuskulatur häufig zu einer partiellen oder totalen Atemwegsverlegung. Dies gilt für Bauch- und Rückenlagerung gleichermaßen! ▶ Ermöglichung einer künstlichen Beatmung. ▶ Beachte: Die Zunge ist die häufigste Ursache für eine Atemwegsverlegung des be■ wusstlosen Patienten!

Seitenlagerung ▶ Indikation: Spontan atmende bewusstlose oder bewusstseinsgetrübte Patienten. ▶ Vorteil: • Einfach und ohne Hilfsmittel durchzuführen. • Mageninhalt kann nach außen abfließen. ▶ Nachteil: Künstliche Beatmung kaum möglich. Ateminsuffiziente Patienten müssen zur Beatmung in Rückenlage gebracht werden. ▶ Kontraindikationen: Rückenmarksverletzung! ▶ Durchführung (s. S. 20).

Reklination des Kopfes und Anheben des Unterkiefers (HTCL-Manöver) ▶ HTCL = Head tilt and chin lift. ▶ Vorgehen (s. Abb. 4.5a): 48

4 Basismaßnahmen: Atemwege

4.3 Freihalten der Atemwege

a

b

Abb. 4.5 • Esmarch-Handgriff (Dreifachhandgriff). Überstrecken des Kopfes (a) und Anheben des Unterkiefers (b). Gleichzeitig wird der Mund geöffnet und inspiziert.

• Der Patient liegt auf dem Rücken. • Der Helfer kniet neben dem Patienten. • Eine Hand fasst unter das Kinn und hebt dieses an, während die andere Hand auf der Stirn des Patienten liegt und diese nach unten drückt. • Dadurch werden Zunge und weicher Gaumen angehoben und von der Rachenhinterwand entfernt. ▶ Indikationen: • Freihalten der Atemwege bei Spontanatmung. • Freihalten der Atemwege für die künstliche Beatmung ohne Hilfsmittel. ▶ Stellenwert: Wichtige Basismaßnahme der CPR. ▶ Beachte: ■ • Ein starkes Reklinieren des Kopfes kann bei Patienten mit Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS) zu Schäden der HWS und des Rückenmarks führen. • Achtung! Besondere Vorsicht bei Verdacht auf HWS-Verletzung! Hier darf der Kopf nur so wenig wie möglich bewegt werden. Dennoch muss auch bei bewusstlosen und ateminsuffizienten Patienten mit HWS-Verletzung unbedingt für freie Atemwege gesorgt werden. • Bei Säuglingen und Kleinkindern kann die Reklination des Kopfes aufgrund der spezifischen anatomischen Verhältnisse eine Atemwegsverlegung bewirken! Hier eher Neutralstellung des Kopfes bevorzugen.

Esmarch-Handgriff (Dreifachhandgriff) ▶ Vorgehen (s. Abb. 4.5): • Der Patient liegt auf dem Rücken. • Der Helfer kniet hinter dem Patienten. • Er fasst mit den Zeigefingern beider Hände unter den Kieferwinkel und legt die Daumen beider Hände auf den Unterkiefer. Dann wird: – 1. der Kopf rekliniert, – 2. der Mund geöffnet, – 3. der Unterkiefer vorgezogen (subluxiert). ▶ Stellenwert: Der Esmarch-Handgriff ist gelegentlich effektiver als das HTCL-Manöver; eine Beatmung ohne Hilfsmittel ist jedoch nicht möglich; der Griff kann in modifizierter Form bei der Maskenbeatmung nützlich sein. ▶ Beachte: Ein zu starkes Reklinieren des Kopfes kann zu Schäden der Halswirbelsäule ■ und des Rückenmarks führen (s. o., HTCL-Manöver). 49

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.1 Pharyngealtuben

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Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.1 Pharyngealtuben Grundlagen ▶ Einführen durch Mund (Oropharyngealtuben) oder Nase (Nasopharyngealtuben) bis in den Hypopharynx. ▶ Halten die oberen Atemwege frei, verhindern ein Zurückfallen der Zunge. ▶ Indikationen: • Drohende oder manifeste Verlegung der oberen Atemwege. • Bewusstlosigkeit. • Atemstillstand und Beatmung (insbesondere, wenn Intubation nicht möglich). ▶ Gefahren: • Zu tiefes Einführen in den Ösophagus (zu großer bzw. zu langer Tubus). • Tubus zu kurz oder zu klein. • Auslösen von Würgen und Erbrechen (besonders Oropharyngealtuben). • Zahnschäden (Oropharyngealtuben). • Nasenbluten und epipharyngeale Mukosaschäden (Nasopharyngealtuben). • Atemwegsverlegung und Aspiration bei liegendem Tubus.

Oropharyngealtuben ▶ Guedel-Tubus (Abb. 5.1): Gebräuchlichster Typ. • Anatomisch geformter, in Höhe der Zahnreihe durch Metall oder harten Kunststoff verstärkter Tubus aus Gummi oder Plastik. • Größen: 000 für Neugeborene bis 6 für sehr große Erwachsene; die üblichen Erwachsenengrößen sind Nr. 3 für Frauen und Nr. 4 für Männer. ▶ Faustregel: Länge des Guedel-Tubus ≈ Entfernung Mundwinkel ↔ Ohrläppchen. ■ • Häufigste Verwendung: – Erleichterung der Maskenbeatmung (eine Beatmung direkt über den GuedelTubus ist nicht möglich). – Beißschutz nach orotrachealer Intubation (dann Einführen neben dem liegenden Endotrachealtubus). • Einführen des Guedel-Tubus: – Zunächst Einführen des Tubus in den geöffneten Mund mit der konkaven Seite nach oben (zur Nase). – Nach einigen Zentimetern (beim Erwachsenen nach etwa 5 cm) Drehen des Tubus um 180°, Vorschieben bis zum Anschlag mit der konkaven Seite nach unten.

Abb. 5.1 • Pharyngealtuben: Obere Reihe: Oropharyngealtuben (Guedel-Tuben) in verschiedenen Größen; untere Reihe: Nasopharyngealtuben (Wendl-Tuben) in verschiedenen Größen.

50

Ansatzstück integrierter Beißschutz Kontrollballon

aufblasbare Blockungsmanschette

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.1 Pharyngealtuben

Abb. 5.2 • Cuffed oropharyngeal Airway (COPA). Ansicht des COPA mit aufgeblasenem Cuff (a). COPA in situ (b).

▶ COPA: Cuffed oropharyngeal Airway, s. Abb. 5.2. • Entspricht einem Guedel-Tubus mit folgenden Modifikationen: – Extraoraler Anteil mit ISO-Ansatzstück zur Konnektion mit Beatmungsgerät/beutel (anstelle einer einfachen Öffnung wie beim Guedel-Tubus). Die Beatmung erfolgt direkt über den COPA. – Pharyngealer Anteil mit aufblasbarem Cuff, der die Zunge nach vorn/oben drückt, den Tubus im Mund zentriert und den Pharynx bei Beatmung abdichtet. • Größen, Farbkennzeichnungen und zur Cuff-Füllung erforderliche Luftmengen: – 8 cm (grün): 25 ml – 9 cm (gelb): 30 ml – 10 cm (rot): 35 ml – 11 cm (mint): 40 ml • Anwendung: – Auswahl der passenden Größe (Entfernung Lippen-Kieferwinkel). – Einführen des COPA (wie beim Guedel-Tubus) in den geöffneten Mund mit der konkaven Seite nach oben (zur Nase). – Nach etwa 5 cm Drehen des Tubus um 180°. Vorschieben bis zum Anschlag mit der konkaven Seite nach unten. – Aufblasen des Cuff mit der oben angegebenen größenadaptierten Luftmenge. – Fixieren des COPA mit einem (der Tubuspackung beiliegenden) Gummizug, der um den Kopf gelegt wird. – Konnektion des Beatmungsgerätes mit dem ISO-Ansatz des Tubus. • Stellenwert in der Notfallmedizin: Alternative zur Intubation, wenn diese unmöglich ist oder nicht beherrscht wird. Insgesamt jedoch erheblich geringerer Bewährungsgrad als Intubation, Larynxmaske oder Combitubus. ▶ Cave: Kein Aspirationsschutz! Eine suffiziente Beatmung ist zudem nicht immer ■ möglich. ▶ Weitere oropharyngeale oder enorale Tuben (im professionellen Rettungsdienst unüblich): • Weinmann-Lifeway: Eine Art verkürzter Guedel-Tubus mit Einblas-Ansatzstück, Nicht-Rückatemventil und einer Klemme zum Verschluss der Nase; – Indikation: Hilfe für die Mund-zu-Mund-Beatmung; Minderung des Infektionsrisikos durch das Ventil. 51

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.2 Endotrachealtuben und Intubationszubehör

– Es handelt sich nicht um einen pharyngealen Tubus, da das Ende des Tubus nicht im Pharynx, sondern in der Mundhöhle zu liegen kommt (enoraler Tubus). • Oro-Tubus: Ein in der vorderen Mundhöhle endendes kurzes metallverstärktes Gummirohr (enoraler Tubus) mit seitlich abdichtenden Gummilaschen und einer Nasenklemme zum Verschluss der Nase. – Indikation: Hilfe für die Mund-zu-Mund-Beatmung. • Safar-Tubus: 2 S-förmig verbundene Guedel-Tuben. Hilfe für die Mund-zu-MundBeatmung. • Stellenwert dieser Tuben: Der Weinmann-Lifeway wird vorwiegend von entsprechend ausgebildeten Laien-Helfern als einfaches Hilfsmittel im Rahmen der Basismaßnahmen der Reanimation verwendet. Safar-und Oro-Tubus haben praktisch nur noch historische Bedeutung.

Nasopharyngealtuben ▶ Wendl-Tubus (Abb. 5.1): Gebräuchlichste Variante. • Beschreibung: Schlauch aus weichem Gummi oder Kunststoff; einige Modelle mit gesonderter Zuleitung für Sauerstoff. • Größen: Angabe wie beim Endotrachealtubus in Charrière (1 Ch = ⅓ mm Außendurchmesser); gängig sind für Erwachsene Tuben der Größe 30–34 Ch. • Vorteil: Wird vom bewusstseinsklaren Patienten besser toleriert als der GuedelTubus; Sauerstoffzufuhr bei einigen Modellen möglich. • Nachteile: – Auslösen von Nasenbluten möglich; submuköses Vorschieben möglich. – Freihalten der Atemwege etwas weniger zuverlässig als mittels Guedel-Tubus. • Häufigste Verwendung: Beim nicht tief komatösen Patienten. • Einführen des Wendl-Tubus: Tubus unter vorsichtigem Drehen und sanftem Druck durch ein Nasenloch in den Rachen vorschieben.

Bewertung der Pharyngealtuben ▶ Pharyngealtuben können die Maskenbeatmung (ggf. auch die Mund-zu-Mund- Beatmung) erleichtern und das Zurückfallen der Zunge meist verhindern. ▶ Sie bieten keinen sicheren Schutz vor Atemwegsverlegung. ▶ Sie bieten überhaupt keinen Schutz vor Aspiration. ▶ Sie sollten beim bewusstlosen oder ateminsuffizienten Patienten so bald wie möglich durch einen Endotrachealtubus (oder auch durch eine Larynxmaske bzw. Combitubus) ersetzt werden.

5.2 Endotrachealtuben und Intubationszubehör Grundlagen ▶ Endotrachealtuben bilden Luftbrücken durch Mund oder Nase bis in die Trachea (orotracheale bzw. nasotracheale Intubation). ▶ Die oberen Atemwege können sicher freigehalten werden. ▶ Durch direkten Anschluss an ein Beatmungsgerät oder einen Beatmungsbeutel erlauben Endotrachealtuben die künstliche Beatmung. ▶ Indikationen: • Notwendigkeit der Beatmung bei Atemstillstand (Reanimationssituation), schweren Oxygenierungs- und Ventilationsstörungen. • Drohende oder manifeste Atemwegsverlegung durch Zunge, Fremdkörper oder Schwellungen der oberen Atemwege. • Ausfall der Schutzreflexe bei Koma jeglicher Genese. • Notwendigkeit einer präklinischen Narkose. 52

▶ Kreissegmentförmige oder abgewinkelte Tuben aus Kunststoff oder Gummi mit folgenden Bestandteilen: • Genormtes ISO-Ansatzstück aus hartem Plastik am proximalen Ende (Verbindung zum Beatmungsgerät). • Aufblasbare Manschette (Cuff) am distalen Ende (Blockung zur Abdichtung der Trachea). • In die Tubuswand integrierte, dünne Zuleitung zum Aufblasen der Blockungsmanschette, die proximal mit einem Ansatzstück für eine Spritze und einem Kontrollballon versehen ist. ▶ ■ Beachte: Besonders im Kindesalter kann eine zu stark gefüllte Blockungsmanschette schwere Trachealschäden hervorrufen; daher werden für Kinder unter 8 Jahren oft Tuben ohne Blockungsmanschette verwendet. Sollten für Kinder Tuben mit Blockungsmanschette verwendet werden, so muss diese auch geblockt werden, ansonsten drohen Trachealschäden durch die gefaltete Blockungsmanschette. Ist ein blockbarer Tubus bei Kindern ohne Blockung dicht, so sollte ein kleinerer Tubus verwendet werden, der dann geblockt werden kann. ▶ Tubusgrößen: Die Größenangabe erfolgt entweder für den Innendurchmesser (ID) in mm oder für den Außendurchmesser (AD) in Charrière (1 Ch = ⅓ mm): • Frauen: Tubusgröße 7,5 mm bzw. 32 Ch. • Männer: Tubusgröße 8 mm bzw. 34 Ch. • Kinder: Ermittlung der Tubusgröße nach dem Alter. • Neugeborene und Säuglinge s. Tab. 5.1. ▶ Passender ID (mm) = 4 + (Alter [in Jahren]/4) für Kinder ab 1 Jahr. ■ ▶ Passender AD (Ch) = 18 + Alter (in Jahren) für Kinder ab 1 Jahr. ■ ▶ Tubuslänge ab Zahnreihe = 12 cm + 0,5 cm pro Jahr. ■ ▶ Faustregel für jedes Alter: AD ≈ Durchmesser des kleinen Patientenfingers. ■ ▶ Tubusarten (s. Abb. 5.3): • Oxford-Tubus: Rechtwinklig gebogener Tubus. – Vorteile: Zu tiefes Einführen in die Atemwege praktisch nicht möglich; geringere Tendenz zum spontanen Herausrutschen aus der Trachea; mit Führungsstab besonders für schwierige Intubationen geeignet. – Nachteile: Nur zur orotrachealen Intubation; Führungsstab praktisch immer notwendig; gelegentlich nicht ausreichende Länge. • Magill-Tubus: Runde Form (Kreissegment). – Vorteile: Geeignet zur orotrachealen und nasotrachealen Intubation; Führungsstab nicht unbedingt erforderlich. – Nachteile: Zu tiefes Einführen in die Atemwege leicht möglich; ohne ausreichende Fixierung Gefahr der Dislokation.

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.2 Endotrachealtuben und Intubationszubehör

Endotrachealtuben

Tab. 5.1 • Übersicht Tubusgrößen bei Kindern. Alter

Innendurchmesser (mm)

Außendurchmesser (Charrière)

Neugeborene

3,0

14

Säugling, 6 Monate

3,5

16

Säugling, 12 Monate

4,0

18

2 Jahre

4,5

20

4 Jahre

5,0

22

6 Jahre

6,0

26

12 Jahre

7,0

30

53

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.2 Endotrachealtuben und Intubationszubehör

Abb. 5.3 • Verschiedene Endotrachealtuben und Führungsstäbe.

Intubationszubehör ▶ Laryngoskop: Dient der Darstellung des Kehlkopfeingangs während der Intubation. • Griff und Spatel mit einer batteriebetriebenen, im Spatel integrierten Lichtquelle, die die Sicht im Mund ermöglicht. • Bei einigen, besonders in der Rettungsmedizin verwendeten Modellen sind Griff und Spatel fest miteinander verbunden, bei anderen, häufig in der Klinik verwendeten Modellen lässt sich der Spatel abnehmen und durch andere Spatel ersetzen. • Spatelarten: – Gebogene Spatel (z. B. Macintosh, Größe 1–4): Bevorzugte Verwendung bei Erwachsenen und größeren Kindern. – Gerade Spatel (z. B. Miller, Größe 0–4): Bevorzugte Verwendung bei kleinen Kindern und Säuglingen (lange, verformbare Epiglottis). ▶ Intubationszange (Magill-Zange): Speziell gebogene „Intubationszange“. • Gelegentlich bei nasotrachealer Intubation erforderlich, um die Spitze des Tubus im Oropharynx zu greifen und zwischen die Stimmlippen einzuführen. • Geeignet außerdem zur Entfernung tief im Rachen liegender Fremdkörper (S. 45). ▶ Führungsstab: Dient der Versteifung des Tubus während der orotrachealen Intubation. • Ein Führungsstab besteht aus flexiblem, mit Kunststoff oder Gummi ummanteltem Metall. • Er wird so weit in den Tubus eingeführt, dass seine Spitze mit dem Tubusende abschließt. Führungsstäbe mit weichem Ende können auch über das Tubusende hinausragen; dadurch wird das Einführen in den Larynxeingang gelegentlich erleichtert. • Der Führungsstab wird unmittelbar nach der Intubation entfernt. ▶ Beachte: Ein Führungsstab kann die Intubation erheblich erleichtern oder über■ haupt erst möglich machen. Da eine schwierige Intubation nicht sicher vorhersagbar ist, gilt grundsätzlich: In der Rettungsmedizin soll der Tubus stets mit Führungsstab eingeführt werden. ▶ Blockungsmaterial: Dient dem Aufblasen der Blockungsmanschette. Erforderlich sind eine Spritze (10 ml) und evtl. eine Klemme. Neuere Tuben haben meist ein in der Blockungszuleitung integriertes Rückschlagventil bzw. einen 2-Wege-Hahn, sodass keine Klemme erforderlich ist. ▶ Fixationsmaterial: Dient der Fixation des Tubus am Gesicht, um eine Dislokation zu verhindern. Meist wird Pflaster verwendet. Kann kein Pflaster geklebt werden (Kälte, Schweiß, Erbrochenes oder Verbrennungen im Gesicht), wird der Tubus mit einer um den Nacken des Patienten geführten Mullbinde befestigt.

54

5.3 Endotracheale Intubation Grundlagen ▶ Orotracheale Intubation: Einführen des Tubus durch den Mund in die Trachea. Methode der Wahl am Notfallort. ▶ Nasotracheale Intubation: Einführen des Tubus durch die Nase in die Trachea. Schwieriger, zeitraubender und komplikationsreicher als die orotracheale Intubation und daher Ausnahmesituationen vorbehalten. ▶ Intubation unter Sicht (direkte Laryngoskopie): Einführen des Tubus in die Trachea mithilfe eines Laryngoskops unter direkter Sicht auf den Larynxeingang: • Methode der Wahl bei orotrachealer und normalerweise auch bei nasotrachealer Intubation. • In der Klinik kann eine Intubation unter Sicht auch mittels eines flexiblen Bronchoskops erfolgen. ▶ Blinde Intubation: Einführen des Tubus ohne Laryngoskop und ohne direkte Sicht auf den Larynxeingang: • Blinde nasotracheale Intubation: Durchführung in Sonderfällen, wenn eine (orotracheale) Intubation unter Sicht nicht möglich ist. • Blinde orotracheale Intubation: Spielt praktisch keine Rolle mehr. ▶ Translaryngeale Intubation: Einführen des Tubus durch das Lig. cricothyreoideum nach Koniotomie (S. 68). ▶ Transtracheale Intubation: Einführen des Tubus durch ein Tracheostoma (S. 59).

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.3 Endotracheale Intubation

▶ Beißschutz: Verhindert eine Verlegung des Lumens durch Zubeißen. Meist wird ein neben dem Endotrachealtubus eingelegter Guedel-Tubus verwendet. ▶ Absaugvorrichtung: Dient dem Absaugen von Sekret, Erbrochenem oder Blut im Rachenraum; besteht aus Absauggerät und großlumigem Katheter; kann jedoch bei Intubationen außerhalb des Notarztwagens nicht immer bereitgestellt werden.

Medikamente zur Intubation ▶ Wache Patienten: Vor der Intubation muss normalerweise eine Narkoseeinleitung (evtl. ergänzt durch Muskelrelaxanzien) erfolgen, s. Tab. 5.2 und Abb. 5.4. ▶ Bewusstlose Patienten: Auf Medikamente zur Intubationserleichterung kann häufig verzichtet werden. Es sollte aber auch bei bewusstlosen Patienten die Gabe eines Injektionshypnotikums (s. Tab. 5.2) erwogen werden, da selbst beim komatösen Patienten Husten-, Würge- und vegetative Reflexe (Blutdruckanstieg) ausgelöst werden können. ▶ Intubation mit oder ohne Muskelrelaxanzien? • Vorteile der Intubation mit Muskelrelaxanzien: – Bessere Intubationsbedingungen, höherer Intubationserfolg. – Geringere Traumatisierung von Larynx und Stimmbändern. • Nachteile und Gefahren der Intubation mit Muskelrelaxanzien: – Es muss unbedingt bis zum Abklingen der Muskelrelaxanzienwirkung eine suffiziente Beatmung erfolgen; dies sind bei Succinylcholin 5–7 min, bei nichtdepolarisierenden Relaxanzien erheblich länger (bis zu 60 min). – Muskelrelaxanzien haben seltene, aber u. U. lebensbedrohliche Nebenwirkungen (v. a. Succinylcholin). ▶ Beachte: Dem in Intubation und Atemwegssicherung weniger geübten Notarzt ist ■ eher der Verzicht auf Muskelrelaxanzien zur Intubation anzuraten. Wenn die Intubation nicht gelingt, kann der Patient dann weiter (unter Sauerstoffzufuhr) spontan atmen oder es sollten alternative Methoden zur Atemwegssicherung wie die Larynxmaske zum Einsatz kommen. Auf eine (Nach-)Relaxierung des bereits intubierten Patienten sollte i. A. verzichtet werden, Pressen gegen die Beatmung sollte mit Vertiefung der Narkose begegnet werden. 55

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.3 Endotracheale Intubation Tab. 5.2 • Medikamente zur Intubation. Eine Supplementierung mit Opiaten (z. B. Morphin 5–10 mg, Fentanyl 0,1–0,2 mg) ist insbesondere bei Patienten mit Schmerzen sinnvoll und kann bei kreislaufinstabilen Patienten die Einleitungsdosis des Injektionsnarkotikums verringern helfen. Medikament

Dosierung/Pat. mit 70 kgKG*

Besonderheiten, Indikationen, Kontraindikationen

Etomidate (Hypnomidate)

0,2–0,3 mg/kgKG/ 16–20 mg

geringer Einfluss auf kardiozirkulatorisches System, als alleiniges Medikament oft nicht ausreichend, um tiefe Narkose zu erreichen

Thiopental

2–5 mg/kgKG/ 350 mg (max. 500 mg)

HZV↓, RR↓; ICP↓ Indikationen: Schädel-Hirn-Trauma, Status epilepticus KI: Volumenmangelschock

Propofol

1,5–2,5 mg/kgKG/ 160–200 mg

niedrigste Dosis bei alten und schwerkranken Patienten Injektionsschmerz Cave: Nur frisch eröffnete Ampullen verwenden wegen Gefahr der bakteriellen Kontamination der Fettemulsion!

Ketamin

1–2 mg/kgKG/ 100–150 mg

dissoziative Amnesie → Kombination mit Benzodiazepin wegen Gefahr des Auftretens von Alpträumen wichtige KI: KHK, Aorten- und Mitralstenose, perforierende Augenverletzungen

S-Ketamin

0,5–1 mg/kgKG/ 50–75 mg

soll geringere Effekte auf Psyche haben, daher zur Mononarkose einsetzbar. Sonst wie Ketamin.

Midazolam

Narkoseeinleitung: 0,15–0,3 mg/kgKG/ 10–15 mg Supplementierung/ Sedierung: 0,05–0,1 mg/2–5 mg

kurz wirksam (15 min). Gabe meist adjuvant zu anderen Injektionsnarkotika

Diazepam

0,2–1 mg/kgKG/ 50 mg

i. A. nicht zur Narkoseeinleitung benutzt

Injektionsnarkotika

Muskelrelaxanzien (MR) Succinylcholin

56

0,5–1 mg/kgKG i. v./ 50–80 mg 2–3 mg/kgKG i. m./ 200 mg

Auf Präkurarisierung mit nichtdepolarisierendem MR kann verzichtet werden. Vorteil: Schnell gute Relaxierung (1–2 min), die nur kurz andauert. Nachteile: • Triggerung einer malignen Hyperthermie • Gefahr der akuten Hyperkaliämie mit konsekutivem Herzstillstand besonders bei Immobilisation, schweren Verbrennungen (10–60 d nach Verbrennung), Polytrauma (10–60 d nach Trauma), Querschnitt (24 h bis zu 1 Jahr nach Ereignis). ▶ Beachte: Nach akutem Trauma/akuter ■ Verbrennung kann Succinylcholin eingesetzt werden.

Medikament

Dosierung/Pat. mit 70 kgKG*

Besonderheiten, Indikationen, Kontraindikationen

Rocuronium

0,6–1 mg/kgKG/ 50 mg

Vorteil: Kürzeste Anschlagzeit der nichtdepolarisierenden MR (nach 60–90 s gute Intubationsbedingungen) Nachteil: • lange Wirkdauer (ca. 30–40 min), bei fehlgeschlagener Intubation kann Spontanatmung nicht ausreichend schnell wieder einsetzen • klinisch-neurologische Untersuchung in der Klinik erschwert

andere nichtdepolarisierende MR

Sind zur Narkoseeinleitung des nicht nüchternen Patienten (wie er im Notarztdienst auftritt) nicht ausreichend schnell, bzw. bei ausreichend hoher Dosierung zur schnellen Intubation viel zu lange wirksam ( > 2 h).

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.3 Endotracheale Intubation Tab. 5.2 • Fortsetzung

* Bei den Angaben für einen 70 kg schweren Patienten handelt es sich um Dosen, die erfahrungsgemäß ausreichen, um in Kombination mit einem Opiat eine Narkose einzuleiten. Abhängig von Konstitution, Alter und Kreislaufsituation müssen die Dosen angepasst werden. KI: Kontraindikation

Orotracheale Intubation ▶ Vorgehen s. Abb. 5.4:

Nasotracheale Intubation unter Sicht ▶ Indikation: Im Notarztdienst besteht normalerweise keine Indikation zur nasotrachealen Intubation unter Sicht. ▶ Vorgehen: • Präoxygenierung, Lagerung, Narkoseeinleitung wie bei orotrachealer Intubation (s. o.). • Applikation von Gleitmittel (z. B. Lidocain-Gel) auf den Tubus und in den Naseneingang. • Tubus durch die Nase bis in den Hypopharynx vorschieben. Zur Vermeidung einer Via falsa kann ein durch den Tubus vorgeschobener Absaugkatheter als Leitschiene verwendet werden. • Laryngoskop einführen und Glottis darstellen. Die Tubusspitze muss im Oropharynx vor der Rachenhinterwand sichtbar sein. • Tubus unter Sicht in die Trachea vorschieben oder Spitze des Tubus mit der Magill-Zange greifen und transglottisch einführen. (Achtung: Beschädigung der Blockungsmanschette durch die Magill-Zange möglich). • Weiteres Vorgehen wie bei orotrachealer Intubation (s. o.). ▶ Kontraindikationen: • Verdacht auf Schädelbasisfrakturen (Rhinoliquorrhö). • Verdacht auf schwere Gerinnungsstörung (Gefahr stärkerer Blutung bei Verletzung der Nasen- oder Rachenschleimhaut).

Blinde nasotracheale Intubation ▶ Indikation: Die blinde nasottracheale Intubation wird vom American College of Surgeons Committee on Trauma und einigen anderen als Methode der Wahl bei Patienten mit Halswirbelsäulen-Trauma empfohlen; diese Empfehlung wird jedoch von vielen Notfallmedizinern nicht geteilt. Aufgrund der relativ hohen Misserfolgsrate 57

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.3 Endotracheale Intubation

Intubation beim wachen Patient Patient atmet spontan und Situation lässt Präoxygenierung zu Präoxygenierung Lagerung

Flow > 8 l/min für 1–2 min/3–5 tiefe Atemzüge über möglichst dicht sitzende Maske „Schnüffelposition“: Kopf leicht überstreckt und ca. 10 cm erhöht; verbessert Sicht auf Glottis, KI: HWS-Trauma

Narkoseeinleitung

1. Injektionsnarkotikum (s. Tab. 5.2) 2. ggf. Muskelrelaxans (s. Tab. 5.2) 3. ggf. Opiat

Krikoiddruck (Sellink-Handgriff)

Ein Helfer drückt den Ringknorpel des Kehlkopfs mit zwei Fingern gegen die Wirbelsäule; dadurch soll die Regurgitation von Mageninhalt verhindert werden.

Öffnen des Mundes Einführen des Laryngoskops

mit gekreuztem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand (Kreuzgriff) mit der linken Hand Zunge nach links schieben und Spitze des Spatels in die Mitte richten

gebogenen Spatel bis in die epiglottische Falte vorschieben Einstellen der Stimmbänder

Laryngoskop nach vorne-oben ziehen (nicht über die Zahnreihe hebeln!), Mundboden und Kehldeckel werden nach oben gezogen und der Blick auf die Stimmlippen wird frei.

Platzierung des Tubus

Tubus (möglichst mit Führungsstab) mit der rechten Hand so tief durch die Stimmlippen führen, dass der Cuff gerade verschwindet. Blocken des Cuffs (5–8 ml Luft) durch Helfer, dann Führungsstab entfernen und konnektieren mit Beatmungsbeutel. Kinder < 8 Jahre möglichst Tubus ohne Cuff.

Lagekontrolle

Tubus weiterhin nicht loslassen. Atemspende mittels Beutel. Dabei Thorax bds. auskultieren (möglichst lateral), auf Thoraxexkursionen achten, Epigastrium auskultieren. Kapnometrie: Nachweis von CO2 in der Ausatemluft (> 3 Atemzüge), schließt ösophageale Fehlintubation sicher aus, jedoch nicht die zu tiefe Intubation!

Tubus fixieren

und Beißschutz einsetzen

erneute Lagekontrolle

Abb. 5.4

58

geraden Spatel über die Epiglottis vorschieben

und Cuffdruck kontrollieren

Intubation bei Patienten mit Tracheostoma ▶ Vorgehen: • Reklination des Kopfes. • Einführen des Tubus beim Erwachsenen ca. 4–5 cm tief in das Tracheostoma oder Verwendung einer Trachealkanüle, wenn vorhanden. • Blocken des Tubus. • Kontrolle der korrekten Tubuslage (S. 43). • Fixieren des Tubus mit Pflaster.

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.3 Endotracheale Intubation

ist in der Regel auch hier eine vorsichtig durchgeführte orotracheale Intubation als Methode der Wahl zu empfehlen. ▶ Vorgehen: • Durchführung nur beim spontan atmenden Patienten. • Halbaufgerichtete Lagerung des Patienten. • Tubus durch die Nase (zunächst wie einen Wendel-Tubus) so weit einführen, bis an seinem proximalen Ende ein deutliches Atemgeräusch zu vernehmen ist. • Dann den Tubus durch geschickte Drehungen so vorschieben, dass er während der Inspiration des Patienten dessen Stimmlippen passiert. • Weiteres Vorgehen wie bei orotrachealer Intubation (S. 57). ▶ Beachte: Die blinde nasotracheale Intubation sieht zwar einfach aus, erfordert je■ doch viel Übung und gelingt auch dem Geübten nicht immer.

Komplikationen der Intubation ▶ Allgemeine Komplikationen: • Beschädigung der Zähne durch das Laryngoskop. • Sekundäre Rückenmarkschädigung durch zu starkes Überstrecken des Kopfes bei Halswirbelsäulentrauma. • Erbrechen und Aspiration während des Intubationsvorgangs. • Verletzung der Stimmlippen und des Kehlkopfes durch zu große Gewaltanwendung beim Einführen des Tubus. • Hypoxie durch zu lange Intubationsversuche ohne zwischenzeitliche Beatmung. ▶ Endobronchiale Intubation: Zu tiefes Einführen des Tubus in einen Hauptbronchus, sodass nur der von diesem Bronchus versorgte Teil der Lunge belüftet wird: • Meist gelangt der zu tief eingeführte Tubus in den rechten Hauptbronchus; oft wird außerdem noch der sehr weit proximal abgehende rechte Oberlappenbronchus durch den Cuff verlegt; dann werden nur der rechte Unter- und Mittellappen belüftet. • Folge: Schwere Oxygenierungsstörung mit u. U. bedrohlicher Hypoxie durch einen großen Rechts-links-Shunt. ▶ Cave: Gelegentlich wird fälschlich auf der Gegenseite ein Pneumothorax diag■ nostiziert! • Was tun? Tubus zurückziehen, bis beide Lungen gut belüftet sind. • Vermeidungsstrategie: Bei Intubation mit Magill-Tuben diese nur so weit vorschieben, bis der Cuff bzw. die Einführmarkierung unter den Stimmbändern verschwunden ist. Bei Oxford-Tuben ist ein zu tiefes Einführen weitgehend ausgeschlossen. ▶ Ösophageale Fehlintubation: Fehlerhaftes Einführen des Tubus in den Ösophagus: • Die versehentliche, unbemerkte Intubation des Ösophagus ist die gefährlichste Komplikation der Intubation. • Folgen: – Schwere Hypoxie, evtl. mit Todesfolge, wenn der Patient nicht weiter neben dem fehlerhaft eingeführten Tubus atmen kann, und wenn die Fehllage nicht doch noch rechtzeitig bemerkt wird. – Unter künstlicher Beatmung wird zudem der Magen beatmet, der intraabdominelle Druck steigt an, die Atmung wird zusätzlich behindert. 59

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.3 Endotracheale Intubation

• Was tun? Bei ösophagealer Fehlintubation muss der Tubus sofort entfernt werden! Der Patient wird erneut intubiert oder zunächst mit einer Maske beatmet. Wichtig ist hierbei die Vermeidung bzw. Beseitigung einer schweren Hypoxie! Wichtig! Auch wenn nur geringe Zweifel an einer korrekten Tubuslage bestehen, und wenn diese nicht innerhalb kürzester Zeit ausgeräumt werden können, ist der Tubus zu entfernen: „If in doubt, take it out“!

Weitere Aspekte ▶ Beatmung (s. S. 73ff.): Einsatz nach erfolgreicher Intubation im Notarztdienst obligat, auch bei Patienten mit noch erhaltener Spontanatmung! Andernfalls können folgende Komplikationen auftreten: • Hypoventilation und Hyperkapnie. • Anstieg des Hirndrucks bei Schädel-Hirn-Trauma. • Hypoxie durch Abfall der funktionellen Residualkapazität, Atelektasenbildung und erhöhten Rechts-links-Shunt. ▶ Vorgehen bei schwieriger Intubation: • Kopf richtig lagern („Schnüffelposition“, S. 58). • Tubus mit weit über das Tubusende hinaus vorgeschobenem Führungsstab verwenden. Die Führungsdrahtspitze kann oft auch noch unter schlechten Sichtbedingungen durch die Glottis eingeführt werden; der Tubus wird dann über den Führungsstab nachgeschoben. ▶ Die Intubation nicht um jeden Preis erzwingen! Patienten kommen nicht dadurch zu Schaden, dass die Intubation misslingt, sondern dadurch, dass sie während unüberlegter und verbissener Intubationsversuche hypoxisch werden. Vorgehen: • Beim nicht mehr atmenden Patienten zwischen 2 Intubationsversuchen (spätestens nach jeweils 30 s) stets mit der Maske beatmen. • Mehrere blinde Intubationsversuche können zu Verletzung und Schwellung des Kehlkopfes führen und so eine weitere Beatmung mit Maske oder Larynxmaske erschweren bis unmöglich machen. • Gelingt die Intubation nicht, so muss ein anderer Weg der Atemwegssicherung gewählt werden. • Möglichst pulsoxymetrisches Monitoring verwenden! ▶ Wenn die Intubation auch beim 2. Versuch nicht gelingt: Alternativen zur Beatmung über einen Endotrachealtubus bedenken. Siehe Abb. 5.5. • Spontanatmungsmöglichkeit ohne Tubus erneut überdenken. • Maskenbeatmung, evtl. mithilfe pharyngealer Tuben. • Larynxmaske oder Combitubus. • Falls alle diese Verfahren unmöglich sind, Koniotomie durchführen. ▶ Beachte: Insbesondere bei beatmungspflichtigen Kindern mit Epiglottitis kann es ■ vernünftiger sein, falls der erste Intubationsversuch misslingt, eine Beatmung mit Maske durchzuführen. Der Beatmungserfolg ist fortlaufend durch Beobachten der Thoraxbewegung und der pulsoxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung zu überwachen (falls vorhanden Kapnometrie)!

Bewertung ▶ Eine korrekt durchgeführte endotracheale Intubation ist der „Goldstandard“ der Atemwegssicherung und allen anderen Methoden überlegen. ▶ Sie ermöglicht die Durchführung einer Überdruckbeatmung, ohne dass die Gefahr einer Überblähung des Magens besteht. ▶ Eine Aspiration wird bei liegendem Tubus weitgehend verhindert. 60

Intubationsversuch 30 s Maskenbeatmung 2. Intubationsversuch 30 s Maskenbeatmung

nein

Spontanatmung möglich

Tubusalternative: Larynxmaske oder Combi-Tubus oder Maskenbeatmung +/– Pharyngealtubus

ja

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.4 Larynxmaske

Spontanatmung unter Sauerstoffgabe über Maske erwägen

Koniotomie

Abb. 5.5 • Atemwegsmanagement. Vereinfachter Algorithmus bei schwieriger oder unmöglicher Intubation. Zwischen den einzelnen Schritten ist der Patient wenn irgend möglich unter supplementierter Sauerstoffzufuhr durch Maskenbeatmung zu oxygenieren. Der jeweils nächste Schritt ist dann erforderlich, wenn der vorhergehende erfolglos war.

▶ Die endotracheale Intubation sollte frühestmöglich immer dann vorgenommen werden, wenn Schaffung und Aufrechterhaltung eines sicheren Atemwegs und künstliche Beatmung notwendig sind. ▶ Eine endotracheale Intubation ist jedoch mit potenziell lebensbedrohlichen Komplikationsmöglichkeiten behaftet und darf nicht leichtfertig, sondern nur bei entsprechender Indikation durchgeführt werden.

5.4 Larynxmaske Grundlagen und Indikation ▶ Die Larynxmaske bildet eine Luftbrücke durch den Mund bis unmittelbar vor den Larynxeingang. Der im Hypopharynx liegende Maskenanteil umschließt dabei den Larynxeingang und die Epiglottis und dichtet die Atemwege somit weitgehend ab (Abb. 5.6). ▶ Indikation: Atemwegssicherung und Beatmung als Alternative zum Endotrachealtubus, falls Intubation misslingt oder aufgrund der Umstände unmöglich ist (z. B. bei eingeklemmter Person). ▶ Größen der Larynxmasken s. Tab. 5.3.

61

5.4 Larynxmaske

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

Abb. 5.6 • Larynxmasken in verschiedenen Größen.

Tab. 5.3 • Larynxmaskengrößen. Größe

Patientengröße

1

Neugeborene/Kleinkinder bis zu 5 kg



Kleinkinder von 5–10 kg

2

Kleinkinder/Kinder von 10–20 kg



Kinder von 20–30 kg

3

Kinder von 30–50 kg

4

Erwachsene von 50–70 kg

5

Erwachsene von 70–100 kg

6

Große Erwachsene über 100 kg

Vorgehen ▶ Eine Vielzahl von im Detail unterschiedlichen Methoden ist beschrieben. Folgendes Vorgehen geht mit einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit ( > 95 %) einher: • Auswahl der richtigen Larynxmaskengröße. • Der Cuff sollte nach „klassischer“ Ansicht vollständig entleert sein. Es ist jedoch auch möglich und in den Augen einiger Anwender vorteilhaft, den Cuff leicht vorgeblockt einzuführen. • Der Notarzt steht hinter dem Patienten; der Kopf wird rekliniert. In Ausnahmefällen, etwa wenn der Patient nicht von hinten zugänglich ist, kann der Notarzt auch vor dem Patienten stehen. Das Einführen einer Larynxmaske von vorn ist erheblich einfacher als das korrekte Einführen eines Endotrachealtubus von vorn. 62

5.4 Larynxmaske

5

• Präoxygenierung des spontan atmenden Patienten, wenn möglich. • Wenn erforderlich, Narkoseeinleitung mit einem Induktionshypnotikum. Hierbei gilt Propofol in der Klinik als Mittel der Wahl; andere Hypnotika können jedoch auch verwendet werden; z. B.: – Propofol 2–3 mg/kgKG i. v. – Etomidate 0,2–0,3 mg/kgKG i. v., evtl. kombiniert mit Midazolam 0,1 mg i. v. • Mit der linken Hand den Kopf leicht überstrecken, sodass sich der Mund öffnet (dazu am besten unter Hinterkopf/Nacken greifen). • Mit der rechten Hand die Larynxmaske wie einen Stift halten, wobei der Zeigefinger auf der Verbindung zwischen Cuff und Tubus liegt. • Maske so einführen, dass die Maskenöffnung zur Zunge zeigt und die Rückseite der Larynxmaske mit der Spitze des Cuffs nach oben gegen den harten Gaumen gedrückt wird. • Vorschieben der Larynxmaske in den Hypopharynx bis ein deutlicher Widerstand zu spüren ist. Der einführende Finger soll dabei den Tubus während des gesamten Einführvorgangs gegen den Gaumen drücken, um ein Aufrollen der Spitze zu vermeiden.

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

Abb. 5.7 • Platzierung der Larynxmaske. Unter Beobachtung der Maskenspitze wird die Kehlkopfmaske mit der dominanten Hand flach entlang des harten Gaumens vorgeschoben. Mit Hilfe des Zeigefingers wird Druck nach kranial ausgeübt, sodass die Spitze der Kehlkopfmasken nicht knickt und nicht mit der Zunge kollidiert (a). Bei flektiertem Hals und überstrecktem Kopf wird die Maske unter Führung des Zeigefingers am hinteren Pharynx entlang geschoben (b). Die Kuppe des Zeigefingers drückt die Maske weiter und führt sie abwärts in die richtige Lage (c). Nach Platzierung wird der Tubus mit der anderen Hand festgehalten und der Zeigefinger aus dem Rachen gezogen. Zur Vergewisserung, dass die Maske korrekt platziert ist, wird der Tubus noch einmal leicht hinuntergedrückt (d). Auffüllen des Cuffs mit dem korrekten Luftvolumen; dabei hebt sich die Maske normalerweise leicht aus dem Rachenraum an (e).

63

5.4 Larynxmaske

• Die Maske zentriert sich dann normalerweise so vor dem Larynxeingang, dass der Patient beatmet werden kann. • Cuff mit Luft füllen. • Beatmung beginnen, Beatmungserfolg durch Auskultation der Lungen und, wenn möglich, mittels Kapnometrie überprüfen. • Maske mit Pflaster fixieren.

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

Larynxmaske Ein häufiges Problem beim Einführen besteht darin, dass die Maske beim Auftreffen auf die Rachenhinterwand nicht „um die Ecke“ in Richtung Hypopharynx gleitet. Hier kann Folgendes helfen: ▶ Die Maske immer gegen den Gaumen drücken, als ob man sie „nach oben“ schieben wolle. ▶ Die Maske beim Vorschieben ein wenig (bis 90°) nach links oder rechts drehen. ▶ Den Unterkiefer beim Vorschieben subluxieren (ähnlich wie beim EsmarchGriff).

Varianten der „klassischen“ Larynxmaske ▶ Die Einmal-Larynxmaske ist relativ preiswert, muss nicht wiederaufbereitet werden und ist somit gerade für den Rettungsdienst interessant. ▶ Fasttrach-Larynxmaske oder „Intubating laryngeal mask“ (ILMA): Sie ist erheblich starrer als die klassische Larynxmaske und bereits entsprechend dem korrekten Sitz in Mund und Rachen rechtwinklig vorgebogen. • Mit der ILMA kann daher oft auch in schwierigeren Fällen ein für eine Beatmung ausreichender Sitz der Maske erreicht und aufrechterhalten werden. • Optional kann durch diese Maske ein Tubus (Größe 7,0) in die Trachea eingeführt werden. Dieses Vorgehen erfordert jedoch eine gewisse Übung, weiteres Instrumentarium und ist im Rettungsdienst nicht zu empfehlen. • Die ILMA ist relativ teuer und wird meist nicht präklinisch vorgehalten. ▶ Die ProSeal-Larynxmaske verfügt über ein zusätzliches, an der Spitze endendes, kleineres Lumen, durch das regurgierter Mageninhalt ablaufen kann oder abgesaugt werden kann. Die Verwendung dieser Maske ist z. Zt. im Rettungsdienst eher unüblich, obwohl sie gerade bei der Atemwegssicherung nichtnüchterner Patienten vorteilhaft erscheint.

Komplikationen Verletzung des Pharynx beim Einführen (Blutung aus der Rachenhinterwand). Verlegung des Larynx. Dislokation und insuffiziente Beatmung. Provokation einer Aspiration. ▶ Beachte: Die Larynxmaske ist dem Endotrachealtubus im Hinblick auf den Aspira■ tionsschutz unterlegen. Allerdings ist die Aspirationswahrscheinlichkeit offenbar auch bei nichtnüchternen Patienten eher gering (erheblich geringer als bei Maskenbeatmung). ▶ ▶ ▶ ▶

Bewertung ▶ Die Larynxmaske stellt in schwierigen Situationen eine wichtige Ergänzung des Repertoires zur Atemwegssicherung dar. Sie wird heute explizit als wichtige Alternative zum Endotrachealtubus empfohlen. ▶ Die Larynxmaske kann insbesondere von in der Atemwegssicherung weniger geübten Notärzten mit einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit eingesetzt werden als ein Endotrachealtubus. ▶ Wenn eine endotracheale Intubation nicht möglich ist, kann oft eine ausreichende Atemwegssicherung mittels Larynxmaske erzielt werden. 64

• Die Larynxmaske funktioniert nicht, wenn ein Hindernis im Larynxbereich die transglottische Luftpassage unmöglich macht (z. B. Glottisödem, Epiglottitis, Fremdkörper). • Ein korrekter Sitz der Larynxmaske lässt sich nicht immer erzielen.

5.5 Ösophagotrachealer Doppellumentubus

( = Combitubus)

Grundlagen, Indikationen und Kontraindikationen ▶ Indikationen: Atemwegssicherung und Beatmung als Alternative zur endotrachealen Intubation beim bewusstlosen Patienten. ▶ Kontraindikationen: • Alter < 16 Jahre. • Vorhandene Beiß- und Schluckreflexe. • Erkrankungen des Ösophagus. • Ingestion von Säuren oder Laugen. ▶ Der ösophagotracheale Doppellumentubus (Combitubus, s. Abb. 5.8) besteht aus 2 „Beatmungslumina“ und 2 blockbaren Manschetten: • Tubuslage in der Trachea: Beatmung über das distale Lumen möglich. • Tubuslage im Ösophagus: Beatmung über das proximale Lumen möglich. ▶ Der „EasyTube“ (Fa. Rüsch) ist mit dem Combitube vergleichbar. • Vorteil: Latexfrei. • Bei im Vergleich zum Combitube höherer Steifigkeit besteht bei blinder Platzierung eine höhere Verletzungsgefahr. Daher Platzierung unter laryngoskopischer Sicht empfohlen (auch unter Sicht nach ösophageal bei nicht einstellbarer Glottis).

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.5 Ösophagotrachealer Doppellumentubus ( = Combitubus)

▶ Beachte jedoch: ■

Vorgehen ▶ Einführen (Abb. 5.8a): Combitubus blind (Laryngoskopie nicht erforderlich) durch Mund und Rachen über den Hypopharynx hinaus einführen (Markierungen zwischen den Zähnen). Wahrscheinlich gelangt der Tubus so in den Ösophagus; evtl. jedoch auch in die Trachea. ▶ Blockung (Abb. 5.8b): Beide Manschetten aufblasen: • Proximale, im Pharynx liegende Manschette mit 100 ml Luft. • Distale, im Ösophagus oder in der Trachea liegende Manschette mit 10–15 ml Luft. ▶ Auskultation: Über das proximale Lumen einige Beatmungshübe verabreichen; gleichzeitig über Thorax und Epigastrium auskultieren: • Hört man deutliches Atemgeräusch über der Lunge und kein blubberndes Geräusch über dem Magen, so liegt der Tubus im Ösophagus (Abb. 5.8c): – Die Öffnung des proximalen Lumens liegt vor der Glottis; die distale Manschette dichtet nach unten (Ösophagus und Magen) ab, die proximale Manschette nach oben. – Die Beatmung wird fortgesetzt. – Über das distale Lumen kann Mageninhalt nach außen abfließen oder abgesaugt werden. • Hört man kein Atemgeräusch über der Lunge, aber ein blubberndes Geräusch über dem Magen, so liegt der Tubus mit dem distalen Lumen in der Trachea (Abb. 5.8d): – Die Beatmung über das proximale Lumen wird beendet und über das distale Lumen fortgesetzt. – Der Tubus wird jetzt wie ein Endotrachealtubus weiter verwendet; die Lage wird durch erneute Auskultation über Lunge und Magen verifiziert (S. 58). – Das zweite, proximal endende Lumen bleibt ungenutzt. 65

5.5 Ösophagotrachealer Doppellumentubus ( = Combitubus)

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

Abb. 5.8 • Platzierung des Combitubus Doppellumentubus: Blindes Einführen durch Mund und Rachen bis über den Hypopharynx hinaus (Markierungen zwischen den Zähnen) (a). Blocken der Cuffs (b). Ösophageale Platzierung (c): Beatmung über den proximalen (blauen) Verbindungsschlauch; bei positiver Auskultation über der Lunge Beatmung fortsetzen. Tracheale Platzierung (d): Bei negativer Auskultation über der Lunge erfolgt die Beatmung über den distalen (transparenten) Verbindungsschlauch.

Bewertung ▶ Der Combitubus stellt in schwierigen Situationen eine wichtige Ergänzung des Repertoires zur Atemwegssicherung dar; sie wird heute explizit als wichtige Alternative zum Endotrachealtubus empfohlen, insbesondere bei CPR. ▶ Der Combitubus wird im paramedicsdominierten Rettungsdienst der USA eingesetzt; in Deutschland ist er deutlich weniger verbreitet. 66

5.6 Larynxtubus Grundlagen ▶ Es handelt sich gewissermaßen um ein Mittelding zwischen Larynxmaske und Combitubus (Abb. 5.9). Der Larynxtubus wird blind (ohne Laryngoskopie) eingeführt. Er verfügt über 2 Cuffs: • Der proximale Cuff kommt nach dem Einführen im Oropharynx zu liegen und dichtet die Atemwege nach oben ab. • Der distale Cuff kommt im oberen Ösophagus zu liegen und dichtet die Atemwege nach unten ab. • Zwischen beiden Cuffs befindet sich die Beatmungsöffnung, die bei korrekter Tubusplatzierung vor dem Larynxeingang liegt. ▶ Größen der Larynxtuben: Die verschiedenen Größen der Larynxtuben müssen mit unterschiedlichen Luftmengen geblockt werden. Anhaltswerte s. Tab. 5.4. Idealerweise sollte der Cuffdruck mittels Messung kontrolliert werden. Er sollte 60– 70 cmH2O betragen.

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.6 Larynxtubus

▶ Er ist dem Endotrachealtubus im Hinblick auf den Aspirationsschutz unterlegen; allerdings ist die Aspirationswahrscheinlichkeit geringer als bei Maskenbeatmung. ▶ Beachte jedoch: Der Combitubus funktioniert nicht, wenn ein Hindernis im Larynx■ bereich die transglottische Luftpassage unmöglich macht (z. B. Glottisödem, Epiglottitis, Fremdkörper).

Abb. 5.9 • Larynxtubus.

Tab. 5.4 • Luftvolumina zum Blocken eines Larynxtubus (Anhaltswerte). Tubusgröße

Gewicht/Alter

Farbkennung

Luftvolumen

0

Neugeborene bis zu 6 kgKG

transparent

15 ml

1

Babys von 6–15 kgKG

weiß

40 ml

2

Kinder von 15–30 kgKG

grün

80 ml

3

Jugendliche und kleine Erwachsene bis 1,55 m bzw. 30–60 kgKG

gelb

120 ml

4

Erwachsene von 1,55–1,80 m bzw. 50–90 kgKG

rot

130 ml

5

große Erwachsene > 1,80 m bzw. > 90 kgKG

violett

150 ml

67

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.7 Koniotomie

Vorgehen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Auswahl der richtigen Tubusgröße. Cuffs müssen vollständig entleert sein. Der Notarzt steht möglichst hinter dem Patienten. Präoxygenierung des spontan atmenden Patienten, wenn möglich. Wenn erforderlich, Narkoseeinleitung mit einem Induktionshypnotikum, z. B. • Propofol 2–3 mg/kgKG i. v. • Etomidate 0,2–0,3 mg/kgKG i. v., evtl. kombiniert mit Midazolam 0,1 mg i. v. Mit der linken Hand den Kopf leicht überstrecken, sodass sich der Mund öffnet (dazu am besten unter Hinterkopf/Nacken greifen). Mit der rechten Hand Larynxtubus blind vorschieben bis ein Widerstand zu spüren ist. Cuffs mit Luft füllen; diese verteilt sich automatisch in beiden Cuffs. Beatmung beginnen, Beatmungserfolg durch Auskultation der Lungen und, wenn möglich, Kapnometrie überprüfen. Maske mit Pflaster fixieren.

Bewertung des Larynxtubus ▶ Der Larynxtubus bietet keinen wirklich zuverlässigen Aspirationsschutz, bei heftigem aktivem Erbrechen könnte die Blockung des Ösophagus zur Ösophagusruptur führen. ▶ Die Verbreitung des Larynxtubus ist erheblich geringer als die der Larynxmaske. ▶ Soll für den im Umgang mit der Larynxmaske Ungeübten einfacher platzierbar sein.

5.7 Koniotomie Grundlagen und Indikation ▶ Schaffung eines direkten, translaryngealen Zugangs zur Trachea durch Eröffnung des Lig. conicum (Lig. cricothyreoideum) zwischen Schildknorpel und Ringknorpel. ▶ Indikation: Verlegung der oberen Atemwege und/oder Notwendigkeit einer Beatmung, wenn eine andere Form der Atemwegssicherung/Beatmung unmöglich ist.

Vorgehen ▶ Siehe auch Abb. 5.10. ▶ Lagerung des Patienten auf dem Rücken mit überstrecktem Hals (Cave: Trauma der Halswirbelsäule!). ▶ Schildknorpel („Adamsapfel“) und darunter (kaudal) liegenden Ringknorpel tasten. ▶ Mit einem Skalpell eine etwa 2 cm lange quere Hautinzision zwischen beiden Knorpeln setzen. ▶ Wunde spreizen und mit einem weiteren queren Schnitt das darunterliegende Lig. conicum ca. 1,5 cm breit eröffnen. ▶ Durch die Öffnung einen Tubus mit 5–7 mm Innendurchmesser ca. 5 cm tief endotracheal einführen und blocken. ▶ Mit der Beatmung beginnen. ▶ Kontrolle der korrekten Tubuslage (s. endotracheale Intubation, S. 55).

Varianten ▶ Transligamentäre Punktion der Trachea mit einer oder mehreren Kanülen: • Transligamentäre Punktion mit dicklumiger Venenverweilkanüle, z. B. 2,2 mm ID (rot-braun): – Mit 2–3 ml NaCl 0,9 % gefüllte 10-ml-Spritze auf Plastikverweilkanüle mit Stahlmandrin aufstecken und durch Lig. conicum schräg nach unten punktie68

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.7 Koniotomie

Abb. 5.10 • Durchführung der Koniotomie: Palpation des Spaltes zwischen Schildknorpel und Ringknorpeloberrand (a, b); Inzision der Haut und des Lig. conicum (c, d), Einführen des Tubus (e).

ren, bis Luft in Spritze einströmt; Kanüle vorschieben, Stahlmandrin mit Spritze entfernen. – Notfallmaßnahme zur Sauerstoffinsufflation (2–4 l/min); dadurch vorübergehende Oxygenierung oft auch ohne adäquate Ventilation möglich. Gefahr: Überdehnung und Ruptur der Lunge bei gestörtem Gasabfluss! – Zur Beatmung Konnektor eines Säuglingstubus benutzen und auf Plastikkanüle aufstecken; konventionelle Beatmung jedoch meist kaum möglich. – Punktion der Trachea bei Säuglingen und Kleinkindern aufgrund der schwierig durchzuführenden konventionellen Koniotomie evtl. bevorzugen (ggf. entspre69

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.7 Koniotomie

chend kleinere Kanüle verwenden, z. B. 1,4 mm ID [weiß] oder 1,2 mm ID [grün]). • Transligamentäres Spicken mit mehreren Injektionskanülen (Stahlkanülen, z. B. 20 G [gelb] oder 18 G [rosa]): Weitgehend ineffektives Verfahren; selbst bei Verwendung vieler Kanülen keine ausreichende Spontanatmung oder konventionelle Beatmung möglich. ▶ Koniotomie mit speziellen Koniotomiebestecken: • Minitrach I (Abb. 5.11): Einführen eines kleinen Tubus nach Stichinzision des Lig. conicum mit einer Lanzette. • Minitrach II (Seldinger-Technik): Einführen eines kleinen Tubus über einen Draht nach Punktion des Lig. conicum. Vorgehen: – Trachea mit Stahlkanüle und aufgesetzter Spritze durch das Lig. conicum unter ständiger Aspiration schräg nach unten anpunktieren. – Eindringen von Luft zeigt richtige Lage der Kanüle an. – Spritze abnehmen und Seldinger-Draht in Trachea einführen. – Tubus inkl. eingeführtem Dilatator über den Draht vorschieben. – Draht und Dilatator entfernen; ggf. jetzt mit Beatmung und/oder Sauerstoffzufuhr beginnen. • Trans-Krikotomie-Tubus nach Ravussin: Direkte Trachealpunktion durch das Lig. conicum mit einer leicht gebogenen Kanüle mit Adapter für ein Beatmungsgerät (ähnlich einer dicken Venenverweilkanüle mit Stahlmandrin; s. o.). – Vorteil: Sehr einfache Durchführung. – Nachteil: Sehr dünnes Lumen. • Nu-Trake-Set: Bestehend aus Dilatationsschleuse mit erweiterbarem Lumen und Konnektor für Beatmungsgerät sowie Punktionsnadel, Skalpell und Trokar. Vorgehen: – Mit Skalpell Inzision über Lig. conicum (s. o.). – Punktionskanüle in Dilatationsschleuse einführen und Trachea durch Lig. conicum schräg nach unten anpunktieren. – Punktionskanüle entfernen und Dilatationsschleuse mit Trokar an ihrer Sollbruchstelle in Längsrichtung spalten ( = Lumenerweiterung). – Trokar entfernen und Beatmung und/oder Sauerstoffzufuhr beginnen. • Bewertung der genannten Techniken: – Vorgesehene Tuben sehr klein und nicht blockbar. – Beatmung schwer möglich.

Abb. 5.11 • Portex Minitrach I-Set zur Koniotomie.

70

Komplikationen und Bewertung Verletzung laryngealer und trachealer Strukturen. Blutung. Schneller, einfacher und sicherer Zugang zur Trachea. Die notfallmäßige Koniotomie hat die demgegenüber schwierigere, zeitaufwendigere und komplikationsträchtigere Tracheotomie als Notfallmaßnahme abgelöst (eventuelle Ausnahme: Kinder < 5 Jahre; s. u.). ▶ Besondere Schwierigkeiten aufgrund der kleinen anatomischen Strukturen bei der Koniotomie von Säuglingen und Kleinkindern; hier besonders sorgfältig und überlegt vorgehen, ggf. Punktion mit Venenverweilkanüle bevorzugen, ggf. auch Tracheotomie durch den Geübten. ▶ ■ Beachte: Man muss sich zur Koniotomie entschließen, bevor der Patient durch Hypoxie irreversibel geschädigt ist! ▶ ▶ ▶ ▶

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.8 Sauerstofftherapie

– Für den Rettungsdienst keine entscheidenden Vorteile gegenüber der Technik mit Skalpell und Endotrachealtubus.

5.8 Sauerstofftherapie Physiologische Grundlagen ▶ Inspiratorische Sauerstofffraktion (FiO2): Die Erhöhung der FiO2 bewirkt eine Erhöhung des alveolären Sauerstoffpartialdruckes (pAO2). Die FiO2 kann als Dezimale (z. B. 0,5) oder in Prozent (z. B. 50 %) angegeben werden. ▶ Alveolärer Sauerstoffpartialdruck (pAO2): Die Erhöhung des pAO2 führt zu: • Auffüllung des pulmonalen Sauerstoffspeichers (funktionelle Residualkapazität): Verlängerte Apnoezeit ohne Hypoxieentwicklung. • Erhöhung des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes (paO2): Das Ausmaß dieser paO2Erhöhung wird klinisch vor allem durch venöse Beimischung bzw. Rechts-linksShunt vermindert. ▶ Merke: Faustregel bei normaler Gasaustauschfunktion: Eine FiO2-Erhöhung um ■ 10 % (bzw. 0,1) führt zu einer paO2-Erhöhung um ca. 50–60 mmHg. ▶ Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes (SaO2): Die SaO2 steigt mit ansteigendem paO2 bis auf maximal 98–100 % an; die maximale SaO2 wird bei einem paO2 von etwa 100 mmHg erreicht. ▶ Arterieller Sauerstoffgehalt (CaO2): Der CaO2 wird im Bereich niedriger bis normaler Sauerstoffpartialdrücke ( < 100 mmHg) vorwiegend über eine Erhöhung des SaO2 gesteigert. • Der physikalisch gelöste Sauerstoff trägt in niedrigen Partialdruckbereichen nur sehr wenig zum CaO2 bei. • Bei hohem Sauerstoffpartialdruck kann die Menge an gelöstem Sauerstoff jedoch bedeutsam werden, besonders in folgenden Situationen: – Ausgeprägte Anämie (Trauma, schwere Blutung). – Dyshämoglobinämie (CO-Vergiftung). – Kritische Sauerstoffversorgung aller Organe (Schock, CPR). – Kritische Sauerstoffversorgung einzelner Organe (Myokardinfarkt, Apoplex). • Maximal können unter Atmosphärendruckbedingungen bei einer FiO2 von 100 % ca. 2 ml Sauerstoff pro 100 ml Blut physikalisch gelöst werden. Beim Erwachsenen mit 5 l Blutvolumen entspricht dies insgesamt etwa 100 ml O2 bzw. ca. 30 % des Sauerstoffverbrauchs.

Indikationen ▶ Hypoxie, Hypoxygenation oder Hypoxämie des arteriellen Blutes: • Sauerstoffsättigung < 90 %. • Zyanose. 71

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.8 Sauerstofftherapie

• Ausgeprägte Anämie (z. B. Trauma, Blutung). • Vergiftungen (z. B. mit Kohlenmonoxid oder Zyaniden). ▶ Störungen der pulmonalen Sauerstoffaufnahme: • Primäre Oxygenierungsstörungen: z. B. Lungenödem. • Sekundäre Oxygenierungsstörungen: z. B. Opioidvergiftung. ▶ Störungen der Sauerstoffversorgung einzelner Organe: • Regionale myokardiale Hypoxie: Angina pectoris, Myokardinfarkt. • Regionale zerebrale Hypoxie: Apoplex. ▶ Zirkulationsbedingte Störungen der globalen Sauerstoffversorgung: • Schock jeglicher Genese. • Kreislaufstillstand, Reanimation. ▶ Hypoxieprophylaxe: Erhöhung des alveolären Sauerstoffgehaltes vor bestimmten Maßnahmen (z. B. Präoxygenierung vor Intubation). ▶ Beachte: Die Gabe von Sauerstoff ist praktisch in jeder Notfallsituation mit Bedro■ hung der Vitalfunktionen indiziert.

Kontraindikationen ▶ Gegen die kurzfristige Sauerstoffzufuhr gibt es praktisch keine Kontraindikationen. ▶ Beachte: Jedem vital bedrohten Notfallpatienten sollte so bald wie möglich Sauer■ stoff zugeführt werden! ▶ Seltene Ausnahmen: • Herbizidvergiftung (Paraquat, Diquat): Sauerstoff kann den Lungenschaden verstärken (Beschleunigung der Lungenfibrosierung). • Frühgeborene: Sauerstoff kann toxische Veränderungen an den Augen bewirken (retrolentale Fibrose). ▶ Bei spontan atmenden Patienten mit COPD ist erhöhte Vorsicht angezeigt (s. u.). ▶ Bei längerfristiger Anwendung (Stunden und Tage) kann eine erhöhte FiO2 über eine vermehrte Produktion von Sauerstoffradikalen zur pulmonalen Schädigung führen.

Sauerstoffzufuhr beim spontan atmenden, nichtintubierten Patienten ▶ Methoden: Sauerstoffinsufflation kann über folgende Hilfsmittel erfolgen: • Gesichtsmaske (mit oder ohne Reservoir). • Nasensonde. • Beatmungsbeutel mit aufgesetzter Beatmungsmaske (s. Abb. 5.15). ▶ Abschätzung der effektiven FiO2: Bei Verabreichung ohne Sauerstoffreservoir in Flowbereichen bis 8 l/min gilt folgende Faustregel: ▶ Merke: Jeder Liter Sauerstoff pro Minute erhöht die FiO2 um 3–5 %. ■ ▶ Einstellung des Sauerstoffflows: ▶ Merke: Ziel ist eine SaO2 ≥ 90 %. ■ • Normalerweise werden 4–8 l Sauerstoff verabreicht. • Eine Erhöhung des Sauerstoffflows > 8 l bringt nur noch wenig zusätzlichen Effekt. • Maximal kann ohne Reservoir eine inspiratorische Sauerstoffkonzentration von etwa 40–60 % erreicht werden. • Ein Reservoir erhöht die FiO2 je nach Fassungsvermögen und Bauart deutlich.

Sauerstoffzufuhr beim beatmeten Patienten ▶ Methoden: Die Sauerstoffzufuhr kann erfolgen mittels: • Beatmungsbeutel. • Beatmungsgerät. ▶ Sauerstoffzufuhr über einen Beatmungsbeutel: Bei hohem Sauerstoffflow (z. B. 8 l/min) kann eine FiO2 von etwa 50 % erreicht werden, bei Verwendung eines vorgeschalteten Sauerstoffreservoirs auch mehr. 72

Sauerstoffzufuhr bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ▶ Siehe auch S. 303. ▶ Einige Patienten mit schwerer COPD sind chronisch an sehr niedrige Sauerstoffpartialdrücke adaptiert: • Die Regulation des Atemantriebs erfolgt bei diesen Patienten überwiegend über einen niedrigen paO2 und nicht, wie normalerweise, über den paCO2 (hypoxic drive). • Dies ist wahrscheinlich keine zentrale Atemregulationsstörung, sondern ein adaptiver Mechanismus zur Vermeidung exzessiver Atemarbeit. ▶ Spontanatmende COPD-Patienten können auf Sauerstoffzufuhr mit Hypoventilation und weiterem CO2-Anstieg reagieren; in seltenen Fällen resultiert eine sog. CO2Narkose (bei paCO2 > 80 mmHg). ▶ Auch COPD-Patienten sind jedoch ggf. durch eine Hypoxie vital bedroht; daher darf ihnen Sauerstoff nicht vorenthalten werden. ▶ Die Patienten müssen unter Sauerstoffzufuhr sorgfältig überwacht und bei schwerer Hypoventilation notfalls beatmet werden. ▶ Es ist eine SaO2 von mindestens 85–90 % anzustreben. ▶ Beachte: Auch COPD-Patienten muss bei Hypoxie Sauerstoff verabreicht werden! ■

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.9 Beatmung: Grundlagen und Übersicht

▶ Sauerstoffzufuhr über ein Beatmungsgerät: An gängigen Geräten meist Wahl zwischen 2 inspiratorischen Sauerstoffkonzentrationen möglich: • Air-Mix: FiO2 von etwa 50 %. Ausreichend, wenn dadurch die SaO2 > 90 % gehalten werden kann. • No-Air-Mix: FiO2 von etwa 100 %. Indikationen: – Schwere Hypoxie, Hypoxämie und vitale Bedrohung (Schock, CPR). – Unmittelbar nach der Intubation sowie in allen „unübersichtlichen Situationen“.

5.9 Beatmung: Grundlagen und Übersicht Physiologische Grundlagen ▶ Unterschied zwischen Spontanatmung und Beatmung: Liegt im Erzeugen des Atemzug- bzw. -hubvolumens und der dadurch bedingten Änderung der intrapulmonalen und intrathorakalen Drücke. Als Bezugsdruck dient stets der Atmosphärendruck, der gleich 0 gesetzt wird. ▶ Spontanatmung (Abb. 5.12a): Die Atemwegsdrücke liegen während des gesamten Atemzyklus (Inspiration plus Exspiration) normalerweise nur wenig unter- bzw. oberhalb von 0: • Inspiration: Durch Kontraktion der inspiratorischen Atemmuskulatur (Zwerchfell, inspiratorische Interkostalmuskulatur, Atemhilfsmuskeln wie z. B. M. sternocleidomastoideus) Erzeugung eines negativen intrathorakalen und intrapulmonalen Drucks, die Luft wird in die Lunge hineingesaugt. • Exspiration: Erfolgt normalerweise durch die passiven Retraktionskräfte von Lunge und Thorax, die den intrapulmonalen Druck erhöhen und das intrapulmonale Gas nach außen drücken. Sie wird in besonderen Situationen durch die exspiratorische Atemmuskulatur (exspiratorische Interkostalmuskulatur, Bauchmuskulatur) aktiv unterstützt (z. B. im Status asthmaticus). ▶ Beatmung (Abb. 5.12b, Abb. 5.12c): Die moderne Beatmung ist eine Überdruckbeatmung (positive pressure ventilation; PPV). Dabei werden Atemwegsdrücke erzielt, die inspiratorisch deutlich (10–25 mbar oder mehr) über 0 liegen: • Inspiration: Durch Erzeugung eines Überdrucks am Mund bzw. Tubus wird das Atemgas in die Lunge hineingepresst. Es entsteht ein positiver intrapulmonaler und intrathorakaler Druck. 73

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.9 Beatmung: Grundlagen und Übersicht

cmH2 O

Inspiration

Exspiration

Inspiration

Exspiration

10

0

–10 20

10

0 30

20

PEEP

10

0 Abb. 5.12 • Atemwegsdrücke bei Spontanatmung (a), maschineller Beatmung (b) und maschineller Beatmung mit PEEP (c).

• Exspiration: Erfolgt normalerweise wie bei der Spontanatmung passiv durch die Retraktionskräfte von Lunge und Thorax bis auf Atmosphärendruckniveau, also bis zu einem endexspiratorischen Druck von 0 (Abb. 5.12b). Durch ein entsprechendes Überdruckventil im Exspirationsschenkel des Beatmungssystems kann der endexspiratorische Druck und damit auch das Ausgangsniveau für die nächste Inspiration über dem Atmosphärendruckniveau gehalten werden. Dadurch wird das exspiratorische Kollabieren der Lunge entsprechend ihrer Retraktionskräfte vermindert. Man erzielt so einen positiven endexspiratorischen Druck (PEEP, Abb. 5.12c). ▶ Beachte: Bei der künstlichen Beatmung herrscht während der Inspiration ein positi■ ver intrapulmonaler und intrathorakaler Druck, bei der normalen Spontanatmung hingegen ein negativer intrapulmonaler und intrathorakaler Druck.

Ziele der Beatmung und Indikationen ▶ Hauptziele: • Optimierung der Oxygenierung (paO2, SaO2 und CaO2). • Optimierung der Ventilation (paCO2 und pH). ▶ Nebenziele: • Beseitigung einer Atemnot. • Ermöglichung von Sedierung, Narkose und Muskelrelaxierung. • Senkung des atemmuskulären, systemischen und myokardialen Sauerstoffbedarfs. 74

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.9 Beatmung: Grundlagen und Übersicht

• Senkung eines erhöhten Hirndrucks. • Stabilisierung des Thorax. ▶ Grundsätzliche Indikation: Manifeste oder drohende respiratorische Insuffizienz: • Oxygenierungsversagen (arterielle Hypoxie). • Ventilationsversagen (Hyperkapnie, respiratorische Azidose). ▶ Spezielle Indikationen: • Atemstillstand. • Reanimation. • Zentrale Atemlähmung. • Periphere Atemlähmung oder Atembehinderung. • Schock jeglicher Genese. • Koma jeglicher Genese. • Zyanose ohne Besserung auf Sauerstoffzufuhr. • Ausgeprägte Dyspnoe. • (Drohende) Verlegung der oberen Atemwege. • Schweres Polytrauma. • Schwere Verbrennungen. • Schweres Thoraxtrauma. • Schwere Verletzungen der oberen Atemwege (Gesicht, Hals). • Schweres Schädelhirntrauma. • Notwendigkeit einer Narkose. • Schwerer Asthmaanfall. • Dekompensierte COPD. • Lungenödem (kardiogen oder nichtkardiogen). • Inhalationstrauma. • Status epilepticus.

Auswirkungen der Überdruckbeatmung ▶ Auswirkungen auf die Sauerstoffaufnahme (Oxygenierung): • Der mittlere Atemwegsdruck und damit das mittlere Lungenvolumen werden erhöht. Dadurch kommt es zu einer Zunahme der Gasaustauschfläche und einem Anstieg des paO2. • Eine weitere Verbesserung der Oxygenierung lässt sich durch Anwendung eines PEEP erzielen: – Zunahme von funktioneller Residualkapazität und Gasaustauschfläche. – Verminderung der Atelektasenbildung. – Verringerung eines Rechts-links-Shunts. – Beim Lungenödem Verlagerung von intraalveolärer Flüssigkeit ins Interstitium. ▶ Auswirkungen auf die Kohlendioxidabgabe (Ventilation): • Durch Kontrolle des Atemminutenvolumens (Einstellung der Atemfrequenz und des Atemhubvolumens) kann die Ventilation durch den Arzt gesteuert werden. ▶ Auswirkungen auf Organe: Die günstigen und ungünstigen Effekte der Beatmung auf die Lunge und andere Organsysteme sind größtenteils durch den erhöhten intrapulmonalen und intrathorakalen Druck zu erklären; die Auswirkungen werden durch PEEP weiter akzentuiert: • Barotrauma: Durch zu hohe Atemwegsdrücke kann die Lunge bis zum Pneumothorax geschädigt werden. Ein vorhandener Pneumothorax kann durch die Überdruckbeatmung akut verschlimmert werden. • Der venöse Rückstrom zum Herzen und damit die Vorlast für den rechten und linken Ventrikel nehmen ab. • Blutdruck und Herzminutenvolumen können abfallen (besonders bei Hypovolämie). • Die Nierenfunktion kann sich v. a. durch den verminderten venösen Rückstrom verschlechtern. • Der zerebralvenöse Rückfluss wird behindert, der Hirndruck kann ansteigen. 75

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.10 Beatmungsmittel und Beatmungsgeräte

5.10 Beatmungsmittel und Beatmungsgeräte Beatmung ohne Hilfsmittel ▶ Methoden: • Mund-zu-Mund-Beatmung (s. S. 108). • Mund-zu-Nase-Beatmung (s. S. 108). • Mund-zu-Tracheostoma-Beatmung (s. S. 108). ▶ Bedeutung: Basismaßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation. ▶ Indikation: • Therapie des Atemstillstands ohne professionelle therapeutische Ausstattung. • In der Rettungsmedizin normalerweise nicht indiziert, da hier immer Beatmungshilfsmittel zur Verfügung stehen.

Manuelle Beatmungsgeräte ▶ Material: Übliche Bestandteile einer manuellen Beatmungseinheit im Rettungsdienst: • Selbstfüllender elastischer Beatmungsbeutel (Ruben-Beutel resp. Ambu-Beutel). • 3-Wege-Richtungsventil (z. B. Ambu-Ventil). • Zufuhrmöglichkeit für Sauerstoff. • Evtl. Reservoir-Beutel. • Evtl. Überdruck-Ventil (PEEP-Ventil), das auf das Richtungsventil aufgesteckt werden kann. • Bakterienfilter (optional, aber empfohlen). ▶ Beatmungswege: • Beatmungsmaske. • Tubus bzw. Tubusalternativen (Combitubus, Larynxmaske, Larynxtubus, COPA). ▶ Beachte: Bei Konnektion von Beatmungsbeutel mit Maske bzw. Tubus Bakterien■ filter verwenden! ▶ Sauerstoffzufuhr: Wenn möglich 4–8 l/min, am besten in Kombination mit einem Reservoir-Beutel. ▶ PEEP: Bei schweren Oxygenierungsstörungen oder Lungenödem kann außerdem das PEEP-Ventil verwendet werden. Üblicherweise wird ein PEEP von zunächst etwa 5 mbar eingestellt (maximal sind bei den meisten PEEP-Ventilen etwa 10 mbar möglich).

Maschinelle Beatmungsgeräte ▶ Komponenten transportabler maschineller Beatmungseinheiten Abb. 5.14): • Beatmungsgerät – Mindesteinstellmöglichkeiten: – Atemhubvolumen (VT ) oder Atemminutenvolumen (AMV). – Atemfrequenz (AF).

76

Abb. 5.13 • Oxylog.

(Abb.

5.13,

Abb. 5.14 • Beatmungseinheit mit Medumat.

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.10 Beatmungsmittel und Beatmungsgeräte

– Sauerstoffkonzentration (Air-Mix oder No-Air-Mix). • Antriebsquelle: – Elektrisch (Akku) oder – Pneumatisch (Druck in der Sauerstoffflasche). • Sauerstoffquelle: Sauerstoffflasche mit komprimiertem Sauerstoff. • Flexibler Beatmungsschlauch. • 3-Wege-Richtungsventil (z. B. Ambu-Ventil). • Evtl. Überdruck-Ventil (PEEP-Ventil), das auf das Richtungsventil aufgesteckt werden kann. • Bakterienfilter (optional, aber empfohlen). Praxistipp: Machen Sie sich vor dem ersten Einsatz mit dem vorhandenen Beatmungsgerät vertraut! ▶ Beatmungsformen ( = Beatmungsmodi, s. S. 79): • Alle Geräte verfügen über einen kontrollierten Beatmungsmodus (CMV). • Neuere Geräte können außerdem in folgenden unterstützenden Modi beatmen: – Assist/Control (A/C). – Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation (SIMV). • Volumenkontrollierte Beatmung: Die präklinisch üblichen Geräte arbeiten primär volumenkontrolliert, d. h. es wird unabhängig vom Atemwegsdruck immer das eingestellte Hubvolumen verabreicht. • Druckbegrenzte Beatmung: Neuere Geräte verfügen über eine obere Druckbegrenzung (Pmax); dadurch können zu hohe Atemwegsdrücke vermieden und eine druckbegrenzte Beatmung durchgeführt werden. • Verhältnis Inspirationszeit: Exspirationszeit (I:E): Bei den meisten Geräten fest auf das physiologische Verhältnis 1:2 eingestellt. Bei neueren Geräten kann I:E auf > 1:2 oder < 1:2 variiert werden. Auswirkungen: – I:E 1:1 oder 2:1 (Inverse Ratio Ventilation, IRV) → Erhöhung des mittleren Atemwegsdruckes, u. U. Verbesserung der Oxygenierung. Da jedoch eine stärkere kardiozirkulatorische Beeinträchtigung und evtl. eine unbemerkte Lungenüberdehnung droht, ist die IRV mit einem I:E > 1:1 präklinisch nicht indiziert. – I:E 1:3 oder 1:4 → Verlängerung der Exspiration; dadurch verbleibt der Lunge mehr Zeit zum Ausatmen. Indiziert bei schweren obstruktiven Lungenerkrankungen (schwerer Asthmaanfall, COPD). 77

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.11 Maskenbeatmung

▶ Beatmungswege: • In den meisten Fällen über einen Tubus bzw. Tubusalternativen (Combitubus, Larynxmaske). • Seltener über eine Beatmungsmaske. ▶ Einstellung der maschinellen Beatmung (S. 82). ▶ Beachte: Aus hygienischen Gründen und zur Anfeuchtung der Atemluft sollte heute ■ im Rettungsdienst zwischen Tubus bzw. Beatmungsmaske und Beatmungsbeutel bzw. Beatmungsgerät ein Bakterienfilter geschaltet werden, der gleichzeitig als HME (Heat and Moisture Exchanger) fungiert.

5.11 Maskenbeatmung Indikationen ▶ Vor der endotrachealen Intubation (wenn diese nicht sofort durchgeführt werden kann). ▶ Zwischen prolongierten Intubationsversuchen. ▶ Anstelle der Beatmung über einen Endotrachealtubus: • Bei Nichtbeherrschung der endotrachealen Intubation. • Bei Unmöglichkeit der endotrachealen Intubation. • Wenn Tubusalternativen wie Combitubus oder Larynxmaske nicht verfügbar sind oder nicht platziert werden können. ▶ Generelle Beatmungsindikationen s. S. 74.

Material ▶ Siehe auch Abb. 5.15. ▶ Beatmungsmasken bestehen aus Gummi oder Kunststoff mit einem weichen Wulst aus Silikon oder Gummi zur Abdichtung gegen das Gesicht und einem genormten Ansatzstück für die Beatmungseinheit (Ruben-Beutel oder Beatmungsgerät). ▶ Es gibt Masken in verschiedenen Formen und verschiedenen Größen für Neugeborene, Kinder und Erwachsene.

Vorgehen ▶ Der Helfer kniet hinter dem Patienten. ▶ Kopf des Patienten reklinieren (Cave Kontraindikationen!). ▶ Maske mit der linken Hand zwischen Daumen und Zeigefinger halten und über Mund und Nase fest dem Gesicht des Patienten andrücken (Abb. 5.16): • Der kleine Finger liegt unter dem Kinn des Patienten.

Abb. 5.15 • Ruben-Beutel (Beatmungsbeutel) und Beatmungsmasken in verschiedenen Größen.

78

Abb. 5.16 • Durchführung der Maskenbeatmung: Ansicht von vorn (a); Seitenansicht (b).

• Ring- und Mittelfinger liegen auf dem Kinn des Patienten. ▶ Mit der rechten Hand Beatmungsbeutel vorsichtig komprimieren, bis sich der Thorax des Patienten hebt. ▶ Während der Exspiration atmet der Patient passiv durch Maske und Richtungsventil aus. ▶ Vor Aufsetzen der Maske evtl. Pharyngealtubus einlegen. ▶ Kann die Maske mit einer Hand nicht dicht gehalten werden, so muss sie mit beiden Händen gefasst und unter modifizierter Anwendung des Esmarch´schen Handgriffs über Mund und Nase aufgesetzt werden. Die Beatmung erfolgt dann manuell durch einen Helfer oder maschinell durch ein Beatmungsgerät.

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.12 Maschinelle Beatmungsformen

Risiken ▶ Mangelhafte Lungenbelüftung durch Undichtigkeiten oder Atemwegsverlegungen. ▶ Belüftung des Magens mit den möglichen Folgen: Magenüberdehnung, Regurgitation und Aspiration. Das Risiko der Magenüberdehnung ist besonders hoch bei: • Beatmung mit Inspirationsdrücken von > 20 mbar. • Maskenbeatmung mithilfe eines Beatmungsgerätes. ▶ Beachte: ■ • Die Maskenbeatmung schützt nicht vor Aspiration, sondern kann diese sogar noch provozieren! Besonders gefährdet sind Patienten mit vollem Magen, adipöse Patienten und Schwangere. • Jeder beatmete oder zu beatmende Patient sollte wenn immer möglich endotracheal intubiert werden. Die Beatmung über einen Endotrachealtubus oder eine Alternative wie Larynxmaske oder Combitubus ist der Maskenbeatmung vorzuziehen.

5.12 Maschinelle Beatmungsformen Einteilung ▶ Klassifikationskriterien: Für die Rettungsmedizin genügt eine vereinfachte Klassifikation der Beatmungsformen nach folgenden Gesichtspunkten: ▶ Auslösung der Inspiration: Ein maschineller Atemzug kann grundsätzlich ausgelöst werden durch: • Das Beatmungsgerät (kontrollierter Atemzug): Nach Ablauf einer bestimmten Exspirationszeit erfolgt die Inspiration. • Den Patienten (assistierter Atemzug): Das Gerät „erkennt“ Inspirationsbemühungen des Patienten durch den entstehenden Unterdruck im System und beantwortet diese sofort mit einem Atemhub.

79

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.12 Maschinelle Beatmungsformen

▶ Begrenzung der Inspiration: 2 Formen: • Volumenbegrenzter Beatmungshub: Es resultiert eine volumenkontrollierte Beatmung (Volume controlled Ventilation; VCV): – Einstellung des Atemhub-(V T) oder Atemminutenvolumens (AMV) am Beatmungsgerät. Der Atemwegsdruck ist eine abhängige Variable. – Vorteil: Gleichbleibende Atemhub- und Atemminutenvolumina unabhängig von der Dehnungsfähigkeit (Compliance) und dem Atemwegswiderstand (Resistance) von Lunge und Thorax; dadurch gute Kontrolle über die Ventilation des Patienten. – Nachteil: Bei eingeschränkter Compliance und erhöhter Resistance drohen hohe Atemwegsdrücke mit Gefahr der Lungenschädigung und Herz-Kreislauf-Depression. • Druckbegrenzter Beatmungshub: Es resultiert eine druckkontrollierte Beatmung (Pressure controlled Ventilation; PCV): – Einstellung des oberen Atemwegsdruckes am Beatmungsgerät. VT und AMV sind abhängige Variablen. – Vorteil: Auch bei eingeschränkter Compliance und erhöhter Resistance bleiben die Atemwegsdrücke kontrollierbar; dadurch wird die Gefahr der Lungenschädigung und Herz-Kreislauf-Depression verringert. – Nachteil: Gleichbleibende Atemhub- und Atemminutenvolumina sind nicht gewährleistet. Sie sind abhängig von der Compliance und der Resistance von Lunge und Thorax. Die Kontrolle über die Ventilation des Patienten ist schlechter als bei VCV.

Kontrollierte Beatmung (Controlled Mechanical Ventilation oder Continuous Mandatory Ventilation, CMV) ▶ Andere Bezeichnungen: • IPPV: CMV ohne PEEP. • CPPV: CMV mit PEEP. ▶ Prinzip: CMV besteht nur aus kontrollierten Atemzügen („Die Maschine macht alles, der Patient macht nichts“). Beginn, Durchführung und Ende der Inspiration werden durch das Beatmungsgerät bestimmt; der Patient kann keinen Einfluss auf die Beatmung nehmen und nicht spontan (dazwischen) atmen. ▶ ■ Beachte: – Auch die manuelle Beatmung ist zumeist eine CMV: Der beatmende Arzt bestimmt den Ablauf der Atemzyklen vollständig. – Auch die Mund-zu-Mund-Beatmung ist eine CMV: Hierbei fungiert der beatmende Helfer gewissermaßen als Beatmungsgerät. • Volumen- und Druckbegrenzung: Die Atemhübe sind entweder volumen- oder druckbegrenzt: – Volume Controlled Ventilation (VCV): Praktisch alle präklinisch verwendeten Beatmungsgeräte arbeiten primär oder ausschließlich im volumenbegrenzten Modus. – Pressure Controlled Ventilation (PCV): Durch Einstellen einer Druckbegrenzung kann jedoch bei neueren Geräten auch eine druckbegrenzte Beatmung erfolgen. ▶ Indikationen: Stehen keine anderen Atemmodi zur Verfügung, ist CMV naturgemäß immer dann indiziert, wenn eine Beatmung indiziert ist. Sind andere Modi verfügbar, bleibt CMV indiziert bei: • Atemstillstand (Beatmung bei Reanimation). • Ausfall der Spontanatmung. ▶ Indikationen für VCV und PCV: • VCV: Routinebeatmungsform, die v. a. bei CPR angewandt werden sollte.

80

Assistierte/kontrollierte Beatmung (Assist/Control; A/C) ▶ Prinzip: Hier kann der Patient den Beginn der Inspiration durch aktive Inspirationsbemühungen auslösen ( = assistierter Atemhub). Durchführung und Beendigung der Inspiration hingegen sind nach wie vor der Maschine überlassen. Bleibt die Inspiration des Patienten aus, wird automatisch ein maschineller Atemhub verabreicht ( = kontrollierter Atemhub). ▶ Hinweis: Auch manuell kann die Beatmung assistiert werden. → Der beatmende ■ Arzt reagiert auf die Inspiration des Patienten mit sofortiger Beutelkompression. • VCV/PCV: A/C kann ebenfalls als VCV oder PCV durchgeführt werden (s. CMV, S. 80). • Neuere transportable Beatmungsgeräte verfügen über einen A/C-Modus. ▶ Indikationen: • A/C ist für nicht stark sedierte oder nicht bewusstlose Patienten meist angenehmer als CMV. • A/C ist eine Weiterentwicklung von CMV und kann CMV praktisch ersetzen (Indikationen s. CMV).

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.13 Oxygenierung, Ventilation und Beatmungseinstellung

• PCV: Bei Lungenödem mit ausgeprägten Compliancestörungen, akutem Lungenversagen und Status asthmaticus sollte, wenn möglich, eine PCV erwogen werden. ▶ Nachteile: • Bewusstseinsklare Patienten empfinden die kontrollierte Beatmung oft als unangenehm. • Es kann zum „Kampf des Patienten gegen die Maschine“ kommen. Mögliche Folgen: – Ineffiziente Beatmung. – Anstieg des paCO2. – Abfall des paO2. – Anstieg des Sauerstoffverbrauchs des Patienten. • Es muss dann eine tiefere Sedierung oder der Wechsel auf eine unterstützende Beatmungsform (A/C oder SIMV, s. u.) erfolgen.

Synchronized intermittent mandatory ventilation (SIMV) ▶ Prinzip: Der Patient kann zwischen 2 maschinellen (assistierten oder kontrollierten) Atemhüben beliebig oft spontan atmen. • Wichtigster Unterschied gegenüber A/C: Nicht jeder Atemzug des Patienten löst einen maschinellen Beatmungshub aus! • SIMV ist bei einigen neueren transportablen Beatmungsgeräten verfügbar und erlaubt dem Patienten mehr Freiheiten als A/C. ▶ Bewertung: SIMV ist eine verbreitete Beatmungsform auf Intensivstationen, für die Rettungsmedizin jedoch von untergeordneter Bedeutung.

5.13 Oxygenierung, Ventilation und

Beatmungseinstellung Oxygenierung ▶ Normoxie: Ziel jeder Beatmungstherapie ist eine ausreichende Oxygenierung. Meist wird eine pSaO2 ≥ 90 % angestrebt. ▶ Hypoxie: Eine der wichtigsten Ursachen für Organschäden, Morbidität und Tod in der Rettungsmedizin; muss unbedingt vermieden bzw. beseitigt werden. ▶ Oxygenierungsverbesserungen durch: • Ausreichende Ventilation (s. u.). • FiO2: Erhöhung bis 100 %. FiO2 von 100 % ist in kritischen Fällen die Grundeinstellung des Respirators! 81

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5

5.13 Oxygenierung, Ventilation und Beatmungseinstellung

• PEEP: Erhöhung bis 15 mbar; präklinische Einstellung meist bei 5–10 mbar. – Cave: Blutdruck- und Herzzeitvolumen-Abfall, besonders bei Hypovolämie! – Anmerkung: Trotz der günstigen Wirkungen eines PEEP auf die Oxygenierung konnte bislang nicht gezeigt werden, dass durch die präklinische PEEP-Beatmung die Prognose des Notfallpatienten verbessert oder die Entwicklung eines akuten Lungenversagens (ARDS) im weiteren Krankheitsverlauf verhindert werden kann.

Ventilation ▶ Normoventilation: Ziel der Beatmung ist normalerweise ein paCO2 zwischen 35 und 45 mmHg (Normokapnie). • Der paCO2 kann jedoch präklinisch nicht bestimmt werden. • Ein Kapnometer bietet nur bei normaler Lungenfunktion eine Orientierung. Der endexspiratorische pCO2 ist ca. 3 mmHg niedriger als der paCO2. ▶ ■ Merke: Als Faustregel gilt: Normoventilation wird meist mit einem Atemminutenvolumen von ca. 80 ml/kgKG erreicht. ▶ Hyperventilation: Führt zu stärkerer CO2-Elimination und daher definitionsgemäß stets zur Hypokapnie (paCO2 < 35 mmHg). • Folgen: – Reduktion des Hirndrucks durch Abnahme der Hirndurchblutung. – Alkalose bzw. respiratorische Kompensation einer Azidose. • Gefahren: – Kritische Abnahme der zerebralen und myokardialen Durchblutung. – Hypokaliämie, Herzrhythmusstörungen. – Verschlechterung der Sauerstoffabgabe bei Alkalose: Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve. – Nachblutungsgefahr bei intrakranieller Blutung: Durch hyperventilationsinduzierte Hirndrucksenkung kann die Blutung zunehmen. • Indikationen für kontrollierte Hyperventilation: Präklinisch sehr selten! – Hinweise auf ausgeprägtes Hirnödem mit Einklemmungszeichen. – Lösungsmittelintoxikation, z. B. Chlorkohlenwasserstoffe → beschleunigte Abatmung. – Lebensbedrohliche Hyperkaliämie → durch respiratorische Alkalose Abnahme der Serum-Kalium-Konzentration. • Vorgehen: Erhöhung des Atemminutenvolumens ≥ 100 ml/kgKG durch: – Erhöhungen des Hubvolumens und/oder – Erhöhungen der Atemfrequenz. ▶ Beachte: Auch ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine CPR sind nach heutiger Ansicht ■ keine Indikationen für eine therapeutische Hyperventilation! Eine ausgeprägte Hyperventilation (paCO2 < 30 mmHg) muss auf jeden Fall vermieden werden! ▶ Hypoventilation: Führt stets zur Hyperkapnie (paCO2 > 45 mmHg). Eine Hypoventilation ist normalerweise kein Beatmungsziel, kann jedoch bei schweren Störungen der Compliance oder Resistance gelegentlich nicht vermieden werden. Wenn dabei durch Sauerstoffzufuhr eine Hypoxie verhindert wird, kann die Hypoventilation meist hingenommen werden: Sog. permissive Hyperkapnie. • Indikationen für permissive Hyperkapnie: – Beatmung bei schwerem Asthmaanfall oder ARDS. – Evtl. Patienten mit COPD (Atemminutenvolumen 70 ml/kgKG). • Kontraindikationen: Schweres Schädel-Hirn-Trauma, Hirnödem. • Vorgehen: Verminderung des Atemminutenvolumens auf < 70 ml/kgKG durch Reduktion des Hubvolumens oder ggf. druckbegrenzte Beatmung bei 30–40 mbar.

Empfohlene Initialeinstellungen für die Beatmung ▶ Erwachsenenbeatmung: • Atemmodus: CMV oder A/C. 82

5 Erweiterte Maßnahmen: Atemwege

5.13 Oxygenierung, Ventilation und Beatmungseinstellung

• Ventilation: – AMV (l/min) = V T (l) × AF (1 /min) – AF 10 /min. – V T 8–10 ml/kgKG oder AMV 80–100 ml/kgKG. • FiO2 100 %. • Weitere Einstellungen (wenn möglich): – I/E 1:2. – Pmax 40 mbar. – PEEP 0–5 mbar. ▶ Kinderbeatmung: • Atemmodus: CMV. • Ventilation: – AF 20 /min. – V T 8–10 ml/kgKG oder AMV 150–200 ml/kgKG oder PCV bei 20–25 mbar. • FiO2 100 %. • Weitere Einstellungen (wenn möglich): – I/E 1:2. – Pmax 30 mbar. – PEEP 0–5 mbar. ▶ Sinnvolle Modifikationen: • Keine Oxygenierungsstörung: Reduktion der FiO2 auf 50 % (Air-Mix). • Schwere Oxygenierungsstörung, Lungenödem: Beatmung mit PEEP 5–10 mbar, maximal 15 mbar. • Obstruktive Atemwegserkrankungen (Asthma und COPD): Verkleinerung der I/E auf 1:3, wenn möglich. • CPR: Erhöhung von Pmax auf 60 mbar.

83

Gefäßpunktion

6

6.1 Übersicht

6

Gefäßpunktion

6.1 Übersicht Grundlagen ▶ Ziele: • Medikamentenzufuhr. • Infusion von Flüssigkeit bzw. Volumenersatzlösungen. • Blutentnahme und Blutzuckeruntersuchung. • Erleichterung der Diagnostik und Therapie in der Klinik. ▶ Material: • Flexible Venenverweilkanülen (Tab. 6.1): Bestehend aus Plastik zur Punktion peripherer Venen: – Zur Punktion ist die Plastikverweilkanüle mit einem Stahlmandrin als Punktionskanüle versehen. Dieser wird unmittelbar nach der Punktion entfernt. – Die meisten Kanülen sind mit 2 Flügeln zur besseren Befestigung auf der Haut, sowie mit einem Zuspritzkonus für Medikamente ausgestattet und bilden das Standardmaterial zur präklinischen Venenpunktion. • Flexible Venenkatheter (Abb. 6.1): Bestehend aus Plastik in Längen von 15–50 cm, je nach gewähltem Zugangsweg, zur Punktion zentraler Venen: – Für den präklinischen Einsatz liegen die flexiblen Venenkatheter zusammen mit entsprechenden Plastikkanülen, durch die sie nach Punktion der Vene vorgeschoben werden (Catheter-through-the-needle-technic), als Set vor. – Punktionssets nach der Seldinger-Technik sind im Rettungsdienst aus hygienischen Gründen nicht indiziert. ▶ Metallkanülen zur intraossären Punktion (Abb. 6.2): Sie sind mit einem knollenartigen Griff zur kräftigen Punktion versehen. Verletzungsgefahr: Nach der Punktion einer Vene darf die Stahlkanüle nicht achtlos beiseite gelegt werden: Verletzungsgefahr! Im RTW sind spezielle Boxen zur Entsorgung der Stahlkanülen vorzuhalten. Modelle, die nach Entfernen aus der Plastikkanüle „stumpf“ werden und so die Verletzungsgefahr erheblich reduzieren, sind mittlerweile verbindlich im Rettungsdienst einzusetzen (TRBA 250).

Abb. 6.1 • Flexibler Venenkatheter.

84

6 Gefäßpunktion

6.1 Übersicht

Abb. 6.2 • Zubehör zur intraossären Punktion.

Tab. 6.1 • Periphere Venenverweilkanülen. Farbkodierung

Durchmesser Innenlumen (ID) (mm)

Größe (Gauge)

Maximale Durchflussrate (Anhaltswerte) (ml/min)

orange oder braun

2,2

14

343

grau

1,7

16

196

weiß

1,5

17

128

grün

1,3

18

96

rosa

1,1

20

61

blau

0,9

22

36

gelb

0,6

24

20

Zugangsmöglichkeiten zum Gefäßsystem ▶ Periphervenöser Zugang (s. S. 86): Das Ende der Kanüle liegt in einer peripheren Vene etwa 3–6 cm von der Einstichstelle entfernt. Die Punktion einer peripheren Vene ist eine Routinemaßnahme fast aller Notarzteinsätze. ▶ Zentralvenöser Zugang (s. S. 88): Das Ende des Katheters liegt in einer zentralen Vene (normalerweise V. cava superior, selten V. cava inferior) etwa 12–15 cm von der Einstichstelle entfernt (bei Vorschieben von der Ellenbeuge aus bis zu 45 cm). Ein zentraler Zugang wird präklinisch dann gelegt, wenn kein periphervenöser Zugang möglich ist. ▶ Intraossärer Zugang (s. S. 95): Punktion des Knochenmarks, bevorzugt an der medialen Seite der proximalen Tibia. Alternative zur venösen Punktion, wenn diese nicht möglich ist. Indiziert besonders im Kindesalter. ▶ Pulmonaler Zugang (intratracheale Medikamentenapplikation): Einige Medikamente werden nach pulmonaler bzw. tracheobronchialer Applikation in ausreichender Menge und Geschwindigkeit ins Gefäßsystem resorbiert. Sie können über einen En85

Gefäßpunktion

6

6.2 Periphervenöser Zugang

dotrachealtubus verabreicht werden. Indiziert v. a. zu Beginn der kardiopulmonalen Reanimation, wenn noch kein venöser Zugang geschaffen werden konnte. ▶ Arterieller Zugang: Präklinisch nicht indiziert; dient in der Klinik der direkten Blutdruckmessung und der Blutentnahme für Blutgasanalysen. Wird im schweren hypovolämischen Schock versehentlich eine Arterie anpunktiert, können Volumenersatzmittel durch Druckinfusion ausnahmsweise intraarteriell verabreicht werden. Cave: Luftembolie! ▶ Merke: Medikamente dürfen keinesfalls arteriell injiziert werden! ■

6.2 Periphervenöser Zugang Zugangswege ▶ Handrückenvenen oder Unterarmvenen: Routinepunktionsort. ▶ Kubitalvenen (V. cephalica oder V. basilica): Alternative Punktionsstellen, wenn weiter distal keine Punktion möglich ist. Achtung! Gefahr der versehentlichen arteriellen Punktion: Die A. brachialis verläuft in der Ellenbeuge oft knapp unterhalb der V. basilica! ▶ Fußrückenvenen: Alternative Punktionsstellen, wenn Venenpunktionen an den oberen Extremitäten nicht möglich oder wenn diese nicht zugänglich sind. ▶ Subkutane Halsvenen: V. jugularis externa. • Sonderstellung der V. jugularis unter den peripheren Venen: Aufgrund der Nähe zum Herzen kann eine in die V. jugularis externa eingeführte Verweilkanüle als „quasizentraler Venenkatheter“ angesehen werden. Applizierte Medikamente gelangen sehr schnell ins Herz. Dies könnte v. a. für Katecholamine bei Schock und Reanimation bedeutsam sein. • Indikationen: – Unmöglichkeit der Punktion anderer Venen. ▶ Beachte: Sie ist zur Routinepunktion beim wachen, kreislaufstabilen Patienten ■ nicht geeignet, da die Punktion schmerzhaft und unangenehm sein kann. – Kardiogener Schock: Die Vene lässt sich v. a. bei (Rechts)herzinsuffizienz gut punktieren, da sie dann gut gefüllt und gut sichtbar ist. – Reanimation (s. o.). • Vorgehen: Zur Punktion Patient möglichst in leichte Kopftieflage bringen und Kopf zur Gegenseite drehen (Punktion der V. jugularis externa, S. 93). Beim wachen Patienten ausreichende Lokalanästhesie der Einstichstelle!

Indikationen ▶ Zufuhr von Medikamenten. ▶ Infusion von Flüssigkeit bzw. Volumenersatzlösungen. ▶ Sicherheitsmaßnahme bei allen Einsätzen mit möglicher Vitalbedrohung, auch wenn akut keine Medikamentengaben indiziert sind. ▶ Blutabnahme.

Material und Vorgehen ▶ Periphere Venenverweilkanülen (PVK): Kunststoffverweilkanülen liegen in verschiedenen Größen vor, die meist durch die Farbe des Zuspritzkonusverschlusses kodiert sind (Tab. 6.1). • Auswahl der Kanülengröße: – Bei Notwendigkeit der Zufuhr größerer Volumenmengen: Großlumige Kanülen (2,2 mm [braun] oder 1,7 mm [grau] ID). Die maximale Durchflussgeschwindigkeit für Volumen steigt proportional zur 4. Potenz des Radius an. – Zur anschließenden Medikamentenapplikation: Mittelstarke Kanülen (1,5 mm [weiß] oder 1,3 mm [grün] ID), da mit ihnen die Punktion einfacher und weniger schmerzhaft ist. 86

6 Gefäßpunktion

6.3 Venae sectio

– Bei Kindern und Patienten mit sehr schwierigen Venenverhältnissen: Dünne Kanülen (1,1 mm [rosa] oder 0,9 mm [blau] ID). – Bei Kleinkindern, Säuglingen und Neugeborenen: Kanülen mit 0,6 mm (gelb) ID. ▶ Stauschlauch oder Blutdruckmanschette, Desinfektionsspray, Fixationsmaterial (Pflaster), evtl. Spritze mit Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain 0,5–1 %), vorbereitete Infusion, alternativ Verschlussstopfen oder Kunststoffmandrin. ▶ Stauschlauch straffen bzw. Manschette bis etwa 50 mmHg aufblasen. ▶ Beachte: Manschettendruck deutlich unter systolischem Blutdruck wählen! Der ar■ terielle Puls muss distal immer gut tastbar sein. ▶ Desinfektionsspray mindestens 15–30 s einwirken lassen. Bei Vitalbedrohung kann ausnahmsweise auf die Desinfektion bzw. das Abwarten der Einwirkzeit verzichtet werden. ▶ Beim wachen Patienten evtl. Durchführung einer Lokalanästhesie. Mit dünner Nadel über der geplanten Punktionsstelle eine Hautquaddel mit Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain 0,5–1 %) setzen. ▶ Sicherstellung der korrekten intravasalen Lage der Kanüle durch Probeinfusion oder Probeinjektion von Kochsalz. Bei paravasaler Infusion oder Injektion bildet sich eine subkutane Schwellung aus. Die Kanüle muss dann entfernt werden. ▶ Bei Verwendung eines Verschlussstopfens sollte die Kanüle zur Verhinderung der Lumenobstruktion durch koaguliertes Blut über den Zuspritzkonus mit 1–2 ml Kochsalz durchgespült werden.

6.3 Venae sectio Indikation ▶ Unmöglichkeit einer perkutanen Venenpunktion bei dringender Indikation eines venösen Zuganges. ▶ Da fast immer eine Venenpunktion oder eine intraossäre Punktion gelingt, wird die Venae sectio heute präklinisch nur noch äußerst selten durchgeführt.

Material ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Skalpell. Gebogene Klemmen. Intravenöser Katheter (z. B. ein zentraler Venenkatheter). Nahtmaterial und Haltefäden. Desinfektionsspray. Ggf. Spritze mit Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain 0,5–1 %). Vorbereitete Infusion.

Vorgehen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Siehe auch Abb. 6.3. Die Venae sectio wird meist am Fuß (V. saphena magna) durchgeführt. Aufsuchen der V. saphena magna am medialen Malleolus. Innenknöchelregion gründlich desinfizieren. Inzision von 2 cm Länge vor dem Innenknöchel mit dem Skalpell (ggf. nach vorheriger Infiltration mit Lokalanästhetikum). Mit einer gebogenen Klemme die dort subkutan verlaufende V. saphena magna aufsuchen und unterfassen. Vene distal ligieren und proximal mit einem Haltefaden anschlingen. Vene unter Sicht inzidieren. Durch die Inzision einen Katheter etwa 15–20 cm nach proximal vorschieben. Proximalen Anteil der Vene über dem liegenden Katheter ligieren, sodass der Katheter fest in situ liegt. Vorbereitete Infusion anschließen. 87

6.4 Zentralvenöser Zugang: Übersicht

Gefäßpunktion

6

a

b

c V. saphena

N. saphenus d Abb. 6.3 • Venae sectio: Aufsuchen der V. saphena magna am medialen Malleolus (a); Setzen einer Inzision von 2 cm Länge (b); Aufsuchen und Anschlingen der Vene (c); distale Ligatur der Vene und Einführen eines Venenkatheters (d).

6.4 Zentralvenöser Zugang: Übersicht Zugangswege ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

V. subclavia (s. S. 89). V. jugularis interna (s. S. 91). V. femoralis (s. S. 92). V. jugularis externa (s. S. 93). V. basilica (s. S. 94).

Indikationen ▶ Unmöglichkeit der Punktion einer peripheren Vene bei gegebener Indikation eines venösen Zuganges (Vasokonstriktion im schweren Schock oder bei ausgeprägter Hypothermie bzw. sehr schlechten Venenverhältnissen). ▶ CPR (?): Die Medikamentenapplikation während CPR wird als mögliche präklinische Indikation für einen ZVK angesehen (umstritten). ▶ Notwendigkeit einer transvenösen Schrittmacheranlage: Präklinisch selten! ▶ Beachte: Komplikationsrate (Punktionsverletzungen, Infektionen) eines präklinisch ■ gelegten ZVK grundsätzlich höher als die eines PVK. Daher strenge Indikationsstellung! Ein präklinisch gelegter ZVK sollte in der Klinik aus hygienischen Gründen möglichst bald wieder entfernt bzw. gewechselt werden.

Grundsätzliche Risiken und Komplikationsmöglichkeiten ▶ Katheter-assoziierte Infektionen. ▶ Arterielle Gefäßverletzungen. 88

6 Gefäßpunktion

6.5 Zentralvenöser Zugang: V. subclavia

A. carotis V. jugularis interna

Abb. 6.4 • Topografie der Gefäße im Halsbereich.

▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Vorderrand des M. sternocleidomastoideus V. subclavia

Klavikula

Hämatome. Nervenverletzungen. Luftembolie. Pleura- und Lungenverletzungen (V. subclavia, V. jugularis interna). Herzrhythmusstörungen. Verletzungen des rechten Vorhofes, der Trikuspidalklappe und des rechten Ventrikels bei zu tiefem Vorschieben des Katheters.

Material ▶ Set zum Legen eines zentralen Venenkatheters (ZVK): • 6–8 cm lange Einführungs- und Punktionskanüle. • ZVK: Länge 15–20 cm, bei Vorschieben über die V. basilica 45–50 cm. ▶ Sterile 5- oder 10-ml-Spritze. ▶ Desinfektionsspray. ▶ Sterile Handschuhe. ▶ Sterile Abdecktücher. ▶ Fixationsmaterial (Pflaster oder Nahtmaterial). ▶ Ggf. Spritze mit Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain 0,5–1 %). ▶ Vorbereitete Infusion.

6.5 Zentralvenöser Zugang: V. subclavia Vorteile ▶ Die V. subclavia wird durch das umgebende straffe Gewebe auch noch bei ausgeprägter Hypovolämie offengehalten. ▶ Umgebende knöcherne Strukturen (Klavikula und 1. Rippe) erlauben eine gute Orientierung während der Punktion.

Nachteile/Komplikationsmöglichkeiten ▶ Verletzungen der Pleura mit Entwicklung eines Pneumothorax oder Infusothorax (versehentlicher Eintritt von Infusionslösungen in die Pleurahöhle). ▶ Verletzungen der A. subclavia. ▶ Luftembolie (besonders bei bestehender Hypovolämie). ▶ Herzrhythmusstörungen, Herzverletzung und Perikardtamponade bei zu tiefem Vorschieben. 89

Gefäßpunktion

6

6.5 Zentralvenöser Zugang: V. subclavia

Vorgehen bei infraklavikulärer Punktion ▶ Siehe auch Abb. 6.5. ▶ Punktion auf der linken Seite bevorzugen, da von dort aus nach Vorschieben des Katheters die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Lage der Katheterspitze in der oberen Hohlvene am größten ist. ▶ Patient, wenn möglich, in leichte Kopftieflagerung bringen (Schocklagerung), wodurch die Vene maximal gefüllt wird (besonders wichtig bei bestehender Hypovolämie). ▶ Kopf zur Gegenseite drehen. ▶ Der Arzt steht auf der ipsilateralen Seite des Patienten. ▶ Ein Helfer zieht den anliegenden ipsilateralen Arm in Längsrichtung des Körpers unter leichter Außenrotation nach distal. ▶ Maßnahmen zur Risikoreduktion: • Infektionsvermeidung: – Gründliche Hautdesinfektion im Punktionsbereich (Klavikular- und Subklavikularregion). – Steriles Abdecken. – Sterile Handschuhe. • Beatmeter Patient: Überdruckbeatmung während des Punktionsvorgangs kurzfristig unterbrechen, um die Ausdehnung der Lunge und damit das Risiko einer Pleuraverletzung zu reduzieren. • Spontanatmender, bewusstseinsklarer Patient: In Ausatemstellung punktieren, um das Risiko der Pleuraverletzung und der Luftembolie zu reduzieren. ▶ Beim wachen Patienten Lokalanästhesie der Einstichstelle und des Stichkanals vornehmen (z. B. 2–5 ml Lidocain 0,5–1 %). ▶ Sterile Spritze auf die Punktionskanüle aufsetzen; während der Punktion ständig behutsam aspirieren. ▶ Punktionsstelle (Abb. 6.5): Lateral der Medioklavikularlinie ca. 2 cm unterhalb der Klavikula („Mohrenheim-Grube“). ▶ Punktionsrichtung: Flach zur Haut unter die Klavikula in Richtung Sternoklavikulargelenk. ▶ Nach etwa 4–5 cm wird meist die V. subclavia getroffen. ▶ Schwallartige dunkle Blutaspiration zeigt die intravenöse Lage der Kanülenspitze an. V. jugularis interna Hautdurchtritt Venendurchtritt

V. jugularis externa M. sternocleidomastoideus V. subclavia

Abb. 6.5 • Punktionsorte zum Einführen von zentralvenösen Kathetern.

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6 Gefäßpunktion

6.6 Zentralvenöser Zugang: V. jugularis interna

Kunststoffkanüle ein wenig über die Punktionsnadel vorschieben. Punktionsnadel entfernen. ZVK durch die Kunststoffkanüle beim Erwachsenen etwa 12–15 cm vorschieben. Kunststoffkanüle über den ZVK zurückziehen und außerhalb des Körpers am Ansatz des ZVK fixieren. ▶ Infusion anschließen und Katheter mit Pflaster befestigen oder annähen. ▶ Beachte: ■ • Eine versehentliche intraarterielle Lage macht sich bei ausreichendem Blutdruck durch pulsierendes Zurückströmen des Blutes aus der Kanüle und in das Infusionssystem bemerkbar, bei guter Oxygenierung auch durch die hellrote Farbe des Blutes. • ZVK in der Klinik stets einer Röntgenkontrolle unterziehen! Dabei Katheterlage kontrollieren und auf möglichen Pneumothorax achten! ▶ ▶ ▶ ▶

6.6 Zentralvenöser Zugang: V. jugularis interna Vorteile ▶ Geringere Gefahr der Pleuraverletzung als bei Subklaviapunktion. ▶ Ein rechtsseitig über die V. jugularis interna gelegter ZVK gelangt fast immer in die obere Hohlvene. ▶ Orientierung an Karotispuls, M. sternocleidomastoideus und Adamsapfel möglich.

Nachteile/Komplikationsmöglichkeiten ▶ Verletzungen der A. carotis. ▶ Verletzungen der Pleura mit Entwicklung eines Pneumothorax oder Infusothorax (versehentlicher Eintritt von Infusionslösungen in die Pleurahöhle). ▶ Luftembolie (besonders bei Hypovolämie). ▶ Rhythmusstörungen und Herzverletzung bei zu tiefem Vorschieben.

Vorgehen (sog. mittlerer Zugang) ▶ Siehe auch Abb. 6.5 und Abb. 6.6. ▶ Punktion auf der rechten Seite bevorzugen: • Die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Lage der Katheterspitze in der oberen Hohlvene ist am größten. • Die rechtsseitige Jugularispunktion ist für den Rechtshänder einfacher. ▶ Patienten, wenn möglich, in leichte Kopftieflagerung bringen (Schocklagerung), wodurch die Vene maximal gefüllt wird (besonders wichtig bei Hypovolämie). ▶ Kopf zur Gegenseite drehen. ▶ Der Arzt steht am Kopfende des Patienten. ▶ Maßnahmen zur Risikoreduktion: • Infektionsvermeidung: – Gründliche Hautdesinfektion der entsprechenden Halsseite.

Abb. 6.6 • Anlage eines ZVK: Punktion der V. jugularis interna (mittlerer Zugang). Einzelheiten s. Text.

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Gefäßpunktion

6

6.7 Zentralvenöser Zugang: V. femoralis

– Steriles Abdecken. – Sterile Handschuhe. • Beatmeter Patient: Überdruckbeatmung während des Punktionsvorgangs evtl. kurzfristig unterbrechen, um die Ausdehnung der Lunge und damit das Risiko einer Pleuraverletzung zu reduzieren. • Spontanatmender, bewusstseinsklarer Patient: In Ausatemstellung punktieren, um das Risiko der Pleuraverletzung und der Luftembolie zu reduzieren. ▶ Beim wachen Patienten Lokalanästhesie der Einstichstelle vornehmen (z. B. 2–5 ml Lidocain 0,5–1 %). ▶ Sterile Spritze auf die Punktionskanüle aufsetzen; während der Punktion ständig behutsam aspirieren. ▶ Mit einer Hand in Höhe des Schildknorpels die A. carotis palpieren. ▶ Punktionsstelle (s. Abb. 6.5 und Abb. 6.6): Unmittelbar lateral der A. carotis am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus. ▶ Punktionsrichtung: Im Winkel von ca. 30° zur Hautoberfläche nach lateral in Richtung der gleichseitigen Mamille. ▶ Nach etwa 2–4 cm wird meist die Vene getroffen. ▶ Schwallartige dunkle Blutaspiration zeigt die intravenöse Lage der Kanülenspitze an. ▶ Kunststoffkanüle ein wenig über die Punktionsnadel vorschieben. ▶ Punktionsnadel entfernen. ▶ ZVK durch die Plastikkanüle beim Erwachsenen etwa 12–15 cm vorschieben. ▶ Kunststoffkanüle über den ZVK zurückziehen, sie verbleibt außerhalb des Körpers am Ansatz des ZVK. ▶ Infusion anschließen und Katheter mit Pflaster befestigen oder annähen. ▶ ■ Beachte: • Eine versehentliche intraarterielle Lage macht sich bei ausreichendem Blutdruck durch pulsierendes Zurückströmen des Blutes aus der Kanüle und in das Infusionssystem bemerkbar, bei guter Oxygenierung auch durch die hellrote Farbe des Blutes. • Bei versehentlicher A.-carotis-Punktion Punktionsnadel entfernen und Einstichstelle möglichst für ca. 5 min mit sanftem Druck komprimieren. • ZVK in der Klinik stets einer Röntgenkontrolle unterziehen!

6.7 Zentralvenöser Zugang: V. femoralis Vorteile ▶ Einfache Punktion auch für den Ungeübten. ▶ Geringere Gefahr schwerwiegender Punktionsverletzungen.

Nachteile/Komplikationsmöglichkeiten ▶ Verletzung der A. femoralis (kann jedoch sehr gut komprimiert werden). ▶ Thromboembolierisiko bei längerer Verweildauer des Katheters. ▶ Erhöhtes Infektionsrisiko bei längerer Verweildauer des Katheters durch unmittelbare Nähe zu den Ausscheidungsöffnungen. ▶ Femoralis-Katheter werden in der Klinik allerdings meist (aus den genannten Gründen) bald wieder entfernt.

Vorgehen ▶ Patienten flach lagern. ▶ Der rechtshändige Arzt steht möglichst immer auf der rechten Seite des Patienten (Linkshänder auf der linken Seite). ▶ Maßnahmen zur Infektionsvermeidung: • Sterile Handschuhe. 92

6 Gefäßpunktion

6.8 Zentralvenöser Zugang: V. jugularis externa

• Gründliche Hautdesinfektion. • Steriles Abdecken. ▶ Beim wachen Patienten Lokalanästhesie der Einstichstelle vornehmen. ▶ Sterile Spritze auf die Punktionskanüle aufsetzen; während der Punktion ständig behutsam aspirieren. ▶ Mit einer Hand die A. femoralis in der Leiste palpieren. ▶ Punktionsstelle: Ca. 1 cm medial der Arterie. Die V. femoralis verläuft stets unmittelbar medial der A. femoralis (Merkwort IVAN: von Innen Vene, Arterie, Nerv)! ▶ Punktionsrichtung: Im Winkel von ca. 50–70° zur Hautoberfläche nach kranial. ▶ Nach etwa 2–4 cm wird meist die Vene getroffen. ▶ Schwallartige dunkle Blutaspiration zeigt die intravenöse Lage der Kanülenspitze an. ▶ Kunststoffkanüle ein wenig über die Punktionsnadel vorschieben. ▶ Punktionsnadel entfernen. ▶ ZVK durch die Plastikkanüle beim Erwachsenen etwa 12–30 cm vorschieben. ▶ Kunststoffkanüle über den ZVK zurückziehen; sie verbleibt außerhalb des Körpers am Ansatz des ZVK. ▶ Infusion anschließen und Katheter mit Pflaster befestigen oder annähen. ▶ Beachte: ■ • Eine versehentliche intraarterielle Lage macht sich bei ausreichendem Blutdruck durch pulsierendes Zurückströmen des Blutes aus der Kanüle und in das Infusionssystem bemerkbar, bei guter Oxygenierung auch durch die hellrote Farbe des Blutes. • Aufgrund der einfachen Punktion und der relativ geringen akuten Komplikationsmöglichkeiten eignet sich die Punktion der V. femoralis bei Indikation für einen ZVK besonders für den in Punktionstechniken weniger geübten Notarzt!

6.8 Zentralvenöser Zugang: V. jugularis externa Vorteil ▶ Geringe Komplikationsgefahr bei der Punktion.

Nachteile ▶ Katheter lässt sich gelegentlich nicht bis über die Einmündungsstelle der V. jugularis externa in die V. subclavia vorschieben. ▶ Relativ häufig intravasale Katheterfehllagen (Spitze nicht in V. cava superior, sondern in einer anderen Vene).

Vorgehen ▶ Siehe auch Abb. 6.7. ▶ Patient, wenn möglich, in leichte Kopftieflagerung bringen (Schocklagerung), wodurch die Vene maximal gefüllt wird (besonders wichtig bei Hypovolämie).

Abb. 6.7 • Punktion der V. jugularis externa. Einzelheiten s. Text.

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Gefäßpunktion

6

6.9 Zentraler Venenkatheter: V. basilica

▶ Die V. jugularis externa muss gut sichtbar sein. Sie verläuft etwa in Halsmitte von medial leicht nach lateral über den M. sternocleidomastoideus. ▶ Kopf zur Gegenseite drehen. ▶ Der Arzt steht am Kopfende des Patienten. ▶ Maßnahmen zur Infektionsvermeidung: • Sterile Handschuhe. • Hautdesinfektion der entsprechenden Halsseite. • Steriles Abdecken. ▶ Beim wachen Patienten Lokalanästhesie der Einstichstelle vornehmen. ▶ Sterile Spritze auf die Punktionskanüle aufsetzen; während der Punktion ständig behutsam aspirieren. ▶ Punktionsstelle (Abb. 6.7): Über dem M. sternocleidomastoideus. ▶ Punktionsrichtung (Abb. 6.7): Flach zur Hautoberfläche in Richtung des Venenverlaufs. ▶ Nach etwa 0,5–1 cm wird meist die Vene getroffen. ▶ Schwallartige dunkle Blutaspiration zeigt die intravenöse Lage der Kanülenspitze an. ▶ Cave: Bei zu starker Aspiration kollabiert die Vene und es kann kein Blut mehr ■ aspiriert werden! ▶ Plastikkanüle über Punktionsnadel vorschieben und Punktionsnadel entfernen. Die Kunststoffkanüle kann jetzt in situ belassen und eine Infusion angeschlossen werden ( = übliches präklinisches Vorgehen). ▶ Soll ein ZVK angelegt werden, wird dieser durch die Kunststoffkanüle beim Erwachsenen etwa 15–18 cm vorgeschoben. Das Vorschieben über die V. jugularis externa hinaus ist zunächst oft nicht möglich. Es kann aber durch verschiedene Maßnahmen möglich werden: • Drehen des Kopfes zur ipsilateralen Seite. • Manchmal aber auch Drehen des Kopfes zur Gegenseite. • Massieren der supra- oder infraklavikulären Region (durch einen Helfer) in der Nähe der vermuteten Einmündungsstelle in die V. subclavia. ▶ Kunststoffkanüle über den ZVK zurückziehen. Sie verbleibt außerhalb des Körpers am Ansatz des ZVK. ▶ Infusion anschließen und den Katheter mit Pflaster befestigen oder annähen. ▶ Beachte: ZVK in der Klinik stets einer Röntgenkontrolle unterziehen! ■

6.9 Zentraler Venenkatheter: V. basilica Vorteil ▶ Geringe Komplikationsgefahr bei der Punktion.

Nachteile ▶ Katheterfehllagen (Katheterspitze außerhalb der V. cava superior) sind relativ häufig. ▶ Im Schock lässt sich die V. basilica oft nicht punktieren.

Vorgehen ▶ Proximal der Punktionsstelle Stauschlauch oder Blutdruckmanschette anlegen. ▶ Stauschlauch straffen bzw. die Manschette bis etwa 50 mmHg aufblasen. ▶ Vene in der medialen Kubitalregion palpieren und Haut über der Vene gründlich desinfizieren. Alternativ zur V. basilica kann auch die lateral in der Kubitalregion gelegene V. cephalica punktiert werden. Ein Vorschieben des ZVK über die Achselregion hinaus ist über die V. cephalica jedoch aus anatomischen Gründen oft nicht möglich. 94

6 Gefäßpunktion

6.10 Intraossärer Zugang

▶ Beim wachen Patienten Lokalanästhesie durchführen: Mit einer dünnen Nadel über der geplanten Punktionsstelle eine Hautquaddel mit Lokalanästhetikum setzen. ▶ Haut über oder knapp neben der Vene durchstechen. ▶ Vene subkutan anpunktieren und die Kanüle einige Millimeter im Lumen vorschieben. ▶ Die erfolgreiche Punktion der Vene wird durch Einströmen von Blut in die Indikatorkammer der Kanüle angezeigt. ▶ Kunststoffkanüle über die Punktionsnadel vorschieben. ▶ Punktionsnadel entfernen. Die Kunststoffkanüle kann jetzt in situ belassen und eine Infusion angeschlossen werden ( = übliches präklinisches Vorgehen). ▶ Soll ein ZVK angelegt werden, wird dieser durch die Kunststoffkanüle beim Erwachsenen etwa 40–45 cm vorgeschoben. ▶ Kunststoffkanüle über den ZVK zurückziehen und außerhalb des Körpers am Ansatz des ZVK befestigen. ▶ Infusion anschließen und Katheter mit Pflaster befestigen. ▶ Beachte: ZVK in der Klinik stets einer Röntgenkontrolle unterziehen! ■

6.10 Intraossärer Zugang Grundlagen, Indikationen und Komplikationen ▶ Punktion des Knochenmarks, bevorzugt an der medialen Seite der proximalen Tibia. Über eine sicher im Markraum liegende Kanüle können Infusionen und Medikamente wie bei intravenöser Gabe appliziert werden. ▶ Indikationen: • Unmöglichkeit der perkutanen Punktion einer Vene bei Indikation für einen venösen Zugang, insbesondere im Kindesalter. • CPR im Kindesalter: Wenn nicht schnell ein venöser Zugang gelegt werden kann, ist eine intraossäre Punktion indiziert. ▶ Komplikationen: • Osteomyelitis (selten). • Verletzung der Epiphysenfuge (selten).

Material ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Skalpell. Intraossäre Punktionskanüle (Abb. 6.2), alternativ 16–18 G Stahlkanüle. Desinfektionsspray. Ggf. Spritze mit Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain 0,5–1 %). Vorbereitete Infusion.

Vorgehen Siehe auch Abb. 6.8. Hautdesinfektion der proximalen Tibia. Ggf. Lokalanästhesie. Punktionsort (Abb. 6.8): Mediale Vorderseite der proximalen Tibia, knapp unterhalb der Tuberositas tibiae. ▶ Punktionsrichtung (Abb. 6.8): Senkrecht zur Hautoberfläche. ▶ Punktionskanüle unter drehenden Bewegungen kräftig vorschieben. ▶ Nach 1–2 cm zeigt ein plötzlicher Widerstandsverlust das Erreichen des Markraums an. ▶ Mandrin entfernen und vorbereitete Infusion anschließen; Infusion muss meist unter Druck erfolgen (Kompression des Infusionsbeutels von außen). ▶ Beachte: Die intraossäre Punktion ist schmerzhaft. Beim bewusstseinsklaren Kind ■ ist daher vorher eine Lokalanästhesie erforderlich: Infiltration des Punktionsgebietes mit Lidocain 0,5–1 %. ▶ ▶ ▶ ▶

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6.10 Intraossärer Zugang

Gefäßpunktion

6

Abb. 6.8 • Durchführung der intraossären Punktion: Punktion ca. 2 cm unterhalb der Tuberositas tibiae an der Vorderseite der proximalen Tibia.

BIG (Bone Injection Gun) ▶ Neues System für intraossäre Injektionen. ▶ Gibt es für Erwachsene und Kinder. ▶ Die Kanüle wird über einen Schussmechanismus in den Knochen getrieben. Die Eindringtiefe muss zuvor eingestellt werden. ▶ Injektionsstellen bei Erwachsenen: • Schienbein: 2 cm medial und 1 cm proximal der Tuberositas des Schienbeins. • Malleolus medial: 1–2 cm proximal zum Ansatz des medialen Malleolus (4–5 cm oberhalb der Spitze des medialen Malleolus). • Speiche distal: Posteriore-distale Metaphyse der Speiche (gegenüber dem Radialispuls). • Oberarmknochen: Vorderes Endstück des Oberarmknochens. ▶ Vorteile gegenüber herkömmlichem Punktionsset: • Vereinfachte Handhabung (durch „Schussmechanismus“). • Spezielles Set für Erwachsene verfügbar. ▶ Bis weitere Untersuchungen vorliegen, lediglich als Ultima ratio bei weder peripher noch zentral punktierbaren Venen anzusehen.

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7

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.1 Grundlagen Allgemeines ▶ Die vorliegende Darstellung orientiert sich: • In erster Linie an Empfehlungen des European Resuscitation Council 2005 (ERC) unter Berücksichtigung der Empfehlungen der American Heart Association (AHA) und des International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR). • Zunächst Reanimation Erwachsener. Aspekte der Kinderreanimation werden an entsprechenden Stellen und im Anschluss dargestellt. ▶ Empfehlungen haben keinen normativen Charakter: Eine von den Empfehlungen abweichende Durchführung der CPR ist nicht unbedingt fehlerhaft; dennoch sollte in der rettungsmedizinischen Routine nicht ohne plausible und gewichtige Gründe von den Empfehlungen abgewichen werden. ▶ Erwachsenen- und Kinderreanimation unterscheiden sich in einigen wichtigen Punkten: • Unterschiedliche Ursachenhäufigkeit des Herz-Kreislauf-Stillstands. • Unterschiedliche Größenverhältnisse. • Physiologische Unterschiede. ▶ Wiederbelebungszeit: Zeit vom Eintritt des Zirkulationsstillstands bis zum Beginn irreversibler Organschäden. • Normothermie: Ca. 3–5 min. • Hypothermie: Bis zu 45 min oder länger. • Einzelne Organe weisen unterschiedliche Wiederbelebungszeiten auf: – Zerebrale Wiederbelebungszeit unter Normothermie 3–5 min. – Kardiale Wiederbelebungszeit unter Normothermie 5–15 min. • Die Wiederbelebungszeit des Menschen wird in erster Linie durch die geringe Hypoxietoleranz des Gehirns bestimmt. Sie wird modifiziert durch: – Die auslösende Vitalfunktionsstörung. – Die Körpertemperatur des Patienten (Hypothermie verlängert die Wiederbelebungszeit). – Den Verlauf der Reanimation. – Die sich anschließende Behandlung.

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.1 Grundlagen

Indikation zur CPR ▶ Atem- und Kreislaufstillstand jeglicher Ursache. ▶ Bewusstlosigkeit plus Atemstillstand: Nach aktuellen Empfehlungen reicht aus praktischen Gründen das Vorliegen von Bewusstlosigkeit plus Atemstillstand für den Beginn der CPR aus. ▶ Hoffnung auf Erholung: Die CPR ist indiziert, wenn eine begründete Hoffnung auf die erneute Stabilisierung des kardiozirkulatorischen und respiratorischen Systems und eine zerebrale Erholung besteht. ▶ Die CPR ist nicht indiziert bei Patienten mit sicheren Todeszeichen und nichtüberlebbaren Verletzungen. ▶ Die CPR ist nach weit verbreiteter Ansicht ebenfalls nicht indiziert bei Patienten mit einer bekannten kardiozirkulatorischen, respiratorischen oder malignen Erkrankung im Endstadium. ▶ Ein niedergeschriebener Wunsch eines Patienten, nicht reanimiert zu werden (schriftliche Patientenverfügung), ist zu berücksichtigen. Allerdings ist meist präklinisch keine Zeit, die Authentizität und Aktualität einer solchen Verfügung zu beurteilen. Daher soll im Zweifelsfall mit der Reanimation begonnen werden.

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Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.1 Grundlagen

▶ Im Rettungsdienst ist über die Vorerkrankungen und Wünsche des leblosen Patienten häufig zunächst nichts oder nur wenig bekannt. In Zweifelsfällen daher mit der CPR beginnen!

Ursachen eines Atemstillstands ▶ Zentraler Atemstillstand/zentrales Regulationsversagen, z. B.: • Globale zerebrale Hypoxie bzw. Ischämie beim Kreislaufstillstand. • Hirnstammhypoxie bzw. -ischämie bei Apoplex. • Intoxikation mit Opioiden oder Barbituraten. • SIDS (Sudden Infant Death Syndrome). ▶ Peripherer Atemstillstand: • Versagen der Atempumpe, z. B.: – Unterbrechung der muskulären Innervation bei sehr hoher Querschnittslähmung. – Muskuläres Pumpversagen, z. B. nach Injektion von Muskelrelaxanzien. – Störungen der thorakopulmonalen Integrität, z. B. bei offenem Pneumothorax. • Atemwegsverlegung: – Obstruktion der oberen Atemwege (Epiglottitis, Fremdkörperaspiration). – Obstruktion der unteren Atemwege (schwerer Asthmaanfall). ▶ Zusammenhang mit anderen Vitalfunktionen: • 3–10 min nach Aussetzen der Atmung (Apnoe) tritt ein Herz-Kreislauf-Stillstand ein. • 3–6 min nach Aussetzen der Atmung (Apnoe) erlischt das Bewusstsein.

Ursachen eines Herz-Kreislauf-Stillstands ▶ Primärer, plötzlicher Herz-Kreislauf-Stillstand: • Kammerflimmern, z. B. bei Myokardinfarkt. • Primäre Asystolie, z. B. bei Adams-Stokes-Anfall. ▶ Sekundärer, sich innerhalb von Minuten entwickelnder Herz-Kreislauf-Stillstand: • Schwere Hypoxie. • Atemstillstand. • Rasches Ausbluten bei schwerem Trauma (elektromechanische Dissoziation). • Schwerer, foudroyanter anaphylaktischer Schock. ▶ Sekundärer, sich protrahiert entwickelnder Herz-Kreislauf-Stillstand: • Schock jeglicher Genese (traumatisch-hämorrhagisch, kardiogen, anaphylaktisch, septisch). • Akute respiratorische Insuffizienz, z. B. im schweren Asthmaanfall. • ZNS-Versagen, z. B. nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma. ▶ Zusammenhang mit anderen Vitalfunktionen: • 10–15 s nach Eintreten eines Kreislaufstillstandes erlischt das Bewusstsein. • 30–60 s nach Eintritt eines Kreislaufstillstandes sistiert die Atmung. ▶ Reanimationsaussichten: Beim primären Kreislaufstillstand deutlich besser als beim sekundären Kreislaufstillstand: • Primärer Kreislaufstillstand: Bei Eintreten des primären Kreislaufstillstands sind die Organe in der Regel noch nicht hypoxisch. • Sekundärer Kreislaufstillstand: Bei Eintreten des sekundären Kreislaufstillstands sind wichtige Organe zumeist bereits schwer hypoxisch. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits irreversible zerebrale Schäden eingetreten. ▶ Erwachsenenalter: Hier überwiegt der primäre Kreislaufstillstand aufgrund einer Herzerkrankung; sekundär entwickelt sich ein Atemstillstand. ▶ Säuglingsalter und kleine Kinder: Hier überwiegt der sekundäre Kreislaufstillstand nach primärem Atemversagen aufgrund einer Atemwegsverlegung oder einer zentralen Atemregulationsstörung. ▶ Ältere Kinder und Jugendliche: Hier überwiegt der sekundäre Kreislaufstillstand aus traumatischer Ursache. 98

▶ Merkschema für die wesentlichen Maßnahmen der CPR: • A Atemwege freimachen. • B Beatmen. • C Compression des Thorax = Herzdruckmassage. • D Drugs (Medikamente). • E EKG-Diagnose. • F Fibrillationsbehandlung = Defibrillation. ▶ Bestimmende Faktoren für den individuellen Reanimationsablauf: • Vorhandene Ausrüstung: Entscheidend ist v. a., ob ein Defibrillator mit integriertem EKG-Monitor oder ein automatischer externer Defibrillator (AED) zur Verfügung steht. • Ursache des Herz-Kreislauf-Stillstandes. • Alter des Patienten (Kind oder Erwachsener).

Grundsätzliches Vorgehen ▶ Bewusstlosigkeit und Atemstillstand im Erwachsenenalter: • Zunächst 30 Herzdruckmassagen (HDM). • Dann 2 x effektiv beatmen. • Herzdruckmassage und Beatmung abwechselnd durchführen im Verhältnis von 30:2. • Eine vollständige Ausatmung braucht nicht abgewartet zu werden. Unmittelbar nach Inflation der Lunge soll die Herzmassage wieder aufgenommen werden. ▶ Bewusstlosigkeit und Atemstillstand im Kindesalter: • Reanimation durch Laienhelfer: Vorgehen wie beim Erwachsenen. • Reanimation durch mindestens 2 professionelle Helfer: – Zunächst 5 effektive Beatmungsversuche; bei weiterhin persistierender Reaktionslosigkeit und fehlenden Kreislaufzeichen: – 15 Herzdruckmassagen. – Dann 2 x effektiv beatmen. – Herzdruckmassage und Beatmung abwechselnd im Verhältnis von 15:2 durchführen. ▶ Beatmungshub: • Gleichmäßig über etwa 1 s bis sich der Thorax deutlich hebt. • Angestrebtes Hubvolumen: 6–7 ml/kgKG bzw. beim Erwachsenen ca. 500 ml (mit oder ohne Sauerstoffsupplementierung). ▶ Beatmungsfrequenz: Ca. 10 /min; bei Kindern (Reanimation durch professionelle Helfer) ca. 12–20 /min. ▶ Anzahl der Helfer bei der Reanimation: • 1-Helfer-Reanimation: Positionierung neben der Schulter des Patienten; abwechselnd HDM und Beatmung. • 2-Helfer-Reanimation: Positionierung gegenüber jeweils neben Kopf bzw. Thorax des Patienten; abwechselnde Durchführung von HDM und Beatmung. • Kein prinzipieller Unterschied in der Reanimationsdurchführung durch 1 oder 2 Helfer. • Ausnahme Kinderreanimation: Hier bei 2 professionellen Helfern 15:2 (HDM:Beatmung) statt 30:2.

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.2 Basismaßnahmen (BLS)

ABC-Schema

7.2 Basismaßnahmen (BLS) Allgemeines ▶ Basismaßnahmen der Reanimation/BLS = Basic Life Support: 99

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.2 Basismaßnahmen (BLS)

a

b

c

d Abb. 7.1 • Basismaßnahmen der CPR: 1-Helfer-Methode.

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Vorgehen, s. Abb. 7.2 ▶ Für Sicherheit von Helfer und Patient sorgen! ▶ Überprüfen des Bewusstseinszustands: Sanftes Rütteln an den Schultern oder lautes Ansprechen („Alles in Ordnung?“). • Patient antwortet: Patient in der Lage belassen, in der er liegt (es sei denn, er befindet sich in Gefahr). Hilfe holen, wenn erforderlich. Zustand regelmäßig überprüfen. • Patient antwortet nicht: – Um Hilfe rufen. – Atemwege freimachen und sichern durch Anheben des Kinns und vorsichtiges Überstrecken des Kopfes (HTCL-Manöver, S. 48). ▶ Beachte: Überstrecken des Kopfes bei Hinweis auf Halswirbelsäulentrauma ■ möglichst vermeiden! ▶ Überprüfen der Atmung (unter Offenhalten der Atemwege): • Inspektion des Thorax (Bewegungen vorhanden?). • Hören auf Atemgeräusche am Mund des Patienten. • Fühlen mit der eigenen Wange, ob Luft aus dem Patientenmund strömt. ▶ Beachte: Wenn mit diesen Maßnahmen 10 s lang keine Atembewegung festge■ stellt wird, ist von einem Atemstillstand auszugehen. • Patient atmet (mehr als gelegentliche Schnappatmung): – Patient in stabile Seitenlage bringen (S. 20). – Atmung wiederholt überprüfen. • Patient atmet nicht: – Hilfe holen bzw. Notruf (112). – Patienten in Rückenlage bringen, Atemwege freimachen (S. 43), Reanimation beginnen. ▶ Überprüfen von Kreislaufzeichen: • Patientenbewegungen. • Schlucken. • Karotispuls bds. (soll nur durch professionelle Helfer geprüft werden). ▶ Beachte: ■ – Das gemeinsame Vorliegen von Atemstillstand und Bewusstlosigkeit ist nach den aktuellen Empfehlungen ausreichend für den Beginn der Reanimation inkl. Herzdruckmassage. – Insbesondere der Laie soll keine Zeit mit der Suche nach „Kreislaufzeichen“ oder dem Tasten des Karotispulses verlieren. – Professionelle Helfer sollen allerdings vor Beginn der HDM nach wie vor das Fehlen des Karotispulses verifizieren. Dieser Karotispuls-Check darf nicht länger als 10 s dauern! ▶ Beginn mit den Reanimationsmaßnahmen: • Beginn mit Herzdruckmassage (HDM) und Beatmung (S. 107). • Kompressionsfrequenz etwa 100 /min. • Verhältnis Herzdruckmassage zu Beatmung 30:2.

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.2 Basismaßnahmen (BLS)

• Umfasst alle Reanimationsmaßnahmen, die von jedermann ohne oder mit einfachen Hilfsmitteln durchgeführt werden können. • Einfache Hilfsmittel im Rahmen des BLS sind z. B. Pharyngealtuben, einfache Mund-Beatmungsmasken oder ein Schutztuch, das zur Beatmung über den Mund gelegt wird. ▶ Laienreanimation: BLS kann und soll auch von Laien durchgeführt werden. ▶ Seit einigen Jahren wird zunehmend auch die Verwendung sog. „automatischer Defibrillatoren“ (AED) im Rahmen des BLS von Laien propagiert. Dies sind natürlich keine „einfachen Hilfsmittel“ mehr, sondern komplexe, computergesteuerte Apparate, die allerdings einfach zu bedienen sind.

101

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.2 Basismaßnahmen (BLS) keine Reaktion auf Ansprache oder Berührung

Hilfe rufen

Atemwege frei machen

keine normale Atmung

112 anrufen (oder regionale Notfallnummer)

30 Herzdruckmassagen

2 Beatmungen 30 Herzdruckmassagen im Wechsel

Abb. 7.2 • Vorgehen beim Basic Life Support (nach ERC 2005).

▶ Reanimation fortsetzen bis: • Qualifizierte Hilfe kommt (Rettungsdienst, Notarzt). • Beim Patienten Lebenszeichen wiederkehren. • Die Wiederbelebungsmaßnahmen aufgrund eigener Erschöpfung abgebrochen werden müssen. ▶ Beachte: Hilfe holen (per Telefon: 112, 110 oder 19 222) ist von elementarer Bedeu■ tung für die Wiederbelebung. Eine definitive Patientenversorgung ist oft nur mit professionellem Equipment möglich. Ohne Defibrillator kann z. B. Kammerflimmern nicht zuverlässig beendet werden. Ist ein automatischer externer Defibrillator (AED) verfügbar, soll dieser eingesetzt werden (s. Abb. 7.3). • Mehrere Helfer: Einer beginnt mit der CPR, der andere holt Hilfe. • Ein Helfer allein: Die Entscheidung, wann und wie Hilfe geholt werden soll, hängt von den konkreten Umständen ab. Vor allem gilt folgendes: – Phone first: Bei nichttraumatischer Bewusstlosigkeit mit Atemstillstand im Erwachsenenalter soll sofort und unverzüglich Hilfe geholt werden (Ausnahme: primär respiratorische Notfälle). – Phone fast: Bei Kindernotfällen, Trauma (Unfall) und offensichtlich primär respiratorischen Notfällen (z. B. Opioidüberdosierung, Ersticken oder Ertrinken) soll zunächst etwa 1–2 min reanimiert werden, bevor man um Hilfe ruft.

Sonderfall: Automatische Defibrillatoren (AEDs) ▶ Bei Verwendung eines AED wird eine Herzrhythmusanalyse automatisch durchgeführt. ▶ Der AED empfiehlt bei Vorliegen von VF/VT die Auslösung einer Defibrillation mit voreingestelltem Energieniveau (je nach Programmierung). ▶ Funktion und Verwendung eines AED: s. S. 149f. ▶ Reanimationsablauf bei Kreislaufstillstand und Verfügbarkeit eines AED: • Siehe Abb. 7.3. • Patient nach BLS-Algorithmus einschätzen. • Basismaßnahmen durchführen, bis der AED verfügbar ist (s. S.101). 102

keine Reaktion auf Ansprache oder Berührung Hilfe rufen Atemwege frei machen keine normale Atmung? AED holen (lassen) 112 anrufen oder regionale Notfallnummer CPR 30 : 2 bis AED bereit

Rhythmusanalyse durch AED

Defibrillation empfohlen

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.2 Basismaßnahmen (BLS)

keine Defibrillation empfohlen

1 x defibrillieren biphasisch 150–360 J monophasisch 360 J

sofort fortfahren CPR 30 : 2 für 2 min

sofort fortfahren CPR 30 : 2 für 2 min weiterführen bis der Patient normal atmet

Abb. 7.3 • Basic Life Support unter Einsatz eines automatischen externen Defibrillators (AED, nach ERC 2005).

• Die beiden Klebeelektroden entsprechend dem auf dem AED aufgezeichneten Schema beim Patienten anbringen. • AED einschalten. • AED wertet automatisch das eingehende EKG-Signal aus: • Kein Kammerflimmern (Asystolie/PEA): – Keine Defibrillation empfohlen. – Herzdruckmassage und Beatmung durchführen (30:2). – Jeweils nach 2 min erneute Rhythmusanalyse durch das Gerät. • Kammerflimmern (VF/VT): – Defibrillation empfohlen (wird im Display angezeigt und/oder von der Sprachausgabeeinheit angesagt). – Defibrillation durch Drücken der Defibrillationstaste manuell auslösen (Energie wird automatisch vorgewählt). – Sofortige Wiederaufnahme der Basisreanimation; HDM und Beatmung 30:2 für 2 min. • Dann erneute Rhythmusanalyse und ggf. erneute Defibrillation.

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Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.3 Erweiterte Maßnahmen (ALS)

7.3 Erweiterte Maßnahmen (ALS) Allgemeines ▶ Erweiterte Reanimationsmaßnahmen/ALS = Advanced Life Support: • Umfassen die Verwendung professioneller Hilfsmittel wie z. B. Endotrachealtuben, Beatmungsgeräte und Defibrillatoren sowie die medikamentöse Therapie. • Kommen in der professionellen Rettungsmedizin zur Anwendung. • Werden teilweise anstelle von BLS-Maßnahmen (z. B. Beatmung über einen Endotrachealtubus anstatt Mund-zu-Mund-Beatmung) und teilweise zusätzlich zu BLS-Maßnahmen (z. B. Adrenalininjektionen zusätzlich zur extrathorakalen Herzmassage) durchgeführt. • Erhöhen gegenüber BLS allein die Erfolgsaussichten der CPR erheblich. ▶ Benötigtes Material: • Defibrillator und EKG-Monitor. • Instrumentarien zur Atemwegssicherung und Beatmung: – Endotrachealtubus und/oder Tubusalternativen wie Larynxmaske oder Combitubus. – Laryngoskop und weiteres Intubationszubehör. – Beatmungsbeutel oder -gerät. – Möglichkeit der Sauerstoffzufuhr (Sauerstoffflasche). – Absaugvorrichtung. • Notfallmedikamente (s. S. 164): – Adrenalin. – Amiodaron. – Natriumbicarbonat. – Sedativa und Analgetika. • Infusionslösungen (s. S. 165): – Kristalloide Vollelektrolytlösungen. – Evtl. kolloidale Lösungen. • Applikationsmöglichkeit für Medikamente und Infusionslösungen: – Spritzen. – Kanülen. – Infusionsleitungen. • Ggf. weitere Instrumente und Geräte für spezielle, nicht zur Routine gehörende Maßnahmen (z. B. offene Herzmassage oder maschinelle HDM). ▶ Wichtigste ALS-Maßnahmen: • EKG-Diagnose. • Defibrillation. • Medikamentengabe (Adrenalin, Amiodaron). • Intubation. • Beatmung. • Sauerstoffzufuhr.

Vorgehen, s. a. Abb. 7.4 ▶ BLS: Bis Equipment (EKG, Defibrillator) zur Verfügung steht und bereit ist. ▶ EKG-Diagnose: • EKG ableiten zur Differenzierung des dem Kreislaufstillstand zugrunde liegenden Rhythmus. • Die EKG-Ableitung gelingt am schnellsten über die Elektroden des Defibrillators. ▶ ■ Beachte: Korrekte Einstellung der EKG-Ableitung am Defibrillator-Gerät beachten! • Mittelfristig ist jedoch die Ableitung über spezielle EKG-Elektroden zu bevorzugen (wieder auf die korrekte Einstellung der EKG-Ableitung am Defibrillator achten). 104

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.3 Erweiterte Maßnahmen (ALS)

• Nach der EKG-Ableitung Einteilen des Herzrhythmus in eine der beiden folgenden Kategorien und dann entsprechendes weiteres Vorgehen: – Kammerflimmern/pulslose Kammertachykardie (VF/VT) s. u. – Asystolie/pulslose elektrische Aktivität (PEA) s. u. ▶ Merke: ■ • Wenn ein Defibrillator zur Verfügung steht, soll bei beobachtetem Kreislaufstillstand oder innerhalb der ersten 5 min nach Beginn des Flimmerns die Defibrillation als erste Maßnahme durchgeführt werden (s. a. Kap. 7.11, S. 145). • Liegt der Beginn des Kreislaufstillstands vermutlich länger als 5 min zurück, dann zunächst 2 min Basisreanimation (HDM und Beatmung), dann erst defibrillieren. • Nur wenn VF/VT eindeutig feststellbar defibrillieren. Bei unklarem Rhythmus keine Defibrillation, statt dessen Vorgehen wie bei Asystolie/PEA (s. u.). • Nach jeder Defibrillation sofort HDM wieder aufnehmen und für 2 min Basisreanimation. Dann erneute Rhythmuskontrolle (d. h. EKG über Defi-Elektroden, dann ggf. erneute Defibrillation). ▶ Beachte: Wenn der Kreislaufstillstand durch ein respiratorisches Problem ausgelöst ■ wurde (z. B. Trauma, Drogenintoxikation, Ertrinken oder Ersticken) zunächst 2 min Basisreanimation nach den ABC-Regeln, auch wenn ein Defibrillator zur Verfügung steht!

VF/VT ▶ Defibrillation: • 200 J bei biphasischen Defibrillatoren bzw. wie in der Herstelleranleitung angegeben; optional Steigerung bis auf 360 J, sofern möglich. • 360 J bei monophasischen (älteren) Defibrillationen (von Anfang an, keine Steigerung). • Bei Kindern (Energie bei Bedarf aufrunden): 4 J/kgKG für alle Defibrillatortypen. • Bei unbeobachtetem bzw. vermutlich länger als 5 min zurückliegendem Kreislaufstillstand erst 2 min Basisreanimation (HDM und Beatmung), dann defibrillieren. • Nach jeder Defibrillation sofort HDM wieder aufnehmen und für 2 min Basisreanimation 30:2. • Dann erneuter Rhythmuscheck (d. h. EKG-Ableitung über die Defi-Elektroden). • Zyklische Wiederholung der Algorithmusschleife (Rhythmusdiagnose – Defibrillation – CPR) bis der Patient wieder einen ausreichenden Eigenrhythmus hat.

Asystolie/PEA Herzmassage. Beatmung (möglichst mit Sauerstoffzufuhr/100 % O2). Herzmassage/Beatmung im Verhältnis 30:2. Erneute Rhythmusdiagnostik/Pulscheck nach 2 min. Bei persistierendem Asystolie/PEA-Rhythmus: Weiter CPR für 2 min wie oben beschrieben. ▶ Zyklische Wiederholung der Algorithmusschleife (Rhythmusdiagnose – CPR): • bis der Patient wieder einen ausreichenden Eigenrhythmus hat oder • bis VF/VT diagnostiziert wird (dann VF/VT-Algorithmus) oder • bis die Reanimation erfolglos beendet wird. ▶ Im Verlauf der CPR (möglichst kurze Unterbrechung der HDM!): • Atemwege sichern (ggf. Intubation). • Venenzugang oder intraossären Zugang schaffen. • Adrenalin 1 mg i. v. alle 3–5 min. • Weitere Reanimationsmedikamente in Erwägung ziehen: – Alkalisierende Substanzen, z. B. Natriumbikarbonat 50 mmol i. v. – Bei rezidivierendem VF/VT Amiodaron 300 mg i. v. – Bei Asystolie einmalig Atropin 3 mg i. v.

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

105

7.3 Erweiterte Maßnahmen (ALS)

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

keine Reaktion auf Ansprache oder Berührung

Atemwege frei machen auf Lebenszeichen achten Reanimationsteam rufen CPR 30 : 2 bis Defibrillator/Monitor bereit

Rhythmus beurteilen

defibrillierbar (VF/VT)

1 x defibrillieren biphasisch 150–360 J monophasisch 360 J

sofort fortfahren CPR 30 : 2 für 2 min

während der CPR: – reversible Ursachen erkennen und behandeln* – Elektrodenposition und -kontakte prüfen – venösen Zugang schaffen – Zugang zu Atemwegen schaffen, Sauerstoffgabe – Adrenalin (1 mg alle 3–5 min) – erwägen • Amiodaron (300 mg nach • 3. erfolgloser Defibrillation) • Atropin (3 mg i.v.) • MgSO4 (2 g i.v.)

nicht defibrillierbar (PEA1/Asystolie)

sofort fortfahren CPR 30 : 2 für 2 min

*reversible Ursachen: die 4 H’s und 4 T’s • Toxine/Medikamente • Hypoxie, Azidose • Tamponade des Herzbeutels • Hypovolämie (Blutung, Trauma) • Hypo-/Hyperkaliämie metabolisch • Tamponade der Lunge/Spannungspneumothorax • Thromboembolie: Herzinfarkt, Lungenembolie • Hypothermie 1

PEA = pulslose elektrische Aktivität

Abb. 7.4 • Vorgehen bei Advanced Life Support (nach ERC 2005).

– Bei PEA evtl. Kalzium, z. B. Kalziumchlorid 10 % 5 ml i. v. • Außerdem immer wieder Elektrodenposition (Defibrillatorelektroden und EKGElektroden) und Elektrodenkontakt zum Patienten kontrollieren. • Dem Kreislaufstillstand zugrundeliegende Ursachen suchen und therapieren (s. u.).

Zugrunde liegende Ursachen ▶ Parallel zu den Algorithmusschleifen immer auch an zugrunde liegende reversible Ursachen denken und möglichst beheben. • Hypoxie: Beatmung mit 100 % Sauerstoff. • Hypovolämie: Volumenersatz, Blutung stoppen. 106

Herzinfarkt (akutes Koronarsyndrom, STEMI): Lyse, Akut-PTCA (in der Klinik). Lungenembolie: Lyse, Thrombektomie (in der Klinik). Hyperkaliämie: Adrenalin, Kalzium, Natriumbikarbonat, Dialyse (in der Klinik). Hypokaliämie: Kaliumsubstitution. Hypomagnesiämie: Magnesiumsubstitution. Hypothermie: Wiedererwärmung, ggf. prolongierte Reanimation. Ausgeprägte Azidose: Pufferung mit Bikarbonat. Spannungspneumothorax: Entlastung durch Thoraxdrainage. Herzbeuteltamponade: Entlastung durch Perikardpunktion. Intoxikation: Antidote.

7.4 A → Atemwege Basismaßnahmen: Atemwege ▶ Feststellen der Atemfrequenz s. S. 43f. ▶ Freimachen der oberen Atemwege s. S. 43f. ▶ Freihalten der Atemwege s. S. 48f.

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.5 B → Beatmung: Basismaßnahmen

• • • • • • • • • •

Erweiterte Maßnahmen: Atemwege ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Pharyngealtuben s. S. 50f. Endotrachealtuben und Intubationszubehör s. S. 52f. Endotracheale Intubation s. S. 55f. Larynxmaske s. S. 61f. Ösophagotrachealer Doppellumentubus s. S. 65f. Larynxtubus s. S. 67f. Koniotomie s. S. 68f.

7.5 B → Beatmung: Basismaßnahmen Grundlagen und Übersicht (s. a. S. 73f.) ▶ Prinzip: • Ventilation der Lunge des Patienten mit der eigenen Ausatemluft. Diese enthält: – Ca. 16–17 % Sauerstoff. – Ca. 3–4 % Kohlendioxid. • Bei Patienten mit Atemstillstand kann damit grundsätzlich eine ausreichende Oxygenierung erzielt werden. ▶ Beatmungshub: • Gleichmäßig über etwa 1 s bis sich der Thorax deutlich hebt. • Angestrebtes Hubvolumen: 6–7 ml/kgKG bzw. beim Erwachsenen ca. 500 ml (mit oder ohne Sauerstoffsupplementierung). ▶ Beatmungsfrequenz: • Bei Erwachsenen 10 /min. • Bei Kindern 12–20 /min. ▶ Methoden: • Mund-zu-Mund-Beatmung: Standardverfahren. • Mund-zu-Nase-Beatmung: Alternativverfahren, gelegentlich effektiver. • Mund-zu-Tracheostoma-Beatmung: Bei bereits tracheotomierten Patienten. • Mund-zu-Mund-und-Nase-Beatmung: Bei Säuglingen Mund und Nase gleichzeitig umschließen. ▶ Sauerstofftherapie s. S. 71f. ▶ Beatmungsmittel und Beatmungsgeräte s. S. 76. ▶ Maskenbeatmung s. S. 78f. 107

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.5 B → Beatmung: Basismaßnahmen

a

b

c

Abb. 7.5 • Mund-zu-Mund-Beatmung.

a

b

c

Abb. 7.6 • Mund-zu-Nase-Beatmung.

Mund-zu-Mund-Beatmung Siehe auch Abb. 7.5. Neben dem Patienten knien. Kopf des Patienten überstrecken (HTCL-Manöver). Nase mit Daumen und Zeigefinger der auf der Stirn liegenden Hand verschließen. Mund des Patienten ein wenig öffnen, Kinn jedoch weiterhin hochhalten. Tief Luft holen, den Mund des Patienten mit dem eigenen Mund umschließen und ruhig, aber energisch über etwa 1 s in die Lunge des Patienten ausatmen, bis sich der Thorax sichtbar hebt. ▶ Eigenen Mund von dem des Patienten entfernen, die insufflierte Luft entweichen lassen und wieder tief einatmen. ▶ Nächsten Atemhub verabreichen. ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Mund-zu-Nase-Beatmung Siehe auch Abb. 7.6. Neben dem Patienten knien. Kopf des Patienten überstrecken (HTCL-Manöver). Mund des Patienten mit der unter dem Kinn positionierten Hand geschlossen halten. ▶ Tief Luft holen, Nase des Patienten mit eigenem Mund umschließen und ruhig, aber energisch über etwa 1 s in die Lunge des Patienten ausatmen, bis sich der Thorax sichtbar hebt. ▶ Eigenen Mund vom Patienten entfernen, die insufflierte Luft entweichen lassen und wieder tief einatmen. ▶ Nächsten Atemhub verabreichen. ▶ ▶ ▶ ▶

Mund-zu-Tracheostoma-Beatmung ▶ Neben dem Patienten knien. 108

Abb. 7.7 • Mund-zu-Mund-und-NaseBeatmung bei Kindern < 1 Jahr.

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.5 B → Beatmung: Basismaßnahmen

▶ Hals des Patienten freimachen, Kopf leicht überstrecken. ▶ Tief Luft holen, das Tracheostoma des Patienten mit dem eigenen Mund umschließen und ruhig, aber energisch über etwa 1 s in die Lunge des Patienten ausatmen, bis sich der Thorax sichtbar hebt. ▶ Eigenen Mund vom Patienten entfernen, die insufflierte Luft entweichen lassen und wieder tief einatmen. ▶ Nächsten Atemhub verabreichen.

Mund-zu-Mund-und-Nase-Beatmung Nur bei Säuglingen; siehe auch Abb. 7.7. Neben dem Kind knien oder Kind auf den Arm nehmen. Kopf nur wenig überstrecken. Mund des Kindes ein wenig öffnen, Kinn jedoch weiterhin hochhalten. Tief Luft holen, Mund und Nase des Kindes mit eigenem Mund umschließen und ruhig, aber energisch über etwa 1 s in die Lunge des Kindes ausatmen, bis sich der Thorax sichtbar hebt. ▶ Eigenen Mund vom Gesicht des Kindes entfernen, die insufflierte Luft entweichen lassen und wieder tief einatmen. ▶ Nächsten Atemhub verabreichen. ▶ Beachte: Mit 1 Atemzug des Helfers kann ein Kind mehrmals beatmet werden! So ■ können zu tiefe Atemhübe beim Kind und eine Hyperventilation des Helfers vermieden werden. ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Einfache Hilfsmittel ▶ Zweck: Erleichterung der Beatmung, Vermeidung einer Infektionsübertragung, Überwindung der Ekelschwelle. ▶ Mögliche Hilfsmittel: • Guedel-Tubus, Safar-Tubus. • Taschentuch: Kann über Mund und Nase des Patienten gelegt werden. • Mund-Beatmungsmaske: Kann über Mund und Nase des Patienten gelegt werden und verfügt über ein Ansatzstück für den Mund des Helfers.

Probleme der Beatmung mit der Ausatemluft des Helfers ▶ Geringere Effektivität als die maschinelle oder manuelle Beatmung. ▶ Sauerstoffanreicherung praktisch nicht möglich. Die FiO2 beträgt nur 16–17 %. ▶ Gefahr der Verstärkung der (intrazellulären) Azidose durch die Zufuhr von CO2, das in der Ausatemluft enthalten ist. 109

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.6 B → Beatmung: Erweiterte Maßnahmen

▶ Gefahr der Magenbeatmung → Hypoxie, Magenüberdehnung, Erbrechen, weitere Erschwernis der Beatmung. ▶ Erschöpfung des Helfers. ▶ Hyperventilationssymptome beim Helfer (Schwindel, Zittern, Krämpfe). ▶ Infektionsübertragung möglich. Diese Gefahr kann zum Teil durch ein Taschentuch oder ein mit einer Spezialmembran versehenes „Beatmungstuch“ verringert werden. ▶ Häufige Gründe für ein Unterlassen der Beatmung: Angst vor Ansteckung (besonders mit HIV) und Ekel (z. B. bei Erbrochenem): • Bislang ist jedoch kein Fall einer HIV- oder Hepatitis-Infektion durch Mund-zuMund-Beatmung bekannt. • Zudem finden etwa 70 % aller Kreislaufstillstände zu Hause statt, wo der Patient dem Helfer bekannt ist. ▶ „Compression-only-CPR“: Zurzeit wird diskutiert, ob die Beatmung weiterhin Bestandteil der BLS des Erwachsenen sein sollte oder ob nicht die Herzdruckmassage allein als Standardmaßnahme der BLS (zumindest innerhalb der ersten 10 min) ausreicht. Gründe für diese Überlegungen: • Ohne Unterbrechung für die Beatmungshübe (also bei kontinuierlicher Herzdruckmassage mit einer Frequenz von etwa 100 /min) lässt sich ein höheres Herzzeitvolumen erzielen als mit intermittierender Unterbrechung. • Die für den Laien schwer zu merkenden Verhältnisse von Beatmung zu Herzdruckmassage sind oft Grund, die BLS-CPR ganz zu unterlassen. • Ekel und Angst vor Ansteckung verleiten oft dazu, keine Beatmung und somit keine CPR zu beginnen, da die Beatmung klassischerweise am Anfang der CPR steht. Würde nur Herzdruckmassage gelehrt, würden die meisten Menschen auch bei „Risikogruppen“ mit CPR beginnen. • Auch durch Herzdruckmassage allein wird, bei offenen Atemwegen, ein Atemminutenvolumen von ca. 3 l/min erzielt. • Erste Studien erbrachten keine Outcome-Unterschiede zwischen CPR mit oder ohne Beatmung. ▶ Beachte: Die Compression-only-CPR wird heute explizit als akzeptable Alternative ■ zur „klassischen“ CPR mit Beatmung empfohlen, wenn die Ersthelfer keine Beatmung durchführen wollen oder können.

7.6 B → Beatmung: Erweiterte Maßnahmen Grundlagen ▶ Indikation: • Atemstillstand. • Schwere Ateminsuffizienz. ▶ Ziel: Ausreichende Oxygenierung und Kohlendioxidelimination. ▶ Methoden: • Maschinelle Beatmungsformen s. S. 79f. • Beatmung über Endotrachealtubus: Methode der Wahl bei Persistieren des Atemstillstands oder der Ateminsuffizienz sowie bei prolongierter CPR. • Wenn Intubation unmöglich: Maskenbeatmung oder Tubusalternativen. • Anreicherung der Inspirationsluft mit Sauerstoff, wann immer möglich.

Vorgehen ▶ Handbeatmung mittels Beatmungsbeutel: • Siehe auch S. 78f. • Beatmungshub: Der Thorax des Patienten soll sich deutlich heben. Angestrebt werden beim Erwachsenen 6–7 ml/kgKG bzw. ca. 500 ml (mit oder ohne Sauerstoffsupplementierung). 110

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.7 C → Herzdruckmassage: Standardvorgehen

• Beatmungsfrequenz: Bei Erwachsenen 10 /min, bei Kindern 12–20 /min. • Sauerstoff: In hohem Flow (8–12 l/min) zuführen, möglichst Reservoirbeutel benutzen. • Verhältnis von Herzmassage zur Beatmung: 30:2. Bei Beatmung über Endotrachealtubus ist für die Beatmung keine Unterbrechung der HDM erforderlich. ▶ Beatmung mit Beatmungsgerät: Empfohlene Grundeinstellung für CPR: • Siehe auch S. 82. • Erwachsenenbeatmung: – Atemmodus: CMV, bzw. IPPV, A/C oder kontrolliert. – AF 10 /min. – V T 6–7 ml/kgKG bzw. 500 ml. – FiO2 100 %. – I/E 1:2 oder 1:1,5. – Pmax 60 mbar (Achtung: während CPR höher als für eine „normale“ Beatmung empfohlen!). – PEEP 0–5 mbar. • Kinderbeatmung: Siehe S. 83. ▶ Beachte: Im Gegensatz zu früheren Empfehlungen soll die Beatmung bei CPR nicht ■ zur Hyperventilation bzw. Hypokapnie führen. Vielmehr ist eine Normoventilation anzustreben.

7.7 C → Herzdruckmassage: Standardvorgehen Grundlagen ▶ Indikation: • Bewusstlosigkeit (Reaktionslosigkeit) und Atemstillstand. • Kreislaufstillstand: Fehlende „Kreislaufzeichen“, d. h. – keine Patientenbewegungen, – kein Schlucken, – keine Atmung. • Fehlender Karotispuls (bei beidseitiger 10-sekündiger Palpation). ▶ Beachte: Nach den aktuellen Empfehlungen sind weder fehlende Kreislaufzeichen ■ noch ein fehlender Karotispuls notwendige Voraussetzungen für den Beginn der Herzdruckmassage. Vielmehr soll diese bereits dann erfolgen, wenn Bewusstlosigkeit (Reaktionslosigkeit) und Atemstillstand vorliegen. Dies gilt jedoch nur für die „Laienreanimation“. Im Rahmen des ALS durch professionelle Helfer ist der Karotispuls-Check nach wie vor indiziert. ▶ Ziel: Künstliche Aufrechterhaltung eines ausreichenden Blutdrucks und Blutflusses zur Durchblutung der lebenswichtigen Organe (vor allem des Gehirns). ▶ Prinzip: • Wirkmechanismen der Herzdruckmassage (HDM): – Thoraxpumpmechanismus: Intermittierende Erhöhung des intrathorakalen Drucks. – Herzpumpmechanismus: Direkte Kompression des Herzens zwischen Brustbein und Wirbelsäule. • Blutdruck: Durch HDM lässt sich zwar ein hoher systolischer Blutdruck erzielen, jedoch oft nur ein sehr niedriger diastolischer Druck; somit ist der Mitteldruck niedrig und die koronare Durchblutung des Herzens auch unter optimaler HDM gefährdet. • Blutfluss: Durch HDM kann ein Herzminutenvolumen von etwa 30–60 %, jedoch nur ein koronarer Blutfluss von 5–20 % der Norm erzielt werden. Außerdem gilt: Jede Unterbrechung der HDM verschlechtert die Perfusion lebenswichtiger Organe! 111

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.7 C → Herzdruckmassage: Standardvorgehen

• Atemminutenvolumen: Durch HDM wird ein geringes AMV (ca. 3 l) erzielt – vorausgesetzt, die Atemwege sind nicht verlegt. Dieses reicht zur Oxygenierung und Normoventilation längerfristig nicht aus, evtl. aber zur kurzfristigen Oxygenierung ( < 10 min).

Vorgehen ▶ Siehe auch Abb. 7.8. ▶ Patient flach auf dem Rücken und auf einer harten Unterlage lagern. • Wenn nötig, Brett unterlegen (CPR im Bett). • Hochlagerung der Beine kann den venösen Rückfluss verstärken, ist jedoch kein Standardverfahren. ▶ Position neben dem Patienten einnehmen. ▶ Oberkörper des Patienten entkleiden. ▶ Druckpunkt für die Herzmassage = Mitte der unteren Sternumhälfte.

a

b

c 112

Abb. 7.8 • Herzdruckmassage beim Erwachsenen. Methode zum Aufsuchen des Druckpunktes: Handballen in der Mitte des Brustkorbes platzieren (a); Handballen der anderen Hand über die erste Hand legen (b); Hand und Körperhaltung für die Thoraxkompression (c).

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.8 C → Herzdruckmassage: Variationen und Alternativen

▶ Ballen der einen Hand auf den Rücken der anderen Hand legen. Finger beider Hände miteinander verschränken, um keinen Druck auf die Rippen auszuüben. ▶ Beide Arme strecken und auch während der Druckmassage gestreckt lassen; Oberkörper direkt über der Brust des Patienten. ▶ Kompressionsphase: Sternum zügig um etwa ⅓ der Thoraxhöhe (4–5 cm) genau senkrecht in Richtung Wirbelsäule drücken. ▶ Dekompressionsphase: Kompression beenden. Der Thorax dehnt sich selbstständig wieder aus. Hände jedoch in Kontakt mit der Haut des Patienten lassen. ▶ Kompressionsfrequenz: Etwa 100 /min. ▶ Verhältnis von Kompressions- und Dekompressionsphase: Etwa 1:1 (je ca. 0,3– 0,4 s). ▶ Verhältnis von Herzdruckmassage zu Beatmung: • Bei Erwachsenen 30:2. • Bei Kindern 15:2 (bei ≥ 2 professionellen Helfern). • Bei Neugeborenen: 3:1. ▶ Durchführung der Herzdruckmassage bei Kindern s. S. 136f. ▶ Durchführung der Herzdruckmassage bei Neugeborenen s. S. 142. ▶ Beachte: Die früher übliche Unterscheidung zwischen 1-Helfer- und 2-Helfer-Me■ thode (mit unterschiedlichem Verhältnis von Herzdruckmassage zu Beatmung) gibt es so nicht mehr. Für den professionellen Rettungsdienst wird aber weiterhin eine Differenzierung zwischen Erwachsenenreanimation und Kindereanimation aufrechterhalten.

Fehler ▶ Druckpunkt zu weit lateral: Gefahr von Rippenfrakturen. ▶ Druckpunkt zu tief (im Oberbauchbereich): Gefahr der Ruptur von Oberbauchorganen. ▶ Druckpunkt zu hoch: Gefahr einer Sternumfraktur. ▶ Richtung der Sternumkompression nicht senkrecht nach unten, sondern schräg nach lateral oder abdominal: Verminderte Effektivität, erhöhte Komplikationsgefahr. ▶ Beachte: Der häufigste Fehler sind zu lange Pausen während der HDM! Die Progno■ se ist umso besser, je geringer die Unterbrechungen der HDM sind!

Komplikationen ▶ Verletzungen des Thorax und thorakaler Organe: • Rippenfrakturen. • Sternumfraktur. • Pneumothorax. • Herzkontusion. ▶ Verletzungen abdominaler Organe: • Leberruptur. • Milzruptur. • Magenruptur. ▶ Unsachgemäßes Vorgehen: Erhöhte Komplikationsgefahr und verminderte Effektivität. Auch bei korrekter Durchführung der CPR können die Komplikationen jedoch nicht mit Sicherheit vermieden werden.

7.8 C → Herzdruckmassage: Variationen und

Alternativen

Gründe für die Anwendung von Variationen und Alternativen ▶ Steigerung der Effektivität. ▶ Vermeidung der Ermüdung der Helfer. ▶ Besondere Situationen. 113

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.8 C → Herzdruckmassage: Variationen und Alternativen

▶ Grundsätzliche Bewertung: Es ist bisher mit keinem Alternativverfahren gelungen, die Prognose der Reanimation gegenüber der Standard-HDM sicher zu verbessern. Daher handelt es sich zurzeit überwiegend um experimentelle Maßnahmen, Verfahren für Ausnahmesituationen oder regional verbreitete Methoden.

Präkordialer Faustschlag ▶ Siehe auch Abb. 7.9. ▶ Prinzip: Mit der geschlossenen Faust aus etwa 30 cm Höhe einen kräftigen senkrechten Schlag auf die Mitte des Sternums ausüben. ▶ Effekt: Konversion von mechanischer in elektrische Energie. • Durch den Schlag lässt sich im Herzen ein elektrischer Impuls von kurzer Dauer erzeugen. • Dieser Impuls kann in Einzelfällen ausreichen, eine ventrikuläre Tachykardie, ein Kammerflimmern oder auch eine Asystolie in einen Rhythmus mit ausreichendem Auswurf zu konvertieren. ▶ Vorteil: Schnelle, einfache und gefahrlose Durchführung. ▶ Nachteil: Wirkung nur bei Kammerflimmern bzw. ventrikulärer Tachykardie oder Asystolie zu erwarten; unsicherer Effekt; kein Effekt zu erwarten, wenn das Flimmern länger als 30 s besteht. ▶ Bewertung: • Über den Erfolg gibt es nur anekdotische Berichte. • Dennoch wird der präkordiale Faustschlag gegenwärtig als Erstmaßnahme innerhalb von 30 s dann empfohlen, wenn der Herz-Kreislauf-Stillstand (Asystolie oder Kammerflimmern) beobachtet wurde (z. B. am Monitor).

Simultane Beatmung und Thoraxkompression (SCV-CPR) ▶ Prinzip: • Gleichzeitige Beatmung und externe HDM mit einer Frequenz von etwa 40 /min (SCV-CPR = CPR with simultaneous compression and ventilation; sog. „neue Methode“ der CPR). • Dadurch starker Druckanstieg im Thorax auf 60 bis 110 cmH2O (Akzentuierung des Thoraxpumpmechanismus). ▶ Vorteil: Erhöhung des Blutflusses in der A. carotis. ▶ Gefahr: Anstieg des Hirndrucks. ▶ Voraussetzung: Endotracheale Intubation und Beatmung mit einem Beatmungsbeutel bzw. Beatmungsgerät, das die dann erforderlichen hohen Beatmungsdrücke (um 80 mmHg) und -frequenzen aufbringen kann.

114

Abb. 7.9 • Präkordialer Faustschlag.

Abb. 7.10 • Aktive Kompression/Dekompression (ACD-CPR): Gerät, Durchführung.

▶ Bewertung: Keine Verbesserung der Prognose der CPR gegenüber konventioneller HDM nachgewiesen.

Aktive Kompressions-Dekompressions-Verfahren (ACD-CPR)

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.8 C → Herzdruckmassage: Variationen und Alternativen

▶ Siehe auch Abb. 7.10. ▶ Prinzip: • Eine Art Saugglocke wird über der Mitte des Sternums platziert und mit beiden Händen gefasst. • Die Kompression wird durch kräftigen Druck auf das Gerät erzielt (aktive Kompression ähnlich wie bei konventioneller HDM). • Während der Dekompressionsphase wird mit beiden Händen am Gerät gezogen (aktive Dekompression des Thorax) und so aktiv ein intrathorakaler Sog erzielt. ▶ Vorteil: Verbesserung des venösen Rückstroms, der Herzfüllung, des Herzminutenvolumens und des koronaren Perfusionsdrucks. ▶ Nachteil: Relativ umständliche und für den Helfer ermüdende Handhabung. ▶ Voraussetzung: Besonderes Equipment erforderlich. Ein spezielles Gerät ist kommerziell erhältlich. ▶ Bewertung: Keine eindeutige Verbesserung der Prognose der CPR gegenüber konventioneller HDM nachgewiesen.

Intermittierende abdominale Gegenpulsation ▶ Prinzip: Kompression des Oberbauchs durch einen weiteren Helfer während der Dekompressionsphase des Thorax. ▶ Vorteil: • Erhöhung des diastolischen Drucks und Verbesserung der Koronardurchblutung. • Verbesserung des venösen Rückstroms durch Auspressen des venösen Leberpoolings. ▶ Gefahren: Verletzung der Oberbauchorgane. ▶ Voraussetzung: • Keine besondere Ausrüstung, aber weiterer Helfer erforderlich. • Neuerdings auch mit mechanischer Hilfe, dem sog. „Life-Stick“, durchführbar. Er wird auf Thorax und Abdomen aufgesetzt und „schaukelartig“ abwechselnd thorakal und abdominal niedergedrückt. ▶ Bewertung: Keine Verbesserung der Prognose der CPR gegenüber konventioneller HDM nachgewiesen. Verwendung des „Life-Stick“ ist umständlich und für die präklinische Rettungsmedizin vermutlich zu aufwendig.

Westenreanimation ▶ Prinzip: • Dem Patienten wird eine Art aufblasbarer Weste um den Thorax gelegt. • Die Weste wird rhythmisch bis auf 200–250 mmHg aufgeblasen. 115

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.8 C → Herzdruckmassage: Variationen und Alternativen

▶ Vorteil: • Die Druckerhöhung im Thorax kann effektiver und gleichmäßiger erfolgen (Akzentuierung des Thoraxpumpmechanismus). • Verbesserung des koronaren Blutflusses bis auf 40–60 % der Norm (gegenüber 5– 20 % bei der Standardtechnik). ▶ Nachteil: Aufwendiges Equipment. ▶ Bewertung: Interessantes Verfahren in der klinischen Evaluierungsphase. Für die Rettungsmedizin wahrscheinlich zu aufwendig.

Inspiratorische Impedanzerhöhung ▶ Prinzip: • Ausnutzen der Retraktionskräfte des Thorax in der Dekompressionsphase der HDM für eine Erhöhung des venösen Rückstroms. • Zwischenschaltung eines speziellen Ventils (Impedance Threshold Valve, ITV) zwischen Endotrachealtubus/Maske und Beatmungsgerät/-beutel. • Die ITV verhindert den sofortigen Druckausgleich zwischen intrapulmonalem und Atmosphärendruck in der Dekompressionsphase. ▶ Vorteil: Erhöhung der kardialen Füllung; Steigerung des koronaren und zerebralen Perfusionsdrucks unter Herzdruckmassage. ▶ Voraussetzung: Entsprechendes Ventil (ITV). ▶ Bewertung: Interessantes und einfaches Verfahren zur Steigerung der Effektivität der Herzdruckmassage; bislang jedoch keine klare Überlebensverbesserung bewiesen.

Maschinelle Thoraxkompression ▶ Prinzip: • Übernahme der HDM durch eine Maschine (analog der Beatmung durch einen Respirator). • Die Kompressionstiefe des Stempels kann individuell eingestellt werden. ▶ Vorteil: Physische Entlastung der Helfer. ▶ Nachteil: Verfahren wird vielfach als inhuman empfunden. ▶ Voraussetzung: Entsprechendes Gerät und Energiequelle. ▶ Bewertung: • Das Verfahren ist weitgehend auf die Klinik beschränkt und hat sich auch dort nicht generell durchgesetzt. • Keine Verbesserung der Prognose der CPR gegenüber konventioneller HDM nachgewiesen.

Offene (interne, direkte) Herzmassage ▶ Prinzip: Direkte manuelle Kompression des Herzens nach Thorakotomie (Öffnung meist im 5. Interkostalraum links). ▶ Vorteil: Das so erzielte Herzzeitvolumen ist deutlich höher als mit externer, indirekter HDM. Die zerebralen und koronaren Perfusionsdrücke sind ebenfalls deutlich höher. ▶ Nachteil: Erhebliche Invasivität, Blutungsgefahr, Infektionsgefahr. ▶ Voraussetzung: Chirurgische Erfahrung, chirurgisches Instrumentarium. ▶ Bewertung: • Indikationen für eine offene Herzmassage grundsätzlich umstritten. • In der Rettungsmedizin keine Indikationen. • In der Klinik kann die Methode erwogen werden bei: – Herzstillstand aus traumatologischer Ursache. – Herzstillstand während einer Operation. – Herzstillstand kurz nach vorausgegangener Sternotomie (Herzchirurgie). – Herzstillstand bei Perikardtamponade. 116

▶ Prinzip: Kräftiges, hochfrequentes Husten (ca. 1 /s) durch den Patient selbst. ▶ Dadurch kann für einige Minuten ein Minimalkreislauf aufrechterhalten werden und der Patient bei Bewusstsein bleiben (Thoraxpumpmechanismus). ▶ Vorteil: Einziges Selbsthilfeverfahren bei Kreislaufstillstand. ▶ Nachteil: Nur kurzfristige Kreislaufaufrechterhaltung möglich; sofortiger Beginn des Hustens nach Herzstillstand erforderlich. ▶ Voraussetzung: Vorherige Instruktion. ▶ Bewertung: Überbrückende Maßnahme bis zur definitiven Hilfe durch Defibrillation o. Ä., insbesondere bei voraussehbarem Herzstillstand, z. B. im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung.

7.9 D → Drugs (Medikamentöse Therapie) Übersicht

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.9 D → Drugs (Medikamentöse Therapie)

Hustenreanimation

▶ Häufig im Rahmen einer CPR verwendete Medikamente: • Adrenalin: Immer indiziert. • Vasopressin: Alternativ oder zusätzlich zu Adrenalin, umstritten. • Amiodaron oder andere Antiarrhythmika: Bei rezidivierendem oder therapierefraktärem Kammerflimmern indiziert. • Natriumbikarbonat oder andere Puffersubstanzen: Umstritten.

Adrenalin (Epinephrin) ▶ Siehe auch S. 174. ▶ Wirkung: Stimulation der α- und β-Rezeptoren. • Vasokonstriktion, Inotropie- und Herzfrequenzsteigerung. • α-mimetische vasokonstriktorische Komponente: Entscheidend für den Reanimationserfolg; steigert die Effektivität der HDM bei allen Formen des Kreislaufstillstandes. – Steigerung des Blutrückflusses aus der Peripherie zum Herzen. – Erhöhung des Aortentonus (die Aorta wird „steifer“). – Erhöhung des systemischen diastolischen Blutdrucks und des koronaren Perfusionsdrucks. – Verbesserung der myokardialen und zerebralen Perfusion. • β-mimetische Wirkung: Von fraglicher Bedeutung für den Reanimationserfolg. – Mögliche positive Auswirkung: Inotropie- und HZV-Steigerung. – Mögliche negative Auswirkungen: Erhöhung des myokardialen Sauerstoffbedarfs; Vergrößerung der Ischämiezone nach Myokardinfarkt, Verschlechterung des Perfusionsdrucks durch vasodilatatorische Komponente (β2). ▶ Indikation: Alle Formen des Kreislaufstillstands. ▶ Beachte: Zur Vorsicht wird jedoch geraten bei Kreislaufstillstand nach Intoxikation ■ mit Lösungsmitteln (s. S.474), Kokain (s. S.477) und anderen Sympathomimetika (s. S.173). ▶ Zubereitungsform: • 1 Amp = 1 ml = 1 mg • Üblicherweise 1 mg auf 10 ml NaCl 0,9 % verdünnen → 1 ml = 0,1 mg. ▶ Dosierung bei intravenöser Gabe: • Standarddosierung: 1 mg i. v., ggf. repetitiv alle 3–5 min (keine Höchstdosis). ▶ Beachte: Eine sog. „Hochdosistherapie“ mit Adrenalin (z. B. 5 mg alle 2–3 min) im ■ Rahmen der Reanimation wird nicht mehr empfohlen! ▶ Endobronchiale Applikation: 2–3 mg in 10 ml NaCl 0,9 % gelöst. • Indikation: Wenn kein venöser Zugang liegt bzw. innerhalb kurzer Zeit gelegt werden kann, der Patient jedoch schon intubiert ist. 117

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

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7.9 D → Drugs (Medikamentöse Therapie)

• Vorgehen: – Spritze mit Adrenalin auf dünnlumigen Absaugkatheter oder (zweckentfremdeten) zentralen Venenkatheter aufstecken. – Diesen – unter kurzer Unterbrechung der Beatmung – durch den Tubus nach endobronchial vorschieben. – Adrenalin spritzen. – Mit 10 ml NaCl 0,9 % nachspülen. – Katheter wieder entfernen. • Alternativen: – Verwendung eines Spezialapplikators. – Verwendung eines Spezialtubus, der über ein gesondertes, dünnes, an der Tubusspitze endendes Lumen verfügt und somit eine tiefe tracheale Medikamentenapplikation erlaubt. ▶ Bewertung: • Einziges Medikament, das bei CPR immer empfohlen wird. • Sympathomimetikum der Wahl während CPR. • Wichtigstes Reanimationsmedikament bei allen Formen des Kreislaufstillstands. • Andere Medikamente und andere Katecholamine mit potenter vasokonstriktiver Wirkung sind theoretisch auch zur CPR geeignet, waren aber bislang in klinischen Studien dem Adrenalin nicht entscheidend überlegen.

Vasopressin ▶ Wirkung: Stimulation spezifischer Vasopressin-Rezeptoren. • Dadurch generalisierte Vasokonstriktion, insbesondere aber im Splanchnikusgebiet, in der Haut und in der Muskulatur. • Dadurch Blutdrucksteigerung und Umverteilung des Herzzeitvolumens hin zu vital akut wichtigeren Organen wie Herz und Hirn. ▶ Vorteil gegenüber Adrenalin: Fehlende β-mimetische Wirkung und somit fehlende Erhöhung des myokardialen Sauerstoffbedarfs. ▶ Mögliche Indikationen: • Kammerflimmern/pulslose Kammertachykardie. • Asystolie (aufgrund neuerer Publikationen) ▶ Dosierung und Anwendung: • 40 I.E. i. v. einmalig (alternativ zu Adrenalin). • Sind weitere Dosen eines Vasopressors erforderlich, wird Adrenalin in der üblichen Dosierung und Häufigkeit empfohlen. ▶ Beachte: Der Stellenwert von Vasopressin im Rahmen der Reanimation ist nach wie ■ vor umstritten. Die ERC 2005 empfiehlt es nicht.

Atropin ▶ Siehe auch S. 178. ▶ Wirkung: Parasympatholytikum. • Erhöhung der Herzfrequenz bei Sinusbradykardie. • Erleichterung der AV-Überleitung. ▶ Indikationen im Rahmen der CPR: • Schwere, kreislaufwirksame Bradykardie. • Asystolie. ▶ Dosierung: 3 mg bzw. 0,04 mg/kgKG i. v. (nur einmalig!). • In dieser Dosierung vollständige medikamentöse Blockierung des Parasympathikus. • Weitere Dosissteigerung nicht sinnvoll. ▶ Endobronchiale Applikation über einen Tubus möglich; adäquate Dosierung hierfür ist allerdings unklar. ▶ Bewertung: • Nutzen von Atropin im Rahmen der CPR ist nicht gesichert. 118

Antiarrhythmika ▶ Siehe auch S. 187ff. ▶ Präparate zur Therapie schwerer ventrikulärer Arrhythmien unter CPR: • Amiodaron: Antiarrhythmikum der Wahl (Vaughan-Williams-Klasse III). • Lidocain: Früher gebräuchlichstes Antiarrhythmikum (Vaughan-Williams-Klasse Ib); heute weitgehend durch Amiodaron abgelöst; keine Indikation, wenn Amiodaron verfügbar. • Ajmalin: Alternative zu Lidocain; wirkt gelegentlich noch bei lidocainresistenten Rhythmusstörungen (Vaughan-Williams-Klasse Ia); keine Indikation, wenn Amiodaron verfügbar. • Propafenon: Alternative zu Lidocain; wirkt gelegentlich noch bei lidocainresistenten Rhythmusstörungen (Vaughan-Williams-Klasse Ic); keine Indikation, wenn Amiodaron verfügbar. • β-Blocker (z. B. Metoprolol): Anhebung der Flimmerschwelle; Stellenwert zur Therapie des Kammerflimmerns jedoch unklar (Vaughan-Williams-Klasse II). ▶ (Mögliche) Indikationen: • Ventrikuläre Tachykardie. • Rezidivierendes Kammerflimmern: Ein durch Defibrillation hergestellter effektiver Herzrhythmus degeneriert wiederholt in Kammerflimmern. • Defibrillationsresistentes Kammerflimmern: Keine Konversion des Kammerflimmerns in einen effektiven Rhythmus nach 3 Defibrillationen. ▶ Dosierung: • Amiodaron: – Initial 300 mg i. v. (bzw. 4 mg/kgKG). – Dann bei Bedarf (optional) erneut 150 mg i. v. – Dann bei Bedarf (optional) kontinuierlich 1 mg/min über 6 h (mittels Motorspritzenpumpe oder per infusionem), gefolgt von 0,5 mg/min bis zu einer Gesamtdosis von 2 g am 1. Tag.

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.9 D → Drugs (Medikamentöse Therapie)

• Atropin wird zurzeit bei Asystolie optional empfohlen, da diese mit einem erhöhten Parasympathikotonus assoziiert sein kann, der die Konversion in einen effektiven Rhythmus behindert. ▶ Beachte: Nicht indiziert bei EMD und Kammerfilmmern! ■ ▶ Merke: Atropin gilt nicht als Standardmedikament im Rahmen der Reanimation. ■

Amiodaron

▶ Beachte: Mit Glukose 5 % verdünnen! ■

▶ Empfohlene Zubereitung: 300 mg Amiodaron = 2 Amp. auf 20 ml G 5 %. ▶ Die oben erwähnten etwas komplizierten Dosierungsmodalitäten muss man nicht unbedingt komplett im Kopf haben, merken sollte man sich aber die Initialdosierung: 300 mg = 2 Amp. i. v.!

• Lidocain: 100 mg bzw. 1–1,5 mg/kgKG i. v., evtl. repetitiv bis zu einer Gesamtdosis von 3 mg/kgKG. • Ajmalin: 50 mg bzw. 0,75 mg/kgKG i. v. • Propafenon: 70 mg bzw. 1 mg/kgKG i. v. • Metoprolol: Fraktioniert in 1 mg-Schritten i. v., bis zu einer Gesamtdosis von 5 mg. Vorsichtig applizieren! ▶ Bewertung: Der Stellenwert aller Antiarrhythmika während der CPR ist nur wenig gesichert. Nur für Amiodaron konnte bislang ein günstiger Effekt auf die Rhythmusstabilisierung im Rahmen der CPR bei defibrillationsresistentem Kammerflimmern gezeigt werden. • Praktisch alle Antiarrhythmika wirken negativ inotrop und/oder können zu erheblichen Blutdruckabfällen führen. 119

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

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7.9 D → Drugs (Medikamentöse Therapie)

• Die Antiarrhythmika erschweren möglicherweise die Defibrillation bei Kammerflimmern durch Erhöhung der Defibrillationsschwelle. • Durch Lidocain möglicherweise Erhöhung der Inzidenz einer therapieresistenten Asystolie nach der Defibrillation. • Alle Antiarrhythmika können auch proarrhythmische Wirkungen haben. • Metoprolol oder ein anderer β-Blocker wie Esmolol können erwogen werden bei wahrscheinlich ischämischer Genese des Kammerflimmerns (ungesichert). ▶ Beachte: Amiodaron ist das Antiarrythmikum der Wahl bei defibrillationsresisten■ tem Kammerflimmern, d. h. bei Persistenz des Flimmerns nach 3 Defibrillationen. Für alle anderen Antiarrythmika, insbesondere für das früher hier dominierende Lidocain, gibt es keine gesicherte Indikation.

Puffersubstanzen ▶ Substanzen (s. a. S. 186): • Natriumbicarbonat (NaHCO3; Nabic): Gebräuchlichste Puffersubstanz; während der Pufferung entsteht CO2. • THAM = TRIS = Tris-Hydroxymethyl-Aminomethan = Trometamol: Alternative Puffersubstanz. Während der Pufferung entsteht kein CO2. Verwendung während CPR jedoch unüblich und wenig untersucht. ▶ Pathophysiologie: • Während des Kreislauf- und Atemstillstands regelmäßig Entwicklung einer gemischten metabolisch-respiratorischen Azidose. • Die dadurch erzeugte Abschwächung der Katecholaminwirkung ist klinisch wahrscheinlich unbedeutend. • Durch Pufferung dieser Azidose lässt sich keine Prognoseverbesserung erzielen. Die Azidose ist wahrscheinlich eher ein Epiphänomen einer schweren Gewebshypoxie, als selbst das entscheidende schädigende Agens. • NaHCO3 kann durch CO2-Produktion die intrazelluläre Azidose verstärken und die Sauerstoffabgabe im Gewebe erschweren. • THAM und andere, nicht CO2-generierende Puffersubstanzen haben gegenüber NaHCO3 keine klinisch erwiesenen Vorteile. Ihr therapeutischer Einsatz ist zurzeit unüblich. ▶ (Mögliche) Indikationen: • Schwere metabolische Azidose: Gemessener Blut-pH < 7,1 oder BE < -10 mmol/l. • Prolongierte CPR: Länger als 10 min. • Lebensbedrohliche Hyperkaliämie: Kaliumspiegel im Blut > 6 mmol/l und hyperkaliämischer Herzstillstand. ▶ Dosierung Natriumbicarbonat (8,4 % = 1 mmol/ml): • In Kenntnis des pH-Wertes und des Basendefizits (in der Rettungsmedizin meist nicht der Fall): – Astrup-Formel: mmol NaHCO3 = 0,3 × kgKG × Basendefizit, davon zunächst die Hälfte i. v.; Ziel: pH > 7,2. – Alternativ: Alle 10 min 50 mmol NaHCO3 i. v. bis zu einem pH > 7,2. • In Unkenntnis des pH-Wertes (in der Rettungsmedizin meist der Fall): Alle 10 min 50 ml NaHCO3 i. v. ▶ Bewertung: • Der Stellenwert einer Pufferung während einer CPR ist ungesichert. Puffersubstanzen gelten daher heute nicht mehr als obligate Komponenten der CPR. • Gesicherte Indikationen: Lebensbedrohliche Hyperkaliämie bzw. hyperkaliämischer Herzstillstand; Überdosierung von trizyklischen Antidepressiva. ▶ Beachte: Überschießende Pufferung auf jeden Fall vermeiden! Eine Azidose wird ■ unter Reanimation besser toleriert als eine Alkalose. Die beste Therapie einer Azidose unter CRP ist die rasche Wiederherstellung einer adäquaten Gewebsperfusion und eine ausreichende Beatmung mit leichter Hyperventilation.

▶ Wirkungen (s. auch S. 191): Positiv inotrop, funktioneller Kaliumantagonismus. ▶ Indikationen: • Überdosierung von Kalziumkanal-Blockern. • Lebensbedrohliche Hyperkaliämie: Kaliumspiegel im Blut > 6 mmol/l und hyperkaliämscher Herzstillstand. • Therapierefraktäre PEA. ▶ Präparate: • Kalziumchlorid 10 %: 1 ml entspricht 1,36 mval Ca2 + . • Kalziumglukonat 10 %: 1 ml entspricht 0,48 mval Ca2 + . ▶ Dosierung: • 5–10 ml Kalziumchlorid 10 % i. v. oder • 10–20 ml Kalziumglukonat 10 % i. v. • Kalziumchlorid sollte gegenüber Kalziumglukonat aufgrund seiner höheren Effektivität bevorzugt werden. ▶ Bewertung: • Normalerweise keine Indikation bei CPR. Ein positiver Effekt aufs Überleben konnte nicht nachgewiesen werden. • Verstärkung kalziumvermittelter Zellschäden möglich. • Gesicherte Indikationen: – Überdosierung mit Kalziumkanal-Blockern. – Lebensbedrohliche Hyperkaliämie. • Indikation bei PEA erwägen, wenn Adrenalin allein nicht wirkt.

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.10 E → EKG-Diagnose

Kalzium

7.10 E → EKG-Diagnose Bedeutung der frühzeitigen EKG-Diagnose ▶ Wichtig für Vorgehensweise bei ALS. ▶ Wichtig für die Prognose der Reanimation.

Vorgehen ▶ Am schnellsten ist die Ableitung über Defibrillatorelektroden. • Anlage der Elektroden: – 1. Elektrode rechts subklavikulär. – 2. Elektrode linke vordere Axillarlinie unterhalb der Mamille. • Defibrillator auf EKG-Ableitung über Defibrillatorelektroden einstellen. • Bei Kammerflimmern kann jetzt sofort defibrilliert werden. • Zur Verifizierung einer Nulllinie 2. Ableitung senkrecht zur 1. durchzuführen: – 1. Elektrode links subklavikulär. – 2. Elektrode rechte vordere Axillarlinie unterhalb der Mamille. ▶ Weitere Ableitungsmöglichkeiten: Siehe S. 32f.

EKG-Formen des Herz-Kreislauf-Stillstands ▶ Asystolie (Abb. 7.11): Fehlende elektrische und mechanische Aktivität. Herzstillstand im engeren Sinne. • EKG: Nulllinie. Zur Verifizierung verschiedene Ableitungen wählen bzw. (wenn darüber abgeleitet wird) die Defibrillatorelektroden umsetzen und eine Ableitung senkrecht zur ersten wählen. • Primäre Asystolie: Bei rechtzeitiger Therapie gute Erfolgsaussichten. • Sekundäre Asystolie: Kaum Aussicht auf Reanimationserfolg. • Ursachen, Häufigkeit: – Primäre Asystolie bei etwa 10–25 % aller Herz-Kreislauf-Stillstände. Ursachen: AV-Block Grad III, SA-Block Grad III oder Sinusknotenstillstand. 121

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

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122

7.10 E → EKG-Diagnose

Abb. 7.11 • Asystolie.

Abb. 7.12 • Kammerflimmern.

Abb. 7.13 • Pulslose elektrische Aktivität/elektromechanische Dissoziation

– Sekundäre Asystolie entwickelt sich längerfristig aus jedem Rhythmus beim Kreislaufstillstand, also auch aus Kammerflimmern und PEA. • Reanimationsaussichten: Insgesamt deutlich schlechter als bei Kammerflimmern. Präklinisch diagnostizierte Asystolie ist meist sekundärer Natur. • Therapie: Siehe S. 105. ▶ Kammerflimmern (VF = Ventricular Fibrillation; Abb. 7.12): Ungeordnete elektrische Aktivität ohne mechanische Aktivität. Funktioneller Kreislaufstillstand. Häufigster und am besten therapierbarer Rhythmus beim Kreislaufstillstand im Erwachsenenalter. • EKG: Ungeordnete Herzaktionen mit einer Frequenz von > 300 /min. • Kammertachykardie (VT = Ventricular Tachycardia) ohne tastbaren Puls (pulslose ventrikuläre Tachykardie; PVT): Kann dem Kammerflimmern vorausgehen. – EKG: Breite Kammerkomplexe, Frequenz 150–300 /min. – Rasche Degeneration in Kammerflimmern. • Ursachen: – Primäres Kammerflimmern: Meist Myokardischämie im Rahmen einer koronaren Herzerkrankung (Myokardinfarkt nur in etwa 20 % der Fälle!). – Sekundäres Kammerflimmern (seltener): Nach Schock oder Herzversagen (kardialem Pumpversagen). • Prognose: Beste Prognose aller 3 Arten des Kreislaufstillstands bei adäquater, schneller Behandlung. – Ohne Defibrillation degeneriert Kammerflimmern innerhalb von 12–15 min zur Asystolie. – CPR (Basismaßnahmen) kann die Dauer des Kammerflimmerns (und damit die „Defibrillierbarkeit“) um etwa 10–12 min verlängern. – Bei Defibrillation innerhalb der ersten 5 min nach Beginn nahezu 90–95 %ige Erfolgsrate. – Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Defibrillation nimmt um mehr als 5 % pro Minute Kammerflimmern ab! • Therapie: Frühestmögliche Defibrillation! Siehe S. 145, S. 123 und Abb. 8.2. ▶ Pulslose Elektrische Aktivität (PEA): Weitere Bezeichnungen sind elektromechanische Dissoziation (EMD), elektromechanische Entkopplung oder Hyposystolie, s . Abb. 7.13. • Geordnete elektrische Aktivität ohne mechanische Aktivität. Funktioneller Kreislaufstillstand. • EKG: Koordinierte elektrische Herzaktionen (meist verbreiterte Kammerkomplexe), aber kein Puls tastbar. • Mögliche zugrunde liegende Störungen: – Schwere Azidose, Hypoxie oder Hypovolämie. – Obstruktion durch Spannungspneumothorax, Herzbeuteltamponade oder Lungenembolie.

7.11 F → Fibrillationsbehandlung und elektrische

Therapie

Defibrillation

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.12 CPR in besonderen Situationen

– Intoxikation, Hypothermie oder schwere Elektrolytstörung. • Prognose: Sehr schlecht, wenn Ursache nicht sofort erkannt und beseitigt werden kann. • Therapie: Siehe S. 105. ▶ Bedeutung des EKG-Rhythmus für die Reanimation: • Frühere Empfehlung: Für jeden der 3 beschriebenen Herzrhythmen wurde ein spezifisches Vorgehen empfohlen. • Die neuen Reanimationsempfehlungen beinhalten einen universellen Algorithmus (s. Abb. 7.4, S. 106), dessen Ablauf nur noch differenziert wird nach dem Vorliegen von – VF/VT, also Kammerflimmern oder pulsloser Kammertachykardie oder – Asystolie/PEA ( = EMD) – andere Bezeichnung Non-VF/VT.

▶ Siehe auch Kap. 8.1, S. 145ff. ▶ Indikationen: • Kammerflimmern (VF). • Pulslose ventrikuläre Tachykardie (PVT oder nur VT). ▶ Dosierung: • Erwachsene 150–360 J. • Kinder 4 J/kgKG. ▶ Bei beobachtetem Kreislaufstillstand oder innerhalb von 5 min nach Beginn des Flimmerns, wenn möglich, Defibrillation als erste Therapiemaßnahme durchführen. ▶ Bei vermutlich länger als 5 min zurückliegendem Kreislaufstillstand erst 2 min Basisreanimation (HDM und Beatmung), dann defibrillieren. ▶ Nur bei eindeutigem VF/VT defibrillieren! Bei unklarem Rhythmus keine Defibrillation, statt dessen Vorgehen wie bei Asystolie/PEA, s. S. 105. ▶ Vorgehen bei VF/VT s. S. 105

Herzschrittmachertherapie ▶ Indikation: • Asystolie (umstritten außer beim trifaszikulären Block). • Extreme Bradykardie. ▶ Beachte: Keine Indikationen sind Kammerflimmern oder EMD! ■ ▶ Durchführung: • Im Rettungsdienst praktisch immer transkutane Stimulation. • Vorgehen s. S. 152, 282f. ▶ Bewertung: • Stellenwert im Rahmen der CPR unklar. • Schrittmachertherapie nur dann erwägen, wenn unter CPR schon vereinzelte elektrische Aktivitäten (P-Wellen oder QRS-Komplexe) erzeugt werden konnten. • Bislang konnte nicht gezeigt werden, dass dadurch die Prognose der CPR verbessert werden kann.

7.12 CPR in besonderen Situationen CPR bei Schwangeren ▶ Siehe auch S. 370. ▶ Standard-CPR: Durchführung der CPR grundsätzlich genauso wie bei anderen Erwachsenen. 123

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.12 CPR in besonderen Situationen

▶ Wichtigste Modifikation: Lagerung in (leichter) Linksseitenlage, um den ungünstigen Effekt des großen, schweren Uterus auf den venösen Rückstrom zu minimieren: • Seitenlage durch ein Kissen unter der rechten Flanke erzielen. • Alternativ den Uterus durch einen Helfer manuell zur linken Seite halten lassen. ▶ Not-Sectio: In der Klinik bei lebensfähigem Fetus rasche Kaiserschnittentbindung innerhalb der ersten 5 min nach Herzstillstand erwägen.

CPR bei Schwer- bzw. Polytraumatisierten ▶ Siehe auch S. 399. ▶ Ursachen des traumatischen Herz-Kreislauf-Stillstands: • Schwere Hypovolämie: Ausbluten bzw. Terminalstadium eines schweren hämorrhagischen Schocks, häufigste Ursache. • Hypoxie: Durch akute respiratorische Insuffizienz bei Thoraxtrauma, zentralen Atemstillstand oder Atemwegsverlegung bei schwerem SHT. • Spannungspneumothorax: Bei Thoraxtrauma, relativ häufig. • Perikardtamponade: Bei penetrierendem Thoraxtrauma, selten. • Obstruktives Mediastinalemphysem: Bei Thoraxtrauma, sehr selten. ▶ Herzrhythmus: In den meisten Fällen zunächst EMD, dann Asystolie; gelegentlich Kammerflimmern. ▶ Therapie: Aussicht auf Erfolg besteht nur bei sofortiger Beseitigung der auslösenden Ursache: • Ausbluten: Kontrolle der Blutungsquelle, Massivinfusion und Massivtransfusion. Präklinische Volumentherapie ist in dieser Situation jedoch ohne erwiesenen Wert! • Hypoxie: Intubation, Beatmung, Sauerstoffzufuhr. • Pneumothorax: Entlastung durch Thoraxdrainage. • Herzbeuteltamponade: Entlastung durch Perikardpunktion. • Obstruktives Mediastinalemphysem: Entlastung durch kollare Mediastinotomie. ▶ Prognose: Insgesamt sehr schlecht.

CPR bei unterkühlten Patienten ▶ Siehe auch S. 325. ▶ Ursachen der Unterkühlung: • Beinahe-Ertrinken (S. 432), häufig bei Kindern. • Hochgebirgsunglück. • Notfälle im Winter: – Häufig assoziiert mit Alkoholintoxikation (erhöhter Wärmeverlust, gestörte Temperaturregulation und gestörtes Kälteempfinden). – Häufig bei alten Menschen (gestörte Temperaturregulation und gestörtes Kälteempfinden). – Häufig bei Armen (Obdachlosen). ▶ Diagnose der Unterkühlung: • Äußere Umstände. • Eiskalte Haut. • Temperaturmessung mit Spezialthermometer. ▶ Herzrhythmus: • Häufig Kammerflimmern. • Gelegentlich extreme Bradykardie. • Alle Rhythmen möglich. ▶ Bedeutung der Hypothermie: • Erhebliche Verlängerung der Wiederbelebungszeit: Bei Kindern sind Reanimationserfolge mit guter zerebraler Erholung bei über 45-minütigem Herzstillstand bekannt. 124

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.13 Prognose der CPR, zerebrale Schäden nach CPR

• Alteration der myokardialen Erregbarkeit: – Disposition zu Kammerflimmern. – Bei Körpertemperatur < 30°C kann Kammerflimmern spontan auftreten oder durch leichte äußere Reize wie Bewegungen und Intubation ausgelöst werden. – Bei Körpertemperaturen < 30°C ist die Konversion des Kammerflimmers durch Defibrillation oft nicht möglich. • Alteration der kardialen Erregungsleitung: Bradykardie. • Alteration der myokardialen Kontraktilität: – Inotropieverminderung. – Abfall des Herzzeitvolumens. – Blutdruckabfall. – Adrenalinwirkung vermindert. ▶ Therapie des Unterkühlten ohne Atmung und Puls: • Intubation, Beatmung: Wenn möglich mit angewärmter, angefeuchteter Inspirationsluft. • HDM: 80–100 /min. • Bei Kammerflimmern: Bis zu 3 Defibrillationen. • Infusionstherapie: Möglichst mit angewärmten Lösungen (43°C). • Wärmeschutz: Patient gegen weiteren Wärmeverlust schützen. • Körpertemperatur < 30°C: – Keine weiteren Defibrillationen, bis Körpertemperatur wieder > 30°C (Gefahr der myokardialen Schädigung ohne reelle Erfolgsaussicht). – Keine kreislaufwirksamen Medikamente (Adrenalin), bis Körpertemperatur wieder > 30°C (Gefahr der Akkumulation und Intoxikation ohne große therapeutische Erfolgsaussicht). • Körpertemperatur > 30°C: – Wiederholte Defibrillationen. – Kreislaufwirksame Medikamente (Adrenalin 1 mg) wiederholt, jedoch in längeren als sonst üblichen Intervallen. • Falls Aussicht auf Reanimationserfolg besteht: Wenn nötig, unter HDM und Beatmung in die Klinik fahren. • Reanimation nicht leichtfertig beenden! ▶ Merke: No one is dead until warm and dead! ■ – Jedoch keine Patienten mit sicheren Todeszeichen reanimieren. • In der Klinik: Aufwärmung mittels Herz-Lungen-Maschine erwägen.

7.13 Prognose der CPR, zerebrale Schäden nach CPR Prognose der CPR ▶ Erfolg und Outcome der CPR hängen von verschiedenen Faktoren ab: • Patientenbezogene Faktoren: – Grundkrankheit: Schlechte Prognose, z. B. bei kardiopulmonalen Erkrankungen im Endstadium oder bei Herzstillstand nach schwerem Trauma. – Zugrunde liegender Herzrhythmus: Prognose bei Kammerflimmern deutlich besser als bei Asystolie oder EMD. – Primärer oder sekundärer Herzstillstand: Prognose nach primärem Herzstillstand erheblich besser als nach sekundärem Herzstillstand. – Kinderreanimation: Prognose schlechter als bei Erwachsenen-CPR, da meist sekundärer Herzstillstand. Ausnahme tiefe Hypothermie (s. u.). • Helferbezogene Faktoren: Qualität der Reanimationsmaßnahmen. • Rahmenbedingungen: – Entscheidend ist die Zeit bis zum Beginn der CPR. Je länger die Zeit bis zum Beginn der CPR, desto schlechter die Prognose. Nach 15 min ist die Wahrscheinlichkeit einer weitgehenden zerebralen Erholung sehr gering. 125

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

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7.13 Prognose der CPR, zerebrale Schäden nach CPR





▶ ▶

– Äußere Umstände: Bei Kälte und Beinahe-Ertrinken u. U. rasche Entwicklung einer Hypothermie; dadurch Verlängerung der Wiederbelebungszeit und Verbesserung der Prognose. Ungefähre 1-Jahres-Überlebensraten nach CPR: • Insgesamt etwa 5–15 %. • Kammerflimmern ca. 30 %. • EMD und Asystolie ca. 1–3 %. • Nach CPR im Krankenhaus ca. 15 %. • Nach CPR außerhalb des Krankenhauses 5–10 %. Weite Pupillen und Bewusstlosigkeit unter und unmittelbar nach CPR erlauben grundsätzlich keine Rückschlüsse auf irreversible Hirnschäden: • Manchmal erlangen die Patienten unter oder unmittelbar nach suffizienten Reanimationsmaßnahmen das Bewusstsein wieder. Dann ggf. vorsichtige Analgesie/ Sedierung mit Morphin 2,5–5 mg oder Midazolam 2–5 mg i. v. • Unter der Reanimation enger werdende Pupillen sind ein prognostisch günstiges Zeichen. • Eine Mydriasis unter Reanimation kann jedoch auch durch die Reanimationsmedikamente Adrenalin und Atropin hervorgerufen und aufrechterhalten werden. Persistierendes Koma noch 48 h nach der CPR spricht für eine sehr schlechte zerebrale Prognose. Weite, entrundete, lichtstarre Pupillen noch 12 h nach CPR deuten auf schwerste, irreversible Hirnschäden hin.

Zerebrale Hypoxie: Klinik und Pathophysiologie ▶ Ischämie und Hypoxie: • Ein Kreislaufstillstand führt stets nach wenigen Sekunden zur zerebralen Ischämie und Hypoxie. • Das Gehirn hat von allen Organen die geringste Hypoxietoleranz. • Aufgrund der gegenüber dem Herzen deutlich kürzeren Wiederbelebungszeit des Gehirns gelingt gelegentlich die kardiozirkulatorische und pulmonale Stabilisierung von Patienten mit bereits schweren, irreversiblen hypoxischen Hirnschäden. ▶ Verlängerung der Wiederbelebungszeiten: • Durch Hypothermie. • Nach Vorbehandlung oder Intoxikation mit bestimmten Pharmaka wie Barbiturate und Benzodiazepine. • Im Kleinkindesalter. ▶ Klinische Symptome: • Bewusstlosigkeit: Eintritt 10–15 s nach zerebralem Perfusionsstillstand (Kreislaufstillstand). • Weite Pupillen: Entwicklung innerhalb von 30–45 s nach zerebralem Perfusionsstillstand (Kreislaufstillstand) durch Hypoxie des Okulomotoriuskerngebietes.

Prophylaxe und Therapie der zerebralen Schäden ▶ Medikamentöse Zerebroprotektion: Eine gesicherte, wirksame, spezifische medikamentöse Therapie zur Verbesserung der zerebralen Prognose nach CPR ist zurzeit nicht bekannt. ▶ Zerebroprotektion durch Hypothermie. Die einzigen zur Zeit etablierten Methoden zur Zerebroprotektion nach Reanimation sind: • Vermeidung von Hyperthermie bzw. Fieber. • Induktion einer milden Hypothermie. • Die prognoseverbessernde Wirkung einer milden Hypothermie gilt als belegt für bewusstlose erwachsene Patienten nach Reanimation bei VF/VT. Sie wird jedoch heute meist für alle reanimierten, bewusstlosen Patienten (Erwachsene und Kinder) empfohlen. 126

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.14 Weiterführung vs. Beendigung der CPR

▶ Empfohlenes Vorgehen: • Keine aktive Erwärmung hypothermer Patienten nach Reanimation (bei Körpertemperatur > 33°C). • Aktive Therapie bei erhöhter Körpertemperatur durch Kühlung und Antipyretika (z. B. Novalgin 1–2,5 g i. v., Paracetamol 1 000 mg i. v., Ibuprofen 600 mg supp.). • Aktive Kühlung bei reanimierten, post reanimationem bewusstlosen Patienten: – Körpertemperatur 32–34°C für 12–24 h. Dabei Shivering (Kältezittern) durch ggf. tiefe Sedierung bzw. Narkose unterdrücken. – Danach langsame Wiederaufwärmung bis 36°C über mind. 8 h. – Die Kühlung kann zwar schon präklinisch durch externe Eispackungen auf Kopf und Körper und kalte Infusionen begonnen werden, wird jedoch meist erst in der Klinik aktiv durchgeführt. Hierzu sollte intra- und extrakorporales Spezial-Kühl-Instrumentarium eingesetzt werden. – Für die schnelle Kühlung gilt folgende Faustregel: 30 ml/kgKG 4°C kalte, rasch infundierte Kochsalzlösung reduziert die Kerntemperatur um 1,5°C. ▶ Merke: Wichtig ist neben der Induktion einer milden Hypothermie vor allem eine ■ adäquate kardiozirkulatorische und respiratorische Therapie nach CPR: • Vermeidung von Hypotension (eher leichte Hypertension). • Vermeidung von Hypoxie.

7.14 Weiterführung vs. Beendigung der CPR Problematik ▶ Lässt sich unter CPR präklinisch nicht rasch ein eigenständiger, suffizienter Kreislauf wiederherstellen, müssen folgende Fragen beantwortet werden: • Soll der Patient unter Reanimation in die Klinik transportiert werden? • Wann sollen die Reanimationsmaßnahmen beendet werden?

Transport unter CPR in die Klinik ▶ Normalerweise nicht indiziert: Führt eine suffizient durchgeführte CPR präklinisch nicht zum Erfolg, so kann dieser auch in der Klinik nur in den seltensten Fällen herbeigeführt werden. ▶ Ausnahmen in Sonderfällen: • Tiefe Hypothermie (S. 124 f.). • Vergiftungen mit Barbituraten, Benzodiazepinen oder β-Blockern. • Reanimationen bei Kleinkindern und vor allem Neugeborenen. • Ort des Notfalls in unmittelbarer Nähe der Klinik.

Beendigung der CPR ▶ Beendigung der CPR auf jeden Fall: Wenn unter der Reanimation sichere Todeszeichen entdeckt werden. ▶ Beendigung der CPR in der Regel (muss von Fall zu Fall entschieden werden): • Wenn nach 20 min Reanimationsdauer eine Asystolie oder EMD persistiert. • Bei Patienten mit unheilbaren Erkrankungen im Endstadium. • Wenn der Patient zu Lebzeiten explizit Reanimationsmaßnahmen abgelehnt hatte. ▶ Keine Beendigung der CPR: Solange Kammerflimmern vorliegt. ▶ Fortführung der CPR über längere Zeit: Unter Umständen, die auch noch nach mehr als 20 min die Wiederherstellung eines Spontankreislaufs und eine weitgehende zerebrale Erholung möglich erscheinen lassen (Transport in die Klinik unter Fortführung der CPR erwägen): • Tiefe Hypothermie, z. B. nach Notfällen im Gebirge (Lawinenunglück) oder nach Beinahe-Ertrinken. • Vergiftungen mit Barbituraten, Benzodiazepinen oder β-Blockern. • Reanimationen von Kleinkindern und vor allem Neugeborenen.

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Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

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7.15 Kinderreanimation: Grundlagen und Basismaßnahmen

7.15 Kinderreanimation: Grundlagen und

Basismaßnahmen

Grundlagen ▶ Definitionen: • Kind: ≥ 1 Jahr (bis etwa zum Beginn der Pubertät). • Säugling: < 1 Jahr. • Neugeborenes: ≤ 28 Tage. • Frühgeborenes: Geburt vor vollendeter 37. Schwangerschaftswoche. ▶ Ursachen eines Kreislaufstillstands: • Sekundärer Kreislaufstillstand: Überwiegt im Kindesalter. Daher grundsätzlich ungünstigere Prognose trotz evtl. verlängerter Wiederbelebungszeit gegenüber CPR im Erwachsenenalter. • Überwiegende Ursache bei Neugeborenen: Asphyxie, d. h. Hypoxie durch Atemstillstand infolge zentraler Atemlähmung oder durch vorausgegangene intrauterine Sauerstoffmangelversorgung (S. 138). • Überwiegende Ursache im Kleinkindesalter: Akutes respiratorisches Versagen (zweithäufigste Ursache: Sepsis). • Überwiegende Ursache bei älteren Kindern: Trauma. ▶ Besonderheiten: • Siehe auch hintere Umschlaginnenseite. • Physiologische Besonderheiten (S. 385). • Größenverhältnisse (S. 389). • Empfindliche Temperaturregulation: – Auskühlen verhindern. – So weit als möglich zudecken, evtl. Alu-Folie, Heizung anstellen. • Im Gegensatz zu Erwachsenen ist das Herzzeitvolumen bei Säuglingen und Kleinkindern weitgehend von der Herzfrequenz abhängig. – Bradykardie: Herzfrequenz < 60 /min beim Neugeborenen → reanimationspflichtiger Zustand! Bradykardie ist meist Ausdruck einer schweren Hypoxie. – Ursache der kindlichen Bradykardie ist meist eine schwere respiratorische Störung → im Kindesalter primär Atemwegssicherung, Sauerstoffgabe und Beatmung! Praxistipp: ▶ Verringerten Medikamentenbedarf beachten: Medikamentendosis im Kindesalter = (Erwachsenendosis/70) × Gewicht des Kindes in kgKG. ▶ Tubusgrößen im Kindesalter und Einführtiefe des Tubus ab Zahnreihe s. S.388

Basismaßnahmen ▶ Siehe auch Tab. 7.1 und BLS-Algorithmus Abb. 7.14. ▶ Das folgende Vorgehen wird empfohlen, wenn mindestens 2 professionelle Helfer reanimieren. Ansonsten können Kinder auch nach dem Erwachsenenalgorithmus (s. Abb. 7.2) reanimiert werden. ▶ Bewusstsein überprüfen: • Schütteln oder kneifen. • Bei Bewusstlosigkeit um Hilfe rufen. ▶ Atemwege öffnen: • Bei älteren Kindern ( ≥ 1 Jahr) Kopf leicht überstrecken und Kinn anheben. • Bei Säuglingen ( < 1 Jahr) Kopf in Neutralstellung belassen und Kinn anheben. • Evtl. Unterkiefer nach vorn ziehen und Mund öffnen (insb. bei Trauma und Verdacht auf Halswirbelsäulenverletzung). • Ggf. Fremdkörper entfernen (S. 133). 128

Kind reaktionslos?

Hilfe rufen

Atemwege frei machen

keine normale Atmung?

5 Beatmungen

immer noch reaktionslos? (keine Kreislaufzeichen)

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.15 Kinderreanimation: Grundlagen und Basismaßnahmen

15 Herzdruckmassagen (etwa 100/min) 2 Beatmungen (über je ca. 1–1,5 s)

Abb. 7.14 • Basismaßnahmen der CPR im Kindealter (nach ERC 2005).

• erst 1 Minute Basisreanimation • dann professionelle Helfer rufen • (112 oder regionale Notfallnummer) • dann Basisreanimation fortsetzen

▶ Beachte: Erhöhte Vorsicht bei Verdacht auf HWS-Trauma! ■ ▶ Atmung überprüfen: • Schauen (Thoraxexkursionen?). • Fühlen (Atemstrom?). • Hören (Atemgeräusch?). ▶ Atmung vorhanden → Kind in Seitenlage bringen. ▶ Keine Atmung → Beatmen (wenn erfolglos, bis zu 5 × versuchen): • Kinder < 1 Jahr: 5 effektive Atemhübe Mund-zu-Mund-und-Nase. • Kinder ≥ 1 Jahr: 5 effektive Atemhübe Mund-zu-Mund. ▶ Auf Lebenszeichen achten und Puls prüfen (max. 10 s): • Kinder < 1 Jahr: – Brachialispuls tasten (Abb. 7.15). – Wenn Puls fehlend oder < 60 /min oder innerhalb von 10 s keine Lebenszeichen → HDM. • Kinder ≥ 1 Jahr: – Karotispuls tasten. – Wenn Puls fehlend oder (bei Kindern bis zu 8 Jahren) < 60 /min oder innerhalb von 10 s keine Lebenszeichen → HDM. ▶ Beachte: Bei Neugeborenen, Säuglingen und allen Kindern unter 8 Jahren gilt neben ■ der Asystolie (kein Puls) auch die Bradykardie < 60 /min als Indikation zur HDM! ▶ Herzdruckmassage • Womit? 129

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.15 Kinderreanimation: Grundlagen und Basismaßnahmen Tab. 7.1 • Basismaßnahmen der Reanimation (BLS). Vergleich der Techniken bei verschiedenen Altersklassen. Manöver

Erwachsener

Kind

Säugling

Neugeborenes

Atemwege frei machen

HTCL; bei Trauma: Hochziehen des Unterkiefers und Öffnen des Mundes

HTCL; bei Trauma: Hochziehen des Unterkiefers und Öffnen des Mundes

Anheben des Kinns, Neutralstellung des Kopfes

Anheben des Kinns, Neutralstellung des Kopfes

Beatmung – initial



5 Atemhübe über je 1–1,5 s

5 Atemhübe über je 1–1,5 s

2 Atemhübe über ca. 1 s

Beatmungsfrequenz

ca. 10 /min

ca. 12–20 /min

ca. 12–20 /min

ca. 40–60 /min

Puls-Check durch professionelle Helfer

A. carotis

A. carotis

A. brachialis

A. umbilicalis

HDM: Kompressionspunkt

Sternummitte

unteres Sternumdrittel

unteres Sternumdrittel

unteres Sternumdrittel

HDM: Kompressionsmethode

Handballen (mit beiden Händen übereinander)

Handballen (mit einer Hand)

2 Finger oder 2 Daumen

2 Finger oder 2 Daumen

HDM: Kompressionstiefe

ca. ⅓ Thoraxhöhe (4–5 cm)

ca. ⅓ Throaxhöhe

ca. ⅓ Thoraxhöhe

ca. ⅓ Thoraxhöhe

HDM: Kompressionsrate

ca. 100 /min

ca. 100 /min

ca. 100 /min

ca. 120 /min

HDM: Verhältnis von Kompression zu Beatmung

30:2

30:2 für professionelle Helfer 15:2

30:2 für professionelle Helfer 15:2

3:1

HDM = Herzdruckmassage HTCL = Kopf überstrecken, Kinn anheben (head tilt and chin lift)

Abb. 7.15 • Palpation des Brachialispulses beim Säugling.

– Kinder < 1 Jahr mit nur 1 professionellem Helfer oder durch Laienhelfer: 2-Finger-Methode → Kind auf dem Arm halten oder auf eine flache Unterlage legen und mit 2 Fingern die untere Sternumhälfte komprimieren. 130

• • •



7.16 Kinderreanimation: Erweiterte Maßnahmen Universeller ALS-Algorithmus im Kindesalter ▶ Die neuen Empfehlungen zur Reanimation im Kindesalter beinhalten einen universellen Algorithmus, der nur noch unterscheidet zwischen: • VF/VT. Im Kindesalter eher selten. • Asystolie/PEA. Häufiger Rhythmus bei Reanimation im Kindesalter. ▶ Das folgende Vorgehen wird empfohlen, wenn mindestens 2 professionelle Helfer reanimieren. Ansonsten können Kinder auch nach dem Erwachsenenalgorithmus (s. Abb. 7.4) reanimiert werden. ▶ Atemwegsmanagement: Grundsätzlich ist bei ALS im Kindesalter die große Bedeutung des Ventilationsversagens in dieser Altersgruppe zu beachten.

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.16 Kinderreanimation: Erweiterte Maßnahmen

– Kinder < 1 Jahr und mind. 2 professionelle Helfer: 2 Daumen-Methode → Kind mit beiden Händen umfassen, sodass die Daumen auf dem unteren Sternumdrittel zu liegen kommen. – Kinder ≥ 1 Jahr: Handballen. Wo? Unteres Sternum. Wie oft? Etwa 100 /min. Wie tief? Etwa 1/3 der Thoraxhöhe: – Kinder < 1 Jahr: Kompressionstiefe etwa 2 cm. – Kinder ≥ 1 Jahr: Kompressionstiefe etwa 3 cm Verhältnis HDM : Beatmung? 15:2 (professionelle Helfer).

Vorgehen bis zur EKG-Diagnose ▶ Siehe auch Abb. 7.16. Die Abfolge der Sequenzen geht immer davon aus, dass die vorhergehende Maßnahme nicht erfolgreich war. ▶ Zunächst Feststellen des Herz-Kreislauf-Stillstands: • Keine Patientenbewegung, kein Schlucken und Atmen. • Beidseits kein Puls tastbar: – Karotispuls bei älteren Kindern. – Brachialispuls bei kleineren Kindern (Innenseite des Oberarms). ▶ Basismaßnahmen der Kinderreanimation (BLS, s. S. 128) beginnen. ▶ Oxygenieren und Beatmen mit hoher inspiratorischer Sauerstoffkonzentration. ▶ Defibrillator/EKG-Monitor anbringen: • EKG-Ableitung gelingt am schnellsten über die Elektroden des Defibrillators (korrekte Einstellung der EKG-Ableitung am Defibrillator-Gerät beachten!). • Defibrillator-Kinderelektroden verwenden! – Eine Elektrode unterhalb der rechten Klavikula platzieren. – Die andere in der linken vorderen Axillarlinie. • Mittelfristig Ableitung über spezielle EKG-Elektroden bevorzugen (wieder auf korrekte Einstellung der EKG-Ableitung am Defibrillator-Gerät achten!). ▶ EKG-Diagnose (Rhythmuseinschätzung) und Pulscheck (nicht länger als 10 s). • Asystolie/PEA, weiteres Vorgehen s. u. • VF/VT (Kammerflimmern oder pulslose Kammertachykardie), weiteres Vorgehen s. u.

Asystolie/PEA (kein Kammerflimmern, keine ventrikuläre Tachykardie) ▶ Siehe auch Abb. 7.16. Die Abfolge der Sequenzen geht immer davon aus, dass die vorhergehende Maßnahme nicht erfolgreich war. ▶ Adrenalin geben: • Bei liegendem Venenzugang oder intraossärer Nadel: 10 μg/kgKG i. v. alle 3– 5 min. • Ansonsten 100 μg/kgKG endobronchial über den Tubus. 131

7.16 Kinderreanimation: Erweiterte Maßnahmen

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

reaktionsloses Kind

Basisreanimation beginnen Oxygenieren und Ventilieren Reanimationsteam rufen CPR 15 : 2 bis Defibrillator/ Monitor angeschlossen

Rhythmus?

defibrillierbar (VF/VT)

1 x Defibrillation mit 4 J/kg oder AED möglichst Kindermodus

während der CPR: – suche und therapiere behandelbare Ursachen* – überprüfe Elektrodenposition und -kontakte – Venenzugang, ggf. intraossäre Punktion – Atemwegszugang, O2 – nach Intubation ununterbrochene HDM

sofort CPR 15 : 2 für 2 min

nicht defibrillierbar (PEA1/Asystolie)

sofort CPR 15 : 2 für 2 min

Adrenalin 10 µg/kg i.v. alle 3–5 min

erwäge z.B.: Atropin, MgSO4, Amiodaron

*Ursachen eines Kreislaufstillstands: die 4 H’s und 4 T’s • Toxine/Tabletten • Hypoxie, Azidose • Tamponade des Herzbeutels • Hypovolämie (Blutung, Trauma) • Tamponade der Lunge: Pneumothorax • Hypo-/Hyperkaliämie metabolisch • Thromboembolie: Herzinfarkt, Lungenembolie • Hypothermie 1

PEA = pulslose elektrische Aktivität

Abb. 7.16 • Ablauf der erweiterten Reanimationsmaßnahmen bei Kindern (nach ERC 2005).

• Herzmassage/Beatmung im Verhältnis 15:2 für 2 min. ▶ Zyklus wiederholen (bis Erfolg, anderer Herzrhythmus oder Abbruch der Reanimation). ▶ Parallel zur CPR bei möglichst geringer Unterbrechung der HDM: • Atemwege sichern (Intubation). • Venenzugang schaffen. • Beatmung mit Sauerstoffzufuhr; möglichst 100 % O2. • Weitere Reanimationsmedikamente wie Natriumbikarbonat in Erwägung ziehen. 132

VT/VF (Kammerflimmern und Kammertachykardie) ▶ Siehe auch Abb. 7.16. Die Abfolge der Sequenzen geht immer davon aus, dass die vorhergehende Maßnahme nicht erfolgreich war. ▶ Defibrillation mit 4 J/kgKG (monophasisch oder biphasisch). ▶ CPR 15:2 über 2 min und parallel: • Atemwege sichern (Intubation), wenn noch nicht geschehen. • Venenzugang schaffen, wenn noch nicht geschehen. • Adrenalin 10 μg/kgKG i. v. alle 3–5 min. • Weitere Reanimationsmedikamente wie Natriumbikarbonat in Erwägung ziehen. • Außerdem immer wieder: Elektrodenposition (Defibrillatorelektroden und EKGElektroden) und Elektrodenkontakt zum Patienten kontrollieren. ▶ Zyklus wiederholen (bis Erfolg oder Asystolie/PEA und Abbruch der Reanimation).

Zugrunde liegende Ursachen

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.17 Kinderreanimation: Atemwegsmanagement

• Außerdem immer wieder: Elektrodenposition (Defibrillatorelektroden und EKGElektroden) und Elektrodenkontakt zum Patienten kontrollieren.

▶ Parallel zu den Non-VF/VT- bzw. VF/VT-Algorithmusschleifen an zugrunde liegende reversible Ursachen denken und möglichst beheben: • Hypoxie: Beatmung mit 100 % Sauerstoff. • Hypovolämie: Volumenersatz. • Hyperkaliämie: Adrenalin, Kalzium, Natriumbikarbonat, Dialyse (in der Klinik). • Hypokaliämie: Kaliumsubstitution. • Hypomagnesiämie: Magnesiumsubstitution. • Hypothermie: Wiedererwärmung. • Azidose: Pufferung mit Bikarbonat. • Spannungspneumothorax: Entlastung durch Thoraxdrainage. • Herzbeuteltamponade: Entlastung durch Perikardpunktion. • Intoxikation: Antidote. • Lungenembolie: Lyse, Thrombektomie (in der Klinik).

7.17 Kinderreanimation: Atemwegsmanagement Basismaßnahmen ▶ Überprüfung der Atmung: • Inspektion von Thorax und Abdomen (Thorax- oder Bauchbewegungen?). • Hören an Mund und Nase auf Atemgeräusche. • Fühlen der Ausatemluft an Mund und Nase mit der eigenen Wange. ▶ Öffnen der Atemwege: • Siehe auch Tab. 7.1. ▶ Beachte: Atemwegsprobleme stehen im Kindesalter im Vordergrund! ■ • Kinn anheben: Freimachen der Atemwege durch Anheben des Kinns. • Hochziehen des Unterkiefers und Öffnen des Mundes (ähnlich wie beim EsmarchHandgriff): Gelegentlich effektivere Alternative. Das Überstrecken des Kopfes kann dabei minimiert oder ganz vermieden werden. Daher vor allem bei HWSTrauma indiziert. ▶ Beachte: Bei Säuglingen kann sowohl die Beugung als auch das Überstrecken des ■ Kopfes zu einer Einengung der Atemwege führen, daher hier den Kopf in Neutralposition („gerade“) lagern. Bei älteren Kindern soll der Kopf – wie beim Erwachsenen – vorsichtig überstreckt werden.

Maßnahmen bei Atemwegsverlegung durch Fremdkörper ▶ Siehe auch Abb. 7.17 und Abb. 7.18 sowie S. 47. 133

7

7.17 Kinderreanimation: Atemwegsmanagement

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

Abb. 7.17 • Schläge auf den Rücken zur Fremdkörperexpulsion.

Abb. 7.18 • Heimlich-Manöver zur Fremdkörperexpulsion bei Kindern.

▶ Kind ist wach, bei Bewusstsein, atmet spontan und hustet kräftig: Beim kräftigen Husten unterstützen. Digitales Ausräumen des Mundes nur unter Sicht! Blindes Ausräumen kann zum tieferen Vorschieben des Fremdkörpers führen und ist zu unterlassen. ▶ Kind ist wach, Hustenstöße sind ineffektiv: • Schläge auf den Rücken (s. Abb. 7.17) führen zu schlagartigen intrathorakalen Druckerhöhungen und imitieren einen Hustenstoß: – Kind in Bauchlage bringen oder halten, sodass der Kopf etwas niedriger liegt als der Thorax. – Mit flacher Hand kräftige Schläge zwischen die Schulterblätter verabreichen. • Kompressionen des Oberbauchs (Heimlich-Manöver, Abb. 7.18): Imitation eines Hustenstoßes durch schlagartige intrathorakale Druckerhöhung.

▶ Beachte: ■

134

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.18 Kinderreanimation: Beatmung

– In aufrechter Position schlagartige Oberbauchkompression in der epigastrischen Region mit der Faust. – Nur bei Kindern ≥ 1 Jahr durchführen! • Thoraxkompressionen: Führen ebenfalls durch schlagartige intrathorakale Druckerhöhung zur Imitation eines Hustenstoßes. – Durchführung wie Herzdruckmassage bei Kindern. – Bei Kindern < 1 Jahr anstelle von Oberbauchkompressionen. ▶ Ablauf der Maßnahmen: • Bei Kindern < 1 Jahr abwechselnd 5 Rückenschläge und 5 Thoraxkompressionen; dann Überprüfen der Atemwege. Ggf. erneute Sequenz. • Bei Kindern ≥ 1 Jahr abwechselnd 5 Rückenschläge und 5 Oberbauchkompressionen; dann Überprüfen der Atemwege. Ggf. erneute Sequenz. ▶ Beachte: Bei Kindern < 1 Jahr sollen wegen der erhöhten Gefahr der Ruptur von ■ Oberbauchorganen keine Oberbauchkompressionen durchgeführt werden. ▶ Kind ist bewusstlos, Hustenstöße sind ineffektiv: • Atemwege öffnen. • 5 Versuche effektiv zu beatmen. • Basis-CPR. Die dabei aufgewendeten Herzdruckmassagen sollen neben der Aufrechterhaltung eines Kreislaufs den Fremdkörper herausschleudern.

7.18 Kinderreanimation: Beatmung Basismaßnahmen ▶ Siehe auch Tab. 7.1 und Abb. 7.14. ▶ Bei Kindern < 1 Jahr Mund-zu-Mund-und-Nase-Beatmung (Abb. 7.7, S.109): Mit dem eigenen Mund sowohl Mund als auch Nase des Kindes umschließen. ▶ Bei Kindern ≥ 1 Jahr Mund-zu-Mund-Beatmung (Abb. 7.5, S.108): Mit dem eigenen Mund den Mund des Kindes umschließen. ▶ Atemhubvolumen: So viel Volumen insufflieren, bis sich der Thorax des Kindes deutlich hebt. ▶ Dauer einer Inspiration: 1–1,5 s. ▶ Beatmungsfrequenz: 12–20 /min. ▶ Verhältnis HDM zu Beatmung: 15:2, wenn mindestens 2 professionelle Helfer zur Verfügung stehen; ansonsten wie beim Erwachsenen 30:2.

Erweiterte Maßnahmen ▶ Ggf. Einlegen eines Guedel-Tubus (Wendl-Tubus im Kindesalter unüblich). Orotracheale Intubation mit passendem Tubus: ▶ Tubusinnendurchmesser (ID mm) = 4 + (Alter Jahre/4). ▶ Tubuseinführtiefe ab Zahnreihe (cm): 12 + Alter/2 (für Kinder > 1 Jahr). • Basismaßnahmen zur Intubation nicht länger als 30 s unterbrechen. • Beatmung möglichst mit 100 % Sauerstoff. ▶ Handbeatmung mittels Ruben-Beutel: • Siehe auch S. 78f. • Beatmungshub: So hoch, dass sich der Thorax des Patienten deutlich hebt; entspricht bei Kindern etwa 10 ml/kgKG. • Beatmungsfrequenz: 12-20 /min. • Sauerstoff: In hohem Flow (8–12 l/min) zuführen. • Verhältnis von Herzmassage zur Beatmung: 15:2; bei Beatmung über Endotrachealtubus ist zur Beatmung keine Unterbrechung der HDM erforderlich. 135

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.19 Kinderreanimation: Herzdruckmassage

▶ Beatmung mit Beatmungsgerät: Empfohlene Grundeinstellung für Kinderreanimation: • Siehe auch S. 83. • Atemmodus: CMV. • Atemfrequenz: 12–20 /min. • V T 6-8 ml/kgKG. • FiO2 100 %. • I/E 1:2 oder 1:1,5. • Pmax 60 mbar. • PEEP 0 mbar.

7.19 Kinderreanimation: Herzdruckmassage Vorgehen ▶ Siehe auch Tab. 7.1 und Abb. 7.14, S. 129. ▶ Lage des Herzens bei Kindern: Unter dem unteren Drittel des Sternums. ▶ Technik der HDM bei Kindern < 1 Jahr: • 2-Finger-Methode, Variante 1 (Abb. 7.19a): Empfohlen für Laienhelfer und einzelne professionelle Helfer. – Säugling auf einer harten Unterfläche lagern. – Kompression mit 2 Fingern über dem Sternum etwa 1 fingerbreit unterhalb der Mamillenebene. • 2-Finger-Methode, Variante 2 (Abb. 7.19b): Alternativ empfohlen für Laienhelfer und einzelne professionelle Helfer. – Kind waagerecht auf den Arm nehmen. – Kopf in der Handfläche des tragenden Armes. – Kompression mit 2 Fingern der anderen Hand über dem Sternum etwa 1 Fingerbreit unterhalb der Mamillenebene. • 2-Daumen-Methode (Abb. 7.19c): Empfohlen für professionelle Helfer. – Mit beiden Händen den Thorax des Säuglings umfassen. – Beide Daumen auf Mitte des Sternums etwa 1 Fingerbreit unterhalb der Mamillenebene legen. – Durch diese 2-Daumen-Methode lässt sich eine effektivere Massage als mit der 2-Finger-Methode erzielen. ▶ Technik der HDM bei Kindern ≥ 1 Jahr (Abb. 7.19d): Sternum mit Handballen 2 Fingerbreit über dem Xiphoid komprimieren. ▶ Kompressionstiefe: Etwa ⅓ der Thoraxhöhe (des Thoraxdurchmessers). ▶ Kompressionsfrequenz: 100 /min. ▶ Verhältnis HDM zu Beatmung: 15:2, wenn mindestens 2 professionelle Helfer zur Verfügung stehen; ansonsten wie beim Erwachsenen 30:2.

7.20 Kinderreanimation: Medikamentöse Therapie Adrenalin (Epinephrin) ▶ Siehe auch S. 117 und 174. ▶ Einziges etabliertes Medikament bei CPR. ▶ Indikation: • CPR, unabhängig von der auslösenden Ursache. • Herzfrequenz < 60 /min beim Säugling und Kleinkind, die sich unter Sauerstofftherapie nicht bessert. ▶ Dosierung: • 1. Dosis 0,01 mg/kgKG i. v./i. o. • Alle weiteren ebenfalls 0,01 mg/kgKG i. v./i. o. alle 3 min. 136

a

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.20 Kinderreanimation: Medikamentöse Therapie

b

c

d Abb. 7.19 • Technik der Herzdruckmassage bei Kindern: Aufsuchen des Druckpunktes bei Kindern < 1 Jahr und Kompression: 2-Finger-Methode/Variante 1 (a); 2-Finger-Methode/Variante 2 (b); 2-Daumen-Methode (c). Technik der Herzdruckmassage bei Kindern > 1 Jahr (d).

137

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.21 Reanimation des Neugeborenen

• Fakultative Dosissteigerung auf 0,1 mg/kgKG i. v./i. o. (alle 3 min). • Dosis zur endobronchialen Verabreichung: 0,1 mg/kgKG.

Atropin ▶ Siehe auch S. 118 und 178. ▶ Indikationen: • Bradykardie bzw. Herzfrequenz < 60 /min beim Säugling und Kleinkind, die sich unter Sauerstofftherapie nicht bessert. • Asystolie: Keine anerkannte Indikation. ▶ Dosierung: • 0,02 mg/kgKG i. v./i. o. • Mindestdosis: 0,1 mg i. v./i. o. • Höchstdosis: 1 mg (bei Jugendlichen 2 mg) bzw. 0,04 mg/kgKG.

Kalzium ▶ Siehe auch S. 121 und 191. ▶ Kalziumchlorid 10 %: 1 Amp. = 10 ml = 4,5 mval = 1 000 mg. ▶ Indikationen: • Nachgewiesene Hypokalzämie, Hypermagnesiämie und Hyperkaliämie. • Keine ERC-Empfehlung zur Kalziumgabe unter CPR. • Kann erwogen werden bei PEA. ▶ Dosierung: Kalziumchlorid 20 mg/kgKG i. v./i. o. (0,2 ml/kgKG).

Natriumbikarbonat (NaHCO3) ▶ Siehe auch S. 120 und 186. ▶ Indikationen: • Nachgewiesene Hyperkaliämie, schwere, nachgewiesene Azidose (pH < 7,2). • Keine gesicherte Indikation bei CPR. ▶ Dosierung: NaHCO3 1 mmol/kgKG i. v./i. o. alle 10 min (Verdünnung auf NaHCO3 4,2 % = 0,5 mmol/ml empfohlen).

Volumentherapie ▶ Siehe auch S. 170ff. ▶ Indikationen: • Nachgewiesener oder vermuteter Volumenmangel. • EMD nach Trauma. ▶ Dosierung: 20 ml/kgKG kristalloide oder kolloidale Lösung ggf. repetitiv i. v.

Glukose ▶ Siehe auch S. 166. ▶ Indikationen: Nur bei nachgewiesener Hypoglykämie! Keine routinemäßige Gabe unter oder nach CPR (Verschlechterung der Prognose!). ▶ Dosierung: 0,5 g/kgKG i. v. = Glukose 50 % 1 ml/kgKG.

7.21 Reanimation des Neugeborenen Häufigkeit und Besonderheiten ▶ Etwa 6 % aller Neugeborenen. ▶ Deutlich höherer Prozentsatz bei Frühgeborenen. ▶ Physiologische und therapeutische Richtwerte bei Früh- und Neugeborenen beachten (hintere Umschlaginnenseite)! ▶ Empfindliche Temperaturregulation beachten – Auskühlung verhindern! • Heizung im NAW hochdrehen. • Warme Decke oder Wärmeschutz- bzw. Alu-Folie verwenden. 138

Reanimationsablauf ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Siehe auch Abb. 7.20 sowie Neugeborenenversorgung S. 367. Initiale Einschätzung. Initiale Stabilisierung. Beatmung. Herzmassage. Medikamente und Flüssigkeit.

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.21 Reanimation des Neugeborenen

▶ Frequenzabhängigkeit des Herzzeitvolumens beim Neugeborenen beachten: Bradykardie = Puls < 60 /min beim Neugeborenen → beatmungs- bzw. reanimationspflichtiger Zustand (sog. „Frequenzinotropie“)! ▶ Maskengrößen: • Neugeborene: 0–1. • Frühgeborene: 00. ▶ Tubusgrößen: • Neugeborene: 3,0–3,5 mm ID oder 14–16 Ch AD. • Frühgeborene: 2,5 mm ID oder 12 Ch AD. ▶ Einführtiefe des Tubus ab Zahnleiste: • Neugeborene: Ca. 8 cm. • Frühgeborene: Ca. 6 cm.

Einschätzung des Neugeborenen ▶ Entscheidende Einschätzparameter (Abb. 7.20): • Aussehen (Hautfarbe). • Atmung. • Puls. ▶ Aussehen (Hautfarbe): Stamm und Extremitäten inspizieren. • Hautfarbe normalerweise zumindest am Stamm rosig; periphere Zyanose (Akrozyanose) ist zunächst normal. • Blass-zyanotisches Aussehen und zentrale Zyanose (Zunge) deuten auf schwere Hypoxie hin (sog. „weiße Asphyxie“ resp. „blaue Asphyxie“). ▶ Atmung: Thoraxbewegungen beobachten. • Ausreichend → Normalerweise gut sichtbare Hebungen des Thorax ca. 30– 50 × pro min. • Unzureichend → Langsame, unregelmäßige oder gar nicht wahrnehmbare Thoraxbewegungen. ▶ Herz- bzw. Pulsfrequenz: Puls an der Basis der Nabelschnur tasten. • Normale Herzfrequenz des Neugeborenen: 130–140 /min. • Herzfrequenz < 100 /min → Beatmung. • Herzfrequenz < 60 /min → HDM + Beatmung. ▶ Beachte: Die Bradykardie des Neugeborenen ist meistens Ausdruck einer Hypo■ xie! ▶ Apgar-Score (Tab. 368, S. 368): Mit Reanimationsmaßnahmen darf nicht bis zur Erhebung des Apgar-Scores gewartet werden. Dieser dient nur der Dokumentation des Zustands 1, 5 und 10 min nach der Geburt (s. S. 368).

Initiale Stabilisierungsmaßnahmen ▶ Lagerung auf dem Rücken: • Kopf nicht beugen und nicht wesentlich überstrecken. • 2–3 cm dickes Tuch unter die Schultern legen. • Kind abtrocknen, Wärmeverlust minimieren. ▶ Absaugen: • Material: – Dünner Absaugschlauch (8 oder 10 Ch). – Spritze oder Unterdruckquelle mit max. 100 mmHg Sog. 139

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.21 Reanimation des Neugeborenen

Geburt

• am Termin geboren? • klares Frauchtwasser? • Atmen oder Schreien? • guter Muskeltonus?

ja

nein • Wärmen, Trocknen • Lagerung des Kopfes optimieren • ggf. Atemwege freimachen • Intubation zu verschiedenen Zeitpunkten erwägen • Trocknen, Stimulieren, Lagerung verbessern

Neuevaluation von • Atmung • Herzfrequenz • Hautfarbe • bei persistierender Zyanose Sauerstoffgabe erwägen • Muskeltonus

Apnoe oder Herzfrequenz < 100

Beatmen • Intubation zu verschiedenen Zeitpunkten erwägen • bei persistierender Zyanose Sauerstoffgabe erwägen

Herzfrequenz < 60

effektive Beatmung sicherstellen • Intubation zu verschiedenen Zeitpunkten erwägen • bei persistierender Zyanose Sauerstoffgabe erwägen • zusätzlich Herzdruckmassage

Herzfrequenz < 60

Reanimationsmedikamente: Adrenalin etc.

Abb. 7.20 • Neugeborenenreanimation (nach ERC 2005).

140

Routineversorgung • Wärmen, Trocknen • ggf. Atemwege freimachen • Hautfarbe einschätzen • bei persistierender Zyanose • Sauerstoffgabe erwägen

Beatmung ▶ Indikation: • Apnoe. • Schnappatmung. • Unzureichende, unregelmäßige Atmung. • Herzfrequenz < 100 /min. • Zentrale Zyanose trotz Sauerstoffgabe über Maske. ▶ Maskenbeatmung: Meistens ausreichend. ▶ Intubation des Neugeborenen: • Indikation: – Ineffektive Maskenbeatmung. – Endotracheale Absaugung erforderlich (besonders bei Mekoniumaspiration; hier möglichst keine vorherige Maskenbeatmung!). – Längerfristige Beatmung vorhersehbar (z. B. unreife Frühgeborene).

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.21 Reanimation des Neugeborenen

• Vorgehen (Reihenfolge des Absaugens): – Zuerst Mund und Rachen (Vorsichtig! Bradykardiegefahr!). – Dann Nase. ▶ Taktile Stimulation der Atmung: • Oft reichen Abtrocknen mit Handtuch und Absaugen als Stimulation aus. • Weitere Maßnahmen: Reiben der Fußsohlen und des Rückens. ▶ Sauerstoffgabe: • Möglichst 100 % O2 (ERC-Empfehlung, s. unter Beatmung). • Zunächst über Maske: – Sauerstoffquelle an Ruben-Beutel (möglichst Kindergröße) anschließen. – Sauerstoffflow 1–6 l/min. – Passende Maske (Größe 00, 0 oder 1) auf Beatmungsventil aufstecken. – Maske dicht vor Mund und Nase halten. – Bei Beatmungsindikation (s. u.) kann so direkt mit der Beatmung begonnen werden.

Einführungstiefe ab Lippengrenze Faustregel für Tubuslage ab Lippengrenze („tip to lip“): Einführungstiefe (cm) = 6 + Gewicht des Kindes in kg. • Kontrolle der Tubuslage: – Symmetrisches Heben des Thorax. – Auskultatorisch seitengleiches Atemgeräusch über dem Thorax unterhalb der Axilla. – Exspiratorisches Beschlagen der Tubusinnenwand (bei durchsichtigen Tuben). – Keine Aufblähung des Abdomens (Magens) unter Beatmung. – Besserung der Hautfarbe, Anstieg der Herzfrequenz. ▶ Beachte: Im Zweifelsfall Tubus entfernen, Maskenbeatmung! ■ ▶ Sauerstoffkonzentration: • Initial möglichst 100 % O2 (aktuelle ERC-Empfehlung). • Die optimale Sauerstoffkonzentration für die Neugeorenenreanimation ist jedoch unklar. Die Empfehlungen reichen von 21 % bis 100 % (Cave: Schädigung durch Sauerstoffradikale). Pragmatisch kann z. B. auch eine Konzentration von 50 % gewählt werden. • Mittel- und längerfristig (nach Erreichen eines suffizienten Spontankreislaufs) FiO2 pulsoxymetrisch steuern → FiO2 gerade so hoch, dass eine SaO2 zwischen 85 % und 95 % erreicht wird. ▶ Beatmungsfrequenz: 40–60 /min.

141

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

7.21 Reanimation des Neugeborenen

▶ Beatmungshub: • Manuelle Beatmung: Beatmungsbeutel (möglichst Kindergröße) mit Daumen und Zeigefinger oder Daumen und Zeige- plus Mittelfinger komprimieren bis sich der Thorax des Kindes deutlich hebt. Wenn vorhanden Überdruckventil am Beatmungsventil auf 20 mbar stellen! • Maschinelle Beatmung: – Hubvolumen: 20–30 ml (6–8 ml/kgKG). – Bei druckbegrenzter Beatmung (für Neugeborene bevorzugt) oberer Atemwegsdruck 20–25 mbar. ▶ Initiale Beatmungshübe (ca. 6 x) erfordern zur Öffnung der Lunge oft Drücke von 30–35 mbar. Cave: Magenüberdehnung! • Im Bedarfsfall Magen mit oral eingeführtem 8 F/Ch Katheter entlasten. ▶ Neueinschätzung: Nach 15–30 s. • Herzfrequenz ≥ 100 /min: – Ausreichende Spontanatmung → Sauerstoffgabe, genaue Beobachtung. – Keine ausreichende Spontanatmung → Beatmung fortführen. • Herzfrequenz < 100 /min → Beatmung fortsetzen. • Herzfrequenz < 60 /min → Beginn Herzdruckmassage, Beatmung fortführen, Intubation erwägen.

Herzdruckmassage ▶ Indikationen: • Asystolie. • Bradykardie < 60 /min ohne Besserungstendenz nach 30 s Beatmung. ▶ Durchführung (Abb. 7.19): • 2-Daumen-Methode, empfohlen für professionelle Helfer (mind. 2): – Mit beiden Händen den Thorax des Neugeborenen umfassen. – Beide Daumen auf Mitte des Sternums gerade unterhalb der Mamillenebene platzieren. • 2-Finger-Methode, empfohlen für Laienhelfer und einzelne professionelle Helfer: – Eine Hand unter dem Rücken des Kindes. – Ring- und Mittelfinger der anderen Hand auf Mitte des Sternums unmittelbar unterhalb der Mamillenebene. ▶ Kompressionsfrequenz: 120 /min. ▶ Kompressionstiefe: ⅓ der Thoraxhöhe. ▶ Verhältnis HDM zu Beatmung: 3:1. ▶ Beachte: HDM für Beatmungshub kurz unterbrechen (auch beim intubierten Kind)! ■

Medikamente ▶ Grundsätzlich: • Medikamente sind im Rahmen einer Neugeborenenreanimation selten erforderlich. • Die Bradykardie des Neugeborenen ist zumeist Folge einer unzureichenden Lungenbelüftung und Hypoxie und ist insofern primär respiratorisch zu therapieren. ▶ Zugangswege: • Venen: – V. umbilicalis (4,5–5 F Umbilikalkatheter; im Notfall mit 0,6 oder 0,9 mm Verweilkanüle). – Alternativ Handrückenvene oder Vene im Fußbereich (0,6 oder 0,9 mm Verweilkanüle). • Tracheobronchial: Wird vom ERC nicht empfohlen; kann aber erwogen werden, wenn ein Venenzugang nicht möglich ist. Medikamente dann über den Tubus verabreichen (v. a. Adrenalin in 1–2 ml NaCl 0,9 %). ▶ Beachte: Niemals NaHCO3 über den Tubus geben! ■ 142

7 Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7.22 Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der CPR

• Intraossär: Ein intraossärer Zugang wird im Rahmen der Neugeborenenreanimation normalerweise nicht empfohlen. Er kann jedoch erwogen werden, wenn weder i. v. noch umbilikal ein Zugang gefunden werden kann. Er kann dann wie ein i. v. Zugang genutzt werden. ▶ Adrenalin: • Indikation: Asystolie und kreislaufwirksame Bradykardie (Herzfrequenz < 60 / min oder < 100 /min mit fallender Tendenz trotz Beatmung, Sauerstoffgabe und HDM). • Dosierung: 10–30 μg/kgKG i. v. oder in den Tubus (nach 3–5 vergeblichen Verabreichungen Dosiserhöhung auf 100 μg/kgKG erwägen). ▶ Naloxon: • Indikation: – Zentrale Atemdepression des Neugeborenen durch Opioideinnahme der Mutter vor der Geburt. – Bei allen Neugeborenen erwägen, die unter Beatmung rosig und kreislaufstabil werden, aber nicht atmen. • Dosierung: 100 μg/kgKG i. v. oder i. m., ggf. wiederholen. ▶ Beachte: Keine Naloxongabe bei Kindern opioidabhängiger Mütter! Gefahr eines ■ schweren kindlichen Entzugssyndroms! ▶ Flüssigkeitszufuhr: • Indikation: Verdacht auf Blutverlust oder Volumenmangel. • Dosierung: 30–60 ml (10–20 ml/kgKG) Vollelektrolytlösung oder kolloidale Lösung wie z. B. HAES 6 % über 5 min. ▶ Natriumbikarbonat: • Indikation: Ungesichert, kann erwogen werden, wenn Adrenalin allein keine ausreichende Wirkung zeigt. • Konzentration: Natriumbikarbonat 4,2 % verwenden (8,4 %ige Lösung 1:1 mit G 5 % oder sterilem Wasser verdünnen). ▶ Cave: Gefahr einer intrazerebralen Blutung (hyperosmolare Lösung)! ■ • Dosierung: 1–2 mmol/kgKG ( = 2–4 ml/kgKG einer 4,2 %igen Lösung) über 2– 3 min (ggf. wiederholen, jedoch am besten unter Säure-Basen-Monitoring in der Klinik; keinen vollen Azidoseausgleich anstreben, keine Überpufferung!) ▶ Andere Medikamente wie Atropin, Kalzium und Kortikosteroide werden nicht empfohlen.

7.22 Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der

CPR

Indikationen ▶ Atemstillstand (keine Atembewegungen erkennbar). ▶ Kreislaufstillstand (keine Lebenszeichen bzw. kein Karotispuls tastbar).

Basismaßnahmen So früh wie möglich um Hilfe rufen. Atemwege freimachen. CPR beginnen bei Reaktionslosigkeit und Atemstillstand. Herzdruckmassage (HDM): • Erwachsene und Kinder > 1 Monat: 100 /min. • Neugeborene: 120 /min. • HDM möglichst selten, und wenn, dann möglichst kurz unterbrechen! ▶ Beatmung: • Erwachsene und Kinder ≥ 1 Jahr: Mund-zu-Mund. • Kinder < 1 Jahr: Mund-zu-Mund-und-Nase.

▶ ▶ ▶ ▶

143

Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

7

144

7.22 Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der CPR

▶ Beatmungsfrequenz: • Erwachsene: 10 /min. • Kinder ≥ 1 Monat: 12–20 /min. • Neugeborene: 40–60 /min. ▶ Druckpunkt für die Herzdruckmassage: Mitte der unteren Sternumhälfte. ▶ Kompressionstiefe: Etwa ⅓ der Thoraxhöhe. ▶ Verhältnis Herzdruckmassage zu Beatmung: • Erwachsene: 30:2. • Kinder: 15:2 wenn mindestens 2 professionelle Helfer zur Verfügung stehen; ansonsten wie beim Erwachsenen 30:2. • Neugeborene: 3:1. ▶ Automatischen Defibrillator (AED) verwenden, wenn verfügbar.

Erweiterte Maßnahmen ▶ EKG-Diagnose des Herz-Kreislauf-Stillstandes: • Kammerflimmern oder pulslose Kammertachykardie (VF/VT). • Asystolie/PEA (pulslose elektrische Aktivität). ▶ Bei VF/VT Defibrillation. • Vorher bei länger als 5 min zurückliegendem Kreislaufstillstand 2 min CPR (HDM/Beatmung). • Energie: ca. 200 J bei biphasischen bzw. 360 J bei monophasischen (älteren) Defibrillatoren; bei Kindern 4 J/kgKG. ▶ Freimachen der Atemwege: Bei Kindern 1. Priorität. ▶ Intubation und Beatmung, möglichst mit 100 % Sauerstoff (evtl. Ausnahme: Neugeborene). ▶ Beatmungsfrequenz: • Erwachsene: 10 /min. • Kinder > 1 Monat: 12–20 /min. • Neugeborene: 40–60 /min. ▶ Bei jeder Form des Kreislaufstillstands: Adrenalin alle 3–5 min. Einzeldosen: • Erwachsene: 1 mg i. v. • Kinder: 0,01 mg/kgKG = 10 μg/kgKG i. v. ▶ Bei defibrillationsresistentem Kammerflimmern (Erwachsenenreanimation): Amiodaron 300 mg i. v.

8

Sonstige Notfalltechniken

8.1 Defibrillation Prinzip ▶ Applikation eines Gleichstroms über die Thoraxwand für etwa 4–12 ms. Wechselstrom ist weniger effektiv und mit stärkeren Nebenwirkungen behaftet. Die Elektroden werden so platziert, dass ein möglichst großer Strom durch das Herz fließt (s. Abb. 8.2). • Dadurch gleichzeitige Depolarisation aller Herzmuskelzellen. • So können Flimmern oder (Re-entry-)Tachykardien unterbrochen und ein effektiver Rhythmus wiederhergestellt werden. ▶ Defibrillation: Asynchrone Elektrokardioversion, d. h. der Stromstoß wird unabhängig von R-Zacken abgegeben. ▶ Faktoren, die durch transthorakale Impedanzerhöhung die tatsächlich vom Defibrillator abgegebene Energie vermindern: • Geringer Elektrodendurchmesser → Hinreichend große Elektroden wählen. • Hoher Hautwiderstand → Elektrodengel benutzen. • Schlechter Hautkontakt → Ausreichender Anpressdruck. • Großes intrathorakales Volumen (Inspiration) → Kardioversion in der Exspirationsphase durchführen. ▶ Monophasische und biphasische Defibrillatoren: • Monophasische Defibrillatoren: Stromfluss verläuft als gedämpfte Sinusschwingung oder als trapezoidale Kurve in einer Richtung durch das Herz. • Biphasische Defibrillatoren: Der Strom wechselt nach einer gewissen Zeit die Flussrichtung; auch hier sind sinusoidale und trapezoidale Kurvenverlaufsformen möglich. – Geringere Energie für den gleichen elektrotherapeutischen Effekt erforderlich. – Geringere Herzmuskelzellschädigung. – Die meisten neueren Defibrillatoren arbeiten biphasisch. ▶ Beachte: Die traditionellen Energieangaben gelten für monophasische Defibrillato■ ren; bei biphasischer Defibrillation ist eine Energiereduktion um ca. 20–40 % möglich. ▶ Geräte: Mit präklinisch üblichen externen Defibrillatoren kann sowohl defibrilliert als auch kardiovertiert werden. Entscheidend ist: • Defibrillation: Asynchronen Modus wählen. • Kardioversion: Synchronen Modus wählen. ▶ Beachte: ■ • Eine asynchrone Defibrillation kann bei fehlerhafter Indikation durch Depolarisation des Herzens in der Phase der relativen Refraktärzeit Kammerflimmern auslösen (Wahrscheinlichkeit 3–5 %). • Synchrone Kardioversion ist bei Kammerflimmern ineffektiv: Es werden keine RZacken erkannt; der Defibrillator gibt keine Energie ab.

8 Sonstige Notfalltechniken

8.1 Defibrillation

Indikationen ▶ CPR: • Kammerflimmern (VF). • Pulslose Kammertachykardie (VT): Obwohl hier grundsätzlich abgrenzbare R-Zacken vorhanden sind, sollte dennoch defibrilliert und nicht synchron kardiovertiert werden, um mögliche Verzögerungen aufgrund von Problemen mit der RZacken-Erkennung und Sychronisation zu vermeiden. ▶ Beachte: VF/VT können zuverlässig nur durch Defibrillation therapiert werden! ■ Non-VF/VT wie Asystolie und elektromechanische Dissoziation (EMD) sind keine In145

8.1 Defibrillation

Sonstige Notfalltechniken

8

Abb. 8.1 • EKG-Gerät mit integriertem Defibrillator und Herzschrittmacher.

dikationen. Bestehen jedoch Zweifel über den dem Kreislaufstillstand zugrunde liegenden Rhythmus, so soll defibrilliert werden.

Material ▶ Defibrillator (Abb. 8.1) mit integriertem EKG-Monitor und 2 Defibrillatorelektroden (Paddles). • Optimaler Elektrodendurchmesser bei Erwachsenen 12–13 cm, bei Kindern 5– 7 cm. • Kinderelektroden können z. B. auf Erwachsenenelektroden aufgesteckt werden. ▶ Elektrodengel oder spezielle Gel-Platten zur Verringerung der Hautimpedanz.

Vorgehen ▶ Defibrillatorelektroden mit Gel bestreichen. ▶ Modus: Modus asynchron wählen. ▶ Beachte: Wenn der synchrone Modus eingeschaltet ist, ist eine Defibrillation bei ■ Kammerflimmern nicht möglich! ▶ Platzierung der Elektroden (s. Abb. 8.2): Elektroden auf dem Thorax entlang der Herzachse aufsetzen und fest andrücken. Die Polarität der Elektroden ist ohne Bedeutung: • 1 Elektrode unter der äußeren Hälfte der rechten Klavikula (2. ICR). • 1 Elektrode über der Herzspitze (linke Axillarlinie, unterhalb der Mamille im 5. ICR). ▶ EKG-Ableitung: Wenn nicht bereits geschehen, jetzt das EKG über die Defibrillatorelektroden oder über das Kabel des integrierten Monitors ableiten (S. 32). Bei Kammerflimmern, PVT oder unklarem Rhythmus → Defibrillation durchführen. ▶ Gewünschte Energie vorwählen: • Erwachsene: – 360 J für alle monophasischen Defibrillationen. – ca. 200 J für die erste biphasische Defibrillation, 200–360 J für die folgenden Defibrillationen. • Kinder (Energie bei Bedarf aufrunden): 146

8 Sonstige Notfalltechniken

8.1 Defibrillation

Abb. 8.2 • Platzierung der Elektroden bei der Defibrillation und Kardioversion.

▶ ▶ ▶

▶ ▶ ▶

– 4 J/kgKG für alle monophasischen oder biphasischen Defibrillationen. – Bis zu 9 J/kgKG sind ohne wesentliche Nebenwirkungen schon in der Anwendung beschrieben worden. Defibrillator aufladen: Durch entsprechenden Knopfdruck am Gerät oder an den Elektroden. Alle Helfer müssen den Patienten und das Bett auf Kommando loslassen („Hände weg!“). Defibrillation auslösen: Durch entsprechenden Knopfdruck an den Elektroden am besten in der Exspirationsphase des Patienten (niedrigste Thoraximpedanz). Es kommt zur sichtbaren Kontraktion der Brust- und Armmuskulatur. CPR ohne Rhythmuskontrolle für 2 min fortsetzen. Rhythmus kontrollieren: Bei Persistenz des Ausgangsrhythmus erneut defibrillieren. Nicht mehrere Defibrillationen unmittelbar nacheinander abgeben. Die alte Empfehlung von 3 aufeinanderfolgenden Defibrillationen zur Senkung der Thoraximpedanz ist verlassen worden, da die „No-Flow-Phase“ während der 3-mal hintereinander gesetzten Defibrillationen zu lange ist. Daher sollte nach jedem Schock eine 2minütige CPR-Phase eingehalten werden, um das Myokard wieder mit Sauerstoff zu versorgen. Aktuelle Empfehlung: 1 Defibrillation → 2 min CPR → 1 Defibrillation → 2 min CPR usw.

Gefahren ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Myokardiale Zellschädigung. Auslösung von Herzrhythmusstörungen (bei fehlerhafter Indikation). Schmerzhafte Muskelkontraktionen (wenn der Patient bei Bewusstsein ist). Hautverbrennungen an den Auflageflächen der Elektroden. Gefährdung der Helfer durch Stromschläge besonders im Regen und bei Nässe. 147

Sonstige Notfalltechniken

8

8.1 Defibrillation

Sonderfälle ▶ Patient mit Herzschrittmacher: • Defibrillatorelektroden 10–15 cm vom Schrittmachermodul entfernt platzieren. • Nach Defibrillation Schrittmacherfunktion überprüfen. ▶ Patient mit ICD (S. 295): • Defibrillatorelektroden 10–30 cm vom ICD-Implantat entfernt aufsetzen. • Jetzt mit maximaler Energie (360–400 J) defibrillieren. ▶ Patient mit Nitropflaster: Pflaster entfernen bzw. Elektroden nicht über Pflaster platzieren (Gefahr: Miniexplosionen!).

Abb. 8.3 • Beispiel für einen automatischen externen Defibrillator.

Patienten einschätzen (nach BLS-Algorithmus)

CPR bis AED angeschlossen

AED einschalten, Elektroden anbringen den verbalen/visuellen Anweisungen folgen

Rhythmusanalyse (durch AED)

Defibrillation

keine Defibrillation

nach jeweils 1 Defibrillation 2 min CPR

bei fehlenden Kreislaufzeichen 2 min CPR

Abb. 8.4 • Automatische externe Defibrillation (nach ERC 2005). AED: automatischer externer Defibrillator; BLS: Basismaßnahmen der Reanimation; CPR: kardiopulmonale Reanimation (Beatmung und Herzdruckmassage).

148

▶ Finden gegenwärtig zunehmende Verbreitung auch außerhalb des Rettungsdienstes (Flughäfen, Bahnhöfe) und erlauben medizinischen Laien, eine Frühdefibrillation noch vor Eintreffen des Notarztes vorzunehmen. ▶ AEDs erkennen selbstständig defibrillationswürdige Rhythmen (Kammerflimmern und Kammerflattern) und empfehlen dann die Defibrillation. ▶ Prinzipielle Gerätebeschreibung: • 1 Taste zum Einschalten. • 1 Taste zum Auslösung der Defibrillation. • Display und Sprachausgabeeinheit. • 2 Klebeelektroden. ▶ Vorgehen bei Kreislaufstillstand und Verfügbarkeit eines AED: • Siehe auch Abb. 8.4. • Atemwege freimachen und CPR beginnen bis AED angeschlossen. • Die beiden Klebeelektroden entsprechend dem auf dem AED aufgezeichneten Schema beim Patienten anbringen. • AED einschalten. • AED wertet automatisch das eingehende EKG-Signal aus. • Bei Kammerflimmern: Defibrillation empfohlen! (Wird im Display und/oder von der Sprachausgabeeinheit angesagt). • Defibrillation durch Drücken der Defibrillationstaste manuell auslösen (Energie wird automatisch vorgewählt). • Sofort CPR 2 min fortführen. • Nach 2 min CPR Pause: AED wertet erneut das eingehende EKG-Signal aus. • AED empfiehlt ggf. weitere Defibrillation. • Nach jeder Defibrillation für 2 min Reanimation (Herzdruckmassage, Beatmung) durchführen. • Dann wird ggf. erneut eine Defibrillation empfohlen.

8 Sonstige Notfalltechniken

8.2 Elektrische Kardioversion

Automatische Defibrillatoren (AEDs)

8.2 Elektrische Kardioversion Begriffe ▶ Kardioversion: Verfahren zur Therapie tachykarder Rhythmusstörungen mit dem Ziel der Normalisierung der Herzfrequenz und der Herstellung eines effizienten Herzrhythmus. • Medikamentöse Kardioversion: Therapie mit Antiarrhythmika, i. d. R. der Gruppen Ia, Ic und III. Heute wird am meisten Amiodaron (Gruppe III) verwendet. • Elektrische Kardioversion: Elektrotherapie der Rhythmusstörung. – Interne Kardioversion: Elektrotherapie über ein i. d. R. transvenös nach intrakardial eingebrachtes Elektrodensystem. – Externe Kardioversion: Elektrotherapie über extrathorakal angebrachte, großflächige Elektroden. ▶ Elektrische Kardioversion im weiteren Sinne: • Alle elektrischen Verfahren zur Therapie tachykarder Herzrhythmusstörungen. • Können R-Zacken-synchron oder asynchron durchgeführt werden. ▶ Elektrische Kardioversion im engeren Sinne: Synchrone Elektrokardioversion. • Der Stromstoß wird automatisch etwa 20 ms nach einer R-Zacke – außerhalb der vulnerablen Phase – abgegeben.

Indikationen im Rettungsdienst ▶ Ausgeprägte, kreislaufwirksame supraventrikuläre Tachykardien (inkl. Vorhofflimmern/-flattern) mit einer Herzfrequenz > 150 /min. Ausnahme: Sinustachykardie. ▶ Kreislaufwirksame ventrikuläre Tachykardien. ▶ Präklinische Indikation zur Kardioversion v. a. dann: 149

Sonstige Notfalltechniken

8

8.2 Elektrische Kardioversion

• Wenn die Rhythmusstörungen medikamentös nicht günstig zu beeinflussen sind. • Wenn klinische Symptome eines kardiogenen Schocks und/oder einer myokardialen Ischämie vorliegen. ▶ Beachte: Grundsätzlich höhere Erfolgsaussichten bei Kardioversion als bei medika■ mentöser Therapie.

Vorgehen Material: Siehe Defibrillation, S. 146. Defibrillatorelektroden mit Gel bestreichen. Sauerstoff über Maske oder Sonde verabreichen (4–8 l/min). Ggf. Heparinisierung mit 5 000–10 000 I.E. i. v. (bei Vorhofflimmern/-flattern). Modus synchron wählen. Platzierung der Elektroden (s. Abb. 8.2): Elektroden auf dem Thorax entlang der Herzachse aufsetzen und fest andrücken. Die Polarität der Elektroden ist ohne Bedeutung: • 1 Elektrode unter der äußeren Hälfte der rechten Klavikula (2. ICR). • 1 Elektrode über der Herzspitze (linke Axillarlinie, unterhalb der Mamille im 5. ICR). ▶ EKG-Ableitung: Wenn nicht bereits geschehen, jetzt das EKG über die Defibrillatorelektroden oder über das Kabel des integrierten Monitors ableiten (S. 32). ▶ Analgosedierung: • Wenn der Patient bei Bewusstsein ist, Kurznarkose (z. B. Etomidate 20–30 mg i. v. oder Propofol 100–150 mg fraktioniert). • Alternativ: Benzodiazepin (Diazepam 10 mg i. v. oder Midazolam 5–10 mg i. v.) + Analgesie mit Morphin (3–5 mg i. v.). ▶ Beachte: ■ – Die Kardioversion ist eine sehr schmerzhafte Maßnahme! – Cave: Atemdepression und Aspiration bei vollem Magen! ▶ Gewünschte Energie vorwählen: • Bei Breitkomplextachykardie und Vorhofflimmern: Mit 360 J monophasisch bzw. 200 J biphasisch beginnen. Bei Misserfolg, falls vom Gerät her möglich, monophasich 360 J belassen, biphasisch ggf. erhöhen. • Bei Vorhofflattern und paroxysmalen SVT oft niedrige Energie ausreichend: Monophasisch 100 J, biphasisch 70–120 J, bei Versagen schrittweise steigern (abhängig vom Gerät). ▶ Defibrillator aufladen: Durch entsprechenden Knopfdruck am Gerät oder an den Elektroden. ▶ Alle Helfer müssen den Patienten und das Bett auf Kommando loslassen („Hände weg!“). ▶ Kardioversion auslösen: Durch entsprechenden Knopfdruck an den Paddles, am besten in der Exspirationsphase des Patienten (niedrigste Thoraximpedanz). ▶ Rhythmus kontrollieren: • Persistenz des Ausgangsrhythmus: – Erneut kardiovertieren. – Adjuvante medikamentöse Therapie erwägen (Antiarrhythmika, S. 187ff). • Entwicklung von Kammerflimmern oder PVT: – Sofort asynchron defibrillieren (S. 146). – CPR beginnen.

▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Gefahren ▶ Siehe Defibrillation S. 147. ▶ Zusätzlich: Lungenthrombembolie, v. a. bei Patienten mit Vorhofflimmern/-flattern. ▶ Beachte: Bei Notwendigkeit einer Kardioversion bei Vorhofflimmern/Vorhofflattern: ■ Unmittelbar vorher Heparinisierung mit 5 000–10 000 I.E. i. v.! Im Allgemeinen ist im Notarztdienst bei unbekannter Dauer des Vorhofflimmerns/-flatterns nur eine medikamentöse Herzfrequenzkontrolle indiziert. 150

8.3 Temporärer Herzschrittmacher Grundlagen und Indikationen ▶ Prinzip: Auslösung mechanischer ventrikulärer Kontraktionen durch rhythmische elektrische Stimulation der Herzkammern. ▶ Indikationen: • Lebensbedrohliche, atropinresistente Bradykardie. • Ausfall eines permanenten Schrittmachers. • CPR: Asystolie (umstritten). – Schrittmachertherapie nur dann erwägen, wenn unter CPR schon vereinzelte elektrische Aktivitäten (P-Wellen oder QRS-Komplexe) erzeugt werden konnten. – Bislang konnte nicht gezeigt werden, dass dadurch die Prognose der CPR verbessert werden kann. ▶ Beachte: Kammerflimmern oder EMD sind keine Indikationen! ■ ▶ Transvenöse intrakardiale Schrittmacher (invasiv): • Erfordern die Punktion einer zentralen Vene. • Können ohne Röntgenkontrolle oft nicht hinreichend schnell und sicher intrakardial platziert werden. • Sind im Rettungsdienst unüblich. ▶ Transösophageale Schrittmacher (minimalinvasiv): • Stimulieren vorwiegend den Vorhof und sind daher bei Sinusbradykardie, nicht jedoch bei den häufiger zur Asystolie führenden AV-Blockierungen sinnvoll. • Sind für den wachen Patienten schmerzhaft. • Sind im Rettungsdienst heute unüblich. ▶ Transkutane Schrittmacher (noninvasiv): • Wirken zuverlässig auch auf die Ventrikel. • Sind schnell und einfach anzubringen. • Sind für den wachen Patienten schmerzhaft. ▶ Beachte: Noninvasive, transthorakal stimulierende Schrittmacher werden im Ret■ tungsdienst bevorzugt. ▶ Die temporären Schrittmacher werden im Erfolgsfall später wieder entbehrlich oder werden in der Klinik ggf. durch permanente Schrittmacher ersetzt. ▶ Material für transkutane Schrittmacherstimulation: • Schrittmachermodul: Ist in den meisten modernen Defibrillatoren integriert. • Schrittmacherkabel mit einem Paar Stimulationselektroden (meist Klebeelektroden mit einem Durchmesser von etwa 7–12 cm).

8 Sonstige Notfalltechniken

8.3 Temporärer Herzschrittmacher

Vorgehen bei transkutaner Schrittmacherstimulation"XA138"151 ▶ Platzierung der Elektroden (s. Abb. 8.5): Schrittmacherelektroden so aufkleben, dass der Stromimpuls durch den linken Ventrikel geht: • 1. Möglichkeit (wie zur Defibrillation): – Negative Elektrode rechts subklavikulär. – Positive Elektrode in der linken Axillarlinie knapp unterhalb der Mamille. • 2. Möglichkeit: – Negative Elektrode links präkordial parasternal. – Positive Elektrode am Rücken zwischen Wirbelsäule und Unterrand des linken Schulterblattes. ▶ Cave: Auf die Polarität der Elektroden achten! ■ ▶ Energie schrittweise erhöhen bis ein elektrischer Impuls im EKG erkennbar wird, der von einer elektrischen Kammeraktion beantwortet wird und mit einer effektiven mechanischen Herzkontraktion, also einem tastbaren Puls, einhergeht. ▶ Stimulationsfrequenz: 70–100 /min. 151

Sonstige Notfalltechniken

8

8.4 Thoraxdrainage

– –

+ a

+

b

Abb. 8.5 • Anlegen der Elektroden bei transkutaner Schrittmacherstimulation: 1. Möglichkeit (a), 2. Möglichkeit (b).

▶ Analgosedierung: Wird der Patient unter der Stimulation wach, Analgetika und/ oder Sedativa verabreichen (z. B. Morphin 5–10 mg i. v., Diazepam 10 mg i. v.).

8.4 Thoraxdrainage Grundlagen ▶ Indikationen: • Spannungspneumothorax, auch im begründeten Verdachtsfall. • Ausgedehnter Pneumothorax bzw. Hämatopneumothorax mit Ventilations- und Oxygenierungsbeeinträchtigung. ▶ Komplikationen: • Blutungen aus einem Interkostalgefäß. • Blutungen aus der A. thoracica interna (anteriorer Zugang). • Verletzung eines Oberbauchorgans (lateraler Zugang). • Verletzungen der Lunge bzw. der viszeralen Pleura. • Fehllage der Drainage (meist subkutan). • Infektionen. ▶ Vermeidung von Komplikationen: • Infektionsvermeidung: Steriles Vorgehen: – Gründliche Hautdesinfektion der entsprechenden Thoraxseite. – Steriles Abdecken. – Sterile Handschuhe. • Vermeidung einer Pleuraverletzung: – Beatmeter Patient: Überdruckbeatmung während des Punktionsvorgangs kurzfristig unterbrechen, um die Ausdehnung der Lunge und damit das Risiko einer Pleuraverletzung zu reduzieren. – Spontanatmender, bewusstseinsklarer Patient: Ausatmen und während der Punktion möglichst nicht einatmen lassen. • Vermeidung der Verletzung von Gefäßen und Thoraxorganen: – Präparation stets am Oberrand einer Rippe (Interkostalgefäße verlaufen am Unterrand). – Präparation bei anteriorem Zugang nie medial der Medioklavikularlinie. – Präparation bei lateralem Zugang nie unterhalb der Mamillenebene. – Grundsätzlich stumpfe Pleuraeröffnung und Einlegen der Drainage nur nach sicherer Identifikation des Pleuraraums (digitale Palpation der Lunge); das Legen einer Drainage mit spitzem Trokar ist wegen der pulmonalen Verletzungsgefahr grundsätzlich abzulehnen! ▶ Beachte: Bei dringendem Verdacht auf einen Spannungspneumothorax darf mit der ■ Thoraxdrainage nicht bis zum Eintreffen in die Klinik (oder gar auf die Anfertigung eines Röntgenbildes) gewartet werden! 152

Abb. 8.6 • Zugangswege zur Anlage einer Thoraxdrainage.

8 Sonstige Notfalltechniken

8.5 Kollare Mediastinotomie

▶ Material: • Thoraxdrainage 28–32 Ch, wenn nicht verfügbar, kann auch ein Endotrachealtubus der gleichen Größe verwendet werden. • Gebogene, spitz-stumpfe Schere. • Skalpell. • Desinfektionsspray. • Sterile Handschuhe. • Fixationsmaterial (Pflaster oder Nahtmaterial). • Ggf. Spritze mit Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain 0,5–1 %).

Vorgehen ▶ Zugangswege: 2 Möglichkeiten (Abb. 8.6): • Lateraler Zugangsweg: 4.–6. Interkostalraum, mittlere Axillarlinie, s. Abb. 8.7. • Anteriorer Zugangsweg: 2.–3. Interkostalraum, Medioklavikularlinie. ▶ Hautdesinfektion und Lokalanästhesie. ▶ Hautinzision und Präparation durch die Interkostalmuskulatur mit einer Schere am Oberrand der unteren Rippe (Abb. 8.7a). ▶ Penetration der Pleura parietalis mit einer stumpfen Klemme oder dem Finger (Abb. 8.7b). ▶ Digitale Sondierung des Pleuraraums (Abb. 8.7c). ▶ Nach eindeutiger Identifikation Einlegen der Drainage (Abb. 8.7d). ▶ Beim spontanatmenden Patienten Einwegventil aufstecken, um die Luft von intrathorakal nach außen, aber nicht von außen hereinzulassen (z. B. Heimlich-Ventil oder eingeschnittenen Fingerling). ▶ Beim beatmeten Patienten ist ein solches Vorgehen nicht unbedingt notwendig, da die Lunge aufgrund der Überdruckbeatmung nicht kollabiert; hier nur sterile Abdeckung der Öffnung mit lockeren Mullkompressen. ▶ In der Klinik ein sog. Mehrflaschen-Saug-System (2- oder 3-Flaschensystem) mit einem Sog von etwa 20 mbar anlegen (im Notarztwagen normalerweise nicht möglich).

8.5 Kollare Mediastinotomie Grundlagen ▶ Indikation: Lebensbedrohliches kompressives Mediastinalemphysem mit obstruktivem Schock. Hinweisend auf ein kompressives Mediastinalemphysem ist ein Thoraxtrauma mit nachfolgenden retrosternalen Schmerzen, Anschwellungen von Hals und Gesicht als Folge einer oberen Einflussstauung, Schock. ▶ Präklinisch selten durchgeführte Maßnahme. 153

Sonstige Notfalltechniken

8

8.5 Kollare Mediastinotomie

a

b

c

d Abb. 8.7 • Anlage einer Thoraxdrainage (lateraler Zugangsweg): Hautinzision am Oberrand der 5. oder 6. Rippe (a); Präparation durch Interkostalmuskulatur und Pleura parietalis mit stumpfer Klemme (b); digitale Sondierung des Pleuraraums (c); nach eindeutiger Identifikation Einlegen der Drainage (d).

154

8 Sonstige Notfalltechniken

8.6 Perikardpunktion

Abb. 8.8 • Kollare Mediastinotomie: Stumpfe digitale Präparation im lockeren Bindegewebe bis unter das Sternum.

▶ Komplikationen: • Infektion. • Gefäßverletzung, Blutung. ▶ Material: • Skalpell. • Desinfektionsspray. • Sterile Handschuhe. • Ggf. Spritze mit Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain 0,5–1 %).

Vorgehen ▶ Hautdesinfektion im Jugulumbereich, Lokalanästhesie. ▶ Setzen einer ca. 3 cm langen, queren Hautinzision am Oberrand des Manubrium sterni. ▶ Stumpfe digitale Präparation im lockeren Bindegewebe bis unter das Sternum (Abb. 8.8). ▶ Bei korrekter Durchführung und Diagnosestellung entweicht dann hörbar Luft, vermischt mit blutig-schaumigem Sekret. ▶ Die klinische Symptomatik sollte sich bei korrekter Indikationsstellung sofort deutlich bessern.

8.6 Perikardpunktion Grundlagen ▶ Indikation: • Dringender Verdacht auf eine Herzbeuteltamponade („ultima ratio“) mit obstruktivem Schock, v. a. im Rahmen eines Thoraxtraumas. ▶ Präklinisch selten durchgeführte Maßnahme. ▶ Komplikationen: • Verletzung der Koronararterien und des Myokards. • Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. • Verletzungen der Lunge. • Verletzungen von Oberbauchorganen. ▶ Material: • Ca. 8 cm lange Punktionskanüle. • Sterile 10- oder 20 ml-Spritze. • Dreiwegehahn. 155

Sonstige Notfalltechniken

8

8.7 Magensonde

Abb. 8.9 • Punktionsort und Punktionsrichtung bei der Perikardpunktion.

• • • •

Desinfektionsspray. Sterile Handschuhe. Ggf. Spritze mit Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain 0,5–1 %). Vorbereitete Infusion.

Vorgehen ▶ Hautdesinfektion im Epigastrium, Lokalanästhesie. ▶ Aufsetzen der sterilen Spritze auf die Punktionsnadel. ▶ Punktionsort (s. Abb. 8.9): Larrey-Winkel unter dem Processus xyphoideus (Rippen-Sternum-Winkel). ▶ Punktionsrichtung (s. Abb. 8.9): Unter ständiger Aspiration auf die Mitte des linken Schulterblatts zu. ▶ Das Perikard wird in 3–4 cm Tiefe erreicht. ▶ Das Blut wird bis zur Besserung der klinischen Symptomatik unter Zwischenschaltung eines Dreiwegehahns abpunktiert.

8.7 Magensonde Grundlagen ▶ Indikationen im Rettungsdienst: • Magenspülung nach Intoxikation. • Dekompression des Magens nach Überblähung, z. B. durch (fehlerhafte) Maskenoder Mund-zu-Mund-Beatmung; wichtig v. a: bei Kleinkindern. ▶ Beachte: Insgesamt ist das Legen einer Magensonde im Rettungsdienst selten in■ diziert! ▶ Kontraindikationen: • Verätzungen mit Säuren oder Laugen → Perforationsgefahr. • Schweres Schädeltrauma (Gesichtsschädel- oder Schädel-Hirn-Trauma) → Gefahr der Blutungsverstärkung und Via falsa. • Bewusstlosigkeit und Ausfall der Schluck- und Hustenreflexe, sofern der Patient nicht intubiert ist. ▶ Gefahren: • Auslösen von Erbrechen. • Blutungen in Nase und Rachen. • Vagale Reaktionen, Bradykardie. • Via falsa: Submukös, intrapulmonal, intrazerebral! ▶ Material (s. a. Abb. 8.10): • Magensonde: Bei Erwachsenen 14, 16 oder 18 Ch bzw. 40 Ch zur Magenspülung. 156

Abb. 8.10 • Zubehör zur Anlage einer Magensonde bzw. zur Magenspülung.

8 Sonstige Notfalltechniken

8.8 Ösophaguskompressionssonden

• Gleitmittel, evtl. mit Lokalanästhetikum, z. B. Lidocain-Gel. • Auffangbeutel, z. B. Urinbeutel. • Spritze (50–60 ml; „Blasenspritze“) zur Luftinsufflation sowie Aspiration.

Vorgehen ▶ Vorgehen beim bewusstseinsklaren Patienten: • Vorhaben mit Patienten besprechen. • Mit Gleitmittel eingeschmierte Sonde beim sitzenden Patienten durch Nase (dünne Sonden) einführen. • Patienten schlucken lassen. • Sonde während des Schluckvorganges vorschieben. • Nach ca. 35–40 cm ist der Magen erreicht. • Kontrolle der korrekten Lage: Beim Einblasen von ca. 10–20 ml Luft unter gleichzeitiger Auskultation des Epigastriums bei korrekter Lage deutliches „Blubbern“. • Mageninhalt absaugen bzw. ablaufen lassen und ggf. asservieren (Intoxikationen). ▶ Vorgehen beim bewusstlosen, intubierten Patienten: • Mit Gleitmittel benetzte Sonde beim liegenden Patienten durch Nase (dünne Sonden) oder Mund (Magenschlauch) einführen. • Sonde vorsichtig vorschieben. • Bei Widerstand im Mund Sonde zurückziehen, etwas drehen und erneut vorschieben. • Ggf. Sonde vor der Rachenhinterwand mit behandschuhten Fingern (Zeige- und Mittelfinger) in Richtung Ösophagus lenken (cave: Zubeißen des Patienten!). • Ggf. Vorschieben der Sonde unter laryngoskopischer Sicht mit Magill-Zange. • Nach ca. 35–40 cm ist der Magen erreicht. • Kontrolle der korrekten Lage: Beim Einblasen von ca. 10–20 ml Luft unter gleichzeitiger Auskultation des Epigastriums bei korrekter Lage deutliches „Blubbern“. • Mageninhalt absaugen bzw. ablaufen lassen und ggf. asservieren (Intoxikationen).

8.8 Ösophaguskompressionssonden Grundlagen ▶ Prinzip: • Einführen einer Ballonsonde in den Blutungsbereich. • Kompression der blutenden Varizen durch Aufblasen des Ballons. • Kombination mit medikamentöser Therapie (S. 338) möglich. 157

Sonstige Notfalltechniken

8

8.8 Ösophaguskompressionssonden

▶ Indikation im Rettungsdienst: Massive Ösophagus- bzw. Fundusvarizenblutung. ▶ Gefahren: • Magen- oder Ösophagusruptur. • Atemwegsverlegung durch Dislokation der Sonden nach kranial. • Vagale Reaktionen, Bradykardie → Legen einer Ösophaguskompressionssonde möglichst unter EKG-Kontrolle!

zum Ösophagus

zum Magen

250g

Abb. 8.11 • Aufbau und korrekte Lage der Sengstaken-Blakemore-Sonde.

Lumen zu den Seitenöffnungen im Magenbereich Lumen zu den Seitenöffnungen im Speiseröhrenbereich Lumen zum Aufblasen des Ballons

1000g Tamponadeballon

158

Abb. 8.12 • Aufbau und korrekte Lage der Linton-Nachlas-Sonde.

▶ Sengstaken-Blakemore-Sonde (Abb. 8.11): 3-lumige Sonde mit 1 (proximalen) Ösophagusballon, 1 (distalen) Magenballon und 1 Drainagelumen. • Ausgiebige Lubrifikation der Sonde mit Gleitmittel. • Einführen der Sonde vorzugsweise durch die Nase in den Magen (ca. 50 cm). • Auffüllen des distalen (gastralen) Ballons mit 100–200 ml Luft oder Flüssigkeit. • Dosierter Zug nach kranial bis zum federnden Widerstand. • Fixierung der Sonde an der Nase. • Bei persistierender Blutung: Auffüllen des proximalen (ösophagealen) Ballons mit ca. 50–100 ml Luft oder Flüssigkeit. ▶ Linton-Nachlas-Sonde (Abb. 8.12): 2-lumige Sonde mit 1 birnenförmigen Ballon und 1 Drainagelumen. • Ausgiebige Lubrifikation der Sonde mit Gleitmittel. • Einführen der Sonde vorzugsweise durch die Nase in den Magen (ca. 50 cm). • Auffüllen des Ballons mit ca. 100–200 ml Flüssigkeit. • Dosierter Zug nach kranial bis zum federnden Widerstand. • Weiteres Auffüllen des Ballons bis zu einem Gesamtvolumen von etwa 600 ml. • Fixierung der Sonde unter Zug mit etwa 0,5 kg (also z. B. einem 500-ml-Infusionsbeutel).

8 Sonstige Notfalltechniken

8.9 Harnblasenkatheter

Methoden, Vorgehen

8.9 Harnblasenkatheter Transurethraler Blasenkatheter ▶ Indikationen im Rettungsdienst: • Akuter Harnverhalt (S. 380). • Diuretikatherapie bei längeren Transportwegen. ▶ Beachte: Indikation zum Legen eines Blasenkatheters unter Notfallbedingungen ■ aufgrund der Infektionsgefährdung streng stellen. Insgesamt ist das Legen eines Blasenkatheters im Rettungsdienst selten indiziert. ▶ Kontraindikationen: • Harnröhrentrauma (S. 383). • Beckentrauma (S. 416). ▶ Gefahren: • Verletzungen der Urethra, der Prostata und der Blase.

a

b

Abb. 8.13 • Legen eines transurethralen Blasenkatheters bei der Frau: Desinfektion (a); Einführen des Katheters (b) (aus: Juchli, L.: Pflege, 7. Aufl., Thieme Verlag, 1 994).

159

Sonstige Notfalltechniken

8

8.9 Harnblasenkatheter

• Via falsa. • Infektion: Auch unter Notfallbedingungen möglichst steril arbeiten! ▶ Material: • Blasenkatheter: Bei Erwachsenen 14, 16 oder 18 Ch, blockbar. • Gleitmittel, evtl. mit Lokalanästhetikum, z. B. Lidocain-Gel. • Urinbeutel. • Steriles Equipment: Handschuhe, Abdecktücher, Desinfektionsmittel wie z. B. Polyvidonjod, Tupfer, Pinzette. ▶ Vorgehen: • Vorgehen bei der Frau (Abb. 8.13): – Vorhaben mit Patientin besprechen. – Rückenlage, Spreizen der Beine bei zusammengestellten Fersen. – Steriles Abdecken (Lochtuch), sterile Handschuhe. – Wiederholte Desinfektion der Vulva, der Labien sowie der Orificia urethrae et vaginae von ventral nach dorsal mit sterilen, desinfektionsmittelgetränkten Tupfern. – Spreizen der Schamlippen mit der linken (bzw. rechten) Hand.

a

b

5

c 160



7

cm

Abb. 8.14 • Legen eines transurethralen Blasenkatheters beim Mann: Desinfektion (a); Instillation des Gleitmittels (b); Einführen des Katheters (c) (aus: Juchli, L.: Pflege, 7. Aufl., Thieme Verlag, 1994).

8 Sonstige Notfalltechniken

8.9 Harnblasenkatheter

– Einführen des Katheters in die Urethra mit der anderen Hand, 5–10 cm vorschieben. – Blocken des Katheters mit 5–10 ml Wasser. – Vorsichtiges Zurückziehen des Katheters bis zum federnden Widerstand. – Anschließen eines sterilen Urinbeutels. ▶ Vorgehen beim Mann (Abb. 8.14): • Vorhaben mit Patienten besprechen. • Rückenlage, Beine zusammen. • Steriles Abdecken (Lochtuch über Penis), sterile Handschuhe. • Wiederholte Desinfektion der Glans penis und des Orificium urethrae mit sterilen, desinfektionsmittelgetränkten Tupfern. • Halten des Penis mit der linken (bzw. rechten) Hand, dabei Vorhaut zurückziehen und Urethralöffnung spreizen. • Instillation von ca. 10 ml Gleitmittel (z. B. Instillagel) mit der rechten (bzw. linken) Hand. • Einführen des Katheters in die Urethra mit der rechten (bzw. linken) Hand (ggf. unter Verwendung einer Pinzette), 5–10 cm vorschieben. • Dabei Penis mit der linken (bzw. rechten) Hand erst nach oben ziehen, dann nach etwa 5 cm nach unten absenken. • Beim Vorschieben keine Gewalt anwenden! • Blocken des Katheters mit 5–10 ml Wasser. • Vorsichtiges Zurückziehen des Katheters bis zum federnden Widerstand. • Anschließen eines sterilen Urinbeutels.

Suprapubische Blasenpunktion ▶ Indikation: Präklinisch sehr streng stellen! Nur bei Zusammentreffen folgender Faktoren: • Akuter, sehr schmerzhafter Harnverhalt. • Langer Transportweg. • Unmöglichkeit des transurethralen Zugangs. ▶ Gefahren: • Verletzung des Darms. • Peritonitis. • Blutung. ▶ Vorgehen (Abb. 8.15):

a

b

c

Abb. 8.15 • Suprapubische Blasenpunktion/Katheterisierung: Punktion mit Kanüle 2–3 cm oberhalb der Symphyse (a); Ablaufenlassen des Urins oder Einführen eines Katheters (b); Entfernen der Kanüle (c) (aus: Juchli, L.: Pflege, 7. Aufl., Thieme Verlag, 1994).

161

Sonstige Notfalltechniken

8

8.9 Harnblasenkatheter

• Sichere Palpation der Harnblase über der Symphyse. • Gründliche Desinfektion der Einstichstelle ca. 2–3 cm oberhalb der Symphyse in der Medianlinie. • Steriles Abdecken (Lochtuch), sterile Handschuhe. • Anlage einer Hautquaddel mit Lokalanästhetikum, z. B. Lidocain 0,5–1 %. • Punktion mit Venenverweilkanüle (1,0 mm ID) senkrecht nach unten (80–90° zur Haut); wenn vorhanden, Verwendung eines speziellen Kathetersets (z. B. Cystofix). • Ablaufenlassen des Urins. • Bei Verwendung eines Kathetersets Anschluss eines sterilen Urinbeutels. • Fixierung des Katheters, steriler Verband.

Sonderfall: Bellocq-Tamponade mittels Blasenkatheter ▶ Siehe auch S. 359. ▶ Indikation: Akutes, schweres Nasenbluten (Epistaxis): ▶ Vorgehen: • Vorsichtiges Einführen des Katheters (16–20 Ch) in das blutende Nasenloch bis in den Rachen (ca. 15 cm). • Blocken des Katheters mit 20 ml Wasser. • Vorsichtiges Zurückziehen des Katheters, bis ein Widerstand spürbar ist; dadurch Kompression der blutenden Gefäße im hinteren Nasenbereich (Aa. ethmoidales, A. sphenopalatina). • Fixierung des Katheters vor der Nase unter Zug, z. B. durch Verknoten über einem Steg. • Ggf. beidseitig tamponieren.

162

9

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.1 Applikationswege Intravenös (i. v.) ▶ Bevorzugte Applikationsform für die meisten Notfallmedikamente. ▶ Gesamte Dosis gelangt rasch in die Blutbahn und an den Wirkort. ▶ Voraussetzungen: • Intravenöser Zugang, in der Regel Venenverweilkanüle oder Venenkatheter. • Medikament muss intravenös applizierbar sein.

Intramuskulär (i. m.) und subkutan (s. c.) ▶ Normalerweise ungeeignete Applikationsform für Notfallmedikamente: • Unvorhersehbare Resorption der Pharmaka aus Muskel- oder Subkutangewebe besonders im Schock (Zentralisation). • Schmerzhaft. ▶ Ausnahmen (Beispiele): • Ketamin: Auch nach i. m.-Gabe rasche Wirkung. • Terbutalin: Nur s. c. zugelassen. ▶ Geeignete Injektionsstellen: • Intramuskulär (i. m.): – M. deltoideus (Oberarm). – Glutäalregion. • Subkutan (s. c.): – Oberschenkel. – Bauchbereich. ▶ Gefahren der i. m.-Injektion: • Intramuskuläre Einblutung, insbesondere bei nachfolgender Antikoagulation oder Lysetherapie. • Nervenverletzungen, besonders bei Injektionen in Glutäalregion. • Infektion, Abszessbildung.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.1 Applikationswege

Intraossär (i.o.) ▶ Indiziert besonders bei Kindern ohne venösen Zugang. ▶ Praktisch gleichwertig der i. v.-Gabe für alle Notfallmedikamente und Infusionslösungen.

Pulmonal ▶ Indikationen: • Topische Therapie pulmonaler oder tracheobronchialer Erkrankungen. • Systemische Therapie mit pulmonal gut resorbierbaren Pharmaka. ▶ Topische Applikation per inhalationem (p. i.) als Spray: • Antiobstruktiva (β2-Mimetika). • Kortikosteroide (z. B. Budesonid). • Systemische Resorption nicht erwünscht, findet aber in unterschiedlichem Ausmaß statt. ▶ Systemische Therapie: • Applikation p. i. als Spray: β2-Mimetika zur Tokolyse. • Endobronchiale Medikamentenapplikation: Instillation von Medikamenten tief in das Tracheobronchialsystem über einen Endotrachealtubus. – Indiziert im Rahmen der Reanimation ohne venösen Zugang. – Geeignete Medikamente: Adrenalin, evtl. auch Atropin und Lidocain. 163

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.2 Notfallmedikamente: Übersicht

Sublingual (s. l.) ▶ Indikation: Gut über die Mundmukosa resorbierbare Medikamente. ▶ Geeignete Präparate: Nitrate (Nitroglycerin, ISDN). Als Kapsel (die vorher zerbissen werden muss) oder Spray unter die Zunge (oder in die Backentasche) verabreichen.

Oral (p. o.) ▶ Normalerweise bei akut vital bedrohten Notfallpatienten nicht geeignet, da Zeit bis zum Wirkungseintritt meist zu lang und Medikamentenresorption unsicher. ▶ Ausnahme: Nifedipin. Inhalt einer im Mund zerbissenen Kapsel wird nach Schlucken rasch zum großen Teil bereits im Magen resorbiert.

Rektal ▶ Indikation: Vor allem bei Kindern für nicht unmittelbar vital bedrohliche Notfälle. ▶ Geeignete Präparate: Kortikoide, Diazepam und Paracetamol als Suppositorien oder Rektiolen.

Intrakardial ▶ Heute keine Indikation mehr. ▶ Gefahren: Verletzung der Herzkranzgefäße, des Herzmuskels oder der Lungen. ▶ Keine höhere Effektivität als intravenöse Injektion.

9.2 Notfallmedikamente: Übersicht Pharmaka mit Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System ▶ Infusionslösungen/Volumenersatzmittel: z. B. Ringer-Lösung, HAES, Dextrane, Gelatine. ▶ Katecholamine (Inotropika und Vasokonstriktoren): z. B. Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Dobutamin. ▶ Vasodilatatoren und Antihypertensiva: z. B. Nitroglycerin, Kalziumkanal-Blocker, Urapidil, Clonidin, Dihydralazin. ▶ Anticholinergika: z. B. Atropin. ▶ Antianginosa: z. B. Nitroglycerin, β-Blocker. ▶ Diuretika: z. B. Furosemid. ▶ Antiarrhythmika: z. B. Amiodaron, Lidocain, Propafenon, β-Blocker wie Metoprolol, Kalziumkanal-Blocker wie Verapamil, Adenosin, Metildigoxin. ▶ Antikoagulanzien: z. B. Heparin, ASS. ▶ Fibrinolytika: z. B. Streptokinase, Urokinase, rt-PA.

Pharmaka mit Wirkung auf die Atmung ▶ Antiobstruktiva: z. B. β2-Mimetika wie Fenoterol, Theophyllin.

Pharmaka mit Wirkung auf das Nervensystem ▶ Fiebersenkende Analgetika: z. B. ASS, Metamizol, Paracetamol. ▶ Opioid-Analgetika: z. B. Morphin, Piritramid, Tramadol. ▶ Sedativa: z. B. Diazepam, Promethazin, Chloralhydrat. ▶ Neuroleptika: z. B. Haloperidol, Dehydrobenzperidol, Levomepromazin. ▶ Narkosemittel: z. B. Etomidate, Thiopental, Propofol, Fentanyl. ▶ Antiepileptika: z. B. Diazepam, Thiopental.

Sonstige ▶ Antiallergika: z. B. Methylprednisolon, Clemastin. ▶ Antihypoglykämika: z. B. Glukose. ▶ Muskelrelaxanzien: z. B. Succinylcholin, Vecuronium, Rocuronium. 164

Bemerkungen ▶ Beschränkung auf relativ wenige Notfallmedikamente aus Platz- und Übersichtlichkeitsgründen erforderlich. ▶ Anforderungen an das „ideale Notfallmedikament“: • Intravenös applizierbar. • Hohe Effektivität. • Sofortiger Wirkungseintritt. • Gute Steuerbarkeit. • Große therapeutische Breite. • Günstiges Nebenwirkungsprofil. • Gute Lagerbarkeit. • Preisgünstig. ▶ Besonders geeignet: Polyvalent einsetzbare Medikamente, z. B.: • Benzodiazepine: Indiziert z. B. zur Therapie von Krampfanfällen sowie zur Sedierung und Narkose. • Nitrate: Indiziert z. B. zur Therapie des akuten Koronarsyndroms, des kardiogenen Lungenödems, der hypertensiven Krise und kolikartiger Schmerzen. ▶ Meist verwendete Notfallmedikamente: Folgende Medikamentengruppen (ohne Infusionslösungen) machen etwa 50 % aller rettungsmedizinisch applizierten Medikamente aus; Anordnung nach Häufigkeit: • Benzodiazepine: Diazepam, seltener Midazolam. • Opioid-Analgetika: Tramadol, Morphin, Dipidolor (je nach regionaler Vorliebe). • Nitrate: Nitroglycerin. • Kalziumkanal-Blocker: Nifedipin. • Methylxanthine: Theophyllin. • Katecholamine: Adrenalin.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.3 Infusionslösungen

▶ Spasmolytika: z. B. Butylscopolamin, Nitroglycerin. ▶ Tokolytika: z. B. Fenoterol. ▶ Alkalisierende Medikamente: z. B. Natriumbikarbonat. ▶ Antidota: z. B. Atropin, 4-DMAP.

9.3 Infusionslösungen Grundlagen ▶ Einteilung: • Kristalloide Lösungen: – Elektrolytlösungen. – Glukosehaltige Lösungen. • Kolloidale Lösungen: – Dextrane. – Gelatine. – Hydroxyaethylstärke (HAES). • Alkalisierende Lösungen: – Natriumbikarbonat. – Trishydroxyaminomethan (Tris-Puffer; THAM). ▶ Indikationen: • Volumenersatz. • Medikamenteninfusion: – Infusionslösung ist selbst bzw. enthält bereits das Medikament: z. B. Glukose 40 %, Natriumbikarbonat. – Infusionslösung als Trägerlösung für Medikamente, die erst noch zugesetzt werden müssen. – Verwendete Lösungen: Meist NaCl 0,9 %, seltener Glukose 5 %. 165

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.4 Kristalloide Lösungen

• Offenhalten eines venösen Zugangs, Verhinderung des Zukoagulierens. • Beschleunigung der intravenösen Medikamentenwirkung durch Einschwemmen ins Gefäßsystem. ▶ Kontinuierliche Verabreichung möglich. Methoden: • Motorspritzenpumpe (Perfusor). • Infusionspumpe. • Mechanische Drossel. Faustregel: 20 Tropfen entsprechen etwa 1 ml. ▶ Offenhalten eines venösen Zugangs: • Indikation: Nach Legen eines intravenösen Zugangs, der nicht zur Volumentherapie genutzt werden soll. • Prinzip: Kontinuierliche Infusion verhindert das Verstopfen des Venenzugangs mit einem Thrombus. • Vorgehen: 250 ml oder 500 ml Vollelektrolytlösung anhängen und langsam einlaufen lassen. ▶ Cave: Überinfusion bei Kindern sowie herz- und niereninsuffizienten Patienten! ■ ▶ Beschleunigung der intravenösen Medikamentenwirkung: • Indikation: – Rasche Medikamentenwirkung nach periphervenöser Injektion erwünscht. – Vor allem unter Reanimation, bei vermindertem Herzzeitvolumen und Zentralisation (Schock). • Prinzip: Infusionslösung spült den Wirkstoff in Richtung Herz (aus dem peripheren in das zentrale Kompartiment). • Vorgehen: Nach Medikamenteninjektion Boli von 20–40 ml Vollelektrolytlösung durch kurzfristig rasches Einlaufenlassen der Infusionslösung verabreichen. ▶ Cave: Überinfusion bei Kindern und herz- und niereninsuffizienten Patienten! ■

9.4 Kristalloide Lösungen Einteilung und Verteilungsraum ▶ Elektrolythaltige Lösungen: • Vollelektrolytlösungen: Natriumgehalt entspricht ungefähr dem des Plasmas, also etwa 130–154 mmol/l. Beispiele: – Ringer-Lösung und ihre Modifikationen wie Ringer-Laktat und Ringer-Acetat. Notwendigkeit der organischen Anionen Laktat bzw. Acetat umstritten. – Physiologische Kochsalzlösung (NaCl 0,9 %) (leicht hyperosmolare Lösung). • Halb- oder Drittelelektrolytlösungen: Natriumgehalt entspricht etwa der Hälfte resp. einem Drittel derjenigen des Plasmas, also etwa 70 resp. 50 mmol/l, sog. Anwässerungslösungen. ▶ Merke: Vollelektrolytlösungen stellen die wichtigste Säule der Volumen- und Infu■ sionstherapie im Rettungsdienst dar. ▶ Glukoselösungen: Enthalten kein Natrium. Beispiele sind Glukose 5 % und Glukose 40 %. ▶ Glukosehaltige Elektrolytlösungen: Mischungen aus Glukose-und Elektrolytlösungen. ▶ Merke: Glukosehaltige Lösungen sollen nur bei besonderer Indikation verabreicht ■ werden! Die bei Weitem wichtigste Indikation ist die hypoglykämische Krise. Glukoselösungen nicht als Volumenersatzmittel verwenden! ▶ Cave: Die übermäßige Zufuhr von Glukoselösungen kann bei Kleinkindern zu ■ schweren Hirnschäden führen! 166

Indikationen ▶ Vollelektrolytlösungen: • Volumenersatztherapie. • Medikamenteninfusion. • Offenhalten eines venösen Zugangs. • Beschleunigung der intravenösen Medikamentenwirkung durch Einschwemmen ins Gefäßsystem. ▶ Halb- und Drittelelektrolytlösungen: • Rettungsmedizin: Keine zwingende Indikation. • Intensivmedizin: Infusions-/Ernährungstherapie. ▶ Glukose 5 %: • Einzige Indikation in der Rettungsmedizin: Trägerlösung für Medikamente, die mit NaCl inkompatibel sind (z. B. Amiodaron). • Sonst normalerweise keine zwingende Indikation in der Rettungsmedizin. • Insbesondere keine Indikation zur Volumenersatztherapie. • Gefahr der Hyperglykämie, Hyponatriämie und des Hirnödems, insb. bei Kindern! ▶ Glukose 40 %: • Hypoglykämischer Notfall. • GIK = Glukose-Kalium-Insulin-Infusion bei Myokardinfarkt oder kardiogenem Schock (ungesicherte Indikation). • Intensivmedizin: Parenterale Ernährung. ▶ Glukosehaltige Elektrolytlösungen: Keine zwingende Indikation im Rettungsdienst. Gefahr der Hyperglykämie!

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.5 Kolloidale Lösungen

▶ Verteilungsraum der kristalloiden Lösungen: • Vollelektrolytlösungen: – Gesamter Extrazellulärraum (3–4 × so groß wie der Intravasalraum). – Dadurch relativ geringer Volumeneffekt (verglichen mit kolloidalen Lösungen). • Glukoselösungen (Glukose 5 %): – Gesamter Intra- und Extrazellulärraum. – Dadurch sehr geringer Volumeneffekt und Verstärkung intrazellulärer Ödeme möglich. ▶ Beachte: Nach Verstoffwechslung der Glukose bleibt freies Wasser übrig mit ■ der Gefahr der Entwicklung einer hypotonen Hyperhydratation.

9.5 Kolloidale Lösungen Einteilung, Verteilungsraum und Indikationen ▶ Künstliche Kolloide: • Hydroxyaethylstärke (HAES), z. B.: – HAES 70 000 6 % = HAES 70 6 %. – HAES 130 000 6 % (Voluven). – HAES 200 000 10 % oder 6 % = HAES 200 10 % oder 6 %. – HAES 450 000 6 % = HAES 450 6 % (heute unüblich). • Gelatine: – Succinylierte Gelatine 4 % (Gelafundin). – Oxypolygelatine 5,5 % (Gelifundol). – Harnstoffvernetzte Gelatine 3,5 % (Haemaccel). • Dextrane, z. B.: – Dextrane 60 000 6 % = Dextrane 60 6 %. – Dextrane 40 000 10 % = Dextrane 40 6 %. ▶ Natürliche Kolloide: • Humanalbumin: 167

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.5 Kolloidale Lösungen

– Sehr teuer, nur in Glasflaschen erhältlich, begrenzt lagerbar. – Als Volumenersatzmittel keine entscheidenden Vorteile gegenüber künstlichen Kolloiden. – Keine Indikation im Rettungsdienst! ▶ Beachte: Die heute deutschlandweit bei Weitem am häufigsten verwendeten kolloi■ dalen Infusionslösungen sind HAES-Päparate. Dextranelösungen werden kaum noch verwendet. Für natürliche Kolloide besteht präklinisch keine Indikation. ▶ Verteilungsraum der kolloidalen Lösungen: • Isoonkotische Lösungen (z. B. HAES 6 %, Gelatine): – Vorwiegend Intravasalraum (Voraussetzung: Kein großes Kapillarleck). – Volumeneffekt entspricht ungefähr der infundierten Menge. • Hyperonkotische Lösungen (Plasmaexpander, z. B. Dextrane, HAES 10 %): – Ziehen Flüssigkeit aus Interstitium in den Intravasalraum. – Volumeneffekt > infundierte Menge. ▶ Indikationen: • Volumenersatztherapie bei schwerem Volumenmangel und im Schock. HAES, Gelatine und Dextrane sind geeignet. • Rheologische Therapie mit HAES oder Dextrane z. B. bei arterieller Verschlusskrankheit, Apoplex und Hörsturz (präklinischer Einsatz umstritten.)

Hydroxyaethylstärke (HAES) ▶ Volumenersatzmittel auf Stärkebasis. ▶ Unterschiede der Präparate: • Konzentration (z. B. 6 % oder 10 %): Beeinflusst v. a. den initialen Volumeneffekt. Je höher konzentriert, desto stärker ist der Volumeneffekt. • Mittleres Molekulargewicht (z. B. 130 000 oder 200 000): Beeinflusst v. a. die Verweildauer im Gefäßsystem. Je höhermolekular, desto länger die Verweildauer. • Substitutionsgrad der Stärkemoleküle durch Hydroxyaethylgruppen (z. B. 0,4, 0,5 oder 0,7): Beeinflusst die Abbaurate durch die Amylasen. Je höher der Substitutionsgrad, desto langsamer der Abbau. ▶ Erwünschte und unerwünschte spezifische Effekte (Tab. 8.1): • Blutgerinnungshemmung (weniger bei HAES 70 000 oder 130 000). • Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes (Mikrozirkulationsverbesserung). • Speicherung in körpereigenen Makrophagen möglich (besonders hochmolekulare Anteile). • Anaphylaktoide Reaktionen.

Tab. 8.1 • Vergleich verschiedener Volumenersatzlösungen.

168

Präparat

Initialer Volumeneffekt (%)

Dauer des Volumeneffektes (h)

Hämorheologische Effekte

Dextran 40 10 %

+ + + (180–200)

+ + (4)

+++

Dextran 60 6 %

+ + + (150)

+ + + (8)

+++

HAES 450 6 %

+ + (100)

+ + + (8)

+

HAES 200 6 %

+ + (120)

+ + (5)

++

HAES 200 10 %

+ + + (130)

+ + (5)

++

HAES 70 6 %

+ + (100)

+ (4)

++

Gelatine 4 %

+ (90)

+ (3)

+

Humanalbumin 5 %

+ + (100)

+ + + (8)

+

Gelatine ▶ Volumenersatzmittel auf Kollagenbasis (Proteinbasis). ▶ Unterschiede der Präparate: Verschiedene galenische Zubereitungen und Vernetzungen. ▶ Erwünschte und unerwünschte spezifische Effekte (Tab. 8.1): • Blutgerinnungshemmung (nach neueren Untersuchungen in ähnlichem Ausmaß wie HAES). • Anaphylaktoide Reaktionen: Relativ viele leichte, jedoch wenig schwere Unverträglichkeitsreaktionen. • Osmotische Diurese. • Senkung des Fibronektinspiegels (unklare klinische Relevanz). • Lösung geliert bei niedrigen Temperaturen. ▶ Tageshöchstdosis: Keine! Menge lediglich limitiert durch Blutverdünnung. ▶ Bewertung: • Geringste Volumenwirkung der Kolloide (80–100 %). • Kürzeste Wirkdauer unter den Kolloiden (2–3 h). • Dadurch beste Steuerbarkeit unter den Kolloiden. • Insgesamt preisgünstigstes kolloidales Volumenersatzmittel.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.5 Kolloidale Lösungen

• Nephrotoxische Wirkung insbesondere bei eingeschränkter Nierenfunktion möglich. ▶ Höchstdosis: 2 g/kgKG/Tag (ca. 1 500–2 000 ml); kann im Notfall überschritten werden. ▶ Bewertung: • Meistverwendete Gruppe von Volumenersatzmitteln in der deutschen Rettungsmedizin. • Bevorzugte Präparate: HAES 200 6 % oder 10 %.

Dextrane ▶ Volumenersatzmittel auf Zuckerbasis. ▶ Unterschiede der Präparate: • Konzentration (6 % oder 10 %): Je höher konzentriert, desto stärker der Volumeneffekt. • Mittleres Molekulargewicht (40 000, 60 000, 70 000): – Je niedriger, desto höher der initiale Volumeneffekt. – Je höher, desto länger die Wirkdauer. ▶ Erwünschte und unerwünschte spezifische Effekte (Tab. 8.1): • Blutgerinnungshemmung, thromboseprophylaktische Wirkung. • Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes (Mikrozirkulationsverbesserung). • Selten: Schwere anaphylaktische Reaktionen. ▶ Verhinderung der anaphylaktischen Reaktionen: • Dextran 1 (Molekulargewicht 1 000): Reduziert als Hapten die Inzidenz schwerer anaphylaktischer Reaktionen um ca. 90 % → • Vor der ersten Dextraninfusion: 20 ml Dextran 1 ( = Promit) i. v.! ▶ Höchstdosis: 2 g/kgKG/Tag (ca. 1 500–2 000 ml); kann im Notfall überschritten werden. ▶ Bewertung: • Wegen der Anaphylaxiegefahr hierzulande nur noch selten eingesetzt. • Gilt nach Vorgabe von Promit dennoch als sicheres, nach Ansicht einiger Autoren sogar als sicherstes Volumenersatzmittel.

Hypertone (hyperonkotische) Lösungen: Small Volume Resuscitation ▶ Präparate (je 250-ml-Infusionsbeutel): • NaCl 7,2 %/HAES 200 000 6 % (HyperHAES). • NaCl 7,5 %/Dextrane 70 6 % (RescueFlow). 169

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.6 Volumenersatztherapie

▶ Wirkung: • Hochprozentige NaCl-Lösungen, zusammen mit einem Kolloid. Bewirken schon in sehr kleinen Mengen eine prompte, jedoch vorübergehende Wiederherstellung der Zirkulation. • Volumenmobilisation in den Intravasalraum: – Aus dem interstitiellen Raum. – Aus den Erythrozyten. – Aus den Endothelzellen. ▶ Dosierung: 4 ml/kgKG (250 ml beim Erwachsenen). ▶ Erwünschte und unerwünschte spezifische Effekte: • Steigerung des Herzzeitvolumens. • Nachlastsenkung; initialer Blutdruckabfall. • Verringerung des Endothelzellödems, Mikrozirkulationsverbesserung. • Hirndrucksenkung. • Hypernatriämie (besonders bei wiederholter Gabe) und Hyperosmolarität. • Verstärkung der Blutung bei fortbestehender Blutungsquelle. ▶ Bewertung: • Eine klare Überlegenheit der Small Volume Resuscitation gegenüber einer „konventionellen“ Infusionstherapie mit Kristalloiden oder Kolloiden ist bislang nicht nachgewiesen. • Kann von Vorteil sein, wenn zunächst nur kleinlumiger Zugang zur Verfügung steht. • Eine Indikation wird vor allem bei (poly)traumatisierten Patienten mit SchädelHirn-Trauma gesehen. ▶ Beachte: Der Volumeneffekt einer einmaligen Gabe hypertoner(hyperonkotischer) ■ Lösungen ist zeitlich begrenzt. Daher muss im Anschluss an die initiale Small Volume Resuscitation eine weitergehende Infusionstherapie mit kristalloiden oder kolloidalen Lösungen erfolgen.

9.6 Volumenersatztherapie Volumenersatzlösungen ▶ Kristalloide: Vollelektrolytlösungen. ▶ Künstliche Kolloide: • Hydroxyaethylstärke. • Gelatine. • Dextrane. ▶ Hypertone/hyperonkotische Lösungen: HyperHAES oder RescueFlow. ▶ Humanalbumin (natürliches Kolloid): Keine relevanten Vorteile gegenüber künstlichen Kolloiden. Für die Volumenersatztherapie aufgrund des hohen Preises nicht indiziert. ▶ Blutkonserven: Präklinisch nicht verfügbar (Haltbarkeits-, Lagerungs- und immunologische Probleme). ▶ Lösungen mit künstlichen Sauerstoffträgern („künstliches Blut“ auf Hämoglobinoder Perfluorocarbonbasis) sind zurzeit nicht verfügbar (immer noch in der Entwicklungs- und Erprobungsphase).

Indikationen ▶ Drohender oder manifester Volumenmangel (Dehydratation, Exsikkose), hypovolämischer Schock inkl. hämorrhagisch-traumatischer Schock. ▶ Distributiver Schock: • Anaphylaktischer Schock. • Neurogener Schock. • Septischer Schock. 170

Auswirkungen der präklinischen Infusionstherapie ▶ Erhöhung des zirkulierenden Blutvolumens. ▶ Verdünnung der zirkulierenden Blutbestandteile. ▶ Abnahme des arteriellen Hämoglobin- und Sauerstoffgehalts bis hin zur anämischen Hypoxämie: • Kann nur durch gleichzeitige Transfusion von Blutkonserven bzw. Erythrozytenkonzentraten verhindert werden. • Die Transfusionsindikation in der Klinik ist von der Grunderkrankung des Patienten abhängig. Anhaltswert für die sog. Transfusionsschwelle: Hämoglobinkonzentration 7–10 g%. ▶ Abnahme der Blutviskosität: Verbesserung der Mikrozirkulation und Zunahme des Herzzeitvolumens; dadurch bis zu einem Hb von 7–8 g% zunächst Kompensation der Abnahme des Sauerstoffgehalts und u. U. sogar Zunahme des Sauerstoffangebots. ▶ Beachte: Eine normovolämische Anämie wird erheblich besser toleriert und führt ■ zu weniger Organkomplikationen als eine Hypovolämie mit normaler Hämoglobinkonzentration.

Steuerungsgrößen

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.6 Volumenersatztherapie

▶ Verbrennungen.

▶ Steuerungsgrößen der präklinischen Volumenersatztherapie: • Blutdruck. • Herzfrequenz. • Bewusstsein. • Kapillarer Reperfusionstest. ▶ Weitere Steuerungsgrößen der Volumenersatztherapie in der Klinik: • Zentraler Venendruck (ZVD). • Urinausscheidung. • Hämoglobinkonzentration. • Blut-pH, Base-Excess (BE). • Herzzeitvolumen (HZV), PCWP (Pulmonaliskatheter).

Ziele der präklinischen Volumenersatztherapie ▶ Weitgehende Normalisierung des Blutdrucks und der Herzfrequenz, des Bewusstseins und der kapillaren Reperfusion. ▶ Bei schwerem, präklinisch unstillbarem, anhaltendem Blutverlust: Keine Blutdrucknormalisierung, da verstärktes Ausbluten möglich. Optimales Vorgehen in diesen Situationen z. Zt. noch umstritten: • Evtl. minimale (oder gar keine?) Infusionstherapie. • Evtl. permissive Hypotension (systolischer Blutdruck um 70–90 mmHg). • In jedem Fall begleitend zur Primärversorgung sofortiger, schneller Transport in die Klinik zur chirurgischen Blutstillung.

Kristalloide oder Kolloide? ▶ Kristalloide Lösungen: • Vorteile: – Keine allergischen Reaktionen. – Nahezu unbegrenzte Lagerbarkeit. – Preisgünstig. • Nachteile: – Geringere Volumenwirkung (3–6 × schwächer als kolloidale Lösungen). – Verstärkung des interstitiellen Ödems (erhöhte Disposition zu Lungenödem? Schlechtere Gewebeoxygenierung?). 171

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.6 Volumenersatztherapie

▶ Kolloidale Lösungen: • Vorteile: – Gute Volumenwirkung. – Mikrozirkulationsverbesserung. • Nachteile: – Möglichkeit anaphylaktoider Reaktionen. – Teurer als Kristalloide. – Insbesondere bei HAES und Dextranen: Blutungsverstärkung durch Blutgerinnungshemmung. ▶ Beachte: Kolloidale Lösungen enthalten in der Regel ebenfalls Elektrolyte in annä■ hernd isoosmolarer Konzentration (Natriumgehalt 130–154 mmol/l). Bei Infusion kolloidaler Lösungen werden also genau genommen sowohl Kolloide als auch Kristalloide infundiert. ▶ Bewertung: Unter Beachtung der spezifischen Vor- und Nachteile kann sowohl mit kolloidalen als auch mit kristalloiden Lösungen eine adäquate präklinische Volumenersatztherapie durchgeführt werden. Faustregeln zur Volumenersatztherapie ▶ Bei Verwendung von Vollelektrolytlösungen muss etwa 4 × so viel Volumen infundiert werden wie bei Verwendung kolloidaler Lösungen bzw. 4 × mehr als das verlorene Blutvolumen. ▶ Bei Verwendung kolloidaler Lösungen muss etwa so viel Volumen infundiert werden, wie Blut verloren wurde. ▶ Bei Verwendung hypertoner/hyperonkotischer Lösungen kann bereits mit 4 ml/ kgKG selbst bei erheblichem vorausgegangenen Blutverlust wieder ein stabiler Kreislauf hergestellt werden.

Durchführung der Volumenersatztherapie ▶ Lösungen in Plastikflaschen oder Plastikbeuteln bevorzugen. • Druckinfusion ohne Gefahr der Luftembolie möglich. • Geringere Verletzungsgefahr. ▶ Gefäßzugänge: Am besten 2 möglichst großlumige periphervenöse Zugänge legen: • Erwachsene: Venenverweilkanülen Größe 1,7–2,2 mm ID; wenn nicht anders möglich, auch kleiner. • Zentralvenöser Zugang nur dann, wenn periphervenöser Zugang unmöglich. • Intraossären Zugang v. a. bei Kindern erwägen, wenn periphervenöser Zugang unmöglich. ▶ Bei offenbar geringem Volumenmangel ( < 1 000 ml, kaum erniedrigter Blutdruck, geringe Tachykardie): Vollelektrolytlösung, zunächst 500–1 000 ml i. v. ▶ Bei schwerem Volumenmangel und Schock (ausgeprägte Hypotension < 90 mmHg systolisch, Tachykardie): • Kolloidale Lösung, z. B. HAES 130 000 6 %, 500–1 500 ml i. v., ggf. auch mehr; oder • Vollelektrolytlösung, z. B. Ringer-Laktat, 1 000–4 000 ml i. v., ggf. auch mehr; oder • Kombination aus kolloidaler und Vollelektrolytlösung 1:1, je 500–1 500 ml i. v., ggf. auch mehr. • Alternativ hyperton-hyperonkotische Lösung, z. B. HyperHAES, 4 ml/kgKG i. v.; anschließend konventionelle Infusionstherapie mit kolloidalen und/oder kristalloiden Lösungen. ▶ Infusionsgeschwindigkeit: • Bei schwerem Volumenmangel schnelle Infusion: Mechanischen Infusionsregler vollständig aufdrehen, Infusion im Strahl einlaufen lassen. • Druckinfusion, wenn notwendig: – Stets äußere Druckinfusion → Infusionsbeutel mit Händen, einer aufgeblasenen Blutdruckmanschette oder einem speziellen Druckbeutel komprimieren. 172

9.7 Katecholamine und Sympathomimetika Grundlagen ▶ Indikationsspektrum: • Reanimation (CPR). • Schock jeglicher Genese. • Schwere Bradykardie. • Akute Herzinsuffizienz. • Status asthmaticus und akute dekompensierte COPD (Bronchodilatation). • Tokolyse. • Lebensbedrohliche Hyperkaliämie. ▶ Substanzen: • Adrenalin = Epinephrin (Suprarenin). • Dopamin (z. B. Dopamin Giulini). • Dobutamin (z. B. Dobutrex). • Noradrenalin = Norepinephrin (z. B. Arterenol). • Orciprenalin (Alupent). • Theodrenalin/Cafedrin (Akrinor). • Fenoterol (z. B. Berotec, Partusisten), Salbutamol (z. B. Sultanol), Terbutalin (z. B. Bricanyl) und Reproterol (Bronchospasmin). ▶ Wirkungsmechanismus: Stimulation adrenerger Rezeptoren (α-, β- und DopaminRezeptoren) bzw. deren Subpopulationen. ▶ Wirkungen: Siehe auch Tab. 8.2 ▶ Positiv inotrop (β1-Rezeptor-vermittelt): Erhöhung der myokardialen Kontraktilität. ▶ Positiv chronotrop (β1-Rezeptor-vermittelt): Herzfrequenzsteigerung. ▶ Vasokonstringierend (α-Rezeptor-vermittelt): Anstieg des peripheren Widerstands. ▶ Vasodilatierend (β2-Rezeptor-vermittelt): Abfall des peripheren Widerstands. ▶ Bronchodilatierend (β2-Rezeptor-vermittelt): Senkung des Atemwegswiderstands. ▶ Tokolytisch (β2-Rezeptor-vermittelt): Wehenhemmung. ▶ Kaliumspiegel senkend (β2-Rezeptor-vermittelt): Aufnahme von Kalium in die (Muskel)zellen.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.7 Katecholamine und Sympathomimetika

– Nie innere Druckinfusion → keine Luft in die Infusionsflaschen spritzen! Keine Druckinfusion mit Glasflaschen! Luftemboliegefahr! ▶ Cave: Überinfusion bei kleinen Kindern oder herzinsuffizienten Patienten! ■ ▶ Beachte: Polytraumatisierte Patienten kommen oft „überinfundiert“ in die Klinik, ■ insbesondere bei sedierten Patienten kann eine leichte Hypotension toleriert werden, sofern der Blutdruck nicht weiter abfällt.

Tab. 8.2 • Rezeptoraktivität der Katecholamine und Sympathomimetika. Substanz

DA

β1

β2

α

Dopamin

+++

++

+

+++

Dobutamin



+++

++

+

Noradrenalin



+++



+++

Adrenalin



+++

++

+++

Fenoterol, Salbutamol



+

+++



Orciprenalin, Isoprenalin



+++

+++



DA = Dopaminrezeptor

173

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

174

9.7 Katecholamine und Sympathomimetika

Adrenalin ▶ Internationale Bezeichnung: Epinephrin. ▶ Handelsname: Suprarenin. ▶ Wichtigstes Katecholamin für die Rettungsmedizin und wichtiges Reanimationsmedikament. ▶ Wirkungsmechanismus (Tab. 8.2): Stimulation der α- und β-Rezeptoren. Durch unterschiedliche Adrenalinsensibilität der α- und β-Rezeptoren sind die Kreislaufwirkungen dosisabhängig: • Niedrige Dosis ( ≤ 5 μg/min): Überwiegende β-Stimulierung → positiv inotrop, positiv chronotrop, sowie vaso- und bronchodilatierend. Entscheidend für die Wirkung bei Bradykardie und Bronchospasmus. • Höhere, klinisch übliche Dosis ( > 5 μg/min): Überwiegende α-Stimulierung → arteriell und venös vasokonstringierend (vasopressorisch). Entscheidend für die Wirkung bei CPR. ▶ Wirkungen: • Blutdruckanstieg (in höherer, klinisch üblicher Dosierung). • Tachykardie. • Bronchodilatation. • Senkung der Kaliumkonzentration im Plasma. ▶ Indikationen: • Reanimation (jede Form des Kreislaufstillstands). • Lebensbedrohliche Bradykardie. • Schock. • Ausgeprägter Bronchospasmus. • Schwere Hyperkaliämie. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Wirkdauer: Wenige Minuten. • Applikation: In vitalen Notsituationen als Bolus i. v., sonst als kontinuierliche Infusion. • Darreichungs- und Zubereitungsformen: – 1-ml-Ampullen zu 1 mg/ml (1:1 000): Verdünnung auf 10 ml (1:10 000) üblich bei CPR und schwerstem Schock; 1 ml = 0,1 mg. – 1-ml-Ampullen zu 1 mg/ml (1:1 000): Verdünnung auf 100 ml (1:100 000) zu empfehlen zur Therapie von Bradykardie, Bronchospasmus und leichteren Schockformen; 1 ml = 0,01 mg. – 10-ml-Fertigspritzen zu 1 mg/10 ml (1:10 000): Zur sofortigen intravenösen Bolusgabe geeignet; 1 ml = 0,1 mg. – 25 mg in 25 ml: Zur Zubereitung einer kontinuierlichen Infusion; 1 ml = 1 mg (für Perfusor z. B. 10 mg mit NaCl auf 50 ml verdünnen). ▶ Dosierung: • Intravenöse Bolusgabe: – CPR: Standarddosis: 1 mg i. v. bzw. 0,01 mg/kgKG i. v. – Schock, Bronchospasmus, Bradykardie: 0,05–0,2 mg i. v. bzw. 1–3 μg/kgKG i. v. oder 0,3–0,5 mg s. c. • Endobronchiale Bolusgabe: 3 mg (0,03–0,05 mg/kgKG) in 10 ml NaCl 0,9 %. • Kontinuierliche Gabe: 0,1–1 μg/kgKG/min i. v. ▶ Beachte: ■ • Eine sog. Hochdosistherapie mit Adrenalin bei CPR ist nach heutiger Ansicht nicht indiziert. • Bei beobachteter Asystolie und sofortiger Gabe kann eine geringere Adrenalindosis (z. B. 0,5 mg) ausreichend sein, um die Entwicklung von tachykarden Rhythmusstörungen nach Wiedereinsetzen des Kreislaufs zu verhindern.

▶ Wirkungsmechanismus (Tab. 8.2): Dosisabhängige Stimulation aller Katecholaminrezeptoren: • Niedrige Dosis ( ≤ 3 μg/kgKG/min): Vorwiegend vasodilatierend im Nierenstromgebiet über Stimulation der Dopaminrezeptoren. • Mittlere Dosis (3–10 μg/kgKG/min): Vorwiegend positiv inotrop über Stimulation der β-Rezeptoren. • Hohe Dosis ( > 10 μg/kgKG/min): Vorwiegend vasokonstringierend über Stimulation der α-Rezeptoren. ▶ Wirkungen: • Blutdruckanstieg. • Meist Zunahme des Herzzeitvolumens. • Tachykardie. ▶ Indikationen: • Schock. • Akute Herzinsuffizienz. • Kreislaufstabilisierung nach Reanimation. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Wirkdauer: Wenige Minuten. • Fast ausschließlich kontinuierliche Verabreichung mittels Spritzenpumpe oder Infusomat. • Dopamin liegt als Konzentrat oder als gebrauchsfertige Infusionslösung vor. • Gängiges Katecholamin zur Schocktherapie und zur Therapie kreislaufinsuffizienter Post-Reanimations-Zustände. • Wegen dosisabhängiger Wirkung auf Rezeptoren oft schwer zu dosieren und Entwicklung tachykarder Rhythmusstörungen möglich. ▶ Dosierung: • 2–30 μg/kgKG/min i. v. • Praktisches Vorgehen: Zunächst 10 μg/kgKG/min, dann je nach Blutdruckverhalten Erhöhung oder Erniedrigung der Dosis.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.7 Katecholamine und Sympathomimetika

Dopamin

Dobutamin ▶ Wirkungsmechanismus (Tab. 8.2): Vorwiegend positiv inotrop über Stimulation der β1-Rezeptoren bei nur geringer α-Stimulation. ▶ Wirkungen: • Insgesamt keine Erhöhung des peripheren Widerstands. • Vergleichsweise gering ausgeprägte Tachykardie. • Steigerung von Herzzeitvolumen und Organdurchblutung. • Blutdruckverhalten uneinheitlich: Kann gleich bleiben, abfallen oder ansteigen! ▶ Indikationen: • Akute Herzinsuffizienz ohne ausgeprägte Hypotension. • Kompensierter kardiogener Schock. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Wirkdauer: Wenige Minuten. • Allein oder in Kombination mit einem anderen, vasopressorischen Katecholamin, Arterenol oder Dopamin. Alleinige Anwendung nur bei ausreichendem Blutdruck! • Ausschließlich kontinuierliche Verabreichung mittels Spritzenpumpe oder Infusomat. • Kein essenzielles Medikament für die Rettungsmedizin. Präklinisch lässt sich das Indikationsspektrum auch mit anderen Katecholaminen wie Dopamin bzw. Akrinor abdecken. ▶ Dosierung: • Dobutamin: 2–10 μg/kgKG/min i. v. 175

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.7 Katecholamine und Sympathomimetika

• Dobutamin/Dopamin 1:1: Je 2–10 μg/kgKG/min i. v. • Dobutamin/Dopamin 2:1: Dobutamin 2–10 μg/kgKG/min plus Dopamin 1–5 μg/ kgKG/min i. v.

Noradrenalin ▶ Internationaler Name: Norepinephrin. ▶ Handelsname: Arterenol. ▶ Wirkungsmechanismus (Tab. 8.2): Stimulation der α- und β1-Rezeptoren. • Vasokonstringierend und positiv inotrop. • Keine vasodilatierende Komponente. ▶ Wirkungen: • Blutdruckanstieg. • Wirkung auf Organdurchblutung regional unterschiedlich und abhängig vom Grundleiden: Verschlechterung oder Verbesserung möglich! • Keine ausgeprägte Tachykardie, gelegentlich Bradykardie. ▶ Indikationen: • Schwerer Schock, insbesondere distributiver bzw. septischer Schock. • Anwendung bei CPR anstelle von Adrenalin möglich, jedoch laut aktuellen Richtlinien nicht empfohlen. Für diese Indikation dem Adrenalin nicht sicher überlegen. Wenn verwendet, Dosierung wie Adrenalin. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Wirkdauer: Wenige Minuten. • Anwendung meist kontinuierlich, seltener als Bolus. • Kein essenzielles Medikament für die Rettungsmedizin: Indikationsspektrum für Noradrenalin lässt sich auch mit Dopamin und Adrenalin abdecken. ▶ Dosierung: • Bolusgabe: 0,02–0,2 mg i. v. (z. B. 1 mg Noradrenalin auf 100 ml NaCl, 2-ml-weise applizieren). • Kontinuierliche Gabe: 0,05–1 μg/kgKG/min i. v.

Orciprenalin ▶ Handelsname: Alupent. ▶ Wirkungsmechanismus (Tab. 8.2): Stimulation der β1- und β2-Rezeptoren. ▶ Wirkungen: • Inotropiesteigerung. • Herzfrequenzsteigerung. • Bronchodilatation. • Blutdruckabfall durch Vasodilatation möglich. ▶ Mögliche Indikationen: • Bradykardie. • Schwerer Asthmaanfall (wenn keine spezifischen β2-Mimetika verfügbar). ▶ Kontraindikationen: • Reanimation! • Schwere Hypotension. • Schock. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Wirkdauer: Wenige Minuten. • Anwendung kontinuierlich oder als Bolus. • Kein essenzielles Medikament für die Rettungsmedizin: Indikationsspektrum lässt sich auch mit Adrenalin resp. Fenoterol abdecken. ▶ Dosierung: • Bolusgabe: 0,1–0,5 mg i. v. (titrierende Dosierung, z. B. 1 Amp. [1 ml = 0,5 mg] mit NaCl auf 10 ml verdünnen und 1-ml-weise applizieren). • Kontinuierliche Gabe: 0,05–0,5 μg/kgKG/min i. v. 176

auch für diese Indikation wegen der geringeren Gefahr des Blutdruckabfalls stattdessen Adrenalin empfohlen.

Akrinor ▶ Präparat: Mischung aus Adrenalin- und Theophyllinderivat (Theodrenalin plus Cafedrinhydrochlorid). ▶ Wirkungsmechanismus: • Positiv inotrop (β-Rezeptor-Stimulation). • Tonussteigerung der venösen Kapazitätsgefäße → Vorlasterhöhung. ▶ Wirkungen: • Systemischer und pulmonalarterieller Blutdruckanstieg (systolisch und diastolisch). • Anstieg des Herzzeitvolumens. • Meist geringfügige Abnahme der Herzfrequenz. ▶ Indikation: Hypotension. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Keine Erhöhung des peripheren Widerstands. • Fehlende Beeinträchtigung der Uterusdurchblutung bei Schwangeren. • Wirkdauer länger als bei anderen Katecholaminen. • Intermittierende Bolusapplikation gut möglich. • In Deutschland häufig eingesetztes Notfallmedikament, insbesondere bei leichter bis mittelschwerer (nicht akut lebensbedrohlicher) Hypotension. ▶ Dosierung: 0,5–2 ml i. v. (titrierende Dosierung).

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.7 Katecholamine und Sympathomimetika

▶ Beachte: Alupent galt lange bei Bradykardie als Mittel der Wahl. Heute wird aber ■

Fenoterol, Salbutamol, Terbutalin, Reproterol ▶ Wirkungsmechanismus (Tab. 8.2): Überwiegend Stimulation der β2-Rezeptoren. ▶ Wirkungen: • Bronchodilatation. • Wehenhemmung. • Senkung der Serum-Kalium-Konzentration. ▶ Indikationen: • Asthmaanfall. • Dekompensierte COPD. • Bronchospasmus, z. B. nach Reizgasinhalation. • Vorzeitige Wehen. • Lebensbedrohliche Hyperkaliämie. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Effektivste Bronchodilatatoren. • Inhalative Gabe zur Bronchospasmolyse bevorzugen. Nur in sehr schweren Fällen oder beim bewusstlosen Patienten Injektion durchführen (z. B. Terbutalin s. c. oder Reproterol i. v.); Überlegenheit der intravenösen Gabe gegenüber der inhalativen Applikation auch im Status asthmaticus nicht belegt. • Bei Überdosierung: Tachykarde Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris. • Wirkdauer der Substanzen: 3–4 h. • Verabreichungswege: – Per inhalationem (Spray): Fenoterol, Salbutamol. – Intravenös als Bolus oder kontinuierlich zur Bronchospasmolyse: Reproterol. – Intravenös zur kontinuierlichen Wehenhemmung: Fenoterol. – Subkutan: Terbutalin. ▶ Dosierung: • Fenoterol: – Spray: 2(–5) Hübe à 0,1 mg p. i. (Bronchodilatation, Tokolyse). – Kontinuierlich: 0,5–3,0 μg/min i. v. (Tokolyse). • Salbutamol-Spray: 2(–5) Hübe à 0,1 mg p. i. (Bronchodilatation, Tokolyse). 177

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.8 Parasympatholytika

• Terbutalin: 0,25–0,5 mg s. c. (Bronchodilatation). • Reproterol: – Bolus: 0,09 mg (≙ 1 Amp.) langsam i. v. (Bronchodilatation). – Kinder: 1,2 μg/kgKG über 1 min. (1 ml Injektionslösung mit 14 ml isotoner Kochsalzlösung aufziehen; 1 ml fertige Lösung enthält 6 µg Reproterol und reicht für jeweils 5 kgKG.) – Kontinuierlich: 0,2 μg/kgKG/min.

9.8 Parasympatholytika Wirkungsmechanismus ▶ Acetylcholinantagonismus an muskarinergen Rezeptoren.

Atropin ▶ Wirkungen: • Tachykardie: – Steigerung der Herzfrequenz bei Sinusbradykardie. – Erhöhung der AV-Überleitungsgeschwindigkeit. • Bronchodilatation. • Spasmolyse. • Hemmung der Speichel- und Bronchialsekretion. • Pupillenerweiterung → Mydriasis. • Zentrale Wirkung: Gefahr eines zentralen anticholinergen Syndroms (ZAS, S. 457). ▶ Indikationen: • Bradykardie. • Asystolie (nur zusammen mit Adrenalin; nicht obligat). • Vergiftung mit Alkylphosphaten (Insektizidvergiftung). ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Sehr niedrige Dosen ( < 0,25 mg bei Erwachsenen) können zur Bradykardie führen! • Maximale vagolytische Wirkung bei 0,04 mg/kgKG (ca. 3 mg bei Erwachsenen). Weitere Dosissteigerung bei Bradykardie und Asystolie nicht sinnvoll. • Erheblich höhere Dosierung bei Alkylphosphatvergiftung erforderlich! • Darreichungsformen: – Üblicherweise: 0,5 mg/ml. – Als Antidot für Alkylphosphatvergiftung: 100 mg/10 ml. ▶ Dosierung: • Bradykardie: 5–10 μg/kgKG (0,5 mg) i. v., evtl. repetitiv bis zu einer Gesamtdosis von 40 μg/kgKG bzw. 3 mg. • Asystolie: 40 μg/kgKG (3 mg) einmalig i. v. (nicht obligat). • Alkylphosphatintoxikation: Titrierende Dosissteigerung, ausgehend von 50– 100 μg/kgKG (5–10 mg) i. v. bis Bronchial- oder Speichelsekretion sistiert. Keine Höchstdosis!

Butylscopolamin

178

▶ Wirkungen: • Spasmolyse an der glatten Muskulatur des Magen-Darmtrakts, der Gallenwege, der ableitenden Harnwege und des Uterus. • Tachykardie und Tachyarrhythmie (geringer als bei Atropin). • Hemmung der Speichel- und Bronchialsekretion. • Pupillenerweiterung → Mydriasis. ▶ Indikationen: Koliken, kolikartige Schmerzen (ggf. in Kombination mit Analgetika und Nitroglycerin). ▶ Dosierung: 0,3 mg/kgKG (20 mg) i. v.

9.9 Vasodilatatoren und Sympatholytika Grundlagen ▶ ACE-Hemmer und Phosphodiesterase-III-Hemmer (sog. Inodilatatoren wie Enoximon) sind in der Rettungsmedizin z. Zt. unüblich. ▶ Indikationen: • Hypertensive Krise: Nitroglycerin, Nifedipin, Urapidil, Clonidin, Verapamil, Dihydralazin. • Linksherzinsuffizienz und Lungenödem: Nitroglycerin. • Angina pectoris: Nitroglycerin, β-Blocker. • Myokardinfarkt: Nitroglycerin, β-Blocker. • Supraventrikuläre Tachykardien: Verapamil, β-Blocker. • Kolikartige Schmerzen: Nitroglycerin.

Nitrate ▶ Präparate: • Glyceroltrinitrat = Nitroglycerin (NTG). • Isosorbiddinitrat (ISDN). ▶ Wirkungsmechanismus: Freisetzung des körpereigenen „Endothelium-derived relaxing Factors“ (EDRF = Stickstoffmonoxid = NO) aus dem Gefäßendothel. ▶ Wirkungen: • Vorwiegend venöse Vasodilatation → Vorlastsenkung. • In höheren Dosen auch arterielle Vasodilatation → Nachlastsenkung. • Arterielle und pulmonalarterielle Blutdrucksenkung durch Verminderung des venösen Rückstroms. • Senkung des myokardialen Sauerstoffbedarfs. • Antianginöse Wirkung. • Relaxation der glatten Muskulatur in Gallenblase, Darm, ableitenden Harnwegen und Uterus. ▶ Unerwünschte Wirkungen: • Reflextachykardie. • Kopfschmerzen. • Dilatation zerebraler Gefäße (Gefahr der Hirndrucksteigerung). ▶ Indikationen: • Angina pectoris. • Myokardinfarkt, akutes Koronarsyndrom. • Linksherzinsuffizienz. • Lungenödem. • Hypertensive Krise. • Kolikartige Schmerzen. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Sublingual als Kapsel oder Spray, intravenös als Bolus oder kontinuierlich. Im Rettungsdienst sublinguale Gabe meist ausreichend! • NTG ist eines der am häufigsten verwendeten Notfallmedikamente. • Vorsicht bei Hypotension mit Blutdruckwerten < 100 mmHg systolisch! ▶ Dosierung von Nitroglycerin: • Spray: 2–3 Hübe à 0,4 mg s. l., evtl. repetitiv im Abstand von einigen Minuten. • Bolusinjektionen: 0,5 mg i. v., evtl. repetitiv. • Kontinuierliche Gabe: 0,3–3 μg/kgKG/min i. v.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.9 Vasodilatatoren und Sympatholytika

Dihydralazin ▶ Handelsname: Nepresol inject. ▶ Wirkungsmechanismus: Unbekannt (Eingriff ins NO-System?). 179

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

180

9.9 Vasodilatatoren und Sympatholytika

▶ Wirkung: • Blutdruckabfall durch Vasodilatation vorwiegend im arteriellen Schenkel. • Keine Verminderung der Uterusdurchblutung. ▶ Unerwünschte Wirkungen: • Oft ausgeprägte Reflextachykardien. • Kopfschmerzen. ▶ Indikationen: • Hypertensive Krise: Reservetherapeutikum. • Hypertensive Krise in der Schwangerschaft: Galt hier lange Zeit als Mittel der Wahl, ist aber heute von anderen Antihypertensiva, v. a. Nifedipin und Urapidil, abgelöst. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Vorwiegend i. v. als Bolus. • Kombination mit einem β-Blocker oder Clonidin zur Abschwächung der Reflextachykardie möglich. ▶ Beachte: Wirkungseintritt nach i. v.-Gabe verzögert (5–20 min)! ■ ▶ Dosierung: 6,25–12,5 mg i. v.

Kalziumkanal-Blocker ▶ Präparate: • Nifedipin und andere Dihydropyridine, z. B. Nicardipin. • Verapamil. • Diltiazem. ▶ Wirkungsmechanismus: Verringerung des langsamen Kalziumeinstroms. ▶ Wirkungen: • Alle Kalziumkanal-Blocker: – Vasodilatation, Verringerung des peripheren Widerstands. – Blutdrucksenkung. – Antianginös. • Dihydropyridine (sog. vasoselektive Kalziumkanal-Blocker): – Reflextachykardie. – Gering negativ inotrop. • Verapamil und Diltiazem (sog. kardioselektive Kalziumkanal-Blocker): – Hemmung der AV-Überleitung. – Negativ inotrop. ▶ Indikationen im Rettungsdienst: • Alle Kalziumkanal-Blocker, vor allem aber Nifedipin und andere Dihydropyridine: Hypertonie, hypertensive Krise. • Verapamil und Diltiazem: Akutes Koronarsyndrom (2. Wahl nach β-Blockern); supraventrikuläre Tachykardie, v. a. Tachyarrhythmia absoluta (Antiarrhythmika Klasse IV). ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Nifedipin: – Applikation v. a. p. o., da schnelle intestinale Resorption: Kapsel zerbeißen und schlucken lassen (sublinguale Resorption sehr schlecht). – Bei nicht ausreichender Wirkung keine Wiederholung. – Neuerdings wird v. a. im amerikanischen Schrifttum von der in Deutschland empfohlenen Gabe von Nifedipin p. o. zur Therapie der hypertensiven Krise abgeraten. Es wurden schwere Hypotensionen und sogar Todesfälle berichtet. – Andererseits ist Nifedipin für diese Indikation sehr verbreitet und gilt insbesondere bei der hypertensiven Krise im Rahmen einer Präeklampsie heute als Mittel der Wahl. – Intravenöse Gabe in der Rettungsmedizin unüblich. Sie erfolgt in der Klinik meist kontinuierlich mit einer Motorspritzenpumpe.

Wichtig! ▶ Versehentliche Anwendung von Kalziumkanal-Blockern vom Verapamil- oder Diltiazem-Typ bei ventrikulärer Tachykardie ist lebensgefährlich! ▶ Keine Kombination von Kalziumkanal-Blockern vom Verapamil- oder Diltiazem-Typ mit β-Blockern! Gefahr lebensbedrohlicher Bradykardie und Herzversagen! ▶ Dosierungen: • Nifedipin: 5–10 mg p. o. • Verapamil: 5 mg i. v. langsam über 2–3 min. • Diltiazem: 10–25 mg i. v. langsam über 2–3 min.

Urapidil ▶ Wirkungsmechanismus: • Blockade der postsynaptischen α1-Rezeptoren (peripher). • Stimulation zentraler Serotonin-Rezeptoren (5-HT1A-Rezeptoren) mit Senkung des Sympathikotonus. ▶ Wirkung: • Vasodilatation im arteriellen und venösen Strombett. • Blutdrucksenkung ohne Reflextachykardie. • Keine Zunahme des Hirndrucks. ▶ Indikationen: • Hypertensive Krise (auch in der Schwangerschaft). • Blutdrucksenkung bei neurologischen Notfällen, wenn erforderlich. ▶ Anwendungshinweise und Kommentar: • Applikation i. v. als Bolus. • Antihypertensivum der 1. Wahl bei o. g. Indikationen. ▶ Dosierung: 25–50 mg langsam i. v.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.9 Vasodilatatoren und Sympatholytika

• Verapamil und Diltiazem: – Meist i. v. als Bolus. – Keine Indikation bei WPW-Syndrom und Arrhythmien ventrikulärer Genese. ▶ Beachte: Kombination von Kalziumkanal-Blockern vom Nifedipin-Typ mit β-Blo■ ckern möglich!

Clonidin ▶ Wirkungsmechanismus: • Vorwiegend über zentrale Stimulation der postsynaptischen α2-Rezeptoren. • Geringe Stimulation der α1-Rezeptoren (Verhältnis α2:α1 beträgt etwa 220:1) kann passager zum Blutdruckanstieg führen. • Periphere Hemmung der sympathoadrenergen Übertragung durch Hemmung präsynaptischer α2-Rezeptoren. ▶ Wirkungen: • Senkung des Sympathikotonus. • Antihypertensiv ohne Reflextachykardie. • Sedierende und analgetische Komponente. ▶ Indikation im Rettungsdienst: • Hypertensive Krise. • Adjuvant zu Analgetika, Sedativa oder Neuroleptika bei starken Schmerzen oder Unruhe und eher hypertensiv-tachykardem Kreislauf. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Wirkbeginn: Innerhalb 15 min. • Wirkmaximum: Nach 30–60 min. • Wirkdauer: Ca. 6–8 h. 181

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

182

9.9 Vasodilatatoren und Sympatholytika

• Langsame i. v.-Injektion! Schnelle Injektion kann initial zu weiterem Blutdruckanstieg führen! • Alternativ (ausnahmsweise): i. m.-Applikation. ▶ Dosierung: 0,075–0,15 mg langsam i. v.

β-Blocker ▶ Gebräuchliche Präparate in der Rettungsmedizin (Auswahl): • Metoprolol. • Esmolol. ▶ Einteilung der β-Blocker: • Nach Wirkdauer: – Kurzwirksame β-Blocker: Esmolol ( < 10 min). – Mittellang wirksame β-Blocker: z. B. Metoprolol (2–4 h). – Langwirksame β-Blocker: z. B. Atenolol (6–9 h); im Rettungsdienst unüblich. • Nach β-Rezeptor-Selektivität: – β1- und β2-Rezeptor-Antagonisten (nichtselektive β-Blocker), z. B. Propranolol. Heute im Rettungsdienst eher unüblich. – β1-selektive Antagonisten, z. B. Esmolol, Metoprolol, Atenolol. • Nach intrinsischer Aktivität: – β-Blocker ohne intrinsische Aktivität: z. B. Esmolol und Metoprolol. – β-Blocker mit intrinsischer Aktivität: z. B. Pindolol. ▶ Wirkungsmechanismus: Blockade der β-Rezeptoren bzw. deren Subpopulationen. ▶ Wirkungen: • Negativ inotrop. • Negativ chronotrop → Senkung der Herzfrequenz. • Antiarrhythmisch (β-Blocker = Antiarrhythmika Klasse II). • Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs. • Antianginös. ▶ Unerwünschte Wirkungen: • Bradykardie. • Verstärkung einer Herzinsuffizienz bei Überdosierung. • Bronchospasmus (bei β1-selektiven Blockern geringere Wahrscheinlichkeit, aber nicht ausgeschlossen!). ▶ Indikationen im Rettungsdienst: • Tachykardie, v. a. bei supraventrikulärer Genese (Antiarrhythmika Klasse II). • Akutes Koronarsyndrom, Myokardinfarkt. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Vorsichtige intravenöse Bolusapplikation. • Bei Koronarinsuffizienz und Myokardinfarkt keine Präparate mit intrinsischer Aktivität wählen, da diese den myokardialen Sauerstoffverbrauch steigern. • In der Rettungsmedizin zur besseren Steuerbarkeit kurz- oder mittellang wirksame Präparate wie Esmolol oder Metoprolol bevorzugen. ▶ Cave: Keine Kombination von intravenösen β-Blockern mit Kalziumkanal-Blo■ ckern vom Verapamil- oder Diltiazem-Typ! ▶ Beachte: Kombination von intravenösen β-Blockern und Kalziumkanal-Blockern ■ vom Nifedipin-Typ jedoch möglich. ▶ Dosierungen: • Esmolol: 35 mg (0,5 mg/kgKG) über 1 min i. v.; dann evtl. 50–100 μg/kgKG/min kontinuierlich i. v. • Metoprolol: 2,5–5 mg i. v.

9.10 Antikoagulanzien,

Thrombozytenaggregationshemmer

Heparin ▶ Präparate: • Unfraktioniertes Heparin (UFH). • Niedermolekulares Heparin (NMH), z. B.: – Enoxaparin (Clexane). – Dalteparin (Fragmin). – Nadroparin (Fraxiparin). ▶ Wirkungsmechanismus: • Inhibition mehrerer plasmatischer Gerinnungsfaktoren, v. a. F Xa und F IIa (NMH vorwiegend F Xa). • Kofaktor von Antithrombin III. • In hohen Dosen auch Hemmung der Thrombozytenaggregation und -adhäsion sowie fibrinolytische Komponente. ▶ Wirkung: Gerinnungshemmung (Inhibition der plasmatischen Gerinnung). ▶ Unerwünschte Wirkungen: • Blutung (insb. Hirnblutung). • Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT II); häufiger bei UFH. ▶ Indikationen für die Rettungsmedizin: • Akutes Koronarsyndrom (ACS: Myokardinfarkt und instabile Angina pectoris). • Lungenembolie (LE). ▶ Weitere Indikationen (nach Diagnosesicherung in der Klinik, nicht präklinisch): • Ischämischer Schlaganfall (umstritten). • Arterielle Verschlusskrankheit und tiefe Venenthrombosen. ▶ Kontraindikationen: • Manifeste Blutung oder Blutungsneigung. • Gravidität. • Bekannte HIT II. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Nutzen der präklinischen Applikation (zusätzlich zu ASS) beim ACS nicht eindeutig nachgewiesen, jedoch empfohlen. • NMH gelten zur Therapie von ACS und LE als mindestens gleichwertige (und möglicherweise effektivere) Alternative zu UFH. • UFH: Applikation zunächst als Bolus, dann (in der Klinik oder auf längerem Transport) kontinuierlich mittels Perfusor i. v. • NMH: Subkutane Bolusgabe; intravenöse Gabe initial möglich. ▶ Dosierung: • UFH: – Bolus: 50-100 I.E./kgKG (5 000–7 500 I.E.) i. v. (je nach Indikation). – Kontinuierliche Infusion: 10–20 I.E./kgKG/h (700–2 000 I.E./h) i. v. • NMH (empfohlene Dosierungen): – Dalteparin: 2 500-5 000 IE. s. c. (2 × /d) – Enoxaparin: 1 mg/kgKG s. c. (2 × /d) – Nadroparin: Gewichtsadaptiert z. B. bei 70 kgKG → 0,7 ml s. c. (2 × /d)

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.10 Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmer

Acetylsalicylsäure Weitere Informationen zur analgetischen Wirkung siehe auch S. 197f. Wirkungsmechanismus: Hemmung der thrombozytären Zyklooxygenase. Wirkung: Gerinnungshemmung (Thrombozytenaggregationshemmung). Indikationen für die Rettungsmedizin: Akutes Koronarsyndrom (Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris). ▶ Weitere Indikationen (nach Diagnosesicherung in der Klinik):

▶ ▶ ▶ ▶

183

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.11 Fibrinolytika

• Ischämischer Schlaganfall. • Arterielle Verschlusskrankheit. ▶ Ungesicherte Indikation: Dekompressionstrauma (Tauchunfall). ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Applikation i. v. oder – wenn nicht anders möglich – auch p. o. (oder als Kautablette). • Weitere Wirkungen und Kontraindikationen S. 197f. ▶ Dosierung: 325–500 mg i. v. oder p. o.

9.11 Fibrinolytika Substanzen ▶ Streptokinase (z. B. Streptase). ▶ Urokinase (z. B. Actosolv). ▶ Alteplase (rt-Pa, recombinant Tissue Plasminogen Activator, z. B. Actilyse): kurze Halbwertszeit (ca. 4 min). ▶ Reteplase (r-PA, recombinant Plasminogen Activator, Rapilysin), sog. Deletionsmutante von t-Pa mit längerer Halbwertszeit (ca. 15 min). ▶ Tenecteplase (Metalyse): Deletionsmutante von t-Pa mit noch längerer Halbwertszeit ( > 30 min).

Wirkungsmechanismus und Wirkung ▶ Wirkungsmechanismus: • Umwandlung (Aktivierung) von Plasminogen zu Plasmin. • Dadurch Spaltung von Fibrinogen und Fibrin. • Alte-, Rete-, Tenecteplase: Relativ spezifische Affinität zu fibringebundenem Plasminogen. ▶ Wirkung: Fibrinolyse, Thrombolyse.

Indikationen, Anwendungshinweise und Kommentare ▶ Myokardinfarkt mit ST-Hebung (STEMI): Frühestmögliche Wiedereröffnung der verschlossenen Koronargefäße anstreben, da die perkutane Koronarintervention (PCI) offenbar effektiver ist. Präklinische Lysetherapie erwägen nur bei: • Sehr langer Transportdauer ( > 60 min). • Nichtverfügbarkeit einer akuten PCI im Krankenhaus (innerhalb von 90 min). • Reanimation eines Patienten mit wahrscheinlichem akutem Myokardinfarkt (umstrittene Indikation). ▶ Lungenembolie Stadium III oder IV (Schock oder Kreislaufstillstand, s. S. 305ff): • Stellenwert der präklinischen Lysetherapie nicht klar definiert. • Versuch in lebensbedrohlichen Situationen gerechtfertigt. ▶ Voraussetzungen für die präklinische Lysetherapie: • Arzt mit der Methode vertraut, Medikamente verfügbar. • Typische klinische Symptome bei Myokardinfarkt: – 12-Kanal-EKG. – Signifikante ST-Hebungen in mindestens 2 Extremitäten- oder Brustwandableitungen. – Beginn der Beschwerden vor weniger als 4–6 h. • Typische klinische Symptome bei Lungenembolie: – Akut lebensbedrohlicher Zustand (Stadium III/IV). – Hochwahrscheinliche Diagnose. • Keine Kontraindikationen. ▶ Weitere Indikationen (nach Diagnosesicherung in der Klinik): • Arterielle Verschlusskrankheit. 184

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.11 Fibrinolytika

• Nur rt-Pa: Ischämischer Schlaganfall (nach computertomografischem Ausschluss einer intrazerebralen Blutung), Basilaristhrombose. ▶ Kontraindikationen: • Allgemein: – Manifeste Blutung (insbesondere zerebral und intrathorakal). – Blutungsneigung, Markumarisierung. – Schlaganfall. – Schwere, schlecht eingestellte Hypertonie. – Gravidität im 1. Trimenon. – Vorausgegangene Entbindung oder größere Operation. • Speziell bei Streptokinase: – Vorausgegangene Streptokinasetherapie im Laufe des letzten Jahres. – Bekannte Allergie gegen Streptokinase. • Im lebensbedrohlichen Notfall (Reanimationssituation): Kontraindikationen relativieren! ▶ Lebensbedrohliche Gefahren: • Hirnblutung. • Thorakale Blutung (z. B. aus dissezierendem Aortenaneurysma). • Reperfusionsarrhythmien. ▶ Anwendung zusammen mit oder nach ASS: Sinnvoll; Prognoseverbesserung nach Myokardinfarkt! ▶ rt-Pa (bzw. t-Pa-Deletionsmutanten) oder Streptokinase? • Vorteile von rt-Pa: Wahrscheinlich effektiver und sicherer. • Vorteile von Streptokinase: Erheblich preisgünstiger. ▶ Beachte: Eine Lysetherapie mit Alte-, Rete- oder Tenecteplase ist etwa 6-mal so ■ teuer (ca. 1 200–1 500 €) wie die Lyse mit Streptokinase (ca. 250 €).

Dosierungen (gängige Empfehlungen) ▶ Streptokinase (Kurzzeitlyse): • Myokardinfarkt: – Streptokinase 1,5 Mio I.E. i. v. über 30–60 min. – Dann Heparin 5 000 I.E. i. v., gefolgt von 1 000 I.E./h i. v. • Lungenembolie: – Streptokinase 250 000 I.E. i. v. über 30 min, gefolgt von 100 000 I.E./h über 12– 24 h. – Intensiviertes Regime: 1,5 Millionen I.E. über 2 h. – Heparin 60 I.E./kgKG (max. 4 000 I.E.) i. v., gefolgt von 12 I.E./kgKG (max. 1 000 I.E./h) i. v. – Alternativ Enoxaparin (Clexane multidose). Patienten < 75 Jahren und Kreatinin ≤ 2,5 mg/ml (Männer)/ ≤ 2,0 mg/ml (Frauen) → 30 mg i. v. gefolgt von 1 mg/kgKG s. c. alle 12 h (die ersten beiden s. c. Dosen sollten 100 mg nicht überschreiten). Patienten > 75 Jahren erhalten nur die s. c. Gaben (max. 75 mg für die ersten beiden Dosen). Bei Kreatininclearance < 30 ml wird die s. c. Dosis nur 1 x tgl. verabreicht (unabhängig vom Alter). ▶ Urokinase: • Myokardinfarkt: Nicht empfohlen. • Lungenembolie: – 4 400 I.E./kgKG als Loadingdose über 10 min, gefolgt von 4 400 I.E./kgKG/h über 12–24 h. – Intensiviertes Regime: 3 Millionen I.E. über 2 h – Dann Heparin 5 000 I.E. i. v., gefolgt von 1 000 I.E./h i. v. ▶ rt-Pa (Alteplase): • Myokardinfarkt: Insgesamt max. 100 mg i. v.: – Zunächst 15 mg als Bolus. – Dann 50 mg über 30 min (0,75 mg/kgKG) . 185

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.12 Alkalisierende Pharmaka (Puffersubstanzen)

– Dann 35 mg über 60 min (0,5 mg/kgKG). – Heparin und Enoxiparin wie bei Streptokinase • Lungenembolie: z. B. 0,6 mg/kgKG (max. 50 mg) i. v. über 15 min oder 100 mg über 2 h. ▶ t-Pa-Deletionsmutanten zur Lysetherapie des Myokardinfarkts: • Reteplase: Bolus 10 + 10 I.E. (im Abstand von 30 min). • Tenecteplase Einzelbolus gewichtsabhängig (siehe Fertigspritzenaufdruck): Bolus 0,5 mg/kgKG (bis max. 50 mg).

9.12 Alkalisierende Pharmaka (Puffersubstanzen) Substanzen ▶ Natriumbicarbonat (NaHCO3, NaBic). ▶ Trishydroxymethylaminomethan (Tris-Puffer, THAM).

Wirkungsmechanismus ▶ Natriumbicarbonat (NaHCO3): Reagiert nach Dissoziation in Na + und Bicarbonat mit H + -Ionen unter Bildung von Kohlensäure und Wasser (CO2-generierender Puffer) → HCO3- + H + = CO2 + H2O. ▶ THAM: Chemische Bindung der H + -Ionen ohne CO2-Generierung.

Wirkungen ▶ Alkalisierung des Blutes, Anstieg des Standardbicarbonats, Abnahme des Basendefizits, Anstieg des Blut-pH (nicht notwendigerweise auch des Gewebe-pH bzw. des intrazellulären pH!). ▶ Abfall der Serum-Kaliumkonzentration. ▶ Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve: Erschwerte Abgabe von Sauerstoff im Gewebe.

Indikationen ▶ Gesichert bzw. allgemein akzeptiert: • Akuttherapie bei lebensbedrohlicher Hyperkaliämie. • Kreislaufstillstand bei Überdosis trizyklischer Antidepressiva. • Bicarbonatsubstitution bei erhöhtem Bicarbonatverlust bzw. verminderter Bicarbonatproduktion (z. B. Azidose bei Nierenversagen). ▶ Ungesichert bzw. zweifelhaft: • Puffertherapie bei schwerer metabolischer Azidose aufgrund von Gewebehypoxie sowie bei Ketoazidose. ▶ Beachte: Puffertherapie bei prolongierter CPR wird in den ERC Richtlinien 2005 ■ präklinisch nicht mehr empfohlen.

Anwendungshinweise und Kommentare ▶ Meist eingesetzte Puffersubstanz: Natriumbicarbonat (NaHCO3). Erfahrungen mit THAM sind insgesamt begrenzt. ▶ NaHCO3 liegt meist als 8,4 %ige Lösung vor: 1 ml = 1 mmol. ▶ Bei gleichzeitiger Gabe von Katecholaminen und NaHCO3 über einen Zugang können die Katecholamine inaktiviert werden. ▶ NaHCO3 kann durch CO2-Produktion die intrazelluläre Azidose verstärken und die Sauerstoffabgabe im Gewebe erschweren. ▶ Es gibt keine Hinweise darauf, dass die präklinische Puffertherapie die Prognose des Notfallpatienten verbessert. Für die präklinische, „blinde“ (ohne Kenntnis des aktuellen pH) Puffertherapie gibt es daher keine klaren Indikationen. Auch die Puffertherapie einer nachgewiesenen metabolischen Azidose ist in den meisten Fällen (hypoxische Azidose, Ketoazidose) von unbewiesenem Wert. 186

Dosierung ▶ Natriumbicarbonat (8,4 % = 1 mmol/ml): • In Kenntnis des pH-Wertes und des Basendefizits (in der Rettungsmedizin meist nicht der Fall): – Astrup-Formel: mmol NaHCO3 = 0,3 × kgKG × Basendefizit; davon zunächst die Hälfte i. v.; Ziel-pH > 7,2. – Alternativ alle 10 min 50 mmol (≙ 50 ml NaBic 8,4 %) Nabic i. v. bis zu einen pH > 7,2. • In Unkenntnis des pH-Wertes (in der Rettungsmedizin meist der Fall): Während CPR kann nach 10 min eine Gabe von 50 ml Nabic i. v. erwogen werden, ggf. auch wiederholen (idealerweise unter BGA-Kontrolle).

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.13 Antiarrhythmika

▶ Eine Pufferung bei Überdosierung mit trizyklischen Antidepressiva und bei lebensbedrohlicher Hyperkaliämie kann von Nutzen sein (z. B. Gabe von 50 ml NaBic 8,4 %). ▶ Beachte: ■ • Präklinische Blindpufferung – wenn überhaupt – nur bei langandauernder CPR erwägen. • Insbesondere bei niereninsuffizienten Patienten kann man eine Blindpufferung bei Verdacht auf Hyperkaliämie im späteren Verlauf einer CPR erwägen. • Überschießende Pufferung auf jeden Fall vermeiden! • Eine Azidose wird meist besser toleriert als eine Alkalose. • Die beste Therapie einer Azidose unter CPR ist die rasche Wiederherstellung einer adäquaten Gewebsperfusion und eine ausreichende Beatmung.

9.13 Antiarrhythmika Substanzen und ihre Wirkungsweise nach der Vaughan-WilliamsKlassifikation ▶ Klasse I: Natrium-Kanal-Blocker. • Klasse Ia: Verlängerung der Aktionspotenzialdauer; z. B. Ajmalin (Gilurytmal). Weitere Substanzen: Disopyramid (Rythmodul), Procainamid (in Deutschland nicht in injizierbarer Form im Handel). • Klasse Ib: Verkürzung der Aktionspotenzialdauer; z. B. Lidocain (Xylocain). Weitere Substanzen: Mexitilen (Mexitil), Phenytoin (Phenhydan). • Klasse Ic: Keine Änderung der Aktionspotenzialdauer; z. B. Propafenon (Rytmonorm). Weitere Substanz: Flecainid (Tambocor). ▶ Klasse II: β-Rezeptoren-Blocker: z. B. Metoprolol (Beloc), Esmolol (Brevibloc). Weitere Substanzen: Atenolol (Tenormin), Pindolol (Visken), Propranolol (Dociton), Sotalol (Sotalex; auch Klasse III). ▶ Klasse III: Kaliumkanal-Blocker; z. B. Amiodaron (Cordarex). Weitere Substanz: Sotalol (Sotalex; auch Klasse II). ▶ Klasse IV: Kalziumkanal-Blocker; z. B. Verapamil (Isoptin). Weitere Substanz: Diltiazem (Dilzem).

Weitere antiarrhythmisch wirkende Pharmaka ▶ Digitalisglykoside: Hemmung der membrangebundenen Na + /K + -ATPase und Verstärkung der Parasympathikuswirkung; z. B. Digoxin (Lanicor). ▶ Adenosin: Agonistische Wirkung an Adenosinrezeptoren und dadurch Verstärkung der Parasympathikuswirkung; Handelsname: Adrekar. ▶ Magnesium: Kalziumantagonistische Wirkung; z. B. Magnesiumsulfat (Cormagnesin).

Generelle Indikation, Anwendungshinweise und Kommentare ▶ Supraventrikuläre oder ventrikuläre Tachyarrhythmien. 187

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9

9.13 Antiarrhythmika

▶ Globale Übersicht über die Indikationsspektren: • Klasse Ib (Lidocain): Nur bei ventrikulären Rhythmusstörungen. • Klasse IV (Kalziumkanal-Blocker), Digitalisglykoside und Adenosin: Nur bei supraventrikulären Rhythmusstörungen. • Klasse Ia (Ajmalin), Ic (Propafenon), II (β-Blocker), III (Amiodaron) und Magnesium: Bei vielen ventrikulären und supraventrikulären Rhythmusstörungen (mit unterschiedlicher Effektivität). ▶ Gefährliche proarrhythmische Wirkungen: Bei allen Antiarrhythmika möglich. • Häufigkeit arrhythmogener Effekte: Je nach Situation und Pharmakon 5–20 % (im Mittel 10 %). • Besonders hohes Risiko bei herzkranken Patienten, intravenöser Zufuhr und vorbestehenden Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Hypomagnesiämie). ▶ Negativ inotrope Wirkung praktisch aller Antiarrhythmika (bis auf Digitalisglykoside) bedenken! • Ursache: Verminderte intrazelluläre Kalziumbereitstellung. • Folgen: Schwere Blutdruckabfälle und Verstärkung einer akuten Herzinsuffizienz möglich. • Ausprägung: – Besonders ausgeprägte negativ inotrope Wirkung bei vielen Antiarrhythmika der Klassen Ia, Ic, II und IV. – Geringer ausgeprägte negativ inotrope Wirkung bei Antiarrhythmika der Klassen Ib und III. ▶ Das Antiarrhythmikum mit der heute größten Bedeutung zur Therapie lebensbedrohlicher Arrhythmien ist Amiodaron. ▶ Beachte: ■ • Keine Rhythmuskosmetik im Notarztwagen! Daher Therapie mit Antiarrhythmika in der Rettungsmedizin nur dann, wenn der Patient durch die Rhythmusstörung hämodynamisch instabil oder ernsthaft gefährdet ist. • An adjuvante medikamentöse Maßnahmen und nichtmedikamentöse Rhythmustherapie denken: – Sedierung mit Benzodiazepinen bei aufgeregten Patienten. – Vagale Stimulationsmanöver, z. B. Pressen oder vorsichtige Karotissinusmassage. – Kardioversion und Defibrillation. • An nichtkardiogene Ursachen einer Tachyarrhythmie denken, z. B.: – Schmerzen → Analgetikagabe. – Hypovolämie → Volumengabe. – Hypoxie → Sauerstoffgabe, Beatmung.

Klasse Ia Beispiel: Ajmalin. Indikation: Ventrikuläre und supraventrikuläre Rhythmusstörungen. Wichtige Kontraindikationen: Herzinsuffizienz, Bradykardie, Adams-Stokes-Anfälle. Anwendungshinweise und Kommentare: • Bei nichtischämischen ventrikulären Rhythmusstörungen oft effektiver als Lidocain. • Kann auch bei WPW-Syndrom gegeben werden. ▶ Dosierung: 0,5–1 mg/kgKG i. v. (50 mg) i. v.

▶ ▶ ▶ ▶

Klasse Ib ▶ Beispiel: Lidocain. ▶ Indikation: • Rhythmustherapie: Ventrikuläre Rhythmusstörungen. • Weitere Indikationen: Lokalanästhesie. 188

Klasse Ic ▶ Beispiel: Propafenon. ▶ Indikation: Ventrikuläre und supraventrikuläre Rhythmusstörungen. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Bei nichtischämischen ventrikulären Rhythmusstörungen oft effektiver als Lidocain. • Kann auch bei WPW-Syndrom gegeben werden. ▶ Wichtige Kontraindikationen: • Herzinsuffizienz (LVEF < 35 %), Z. n. Myokardinfarkt (innerhalb der ersten 3 Monate). • Speziell bei Propafenon zusätzlich schwere Hypotonie, schwere COPD, Myasthenia gravis, ausgeprägte Reizleitungsstörungen (SA- bzw. AV-Block II-III°, Schenkelblock) ohne Schrittmacher-Implantation. ▶ Dosierung: 1 mg/kgKG i. v. (70 mg); 0,5 mg/kgKG können bereits wirksam sein, ggf. bis 2 mg/kgKG steigern.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.13 Antiarrhythmika

▶ Wichtige Kontraindikation: Höhergradige Überleitungsblockierungen, innerhalb der ersten 3 Monate nach Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz (LVEF < 35 %). ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Traditionell Antiarrhythmikum der 1. Wahl bei ventrikulären Rhythmusstörungen, auch unter CPR; heute in dieser Hinsicht von Amiodaron abgelöst. • Bei ischämischen ventrikulären Rhythmusstörungen oft gut wirksam. • Vorsichtige Gabe bei schwerer Hypotonie. • Keine Wirkung bei supraventrikulären Rhythmusstörungen. • Unerwünschte Wirkungen: Zerebrale Krampfanfälle; andererseits kann Lidocain auch einen Status epilepticus durchbrechen. ▶ Dosierung: 1–2 mg/kgKG i. v. (50–100 mg) i. v.

Klasse II (β-Blocker) ▶ Beispiel: Metoprolol. ▶ Indikation: Vorwiegend supraventrikuläre, aber auch ventrikuläre Rhythmusstörungen. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Nicht indiziert bei WPW-Syndrom. • Weitere Hinweise siehe S. 182f. ▶ Wichtige Kontraindikationen: • Höhergradiger AV-Block, kardiogener Schock, Bradykardie , Hypotonie, Z. n. i. v.Gabe von antiarrhythmisch wirksamen Kalzium-Antagonisten. • Relativ: COPD, Asthma bronchiale. ▶ Dosierung: 0,05 mg/kgKG i. v. (2,5–5 mg) i. v., am besten fraktioniert in 1 mg-Schritten.

Klasse III ▶ Beispiel: Amiodaron. ▶ Indikation: Ventrikuläre und supraventrikuläre Rhythmusstörungen. ▶ Wichtige Kontraindikationen: Höhergradige AV-Blockierungen, Sinusknotensyndrom, Hyperthyreose. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Antiarrhythmikum der Wahl zur Akuttherapie der meisten schweren supraventrikulären und ventrikulären Rhythmusstörungen, auch unter oder nach CPR. • Auch häufig zur Langzeittherapie von Rhythmusstörungen eingesetzt; dann sind schwerwiegende Nebenwirkungen möglich (u. a. thyreotoxische Krise, Lungenfibrose). • Unerwünschte Wirkungen bei i. v.-Injektion: Blutdruckabfall und Bradykardie. • Zur Verdünnung G 5 % verwenden. 189

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

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9.13 Antiarrhythmika

▶ Dosierung: • Generelle Empfehlung: 150–300 mg (4 mg/kgKG) langsam i. v.; dann ggf. 300 mg bzw. 4 mg/kgKG i. v. über 1 h. Gesamtdosis in den ersten 24 h: etwa 1 000 mg. • Bei rezidivierendem Kammerflimmern unter CPR: 300 mg i. v.; danach weitere 150 mg als Bolus; danach ggf. (mittels Infusion oder Motorspritzenpumpe) 900 mg/24 h.

Klasse IV (Kalziumkanal-Blocker) ▶ Beispiel: Verapamil. ▶ Indikation: Ausschließlich supraventrikuläre Rhythmusstörungen, v. a. Tachyarrhythmia absoluta (Vorhofflimmern mit schneller Überleitung). ▶ Wichtige Kontraindikationen: Herzinsuffizienz, höhergradige AV-Blockierung, Sinusknotensyndrom, Vorhofflimmern bei WPW-Syndrom. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Keine Kombination mit β-Blockern. • Kombination mit Digitalisglykosiden möglich. • Nicht indiziert bei WPW-Syndrom (Risiko einer Kammertachykardie). • Gefährlich bei ventrikulären Rhythmusstörungen. • Weitere Hinweise siehe S. 180f. ▶ Dosierung: 0,05–0,2 mg/kgKG i. v. (2,5–5 mg) i. v. ▶ Beachte: Im Zweifelsfall soll auf die Anwendung von Verapamil verzichtet werden, ■ da bei nicht erkanntem Vorliegen einer ventrikulären Tachykardie deletäre Folgen drohen!

Digitalisglykoside ▶ Beispiel: Digoxin (Lanicor) ▶ Indikation: Tachyarrhythmia absoluta (TAA, Vorhofflimmern mit schneller Überleitung). ▶ Wichtige Kontraindikationen: Höhergradige AV-Blockierung, ventrikuläre Rhythmusstörungen, WPW-Syndrom. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Antiarrhythmische Wirkung durch Potenzierung der Parasympathikuswirkung, sog. „Vagusverstärker“. • Bei allen anderen Formen der supraventrikulären Tachykardie (außer TAA) nicht oder wenig wirksam. • Nicht indiziert bei ventrikulären Rhythmusstörungen und WPW-Syndrom. • Einzige positiv inotrop wirkende Gruppe von Antiarrhythmika. • Akute Herzinsuffizienz: Heute keine Indikation für den präklinischen Einsatz von Digitalisglykosiden mehr. • Schmale therapeutische Breite! ▶ Cave: ■ – Vorsicht bei Patienten mit vorbestehender Digitalisglykosidtherapie und Verdacht auf Hypokaliämie. – Nie zusammen mit Kalzium applizieren! ▶ Dosierung: 0,25–0,5 mg i. v.

Adenosin ▶ Indikation: Ausschließlich paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Antiarrhythmische Wirkung durch Potenzierung der Parasympathikuswirkung, wie Digitalisglykoside auch „Vagusverstärker“ genannt. • Mittel der Wahl bei o. g. Indikation: Beendigung der kreisenden Erregung in > 90 % der Fälle. • Bewirkt eine transiente, wenige Sekunden dauernde AV-Blockierung. 190

Magnesium ▶ Beispiel: Magnesiumsulfat. ▶ Indikationen: • Torsades de pointes (S. 291). • Evtl. supraventrikuläre und ventrikuläre Rhythmusstörungen (ungesicherte Indikation). • Weitere Indikation im Rettungsdienst: Eklampsie, Präeklampsie, Status asthmaticus (S. 372). ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Mittel der Wahl bei Torsades de pointes. • Stellenwert bei anderen Rhythmusstörungen sowie zur Prophylaxe von Postinfarkt-Arrhythmien ungesichert. • Mittel der Wahl bei Krampfanfällen im Rahmen der Präeklampsie. • ERC empfiehlt bei schockrefraktärem Kammerflimmern Applikation über 1–2 min. ▶ Dosierung: 8–16 mmol langsam i. v. oder als Kurzinfusion.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.14 Kalzium

• Unerwünschte Wirkungen: Flush, vorübergehende Brustenge; sehr selten ernsthafte Nebenwirkungen, auch bei fehlerhafter Indikation. • Wegen kurzer Wirkdauer schnelle Applikation notwendig. ▶ Dosierung: • Initial 6 mg i. v. als Bolus über 1–3 s. • Bei ausbleibender Wirkung nach 1–2 min 9 mg, dann 12 mg i. v. über 1–3 s. ▶ ■ Beachte: Bei WPW-Syndrom kann Adenosin in seltenen Fällen Vorhofflimmern mit einer gefährlich schnellen Überleitung hervorrufen!

9.14 Kalzium Grundlagen ▶ Substanzen: • Kalziumchlorid 10 %: 1 ml entspricht 1,36 mval Ca2 + . • Kalziumglukonat 10 %: 1 ml entspricht 0,48 mval Ca2 + . ▶ Wirkungsmechanismus: • Akut vermehrte Kalziumbereitstellung für die Muskelzellen. • Erhöhung des Schwellenpotenzials. ▶ Wirkungen: • Positiv inotrop. • Negativ chronotrop. • Kurzfristiger Blutdruckanstieg. • Funktioneller Kaliumantagonismus. ▶ Indikationen: • Überdosierung von Kalziumkanal-Blockern. • Lebensbedrohliche Hyperkaliämie: Kaliumkonzentration im Blut > 6 mmol/l und hyperkaliämischer Herzstillstand. • Reanimation: Therapierefraktäre elektromechanische Entkopplung (EMD) (ungesichert).

Anwendungshinweise und Kommentare ▶ Reanimation: • Normalerweise keine Indikation bei CPR. Ein positiver Effekt auf das Überleben konnte nicht nachgewiesen werden. • Verstärkung kalziumvermittelte Zellschäden möglich. • Indikation bei EMD erwägen, wenn mit Adrenalin allein kein Effekt erzielt werden kann. 191

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

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9.15 Diuretika

▶ Hypotension: Keine routinemäßige Indikation für Kalzium, außer bei Überdosierung mit Kalziumkanal-Blockern. Blutdruckanstieg nur sehr kurzfristig („Strohfeuer“). ▶ Beachte: ■ • Keine Indikation bei Allergie, Anaphylaxie! Kalzium ist hier entgegen weitverbreiteter Meinung unwirksam! • Keine Indikation bei Hyperventilationstetanie, da keine Verminderung der Gesamt-Kalziumkonzentration.

Dosierungen ▶ Kalziumchlorid gegenüber Kalziumglukonat aufgrund seiner 4-fach höheren Effektivität bevorzugen. ▶ 5–10 ml Kalziumchlorid 10 % i. v. ▶ 10–20 ml Kalziumglukonat 10 % i. v.

9.15 Diuretika Grundlagen ▶ Substanz: Furosemid (z. B. Lasix). ▶ Wirkungsmechanismus: Schleifendiuretikum; Hemmung der Natrium-Rückresorption im aufsteigenden Teil der Henle-Schleife. ▶ Wirkungen: • Diurese, Natriurese. • Vorlastsenkung, Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens. • Direkte pulmonalarteriell dilatierende Wirkung.

Indikationen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Kardiogenes Lungenödem, Linksherzversagen. Hypertensive Krise (adjuvante Therapie). Hyperhydratation bei Niereninsuffizienz, sofern noch Restausscheidung vorhanden. Hyperhydratation anderer Genese. Forcierte Diurese, z. B. bei Vergiftungen und Rhabdomyolyse (Myoglobinämie).

Anwendungshinweise und Kommentare ▶ Kardiogenes Lungenödem: Hauptindikation für Furosemid im Rettungsdienst. • Für diese Indikation allerdings weniger effektiv als Vasodilatatoren wie Nitroglycerin. • Indikation für Furosemid bei kardiogenem Lungenödem im Rahmen eines akuten Linksherzversagens wird zunehmend kritisch diskutiert: Gefahr der Hypovolämie und weiteren Verschlechterung der Gewebsperfusion. • Keine Einigkeit über die adäquate Dosis: 0,1–1 mg/kgKG (10–80 mg) i. v. ▶ Hypertensive Krise: Adjuvante Therapie zu anderen Antihypertensiva (S. 179ff). ▶ Beachte: ■ • Keine Diuretika bei Hypovolämie, postrenalem Nierenversagen (Abflusshindernis) und im Schock. • Besonders auf längeren Transportwegen an „diuretische Wirkung der Diuretika“ denken → akuter Harndrang des Patienten! Ggf. Harnblasenkatheterisierung

Dosierung ▶ Furosemid: 10–80 mg i. v.

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9.16 Methylxanthine Grundlagen ▶ Substanz: Theophyllin (z. B. Euphyllin). ▶ Wirkungsmechanismus: • Adenosin-Rezeptor-Antagonismus. • Phosphodiesterase-Hemmung. ▶ Wirkung: • Bronchodilatation. • Positiv inotrop. • Positiv chronotrop und dromotrop. • Vasodilatation. • Verbesserung der Zwerchfellkontraktilität (ungesichert). • Verbesserung der mukoziliären Clearance. • Stimulation des Atemzentrums (atemanaleptisch).

Indikationen ▶ Bronchospasmus: • Asthmaanfall. • Dekompensation einer COPD. • Reizgasinhalation. ▶ Ungesicherte Indikationen: • AV-Block. • Asystolie.

9 Notfallmedikamente und Infusionslösungen

9.16 Methylxanthine

Anwendungshinweise und Kommentare ▶ Bronchodilatatorische Wirkung geringer ausgeprägt als bei β2-Mimetika. ▶ Beim Asthma-Anfall und dekompensierter COPD sog. „Second-Line-Drug“: Effektivität zusätzlich zu β-Mimetika ungesichert. ▶ Relativ geringe therapeutische Breite. ▶ Bei Überdosierung: Krampfanfälle, tachykarde Herzrhythmusstörungen, die nicht auf β-Blocker ansprechen.

Dosierung ▶ Patienten ohne Theophyllin-Vormedikation: 5 mg/kgKG (200–400 mg) langsam i. v. (über 6 min). ▶ Patienten mit Theophyllin-Vormedikation: 2–2,5 mg/kgKG (100–200 mg) langsam i. v. (über 6 min). ▶ Ggf. kontinuierliche Gabe anschließen: 0,6–1 mg/kgKG/h.

Theophyllin und CPR ▶ Wirkung: • Adenosinantagonismus. • Verbesserung der Erregungsüberleitung im AV-Knoten. ▶ Mögliche Indikation: Therapierefraktäre Asystolie. ▶ Dosierung: 200–400 mg i. v. ▶ Bewertung: Kein gesicherter Stellenwert bei CPR. In Einzelfällen erfolgreiche Therapie einer therapierefraktären Asystolie. ▶ Cave: Blutdruckabfall! ■

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Notfallmedikamente und Infusionslösungen

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9.17 Antihistaminika

9.17 Antihistaminika Grundlagen ▶ Substanzen: • H1-Antagonisten: – Clemastin (Tavegil). – Dimetinden (Fenistil). – Promethazin (Atosil) (s. Neuroleptika, S. 204ff). • H2-Antagonisten: – Cimetidin (Tagamed). – Ranitidin (Zantic). ▶ Wirkungsweise: Kompetitiver Antagonismus an Histaminrezeptoren (H1- resp. H2Rezeptor). ▶ Wirkungen: • H1-Antagonisten: – Antiallergisch. – Juckreizlindernd. – Sedierend (besonders Promethazin). – Antiemetisch (besonders Promethazin). – Hypotensiv (besonders Promethazin). • H2-Antagonisten: – Antiallergisch (adjuvant zu H1-Antagonisten). – Säuresekretionshemmend (Magen).

Indikationen im Rettungsdienst ▶ Leichtere anaphylaktische und anaphylaktoide Reaktionen (Grad I–II; S. 261). ▶ Angioödem (histaminvermittelt). ▶ Indikation im anaphylaktischen bzw. anaphylaktoiden Schock umstritten (ungesicherte Effektivität). ▶ Promethazin: Erregungszustände, Übelkeit (S. 350).

Anwendungshinweise und Kommentare ▶ H1-Antagonisten: Sedierende (v. a. bei Erstgenerationspräparaten, z. B. Promethazin) und hypotensive Wirkung beachten. ▶ Kombination von H1- mit H2-Blockern zur Effektivitätserhöhung empfohlen. ▶ Bei schweren anaphylaktoiden Reaktionen zunächst Katecholamine, Volumen und Kortikosteroide applizieren.

Dosierung ▶ H1-Antagonisten: • Clemastin: 2–4 mg (0,05 mg/kgKG) langsam i. v. • Dimetinden: 4–8 mg (0,1 mg/kgKG) langsam i. v. • Promethazin: 25–50 mg (0,5 mg/kgKG) langsam i. v. ▶ H2-Antagonisten (kombiniert mit H1-Antagonisten): • Cimetidin: 200–400 mg (4 mg/kgKG) langsam i. v. • Ranitidin: 50–100 mg (1 mg/kgKG) langsam i. v.

9.18 Kortikosteroide Substanzen (Auswahl) ▶ Budesonid (Pulmicort). ▶ Beclometason (Ventolair). ▶ Dexamethason (z. B. Fortecortin). 194

9.18 Kortikosteroide

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▶ Wirkungsmechanismen (Auswahl): • Hemmung der Zytokin-Synthese. • Inhibition der Phospholipase A2. • Verminderung der Freisetzung von Entzündungsmediatoren. • Hemmung der Lipidperoxidation (antioxidative Wirkung, v. a. bei Methylprednisolon). ▶ Wirkungen: • Hemmung der lokalen und systemischen Entzündungsreaktion und deren Folgen. • Immunsuppression. • Ödemreduktion („Membranstabilisierung“) bei bestimmten Ödemformen, z. B. perifokales Tumorödem.

Notfallmedikamente und Infusionslösungen

▶ Methylprednisolon (z. B. Urbason). ▶ Triamcinolonacetonid (z. B. Volon A solubile).

Grundlagen

Indikationen (mit rettungsmedizinischem Bezug) ▶ Hauptindikationen: • Asthmaanfall. • Dekompensierte COPD. • Schwere anaphylaktoide Reaktion, anaphylaktoider Schock. • Rückenmarkstrauma (umstritten). • Reizgasinhalationstrauma (umstritten). ▶ Weitere, im Rettungsdienst seltene Indikationen: • Perifokales Ödem bei Hirntumoren. • Addison-Krise. • Thyreotoxische Krise. • Myxödemkoma. ▶ Ungesicherte bzw. experimentelle Indikationen: • Schädel-Hirn-Trauma. • Unterkühlung. • Reanimation („Zerebroprotektion“). • Dekompressionskrankheit (Tauchunfall). • Polytrauma. • Schock.

Anwendungshinweise und Kommentare ▶ Verzögerten Wirkungseintritt beachten (30–60 min). ▶ Wichtigste Akut-Nebenwirkung: Hyperglykämie. ▶ Asthmaanfall: • Systemische Applikation; inhalative Gabe nicht indiziert (wirkungslos). • Möglicherweise Verstärkung der bronchodilatatorischen Wirkung der β2-Mimetika (β2-Mimetika-permissive Wirkung). ▶ Dekompensierte COPD: • Gesicherte Indikation für die systemische Gabe. • Ungesicherte Indikation für die inhalative Gabe. ▶ Anaphylaktoider Schock: Hochdosierte, systemische Applikation (s. u.). ▶ Rückenmarkstrauma: • Kortikoidtherapie nur dann indiziert, wenn das Trauma weniger als 8 h zurückliegt. • NASCIS-Studie: 2 g Methylprednisolon. • Trotz Erwähnung in Leitlinien Nutzen zunehmend umstritten.

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Notfallmedikamente und Infusionslösungen

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9.18 Kortikosteroide

▶ Reizgasinhalationstrauma: • Bisher kein Wirksamkeitsnachweis. Im Rahmen eines individuellen Behandlungsversuchs jedoch aufgrund der geringen Nebenwirkungen akzeptabel. • Inhalative Gabe von Beclometason. • Keine protrahierte systemische Kortikoidtherapie!

Dosierungen ▶ Asthmaanfall: • Dexamethason: 0,5–2 mg/kgKG (40–100 mg) i. v. • Methylprednisolon: 1–4 mg/kgKG i. v. (40–250 mg) i. v. • Triamcinolonacetonid: 80–200 mg i. v. ▶ Anaphylaktoider Schock: • Dexamethason: 0,5–2 mg/kgKG (40–100 mg) i. v. • Methylprednisolon: 4–10 mg/kgKG (250–1 000 mg) i. v. ▶ Rückenmarkstrauma: Zunächst Methylprednisolon 30 mg/kgKG (2 000–3 000 mg) i. v. (über 5 min); dann Methylprednisolon 5,4 mg/kgKG/h (400–500 mg/h) i. v. für 23 h, sogenanntes NASCIS-Schema (in Leitlinien empfohlen, aber nicht unwidersprochen). ▶ Reizgasinhalationstrauma: • Beclometason-Spray: 4 × 100 μg Hübe, Wiederholung nach 2 h. ▶ Beachte: Bei der präklinischen Therapie lebensbedrohlicher Notfälle mit Kortikos■ teroiden kann die Dosierung großzügig erfolgen. Bedrohliche Nebenwirkungen sind nach einer Einmalgabe selbst sehr hoher Kortikosteroiddosen nicht zu erwarten; allerdings ist der Nutzen einer Hoch-Dosis-Therapie in den meisten Fällen nicht gesichert.

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Analgesie, Sedierung, Narkose

10.1 Nichtopioid-Analgetika Saure antiphlogistisch-antipyretische Analgetika (NSAR) ▶ Substanzen mit antiinflammatorischer Wirkung: • Acetylsalicylsäure (ASS, z. B. Aspirin, Aspisol). • Ibuprofen, Diclofenac und Indomethacin (im Rettungsdienst seltener verwendet, da nicht als i. v. Präparation verfügbar). ▶ Wirkungsmechanismus: Periphere und/oder zentrale Hemmung der Prostaglandinsynthese durch Hemmung der Zyklooxygenase. ▶ Wirkungen: • Analgesie. • Fiebersenkung. • Entzündungshemmung. • Hemmung der Nierendurchblutung, besonders bei Hypovolämie. • Hemmung der Thrombozytenaggregation. • Ulkogene Wirkung, besonders bei Langzeitanwendung.

10 Analgesie, Sedierung, Narkose

10.1 Nichtopioid-Analgetika

Selektive COX-2-Hemmer ▶ COX-2-Inhibitoren wirken über eine selektive Hemmung der Cyclooxygenase-2. ▶ Parecoxib als einziges i. v. applizierbares Präparat auf dem Markt (Handelsname: Dynastat) ist nur zur postoperativen Schmerztherapie unter Beachtung der Kontraindikationen (KHK) zugelassen. ▶ COX-2-Hemmer sind aufgrund von vermehrtem Auftreten kardiovaskulärer Komplikationen (insbesondere unter Langzeittherapie) in Diskussion.

Nicht saure, antipyretische Analgetika ▶ Substanzen ohne antiinflammatorische Wirkung: • Paracetamol (z. B. ben-u-ron): Liegt als Perfalgan auch zur i. v. Kurzinfusion vor. • Metamizol (z. B. Novalgin). ▶ Wirkmechanismus: Nicht abschließend geklärt. ▶ Wirkungen: • Analgesie. • Fiebersenkung. • Keine nennenswerte thrombozytenaggregatorische, nierendurchblutungshemmende oder ulkogene Wirkung. • Nur Metamizol: Spasmolyse.

Indikationen ▶ ▶ ▶ ▶

Leichtere Schmerzen. Starke Schmerzen: In Kombination mit Opioiden. Fiebersenkung. Nur ASS: Akutes Koronarsyndrom (Myokardinfarkt und instabile Angina pectoris) zur Thrombozytenaggregationshemmung.

Anwendungshinweise und Kommentare ▶ Wichtigster Vorteil gegenüber Opioiden: Fehlende Atemdepression. ▶ Analgetische Potenz: Für die meisten rettungsmedizinisch relevanten, schweren Schmerzzustände zu gering. ▶ Kombination mit Opioiden: Bei vielen starken Schmerzzuständen jedoch gut möglich und sinnvoll (sog. „balanced analgesia“). 197

Analgesie, Sedierung, Narkose

10

10.2 Opioid-Analgetika

▶ Kontraindikationen für NSAID: • Manifeste Blutungen, insbesondere bei Verdacht auf intrakranielle Blutungen. • Floride Magen-Darm-Ulzera. • Volumenmangel. • Präexistente Nierenfunktionsstörungen. • Asthma bronchiale (Gefahr der Auslösung eines Bronchospasmus). • Bekannte Allergien auf NSAID. • Relativ: Kardiovaskuläre Vorerkrankungen. ▶ Kontraindikationen für nicht entzündungshemmende Zyklooxygenaseinhibitoren: • Leberversagen. • Bekannte Allergien auf Paracetamol bzw. Metamizol. ▶ Gefährliche Nebenwirkungen von Metamizol (bei den anderen fiebersenkenden Analgetika schwächer ausgeprägt bzw. seltener): • Blutdruckabfall und anaphylaktoide Reaktionen bei Injektion. • Sehr selten Agranulozytose. ▶ Beachte: ■ • Kein ASS im Kleinkindesalter! Gefahr des Reye-Syndroms ( = meist tödlich verlaufendes hepatozerebrales Syndrom mit Erbrechen, Krämpfen, Hirnödem, Hepatomegalie, Leberversagen). • Bei Myokardinfarkt und instabiler Angina pectoris ASS so früh wie möglich applizieren, zur Not auch oral (325–500 mg p. o.). Dabei Kontraindikationen relativieren!

Dosierungen ▶ Acetylsalicylsäure: 500–1 000 mg i. v. (oder p. o.). ▶ Metamizol: 1–2,5 g langsam i. v. oder (sicherer) als Kurzinfusion. ▶ Paracetamol: 1 g i. v. (Kurzinfusion). • Bei Kindern: – 125–250–500 mg als Suppositorium rektal. – Traditionelle Dosierung: 10–20 mg/kgKG. – Neuerdings wird eine höhere initiale „Loading-dose“ zur effektiven Analgesie empfohlen: 30–40 mg/kgKG. Tageshöchstdosis: 60 mg/kgKG, bis 10 kgKG bzw. im 1. Lebensjahr: 30 mg/kgKG.

10.2 Opioid-Analgetika Grundlagen ▶ Substanzen (Auswahl): • Morphin (z. B. Morphin Merck). • Piritramid (Dipidolor). • Pethidin (Dolantin). • Tramadol (z. B. Tramal). • Fentanyl. ▶ Wirkungsmechanismus: Stimulation zentraler und peripherer Opioidrezeptoren. ▶ Wirkungen: • Analgesie: Fentanyl > Morphin > Piritramid > Tramadol. • Sedierung: Piritramid > Morphin, Tramadol, Fentanyl. • Euphorie: Morphin > Piritramid, Dolantin, Tramadol. • Atemdepressive Wirkung bei gleicher analgetischer Wirkung: Fentanyl > Morphin > Piritramid > Tramadol. • Übelkeit, Erbrechen: Besonders stark ausgeprägt bei schneller Injektion von Tramadol. • Blutdrucksenkende Wirkung, besonders bei Hypovolämie: Morphin, Pethidin > Piritramid, Fentanyl, Tramadol. 198

Indikationen ▶ Starke Schmerzen traumatologischer und nichttraumatologischer Ursache. ▶ Narkose (in Kombination mit Sedativa/Hypnotika). ▶ Nur Morphin: Kardiogenes Lungenödem.

Anwendungshinweise und Kommentare

10 Analgesie, Sedierung, Narkose

10.2 Opioid-Analgetika

• Histaminfreisetzung: Vor allem bei Morphin und Pethidin, kaum bei Piritramid und Fentanyl. • Bronchospastische Wirkung: Gering ausgeprägt bei Piritramid und Fentanyl. • Spasmogene Wirkung auf die glatte Muskulatur (Gallenwege, ableitende Harnwege): Am geringsten ausgeprägt bei Pethidin, das sogar eine spasmolytische Wirkung haben soll. • Pulmonalarteriell vasodilatierende Wirkung: Nur Morphin.

▶ Präklinische Analgesie: Opioide sind die wichtigsten und wirksamsten Präparate zur präklinischen Analgesie. Morphin, Piritramid und Tramadol werden präklinisch am häufigsten verwendet, seltener Pethidin. ▶ BtM: Alle aufgeführten Opioide außer Tramadol unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und müssen gesondert und gesichert aufbewahrt werden (z. B. in einer abschließbaren BtM-Box oder beim Notarzt). ▶ Pharmakokinetik: • Wirkungseintritt: Innerhalb weniger Minuten. • Wirkdauer: – Fentanyl: 20–40 min. – Übrige: 2–5 h (Tramadol am kürzesten, Piritramid am längsten). ▶ Tramadol: • Wirkungsweise nur partiell über einen Opioid-Effekt zu erklären. Daneben analgetische Wirkung durch Wiederaufnahmehemmung von Serotonin und Noradrenalin. • Gegenüber den anderen aufgeführten Opioiden schwächer analgetisch und stärker emetisch wirksam. • In äquianalgetischen Dosen geringste atemdepressive Potenz → schwere Atemdepression durch Tramadol sehr unwahrscheinlich. • Die emetische Wirkung kann durch langsame Injektion reduziert werden. In schweren Fällen zusätzliche Gabe eines potenten Antiemetikums wie Haloperidol (1–2,5 mg i. v.). ▶ Fentanyl: • Stärkste analgetische, aber auch stärkste atemdepressive Potenz der präklinisch gebräuchlichen Opioide. • Eignet sich zur Narkose bei beatmeten Patienten. ▶ Beachte: Nur bei Möglichkeit zur sofortigen Beatmung anwenden! ■ ▶ Rezeptoragonismus: • Fast alle aufgeführten Opioide sind reine Opioidrezeptoragonisten (μ-Agonisten). Nur Tramadol hat eine leichte antagonistische Wirkkomponente. • Sog. partielle Agonisten wie Nalbuphin, Pentacozin oder Buprenorphin können ebenfalls verwendet werden, haben jedoch in der Rettungsmedizin keine wesentlichen Vorteile gegenüber den oben erwähnten Opioiden. Auch bei partiellen Agonisten kann es zur Atemdepression kommen! ▶ Erforderliche Dosis: Abhängig vom Zustand des Notfallpatienten: • Erhöhter Opioidbedarf möglich: Starke Schmerzen bei stabilem Kreislauf. • Verminderter Opioidbedarf möglich: Schock, Somnolenz. ▶ Koliken: • Wegen spasmogener Wirkung im Gallengangs- und ableitenden Harnwegssystem Opioide nur in schweren Fällen verwenden. • Pethidin bevorzugen, wenn vorhanden. 199

Analgesie, Sedierung, Narkose

10

10.3 Ketamin

• Kombination mit Spasmolytika wie Butylscopolamin oder Nitroglycerin. ▶ Opioidüberdosierung: • Cave: Lebensgefährliche Atemdepression und Blutdruckabfall! • Antagonisierung mit Naloxon möglich (S. 209). ▶ Beachte: ■ • Jeden Notfallpatienten nach Opioidgabe kontinuierlich überwachen (Pulsoxymetrie)! • Besonders auf Atemdepression und Blutdruckabfall achten! • Opioide zur Schmerztherapie und Narkose ausreichend dosieren, dabei aber vorsichtig nach Wirkung titrieren!

Dosierungen Achtung Anhaltswerte Ggf. geringere Dosen verwenden und/oder fraktioniert verabreichen! ▶ Morphin: 0,1 mg/kgKG (5–10 mg) i. v. ▶ Piritramid: 0,1–0,2 mg/kgKG (5–15 mg) i. v. ▶ Tramadol: 1–2 mg/kgKG (50–100 mg) i. v. Neuere Empfehlung: Initiale Dosis 3 mg/ kgKG (200 mg) i. v. ▶ Pethidin: 1–2 mg/kgKG (50–100 mg) i. v. ▶ Fentanyl (zur Narkose mit Beatmung): 1–4 μg/kgKG (0,1–0,3 mg) i. v.

10.3 Ketamin Grundlagen ▶ Wirkungsmechanismus: N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA-)Rezeptor-Antagonismus. ▶ Wirkungen: • In niedriger Dosis stark analgetisch. • In hoher Dosis narkotisch, erzeugt eine sog. dissoziative Anästhesie: – Bewusstsein erloschen, Spontanatmung erhalten. – Schluckreflexe weitgehend erhalten, Blutdrucksteigerung. – Ggf. geöffnete Augen. • Weitere Wirkungen: – Sympathikotone Wirkung, Bronchodilatation, – Hirndrucksteigerung (bei Spontanatmung). – Albträume, Halluzinationen.

Indikationen ▶ Starke Schmerzen, insbesondere traumatischer Genese. ▶ Narkoseeinleitung und -aufrechterhaltung, meist in Kombination mit Benzodiazepinen. ▶ Analgesie und Narkose in unübersichtlichen Situationen: Viele Verletzte, schwer zugängliche Patienten, Patienten im Schock. ▶ Schwerer Asthmaanfall, wenn Narkoseeinleitung notwendig.

Anwendungshinweise und Kommentare ▶ Ketamin und S-( + )-Ketamin: • Das herkömmliche Ketamin ist ein Razemat aus S-( + )-Ketamin und R-(–)-Ketamin. • R-(–)-Ketamin ist nur schwach analgetisch wirksam.

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10 Analgesie, Sedierung, Narkose

10.3 Ketamin

• S-( + )-Ketamin ist die eigentlich analgetisch-narkotisch wirksame Komponente und ist seit einigen Jahren alternativ zum Ketamin-Razemat erhältlich; Eigenschaften des S-Ketamin: – Etwas bessere Steuerbarkeit bei etwas kürzerer Aufwachzeit als bei Ketamin. – Wirkstärke etwa doppelt so stark wie Ketamin. – Vorteil für die Rettungsmedizin gegenüber dem herkömmlichen Ketamin fraglich. – Eine ursprünglich postulierte geringere halluzinogene Wirkung lässt sich nicht nachweisen. – Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil sind insgesamt dem des Ketamin-Razemats sehr ähnlich. – Indikationsspektrum entspricht dem des Ketamins. – Dosierung: Etwa 50 % der üblichen Ketamindosis. ▶ Ketamin und KHK: Ketaminbedingter Blutdruckanstieg steigert den myokardialen Sauerstoffbedarf, daher bei manifester KHK, Myokardinfarkt und Hypertonie kontraindiziert (gilt nicht im schweren Schock, wenn ohnehin Katecholamine eingesetzt werden). Durch Kombination mit Benzodiazepinen oder Clonidin lässt sich die blutdrucksteigernde Wirkung abschwächen. ▶ Ketamin und Asthma: Zur Narkoseeinleitung und -aufrechterhaltung beim Asthmapatienten geeignet aufgrund der ausgeprägten bronchodilatatorischen Wirkung schon im analgetischen Dosisbereich. In Einzelfällen kann ein ansonsten therapierefraktärer Status asthmaticus mit Ketamin durchbrochen werden. ▶ Ketamin und Halluzinationen: Bei alleiniger Gabe von Ketamin Entwicklung der halluzinatorischen Effekte bis hin zu „horror-trips“ möglich. Diese Nebenwirkung lässt sich durch die Kombination mit Benzodiazepinen, z. B. Diazepam, abschwächen oder verhindern. ▶ Ketamin und Trauma: • Besonders zur Analgesie und Narkose in unübersichtlichen Situationen geeignet (eingeklemmter Patient, mehrere Verletzte). • Aufgrund der kardiozirkulatorischen Wirkungen besonders zur Analgesie und Narkose im Schock geeignet. Da Atemregulation und Schluckreflexe weitgehend aufrechterhalten werden, ist in solchen Situationen vorübergehend auch eine Ketaminnarkose in Spontanatmung ohne Intubation gerechtfertigt. ▶ Cave: Schweres Schädel-Hirn-Trauma (s. u.)! ■ ▶ Beachte: Auch bei Ketaminnarkosen besteht kein sicherer Schutz vor Aspiration ■ und Ateminsuffizienz. Insbesondere bei längerdauernder Sedierungsnotwendigkeit Intubation bzw. Intubationsnarkose anstreben (Vorgehen s. S. 55). ▶ Ketamin und Schädel-Hirn-Trauma bzw. Hirndruck: • Keine nennenswerte Hirndrucksteigerung bei adäquater Beatmung. • Aufgrund der günstigen kardiozirkulatorischen Wirkung gerade im traumatologisch-hämorrhagischen Schock (z. B. Polytrauma) vergleichsweise günstige Wirkungen auf die zerebrale Hämodynamik. Möglicherweise „zerebroprotektive“ Wirkungen durch NMDA-Antagonismus. ▶ Beachte: Im Gegensatz zu früheren Empfehlungen ist Ketamin beim Schädel■ Hirn-Trauma nicht kontraindiziert, sofern der Patient adäquat beatmet werden kann. Aber: Kein Ketamin beim Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma unter Spontanatmung! ▶ Pharmakokinetik (für Ketamin und S-[ + ]-Ketamin ähnlich): • Wirkungseintritt: 45 s nach i. v. Gabe. • Wirkdauer: Ca. 15 min. Ketamin Resorption aus dem Muskel auch im Schock relativ gut gewährleistet, daher intramuskuläre Gabe (in etwa 5-fach höherer Dosis) möglich.

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Analgesie, Sedierung, Narkose

10

10.4 Analgesie des Notfallpatienten

Dosierung ▶ Ketamin: • Analgetische Dosierung: – 0,2–0,5 mg/kgKG (20–40 mg) i. v. – 1–2 mg/kgKG (100–200 mg) i. m. • Narkotische Dosierung: – 1–2 mg/kgKG (50–200 mg) i. v. – 5–12 mg/kgKG (300–1 000 mg) i. m. ▶ S-( + )-Ketamin (Ketanest S): • Analgetische Dosierung: – 0,1–0,25 mg/kgKG (10–20 mg) i. v. – 0,25–0,5 mg/kgKG (20–40 mg) i. m. • Narkotische Dosierung: – 0,5–1 mg/kgKG (25–100 mg) i. v. – 2–6 mg/kgKG (100–500 mg) i. m.

10.4 Analgesie des Notfallpatienten Leichtere Schmerzen ▶ Zyklooxygenasehemmstoffe (Kontraindikationen beachten!): • Acetylsalicylsäure: 500–1 000 mg i. v. oder p. o. • Metamizol: 1–2,5 g langsam i. v. • Paracetamol: 1 000 mg i. v. als Kurzinfusion. Bei Kindern: 125–250–500 mg (10– 20 mg/kgKG, initial bis 40 mg/kg) rektal.

Starke Schmerzen ▶ Opioide: • Morphin: 0,1 mg/kgKG (5–10 mg) i. v. • Piritramid: 0,1–0,2 mg/kgKG (5–15 mg) i. v. • Tramadol: 1–3 mg/kgKG (50–200 mg) i. v. ▶ Ketamin: Vor allem bei traumatischen Notfällen, in Kombination mit niedrig dosiertem Benzodiazepin: • Ketamin 0,2–0,5 mg/kgKG (20–40 mg) i. v. plus Dormicum 2–5 mg i. v. ▶ Multimodale Analgesie: Kombination verschieden wirkender Analgetika; sinnvolle Kombinationen bei starken Schmerzen: • Opioide plus Zyklooxygenasehemmstoffe. • Opioide plus Ketamin.

Starke Schmerzen bei Patienten im Schock ▶ Ketamin: 0,2–0,5 mg/kgKG (20–40 mg) i. v., S-Ketamin halb so hoch dosieren. ▶ Opioide: Vorsichtig dosiert, evtl. in Kombination mit Katecholaminen: • Morphin: 0,03–0,1 mg/kgKG (2–5 mg) i. v. • Piritramid: 0,03–0,1 mg/kgKG (2–5 mg) i. v. • Tramadol: 0,3–1 mg/kgKG (20–50 mg) i. v. ▶ Kombination von Ketamin mit Opioiden möglich und sinnvoll.

Starke Schmerzen bei unzugänglichen Patienten und in unübersichtlichen Situationen ▶ Ketamin: 0,2–0,5 mg/kgKG (20–40 mg) i. v. oder 1–2 mg/kgKG (100–200 mg) i. m. in Kombination mit niedrig dosiertem Benzodiazepin (z. B. 2 mg Dormicum i. v.). S‑( + )-Ketamin jeweils etwa halb so hoch dosieren. ▶ Opioide: Extrem vorsichtig dosieren unter genauer Überwachung der Atmung! Dosierung wie bei Patienten im Schock (s. o.). 202

▶ Metamizol: 1–2,5 g langsam i. v. ▶ Oder Paracetamol plus • Nitroglycerin 2 Hübe à 0,4 mg s. l. oder • Butylscopolamin 0,3 mg/kgKG (20 mg) i. v. ▶ Butylscopolamin 0,3 mg/kgKG (20 mg) i. v. (ggf. in Kombination mit Metamizol, einem anderem Nichtopioidanalgetikum oder einem Opioid s. u.). ▶ Nitroglycerin 2 Hübe a 0,4 mg s. l.; soll auch relaxierend auf glatte Gefäßmuskulatur wirken, als Monosubstanz nicht ausreichend wirksam, immer nur als Ergänzung. ▶ Bei schweren Schmerzen: • Pethidin 1–2 mg/kgKG (50–100 mg i. v.) als Opioid der ersten Wahl oder anderes Opioid, ggf. in Kombination mit – Nitroglycerin 2 Hübe à 0,4 mg s. l. oder – Butylscopolamin 0,3 mg/kgKG (20 mg) i. v.

10 Analgesie, Sedierung, Narkose

10.5 Sedativa und Neuroleptika

Kolikartige Schmerzen

Regionalanästhesieverfahren ▶ Im Rettungsdienst unüblich. In Einzelfällen Infiltration oder Leitungsanästhesie mit Lokalanästhetika möglich (z. B. Lidocain 1 %).

10.5 Sedativa und Neuroleptika Substanzen ▶ Sedativa: • Benzodiazepine: – Diazepam (z. B. Valium, Diazemuls). – Midazolam (Dormicum). • Chloralhydrat (z. B. Chloraldurat). ▶ Neuroleptika: • Butyrophenone: – Haloperidol (z. B. Haldol). – Dehydrobenzperidol (DHB). Nur noch als Antiemetikum auf dem Markt. • Phenothiazine: – Promethazin (z. B. Atosil). – Levomepromazin (z. B. Neurocil).

Benzodiazepine ▶ Wirkungsmechanismus: Indirekte Stimulation der GABA A-Rezeptoren → Erhöhung der Frequenz der Chloridkanal-Öffnungen. ▶ Wirkungen: • Sedierung. • Anxiolyse. • Antikonvulsive Wirkung. • In hohen Dosen auch hypnotisch. ▶ Indikationen: • Sedierung und Anxiolyse des aufgeregten, ängstlichen oder agitierten Notfallpatienten (meist i. v.). • Sedierung und Anxiolyse bei aufgeregten, ängstlichen oder agitierten Angehörigen oder Umstehenden (meist p. o.). • Krampfanfälle. • Aufrechterhaltung einer Narkose (in Kombination mit Opioiden oder Ketamin). ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Meist verwendete Notfallmedikamente: 203

Analgesie, Sedierung, Narkose

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10.5 Sedativa und Neuroleptika

– Bei vielen nicht akut vital bedrohlichen, aber bedrohlich empfundenen Notfällen reicht die Sedierung mit Benzodiazepinen als einzige präklinische medikamentöse Maßnahme aus. – Benzodiazepine sind daher insgesamt die am häufigsten eingesetzten Notfallmedikamente. • In hohen Dosen auch hypnotische (schlaferzwingende) Wirkung: – Vor allem Midazolam kann auch zur Narkoseeinleitung verwendet werden. – Die Wirkung ist jedoch weniger zuverlässig und der Wirkungseintritt erheblich verzögerter als bei anderen Injektionshypnotika. • Weitere Eigenschaften der Benzodiazepine: – Präklinische Mittel der 1. Wahl bei Krampfanfällen: Gilt für Clonazepam und Diazepam, Midazolam möglich, aber nur kurz wirksam und in der Indikation nicht zugelassen. – Verminderung der unangenehmen halluzinatorischen Nebenwirkungen von Ketamin. – Paradoxe Wirkung auf Benzodiazepine besonders bei alten Patienten möglich. – Venenreizende Wirkung des Diazepam bedenken! Lipidemulsionen bei Injektion in periphere Venen bevorzugen. ▶ Beachte: Intramuskuläre Injektionen sind sehr schmerzhaft und daher zu un■ terlassen. • Überdosierung von Benzodiazepinen: – Gefahr der Atemdepression, allerdings meist weniger ausgeprägt als bei Opioiden und selten tödlich. ▶ Beachte: Benzodiazepine können jedoch die Atemdepression durch Opioide ■ deutlich verstärken! – Antagonisierung mit Flumazenil möglich (S. 209). ▶ Dosierungen: • Diazepam: – Injektionslösung: 0,1 mg/kgKG (5–10 mg) i. v. – Rectiolen: Bei Kindern ≤ 15 kgKG: 5 mg rektal; > 15 kgKG: 10 mg rektal. – Tabletten: 5–10 mg p. o. • Midazolam: – Zur Sedierung: 0,05–0,1 mg/kgKG (2–8 mg) i. v. – Zur Narkose: 0,2 mg/kgKG (15 mg) i. v. • Clonazepam: – Im Krampfanfall bei Kindern: 0,5 mg i. v. – Im Krampfanfall bei Erwachsenen: 1 mg i. v., ggf. wiederholen, Tagesmaximaldosis etwa 13 mg.

Chloralhydrat ▶ Wirkungen: Sedierend und antikonvulsiv. ▶ Indikationen: Sedierung und Krampfanfälle im Kindesalter (alternativ zu Diazepam). Heute eher unüblich. ▶ Dosierung: • Säuglinge: 0,3 g rektal. • Kleinkinder: 0,6 g rektal.

Neuroleptika ▶ Wirkungsmechanismus: • Zentraler Dopaminantagonismus. • Blockade peripherer β-Rezeptoren. ▶ Wirkungen und Substanzen: • Antipsychotisch (Haloperidol > Levomepromazin > Promethazin). • Antidelirant. • Sedierend (Promethazin > Levomepromazin > Haloperidol). 204

10 Analgesie, Sedierung, Narkose

10.6 Injektionshypnotika

Antiemetisch (besonders Haloperidol, DHB). Vasodilatierend. Blutdrucksenkend. Chinidinartige antiarrhythmische Wirkung (Haloperidol und DHB). Histaminantagonistische (H1-blockierende) Wirkung bei einigen Neuroleptika, z. B. Promethazin. ▶ Indikationen: • Agitiertheit. • Akute Psychose. • Delir. • Starke Übelkeit, z. B. als Nebenwirkung einer Opioidinjektion (Haloperidol und DHB). ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Vorteil gegenüber den Benzodiazepinen: Fehlende Atemdepression. • Sinnvolle Kombinationen: – Schwach wirkende Neuroleptika (Promethazin oder Levomepromazin) plus stark wirkende Neuroleptika (Haloperidol oder DHB). – Neuroleptika plus Benzodiazepine. – Neuroleptika plus Opioide: Sog. Neuroleptanalgesie bzw. Neuroleptanästhesie; klassische Kombination: DHB plus Fentanyl. Heute ist die Verwendung eines Benzodiazepins anstelle eines Neuroleptikums jedoch üblicher. – Sehr niedrige Dosen eines Neuroleptikums (z. B. DHB 0,6–2,5 mg i. v.) als antiemetischer Zusatz zur Schmerztherapie mit Opioiden (z. B. Tramadol). • Delirtherapie: Zur Therapie eines deliranten Alkoholikers mit Haloperidol oder DHB sind u. U. sehr hohe Dosen erforderlich (z. B. 25 mg DHB oder mehr). Hier keine Phenothiazine verwenden! ▶ Cave: Blutdruckabfall, insbesondere bei Hypovolämie! ■ • Seltenere Gefahren: – Ventrikuläre Rhythmusstörungen: Vor allem bei Haloperidol oder DHB (QT-Syndrom; Torsades des pointes S. 291). – Extrapyramidale Nebenwirkungen: Antidot: Biperiden (S. 453). ▶ Dosierungen: • Dehydrobenzperidol (DHB): 0,05–0,2 mg/kgKG (2,5–12,5 mg) i. v. ▶ Beachte: DHB ist seit einiger Zeit in Deutschland nicht mehr erhältlich und nur ■ über die internationale Apotheke zu beziehen. • Haloperidol: 0,1 mg/kgKG (5–10 mg) i. v. • Levomepromazin: 0,5 mg/kgKG (25–50 mg) langsam i. v. oder i. m. • Promethazin: 0,5 mg/kgKG (25–50 mg) i. v. • • • • •

10.6 Injektionshypnotika Grundlagen ▶ Substanzen: • Kurzwirksame Barbiturate, z. B. Thiopental (Trapanal). • Etomidate (z. B. Etomidat Lipuro). • Propofol (z. B. Disoprivan). • Ketamin (z. B. Ketanest, S. 200f). • Midazolam (Dormicum, S. 203f). ▶ Indikationen: • Narkoseeinleitung (S. 212). • Narkoseaufrechterhaltung (S. 212). • Status epilepticus (v. a. Thiopental und Midazolam, aber auch Propofol, Etomidate; nicht Ketamin!). 205

Analgesie, Sedierung, Narkose

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10.6 Injektionshypnotika

▶ Generelle Gefahren: • Atemdepression: Anwendung eines Injektionshypnotikums nur in sofortiger Intubations- und Beatmungsbereitschaft! Mögliche Ausnahme: Ketamin (S. 200f). • Kreislaufdepression und Blutdruckabfall: Hypotensive Wirkung der Injektionshypnotika beachten!

Barbiturate ▶ Substanzen: • Thiopental (Trapanal); meistverwendete Substanz. • Methohexital (Brevimytal). ▶ Wirkungsmechanismus: GABAA-Agonismus → Verlängerung der Chloridkanal-Öffnungszeit (bei Benzodiazepinen anderer Angriffspunkt). ▶ Wirkungen: • Rasche Schlaf- bzw. Narkoseinduktion ( < 1 Minute). • Antikonvulsive Wirkung (v. a. Thiopental). • Hypotensive Wirkung. • Hirndrucksenkung. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: ▶ ■ Cave: – Blutdruckabfall im hypovolämischen Schock! – Blutdruckabfall bei Schädel-Hirn-Trauma! Die deletären Wirkungen einer durch Barbiturate ausgelösten Hypotension auf die zerebrale Sauerstoffversorgung werden durch eine mögliche, beim Menschen nicht erwiesene „zerebroprotektive“ Wirkung der Barbiturate nicht aufgewogen! • Kardiozirkulatorische Insuffizienz: Bei manifester oder vermuteter Hypovolämie (Polytrauma) und Schock jedweder Ursache andere Injektionshypnotika (Etomidate oder Ketamin) bevorzugen; bei Verwendung von Thiopental vorsichtige, fraktionierte Injektion! • Asthma: Thiopental kann bronchospastisch wirken. Zur Intubation im Asthmaanfall andere Substanzen (Propofol, Ketamin oder Etomidate) bevorzugen; bei Verwendung von Thiopental ausreichend hoch dosieren! • Zubereitung: Substanzen liegen in Pulverform vor und müssen vor Anwendung aufgelöst werden. ▶ Dosierungen: • Thiopental: 3–5 mg/kgKG (250–500 mg) i. v. • Methohexital: 1–1,5 mg/kgKG (70–100 mg) i. v. ▶ Beachte: Bei kardiozirkulatorischer Instabilität u. U. deutlich geringere Dosis! ■

Etomidate ▶ Wirkungsmechanismus: Wahrscheinlich ebenfalls GABA-Rezeptor-Agonismus. ▶ Wirkungen: • Rasche Schlaf- bzw. Narkoseinduktion ( < 1 min). • Hirndrucksenkung. • Hemmung der Kortisolsynthese in der Nebennierenrinde; daher keine protrahierte Anwendung zur Dauersedierung. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Deutlich bessere kardiozirkulatorische Stabilität als Barbiturate. • Vergleichsweise sichere Anwendung auch im Schock und bei Herzinsuffizienz möglich. • Schlechte Erschlaffung der Kiefer-, Rachen- und Kehlkopfmuskulatur; daher Intubation ohne zusätzliches Muskelrelaxans oft schwierig oder sogar unmöglich. • Kombination mit Midazolam sinnvoll. ▶ Dosierung: 0,2–0,3 mg/kgKG (20–30 mg) i. v.

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▶ Wirkungsmechanismus: Wahrscheinlich ebenfalls GABA-Rezeptor-Agonismus. ▶ Wirkungen: • Rasche Schlaf- bzw. Narkoseinduktion ( < 1 min). • Hirndrucksenkung. • Hypotensive Wirkung. • Antiemetische Wirkung. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Ähnliches Blutdruckverhalten wie nach Thiopentalinjektion. • Vorsichtige Anwendung im Schock und bei Herzinsuffizienz. • Vergleichsweise gute Erschlaffung der Kiefer-, Rachen- und Kehlkopfmuskulatur; daher Intubation auch ohne zusätzliches Muskelrelaxans meist möglich. ▶ Beachte: Einfluss auf zerebrale Krampfneigung umstritten: Sowohl antiepilepti■ sche als auch konvulsive Wirkungen beschrieben. Dennoch als Antikonvulsivum empfohlen. • Möglicherweise bronchospasmolytische Eigenschaften: Zur Narkoseeinleitung bei Asthma geeignet! ▶ Dosierung: 2 mg/kgKG (100–200 mg) i. v.; bei kardiozirkulatorischer Instabilität deutlich weniger!

10 Analgesie, Sedierung, Narkose

10.7 Muskelrelaxanzien

Propofol

10.7 Muskelrelaxanzien Substanzen ▶ Depolarisierendes Relaxans: Succinylcholin. ▶ Nichtdepolarisierende Relaxanzien (Auswahl): • Rocuronium (Esmeron). • Vecuronium (Norcuron). • Atracurium (Tracrium). • Pancuronium (z. B. Pancuronium Organon).

Indikationen ▶ Succinylcholin (depolarisierendes Relaxans): Erleichterung oder Ermöglichung der Intubation bei Narkoseeinleitung. ▶ Nichtdepolarisierende Relaxanzien: Erleichterung der Beatmung während Narkose. ▶ Erleichterung oder Ermöglichung chirurgischer Maßnahmen, die eine Muskelerschlaffung erfordern (im Rettungsdienst selten).

Succinylcholin ▶ Wirkungsmechanismus: Acetylcholinagonistische, einige Minuten anhaltende, depolarisierende Wirkung auf die Muskulatur über nikotinerge Rezeptoren an der neuromuskulären Endplatte. ▶ Wirkung: Schnelle und relativ kurzdauernde Relaxierung der quergestreiften Muskulatur. ▶ Pharmakokinetik: • Schnelle Anschlagzeit: Sichere Muskelrelaxierung innerhalb 1 min. • Kurze Wirkdauer: Ca. 5 min. ▶ Indikation: Auch heute noch Mittel der Wahl zur Erleichterung der Notfallintubation. ▶ Wichtigste Gefahr: Kaliumfreisetzung aus der Muskulatur → möglicherweise bedrohlicher Kaliumanstieg bei Patienten mit älteren Verbrennungen ( > 5 d), bettlägerigen Patienten, Patienten mit Muskelerkrankungen oder querschnittsgelähmten Patienten (wenn die Lähmung > 1 Tag oder < 1 Jahr besteht. Bei akuter oder lang zurückliegender Querschnittlähmung Gabe möglich). 207

Analgesie, Sedierung, Narkose

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10.8 Antagonisten

▶ Weitere unerwünschte Wirkungen: • Muskelfaszikulationen. • Anstieg des Augeninnendrucks. ▶ Cave: Perforierende Augenverletzungen! ■ • Bradykardie, insbesondere bei repetitiver Gabe; lässt sich durch Atropin (0,5 mg i. v.) vermeiden und therapieren. • Sehr selten: Auslösung einer lebensbedrohlichen malignen Hyperthermie. ▶ Präkurarisierung: Abschwächung der Muskelfaszikulationen durch Gabe einer geringen Dosis eines nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans 3–5 min vor der Succinylcholininjektion (z. B. 1 mg Pancuronium). Hierzu fehlt in Notsituationen jedoch oft die Zeit! ▶ Dosierung: 1–1,5 mg/kgKG (70–100 mg) i. v. ▶ Beachte: Bei Kindern darf Succinylcholin nur in lebensbedrohlichen Ausnahmesi■ tuationen angewendet werden.

Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien ▶ Wirkungsmechanismus: Acetylcholinantagonistische Wirkung an den nikotinergen Rezeptoren der neuromuskulären Endplatte. ▶ Wirkung: Relaxierung der quergestreiften Muskulatur. ▶ Indikation: Erleichterung der Beatmung unter Narkose. Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien Intubation mit nichtdepolarisierenden Relaxanzien nur durch Notärzte mit sehr viel Intubationserfahrung und -routine! ▶ Vorteil: Keine Muskelfaszikulationen, keine Kaliumfreisetzung. ▶ Nachteile bzw. Besonderheiten: • Relativ lange Anschlagzeit bis zur vollständigen Relaxierung: – Am kürzesten bei Rocuronium (dosisabhängig): Ca. 90 s. – Bei allen anderen Relaxanzien: Ca. 3 min. • Relativ lange Wirkdauer (20–40 min bei Rocuronium, Vecuronium und Atracurium, 40–80 min bei Pancuronium). ▶ Beachte: ■ • Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien sparsam einsetzen! • Muskelrelaxierung ersetzt keine Narkose! • Wachheitszustände des Patienten unter Muskelrelaxierung durch ausreichend tiefe Narkose sicher vermeiden! ▶ Dosierungen (Initial- bzw. Intubationsdosis): • Atracurium: 0,5 mg/kgKG (40 mg) i. v. • Pancuronium: 0,05–0,1 mg/kgKG (4–8 mg) i. v. • Rocuronium: 0,6 mg/kgKG (50 mg) i. v., zur Crash-Intubation 1 mg/kgKG empfohlen (Verkürzung des Wirkungseintritts). • Vecuronium: 0,05–0,1 mg/kgKG (4–8 mg) i. v. ▶ Beachte: Repetitionsdosen um - ⅔ reduzieren! ■

10.8 Antagonisten Substanzen ▶ Opioidantagonist: Naloxon (z. B. Narcanti). ▶ Benzodiazepinantagonist: Flumazenil (Anexate). ▶ Antagonist anticholinerger Substanzen: Physostigmin (Anticholium) → zentraler Acetylcholinesteraseinhibitor. ▶ Muskelrelaxanzienantagonisten: Neostigmin (Prostigmin), Pyridostigmin (Mestinon) → periphere Acetylcholinesteraseinhibitoren. Sugammadex (Bridion) → antagonisiert nur MR vom Steroidtyp (v. a. Rocuronium). 208

▶ Wirkungsmechanismus: Verdrängt Opioide von den Opioidrezeptoren. ▶ Wirkung: • Aufhebung der Opioidwirkung innerhalb weniger Minuten. • Gefahr der hypertensiven Krise und Induktion eines Lungenödems. ▶ Indikationen: • Opioidvergiftung. • Opioidüberdosierung. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Wirkdauer: Ca. 1–4 h, daher genaue Überwachung des Patienten und evtl. repetitive Gabe in der Klinik erforderlich. • Titration der Dosis bis zum erwünschten Effekt erforderlich. ▶ Beachte: Die Gabe eines Antagonisten darf bei manifester Ateminsuffizienz lebens■ erhaltende Sofortmaßnahmen (Beatmung, Sauerstoffgabe, CPR) nicht ersetzen! ▶ Dosierung: 0,5–10 μg/kgKG (0,04–1 mg) i. v.

10 Analgesie, Sedierung, Narkose

10.8 Antagonisten

Naloxon

Flumazenil ▶ Wirkungsmechanismus: Verdrängt Benzodiazepine vom GABA-Rezeptor. ▶ Wirkung: • Aufhebung der Benzodiazepinwirkung innerhalb weniger Minuten. • Gefahr von Blutdruckanstieg und Tachykardie. ▶ Indikationen: • Benzodiazepinvergiftung. • Benzodiazepinüberdosierung. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Wirkungseintritt: Innerhalb 1 min. • Wirkdauer: Ca. 1–2 h; daher genaue Überwachung des Patienten und evtl. repetitive Gabe in der Klinik erforderlich. • Titration der Dosis bis zum erwünschten Effekt. ▶ Beachte: Die Gabe eines Antagonisten ist bei manifester Ateminsuffizienz kein Er■ satz für lebenserhaltende Sofortmaßnahmen (Beatmung, Sauerstoffgabe, CPR)! ▶ Dosierung: 3–30 μg/kgKG (0,2–2 mg) i. v.

Acetylcholinesteraseinhibitoren (AChE-I) ▶ Wirkungsweise: Reversible Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase (AChE) → Erhöhung der Acetylcholinkonzentration im synaptischen Spalt. ▶ Physostigmin: Natürliches Carbaminsäurederivat mit guter Passage der Bluthirnschranke → vorwiegend zentral wirkender AChE-I. ▶ Neostigmin und Pyridostigmin: Synthetische Carbaminsäureester mit quarternärer Stickstoffgruppe → keine Passage der Blut-Hirn-Schranke, keine zentralen Wirkungen, peripher wirkende AChE-I. ▶ Sugammadex (Bridion): Kein AChE-Hemmer. Indikation ebenfalls Aufhebung der Wirkung steroidaler Muskelrelaxanzien, insb. Rocuronium. Wirkmechanismus: Enkapsulierung des aminosteroidalen Muskelrelaxanz. AChE-I vs. Alkylphosphate Zum Vergleich Alkylphosphate (Insektizide; s. Insektizidvergiftung S. 481): Wirken grundsätzlich ähnlich; es handelt sich dabei allerdings um Phosphorsäureester → lang anhaltende, irreversible Hemmung der AChE durch Phosphorylierung der Aminosäure Serin im aktiven Zentrum der AChE. ▶ Erwünschte Wirkungen: • Zentral wirksame AChE-I: Intrazerebrale Erhöhung der Acetylcholinkonzentration: Antagonisierung zentral-anticholinerger Symptome (S. 457). 209

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10.8 Antagonisten

• Peripher wirksame AChE-I: Stimulation nikotinerger Rezeptoren an der neuromuskulären Endplatte: – Antagonisierung der Wirkung nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien (S. 208). – Erhöhung der Muskelkraft bei Myasthenia gravis. ▶ Unerwünschte Wirkungen durch Stimulation nikotinerger Rezeptoren der autonomen Ganglien und muskarinerger Rezeptoren: Vor allem parasympathische Überaktivierung (AChE-I = indirekte Parasympathomimetika): • Bradykardie. • Bronchospasmus. • Blutdruckabfall. ▶ Indikationen: • Zentral wirksame AChE-I: – Zentral anticholinerges Syndrom (ZAS; S. 457). – Intoxikation mit anticholinergen Substanzen (s. u. und S. 178). • Peripher wirksame AChE-I: – Muskelschwäche durch Überhang nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien wie Atracurium, Pancuronium, Rocuronium, Vecuronium (S. 208), insbesondere bei Narkoseausleitung. – Myasthenia gravis (normalerweise nicht im Rettungsdienst; s. u.). ▶ Anwendungshinweise und Kommentare zu zentral wirkenden AChE-I: • Siehe auch S. 455. • Langsam injizieren mit wirkungsbezogener Titration! • Bei Überdosierung: Atropin in halbem Gewichtsverhältnis (0,5–1 mg) i. v. • Anwendung als Antidot: – Bei Vergiftungen mit Atropin und Scopolamin indiziert. – Anwendung bei Vergiftungen mit Benzodiazepinen und trizyklischen Antidepressiva umstritten. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare zu peripher wirkenden AChE-I: • Rettungsmedizinische Bevorratung aus folgenden Gründen nicht obligat und eher unüblich: – Narkoseausleitung: Präklinisch selten indiziert und daher nicht üblich. – Myasthenia gravis und myasthenische Krise mit Versagen der Atempumpe sind sehr selten und präklinisch zunächst durch Intubation und Beatmung zu beherrschen. Zudem Gefahr der Verstärkung einer cholinergen Krise, die sich ebenfalls in Muskellähmung äußern kann und nicht ohne Weiteres von einer myasthenischen Krise zu unterscheiden ist. Daher keine Indikation zur präklinischen Gabe von AChE-Inhibitoren. • Depolarisierende Muskelrelaxanzien (Succinylcholin) können nicht antagonisiert werden! • Wirkungseintritt: Nach 3–5 min (Wirkungsmaximum nach 10–15 min), wenn die Applikation in der bereits abklingenden Phase der Muskelrelaxation erfolgte. Bei vollständiger Muskelrelaxation können 30 min und mehr vergehen. • Wirkdauer: Ca. 1–2 h (Pyridostigmin länger als Neostigmin). • Kombination mit Atropin zur Abschwächung der parasympathomimetischen Nebenwirkungen erforderlich, z. B. Aufziehen und Verabreichung von Neostigmin und Atropin in einer Mischspritze im Gewichtsverhältnis von Atropin : Neostigmin 1 : 2,5 bzw. Atropin:Pyridostigmin 1 : 10. ▶ Dosierung: • Physostigmin: 20 μg/kgKG (1–2 mg) über 2–5 min i. v. • Neostigmin: 0,04 mg/kgKG (z. B. 2,5 mg + 1 mg Atropin) langsam i. v. • Pyridostigmin: 0,15 mg/kgKG (z. B. 10 mg + 1 mg Atropin) langsam i. v. • Sugammadex (Bridion): Im Notfall zur sofortigen Aufhebung der Wirkung steroidaler Muskelrelaxanzien, insb. Rocuronium. Dosierung: 16 mg/kgKG.

10.9 Präklinische Narkose beim Notfallpatienten Indikationen ▶ Respiratorische Insuffizienz mit Notwendigkeit der Intubation und Beatmung (um dem Patienten diese Maßnahmen erträglich zu machen). ▶ Starke, sonst nicht beherrschbare Schmerzzustände. ▶ Schwere Polytraumen. ▶ Schwere, psychisch stark belastende Verletzungen (z. B. Amputationen, Zerquetschungen). ▶ Chirurgische oder schmerzhafte Eingriffe am Unfallort. ▶ Schwerer Status asthmaticus. ▶ Schwerer, mit Benzodiazepinen allein nicht beherrschbarer Status epilepticus. ▶ Instabile Patienten, die mit dem Hubschrauber transportiert werden müssen.

10 Analgesie, Sedierung, Narkose

10.9 Präklinische Narkose beim Notfallpatienten

Besonderheiten ▶ Aspirationsgefahr nach Ausfall der Schutzreflexe! Notfallpatienten sind nie sicher nüchtern. ▶ Stets Intubationsnarkose! Narkose beim Notfallpatienten daher nur als Intubationsnarkose mit künstlicher Beatmung durchführen (in Ausnahmefällen auch Verwendung von Tubusalternativen wie Larynxmaske oder Kombitubus, insbesondere bei fehlgeschlagener Intubation). ▶ Gelegentliche Ausnahme: Ketaminnarkose unter schwierigen Bedingungen (eingeklemmter, unzugänglicher Patient). Auch hier aber so bald wie möglich intubieren und beatmen.

Narkosemittel ▶ Kombinationsnarkose: Präklinische Narkose wird meist durch Kombination mehrerer Pharmaka und Narkosemittel eingeleitet und aufrechterhalten. ▶ Keine Inhalationsanästhetika: Die in der Klinik gebräuchlichen Inhalationsanästhetika sowie Lachgas stehen in Deutschland rettungsmedizinisch in der Regel nicht zur Verfügung. ▶ Balancierte Anästhesie: Somit wird jede prähospitale Narkose durch „balancierte“ Gabe mehrerer Pharmaka mit unterschiedlichem Wirkspektrum erzeugt. ▶ Totale intravenöse Anästhesie (TIVA): Die Pharmaka werden ausschließlich i. v. appliziert (gelegentliche Ausnahme: Ketaminapplikation i. m.).

Komponenten der Narkose ▶ Hypnose (Tiefschlaf): Verwendete Pharmaka: • Injektionshypnotika. • Benzodiazepine. • Opioide und Ketamin wirken in hohen Dosen ebenfalls hypnotisch. ▶ Analgesie: Verwendete Pharmaka: • Opioide (wirken in hohen Dosen auch hypnotisch). • Ketamin (wirkt in hohen Dosen auch hypnotisch). ▶ Muskelrelaxierung: Nicht obligat! Verwendete Pharmaka, wenn notwendig: • Depolarisierendes Muskelrelaxans (Succinylcholin) zur Intubation. • Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien zur Aufrechterhaltung der Relaxierung. ▶ Beachte: Eine präklinische Muskelrelaxierung darf nur durch den Erfahrenen er■ folgen! ▶ Vegetative Dämpfung: Notwendig vor allem zur Verhinderung oder Dämpfung hypertensiver und tachykarder Kreislaufentgleisungen. Verwendete Pharmaka: • Analgetika in ausreichend hoher Dosierung. • Hypnotika/Sedativa in ausreichend hoher Dosierung. • Evtl. auch Zusatz von Neuroleptika oder Clonidin. 211

Analgesie, Sedierung, Narkose

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10.9 Präklinische Narkose beim Notfallpatienten

Phasen der Narkose ▶ Narkoseeinleitung (praktisches Vorgehen s. u.): • Applikation schnell und kurz wirksamer Injektionshypnotika. • Zur Intubation ggf. zusätzlich das Muskelrelaxans Succinylcholin. • Hypotensive Wirkung beachten: – Nimmt in folgender Reihenfolge zu: Ketamin < Etomidate < Thiopental < Propofol. – Ketamin führt oft eher zu einem Blutdruckanstieg; Etomidate beeinflusst den Blutdruck in der Regel auch im Schock und bei schlechter Myokardfunktion nur wenig. ▶ Narkoseaufrechterhaltung: • Meist als Kombinationsnarkose mit Opioiden und Benzodiazepinen. • Alternative: Kombinationsnarkose mit Ketamin und Benzodiazepinen. • Applikation der Pharmaka in der Rettungsmedizin meist durch repetitive Injektionen der Einzelsubstanzen. • Bei längerer präklinischer Versorgungsdauer bzw. längerer Transportdauer ist die kontinuierliche Applikation, z. B. in einer Spritzenpumpe, zu empfehlen. ▶ Beachte: Narkosemittel dürfen nicht in hoher Konzentration freilaufenden Infu■ sionen zugemischt werden! Gefahr der akzidentiellen Überdosierung! ▶ Narkoseausleitung: • Die Beendigung einer präklinisch begonnenen Narkose bleibt grundsätzlich der Klinik vorbehalten. • Nur in Ausnahmefällen wird der Patient präklinisch wieder extubiert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: – Patient sicher kreislaufstabil. – Patient atemsuffizient. – Patient bei Bewusstsein. – Schluck- und Hustenreflexe intakt.

Narkoseeinleitung: Praktisches Vorgehen ▶ Patienten so weit wie möglich über das Vorhaben aufklären. ▶ Sicheren venösen Zugang legen. ▶ Patienten in Rückenlage bringen (möglichst auch leichte Oberkörperhochlagerung zur Regurgitationsverhinderung). ▶ Als Notarzt hinter dem Patienten stehen oder knien. ▶ Intubationszubehör, möglichst mit Absaugvorrichtung, überprüfen und bereitlegen. ▶ Präoxygenierung, Injektion des Hypnotikums, ggf. Relaxierung, Sellink-Handgriff, Intubation: Siehe Abb. 5.4, S. 58.

Möglichkeiten der Narkoseaufrechterhaltung"XC013 "212 ▶ 1. Möglichkeit: Morphin-Midazolam-Kombinationsnarkose: • Morphin 0,1 mg/kgKG alle 10–30 min plus • Midazolam 0,1 mg/kgKG alle 10–30 min i. v. ▶ 2. Möglichkeit: Fentanyl-Midazolam-Kombinationsnarkose: • Fentanyl 1–4 μg/kgKG alle 10–30 min i. v. plus • Midazolam 0,1 mg/kgKG alle 10–30 min i. v. ▶ 3. Möglichkeit: Ketamin-Benzodiazepin-Kombinationsnarkose: • Ketamin 1 mg/kgKG alle 10–15 min plus • Midazolam oder Diazepam 0,1 mg/kgKG alle 10–30 min i. v. ▶ 4. Möglichkeit: Propofolinfusionsnarkose (bei Schmerzen obligat Kombination mit Opiat): • Kontinuierlich: 4–12 mg/kgKG/h • Bolusapplikation: 25–50 mg Boli nach klinischer Notwendigkeit. 212

Praxistipp ▶ Für viele Fälle am geeignetsten ist die Opiat-Benzodiazepin-Kombinationsnarkose, da bei guter kardiovaskulärer Stabilität und guter Analgesie eine ausreichend tiefe Hypnose erreicht werden kann. ▶ Bei Polytraumen kann eine Ketamin-Benzodiazepin-Kombinationsnarkose zur besseren Aufrechterhaltung des Kreislaufs günstig sein.

10 Analgesie, Sedierung, Narkose

10.9 Präklinische Narkose beim Notfallpatienten

▶ Wenn notwendig, jeweils Muskelrelaxanzienzusatz: z. B. • Vecuronium 30–100 μg/kgKG alle 30–60 min repetitiv i. v. • Pancuronium 30–100 μg/kgKG alle 60–90 min i. v. • Rocuronium: 75–100 μg/kgKG alle 30–60 min repetitiv i. v.

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Hygiene und Umgang mit speziellen Infektionskrankheiten im Rettungsdienst

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11.1 Hygienemaßnahmen beim Patiententransport

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Hygiene und Umgang mit speziellen Infektionskrankheiten im Rettungsdienst

11.1 Hygienemaßnahmen beim Patiententransport Allgemeine Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen (modifiziert nach AWMF-Leitlinien) ▶ Regelmäßige Händedesinfektion, sowie nach Kontamination bzw. vor Tätigkeiten, bei denen der Patient vor Kontamination zu schützen ist (z. B. invasive Maßnahmen). ▶ Handschuhe bei potenziellem Kontakt mit Schleimhäuten, Sekreten, Exkreten, Blut oder verletzter Haut. ▶ Schutzkleidung, (z. B. Überschürze, zusätzlich zur Arbeitskleidung), wenn eine Kontamination mit organischem Material möglich ist. ▶ Schleimhautschutz (Mund-/Nasenschutz ggf. Augenschutz), zur Vermeidung von Kontakt mit Blut, Körpersekreten, Exkreten etc. ▶ Reinigung, Desinfektion ggf. Sterilisation von Instrumenten und Gegenständen der Patientenversorgung. ▶ Gezielte Flächendesinfektion (im Wischverfahren) nach Kontamination mit organischem Material und bei ausgedehnter Kontamination des Fahrzeuges nach Hygieneplan. ▶ Entsorgung verletzender Gegenstände unmittelbar nach Gebrauch in Sicherheitsbehälter. ▶ Benutzung von Sicherheitsvenenverweilkanülen.

Patientenkategorien hinsichtlich des Infektionsrisikos (AWMF-Leitlinien) ▶ Kategorie A: Patienten, bei denen kein Anhalt für das Vorliegen einer Infektionskrankheit besteht. ▶ Kategorie B: Patienten, bei denen zwar eine Infektion besteht und diagnostiziert wurde, diese jedoch nicht durch beim Transport übliche Kontakte übertragen werden kann. Z. B.: • Virushepatitis. • HIV-Infektion ohne Vollbild AIDS. • Tuberkulose (nicht offene Lungen-TB). • Ausgenommen sind Patienten mit offenen und blutenden Wunden. ▶ Kategorie C-I: Patienten, bei denen die Diagnose gesichert ist oder der begründete Verdacht besteht, dass sie an einer kontagiösen Infektionskrankheit leiden. Z. B.: • Offene Lungen-Tuberkulose. • Meningokokken-Meningitis. • Diphtherie. • Milzbrand. • Windpocken. • Generalisierter Zoster. • Cholera. • Typhus. • Tollwut. • Patienten mit multiresistenten Keimen: MRSA, VRE. • Patienten, die akut erbrechen und/oder dünnflüssige Stühle ausscheiden. ▶ Kategorie C-II: Patienten, bei denen auch nur der bloße Verdacht auf eine Infektionskrankheit mit besonders gefährlichen Erregern besteht. Z. B.: • Hämorrhagisches Fieber (Lassa, Ebola). • Pocken.

Praktisches Vorgehen ▶ Bei Notfallpatienten ist i. A. der Infektionsstatus zunächst unbekannt, sodass erst im Nachhinein die entsprechenden hygienischen Desinfektionsmaßnahmen getroffen werden können. ▶ Bei Patienten der Kategorie A und B sind keine besonderen Maßnahmen zu ergreifen. ▶ Ergibt sich aus dem Krankheitsbild oder aus der Anamnese bzw. aus vorhandenen Krankenunterlagen ein entsprechender Verdacht auf eine Erkrankung der Kategorie C-I oder C-II, bzw. deren Nachweis, so kann folgendermaßen vorgegangen werden: • Elektiver Transport (trotz Notruf keine akute Gefährdung): – Sofern möglich kein Einsatz eines RTW, sondern eines KTW, der nach dem Einsatz nach Hygieneplan desinfiziert werden muss. – Zielkrankenhaus informieren. – Nur notwendige Ausstattung im Wagen belassen. – Nur notwendiges Personal im Wagen lassen. – Entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen (ggf. Schutzkittel, Schutzhandschuhe, Mund-/Nasenschutz je nach infektiologischer Gefährdung s. u.). – Schutzkleidung nach Hygieneplan entsorgen. – Immer: Händedesinfektion. • Notfalltransport: – Transport unverzüglich durchführen. – Zielkrankenhaus informieren. – Nur notwendiges Personal im Innenraum zu Patienten lassen. – Nicht benötigte Ausrüstung, sofern nicht in geschlossenem Schrank untergebracht, in der Fahrerkabine unterbringen. – Entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen (s. u.). – Nach Einsatz Wagen nach Hygieneplan reinigen. – Wenn zunächst bei Patientenkontakt keine entsprechende Schutzkleidung getragen wurde: Rettungsdienstkleidung nach Hygieneplan reinigen. – Immer: Händedesinfektion! ▶ Bei für das Personal gefährlichen Erkankungen ist gegebenenfalls auf Aufforderung durch den zuständigen Amtsarzt eine Postexpositionsprophylaxe durchzuführen (z. B. Antibiotikaeinnahme nach Kontakt mit Patienten mit Meningokokken-Meningitis).

11 Hygiene und Umgang mit speziellen Infektionskrankheiten im Rettungsdienst

11.2 Vorgehen bei speziellen Infektionserkrankungen

• Pest. • Lungenmilzbrand. • SARS. ▶ Kategorie D: Patienten, die in besonderem Maße infektionsgefährdet sind. Z. B.: • Polytrauma. • Patient mit ausgedehnten Unfallverletzungen oder Verbrennungen. • Immunsupprimierte Patienten.

11.2 Vorgehen bei speziellen Infektionserkrankungen Hepatitis B und C, HIV-Infektion (Vollbild AIDS) ▶ Übertragung durch Blut und Körperflüssigkeiten bei parenteralem Kontakt (Verletzungen). ▶ Maßnahmen: Schutz vor parenteralem Kontakt mit infektiösem Material (blutkontaminierte Gegenstände). Standard-Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen (Schutzhandschuhe, ggf. Schutzbrille).

215

Hygiene und Umgang mit speziellen Infektionskrankheiten im Rettungsdienst

11

11.2 Vorgehen bei speziellen Infektionserkrankungen

Meningokokken-Meningitis, Diphtherie, Scharlach, Windpocken, Masern, Röteln ▶ Übertragung über respiratorisches Sekret, naher Kontakt notwendig, Tröpfchen und Schleimhautkontakt. ▶ Maßnahmen: Schutz vor direktem und indirektem Kontakt mit infektiösem Material wie Schleim und Sekret der oberen Atemwege. Mund-Nasen-Schutz für den Patienten und das Personal, Standard-Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen.

Offene Lungen-Tuberkulose (TB) ▶ Übertragung über Aerosole, abhängig vom Ausmaß des Aerosolkontaktes (produktiver Husten, Intubation). Kein Risiko bei geschlossener Beatmung (Cave: Absaugen unter Diskonnektion der Beatmung). ▶ Maßnahmen: Schutz vor Inhalation infektiöser Aerosole. TB-Maske für Patient, bzw. Personal, Standard-Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen.

Gastro-/Enteritis durch Salmonellen, Shigellen, Hepatitis A und E, Noroviren ▶ Übertragung über Stuhl, orale Aufnahme des Erregers. ▶ Maßnahmen: Schutz vor direktem und indirektem Kontakt mit infektiösem Material wie Stuhl, ggf. Erbrochenem, Standard-Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen.

Infektion bzw. Kolonisation mit multiresistenten Keimen ▶ Keime: MRSA (methicillinresistenter Staph. aureus), VRE (vancomycinresistente Enterokokken). ▶ Übertragung: • Kein Risiko für gesundes Personal. • Kein Risiko durch infizierte Wunde ohne Wundkontakt. • Das Risiko besteht in der Kolonisation des Personals und dadurch spätere Übertragung auf gefährdete Patienten. • Maßnahmen: – Bei nasaler Besiedlung Mundschutz für Patienten. – Bei infizierten Wunden, wenn möglich frische Kleidung und frischer Wundverband. – Bei Kontaminationsgefahr: Schutzkittel, Schutzhandschuhe, Mund-NasenSchutz. – Standard-Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen. – Ein spezieller Schutzanzug/-overall ist aus hygienischer Sicht nicht notwendig, das Tragen desselben führt nur zu unnötigen Verunsicherungen und Ängsten beim Patienten, bei unbeteiligten Personen, die den Transport beobachten und beim aufnehmenden Krankenhauspersonal, zudem verursacht es zusätzliche Kosten.

Hochkontagiöse, lebensbedrohliche Erkrankungen ▶ Definition: Erkrankungen, die im Rahmen von terroristischen Anschlägen oder kriegerischen Auseinandersetzungen oder auch im Sinne von meist importierten, schwer verlaufenden hochansteckenden Infektionen zu einer akuten und erheblichen Gefahr von Kontaktpersonen, Mitpatienten und medizinischem Personal werden können. ▶ Auswahl: • Pocken. • Lungenmilzbrand. • Lungenpest. • Virale hämorrhagische Fieber (Marburg-Krankheit, Lassa-Fieber, Ebola-Fieber, Gelbfieber etc.). 216

11 Hygiene und Umgang mit speziellen Infektionskrankheiten im Rettungsdienst

11.2 Vorgehen bei speziellen Infektionserkrankungen

• SARS und SARS-ähnliche Erkrankungen. ▶ Vorgehen: • Schutzanzug anlegen, FFP3-Maske, Schutzbrille. • Patienten isolieren. • Gesundheitsamt informieren, ggf. Polizei. • Falls vom Patientenzustand her möglich entsprechenden Infektionstransport in Absprache mit dem zuständigen Amtsarzt in zugewiesenes Infektionszentrum durchführen. • Zielkrankenhaus informieren! • Ggf. Postexpositionsprophylaxe der Kontaktpersonen nach Absprache mit dem zuständigen Amtsarzt. ▶ Beachte: Hochkontagiöse Erkrankungen sind extrem selten und werden i. A. erst in ■ der Klinik diagnostiziert. Vor Ort ergibt sich die Verdachtsdiagnose, falls der Patient in Kontakt mit Erkrankten stand (z. B. nach Urlaubsreise in entsprechende Gebiete).

217

Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

12

12 Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

12

Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

Zweck ▶ Scoringsysteme dienen der Dokumentation der Erkrankungs- und Einsatzschwere und erleichtern eine spätere wissenschaftliche Aufarbeitung von z. B. Therapieverfahren. ▶ Beide dienen der Qualitätssicherung.

Einsatzprotokoll ▶ Einsatzprotokolle dienen der medizinischen Dokumentation des Einsatzes und als Leitfaden bei der Anamnese und Untersuchung des Patienten. ▶ Meist Verwendung des Notarzteinsatzprotokolles nach Empfehlung der DIVI (oder modifiziert). ▶ Zusätzlicher Nutzen: • Information der weiterbehandelnden Ärzte (Klinik- oder Hausärzte). • Finanzielle Abrechnung des Einsatzes mit der Krankenkasse. • Gedächtnisstütze für spätere Nachfragen (von Versicherungen o. Ä.). • Dokument für eventuelle spätere Klagen gegen den Notarzt oder die Rettungsassistenten (juristische Absicherung). • Grundlage für die Qualitätssicherung im Rettungsdienst und spätere Besprechungen des Einsatzes mit dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst. ▶ Dokumentiert werden u. a.: • Personalien des Notfallpatienten. • Einsatzort und Einsatzzeiten. • An der Patientenversorgung unmittelbar beteiligte rettungsdienstliche Personen. • Anamnese. • Vitalparameter. • Schmerzintensität. • GCS und weiterer neurologischer Status (Paresen, Meningitiszeichen, Pupillenreaktion etc.). • Lokalisation und Schwere von Verletzungen. • Diagnosen. • Verlaufsprotokoll (RR, Herzfrequenz, pulsoxymetrische Sättigung, Maßnahmen). • Medikation. • Zugänge. • Atemwegsmanagement. • Lagerungsmaßnahmen. • Einsatzschwere (NACA-Score). • Übergabestatus des Patienten bzw. Todesfeststellung und -zeitpunkt.

Gebräuchliche Scoringsysteme ▶ NACA-Score: (Modifzierter) Score nach den Empfehlungen des „National Advisory Committee for Aeronautics“ zur Verschlüsselung der Einsatzschwere (Tab. 12.1). ▶ Glasgow-Coma-Scale (GCS): Score zur Erfassung der Schwere einer Bewusstseinsstörung und Komatiefe (Tab. 12.2). Ursprünglich entwickelt für traumatologische Notfälle, heute für alle Notfälle eingesetzt: • Punktvergabe für die 3 Kategorien Augenöffnen, verbale Reaktion und motorische Reaktion. • Addition der erhaltenen Punktwerte. ▶ Revised Trauma Score (RTS): Erfassung der Schwere der Vitalfunktionsstörung nach Trauma (Tab. 12.3): 218

12 Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

12 Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

Abb. 12.1 • Notarzteinsatzprotokoll (Empfehlung der DIVI).

219

12 Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

12

• Punktevergabe für die 3 Kategorien Atmung (Atemfrequenz), Blutdruck (systolischer Blutdruck) und Bewusstsein (anhand des GCS). • Multiplikation der jeweiligen Punktwerte mit einem spezifischen Korrekturfaktor. • Addition der erhaltenen Werte. ▶ APGAR-Score: Asphyxie-Index zur Erfassung der Vitalität des Neugeborenen (s. Tab.368, S. 368). 220

Tab. 12.1 • NACA-Score. Punkte

Nichttraumatologische Notfälle

Traumatologische Notfälle

Eintrag im Protokoll

0

keine Erkrankung

keine Verletzung

Fehleinsatz

1

geringe Funktionsstörung

geringfügige Verletzung

geringfügige Störung

2

mäßig schwere Funktionsstörung

mäßig schwere Verletzung

ambulante Abklärung

3

schwere, aber nicht bedrohliche Störung

schwere, aber nicht bedrohliche Verletzung

stationäre Behandlung

4

schwere, aber nicht lebensbedrohliche Störung der Vitalfunktionen

schwere, aber nicht lebensbedrohliche Verletzung mehrerer Körperregionen (Polytrauma Grad I)

akute Lebensgefahr nicht auszuschließen

5

schwere, lebensbedrohliche Störung der Vitalfunktionen

schwere, lebensbedrohliche Verletzung einer Körperregion oder Polytrauma Grad II

akute Lebensgefahr

6

schwere, akut lebensbedrohliche Störung der Vitalfunktionen

schwere, lebensbedrohliche Verletzung mehrerer Körperregionen (Polytrauma Grad III)

Reanimation

12 Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

12 Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

Tab. 12.2 • Glasgow-Coma-Scale (GCS). Kategorie

Parameter

Punkte

Augenöffnen

spontan

4

auf Aufforderung

3

auf Schmerzreiz

2

verbale Reaktion

motorische Reaktion

Summe

nicht

1

orientiert

5

verwirrt

4

inadäquat

3

unverständlich

2

keine

1

gezielt auf Aufforderung

6

gezielt auf Schmerzreiz

5

ungezielt auf Schmerzreiz

4

Beugemechanismen

3

Streckmechanismen

2

keine

1

mindestens 3 bis maximal 15 Punkte

221

Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin

12

222

12 Dokumentation und Scoringsysteme in der Notfallmedizin Tab. 12.3 • Revised Trauma Score (RTS). Parameter

Ausgangswerte

Punkte

Koeffizient

Atemfrequenz (1 /min)

10–29

4

0,2 908

> 29

3

6–9

3

systolischer Blutdruck (mmHg)

Glasgow-Coma-Scale

1–5

1

0

0

> 89

4

76–89

3

50–75

2

1–49

1

0

0

13–15

4

9–12

3

6–8

2

4–5

1

3

0

0,7 325

0,9 368

13

Leitsymptom: Akute Schmerzen

13.1 Schmerzen im Bereich des Kopfes Primär denken an ▶ Nicht-traumatisch: • Primäre Kopfschmerzen: Migräne (s. u.), Cluster-Kopfschmerz (Bing-Horton-Syndrom, s. u.). • Begleitende Kopfschmerzen bei neurologischen und kardiozirkulatorischen Erkrankungen: s. Tab. 13.1. • Ophthalmologische Erkrankungen: Glaukomanfall (S. 356f), Verletzungen und Verätzungen des Auges (S. 357f). • HNO- Erkrankungen: Entzündungen der Nasennebenhöhlen (Sinusitis frontalis, maxillaris etc.), Otitis. • Neuralgien: Trigeminusneuralgie. • Medikamenteninduzierte Kopfschmerzen: z. B. nach Nitroglycerin oder Nifedipineinnahme (S. 179f). ▶ Traumatisch: Schädelhirntrauma (SHT, S. 401f).

13 Leitsymptom: Akute Schmerzen

13.1 Schmerzen im Bereich des Kopfes

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Schmerz: Lokalisation und Auftreten (evozierbar?), Schmerzqualität. Verletzungen am Kopf? Auge: Pupillenveränderungen, Rötung am Auge? Druckschmerz der Nervenaustrittspunkte? Meningismuszeichen: Nackensteifigkeit, Lasègue? Fieber? Blutdruck- und Pulsmessung. Wichtig ▶ Jeder Patient mit starken Kopfschmerzen und zusätzlichen neurologischen Symptomen sollte zur weiteren Abklärung in die Klinik gebracht werden. Der Notarzt wird im Allgemeinen nicht bei bekannter Symptomatik gerufen (Patient mit Migräne). ▶ Bei Bewusstseinstrübung immer an Raumforderung denken!

▶ Typische Anamnese und Befunde bei Migräne und Cluster-Kopfschmerz: • Migräne (intrazerebrale Vasodilatation): Schwere Kopfschmerzen, anfallsweise auftretend, uni- oder bilateral, vorwiegend fronto-temporal, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen, Geräusch- und Lichtüberempfindlichkeit. • Cluster-Kopfschmerz (unklare Ätiologie): Unerträgliche Kopfschmerzen, anfallsweise auftretend, streng einseitig im Bereich der Orbita fronto-orbital oder temporo-orbital, zu 90 % bei Männern; oft durch Alkohol ausgelöst, Unruhe, Konjunktivitis („rotes Auge“), Tränenfluss, Rhinorrhö, evtl. Miosis und Ptosis. ▶ Akuter Kopfschmerz bei Kindern: • Typische Symptomatik bei Kleinkindern: Inappetenz, Spielunlust, Verdrießlichkeit, Weinen. • Typische Symptomatik bei älteren Kleinkindern und Schulkindern: Sie können Kopfschmerzen lokalisieren und qualitativ beschreiben; viele Kinder halten den Kopf, sehen krank aus, ggf. bestehen auch Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Gangund Sehstörungen. • Wichtigste Ursachen: – Zentral bedingt: Raumforderung s. o.; erhöhter Hirndruck infolge Shuntverschluss bei Hydrozephalus; hier bei Kleinkindern ggf. nur Inappetenz, Spielunlust, Verlangsamung, Bewusstseinstrübung. 223

Leitsymptom: Akute Schmerzen

13

13.2 Schmerzen im Thorax/Brustschmerz Tab. 13.1 • Mögliche Ursachen für Kopfschmerzen bei neurologischen und kardiozirkulatorischen Erkrankungen. Verdachtsdiagnose

klinisches Erscheinungsbild

zerebrale Durchblutungsstörungen (S. 340ff)

Schlaganfall (Stroke)

Subarachnoidalblutung (S. 343f)

Vernichtungskopfschmerz, Nackensteifigkeit

hypertensiver Notfall (S. 277f)

S. 277

intrazerebrale Blutung

fokalneurologische Ausfälle, Bewusstseinstrübung

Hirntumor

perakut oder chronisch progredienter Kopfschmerz, ggf. mit neurologischen Herdsymptomen; Wesensveränderung, progrediente Bewusstseinstrübung, fokale oder generalisierte Krampfanfälle

Hydrozephalus

Anamnese, Bewusstseinstrübung

Meningitis, Meningoenzephalitis

Nackensteifigkeit, Fieber, Bewusstseinstrübung

– HNO-Erkrankungen: Otitis, Sinusitis. – Infekt: Grippaler Infekt, Meningitis s. o. – Zerebrales Krampfleiden: Äquivalente, die sich vorerst nur als Kopfschmerz äußern. – Arterielle Hypertension: Phäochromozytom, Aortenisthmusstenose. – Glaukom. – Hypoglykämie.

Hinweise zur präklinischen Akutversorgung ▶ ▶ ▶ ▶

i. v.-Zugang. Schmerztherapie (S. 202). Lagerung beim Transport: Meist Oberkörper-Hochlagerung oder sitzend. Spezifische Akutversorgung bei bestimmter Verdachtsdiagnose s. Krankheitsbilder im blauen Buchteil.

13.2 Schmerzen im Thorax/Brustschmerz Begriffsbestimmung ▶ Brustschmerz = alle Schmerzzustände der rippentragenden Brustwandareale, der Retrosternalregion und des Schulterbereichs.

Primär denken an ▶ Erkrankungen der Thoraxwand (einschließlich der Schultergelenke), der Wirbelsäule, der Pleura, der Lunge, des Herzens, des Mediastinums, der Aorta, des Ösophagus, des Zwerchfells, des Magens, des Duodenum, der Gallenblase (einschließlich Gallenwege). ▶ Häufigste Ursache: Kardiale Erkrankungen !

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ 224

Schmerz: Auftreten, Lokalisation, Intensität, Ausstrahlung, Charakter. Bekannte Vorerkrankungen? Verletzungen: Prellmarken, Schultergelenksluxation? Auskultation von Herz und Lungen. Blutdruckmessung, EKG (wenn möglich 12-Kanal-EKG!).

Wichtig ▶ Jeder Patient mit schweren Thoraxschmerzen muss unter intensiver Überwachung in die Klinik gebracht werden! ▶ Auch bei jungen Männern und Frauen an die Möglichkeit eines Herzinfarkts bzw. akuten Koronarsyndroms denken!

Differenzialdiagnostische Hinweise aus der Schmerzanamnese s. Tab. 13.2 Hinweise zur präklinischen Akutversorgung ▶ ▶ ▶ ▶

i. v.-Zugang. Schmerztherapie (S. 202). O2-Gabe 4–8 l/min. Lagerung beim Transport: • Bei Dyspnoe: Meist Oberkörper-Hochlagerung oder sitzende Position (was besser toleriert wird). • Bei Hypotonie und Verdacht auf Volumenmangel (z. B. Aortendissektion) kann auch Kopftieflage indiziert sein.

13 Leitsymptom: Akute Schmerzen

13.2 Schmerzen im Thorax/Brustschmerz

▶ Pulsoxymetrie. ▶ Besserung auf Nitrogabe?

Tab. 13.2 • Verdachtsdiagnosen bei Brustschmerz je nach Schmerzbeschreibung. Schmerzbeschreibung

Verdachtsdiagnose (weiterführende Untersuchung, klinische Hinweise)

bewegungsabhängig verstärkter Schulter-/Schultergürtelschmerz, abrupt einsetzend

• traumatologisch: Schultergelenksluxation (Inspektion) • Polymyalgia rheumatica (meist mit Kopfschmerzen und Beckengürtelschmerzen assoziiert)

abrupt, oft unter körperlicher Belastung einsetzender, meist dumpfer Schmerz zwischen den Schulterblättern lokalisiert

• Dissektion der thorakalen Aorta (je nach Dissektionsort Komplikationen wie Zeichen des Myokardinfarktes [bei Verschluss der herznahen Abgänge], vertebrobasiläre Insuffizienz, Pulslosigkeit eines Armes, Aorteninsuffizienz)

einseitige, atem-/bewegungsabhängige Brustwandschmerzen

• traumatologisch: Rippenfraktur (Thoraxkompressionsschmerz) • Pneumothorax, als Spontanpneumothorax auch ohne Trauma (Auskultation, Palpation: Krepitationen?) • Pleuritis sicca (Auskultation: Krepitationen) • Lungenarterienembolie (Thrombose anamnestisch, Halsvenenstau, Dyspnoe, Tachykardie, Hypotonie)

anhaltende, segmentale Brustwandschmerzen

• Herpes zoster (Effloreszenzen) • radikuläre Schmerzen

anhaltende oder intermittierende, retrosternal oder präkordial lokalisierte, belastungsabhängige Brustschmerzen ggf. mit Ausstrahlung

• akutes Koronarsyndrom: Angina pectoris, NSTEMI, STEMI (typischer EKG-Befund S. 271) • Perikarditis (meist gleichzeitig hohes Fieber, Auskultation: Perikardreiben, EKG: ST-Hebungen im Gegensatz zum Infarkt in allen Ableitungen gleichsinnig ausgeprägt als Ausdruck eines globalen Myokardschadens) • Mediastinitis (meist hohes Fieber, schweres Krankheitsgefühl)

225

Leitsymptom: Akute Schmerzen

13

13.3 Schmerzen im Abdomen/akutes Abdomen Tab. 13.2 • Fortsetzung Schmerzbeschreibung

Verdachtsdiagnose (weiterführende Untersuchung, klinische Hinweise)

nahrungsabhängige epigastrische Schmerzen, ggf. mit rostraler Ausstrahlung

• Erkrankungen des Zwerchfells, z. B. Hiatushernie • Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes, z. B. Ösophagitis, Ulkus • Erkrankungen der Gallenblase und der Gallenwege • Pankreaserkrankungen

linksthorakale „Herzstiche“ ohne erkennbare organische Ursache, oft junge Patienten

• funktionelle Herzschmerzen, sog. Da-Costa-Syndrom (keine EKG- oder Enzymveränderungen, keine Vitalgefährdung)

▶ Spezifische Akutversorgung bei bestimmter Verdachtsdiagnose s. Krankheitsbild im blauen Buchteil, z. B. akutes Koronarsyndrom S. 266.

13.3 Schmerzen im Abdomen/akutes Abdomen Begriffsbestimmung und Leitsymptome ▶ Akutes Abdomen = Heterogener Krankheitszustand mit innerhalb weniger Stunden plötzlich aufgetretenen abdominellen Schmerzen, verbunden mit einer lebensbedrohlichen Situation. Klinische Symptome können schon Tage bis Wochen vor Manifestation des akuten Abdomens bestanden haben. ▶ Leitsymptome: Akute, schwere Bauchschmerzen (kolikartig oder permanent/diffus oder lokalisiert, Störung der Peristaltik, Bauchdeckenspannung, Abwehrspannung als Zeichen einer Peritonitis, Übelkeit/Erbrechen.

Primär denken an ▶ Primär entzündliches Geschehen mit Peritonitis. ▶ Pankreatitis. ▶ Appendizitis. ▶ Akute Hohlorganperforation, z. B. perforiertes Ulcus ventriculi/duodeni. ▶ Darmverschluss (mechanischer Ileus), Einklemmen einer Darmschlinge (Inkarzeration). ▶ Darmlähmung (paralytischer Ileus). ▶ Gallenblasenerkrankungen (akute Cholezystitis, Gallenkolik durch Cholezystolithiasis und/oder Choledocholithiasis). ▶ Akute intraabdominelle Ischämie. ▶ Akute intraabdominelle Druckerhöhung (abdominelles Kompartmentsyndrom). ▶ Abdominaltrauma (stumpf oder penetrierend), z. B. Leberruptur, Milzruptur. ▶ Gefäßruptur.

Vor Ort erfragen/prüfen Schmerz: Entstehung, Lokalisation, Charakter? Dokumentation! Übelkeit/Erbrechen? Fieber? Ateminsuffizienz? Vitalparameter Puls, RR, EKG: Hämodynamisch stabil/instabil? Schockzeichen (hypovolämischer Schock [S. 256] bei Flüssigkeitsverlusten in die Bauchhöhle, ins Darmlumen und ins Peritoneum; hämorrhagischer Schock [S. 256] bei intraabdomineller Blutung, septischer Schock [S. 263] bei intraabdomineller Entzündung). ▶ Narben, Hernien, Prellmarken nach Trauma? Verletzungen bei penetrierendem Trauma?

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

226

Wichtig ▶ Abdominelle Schmerzen mit instabilen Kreislaufverhältnissen deuten auf ein schwerstes Trauma/Krankheitsbild hin. Mehr als Stabilisierung und Schmerztherapie ist vor Ort i. A. nicht zu erreichen, so dass der Patient danach sofort in ein geeignetes Krankenhaus gebracht werden muss. Nicht unnötig Zeit vor Ort verschwenden: scoop and run! ▶ Bei schwangeren Frauen muss bei Schmerzen im Oberbauch an ein HELLP-Syndrom gedacht werden!

Differenzialdiagnostische Hinweise

13 Leitsymptom: Akute Schmerzen

13.3 Schmerzen im Abdomen/akutes Abdomen

▶ Auskultation des Abdomens: Peristaltik, Darmgeräusche? ▶ Palpation des Abdomens: Schmerzlokalisation, Resistenzen, Meteorismus, Aszites, Abwehrspannung (Extremform: brettharter Bauch) als Zeichen einer Peritonitis?

▶ Mögliche Ursachen des akuten Abdomens in Abhängigkeit von der Schmerzlokalisation s. Tab. 13.3. ▶ Differenzialdiagnostische Hinweise je nach Schmerztyp: s. Tab. 13.4. ▶ Mögliche besondere Ursachen:

Tab. 13.3 • Akutes Abdomen – differenzialdiagnostische Hinweise je nach Schmerzlokalisation. Schmerzlokalisation

mögliche Ursachen

rechter Oberbauch

• Erkrankungen/Verletzungen von Gallenblase, ableitenden Gallenwegen (Schmerzen oft in die rechte Schulter ausstrahlend), S. 336 und 414 • Erkrankungen/Verletzungen der Leber, Leberruptur (Schmerzen oft in die rechte Schulter ausstrahlend), S. 335 und 414 • retrozökale Appendizitis • Erkrankungen der Lunge (Pneumonie, basale Pleuritis, Pleuraempyem) • Erkrankungen/Verletzungen der Niere und des Nierenbeckens (Niereninfarkt, Nierenkolik, Pyelonephritis), S. 381 und 414

linker Oberbauch

• akute Pankreatitis • Erkrankungen/Verletzungen der Milz, Milzruptur (Schmerzen oft in die linke Schulter ausstrahlend), S. 414 • subphrenischer Abszess • Erkrankungen der Lunge (s. o.) • Erkrankungen/Verletzungen der Niere und des Nierenbeckens (s. o.)

Epigastrium

• Ulcus ventriculi/duodeni, S. 337 • akute Pankreatitis • beginnende akute Appendizitis • Myokardinfarkt (Hinterwand), S. 270 • Erkrankungen/Verletzungen des distalen Ösophagus

rechter Unterbauch

• akute Appendizitis • Enteritis • Erkrankungen/Verletzungen des terminalen Ileums und des Zökums • Harnleiterkolik, S. 381 • stielgedrehte Ovarialzyste • Tuboovarialabszess (Fieber!) • inkarzerierte Leistenhernie • Hodentorsion • bei Kindern: Invagination

227

Leitsymptom: Akute Schmerzen

13

13.3 Schmerzen im Abdomen/akutes Abdomen Tab. 13.3 • Fortsetzung Schmerzlokalisation

mögliche Ursachen

linker Unterbauch

• Erkrankungen/Verletzungen des Sigmas, z. B. akute Sigmadivertikulitis, Enteritis, Colitis ulcerosa • Harnleiterkolik • Extrauteringravidität (Schwangerschaft bekannt?) • stielgedrehte Ovarialzyste • Tuboovarialabszess (Fieber!) • inkarzerierte Leistenhernie • Hodentorsion • bei Kindern: Invagination

mittlerer Unterbauch

• Enteritis • Erkrankungen/Verletzungen der Harnblase, z. B. akute Zystitis, Harnverhalt (Palpation der gefüllten Harnblase, wann/wie viel wurde zuletzt Wasser gelassen?)

diffuse Schmerzlokalisation

• Hohlorganperforation • Mesenterialischämie • Leber-/Milzruptur (Trauma, Kreislaufstabilität?), S. 414 • Aortendissektion/-ruptur (Leistenpulse tastbar? Kreislaufstabilität?), S. 296 • ausgedehntes retroperitoneales Hämatom (Antikoagulation?)

Tab. 13.4 • Akutes Abdomen – differenzialdiagnostische Hinweise je nach Schmerztyp. Schmerztyp

mögliche Ursache

somatische Schmerzen: Ursprung in der Bauchdecke und im parietalen Peritoneum; Charakteristik: Schneidend, gut lokalisiert

z. B. bei Bauchdeckenabszessen/-phlegmone

viszerale Schmerzen: Ursprung in den inneren Organen und dem viszeralen Peritoneum; Charakteristik: eher dumpf, schlecht lokalisierbar • akut, bohrend

• Magen-, Darmperforation • akute nekrotisierende Pankreatitis • Herzinfarkt!

• drückend, leicht bis mittelschwer, quälend

• bei Organdehnung: Kapseldehnung (Leber, Milz), Hohlorgandehnung (paralytischer Ileus)

• brennend

• bei Entzündung: Gastritis, Enteritis, Kolitis

• kolikartig, d. h. krampfartig zu- und abnehmend, wehenartig

• bei Kontraktion verlegter Hohlorgane: Gallenkolik, Nieren- und Harnleiterkolik, mechanischer Ileus

• Extraabdominell (systemisch): Bleiintoxikation, Urämie, diabetische Ketoazidose, akut intermittierende hepatische Porphyrie, Addison-Krise, hämolytische Krise, C 1-Esterase-Inhibitor-Mangel, Mittelmeerfieber. • Gynäkologisch s. Tab. 13.5

Hinweise zur präklinischen Akutversorgung (s. Akutes Abdomen im blauen Buchteil S. 335) 228

Tab. 13.5 • Akutes Abdomen – Abdomineller Schmerz als Folge gynäkologischer Erkrankungen. Ursachen außerhalb der Schwangerschaft

Schwangerschaftsbedingte Ursachen

• Adnextumore mit Ruptur/Einblutung oder Torsion stielgedrehter Ovarialtumor/-zyste

• Extrauteringravidität

• stielgedrehte Adnexe

• Uterusruptur

• rupturierte Ovarialzyste

• Abort

• Myome

• Wehenschmerz

• Tuboovarialabszess (Fieber!) • akute Adnexitis/Endometritis (Fieber!)

13 Leitsymptom: Akute Schmerzen

13.4 Extremitätenschmerz

• Douglasabszess (Fieber!)

13.4 Extremitätenschmerz Primär denken an ▶ Trauma: Frakturen, Luxationen, Quetschungen, Bänder- oder Gelenkkapselzerrungen/-dehnungen. ▶ Arterieller Gefäßverschluss: Ischämie, meist durch arterielle Embolie. ▶ Venöser Gefäßverschluss: Tiefe Beinvenenthrombose. ▶ Neurologische Ursachen: Neuropathien. ▶ Projizierte Schmerzen: z. B. Schmerzausstrahlung in den linken (seltener rechten) Arm bei Myokardinfarkt.

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Sturz, Trauma? Frakturzeichen? Schwellung? ▶ Hautfarbe und -temperatur: bei arteriellem Verschluss Extremität distal des Verschlusses weiß und kühl; bei venösem Verschluss Extremität livide und gestaut. ▶ Pulskontrolle, ggf. kapilläre Füllungszeit (Druck auf das Nagelbett, Wiederauffüllung nach > 2 s pathologisch). ▶ Prüfung von Sensibilität und Motorik. ▶ Blutdruck, Puls, EKG.

Differenzialdiagnostische Hinweise je nach Symptom-, Befundkonstellation s. Tab. 13.6 Hinweise zur präklinischen Akutversorgung i. v.-Zugang. Schmerztherapie (S. 202). Ggf. O2-Gabe 4–8 l/min. Lagerung beim Transport: Meist ist Ruhigstellung der betroffenen Extremität erforderlich. ▶ Spezifische Akutversorgung bei bestimmter Verdachtsdiagnose s. Krankheitsbilder im blauen Buchteil.

▶ ▶ ▶ ▶

229

Leitsymptom: Akute Schmerzen

13

13.4 Extremitätenschmerz Tab. 13.6 • Extremitätenschmerzen – differenzialdiagnostische Hinweise je nach Symptom- und Befundkonstellation. Symptom-, Befundkonstellation

spricht für

akuter Schmerz nach Trauma mit: • Schwellung, Fehlstellung, Krepitationen

• geschlossene/offene Fraktur/Luxation

• Schwellung, Druckschmerz

• geschlossene Fraktur/Prellung

• Schwellung, Druckschmerz der Gelenke

• Bänder-/Kapselzerrungen/-dehnungen, Fraktur

▶ traumatologischer Sonder■ fall: Akuter Schmerz ohne Trauma nach Belastung

• Belastungsfraktur (Marschfraktur)

akuter Schmerz ohne akutes Trauma und ohne neurologische Symptome

• Phlebothrombose (Fußsohlen-/Wadendruckschmerz, Hautverfärbung und Schwellung eher gering, vorausgegangene Immobilisation/OP?) (S. 298) • Phlegmasia coerulea dolens (massive Schwellung, Blauverfärbung v. a. der unteren Extremität) • Thrombophlebitis (schmerzhafter Strang im Venenverlauf) • Erysipel (akutes, schmerzhaftes, flächenhaftes Erythem mit Fieber und Allgemeinsymptomen) • Gasbrand (stark schmerzhaftes überwärmtes Erythem, Hautemphysem, Krepitationen tastbar, Z. n. Verletzung) • Finger-/Zehenapoplexie (plötzliche schmerzlose Blauverfärbung eines Fingers oder Zehs)

akuter Schmerz ohne akutes Trauma und mit neurologischen Symptomen

• akuter arterieller Verschluss durch Embolie oder Thrombose (S. 298): – Pain (Schmerz) – Pulselessness (Pulslosigkeit) – Pallor (Blässe) – Paraesthesia (Sensibilitätsstörung) – Paralysis (Lähmung) • akute Nervenwurzelkompression/Rückenmarkskompression (radikuläre Symptomatik, normale Hautfarbe und Puls), (S. 426) • Kompartmentsyndrom (pralle, schmerzempfindliche Muskellogen), (S. 429) • Rhabdomyolyse (akuter Muskelschmerz und -schwäche, Z. n. Krampfanfall, Intoxikation, Infekt) • Herpes zoster (Effloreszenzen)

230

13.5 Rückenschmerzen Begriffsbestimmung ▶ Rückenschmerzen = Schmerzen entlang der gesamten Wirbelsäule inkl. umschriebene Schmerzzustände in Projektion auf einzelne Abschnitte (Hals-, Brust-, Lendenwirbelsäule, Becken) und Schmerzzustände lateral der Wirbelsäule.

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Trauma?, Vorerkrankungen? Lokalisation? Belastungsabhängig? EKG, Blutdruck, ggf. Pulsoxymetrie. Periphere Pulse. Orientierende neurologische Untersuchung inkl. Sensibilitäts- und Motorikprüfung. Klopfschmerzhaftigkeit?

13 Leitsymptom: Akute Schmerzen

13.5 Rückenschmerzen

Akute Rückenschmerzen ▶ Akute Rückenschmerzen sind oftmals vor Ort schwer einzuordnen, hinter einem vermeintlich banalen Bandscheibenvorfall kann sich eine gedeckt rupturierte Aorta abdominalis verbergen. Im Zweifel Patient unter notärztlicher Begleitung in Klinik verbringen und dort abklären lassen. ▶ Nach Traumen werden Schmerzen vom Patienten gelegentlich erst nach einer Latenzzeit wahrgenommen.

Differenzialdiagnostische Hinweise je nach Symptom- und Befundkonstellation Tab. 13.7 • Rückenschmerzen – differenzialdiagnostische Hinweise je nach Symptomund Befundkonstellation. Schmerzbeschreibung

mögliche Ursache (Symptom-, Befundspezifikation)

Schmerzen im Nacken/ Schultergürtel: • nach Trauma

• Distorsionen (nach Schleudertrauma, oft erst nach einigen Stunden einsetzend, bewegungsabhängiger lokaler Schmerz mit Ausstrahlung in die Hinterhaupt- oder Schulterregion ohne neurologische Ausfälle) • diskoligamentäre Verletzungen (ggf. mit neurologischen Begleitsymptomen) • Frakturen Halswirbelsäule (ggf. mit neurologischen Begleitsymptomen, z. B. Parästhesien der Hände bis zu Tetraplegie, Haltungsinsuffizienz) • SAB, S. 343 (Kopfschmerzen)

• ohne Trauma

• Meningitis, S. 347 (Kopfschmerzen, Fieber, Krankheitsgefühl, Somnolenz) • SAB, S. 343 (Aneurysmablutung: „Vernichtungskopfschmerz“) • degenerative Wirbelsäulenveränderungen (ggf. mit radikulären Symptomen)

231

Leitsymptom: Akute Schmerzen

13

13.5 Rückenschmerzen Tab. 13.7 • Fortsetzung Schmerzbeschreibung

mögliche Ursache (Symptom-, Befundspezifikation)

Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule: • nach Trauma

• Brustwirbelkörper-Frakturen • Rippenfrakturen (dorsal, Thoraxkompressionsschmerz, Pneumothorax) • Aortendissektion (akut aufgetretener, oft zwischen den Schulterblättern lokalisierter Schmerz) • akutes Koronarsyndrom, S. 270 (EKG!, Beeinflussung durch Nitro)

• ohne Trauma

• Pleuritis • Mediastinitis (Fieber, schweres Krankheitsgefühl) • Ulcus ventriculi/duodeni (Schmerz in Abhängigkeit mit der Nahrungsaufnahme) • Aortendissektion, S. 296 (Marfan-Syndrom, Hypertonus) • Herpes zoster (den Dermatomen zuzuordnende charakteristische Effloreszenzen)

Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Os sacrum („Kreuzschmerzen“): • nach Trauma

• Lendenwirbelkörper-Frakturen, S. 426 • dorsale Beckenfrakturen, S. 416 (Schmerzen bei Kompression des Beckens) • Milz- oder Nierenruptur, S. 414

• ohne Trauma

• Bandscheibenvorfall (radikuläre Symptomatik mit Ausstrahlung) • Bauchaortenaneurysmaruptur, S. 296 (Leistenpulse, Schockzeichen) • akute Pankreatitis (akute Oberbauchschmerzen mit gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken oder in die linke Flanke) • Nierenbeckenentzündung, Nierenkolik, S. 381 (Schmerzcharakteristik, Fieber, Klopfschmerzhaftigkeit des Nierenlagers) • retroperitoneales Hämatom (dumpfe, drückende Rücken- oder Kreuzschmerzen, Markumareinnahme)

Hinweise zur präklinischen Akutversorgung ▶ ▶ ▶ ▶

232

i. v.-Zugang. Schmerztherapie (S. 202). Ggf. O2-Gabe 4–8 l/min. Die Lagerung beim Transport und die spezifische Akutversorgung sind abhängig von der konkreten Verdachtsdiagnose (s. Krankheitsbilder im blauen Teil).

14

Neurologische Leitsymptome

14.1 Synkope/kurz dauernde Bewusstlosigkeit Begriffsbestimmung und typische Symptomatik ▶ Synkope = anfallsartige, kurz dauernde Bewusstlosigkeit aufgrund einer vorübergehenden Durchblutungsverminderung des Gehirns. Die Bewusstlosigkeit ist rasch reversibel, der Patient ist bei Eintreffen des Notarztes meist wieder ansprechbar.

Primär denken an ▶ Vasovagale Reaktion: Blutdruckabfall durch vagale Fehlregulation mit Bradykardie und/oder Weitstellung der peripheren Gefäße. ▶ Zerebrale Durchblutungsstörung aufgrund hochgradiger Verengungen der A. carotis und/oder der A. vertebralis. ▶ Kardiale Erkrankung und daraus resultierende Durchblutungsstörung: • Herzrhythmusstörungen (S. 280), z. B. Adams-Stokes-Anfall. • Herzklappenfehler, z. B. Aortenstenose.

14 Neurologische Leitsymptome

14.2 Länger anhaltende Bewusstseinsstörung

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Erstereignis, frühere Schwindelattacke auch ohne Bewusstlosigkeit? ▶ Bekannte Herzrhythmusstörung, Herzklappenerkrankung? ▶ Diabetes mellitus? Medikamentöse Therapie (orale Antidiabetika, Insulintherapie?) ▶ Medikation (bradykardisierende Medikamente)? ▶ Vitalparameter RR, Puls (Arrhythmie bei kardialer Ursache), Pulsoxymetrie. ▶ Herzauskultation (Strömungsgeräusche bei kardialer Ursache). ▶ EKG (Rhythmusstörungen bei kardialer Ursache, Bradykardie bei kardialer Ursache oder bei vasovagaler Synkope). ▶ Orientierende neurologische Untersuchung (neurologische Ausfälle bei zerebralvaskulärer Ursache, z. B. Paresen der Gesichtsmuskulatur [hängender Mundwinkel], Paresen der Arme oder Beine). ▶ Blutzuckerbestimmung.

Mögliche Differenzialdiagnosen ▶ Koma (s. u.): Länger anhaltende Bewusstlosigkeit? ▶ Z. n. generalisiertem Krampfanfall (S 344): Zungenbiss, Einnässen, Einkoten? ▶ Hypoglykämie (S. 317): Niedriger Blutzucker?

Hinweise zur präklinischen Akutversorgung ▶ i. v.-Zugang. ▶ Ggf. O2-Gabe 4–8 l/min. ▶ Lagerung beim Transport: Bei noch anhaltender Somnolenz ggf. stabile Seitenlagerung (z. B. nach Krampfanfall). ▶ Spezifische Akutversorgung bei bestimmter Verdachtsdiagnose s. Krankheitsbilder im blauen Buchteil.

14.2 Länger anhaltende Bewusstseinsstörung Begriffsbestimmung, typische Symptomatik ▶ Somnolenz: Patient ist schläfrig; auf Anruf erweckbar. ▶ Sopor: Patient ist bewusstlos; durch Anrufen oder Schmerzreize erweckbar. ▶ Koma: Patient ist bewusstlos; nicht erweckbar. Augen stets geschlossen. Stadieneinteilung: 233

Neurologische Leitsymptome

14

14.2 Länger anhaltende Bewusstseinsstörung

• I: Bewusstlosigkeit ohne neurologische Störungen. • II: Bewusstlosigkeit mit neurologischen Störungen: Paresen, Störungen der Pupillomotorik. • III: Bewusstlosigkeit mit Hirnstamm- und Mittelhirnsymptomen: Spontane oder durch Schmerzreiz ausgelöste Streck- oder Beugesynergismen; erhaltene Lichtreaktion der Pupillen. • IV: Bewusstlosigkeit mit Bulbärhirnsyndrom: Spontanatmung erhalten, Pupillen reaktionslos. ▶ Einteilung s. auch Glasgow-Coma-Scale Tab.12.2, S.221.

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Patienten ansprechen! ▶ Vitalfunktionen prüfen (Puls, Blutdruck). ▶ Prüfen der Atmung (pathologische und paradoxe Atemtypen und ihre Bedeutung s. Tab. 15.1, S. 241). ▶ Orientierende neurologische Untersuchung: • Festhalten der besten motorischen Antwort auf Ansprache/Schmerzreiz. • Nackensteifigkeit? • Paresen? • Beurteilung des Muskeltonus. • Pupillenstatus (Miosis z. B. nach Einnahme von Morphin, Sympatholytika, Parasympathomimetika; Mydriasis, z. B. nach Einnahme von Parasympatholytika, Kokain, bei Alkoholvergiftung). ▶ Scoring nach Glasgow Coma Scale (s. S.221). ▶ Inspektion von Kopf und Hals (Verletzungen, Strangulations-/Würgemale). ▶ Inspektion der Haut (Blässe, Ikterus, Zyanose, Exsikkose, Ikterus, Schwitzen?). ▶ Achten auf Fötor ex ore (Alkohol, Azeton, Harn?). ▶ Fremdanamnese. ▶ Inspektion der Umgebung (Alkoholika, Tablettenschachteln, Insulinspritzen etc.). ▶ Blutzuckerbestimmung. ▶ EKG. ▶ Pulsoxymetrie.

Differenzialdiagnostische Hinweise je nach Symptom-/ Befundkonstellation ▶ Länger anhaltende Bewusstseinsstörung mit neurologischer Symptomatik: s. Tab. 14.1. ▶ Länger anhaltende Bewusstseinsstörung ohne oder mit fakultativer neurologischer Symptomatik: s. Tab. 14.2. ▶ Länger anhaltende Bewusstseinsstörung mit anamnestisch und/oder akutdiagnostisch eindeutigen Hinweisen auf die Ursache: s. Tab. 14.3. Bewusstlosigkeit ▶ Die bewusstlose Schwangere: • Bei Schwangeren kann es im Rahmen einer Schwangerschaftsgestose zu Krampfanfällen kommen (Eklampsie); daher insbesondere Suche/Frage nach: – Hinweisen für stattgehabten Krampfanfall: Zungenbiss, Urin-/Kotabgang. – Hinweisen für EPH-Gestose: Ödeme, Proteinurie (siehe Mutterpass), Hypertonus. – Anfällen: Tonisch- klonische Krämpfe mit oder ohne Prodromalsymptome. • Differenzialdiagnose von Koma und Krämpfen s. S. 344. • Differenzialdiagnose von Bewusstlosigkeit mit Schocksymptomen: – Hypovolämischer Schock bei vorzeitiger Plazentalösung, Uterusruptur (vaginale Blutung?), Leberruptur bei Gestose. 234

– Kardiogener Schock bei Fruchtwasserembolie. – Endotoxinschock. ▶ Der bewusstlose ältere Mensch. • Bei bewusstlosen geriatrischen Patienten immer an die Möglichkeit einer Exsikkose denken (s. auch Tab. 14.3). ▶ Bei Bewusstlosen aller Altersklassen immer BZ-Bestimmung zum Ausschluss einer Hypoglykämie und immer Achten auf Hinweise auf stattgefundenen Krampfanfall (Zungenbiss, Einnässen).

Tab. 14.1 • Länger anhaltende Bewusstseinsstörung mit neurologischer Symptomatik – differenzialdiagnostische Hinweise in Abhängigkeit von der jeweiligen Symptom-/Befundkonstellation. wegweisende Befunde

akut einsetzende Bewusstseinsstörung mit zusätzlichen neurologischen Symptomen

subakut einsetzende Bewusstseinsstörung mit zusätzlichen neurologischen Herdsymptomen wie: • asymmetrische neurologische Herdsymptome • fokale, sekundär generalisierte Krampfanfälle • „klassische“ Atemtypen

wahrscheinliche Lokalisation

primär infratentorielle Läsionen

supratentorielle Raumforderung mit beginnender transtentorieller Einklemmung

weitere Symptome und anamnestische Hinweise

Verdachtsdiagnose

• bilaterale Herdsymptome, nur geringe Asymmetrie • Hirnnervenausfälle • Strecksynergismen • zentrale Atem- und Kreislaufstörung

• Hirnstamminfarkt/ -blutung

• Tetraparese • Hirnnervenausfälle • Schluckstörungen • Zentrale Atem- und Kreislaufstörungen

• Basilaristhrombose

• ipsilateraler Hirnnervenausfall (Drehschwindel, Nystagmus) mit kontralateralem Hemisyndrom

• Wallenberg-Syndrom (dorsolaterales Medulla oblongata Syndrom: Verschluss im Bereich der A. cerebelli posterior, gelegentlich auch im Bereich der A. vertebralis)

• akuter Kopfschmerz (Vernichtungskopfschmerz) • Übelkeit, Erbrechen • Meningismus • ggf. neurologische Herdsymptome

• SAB (S. 343)

• Meningismus • Fieber • anamnestisch Infektion (z. B. HNO)

• Meningoenzephalitis (S. 347) • Hirnabszess (S. 340)

• Hemiparese • Marcumareinnahme

• Hirnmassenblutung (S. 342)

• Hemiparese • absolute Arrhythmie

• massiver Hirninfarkt (S. 340)

14 Neurologische Leitsymptome

14.2 Länger anhaltende Bewusstseinsstörung

235

Neurologische Leitsymptome

14

14.2 Länger anhaltende Bewusstseinsstörung Tab. 14.2 • Länger anhaltende Bewusstseinsstörung ohne oder mit fakultativer neurologischer Symptomatik – differenzialdiagnostische Hinweise in Abhängigkeit von der jeweiligen Symptom-/Befundkonstellation. wegweisende Befunde

wahrscheinliche Lokalisation

akut einsetzende Bewusstseinstrübung ohne neurologische Symptome

subakut einsetzende Bewusstseinsstörung mit: • vorangegangener Verwirrtheit oder Verlangsamung • bilateralen motorischen Reizund Ausfallserscheinungen (Tremor, Myoklonie, fokale und generalisierte Anfälle) • fehlenden Hirnnervensymptomen

metabolisches und endokrinologisches Koma

weitere Symptome und anamnestische Hinweise

Verdachtsdiagnose

• Kaltschweißigkeit • normale Atmung • Diabetesanamnese

• Hypoglykämie (mit Blutzuckermessung bestätigen!) (S. 317)

• Diabetesanamnese

• Hyperglykämie (S. 315)

• Foetor uraemicus • Dehydratation (bei Polyurie) • Shuntarm vorhanden

• urämisches Koma (S. 314)

• Ikterus • Foetor hepaticus

• hepatisches Koma (S. 335)

• Tachykardie • Tachyarrhythmia absoluta • Hyperthermie • Myopathie • Schwäche der proximalen Muskulatur • Bulbärparalyse

• Hyperthyreose • thyreotoxische Krise (sehr selten) (S. 316)

• Bradykardie • Hypotonie • Hypothermie • Myxödem

• Hypothyreose (S. 318) • Myxödemkoma (S. 318)

• Hyperpigmentation • Pseudoperitonitis • Dehydratation • Hypotonie

• Addison-Krise (S. 318)

Hinweise zur präklinischen Akutversorgung ▶ i. v.-Zugang. ▶ O2-Gabe 4–8 l/min. ▶ Lagerung beim Transport: Bei Patienten mit organischen Hirnschäden ist i. A. die 30° Oberkörper-Hochlagerung indiziert. ▶ Spezifische Akutversorgung bei bestimmter Verdachtsdiagnose s. Krankheitsbilder im blauen Buchteil.

236

wegweisende Befunde

akut oder subakut einsetzende Bewusstseinsstörung nach Trauma

meist subakute Bewusstseinsstörung mit Zeichen respiratorischer Störungen

wahrscheinl. Lokalisation

Schädelhirntrauma (SHT)

weitere Symptome/ anamnestische Hinweise

Verdachtsdiagnose

• Liquoraustritt • geöffnete Schädeldecke

• offenes SHT (mit Verletzung der Dura) (S. 401)

• kein Liquoraustritt • stabile Kreislaufsituation

• geschlossenes SHT (S. 401)

• Hypertonie • ggf. mit Bradykardie

• Cushing-Reflex bei akuter Hirndrucksteigerung

• ausgeprägte Hypotonie • Schockzeichen

• zerebrale Mangeldurchblutung bei traumatisch-hämorrhagischem Schock, ggf. in Kombination mit SHT

• exspiratorisches Giemen • Zyanose • pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung erniedrigt

• COPD (S. 302) • Asthma bronchiale (S. 300) • Aspiration

• inspiratorisches Giemen • Zyanose

• Verlegung der extrathorakalen Atemwege, S. 43 • bei Kindern: – Pseudokrupp (S. 396) – Epiglottitis (S. 394) – Fremdkörperaspiration

• Tachykardie • Hypotonie • ggf. Zyanose • Z. n. OP, Immobilisation

• Lungenembolie (S. 305)

• feuchte Rasselgeräusche • bekannte Herzinsuffizienz • Inhalationstrauma • Zyanose

• Lungenödem (S. 307)

Hypoxie

Hyperkapnie

Hypovolämie Bewusstseinsstörung bei Hypotonie akute Herzinsuffizienz

• Hyperkapnie (nur in der BGA bzw. endexspiratorischen CO2-Messung nachweisbar)

• COPD (S. 302) • Asthma bronchiale (S. 300)

• Diarrhö • Altersdemenz • stehende Hautfalten

• Exsikkose

• Tachykardie • Bluterbrechen • Teerstuhl

• gastrointestinale Blutung (S. 337) • sonstige Blutung

• Herzrhythmusstörungen

• z. B. ventrikuläre Tachykardie (S. 284)

• exspiratorisches Giemen • feuchte Rasselgeräusche

• kritisch erniedrigtes Herzzeitvolumen bei kardialer Dekompensation (S. 275)

14 Neurologische Leitsymptome

14.2 Länger anhaltende Bewusstseinsstörung Tab. 14.3 • Länger anhaltende Bewusstseinsstörung mit anamnestisch und/oder akutdiagnostisch eindeutigen Hinweisen auf die Ursache.

237

Neurologische Leitsymptome

14

14.3 Halbseitensymptomatik (Hemiparese/Hemiplegie)

14.3 Halbseitensymptomatik (Hemiparese/Hemiplegie) Begriffsbestimmung und Gradeinteilung ▶ Hemiparese: Minderung der Willkürmotorik einer Körperhälfte. ▶ Hemiplegie: Verlust der Willkürmotorik einer Körperhälfte. ▶ Je nach betroffenen Körperteilen spricht man von: • Kompletter, • inkompletter oder • brachiocephalbetonter Hemiparese/Hemiplegie. ▶ Skala der Paresegrade: s. Tab. 14.4. Tab. 14.4 • Paresegrade. Beschreibung

Paresegrad

normale Kraft

6

leichte/latente Parese

5

Bewegung gegen mäßigen Widerstand des Untersuchers möglich

4

Bewegung gegen die Eigenschwere der Gliedmaße möglich

3

Bewegung bei Ausschalten der Eigenschwere der Gliedmaße möglich (mit Unterstützung des Untersuchers)

2

Anspannung der Sehnen ohne Bewegungseffekt

1

völlige Lähmung

0

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Genauer Zeitpunkt des Beginns, akut, allmählich. Vitalfunktionen (Atmung, Puls, Blutdruck), Pulsoxymetrie. EKG. Blutzucker. Grobe neurologische Untersuchung: Stirn runzeln, Pfeifen, Zunge herausstrecken, Hände drücken, ggf. Arme/Beine hochhalten lassen, zum Sprechen auffordern (sensorische, motorische Aphasie).

Differenzialdiagnostische Hinweise je nach Symptom-/ Befundkonstellation s. Tab. 14.5 Wichtig Jede akut oder subakut aufgetretene Halbseitensymptomatik ist als Schlaganfall anzusehen und in der Klinik dringlich abzuklären. Eine ätiologische Klärung (Blutung vs. Ischämie) ist ohne bildgebende Diagnostik nicht möglich.

Hinweise zur präklinischen Akutversorgung ▶ i. v.-Zugang. ▶ O2-Gabe 4–8 l/min. ▶ Lagerung beim Transport: Meist Oberkörper-Hochlagerung. Bei Somnolenz und Aspirationsgefahr ggf. stabile Seitenlagerung, sofern Intubation nicht indiziert ist oder vermieden werden soll. ▶ Spezifische Akutversorgung bei bestimmter Verdachtsdiagnose s. Krankheitsbilder im blauen Buchteil. 238

Tab. 14.5 • Halbseitenlähmung (HSL) – differenzialdiagnostische Hinweise je nach Symptom-/Befundkonstellation. Symptom-/Befundkonstellation

Verdachtsdiagnose

• TIA (Transitorisch ischämische Attacke): Rückbildung innerhalb von Minuten bis max. 24 h mit Rückbildungstendenz akutes Einsetzen der HSL

• PRIND (Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit): Dauer: > 24 h bis < 1 Woche) • fokale Migräne • Toddsche Parese (Z. n. Krampfanfall)

inkomplette, fehlende Rückbildung

• kompletter zerebraler Insult durch Ischämie oder Blutung (vor Ort nicht unterscheidbar)

14 Neurologische Leitsymptome

14.4 Akute Erregung und Verwirrtheit (s. a. S. 350)

• Tumorblutung

subakutes Einsetzen der HSL

im Verlauf von Stunden oder wenigen Tagen, bei Hirndruck oder infratentorieller Läsion ev. zusätzlich Somnolenz

• progressive Stroke (durch Ödem) • protrahierte Thrombosierung • rezidivierende Embolien • sub- oder epidurales Hämatom • Tumor • Hirnabszess

chronisch progrediente HSL

im Verlauf von Tagen, Wochen oder Monaten

• Hirntumor • chronisch subdurales Hämatom • Hirnabszess • Parasiten

14.4 Akute Erregung und Verwirrtheit (s. a. S. 350) Typische Symptomatik ▶ Erregung: Agitiertheit, Aggressivität, manischer Zustand. ▶ Verwirrtheit: Desorientierung, Halluzinationen, Paranoia, Delirium.

Primär denken an Metabolisch-endokrinologische Erkrankungen: z. B. Hypoglykämie (S. 317). Intoxikationen (S. 443): z. B. Alkohol, Halluzinogene, Ecstasy oder Kokain. Drogenentzug: z. B. Opioide, Benzodiazepine oder Alkohol. Zentral anticholinerges Syndrom (ZAS), S. 457. Psychische/psychiatrische Erkrankungen: • Bipolare affektive Störung (Manisch-depressive Erkrankung, Zyklothymie). • Schizophrenie. • Akute Belastungsreaktion (s. S. 350). • Wochenbettpsychose Tage nach der Geburt. • Panikattacken. ▶ Neurologische Erkrankungen: z. B. Meningitis, Huntington-Chorea. ▶ Infektionen: z. B. Meningitis. ▶ Traumatologisch: Schädel-Hirn-Trauma (S. 401).

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Verwirrtheit ▶ Bei rettungsmedizinisch relevanten Krankheitsbildern liegen meist Symptome der Erregung und Verwirrtheit kombiniert vor. Hinter Erregung und Verwirrt239

Neurologische Leitsymptome

14

14.4 Akute Erregung und Verwirrtheit (s. a. S. 350)

heit können sich lebensbedrohliche somatische Erkrankungen verbergen (z. B. postparoxysmale Verwirrtheit bei Krampfanfall infolge SAB). ▶ Der verwirrte alte Patient. • Bei geriatrischen Patienten kann Verwirrtheit das einzige Symptom einer anderen somatischen Erkrankung sein (z. B. stummer Myokardinfarkt).

Mögliche Folgen/Gefahren ▶ Vegetative Störungen: Tachykardie, Hypertension. ▶ Fremdgefährdung. ▶ Eigengefährdung, Suizidalität, Suizid(versuch) (S. 353).

Hinweise zur präklinischen Akutversorgung ▶ i. v.-Zugang. ▶ O2-Gabe 4–8 l/min. ▶ Lagerung beim Transport: Je nach Verdachtsdiagnose (s. Krankheitsbilder im blauen Teil). Wichtige Hinweise zu Sedierung und sicherem Transport des Patienten in die Klinik ▶ Rechtliche Situation: Eine Sedierung ohne Einwilligung bedeutet rein rechtlich eine freiheitsbeschränkende Maßnahme, d. h. sie sollte nur erfolgen, wenn Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt und die Einsichtsfähigkeit des Patienten offensichtlich herabgesetzt ist (gut dokumentieren!). Das Hinzuziehen der Polizei, die alleine das Gewaltmonopol des Staates vertritt, ist anzuraten. Vor Eintreffen der Polizei nur dann selbst körperlich oder pharmakologisch eingreifen zur Selbstverteidigung, zum Schutz des Patienten bei offensichtlich akuter Selbstgefährdung oder zum Schutz Dritter. Ggf. versuchen, den agitierten, verwirrten Patienten bis zum Eintreffen der Polizei verbal zu beschwichtigen bzw. abzulenken. ▶ Medikamentöse Maßnahmen zur Sedierung: Im Rettungswagen stehen nur eingeschränkt geeignete Sedativa zur Verfügung: • Benzodiazepine können bei Kindern und älteren Menschen paradoxe Wirkung entfalten, bei geriatrischen Patienten zudem bereits in niedrigen Dosen zur Apnoe führen. • Bei produktiv-psychotischen Zuständen ist Haldol indiziert; die Gabe eines Anästhetikums in niedriger Dosis (Propofol) birgt die Gefahr der Apnoe mit der Notwendigkeit einer Intubation mit den damit verbundenen Gefahren. • Eine eindeutige Richtlinie zur Vorgehensweise ist nicht möglich; sofern notwendig und der Patient es sich gefallen lässt, Versuch der Ruhigstellung mit vorsichtig titrierten Benzodiazepinen. ▶ Spezifische Akutversorgung bei bestimmter Verdachtsdiagnose s. Krankheitsbilder im blauen Buchteil.

240

15

Kardiopulmonale Leitsymptome

15.1 Störungen der Atmung/Dyspnoe Begriffsabgrenzung ▶ Dyspnoe = subjektives Empfinden von Luftnot, man unterscheidet Ruhe- und Belastungsdyspnoe. ▶ Respiratorische Insuffizienz (Ateminsuffizienz, respiratorisches Versagen) = Störung bis hin zum Versagen des normalen pulmonalen Gasaustausches für Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid (CO2). ▶ Ventilationsversagen = Störung der CO2-Abatmung. ▶ Oxygenierungsversagen = Störung der pulmonalen O2-Aufnahme. ▶ Globalinsuffizienz = Störungen der CO2-Abatmung und der O2-Aufnahme. ▶ Tachypnoe = Erhöhung der Atemfrequenz ( > 18 /min beim Erwachsenen). ▶ Bradypnoe = Erniedrigung der Atemfrequenz ( < 8 /min beim Erwachsenen). ▶ Hyperventilation = Erhöhung des Atemminutenvolumens, meist infolge Tachypnoe mit paCO2-Erniedrigung. ▶ Orthopnoe = Aufrichtung des Oberkörpers zur Erleichterung der Atmung bei Atemnot.

15 Kardiopulmonale Leitsymptome

15.1 Störungen der Atmung/Dyspnoe

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Anamnese: Beginn akut, subakut? Bekannte COPD, Asthma, Bronchialkarzinom? Thorakale Schmerzen/Druckgefühl? (Dyspnoe bei Myokardinfarkt/Myokarditis, atemabhängige Schmerzen bei Pleuritis). ▶ Inspektion: Atemfrequenz? Pathologische/paradoxe Atmung (s. Tab. 15.1)? Zyanose? Verwirrtheit, Somnolenz, Bewusstlosigkeit? ▶ Hinweis: Zyanose kann bei allen organischen Ursachen einer Dyspnoe vorhanden ■ sein und ist ein Zeichen für die Schwere der Erkrankung. ▶ Auskultation: Atemnebengeräusche wie Stridor oder Rasselgeräusche? (Inspiratorisch meist extrathorakal lokalisierte Störung, exspiratorisch meist intrathorakal lokalisierte Störung). ▶ Blutdruck-, Pulsmessung. ▶ Pulsoxymetrie: Abfall der pSaO2 unter 85–90 % bei Hypoxie, Hypoxygenation; Veränderung der endexspiratorischen Kohlendioxidkonzentration?

Pathologische/paradoxe Atemtypen Tab. 15.1 • Pathologische und paradoxe Atemtypen. Atemtyp

Beschreibung und Vorkommen

pathologische Atemtypen (Ursache: zentrale Atemregulationsstörungen, Stoffwechselentgleisungen)

Biot-Atmung

intermittierende, ausreichend tiefe Atmung mit plötzlichen Atempausen Vorkommen bei Meningitis und anderen zerebralen Erkrankungen

Cheyne-Stokes-Atmung

periodische Atmung mit jeweils zu- und abnehmender Atemtiefe Vorkommen bei Hirnstammschaden und Apoplex

Kußmaul-Atmung

sehr tiefe, regelmäßige Atemzüge Vorkommen bei metabolischer Azidose und diabetischem Koma

241

Kardiopulmonale Leitsymptome

15

15.1 Störungen der Atmung/Dyspnoe Tab. 15.1 • Fortsetzung Atemtyp

Beschreibung und Vorkommen

Schnappatmung (agonale Atmung)

unregelmäßige, mehr oder weniger tiefe Atemzüge mit niedriger Frequenz Vorkommen präterminal und unter Reanimation

paradoxe Atemtypen: Störung der Gleichsinnigkeit und Symmetrie der Bewegungen von Thorax und Abdomen (normalerweise synchrone und symmetrische Hebung von Thorax und Abdomen bei Inspiration und Senkung bei Exspiration)

thorakoabdominale paradoxe Atmung (Schaukelatmung)

bei Inspiration Senkung des Thorax bei gleichzeitiger Vorwölbung des Abdomens, bei Exspiration Hebung des Thorax bei gleichzeitigem Einsinken des Abdomens Vorkommen bei hoher Querschnittslähmung (hochthorakal oder im unteren Zervikalbereich) → Ausfall der thorakalen Atemmuskulatur (reine Zwerchfellatmung) oder bei (Teil-)Verlegung der Atemwege (z. B. Epiglottitis, Fremdkörper) → maximale Zwerchfellkontraktion bewirkt Sog im Thorax, der zum Einsinken führt

thorakale paradoxe Atmung (seitenparadoxe Atmung)

bei Inspiration Hebung der gesunden Thoraxseite bei gleichzeitigem Einsinken der anderen Seite, bei Exspiration Einsinken der gesunden und Hebung der kranken Thoraxseite Vorkommen bei instabilem Thorax (Flatterbrust, „flail chest“) bei einseitiger Rippenserienfraktur

Differenzialdiagnostische Hinweise je nach Symptom-/ Befundkonstellation ▶ Beachte: Die Unterscheidung zwischen akuter Herzinsuffizienz und Exazerbation ei■ ner COPD ist vor Ort oftmals nicht möglich und auch in der Klinik schwer zu treffen

Tab. 15.2 • Akute Dyspnoe – differenzialdiagnostische Hinweise je nach Symptom-/ Befundkonstellation.

242

Symptom-/Befundkonstellation

kardiale, pulmonale und thorakale Verdachtsdiagnosen (weiterführende Untersuchung, klinische Hinweise)

akute Dyspnoe mit in- und exspiratorischen Atemnebengeräuschen

• Pneumonie (Husten, Auswurf, Fieber, Tachypnoe, klingende Rasselgeräusche) • exogen-allergische, toxische Alveolitis (Husten, Fieber, beidseits feuchte Rasselgeräusche) • kardiogenes Lungenödem (Tachykardie, Hypotonie, feuchte Rasselgeräusche, „Schaum vor dem Mund“) • nicht-kardiogenes Lungenödem (feuchte Rasselgeräusche)

akute Dyspnoe mit exspiratorischen Atemnebengeräuschen

• Asthma bronchiale (Asthmaanamnese, verlängertes Exspirium, auskultatorisch exspiratorisches Giemen und Brummen, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, Tachypnoe, bei schwerster Obstruktion: silent chest!) • Exazerbation einer COPD (COPD-Anamnese, Raucher, klinisch vergleichbar mit Asthma bronchiale – vor Ort klinisch nicht unterscheidbar!) • schwere Linksherzinsuffizienz/Prä-Lungenödem (exspiratorisches Giemen, Tachypnoe, Tachykardie, bei Lungenödem feuchte Rasselgeräusche)

Symptom-/Befundkonstellation

kardiale, pulmonale und thorakale Verdachtsdiagnosen (weiterführende Untersuchung, klinische Hinweise)

akute Dyspnoe mit inspiratorischen Atemnebengeräuschen (insbesondere Stridor)

• Larynxödem (Stridor! Trauma, Gasunfall, Urtikaria, ACE-HemmerEinnahme, angioneurotisches Ödem) • entzündliche pharyngolaryngeale Erkrankungen (z. B. Retropharyngealabszess, Inspektion, Fieber, Halsschmerzen) • Fremdkörperaspiration (Anamnese!) • bei Kindern: – Krupp/Pseudokrupp – Epiglottitis

akute Dyspnoe mit Brustschmerzen

• trockene Pleuritis (atemabhängige Brustwandschmerzen, Fieber, „Entfaltungsknistern“) • Pneumothorax, S. 411 (Tachykardie [insbesondere bei Spannungspneumothorax], Tachypnoe, atemabhängige Schmerzen, einseitig abgeschwächtes Atemgeräusch) • Lungenembolie, S. 305 (Anamnese: tiefe Beinvenenthrombose, Immobilisation, Z. n. OP; Tachypnoe, Tachykardie, Hypoxämie, Hämoptysen) • akutes Koronarsyndrom, S. 266 (atemunabhängige Schmerzen, Lunge auskultatorisch meist unauffällig, typische EKG-Veränderungen; S. 266) • Myokarditis/Endokarditis (neu aufgetretenes Herzgeräusch, Fieber, „verschleppter“ Infekt, oft junge Patienten) • Aortenaneurysmadissektion, S. 296 (Brust- und Rückenschmerzen) • Thoraxtrauma, S. 407: Prellung, Rippenfrakturen, Rippenserienfrakturen (seitenparadoxe Atmung s. Tab. 15.1), Pneumothorax, Hämatopneumothorax (Unfallanamnese, Prellmarken, offene Verletzungen, Thoraxkompressionsschmerz, meist atemabhängiger Schmerz) • Sternumprellung/-fraktur (sternal lokalisierte Schmerzen, Prellmarke, bei Contusio cordis ev. Herzrhythmusstörungen bis hin zu Herzbeuteltamponade)

akute Dyspnoe mit Hyperventilation (ohne Husten, Fieber, Brustschmerz)

15 Kardiopulmonale Leitsymptome

15.1 Störungen der Atmung/Dyspnoe Tab. 15.2 • Fortsetzung

• Hyperventilationssyndrom (periorale und akrale Parästhesien, Pfötchenstellung der Finger, positives Chvostek-Zeichen, Agitiertheit)

(Bestimmung von Pro-BNP kann in der Klinik zur Differenzierung herangezogen werden). Dyspnoe und Atemstörungen Bei Dyspnoe und Atemstörungen immer auch, je nach Situation, nicht pulmonale bzw. kardiale Ursachen in Erwägung ziehen: ▶ Zentrale Atemregulationsstörung durch Medikamente (Opioide, Barbiturate, Benzodiazepine), durch zerebrale Erkrankungen wie SHT, intrakranielle Blutung, Entzündungen (Meningitis), Tumoren (selten), hypoxisch, durch Stoffwechselentgleisungen oder durch Hypoventilationssyndrom (lang anhaltende Minderatmung durch Fehlfunktion der eigenen Messfühler für Kohlendioxid und Sauerstoff, z. B. Undine-Fluch-Syndrom). Beachte: Hinweis durch pathologische Atemformen (S. 241)! ▶ Innervationsstörung der Atemmuskulatur (S.426) bei hoher Querschnittslähmung (z. B. nach Wirbelsäulentrauma) (Schaukelatmung, s. Tab. 15.1) oder Guillain-Barré-Syndrom. ▶ Störung der Atempumpe durch Muskelrelaxanzien. 243

Kardiopulmonale Leitsymptome

15

15.2 Hoher Blutdruck (Hypertension) s. hypertensive Krise/hypertensiver Notfall S. 277

▶ Verlegung der oberen Atemwege durch zurückfallende Zunge oder Fremdkörper (Schaukelatmung, s. Tab. 15.1). ▶ Verlegung der unteren Atemwege durch Reizgasinhalation, S. 487.

15.2 Hoher Blutdruck (Hypertension) s. hypertensive

Krise/hypertensiver Notfall S. 277

15.3 Niedriger Blutdruck (Hypotension) Begriffsbestimmung ▶ Hypotension (Hypotonie): Systolischer Blutdruck < 110 mmHg beim Mann bzw. < 100 mmHg bei der Frau und diastolischer Blutdruck < 60 mmHg. ▶ Hinweis: Eine konstitutionelle Hypotonie ist bei fehlender Symptomatik nicht be■ handlungsbedürftig.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶

Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel. Frösteln, kalte Hände und Füße. Beim Aufstehen Herzklopfen, Herzstechen, Schwindel, Schwarzwerden vor Augen. Bewusstseinsstörung, Synkope.

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Äußere Umstände? Bewusstlosigkeit oder andere Symptomatik vorhanden? Niedriger Blutdruck bekannt? ▶ Blutdruckmessung, Pulsmessung: palpatorisch verminderter Druck? Bradykardie (als Zeichen einer Rhythmusstörung oder einer vasovagalen Reaktion)? Tachykardie (als Zeichen einer Rhythmusstörung oder von Volumenmangel)? ▶ Pulsoxymetrie (wenn aufgrund der oft vorhandenen Vasokonstriktion möglich). ▶ Inspektion: gestaute Halsvenen als Zeichen von Herzversagen? Kollabierte Venen als Zeichen von Volumenmangel? ▶ EKG. ▶ Kapilläre Reperfusionszeit: verlängert (als Zeichen einer Gewebsminderperfusion)? ▶ Auskultation: Lungenödem?

Entstehungsmechanismen und Auslöser einer Hypotension ▶ Prinzipielle Mechanismen der Hypotension: Störungen der „kardiovaskulären Triade“ (Tab. 15.3): • Reizleitungssystem: Frequenzstörungen. • Myokard: Pumpschwäche. • Gefäßsystem: Volumenmangel (absolut oder relativ). ▶ Mögliche Auslöser und Ursachen einer Hypotension: s. Tab. 15.3.

Ggf. weiterführende Diagnostik in der Klinik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

12-Kanal-EKG. Laborchemische Untersuchung („Herzenzyme“, pH, Laktat, Hb, Hkt). ZVD. Pulmonaliskatheter: PCWP, HZV. Echokardiografie.

Differenzialdiagnostische Hinweise je nach Begleitsymptomen ▶ Siehe Tabelle 15.4. 244

Tab. 15.3 • Auslöser und Ursachen einer Hypotension (Beispiele). Frequenzstörungen

Pumpschwäche

Volumenmangel

zu langsam

primär

absolut

• Sinusbradykardie • AV-Block • Herzschrittmacherausfall

• Myokardinfarkt • Myokarditis • Kardiomyopathie • akute Aorteninsuffizienz Papillarmuskelruptur • Septumruptur

• Blutung • gastrointestinale Verluste (Diarrhö) • renale Verluste • Schwitzen

zu schnell

sekundär

relativ (Vasodilatation)

• Sinustachykardie • Vorhofflattern • Vorhofflimmern • paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie • Kammertachykardie

• Medikamente • Herzbeuteltamponade • Lungenembolie • Vorhofmyxome

• Rückenmarkstrauma • Sepsis • Anaphylaxie

15 Kardiopulmonale Leitsymptome

15.4 Palpitationen

Hinweise zur präklinischen Akutversorgung ▶ i. v.-Zugang. ▶ O2-Gabe 4–8 l/min. ▶ Lagerung beim Transport: Abhängig von der Verdachtsdiagnose (s. Krankheitsbilder blauer Teil).

15.4 Palpitationen Begriffsbestimmung ▶ Palpitation = jede Art von unangenehm festgestelltem Herzklopfen. Palpitation ist nicht gleichbedeutend mit Rhythmusstörung, auch eine physiologische Herzaktion kann subjektiv als Palpitation empfunden werden. Umgekehrt äußert sich nicht jede Rhythmusstörung durch Palpitationen. ▶ Merke: Die häufigste Form der Palpitationen mit einer Arrhythmie als Ursache ist ■ die Arrhythmia absoluta mit Vorhofflimmern!

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Herzstolpern/Aussetzer. Unregelmäßiger Puls. Herzklopfen, Herzrasen. Vegetative Begleitsymptomatik (z. B. Übelkeit bei Bradykardie). Präsynkopen/Synkopen. Gelegentlich Engegefühl, abdominelle Beschwerden.

Diagnostik ▶ Antiarrhythmikaeinnahme? Bekannte KHK? Anzeichen für extrakardiale Ursache der Rhythmusstörungen? ▶ Puls, Blutdruck. ▶ EKG (wenn möglich, Extremitäten- und Brustwandableitungen; 12-Kanal-EKG). ▶ Pulsoxymetrie. 245

Kardiopulmonale Leitsymptome

15

15.4 Palpitationen Tab. 15.4 • Hypotonie – differenzialdiagnostische Hinweise je nach Begleitsymptomen. Symptomatik

Verdachtsdiagnose

Hypotonie ohne Zeichen der Herzinsuffizienz (normale Herzfrequenz)

• konstitutionell • absoluter oder relativer Volumenmangel unter hochdosierter Betablockertherapie • Überdosierung von Antihypertensiva • Überdosierung von Sedativa, z. B. Benzodiazepine

Hypotonie mit Zeichen der Herzinsuffizienz oder Gewebsminderperfusion (Bewusstseinsstörung, verlängerte Reperfusionszeit, Angina pectoris, Anurie/Oligurie)

• kardiogener Schock: Myokardinfarkt, Myokarditis, Kardiomyopathie, Herzvitien • obstruktiver Schock: Lungenembolie

Hypotonie und Tachykardie mit oder ohne Zeichen der Herzinsuffizienz/Gewebsminderperfusion

• tachykarde Herzrhythmusstörung: z. B. ventrikuläre Tachykardie • Lungenembolie (ggf. Hypoxämie) • Herzbeuteltamponade • relativer Volumenmangelschock: Anaphylaxie, Sepsis, neurogener Schock • absoluter Volumenmangel: Blutung, Exsikkose • Spannungspneumothorax/Pneumothorax: Tachykardie (insbesondere bei Spannungspneumothorax), Tachypnoe, atemabhängige Schmerzen, einseitig abgeschwächtes Atemgeräusch • Morbus Addison

Hypotonie und Bradykardie mit oder ohne Zeichen der Herzinsuffizienz/Gewebsminderperfusion

• bradykarde Herzrhythmusstörung (AV-Blockierung, Schrittmacher-Ausfall!) • Medikamentenüberdosierung: Betablocker, Digitalis, trizyklische Antidepressiva • Hypoxie • Myokardinfarkt • Hypothyreose

Hypotonie nach Trauma

• Blutung • Querschnittssyndrom

Orthostase; mit vorübergehenden Zeichen der Gewebsminderperfusion (s. o.)

• vasovagale Synkope (s. S. 233)

Differenzialdiagnosen/Auswahl ▶ „Herzklopfen/Pochen“: Oft Sinustachykardie. ▶ „Aussetzer“: Extrasystolie, Bradykardie. ▶ „Herzrasen“: Tachykarde Rhythmusstörung (z. B.: paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie, Tachyarrhythmia absoluta. ▶ Palpitationen mit schweren Begleitsymptomen: Lebensbedrohliche Tachykardien (z. B. ventrikuläre Tachykardie, Torsade de pointe).

246

Merke Tachykarde oder bradykarde Rhythmusstörungen sind häufig Symptome extrakardialer Erkrankungen!

15.5 Tachykarde Herzrhythmusstörungen S. 284 15.6 Bradykarde Herzrhythmusstörungen S. 291

15 Kardiopulmonale Leitsymptome

15.6 Bradykarde Herzrhythmusstörungen S. 291

247

Leitsymptom Blutung

16

16.1 Akute Blutung

16

Leitsymptom Blutung

16.1 Akute Blutung Begriffsbestimmung und Gefahren ▶ Akute Blutung = Akuter Blutverlust aus dem vaskulären System entweder • direkt nach außen (mit direkt oder indirekt sichtbarem Blutverlust), z. B. offene Fraktur (S. 418), offene Weichteilverletzung, Blutung in bzw. aus Verdauungstrakt (S. 337, 339), Atemwegen, Urogenitaltrakt oder • nach innen (kein sichtbarer Blutverlust) in Körperhöhlen (intrakranielle, intrathorakale oder intraabdominale Blutung) oder in umliegendes Gewebe (z. B. intrazerebrale Blutung, retroperitoneale Blutung bei Nierenruptur, Ruptur eines Bauchaortenaneurysmas oder Wirbelsäulentrauma, geschlossene Fraktur). ▶ Gefahren: • Entwicklung eines hypovolämischen Schocks: Hypovolämischer/hämorrhagischer bzw. traumatisch-hämorrhagischer Schock (S. 256). • In schwersten Fällen: Rasches Ausbluten des Patienten.

Symptomatik ▶ Ev. offensichtliche Blutung. ▶ Systemische Zeichen des Volumenmangels bzw. hypovolämischen Schocks: • Blutdruckabfall, Hypotension. • Tachykardie. • Blasse, kaltschweißige Haut. • Bewusstseinsstörung. • Verzögerte oder fehlende kapilläre Reperfusion. • Verminderte Urinproduktion. ▶ Organspezifische Folgen der Blutungslokalisation: z. B. • Rückenschmerzen bei rupturiertem Bauchaortenaneurysma. • Anisokorie, Krämpfe und Bewusstseinstrübung bei intrakranieller (z. B. epi- oder subduraler) Blutung.

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Vitalfunktionen: Puls, Blutdruck, Atmung. Kapilläre Reperfusionszeit (S. 31). Ggf. Unfallhergang, Beginn und Art der Symptomatik. Inspektion (wenn möglich Orten der genauen Blutungsquelle, Inspektion der Haut). EKG. Pulsoxymetrie.

Allgemeine Therapie ▶ Blutstillung: Je nach Art der Verletzung: • Steriler Schutzverband bei oberflächlichen, leicht blutenden Wunden. • Hochlagerung der Extremität bei stärkerer venöser Blutung. • Kompression bei arterieller Blutung: – Möglichst direkte Kompression der blutenden Wunde z. B. mit Kompressen und einer straffen Bandage (Druckverband, S. 422). Bei Fortbestehen der Blutung Druck erhöhen, ggf. durch manuelle Kompression. – Methode der 2. Wahl: Arterienkompression proximal der Blutungsquelle (S. 422); Gefahr: Extremitätenischämie; bei nicht ausreichendem Druck nur venöse Stase, aber keine arterielle Kompression (insbesondere untere Extremität). 248

16.2 Blutung aus Mund und Nase

16 Leitsymptom Blutung

16.2 Blutung aus Mund und Nase

– Letzte Option: Direktes Aufsuchen des Gefäßstumpfes und möglichst distales Setzen einer Klemme. – Abbinden, wenn möglich, vermeiden. Gefahr: Verletzung des Gefäßes und der begleitenden Nerven (→ erschwerte Versorgung mit Folgeschäden). Ischämie der betroffenen Extremität. Auch Amputationsverletzungen sind i. A. mit Druckverband über dem Stumpf ausreichend versorgt. ▶ Bei systemischer Reaktion/Schocksymptomatik: Siehe hypovolämischer Schock S. 256.

Begriffsbestimmung ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Epistaxis: Blutungen aus der Nase. Hämoptyse: Husten mit blutigem Auswurf ( < 250 ml). Hämoptoe: Husten mit größeren blutigen Beimengungen ( > 250 ml). Hämatemesis: Bluterbrechen. Obere Gastrointestinalblutung: Blutung aus Ösophagus, Magen, Duodenum, die sich meist durch Hämatemesis und Teerstühle äußert.

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Vitalfunktionen: Puls, Blutdruck, Atmung ▶ Kapilläre Reperfusionszeit (S. 31). ▶ Inspektion des Nasenrachenraumes (Blutungsquelle möglichst sicher orten; Blutung aus Verletzungen/Tumoren/Abszessen). ▶ Anamnese: Beginn und Art der Symptomatik, Z. n. OP? Ggf. Unfallhergang. ▶ Auskultation der Lunge. Blutung aus Mund und Nase ▶ Blutungen aus Mund und Nase werden von Patienten in ihrer Menge oft überschätzt, insbesondere bei Bluterbrechen (wenig Blut färbt viel Flüssigkeit). Sie können aber auch akut lebensbedrohliche Ausmaße annehmen! ▶ Sofern möglich, Erbrochenes/Sputum zeigen lassen, immer Kreislaufkontrolle! ▶ Bei einer oberen gastrointestinalen Blutung mit Erbrechen von größeren Blutmengen, Blutkoageln oder gar hellrotem Blut ist bis zur endoskopischen Abklärung auch bei (noch!) stabilen Kreislaufverhältnissen von einer potenziell lebensgefährlichen Blutung auszugehen.

Differenzialdiagnostische Hinweise ▶ Siehe Tabelle 16.1.

249

Leitsymptom Blutung

16

16.2 Blutung aus Mund und Nase Tab. 16.1 • Blutung aus Mund und Nase – differenzialdiagnostische Hinweise und Bewertung. Blutungsquelle und Begleitsymptomatik

Verdachtsdiagnose

Bewertung und Gefahren

• akute Infektionserkrankung (viraler Infekt)

• nur selten lebensbedrohlich • bei arterieller Blutung Schockgefahr • bei Bewusstlosigkeit Gefahr der Blutaspiration

• chemische/physikalische Reizung der Schleimhaut • Blutgerinnungsstörung (angeboren, erworben, medikamentös) Blutung aus der Nase

• Gefäßverletzung im Bereich des Locus Kieselbachii • nach Trauma Blutung aus Schädelbasisfraktur, Fraktur des Nasenbeins etc. • Blutung aus Tumoren der Nasen- und Nasennebenhöhlen • bei Kindern: – idiopathisches rezidivierendes Nasenbluten – Fremdkörper • Verletzungen des Tracheobronchialbaumes oder des Lungengewebes • Tumoren der Lunge

Blutung aus Mund und Rachenraum mit Husten und Hustenreiz

• akute Bronchitis/Pneumonie • Bronchiektasie

• auf Menge und Schockzeichen achten! • arterielle Blutung oder Blutsturz (Hämoptoe > 1 000 ml) akut lebensbedrohlich!

• Lungenembolie • nach Fremdkörperaspiration (Kinder!) • nach Blutaspiration • Z. n. Zahnextraktion, MKG-, HNO-Operation (Tonsillektomie)

Blutung aus Mund und Rachenraum ohne auffälliges Husten oder Erbrechen

• Tonsillenabszess • Schnitt-, Schuss- oder Pfählungsverletzungen • Zungen-, Wangenbiss (z. B. nach Krampfanfall) • Tumorarrosionsblutung bei Tumoren des Mund-, Nasen- oder Rachenraumes

250

• wegen der Nähe zu den großen Halsgefäßen (A. carotis und Zweige) kann es bei Arrosion derselben zu lebensbedrohlichen Blutungen kommen!

Blutungsquelle und Begleitsymptomatik

Verdachtsdiagnose

Bewertung und Gefahren

• obere gastrointestinale Blutung (OGI-Blutung)

▶ Cave: Hellrotes Bluter■ brechen deutet auf offenen Gefäßstumpf; akute Lebensgefahr!

– Ulkusblutung (Ulcus ventriculi/duodeni)

• ca. 50 % der OGI-Blutungen

– Ösophagusvarizenblutung

• massive lebensbedrohliche Blutung bei Leberzirrhose, ca. 15 % Letalität

Blutung aus dem Mund mit Erbrechen

16 Leitsymptom Blutung

16.3 Anorektale Blutung Tab. 16.1 • Fortsetzung

– Blutung aus Tumoren – Blutungen aus Angiodysplasien – Blutung nach inneren Verletzungen (eher selten offene Blutungen) • Bluterbrechen nach Blutverschlucken bei Blutungen aus Mund und Nasen-/ Rachenraum

16.3 Anorektale Blutung Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Vorerkrankungen: z. B. Leberzirrhose; vorausgehende medizinische Eingriffe wie Endoskopie, Operationen, Bestrahlung; Gewichtsverlust. ▶ Vitalparameter: RR, Puls, EKG. ▶ Palpation des Abdomens. Wichtig Entscheidend ist das Erkennen einer akuten lebensbedrohlichen Blutung anhand der Kreislaufsituation und der Blutungsaktivität sowie die Differenzierung in obere und untere gastrointestinale (GI-)Blutung, soweit dies möglich ist, da eine obere GI-Blutung häufiger zu massiven Blutverlusten führt.

Differenzialdiagnostische Hinweise und Bewertung ▶ Differenzierung aufgrund Menge und Farbe des Blutes, Blutabgang zeigen lassen! • Hellrote Blutung mit starkem Blutabgang spricht für anorektale Erkrankungen (z. B. Varicosis recti, Hämorrhoiden). • Dunkelrotes Blut spricht für anorektale Erkrankungen, Angiodysplasie des Zökums und des proximalen Kolons, Meckel’sches Divertikel, neuroendokrine Tumoren des unteren Dünndarms. • Teer- oder Blutstuhl spricht meist für obere gastrointestinale Blutung, seltener für Dünndarminfarkte. ▶ Bewertung: Selten akut lebensbedrohlich ( > 90 % der lebensbedrohlichen Blutungen ■ kommen aus dem oberen Gastrointestinaltrakt), aber auch chronische Blutungen können zu Kreislaufversagen (z. B. in Form von Synkopen, Orthostasereaktionen) führen. 251

Leitsymptom Blutung

16

16.4 Blutungen aus dem Urogenitaltrakt

16.4 Blutungen aus dem Urogenitaltrakt Begriffsbestimmung ▶ Blutungen aus dem Urogenitaltrakt = Blutungen aus männlichen und weiblichen Sexualorganen und aus den ableitenden Harnwegen.

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Lokalisation, Probleme beim Wasserlassen, Harnverhalt (insbesondere beim älteren Mann), Z. n. Eingriff, bei Frauen besonders: Regelanamnese, Schwangerschaft (Test durchgeführt?). ▶ Vitalparameter: RR, Puls, EKG, Schockzeichen? ▶ Abdominelle Palpation: Resistenzen (Harnverhalt), Schmerzlokalisation, Zeichen des akuten Abdomens S. 226.

Differenzialdiagnostische Hinweise je nach Blutungsquelle. Tab. 16.2 • Blutung aus dem Urogenitaltrakt – differenzialdiagnostische Hinweise und Bewertung. Blutungsquelle

Verdachtsdiagnose

Bewertung und Gefahren

• Blasentamponade! • nach Trauma: Blasenruptur

eher seltener notärztlicher Fall, kann jedoch bei Harnverhalt infolge Koagel zur Symptomatik eines akuten Abdomens führen

• Verletzungen (v. a. bei Männern Einführen diverser Gegenstände, z. B. Draht) • Blutungen nach Penisverletzungen (Inspektion!) • nach Trauma: Harnröhrenabriss (z. B. im Rahmen einer schweren Beckenfraktur)

s. u. Beachte

Blutungen aus der Harnröhre

s. u. Beachte

vaginale Blutung Wichtigste Frage bei Frauen im gebärfähigen Alter: Schwangerschaft möglich?

• außerhalb der Schwangerschaft: – Vulva, Vagina: – Verletzungen (Pfählungsverletzungen, Sexualdelikte) – Vulvahämatom – maligne Tumoren – Entzündungen – Zervix und Corpus uteri – maligne Tumoren – Myome – funktionelle Blutungen (azyklischirreguläre Uterusblutungen, verstärkte Periodenblutung) • während oder unmittelbar nach der Schwangerschaft: – Extrauteringravidität – Abort – Plazenta praevia – vorzeitige Wehen und Zervixreifung – vorzeitige Plazentalösung – Insertio velamentosa – Uterusruptur – Blutung im Rahmen der Geburt – postpartale Blutung

blutiger Harnabgang (Mann und Frau)

252

Beachte ▶ Bei Blutungen des Urogenitaltraktes gilt es die Zuordnung zu einem Fachgebiet (Urologie, Gynäkologie, ggf. Chirurgie) und die Dringlichkeit festzustellen. ▶ Blutungen des Urogenitaltraktes nach Trauma (Sturz, Verkehrsunfall etc.) sind ein Hinweis darauf, dass noch weitere schwere innere Verletzungen vorliegen. ▶ Bei folgender Symptomatik ist Dringlichkeit geboten: Starker Schmerz, akutes Abdomen, starke Blutung, starke Progredienz!!

16 Leitsymptom Blutung

16.4 Blutungen aus dem Urogenitaltrakt

253

Schock inkl. Anaphylaxie

17

17.1 Schock

17

Schock inkl. Anaphylaxie

17.1 Schock Definition ▶ Schock = akut auftretende Organminderdurchblutung auf Mikrozirkulationsebene mit Störung der zellulären Sauerstoffversorgung (Missverhältnis zwischen zellulärem Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf) und deren Folgen (Gewebshypoxie, Störungen des Zellstoffwechsels, Anhäufung toxischer Stoffwechselprodukte, strukturelle Gewebe-/Organveränderungen). Häufig, aber nicht obligat, liegt dem Schock ein Kreislaufversagen zugrunde (Ausnahme z. B. hyperdyname Phase der Sepsis). ▶ Obstruktiver Schock: Kritisch verminderter Herzauswurf bzw. vermindertes Herzminutenvolumen trotz ausreichenden intravasalen Volumens aufgrund einer Obstruktion des Herzens oder der großen Gefäße. ▶ Distributiver Schock: Kritische Störung der mikrovaskulären Vasomotion und der Durchblutungsverteilung.

Pathophysiologie ▶ Wichtige, an der Entwicklung der Organschäden beteiligte Faktoren: • Missverhältnis zwischen zellulärem Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf. • Reperfusionsschaden. • Überaktivierung bzw. Fehlregulation des Immunsystems. • Mediatorfreisetzung (Zytokine, Lipidmediatoren, Sauerstoffradikale). ▶ Gegenregulation bzw. Kompensationsmechanismen des Organismus: • Endogene Katecholaminfreisetzung. • Erhöhte Sauerstoffausschöpfung. • Tachykardie. • Vasokonstriktion. ▶ Schockfolgen (Organschäden, Organversagen, Multiorganversagen): • Zerebrale Schäden. • Lungenversagen (nicht-kardiogenes Lungenödem, ARDS). • Nierenversagen. • Leberversagen. • Verbrauchskoagulopathie (DIC). • Systemic inflammatory response syndrome (SIRS).

Schockformen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Hypovolämischer Schock (S. 256). Kardialer Schock (S. 258). Anaphylaktischer Schock (S. 261). Septischer Schock (S. 263). Neurogener Schock (S. 264).

Allgemeine Schocksymptomatik ▶ Blutdruckabfall, Tachykardie (selten Bradykardie). ▶ Beachte: Der sog. Schockindex (Herzfrequenz/Blutdruck > 1) ist heute obsolet, da ■ der Schock z. B. auch mit Bradykardie einhergehen kann und der Schockindex dann normal erscheint. ▶ Bewusstseinsstörung (Somnolenz, Sopor, Koma). ▶ Verzögerte oder fehlende kapilläre Reperfusion. ▶ Urinproduktion ↓. ▶ Hautzustand abhängig von der Schockform: • Rote, warme Haut beim distributiven Schock (anaphylaktischer, septischer, neurogener Schock) mit fehlender Zentralisation. 254

Laborchemische Zeichen ▶ Azidose. ▶ Basendefizit (negativer Base-Excess). ▶ Laktatämie bzw. Laktazidose.

Diagnostik ▶ Präklinisch: • Schocksymptome (s. o.). • (Kurz-)Anamnese → Hinweise auf zugrunde liegende Erkrankung und/oder auslösendes Ereignis? • Klinische Untersuchung, insbesondere Inspektion der (Hals)Venenfüllung. • Blutdruckmessung. • EKG. • Kapilläre Reperfusionszeit. • Pulsoxymetrie. ▶ In der Klinik zusätzlich: • Invasive Blutdruckmessung. • Zentraler Venendruck (ZVD) • Zentralvenöse Sauerstoffsättigung! • Herzecho, TEE. • HZV-Messung mittels PICCO, Pulmonaliskatheter u. a. • Laborchemische Untersuchungen inkl. Blutgasanalyse.

17 Schock inkl. Anaphylaxie

17.1 Schock

• Meist blasse, kaltschweißige Haut beim obstruktiven Schock, Volumenmangelschock und kardiogenen Schock, die (meist) mit Zentralisation einhergehen.

Schockausprägung ▶ Kompensierter Schock: • Partiell ausgeprägte Schocksymptome. • Keine Hypotension (RRsyst ≥ 90 mmHg): Blutdruckaufrechterhaltung durch Vasokonstriktion aufgrund endogener oder exogen zugeführter Katecholamine. • Dennoch bereits eingeschränkte Organdurchblutung. ▶ Dekompensierter Schock: • Voll ausgeprägte Schocksymptome. • Hypotension (RRsyst < 90 mmHg). • Versagen der Kompensationsmechanismen.

Allgemeine Therapiemaßnahmen ▶ Sauerstoffzufuhr (4–8 l/h), ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Adäquate Lagerung: • Schocklagerung besonders beim hypovolämischen und distributiven Schock. • Flachlagerung im dekompensierten kardiogenen Schock. • Oberkörperhochlagerung im kompensierten kardiogenen Schock. ▶ Katecholamintherapie: • Insbesondere beim kardiogenen Schock (s. S. 258). • Bei Schockformen mit absolutem oder relativem Volumenmangel infolge Vasodilatation Gabe von Vasopressoren: – Akrinor (intermittierend 0,5–1 ml langsam i. v.) oder – Arterenol 0,05–0,3 µg/kg/min oder – Dopamin in höherem Dosisbereich von > 10 µg/kg/min. Praxistipp: Akrinorgabe bei Kindern 1.–2. Lj. → 0,2–0,4 ml 3.–6. Lj. → 0,4–0,6 ml ab 7. Lj. → wie Erwachsene 255

Schock inkl. Anaphylaxie

17

17.2 Hypovolämischer Schock

▶ Volumentherapie: Insbesondere bei Volumenmangel durch Verlust oder Vasodilatation, z. B. Ringer-Lösung und/oder HAES 200 10 % 500–1 500 ml i. v. oder mehr. ▶ Small Volume Resuscitation (SVR): Einsatz hypertoner, teils hyperonkotischer Lösungen zur schnellen Initialtherapie des Volumenmangelschocks, z. B. HyperHAES (4 ml/kgKG ≙ 250 ml Einmalbolus). Wichtig Vorsichtige Volumenzufuhr beim kardiogenen Schock! ▶ Azidoseausgleich: Pufferung mit Natriumbikarbonat ist eine symptomatische Maßnahme ohne erwiesenen günstigen Effekt und mit potenziell gefährlichen Nebenwirkungen. Daher umstritten. ▶ Beachte: Eine präklinische Blindpufferung der vermuteten Azidose ist nicht indi■ ziert!

17.2 Hypovolämischer Schock Definition ▶ Kritisch vermindertes Herzminutenvolumen aufgrund unzureichendem intravasalen Volumen.

Ursachen ▶ Blutung: Hämorrhagischer Schock; zusätzlich zum Flüssigkeitsverlust gehen auch Erythrozyten (Sauerstoffträger) verloren. Während Blutungen nach außen meist gut sichtbar und leicht zu diagnostizieren sind, sind Blutungen nach innen u. U. schwer zu diagnostizieren; Entstehung der Blutungen durch stumpfes oder penetrierendes Trauma (traumatisch-hämorrhagischer Schock) oder nicht-traumatisch (z. B. gastrointestinale Blutung, Ruptur eines Aortenaneurysmas, gynäkologisch-geburtshilfliche Blutungen). ▶ Flüssigkeitsverluste (s. auch Dehydratation S. 320): z. B. Verbrennungen, Diarrhö/Erbrechen, Ileus, Kapillarlecksyndrom bei Sepsis oder SIRS (S. 263).

Symptomatik Allgemeine Schocksymptome (S. 254). Hautblässe und Kaltschweißigkeit infolge reaktiver Vasokonstriktion. Hypotonie meist kombiniert mit Tachykardie. Symptome des Volumenmangels: Schlecht gefüllte (Hals)Venen. Evtl. offensichtliche Blutung. ▶ Cave: ■ • Insbesondere Kinder und junge Menschen können trotz Volumenmangel lange Zeit normofrequent sein und einen ausreichenden systolischen Blutdruck aufweisen. • Bei Patienten unter β-Blockade kann eine Tachykardie fehlen. ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Diagnostik ▶ Generelle Diagnostik des Schocks S. 255.

Differenzialdiagnose ▶ Abgrenzung gegenüber distributiven Schockformen: Anamnese; Hautbefund (beim septischen Schock evtl. warme, gut durchblutete Haut gegenüber kalter, schlecht durchbluteter Haut beim hypovolämischen Schock). ▶ Abgrenzung gegenüber dem kardiogenen und obstruktiven Schock: • Hypovolämischer Schock: Halsvenen kollabiert, ZVD + PCWP (in der Klinik) ↓. 256

Abschätzung des Volumenverlustes ▶ Oft schwierig sowohl bei sichtbarer als auch besonders bei unsichtbarer Blutung und Flüssigkeitsverlust. ▶ Schockindex nach Allgöwer: Quotient aus Herzfrequenz und Blutdruck:

17 Schock inkl. Anaphylaxie

17.2 Hypovolämischer Schock

• Kardiogener und obstruktiver Schock: Halsvenen gestaut, ZVD + PCWP (in der Klinik) ↑. ▶ Spannungspneumothorax (Hämatothorax): Anamnese (Thoraxtrauma); Auskultation (abgeschwächtes Atemgeräusch), Inspektion/Palpation (Emphysem, Krepitationen, gestaute Halsvenen). Pulsoxymetrischer Sättigungsabfall differenzialdiagnostisch nicht sicher zu verwerten.

Schockindex = HF [pro Minute]/RRsyst [mmHg] ▶ Normalwert: 60 /120 = 0,5 ▶ Schockindex > 1 (d.h Herzfrequenz [/min] > systolischer Blutdruck [mmHg]): Spricht für einen Blutverlust von > 30 %, also bei Erwachsenen von > ca. 1 500 ml. ▶ Merke: Wie in Kapitel 254 bereits erwähnt, ist der Schockindex aufgrund vielfältiger ■ medikamentöser und nichtmedikamentöser Einflussmöglichkeiten auf Blutdruck und Herzfrequenz ein eher schlechter Anhalt für die Größe des Blutverlustes und die Schwere des Schocks und daher heute eher obsolet. Eine bessere Abschätzung des Blutverlustes erfolgt anhand der Beurteilung mehrerer Parameter nach dem American College of Surgeons, s. Tab. 17.1).

Therapie ▶ Beachte: Die Ursache des hämorrhagischen Schocks ist meist nur in der Klinik zu■

friedenstellend zu beheben, so dass nur die unmittelbar notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung der Vitalfunktionen (s. u.) schnellstmöglich getroffen werden sollen, damit der Patient so rasch wie möglich in die Klinik verbracht werden kann. Dort muss dann eine schnellst mögliche Ergänzung der Infusionstherapie durch chirurgische Maßnahmen und Transfusionen erfolgen, wenn indiziert. ▶ Wenn möglich, Ursache des Volumenverlustes identifizieren und beheben: Kompression der Blutungsquelle (S. 422). ▶ Schocklagerung. ▶ O2 4–8 l/min über Sonde bei ausreichender Spontanatmung, im schweren Schock Intubation und Beatmung (zunächst ohne PEEP!). Tab. 17.1 • Abschätzung des Blutverlustes (nach American College of Surgeons, 1989). Parameter

Grad I

Grad II

Grad III

Herzfrequenz/min

< 100

> 100

> 120

> 140

Blutdruck

normal

normal

niedrig

sehr niedrig

Puls

kräftig

schwach

schwach

fadenförmig

Atemfrequenz/min

14–20

20–30

30–40

> 35

Kapilläre Reperfusion

normal

verlängert

verlängert

verlängert

Bewusstsein

normal

ängstlich

ängstlich, verwirrt

verwirrt, lethargisch

Blutverlust

< 750 ml (15 %)



↓ 750–1 500 ml (15–30 %)

↓ 1 500–2 000 ml (30–40 %)

Grad IV

↓ > 2 000 ml ( > 40 %)

257

Schock inkl. Anaphylaxie

17

17.3 Kardialer Schock

▶ Volumenersatztherapie mit kristalloiden und/oder kolloidalen Volumenersatzmitteln, bei schweren Blutungen über mindestens 2 venöse Zugänge: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. oder mehr und/oder HAES 200 10 % 500–1 500 ml i. v. Ein möglicher Vorteil kolloidaler Lösungen gegenüber reinen Elektrolytlösungen konnte bislang nicht belegt werden. ▶ Small Volume Resuscitation: Die Verabreichung hypertoner Lösungen (z. B. HyperHAES) ermöglicht eine schnelle Wiederherstellung des Intravasalvolumens durch Mobilisierung endogener Flüssigkeit. Zusätzlich noch positiver Effekt auf die Mikrozirkulationsstörungen im Schock. Der Kolloidanteil der Lösung verlängert den Kreislaufeffekt, der sonst nur 30 min anhält. • Dosierung: 4 ml/kgKG ≙ 250 ml HyperHAES beim Erwachsenen. ▶ Beachte: Die Volumentherapie ist zwar grundsätzlich eine logische und wichtige ■ Säule der Therapie des hypovolämischen Schocks; sie kann jedoch bei zugrundeliegender unkontrollierter Blutung die Prognose verschlechtern. Beim unkontrollierten hämorrhagischen Schock mit Unmöglichkeit der Blutstillung (z. B. innere Blutung) daher starken Blutdruckanstieg vermeiden, evtl. eher zurückhaltende Infusionstherapie und schneller Transport in die Klinik (Konzept der permissiven Hypotension → Ziel: syst. Blutdruck 80-100 mmHg). Bei Vorhandensein eines Schädelhirntraumas sollte der systolische Blutdruck jedoch über 90 mmHg liegen! ▶ Katecholamine (Vasopressoren): Begleitend zur Infusionstherapie indiziert, wenn durch Volumenzufuhr alleine kein ausreichend hoher Blutdruck erzielt werden kann: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. (Tonisierung des kapazitativen Venensystems!), Arterenol 0,05-0,3 µg/kg/min oder Dopamin 10–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Adjuvante Analgesie, Sedierung oder Narkose, wenn erforderlich: • Analgesie: Morphin (5–10 mg titrierend) oder Ketamin 0,2–0,5 mg/kgKG (S-Ketamin halbe Dosierung) + Midazolam 2–5 mg i. v. • Narkoseeinleitung: Z.B. mit Midazolam 5 mg + Ketamin 1–2 mg/kgKG (S-Ketamin halbe Dosierung) + Succinylcholin 1–1,5 mg/kgKG. • Aufrechterhaltung der Narkose: Ketanest und Midazolam (s. a.213). ▶ Beachte: Bei begleitendem SHT wegen Hypoventilationsgefahr möglichst keine ■ Sedierung ohne Beatmung. Wichtig: ▶ Hypotensive Wirkung der Analgetika/Sedativa und kleineres Verteilungsvolumen im Schock! Daher vorsichtig dosieren, nach Wirkung titrieren! ▶ Zur Narkose im hypovolämischen/hämorrhagischen Schock Ketamin bevorzugen! ▶ Kontrolle der Wirksamkeit der Erstmaßnahmen über Herzfrequenz (Normalisierung bzw. Rückgang), Blutdruck (i. d. R. auf > 90–100 mmHg systolisch) und Pulsoxymeter (Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der Oxygenierung). ▶ Beachte: Bei begleitendem Schädelhirntrauma höheren Blutdruck anstreben (um ■ 140 mmHg systolisch).

17.3 Kardialer Schock Definition ▶ Der kardiale Schock ist eine primär kritische Verminderung der kardialen Pumpleistung mit konsekutiver inadäquater Sauerstoffversorgung der Organe. Er umfasst alle kardialen und extrakardialen Erkrankungen, die zu einer unmittelbaren Funktionsstörung des Herzens mit nachfolgendem Schockzustand führen. 258

▶ Myogen: Kontraktilitätsstörungen des linken und/oder rechten Ventrikels: • Myokardinfarkt (s. Kapitel Akutes Koronarsyndrom S. 266). • Kardiomyopathie. • Hypoxie, Azidose (S. 320). • Medikamenteninduziert: Überdosierung von β-Blockern, Kalziumkanal-Blockern, Antiarrhythmika. ▶ Rhythmogen (s. Kapitel Rhythmusstörungen S. 280): Tachyarrhythmien, Bradyarrhythmien. ▶ Mechanisch: • Herzklappenfehler: Akute Aortenklappeninsuffizienz, akute Mitralklappeninsuffizienz. • Ruptur von Herzstrukturen: Ventrikelseptumruptur, Papillarmuskelruptur. • Intrakavitäre Flussbehinderung: Vorhof- und Ventrikelthromben, Myxom u. a. Herztumore. • Extrakardiale Flussbehinderung: Lungenarterienembolie. • Kardiale bzw. extrakardiale Füllungsbehinderung: Perikardtamponade, Spannungspneumothorax. • Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie. • Aortendissektion. • Traumatische Herzschädigung (Herzkontusion).

17 Schock inkl. Anaphylaxie

17.3 Kardialer Schock

Ursachen

Symptomatik ▶ Allgemeine Schocksymptome (s. S. 254). ▶ Hypotension als Symptom des Vorwärtsversagens; Linksherzversagen → Lungenödem (s. S. 307), auskultatorisch Giemen („Herzasthma“), ggf. schwierige bis unmögliche Differenzialdiagnose zur exazerbierten COPD. ▶ Venöse Stauung als Symptom des Rückwärtsversagens; Rechtsherzversagen → Gestaute Halsvenen. ▶ Herzrhythmusstörungen (s. S. 280). ▶ Auskultatorisch Minderbelüftung einer Lunge bei Pneumothorax. ▶ Abfall der pulsoxymetrisch gemessenen Sättigung v. a. bei Lungenödem und Pneumothorax.

Diagnostik ▶ Generelle Diagnostik des Schocks S. 255.

Differenzialdiagnose ▶ Abgrenzung gegenüber hypovolämischen und distributiven Schockformen: • Kardiogener Schock: Halsvenen gestaut, ZVD + PCWP (in der Klinik) ↑. • Hypovolämischer und distributiver Schock: Halsvenen kollabiert, ZVD + PCWP (in der Klinik) ↓.

Therapie ▶ O2 4–8 l/min über Sonde bei ausreichender Spontanatmung. ▶ Bei persistierender Hypoxie, ausgeprägtem Lungenödem oder im schweren Schock Intubation und Beatmung, am besten mit moderatem PEEP (5 mbar). ▶ Lagerung: • Dekompensierter Schock (RRsyst < 90 mmHg): Flachlagerung. • Kompensierter Schock (RRsyst ≥ 90 mmHg): Oberkörperhochlagerung. Wichtig Vorsichtige Flüssigkeitszufuhr! Ggf. auf Tropfinfusion zum Offenhalten des Zugangs verzichten! 259

Schock inkl. Anaphylaxie

17

17.3 Kardialer Schock

▶ Katecholamintherapie: • Dekompensierter Schock (RRsyst < 90 mmHg): – Dobutamin 2,5–10 µg/kgKG/min (Perfusor 250 mg/50 ml ca. 2–9 ml/h bei 70 kgKG) oder – Dopamin 2–10(–20) μg/kgKG/min. • Schwerster Schock: Gabe von Adrenalin (0,1–1 μg/kgKG/min i. v.) oder Noradrenalin (0,05–1μg/kgKG/min i. v.) erwägen. • Kompensierter Schock (RRsyst > 90 mmHg): – Dopamin oder Dobutamin (Dosierungen s. o.), präklinisch kann beim kompensierten Schock auf Katecholamintherapie auch verzichtet werden. – Bei Stauungszeichen (gestaute Halsvenen, auskultatorisch exspiratorisches Giemen („Herzasthma“, bzw. Lungenödem) Gabe von Furosemid (10–80 mg i. v.). ▶ In der Klinik Einsatz von: • Phosphodiesterase-III-Inhibitoren (PDE-Hemmern) wie Enoximon (2,5–10 μg/ kgKG/min) oder Milrinon (50 μg/kgKG langsam über 10 min i. v., Erhaltungsdosis 0,375–0,75 μg/kgKG/min) oder • Kalziumsensitizern wie Levosimendan (bislang keine Zulassung in Deutschland) erwägen. ▶ Antiarrhythmische Therapie (S. 282), wenn nötig. ▶ Vasodilatatortherapie zur Vorlastsenkung und myokardialen Entlastung im kompensierten Schock: z. B. • Nitroglycerin 2 Hübe s. l., wiederholt alle 5–10 min bzw. Nitroglycerin 0,3–3 μg/ kgKG/min i. v.; evtl. zunächst Bolus von 50–200 μg i. v. (0,5–3 μg/kgKG) i. v. • Kombination mit Katecholaminen (s. o.) möglich und sinnvoll. ▶ Diuretische Therapie zur Vorlastsenkung im kompensierten Schock: z. B. Furosemid 10–80 mg i. v. ▶ Adjuvante Analgesie, Sedierung oder Narkose, wenn erforderlich: • Sedierung: Morphin titrierend 2–5 mg i. v.; wirkt sedierend und senkt die Vorlast! Bei Myokardinfarkt bis zur Schmerzfreiheit dosieren. Bei agitierten Patienten mit Midazolam 2–5 mg titrierend kombinieren. • Narkose: Eine Kombination aus Etomidate, Midazolam und Opiat wirkt am wenigsten kardial belastend. Auch Ketamin kann wegen seiner positiv inotropen Wirkung erwogen werden (Vorsicht bei KHK). ▶ Cave: Hypotensive und negativ inotrope Wirkung der Analgetika/Sedativa. Daher ■ vorsichtig dosieren und nach Wirkung titrieren. Praxistipp: Narkose im kardiogenen Schock ▶ Einleitung: • Midazolam 5 mg • Etomidate 0,2–0,3 mg/kgKG (i. d. R. 20 mg) • Fentanyl 0,1–0,2 mg oder Morphin 5–10 mg • ggf. Relaxierung mit Succinylcholin 1–1,5 mg/kgKG oder Rocuronium 0,5– 1 mg/kgKG ▶ Aufrechterhaltung durch repetitive Dosen von Midazolam 5 mg und Fentanyl 0,1–0,2 mg alle 20–30 min bzw. nach Bedarf. ▶ Beachte: Die alleinige Narkoseinduktion mit Etomidate ist meist nicht ausrei■ chend, daher Kombination mit Midazolam und Fentanyl. ▶ Spezifische Therapie der zugrundeliegenden Erkrankung: z. B. • Myokardinfarkt (s. a. akutes Koronarsyndrom, S.268)→ Lysetherapie bzw. PCI (i.d. Klinik). • Überdosierung mit Kalziumantagonisten (s. Intoxikationen, S.463) → Kalziumgabe. • Pneumothorax (s. S. 413)→ Thoraxdrainageanlage. • Perikardtamponade (s. S. 410) → Entlastung durch Punktion.

260

prognoseverbesserndes Katecholamin-/Vasodilatator-„Schema“ bekannt. Auch die medikamentöse Therapie mit Levosimendan konnte bislang keine Überlegenheit gegenüber der Katecholamintherapie mit Dobutamin zeigen (S. 175). ▶ Beachte: Cava-Kompressionssyndrom während der Schwangerschaft: Verminderung ■ des HZV durch Kompression der Vena cava durch den Uterus und dadurch verminderter Rückstrom in den rechten Vorhof. Therapie: Linksseitenlagerung!

17.4 Anaphylaktische/Anaphylaktoide Reaktion inkl.

Schock

17 Schock inkl. Anaphylaxie

17.4 Anaphylaktische/Anaphylaktoide Reaktion inkl. Schock

▶ Beachte: Die Letalität des kardiogenen Schocks ist sehr hoch! Bislang ist kein sicher ■

Definitionen ▶ Allergische Reaktion: Überempfindlichkeitsreaktion aufgrund einer Antigen-Antikörper-Reaktion. ▶ Pseudoallergische Reaktion: Überempfindlichkeitsreaktion ohne zugrundeliegende Antigen-Antikörper-Reaktion. ▶ Anaphylaktische Reaktion: Sonderform der schweren allergischen Sofortreaktion: Antigen-Antikörper-Reaktion Typ I. ▶ Anaphylaktoide Reaktion: Schwere Sofortreaktion ohne Aussage über den Pathomechanismus. ▶ Anaphylaktischer/anaphylaktoider Schock: Distributiver Schock aufgrund einer schweren Unverträglichkeitsreaktion; entspricht einer Unverträglichkeitsreaktion Grad III (s. S. 261). • Anaphylaktischer Schock: Schock aufgrund einer schweren allergischen Sofortreaktion (Antigen-Antikörper-Reaktion Typ I). • Anaphylaktoider Schock: Maximalvariante einer schweren Sofortreaktion ohne Aussage über den Pathomechanismus. ▶ Beachte: Die Unterscheidung zwischen einem anaphylaktischen und einem ana■ phylaktoiden Schock ist im Notfall unmöglich und für die Therapie irrelevant!

Ursachen ▶ Unverträglichkeitsreaktion auf: • Medikamente: z. B. Penicillin, kolloidale Volumenersatzlösungen, Röntgenkontrastmittel. • Tierische Gifte: z. B. Insektenstiche. • Nahrung, Speisen: z. B. Nüsse, Erdbeeren; siehe auch China-Restaurant-Syndrom (S. 476).

Pathophysiologie ▶ Freisetzung verschiedener vasoaktiver Mediatoren, v. a. aus den Mastzellen, z. B. Histamin, Leukotriene (Slow reacting substance of anaphylaxis). ▶ Allergische (anaphylaktische) Reaktion: Immunglobulin E-vermittelte Antigen-Antikörper-Reaktion. ▶ Allergische (anaphylaktische) und pseudoallergische Reaktionen können präklinisch nicht differenziert werden; beide sollen etwa gleich häufig sein; die Therapie unterscheidet sich nicht.

Symptomatik und Schweregradeinteilung ▶ Stadium I: Ödeme, Erythem, Juckreiz. ▶ Stadium II: Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie, Blutdruckabfall, Atemnot, beginnende Bronchospastik. ▶ Stadium III: Schock, schwere Bronchospastik, Bewusstlosigkeit. ▶ Stadium IV: Kreislauf- und Atemstillstand. 261

Schock inkl. Anaphylaxie

17

262

17.4 Anaphylaktische/Anaphylaktoide Reaktion inkl. Schock

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Symptomatik (s. o.). Anamnese: Auslöser? Inspektion: Urtikaria? Erythem? Auskultation: Stridor? Bronchospasmus?

Tab. 17.2 • Stadienabhängige Therapie der anaphylaktischen/anaphylaktoiden Reaktion. Stadium I

Stadium II

Stadium III

Stadium IV

• Antihistaminika: • H1-Blocker: Clemastin 2–4 mg i. v. plus • H2-Blocker: Cimetidin 200–400 mg i. v.

• O2 4–8l/min

• O2 4–8 l/min bei ausreichender Spontanatmung, bei schwerer Ateminsuffizienz und Bewusstlosigkeit Intubation und Beatmung

• Kardiopulmonale Reanimation (s. S. 97)

2.

• inhalative β2-Mimetika bei Bronchospastik: • z. B. Fenoterol 2 Hübe repetitiv p. i.

• Volumenersatztherapie, vorzugsweise mit kristalloiden Lösungen (i. d. R. Vollelektrolytlösungen), um das theoretische Risiko einer weiteren Unverträglichkeitsreaktion bei Gabe kolloidaler Lösungen zu vermeiden

• zusätzliche Maßnahmen wie Stadium III

3.

• Antihistaminika (s. Stadium I)

• Adrenalin 0,1 mg i. v. (repetitiv im Abstand von 1–3 min) • bei adrenalinrefraktärer schwerer Hypotonie: Noradrenalin 0,05–0,1 mg i. v. repetitiv • Ultima ratio: Vasopressin 1 x 40 E i. v.

4.

• Kortikosteroide • z. B. Methylprednisolon 250 mg i. v.

• inhalative β2-Mimetika bei Bronchospastik: • z. B. Fenoterol 2 Hübe repetitiv p. i.

1.

5.

• Antihistaminika (Wirksamkeit im etablierten Schock umstritten); werden in Kombination eingesetzt, aus hämodynamischen Gründen erst H1, dann H2-Blocker (s. Stadium I)

6.

• Kortikosteroide in hoher Dosis • z. B. Methylprednisolon 1 000 mg i. v.

7.

• evtl. bei schwerer Bronchospastik zusätzlich Theophyllin 200– 400 mg (5 mg/kgKG) i. v.

Therapie ▶ Grundsätzliche Maßnahmen: • Allergenexposition sofort beenden, wenn möglich. • Adrenalin in Fällen schwerer Kreislaufdepression Katecholamin der Wahl (vasokonstriktive und bronchodilatierende Eigenschaften!). ▶ Beachte: Kalzium ist ohne nachgewiesenen günstigen Effekt und daher obsolet! ■

17.5 Septischer Schock und SIRS

17 Schock inkl. Anaphylaxie

17.5 Septischer Schock und SIRS

▶ Blutdruck, Puls. ▶ EKG, Pulsoxymetrie.

Definitionen ▶ Septischer Schock (Sepsis): Distributiver Schock aufgrund einer schweren systemischen Entzündungsreaktion infolge einer Infektion wie z. B. Pneumonie (in ca. 50 % Quelle einer Sepsis), Harnwegsinfektion (Urosepsis), Peritonitis, Hautinfektion. ▶ SIRS: Distributiver Schock aufgrund einer schweren systemischen Entzündungsreaktion (SIRS = systemic inflammatory response syndrome), z. B. bei Trauma, Pankreatitis, Verbrennung, Ischämie/Reperfusionsschaden.

Pathophysiologie ▶ Unkontrollierte, starke endogene Mediatorfreisetzung als Reaktion auf infektiöse oder nicht-infektiöse Noxen. ▶ Folgen: • Periphere Vasodilatation und verminderte Ansprechbarkeit der prä- und postkapillären Gefäße auf Katecholamine (relativer Volumenmangel). • Extravasation von Flüssigkeit aus den entzündeten Kapillaren: Volumenverlust. • Beeinträchtigung der myokardialen Kontraktilität.

Symptomatik ▶ Allgemeine Symptome: Fieber (selten Hypothermie), Tachykardie, Tachypnoe. ▶ Typischer Laborbefund: Leukozytose bzw. Linksverschiebung im Differenzialblutbild (selten Leukopenie). ▶ Formen: s. Tab. 17.3

Diagnostik ▶ Generelle Diagnostik des Schocks s. S. 255. ▶ Hinweise für Sepsis: Erhöhte Körpertemperatur, Auskultationsbefund bei Pneumonie, Abwehrspannung bei akutem Abdomen, Nackensteifigkeit, ausgeprägte Bewusstseinstrübung bei Meningitis.

Therapie ▶ Atemwegssicherung, O2 4–8 l/min, ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Infusionstherapie mit Kristalloiden und/oder Kolloiden. ▶ Katecholamintherapie bei persistierender Hypotension: Vasopressoren wie Dopamin oder Noradrenalin. Dosierungen S. 173. ▶ In der Klinik zusätzlich kausale Therapie: • Antibiotikatherapie so früh und so breit angelegt wie möglich, z. B. initial mit Imipenem/Cilastatin. • Chirurgische Herdsanierung, wenn möglich.

263

Schock inkl. Anaphylaxie

17

17.6 Neurogener Schock Tab. 17.3 • Septischer Schock/SIRS-Formen. Hyperdynamer Schock („warmer Schock“; „roter Schock“)

Hypodynamer Schock („kalter Schock“; „weißer Schock“)

• Tachykardie und Hypotension bei gut durchbluteter, warmer Haut und erhöhtem Herzzeitvolumen

• Tachykardie und Hypotension bei schlecht durchbluteter, kalter Haut und erniedrigtem Herzzeitvolumen

• Präklinisches Zeichen: Normale kapilläre Reperfusionszeit

• Präklinisches Zeichen: Pathologische kapilläre Reperfusionszeit

• Ausreichende Volumenfüllung des Gefäßsystems und ausreichende Herzfunktion vorhanden

• Ausdruck des Versagens der körpereigenen Kompensationsmechanismen oder einer inadäquaten Therapie; entwickelt sich meist aus einem hyperdynamen Schock; Prognose sehr ungünstig!

Hinweise: • Der septische Schock verläuft heute in der Klinik unter adäquater Therapie meist als hyperdynamer Schock. • Septischer Schock bzw. SIRS-Schock spielen im Rettungsdienst quantitativ eine geringe, auf Intensivstationen jedoch eine herausragende Rolle: Wesentliche Ursachen für ein Multiorganversagen!

17.6 Neurogener Schock Definition ▶ Distributiver Schock aufgrund einer schweren, akuten Schädigung des zentralen Nervensystems. Er beruht auf einer generalisierten und ausgedehnten Vasodilatation mit relativer Hypovolämie infolge eines Ungleichgewichtes zwischen sympathischer und parasympathischer Innervation der glatten Gefäßmuskulatur.

Ursachen ▶ Schädigung der zentralen Vasomotoren-Zentren: Hirnstammischämie (z. B. Basilaristhrombose), infratentorielle Erhöhung des ICP (z. B. SHT), entzündliche Hirnstammprozesse. ▶ Schädigung der Efferenzen der Vasomotoren-Zentren mit Ausfall der Gefäßregulation: Rückenmarkstrauma, akute Ischämien des Rückenmarks oder Einblutungen, schweres Guillain-Barré-Syndrom, totale Spinalanästhesie. ▶ Alteration der Input-Folge oder Fehlverarbeitung zum Vasomotoren-Zentrum durch raschen Wechsel von sympathischer und parasympathischer Stimulation oder supranukleäre Fehlimpulse: Neurokardiale Synkopen und Karotissinus-Syndrom, okulo- und trigemino-vagale Reflexe als kombinierte Schmerz- und Angstreaktion, Epilepsie.

Pathophysiologie und Verlauf ▶ Regulationsstörung der peripheren Vasomotion. ▶ Zusätzlich bei schweren zerebralen Läsionen oft negativ inotrope Wirkung auf das Myokard. ▶ Hinweis: Ein neurogener Schock verläuft meist weniger schwer als andere Formen ■ des distributiven Schocks.

Symptomatik ▶ Allgemeine Schocksymptome in Verbindung mit einer akuten neurologischen Erkrankung, meist einem Neurotrauma. 264

▶ Generelle Diagnostik des Schocks s. S. 255. ▶ In der Klinik: CT, MRT.

Therapie ▶ Atemwegssicherung, O2 4-8 l/min, ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Infusionstherapie mit Kristalloiden und/oder Kolloiden, z. B. Ringer-Lösung oder HAES 200 10 % 500–1 000 ml i. v. oder mehr. ▶ Vasopressoren: Akrinor oder vasopressorische Katecholamine, z. B. Dopamin 10– 20μg/kgKG/min, Arterenol 0,05-0,3 µg/kg/min, wenn erforderlich.

17 Schock inkl. Anaphylaxie

17.6 Neurogener Schock

Diagnostik

Unbedingt beachten ▶ Bei Traumen oder Erkrankungen des ZNS ist die ausreichende Anhebung des Blutdrucks (RRsyst um 140 mmHg) zur adäquaten Gewebsperfusion besonders wichtig! ▶ Ein neurologisches Trauma allein ist nur sehr selten Ursache eines schweren, protrahierten Schocks! Immer an andere Verletzungen oder andere Schockursachen denken!

265

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.1 Akutes Koronarsyndrom (ACS) – Definition und allgemeines Vorgehen

18

Kardiovaskuläre Notfälle

18.1 Akutes Koronarsyndrom (ACS) – Definition und

allgemeines Vorgehen

Definition ▶ Akutes Koronarsyndrom (ACS): Umfasst folgende akute, schwere Koronarerkrankungen: • Instabile Angina pectoris (AP) (s. Kap. 268), kein Myokardinfarkt. • Myokardinfarkt ohne ST-Strecken-Hebungen im EKG: Non-ST-Segment-Elevation Myocardial Infarction (NSTEMI) (s. Kap. 268). • Myokardinfarkt mit ST-Strecken-Hebungen im EKG: ST-Segment-Elevation Myocardial Infarction (STEMI) (s. Kap. 270).

Praktisches Vorgehen ▶ Siehe Abb. 18.1.

Leitsymptom ▶ Akuter Brustschmerz retrosternal und/oder ausstrahlend, ggf. spezifische Ausprägung (s. bei den spezifischen Kapiteln).

Allgemeine Sofortmaßnahmen Oberkörperhochlagerung. O2-Zufuhr über Nasensonde, 4–8 l/min. Venöser Zugang. Monitoring: RR (Hypertensive Krise? Blutdruckabfall?), pO2. Parallel dazu Kurzanamnese: • Frühere AP-Anfälle? • Risikofaktoren: v. a. Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Nikotinabusus, (Chlamydien-)Infektion? • Auslöser: v. a. Anstrengung, Kälteexposition, opulente Mahlzeiten, Blutdruckveränderungen, Infektionen? ▶ Beachte: Eine Angina pectoris und insbesondere ein akutes Koronarsyndrom kön■ nen aber auch ohne erkennbare Auslöser auftreten! • Trauma? Herzkontusion mit Einriss der Koronargefäße (selten). ▶ Parallel dazu präklinische Diagnostik zur Klärung Angina pectoris (AP) (stabil oder instabil) oder Myokardinfarkt (NSTEMI oder STEMI)? s. u.

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Präklinische Diagnostik NSTEMI oder STEMI Eine eindeutige Differenzierung zwischen Myokardinfarkt (NSTEMI oder STEMI) und instabiler AP ist rein klinisch nicht sicher möglich! ▶ 12-Kanal-EKG. • Bietet die wichtige Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Myokardinfarkt mit STStrecken-Hebung (STEMI) und einem ACS ohne ST-Strecken-Hebung (instabile Angina pectoris oder Myokardinfarkt ohne ST-Hebung = NSTEMI). • Signifikante ST-Strecken-Hebungen liegen vor bei Hebungen in mindestens 2 zusammenhängenden Ableitungen um mind. 0,1 mV in den Extremitätenableitungen bzw. mind. 0,2 mV in den Brustwandableitungen. • Beachte aber: In etwa 7 % der Fälle ist anhand des EKG keine eindeutige Beurteilung möglich (Schenkelblöcke, Schrittmacher-EKG). 266

Patient mit klinischen Zeichen eines ACS

12-Kanal-EKG

ST-Hebung: • ≥ 0,1 mV in ≥ 2 korrespondierenden • Extremitätenableitungen und/oder • ≥ 0,2 mV in ≥ 2 benachbarten • Brustwandableitungen oder • (vermutlich) neuer Linksschenkelblock

andere EKG-Veränderungen oder normales EKG

hohes Risiko: • dynamische • EKG-Veränderungen • ST-Senkung • hämodynamische • Rhythmusinstabilität • Diabetes mellitus

niedriges Risiko: keine Hochrisikomerkmale

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.1 Akutes Koronarsyndrom (ACS) – Definition und allgemeines Vorgehen

Troponin T/I positiv STEMI

NSTEMI

negativ instabile AP

Lyse erwägen

• Sauerstoff 4-8 l/min • Antikoagulation und Thrombozytenaggregationshemmung: • Acetylsalicylsäure 325–500 mg i.v. oder p.o. • Heparin (fraktioniert oder unfraktioniert), z. B. 5000 IE i.v. • Schmerztherapie und Anxiolyse: • Nitroglycerin 0,8–1,6 mg (wenn RRsyt > 90 mmHg) • Morphin 5–10 mg (in 2,5 mg Schritten langsam titrierend bis Schmerfreiheit) • Midazolam (2–5 mg i.v.) • β-Blocker Gabe (Kontraindikationen beachten [S.], nicht im kardiogenen Schock) • andere Antiarrhythmika nur, wenn vom Rhythmus her indiziert

Abb. 18.1 • Übersicht zum praktischen Vorgehen bei akutem Koronarsyndrom; Näheres s. Text.

▶ Bestimmung der Herzenzyme. • Die Abgrenzung zwischen instabiler AP und Myokardinfarkt ohne ST-Hebung (NSTEMI) ist nur durch Bestimmung der „Herzenzyme“, insbesondere der Troponine möglich, daher rettungsmedizinisch in der Regel keine Differenzierung möglich (es sei denn Troponin-Schnelltest s. u.!). • Troponin-Schnelltest, falls vorhanden! Beachte aber: Unmittelbar nach einem ischämischen Ereignis kann das Troponin trotz Myokardzellnekrose negativ sein! • Die oft fehlende Differenzierungsmöglichkeit zwischen NSTEMI und instabiler AP ist weitgehend unproblematisch, da die akutmedizinische Therapie beider Krankheitsbilder gleich ist (S. 269). ▶ Parallel dazu Kurzanamnese. ▶ Blutdruckmessung (Hypertension oder Hypotension als Anfallsauslöser?). 267

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.2 Akutes Koronarsyndrom (ACS) ohne ST-Hebung

▶ Pulsoximetrie. ▶ Kapilläre Reperfusionszeit.

Therapie ▶ Siehe Abb. 18.1 und S. 269; Entscheidungshilfe präklinische Lyse ja/nein S. 274.

Weiterführende Diagnostik in der Klinik ▶ 12-Kanal-EKG (wenn noch nicht im NAW abgeleitet bzw. als Verlaufskontrolle). ▶ Sog. „Herzenzyme“, insb. • Troponin I oder T: Gelten als hoch spezifisch und sensitiv für eine myokardiale Zellschädigung. Die Höhe des Troponinanstiegs korreliert mit der Menge des untergegangenen myokardialen Gewebes. Ist die erste Bestimmung negativ, soll 6– 12 h später erneut eine Troponinbestimmung vorgenommen werden. • CK-MB: Ist weniger spezifisch und sensitiv für einen Myokardschaden; sollte bestimmt werden, wenn keine Troponinmessung erfolgen kann. ▶ Merke: ■ • ACS ohne ST-Hebung: – Kein signifikanter Nekrosemarker-Anstieg = instabile AP. – Signifikanter Nekrosemarker-Anstieg = Myokardinfarkt ohne ST-Hebung = NSTEMI. • ACS mit ST-Hebung = immer Myokardinfarkt mit ST-Hebung (STEMI) = immer signifikanter Nekrosemarker-Anstieg. ▶ Ggf. Echokardiografie, Koronarangiografie.

Differenzialdiagnose ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Lungenembolie (S. 305). Akute Aortendissektion (S. 296). Perikarditis (S. 224). Funktionelle Herzbeschwerden (Da Costa-Syndrom; S. 224). Extrathorakale Erkrankungen wie Gallenkolik (S. 336), perforiertes Magen- oder Duodenalulkus (S. 337), Glaukomanfall (S. 356).

18.2 Akutes Koronarsyndrom (ACS) ohne ST-Hebung Formen ▶ Stabile Angina-pectoris (AP, Stenokardie): • Symptomatik: Akute thorakale Schmerzen, hauptsächlich retrosternal mit Ausstrahlung in linke Schulter und Arm, gelegentlich auch in Hals, Kiefer oder Oberbauch; Engegefühl der Brust (Stenokardie, Angina pectoris); oft Übelkeit und Erbrechen. • Ursache: Regionales Missverhältnis zwischen koronarem Sauerstoffangebot und myokardialem Sauerstoffbedarf. • Ohne besondere notfallmedizinische Bedeutung. ▶ Instabile Angina pectoris (instabile AP): • Symptomatik: Akuter Thoraxschmerz (retrosternal und/oder ausstrahlend); Kriterien für instabile AP: Anfälle treten erstmalig oder in Ruhe (im Liegen) auf (sog. Angina decubitus) oder nehmen an Heftigkeit und Häufigkeit zu (sog. CrescendoAngina) oder halten dauerhaft an und zeigen keine Besserung auf Nitrate. • Kein Anstieg der sog. „Herzenzyme“ Toponin I oder T bzw. CK-MB (Abgrenzung zum Myokardinfarkt); d. h. keine nennenswerten myokardialen Zellnekrosen, aber Gefahr der Entwicklung eines Myokardinfarktes. ▶ Non-ST-Segment-Elevation Myocardial Infarction (NSTEMI) – Myokardinfarkt (!): • Symptomatik wie bei instabiler Angina pectoris. 268

Abb. 18.2 • EKG-Veränderung bei schwerer koronarer Herzkrankheit.

• Signifikanter Anstieg der sog. „Herzenzyme“ Troponin I oder T bzw. CK-MB als Zeichen eines myokardialen Zelluntergangs (daher auch: „Nekrosemarker“). • Keine signifikanten ST-Hebungen (Abgrenzung zum STEMI; s. Kap. 270); im weiteren Verlauf zumeist auch keine Ausbildung von Q-Zacken im EKG; sog. „Non-Qwave-infarction“.

Präklinische Diagnostik

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.2 Akutes Koronarsyndrom (ACS) ohne ST-Hebung

▶ Siehe akutes Koronarsyndrom S. 266. ▶ Typischer Befund einer schweren koronaren Herzkrankheit im 12-Kanal-EKG (s. Abb. 18.2): ST-Streckensenkungen mit anschließender positiver T-Welle (können aber auch im Anfall fehlen).

Präklinische Therapie ▶ MONA-Schema als Basistherapie nach Empfehlung der American Heart Association (AHA): Morphin, Sauerstoff (Oxygen), Nitrate und ASS.

Tab. 18.1 • Präklinische Therapie bei ACS ohne ST-Hebung. Maßnahmen

konkrete Dosierung

absolute körperliche Ruhe O2-Gabe

• z. B. 4–8 l/min per Nasensonde

Nitrat

• z. B. Nitroglycerin 0,8–1,6 mg sublingual oder 1–2 mg langsam i. v.; ev. repetitiv (Cave: Reflextachykardie und Blutdruckabfall!)

Beachte: Diese ersten 3 Maßnahmen reichen als Akuttherapie der stabilen AP aus! Opioide

• z. B. Morphin 5–10 mg i. v. (in 2,5 mg Schritten titrierend bis Schmerzfreiheit)

Thrombozytenaggregationshemmung

• ASS 325–500 mg i. v. oder p. o. • evtl. zusätzlich Heparin; gängige Maßnahme, jedoch ist der Stellenwert zusätzlich zu ASS nicht gesichert: – unfraktioniertes Heparin (UFH) 5 000 I.E. i. v.; dann 1 000 I.E./h kontinuierlich i. v. – alternativ: Niedermolekulares Heparin (NMH), z. B. Enoxaparin 0,7 ml s. c.

β-Blocker, insbesondere bei Tachykardie und Hypertension; KI: schwere Bradykardie, AV-Block II° oder höher, schweres Asthma bronchiale

• z. B. Metoprolol 2,5–5 mg i. v.

Antiemetika bei Übelkeit und Erbrechen

• z. B. DHB oder Haloperidol 1,25–2,5 mg i. v. oder Metoclopramid 10 mg i. v.

269

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.3 Akutes Koronarsyndrom (ACS) mit ST-Hebung (STEMI) – Myokardinfarkt

• Nitrate und Opioide senken den myokardialen Sauerstoffbedarf (dies wird auch durch β-Blocker erreicht; in den USA jedoch unüblich, daher nicht in das MONAKonzept integriert). • ASS (und Heparin) verhindern eine Koronararterienthrombose. ▶ Die Maßnahmen müssen nicht unbedingt in der Reihenfolge (MONA) verabreicht werden. ▶ Zusätzlich ist auch bereits präklinisch insbesondere die Gabe von β-Blockern empfehlenswert. ▶ Praktisches Vorgehen: s. Tab. 18.1 ▶ Beachte: Eine präklinische Lysetherapie ist bei ACS ohne ST-Strecken-Hebung nicht ■ indiziert!

Weitere medikamentöse Therapiemaßnahme in der Klinik ▶ Bei Patienten mit hohem Risiko (z. B. Diabetiker): GPIIb/IIIa-Antagonisten wie Eptifabatide (180 μg/kgKG als Bolus, danach 2 μg/kgKG/min bis zu 72 h) oder Tirofiban (0,4 μg/kgKG/min für 30 min, danach 0,1 μg/kgKG/min).

18.3 Akutes Koronarsyndrom (ACS) mit ST-Hebung

(STEMI) – Myokardinfarkt

Definition und Begriffsabgrenzung ▶ Myokardinfarkt: Regionale myokardiale Durchblutungsstörung mit unterschiedlich ausgeprägtem myokardialen Zelluntergang (Myokardnekrose) durch Obstruktion eines Koronararterienastes. • Zählt per Definition zum akuten Koronarsyndrom (ACS), zu dem neben allen Formen des Myokardinfarkts auch die instabile Angina pectoris gehört (s. Kap. 268). Je nach Ausprägung und elektrokardiografischem Verhalten der ST-Strecke unter akutmedizinischen Aspekten unterteilt in die beiden Formen STEMI und NSTEMI, S. 268. • NSTEMI: Charakteristika s. Kap. 268, S. 268. • STEMI (macht ca. 50 % [!] des ACS aus): – Symptomatik ähnlich wie bei instabiler AP oder NSTEMI (S. 266), jedoch oft ausgeprägter (s. u.). – Meist deutlicher Anstieg von Troponin I oder T bzw. CK-MB als Ausdruck eines größeren myokardialen Zelluntergangs. – Im EKG rasche Ausbildung signifikanter ST-Hebungen in mind. 2 zusammenhängenden Ableitungen; im weiteren Verlauf meist Ausbildung von Q-Zacken als Ausdruck eines transmuralen Myokardinfarkts.

Symptomatik ▶ Wie bei den anderen Formen des akuten Koronarsyndroms, jedoch häufig ausgeprägter: Thorakale Schmerzen, hauptsächlich retrosternal mit Ausstrahlung in die linke Schulter, den linken Arm oder gelegentlich auch in Hals, Kiefer oder Oberbauch; krampfartiges Engegefühl in der Brust; Vernichtungsgefühl; Kaltschweißigkeit; Übelkeit und Erbrechen; Todesangst. Praxistipp: Myokardinfarkt Meist keine wesentliche Besserung der Symptome auf Nitroglycerin-Gabe. Eine Besserung auf Nitratgabe schließt jedoch die Diagnose eines STEMI nicht aus!

270

Abb. 18.3 • Frischer Myokardinfarkt mit ST-Hebungen (STEMI).

Präklinische Diagnostik S. 266 Typische EKG-Veränderungen ▶ T-Wellenüberhöhung: Hohe, spitze T-Wellen entwickeln sich innerhalb von Sekunden bis Minuten. ▶ Hebungen der ST-Strecke (s. Abb. 18.3): Entwicklung innerhalb von Minuten. ▶ Ausprägung von Q-Zacken, die tiefer als 1/4 der nachfolgenden R-Zacke sind, entwickeln sich innerhalb von Stunden („Nekrose-Q“). ▶ Lokalisation der Veränderungen: Nur über den geschädigten Arealen; in anderen Ableitungen keine oder spiegelbildliche Veränderungen der ST-Strecke. ▶ Vereinfachte topografische Zuordnung: • Vorderwandinfarkt: – Verschluss von Ästen der linken Koronararterie, v. a. RIVA. – EKG-Veränderungen in V1–6, I, aVL. • Hinterwandinfarkt (in 50 % der Fälle auch Beteiligung des rechten Ventrikels): – Verschluss von Ästen der rechten Koronararterie oder des R. circumflexus der linken Koronararterie. – EKG-Veränderungen in II, III, aVF.

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.3 Akutes Koronarsyndrom (ACS) mit ST-Hebung (STEMI) – Myokardinfarkt

Gefahren und Komplikationen ▶ ▶ ▶ ▶

Herzrhythmusstörungen. Herzinsuffizienz. Kardiogener Schock. Plötzlicher Herztod, meist durch Kammerflimmern.

Tab. 18.2 • Infarktstadien nach zeitlichem Ablauf der EKG-Veränderungen, s. Abb. 18.4. Stadium und Dauer

typische EKG-Veränderungen

Stadium 0 (Frühstadium); Dauer: Minuten

• ST-Hebung noch nicht nachweisbar • Q klein oder nicht nachweisbar • T hoch und spitz („Erstickungs-T“)

Stadium I; Dauer: Stunden bis Tage

• ST-Hebungen ausgeprägt • Q klein oder nicht nachweisbar • T positiv

Stadium II; Dauer: Tage

• ST-Hebung weniger ausgeprägt • Q groß • T spitz negativ

Stadium III; Dauer: Wochen

• ST-Hebung verschwunden • Q groß • T spitz negativ

Stadium IV; Dauer: Jahre

• ST-Hebung verschwunden • Q nachweisbar • T positiv

Beachte: Notfallmedizinisch relevant ist vor allem Stadium I ( = namensgebend für STEMI); Stadium 0 entgeht meist der Diagnostik.

271

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.3 Akutes Koronarsyndrom (ACS) mit ST-Hebung (STEMI) – Myokardinfarkt

a

b

c

Abb. 18.4 • Zeitlicher Ablauf der EKGVeränderungen bei STEMI: Stadium 0 (Frühstadium) mit „Erstickungs-T“ (a); Stadium I mit ausgeprägter ST-Hebung (b); Stadium II mit zurückgehender ST-Hebung, großem Q und spitz negativem T (c); Stadium III mit verschwundener ST-Hebung, großem Q und negativem T (d); Stadium IV mit negativem Q und positivem T (e).

d

e

Wichtig Die meisten Todesfälle nach Infarkt ereignen sich innerhalb der ersten Stunde durch Kammerflimmern.

Differenzialdiagnose Instabile Angina pectoris oder NSTEMI (S. 268). Lungenembolie (S. 305). Akute Aortendissektion (S. 296). Perikarditis; auch hier ST-Hebungen typisch, aber gleichsinnig in allen Ableitungen (S. 224). ▶ Pleuritis: atemabhängige Schmerzen, ausk. pleuritisches Reiben. ▶ Funktionelle Herzbeschwerden: Keine ST-Veränderungen, keine Herzenzymanstiege (S. 224). ▶ Extrathorakale Erkrankungen wie Gallenkolik (S. 336), perforiertes Magen- oder Duodenalulkus (S. 337), Glaukomanfall (S. 356).

▶ ▶ ▶ ▶

Therapieprinzipien ▶ Grundsätzliches Ziel: • Begrenzung der Infarktgröße durch: Senkung des myokardialen Sauerstoffbedarfs, Verhinderung des Fortschreitens der Thrombosierung und schnelle Wiedereröffnung der verschlossenen Gefäße. • Vermeidung und Therapie von Komplikationen wie Arrhythmie und Herzversagen. 272

Präklinische Therapie ▶ Allgemeine präklinische Therapie: s. Tab. 18.3. ▶ Präklinische Lyse (s. S. 184). ▶ Therapie bei Komplikationen, auch präklinisch: • Herzrhythmusstörungen (s. auch Algorithmus Abb. 18.6, Abb. 18.7 und Abb. 18.18).

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.3 Akutes Koronarsyndrom (ACS) mit ST-Hebung (STEMI) – Myokardinfarkt

• Vermeidung schwerer therapiebedingter Komplikationen wie Blutung. ▶ Allgemeine Therapie: Weitgehend identisch mit der Therapie der anderen Formen des ACS (S. 269) unter Berücksichtigung der oft stärker eingeschränkten Hämodynamik. ▶ Reperfusionstherapie so früh wie möglich anstreben.

Tab. 18.3 • Allgemeine präklinische Therapie des STEMI. Maßnahmen

konkrete Dosierung

absolute körperliche Ruhe keine Anstrengungen, kein Umherlaufen (Patient muss zum und aus dem NAW getragen werden!) O2-Gabe

• z. B. 4–8 l/min per Nasensonde; im Schock ggf. Intubation und Beatmung

Nitrate

• z. B. Nitroglycerin 0,8–1,6 mg sublingual oder 1–2 mg langsam i. v.; evtl. repetitiv (Cave Reflextachykardie und Blutdruckabfall! Nicht bei Blutdruck < 90 mmHg systolisch!)

Opioide

• z. B. Morphin 5–10 mg i. v.: euphorisierender Effekt reicht meist auch zur Anxiolyse aus • Alternative zu Morphin: Dipidolor 5–10 mg i. v.: bessere Kreislaufstabilität, dafür aber keine vorlastsenkende Wirkung

Anxiolyse

• Opioide oder Dipidolor s. o. • wenn Opioide zur Anxiolyse nicht ausreichen: Benzodiazepine wie Midazolam (2,5 mg i. v. oder Diazepam 5–10 mg i. v. (atem- und kreislaufdepressive Wirkung beachten!)

Thrombozytenaggregationshemmung

• ASS 325–500 mg i. v. oder p. o.; erwiesene Effektivität! • evtl. zus. Heparin; gängige Maßnahme, jedoch ist der Stellenwert zusätzlich zu ASS nicht gesichert: – unfraktioniertes Heparin (UFH) 5 000 I.E. i. v.; dann 1 000 I.E./h kontinuierlich i. v. – alternativ: niedermolekulares Heparin (NMH), z. B. Enoxaparin 0,7 ml s. c.

β-Blocker, insbesondere bei Tachykardie und Hypertension KI: schwere Bradykardie, AV-Block II° oder höher, schweres Asthma bronchiale

• z. B. Metoprolol 2,5–5 mg i. v., fraktioniert in 0,5–1 mg-Boli

Antiemetika bei Übelkeit und Erbrechen

• z. B. DHB oder Haloperidol 1,25–2,5m g i. v. oder Metoclopramid 10 mg i. v.

273

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.3 Akutes Koronarsyndrom (ACS) mit ST-Hebung (STEMI) – Myokardinfarkt

– Bradykardie trotz ausreichender analgetischer und antiemetischer Therapie: Atropin zunächst 0,5–3 mg i. v. – Manifeste ventrikuläre oder supraventrikuläre Tachyarrhythmie: Amiodaron zunächst 150–300 mg i. v. oder andere Antiarrhythmika. – Sinustachykardie > 120 /min: β-Blocker, z. B. Metoprolol 2,5–5 mg langsam i. v., fraktioniert in 0,5–1 mg-Boli. ▶ Beachte: ■ – Zur Therapie oder Prophylaxe ventrikulärer Post-Infarkt-Arrhythmien wurden früher 1–2 mg Magnesiumsulfat = 8–16 mmol Mg + + über 5–60 min i. v. empfohlen; ungesicherte Effektivität, nach neueren Studien nicht indiziert. – Auch generell wird keine prophylaktische Gabe von Antiarrhythmika empfohlen. • Kardiogener Schock: Katecholamine, z. B. Dopamin 2–20 μg/kgKG/min. • Kreislaufstillstand: CPR; Lysetherapie unter Reanimation erwägen!

Reperfusionstherapie ▶ Möglichkeiten: • Fibrinolytische Therapie (kurz: „Lyse“): einzige Möglichkeit der bereits präklinischen Wiedereröffnungstherapie. • Perkutane Koronarintervention (PCI): Wiedereröffnung durch Ballondilatation, oft gefolgt von der Einlage eines intrakoronaren Stents; nur in Kliniken mit entsprechendem Katheterlabor möglich. ▶ Lysetherapie: • Vorteil: Einfache Durchführung (i. v. Injektion). • Nachteil: Reperfusionsrate nach 1 h insg. jedoch nur max. 70 %; bei sehr früher Lyse ( < 90 min nach Infarkt) jedoch besser (zeitabhängige Effektivität). • Schwere Blutungskomplikationen (insb. Gehirn) in ca. 1 %. ▶ PCI: • Nachteil: Aufwendiges Verfahren. • Vorteil: Erfolgsrate mit > 90 % höher als bei Lysetherapie. ▶ Entscheidung Lyse oder PCI; Rangfolge nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie: • 1. Rang: Primär PCI innerhalb von 2 h („contact-to-balloon“). • 2. Rang: Prästationäre Lyse mit anschließender Einlieferung in Krankenhaus mit PCI-Möglichkeit. • 3. Rang: Prästationäre Lyse und Einlieferung in ein Krankenhaus ohne PCI-Möglichkeit. • 4. Rang: Stationäre Lyse. ▶ Merke: Die PCI gilt heute als Rekanalisationsverfahren der Wahl, wenn sie innerhalb ■ von 90–120 min verfügbar ist. Daher gilt: • Patienten mit STEMI wenn irgend möglich zügig in eine Klinik mit PCI-Möglichkeit bringen. • Bei Nichtverfügbarkeit eines Krankenhauses mit PCI-Möglichkeit innerhalb von 120 min präklinische Lyse erwägen. ▶ Voraussetzungen zur Durchführung der prähospitalen Lyse: • Arzt mit der Methode vertraut, Medikamente verfügbar. • 12-Kanal-EKG: Signifikante ST-Hebungen in mind. 2 Extremitäten- oder Brustwandableitungen. • Beginn der Beschwerden vor weniger als 4–6 h. • Keine Kontraindikationen wie manifeste Blutung, Blutungsneigung, Marcumarisierung, Apoplex, schlecht eingestellte Hypertonie, Gravidität im 1. Trimenon, vorausgegangene Entbindung oder größere Operation. ▶ Lyse unter CPR? Hierzu gibt es gegenwärtig keine verbindlichen Empfehlungen; eine Lyse kann erwogen werden, wenn die Ursache des Kreislaufstillstands wahrscheinlich ein Myokardinfarkt (oder eine Lungenembolie) war. Unklar ist jedoch, 274

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.4 Akute Herzinsuffizienz

nach welcher Reanimationsdauer der Lyseversuch gemacht werden soll. Eine großangelegte Multizenterstudie, die TROICA-Studie, konnte keinen Vorteil der Lyse unter CPR auf primären Reanimationserfolg oder 30-Tage-Überleben nachweisen. Lyse unter Reanimation bleibt eine Einzelfallentscheidung mit unklarem Nutzen. ▶ Dosierung: Gegenwärtig sind eine Vielzahl älterer und neuerer Fibrinolytika verfügbar. Gängig sind z. B.: • Streptokinase: 1,5 Mio. I.E. i. v. über 60 min; dann Heparin 5 000 I.E. i. v., gefolgt von 1 000 I.E./h i. v. • rt-Pa: Insgesamt 100 mg i. v.; zunächst 15 mg als Bolus; dann 50 mg über 30 min; dann 35 mg über 60 min; parallel Heparin 5 000 I.E. i. v., gefolgt von 1 000 I.E./h i. v. • Reteplase 2 x Bolus von 10 I.E. im Abstand von 30 min. • Tenecteplase Bolus 0,5 mg/kgKG (bis max. 50 mg). Reperfusionsarrhythmien Bei Durchführung einer Lysetherapie ist mit dem Auftreten sog. Reperfusionsarrhythmien bis hin zum Kammerflimmern zu rechnen! Vorbereitet sein und adäquat mit Antiarrhythmika (s. u. und S. 187) oder Defibrillation (S. 145) reagieren!

18.4 Akute Herzinsuffizienz Definition und Einteilung ▶ Definition: Plötzliche kritische Verminderung der Herzauswurfleistung trotz normalen intravaskulären Volumens. ▶ Einteilung: • Akute Linksherzinsuffizienz: Häufigste Form. • Akute Rechtsherzinsuffizienz: Geringere rettungsmedizinische Bedeutung.

Ursachen ▶ Primäre Ursachen: • Koronare Herzerkrankung: Myokardinfarkt (S. 270), ischämische Kardiomyopathie. • Hypertonie: Hypertensiver Notfall (S. 277). • Herzmuskelerkrankungen: Kardiomyopathie, Myokarditis. • Herzklappenfehler: Aortenstenose/-insuffizienz, Mitralstenose/-insuffizienz. • Herzrhythmusstörungen (S. 280): Tachykarde und bradykarde Herzrhythmusstörungen. ▶ Sekundäre Ursachen: • Herzbeuteltamponade. • Lungenembolie. • Medikamente: z. B. Kalziumkanal-Blocker, β-Blocker. • Toxine: z. B. im Rahmen einer Sepsis.

Pathophysiologie ▶ Akute Rechtsherzinsuffizienz: • Vorwärtsversagen → Hypotension, Schock; Verminderung des Herzzeitvolumens. • Rückwärtsversagen → (Hals)Venenstauung. ▶ Akute Linksherzinsuffizienz: • Vorwärtsversagen → Hypotension, Schock; Verminderung des Herzzeitvolumens. • Rückwärtsversagen → Lungenödem; Oxygenierungsstörung. ▶ Kompensationsmechanismen: Sympathikusaktivierung, Vasokonstriktion. ▶ Folgen: Gewebshypoxie, Gewebsischämie. 275

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.4 Akute Herzinsuffizienz

Symptomatik Gestaute Halsvenen. Blass-zyanotisch marmorierte Haut. Häufig Herzrasen. Oligurie. Meist Symptome des Lungenödems (S. 307): Tachypnoe, Dyspnoe, Orthopnoe, Zyanose. ▶ Extremform: Kardialer Schock (S. 258). ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Präklinische Diagnostik ▶ Klinische Symptome (s. o.). ▶ Anamnese: Hinweise auf eine chronische Herzinsuffizienz oder Rhythmusstörungen. ▶ EKG: Meist Tachykardie, seltener Bradykardie; evtl. Rhythmusstörungen. ▶ Blutdruckmessung: • RRsyst > 200 mmHg → Herzinsuffizienz bei hypertensivem Notfall. • RR normal oder leicht erhöht: Reflektorische Vasokonstriktion. • RRsyst < 90 mmHg → Kardiogener Schock. ▶ Kapillare Reperfusionszeit verlängert. ▶ Auskultation: Grob- oder feinblasige Rasselgeräusche über der Lunge, wenn sich ein Lungenödem entwickelt. ▶ Pulsoxymetrie: pSaO2 < 90 % unter Raumluftatmung, wenn sich ein Lungenödem entwickelt.

Weiterführende Diagnostik in der Klinik ▶ Röntgen-Thorax: Bei Lungenödem perihiläre, symmetrische, schmetterlingsförmige Stauungszeichen. ▶ Zentraler Venenkatheter: Zentraler Venendruck erhöht. ▶ Pulmonaliskatheter: PCWP (pulmocapillary wedge pressure) erhöht, Herzzeitvolumen meist erniedrigt. ▶ Blutgasanalyse: PaO2 erniedrigt, PaCO2 zunächst erniedrigt oder normal, später erhöht. ▶ Echokardiografie: Myokardiale Kontraktilitätsstörungen, erhöhtes enddiastolisches Volumen.

Differenzialdiagnose ▶ Hypovolämischer Schock. ▶ Nicht-kardiogenes Lungenödem.

Therapie ▶ Ziel: Entlastung des Herzens und Verbesserung der myokardialen Pumpleistung. ▶ O2-Gabe: 4–8 l per Nasensonde; bei pSaO2 < 85 % Intubation und Beatmung, am besten mit niedrigem PEEP (bis 5 cm H2O); ggf. Therapie des Lungenödems (S. 307). ▶ Bei hohem oder normalem Blutdruck: • Sitzende Lagerung: am besten mit herabhängenden Beinen (Minderung des venösen Rückstroms). • Vorlastsenkung: mit Nitroglycerin 2 Hübe s. l., evtl. wiederholt alle 5–10 min oder 0,3–3 µg/kgKG/min i. v. • Diuretikagabe: Furosemid 10–20 mg i. v. • Inotropiesteigerung: Ev. Katecholamine, z. B. Dobutamin 3–10 µg/kgKG/min i. v. oder Dopamin 5–10 µg/kgKG/min. • Antiarrhythmika, wenn erforderlich. • Sedierung: z. B. Dormicum 2–5 mg i. v. oder Morphin 2–5 mg i. v. (wirkt zusätzlich vorlastsenkend). 276

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.5 Hypertensive Krise und hypertensiver Notfall

▶ Bei niedrigem Blutdruck und im Schock: • Flache Lagerung. • Inotropiesteigerung: Dopamin 5–20 µg/kgKG/min i. v., Dobutamin 5–10 µg/kgKG/ min, evtl. zus. mit Arterenol als Vasopressor kombiniert. • Antiarrhythmika oder elektrische Kardioversion, wenn erforderlich. ▶ In der Klinik: • Einsatz von PDE-Hemmern wie Enoximon (2,5–10 µg/kgKG/min) oder Milrinon (50 µg/kgKG langsam über 10 min i. v., Erhaltungsdosis: 0,375–0,75 µg/kgKG/min) im Einzelfall erwägen (sog. Inodilatatoren). Haupteinsatzgebiet: Nach kardiochirurgischen Eingriffen. • Weitere Therapieoption: Levosimendan, ein Kalzium-Sensitizer. Bei akuter schwerer Herzinsuffizienz konnte bislang kein Überlebensvorteil von mit Levosimendan behandelten Patienten gegenüber der Dobutamintherapie gezeigt werden, allerdings wurden die Plasma-BNP-Spiegel stärker gesenkt (SURVIVE-Studie). Daher kann Levosimendan, das bislang in Deutschland nicht zugelassen ist, in ausgewählten Fällen von Vorteil sein. • Ggf. Einsatz kardiozirkulatorischer Assist-Systeme erwägen, z. B. IABP (Intraaortale Ballon-Gegenpulsation). Im kardiogenen Schock nach Myokardinfarkt konnte ein Vorteil für Patienten mit IABP-Behandlung nachgewiesen werden. Der Einsatz dieser Assist-Systeme ist sehr speziell und meist nur kardiochirurgischen Zentren vorbehalten.

18.5 Hypertensive Krise und hypertensiver Notfall Definition (nach WHO) ▶ Hypertension (Hypertonie): Blutdruck systolisch > 160 mmHg und diastolisch > 95 mmHg. ▶ Hypertensive Krise: Starke Blutdruckerhöhung ohne Hinweis auf akute Organschädigung, schwere Funktionsbeeinträchtigung oder unmittelbare Lebensbedrohung; kann in einen hypertensiven Notfall übergehen. Orientierende Werte: Akuter Blutdruckanstieg auf > 230 mmHg systolisch und/oder > 130 mmHg diastolisch. ▶ Hypertensiver Notfall: Schwerer, häufig plötzlich einsetzender kritischer Blutdruckanstieg mit lebensbedrohlichen Komplikationen, progredienten Organschäden und Funktionseinschränkungen (z. B. akute Linksherzinsuffizienz, akute Niereninsuffizienz, Aortendissektion). Der Absolutwert des Blutdrucks ist nicht ausschlaggebend, sondern die schwere Begleitsymptomatik.

Symptomatik ▶ Hypertensive Krise s. Tab. 18.4, oft keine klinischen Symptome; ggf. Tachykardie (bei Schmerzen, Angst, Aufregung, sympathomimetischen Drogen, Phäochromozytom). ▶ Ggf. Zeichen des hypertensiven Notfalls (s. Tab. 18.5).

Präklinische Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Puls, Blutdruck. EKG, Pulsoxymetrie. Auskultation. Orientierende neurologische Untersuchung. Anamnese, äußere Umstände, Intoxikationen. Orientierende neurologische Untersuchung, Pupillenstatus (Zeichen für intrazerebrale Blutung?).

Ursachen ▶ Exarzerbation einer essenziellen Hypertonie. 277

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.5 Hypertensive Krise und hypertensiver Notfall Tab. 18.4 • Häufigkeitsverteilung der Symptomatik beim hypertensiven Notfall und der hypertensiven Krise (aus M. Middeke, Arterielle Hypertonie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2 005). hypertensiver Notfall

hypertensive Krise

Brustschmerz

27 %

Kopfschmerzen

Atemnot

22 %

Nasenbluten

22 % 17 %

neurologische Ausfälle

21 %

Benommenheit, Agitation

20 %

Benommenheit

10 %

Brustschmerz

9%

Parästhesien

8%

Atemnot

9%

andere (Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Kopfschmerzen)

12 %

neurologische Ausfälle

7%

Tab. 18.5 • Manifestationen und Symptomatik hypertensiver Notfälle (aus M. Middeke, Arterielle Hypertonie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2 005). Manifestationsorgan

typische Symptomatik

zerebral: Enzephalopathie, Blutung, Infarkt

Kopfschmerzen, Sehstörungen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Vigilanzstörungen bis Koma, Krampfanfälle, Parästhesien, Paresen

kardial: Angina pectoris, akutes Koronarsyndrom, Infarkt, Lungenödem, Herzinsuffizienz

Thoraxschmerz, Atemnot, Herzrhythmusstörungen, Schock

vaskulär: dissezierendes Aortenaneurysma

Vernichtungsschmerz, Puls- und Blutdruckdifferenzen an den Extremitäten, Schock, Ischämiesymptome (zentral, intestinal, renal und/ oder peripher)

renal: akute Niereninsuffizienz

Oligurie/Anurie, Proteinurie, Hämaturie, Atemnot, evtl. urämisch bedingte Vigilanzstörungen, Foetor uraemicus

okulär: hypertensive Retinopathie

Sehstörungen bei Papillenödem und/oder Netzhautblutungen

Schwangerschaft: (Prä-)Eklampsie

Vigilanzstörungen, Krampfanfälle, Proteinurie, Ödeme

Renale Hypertonie. Umstellung antihypertensiver Therapie. Präeklampsie (Schwangerschaft, S. 279 und S. 372). Endokrine Hypertension, z. B. Phäochromozytom (S. 319). Sympathomimetische Drogen (Kokain, Amphetamine, Ecstasy; S. 479). Schmerzen, Aufregung, Angst. Alkoholexzess, Alkoholentzug. ▶ ■ Ursachen von Hypertonie beim bewusstlosen Patienten: • Schädelhirntrauma (in Kombination mit Bradykardie akute Einklemmungsgefahr!). • Intrazerebrale Blutung, Subarachnoidalblutung. ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

278

▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Nasenbluten. Schlaganfall. Akute Herzinsuffizienz, akutes Lungenödem, akutes Koronarsyndrom. Hypertensive Enzephalopathie, zerebrale oder subarachnoidale Blutung. Eklampsie. Aortendissektion.

Differenzialdiagnose ▶ Reaktive Hypertension auf Angst und Schmerzreiz ausschließen! ▶ Erfordernishochdruck bei primär neurologischen Erkrankungen: nicht therapieren (s. u., S. 341)!

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.5 Hypertensive Krise und hypertensiver Notfall

Komplikationen hypertensiver Notfälle

Therapie ▶ Ziel: Blutdrucksenkung, jedoch nicht mehr als 30 % pro Stunde! Vermeidung bzw. Therapie von Komplikationen. ▶ Lagerung sitzend bzw. mit erhöhtem Oberkörper. ▶ Medikamentöse Therapie der 1. Wahl: • Nifedipin 5–10 mg p. o. (zerbeißen und herunterschlucken lassen; s. u.). • Nitroglycerin 1,2 mg s. l. ( = 3 Hübe à 0,4 mg oder 1 Kapsel à 1,2 mg). • Urapidil 25–50 mg i. v. • Clonidin 75–150 µg langsam i. v. (Cave: Initiale Blutdrucksteigerung nach Gabe). ▶ Medikamentöse Therapie bei unzureichender Wirkung: • Dihydralazin 6,25–12,5(–25) mg langsam i. v. (verzögerten Wirkungseintritt beachten!). ▶ Ergänzende Therapie: • Steigerung der Diurese: Furosemid 20–40 mg i. v. • Sedierung erwägen: Dormicum 2–5 mg i. v. oder Diazepam 5–10 mg i. v. Wichtig Überschießende Blutdrucksenkung vermeiden! Nach jeder medikamentösen Intervention Abwarten des Effektes über einen ausreichend langen Zeitraum (10– 15 min)!

Besondere Situationen ▶ Hypertensive Krise in der Spätschwangerschaft (s. auch S. 372): • Meist Folge einer Präeklampsie durch generalisierte Gefäßverengung. • Medikamentöse Therapie mit Pharmaka, die die Uterusdurchblutung nicht negativ beeinflussen: – Nifedipin 5–10 mg p. o. – Urapidil 12,5–25 mg i. v. – Dihydralazin 6,25–12,5 mg langsam i. v.; galt früher als Mittel der Wahl, ist jedoch dem Nifedipin und Urapidil im Hinblick auf Effektivität und Verträglichkeit unterlegen. ▶ Akute neurologische Erkrankungen: • Hypertensive Enzephalopathie (S. 340): als Ursache einer neurologischen Erkrankung. • Erfordernishochdruck: als Folge einer neurologischen Erkrankung (reaktiver Blutdruckanstieg zur Sicherstellung einer adäquaten zerebralen Perfusion bei Hirnödem oder Apoplex); auch bei der hypertensiven Enzephalopathie mit schweren neurologischen Symptomen liegt schlussendlich ein Erfordernishochdruck vor. • Therapie: – RRsyst < 220 mmHg → Keine Blutdrucksenkung! 279

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.6 Herzrhythmusstörungen: Allgemeine Übersicht

– RRsyst > 220 mmHg → Blutdrucksenkung mit Urapidil 12,5 mg i. v., evtl. repetitiv, bis RRsyst um 200 mmHg; die Anwendung anderer Antihypertensiva ist möglich, diese haben jedoch den Nachteil der zerebralen Vasodilatation, evtl. mit Hirndrucksteigerung. – Ausnahme: Verdacht auf Subarachnoidalblutung → wegen erheblichen Nachblutungsrisikos RRsyst um 140 mmHg anstreben!

18.6 Herzrhythmusstörungen: Allgemeine Übersicht Einteilung ▶ Siehe Tabelle 18.6.

Extrasystolen ▶ Vorzeitig einfallende Kammeraktionen supraventrikulären oder ventrikulären Ursprungs (s. Abb. 18.5). ▶ Gelegentlich Hinweis auf ernsthafte kardiale Erkrankung. ▶ Gelegentlich Auslöser tachykarder Rhythmusstörungen. ▶ Präklinisch normalerweise nicht therapiebedürftig.

Allgemeine Ursachen ▶ Kardial: • KHK, Ischämie (S. 266ff): häufigste und wichtigste Ursache kardialer Rhythmusstörungen! → meist Tachyarrhythmie, seltener Bradyarrhythmie. • Strukturelle Anomalien des Erregungsleitungssystems (pathologische Erregungsleitungsbündel, z. B. WPW-Syndrom, S. 289) → Tachyarrhythmie. • Herzklappenerkrankungen: Stenose, Insuffizienz → meist Tachyarrhythmie. • Myokarditis, infektiöse Endokarditis → meist Tachyarrhythmie, aber auch Bradyarrhythmie. • Kardiomyopathien → meist Tachyarrhythmie. • AV-Blockierung (I°, II° Typ 1 /2, III°), fällt oft auf im Rahmen einer Synkope → Bradykardie. • Sinusknotendysfunktion → Bradykardie. ▶ Metabolisch: • Hypoxie, Hypoxämie (S. 241) → bei Erwachsenen meist Tachyarrhythmie, bei Kindern meist Bradyarrhythmie. • Elektrolytstörungen (S. 320): Hypokaliämie → meist Tachyarrhythmie; Hyperkaliämie → meist Bradyarrhythmie; Hypomagnesiämie → meist Tachyarrhythmie. • Störungen des Säure-Basen-Haushalts: Azidose (S. 320) → meist Tachyarrhythmie. ▶ Endokrinologisch: Hyperthyreose (S. 316) → Tachyarrhythmie; Hypothyreose (S. 318) → Bradykardie, Bradyarrhythmie; Phäochromozytom (S. 319) → Tachyarrhythmie.

a

b

Abb. 18.5 • Extrasystolen: Supraventrikuläre Extrasystolen (a); ventrikuläre Extrasystolen (b).

280

Tab. 18.6 • Einteilung von Herzrhythmusstörungen nach verschiedenen Kriterien. Einteilungskriterium

Art, Definition und klinische Bedeutung der Rhythmusstörung • Tachykardie/Tachyarrhythmie: – Frequenz > 90 /min – größte Bedeutung für die Rettungsmedizin – Hauptgefahr: Übergang in Kammerflimmern und Herzstillstand

Frequenz

• Bradykardie/Bradyarrhythmie – Frequenz < 60 /min – seltener als Tachyarrhythmien – Hauptgefahr: Entwicklung einer Asystolie

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.6 Herzrhythmusstörungen: Allgemeine Übersicht

• normofrequent – Frequenz 60–90 /min – für die Rettungsmedizin von geringer Bedeutung – selten präklinisch therapiebedürftig Entstehungsmechanismus zu schnelle Fortleitung der Erregung → Tachykardie, Tachyarrhythmie

• Erregungsleitungsstörung:

• Erregungsbildungsstörung:

Ursprungsort

zu langsame oder fehlende Fortleitung der Erregung (z. B. AV-Block) → Bradykardie, Bradyarrhythmie bis hin zur Asystolie anormale Fortleitung der Erregung (z. B. pathologische akzessorische Leitungsbündel zwischen Vorhof und Kammer oder kreisende Erregung im Vorhof, im AV-Knoten oder in der Kammer) → Tachykardie, Tachyarrhythmie bis hin zu Kammerflimmern hohe Depolarisationsfrequenz des Schrittmacherzentrums → Tachykardie zu niedrige Depolarisationsfrequenz des Schrittmacherzentrums → Bradykardie supraventrikuläre Rhythmusstörungen, d. h. Erregungsbildungszentrum im Bereich von Vorhof oder AV-Knoten; normalerweise schmaler Kammerkomplex ( < 0,12 s); breiter Kammerkomplex ( > 0,12 s) bei Schenkelblock (meist Rechtsschenkelblock) oder akzessorischem Leitungsbündel (z. B. WPW-Syndrom) ventrikuläre Rhythmusstörungen, d. h. Erregungsbildungszentrum in einer Herzkammer; Kammerkomplex ist immer breit ( > 0,12 s); meist gefährlicher als supraventrikuläre Rhythmusstörungen

Symptomatik

hämodynamisch stabil hämodynamisch instabil

▶ Drogen und Medikamente: • Antiarrhythmika! Fast alle Antiarrhythmika können ihrerseits tachykarde und bradykarde Rhythmusstörungen auslösen (S. 187). • Kokain (S. 477) → Tachyarrhythmie. • Amphetamine, Ecstasy (S. 479) → Tachyarrhythmie. • Atropin (S. 178), Katecholamine (S. 173), Theophyllin → Tachyarrhythmie. • Trizyklische Antidepressiva → Bradykardie/Bradyarrhythmie. • Opiate → Bradyarrhythmie. • Betablocker (S.182), Clonidin (S.181), Calcium-Antagonisten vom Verapamil-Typ → Bradykardie, Bradyarrhythmie. 281

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.6 Herzrhythmusstörungen: Allgemeine Übersicht

▶ Sonstige: • Schock (S. 254) → meist Tachykardie, Tachyarrhythmie. • Anaphylaxie oder Pseudoanaphylaxie (S. 261) → Tachykardie; Tachyarrhythmie. • Anstrengung, Aufregung, Angst, Schmerzen → Tachykardie, Tachyarrhythmie. • Hyperthermie → Tachykardie. • Hypothermie → zunächst Tachykardie, dann Bradyarrhythmie. • Dehydratation, Hypovolämie (S. 320)→ Tachykardie. • Lungenembolie, pulmonalarterielle Hypertension (S. 305) → Tachykardie, Tachyarrhythmie. • Erhöhter Hirndruck (S. 340)→ Bradykardie, Bradyarrhythmie. • Mechanische Ursachen (nach Herzoperationen oder traumatisch) → Brady-/Tachyarrhythmie. ▶ Beachte: Tachykarde oder bradykarde Rhythmusstörung sind häufig Symptome ex■ trakardialer Erkrankungen!

Allgemeine Diagnostik ▶ Anamnese: • Bei Tachykardie: – Antiarrhythmikaeinnahme? – Einnahme tachykardieauslösender Medikamente, z. B. Theophyllin? – Anzeichen für extrakardiale Ursache wie z. B. Hypovolämie (Blutung, Exsikkose), Dyspnoe/Hypoxie, Agitiertheit. • Bei Bradykardie: – Überdosierung von bradykardisierenden Medikamenten, z. B. Betablocker, Digitalis, Clonidin? – Anzeichen für extrakardiale Ursache wie z. B. Hypothermie, erhöhter Hirndruck, Hypoxie (bei Kindern häufiger Bradykardie!)? • Bekannte KHK, Herzfehler? ▶ Puls. ▶ EKG (wenn möglich, Extremitäten- und Brustwandableitungen; 12-Kanal-EKG). ▶ Blutdruck. ▶ Pulsoxymetrie.

Allgemeine Therapie ▶ Grundsätzliches Ziel: Ausreichende Normalisierung von Herzfrequenz und Blutdruck, Linderung der unangenehmen subjektiven Symptome. Grundsätze zum praktischen Vorgehen: ▶ Keine Rhythmuskosmetik! Präklinische Therapie nur bei bedrohlichen, kreislaufwirksamen Rhythmusstörungen! ▶ Bei akut lebensbedrohlichen Tachyarrhythmien und Bradyarrhythmien rechtzeitig elektrische Therapiemaßnahmen erwägen (Kardioversion/Defibrillation bzw. Schrittmachertherapie). ▶ Nicht jede Rhythmusstörung muss antiarrhythmisch therapiert werden! Gelegentlich ist die Tachykardie erforderlich (z. B. Volumenmangelschock), gelegentlich sollte auch eine ausgeprägte Bradykardie besser belassen werden (z. B. tiefe Hypothermie). Daher vor antiarrhythmischer Therapie stets an mögliche extrakardiale Grunderkrankung denken und möglichst gezielt therapieren! Häufig erübrigt sich dann eine spezifische antiarrhythmische Therapie. Beispiele: • Hypoxie, Hypoxämie → O2-Gabe, ggf. Beatmung, ggf. (in der Klinik) Bluttransfusion (bei anämischer Hypoxämie). • Hypokaliämie, Hypomagnesiämie → Kaliumsubstitution, Magnesiumsubstitution. • Hyperkaliämie → S. 320. 282

Hypothermie → Wiedererwärmung. Hyperthermie → Kühlung. Anstrengung, Aufregung, Angst, Schmerzen → Sedierung, Analgesie. Dehydratation, Hypovolämie → Volumentherapie. Lungenembolie, pulmonalarterielle Hypertension → Lysetherapie, wenn möglich; ggf. (pulmonale) Vasodilatatoren. • Hirndruck → Hirndrucksenkende und/oder blutdrucksteigernde Therapie.

• • • • •

▶ Basismaßnahmen: O2-Gabe, im Schock Intubation und Beatmung, venöser Zugang. ▶ Grundsätzliche medikamentöse Maßnahmen: • Bei Tachyarrhythmien (S. 284): – Antiarrhythmika (s. Tab. 18.7). – Adjuvante Therapie mit Sedativa/Analgetika (z. B. Midazolam/Diazepam oder Morphin, wenn erforderlich → indirekte antiarrhythmische Wirkung durch Senkung des Sympathikotonus. – Elektrolytsubstitution (v. a. Kalium, Magnesium) in Kenntnis der Serumkonzentrationen. • Bei Bradyarrhythmien (S. 291) Atropin; Adrenalin. ▶ Grundsätzliche nicht medikamentöse Maßnahmen: • Bei Tachyarrhythmien vagale Stimulation, Kardioversion und Defibrillation. • Bei Bradyarrhythmien Schrittmachertherapie. ▶ Spezifisches Vorgehen bei Tachykardien: S. 285. ▶ Spezifisches Vorgehen bei Bradykardien: S. 291.

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.6 Herzrhythmusstörungen: Allgemeine Übersicht

Antiarrhythmika: Übersicht (s. Tab. 18.7) Vagale Stimulation ▶ Indikationen: Supraventrikuläre Tachyarrhythmien, v. a. AV-Re-entry-Tachykardien (S. 289). ▶ Wirkung: Erhöhung des Parasympathikotonus; dadurch Verlangsamung der AVÜberleitung. ▶ Methoden (Auswahl): • Trinken großer Schlucke eiskalten Wassers. • Husten. • Valsalva-Manöver: Pressen gegen die geschlossene Stimmritze. • Karotissinusmassage: Dosierte, wenige Sekunden dauernde Massage im Bereich der A. carotis. Genaues Vorgehen: – Zunächst den rechten, wenn unwirksam anschließend den linken Karotissinus stimulieren. – Kopf des Patienten zur anderen Seite drehen. – Fester, kurzer Druck auf die Karotisbifurkation nahe dem Unterkieferwinkel. – Wenn unwirksam: Massierende Bewegungen an der gleichen Stelle für maximal 5–10 s. – Wiederholungen der Massage nach Pausen von 15–30 s möglich. Achtung Gefahren der Karotissinusmassage: Zerebrale Ischämie durch zu starke und zu lange Kompression der A. carotis! Asystolie! Karotisstenose! → Keine Karotissinusmassage bei älteren Patienten, nie beide Karotiden gleichzeitig massieren!

283

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.7 Tachykarde Herzrhythmusstörungen Tab. 18.7 • Antiarrhythmika: Übersicht. Antiarrhythmikum

Wirksamkeit

Klasse Ia (z. B. Ajmalin)

bei vielen ventrikulären und supraventrikulären Tachyarrhythmien

Klasse Ib (z. B. Lidocain)

nur bei ventrikulären Rhythmusstörungen

Klasse Ic (z. B. Propafenon)

bei vielen ventrikulären und supraventrikulären Tachyarrhythmien

Klasse II, β-Blocker (z. B. Metoprolol)

v. a. bei supraventrikulären, aber auch bei ventrikulären Tachyarrhythmien

Klasse III (z. B. Amiodaron)!!!

sehr gut (!) bei vielen (!) ventrikulären und supraventrikulären Tachyarrhythmien; im Rettungsdienst/Akutmedizin gegenwärtig zumeist Mittel der Wahl und wichtigstes Antiarrhythmikum bei den meisten lebensbedrohlichen Tachyarrhythmien; Initialdosis 300 mg (5 mg/kgKG) langsam i. v.

Klasse IV, Kalzium-KanalBlocker (z. B. Verapamil)

nur bei supraventrikulären Rhythmusstörungen

Digitalisglykoside (z. B. Digoxin)

nur bei bestimmten supraventrikulären Rhythmusstörungen (Vorhofflimmern/-flattern)

Adenosin

nur bei bestimmten supraventrikulären Rhythmusstörungen (AV-Re-entry-Tachykardien)

Magnesium

u. U. bei vielen ventrikulären und supraventrikulären Tachyarrhythmien; Stellenwert als Antiarrhythmikum jedoch außer bei Torsades de pointes (S. 291) nicht gesichert

18.7 Tachykarde Herzrhythmusstörungen Häufigste Ursachen (s. auch S. 280) ▶ Meist koronare Herzerkrankung, Myokardinfarkt, Sonderform: Reperfusionsarrhythmien nach Lysetherapie eines akuten Myokardinfarkts. ▶ Gelegentlich anatomische akzessorische Leitungsbündel (WPW-Syndrom). ▶ Reaktive bzw. kompensatorische Sinustachykardie bei Angst, Schmerz oder Aufregung, Anstrengung, Volumenmangelschock oder akuter Rechtsherzbelastung.

Symptomatik ▶ Herzklopfen (Palpitationen). ▶ Angina pectoris: Auftreten, wenn die Rhythmusstörungen zu erhöhtem myokardialem Sauerstoffverbrauch, verminderter myokardialer Durchblutung und Myokardischämie führen. ▶ Hypotension: Auftreten, wenn die Rhythmusstörungen zu vermindertem Herzzeitvolumen und Herzinsuffizienz führen, Gefahr von Herzversagen und kardiogenem Schock. ▶ Dyspnoe: Auftreten, wenn die Rhythmusstörungen zur Herzinsuffizienz führen. ▶ Schwindel, Bewusstlosigkeit: Auftreten, wenn die Rhythmusstörungen zu Hypotension und Schock führen. ▶ Plötzlicher Herztod des Erwachsenen (sudden adult death syndrome; SADS) bei Kammerflimmern. 284

Wichtige Unterteilung nach EKG-Veränderungen (s. Tab. 18.8) Therapeutische Grundsätze ▶ Wichtige therapeutische Grundsätze bei der Therapie tachykarder Rhythmusstörungen: ■

• Medikamentöse Therapie mit Antiarrhythmika nur bei bedrohlichen, kreislaufwirksamen Rhythmusstörungen. Keine Rhythmuskosmetik! • Keine Therapie der kompensatorischen Tachykardie mit Antiarrhythmika! • Tachykardie mit breiten Kammerkomplexen im Zweifelsfall wie ventrikuläre Tachykardie therapieren! • Bei akut lebensbedrohlichen Tachyarrhythmien rechtzeitig Kardioversion/Defibrillation erwägen!

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.7 Tachykarde Herzrhythmusstörungen

Diagnostik S. 282

Vorgehen bei Tachykardien mit breiten Kammerkomplexen (Abb. 18.6) Tachykardien mit schmalen Kammerkomplexen (Abb. 18.7) Supraventrikuläre Tachykardien (in der Regel schmaler QRS-Komplex) ▶ Atriale Tachykardien: • Meist kreisende Erregungen auf Vorhofebene. • Formen: s. Tab. 18.9. • Therapie (s. auch Abb. 18.7, Pat. stabil, Rhythmus unregelmäßig): – Mögliche Medikamente: Antiarrhythmika der Klassen Ia (z. B. Ajmalin), Ic (z. B. Propafenon), II (β-Blocker, z. B. Metoptolol), III (z. B. Amiodaron), IV (KalziumKanal-Blocker, z. B. Verapamil), Magnesium oder Digitalisglykoside. Tab. 18.8 • Wichtige Unterteilung tachykarder Rhythmusstörungen nach EKG-Veränderungen. QRSKomplex

Ursprungsort

RR-Abstände

mögliche Form der Rhythmusstörung

• Sinustachykardie • Vorhoftachykardie; EKG-Form s. S. 288 regelmäßig schmal

meist supraventrikulär

• AV-Re-entry-Tachykardien (Präexzitationssyndrome): v. a. Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW-Syndrom, S 289) • AV-Knoten-Re-entry-Tachykardie (S. 289). • Vorhofflattern bei konstanter Überleitung

unregelmäßig

• Vorhofflimmern (häufigste Form); EKG-Form s. S. 288 • Vorhofflattern; EKG-Form s. S. 288

regelmäßig

breit

• ventrikuläre Tachykardien • pulslose Kammertachykardie • Vorhofflimmern mit Schenkelblock • Vorhofflimmern bei WPW-Syndrom

meist ventrikulär unregelmäßig

• polymorphe ventrikuläre Tachykardie, z. B. Torsades de pointes (Spitzenumkehrtachykardien, S. 291)

285

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.7 Tachykarde Herzrhythmusstörungen

Tachykardie mit breitem QRS-Komplex (vermutete ventrikuläre Tachykardie) falls noch nicht erfolgt, O2-Gabe

(4–8 l/min) und Zugang legen

Patient instabil? klassische Instabilitätszeichen: • Bewusstseinstrübung • Thoraxschmerz • RR systolisch < 90 mmHg • Herzinsuffizienz • (herzfrequenzabhängige Symptomatik meist erst ab 150/min)

Patient instabil

Kardioversion (unter Sedierung) bis zu 3 Versuche (100 J 200 J 360 J)

• Amiodaron 300 mg (über 10 min) i.v. • erneute Kardioversion • Amiodaron 900 mg/24 h

Patient stabil

Rhythmus regelmäßig

Rhythmus unregelmäßig

• ventrikuläre Tachykardie oder unklar: Amiodaron 300 mg über 10 min, danach 900 mg/24h • SVT bei bekanntem Schenkelblock: Adenosin wie bei jeder Tachykardie mit schmalem QRS, d.h. 6 mg Bolus, wenn erfolglos 12 mg

mögliche Ursache: • Vorhofflimmern mit Schenkelblock: Adenosin wie bei schmalem QRS, d.h. 6 mg Bolus, wenn erfolglos 12 mg • Vorhofflimmern bei Präexzitation: Therapie mit Ajmalin z. B. • bei polymorphen VT (z.B. Torsade de pointes): Magnesium 2 g über 10 min • erwäge Amiodaron 300 mg (über 10 min) i.v.

– bei instabilem Zustand erfolgloser Kardioversion, wenn möglich Elektrolytbestimmung: • bei K+ KCl 60 mmol (max. 30 mmol/h) • bei Mg2+ Magnesiumsulfat 50% • 5 ml über 30 min – in Therapiefraktären Fällen weitere Antiarrhythmika erwägen: Amiodaron, Lidocain, Procainamid, Sotalol sofern vorhanden – in der Klinik ggf. Überstimulation (overdrive pacing)

– bei stabilem Zustand erfolgloser Therapie, weitere Maßnahmen in der Klinik: – Elektrolytbestimmung: bei K+ KCl 60 mmol (max. 30 mmol/h) – wenn kein Erfolg: ggf. Kardioversion (100 J 200 J 360 J) – wenn ohne gewünschten Effekt: ggf. erneut Amiodaron 150 mg frühestens 15 min nach Erstapplikation – weitere Kardioversion, wenn erforderlich Bei stabilen tachyarrhythmischen Patienten wird zunächst eine Frequenzkontrolle angestrebt und die Konversion in einen Sinusrhythmus erst nach Ausschluss eines Vorhofthrombus oder nach ausreichend langer Antikoagulation durchgeführt.

Abb. 18.6 • Maßnahmen bei lebensbedrohlichen Tachykardien mit breitem Kammerkomplex; Ablauf, Präparateauswahl und Dosierungen nach den Empfehlungen des European Resuscitation Council (ERC, 2005); Anwendung von Alternativpräparaten mit gleichem oder ähnlichem Wirkmechanismus ist möglich; geringfügige Abweichungen von anderen Empfehlungen in den Dosierungsangaben sind ebenfalls möglich; Dosierungsangaben gelten für einen Erwachsenen durchschnittlichen Gewichts.

286

Tachykardie mit schmalem QRS-Komplex (vermutete supraventrikuläre Tachykardie) falls noch nicht erfolgt, O2-Gabe

(4–8 l/min) und Zugang legen

Patient instabil? klassische Instabilitätszeichen: • Bewusstseinstrübung • Thoraxschmerz • RR systolisch < 90 mmHg • Herzinsuffizienz • (herzfrequenzabhängige Symptomatik meist erst ab 150/min)

Patient instabil bzw. pulslose Tachykardie (> 250/min)

Patient stabil

Rhythmus regelmäßig

sofortige Kardioversion (unter Sedierung) bis zu 3 Versuche (100 J 200 J 360 J)

• Vagusmanöver • Adenosin 6 mg Bolus, wenn erfolglos 12 mg

• Amiodaron 300 mg (über 10 min) i.v.; ggf. erneut 150 mg nach frühestens 15 min • erneute Kardioversion • Amiodaron 900 mg/24 h

Sinusrhythmus wiederhergestellt?

ja

vermutlich paroxysmale Tachykardie

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.7 Tachykarde Herzrhythmusstörungen

nein • Vorhofflattern? Ja Frequenzkontrolle (s.o.) • Sinustachykardie? Ja evtl. Volumenmangel?

Rhythmus unregelmäßig

Frequenzkontrolle durch eine der folgenden Maßnahmen: • β-Blocker (z.B. Esmolol 40 mg i.v. über 1 min; kontinuierliche Gabe von 4 mg/min i.v.; ggf. Dosissteigerung bis 12 mg/ min i.v.) • Isoptin, Diltiazem (z.B. Verapamil 5–10 mg i.v.) • Digoxin 0,5 mg i.v. über 30 min, ggf. 2 x • Amiodaron 300 mg i.v. über 1 h erwägen (kann zur Rückkehr zum Sinusrhythmus führen, Cave: Vorhofthrombus) Beachte: • keine Kombination von β-Blocker und Ca-Antagonisten (außer Nifedipin) • Kombination von β-Blocker oder Ca-Antagonist mit Amiodaron oder mit Digitalis kann sinnvoll sein • vor Gabe eines weiteren Antiarrhythmikums immer mind. 10–15 min abwarten, Wirkungseintritt kann verzögert sein

Abb. 18.7 • Maßnahmen bei lebensbedrohlichen Tachykardien mit schmalem Kammerkomplex; Ablauf, Präparateauswahl und Dosierungen nach den Empfehlungen des European Resuscitation Council (ERC, 2005); Anwendung von Alternativpräparaten mit gleichem oder ähnlichem Wirkmechanismus ist möglich; geringfügige Abweichungen von anderen Empfehlungen in den Dosierungsangaben sind ebenfalls möglich; Dosierungsangaben gelten für einen Erwachsenen durchschnittlichen Gewichts.

287

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.7 Tachykarde Herzrhythmusstörungen Tab. 18.9 • Formen supraventrikulärer Herzrhythmusstörungen. Form der supraventrikulären Tachykardie

Charakteristika

EKG

Vorhofflimmern mit schneller Überleitung (Tachyarrhythmia absoluta)

• ungeordnete, hochfrequente Vorhofaktionen • Vorhoffrequenz 350–600 /min • absolut unregelmäßige Überleitung • häufig Pulsdefizit wegen schlechter Ventrikelfüllung und geringem Auswurf bei sehr rasch aufeinanderfolgenden Kammerkontraktionen

• unregelmäßige QRS-Komplexe ohne sichtbare P-Wellen • Kammerfrequenz 100–160 /min • s. Abb. 18.8

Vorhofflattern

• regelmäßige, hochfrequente Vorhoferregungen • Vorhoffrequenz 220–350 /min • ventrikuläre Überleitung meist in einem bestimmten Verhältnis: 2 : 1, 3 : 1 oder 4 : 1

• sägezahnartige P-Wellen • meist regelmäßige Kammerfrequenzen um 150 /min • s. Abb. 18.9

Vorhoftachykardie

• Vorhoffrequenz 120–250 /min • ventrikuläre Überleitung meist im Verhältnis 1 : 1

• regelmäßige Tachykardie; mit präklinischen Mitteln nicht von einer Sinustachykardie zu unterscheiden

Abb. 18.8 • Vorhofflimmern mit schneller Überleitung (Tachyarrhythmia absoluta).

Abb. 18.9 • Vorhofflattern mit 4 : 1-AV-Überleitung.

Abb. 18.10 • Vorhoftachykardie.

– Therapie des Vorhofflimmerns (häufigste Indikation): s. Abb. 18.11. – Therapie der übrigen atrialen Tachykardien: Kalziumkanal-Blocker (Klasse IV): z. B. Verapamil 5 mg i. v. oder β-Blocker (Klasse II), z. B. Metoprolol 2,5–5 mg i. v., evtl. zusätzlich zu Kalziumkanal-Blocker oder β-Blockern Metildigoxin 0,2–0,4 mg i. v. – In schweren Fällen immer Amiodaron erwägen: 300 mg i. v. über 1 h. – Im Schock: Elektrische Kardioversion (S. 149) erwägen (höhere Erfolgsquote als bei medikamentöser Therapie). – Elektive Kardioversion nur nach Ausschluss von Vorhofthromben oder bei neu aufgetretenem Vorhofflimmern ( < 24 h). 288

Symptome

Gefährdung

Herzfrequenz < 100/min keine oder nur milde Symptome, gute Durchblutung

niedrig

Präklinisch meist keine Therapie erforderlich • in der Klinik Heparinisierung oder • Marcumarisierung • Amiodaron 300 mg über 1 h i.v. • (oder Flecainid 100–150 mg) • ggf. elektive Kardioversion

mittel

Therapiebeginn abhängig von Transportdauer und Ausmaß und Entwicklung der Symptomatik: • z.B. (i.v.) • Metoprolol 5 mg oder Verapamil 5 mg oder • Digoxin 0,2–0,4 mg oder • Amiodaron 300 mg • (vor allem bei akutem Auftreten) • bei Symptomverschlechterung: elektrische • Kardioversion (s. unten: hohe Gefährdung)

hoch

Präklinischer Therapiebeginn indiziert: • sofortige Heparinisierung (5000–10000 I.E. i.v.) • elektrische Kardioversion (100–200–360 J) • in Narkose/Sedierung • anschließend Amiodaron 300 mg i.v. über • eine Stunde

Herzfrequenz zwischen 100/min und 150/min Atemnot schlechte Durchblutung

Herzfrequenz > 150/min Thoraxschmerzen, kritische Durchblutung

Therapie

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.7 Tachykarde Herzrhythmusstörungen

Abb. 18.11 • Gefährdungsabhängige Therapie des Vorhofflimmerns (vereinfacht nach ERC 2005).

Abb. 18.12 • WPW-Syndrom.

▶ AV-Re-entry-Tachykardien (Präexzitationssyndrome): • Vorzeitige Kammererregung durch pathologische akzessorische atrioventrikuläre Erregungsleitungsbündel. • Häufigste Form: Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW-Syndrom). • EKG bei WPW-Syndrom (s. Abb. 18.12): – QRS-Komplex durch sog. Delta-Welle als elektrokardiografisches Korrelat der vorzeitigen Kammererregung verbreitert (breite Kammerkomplexe). – Ausnahme: Bei Tachykardie ist die Delta-Welle oft nicht mehr sichtbar; dann enge Kammerkomplexe; Tachykardie oft plötzlich auftretend und selbst terminierend (paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie). • Therapie: – Vagale Stimulation (S. 283); wenn nicht erfolgreich: – Klasse Ia- oder Ic-Antiarrhythmikum, z. B.: Propafenon 35–70 mg i. v. oder Ajmalin 25–50 mg i. v. – Im Schock: Elektrische Kardioversion (S. 149) erwägen. ▶ Beachte: Verapamil oder β-Blocker sind nicht indiziert! ■ 289

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.7 Tachykarde Herzrhythmusstörungen

Abb. 18.13 • Paroxysmale AV-Knoten-Tachykardie.

▶ AV-Knoten-Re-entry-Tachykardie: • Kreisende Erregung innerhalb des AV-Knotens (Sonderform der AV-Re-entry-Tachykardien). • Häufigste Form einer paroxysmalen supraventrikulären Tachykardie, sog. paroxysmale AV-junktionale Tachykardie. • EKG (s. Abb. 18.13): – Regelmäßige Kammerfrequenz, 130–150 /min. – Keine P-Welle. • Therapie: – Vagale Stimulation (S. 283); wenn nicht erfolgreich: – Adenosin (medikamentöses Mittel der Wahl!) 6 mg i. v. über 1–3 s; bei ausbleibender Wirkung nach 1–2 min 12 mg i. v. über 1–3 s; bei ausbleibender Wirkung nach 1–2 min erneut 12 mg i. v. über 1–3 s. – Bei engen Kammerkomplexen: Verapamil 5 mg i. v. – Bei weiten Kammerkomplexen: Klasse Ia- oder Ic-Antiarrhythmika, z. B. Ajmalin 25–50 mg i. v., Propafenon 35–70 mg i. v.; Alternativ: Amiodaron 300 mg i. v. – Im Schock: Elektrische Kardioversion (S. 149) erwägen.

Ventrikuläre Tachykardien ▶ Entstehung: Meist kreisende Erregungen im Kammermyokard. ▶ Gefahr: Ineffektiver Herzauswurf, insbesondere bei hohen Frequenzen ( > 150 /min). ▶ EKG: Meist regelmäßige, breite Kammerkomplexe, isoelektrische Linie oft noch erkennbar, s. Abb. 18.14. ▶ Therapie: • Medikamentöse Therapie: – Wirksam können sein Antiarrhythmika der Klassen Ia, Ib, Ic, II, III (s. Tab. 18.7); bevorzugt wird jedoch heute Amiodaron 300 mg i. v. – Alternativ bzw. wenn Amiodaron nicht verfügbar: Lidocain 100 mg i. v.; wenn ohne Erfolg oder auch primär Ajmalin 25–50 mg i. v. oder Propafenon 35– 70 mg i. v.

Abb. 18.14 • Ventrikuläre Tachykardie.

Abb. 18.15 • Kammerflattern.

290

Abb. 18.16 • Kammerflimmern.

Abb. 18.17 • Torsades de pointes (Spitzenumkehrtachykardien).

• Elektrische Therapie: Kardioversion (S. 149) im Schock, Defibrillation (S. 145) bei Kreislaufstillstand. ▶ Sonderformen: • Pulslose Kammertachykardie: Kammertachykardie ohne tastbaren Puls, Kreislaufstillstand; meist innerhalb weniger Minuten Degeneration in Kammerflimmern. • Kammerflattern (s. Abb. 18.15): – Frequenz um 250 /min. – Haarnadelähnliche, breite Kammerkomplexe ohne dazwischen erkennbare isoelektrische Linie. – Meist kein Puls tastbar (Sonderform der pulslosen Kammertachykardie). – Meist innerhalb weniger Minuten Degeneration in Kammerflimmern. • Kammerflimmern (s. Abb. 18.16): Ungeordnete Herzaktionen mit einer Frequenz > 300 /min, Kreislaufstillstand. • Torsades de pointes (Spitzenumkehrtachykardien, s. Abb. 18.17): – Paroxysmale, unkoordinierte Tachykardie mit polymorphen Kammerkomplexen unterschiedlicher Amplitude. – Kammerkomplexe tanzen scheinbar um die isoelektrische Linie. – Übergang in Sinusrhythmus oder Degeneration zu Kammerflimmern. – Ursache: Angeborenes oder erworbenes QT-Syndrom (verlängerte QT-Zeit). – Häufige Auslöser: Antiarrhythmika (vor allem Klasse I und III) oder Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Hypomagnesiämie). – Besonderheiten bei der Therapie: Übliche Antiarrhythmika sind meist wirkungslos und können die Situation verschlimmern. Vorgehen: Magnesiumsulfat 1–2 g über 1–2 min; dann 1–2 g kontinuierlich über 1 h. Wenn ohne Erfolg, Kardioversion (S. 149) erwägen.

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.8 Bradykarde Herzrhythmusstörungen

18.8 Bradykarde Herzrhythmusstörungen Häufigste Ursachen ▶ Vagale Stimulation (s. hypotensive Krise und vasovagale Synkope, S. 233). ▶ Koronare Herzerkrankung. ▶ „Sportlerherz“: Meist Sinusbradykardie, gelegentlich AV-Rhythmus; Ruhefrequenzen < 50 /min möglich; Therapie nicht erforderlich. ▶ Weitere Ursachen: S. 280.

Pathophysiologie, mögliche Folgen und resultierende Symptomatik ▶ Pathophysiologie: Störungen der autonomen Erregungsbildung, Störungen der Erregungsleitung, parasympathische Übererregbarkeit. ▶ Mögliche Folgen: Vermindertes Herzzeitvolumen, Hypotension, zerebrale Minderperfusion, kardiogener Schock. ▶ Symptomatik: Bewusstseinstrübung, Schocksymptome (S. 254). 291

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.8 Bradykarde Herzrhythmusstörungen

Allgemeines Vorgehen

Abb. 18.18 • Maßnahmen bei lebensbedrohlichen Bradykardien; Ablauf, Präparateauswahl und Dosierungen nach den Empfehlungen des European Resuscitation Council (ERC, 2005); Anwendung von Alternativpräparaten mit gleichem oder ähnlichem Wirkmechanismus ist möglich; geringfügige Abweichungen von anderen Empfehlungen in den Dosierungsangaben sind ebenfalls möglich; Dosierungsangaben gelten für einen Erwachsenen durchschnittlichen Gewichts.

292

18.9 Bradykarde Rhythmusstörungen: Spezielle

Formen

Sinusbradykardie ▶ Ursachen: Erhöhter Vagotonus, „Sportlerherz“ (S. 291), Syndrom des kranken Sinusknotens, sinuaurikulärer Block, Überdosierung von β-Blockern, Opiaten. ▶ EKG: P-Wellen vor jedem QRS-Komplex (s. Abb. 18.19). ▶ Therapie: Atropin 0,5–3 mg i. v.; wenn ohne Erfolg Adrenalin 10–100 µg als Bolus, dann 2–10 µg/min; wenn ohne Erfolg oder alternativ externe Schrittmacherstimulation mit einer Frequenz von 70–100 /min; CPR bei Asystolie oder unzureichendem kardialen Auswurf. ▶ Merke: Orciprenalin wird zur Therapie bradykarder Rhythmusstörungen von AHA ■ und ERC nicht mehr empfohlen.

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.9 Bradykarde Rhythmusstörungen: Spezielle Formen

Langsamer Knotenrhythmus ▶ Ursachen: Ausfall des Sinusknotens und Übernahme der Schrittmacherfunktion des Herzens durch den AV-Knoten; Reizursprung in der Nähe des AV-Knotens. ▶ EKG (s. Abb. 18.20): Keine P-Wellen oder negative P-Wellen vor QRS-Komplex. ▶ Therapie: Wie Sinusbradykardie S. 293.

Atrioventrikulärer Block ▶ Ursache: Verzögerung oder Aufhebung der Erregungsleitung zwischen Vorhöfen und Kammern. ▶ Folge: Unter Umständen bedrohliche Abnahme der Kammerfrequenz. ▶ AV-Block I (s. Abb. 18.21a): Verzögerte Überleitung aller Vorhofaktionen; im EKG PQ-Zeit > 0,2 s, keine akute Gefährdung! ▶ AV-Block II° Typ Mobitz I (oder Wenckebach-Typ) (s. Abb. 18.21b): Fehlende Überleitung einiger Vorhofaktionen; inkonstante Überleitungszeit, die sich verlängert, bis schließlich 1 Vorhofaktion nicht mehr übergeleitet wird (in der Regel nach 3–5 Aktionen); periodische Wiederholung des Vorgangs (sog. Wenckebach-Periodik); meist keine akute Gefährdung! ▶ AV-Block II° Typ Mobitz II (s. Abb. 18.21c): Fehlende Überleitung einiger Vorhofaktionen; Überleitung nur nach jeder z. B. 2. oder 3. Vorhofaktion (2 : 1- oder 3 : 1-Block); akute Gefährdung! ▶ AV-Block III° (s. Abb. 18.21d): Keine Überleitung zwischen Vorhof und Kammer; Übernahme der Schrittmacherfunktion durch ein Ersatzzentrum in der Kammer; EKG: Unabhängige Depolarisation von Vorhof und Kammer (AV-Dissoziation), meist langsame Kammerfrequenz < 40 /min; bei Ausbleiben eines ventrikulären Ersatzzentrums ventrikuläre Asystolie bei (zunächst) weiter nachweisbarem Vorhofrhythmus → Kreislaufstillstand und Bewusstlosigkeit (Adams-Stokes-Anfall); immer akute Gefährdung! ▶ Therapie: Siehe Sinusbradykardie S. 293. ▶ Hinweis: AV-Blockierungen treten auch bei Vorhofflattern-/flimmern auf; regelmä■ ßige Kammerfrequenzen bei Vorhofflimmern sprechen für einen totalen AV-Block.

Abb. 18.19 • Sinusbradykardie.

Abb. 18.20 • Langsamer Knotenrhythmus.

293

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.10 Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit implantierten Schrittmachern

a

b

c

d

Abb. 18.21 • Atrioventrikulärer Block: AV-Block I° (a); AV-Block II° Typ Mobitz I (Wenckebach-Typ) (b); AV-Block II° Typ Mobitz II° (c); AV-Block III° (d).

18.10 Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit

implantierten Schrittmachern

Grundlagen ▶ Schrittmachertyp: Für den Notarzt nützlich, für die präklinische Therapie nicht unbedingt erforderlich; im Schrittmacherpass des Patienten angegeben; wichtig sind v. a. die ersten 3 Buchstaben des Codes; evtl. vorhandene 4. und 5. Buchstaben kodieren programmierbare Funktionen und besondere Tachyarrhythmiefunktionen. • 1. Buchstabe kodiert den Ort der Stimulation: A = Atrium (Vorhof), V = Ventrikel, D = beides (Double). • 2. Buchstabe kodiert den Ort der Impulswahrnehmung (des Sensings): A = Atrium (Vorhof), V = Ventrikel, D = beides (Double), 0 = nicht vorhanden (kein Sensing). • 3. Buchstabe kodiert die Steuerung der Stimulation: T = getriggert (Sensing stimuliert Impulsabgabe des Schrittmachers), I = inhibiert (Sensing hemmt Impulsabgabe des Schrittmachers), D = Vorhof-getriggert und Ventrikel-inhibiert, 0 = nicht vorhanden (keine Steuerung durch Sensing). • Gängige Schrittmachertypen: z. B. DDD und VVI. ▶ Schrittmacherposition: • Gehäuse mit Batterie: Meist infraklavikulär im Bereich des M. pectoralis major tastbar. • Lage des Schrittmacherkabels und der Elektroden: Via V. subclavia im rechten Ventrikel, bei sequenziellen Schrittmachern auch im Vorhof. ▶ Schrittmacher-EKG: Schmale, hohe Zacken (Schrittmacher-Spikes), gefolgt von einer elektrischen Herzaktion (s. Abb. 18.22). ▶ Funktionsstörungen des Schrittmachers: • Ursachen (Auswahl): Defekte der Batterie (Batterieerschöpfung); Exit-Block = ineffektive Stimulation, keine myokardiale Reizantwort; Entrance-Block: „Sensing“Defekt, keine Detektion von P-Welle bzw. QRS-Komplex. • Mögliche Folgen: Schwere Bradykardie bis zum Herzstillstand, gelegentlich durch den Schrittmacher aufrechterhaltene Tachykardie. 294

Abb. 18.22 • Intakte Schrittmacherstimulation (VVI).

Therapie bedrohlicher Herzrhythmusstörungen bei Schrittmacherpatienten

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.11 Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit implantiertem Cardioverter-Defibrillator

▶ Bradykardie (Ursache: Störung und Ausfall der Schrittmacherfunktion): • Medikamentös: s. Sinusbradykardie S. 293; allerdings oft wenig wirksam. • Stimulation mit externem Schrittmacher (S. 151). • Ggf. CPR. • In der Klinik: Definitive Therapie durch Behebung des Problems oder Neuimplantation eines Schrittmachers. ▶ Tachykardie: • Schrittmacherunabhängige Tachykardie (im EKG erkennbar an fehlenden Schrittmacherzacken vor den QRS-Komplexen): Ursache und Therapie s. tachykarde Rhythmusstörungen (S. 284). • Schrittmacherabhängige Tachykardie (im EKG erkennbar an Schrittmacherzacken vor den QRS-Komplexen). – Ursache: z. B. Re-entry-Tachykardien. – Therapie: Wenn möglich, Aufsetzen eines Magneten auf das Schrittmachergehäuse; dadurch Induktion einer starren, normfrequenten Stimulation. ▶ Reanimation eines Schrittmacherpatienten mit Kammerflimmern: Standard-CPR, aber bei Defibrillation Position der Defibrillator-Elektroden möglichst weit, mindestens 10 cm vom Schrittmacheraggregat entfernt anlegen.

18.11 Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit

implantiertem Cardioverter-Defibrillator (ICD)

Grundlagen ▶ Grundleiden: Lebensbedrohliche ventrikuläre Tachykardien; überlebter Kreislaufstillstand durch Kammerflimmern. ▶ Funktionsprinzip: Erkennen lebensbedrohlicher tachykarder Rhythmusstörungen und Therapie durch automatische Defibrillation oder Überstimulation; Erkennen lebensbedrohlicher bradykarder Rhythmusstörungen und Therapie durch Schrittmacherstimulation. ▶ Position des ICD: • ICD-Gehäuse: Ältere Geräte im Unterbauchbereich (Muskeltasche des M. rectus abdominis), neuere Geräte subkutan in der Infraklavikulärregion. • ICD-Kabel: Heute meist transvenöse Lage im rechten Ventrikel. ▶ Störungen des ICD: Störungen der Antibradykardiefunktion (s. Patienten mit künstlichen Schrittmachern, S. 294); Störungen der Antitachykardiefunktion, z. B. wiederholte ineffektive ICD-Entladungen; vollständiger ICD-Ausfall durch Dislokationen oder Defekte.

Therapie einer ICD-Fehlfunktion ▶ ICD-Ausfall und Bradykardie/Asystolie: s. Patienten mit künstlichen Schrittmachern (S. 294). 295

Kardiovaskuläre Notfälle

18

18.12 Aortenruptur

▶ ICD-Fehlfunktion durch inadäquat häufige Defibrillationen: Möglichkeit der Auflage eines Magneten; dadurch lassen sich die meisten ICDs inhibieren ohne die antibradykarde Funktion zu beeinträchtigen. Wichtig Wenn Patienten über häufige Defibrillationen in kurzer Zeit klagen, erst unter EKG-Kontrolle verifizieren, dass es sich um eine Fehlfunktion handelt, bevor man den ICD mittels Magnetauflage inhibiert!

Behandlung eines ICD-Patienten mit Kammerflimmern ▶ Entladung des ICD: Berührungen des Patienten während einer ICD-Defibrillation sind harmlos. ▶ Externe Defibrillation: Wenn erforderlich, stets mit maximaler Energie (360–400 J) defibrillieren. Defibrillator-Elektroden 10–30 cm vom ICD-Implantat entfernt aufsetzen.

18.12 Aortenruptur Ursachen ▶ Aortenaneurysma: Pathologische Wandaussackung der Aorta, meist der Aorta abdominalis (95 %). • Ursachen: Arteriosklerose, chronische Hypertonie, angeborene Bindegewebserkrankungen, z. B. Marfan-Syndrom (selten). • Auslöser der Ruptur: Anstrengung, Pressen, Blutdruckanstieg. ▶ Trauma: • Ruptur oder Dissektion der (thorakalen) Aorta bei Dezelerationstrauma, z. B. Sturz aus großer Höhe. • Direkte Aortenverletzung, z. B. durch penetrierende Waffen.

Formen und Lokalisation ▶ Formen: • Freie Ruptur: Ungehemmter Blutaustritt in den Thorax, die freie Bauchhöhle, oder nach außen; praktisch immer tödlich innerhalb weniger Minuten. • Gedeckte Ruptur: Tamponade der Blutung durch Weichteile und Muskeln (bei Ruptur in das Retroperitoneum). • Aortendissektion: Ruptur der Intima und Bluteintritt in ein „falsches Lumen“ zwischen Intima und Adventitia: – Beginn der Dissektion meist thorakal in der Aorta ascendens (Typ A) oder distal des Abgangs der A. subclavia sinistra (Typ B). – Sekundäre Ruptur der Adventitia möglich. ▶ Lokalisation: • Thorakale Aortenruptur: Meist nach Trauma, jedoch auch spontan. • Abdominale Aortenruptur: Meist spontane Ruptur eines Bauchaortenaneurysmas.

Folgen ▶ Ischämie distal der Ruptur, d. h. Ischämie der unteren Körperhälfte, ggf. Ischämie des Rückenmarks, der Nieren und des Darms. ▶ Hämorrhagischer Schock.

Symptomatik ▶ Thorakale Aortenruptur: • Akuter Thoraxschmerz (Differenzialdiagnose: Myokardinfarkt!). 296

Diagnostik ▶ Präklinisch: • Anamnese: Aortenaneurysma bekannt? Hinweis auf Trauma? • Schmerzsymptome und klinischer Befund. • Palpation des Abdomens (Tasten des pulsierenden Aneurysmas) und der Leistenpulse. ▶ Erstdiagnostik in der Klinik: Ultraschall des Abdomens, Echokardiografie, Computertomografie des Thorax bzw. Abdomens.

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.14 Herzbeuteltamponade (s. traumatologische Notfälle S. 410)

• Symptome des hämorrhagischen Schocks. • Kalte Extremitäten. • Leistenpulse, ev. Armpulse nicht oder schlecht tastbar. ▶ Abdominelle Aortenruptur: • Rücken- oder Flankenschmerzen. • Symptome des hämorrhagischen Schocks. • Kalte Extremitäten. • Leistenpulse nicht oder schlecht tastbar.

Therapie ▶ O2-Gabe 4–8 l/min, im schweren Schock Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung im mäßig hypotensiven Bereich (Ziel: RRsyst 80–110 mmHg): Cave Blutungsverstärkung! • Hypertension: Antihypertensive Therapie, z. B. mit Nitroglycerin 0,8–1,2 mg s. l. ( = 2–3 Hübe). • Hypotension, hämorrhagischer Schock: – Infusionstherapie: Kristalloide oder Kolloide, z. B. Ringer-Lösung oder HAES 500–1 500 ml i. v. (Effizienz bei freier Ruptur ungesichert!). – Ggf. Katecholamintherapie: z. B. Dopamin 2–20 µg/kgKG/min. ▶ Analgesie: z. B. Morphin 3–10 mg i. v. ▶ Ggf. Sedierung: z. B. Midazolam 2–5 mg i. v., Diazepam 2–10 mg i. v. ▶ Ggf. im schweren Schock Kompressionsversuch der Aorta abdominalis mit der Faust (s. Abb. 376, S. 376 und Abb. 423a, S. 423) oder Antischockhose (MAST), wenn vorhanden. ▶ Zügiger Transport in die nächste Klinik der Maximalversorgung! ▶ Weiterführende Therapie in der Klinik: Sofortige operative Aneurysmaausschaltung. ▶ Beachte: ■ • Blutdruckanstiege vermeiden! Gefahr der Blutungsverstärkung. • Insbesondere beim gedeckt rupturierten abdominellen Aortenaneurysma soweit Kreislauf tolerabel tiefe Sedierung und Intubation vermeiden wegen der Gefahr der Abnahme der Bauchspannung, die für eine Komprimierung der rupturierten Aorta sorgt. In der Klinik Narkoseeinleitung erst in Anwesenheit des Operateurs mit Möglichkeit der sofortigen Laparotomie und Abklemmung der Aorta. • Falls Intubation notwendig Muskelrelaxierung vermeiden! Gefahr der Blutungsverstärkung durch Aufhebung der muskulären Komponente der Blutungstamponade.

18.13 Herzkontusion

(s. traumatologische Notfälle S. 409)

18.14 Herzbeuteltamponade

(s. traumatologische Notfälle S. 410) 297

Kardiovaskuläre Notfälle

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18.15 Akuter peripherer Arterienverschluss

18.15 Akuter peripherer Arterienverschluss Lokalisation und Ursachen ▶ Lokalisation: • Becken- und Beinarterien: 80 % der Fälle. – Sonderform Leriche-Syndrom: Verschluss beider Iliakalarterien durch reitenden Thrombus auf der Bifurkation. • Achsel- und Armarterien: 20 % der Fälle. ▶ Ursachen: • Embolie: 70–80 % der Fälle, meist kardiogene Genese. • Thrombose: 20 % der Fälle, meist auf dem Boden einer Arteriosklerose (Arterielle Verschlusskrankheit, AVK).

Symptomatik ▶ Merkhilfe: „6-P-Symptomatik“: ■ • • • • • •

Pain: Schmerzen in der betroffenen Extremität. Paleness: Blass-kalte Haut distal des Verschlusses. Pulslessness: Kein tastbarer Puls distal des Verschlusses. Paraesthesia: Gefühlsstörungen in der betroffenen Extremität. Paralysis: Bewegungsunfähigkeit der betroffenen Extremität. Prostration: Erschöpfung des Patienten, im Extremfall Entwicklung eines Schockzustandes, v. a. bei sehr proximalem Gefäßverschluss, z. B. Aortenbifurkation.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Inspektion und Palpation. Anamnese: AVK bekannt? Pulsoxymetrie: Ableitungsversuch an betroffener Extremität! Puls, Blutdruck, EKG.

Therapie ▶ Ziele: Symptomatische Schmerzlinderung, Verhinderung eines weiteren Thrombuswachstums, frühzeitige Wiederherstellung der Durchblutung. ▶ Blutdruckstabilisierung, ggf. Schockbekämpfung (S. 255). ▶ Hämorheologische Therapie zur Verbesserung der peripheren Mikrozirkulation: z. B. 500 ml HAES 200 000 6 % (Cave: Gefahr der Kreislaufüberlastung bei bestehender Herzinsuffizienz!). ▶ Analgesie: z. B. 5–10 mg Morphin i. v. ▶ Antikoagulation: Heparin 5 000–10 000 I.E. i. v. ▶ Lagerung: Tieflagerung der Beine. ▶ Weiterführende Therapie in der Klinik abhängig vom angiografischen Befund: Ggf. Lysetherapie, ggf. chirurgische Intervention.

18.16 Akuter venöser Gefäßverschluss Formen, Ursachen und prädisponierende Faktoren ▶ Formen: • Tiefe Beinvenenthrombose: Akuter Verschluss der Becken- und Beinvenen. • Phlegmasia coerulea dolens: Akuter Verschluss sämtlicher Beinvenen. • Paget-von Schroetter-Syndrom: Verschluss der Achselvenen (selten). ▶ Ursachen: Thrombose aufgrund des Zusammentreffens mehrerer Faktoren der Virchow-Trias: Verletzung der Gefäßwand, Stase des Blutes, erhöhte Blutgerinnungsneigung. 298

Symptomatik ▶ Schmerzen, Spannungsgefühl. ▶ Stauung, Schwellung, Überwärmung und Rötung. ▶ Klassische Zeichen einer tiefen Beinvenenthrombose: • Homann-Zeichen: Wadenschmerz bei Dorsalflexion des Fußes. • Payr-Zeichen: Schmerzen in Fuß und Unterschenkel bei Druck auf die Fußsohle. • Pratt-Warnvenen: Venenerweiterung an der Tibiavorderkante.

18 Kardiovaskuläre Notfälle

18.16 Akuter venöser Gefäßverschluss

▶ Prädisponierende Faktoren: • Immobilisation: Bettlägerigkeit, langes Sitzen im Reisebus, Auto oder Flugzeug (sog. „travellers thrombosis“). • Trauma. • Hyperkoagulabile Blutgerinnungsstörung, Kontrazeptiva, Schwangerschaft.

Komplikationen ▶ Lungenembolie. ▶ Sekundäre Ischämie.

Diagnostik ▶ Anamnese: Trauma? Immobilisation? ▶ Inspektion und Palpation. ▶ Puls, Blutdruck, EKG, Pulsoxymetrie.

Therapie ▶ Ziele: Symptomatische Schmerzlinderung, Verhinderung eines weiteren Thrombuswachstums, ggf. Wiedereröffnung der Vene. ▶ Blutdruckstabilisierung, ggf. Schockbekämpfung (S. 255). ▶ Analgesie: z. B. 5–10 mg Morphin i. v. ▶ Antikoagulation: Heparin 5 000–10 000 I.E. i. v. ▶ Lagerung: Hochlagerung der Beine. ▶ Weiterführende Therapie in der Klinik abhängig vom phlebografischen Befund: Ggf. Lysetherapie, ggf. chirurgische Intervention. ▶ Beachte: Patienten mit Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose nicht mobilisieren! ■ Gefahr der Lungenembolie!

299

Pneumonologische Notfälle

19

19.1 Akute Obstruktion der oberen Atemwege S. 310

19

Pneumonologische Notfälle

19.1 Akute Obstruktion der oberen Atemwege S. 310 19.2 ALI s. nicht kardiogenes Lungenödem S. 308 19.3 ARDS s. nicht kardiogenes Lungenödem S. 308 19.4 Asthmaanfall Definitionen ▶ Asthma bronchiale: Chronisch entzündliche Erkrankung der unteren Atemwege mit Überempfindlichkeit auf eine Vielzahl von Stimuli, die eine Obstruktion der unteren Atemwege hervorrufen können (hyperreagibles Bronchialsystem). ▶ Asthmaanfall: Akute, u. U. lebensbedrohliche, jedoch prinzipiell reversible Obstruktion der unteren Atemwege. Risiken: • Oxygenierungsstörung • Hyperkapnisches Atemversagen. ▶ Status asthmaticus: Länger anhaltende, nicht zu durchbrechende oder in dichter Folge auftretende Asthmaanfälle (nicht genau definiert).

Auslöser eines Asthmaanfalls ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Allergische Reaktion. Infektionen der Atemwege. Medikamente (z. B. ASS und andere Zyklooxygenaseinhibitoren, β-Blocker). Anstrengung. Stress. Merke Die meisten tödlichen Asthmaanfälle ereignen sich nachts!

Symptomatik des Asthmaanfalls ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

300

Dyspnoe (zunächst Exspiration, später auch Inspiration beeinträchtigt). Giemen (zunächst exspiratorisch, dann auch inspiratorisch). Husten Reaktive Tachypnoe (bis zu > 40–50 /min). Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (sitzende bzw. abstützende Position). Tachykardie (reaktiv, kompensatorisch bei akuter Rechtsherzbelastung). Klinische Zeichen eines schweren Anfalls: • Tachypnoe : – > 40 /min bei Kindern von 2–5 Jahren. – > 30 bei Kindern > 5 Jahren. – > 25 /min bei Erwachsenen. • Sprechdyspnoe. • Herzfrequenz: – > 130 /min bei Kindern von 2–5 Jahren. – > 120 /min bei Kindern > 5 Jahre. – > 110 /min bei Erwachsenen.

Präklinische Diagnostik Klinisches Bild (Symptomatik, s. o.). Anamnese. Pulsoxymetrie: SaO2 im schweren Anfall erniedrigt. Auskultation der Lunge: • Exspiratorisches Giemen und Pfeifen. • Im schweren Anfall: Kein Atemgeräusch aufgrund schwerster Atemwegsobstruktion („Stumme Lunge“). ▶ Blutdruckmessung. ▶ EKG.

▶ ▶ ▶ ▶

19 Pneumonologische Notfälle

19.4 Asthmaanfall

▶ Zeichen des lebensbedrohlichen Anfalls: • Zyanose, SPO2 < 92 %. • Erschöpfung, frustrane Atembewegungen. • Bewusstseinsstörung, Konfusion. • Bradykardie. • Stumme Lunge („Silent lung“).

Differenzialdiagnose ▶ ▶ ▶ ▶

Obstruktion der oberen Atemwege z. B. durch Fremdkörperaspiration. Atemwegsobstruktion nach Reizgasinhalation (S. 487). Asthma cardiale bei akuter Herzinsuffizienz (S. 276). Dekompensation bei COPD (S. 302).

Präklinische Therapie des Asthmaanfalls ▶ Lagerung: Sitzend (besserer Einsatz der Atemhilfsmuskulatur). ▶ O2-Gabe 4–8 l über Sonde. Die Hypoxie im Asthmaanfall lässt sich meist relativ gut durch Sauerstoffzufuhr therapieren. ▶ Beachte: Sauerstoff ist bei Hypoxie immer indiziert. Der Patient steht im NAW un■ ter Überwachung, daher nicht aus Angst vor einer Apnoe Sauerstoffgabe unterlassen. ▶ Bronchodilatation: • β2-Mimetika: Effektivste Medikamente zur Bronchodilatation. – Fenoterol oder Salbutamol 2–4 Hübe p. i., ggf. wiederholt in Abständen von 5–10 min. – In schweren Fällen (wenn inhalative Zufuhr nicht möglich oder ausgereizt, was bei Patienten, die Rettung rufen, meist der Fall ist) systemische Zufuhr erwägen: z. B. Terbutalin 0,25–0,5 mg s. c. oder Reproterol 0,9 mg ( = 1 ml) langsam i. v. • Methylxanthine: – Bronchodilatatorische Wirkung deutlich geringer als bei β2-Mimetika. – Bei Kindern präklinisch nicht empfohlen. – Erstdosis: Theophyllin 5 mg/kgKG (200–400 mg) langsam i. v. – Erstdosis unter Theophyllin-Dauermedikation: 1–2 mg/kgKG (50–150 mg) langsam i. v. ▶ Antientzündliche Therapie mit Kortikosteroiden (bei schwerem Asthmaanfall oberer Dosisbereich) z. B.: • Dexamethason 0,5–2 mg/kgKG (40–100 mg) i. v. oder • Methylprednisolon 1–4 mg/kgKG i. v. (40–250 mg) i. v. oder • Triamcinolonacetonid: 80–200 mg i. v. ▶ Beachte: Sehr hohe Kortikosteroiddosen (bis zu 10 mg/kgKG) haben keine nach■ weisbar bessere Effektivität! Inhalationssteroide sind im Anfall wirkungslos! ▶ Adjuvante Infusionstherapie: Kristalloide zur Sekretverflüssigung, z. B. Ringer-Lösung 500–1 000 ml i. v. ▶ Intubation und Beatmung: Strenge Indikationsstellung, nur bei persistierender Hypoxie und schwerster Atemnot! 301

Pneumonologische Notfälle

19

19.5 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

• Narkoseeinleitung: Propofol, Etomidate oder Ketamin bevorzugen. • Beatmung mit ausreichend langer Exspirationszeit! – I/E: 1 : 2 oder 1 : 3. – Beatmungsfrequenz: 8–12 /min. – In schweren Fällen: Patienten intermittierend (z. B. alle 3–6 min) für 15–20 s vom Beatmungsgerät diskonnektieren, um eine vollständige Entleerung der Lunge zu ermöglichen. – Obere Druckbegrenzung: Ca. 40 mbar. Beachte bei der Beatmung im Asthmaanfall: ▶ Prinzipien: • Vermeidung von Hypoxie. • Keine Normoventilation auf Kosten hoher Atemwegsdrücke anstreben. • Hypoventilation tolerieren: Permissive Hyperkapnie. ▶ Gefahren: • Überblähung der Lunge (air-trapping). • Barotrauma der Lunge: Pneumothorax. • Obstruktiver Schock bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand durch intrathorakale Druckerhöhung.

Wichtige therapeutische Hinweise: ▶ Keine Sedierung des spontan atmenden Patienten! ▶ Keine Therapie der reaktiven Tachykardie mit β-Blockern! ▶ „Mukolytika“ (z. B. Ambroxol, N-Acetylcystein) sind im Asthmaanfall ohne nachgewiesenen Nutzen!

Weiterführende Diagnostik in der Klinik ▶ Blutgasanalyse: • PaO2 und pSaO2 erniedrigt. • PaCO2 zunächst erniedrigt (kompensatorische Hyperventilation); im schweren Anfall erhöht. • pH im schweren Anfall erniedrigt: kombinierte respiratorische und metabolische Azidose bei Erschöpfung der Atemmuskulatur. ▶ Lungenfunktionsmessung: Deutliche Verminderung des exspiratorischen Spitzenflows („Peak flow“, PEF) < 50 % des für den Patienten besten Wertes bzw. < 120 l/ min. ▶ Röntgen-Thorax: Pneumothorax?

19.5 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) Definition ▶ Chronische Lungenkrankheit mit progredienter, medikamentös nicht vollständig reversibler Atemwegsobstruktion auf dem Boden einer chronischen Bronchitis und/ oder eines Lungenemphysems.

Formen s. Tab. 19.1 Pathophysiologie ▶ Funktionsverlust durch partiell irreversible Veränderungen der Bronchialschleimhaut und des Lungenparenchyms. 302

Tab. 19.1 • Formen der COPD. Emphysem (häufig beim pink puffer-Typ)

Chronische Bronchitis (häufig beim blue bloater-Typ)

starke Dyspnoe, erheblich gesteigerte Atemanstrengung

keine Dyspnoe

keine Hyperkapnie

Hyperkapnie

kein Cor pulmonale

Cor pulmonale

keine ausgeprägte Hypoxie

Hypoxie, Zyanose

▶ Oxygenierungsstörung: Häufig chronische Hypoxämie durch: • Ventilations-Perfusions-Fehlverteilung. • Hyperkapnische Hypoxie. ▶ Auswirkungen auf den Kreislauf: • Chronische hypoxische pulmonale Vasokonstriktion. • Chronische Nachlasterhöhung für den rechten Ventrikel. • Chronisches Cor pulmonale. ▶ Erhöhte Atemarbeit zur Kompensation.

19 Pneumonologische Notfälle

19.5 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

Auslöser der Dekompensation ▶ ▶ ▶ ▶

Infektionen der Atemwege (häufigste Ursache). Linksherzdekompensation. Luftverunreinigung (Smog). Thoraxverletzungen (z. B. Rippenfrakturen).

Symptomatik der Dekompensation ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Atemnot, Dyspnoe. Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (sitzende bzw. abstützende Position). Tachypnoe. Tachykardie. Zyanose. Kaltschweißigkeit. Unfähigkeit zu sprechen (Sprechdyspnoe).

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Klinisches Bild (Symptomatik, s. o.). Anamnese. Pulsoxymetrie: pSaO2 erniedrigt. Auskultation der Lunge: Exspiratorisches Giemen. Blutdruckmessung. EKG.

Differenzialdiagnose ▶ ▶ ▶ ▶

Asthma bronchiale (S. 300). Obstruktion der oberen Atemwege. Asthma cardiale bei akuter Herzinsuffizienz (S. 276). Atemwegsobstruktion nach Reizgasinhalation (S. 487).

Präklinische Therapie ▶ Lagerung: Sitzend. ▶ O2-Gabe vorsichtig 1–8 l über Sonde. Die Hypoxie lässt sich meist relativ gut durch Sauerstoffzufuhr therapieren. 303

Pneumonologische Notfälle

19

19.5 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

▶ Beachte bei der O2-Gabe: Gefahr der Hypoventilation durch Reduktion des hypoxi■

schen Atemantriebs! Genaue Überwachung des Patienten, ggf. Intubation und Beatmung (S. 55)! Beachte jedoch auch: Auch beim Patienten mit COPD muss eine Hypoxie unter sorgfältiger Überwachung der Atmung durch Sauerstoffgabe therapiert werden, bis eine pSaO2 > 85–90 % erzielt wird. ▶ Bronchodilatation: • β2-Mimetika: Fenoterol oder Salbutamol 2 Hübe p. i., ggf. wiederholt, ggf. Reproterol 0,9 mg langsam i. v. • Anticholinergika z. B. Ipratropiumbromid p. i. • Methylxanthine (erst bei nicht ausreichendem Ansprechen von β2-Mimetika/Anticholinergika und systemischen Kortikosteroiden): – Erstdosis: Theophyllin 5 mg/kgKG (200–400 mg) langsam i.v; unter Theophyllin-Dauermedikation: 1–2 mg/kgKG (50–150 mg) langsam i. v. – Dann kontinuierlich 0,5–1 mg/kgKG/h i. v. ▶ Antientzündliche Therapie mit Kortikosteroiden, z. B. Methylprednisolon 0,5 mg/kgKG (40 mg) i. v.; allerdings gilt: Der Stellenwert der Kortikosteroide inhalativ wie systemisch ist zur Therapie der Dekompensation ungesichert. ▶ Bei Agitiertheit infolge schwerster Atemnot ggf. vorsichtige Gabe von Morphin fraktioniert 1–5 mg, Intubation vorbereiten. ▶ Intubation und Beatmung: • Indikation streng stellen! Durchführung nur bei persistierender Hypoxie und schwerster Atemnot. • Falls im Rettungswagen möglich nichtinvasive Beatmung einsetzen. • Indikation zur Intubation: – Atemstillstand. – Atempausen mit Bewusstseinsverlust. – Progrediente Bewusstseinstrübung. – Bradykardie ( < 50 /min). – Hämodynamische Instabilität mit RR syst. < 70 mmHg. – Fallende SpO2 unter Therapie und Sauerstoffgabe mit Somnolenz. – PaO2 < 40 mmHg trotz O2-Gabe und NIPPV (falls Messung möglich). • Durchführung analog zur Beatmung im Asthmaanfall S. 301. ▶ Wichtige therapeutische Hinweise: ■ • „Mukolytika“ (z. B. Ambroxol, N-Acetylcystein) sind ohne nachgewiesenen Nutzen! • Keine Verbesserung der Sekretmobilisation durch Volumenzufuhr (im Gegensatz zur Asthmatherapie)!

Weiterführende Diagnostik in der Klinik ▶ Blutgasanalyse: • PaO2 und pSaO2 unter Raumluft erniedrigt. • PaCO2 erhöht. • pH erniedrigt; da viele COPD-Patienten chronisch an erhöhte PaCO2-Werte adaptiert sind (metabolische Kompensation einer respiratorischen Azidose, daher normaler pH trotz Hyperkapnie:), ist ein pH-Abfall für die Dekompensation pathognomonischer als erhöhte PaCO2-Werte. ▶ Röntgen-Thorax. ▶ Labordiagnostik: Blutbild, CRP, PCT, ggf. ProBNP zur Abgrenzung einer Herzinsuffizienz. ▶ EKG.

304

19.6 Hochdrucklungenödem s. kardiogenes

Lungenödem S. 307

19.7 Kardiogenes Lungenödem S. 307 19.8 Lungenembolie Definition ▶ Embolischer Verschluss pulmonalarterieller Äste mit Durchblutungsstopp der entsprechenden Lungenareale.

19 Pneumonologische Notfälle

19.8 Lungenembolie

Ursachen ▶ Häufigste Ursache: Thromboembolie, meist infolge einer tiefen Bein- oder Beckenvenenthrombose. Prädispositionen: • Immobilisation. • Verletzungen der unteren Körperhälfte. • Angeborene oder medikamentös induzierte hyperkoagulabile Gerinnungsstörungen (Faktor-V-Leiden, AT III-Mangel, Kontrazeptiva). ▶ Seltenere Ursachen: • Luftembolie: Fehlerhafte Infusionstherapie oder homizide bzw. suizidale Ursachen. • Fettembolie: Besonders nach Frakturen großer Röhrenknochen. • Fruchtwasserembolie: Nach oder während Geburt; sehr selten! • Tumorembolie. • Fremdkörperembolie.

Symptomatik ▶ Hinweis: Eine hämodynamische und respiratorische Symptomentwicklung erfolgt, ■

wenn mehr als 30 % der Lunge nicht mehr durchblutet werden. ▶ Thorakale Schmerzen: Häufiges Symptom auch bei kleineren, nicht kreislaufwirksamen Lungenembolien. ▶ Dyspnoe, Tachypnoe. ▶ Zyanose. ▶ Hustenreiz. ▶ Oxygenierungsstörung. ▶ Hypokapnie durch reaktive Hyperventilation, in schweren Fällen Hyperkapnie. ▶ Systemische Hypotension, pulmonalarterielle Hypertension. ▶ ZVD-Anstieg bzw. gestaute Halsvenen. ▶ Gelegentlich Zeichen eines Lungenödems (Pathogenese nicht eindeutig geklärt).

Schweregrade ▶ Grad I: Leichtere, kurz anhaltende klinische Symptome ohne hämodynamische oder respiratorische Störung. ▶ Grad II: Mäßige, länger anhaltende Symptome ohne wesentliche hämodynamische oder respiratorische Beeinträchtigung. ▶ Grad III: Ausgeprägte, anhaltende Symptome mit deutlicher hämodynamischer und respiratorischer Beeinträchtigung. ▶ Grad IV: Obstruktiver Schock mit schweren Oxygenierungsstörungen oder HerzKreislauf-Stillstand. 305

Pneumonologische Notfälle

19

19.8 Lungenembolie

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Klinische Symptomatik (s. o.): Symptome nicht spezifisch für Lungenembolie! ▶ Anamnese: Hinweise auf Risikofaktoren. ▶ Untersuchungsbefund: Zeichen für tiefe Becken-/Beinvenenthrombose (S. 298)? ▶ Blutdruckmessung: Niedriger Blutdruck (ab Grad III). ▶ EKG: Evtl. Hinweise auf eine akute Rechtsherzbelastung, z. B. Sagittaltyp (SI QIII-Typ), ST-Hebungen über V1–3, III, aVF. ▶ Auskultationsbefund: Zunächst meist unauffällig. ▶ Pulsoxymetrie: pSaO2 < 90 % unter Raumluftatmung (ab Grad III). ▶ Beachte: Die Diagnose einer Lungenembolie muss erwogen werden bei allen ansons■ ten nicht erklärbaren Zuständen von akuter Dyspnoe, Hypoxie, Hypotension oder thorakalen Schmerzen!

Differenzialdiagnose ▶ Wichtigste DD: Myokardinfarkt (S. 270)! ▶ Akute Linksherzinsuffizienz (S. 275). ▶ Herzbeuteltamponade (S. 410). ▶ Rupturiertes thorakales Aortenaneurysma (S. 296).

Therapie ▶ O2-Gabe 4–8 l/min, in schweren Fällen Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung mit Katecholaminen, z. B. Dopamin-Perfusor 3–30 μg/kgKG/ min, Arterenolperfusor 0,05–1 μg/kgKG/min. ▶ Antikoagulation: Heparin 5 000 I.E. i. v., dann 1 000–2 000 I.E./h i. v. ▶ Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg vorsichtig i. v. ▶ Bei Kreislaufstillstand: CPR. Evtl. kann ein größerer Thrombus durch Herzdruckmassage mechanisch zertrümmert werden. ▶ Lysetherapie: Bei Grad III–IV Versuch einer Thrombusauflösung durch prähospitale Lyse, z. B. • Streptokinase 0,25–1 Million I.E. über 30 min i. v. gefolgt von 100 000 I.E./h über 12–24 h. • Urokinase 4 400 I.E./kgKG über 10 min, gefolgt von 4 400 I.E./kgKG über 12–24 h. • rt-PA 50 mg als Bolus i. v. oder 100 mg über 2h. Praxistipp Eine Lungenembolie ist präklinisch nicht zu sichern, daher Lyse nur bei hochgradigem Verdacht und ansonsten nicht stabilisierbarem Patienten. ▶ Zügiger Transport, in schweren Fällen am besten in eine Klinik mit herzchirurgischer Abteilung. ▶ Oberkörperhochlagerung bzw. Antitrendelenburglagerung.

Weiterführende Maßnahmen in der Klinik ▶ Diagnostik: • Röntgen-Thorax. • Zentraler Venenkatheter: ZVD erhöht. • Pulmonaliskatheter: PAP erhöht, PCWP normal oder erniedrigt, HZV erniedrigt. • Blutgasanalyse: PaO2 erniedrigt, PaCO2 zunächst erniedrigt oder normal, in schweren Fällen erhöht. • Echokardiographie: Dilatation des rechten Ventrikels. • Perfusionsszintigraphie: Falsch positive Ergebnisse möglich. • Pulmonalisangiographie: Goldstandard zur Diagnosesicherung. • Angio-CT: Heute meist durchgeführt, da einfacher und schneller verfügbar. 306

19.9 Lungenödem, kardiogenes;

Hochdrucklungenödem Definition ▶ Pathologische Zunahme des extravaskulären Lungenwassers durch erhöhten pulmonalen Kapillardruck.

Ursachen

19 Pneumonologische Notfälle

19.9 Lungenödem, kardiogenes; Hochdrucklungenödem

▶ Therapie: Ggf. Embolektomie unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine, ausnahmsweise auch durch Embolektomie nach Trendelenburg ohne Herz-Lungen-Maschine (hohe Letalität!).

▶ Herzversagen (S. 275) bzw. kardiogener Schock (S. 258): Linksherzinsuffizienz durch Pumpversagen oder Rhythmusstörungen. ▶ Seltener: Überwässerung (Hyperhydratation, S. 320).

Symptomatik ▶ Tachypnoe, Dyspnoe, Orthopnoe: Typischerweise Besserung der Atemnot im Sitzen (Entlastung des Herzens durch Verminderung des venösen Rückstroms). ▶ Zyanose. ▶ Herzrasen. ▶ Asthma cardiale. ▶ Gelegentlich blutig-schaumiger Auswurf. ▶ Gestaute Halsvenen.

Präklinische Diagnostik ▶ Klinische Symptomatik (s. o.). ▶ Anamnese: Hinweise auf eine chronische Herzinsuffizienz (vorbestehende Belastungsdyspnoe, Beinödeme). ▶ Blutdruckmessung: Blutdruck hoch (RRsyst > 200 mmHg; reflektorische Vasokonstriktion), normal oder niedrig (RRsyst < 90 mmHg; kardiogener Schock). ▶ EKG: Meist Tachykardie. ▶ Auskultation: Grob- oder feinblasige Rasselgeräusche über der Lunge. ▶ Pulsoxymetrie: pSaO2 unter Raumluftatmung erniedrigt ( < 90 %). ▶ Weitere Zeichen des Herzversagens (S. 275) bzw. kardiogenen Schocks (S. 258).

Differenzialdiagnose ▶ Lungenödem anderer Genese (nicht-kardiales Lungenödem). ▶ Asthma bronchiale. ▶ Dekompensation bei COPD.

Therapie ▶ Respiratorische Therapie: • O2 4–8 l per Sonde. ▶ Intubation und Beatmung: Indiziert bei trotz Sauerstoffzufuhr erniedrigter pSaO2 < 85–90 %, am besten mit niedrigem PEEP (bis 5 cm H2O). • Bronchodilatation: Bei ausgeprägtem exspiratorischen Stridor β2-Mimetika, z. B. Fenoterol 2 Hübe p. i. und/oder Methylxanthine, z. B. Theophyllin 200–400 mg i. v. ▶ Kardiozirkulatorische Therapie: • Bei hohem oder normalem Blutdruck: – Lagerung: Sitzend, am besten mit herabhängenden Beinen (Minderung des venösen Rückstroms). 307

Pneumonologische Notfälle

19

19.10 Lungenödem, nicht-kardiogenes; ALI und ARDS

– Vorlastsenkung: Nitroglycerin 2 Hübe s. l., evtl. wiederholt alle 5–10 min oder 0,3–3 μg/kgKG/min i. v. – Diuresesteigerung: Furosemid 10–80 mg i. v. (Höhe der „Standardinitialdosierung“ umstritten). – Inotropiesteigerung: Evtl. Katecholamine, z. B. Dobutamin 3–10 μg/kgKG/min i. v. oder Dopamin. – Antiarrhythmika, wenn erforderlich. – Ggf. Sedierung, z. B. Midazolam, Diazepam 5 mg i. v. oder Morphin 2–5 mg i. v. • Bei niedrigem Blutdruck und im kardiogenen Schock (S. 258): – Lagerung: Flachlagerung. – Inotropiesteigerung: Dopamin 2–20 μg/kgKG/min i. v. oder Dobutamin. – Antiarrhythmika, wenn erforderlich. – Diuretika- und Vasodilatatortherapie (s. o.): Erst nach Blutdruckstabilisierung.

Weiterführende Diagnostik in der Klinik ▶ Röntgen-Thorax: Typischerweise perihiläre, symmetrische, schmetterlingsförmige Stauungszeichen. ▶ Zentraler Venenkatheter: ZVD erhöht. ▶ Pulmonaliskatheter: PCWP erhöht, HZV meist erniedrigt. ▶ Blutgasanalyse: PaO2 erniedrigt, PaCO2 zunächst erniedrigt oder normal, später erhöht. ▶ Echokardiografie: Myokardiale Kontraktilitätsstörungen, erhöhtes enddiastolisches Volumen.

19.10 Lungenödem, nicht-kardiogenes; ALI und ARDS Definition und Einteilung ▶ Nicht-kardiogenes Lungenödem: Pathologische Zunahme des extravaskulären Lungenwassers ohne erhöhten pulmonalen Kapillardruck (PCWP < 18 mmHg). Weitere Unterteilung nach Schweregrad: • Acute lung injury (ALI): Deutliche Oxygenierungsstörungen (PaO2 /FiO2 < 300 mmHg). • Acute respiratory distress syndrome (ARDS): Schwere Oxygenierungsstörungen (PaO2/FiO2 < 200 mmHg).

Ursachen Tab. 19.2 • Ursachen und Pathomechanismen eines nicht kardiogenen Lungenödems. Ursachen

Pathomechanismus

direkter Lungenschaden über die Luftwege • Inhalation toxischer Substanzen (Reizgase; S. 487) Detailinformationen zum Krankheitsbild des Inhalationstraumas S. 487 • Pneumonie • Aspiration von Mageninhalt • Beinahe-Ertrinken (S. 432)

308

Störung der Kapillarpermeabilität durch exogene Toxine (z. B. Reizgase), dadurch Übertritt intravasaler Flüssigkeit und Proteine in pathologischem Ausmaß ins Interstitium und den Alveolarraum

Ursachen

Pathomechanismus

traumatischer Lungenschaden • Lungenkontusion, Thoraxtrauma S. 407

Störung der Kapillarpermeabilität infolge direkten Lungenparenchymschadens.

indirekter Lungenschaden über die Blutbahn • Schock jeglicher Genese • Pneumonie • Sepsis

Störung der Kapillarpermeabilität durch endogene Noxen (z. B. Proteasen, Sauerstoffradikale), dadurch Übertritt intravasaler Flüssigkeit und Proteine in pathologischem Ausmaß ins Interstitium und den Alveolarraum

19 Pneumonologische Notfälle

19.10 Lungenödem, nicht-kardiogenes; ALI und ARDS Tab. 19.2 • Fortsetzung

• Polytrauma • Verbrennungen • Pankreatitis • Schädel-Hirn-Trauma, Hirnödem (neurogenes Lungenödem) • Fettembolie • Medikamente (Heroin, β2-Mimetika) Lungenschaden durch veränderte intrathorakale Druckverhältnisse • Postobstruktionslungenödem (NPPE = Negative pressure pulmonary edema)

entsteht durch negativen intrathorakalen Druck, z. B. durch kräftige Inspiration bei Atemwegsverlegung (z. B. postoperativ)

• Dekompressionstrauma Beachte: • Im Rettungsdienst: Überwiegen des direkten Lungenschadens. • In der Klinik (Intensivstation):Überwiegen des indirekten Lungenschadens, der sich meist verzögert ausbildet ( > 12 h Latenzzeit).

Symptomatik ▶ Tachypnoe, Dyspnoe, Zyanose; Besonders bei Inhalationstrauma gelegentlich Asthma-bronchiale-ähnliches Bild durch Bronchospasmus. Differenzierte Symptomatik je nach Reizgas S. 487. ▶ Herzrasen.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Klinische Symptome (s. o.). Akutanamnese: z. B. Thoraxtrauma, Inhalationstrauma. Blutdruck: Unspezifische Veränderungen. EKG: Tachykardie. Auskultation: Rasselgeräusche (grob- oder feinblasig) über der Lunge. Pulsoxymetrie: pSaO2 unter Raumluftatmung erniedrigt ( < 90 %).

Weiterführende Diagnostik in der Klinik ▶ Röntgen-Thorax: Typischerweise diffuse, „schneegestöberähnliche“ Transparenzminderungen. ▶ Zentraler Venenkatheter: ZVD erniedrigt. 309

Pneumonologische Notfälle

19

19.11 Nicht kardiogenes Lungenödem S. 308

▶ Pulmonaliskatheter: PCWP erniedrigt, HZV oft erhöht. ▶ Blutgasanalyse: PaO2 erniedrigt, PaCO2 zunächst erniedrigt oder normal, später erhöht.

Differenzialdiagnose ▶ Kardiogenes Lungenödem (S.307).

Therapie ▶ O2-Gabe 4–8 l/min. ▶ Intubation und Beatmung, am besten mit PEEP 5–10 mbar (Keine prophylaktische PEEP-Beatmung!): z. B. Patient mit schwerer Oxygenierungsstörung, die durch Sauerstoffgabe nicht besserbar ist, kreislaufinstabiler Patient, vigilanzgestörter Patient, insbesondere bei fehlenden Schutzreflexen (GCS < 8). ▶ Bei Inhalationstrauma zusätzlich: • Bronchodilatatoren bei ausgeprägtem Bronchospasmus, z. B. Fenoterol 2 Hübe p. i., evtl. wiederholen. ▶ Weiteres Vorgehen: Siehe entsprechende Kapitel der zugrunde liegenden Störung (Inhalationstrauma S. 487, Thoraxtrauma S 407)

19.11 Nicht kardiogenes Lungenödem S. 308 19.12 Obstruktion der oberen Atemwege, akute Ursachen ▶ Zurückfallende Zunge beim komatösen Patienten. ▶ Verlegung der oberen Atemwege durch Fremdkörper, z. B. große Speiseteile; gehäuftes Vorkommen bei Kindern und mental retardierten Patienten. ▶ Epiglottitis. ▶ Krupp-Syndrom. ▶ Schwellungen im Larynx/Glottisbereich.

Folgen ▶ Zunächst vor allem Behinderung der Inspiration. ▶ In schweren Fällen Entwicklung von Hyperkapnie und Hypoxie. ▶ Ersticken.

Symptomatik ▶ Dyspnoe. ▶ Inspiratorischer Stridor. ▶ Thorakoabdominale paradoxe Atmung (Schaukelatmung, S. 241).

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Anamnese (situationsbezogen und ggf. Fremdanamnese v. a. bei Kindern und mental retardierten: Möglichkeit des Verschluckens kleiner Gegenstände?) ▶ Inspektion von Mund, Nase und Rachen. ▶ Auskultation der Lunge. ▶ Blutdruck- und Pulsmessung. ▶ Pulsoxymetrie.

Therapie ▶ Freimachen und Freihalten der Atemwege (S. 43). ▶ Ggf. Fremdkörperentfernung: 310

19 Pneumonologische Notfälle

19.13 Reizgasinhalation s. S. 487

• Unter Sicht mit Fingern oder Magill-Zange. • Bei Erwachsenen durch Schläge auf den Rücken, Oberbauchkompression bzw. (wenn bewusstlos) Thoraxkompression (S. 45, Abb. 46). • Bei Kindern durch Rückenklopfen, Thoraxkompressionen und abdominale Kompressionen (S. 133, Abb. 134). • Bei Säuglingen Schläge auf den Rücken und Thoraxkompression. ▶ Ggf. Kortikosteroide zur Abschwellung des Larynx- bzw. Glottisödems (z. B. KruppSyndrom), z. B.: • Dexamethason 0,5–2 mg/kgKG (40–100 mg) i. v. oder • Methylprednisolon: 1–4 mg/kgKG i. v. (40–250 mg) i. v. oder • Triamcinolonacetonid: 80–200 mg i. v. ▶ Ggf. Überbrücken der Stenose durch Einführen eines Endotrachealtubus über die Obstruktion hinaus. ▶ O2-Gabe 4–8 l/min über Sonde oder Maske, ggf. Beatmung.

19.13 Reizgasinhalation s. S. 487

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Notfälle der Niere

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20.1 Nierenversagen, akutes

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Notfälle der Niere

20.1 Nierenversagen, akutes Definition ▶ Innerhalb von Stunden oder Tagen eintretende, prinzipiell reversible Verschlechterung der Nierenfunktion mit Retention harnpflichtiger Substanzen und Störungen des Elektrolythaushaltes.

Ursachen ▶ Prärenal: z. B. Schockniere bei Minderperfusion. ▶ Renal: z. B. durch toxische Medikamentenwirkung, hämolytisch-urämisches Syndrom. ▶ Postrenal: Durch Abflussbehinderung und Rückstau des Urins.

Symptomatik ▶ Symptomatik der Grunderkrankung. ▶ Veränderungen der Ausscheidung: Polyurie, Oligurie, Anurie. ▶ Hypervolämie, bei Sepsis/ Schock auch Hypovolämie. ▶ Inappetenz, Nausea, Erbrechen. ▶ Bewusstseinstrübung. ▶ Kußmaul-Atmung bei metabolischer Azidose. ▶ Hyperkaliämiezeichen: • Klinisch: Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen, Hypotonie. • EKG: Hohe, spitze T-Wellen, PQ-Zeit verlängert, QRS-Verbreiterung, Bradykardie.

Diagnostik ▶ Präklinisch: Symptomkonstellation, Anamnese.

▶ Beachte: Ein akutes Nierenversagen ist präklinisch oft schwer zu erkennen! ■

▶ Klinisch: Laborchemisch Anstieg von Kreatinin/ Harnstoff im Serum, Hyperkaliämie und metabolische Azidose.

Therapie ▶ Präklinisch: • Bei Volumenmangelschock Volumengabe. • Bei Überwässerung mit kardialer Dekompensation/Lungenödem sitzende Lagerung, Sauerstoffgabe, Nitro 1–2 Hub s. l., ggf. Morphin 5–10 mg titrieren (zur Vorlastsenkung und Minderung der Atemnot), Furosemid 20–80 mg (falls noch Diurese vorhanden), ggf. Intubation. ▶ Beachte: Klinik mit Hämofiltrations-/ Dialysemöglichkeit anfahren. ■ • Bei klinischen oder elektrokardiografischen Hinweisen auf relevante Hyperkaliämie 40–80 mmol Bikarbonat langsam über 15 min i. v., Ca2 + -Gabe (5–20 ml Kalziumchlorid 10 %), Gabe von β-Sympathomimetika (z. B. Salbutamol 1–5 repetitive Hübe). ▶ Klinisch: • Hämofiltration/ Hämodialyse. • Bei bedrohlicher Hyperkaliämie Gabe von Glukose/Insulin (z. B. 50 ml G 40 % + 10 I.E. Insulin) zur Überbrückung, bis Kalium über Dialyse aus Körper entfernt wird.

312

20.2 Notfälle bei Dialysepatienten Lungenödem/Überwässerung ▶ Symptomatik: Dyspnoe, Zyanose, Hypertonie, generalisierte Ödeme. ▶ Diagnostik: EKG, Pulsoxymetrie (Hypoxie?), RR-Messung, Auskultation (Giemen, feuchte RG’s). ▶ Therapie: • Präklinisch: Sauerstoffgabe 4–8 l/min, bei vorhandener Eigendiurese Gabe von hochdosiert Schleifendiuretika (z. B. Furosemid 250–500 mg per infusionem), Nitrospray (2 Hub)/Morphingabe (5–10 mg fraktioniert) zur Vorlastsenkung und Milderung der Atemnot. Bei unsicherer Differenzialdiagnose zur COPD zusätzlich Therapie wie akute Exazerbation einer COPD (siehe dort). • Klinik: Dialyse. ▶ Beachte: Dialysepatienten sind oft auch KHK-Patienten, daher auf Zeichen myokar■ dialer Schädigung achten (EKG-Veränderungen, retrosternales Druckgefühl etc.).

20 Notfälle der Niere

20.2 Notfälle bei Dialysepatienten

Akutes Abdomen bei Peritonealdialyse ▶ Symptomatik: Abdomineller Schmerz, Fieber, trüber Auslauf des Dialysats, Fieber, Übelkeit. ▶ Diagnostik: • Präklinisch: EKG, RR, Pulsoxymetrie. • Klinik: BB, Kultur aus Ablauf, Blutkulturen. ▶ Therapie: • Präklinisch: – Symptomatisch; Schmerztherapie mit Morphin 5–10 mg titrierend, Metoclopramid 10 mg i. v. bei Übelkeit, ggf. 4–8 l Sauerstoff. – Bei Hypotension präklinisch Vasopressoren gegenüber Flüssigkeitsersatz bevorzugen (z. B. Akrinor, Arterenol). • Klinik: Antibiotikagabe intraperitoneal und/oder systemisch.

Hyperkaliämie und Hypertonie/hypertensiver Notfall ▶ Hyperkaliämie: • Siehe auch Hyperkaliämie S.320. • Therapeutische Besonderheit: – Bei Anurie keine Furosemidgaben. – Bei Restdiurese wesentlich höhere Furosemidgaben (250–500 mg). ▶ Hypertonie/hypertensiver Notfall: Symptomatik und Therapie wie bei nicht dialysepflichtigen Patienten (siehe dort).

Perikarditis/ Perikarderguss ▶ Symptomatik: Retrosternale Schmerzen, Fieber, Dyspnoe, Perikardreiben, ST-Hebungen im EKG. ▶ Komplikation: Perikardtamponade (Hypotonie, obere Einflussstauung, Pulsus paradoxus, Tachykardie). ▶ Diagnostik: EKG, RR, Pulsoxymetrie, Auskultation. ▶ Therapie: • Präklinisch: – Symptomatisch; Morphingabe bei Schmerzen (5–10 mg titrierend). – Bei unklarer Abgrenzung gegenüber akutem Koronarsyndrom Therapie wie dort (s. S.268). – Bei Zeichen der Perikardtamponade: Gabe von Katecholaminen (z. B. Dopamin 3–20 µg/kgKG/min oder Dobutamin 2–10 µg/kgKG/min, ggf. Arterenol 0,05– 1 µg/kgKG/min). Perikardpunktion nur als ultima ratio, da präklinisch ohne Echo nicht sicher zu diagnostizieren. 313

Notfälle der Niere

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20.2 Notfälle bei Dialysepatienten

• Klinik: Echokardiographie zum Nachweis eines Perikardergusses, ggf. Punktion desselben.

Shuntblutung ▶ Ursache: Blutung aus Shunt nach Punktion bei Dialyse. ▶ Therapie: Einfacher Druckverband.

Urämie ▶ Symptomatik: Urämischer Foetor, Schwäche, Pruritus, Kopfschmerzen, Café-au-laitFarbe der Haut, Somnolenz bis Koma, tonisch-klonische Krämpfe, Zeichen der Überwasserung (siehe dort), Hypertonie, Perikarditis. Unbekannter Patient mit unklarer Bewusstseinstrübung Prüfen, ob ein Shuntarm vorhanden → Dialysepatient! ▶ Diagnostik: EKG (Zeichen der Hyperkaliämie), RR-Messung, Auskultation (Lungenödem, perikarditisches Reiben), Pulsoxymetrie, BZ-Messung (besonders bei Diabetikern). ▶ Therapie: • Präklinisch: Symptomatisch (siehe oben unter Lungenödem, Hypertonie, Perikarditis, Hyperkaliämie). • Klinik: Dialyse. Bei Dialysepatienten beachten: ▶ Keine Venenpunktionen am Shuntarm! Ausnahmen: Akute Lebensbedrohung, Reanimation. ▶ Bei Reanimationspflichtigkeit an die Möglichkeit der Hyperkaliämie denken. Frühzeitige Gabe von NaBic 8,4 % (1 ml/kgKG) und Kalzium (z. B. Kalzium-Glukonat 10 % 10 ml) erwägen, ggf. 50 g Glukose (100 ml G50) + 10 I.E. Insulin.

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Endokrinologische Notfälle

21.1 Hyperglykämie Häufigste Ursachen und Folgen ▶ Häufigste Ursachen: Diabetes mellitus, fehlerhafte Infusionstherapie mit Glukoselösungen. ▶ Mögliche Folgen: • Hyperosmolares Koma: Wasser- und Elektrolytstörungen stehen im Vordergrund, meist ältere Patienten mit Diabetes Typ II (Tab. 315). • Ketoazidotisches Koma: Insulinmangel mit Lipidstoffwechselstörung stehen im Vordergrund, meist jüngere Patienten mit Diabetes Typ I (Tab. 315).

21 Endokrinologische Notfälle

21.1 Hyperglykämie

Symptomatik ▶ Bewusstseinsstörungen: Somnolenz, Sopor, Koma (Coma diabeticum bzw. hyperglycaemicum). ▶ Dehydratation, Exsikkose (S. 320): Ausgeprägt beim hyperosmolaren Koma. ▶ Azetongeruch (Apfelgeruch) und Kußmaul-Atmung (S. 241) beim ketoazidotischen Koma.

Differenzialdiagnose ▶ Hypoglykämie (Tab. 315) ▶ Bewusstseinsstörungen anderer Genese. ▶ Beachte: Besteht keine Möglichkeit einer Blutzuckerbestimmung, im Zweifelsfall Hy■ poglykämie annehmen und Behandlung wie bei Hypoglykämie durchführen. ▶ Differenzialdiagnostischer Vergleich zwischen Hypo- und Hypergykämie s. Tab. 21.1.

Diagnostik ▶ Blutzuckerbestimmung: • Hyperosmolares Koma: BZ stark erhöht, oft > 1 000 mg/dl. • Ketoazidotisches Koma: BZ weniger stark erhöht, meist < 500 mg/dl. ▶ In der Klinik: Blutgasanalyse zum Nachweis einer evtl. Ketoazidose; Nachweis von Ketonkörpern im Urin.

Therapie ▶ Präklinische Therapie: • Atemwegssicherung, bei Koma Intubation und Beatmung. • O2-Gabe 4–8 l/min. • Infusionstherapie: Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. ▶ Beachte: ■ • Bei beiden Komaformen ist die wichtigste präklinische und innerklinische Maßnahme die ausreichende Volumenzufuhr (Infusionstherapie)! Bereits durch Volumenzufuhr allein kommt es zum deutlichen Abfall der Blutglukosekonzentration; daher in den ersten Stunden auch in der Klinik kein Insulin! • Die präklinische Therapie des ketoazidotischen Komas unterscheidet sich nicht von der des hyperosmolaren Komas. • Keine Puffertherapie, keine präklinischen Insulingaben! ▶ In der Klinik: • Volumentherapie: Je nach Volumenstatus (HKt, ZVD, Urinausscheidung) und Elektrolytstatus. • Langsame Senkung der Blutglukosekonzentration: Alt-Human-Insulin 3–5 I.E./h i. v.; Blutzucker-Senkung nicht schneller als 50 mg/dl/h bis zu einem BZ von etwa 200 mg/dl. 315

Endokrinologische Notfälle

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21.2 Hyperthyreote Krise

▶ Cave: Bei zu rascher BZ-Senkung drohen schwere neurologische und ophthalmo■

logische Komplikationen. • Kaliumsubstitution: KCl 5–20 mmol/h (Ziel: Serum-Kalium zwischen 4,2 und 4,8 mmol/l). • Keine Puffertherapie, kein Natriumbikarbonat!

21.2 Hyperthyreote Krise Synonyma ▶ Thyreotoxische Krise. ▶ Basedow-Krise.

Pathomechanismus, häufigste Ursachen und Folgen ▶ Pathomechanismus: Thyroxin-assoziierte Verstärkung der Katecholaminwirkungen. ▶ Häufigste Ursachen: • Exazerbation einer Hyperthyreose durch: – Triggersubstanzen: z. B. jodhaltige Mittel bzw. Medikamente wie Amiodaron oder Röntgenkontrastmittel. – Triggersituationen: z. B. Infektionen. • Autonomes Schilddrüsenadenom. • Morbus Basedow. ▶ Folgen: Hypermetabolismus, Nebennierenrindeninsuffizienz.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Unruhe, Verwirrtheit. Somnolenz, Sopor, Koma (Coma basedowicum). Tachykardie, Tachyarrhythmie. Akute Herzinsuffizienz. Erhöhte Körpertemperatur (Hyperpyrexie). Muskelschwäche. Lokale Myxödeme (S. 318).

Diagnostik ▶ Anamnese, Inspektion (Struma?). ▶ EKG, Blutdruckmessung. ▶ In der Klinik: Messung der Schilddrüsenfunktion (Hormonbestimmung etc.).

Präklinische Therapie ▶ Ziele: • Vitalfunktionssicherung, ggf. Intubation und Beatmung. • Abschwächung der sympathikotonen Stoffwechsellage. ▶ β-Blocker, z. B.: • Metoprolol 2,5–5 mg i. v. • Propanolol 0,5–5 mg i. v., dann 1–5 mg/h kontinuierlich i. v.; Propanolol ist dem Metoprolol für diese Indikation möglicherweise vorzuziehen, da es die Umwandlung von T4 zu T3 hemmen soll. ▶ Benzodiazepine: z. B. Diazepam 10 mg i. v. ▶ Kortikosteroide: z. B. Methylprednisolon 80 mg i. v.: • Verzögerter Wirkungseintritt. • Im NAW nicht obligat. ▶ Thyreostatika: z. B. Thiamizol 80 mg i. v.: • Verzögerter Wirkungseintritt. • Im NAW nicht obligat und meist nicht vorhanden, nur bei hormonellem Nachweis der thyreotoxischen Krise einzusetzen. 316

21.3 Hypoglykämie Häufigste Ursachen ▶ Überdosierung von Insulin oder (seltener) von oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe, insb. Glibenclamid) bei Diabetes mellitus. ▶ Insulinintoxikation in suizidaler oder homizider Absicht! ▶ Alkoholabusus. ▶ Leberversagen (präklinisch selten). ▶ Insulinproduzierende Tumoren (Inselzelladenom) (selten).

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Bewusstseinsstörungen: Somnolenz, Sopor, Koma (Coma hypoglycaemicum). Unruhe. Heißhunger. Schweißausbruch. Verwirrtheit, Agitiertheit. Halluzinationen, Delirium. Krämpfe.

21 Endokrinologische Notfälle

21.3 Hypoglykämie

Diagnostik ▶ Blutzuckerbestimmung: Hypoglykämie BZ < 50 mg/dl.

▶ Beachte: Eine hypoglykämische Krise ist im Einzelfall auch bei grenzwertig normal■ em Blutzucker möglich!

Differenzialdiagnose ▶ ▶ ▶ ▶

Hyperglykämie (Tab. 317). Krampfanfälle anderer Genese (S. 344). Bewusstseinsstörungen anderer Genese. Differenzialdiagnostischer Vergleich zwischen Hypo- und Hyperglykämie s. Tab. 21.1.

Therapie ▶ Glukose i. v. 0,5g/kgKG (20–50 g bzw. 40–100 ml Glukose 40–50 %). ▶ Bei anhaltendem Koma Intubation, Beatmung. Tab. 21.1 • Hypo- und hyperglykämische Komata im Vergleich. Hypoglykämisches Koma

Hyperglykämisches ketoazidotisches Koma

Hyperglykämisches hyperosmolares Koma

Alter

jedes Alter

eher jünger

eher älter

Vorzeichen

Heißhunger, kein Durst

starker Durst

Durstempfinden gestört

Entwicklung der Symptome

Minuten bis Stunden

Tage

Stunden

Atmung

normal bis tachypnoeisch

sehr tief (Kußmaul-Typ)

normal

Fötor

normal

Aceton (Apfelgeruch)

normal

Blutglukose

sehr niedrig ( < 50 mg/dl)

deutlich erhöht ( < 500 mg/dl)

sehr stark erhöht ( > 1 000 mg/dl)

Zustand der Haut

feucht

trocken

sehr trocken

317

Endokrinologische Notfälle

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21.4 Hypothyreose – akute Dekompensation

▶ Bei anhaltenden Krämpfen Antikonvulsive Therapie (S. 346); ggf. Intubation, Beatmung.

▶ Beachte: Insulinpflichtige Diabetiker, die wegen Hypoglykämie bewusstlos werden, ■

verweigern oft die Mitnahme, nachdem sie wieder bewusstseinsklar sind. Immer sicherstellen, dass der Patient in den nächsten Stunden nicht alleine ist und unter Aufsicht etwas isst, was für protrahierte Glukoseaufnahme sorgt (z. B. Brötchen)!

21.4 Hypothyreose – akute Dekompensation Häufigste Ursachen und Folgen ▶ Ursachen: • Primäre Form: Thyreoiditis, Schilddrüsenhypoplasie (weitaus häufigste Form!). • Sekundäre Form: Unterfunktion des Hypophysenvorderlappens. • Tertiäre Form: Unterfunktion des Hypothalamus. ▶ Folge: Verminderter Thyroxingehalt des Blutes. ▶ Häufige Begleiterkrankung: Nebenniereninsuffizienz.

Symptomatik Somnolenz, Sopor, Koma (Myxödemkoma). Evtl. Struma. Hypotonie. Hypothermie. Myxödem: Trockene, schuppige, durch Mukopolysacharideinlagerungen wachsartig aufgequollene Unterhaut; im Gegensatz zur Hyperthyreose generalisiert. ▶ Ateminsuffizienz. ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Blutdruckmessung. Ggf. Temperaturmessung. In der Kinik: Messung der Schilddrüsenfunktion (Hormonbestimmung etc.).

Therapie ▶ Atemwegssicherung, bei Ateminsuffizienz oder Koma Intubation und Beatmung. ▶ Blutdruckstabilisierung: Ggf. mit Katecholaminen, z. B. Dopamin 2–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Kortikoidsubstitution: z. B. Methylprednisolon 80 mg i. v. (klinisch bei Nachweis der Unterfunktion). ▶ Längerfristig: Dosisanpassung der substituierten Schilddrüsenhormone: z. B. L-Thyroxin.

21.5 Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison) Häufigste Ursachen und Folgen ▶ Ursachen: • Primäre Nebenniereninsuffizienz: Autoimmunologische Prozesse. • Sekundäre Nebenniereninsuffizienz: z. B. Tuberkulose, Sepsis (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom), Tumore. ▶ Folgen: Mangel an Glukokortikoiden und Mineralkortikoiden, daraus resultieren: • Elektrolytstörungen, Volumenmangel, hämodynamische Dekompensation. • Addison-Krise: Vollbild mit krisenhafter Zuspitzung. Lebensbedrohlich!

Symptomatik ▶ Adynamie bis hin zum Koma. 318

Hypotension/Volumenmangelschock. Hypoglykämie. Abdominelle Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen). Tachykardie. Verstärkte Hautpigmentierung. Labor: Hyponatriämie und Hyperkaliämie.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese, Symptomkonstellation. Blutdruckmessung. EKG. In der Klinik: Kortisol- und ACTH-Bestimmungen im Plasma sowie ACTH-Stimulationstest.

21 Endokrinologische Notfälle

21.6 Phäochromozytom

▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Therapie ▶ Spezifische präklinische Therapie meist nicht erforderlich. ▶ Ggf. symptomatische kardiozirkulatorische Therapie: • Volumengabe: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Dopamin 2–10 μg/kgKG/min i. v. (im Vollbild der Addison-Krise jedoch verminderte Katecholaminwirkung). ▶ In der Klinik: Kortikoidsubstitution, z. B. Hydrokortison 100 mg i. v. als Bolus; dann 10 mg/h kontinuierlich i. v.

21.6 Phäochromozytom Definition ▶ Definition: Katecholaminproduzierende Tumoren chromaffiner Zellen, meist des Nebennierenmarks, die zu dauerhaft oder intermittierend erhöhter Katecholaminfreisetzung (Noradrenalin, Adrenalin) führen.

Symptomatik ▶ Hypertension, hypertensive Krise: Dauerhafte oder paroxysmale Blutdruckanstiege. ▶ Tachykardie. ▶ Profuses Schwitzen.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese, Symptomkonstellation. Blutdruckmessung. EKG. In der Klinik: Katecholaminspiegel im Plasma sowie Vanillinmandelsäure im Urin.

Präklinische Therapie ▶ Atemwegssicherung, bei Ateminsuffizienz oder Koma Intubation und Beatmung. ▶ Lagerung: Sitzend bzw. mit erhöhtem Oberkörper. ▶ Blutdrucksenkung mit α-Blockern oder Vasodilatatoren: z. B. • Urapidil 25–50 mg i. v. • Nifedipin 5–10 mg p. o. (zerbeißen und herunterschlucken lassen). • Nitroglycerin 1,2 mg s. l. ( = 3 Hübe à 0,4 mg od. 1 Kapsel à 1,2 mg). ▶ Beachte: ■ • Blutdrucksenkung nicht mehr als 30 %/h! • Gabe von β-Blockern nur nach Vorbehandlung mit α-Blockern! Andernfalls weiterer Blutdruckanstieg und Durchblutungsverschlechterung durch Blockade der vasodilatierenden β2-Rezeptoren. 319

Notfälle durch Störungen des Wasser-/Elektrolyt-, und Säure-Basen-Haushalts

22

22.1 Dehydratation

22

Notfälle durch Störungen des Wasser-/ Elektrolyt-, und Säure-Basen-Haushalts

22.1 Dehydratation Definition und Begriffsklärung ▶ Dehydratation = Wassermangel im Extrazellulärraum ( = Intravasalraum und Interstitium und evtl. „dritte Räume“) durch Flüssigkeitsverlust (mit oder ohne Salzverlust) ohne adäquate Flüssigkeits- und Salzzufuhr. Unterformen s. Tab. 22.1. ▶ Verwandte Begriffe: • Exsikkose (Austrocknung): Folge der Dehydratation. • Hypovolämie: Flüssigkeitsmangel im Intravasalraum als Folge oder Ursache der Dehydratation.

Klinische Symptomatik und Folgen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Durst. Müdigkeit, Lethargie, Schwindel. Bei längerem Bestehen bleiben nach Abheben der Haut die Hautfalten stehen. Kollabierte periphere Venen. Extremfall: Hypovolämischer Schock („Dehydratationsschock“, S. 256). Achtung Kleine Kinder sind bei Flüssigkeitsverlust besonders gefährdet. Dehydratation ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen im Kindesalter!

Präklinische Diagnostik ▶ Anamnese. ▶ Inspektion: „Stehende Hautfalten“, kollabierte periphere Venen. ▶ Pulsmessung, EKG: Häufig Tachykardie. ▶ Blutdruckmessung: Meist erniedrigter Blutdruck. ▶ Kapilläre Reperfusionszeit (S. 31): Verlängert.

Präklinische Akuttherapie ▶ Vollelektrolytlösungen, z. B. 500–1 000 ml Ringer-Lösung, im hypovolämischen Schock auch mehr.

Erstmaßnahmen in der Klinik ▶ ZVD: Niedrige Messwerte ( < 3 mmHg). ▶ Hämatokrit: Erhöht („Eindickung“). ▶ Elektrolytbestimmung zur Bestimmung der Unterform (s. u.). Ggf. differenzierte Therapie in Abhängigkeit von der Elektrolytzusammensetzung des Plasmas (s. Tab. 22.1).

22.2 Hyperhydratation Definition und Begriffsklärung ▶ Hyperhydratation = Überwässerung des Extrazellulärraums. Generelle Ursachen sind eine zu hohe Flüssigkeitszufuhr oder verminderte Wasserausscheidung. ▶ Verwandter Begriff: Hypervolämie = Volumenüberschuss im Intravasalraum als Folge oder Ursache der Hyperhydratation. 320

Tab. 22.1 • Unterformen der Dehydratation und ihre differenzierte Therapie. Hypotone Dehydratation

Isotone Dehydratation

Hypertone Dehydratation

Serum-Natriumkonzentration

erniedrigt

normal

erhöht

Veränderungen des Intrazellulärraums

vergrößert

unverändert

verkleinert

mögliche Ursachen

• starkes Schwitzen • Nebenniereninsuffizienz • Diuretika

• Blutverlust • Verbrennungen, • Diarrhö, Erbrechen • Ileus • Diuretika

• hohes Fieber (Perspiratio insensibilis) • Erbrechen • Osmodiuretika • Diabetes insipidus • Diabetes mellitus (hyperosmolares Coma diabeticum), • Trinkstörungen (vor allem bei alten Menschen und kleinen Kindern) • Verdursten

Therapie

Fortführung der Therapie mit Vollelektrolytlösungen, ggf. mit Zusatz von Natrium (z. B. 10– 20 ml NaCl 20 %; s. Hyponatriämie, S. 320).

Fortführung der Therapie mit Vollelektrolytlösungen bis zum Erreichen einer adäquaten Diurese ( > 0,5 ml/kgKG/ h) und eines normalen ZVD

Halb- oder Drittelelektrolytlösungen (sog. „Anwässerungslösungen“) bis zum Erreichen einer adäquaten Diurese und eines normalen ZVD

Unterformen, deren Ursachen und Symptomatik s. Tab. 22.2 Präklinische Diagnostik ▶ Anamnese. ▶ Orientierende neurologische Untersuchung: GCS bestimmen (Kopfschmerzen, Eintrübung, Koma, Krampfanfälle). ▶ Inspektion: Ödeme. ▶ Auskultation: Ggf. Rasselgeräusche (Lungenödem). ▶ Blutdruckmessung: Oft erhöhter Blutdruck.

22 Notfälle durch Störungen des Wasser-/Elektrolyt-, und Säure-Basen-Haushalts

22.2 Hyperhydratation

Präklinische Akuttherapie ▶ In schweren Fällen Diuretika, z. B. Furosemid 10–80 mg i. v. ▶ Ggf. Therapie des Lungenödems (S. 307).

Erstmaßnahmen in der Klinik ZVD: Erhöht. Hämatokrit: Erniedrigt („Verdünnung“). Elektrolytbestimmung zur Bestimmung der Unterform (s. Tab. 22.2). Therapie: • Der Grunderkrankung. • Symptomatisch Diuretika, kombiniert mit gezielter Elektrolytsubstitution. • Bei dekompensierter Niereninsuffizienz: Dialyse oder Hämofiltration. ▶ Beachte: Eine genaue Diagnose und spezifische Therapie ist aufgrund fehlender prä■ klinischer Messmöglichkeiten der Elektrolyte erst in der Klinik möglich. ▶ ▶ ▶ ▶

321

Notfälle durch Störungen des Wasser-/Elektrolyt-, und Säure-Basen-Haushalts

22

322

22.2 Hyperhydratation Tab. 22.2 • Unterformen der Hyperhydratation. Hypotone Hyperhydratation

Isotone Hyperhydratation

Hypertone Hyperhydratation

Serum-Natriumkonzentration

erniedrigt

normal

erhöht

Veränderungen des Intrazellulärraums

vergrößert

unverändert

verkleinert

Symptomatik

• generalisierte Ödeme • Hirnödem und zentralnervöse Symptome wie Kopfschmerzen und Bewusstseinstrübung • Lungenödem • Hautverdickung

• s. hypotone Hydratation

• Durst • Hypertension

mögliche Ursachen

• fehlerhafte Infusionstherapie mit elektrolytfreien Lösungen • übermäßige ADHSekretion (Schwartz-BartterSyndrom)

• fehlerhafte Infusionstherapie mit isotonen Lösungen (Vollelektrolytlösungen) • Herzinsuffizienz • Niereninsuffizienz • Hyperaldosteronismus

• fehlerhafte Infusionstherapie mit hypertonen Elektrolytlösungen • Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom)

Beachte: Kleine Kinder sind bei fehlerhafter Infusionstherapie besonders gefährdet!

23

Thermische Notfälle

23.1 Hitzenotfälle Definitionen und Formen ▶ Hitzschlag: Globale Überwärmung des Gesamtorganismus. ▶ Hitzeerschöpfung: Dehydratation durch starke Volumenverluste aufgrund starken Schwitzens. ▶ Sonnenstich (Insolation): Überwärmung des Gehirns. ▶ Hitzeohnmacht: Synkope durch hitzeinduzierte vasovagale Fehlregulation. ▶ Hitzekrämpfe: Muskelkrämpfe durch Natriumverlust aufgrund starken Schwitzens.

23 Thermische Notfälle

23.1 Hitzenotfälle

Pathophysiologie ▶ Mechanismen der menschlichen Wärmeabgabe: • Wärmeabstrahlung an das Umgebungsmedium ist nur bei Umgebungstemperaturen < 37 °C möglich. • Verdunstung von Wasser an der Körperoberfläche ist die einzige Möglichkeit der Wärmeabgabe bei Umgebungstemperaturen > 37 °C. Sie erfolgt durch Schweiß (Perspiratio sensibilis) und Diffusionswasser (Perspiratio insensibilis). ▶ Beeinträchtigung der Wärmeabgabe erfolgt durch: Hohe Umgebungstemperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit, (inadäquate) Bekleidung. ▶ Weitere auslösende Faktoren sind Anstrengung, Flüssigkeits- und Elektrolytverlust bzw. mangelnde Flüssigkeits- und Elektrolytaufnahme.

Diagnostik bei allen Hitzenotfällen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Inspektion. Neurologische Untersuchung. Puls-, Blutdruckmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Ggf. Temperaturmessung.

Hitzschlag ▶ Ursache: Wärmezufuhr plus Wärmeproduktion übersteigen die Wärmeabgabe; Versagen der Temperaturregulationsmechanismen, dadurch globale Überwärmung des Gesamtorganismus. ▶ Begünstigender Faktor: Körperliche Anstrengung (Anstrengungshitzschlag). ▶ Folge: Lebensbedrohliche Hyperthermie. ▶ Symptomatik: • Trockene, warme Haut (Hyperthermie > 40 °C). • Kopfschmerzen, Desorientiertheit, Bewusstseinstrübung. • Übelkeit, Erbrechen. • Tachykardie. • Hypotension (zunächst evtl. auch Hypertension), Schock. • Zerebrale Krampfanfälle. • Organversagen: Leber, Niere. ▶ Beachte: Besonders gefährdet sind Kleinkinder und alte Menschen. ■ ▶ Diagnostik: s. o. ▶ Therapie: • O2-Gabe 4–8 l/min. • Ggf. endotracheale Intubation und Beatmung. • Kühlung des Patienten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln! – Weitgehende Entkleidung. 323

Thermische Notfälle

23

23.1 Hitzenotfälle

– In kühle Umgebung verbringen (Schatten, Haus, Kühlkammer/-raum). – Externe Kühlungsmaßnahmen (z. B. Abspritzen mit kühlem Wasser, Auflegen von Eispackungen). • Lagerung: – Stabile Kreislaufverhältnisse: Oberkörperhochlagerung. – Hypotension: Flach- oder Schocklagerung. • Infusionstherapie: Vollelektrolytlösung, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. – Präklinisch v. a. bei älteren Patienten langsam, bei Hypotonie Anhebung des RR als Parameter. – Klinik: Steuerung der Flüssigkeitszufuhr nach Diurese, ZVD. • Antikonvulsive Therapie: Bei zerebralen Krampfanfällen, z. B. mit Diazepam 5– 10 mg i. v. ▶ Merke: Immer Transport ins Krankenhaus! ■

Hitzeerschöpfung ▶ Ursache: Flüssigkeitsverlust aufgrund starken Schwitzens in hoher Umgebungstemperatur. ▶ Folge: Dehydratation (S. 320). ▶ Symptomatik deutlich weniger ausgeprägt als beim Hitzschlag: • Erschöpfung. • Desorientiertheit, Bewusstseinstrübung. • Durst. • Kopf- und Muskelschmerzen. ▶ Diagnostik: Siehe S. 323. ▶ Therapie: • Infusionstherapie: Vollelektrolytlösung, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. – Präklinisch bei Hypotonie RR-Anhebung als Steuerungsparameter, langsame Substitution v. a. bei älteren Menschen. – Klinisch: Steuerung nach Diurese, ZVD. • Kühlung des Patienten: – Weitgehende Entkleidung. – In kühle Umgebung verbringen (Schatten, Haus). – Externe Kühlungsmaßnahmen, z. B. Abspritzen mit kühlem Wasser. • Lagerung: – Stabile Kreislaufverhältnisse: Oberkörperhochlagerung. – Hypotension: Flach- oder Schocklagerung. • In schweren Fällen: Transport ins Krankenhaus.

Sonnenstich ▶ Ursache: Überhitzung des Gehirns, meist durch direkte, lang anhaltende, intensive Sonneneinstrahlung bei unbedecktem Kopf. ▶ Folgen: Meningeale Reizerscheinung, Hirnödem. ▶ Symptomatik: • Roter, heißer Kopf. • Desorientiertheit, Bewusstseinstrübung. • Schwindel. • Übelkeit, Erbrechen. • Kopfschmerzen; Meningismuszeichen (Schmerzverstärkung durch Vorbeugung des Kopfes). • Zerebrale Krampfanfälle. ▶ Diagnostik: s. S. 323. ▶ Therapie: • O2-Gabe 4–8 l/min. • Bei Bewusstlosigkeit endotracheale Intubation und Beatmung. • Kühlung des Patienten, insbesondere des Kopfes: 324



• • •

23 Thermische Notfälle

23.2 Unterkühlung (Hypothermie)

– Weitgehende Entkleidung. – In kühle Umgebung verbringen (Schatten, Haus). – Externe Kühlungsmaßnahmen des Kopfes, z. B. Auflegen kalter, wassergetränkter Tücher. Lagerung: – Stabile Kreislaufverhältnisse: Oberkörperhochlagerung. – Hypotension: Flachlagerung. Infusionstherapie: Vollelektrolytlösung, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. Antikonvulsive Therapie: Bei zerebralen Krampfanfällen, z. B. mit Diazepam 5–10 mg i. v. In schweren Fällen: Transport ins Krankenhaus.

Hitzeohnmacht (Hitzesynkope) ▶ Ursache: Hitzeinduzierte oder hitzebegünstigte vasovagale Synkope, besonders bei längerem Stehen (S. 233 und 323). ▶ Symptomatik: Schwindel, kurzdauernde Bewusstlosigkeit, evtl. Bradykardie. ▶ Diagnostik: Siehe S. 323. ▶ Therapie: • Lagerung: Flach- oder Schocklagerung. • Kühlung des Patienten: – Weitgehende Entkleidung. – In kühle Umgebung verbringen (Schatten, Haus). – Ggf. externe Kühlungsmaßnahmen. – Zufuhr kalter Getränke. • In schweren Fällen: – Infusionstherapie: Vollelektrolytlösung, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. – Bei Bradykardie: Atropin 0,5–1 mg i. v. – Transport ins Krankenhaus.

Hitzekrämpfe ▶ Ursache: Elektrolytimbalance durch Natriumverlust, wenn bei starkem Schwitzen der Flüssigkeitsersatz durch kochsalzarme Getränke (z. B. reines Wasser) erfolgt. ▶ Symptomatik: Muskelkrämpfe (keine zerebralen Krämpfe!). ▶ Diagnostik: s. S. 323. ▶ Therapie: • Trinken kochsalzhaltiger Getränke. • In schweren Fällen Infusionstherapie: Vollelektrolytlösung, z. B. Ringer-Lösung 500–1 000 ml i. v.

23.2 Unterkühlung (Hypothermie) Häufigste Ursachen und Folgen ▶ Ursachen: • Ungeschützte oder schlecht geschützte Kälteexposition des Körpers. • Häufige Komplikation des Ertrinkungsunfalls (S. 432). ▶ Folgen: Wärmeabgabe übersteigt Wärmezufuhr plus endogene Wärmeproduktion, es kommt zum Abfall der Körperkerntemperatur. ▶ Begünstigende Faktoren sind: • Kalte Umgebung, z. B. im Winter oder im Hochgebirge. • Immersion im kalten Wasser (Beinaheertrinken, S. 432). • Hohe Luftfeuchtigkeit. • Hohe Windgeschwindigkeit. • Unzureichende Bekleidung. • Lange Kälteexpositionszeit. 325

Thermische Notfälle

23

23.2 Unterkühlung (Hypothermie)

▶ Beachte: Besonders gefährdet sind kleine Kinder, alte Menschen, in Armut lebende ■

Menschen, Alkoholisierte, Obdachlose, Menschen in schlechtem Ernährungs- und Gesundheitszustand.

Phasen der Unterkühlung und klinische Symptomatik Tab. 23.1 • Phasen der Unterkühlung und ihre klinische Symptomatik. Körpertemperatur

Unterkühlungsphase

Symptomatik

34–36 °C

Phase der Erregungssteigerung (leichte Hypothermie) und Frierreaktion

• Kältezittern • Hyperventilation • Tachykardie • metabolische Azidose • Hyperglykämie

30–34 °C

Phase der Erregungsabnahme (mäßige Hypothermie):

• Teilnahmslosigkeit, Bewusstseinstrübung, Somnolenz • Muskelstarre • Zunahme der Azidose • Entwicklung einer Bradykardie • Hypoglykämie

27–30 °C

Phase der Lähmung (tiefe Hypothermie)

• Zunahme der Bewusstseinstrübung: Sopor, Koma • Hypotension • Zunahme der Bradykardie • Bradypnoe • EKG: Rhythmusstörungen; Gefahr: Kammerflimmern!

24–27 °C

Phase des Scheintodes (sehr tiefe Hypothermie)

• kein tastbarer Puls • keine sichtbare Atmung • EKG: Sehr langsame Herzaktionen

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

▶ ▶ ▶ ▶

Inspektion, Anamnese. Temperaturmessung mit Spezialthermometer für niedrige Temperaturen. Neurologische Untersuchung. EKG: Ableitung u. U. mit Nadelelektroden (EKG-Clips an subkutan eingestochene Kanülen klemmen): • Rhythmusstörungen aller Art. • Entwicklung einer sog. J-Welle am Beginn der ST-Strecke (Abb. 23.1). Puls: Palpation der Karotiden; u. U. längere Tastdauer zur Detektion sehr niedriger Pulsfrequenzen (15–30 /min). Blutdruck. Blutzucker. Pulsoxymetrie meist nicht möglich.

Methoden der Wiedererwärmung ▶ Passive Wiedererwärmung: Erwärmung durch endogene Wärmeproduktion und Verhinderung weiteren Wärmeverlustes: Zudecken des Patienten mit Wolldecken, Wärme- oder Alufolie. ▶ Aktive Wiedererwärmung: Wärmezufuhr von außen: • Innere Erwärmung: 326

Abb. 23.1 • EKG bei Hypothermie: J-Welle (Pfeil) am Beginn der ST-Strecke.

23 Thermische Notfälle

23.2 Unterkühlung (Hypothermie)

Zufuhr warmer Infusionslösungen. Zufuhr heißer Getränke. Anwärmung der Atemluft. In der Klinik: Invasive Erwärmungsmethoden, z. B. extrakorporale Zirkulation oder Spülung des Magens mit warmen Lösungen. ▶ Beachte: Keine innere Erwärmung mit alkoholischen Getränken! Alkohol führt ■ zur Vasodilatation und somit zur Verstärkung der Nachkühlung (s. u.). • Äußere Erwärmung: – Heiße Umschläge, Wärmflaschen. – Hibler-Packung: Mehrfach zusammengefaltetes, von innen mit heißem Wasser befeuchtetes Leinentuch, das ausschließlich um den Rumpf gewickelt wird. ▶ Beachte: Warme Wannenbäder sind wegen der Gefahr des Wiedererwär■ mungskollapses (s. u.) bei mäßiger und tiefer Hypothermie zu unterlassen! – – – –

Therapie der Unterkühlung ▶ Ziele: • Vitalfunktionsstabilisierung. • Beendigung der Kälteexposition und vorsichtige Wiedererwärmung. • Vermeidung von Rettungskomplikationen. Gefahren der Rettung („Bergungstod”) ▶ Kammerflimmern: • Ursache: Niedrige Flimmerschwelle des hypothermen Herzens. • Auslöser: Starke Bewegungen während der Rettung, Katecholamine. ▶ Nachkühlung („after-drop“, Abb. 23.2): • Ursache: Weitere Abnahme der Körperkerntemperatur bei Bergung und peripherer Erwärmung. ▶ Wiedererwärmungskollaps (Blutdruckabfall, Kreislaufversagen): • Ursache: Akute periphere Vasodilatation. • Auslöser: Aktive externe Wiedererwärmung unter Einbeziehung der Extremitäten, z. B. heißes Wannenbad. ▶ O2-Gabe 4–8 l/min. ▶ Intubation und Beatmung bei Atemstillstand oder schwerer respiratorischer Insuffizienz; Beatmung wenn möglich mit angewärmter Atemluft. ▶ Kreislauftherapie: • Kardiopulmonale Reanimation (CPR, S. 97): Bei stark unterkühlten Patienten mit nicht feststellbaren Vitalfunktionen. Bei tiefer und sehr tiefer Hypothermie gilt: – Kammerflimmern: Maximal 3 Defibrillationen! – Keine medikamentöse Therapie. – u. U. längere Reanimationsdauer als üblich, ggf. unter Reanimation in die Klinik fahren. 327

23.3 Erfrierung

37

Thermische Notfälle

23

30

C

1 2

24



Abb. 23.2 • Hypothermie: Lebensbedrohlicher Abfall der Körperkerntemperatur durch Einstrom kalten Blutes aus der Körperperipherie, ausgelöst durch Bewegung oder periphere Erwärmung. (1) Beginn der peripheren Erwärmung. (2) Progredienter Temperaturabfall im Körperkern.

▶ Beachte: Bradykardie ist bei Hypothermie physiologisch! ■

• Keine Katecholamintherapie der Bradykardie bei suffizientem Kreislauf (Gefahr des Kammerflimmerns)! • Vorgehen bei extrem niedriger Herzfrequenz ( < 20 /min) umstritten: Untherapiert belassen oder Beginn von Reanimationsmaßnahmen. ▶ Schonende Rettungsmaßnahmen: Unnötige Bewegungen und Erschütterungen vermeiden! (Immobilisation des Patienten). ▶ Passive Wiedererwärmung (s. o.) steht immer an erster Stelle: Weiteren Wärmeverlust verhindern! ▶ Infusionstherapie: Möglichst angewärmte Infusionslösungen, z. B. auf 40–46 °C angewärmte Ringer-Lösung langsam applizieren. ▶ Körpertemperaturabhängige Maßnahmen zusätzlich zur passiven Wiedererwärmung: • Leichte Hypothermie (Temperaturen > 34 °C): Aktive Wiedererwärmung durch heiße Getränke, Wärmflaschen und warme Decken. • Mäßige, tiefe und sehr tiefe Hypothermie (Temperaturen < 34 °C): Aktive Wiedererwärmung nur unter Aussparung der Extremitäten: Hibler-Packung (s. o.). ▶ Beachte: Transport von Patienten mit tiefer und sehr tiefer Hypothermie vorzugs■ weise in Kliniken mit Herz-Thorax-chirurgischer Abteilung, wegen Möglichkeit der extrakorporalen Zirkulation bei Kreislaufstillstand.

23.3 Erfrierung Ursache ▶ Lokale, schwere Unterkühlung schlecht geschützter Körperregionen. ▶ Betroffene Körperregionen: Akren (Finger, Nase, Ohren).

Pathophysiologie ▶ Eiskristallbildung im Gewebe. ▶ Zellzerstörung durch Dehydratation. ▶ Mikrovaskuläre Störung.

Symptomatik

328

▶ ▶ ▶ ▶

Zunächst Schmerzen, später Anästhesie. Hautblässe. Ödeme. Blasenbildung.

Tab. 23.2 • Erfrierungsstadien und ihre Symptomatik. Stadium der Erfrierung

Symptomatik

Erfrierung I°

Hautblässe, Ödem; nach Wiedererwärmung Hyperämie und Hautrötung

Erfrierung II°

Ödem und Blasenbildung, Teilnekrose der Haut

Erfrierung III°

Nekrose der gesamten Hautschicht und Teilen des Subkutangewebes

Erfrierung IV°

schwerste Vereisungen mit Zerstörung aller Gewebsschichten

23 Thermische Notfälle

23.4 Verbrennung

Diagnostik ▶ Inspektion. ▶ Anamnese. ▶ Ausschluss einer systemischen Hypothermie (S. 325): • Ggf. Temperaturmessung. • Neurologische Untersuchung. • Puls-, Blutdruckmessung, EKG.

Therapie ▶ Präklinisch keine spezifische Therapie. ▶ Auskühlung des Patienten verhindern; ggf. Therapie der Hypothermie (S. 327). ▶ Lagerung: Betroffene Körperareale gepolstert lagern. ▶ Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. ▶ Wiedererwärmung erfrorener Körperteile: Sobald möglich, z. B. durch Immersion in 38–40 °C warmem Wasser für 20–30 min; dabei ausreichende Analgesie!

23.4 Verbrennung Definition ▶ Gewebsschädigung durch lokale Hitzeeinwirkung ( > 45 °C Gewebetemperatur).

Ursachen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Heiße Flüssigkeiten (Verbrühung). Heiße Gegenstände. Heiße Strahlung. Offenes Feuer. Hochspannungsunfall (S. 430). Blitzschlag (S. 430).

Pathophysiologie ▶ Lokale Gewebsschädigung: • Primäre lokale Gewebsschädigung durch direkte Hitzeeinwirkung. • Sekundäre lokale Gewebsschädigung durch überhitztes umgebendes Gewebe (sog. „Nachbrennen“). • Lokale Freisetzung gewebsschädigender Mediatoren. ▶ Verbrennungskrankheit: Systemische Auswirkungen der lokalen Verbrennung durch Mediatorfreisetzung (z. B. Zytokine, Proteinasen): • Generalisierter Kapillarschaden: Erhöhte Kapillarpermeabilität: – Entwicklung eines interstitiellen Ödems. – Intravasaler Flüssigkeitsmangel. • Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC). 329

Thermische Notfälle

23

23.4 Verbrennung

• Organschädigung z. B. Lunge, Niere → Multiorganversagen. ▶ Hypovolämischer Schock: • Flüssigkeitsverluste über die Wunde. • Flüssigkeitsverluste in das Interstitium. ▶ Rauchgasvergiftung: Inhalationstrauma (S. 487) und/oder Vergiftung durch Feuer in geschlossenen Räumen: • Heiße Gase: Direkte thermische Atemwegs- und Lungenschädigung (s. S.487). • Reizgase: Atemwegsschwellung und Lungenödem (s. S.487). • Unvollständige Verbrennung: Kohlenmonoxidvergiftung (S. 485). • Kunststoffverbrennung: Zyanidvergiftung (S. 483); klinisch relevante Zyanidvergiftung im Rahmen einer Verbrennung jedoch selten.

Verbrennungsgrade ▶ Verbrennung I°: Keine Hautzerstörung. Für die Prognose der Verbrennung wenig bedeutsam. Hautrötung (Hyperämie), Schwellung (Ödem), Schmerzen bei Berührung. Spontanheilung (z. B. Sonnenbrand). ▶ Verbrennung II°: • IIa: Schädigung der Epidermis: Hautrötung, Blasenbildung, feuchter Wundgrund, Schmerzen bei Berührung, Sensibilität erhalten. Spontanheilung zu erwarten. • IIb: Schädigung von Oberhaut, Lederhaut: Blasenbildung, trockener Wundgrund, blasse und gerötete Areale, Sensibilitätsverlust. Defektheilung mit Narbenbildung. ▶ Verbrennung III°: Schädigung aller Hautschichten bis in die Subkutis: Gräulichweißliche Verfärbung der Haut (koaguliertes Kollagen) mit sichtbaren koagulierten Blutgefäßen. Keine Schmerzen, da Schmerzrezeptoren zerstört. Hautregeneration nicht mehr möglich. ▶ Verbrennung IV°: Beteiligung von Muskeln, Sehnen oder Knochen: Gewebeverkohlung.

Verbrennungsausmaß ▶ Abschätzung der verbrannten Körperoberfläche bei Erwachsenen: Neuner-Regel nach Wallace (Abb. 23.3): • Kopf (inkl. Hals): 9 %. • Arm: 9 % → Beide Arme 18 %. • Bein: 18 % → Beide Beine 36 %. – Unterschenkel: 9 % → Beide Unterschenkel 18 %. – Oberschenkel: 9 % → Beide Oberschenkel 18 %. • Stamm: 36 %. – Thoraxvorderseite: 9 %. – Thoraxrückseite: 9 % – Abdomenvorderseite: 9 %. – Lendenregion (Abdomenrückseite): 9 %. • Genitalregion: 1 %. ▶ Abschätzung der verbrannten Körperoberfläche bei Kindern (Abb. 23.4): • Altersabhängige Unterschiede der Körperproportionen: Insbesondere ist der Anteil der Hautoberfläche des Kopfes an der Gesamtkörperoberfläche in der frühen Kindheit deutlich höher als im Erwachsenenalter, und der Anteil der Beine deutlich niedriger. Faustregeln zur Abschätzung der verbrannten Körperoberfläche: ▶ Faustregel für Erwachsene und Kinder (gilt für alle Altersgruppen): 1 Patientenhandfläche (inkl. der Finger) = etwa 1 % KOF. ▶ Faustregel für Kinder < 10 Jahre in Bezug auf die Neuner-Regel nach Wallace: • Kopf: 9 + (10 – Alter[Jahre]) • Bein: 18 – (10 – Alter[Jahre])/2 330

4,5%

4,5%

18%

18%

4,5%

4,5%

4,5%

4,5%

1%

9%

9%

1%

9%

23 Thermische Notfälle

23.4 Verbrennung

9%

Handfläche des Patienten ~1% Körperoberfläche

Abb. 23.3 • Abschätzung der verbrannten Körperoberfläche bei Erwachsenen nach Wallace („Neunerregel“).

A

A 1%

2

2

13

1

2

1

2

13

1

1

1 1,25

B

B

C

C

1

1

1,25

1,25 B

B

C

C

1,75

1,25

1,75

Alter (Jahre)

A (50% des Kopfes)

B (50% eines Oberschenkels)

C (50% eines Unterschenkels)

0

9,5%

2,75%

1

8,5%

3,25%

2,5% 2,5%

5

6,5%

4%

2,75%

Abb. 23.4 • Berechnung der verbrannten Körperoberfläche bei Kindern.

331

Thermische Notfälle

23

23.4 Verbrennung

Schweregradeinteilung (nach American Burn Association) ▶ Geringgradige Verbrennungen: • Verbrennungen I°. • Verbrennungen II° 15 % KOF bei Erwachsenen; < 5 % KOF bei Kindern und Greisen. • Verbrennungen III° 2 % KOF. ▶ Mäßiggradige Verbrennungen: • Verbrennungen II° 15–25 % KOF bei Erwachsenen; 5–20 % KOF bei Kindern und Greisen. • Verbrennungen III° 2–10 % KOF. ▶ Schwere Verbrennungen: • Verbrennungen II°25 % KOF bei Erwachsenen; > 20 % KOF bei Kindern und Greisen. • Verbrennungen III° 10 % KOF. • Verbrennungen der Hände, Gesicht, Augen, Ohren, Füße, Geschlechtsteile. • Begleitendes Inhalationstrauma, begleitendes Polytrauma, Stromverletzung, erhebliche vorbestehende Erkrankungen.

Symptomatik ▶ Lokale Symptome: • Schmerzen (Verbrennungen I° und II°). • Hautrötung. • Blasenbildung. • Hautablösung. • Verkohlung. ▶ Allgemeinsymptome: • Tachykardie. • Hypotension (durch Schock) oder Hypertension (durch starke Schmerzen). • Atemnot: – Bronchospasmus und/oder Stridor bei Inhalationstrauma und Verbrennung der Atemwege. – Störung der Atempumpe bei zirkulären Verbrennungen des Thorax.

Diagnostik ▶ Inspektion des entkleideten Patienten; Inspektion der Mundhöhle (Verbrennungsanzeichen? Ruß?). ▶ Unfallhergang erfragen. ▶ Puls-, Blutdruckmessung. ▶ EKG. ▶ Pulsoxymetrie.

Therapie ▶ O2-Gabe 4–8 l/min. ▶ Intubation und Beatmung: Großzügige Indikation zur frühzeitigen Intubation bei: • Bewusstlosen und ateminsuffizienten Patienten. • Verbrennungen im Gesichtsbereich, Mund und Rachen (Schwellungsgefahr! Gefahr der Atemwegsverlegung!). • Schweren Verbrennungen. ▶ Infusionstherapie: ▶ Beachte: Eine adäquate Infusionstherapie ist neben der Atemwegssicherung die ■ entscheidende präklinische Maßnahme! • Venenpunktion (1–2 Venenverweilkanülen): Möglichst nicht im Bereich verbrannter Hautareale. • Wahl der Infusionslösung: 332

23 Thermische Notfälle

23.4 Verbrennung

– Kristalloide: Vollelektrolytlösung, z. B. Ringer-Lösung; Volumenersatzlösung der 1. Wahl. – Kolloide wie HAES, Dextrane oder Gelatine können insbesondere im schweren hypovolämischen Schock und bei zusätzlichen Volumenverlusten, z. B. durch begleitendes Trauma, eingesetzt werden. ▶ Merke: Kolloidale Volumenersatzmittel sind in der initialen Volumentherapie ■ von Verbrennungen meist nicht erforderlich; sie sind jedoch nicht kontraindiziert! ▶ Dosierungsanhalt nach der Parkland- oder Baxter-Formel: ■ – Infusionsmenge (Vollelektrolytlösung) pro 24 h in ml = 4 × kgKG × % verbrannter KOF. – Hälfte innerhalb der ersten 8 h infundieren. – Zusätzlich Deckung des Basisbedarfs: ca. 30–40 ml/kgKG/d. – Tatsächliche Infusionsmenge vom aktuellen Volumenstatus (in der Klinik: Urinausscheidung, ZVD, PCWP) und der Kreislaufsituation (z. B. Hypotension) abhängig machen. – Überinfusion vermeiden → Ödemverstärkung. – Unterinfusion vermeiden → Hypoperfusion, Schock. Faustregel Anhalt für präklinische Infusionsmenge bei Patienten mit schwerer Verbrennung innerhalb der 1. h nach Verbrennung (im Schock kreislaufangepasst u. U. mehr infundieren!): ▶ Erwachsene: 1 000 ml Vollelektrolytlösung, z. B. Ringer-Lösung. ▶ Kinder: 20 ml/kgKG Vollelektrolytlösung, z. B. Ringer-Lösung. ▶ Katecholamintherapie: Nur bei Infusionstherapie-resistenter Hypotension (schwerer Schock) indiziert; z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min. ▶ Analgesie: • Opioide, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. • Alternativ oder zusätzlich: Ketamin 20–40 mg i. v./S-Ketamin 10–20 mg i. v. (Ketamin immer in Kombination mit zusätzlichem Sedativum, z. B. Midazolam 2–5 mg i. v.). ▶ Ggf. Narkose: Stets als Intubationsnarkose mit kontrollierter Beatmung: • Narkoseeinleitung: z. B. – Etomidate 0,2–0,3 mg/kgKG (20–30 mg) i. v. + Fentanyl 0,1–0,2 mg i. v. – Ketamin 1–2 mg/kgKG (50–200 mg) i. v. + Midazolam 0,1 mg/kgKG (5–10 mg); S-Ketamin 0,5–1 mg/kgKG (hier kann auf Midazolam verzichtet werden) – Propofol 2-3 mg/kgKG langsam titrieren. • Narkoseaufrechterhaltung: Mehrere Möglichkeiten, z. B. – Opioid-Benzodiazepin-Kombinationsnarkose: Fentanyl 1–4 μg/kgKG alle 10– 30 min i. v. plus Diazepam oder Midazolam 0,1 mg/kgKG alle 10–30 min i. v. (indiziert besonders im – Ketamin-Benzodiazepin-Kombinationsnarkose Schock): Ketamin 0,5–1 mg/kgKG/S-Ketamin 0,25–0,5 mg/kgKG alle 10–15 min plus Diazepam oder Midazolam 0,1 mg/kgKG alle 10–15 min i. v. ▶ Kaltwasserbehandlung: • Prinzip: Schmerzlinderung und Verminderung des Nachbrennens durch frühzeitige lokale Kühlung. • Durchführung (wenn möglich): – Kaltes Wasser ca. 10–20 min über verbrannte Hautareale fließen lassen. – Alternativ wiederholt wassergetränkte Kompressen auflegen. • Gefahren: Hypothermie, insbesondere bei Kindern! ▶ Beachte: Zu intensive und zu lange andauernde Kühlung vermeiden! ■

333

Thermische Notfälle

23

23.4 Verbrennung

▶ Abdeckung verbrannter Körperareale (nach der Kühlungsbehandlung): Mit steriler Folie (z. B. Metalline-Tücher). ▶ Therapie bei Rauchgasinhalation (S. 486): • Inhalative Kortikosteroide: z. B. Budesonid 2–4 Hübe p. i. alle 5–10 min (Nutzen fraglich, nicht obligat). • Bronchospasmolytika: z. B. – Fenoterol 2 Hübe p. i. bei Bedarf. – Theophyllin 200–400 mg i. v. ▶ Beachte: ■ • Bei Haus- und Zimmerbränden auch an Zyanidintoxikation denken (Kunststoffverbrennung)! Dann Antidote verabreichen: – 4 DAMP 3 mg/kgKG und Na-Thiosulfat 50–100 mg/kgKG i. v., max. 500 mg/kgKG (S. 453ff.). – Oder besser (aber auch teuerer) Hydroxokobolamin 5 g i. v. • Auch an Kohlenmonoxidintoxikation denken (S. 485) → möglichst 100 % O2 geben. ▶ Transportziel: • Bei schweren Verbrennungen möglichst direkte Anfahrt eines Verbrennungszentrums. • Wenn nicht möglich Transport ins nächste Krankenhaus; von dort aus nach innerklinischer Primärversorgung Sekundärverlegung. Zentrale Vermittlungsstelle für Verbrennungspatienten: Hamburg, ☎ 040 /28823998 und -3999.

334

24

Abdominelle Notfälle

24.1 Akutes Abdomen Definition und Leitsymptom S. 226 Präklinische Diagnostik S. 226 Differenzialdiagnosen S. 227

24 Abdominelle Notfälle

24.2 Akutes Leberversagen

Präklinische Akuttherapie ▶ Beachte: Eine spezifische präklinische Therapie ist praktisch nie möglich, daher: ■

• Stets Einweisung in die Klinik; insbesondere bei Hinweis auf intraabdominelle Blutung zügiger (!) Transport. • Vor Ort und auf dem Transport symptomatische Therapie (s. u.). ▶ Bei Zeichen der Hypovolämie bzw. beim hypovolämischen, hämorrhagischen oder septischen Schock: Infusionstherapie, z. B. mit Ringer-Lösung und/oder HAES 130 6 % 500–1 500 ml i. v., ggf. mehr. ▶ Bei respiratorischer Insuffizienz: Atemwegssicherung, O2-Gabe 4–8 l/min, ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Lagerung: Kreislaufstabile Patienten halbsitzende Lagerung mit Knierolle, kreislaufinstabile Patienten: Schocklagerung. ▶ Antiemetika, wenn erforderlich, z. B. Metoclopramid 10 mg (kontraindiziert bei mechanischem Ileus), DHB oder Haloperidol 1,25–2,5 mg i. v. ▶ Analgesie: z. B. Metamizol 1–2,5 g langsam i. v.; bei starken Schmerzen auch Morphin 5–10 mg i. v.; bei kolikartigen Schmerzen kombiniert mit Butylscopolamin 20– 40 mg i. v. ▶ Beachte: Auch beim akuten Abdomen ist eine suffiziente präklinische Analgesie indi■ ziert!

Erstdiagnostik in der Klinik Abdomensonografie. Abdominale Röntgenübersichtsaufnahme. Computertomografie des Abdomens. Laborchemische Untersuchungen (z. B. Blutbild, Gerinnung, Nierenwerte, Lipase, Transaminasen, Bilirubin, AP, γ-GT). ▶ Ggf. Peritoneallavage (bei anderweitig nicht abzuklärendem Verdacht auf intraabdominelle Blutung); heute kaum mehr erforderlich. ▶ ▶ ▶ ▶

24.2 Akutes Leberversagen Definition ▶ Ausfall der Leberfunktion bei Patienten ohne vorbestehende chronische Lebererkrankung.

Epidemiologie und Ursachen ▶ Relativ seltene Erkrankung in Deutschland. ▶ Virushepatitis (ca. ⅔ der Fälle). ▶ Vergiftung (ca. ⅓ der Fälle): Medikamente (Paracetamolintoxikation S. 468), Drogen, Pilze, Chemikalien. ▶ Sonstige Ursachen: Schockleber, in der Schwangerschaft HELLP-Syndrom (S. 372). 335

Abdominelle Notfälle

24

24.3 Gallenkolik

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶

Bewusstseinsstörung. Oberbauchbeschwerden (Schmerzen, Druckgefühl). Ikterus. Gerinnungsstörung.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Typische Symptomatik (insbesondere Ikterus). EKG. RR-Messung.

Therapie ▶ Präklinisch: • Flüssigkeitsgabe (z. B. Vollelektrolytlösung 500 ml). ▶ Beachte: Laktathaltige Lösungen vermeiden. ■ • Analgetika bei Schmerzen (z. B. 5–10 mg Morphin titrierend, Novalgin 1–2,5 g als Kurzinfusion). • Antiemetika bei Übelkeit (z. B. Metoclopramid 10 mg i. v.). • Im Koma Intubation und Beatmung. ▶ Klinisch: • Kausale Therapie, z. B. Schwangerschaftsbeendigung bei HELLP-Syndrom, Antidote (z. B. Acetylcystein bei Paracetamol). • MARS (Molecular Adsorbent Recirculating System): Sogenannte Leberdialyse oder Albumindialyse. Überbrückungsverfahren zur Entgiftung bis Organerholung oder bis zur Transplantation). • Lebertransplantation.

24.3 Gallenkolik Definition und Ursache ▶ Kolikartige Beschwerden bei Cholezystolithiasis (Einklemmung, Gangpassage).

Symptomatik ▶ Kolikartige Schmerzen im rechten und mittleren Oberbauch, die z. T. stundenlang anhalten. ▶ Gelegentlich Ausstrahlung in Rücken und/oder rechte Schulter. ▶ Gastrointestinale Symptome: Brechreiz, Singultus, Meteorismus. ▶ Ikterus.

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Anamnese inkl. typischer Symptome. ▶ Murphy-Zeichen: Nach Palpation der Gallenblasenregion in Exspiration tief inspirieren lassen: positiv bei schmerzhaftem Stoppen der Inspiration. ▶ Beachte: EKG obligat! Differenzialdiagnose Myokardinfarkt! ■

Diagnostik in der Klinik ▶ Sonografie: Nachweis von Gallenblasensteinen. ▶ Labor (Blutbild, γ-GT, AP, Bilirubin, Lipase, Transaminasen, CRP). ▶ ERCP: Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikografie.

336

▶ Analgetika: • Novaminsulfon 1–2,5 g langsam i. v. (besser Kurzinfusion). • Butylscopolamin 20–40 mg i. v. • Nitroglycerin 0,8 mg (2 Hübe) s. l. (Relaxation des Sphinkters). • Falls nicht ausreichend, Opiatgabe: Pethidin 25– 50 mg (geringer Enfluss auf Sphinktertonus) oder Morphin 5–10 mg. ▶ Antiemetika: • Metoclopramid 10 mg i. v. • DHB (Xomolix) 1,25 mg i. v. • Haloperidol (z. B. Haldol-Janssen) 1,25–2,5 mg i. v. • Dolasetron (Anemet) 12,5 mg i. v.

24 Abdominelle Notfälle

24.6 Obere gastrointestinale Blutung

Präklinische Therapie

24.4 Leberversagen, akutes S. 335 24.5 Gastrointestinale Blutung; obere s. u.; untere

S. 339 24.6 Obere gastrointestinale Blutung Formen s. Tab. 24.1

Tab. 24.1 • Übersicht über Formen gastrointestinaler Blutungen. Formen

Ulzera

Varizen

MalloryWeissSyndrom (MWS)

Vorkommen

Lokalisation

• Ulcus duodeni

• sehr häufig

• Duodenum

• Ulcus ventriculi

• häufig

• Magen

• Ösophagusvarizen

• häufig

• Ösophagus

• Fundusvarizen

• häufig

• Magen

• einfaches MWS

• selten

• gastroösophagealer Übergang

• BoerhaaveSyndrom

• sehr selten, Maximalform des MWS

• Ösophagus

Auslöser

Folgen

Helicobacterpylori-Infektion, Säureüberschuss, Medikamente (NSAR, Kortikosteroide)

Blutungen, selten Perforation

chron. Pfortaderhochdruck, Leberzirrhose (z. B. alkoholinduziert)

Blutungen

häufiges, z. T. massives Erbrechen

Schleimhauteinrisse, Blutungen Ösophagusruptur

337

Abdominelle Notfälle

24

24.6 Obere gastrointestinale Blutung

Symptomatik ▶ Akute Schmerzen im Oberbauch, häufig in den Rücken ausstrahlend (Akutes Abdomen; S. 335). ▶ Hämatemesis: Bluterbrechen. ▶ Meläna: Schwarzgefärbter Stuhl einige Stunden nach einem Blutungsereignis.

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Inspektion: Art und Menge des erbrochenen Blutes. • Hellrotes Blut spricht für akute Blutung. • Schwallartiges Erbrechen von hellrotem Blut → V. a. Ösophagusvarizenblutung. • Kaffeesatzerbrechen (vermutlich stattgehabte Blutung, jedoch Gefahr der Rezidivblutung). ▶ Anamnese: Bekanntes Ulkusleiden? Alkoholabusus? ▶ Blutdruck-, Pulsmessung: Hypotonie? Tachykardie? ▶ Kapilläre Reperfusionszeit (S. 31). ▶ EKG: Differenzialdiagnose Myokardinfarkt! ▶ Beachte: Bei Verdacht auf eine akute obere gastrointestinale Blutung sofortige ■ Klinikeinweisung! Eine präklinische Diagnostik der Quelle ist meist nicht möglich!

Weiterführende Diagnostik in der Klinik ▶ Endoskopie. ▶ Röntgen Abdomen.

Differenzialdiagnose ▶ Myokardinfarkt! ▶ Pankreatitis.

Präklinische Therapie ▶ O2 4–8 l/min. ▶ Atemwegssicherung, ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Volumenersatztherapie, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml oder HAES 130 6 % (bis zu 50 ml/kgKG/d). ▶ Ggf. Analgetika, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. vorsichtig fraktioniert. ▶ Keine Magensonde wegen der Gefahr der zusätzlichen Verletzung und erneuter Blutung. ▶ Bei V. a. Ösophagusvarizenblutung ggf. Einführen einer Ösophaguskompressionssonde (S. 157). ▶ Falls vom Zustand her möglich Oberkörperhochlagerung, bei Schockzeichen Schocklage. ▶ Zügiger Transport in die Klinik.

Ersttherapie in der Klinik ▶ Ulkusblutung: • Endoskopische Unterspritzung der Blutungsquelle, z. B. mit Adrenalin. • Medikamentöse Blutstillung wenig erfolgversprechend. ▶ Ösophagus- und Fundusvarizenblutung: • Endoskopische Injektion sklerosierender Mittel. • Ggf. mechanische Blutstillung mit Ösophaguskompressionssonde (S. 157). ▶ Medikamentöse Therapie der Ösophagusvarizenblutung: • Prinzip: – Medikamentöse Vasokonstriktion der Splanchnikusgefäße und Senkung des portalvenösen Druckes (Terlipressin 1–2 mg i. v.). 338

24 Abdominelle Notfälle

24.8 Untere gastrointestinale Blutung

– Kombination mit mechanischer Therapie (Ösophaguskompressionssonde, S. 157) möglich. • Gefahren: – Generalisierte Vasokonstriktion. – Myokardischämie: Vasopressin evtl. mit Nitroglycerin kombinieren. • Medikamente (Beispiele): – Vasopressin 0,4–0,8 I.E./min plus Nitroglycerin 50–400 μg/min. – Terlipressin (z. B. Glycylpressin) 1–2 mg i. v. alle 4–6 h. – Somatostatin 250 μg als Bolus i. v., dann 250–500 μg/h kontinuierlich i. v. ▶ Ösophagusruptur: Sofortige operative Therapie.

24.7 Ösophagusvarizenblutung s. obere GI-Blutung

S. 337

24.8 Untere gastrointestinale Blutung Lokalisation, Ursachen, Folgen ▶ Lokalisation: • Distaler Dünndarm. • Kolon. • Rektum. • Analkanal. ▶ Ursachen: • Kolitis. • Polypen. • Hämorrhoiden. • Tumoren. • Darmverletzungen. ▶ Folgen: • Hämorrhagischer Schock bei schwerer Blutung (selten).

Symptomatik ▶ Hellroter Blutabgang als Zeichen einer frischen, aktiven Blutung. ▶ Ggf. Schmerzen im Unterbauch oder im Analbereich. ▶ Meläna als Zeichen einer älteren Blutung ( > 8 h).

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ s. obere GI-Blutung (S. 337).

Therapie ▶ Meist keine spezifische präklinische Therapie erforderlich. Abklärung der Blutungsursache in der Klinik. ▶ Ggf. Analgetika, z. B. Morphin 5 mg i. v. ▶ Bei großem Blutverlust: Volumenersatztherapie, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml oder kolloidale Lösungen (z. B. HAES 130 6 % bis 50 ml/kgKG/Tag i. v.).

339

Neurologische Notfälle

25

25.1 Apoplex (Schlaganfall), TIA

25

Neurologische Notfälle

25.1 Apoplex (Schlaganfall), TIA Definitionen ▶ Schlaganfall (Synonyma: Apoplektischer Insult, Apoplex, engl.: stroke): Akute regionale kritische Störung der zerebralen Blutversorgung mit plötzlich einsetzenden, anhaltenden fokalen Symptomen. ▶ Transitorische ischämische Attacke (TIA): Akute zerebrale Durchblutungsstörung mit plötzlich einsetzenden fokalen Symptomen; vollständige Rückbildung innerhalb von 24 h (nach neuer Ansicht innerhalb von 1 h).

Ursachen, Risikofaktoren und Pathomechanismus s. Tab. 25.1 Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Bewusstseinsstörungen: Somnolenz, Sopor, Koma. Halbseitenlähmung: Gesicht, Arm, Bein. Sprach- oder Sprechstörungen. Gesichtsfeldausfälle, Sehstörungen. Schwindel, Übelkeit, Erbrechen. Kopfschmerzen. Basilaristhrombose: Komplexe Symptomatik mit Schwindel, fazialen Sensibilitätsstörungen, Sehstörungen.

Diagnostik ▶ Symptomkonstellation. ▶ Anamnese: Hypertonie? Frühere Schlaganfälle? Markumartherapie?

Tab. 25.1 • Ursachen, Risikofaktoren und Pathomechanismus des apoplektischen Insults.

340

Ischämie

Blutung

Ursachen

• arterielle Thrombose bei Arteriosklerose • arterielle Embolie oft kardiogener Genese (Vorhofflattern/ -flimmern) • poststenotische Minderperfusion bei RR-Abfall hinter hochgradigen Gefäßstenosen

• hämorrhagischer Infarkt bei Hypertonie, Aneurysma • Sonderfall: Subarachnoidalblutung (Kap. 343, S. 343

Mechanismus

Gefäßverschluss

Gefäßruptur

Risikofaktoren

Arteriosklerose, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Rauchen

Hypertonie, Gerinnungsstörungen

Anteil am Apoplexgeschehen

80 %

20 %

Schädigungszonen

Kernzone: Im Zentrum des Schädigungsgebietes; Gewebe zerstört, kein Strukturstoffwechsel, kein Funktionsstoffwechsel; therapeutisch nicht mehr zugänglich Penumbra-Zone: Umgibt die Kernzone; Gewebe geschädigt, Strukturstoffwechsel noch erhalten, kein Funktionsstoffwechsel; therapeutisch prinzipiell zugänglich

Zeitfenster für Lysetherapie: Zeitpunkt des Eintretens der Symptome erfragen. Bei aufgefundenen Patienten, die keine Auskunft geben können, fremdanamnestisch erfragen, wann der Patient zuletzt symptomlos war! Inspektion: Pupillendifferenz? Hängender Mundwinkel? RR-Messung. Orientierende neurologische Untersuchung. BZ-Messung. ▶ Beachte: Präklinisch kann ein ischämischer Infarkt nicht von einem hämorrhagi■ schen Infarkt unterschieden werden! ▶ In der Klinik: Kranielle Computertomografie (CCT) oder Kernspintomografie (NMR). ▶ ▶ ▶ ▶

25 Neurologische Notfälle

25.1 Apoplex (Schlaganfall), TIA

Therapie Therapeutisches Fenster: ▶ Schlaganfall ≤ 3 h. ▶ Basilaristhrombose ≤ 24 h. ▶ Deshalb zügiger Transport in geeignetes (CT, stroke unit) Krankenhaus („time is brain“). ▶ Lagerung: • Blutdruck niedrig: Flach lagern. • Blutdruck normal oder erhöht: Oberkörper hoch lagern. • Erbrechen: Stabile Seitenlage. ▶ Venöser Zugang. ▶ Merke: Venenverweilkanüle nicht am gelähmten Arm anlegen. Erhöhte Thromboph■ lebitisgefahr! ▶ O2 4–8 l/min, bei Bewusstlosigkeit Intubation und Beatmung. ▶ BZ-Einstellung < 150 mg/dl. ▶ Cave: Keine glukosehaltigen Lösungen in der präklinischen Infusionstherapie! Ge■ fahr der Hyperglykämie! ▶ Kreislaufstabilisierung: • Hypotension: Blutdrucksteigerung bis ca. 140°mmHg systolisch: – Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500-1 500 ml i. v. – Katecholamine: z. B. Akrinor 0,5-2 ml i. v. oder Dopamin 2-20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Cave: Hypotension vermeiden! Kreislauftherapie = Hirntherapie! ■ • Hypertension: Blutdruckstabilisierung bei 200 mmHg systolisch: – Keine Blutdrucksenkung bei RRsyst < 200–220 mmHg! – Bei RRsyst > 220 mmHg: Vorsichtige Blutdrucksenkung mit Urapidil 12,5-25 (-50) mg i. v. Wichtiger Hinweis: ▶ Bei einer Blutung sollte der systolische Blutdruck 170 mmHg nicht überschreiten. ▶ Da ein ischämischer Infarkt jedoch deutlich häufiger auftritt als eine Blutung, geht man i. A. präklinisch von einem ischämischen Geschehen aus und akzeptiert die höheren Blutdruckwerte. ▶ Vor sicherem Ausschluss einer Blutung (CCT/MRT) keine Lyse und keine Antikoagulation! Daher keine Lyse vor Ort, kein Heparin, kein ASS! ▶ Ggf. Sedierung mit Benzodiazepinen, z. B. Diazepam 5–10 mg i. v. 341

Neurologische Notfälle

25

25.2 Bewusstlosigkeit S. 233

▶ Weiterführende klinische Therapie bei ischämischem Apoplex: • Ggf. Lyse mit rt-Pa (Voraussetzung: Ischämie < 3 h). • Antikoagulation mit Heparin (umstritten außer bei Basilaristhrombose) und/oder ASS zur Sekundärprophylaxe.

25.2 Bewusstlosigkeit S. 233 25.3 Epiduralhämatom s. Schädelhirntrauma S. 401 25.4 Intrazerebrale Blutung Definition und Ursachen ▶ Einblutung ins Parenchym. ▶ Lokalisation: • Großhirn (parietal, temporal, frontal, okzipital). • Stammganglien (totale Stammganglienblutung, Putamen,Caudatus,Thalamus). • Hirnstamm (Pons, Mesenzephalon, Medulla oblongata, Kleinhirnblutung). ▶ Ursachen: • Primär: Meist Hypertonie. • Sekundär: Vaskuläre Malformation (Aneurysma), Antikoagulation, Schwangerschaft: Eklampsie!

Symptome ▶ Auftritt abrupt. ▶ Ausfälle lokalisiert (z. B. okulomotorische Störungen). ▶ Allgemeinsymptome als Folge der intrakraniellen Drucksteigerung: Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen (Somnolenz, Koma bei schwerer intrakranieller Drucksteigerung). ▶ Vegetative Störungen: Arrhythmien, EKG-Veränderungen, Kreislaufdysregulation (z. B. Hypertonus). ▶ Beachte: Eine intrazerebrale Blutung ist präklinisch nicht sicher von einem ischämi■ schen Schlaganfall zu unterscheiden!

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Orientierende neurologische Untersuchung inkl. GKS (Glasgow-Koma-Skala). RR-Messung. EKG. Pulsoxymetrie. In der Klinik: • CT, MRT. • Basislabor mit Gerinnung.

Therapie ▶ O2 4-8 l/min. ▶ Venöser Zugang. ▶ Vorsichtige Blutdrucksenkung auf Werte über 170 /90 mmHG mit Urapidil (25 mg in Boli). Bei unklarer Differenzialdiagnose zum ischämischen Schlaganfall können höhere Blutdruckwerte akzeptiert werden (200-220 mmHg systolisch). 342

25.5 Koma S. 233

25 Neurologische Notfälle

25.8 Subarachnoidalblutung (SAB)

▶ Frühzeitige Intubation bei Sättigungsabfall oder Bewusstseinstrübung. Blutdruckabfälle durch Sedierung vermeiden. ▶ Normoventilation anstreben (endexspiratorische CO2-Messung!). ▶ Präklinisch keine Hirndrucktherapie. ▶ Zügiger arztbegleiteter Transport in geeignete Klinik (Möglichkeit der CT-Diagnostik, idealerweise Neurochirurgie).

25.6 Schädel-Hirn-Trauma;

s. traumatologische Notfälle S. 401

25.7 Schlaganfall s. Apoplex S. 340 25.8 Subarachnoidalblutung (SAB) Definition, Ursachen und Pathomechanismus ▶ Einblutung in den Subarachnoidalraum. ▶ Sonderform des Schlaganfalls (ca. 5 % der Fälle). ▶ Ursachen: • Zerebrales arterielles Aneurysma: überwiegend Circulus arteriosus cerebri Willisii. • Schädelhirntrauma. • Begünstigende Faktoren: Hypertension, Pressen. ▶ Pathomechanismus: • Meningeale Reizung. • Reaktiver Vasospasmus: Gefahr der zerebralen Minderperfusion.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶

Plötzliche, heftige („explosionsartige“) Kopfschmerzen, besonders okzipital. Nackensteifigkeit. Bewusstseinsstörungen. Neurologische Ausfälle.

Schweregradeinteilung (nach Hunt und Hess) ▶ Grad 1: Leichte Kopfschmerzen, leichte Nackensteifigkeit. ▶ Grad 2: Starke Kopfschmerzen, Meningismus, keine Herdsymptome (außer Hirnnervenausfälle). ▶ Grad 3: Somnolenz, Verwirrtheit, leichte Herdsymptome. ▶ Grad 4: Sopor, Paresen. ▶ Grad 5: Koma.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Symptomkonstellation. Anamnese. Inspektion (Pupillendifferenz?). RR-Messung. 343

Neurologische Notfälle

25

25.9 Zerebraler Krampfanfall

Weiterführende Diagnostik in der Klinik ▶ Kranielle Computertomografie. ▶ Liquorpunktion (nur wenn CT unauffällig): Bei SAB → blutiger Liquor. ▶ Angiografie: Lokalisation des Aneurysmas.

Präklinische Therapie ▶ Lagerung: • Niedriger Blutdruck: Flach. • Normaler oder erhöhter Blutdruck: Oberkörper hoch lagern. ▶ O2 4–8 l/min, bei Bewusstlosigkeit Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung: • Angestrebte Blutdruckwerte: – Bei Normotonikern: 120–140 mmHg systolisch. – Bei Hypertonikern: 130–160 mmHg systolisch. • Hypotension: Blutdruckanhebung bis ca. 140 mmHg systolisch. – Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. – Katecholamine: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 2–20 μg/kgKG/min. • Hypertension: Blutdruckstabilisierung um 140°mmHg systolisch. – Bei RRsyst > 170 mmHg: Vorsichtige Blutdrucksenkung mit Urapidil 12,5-25 (-50) mg i. v. ▶ Analgesie: z. B. Metamizol 1–2,5 g langsam i. v., wenn nicht ausreichend Opioide (z. B. Morphin 1-5 mg fraktioniert, bei stärksten Schmerzen auch mehr). Beachten Kein ASS geben (Blutungsgefahr)! ▶ Ggf. Sedierung: Benzodiazepine, z. B. Midazolam 5 mg i. v. (wegen kürzerer Wirkdauer bevorzugen).

Weiterführende Therapie in der Klinik ▶ Ggf. operatives Aneurysmaclipping oder Coiling. ▶ Therapie bzw. Prophylaxe des Vasospasmus mit Kalziumkanal-Blockern (Nimodipin). ▶ Merke: ■ • Nachblutungsgefahr ca. 20 % innerhalb von 24 h! Hypertension vermeiden! • Gefahr der zerebralen Minderperfusion! Hypotension vermeiden!

25.9 Zerebraler Krampfanfall Definition ▶ Epileptischer Anfall: Zerebraler Krampfanfall aufgrund pathologischer synchroner neuronaler Depolarisationen. ▶ Status epilepticus: Anfallsdauer > 5 min oder Bewusstlosigkeit des Patienten zwischen einzelnen Anfällen. ▶ Merke: Krampft der Patient bei Eintreffen des Notarztes noch, so handelt es sich in ■ der Regel um einen therapiebedürftigen Status epilepticus.

Gefahren ▶ Hypoxie durch Apnoe, Atemwegsverlegung, Aspiration. ▶ Verletzungen durch unkontrolliertes Hinstürzen. ▶ Zerebrale Zellzerstörung. 344

25.9 Zerebraler Krampfanfall

▶ ▶ ▶ ▶

25 Neurologische Notfälle

Differenzialdiagnose Vergiftungen, z. B. mit Ecstasy oder Amphetaminen. Bewusstseinsstörung anderer Ursache. Synkopen. Psychogener Anfall.

Formen und Ursachen s. Tab. 25.2 Symptomatik des Grand-mal-Anfalls s. Tab. 25.3 Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Anamnese. ▶ Ggf. Krampfbeobachtung. ▶ Typische Krampffolgen wie Zungenbiss, Speichelfluss. Tab. 25.2 • Formen und Ursachen von Krampfanfällen. Formen

Vorkommen

Ausprägung und Beispiele

Ursachen

Charakteristika

Grand mal

jedes Lebensalter

Vollbild des epileptischen Krampfanfalls

• zerebral: hereditär, Hirntumoren, zerebrovaskuläre Erkrankungen, zerebrale Narben (Trauma, Einblutung, Ischämie, Operation), Entzündungen (Meningitis, Enzephalitis) • extrazerebral: Alkoholentzugssyndrom, zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS, S. 457)

Bewusstseinsverlust

Petit mal

Säuglinge, Kinder, Jugendliche

• West-Syndrom; BlitzNick-SalaamAnfälle • myoklonischastatische Anfälle, Absencen • impulsive Anfälle

hereditär, frühkindliche Hirnschädigung

Bewusstseinstrübung, kaum Krampfanzeichen

Fieberkrampf (s. auch S. 395)

Kinder zwischen 6 Monaten und 6 Jahren

Grand-malAnfall

fieberhafter Infekt mit zerebraler Beteiligung

Bewusstseinsverlust, Fieber

Krampfanfall in der Schwangerschaft

Schwangere, meist nach 30. SSW

Grand-malAnfall

Präeklampsie

Bewusstseinsverlust, Hypertonie, Ödeme

Hypoglykämischer Krampfanfall

Jugendliche und Erwachsene

Grand-malAnfall

Hypoglykämie

Bewusstseinsverlust, Hypoglykämie

345

Neurologische Notfälle

25

25.9 Zerebraler Krampfanfall Tab. 25.3 • Symptomatik des Grand-mal-Anfalls. Phase

Dauer

Symptome

präkonvulsive Phase

wenige min

Allgemeinsymptome: Kopfschmerzen, Müdigkeit, optische oder akustische Halluzinationen (Aura)

konvulsive Phase I: Tonisches Stadium

ca. 30 s

Hinstürzen, gelegentlich sog. Initialschrei, Bewusstseinsverlust bei weit geöffneten Augen, kurze Apnoe, Zungenbiss, Strecktonus der Extremitäten und des Rückens (Opisthotonus).

konvulsive Phase II: Klonisches Stadium

1–2 min

rhythmische Kontraktionen der Muskulatur, oft Einnässen und Einkoten

postkonvulsive Phase

wenige min bis mehrere h

Koma, postiktaler Nachschlaf bzw. postiktaler Dämmerzustand

▶ Anzeichen für Verletzungen bzw. Frakturen? ▶ Orientierende neurologische Untersuchung. ▶ BZ-Messung: Ausschluss einer Hypoglykämie.

Vorgehen bei abgelaufenem Krampfanfall ▶ Häufige Situation: Patient bei Ankunft des Rettungsdienstes wieder wach oder im postiktalen Dämmerzustand → Keine spezifische medikamentöse Therapie erforderlich. ▶ Weiteres Vorgehen: • Patient allein, erstmaliger Anfall, unzureichende medikamentöse Therapie→ Klinikeinweisung. • Patient in vertrauter Umgebung, bekanntes Anfallsleiden mit rezidivierenden Anfällen bei optimaler medikamentöser Einstellung: Patient kann auf eigenen Wunsch oder Wunsch der Angehörigen zu Hause bleiben; Hausarzt verständigen.

Therapie des anhaltenden Anfalls und des Status epilepticus ▶ Ziele: • Durchbrechung des Krampfanfalls (medikamentöse Therapie bis zum Verschwinden der sichtbaren Krampfaktivität). • Verhinderung krampfassoziierter Komplikationen wie Hypoxie und Verletzungen. ▶ O2 4–8 l/min. ▶ Atemwege freihalten: • Kopf leicht überstrecken, Seitenlagerung. • Die Einlage eines „Beißkeils“ ist obsolet! ▶ Medikamente: • Benzodiazepine: z. B. Diazepam 10–20 mg, Lorazepam 2–4 mg, Clonazepam 1–2 mg oder Midazolam 5–10 mg i. v., Wiederholung, wenn nach 5 min keine Wirkung. • Bei Therapieresistenz: Phenytoin 750 mg per infusionem über 20–30 min unter kontinuierlicher EKG-Überwachung. • Cave: Unter Phenytoin Gefahr von Bradykardie, Hypotension sowie ausgeprägter Venenreizung. • Bei anhaltender Therapieresistenz oder mangels Phenytoin: Thiopental 3–5 mg/ kgKG (200–500 mg) i. v. oder ein anderes Injektionshypnotikum wie Etomidate oder Propofol; stets kombiniert mit Intubation und Beatmung, evtl. Relaxierung (s. a. Kapitel 211). 346

Status epilepticus: Es handelt sich um einen lebensbedrohlichen Zustand mit hoher Letalität (bei älteren Menschen bis 50 %) und bedarf sofortiger, effektiver antikonvulsiver Therapie!

Therapie anderer Anfallsformen ▶ Hypoglykämischer Krampfanfall (s. auch S. 317): • Glukose 40–50 % 40–100 ml i. v. bis zum Sistieren der Krämpfe und Aufklaren des Bewusstseins. ▶ Krampfanfall in der Spätschwangerschaft (s. auch S. 372): • Magnesiumsulfat 2–4 g (16–32 mmol) über 5–10 min langsam i. v. Zur Eklampsietherapie effektiver als Benzodiazepine oder Phenytoin! • Alternativ oder zusätzlich Diazepam 5–20 mg i. v. ▶ Fieberkrämpfe im Kindesalter (s. auch S. 395): • Diazepam 0,3–0,5 mg/kgKG rektal. • Alternativ Chloralhydrat 1–2 Rectiolen à 0,6 mg. • Paracetamol-Zäpfchen 10–20 mg/kgKG zur Fiebersenkung (keine antikonvulsive Wirkung im Anfall; kann jedoch prophylaktisch wirken und den Krampfanfall evtl. verhindern).

25 Neurologische Notfälle

25.10 Meningitis/Enzephalitis

Diagnostik in der Klinik ▶ Elektroenzephalogramm (EEG): Charakteristische Krampfaktivität. ▶ Kranielle Computertomografie (CCT): Insbesondere bei erstmalig aufgetretenen Anfällen (Ursachensuche).

25.10 Meningitis/Enzephalitis Definition ▶ Meningitis: Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute (Meningen). ▶ Enzephalitis: Entzündung des Gehirns. ▶ Meningoenzephalitis: Entzündung des Gehirns mit Beteiligung der Hirnhäute.

Ursachen ▶ Bakteriell: • Säuglinge bis 1 Jahr: v. a. Enterobakterien, Streptokokken (B). • Kinder bis 6. Lj.: v. a. Hämophilus influenzae, Meningokokken, Pneumokokken. • Schulkinder, Jugendliche: v. a. Meningokokken, Pneumokokken, Hämophilus influenzae. • Erwachsene: Pneumokokken, Meningokokken. • Sonstige seltene Erreger in allen Altersklassen: Listerien, Pseudomonas, Staphylokokken, Tbc. ▶ Viral: • Herpesviren. • Arboviren (FSME). • Enteroviren (Polioviren). • Myxoviren (Influenza, Mumps, Masern). ▶ Protozoen, Pilze (selten): bei immuninkompetenten Patienten, z. B. als opportunistische Infektion bei AIDS.

Symptome ▶ Kopfschmerzen. ▶ Fieber. 347

Neurologische Notfälle

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25.10 Meningitis/Enzephalitis

▶ Nackensteifigkeit. ▶ Progrediente Bewusstseinsstörung. ▶ Petechiale Blutungen (Meningokokken). ▶ Merke: Bei Kindern, alten Menschen, Diabetikern und immunsupprimierten Patien■ ten können die klassischen Symptome einschließlich der Nackensteifigkeit fehlen! ▶ Kardinalsymptome der Enzephalitis: • Psychische Veränderungen. • Anfälle, neurologische Herdsymptome. • EEG-Veränderungen im akuten Stadium. • Initial unauffälliger CT/MRT-Befund.

Diagnostik ▶ Klassische Symptome. ▶ Anamnese: HNO-Infekt (Sinusitis, Mastoiditis), Z. n. Eingriff in ZNS (OP, Spinalpunktion etc.), Z. n. Trauma. ▶ RR, Pulsoxymetrie und EKG zur Überwachung. ▶ In der Klinik: Schnellstmöglich Lumbalpunktion.

Therapie ▶ Vitalfunktionen sichern, bei Aspirationsgefahr Intubation. ▶ Fieber senken (Novalgin, Paracetamol; Dosierungen S. 197, bei Kindern S. 198). ▶ Bei Krampfanfall: Antikonvulsive Therapie mit Benzodiazepinen (siehe Epilepsie S. 203). ▶ Beachte: ■ • Bei V. a. Meningitis Selbstschutz beachten (Mundschutz anlegen! Meningokokken!). • Bei Nachweis von Meningokokken Chemoprophylaxe der Umgebung (bei Erwachsenen z. B. einmalig Ciprofloxacin 500 mg per os), Aufforderung übernimmt Amtsarzt nach Eingang der Meldung. • Nach dem Einsatz Hygienemaßnahmen nach Hygieneplan (z. B. Wischdesinfektion RTW).

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26

Psychiatrische Notfälle

26.1 Grundlagen und Allgemeines Kontaktaufnahme, Anamnese und Untersuchung ▶ Siehe auch Kap.14.4, S.239. ▶ Kontaktaufnahme: • Vorstellung der eigenen Person und der Rettungsassistenten. • Beruhigendes, sicheres Auftreten. • Einschätzung der psychischen Verfassung: – Orientierung zu Person, Ort und Zeit. – Wahnvorstellungen. – Halluzinationen. – Angst, Gereiztheit, Unruhe, äußerliche Verletzungen. • Erfassung motorischer Auffälligkeiten. • Erkennen von Hinweisen, die auf das Vorliegen einer somatischen Ursache hindeutet. ▶ Eigen- und Fremdanamnese: Fragen nach jetzigen und früheren Symptomen, chronischen Krankheiten (Stoffwechselstörungen, Hirntumor), Medikamenten, Alkohol und Drogen, Suizidgedanken, Wunsch andere zu verletzen. ▶ Untersuchung: • Verletzungen, die auf somatische Ursachen schließen lassen (SHT, etc.)? • Anzeichen für metabolische Störungen? • Herz-Kreislauf-Störungen? • Ateminsuffizienz? ▶ Vorläufige Unterbringung (Zwangseinweisung): Siehe S.10.

26 Psychiatrische Notfälle

26.2 Depression

26.2 Depression Definition und Ätiologie ▶ Definition: Depression ist eine verbreitete seelische Erkrankung, die sich durch gedrückte Stimmung, Interessenverlust oder Freudlosigkeit, Schuldgefühle oder niedriges Selbstwertgefühl, gestörten Schlaf oder Appetit, Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwäche äußert (nach WHO). ▶ Ätiologie: • Exogene Depression (Auslöser erkennbar, z. B. Verlust des Partners). • Endogene Depression (eigenständige Erkrankung ohne erkennbaren Auslöser). • Altersdepression.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Gedrückte Stimmung. Interessenverlust. Antriebsstörung. Schuldgefühle. Niedriges Selbstwertgefühl. Suizidgedanken, -pläne, -handlungen.

Therapie ▶ Behandlungsindikation für den Notarzt: • Vorliegen einer Eigen- oder Fremdgefährdung (Suizidgefahr: s. S.353). • Komorbidität mit weiteren psychiatrischen Erkrankungen, die mit Desorientiertheit einhergehen. 349

Psychiatrische Notfälle

26

26.3 Erregtheitszustände

psychiatrische Symptomatik (z.B. Agitation, Verwirrtheit, produktiv psychotische Symptomatik)

somatische Ursachen? (SHT, Hirntumor, Delir, Intoxikation mit stimulierenden Drogen) nein

psychiatrischer Notfall (Erregungszustand, Suizidalität, Wahn, Desorientiertheit etc.)

akute körperliche Gefährdung? (Intoxikation, Verletzungen, Begleiterkrankungen) nein

ja Einweisung in die Klinik nach somatischer

akute Fremd- oder Eigengefährdung?* ja

Stabilisierung

somatische Notfallstation (dort psychiatrisches Konsil)

nein

psychiatrische Klinik (über PsychKG)

ambulante Stabilisierung oder psychiatrische Klinik

Abb. 26.1 • Allgemeines Vorgehen bei psychiatrischer Symptomatik.

▶ Akutintervention: Nichtmedikamentöse Krisenintervention (therapeutisches Gespräch in ruhiger Umgebung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Suizidalität). ▶ Hinzuziehen von ausgebildeten Therapeuten, z. B. im Rahmen einer akuten Belastungsreaktion durch entsprechend ausgebildetes Personal (Psychologen, Seelsorger) → „Notfallseelsorge“. ▶ Merke: Patienten in depressiver Stimmungslage nie alleine zurücklassen, sondern ■ immer für Vorhandensein einer Bezugsperson/eines „Notfallseelsorgers“ sorgen. Bei nicht auszuschließender Eigen- oder Fremdgefährdung Klinikeinweisung. ▶ Therapie bei Suizidalität s. S.354.

26.3 Erregtheitszustände Akute Belastungsreaktion ▶ Definition: In engem Zusammenhang mit einer psychischen Ausnahmesituation auftretende, meist innerhalb von Stunden abklingende Symptome der Erregung, Verwirrtheit oder Teilnahmslosigkeit mit Fehlwahrnehmung der Wirklichkeit und inadäquatem Verhalten (umgangssprachlich als psychischer Schock oder einfach nur Schock bezeichnet). 350

26 Psychiatrische Notfälle

26.3 Erregtheitszustände

▶ Ursachen: • Eigene schwere Verletzung (z. B. traumatische Amputation). • Lebensbedrohliche Verletzung oder Erkrankung Angehöriger (z. B. Erlebnis der CPR des Ehepartners). • Tod nahe stehender Personen. • Katastrophensituation, Großunfall. • Vorkommen auch bei Rettungspersonal möglich! ▶ Symptomatik: • Akuter Erregungszustand. • Gelegentlich Verwirrtheit. • Inadäquate Realitätswahrnehmung (z. B. Verleugnung des Todes des eigenen Kindes). • Aggressivität, u. U. Aggression gegen Rettungsteam. • Apathie, Teilnahmslosigkeit. • Depression. ▶ Folgen/Gefahren: • Suizidgefahr/Eigengefährdung durch inadäquates Handeln (z. B. Sprung aus dem Fenster). • Häufig Amnesie. ▶ Therapie: • Beruhigendes Zureden und einfühlsames Vorgehen. • Angehörigen vor Reanimationsmaßnahmen abschirmen. • Schutz vor eigengefährdenden Handlungen. • Ggf. symptomatische Therapie, z. B. sedieren mit Diazepam 5–10 mg i. v. oder p. o. • Nach i. v.-Sedierung sollte der Patient nie alleine zurückgelassen werden, sondern zur Überwachung mitgenommen werden. • Hinzuziehung einer Vertrauensperson, z. B. Pfarrer oder Hausarzt. • In schweren Fällen Hinzuziehung eines Psychiaters bzw. Einweisung in psychiatrische Klinik.

Angst- und Panikstörung ▶ Arten: • Panikattacke: Plötzliches Auftreten intensiver Angst in Situationen, in denen objektiv gesehen keine Gefahr besteht. • Generalisierte Angststörung: Situationsunabhängige über längere Zeit anhaltende Angst. ▶ Symptomatik: Begleitend zur Angst Vorliegen von „somatischen“ Symptomen, die meist Anlass für den Notruf sind: • Thorakale Schmerzen. • Atemnot. • Schwindel. • Herzrasen. • Spezialfall: Hyperventilation (s. u.). ▶ Therapie: • Beruhigendes Zureden. • Ggf. Benzodiazepine (Diazepam 5–10 mg i. v. oder Midazolam 2–5 mg i. v.). ▶ Beachte: Die Hauptaufgabe des Notarztes ist der Ausschluss einer somatischen Er■ krankung (z. B. Myokardinfarkt). • Ein i. v.-sedierter Patient sollte immer zur Überwachung mitgenommen werden.

Hyperventilationssyndrom/-tetanie ▶ Definition: Durch ausgeprägte, anfallsartige Hyperventilation ausgelöste Krämpfe der Muskulatur. ▶ Ursache: Inadäquate Reaktion auf Stresssituation, besonders bei jungen Menschen. 351

Psychiatrische Notfälle

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26.4 Psychosen

▶ Pathophysiologie: • Durch respiratorische Alkalose bedingte Verschiebung des Verhältnisses von ionisiertem zu eiweißgebundenem Kalzium im Blut (normalerweise etwa 1 : 1, s. a. S. 320). • Vermehrte Bindung von Kalzium an Proteine → Abnahme des freien, ionisierten und eigentlich aktiven Kalziums. • Dadurch generell gesteigerte muskuläre Kontraktionsbereitschaft und neurologische Sensationen. ▶ Symptomatik: • Ängstliche, aufgeregte Patienten. • Kribbeln und Parästhesien in Händen, Füßen und perioral. • Tonische Kontraktionen im Bereich der Hände („Pfötchenstellung“). • Tonische Kontraktionen im Bereich der Füße. • Tonische Kontraktionen im Bereich des Mundes („Karpfenmaul“). • Erhöhte Auslösbarkeit von Reflexen (Chvostek-Zeichen: Kräftige Mundwinkelzuckungen bei Beklopfen des N. facialis im Bereich der Wange). ▶ Diagnostik: • Anamnese. • Orientierende neurologische Untersuchung. • Blutdruck-, Pulsmessung. • EKG. • Ggf. Pulsoximetrie. ▶ Therapie: • Beruhigendes Zureden. • Evtl. Sedierung mit Benzodiazepinen, z. B. 5–10 mg Diazepam, 2–5 mg Midazolam titrierend. Cave: Paradoxe Reaktion auf Benzodiazepin kann Symptomatik verstärken. • Evtl. (nach vorheriger Besprechung des Vorgehens) kurzzeitige Rückatmung in eine Plastiktüte zur Anhebung des PaCO2. Cave: Hypoxie! Pulsoxymetrische Kontrolle, ggf. O2-Insufflation). ▶ Merke: ■ • Keine orale oder intravenöse Kalziumgabe, da keine Verminderung des totalen Serum-Kalziums. • Die Hyperventilationstetanie ist nicht lebensbedrohlich.

26.4 Psychosen Definition ▶ Schizophrenie und wahnhafte Psychosen sind durch Störungen des Denkens, der Wahrnehmung und des Affektes charakterisiert. ▶ Manie: Auffälligkeiten des Affektes, der Antriebs- und Willenssphäre sowie des Denkens. ▶ Stupor und Katatonie: Zustand fehlender körperlicher Aktivität mit mimischer Ausdruckslosigkeit; Aspontanität, fehlende Reaktion auf Außenreize (einschließlich Schmerzreize), extreme Antwortlatenz bis zum Mutismus.

Symptomatik ▶ Schizophrenie: • Halluzinationen (z. B. akustisch, haptisch, etc.). • Wahn. • Ich-Störungen (z. B. Gedankeneingebung, Gedankenentzug). • Katatone Symptome. ▶ Manie: • Euphorische oder dysphorische Stimmung. 352

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Körperliche Untersuchung meist wegen Gegenwehr des Patienten nicht möglich. Ggf. nach Sedierung nachholen, Ausschluss körperlicher Ursache! Fremdanamnese. EKG, RR, Pulsoxymetrie. Blutzuckermessung.

26 Psychiatrische Notfälle

26.5 Suizidversuch und Suizidalität

• Reizbarkeit. • Ideenflucht. • Inadäquat gesteigertes Selbstwertgefühl. • Distanzminderung. ▶ Stupor und Katatonie: • Kommunikationsstörung. • Handlungsstereotypien. • Echolalie/Echopraxie.

Therapie Potenzielle Eigengefährdung (Patient nie den Rücken zudrehen). Bestimmtes Auftreten, nicht provozieren. Ggf. Polizei hinzurufen. Pharmakotherapie psychiatrischer Syndrome: • Benzodiazepine: Lorazepam 1–2,5 mg i. v., Diazepam 5–10 mg i. v. (Midazolam 2– 5 mg i. v., wegen stark sedierendem Effekt weniger geeignet und für diese Indikation nicht zugelassen): – Erregungszustände ohne psychotische Symptome. – Suizidales Syndrom. – Angstsyndrome. – Depressives Syndrom. – Entzugssyndrom. – Katatones Syndrom. • Haloperidol 5–10 mg i. v.: – Erregungszustände mit psychotischen Symptomen. – Delirantes Syndrom. – Manisches Syndrom. – Paranoid-halluzinatorisches Syndrom. • Kombinationstherapie von Benzodiazepin und Haldol möglich. ▶ Beachte: Bei unkooperativen Patienten, bei denen eine i. v. oder i. m. Applikation mit ■ Eigengefährdung verbunden ist, bietet sich die nasale Applikation von Midazolam an. ▶ ▶ ▶ ▶

26.5 Suizidversuch und Suizidalität Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶

Depressive Verwirrtheit. Paranoide Wahnvorstellungen. Agitiertheit, Erregungszustand. Aggressivität gegen sich und andere.

Suizidmethoden ▶ Suizid durch äußeres Trauma (S. 399ff): • Sprung aus großer Höhe (von einer Brücke, aus dem Fenster). • Sich vor den Zug werfen. • Suizid mit dem Auto (gegen eine Wand, einen Baum fahren, Kollision mit anderem Fahrzeug suchen). 353

Psychiatrische Notfälle

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26.5 Suizidversuch und Suizidalität

• Aufschneiden von Blutgefäßen bzw. Arterien („Pulsadern“; meist Handgelenk). • Erschießen. • Erhängen. • Ertränken („ins Wasser gehen“). ▶ Suizid durch Intoxikation (S. 443ff): • Schlaf- und Beruhigungsmittel (Barbiturate; Benzodiazepine). • Alkohol; meist in Kombination mit anderen Suizidmaßnahmen. • Autoabgase (Kohlenmonoxid [CO]). • Antidepressiva. • Zyanide (Blausäure, Zyankali). • Opioide, evtl. in Kombination mit Muskelrelaxanzien (bei Angehörigen medizinischer Berufsgruppen). • Nicht-Opioid-Analgetika (Paracetamol; ASS). • Insektizide. • Herbizide.

Ersteinschätzung ▶ Suiziddrohung? ▶ Stattgehabter Suizidversuch, Patient klar ansprechbar und kommunikationsfähig und nicht vital bedroht? ▶ Stattgehabter Suizidversuch, Patient bewusstlos, vital bedroht oder reanimationspflichtig? ▶ Suizid, Patient tot.

Grundsätzliches Verhalten beim wachen suizidalen Patienten ▶ Verhalten des Arztes/der Helfer: Freundlich, verständnisvoll und anteilnehmend. ▶ Anamnese erheben und Motive erfragen: Psychische/psychiatrische Erkrankung? Akuter Anlass? Frühere Suizidversuche? ▶ Klinikeinweisung: Immer veranlassen (wenn möglich, direkt in psychiatrische Klinik), da fortbestehende Suizidneigung präklinisch nie sicher ausgeschlossen werden kann. Praktisches Vorgehen (S. 8): • Patienten von der Notwendigkeit der Maßnahme möglichst überzeugen. • Ggf. sofortige vorläufige Unterbringung („Zwangseinweisung“) veranlassen: – Polizei verständigen. – Diese nimmt auf Grundlage der Empfehlung des Notarztes Einlieferung in psychiatrische Klinik auch gegen den Willen des Patienten vor. – Gewaltanwendung gegenüber dem Patienten nur durch Polizei (Ausnahmen: Notwehrsituationen oder akute Lebensgefahr für den Patienten). ▶ Patienten nie allein lassen; stets Transportbegleitung!

Suiziddrohung ▶ Beruhigend auf Patienten eingehen; diesen möglichst verbal von seinem Vorhaben abbringen. ▶ Wenn erforderlich: Medikamentöse Sedierung: • Benzodiazepin, z. B. 5–20 mg Diazepam i. v. und/oder • schwache Neuroleptika wie Levomepromethazin 25–50 mg langsam i. v. oder i. m. ▶ Ggf. Maßnahmen zur Rettung des Patienten ergreifen, z. B. Feuerwehr alarmieren, aufblasbares Sprungkissen unter dem Fenster positionieren, o. Ä.

Suizidversuch, Patient nicht vital bedroht ▶ Erstbehandlung der Verletzungen bzw. Vergiftung (S. 399ff, 443ff). ▶ Klinikeinweisung stets veranlassen: Zunächst in chirurgische oder internistische Ambulanz, nach Versorgung Verlegung in die Psychiatrie. Praktisches Vorgehen (S. 8): 354

Suizidversuch, Patient vital bedroht ▶ Atemwege sichern, Sauerstoff 4–8 l/min, ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Schockbekämpfung: Meist hämorrhagischer Schock oder kardiogener, medikamenteninduzierter Schock: Volumentherapie und Katecholamine. ▶ Bei Vergiftungen ggf. Antidottherapie und/oder Giftelimination (S. 450). ▶ Bei Kreislaufstillstand: CPR.

26 Psychiatrische Notfälle

26.5 Suizidversuch und Suizidalität

• Möglichst im Einverständnis mit Patienten handeln, Patienten von der Notwendigkeit einer Klinikeinweisung überzeugen. • Bei Uneinsichtigkeit sofortige vorläufige Unterbringung („Zwangseinweisung“) durch Polizei veranlassen.

Suizid ▶ Keine CPR bei sicheren Todeszeichen oder nicht mit dem Leben vereinbaren Verletzungen. ▶ Bei klar erkennbaren sicheren Todeszeichen möglichst keine Veränderungen der Gegebenheiten induzieren! In Zweifelsfällen jedoch Primat der Therapie vor der Möglichkeit der Spurenverwischung. ▶ Kriminalpolizei verständigen, wenn nicht schon geschehen. ▶ Todesbescheinigung: Nicht natürlicher Tod. ▶ Beachte: Bei allen unklaren Todesfällen an Suizid oder Tod durch Fremdverschulden ■ denken!

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Ophthalmologische Notfälle

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27.1 Glaukomanfall

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Ophthalmologische Notfälle

27.1 Glaukomanfall Definition und Ursache ▶ Definition: Sich rasch entwickelndes Engwinkelglaukom mit starken Schmerzen und Erhöhung des Augeninnendrucks um das 3–5-fache der Norm. ▶ Ursache: Akute Abflussstörung des Kammerwassers bei engem Kammerwinkel, ausgelöst durch Mydriasis.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Starke Schmerzen. Rotes Auge. Sehstörungen bis hin zum Visusverlust. Übelkeit, Erbrechen. Blutdruckanstieg.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese: Bekanntes Glaukomleiden? Inspektion: Rotes Auge, mittelweite Pupillen. Palpation: Hartes Auge. EKG, Blutdruckmessung (Differenzialdiagnose: Myokardinfarkt!).

Präklinische Therapie ▶ Ziel: Verbesserung des Kammerwasserabflusses durch Engstellung der Pupille (Miosis) durch lokale Applikation von: • Parasympathomimetika, z. B. Pilocarpin 1 % alle 5–10 min 1 Tr. in das erkrankte Auge sowie evtl. • Sympatholytika (β-Blocker), z. B. Timolol 0,5 % einmalig 1 Tr. in das erkrankte Auge (cave Bradykardie und Hypotension bei Überdosierung!). Augentropfen sind häufig im Besitz des Patienten. ▶ Analgesie: Opioide, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. (verstärkt zusätzlich die Miosis!). ▶ Sofortige Einweisung in Augenklinik (sitzender Transport) zur weiteren konservativen Therapie (Reduktion der Kammerwasserproduktion durch Acetazolamid 500 mg i. v.) und Operation (Iridektomie).

27.2 Zentralarterienverschluss Ursache ▶ Verschluss der A. centralis retinae infolge: • Karotiserkrankungen. • Vorhofflimmern. • Arteriosklerose. • Ovulationshemmer und Nikotinabusus.

Symptomatik ▶ Plötzliche einseitige schmerzlose Erblindung. ▶ Ggf. vorausgegangene Amaurosis fugax.

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▶ Präklinisch: • Dringlichste Maßnahme: Sofortiger Transport in Augenklinik (Überlebenszeit der Retina ca. 1 h). • Ggf. Behandlung einer begleitenden Hypo-/Hypertonie. ▶ In der Klinik: Vorderkammerpunktion zur Druckentlastung.

27.3 Augenverletzungen Häufigste Ursachen ▶ Mechanisch: • Penetration (z. B. durch Nadel, Messer). • Stumpfe Gewalteinwirkung (Contusio bulbi, z. B. durch Tennisball). ▶ Elektrisch. ▶ Thermisch: Verbrennungen, z. B. durch heißes Wasser oder Öl. ▶ Chemisch: Verätzungen durch Säuren, Laugen.

27 Ophthalmologische Notfälle

27.3 Augenverletzungen

Therapie

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶

Schmerzen. Lichtscheu (Photophobie). Sehstörungen oder Sehverlust. Gerötetes Auge.

Diagnostik ▶ Anamnese: Verletzungshergang? ▶ Inspektion: Begleitverletzungen, v. a. im Gesicht?

Präklinische Therapie Manipulation am Auge (Ausnahme: Verätzungen und Verbrennungen, s. u.)! Penetrierende Fremdkörper in situ belassen! ▶ Sterile Abdeckung: Mullkompressen locker auflegen. ▶ Analgesie: z. B. Morphin 5–10 mg i. v.; ggf. Sedativa wie Diazepam 5–10 mg i. v. ▶ Verätzungen und Verbrennungen: Ausgiebiges Spülen des Auges mit Wasser oder Elektrolytlösung (z. B. NaCl 0,9 ‰) bzw. speziellen Augenspüllösungen (z. B. Isogutt): • Kopf zur Seite des verletzten bzw. des zu spülenden Auges drehen. • Spüllösung am inneren Lidwinkel ins Auge einträufeln und nach außen ablaufen lassen. • Ggf. Oberlid ektropionieren und z. B. mit 10 ml Spritze spülen. • Lidkrampf (Blepharospasmus) durch Aufträufeln eines Lokalanästhetikums, z. B. Lidocain 0,5–2 % durchbrechen.

▶ Keine ■

Achtung Verätzungen durch ungelöschten Kalk nicht spülen! Nur mechanische Reinigung mit Wattestäbchen, Kompressen o. Ä. ▶ Sofortige Einweisung in Augenklinik.

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Notfälle im HNO-Bereich

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28.1 Angioödem

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Notfälle im HNO-Bereich

28.1 Angioödem Definition ▶ Flüchtige, in unregelmäßigen Abständen auftretende Ödeme der Haut, des MagenDarm-Trakts, der Zunge, der Glottis, des Larynx. ▶ Synonyma: Quincke-Ödem, angioneurotisches Ödem.

Formen s. Tab. 28.1 Symptomatik ▶ Ödeme von Haut und Schleimhaut (Gesicht, Lippe, Zunge). Tab. 28.1 • Verschiedene Formen des Angioödems. Häufigkeit

Vorkommen

Anamnese

Ursache/ Auslöser

Lokalisation

rettungsmedizinisch relevant wegen Erstickungsgefahr (!)

Histaminvermitteltes Angioödem

häufigste Form

meist Erwachsene

oft bekannte Urtikaria

meist unbekannt

periorbital, perioral (Lippen).

Glottisbzw. Larynxödem!

Angioödem durch C 1EsteraseInhibitorMangel*

seltener als die Histamin-vermittelte Form

Beginn im Kindesund Jugendalter

hereditäre Form ggf. Familienanamnese, eigene Anamnese erworbene Form: ggf. Begleiterkrankung

Trauma, Operation, Stress

fazial, Extremitäten, Stamm; gastrointestinal (abdominale Schmerzattacken)

Glottisbzw. Larynxödem!

Angioödem durch ACE-Hemmer (AngiotensinConverting-Enzyme-Inhibitor)

QuinckeÖdem als gelegentliche Nebenwirkung von ACE-Hemmern

unter Einnahme von ACE-Hemmern (Herzinsuffizienz, Hypertonie); führt zu einer erhöhten Bradykinin-Konzentration

ACE-Hemmer-Therapie

Anschwellen der Zunge!

* 2 Formen: 1 Hereditär (autosomal dominant) durch absoluten Mangel oder funktionelle Störung des . C 1-Esterase-Inhibitors; 2. erworben, z. B. bei malignen Erkrankungen oder Autoantikörperbildung gegen C 1-Esterase-Inhibitor

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Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Klinisches Bild? Anamnese (C 1-Esterase-Inhibitor-Mangel? Familiäre Häufung? ACE-Hemmer?). Auskultation Pulsoxymetrie.

Therapie bei Glottis- bzw. Larynxödem ▶ ▶ ▶ ▶

O2- Gabe über Nasensonde 4–8 l/min. Ggf. Intubation und Beatmung. Wenn Intubation unmöglich: Koniotomie. Medikamentös: • Antihistaminika: Clemastin 2–4 mg i. v.; Kortikosteroide: Methylprednisolon 250 mg i. v. (Nur bei Histamin-vermitteltem Angioödem wirksam. Da aber vor Ort die verschiedenen Formen nicht sicher unterschieden werden können, wird i. A. eine Therapie mit Antihistaminikum und Kortikosteroid durchgeführt.) • Substitution von C 1-Esterase-Inhibitor: 1 000–2 000 I.E. Enzymkonzentrat oder 4– 6 Einheiten Fresh frozen plasma (FFP) (bleibt der Klinik bei C 1-Esteraseinhibitormangel vorbehalten).

28 Notfälle im HNO-Bereich

28.2 Epistaxis (Nasenbluten)

▶ Luftnot und Stridor bei Glottis- bzw. Larynxödem. Cave: Erstickungsgefahr!

28.2 Epistaxis (Nasenbluten) Ursachen ▶ Traumatisch: Meist Verletzung des Locus Kiesselbachii. ▶ Systemisch: Hypertension (hypertensive Krise), Gerinnungsstörungen.

Diagnostik ▶ Inspektion: • Fremdkörper in Nasenöffnung? • Blutung aus Mund-Rachen-Raum, nicht aus Nase? ▶ Anamnese: Äußere Umstände, Unfall. ▶ RR-, Pulsmessung. ▶ Kapilläre Reperfusionszeit. ▶ Evtl. EKG, Pulsoxymetrie. ▶ Beachte: Nach Unfall, Sturz an offenes SHT denken! ■

Differenzialdiagnosen und Einschätzung s. Tab. 250 S. 250 Therapie ▶ Digitale Kompression beider Nasenflügel über 5 min. ▶ Lagerung: Sitzend, leicht vorn übergebeugt (hydrostatischer Druck in der Nase sinkt, Blut fließt nach vorn ab). Ausnahmen: Schock, Bewusstlosigkeit. ▶ Bei stärkerer Blutung und insbesondere bei Hypotonie Volumengabe. Je nach Blutungsintensität 500 ml und mehr Elektrolytlösung (z. B. Ringer) und kolloidale Lösungen. ▶ Bei Bewusstlosigkeit: Intubation und Beatmung, sonst Gefahr der Blutaspiration und Atemwegsverlegung! ▶ Bei Hypertension: Blutdrucksenkung, z. B. mit Urapidil 25–50 mg i. v. ▶ Vordere Nasentamponade (wenn digitale Kompression ohne Erfolg): • Tamponadestreifen in Salbe tränken. • Tampograss. • Mit Pinzette in blutendes Nasenloch einführen. 359

Notfälle im HNO-Bereich

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28.3 Halsemphysem s. Pneumomediastinum S. 410

▶ Hintere Nasentamponade (wenn vordere Tamponade erfolglos): • Ballonkatheter (16–20 Ch), z. B. Blasenkatheter (Bellocq-Tamponade S.162) vorsichtig in das blutende Nasenloch bis in den Rachen (ca. 15 cm) einführen. • Blockung mit 20 ml Wasser. • Zurückziehen bis zum Widerstand; dadurch Kompression der blutenden Gefäße im hinteren Nasenbereich (Aa. ethmoidales, A. sphenopalatina). • Fixierung des Katheters vor der Nase unter Zug (z. B. durch Verknoten über einem Steg). • Ggf. beidseitig tamponieren. ▶ Unstillbare Blutung: Operative Gefäßunterbindung, in schweren Fällen Ligatur der A. carotis externa.

28.3 Halsemphysem s. Pneumomediastinum S. 410 28.4 Hörsturz Definition ▶ Plötzlich auftretende Innenohrschwerhörigkeit bis zur Ertaubung, meist aus voller Gesundheit heraus.

Hypothesen zur Ursache ▶ Regionale Durchblutungsstörungen und/oder Vasospasmen im Cochleabereich. ▶ Stress. ▶ Virusinfektion.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Schwerhörigkeit, Ertaubung auf der betroffenen Seite. Ohrensausen (Tinnitus). Druckgefühl im Ohr. Schwindel. Nystagmus (fakultativ): Vestibuläre Symptome; prognostisch ungünstig.

Diagnostik ▶ Anamnese. ▶ Blutdruckmessung.

Therapie Präklinische Therapie umstritten und nicht obligat! Bisher keine spezifische Therapie. Vasodilatatoren wie Kalziumantagonisten oder Pentoxiphyllin sind unwirksam! Evtl. rheologische Therapie: Mikrozirkulationsverbesserung durch Kolloide, z. B. HAES 200 6 % 500 ml i. v. ▶ Cave: Unter HAES Gefahr der Hyperhydratation und Linksherzinsuffizienz! ■ ▶ ▶ ▶ ▶

28.5 Pneumomediastinum S. 410

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(Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29.1 Geburt: Phasen, generelles Vorgehen, präklinische

Diagnostik

Phasen der Geburt inkl. generelles notärztliches Vorgehen ▶ Eröffnungsphase: • 30–60 s andauernde Wehen im Abstand von 5–10 min; Abgang von Fruchtwasser (Blasensprung) und blutigem Schleim. • Generelles notärztliches Vorgehen: – Zügiger Transport der Patientin in Linksseitenlage in die Klinik, Voranmeldung auf geburtshilflicher Abteilung! – Ggf. Tokolyse: Verabreichung von β2-Mimetika, wenn erforderlich (z. B. langer Transportweg, zu erwartende komplizierte Geburt), z. B.: Fenoterol 2–5 Hübe p. i. oder Salbutamol 2–5 Hübe p. i. ▶ Austreibungsphase: • Zunahme der Wehenfrequenz: 30–60 s andauernde Wehen im Abstand von 2 min; instinktiver Pressdrang der Mutter; kindlicher Kopf wird in der Scheide sichtbar: – Normalerweise: Kopf in Hinterhauptslage, Gesicht zum Rücken der Mutter; sichtbar ist die kleine Fontanelle. – Regelwidrige Lagen (S. 365). • Generelles notärztliches Vorgehen: – Normale Geburt: Entbindung an Ort und Stelle durchführen (s. u.). – Pathologische Geburt und Komplikationen, die vor Ort nicht gelöst werden können: Möglichst rascher Transport in die Klinik unter Tokolyse, falls verfügbar i. v., sonst p. i. (s. o.). ▶ Beachte: Wenn die Schwangere bei drohender Geburt in die Klinik gebracht werden ■ soll, Patientin mit Beinen in Fahrtrichtung auf die Trage lagern, damit im RTW bei einsetzender Geburt leichter Hilfestellung gegeben werden kann. ▶ Nachgeburtsphase: • Abstoßung der Plazenta, Kontraktion des Uterus. • Generelles notärztliches Vorgehen: – Überwachung des Blutverlustes! Normalerweise nur geringer Blutverlust von ca. 500 ml; Gefahr: Atonische Blutung mit hämorrhagischem Schock (S. 256). Bei größerem Blutverlust Tonisierung des Uterus mit: Oxytocin (Orasthin, Syntocinon) 10 bis 20 I.E. langsam i. v. (z. B. zunächst 3 I.E. als Bolus i. v., dann 10 I. E. zur Infusion zugeben); in schweren Fällen zusätzlich Methylergometrin (Methergin) 0,2–1 mg i. v. (Cave: Gefahr einer hypertensiven Krise!) – Versorgung der Neugeborenen (S. 367): Überwachung der Adaptationsprozesse Atmung und Kreislaufumstellung; Abnabelung (S. 367), Erstversorgung (S. 367), ggf. Reanimation (S. 138).

29 (Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29.1 Geburt: Phasen, generelles Vorgehen, präklinische Diagnostik

Präklinische geburtshilfliche Diagnostik ▶ Anamnese, Mutterpass einsehen! ▶ Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung bei der Mutter. ▶ Vaginale Untersuchung (mit sterilen Handschuhen): Voraussetzung Fruchtwasserabgang und andauernde Wehen. • Normal: Nur der Kopf ist zu tasten. • Abnormal (pathologische Geburt zu erwarten): Kein Kopf oder nicht nur der Kopf tastbar: – Beckenendlage (Steiß, Beinchen). – Querlage (Ärmchen). 361

(Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29

29.1 Geburt: Phasen, generelles Vorgehen, präklinische Diagnostik

a

b

c

d

Abb. 29.1 • Palpation des Beckens und Abdomens zur Ermittlung der Kindslage: a) 1. LeopoldHandgriff; b) 2. Leopold-Handgriff; c) 3. Leopold-Handgriff; d) 4. Leopold-Handgriff.

– Armvorfall. – Nabelschnurvorfall (pulsierend tastbar). – Deflexionshaltung – Gesichtslage. – Ödem der eingeklemmten vorderen Muttermundslippe. ▶ Palpation des Beckens und Abdomens (Ermittlung der Kindslage): • 1. Leopold-Handgriff (s. Abb. 29.1a): Palpation am Oberrand des Uterus zwischen Nabel und Rippenbogen zur Feststellung des Fundusstandes. Normaler Fundusstand: Ende 36. Woche am Rippenbogen, Ende 24. Woche am Nabel. • 2. Leopold-Handgriff (s. Abb. 29.1b): Seitliche Palpation des Uterus zur Feststellung der Lage (Längs- oder Querlage) und Stellung des Rückens. • 3. Leopold-Handgriff (s. Abb. 29.1c): Palpation oberhalb der Symphyse zur Überprüfung der Poleinstellung (Schädel- oder Steißlage). • 4. Leopold-Handgriff (s. Abb. 29.1d): Überprüfung des Höhenstands des vorangehenden Kindsteils im Vergleich zum Beckeneingang.

Notwendiges Instrumentarium (Geburts-Set) ▶ Sterile Tücher. ▶ Sterile Klemmen und Scheren. 362

29.2 Normale Geburt Voraussetzungen ▶ Schädellage des Kindes (96 % aller Geburten). ▶ Kein Missverhältnis zwischen fetalem Kopfdurchmesser und mütterlichem Becken.

Geburtshilfliche Maßnahmen ▶ Verbale Unterstützung des Pressens durch den Notarzt. Aufforderung an die Mutter auf dem Höhepunkt der Wehe: „Kopf anheben, Kinn auf die Brust, Luft anhalten, kräftig drücken“. ▶ Dammschutz (s. Abb. 29.2): Schutz des Beckenbodens vor dem Zerreißen beim Durchtritt des kindlichen Kopfes. Durchführung: • Mit einer Hand und abgespreiztem Daumen gegen den Damm drücken. • Mit der anderen Hand den Kopf führen und abbremsen (Gewebe Zeit zur Dehnung lassen).

29 (Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29.2 Normale Geburt

▶ Sterile Unterlagen für die Mutter. ▶ Sterile Handschuhe für den Arzt. ▶ Wärmeschutzfolie oder Decke für das Neugeborene.

Abb. 29.2 • Dammschutz.

Abb. 29.3 • Mediolateraler Dammschnitt (Episiotomie).

363

29.2 Normale Geburt

(Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29

Abb. 29.4 • Schulterentwicklung: a) Entwicklung der vorderen Schulter; b) Entwicklung der hinteren Schulter.

▶ Mediolateraler Dammschnitt (Episiotomie, s. Abb. 29.3): Möglicherweise indiziert bei verzögerter Geburt und blassem, stark gespanntem Damm. Durchführung: • Mit steriler Schere ca. 2–4 cm vom untersten Punkt der Vaginalöffnung 30–45° nach lateral schneiden. • Schnitt während einer Wehe vornehmen; dann meist keine Lokalanästhesie erforderlich. ▶ Vorsicht: Verletzungsgefahr des Kindes. ■ ▶ Schulterentwicklung nach Durchtritt des Kopfes (s. Abb. 29.4): • Kopf mit beiden Händen seitlich halten. • Zunächst die vordere (obere) Schulter entwickeln (s. Abb. 29.4a). • Dann die hintere (untere) Schulter entwickeln (s. Abb. 29.4b).

Postpartale Maßnahmen ▶ Abnabelung: 2 Klemmen 10–20 cm vom Nabel entfernt auf die Nabelschnur setzen. Nabelschnur dazwischen mit Schere durchtrennen (siehe auch S. 367, s. Abb. 29.6). ▶ Neugeborenenversorgung (S. 367): Wichtigste Maßnahmen: • Abtrocknen und Wärmeschutz: Vorbeugen eines Wärmeverlusts durch Einhüllen des Neugeborenen in Decke oder Wärmeschutzfolie. • Freisaugen der Atemwege (wenn erforderlich): Zunächst Mund und Rachen, dann Nase. ▶ Hinweis zur Nachgeburt: ■ • Die Plazenta kann bis zur Ankunft in der Klinik in utero belassen werden, Bemühungen zur Entwicklung der Nachgeburt sind rettungsmedizinisch nicht indi364

Unkomplizierte Geburt ▶ Klinikaufnahme von Mutter und Kind bei unkomplizierter Geburt und lebensfrischem Neugeborenen (APGAR 9-10 nach 10 min) nicht obligat. ▶ APGAR-Score dokumentieren! ▶ Dennoch sollten eine Hebamme und ggf. ein Gynäkologe zum Versorgen von Geburtsverletzungen und zur Kontrolle der Plazenta auf Vollständigkeit hinzugezogen werden. ▶ Bevor die Nachgeburt nicht auf Vollständigkeit überprüft ist, sollte die Mutter vom Notarzt weiter betreut werden.

29.3 Pathologische Geburt Häufigste Situationen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

29 (Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29.3 Pathologische Geburt

ziert! Falls entwickelt, Nachgeburt sichern und zur Kontrolle der Vollständigkeit in Klinik mitnehmen.

Beckenendlage. Querlage. Nabelschnurvorfall. Armvorfall. Regelwidrige Kopflagen (Vorderhaupts-, Stirn- oder Gesichtslage).

Grundsätzliches Vorgehen ▶ Stets Mutterpass einsehen! Meist sind pathologische Kindslagen durch frühere (Ultraschall)untersuchungen bekannt. ▶ Schneller Transport in die Klinik, wenn immer möglich (Voranmeldung Geburtshilfe!). ▶ Erfahrenen Geburtshelfer nachfordern, wenn möglich! ▶ Lagerung: Kopftief-Beckenhochlagerung auf der linken Seite. ▶ Tokolyse mit β2-Mimetika, z. B.: • Fenoterol 2–5 Hübe p. i.; repetitiv alle 5–10 min. • Bei längerem Transportweg Fenoterol 10 μg als Bolus langsam i. v., dann 2–5 μg/ min kontinuierlich i. v. ▶ Ggf. Hochdrücken und Hochhalten des kindlichen Kopfes von vaginal mit der Hand (sterile Handschuhe!). Obligat bei Nabelschnurvorfall. ▶ Beachte: Niemals an heraushängenden Händen, Füßen oder an der Nabelschnur zie■ hen!

Vorgehen bei Beckenendlage (meist Steißlage) ▶ Definition: Kindslage in Längsachse des Uterus mit vorangehendem Becken. ▶ Gefahr: Während der Austreibungsphase Gefahr der fetalen Hypoxie durch Kompression der Nabelschnur durch den kindlichen Kopf, der im Gegensatz zur normalen Geburt zuletzt durch das Becken tritt, das so unzureichend vorgedehnt ist. ▶ Maßnahmen in der Eröffnungsphase: • Tokolyse, z. B. mit Fenoterol 2–5 Hübe p. i.; repetitiv alle 5–10 min. • Sofortiger rascher Transport in die Klinik (Voranmeldung Geburtshilfe!). • Lagerung: Kopftief-Beckenhochlagerung auf der linken Seite. ▶ Maßnahmen in der Austreibungsphase: • Möglichst sofort erfahrenen Geburtshelfer nachfordern! • Nach Entwicklung der Schulter kindlichen Kopf möglichst rasch (innerhalb von 1 min!) mittels Bracht-Handgriff (s. Abb. 29.5) entwickeln: – Steiß mit beiden Händen umgreifen. – Über die Symphyse auf den Bauch der Mutter führen. – Ein Helfer drückt dabei leicht von oben durch die Bauchdecke den kindlichen Kopf in Richtung Beckenausgang. 365

29.3 Pathologische Geburt

(Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29

Abb. 29.5 • Bracht-Handgriff zur vaginalen Entwicklung eines Kindes in Beckenendlage.

Vorgehen bei Querlage ▶ Definition: Kindslage quer zur Uteruslängsachse. ▶ Gefahr: Mit dem Blasensprung einsetzende Gefahr für Mutter und Kind durch Armvorfall, Abknicken des Kindes, Uterusruptur. ▶ Beachte: Bei Querlage ist eine vaginale Geburt unmöglich! ■ ▶ Maßnahmen: • Tokolyse (s. o.). • Sofortiger rascher Transport in die Klinik mit Voranmeldung Geburtshilfe! • Lagerung: Kopftief-Beckenhochlagerung auf der linken Seite.

Vorgehen bei vorzeitigem Blasensprung ▶ Definition: Einriss der Fruchtblase mit spontanem Abgang von Fruchtwasser vor Beginn der Wehen. ▶ Gefahr: Nabelschnurvorfall (s. u.), Armvorfall (S. u.). ▶ Therapie: Patientin in Linksseitenlage in die Klinik transportieren.

Vorgehen bei Nabelschnurvorfall ▶ Definition: Vorfallen einer oder mehrerer Nabelschnurschlingen vor dem im Geburtskanal vorangehenden Kindsteil. Auftreten unmittelbar nach dem Blasensprung. ▶ Gefahr: Druckstenosierung der Nabelschnurgefäße (Nabelschnurkompression) mit intrauteriner Hypoxie. Lebensgefahr für das Kind! ▶ Diagnostik bei sichtbarer Nabelschnur: Bei Palpation der Nabelschnur zeigt Pulsieren eine noch vorhandene Durchblutung und die Herzfrequenz des Kindes an. ▶ Maßnahmen: • Transvaginales Hochdrücken des kindlichen Kopfes durch die Hand des Notarztes (sterile Handschuhe!) zur Dekompression der Nabelschnur bis zur Entbindung mittels Sektio. • Tokolyse • Sofortiger rascher Transport in die Klinik (Voranmeldung Geburtshilfe!). • Lagerung: Kopftief-Beckenhochlagerung auf der linken Seite.

Vorgehen bei Armvorfall

366

▶ Definition: Vorfallen von Hand und Arm aus dem Geburtskanal. Auftreten unmittelbar nach dem Blasensprung; v. a. bei Querlage, aber auch bei Schädellage möglich. ▶ Gefahr: Stopp des Geburtsverlaufs und in der Folge kindliche Hypoxie.

29.4 Neugeborenenversorgung Notwendige Maßnahmen: Übersicht Abnabeln. Abtrocknen und Wärmeschutz. Freisaugen der Atemwege. Einschätzung des Neugeborenen und ggf. Beginn mit Reanimationsmaßnahmen: ▶ Beachte: Das normale Kind schreit nach der Geburt sofort, entwickelt rasch eine re■ gelmäßige Atmung (etwa 30–40 /min) und hat eine Pulsfrequenz von etwa 130– 140 /min. • Hautfarbe (Aussehen des Stamms): Rosig oder zyanotisch? – Wenn rosig (und Kind schreit) → Keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Kind Mutter in den Arm geben. – Wenn zyanotisch → Atmung prüfen. Zeichen für Adaptationsstörung. • Atmung: Ausreichend oder unzureichend? (Inspektion, Auskultation). – Wenn ausreichend → Sauerstoffgabe. – Wenn unzureichend → Taktile Stimulation der Atmung (s. u. und S. 139), Absaugen, ggf. Beatmung und Überprüfung des Pulses. • Puls: Puls tasten an der Basis der Nabelschnur. – Wenn ≥ 60 /min → Weiter beatmen, bis Spontanatmung ausreichend und Herzfrequenz ≥ 100 /min. – Wenn bradykard ( < 60 /min) → Weiter beatmen, Beginn mit Herzdruckmassage und medikamentöser CPR (S. 142). ▶ Erhebung des APGAR-Score (S. 368 und Tab. 28.2). ▶ ▶ ▶ ▶

29 (Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29.4 Neugeborenenversorgung

▶ Maßnahmen: • Tokolyse (s. o.). • Sofortiger rascher Transport in die Klinik (Voranmeldung Geburtshilfe!). • Lagerung: Kopftief-Beckenhochlagerung auf der linken Seite.

Abnabeln ▶ Abklemmen der Nabelschnur durch Klemmen 10–20 cm vom Nabel entfernt (s. Abb. 29.6). ▶ Durchtrennen der Nabelschnur zwischen den Klemmen mit einer Schere. ▶ Kind dabei möglichst in Höhe des Uterus halten: • Kind zu tief: Blutvolumenumverteilung Plazenta → Kind; Folge: Verstärkung des Neugeborenenikterus. • Kind zu hoch: Blutvolumenumverteilung Kind → Plazenta; Folge: Volumenverlust beim Kind.

Abtrocknen und Wärmen ▶ Abtrocknen und Abdecken des Kindes mit warmer Decke; alternativ kann auch Wärmeschutzfolie oder Alu-Folie verwendet werden.

▶ Hinweis: ■

• Abtrocknen reicht meist als Stimulans für eine ausreichende Spontanatmung aus! • Die kindliche Kaseinschicht schützt vor Wärmeverlust und kann präklinisch belassen werden.

Freisaugen der Atemwege ▶ Indikation: Nur bei gestörter Atmung! Nicht routinemäßig bei normaler Adaptation. ▶ Vorgehen: Zunächst Mund und Rachen, dann Nase. ▶ Material: Dünner Absaugschlauch (8 oder 10F). 367

(Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29

29.4 Neugeborenenversorgung

Abb. 29.6 • Abnabelung des Neugeborenen.

Tab. 28.2 • APGAR-Score zur Beurteilung der Vitalität des Neugeborenen. Punkte

Atmung

Puls

Grundtonus

Aussehen

Reflexe

0

keine

kein

schlaff

blau (blaue Asphyxie) blass (weiße Asphyxie)

keine

1

unregelmäßig

< 100

träge

Stamm rosig, Extremitäten blau

Grimassieren

2

regelmäßig

> 100

Spontanbewegungen

rosig

Schreien

Erhebung des APGAR-Score ▶ Siehe auch S. 139; Apgar ist eigentlich ein Eigenname; er wird jedoch zur Merkhilfe gerne als Akronym umgedeutet (s. Tab. 28.2). ▶ Zweck: Dokumentation der Vitalität bzw. der Adaptationsstörungen des Neugeborenen. ▶ Beurteilungskriterien: Beurteilt und mit jeweils 0, 1 oder 2 Punkten bewertet werden die in Tab. 28.2 aufgeführten Aspekte. ▶ Zeitpunkt: 1, 5 und 10 min nach Geburt. ▶ Interpretation: Addition der Punktzahlen aller 5 Kategorien: • APGAR 8–10: Kind gesund; Mutter in die Arme geben. • APGAR 4–7: Mäßige Störung: Sauerstoffgabe, Atemwegssicherung. Genaue Beobachtung bis zur Besserung der Vitalität. • APGAR 0–3: Vitalfunktionsstörung: Neugeborenenreanimation (S. 138).

Vorgehen bei Adaptationsstörungen ▶ Definition: Mangelhafte Anpassung des Neugeborenen an die extrauterinen Bedingungen; v. a. mangelhaftes Einsetzen der Atmung. ▶ Gefahr: Hypoxie, zerebrale Schäden, Tod des Neugeborenen. ▶ Symptome und Zeichen: • Insuffiziente oder fehlende Atmung nach 90 s. • Bradykardie < 100 /min bzw. Asystolie. • Zyanose, Areflexie, fehlende Spontanbewegungen. ▶ Maßnahmen (S. 139): • Taktile Stimulation der Atmung: – Abtrocknen und Absaugen. – Reiben der Fußsohlen und des Rückens. • Sauerstoffgabe: Möglichst FiO2 40–50 % anstreben. • Beatmung mit Maske. • Beginn der Neugeborenenreanimation (S. 138). 368

29 (Drohende) Geburt im Notarzteinsatz

29.4 Neugeborenenversorgung

Abb. 29.7 • Ersteinschätzung des Neugeborenen und therapeutische Konsequenzen.

369

Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30

30.1 Grundprinzipien der Notfallversorgung in der Schwangerschaft

30

Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30.1 Grundprinzipien der Notfallversorgung in der

Schwangerschaft Allgemeine Vorbemerkungen ▶ Keine Panik! ▶ Bei vitaler Indikation für Mutter nicht aus falscher Angst heraus auf notwendige medikamentöse Therapie verzichten, aber stets an Mutter und Kind denken! ▶ Schwangere neigen zu Ödembildung, was im Falle der Sicherung der Atemwege zu Intubationsschwierigkeiten führen kann, keine frustranen Mehrfachversuche, unter Maskenbeatmung oder Larynxmaske in die Klinik fahren! Die Patientin stirbt an der Hypoxie, nicht an der fehlgeschlagenen Intubation.

Zur Erinnerung: Phasen der Schwangerschaft ▶ Embryonalperiode (1.–12. SSW): Organogenese (Tag 15–60 nach Konzeption): höchstes Missbildungsrisiko. ▶ Fetalperiode (ab 13. SSW): Histiogenese, funktionelle Reifung. ▶ Peripartalperiode.

Zur Erinnerung: Für den Einsatz im Notfall wichtige physiologische Veränderungen während der Schwangerschaft ▶ Atmung: • Zwerchfellhochstand. • Anstieg des Atemminutenvolumens (ab der 10.–12. SSW), um bis zu 50 % am Geburtstermin, Steigerung der Atemfrequenz und des Atemzugvolumens. • Abnahme der funktionellen Residualkapazität (ab der 20. SSW) um ca. 20 % → schnellerer paO2-Abfall bei Apnoe. • Zunahme des Sauerstoffverbrauchs, am Geburtstermin 20 % über Ausgangswert. • BGA: Chronisch kompensierte respiratorische Alkalose (durch physiologische Hyperventilation). ▶ Herz-/ Kreislauf: • Zunahme des Herzzeitvolumens, der Herzfrequenz (ca. 20 % über Ausgangswert) und des Schlagvolumens. • Abnahme des peripheren und des pulmonalen Gefäßwiderstandes. • Leichte Abnahme des arteriellen Blutdruckes (v. a. diastolisch). ▶ Blutzusammensetzung und Gerinnung: • Mäßige Leukozytose (10 000–15 000 /µl). • Zunahme des Gesamtblutvolumens mit Abnahme des Hämatokrits um ca. 10– 15 % infolge Hämodilution (Plasmavolumen 30–40 % in der 30.–34. SSW, Erythrozytenzahl steigt langsamer). • Hyperkoagulabilität (größere Gefahr thromboembolischer Komplikationen). • Verminderte fibrinolytische Aktivität während der Schwangerschaft, unter der Geburt jedoch gesteigert. • Abnahme der Plasmaalbuminkonzentration durch Hämodilution (Ödemneigung). ▶ Magen-Darm-Trakt: • Anstieg des intragastralen Drucks und Abnahme des gastroösophagealen Sphinkters (Reflux!) (erhöhtes Aspirationsrisiko bei verminderten Schutzreflexen). • Verzögerung der Magenentleerung unter Geburt (Aspirationsrisiko erhöht).

370

▶ Potentielle Schädigung abhängig vom Entwicklungsstadium: • In den ersten beiden Wochen: „Alles-oder-Nichts“-Gesetz. • Tag 15–60 nach Konzeption: Höchstes Missbildungsrisiko! • Peripartal pharmakologische Effekte beim Säugling: Sedierung und Atemdepression durch Benzodiazepine und Morphine. ▶ Vasoaktive Substanzen (Katecholamine, Vasokonstriktoren und -dilatatoren): • Gefahr der Uterusminderperfusion bei beiden Substanzklassen! • Möglichst nur Medikamente mit bekannt günstiger Wirkung auf die uteroplazentare Einheit einsetzen, z. B.: – Bei Hypotension: Akrinor. Dosierung S. 177. – Bei Hypertension: Urapidil, Nifedipin, Dihydralazin. Dosierung S. 179. ▶ Schmerztherapie: • Nichtopioidanalgetika: – Mittel der Wahl: Paracetamol während allen Schwangerschaftsphasen! – Acetylsalicylsäure in antipyretischer Dosis, Ibuprofen und Diclofenac nicht im letzten Trimenon (Gefahr des frühzeitigen Verschluss des Ductus Botalli). – Novalgin wegen Gefahr der Störung der Hämatopoese kontraindiziert. • Opioide: Keine Kontraindikation bei Schmerzen in der Spätschwangerschaft, aber: – Bei bevorstehender Geburt Opioide wegen Gefahr der fetalen Atemdepression zurückhaltend einsetzen und vorsichtig titrieren (z. B. titrierende Gabe von Morphin in 2 mg-Einzeldosen oder Tramadol in 25 mg-Einzeldosen i. v.). – Für die „normale Geburt“ werden meist keine Opioide benötigt. • Vorgehen bei (befürchteter) perinataler Opioid-Überdosierung oder -intoxikation: – Naloxon bereitlegen zur Injektion beim Neugeborenen. – Applikation i. v., i. m. empfohlen. ▶ Beachte: Die allgemeine (nicht evidenzbasierte) Dosisempfehlung ist 0,1 mg/ ■ kgKG. Die ILCOR empfiehlt die Antagonisierung nicht mehr. Bei opiatabhängiger Mutter kann beim Neugeborenen ein Entzugssyndrom mit Krampfanfällen auftreten. Falls dennoch antagonisiert werden soll, dann nur sehr vorsichtig titrieren (z. B. in 0,01 mg/kgKG-Schritten). Die Dosierungsangaben der Hersteller schwanken je nach Präparat zwischen 0,01 und 0,1 mg/kgKG. – Maßnahmen zur Beatmung des Neugeborenen treffen (siehe Neugeborenenreanimation, S. 141). ▶ Antikonvulsive Therapie: Indiziert bei Krampfanfällen: • Magnesiumsulfat: Bei der Therapie der Eklampsie Mittel der Wahl und effektiver als Benzodiazepine oder Phenytoin. Uterusrelaxation, Blutdrucksenkung, Vasodilatation und antiarrhythmische Wirkung sind in dieser Situation meist erwünschte Effekte des Magnesiums. Vorsicht bei Nierenfunktionsstörungen! Dosierung: 2–4 g (16–32 mmol) über 5–10 min i. v., anschließend 1–2 g/h i. v. • Alternativ: Benzodiazepine, z. B. Diazepam 5–10(–20)mg i. v. ▶ Beachte: ■ – Ein Status epilepticus ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der unbedingt behandelt werden muss. – Bei Eklampsie ist Magnesium Mittel der Wahl, ansonsten können Benzodiazepine eingesetzt werden und bei Versagen kann eine Narkoseeinleitung mit Trapanal durchgeführt werden. – Alle klassischen Antikonvulsiva erhöhen das Missbildungsrisiko (am meisten Valproinsäure).

30 Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30.1 Grundprinzipien der Notfallversorgung in der Schwangerschaft

Hinweise zur medikamentösen Notfalltherapie während der Schwangerschaft

371

Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30

30.2 Aortokavales Kompressionssyndrom

30.2 Aortokavales Kompressionssyndrom Definition und Symptomatik ▶ Aortokavales Kompressionssyndrom = Kompression der V. cava inferior und (in geringerem Ausmaß) der Aorta abdominalis durch den zunehmend größer und schwerer werdenden Uterus in Rückenlage. ▶ Symptomatik: • Blutdruckabfall. • Tachykardie. • Schocksymptomatik bis hin zur Bewusstlosigkeit und Reanimationspflichtigkeit. • Beginnt klinisch oft mit Schwindel und Übelkeit. • Besserung in Linksseitenlage.

Bedeutung ▶ Kein eigenständiger Notfall (!), sondern Komplikation anderer Notfälle in der Spätschwangerschaft, die z. B. durch Bewusstlosigkeit und falsche Lagerung (Rückenlage) ausgelöst wird. ▶ Folgen: Gefahr für Mutter und Kind! • Blutdruckabfall und Verminderung des Herzzeitvolumens. Extremform: Obstruktiver Schock. • Abnahme der uterinen Durchblutung und Abnahme der fetalen Sauerstoffversorgung. Extremfall: Intrauterine Hypoxie.

Prophylaxe und Therapie ▶ Wichtigste (!) Maßnahme: Mutter in Linksseitenlage bringen, sofern sie es nicht selbst tut. Rücken evtl. mit Kissen o. Ä. abstützen. Ggf. Uterus manuell zur Seite halten. ▶ Beachte: Patientinnen in der Spätschwangerschaft nur in Linksseitenlage, wenn ■ nicht anders möglich alternativ auch in Rechtsseitenlage transportieren!

30.3 Atonie s. postpartale Blutungen S. 375 30.4 Eklampsie/Präeklampsie/HELLP-Syndrom Definitionen ▶ Präeklampsie: Schwangerschaftskomplikation mit den Symptomen Ödeme, Proteinurie, Hypertonie (Synonym: EPH-Gestose = edema, proteinuria and hypertension). ▶ Eklampsie: Zusätzlich zerebrale Krampfanfälle. ▶ HELLP-Syndrom: Zusätzlich zu den Symptomen der Präeklampsie Hämolyse, Leberenzymanstieg, Leberschwellung, Thrombozytopenie (HELLP = Hemolysis, elevated liver enzymes and low platelet count).

Auftreten, Ursache und Pathophysiologie ▶ Auftreten in der Spätschwangerschaft, meist nach der 30. Schwangerschaftswoche. ▶ Ursache wahrscheinlich autoimmunologische Folge einer Plazentationsstörung mit mikrovaskulärer generalisierter Durchblutungsstörung aufgrund eines erheblichen Ungleichgewichts zwischen vasodilatierenden (Prostazyklin) und vasokonstringierenden (Thromboxan) Prostaglandinen. ▶ Trotz Hypertension oft schwerer Volumenmangel (aufgrund ausgeprägter Vasokonstriktion!). 372

▶ ▶ ▶ ▶

Hypertension bis hin zur hypertensiven Krise oder zum hypertensiven Notfall. Generalisierte Ödeme, v. a. an Beinen und Füßen; gelegentlich auch Lungenödem. Akutes Abdomen: Oberbauchschmerzen bei HELLP-Syndrom; Übelkeit, Erbrechen. Zerebrale Krampfanfälle: Bei Eklampsie.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese: Schwangerschaft? Wievielte Schwangerschaftswoche? Mutterpass: Hypertonus bekannt? Bereits frühere Anzeichen für Präeklampsie? Inspektion: Ödeme? Vitalparameter Blutdruck, Puls, EKG.

Therapie ▶ Linksseitenlage mit erhöhtem Oberkörper lagern. ▶ O2-Gabe 4–8 l über Nasensonde. ▶ Antikonvulsive Therapie bei Krampfanfällen: • Magnesiumsulfat: Bei Eklampsie Mittel der Wahl und effektiver als Benzodiazepine oder Phenytoin; Uterusrelaxation, Blutdrucksenkung, Vasodilatation und antiarrhythmische Wirkung sind in dieser Situation meist erwünschte Effekte des Magnesiums; Vorsicht bei Nierenfunktionsstörungen! Dosierung: 2–4 g (16– 32 mmol) über 5–10 min i. v.; anschließend 1–2 g/h i. v. • Alternativ Benzodiazepine, z. B. Diazepam 5–10(–20) mg i. v. ▶ Blutdrucksenkung: Vorsichtige Senkung, nicht mehr als 30 % pro Stunde; z. B. mit • Nifedipin 5–10 mg p. o. (einfach, effektiv und heute in der Spätschwangerschaft etabliert). • Urapidil 12,5–25 mg i. v. • Dihydralazin 6,25–12,5 mg alle 20 min i. v. (Gefahr der Reflextachykardie; verzögerter Wirkungseintritt). ▶ Beachte: Bei zu rascher Blutdrucksenkung Beeinträchtigung der fetomaternalen ■ Blut- und Sauerstoffversorgung! ▶ Infusionstherapie begleitend zur Blutdrucksenkung, z. B. Ringer-Lösung 500– 1 000 ml. ▶ Transport in Klinik mit geburtshilflicher Abteilung.

30 Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30.9 Kardiomyopathie, peripartale, s. kardiopulmonale Notfälle S. 374

Symptomatik

30.5 HELLP-Syndrom s. Präeklampsie/Eklampsie/HELLP-

Syndrom S. 372

30.6 Herz-Kreislauf-Stillstand s. Reanimation,

Besonderheiten bei Schwangeren S. 123

30.7 Insertio velamentosa s. vaginale Blutungen in der

Spätschwangerschaft S. 378

30.8 Lungenödem, peripartales s. peripartale

kardiopulmonale Notfälle S. 374

30.9 Kardiomyopathie, peripartale, s. kardiopulmonale

Notfälle S. 374 373

Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30

30.10 Peripartale kardiopulmonale Notfälle

30.10 Peripartale kardiopulmonale Notfälle Definitionen ▶ Peripartales Lungenödem: Lungenödem im letzten Schwangerschaftsmonat, unter der Geburt oder unmittelbar postpartal. ▶ Peripartale Kardiomyopathie: Linksherzversagen bei vorher herzgesunden Schwangeren, Auftreten im letzten Schwangerschaftsmonat, unter der Geburt oder in den ersten 5 Monaten nach der Geburt.

Peripartales Lungenödem ▶ Wichtige Ursachen: Peripartale Kardiomyopathie (s. u.), angeborene Herzklappenfehler, Tokolyse mit β2-Mimetika (z. B. Fenoterol [„Fenoterol-assoziiertes Lungenödem“]), Präeklampsie (s. 372). ▶ Symptome: Wie beim kardiogenen/nichtkardiogenen Lungenödem (s. Kap. 307, S. 307), insbesondere Tachypnoe, Dyspnoe, Orthopnoe, Zyanose, Herzrasen, Asthma cardiale, gelegentlich blutig-schaumiger Auswurf. ▶ Diagnostik: s. Kap. 307, S. 307. ▶ Klinische Symptomatik (s. o.). ▶ Vor Ort erfragen/prüfen: • Vorbestehende Herzerkrankung? Schwangerschaftsverlauf? Präeklampsie? Tokolyse? • Blutdruckmessung: Blutdruck hoch (RRsyst > 200 mmHg; reflektorische Vasokonstriktion) oder niedrig (RRsyst < 90 mmHg; kardiogener Schock). • EKG: Meist Tachykardie. • Auskultation: Grob- oder feinblasige Rasselgeräusche über der Lunge. • Pulsoxymetrie: pSaO2 unter Raumluftatmung erniedrigt ( < 90 %). • Weitere Zeichen des Herzversagens bzw. kardiogenen Schocks (S. 258). ▶ Therapie: s. Kap. 259, insbesondere: • Sauerstoffgabe (ggf. Intubation und Beatmung). • Vorlastsenkung: Nitroglycerin 2 Hübe s. l., evtl. wiederholt alle 5–10 min oder 0,3–3 μg/kgKG/min i. v. • Diuresesteigerung mit Furosemid 10–80 mg i. v. • Inotropiesteigerung evtl. Katecholamine, z. B. Dobutamin und/oder Dopamin 3– 10 μg/kgKG/min i. v.

Peripartale Kardiomyopathie ▶ Ursache: unbekannt. ▶ Risikofaktoren: Präeklampsie, Mehrlingsschwangerschaft, Schwangerschaft > 30 Jahre, schwarze Hautfarbe. ▶ Inzidenz: Starke Variation der Angaben von 1 : 100–1 : 15 000. ▶ Symptome: Alle Symptomausprägungen der leichten bis schwersten akuten Herzinsuffizienz sind möglich: • Lungenödem mit Reizhusten, Orthopnoe, Dyspnoe. • Kardiogener Schock. • Herzstillstand. ▶ Diagnostik: s. o. (peripartales Lungenödem). ▶ Letalität: bis 50 %. ▶ Therapie: Die Therapie ist symptomatisch und entspricht der der akuten Herzinsuffizienz (Kapitel 276, S. 276): • Diuretika: Furosemid kurzzeitige Therapie unproblematisch (z. B. Akutbehandlung des Lungenödems); 10–80 mg i. v. • Nitrate: Nitrolingual 2 Hub s. l. • Katecholamintherapie: Dopamin/Dobutamin 3–10 μg/kgKG/min. 374

30.11 Placenta praevia s. vaginale Blutungen in der

Spätschwangerschaft S. 378

30.12 Postpartale Blutungen Primär denken an ▶ Atonische Uterusnachblutung: Mangelhafte Uteruskontraktion. ▶ Verletzungen der Geburtswege: Uterusruptur, Zervixruptur, Scheideneinrisse.

▶ Beachte: Normaler mütterlicher peripartaler Blutverlust: Bis ca. 500 ml. ■

Symptomatik ▶ (Anhaltende) vaginale Blutung. ▶ In schweren Fällen Zeichen des hypovolämischen Schocks (S. 256).

30 Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30.12 Postpartale Blutungen

• β-Blocker: Nicht in der Akutsituation, es sei denn vorsichtig z. B. Metoprolol 2,5 mg–5 mg zur Frequenzsenkung. • Digitalis: i. A. nicht vom Notarzt gegeben. • ACE-Hemmer: Während der gesamten Schwangerschaft kontraindiziert!

Vor Ort erfragen/prüfen ▶ Vitalparameter Puls, Blutdruck, Pulsoxymetrie. ▶ EKG. ▶ Inspektion: • Äußerlich sichtbare Verletzungen (Dammriss, Scheideneinriss)? • Schmierblutung? • Blutung im Schwall? • Schubweise Blutungen im Rhythmus der Uteruskontraktionen? ▶ Kapilläre Reperfusionszeit.

Präklinische Akuttherapie ▶ O2-Gabe 4–8 l über Nasensonde, ggf. Intubation und Beatmung. ▶ i. v.-Zugang + Zufuhr kristalloider und/oder kolloidaler Volumenersatzmittel, z. B. Ringer-Lösung und/oder HAES130 6 % 500–1 500 ml i. v. ▶ Katecholamine sind indiziert, wenn durch Volumenzufuhr allein kein ausreichender Blutdruck erzielt werden kann, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/ kgKG/min i. v. ▶ Schocklagerung: Kopftief-Beckenhochlagerung (Autotransfusion und Verminderung der Blutungsintensität). ▶ Adjuvante Analgesie, Sedierung oder Narkose wenn erforderlich; dabei hypotensive Wirkung der Analgetika/Sedativa beachten!;vorsichtig dosieren, Wirkung titrieren!; zur Narkose im hypovolämischen/hämorrhagischen Schock Ketamin bevorzugen! Genaues Vorgehen s. hypovolämischer Schock S. 257. ▶ Tonisierung des Uterus: • Oxytocin (Orasthin, Syntocinon) 10–20 I.E. i. v.: Zunächst 3 I.E. als Bolus i. v. (kann wiederholt werden), dann 10 I.E. zur Infusion zugeben. ▶ Beachte: Oxytocin liegt in Ampullen zu 3 I.E. und 10 I.E. vor! ■ • Methylergometrin (Methergin) 0,2–1 mg i. v.; kann in schweren Fällen zusätzlich gegeben werden; aber Cave: Gefahr einer hypertensiven Krise! ▶ Manuelle Uteruskompression (s. Abb. 30.1): • Uteruskompression durch die Bauchdecke (Credé-Handgriff): Uterusfundus zwischen Daumen (unten) und Fingern (oben) fassen und komprimieren. 375

Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30

30.13 Präeklampsie s. Eklampsie/Präeklampsie/HELLP-Syndrom S. 372

a

b

Abb. 30.1 • Manuelle Uteruskompression. a) Credé-Handgriff, b) Bimanuelle Kompression.

Abb. 30.2 • Externe Kompression der Aorta abdominalis mit der Faust.

• Evtl. bimanuelle Uteruskompression: Zusätzliche manuelle Kompression des Uterus von vaginal durch einen Helfer. ▶ In schwersten Fällen: Externe Kompression der Aorta abdominalis mit der Faust (s. Abb. 30.2). ▶ Schneller Transport in die Klinik!

30.13 Präeklampsie s. Eklampsie/Präeklampsie/HELLP-

Syndrom S. 372

30.14 Reanimation, Besonderheiten bei Schwangeren Praktisches Vorgehen ▶ Vorrangig geht es um das Leben der Mutter, daher alle notwendigen Medikamente anwenden. Bei Alternativen das am wenigsten fruchtschädigende verwenden. 376

30.15 Trauma bei Schwangeren Praktisches Vorgehen ▶ Bei Frauen im gebärfähigen Alter immer an Möglichkeit einer Schwangerschaft denken (innerklinisch Schwangerschaftstest). ▶ Angst der Schwangeren um das ungeborene Kind bedenken. ▶ Ab der 24. SSW erhöhte Gefahr der direkten oder indirekten Uterusverletzung. • Direkte Uterusverletzung: – Sehr selten. – In der Regel Absterben des Fötus. – Hoher mütterlicher Blutverlust. • Stumpfes Bauchtrauma: – Gefahr der vorzeitigen Plazentalösung (auch zweizeitig). – Gefahr der fetomaternalen Transfusion (Cave: Rhesusinkompatibilität, Anti-DProphylaxe innerklinisch bei Rhesus-negativen Frauen).

30 Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30.16 Uterusruptur s. vaginale Blutungen in der Spätschwangerschaft S. 378

▶ Reanimation bis zur 20. SSW: Nach ERC-Leitlinien Erwachsenenreanimation. ▶ Reanimation ab der 20. SSW: • Uterus kann Aorta und Vena cava komprimieren (Aortokavales Kompressionssyndrom), daher Patientin in Linksseitenlage bringen. • Ansonsten nach ERC-Richtlinien Erwachsenenreanimation. • Außerklinisch: Ggf. Patientin unter Reanimation in Klinik verbringen (sehr unsicherer Erfolg). • Innerklinisch: – 20.–25. SSW: Fetotomie erwägen (Fötus nicht überlebensfähig). – Ab der 25. SSW kann der Fötus überlebensfähig sein, daher Notsektion erwägen.

Therapie ▶ ▶ ▶ ▶

Allgemeine Schocktherapie (s. S.255). Adäquate Schmerztherapie (z. B. Morphin 5–10 mg fraktioniert). Oxygenierungsoptimierung. Wenn möglich in Klinik mit Gynäkologie und ab der 25. SSW mit Frühgeborenenversorgung bringen. Intubation Bei Notwendigkeit beachten: Bei Schwangeren kommt es insbesondere bei fortgeschrittener Schwangerschaft häufiger zu Intubationsproblemen (generalisierte Ödeme). Außerdem sind die Schleimhäute oft deutlich vulnerabler. Falls die Intubation misslingt, frühzeitig an alternative Atemwegssicherung denken (Larynxmaske etc.). Keine mehrfachen blinden Intubationsversuche!

30.16 Uterusruptur s. vaginale Blutungen in der

Spätschwangerschaft S. 378

377

Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30

378

30.17 Vaginale Blutung in der Spätschwangerschaft

30.17 Vaginale Blutung in der Spätschwangerschaft Primär denken an ▶ Blutung im Rahmen der Geburt. ▶ Placenta praevia: • Definition: Die Plazenta liegt vor der Zervix (komplett [Placenta praevia totalis], teilweise [Placenta praevia partialis] oder die Plazenta reicht bis zum Rand der Zervix [Placenta praevia marginalis]); dadurch ist der Geburtsweg verlegt. • Notfallmedizinische Bedeutung: Wegen der hohen Blutungsgefahr sind Mutter und Kind gefährdet! • „Klassische Symptom-, Befundkonstellation“: – Bei Beginn der vaginalen Blutung intakte Fruchtblase; oft Nachlassen der Blutung beim Blasensprung. – Keine Schmerzen. – Weicher Uterus. – Schocksymptomatik möglich, je nach Blutverlust. – Gefahr einer Luftembolie der Mutter! ▶ Vorzeitige Plazentalösung: • Definition: Teilweise oder vollständiges Ablösen der normal sitzenden Plazenta vor abgeschlossener Geburt des Kindes. Dadurch ist die Bildung eines Hämatoms zwischen Plazenta und Uterus, auch ohne Blutaustritt nach außen (!) möglich. • Notfallmedizinische Bedeutung: Gefahr für Mutter (Blutverlust + Gerinnungsstörung!) und Kind (Minderversorgung je nach Ausmaß der Plazentalösung). • „Klassische Symptom-, Befundkonstellation“: – Vaginale Blutung nicht zwingend nach außen erkennbar! Unbedingt daran denken bei sich verschlechterndem Zustand der Mutter ohne Blutung! – Leitsymptom: Im Gegensatz zur Placenta praevia plötzlicher uterin-abdomineller Schmerz, gefolgt von einem Dauerschmerz. Aber auch symptomlos möglich. – Harter Uterus. – Schocksymptomatik möglich, je nach Blutverlust. – Gefahr einer disseminierten Koagulopathie der Mutter! ▶ Insertio velamentosa: • Definition: Ansatzanomalie der Nabelschnur; die Nabelschnur inseriert statt an der Plazenta direkt an den Eihäuten. Bei Blasensprung können diese Gefäße einreißen. • Notfallmedizinische Bedeutung: Akute Verblutungsgefahr für das Kind! • „Klassische Symptom-, Befundkonstellation“: – Beginn der vaginalen Blutung gleichzeitig mit dem Blasensprung. – Keine Schmerzen. – Weicher Uterus. – Keine Schocksymptomatik. ▶ Uterusruptur: • Definition: Einriss des Gebärmutter; meist Narbenruptur bei vorausgegangener Sectio oder Myomenukleation. • Notfallmedizinische Bedeutung: Gefahr für Mutter (Blutung!) und Kind (Verlagerung in den Bauchraum mit Fehlversorgung)! • „Klassische Symptom-, Befundkonstellation“: – Vaginale Blutung bei Narbenruptur eher gering. – Schmerzen stehen im Vordergrund: Der Ruptur gehen kräftige, schmerzhafte Kontraktionen voraus. Danach sind die Schmerzen im Unterbauch lokalisiert und treten schließlich auch während der Wehenpause auf. – Harter Uterus während der Wehen, nach der Ruptur nachlassend. – Schocksymptomatik möglich.

▶ Vitalparameter (RR, Puls, EKG, Pulsoxymetrie). ▶ Schocksymptomatik (→ Blutverlust bei Uterusruptur, Placenta praevia, ggf. bei vorzeitiger Plazentalösung). ▶ Beginn der Blutung: Mit Fruchtwasserabgang (→ Insertio velamentosa); Sistieren der Blutung mit Fruchtwasserabgang (→ Placenta praevia). ▶ Schmerzen: • Vorhanden (→ vorzeitige Plazentalösung; bei heftigen Wehen → drohende Uterusruptur). • Nicht vorhanden (→ Placenta praevia, Insertio velamentosa). ▶ Wehen: • Dauerkontraktion (→ vorzeitige Plazentalösung). • Heftigste Wehen (→ drohende Uterusruptur). • Keine oder beginnende Wehen (→ Placenta praevia). ▶ Vorhergehendes Trauma (→ vorzeitige Plazentalösung, Uterusruptur). ▶ Vorerkrankungen, Schwangerschaftskomplikationen (Mutterpass!): • Gestose (klinische Zeichen?), Diabetes mellitus (→ vorzeitige Plazentalösung). • Im Mutterpass bereits Hinweise auf Placenta praevia. • Z. n. Sectio oder andere Uterusoperation (→ Uterusruptur). ▶ Beurteilung der Blutung: Wässrig (Blasensprung), dick. ▶ Palpation: • Brettharter Uterus (→ vorzeitige Plazentalösung, Uterusruptur [Kontraktion nachlassend nach Ruptur; dann Schocksymptomatik]). • Weicher Uterus (→ Placenta praevia, Insertio velamentosa). ▶ Keine präklinische vaginale Untersuchung! Gefahr der Blutungsverstärkung bei Pla■ centa praevia und Insertio velamentosa! ▶ Keinesfalls Austamponieren der Scheide! Keine Blutstillung möglich, jedoch Gefahr ■ der Blutungssteigerung!

30 Notfälle während Schwangerschaft und Geburt

30.18 Vorzeitige Plazentalösung s. vaginale Blutungen in der Spätschwangerschaft S. 378

Vor Ort erfragen/prüfen

Präklinische Akutversorgung ▶ O2-Gabe 4–8 l über Nasensonde. ▶ i. v.-Zugang + z. B. Ringer-Lösung oder HAES 130 6 % 500–1 000 ml. ▶ Linksseitenlage, bei V. a. Placenta praevia oder Insertio velamentosa zusätzlich Beckenhochlagerung. Wichtige Hinweise zur Wehenhemmung ▶ Indiziert bei abnormen Schmerzzuständen und abnormem Vaginalinhalt (kein Kopf oder nicht nur der Kopf). • Ausnahme: Durchschneiden kindlicher Teile durch Introitus, z. B. wenn bei Beckenendlage der Unterleib des Kindes vollständig geboren ist. ▶ Kontraindiziert bei vorzeitiger Plazentalösung! ▶ Im Zweifel Verzicht auf Wehenhemmung! ▶ Vorgehen und Dosierung: • Fenoterol/Salbutamol 2 Hübe alle 5 min. • Fenoterol 10 μg i. v. langsam als Bolus, kann bei Bedarf wiederholt werden. ▶ Notfallmäßiger, aber schonender Transport in die nächste Geburtsklinische Abteilung, ggf. bei Frühgeburtsbestrebungen ( < 35. SSW) oder sonstigen Risiken für das Kind (z. B. Infektion, Blutung) in Zentrum mit angeschlossener Neugeborenen-Intensivstation.

30.18 Vorzeitige Plazentalösung s. vaginale Blutungen

in der Spätschwangerschaft S. 378 379

Urologische Notfälle

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31.1 Übersicht und allgemeines Vorgehen

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Urologische Notfälle

31.1 Übersicht und allgemeines Vorgehen Wichtigste und häufigste Ursachen ▶ ▶ ▶ ▶

Verletzung. Entzündung. Harnwegsobstruktion (→ kolikartige Schmerzen!). Mechanisch bedingte Durchblutungsstörung der Geschlechtsorgane.

Symptomatik ▶ Schmerzen im Unterbauch oder in den Geschlechtsorganen, oft kolikartig. ▶ Schocksymptome bei starker Blutung (hämorrhagischer Schock) oder im septischen Schock (Urosepsis; in der Rettungsmedizin selten!). ▶ Fieber bei Entzündungen und Infektionen. ▶ Vitalfunktionsstörungen (insgesamt selten!).

Allgemeines präklinisches Vorgehen ▶ Kausale Therapie, wenn möglich: z. B. bei akutem Harnverhalt Blasenkatheterisierung, suprapubische Entlastung (S. 161) oder bei Paraphimose Reposition der Vorhaut (S. 382). ▶ Infusionstherapie bei Blutverlust oder Zeichen der Sepsis, z. B. Ringer-Lösung 500– 1 500 ml i. v. ▶ Analgesie z. B. Morphin 5–10 mg i. v. bei kolikartigen Schmerzen: • Metamizol 1–2,5 g langsam i. v. oder andere Zyklooxygenaseinhibitoren plus Nitroglycerin 2 Hübe à 0,4 mg s. l. oder Butylscopolamin 0,3 mg/kgKG (20 mg) i. v. • Bei starken Schmerzen: Pethidin 1–2 mg/kgKG (50–100 mg i. v.) oder andere Opioide in Kombination mit Nitroglycerin 2 Hübe à 0,4 mg s. l. oder Butylscopolamin 0,3 mg/kgKG (20 mg) i. v. ▶ Im Schock Sauerstoffgabe, Atemwegssicherung; ggf. ergänzende Katecholamintherapie, z. B. Dopamin 2–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Beachte: Abgesehen von der seltenen Möglichkeit zur kausalen therapeutischen In■ tervention beschränkt sich die rettungsmedizinische Therapie urologischer Notfälle meist auf supportive Maßnahmen der Infusions- und Schmerztherapie (s. o.).

31.2 Akuter Harnverhalt Ursachen ▶ Akute Blasenentleerungsstörung, meist auf dem Boden von Prostataerkrankungen (Hyperplasie, Entzündung). ▶ Urethraverlegungen (Strikturen, Steine) oder neurologische Störungen; häufige Ursache einer akuten postrenalen Anurie.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Starker Harndrang bei gleichzeitigem Unvermögen, Wasser zu lassen. Starke Schmerzen im Unterbauch. Unruhe, Übelkeit, Erbrechen. Tachykardie, Hypertension. Gefüllte, bis unter den Nabel tastbare Blase.

Therapie ▶ Schnellstmögliche Blasenkatheterisierung, am besten noch im Notarztwagen. 380

31.3 Blasenverletzung S. 383 31.4 Harnverhalt, akuter S. 380

31 Urologische Notfälle

31.7 Koliken der ableitenden Harnwege (Nieren, Harnleiter, Blase, Urethra)

▶ Wenn unmöglich ggf. suprapubische Blasenpunktion mit einer Venenverweilkanüle (1,1–1,3 mm ID) 2 Querfinger oberhalb der Symphyse (vorherige Desinfektion und Lokalanästhesie mit Lidocain 1 %). ▶ Wenn präklinische Blasenentlastung unmöglich, Analgesie mit z. B. Morphin 5– 10 mg i.v.; unverzüglicher, rascher Transport in die Klinik.

31.5 Hodentorsion Definition ▶ Torsion des Samenstrangs mit Durchblutungsstörung des Hodengewebes mit Gefahr der Infarzierung und nachfolgenden Atrophie des Hodens; Vorkommen bei Kindern und Jugendlichen.

Symptomatik und typische Differenzialdiagnose ▶ Symptomatik: Heftige Schmerzen im Bereich der Hoden, oft mit begleitenden Peritonitiszeichen. ▶ Differenzialdiagnose: Epididymitis = entzündliche, fieberhafte Nebenhodenentzündung, Hydatidentorsion (s. u.).

Therapie ▶ Hochlagerung der Hoden. ▶ Analgesie: z. B. Morphin 0,1 mg/kgKG i. v. ▶ Transport in urologische oder chirurgische Klinik zur dringlichen operativen Detorsion der Hoden und Orchidopexie.

31.6 Hydatidentorsion Definition ▶ Torsion der Appendix testis oder der Appendix epididymis.

Symptomatik und typische Differenzialdiagnose ▶ Typische Symptomatik: Heftige Schmerzen im Bereich der Hoden. ▶ Differenzialdiagnose: Epididymitis = entzündliche, fieberhafte Nebenhodenentzündung, Hodentorsion (s. o.).

Therapie ▶ Wie bei der Hodentorsion (S. 381), da davon präklinisch nicht zu unterscheiden.

31.7 Koliken der ableitenden Harnwege (Nieren,

Harnleiter, Blase, Urethra)

Definition ▶ Schmerzen aufgrund krampfartigen Zusammenziehens der Muskulatur eines Hohlorgans; hier der ableitenden Harnwege.

381

Urologische Notfälle

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31.8 Nierenkolik S. 381

Ursachen ▶ Partielle oder totale Verlegung der ableitenden Harnwege, meist durch Steine (Urolithiasis): • Kelchstein. • Nierenbeckenausgussstein. • Harnleiterstein. • Blasenstein. • Urethrastein.

Typische Symptomatik ▶ Wehenartig zu- und abnehmende Schmerzen: • In der Nierengegend: Nierenkolik (Kelchstein, Nierenbeckenausgussstein). • Im Unterbauch: Harnleiter- oder Blasenkolik (Harnleiter-, Blasenstein). • Im Becken bzw. im Penis: Urethrakolik (Harnröhrenstein). • Übelkeit, Erbrechen. • Tachykardie, Schweißausbruch.

Differenzialdiagnose ▶ Für die Rettungsmedizin relativ unerheblich, da gleiche präklinische Vorgehensweise (!): • Gallenkolik: Steine in den ableitenden Gallenwegen. • Darmkolik: Mechanischer Darmverschluss; häufig schwerste Störung des Allgemeinzustandes.

Therapie ▶ Analgesie mit: • Zyklooxygenaseinhibitoren: z. B. Metamizol 1–2,5 g langsam i. v. • Zusätzlich Spasmolytika: – Nitroglycerin 2 Hübe à 0,4 mg s. l. und/oder – Butylscopolamin 0,3 mg/kgKG (20 mg) i. v. • Bei schweren Schmerzen Opioide (zusätzlich zu Spasmolytika): z. B. – Pethidin 1–2 mg/kgKG (50–100 mg i. v.) oder – Morphin 0,1 mg (5–10 mg) i. v.

31.8 Nierenkolik S. 381 31.9 Nierenverletzung S. 384 31.10 Paraphimose Definition ▶ Schmerzhafte ödematöse Schwellung der Glans penis durch eine relativ zu enge, zurückgestreifte Vorhaut; Vorkommen oft bei Dauerkatheterträgern sowie unmittelbar postkoital.

Therapie ▶ Versuch des manuellen Auspressens des Ödems und Vorstreifen der Vorhaut. ▶ Ggf. symptomatische analgetische Therapie: z. B. Metamizol 1–2,5 g i. v. oder Morphin 5–10 mg i. v. 382

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31.11 Priapismus Definition

31 Urologische Notfälle

31.12 Verletzungen der Blase und der äußeren Geschlechtsorgane

▶ Wenn manuelles Vorstreifen der Vorhaut unmöglich, in der Klinik operative Intervention durch dorsale Inzision des Schnürrings. ▶ Wenn Vorstreifen der Vorhaut möglich, Transport in urologische Klinik oder zum niedergelassenen Urologen (Patient kann auch selbst für Transport sorgen, aber darauf achten, dass er es tut!). Nach Morphingabe Transport durch Rettungsdienst und mit Überwachung.

▶ Länger als 2 h anhaltende, schmerzhafte Dauererektion durch Abflussstörung der Corpora cavernosa-Venen.

Auslöser (Beispiele) und Folge ▶ Auslöser: • Thrombosierungen auf dem Boden von Blutkrankheiten wie Leukämie oder Sichelzellanämie. • Medikamente wie Chlorpromazin oder Sildenafil. • Intrakavernöse Injektionen zur Therapie erektiler Dysfunktion. ▶ Folge: Dauerhafte Störungen der Potentia coeundi.

Therapie ▶ Symptomatische analgetische Therapie: z. B. Metamizol 1–2,5 g i. v. oder Morphin 5– 10 mg i. v. ▶ Transport in urologische Klinik zur medikamentösen oder operativen Therapie (schwierig!).

31.12 Verletzungen der Blase und der äußeren

Geschlechtsorgane

Ursachen ▶ Stumpfe, selten penetrierende Gewalteinwirkung im Unterbauch bzw. Genitalbereich. ▶ Traumatische Sexualpraktiken, häufig autoerotisch; z. B. Penisringe, Staubsauger-induzierte Verletzungen, Einführen verschiedener Gegenstände in die Harnröhre.

Folgen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Blasenruptur, besonders bei vorher gut gefüllter Blase. Harnröhrenruptur. Penisverletzungen, Penisfraktur. Hodenquetschung. Skrotumruptur.

Typische Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Schmerzen im Unterbauch, evtl. Peritonitiszeichen bei Blasenruptur. Sichtbare Verletzungen der äußeren Geschlechtsorgane. Übelkeit, Erbrechen. Evtl. Hämaturie. Selten Schocksymptome.

Therapie ▶ O2-Gabe 4–8 l/min, bei Bewusstlosigkeit und schwerem Schock Intubation und Beatmung. 383

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Urologische Notfälle

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31.13 Verletzungen der Nieren

▶ Infusionstherapie bei größerem Blutverlust und Schock, z. B. Ringer-Lösung 500– 1 500 ml i. v., ggf. plus Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500–1 000 ml i.v. ▶ Bei ungenügender Kreislaufstabilisierung zusätzlich Katecholamine: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 2–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Analgesie: z. B. Morphin 5–10 mg i. v. ▶ Bei Verletzung der äußeren Geschlechtsorgane: Steriler Wundverband, Polsterung, ggf. Hochlagerung der Hoden. ▶ Beachte: Keine präklinischen Blasenkatheterisierungsversuche! ■

31.13 Verletzungen der Nieren Ursachen ▶ Direkte Traumen: Meist stumpfe, selten penetrierende Gewalteinwirkung im Bereich der Flanken (Fußtritt, Überrolltrauma). ▶ Indirekte Traumen: z. B. bei Dezelerationstrauma und maximaler, heftiger seitlicher Rumpfbeugung. ▶ Oft in Verbindung mit Polytraumatisierung (siehe auch dort).

Folgen ▶ Isoliertes oder kombiniertes Vorliegen von • Subkapsulärem oder pararenalem Hämatom. • Nierenparenchymeinrissen und -zerstörungen. • Gefäßabrissen. • Nierenbeckenruptur.

Symptomatik ▶ Schmerzen im Bereich der Flanken, hervorgerufen oder verstärkt durch Beklopfen der Flanken (Klopfschmerz). ▶ Hämaturie. ▶ Schocksymptome.

Therapie ▶ Unabhängig von der Form der Nierenverletzung: • O2-Gabe 4–8 l/min, bei Bewusstlosigkeit und schwerem Schock Intubation und Beatmung. • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v., im Schock plus Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500–1 000 ml i.v. • Bei ungenügender Kreislaufstabilisierung zusätzlich Katecholamine: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 2–20 μg/kgKG/min i. v. • Analgesie: z. B. Morphin 5–10 mg i.v. • Zügiger Transport in die nächste geeignete Klinik.

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Notfälle bei Kindern

32.1 Übersicht Altersbezeichnungen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Frühgeborenes: Geburt vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche. Neugeborenes: Bis Ende des 1. Lebensmonats. Säugling: Bis 1 Jahr. Kind (laut ERC): 1 Jahr bis zum Beginn des Erwachsenenalters. Kleinkind: 1–6 Jahre, Schulkind: 6–12 Jahre. (Laut ERC): Junges Kind bis etwa 8 Jahre, älteres Kind über 8 Jahre.

32 Notfälle bei Kindern

32.2 Physiologische Besonderheiten bei Kindern

Übersicht über wichtige und häufige Notfallsituationen von Kindern (Auswahl) ▶ Unfälle (S. 393; in Dtl. häufigste Todesursache für Kinder > 1 Jahr) inkl. Ertrinken (S. 394). ▶ Respiratorische Notfälle (häufigste und wichtigste Ursache nicht traumatologischer Herzstillstände im Kindesalter! Häufigste Todesursache im Säuglingsalter!): • Krupp-Syndrom (S. 396). • Epiglottitis (S. 394). • Asthmaanfall (S. 300). • Fremdkörperaspiration (S. 133). • SIDS (S. 398). ▶ Kardiozirkulatorische Notfälle (Bradykardie, Kreislaufstillstand): Meist sekundäre Folge primär respiratorischer Notfälle; Ausnahmen: Angeborene Herzvitien, Myokarditis. CPR bei Kindern S. 128. ▶ Zerebrale Notfälle: Krampfanfall (S. 395, 344). ▶ Primär kardiale Notfälle: Bei Kindern mit angeborenen Herzvitien (s. a. Kap. 32.5.4 „akute Herzinsuffizienz des Kindes“). ▶ Dehydratation (S. 320): Weltweit sehr häufige Todesursache im Kindesalter! ▶ ■ Beachte: Der Merkspruch: „Ein Kind ist kein kleiner Erwachsener“ soll beachtet, aber nicht überbetont werden! Die Therapie erfolgt unter Beachtung der physiologischen und therapeutischen Besonderheiten bei Kindern (S. 385, 388) im Wesentlichen analog zur Therapie im Erwachsenenalter.

32.2 Physiologische Besonderheiten bei Kindern Normwerte ▶ Puls- und Herzfrequenz: Höher als beim Erwachsenen (s. Tab. 32.1). ▶ Blutdruck: Niedriger als beim Erwachsenen (s. Tab. 32.1). ▶ Atemfrequenz: Höher als beim Erwachsenen bei deutlich kleinerem absoluten, aber gleichem relativen Atemzugvolumen (Atemzugvolumen/kgKG bei Kindern und Erwachsenen = ca. 8–10 ml/kgKG, s. Tab. 32.1).

Atemwege ▶ Engste Stelle im tracheolaryngealen Bereich ist der Ringknorpel (bei Erwachsenen Glottis!). ▶ Die Epiglottis ist (relativ gesehen) größer, anders geformt und höher stehend als beim Erwachsenen. ▶ Beachte bei der Intubation von KIndern: ■ • Physiologische Enge Ringknorpel unbedingt beachten! Bei Kindern < 8 Jahren ungeblockte Tuben wählen, die leicht über den Ringknorpel vorzuschieben sind! 385

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Puls

Gewicht

Frühgeborene

Alter

105

100

100

100

100

95

90

90

80

60

60

mmHg

Blutdruck systolisch

20

20

20

20

25

30

30

30

40

50

50

/min

Atemfrequenz

220

200

180

160

140

100

80

60

40

30

20

ml

Atemzugvolumen

Physiologische Normwerte

2

2

2

2

2

1

1

1

1

0

00



Masken, Spatel, Guedeltuben

5,5

5,5

5

5

4,5

4,5

4

3,5

3,5

3

2,5

mm

Tubusgröße (ID)

Atemwegsmanagement

18

17

16

15

14

13

12

11

10

9

7

cm

Tubuseinführtiefe ab Zahnreihe (Lippe)

Tab. 32.1 • Wichtige physiologische und therapeutische Größen im Kindesalter (Anhaltswerte).

0,25

0,2

0,2

0,2

0,15

0,15

0,1

0,1

0,05

0,05

0,03

mg

Adrenalin (Standarddosis bei CPR)

0,4

0,4

0,4

0,3

0,3

0,3

0,2

0,2

0,1

0,1

0,1

mg

Atropin

500

500

500

250

250

250

250

125

125

-

-

mg

Paracetamol (Standarddosis rektal)

Ausgewählte Medikamente

10

10

10

10

5

5

5

5

2,5

-

-

mg

Diazepam (rektal)

Notfälle bei Kindern

32 32.2 Physiologische Besonderheiten bei Kindern

Notfälle bei Kindern

10

10 1 000 0,5 0,35 21 7 3 350 18 115

10

32

35

37 12

80

1 000 0,5 0,35 21 6,5 3 330 18 115

10

11

85

500 0,5 0,3 20 6,5 3 300 20 110 32 10

85

500

500 0,5

0,4 0,3

0,3 20 6 3 280 20 110 30 9

90

6 2 250 20

Physiologische Normwerte

105 95 27

Tab. 32.1 • Fortsetzung

8

Atemwegsmanagement

19

Ausgewählte Medikamente

10

32.2 Physiologische Besonderheiten bei Kindern

387

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Notfälle bei Kindern

32

32.3 Therapeutische Besonderheiten bei Kindern

• Ebenso physiologische Unterschiede der kindlichen Epiglottis beachten! Bei Neugeborenen und Kleinkindern evtl. geraden Spatel bevorzugen, mit dem die Epiglottis aufgeladen wird. • Schleimhautschwellungen als Folge einer traumatischen Intubation führen rasch zur erheblichen Atemwegsobstruktion!

Herzzeitvolumen ▶ Frequenzabhängigkeit beachten! ▶ Bradykardien führen beim Kleinkind rasch zur kritischen Abnahme des Herzzeitvolumens und der Sauerstoffversorgung. • Häufigste Ursache für Bradykardie im Kindesalter: Hypoxie! • Bradykardien vermeiden bzw. sofort therapieren: – O2-Gabe über Beatmungsmaske (4–6 l), Beatmung. – Atropin, ggf. Adrenalin; altersabhängige Dosierung s.Tab. 32.5. – Herzmassage bei HF < 60 (Kinder bis 8 Jahre).

Blutvolumen ▶ Absolutes Blutvolumen erheblich niedriger als beim Erwachsenen: Blutverluste können (trotz zunächst guter Kompensationsmöglichkeiten) sehr rasch zum Schock führen. ▶ Blutvolumen beim Kind (Anhaltswert): 80 ml/kgKG.

Temperaturregulation ▶ Wärmeverlust: Im Kindesalter aufgrund der erheblich größeren relativen Körperoberfläche größer als bei Erwachsenen: • Wärmeschutz: Wärmeverlust durch Zudecken vermeiden! Heizung im NAW anstellen! • Hypotherme Notfälle (Ertrinken in kaltem Wasser): Rasche Hypothermie des Körperkerns → Verlängerung der Wiederbelebungszeit → erfolgreiche Reanimation auch noch nach bis zu 60 min u. U. möglich. ▶ Überhitzungsgefahr: Im Kindesalter größer als beim Erwachsenen → erhöhte Anfälligkeit für Hitzenotfälle (S. 323).

Wasserhaushalt Flüssigkeitsverlust: Führt im Kindesalter schnell zu lebensbedrohlichen Zuständen. Häufige Ursachen: Fieberhafte Erkrankungen, Erbrechen und Diarrhö. Folgen: Dehydratation, Exsikkose (S. 320). Typische Symptomatik: Tachykardie, trockene Haut mit vermindertem Hautturgor, trockener Mund, eingesunkene Fontanelle, eingesunkene Augen, Bewusstseinstrübung. ▶ Präklinische Therapie: Infusionstherapie mit Vollelektrolytlösungen; Vorgehen S. 166.

▶ ▶ ▶ ▶

32.3 Therapeutische Besonderheiten bei Kindern Faustregeln Wichtige therapeutische Formeln und Faustregeln in der Notfalltherapie bei Kindern: ▶ Medikamentendosis: Pädiatrische Dosis = (Erwachsenendosis/70) × kgKG des Kindes. ▶ Tubusgröße für Kinder ≥ 1 Jahr: • Innendurchmesser (ID) in mm = 4 + (Alter [in Jahren] /4) • Außendurchmesser (AD) in Ch. = 18 + Alter [in Jahren] 388

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▶ Tubuseinführtiefe (cm) ab Zahnreihe (Lippe): • Früh- und Neugeborene: 6 + Körpergewicht in kg. • Kinder > 1 Jahr: 12 + (Alter [in Jahren] /2) ▶ Beatmung: • Atemhubvolumen: 8 ml/kgKG • Atemfrequenz bei Neugeborenen: 40–60 /min. • Atemfrequenz bei Kindern > 1 Monat: 20 /min. ▶ Defibrillation, erforderliche Energie: • Mono- und biphasische Defibrillation jeweils 4 J/kgKG. ▶ Basisbedarf an Flüssigkeit pro Stunde: • 4 ml/kg für die ersten 10 kg plus • 2 ml/kg für die zweiten 10 kg plus • 1 ml/kg für jedes weitere kg.

32 Notfälle bei Kindern

32.3 Therapeutische Besonderheiten bei Kindern

Venenpunktion und Medikamentenapplikation ▶ Beachte grundsätzlich bei der akuten Medikamentenapplikation bei Kindern: ■



▶ ▶ ▶

• Eine rektale Verabreichung der Notfallmedikamente reicht bei nicht akut lebensbedrohlichen pädiatrischen Notfällen oft aus. • Keine Verzögerung eines notwendigen Transports in die Klinik durch langwieriges Anlegen eines Zugangs. Peripherer Venenzugang: Häufig schwierig, besonders bei Volumenmangel, Exsikkose und Kindern zwischen 6 Monaten und 2 Jahren (subkutane „Speckschicht“). • Geeignete Punktionsstellen: – Im Säuglingsalter: Handrücken, Handgelenk; Fußrücken, mediale Knöchelregion; Ellenbeuge; Kopfvenen. – Beim Neugeborenen zusätzlich im Notfall: Nabelvene (s. Abb. 32.1). Größen von peripheren Venenverweilkanülen in Abhängigkeit vom Alter s. Tab. 32.2. Intraossäre Punktion (S. 95): Alternativer Zugang mit 16-G-Spezialnadel an der Medialseite der proximalen Tibia. Zentraler Venenkatheter (ZVK): Präklinisch nur bei akuter Vitalbedrohung und Unmöglichkeit eines anderen Venenzugangs indiziert. Durchführung nur durch einen

Vene Arterien

Abb. 32.1 • Querschnitt Nabelschnur.

Tab. 32.2 • Anhaltsgrößen für Venenverweilkanülen je nach Alter. Alter

Größe

Neugeborene, Säuglinge

gelb (0,6 mm ID)

Kinder > 1 Jahr

blau (0,9 mm ID)

Schulkinder

rosa (1,1 mm ID)

389

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Nr. 2; ca. 11 cm

Hinweis: Bei der Intubation von Säuglingen geraden Spatel bevorzugen (Aufladen der Epiglottis)

000

00

0

1

2–3

Faustregel: Länge des Guedeltubus ≈ Entfernung Mundwinkel zu Ohrläppchen

Frühgeborene, Neugeborene

Neugeborene, Säuglinge

Kleinkinder

Schulkinder

Nr. 1; 9 cm

Nr. 1; 9 cm

Nr. 2; ca. 15 cm

Nr. 1; ca. 10 cm

Nr. 0; ca. 8 cm Nr. 1 ca. 10 cm

Nr. 0; ca. 8 cm

Nr. 0

gerade (z. B. Miller)

kleine Frühgeborene

gebogen (z. B. Macintosh)

Spatellänge für Laryngoskope

Pharyngealtuben

Alter/Größe

Faustregel für Größe (jedes Alter): Durchmesser des kleinen Patientenfingers Faustregel für Einführtiefe S. 135

Berechnungsformel S. 135

Berechnungsformel S. 135

3,5 mm ID oder 16 Ch AD

2,5–3,0 mm ID bzw.14 Ch AD

2,5 mm ID bzw. 12 Ch AD (1 Ch = 1 /3 mm)

Endotrachealtuben

ab 20 kgKG Nr. 2 /Füllvolumen 10 ml 20–30 kgKG Nr. 2,5 /Füllvolumen 15 ml

bis 6,5 kgKG Nr. 1 /Füllvolumen 5 ml ab 6,5 kgKG Nr. 2 /Füllvolumen 10 ml

bis 6,5 kgKG Nr. 1 /Füllvolumen 5 ml

bis 6,5 kgKG Nr. 1 /Füllvolumen 5 ml, kann bereits zu groß sein.

Larynxmaskennummer/ Füllvolumen des Cuffs

Tab. 32.3 • Größen von Pharyngealtuben, Spatel für Laryngoskope, Endotrachealtuben und Larynxmasken.

3

2

1

0–1

0

Beatmungsmasken (z. B. Typ Rendell Baker)

Notfälle bei Kindern

32 32.3 Therapeutische Besonderheiten bei Kindern

390

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Atemwegsmanagement ▶ Faustregeln für Tubusgröße, Tubuseinführtiefe, Atemhubvolumen/Atemfrequenz bei Beatmung s. S. 388. ▶ Altersabhängige Größe von Pharyngealtuben, Laryngoskopen, Endotrachealtuben, Beatmungsmasken und Larynxmasken s. Tab. 32.3.

Besonderheiten bei der Beatmung

32 Notfälle bei Kindern

32.3 Therapeutische Besonderheiten bei Kindern

in der Punktion zentraler Venen beim Säugling und Kleinkind geübten Notarzt! Gefahr der Lungen- und Arterienverletzung! Intraossäre Punktion bevorzugen!

▶ Altersabhängige Größen s. Tab. 32.1 und Tab. 32.3. ▶ Bei Maskenbeatmung: Kopf nicht zu stark überstrecken! Es droht sonst, anders als beim Erwachsenen, Atemwegsverlegung! ▶ Manuelle Beatmung (Beatmungsbeutel): • Kinderbeatmungsbeutel wählen, wenn vorhanden. • Kleineres Hubvolumen beachten → Kompression des Beutels nur so tief, bis sich der Thorax sichtbar hebt. • Kompression des Beutels bei Säuglingen nur zwischen Daumen und Zeigefinger oder zwischen Daumen und 2 Fingern! ▶ Maschinelle Beatmung (Beatmungsgerät): Initialeinstellung (bei Säuglingen druckbegrenzte Beatmung bevorzugen): ▶ Atemmodus: CMV ▶ Ventilation: • AF 15–20 /min, bei Säuglingen 25 /min. • VT 10 ml/kg oder AMV 150–200 ml/kg oder druckbegrenzt bei 20–25 mbar. ▶ FiO2: 100 % ▶ Weitere Einstellungen: • I/E 1 : 2. • Pmax30 mbar. • PEEP 0–5 mbar.

Dosierung von Medikamenten s. Tab. 32.5 ▶ Faustregel: Medikamentendosis ■

im Kindesalter = (Erwachsenendosis/70) × Gewicht

des Kindes in kg.

Infusionstherapie im Kindesalter ▶ Infusionslösungen: Vollelektrolytlösungen (z. B. Ringer-Lösung) oder kolloidale Plasmaersatzmittel. Spezielle Infusionslösungen für Kinder präklinisch nicht erforderlich. ▶ Basisbedarf Elektrolytlösung pro Stunde: • 4 ml/kg für die ersten 10 kgKG; plus • 2 ml/kg für die zweiten 10 kgKG; plus • 1 ml/kg für jedes weitere kgKG > 20 kg.

Tab. 32.4 • Initialeinstellung am Beatmungsgerät bei der Beatmung von Kindern. Atemmodus

Ventilation AF

CMV

• 15–20 /min • bei Säuglingen 25 /min

FiO2

I/E

Pmax

PEEP

100 %

1:2

30 mbar

0–5 mbar

VT

• 10 ml/kg oder • AMV 150–200 ml/kg oder • druckbegrenzt bei 20–25 mbar

391

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Notfälle bei Kindern

32

32.3 Therapeutische Besonderheiten bei Kindern Tab. 32.5 • Dosierung von Reanimationsmedikamenten, Analgetika und Sedativa. Reanimationsmedikamente

Analgetika

Adrenalin

0,01 mg/ kgKG i. v.

Paracetamol

10–20 mg/ kgKG rektal, nach neueren Empfehlungen initial 30– 40 mg/kgKG rektal

Sedativa

Chloralhydrat, Rectiolen

0,1 g/kgKG rektal

Atropin

0,02 mg/ kgKG i. v.

Morphin oder Piritramid

0,1 mg/kgKG i. v.

Diazepam, Rectiolen

0,3–0,5 mg/ kgKG rektal

Lidocain

1 mg/kgKG i. v.

Tramadol

1 mg/kgKG, nach neueren Empfehlungen initial 3 mg/ kgKG i. v.

Midazolam

0,2–0,4 mg/ kgKG nasal

Amiodaron

5 mg/kgKG, bei Zweitgabe 2 mg/ kgKG (keine offiziellen Dosisempfehlungen verfügbar)

Ketamin/ S-Ketamin

• Analgesie: 0,25–0,5 mg/ kgKG i. v.; SKetamin die Hälfte • i. v.-Narkose: 1 mg/kg KG; S-Ketamin die Hälfte • i. m.-Narkose: 5 mg/kgKG; S-Ketamin die Hälfte

▶ Volumenersatztherapie: Indiziert bei Dehydratation und hypovolämischem Schock. Praktisches Vorgehen: • Zunächst Vollelektrolytlösung 20 ml/kgKG rasch i. v. (Bolus); dann Kontrolle von Puls, Blutdruck, Herzfrequenz. • Bei weiterem Volumenbedarf erneut 20 ml/kgKG i. v. – Evtl. als kolloidale Volumenersatzlösungen wie HAES oder Gelatine. – Ggf. repetitive Zufuhr; dazwischen stets Kontrolle von Puls, Blutdruck, Herzfrequenz. – Dann 5–10 ml/kgKG/h i. v. bis zum Erreichen der Klinik. ▶ Beachte: Überwässerungsgefahr durch übermäßige Infusionstherapie besonders bei ■ Säuglingen und Kleinkindern → Gefahr des Lungen- und Hirnödems! • Infusion nicht unbeaufsichtigt tropfen lassen! • Auf längeren Transportstrecken ggf. Verabreichung über Motorspritzenpumpen oder Infusomaten; wenn nicht vorhanden, evtl. Mikrotropfkammern oder spezielle semiquantitative Infusionsregler (z. B. Dial-a-flow) verwenden

392

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32.4 Besonderheiten bei traumatologischen Notfällen

im Kindesalter

Allgemeines Traumatologische Notfälle: ▶ Unfälle sind hierzulande Haupttodesursache für Kinder > 1 Jahr. ▶ Hauptursache für traumatologische Verletzungen sind Stürze.

32 Notfälle bei Kindern

32.4 Besonderheiten bei traumatologischen Notfällen im Kindesalter

▶ Kommunikation besonders bei Kleinkindern nur eingeschränkt möglich, daher können Verletzungen leicht übersehen werden (insbesondere intraabdominell) → sorgfältige Untersuchung! ▶ Der Kopf ist besonders gefährdet, da er im Verhältnis zum Körper größer ist als bei Erwachsenen. ▶ Thoraxtrauma: Gelegentlich schwere Lungenkontusion ohne Rippenfrakturen aufgrund der hohen Elastizität des kindlichen Thorax. ▶ Wirbelsäulentrauma: Auch bei unruhigen Kindern auf eine ausreichende Immobilisierung achten, ggf. Sedierung mit Midazolam (Cave: Paradoxe Reaktion!). ▶ Abdominaltrauma: Höhere Gefahr der Verletzung der Oberbauchorgane (relativ größere Organe bei relativ dünner Bauchdecke). ▶ Blutverlust: Zunächst gute Kompensationsmöglichkeiten (Blutdruck bleibt fast normal), dann rasche, schlagartige Dekompensation möglich (bei etwa 30 %igem Blutverlust). ▶ Beachte: Kinder, v. a. Kleinkinder, kühlen schnell aus → ausreichend warmhalten ■ (z. B. Temperatur im RTW hochstellen, Kinder gut einpacken). Kindesmisshandlung ▶ Bei traumatologischen Notfällen im Kindesalter immer auch an Kindesmisshandlung denken! Insbesondere bei unklaren Umständen und/oder wenn die Eltern die Mitnahme des Kindes in die Klinik verweigern. ▶ Gesamtverletzungsmuster beachten (z. B. alte Hämatome).

Schädelhirntrauma (SHT) ▶ Besonders rasche Entwicklung eines Hirnödems möglich! ▶ Intubation: • Indikation bei GCS < 9, analog zu Erwachsenen, s.404 • Bei V. a. auf mittleres, bzw. eher leichtes SHT → Kind genau beobachten, eher zurückhaltende Indikation für prophylaktische Intubation. ▶ Hinweis auf schweres Trauma: Sekundäre Bewusstseinseintrübung und anhaltende Bewusstlosigkeit. Cave: Kleinkinder schlafen oft vor Erschöpfung ein, wenn sie bei starkem, schreckbedingtem Weinen getröstet werden! Nicht mit sekundärer Bewusstseinseintrübung verwechseln. Ggf. wieder wecken. ▶ Bei mittlerem und schwerem SHT möglichst schneller Transport in Zentrum mit Neurochirurgie. ▶ Beachte: ■ • Altersspezifische RR-Werte: syst. 70 mmHg + 2 × Alter in Jahren. • Es gibt keine evidenzbasierten Empfehlungen zum Zielblutdruck. • Normotonie anstreben. ▶ ■ Vermeiden: Hypotension, Hypoxämie, Hypoventilation, Fieber! ▶ Ansonsten Vorgehen analog der Erwachsenenversorgung bei SHT. ▶ Shaken-Baby-Syndrom (Battered-Child-Syndrom): • SHT durch starkes Schütteln des Säuglings. 393

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Notfälle bei Kindern

32

32.5 Spezielle Notfallsituationen im Kindesalter Tab. 32.6 • Adaptierte Glasgow-Koma-Scale. Punkte

Augen öffnen

Motorische Antwort auf Schmerzreiz

1

kein

keine

keine

keine

2

auf Schmerzreiz

Strecksynergismen

lautieren

nicht „ansprechbar“, kurze Unruhephasen

3

auf Anruf

Beugesynergismen

„Wortsalat“

somnolent, weint untröstlich

4

spontan

ungezielt

desorientiert

weinerlich, reagiert verlangsamt

5

gezielt

orientiert

munter, fixiert

6

auf Aufforderung

Verbale Antwort > 24–36 Monate

Verbale Antwort < 24–36 Monate

• Durch unzureichende Kopfkontrolle des Kindes kommt es zum Auftreten von Scherkräften, die durch Zerreißung von Brückenvenen zu subduralen Hämatomen führen.

Polytrauma ▶ Bei Kindern häufig SHT und Frakturen der Röhrenknochen (jeweils bei > ¾ der polytraumatisierten Kinder). ▶ Thorakale und abdominale Verletzungen eher seltener als bei Erwachsenen (jeweils 15-25 %). ▶ V. a. bei Kleinkindern erschwerter Venenzugang → an intraossären Zugang denken!

Ertrinkungsunfälle ▶ Jedes beinahe ertrunkene Kind sollte auch bei Symptomlosigkeit 24 h stationär überwacht werden: Gefahr der verzögerten Manifestation eines schweren Lungenversagens. ▶ Erhöhte Hypothermiegefahr im Vergleich zum Erwachsenen. ▶ Keine aktive Wiedererwärmung im RTW, aber Schutz vor weiterer Auskühlung. No one is dead, until warm and dead gilt gerade im Kleinkindalter. Daher ist jeder hypotherme Patient zu reanimieren, der keine sicheren Todeszeichen aufweist (z. B. nach Einbrechen in zugefrorenen Teich).

32.5 Spezielle Notfallsituationen im Kindesalter Epiglottitis ▶ Definition: Entzündliche Schwellung des Kehldeckels mit Stridor und Ateminsuffizienz. ▶ Ursache: Akute Laryngopharyngitis meist durch Hämophilus influenzae Typ 1. ▶ Pathogenese: Verlegung des Larynxeingangs durch oft perakute, riesige Schwellung des Kehldeckels. ▶ Prädilektionsalter: 2–3 Jahre; Vorkommen jedoch auch bei Erwachsenen möglich! ▶ Symptomatik: Inspiratorischer Stridor, Halsschmerzen, kloßige Sprache, Schluckstörungen, Speichelfluss, Schaukelatmung (thorakoabdominale paradoxe Atmung, 394

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32 Notfälle bei Kindern

32.5 Spezielle Notfallsituationen im Kindesalter

Einziehungen des Brustkorbs während Inspiration), Tachypnoe, Dyspnoe („Nasenflügeln“), in schweren Fällen Zyanose, hohes Fieber, ausgeprägtes Krankheitsgefühl. ▶ Diagnostik: • Inspektion des Kindes. Aber: ▶ Beachte: Keine präklinische Inspektionen des Rachens! Gefahr reflektorischer ■ Herz- und Atemstillstände und einer Zunahme der Schwellung! • Anamnese. • Auskultation des Thorax und über dem Larynx. • Puls. • Möglichst Pulsoxymetrie. • EKG und Blutdruckmessung. ▶ Differenzialdiagnose: s. Tab. 32.7. ▶ Therapie: • Beruhigung von Kind und Eltern!! • Sitzende Lagerung, wenn möglich auf dem Schoß der Mutter! • O2-Gabe 2–4 l über Maske bei Zyanose oder pSaO2 < 85–90 % zur Vermeidung von Hypoxie. • Atemwegsmanagement bei deutlicher Ateminsuffizienz: – Zunächst Maskenbeatmung! – Intubationsversuch bei unmöglicher oder unzureichender Maskenbeatmung (zunehmende Hypoxie). Intubation wegen der Epiglottisschwellung oft sehr schwierig! – Wenn Intubation unmöglich (2 vergebliche Versuche), aber unumgänglich: Rechtzeitige, besonnene Koniotomie (S. 68)! • Keine Sedierung des spontan atmenden Kindes! • Immer Klinikeinweisung in ärztlicher Begleitung bereits im Verdachtsfall! • In der Klinik: Racheninspektion und Intubation unter Tracheotomiebereitschaft; Intensivtherapie inkl. Antibiotikatherapie mit Aminopenicillinen oder Cephalosporinen.

Fieberkrampf ▶ Definition: Tonisch-klonische Krämpfe bei plötzlichem Fieberanstieg. ▶ Ursache: Fieberhafte Infektionen (meist Virusinfektionen) unter zerebraler Mitbeteiligung. ▶ Prädilektionsalter: 1/2–6 Jahre; Vorkommen bei etwa 3–5 % aller Kinder in diesem Alter. ▶ Symptomatik: s. auch S. 345; tonisch-klonische Krämpfe, ggf. postiktaler Nachschlaf, Fieber. ▶ Diagnostik: • Anamnese. • Inspektion: Gesamtaspekt; ggf. Krampfbeobachtung; Krampffolgen (?) wie Zungenbiss, Speichelfluss, roter Kopf; Pupillen; Anzeichen für Verletzungen bzw. Frakturen. • Palpation: Heiße Stirn, ggf. Temperaturmessung. • Puls. • Blutzuckerbestimmung: Ausschluss hypoglykämisch bedingter Krämpfe. ▶ Differenzialdiagnose: s. auch S. 345, konnatale Epilepsie, Hypoglykämie, Hypoxie, Schädelhirntrauma, Vergiftungen. ▶ Therapie: • Beruhigung der Eltern. • Nach abgelaufenem Krampfanfall: – Fiebersenkung: Verabreichung von Paracetamol-Suppositorien; Dosierung: Orientierung: 10–40 mg/kgKG; Säuglinge: 1 Paracetamol-Supp. à 125 mg rektal; Kleinkinder: 1 Paracetamol-Supp. à 250 mg rektal; Schulkinder: 1 Paracetamol-Supp. à 500 mg rektal. 395

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Notfälle bei Kindern

32

32.5 Spezielle Notfallsituationen im Kindesalter

– Keine weiteren Maßnahmen erforderlich. – Transport in Kinderklinik. • Bei beobachtetem Krampfanfall: – Antikonvulsive Therapie mit Diazepam rektal oder intravenös (wenn venöser Zugang möglich). Dosierung: Orientierung: 0,3–0,5 mg/kg KG, Säuglinge 2,5– 5 mg, Kleinkinder 5–10 mg, Schulkinder 10–20 mg. – Alternativ: Chloralhydrat rektal. Dosierung (Rectiolen à 0,6 mg): Säuglinge 0,3– 0,6 g, Kleinkinder 0,6 g, Schulkinder 1,2 g. – Alternativ: Midazolam nasal: 0,2 mg/kg. – O2-Gabe 2–4 l über Maske. – Transport in Kinderklinik.

Krupp-Syndrom ▶ Definition: Entzündliche subglottische Stenose mit Stridor und bellendem Husten. ▶ Ursachen: Akute obstruktive Laryngotracheobronchitis: • Meist Virusinfektion (Erreger: Parainfluenza- oder Adenoviren). • Heute selten: Diphtherie (Erreger: Corynebacterium diphtheriae). ▶ Pathogenese: Kritische Einengung des Larynxeingangs durch Schwellung im Bereich der Stimmlippen (subglottischer Raum). ▶ Prädilektionsalter: 1/2 bis 3 Jahre. ▶ Symptomatik: Bellender Husten, Heiserkeit, inspiratorischer Stridor, Schaukelatmung (thorakoabdominale paradoxe Atmung, Einziehungen des Brustkorbs während Inspiration), Tachypnoe/Dyspnoe, Hautblässe, Zyanose, meist nur mäßiges Fieber. ▶ Stadieneinteilung: • Stadium 1: Bellender Husten, Heiserkeit. • Stadium 2: Zusätzlich inspiratorischer Stridor mit Schaukelatmung (thorakoabdominale paradoxe Atmung). • Stadium 3: Zusätzlich Tachykardie, Hautblässe, Unruhe. • Stadium 4: Zusätzlich Zyanose, Bewusstseinstrübung. ▶ Diagnostik: • Inspektion des Kindes. • Anamnese. • Auskultation des Thorax und über dem Larynx. • Puls. • Möglichst Pulsoxymetrie. • EKG und Blutdruckmessung nur bei schwerem Verlauf. ▶ Differenzialdiagnose: s. Tab. 32.7, v. a. akute Epiglottitis (S. 394) und Verlegung der oberen Atemwege durch Fremdkörper (S. 133). ▶ Therapie: • Beruhigung von Kind und Eltern!! • Sitzende Lagerung, wenn möglich auf dem Schoß der Mutter! • O2-Gabe: – Stadium 1–2 nicht routinemäßig. – Stadium 3: 2–4 l über Maske. – Stadium 4: Maskenbeatmung, ggf. endotracheale Intubation (sehr selten notwendig). • Sedierung bei sehr unruhigen Kindern: – Diazepam rektal 5 mg Rectiole bei Kindern ≤ 15 kgKG, 10 mg Rectiole bei Kindern > 15 kgKG. – Alternativ Chloralhydrat rektal 0,3 g = 1/2 Rectiole bei Säuglingen, 0,6 g = 1 Rectiole bei Kindern ≤ 15 kg KG. • Zur Abschwellung der Laryngealschleimhaut antientzündliche und lokal vasokonstringierende Medikamente: 396

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Tab. 32.7 • Differenzialdiagnose akuter oberer Atemwegsobstruktionen im Kindesalter. Krupp-Syndrom

Epiglottitis

Fremdkörperaspiration

Stridor

ja

ja

ja

Einziehungen

ja

ja

ja

Krankheitsbeginn

langsam

schnell

akut

Infektion

viral

bakteriell

nein

Fieber

mäßig

hoch

nein

Allgemeinzustand

meist gut

schwer krank

gut

Speichelfluss

fehlt

oft

nein

Husten

ja, bellend

nein

ja

Stimme

heiser

kloßig und leise

leise bis fehlend

Schluckbeschwerden

nein

ja

nein

Vitalbedrohung

selten

immer

oft

32 Notfälle bei Kindern

32.5 Spezielle Notfallsituationen im Kindesalter

– Kortikosteroide (rektal): Prednison- oder (besser) Prednisolon-Suppositorien à 100 mg, 5–20 mg/kgKG (nach oben aufrunden). – Epinephrin InfectoKrupp Inhal 2–4 Sprühstöße mit Zerstäuber-System (nicht mit Tropfendosierer!) oder über Vernebler (7–14 Hübe des Tropfendosierers entsprechen etwa 1–2 ml); alternativ Adrenalinverneblung in der Inspirationsluft.

Akute Herzinsuffizienz des Kindes ▶ Ursachen nach Alter: • Neugeborene: Perinatale Asphyxie, kritische Stenose der pulmonalen oder aortalen Ausflussbahn, hypoplastisches Linksherz-Syndrom, totale Lungenvenenfehlmündung, Herzrhythmusstörungen, arteriovenöse Malformation. • Erstes Lebensjahr: Dekompensiertes Herzvitium (VSD, AVSD, persistierender Ductus arteriosus), Myokarditis, Kardiomyopathie, Herzrhythmusstörung. • Nach dem ersten Lebensjahr: Myokarditis, Endokarditis, Stoffwechselerkrankung, Herzrhythmusstörungen, kardiotoxische Therapie (z. B. Zytostatika), späte Dekompensation bei bekannter Herzerkankung oder nach herzchirurgischem Eingriff. ▶ Symptome: • Dyspnoe, Leistungsschwäche, bei Säuglingen Trinkschwäche. • Zyanose bei zyanotischen Herzvitien oder schwerer Dekompensation. • Lungenödem. • Herzgeräusche bei Vitien und Endokarditis. ▶ Diagnostik: • Anamnese: Bekanntes Herzvitium, sonstige Vorerkrankungen. • Untersuchung: Auskulatation des Herzens und der Lunge, EKG, RR-Messung, Pulsoxymetrie. ▶ Therapie: • Sauerstoffgabe 2–4 l über Maske, ggf. Intubation und Beatmung (wenn möglich präklinisch vermeiden). • Antiarrhythmika, falls Indikation durch Herzrhythmus oder klinischem Bild. 397

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Notfälle bei Kindern

32

32.5 Spezielle Notfallsituationen im Kindesalter

• Akute supraventrikuläre Tachykardie mit regelmäßigen Abständen der QRS-Komplexe und hämodynamischer Stabilität: – Vagales Manöver. – Adenosin: 50 µg/kgKG als schneller Bolus, bei Nichtwirksamkeit jeweils Wiederholung nach 3 min mit um 50 µg/kgKG gesteigerter Dosis bis max. 250 µg/ kgKG. – Verapamil: 0,1–0,25 mg/kgKG i. v.; nicht bei Neugeborenen und Säuglingen, kontraindiziert bei WPW. – β-Blocker. • Akute ventrikuläre Tachykardien mit hämodynamischer Stabilität: Amiodaron. • Bei hämodynamisch instabilen Tachykardien: Kardioversion. ▶ Beachte: Keine Rhythmuskosmetik bei stabilem Kind, Medikamentengabe nur ■ dann, wenn bereits deutliche Zeichen der Herzinsuffizienz eingetreten sind. – Hämodynamisch instabile Kinder werden wie Erwachsene in Kurznarkose kardiovertiert. – Furosemidgabe (0,5–2 mg/kgKG i. v.). – Nitroglycerin 0,5–3 µg/kgKG/min. – Katecholamine: Dopamin (5–10 µg/kgKG/min), Dobutamin (5–10 µg/kgKG/ min): Cave: Tachykarde Herzrhythmusstörungen. – Morphingabe 0,05–0,1 mg/kgKG (vorsichtig titrieren). – Bei Hypertonie: Urapidil (1–4 mg/kgKG i. v. als Bolus).

Syndrom des plötzlichen Kindstods (SIDS) ▶ Definitionen: • Syndrom des plötzlichen Kindstods (SIDS): Plötzlicher und unerwarteter Tod meist während des nächtlichen Schlafs ohne vorhergehende wesentliche Krankheitszeichen. • Near missed SIDS oder Apparent life threatening event (ALTE): Alle beobachteten akuten, lebensbedrohlichen, jedoch nicht letalen Zustände im Säuglingsalter, die mit Apnoe und Zyanose oder Blässe einhergehen. ▶ Ursachen: Häufig unklar, wahrscheinlich meist zentrale Atemregulationsstörung, oft begleitender Infekt. ▶ Risikofaktoren: Frühgeburtlichkeit; intrauterine Probleme; Bauchlagerung; Rauchen in der Umgebung des Kindes sowie Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft. ▶ Prädilektionsalter: 2.–4. Monat; selten jenseits des 1. Lebensjahres. ▶ Symptomatik: • ALTE: Apnoe, evtl. Bradykardie. • SIDS: Apnoe, Asystolie, evtl. sichere Todeszeichen (S. 10). ▶ Diagnostik: • Inspektion des Kindes und der Umgebung. • Puls, EKG, Pulsoxymetrie, wenn möglich. ▶ Differenzialdiagnose: Gewaltverbrechen (v. a. Ersticken mit einem Kissen), Kindesmisshandlung. ▶ Therapie des ALTE: • Stimulation des Kindes: Ansprechen und Rütteln an den Schultern. • Wenn nicht erfolgreich: Maskenbeatmung mit 2–4 l bzw. 100 % O2; Intubation und Beatmung; ggf. Reanimation; in jedem Fall Transport in Kinderklinik. ▶ Vorgehen bei SIDS: • Großzügige Indikation zur Reanimation, jedoch nicht bei bereits erkennbaren sicheren Todeszeichen. • Einfühlsame Betreuung der Eltern. • Verständigung der Kriminalpolizei, wie bei allen unklaren Todesursachen (S. 13). • Evtl. vorhandenen Zwilling in der Klinik untersuchen lassen! 398

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33

Traumatologische Notfälle

33.1 Polytrauma Allgemeines ▶ Definition: Verletzungen mehrerer Körperregionen oder Organe, von denen mindestens eine oder die Kombination mehrerer lebensbedrohlich ist. ▶ Pathophysiologie: • Ausgeprägte Aktivierung zellulärer und humoraler Mediatorsysteme durch Schock und/oder Gewebszerstörung. • Regelmäßig Entwicklung eines SIRS (S. 263). ▶ Das Verletzungsmuster ist vom Unfallmechanismus abhängig. • Häufigkeit (Anhalt): – SHT und Gesichtsschädeltrauma: 60–90 %. – Thoraxtrauma: 20–60 %. – Abdominaltrauma: 10–40 %. – Wirbelsäulentrauma: 5–10 %. – Extremitätentrauma: 70–90 % (Arme 30 %, Beine und Becken 70 %). ▶ Schweregradeinteilung des Polytraumas: • Grad I: Keine Schockzeichen. • Grad II: Beginnender Schock. • Grad III: Schwerer, manifester Schock. ▶ Folgen und Gefahren: • Schwerer traumatisch-hämorrhagischer Schock. • Multiorganversagen bei überlebter Primärversorgungsphase. ▶ Mortalitätsursachen: • Schädelhirntrauma: 40–50 %. • Verbluten: 30–40 %. • Multiorganversagen: 5–10 %.

33 Traumatologische Notfälle

33.1 Polytrauma

Ursachen ▶ Faktoren und Umstände, die an ein Polytrauma denken lassen müssen: • Unfallmechanismus: – Sturz aus > 3 m Höhe. – Herausschleudern aus dem Fahrzeug. – Fußgänger oder Radfahrer angefahren. – Motorrad- oder Autounfall mit höherer Geschwindigkeit. – Einklemmung oder Verschüttung. – Explosionsverletzungen. – Hohe Energieeinwirkung (Fahrzeugdeformierung). – Tod eines Mitfahrers. • Verletzungsmuster: – Instabiler Thorax. – Offene Thoraxverletzung. – Instabile Beckenfraktur. – Frakturen von 2 oder mehr Röhrenknochen an der unteren Extremität. – Proximale Amputationsverletzungen von großen Gliedmaßen. – Rippenserienfrakturen bei Zusatzverletzungen. • Patientenzustand: – Bewusstseinstrübung oder Koma mit Begleitverletzungen. – Kreislaufinstabilität und Vorliegen einer der genannten Unfallmechanismen → auch bei einem äußerlich unversehrt wirkenden Patient muss die Verdachtsdiagnose Polytrauma gestellt werden. – Atemnot mit Begleitverletzungen. 399

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Traumatologische Notfälle

33

33.1 Polytrauma

Symptomatik und Diagnostik ▶ Symptomatik: • Symptome der Einzelorganverletzungen (SHT s. S.404, Gesichts- und Halsverletzungen s.S:406, Thorax s.S:407 und 409, Abdomen s. S.415, Extremitäten und Becken s. S.416, Amputationen s. S.417, Frakturen s. S.418, Gefäße s. S.421, Luxationen s.S:424, Wirbelsäule und Rückenmark s.S:427). • Symptome des traumatisch hämorrhagischen Schocks (S. 256). • Häufig Ateminsuffizienz. ▶ Inspektion, Anamnese, Unfallhergang. ▶ Neurologische Untersuchung: • Bewusstseinszustand. • Glasgow-Coma-Scale (s. S.221). • Pupillen: Rund? Weite? Seitenvergleich? • Extremitätenbewegungen (spontan oder nach Aufforderung). ▶ Auskultation des Thorax. ▶ Vitalparameter: • Puls. • Blutdruck. • EKG. • Pulsoxymetrie. ▶ Bodycheck: Im RTW, Pat. entkleiden und „von Kopf bis Fuß“ untersuchen. • Kopf, HWS: Inspektion (offene Verletzungen), Druckschmerzen. • Thorax: – Inspektion (Prellmarken, Hautemphysem, Krepitationen, pentetrierende Verletzungen). – Thoraxkompression bds. (Schmerzen?). – Auskultation (einseitiges Atemgeräusch? Rasselgeräusche). • Abdomen: – Inspektion (Prellmarken, offene Verletzungen). – Palpation (Abwehrspannung, Druckdolens). • Becken/Extremitäten: Druckschmerz, abnorme Beweglichkeit, Krepitationen. • Wirbelsäule: Motorik der Extremitäten vorhanden?

Management und Therapie ▶ Beachtung spezifischer Verletzungsprobleme: • Extremitäten und Becken (S. 417). • Gehirn, Schädel (S. 404) und Gesichtsschädel (S. 407). • Wirbelsäule (S. 427). • Thorax (S. 408). • Abdomen (S. 415). ▶ Ziele: Respiratorische und kardiozirkulatorische Stabilisierung bei adäquater Analgesie. Blutungen möglichst stoppen! ▶ Respiratorische Stabilisierung: • Sauerstoffgabe 4–8 l/min. • Endotracheale Intubation: Bei bewusstlosen, ateminsuffizienten und schwerstverletzten Patienten. – Indikation beim Polytrauma großzügig stellen! – Beachtung einer möglichen Mitbeteiligung der HWS (S. 426). – Ggf. Intubationsnarkose (s. u.). ▶ Kreislaufstabilisierung: • Zugang schaffen: Anlage von mindestens 2 großlumigen (mindestens 1,7 mm ID) periphervenösen Gefäßzugängen, wenn möglich. • Infusionstherapie: – Elektrolytlösungen, z. B. Ringer-Lösung → 500–1 500 ml i. v. oder mehr. 400

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Wichtig Bei unstillbarer Blutung, insbesondere bei penetrierenden Thorax- und Abdominalverletzungen sowie bei sehr proximalen Amputations- und Gefäßverletzungen, kann das Ausbluten durch Infusionstherapie und Blutdruckanhebung beschleunigt werden! In diesem Fall u. U. eher zurückhaltende Infusionstherapie mit permissiver Hypotension bei etwa 90 mmHg systolisch (Ausnahme: Bei SHT höhere systolische Blutdruckwerte anstreben). Rascher Transport zur chirurgischen Blutstillung!

33 Traumatologische Notfälle

33.2 Schädelhirntrauma (SHT)

– Ggf. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % → 500–1 000 ml i. v.oder mehr. – „Small Volume Resuscitation“: HyperHAES → 250 ml i. v. • Katecholamintherapie: Im Schock evtl. zusätzlich zur Infusionstherapie, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min.

• Reanimation des Polytraumatisierten (s. S. 124). ▶ Lagerung: • Vorzugsweise auf Vakuummatratze. • Schocklagerung. • Bei SHT und stabilen Kreislaufverhältnissen jedoch eher 30°-Oberkörperhochlagerung. ▶ Analgesie (s. a. S. 197): • Opioide, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. • Alternativ oder zusätzlich Ketamin 20–40 mg/S-Ketamin 10–20 mg i. v. ▶ Ggf. Narkose: Stets als Intubationsnarkose mit kontrollierter Beatmung: • Narkoseeinleitung: z. B. – Etomidate 0,2–0,3 mg/kgKG (20–30 mg) i. v. + Fentanyl 0,1–0,2 mg i. v. – Ketamin 1–2 mg/kgKG (50–200 mg) i. v. + Midazolam 0,1 mg/kgKG (5–10 mg); S-Ketamin 0,5–1 mg/kgKG (hier kann auf Midazolam verzichtet werden). ▶ Cave: Thiopental ist im Schock nicht geeignet als Einleitungsmittel. Propofol ■ nur eingeschränkt geeignet (langsam titrierend i. v.). • Narkoseaufrechterhaltung: Mehrere Möglichkeiten, z. B. – Opioid-Benzodiazepin-Kombinationsnarkose: Fentanyl 1–4 μg/kgKG alle 10– 30 min i. v. plus Diazepam oder Midazolam 0,1 mg/kgKG alle 10–30 min i. v. – Ketamin-Benzodiazepin-Kombinationsnarkose (indiziert besonders im Schock): Ketamin 0,5–1 mg/kgKG (S-Ketamin 0,25–0,5 mg/kgKG) alle 10– 15 min plus Diazepam oder Midazolam 0,1 mg/kgKG alle 10–15 min i. v. ▶ Rettung vorzugsweise mit Schaufeltrage. ▶ Monitoring: EKG, Pulsoxymetrie, engmaschige Blutdruckmessung, Messung des endexspiratorischen CO2 (falls möglich), Kontrolle der Pupillomotorik, Überwachung von Vigilanz und Motorik (bei nichtsedierten, ansprechbaren Patienten). ▶ Zügiger Transport ins nächste geeignete Krankenhaus (CT, Blutbank).

33.2 Schädelhirntrauma (SHT) Terminologie ▶ Geschlossenes SHT: Dura mater intakt. Keine direkte Verbindung zwischen Schädelinnerem und Außenwelt. ▶ Offenes SHT: Dura mater nicht mehr intakt. Direkte Verbindung zwischen Schädelinnerem und Außenwelt. Gefahr: Infektion (Meningoenzephalitis oder Abszesse). ▶ Einteilung nach der Glasgow Coma Scale (GCS, S. 221): • Leichtes SHT: GCS 13–15 Punkte. • Mittelschweres SHT: GCS 9–12 Punkte. • Schweres SHT: GCS 3–8 Punkte. 401

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Traumatologische Notfälle

33

33.2 Schädelhirntrauma (SHT) Polytrauma-Management Begleitumstände beachten: – weitere Gefährdungen für Verletzten und Retter (Absicherung der Unfallstelle, – Explosionsgefahr, Einsturzgefahr, …) – erschwerte Rettung, schwierige Bergung, Einklemmung Unfallmechanismus (s. Text) V.a. Polytrauma nein

Lebenszeichen? ja

A

B • Maskenbeatmung bei Apnoe

Atmung suffizient? ggf. Atemwege frei machen/Güdeltubus

nein

Bewusstsein? GKS > 9? ja ja

Reanimation Ausnahme: nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen; sonstige sichere Todeszeichen

nein

• Crash-Intubation unter • HWS-Stabilisierung (großzügige • Indikationsstellung zur Intubation) • Intubation unmöglich: Koniotomie

C • Kreislaufstabilisierung (Volumengabe, • ggf. Vasopressoren)

Kreislauf suffizient? RR > 80 mmHg ja

HWS-Immobilisation Vakuummatratze

Bei kurzer Transportzeit (< 15 min) ggf. Verzicht auf Intubation und unter ABC-Kontrolle, Volumentherapie und Analgesie, Transport des spontan atmenden Patienten in die Klinik

nein Check Spannungspneumothorax fehlendes Atemgeräusch + – gestaute Halsvenen – Dyspnoe – hoher Beatmungsdruck – Kreislaufinstabilität

eingeschränkt

nein

Vitalparameter?

spritzende Blutung?

stabil nicht stabilisierbar

Analgesie und ggf. Sedierung

HWS-Immobilisation Vakuummatratze

ja

ja

Thoraxdrainage

Kompression

Volumengabe

A/B

Transport in Schockraum (Rettungshubschrauber erwägen) bevorzugt Traumazentrum; bei instabilem Patienten mit sofortigem Interventionsbedarf nächstgelegene chirurgische Klinik

Abb. 33.1 • Polytraumamanagement.

402

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Ursachen ▶ Stumpfes Trauma (Auswahl): • Verkehrsunfall. • Sturz aus größerer Höhe und/oder auf harten Untergrund. • Schlag gegen den Kopf. ▶ Penetrierendes Trauma (Auswahl): • Schussverletzung. • Pfählungsverletzung, z. B. nach Sturz auf Eisenstab.

33 Traumatologische Notfälle

33.2 Schädelhirntrauma (SHT)

▶ Ältere, ungenaue Terminologie: • Commotio cerebri (Gehirnerschütterung): Leichtes SHT ohne nachweisbare Zerstörung von Gehirnsubstanz. • Contusio cerebri (Gehirnprellung): SHT mit Hirngewebsverletzungen („Kontusionsherde“). • Compressio cerebri (Gehirnquetschung): Schweres SHT mit deutlicher Zerstörung von Gehirnsubstanz.

Pathophysiologie ▶ Primärschaden: • Direkte Gehirnzerstörung durch das Trauma. • Penetrierende Traumen: Vorwiegend umschriebene Verletzungen. • Stumpfe Verletzungen: Vorwiegend diffuse Hirnschäden, jedoch meist mit fokaler Betonung (Kontusions- oder Blutungsherde): – Coup: Zerebrale Läsion auf der Seite der Gewalteinwirkung. – Contre-coup: Zerebrale Läsion auf der gegenüberliegenden Seite. ▶ Sekundärschaden: • Intrakranielle Raumforderung durch eine Blutung (s. Abb. 33.2), z. B.: – Epidurales Hämatom. – Subdurales Hämatom. • Hypoxie → hypoxischer Zellschaden. • Hypotension → zerebrale Minderperfusion. • Hirnödem → Hirndruckanstieg. • Hyperkapnie → Hirndruckanstieg. • Hyperglykämie → Verstärkung der lokalen Azidose in unmittelbarer Nachbarschaft einer zerebralen Primärläsionen. Wichtig Sekundärschäden sind im Gegensatz zu den Primärschäden prinzipiell vermeidbar oder therapierbar!

3

4

2 1

Abb. 33.2 • Intrakranielle Blutungen: 1 = knöcherner Schädel, 2 = harte Hirnhaut, 3 = epidurale Blutung, 4 = subdurale Blutung.

403

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Traumatologische Notfälle

33

33.2 Schädelhirntrauma (SHT)

Symptomatik Kopfschmerzen. Amnesie (retrograd oder anterograd). Zerebrale Krampfanfälle. Fokale neurologische Ausfälle: Sehstörungen, Paresen. Bewusstseinstrübung: Somnolenz, Sopor, Koma. • Primäres persistierendes Koma: Zeichen für schwere primäre zerebrale Schädigung. • Sekundäre Eintrübung eines vorher wachen Patienten: Zeichen für sekundäre zerebrale Schädigung, meist durch intrakranielle Blutung, etwa bei akutem Epiduralhämatom. ▶ Liquorfluss aus Nase oder Ohr: Zeichen für offenes SHT! ▶ Blutungen aus Nase und Ohr: Zeichen für Schädelbasisbruch. • Differenzialdiagnose: Verletzungen von Nase und Ohren. ▶ Monokel- oder Brillenhämatom: Zeichen für Schädelbasisbruch. ▶ Pupillenveränderungen: • Einseitig weite, lichtstarre Pupille (Anisokorie): Zeichen für akute einseitige Raumforderung auf der Seite der weiten Pupille durch ipsilaterale Einklemmung des N. oculomotorius im Tentoriumschlitz. • Beidseitig weite, lichtstarre Pupillen: Zeichen für sehr schweres SHT mit Hirnstammschädigung. • Differenzialdiagnose: Traumatische Okulomotoriusschädigung! ▶ Kreislaufwirkungen: Unterschiedlich! • Blutdruckanstieg und Bradykardie: Cushing-Reflex bei Hirndruck. • Blutdruckabfall durch neurogenen Schock. ▶ Beachte: Die Kreislaufreaktion auf eine zerebrale Schädigung kann durch Blutver■ lust und hämorrhagischen Schock überlagert sein! ▶ Ateminsuffizienz durch: • Zentrale Atemregulationsstörungen (Hirnstammbeteiligung). • Atemwegsverlegung durch die Zunge bei Bewusstlosigkeit. • Atemwegsobstruktion durch Verletzungen, Blut oder Blutkoagel. • Oxygenierungsstörungen durch neurogenes Lungenödem.

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Diagnostik ▶ Inspektion, Anamnese, Unfallhergang. ▶ Neurologische Untersuchung, insbesondere: • Bewusstseinszustand. • Pupillen. ▶ Puls-, Blutdruckmessung. ▶ EKG. ▶ Pulsoxymetrie. ▶ In der Klinik: • CCT: So bald wie möglich! • Röntgen-HWS: Ausschluss begleitender HWS-Luxation oder Fraktur.

Therapie ▶ Die folgenden Therapieempfehlungen sind in Übereinstimmung mit den „Guidelines for the prehospital Care of Patients with severe Head Injuries“ der Working Group for Neurosurgical Intensive Care of the European Society of Intensive Care Medicine. ▶ Ziel: Verhinderung oder Minimierung von Sekundärschäden. ▶ Atmung: • Sauerstoffgabe 4–8 l/min. • Indikationen für endotracheale Intubation: – Immer bei bewusstlosen Patienten. 404

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Wichtig Keine nasotracheale Intubation bei Rhinoliquorrhö (Gefahr einer Via falsa mit Verletzung der Gehirnsubstanz!). ▶ Kontrollierte Beatmung: Immer bei intubierten Patienten. ▶ Empfohlene Grundeinstellung des Beatmungsgerätes: • AMV 100–120 ml/kgKG/min (Faustregel: 10 l/min beim Erwachsenen). • FiO2 100 %. • Kein PEEP. ▶ Beachte: Hypoventilation und ausgeprägte Hyperventilation vermeiden! ■

33 Traumatologische Notfälle

33.2 Schädelhirntrauma (SHT)

– Immer bei Ateminsuffizienz. – Bei GCS < 8 dringend erwägen.

Praxistipp Wenn möglich, PETCO2-Kontrolle durch Kapnometrie; Ziel: PETCO2 um 35 mmHg. Bei V. a. transtentorielle Einklemmung und Zeichen des Mittelhirnsyndroms (Pupillenerweiterung, Strecksynergismen, Streckreaktion auf Schmerzreiz, progrediente Bewusstseinstrübung) kann Hyperventilation erwogen werden. ▶ Kreislauf: • Ziel: Stabilisierung mit RR um 140 mmHg systolisch. • Infusionstherapie: Verwendung von Elektrolytlösungen und/oder Kolloiden zur Volumentherapie. – Ringer-Lösung oder NaCl 0,9 % 500–1 500 ml i. v. – Bei zusätzlich großen Blutverlusten evtl. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500–1 000 ml i. v. – Ggf. small volume resuscitation (s. S. 169), wenn entsprechende Lösungen vorhanden. ▶ Beachte: Keine Glukoselösungen! ■ • Katecholamintherapie: Indiziert, wenn der Blutdruck durch Infusionen allein nicht wie gewünscht stabilisiert werden kann; z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Lagerung: • Blutdruckstabile Patienten: 30°-Oberkörperhochlagerung. • Hypotensive Patienten: Flachlagerung. ▶ Beachte: An begleitendes HWS-Trauma (s. S. 426) denken! Halskrawatte anlegen! ■ ▶ Analgesie mit Opioiden, wenn erforderlich, z. B. Morphin 5 mg i. v. ▶ Beachte: ■ – Gefahr der Atemdepression beim spontanatmenden Patienten! – Gefahr der Hypotension! ▶ Narkose: Wenn erforderlich, stets als Intubationsnarkose mit kontrollierter Beatmung (s. o.): • Narkoseeinleitung: z. B. – Thiopental (Trapanal) 0,5 mg/kgKG + Fentanyl 0,1–0,2 mg i. v. (nicht im Schock, auf RR-Abfall achten, ggf. mit Akrinor anheben). – Propofol 2 mg/kgKG i. v. (ggf. in Kombination mit Fentanyl 0,1–0,2 mg i. v.). Cave: RR-Abfall! – Etomidate 0,2–0,3 mg/kgKG (20–30 mg) i. v. + Fentanyl 0,1–0,2 mg i. v. – Ketamin 1–2 mg/kgKG (50–200 mg) i. v. + Midazolam 0,1 mg/kgKG i. v.; S-Ketamin 0,5–1 mg/kgKG. • Narkoseaufrechterhaltung: Mehrere Möglichkeiten, z. B.: – Opioid-Benzodiazepin-Kombinationsnarkose: Fentanyl 1–4 μg/kgKG alle 10– 30 min i. v. plus Diazepam oder Midazolam 0,1 mg/kgKG alle 10–30 min i. v. 405

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Traumatologische Notfälle

33

33.3 Gesichtsschädel- und Halsverletzung

– Ketamin-Benzodiazepin-Kombinationsnarkose (indiziert besonders im Schock): Ketamin 0,5–1 mg/kgKG (S-Ketamin 0,25–0,5 mg/kgKG) alle 10–15 min plus Diazepam oder Midazolam 0,1 mg/kgKG alle 10–15 min i. v. – Propofol-Dauerinfusion 0,5–4 mg/kgKG/h i. v. oder 0,25–1 mg/kgKG i. v. als Bolus alle 15 min. (Cave: Bei Kindern bis einschl. 16 Jahren zur Langzeitsedierung nicht zugelassen, im Rahmen des Transportes zur nächsten Klinik problemlos anwendbar.) Merke Ketamin ist beim SHT nicht kontraindiziert, sofern eine adäquate Beatmung erfolgt! ▶ Offenes SHT mit Austritt von Hirngewebe: Abdeckung mit sterilen Mullkompressen oder Tüchern; keine Repositionsversuche! ▶ Adjuvante, präklinisch nicht empfohlene Therapiemaßnahmen: • Hyperventilation ohne Zeichen der Einklemmung zur Hirndrucksenkung: kann die zerebrale Perfusion kritisch mindern und die Prognose verschlechtern! • Kortikosteroide, z. B. Dexamethason 100 mg i. v. oder Methylprednisolon 125– 2 000 mg i. v.; Maßnahme ohne erwiesene Effektivität! • Hirndrucktherapie mit Osmotherapeutika, z. B. mit Mannit 20 % 100–250 ml i. v.; etablierte Maßnahme zur Hirndrucksenkung in der Klinik, jedoch nicht präklinisch unmittelbar nach Trauma. • Barbiturate zur „Zerebroprotektion“: Ohne klinisch erwiesene Effektivität! Gefahr der Hypotension und zerebralen Minderperfusion! ▶ Zügiger Transport in die nächste geeignete Klinik, die zumindest über ein CCT verfügt! ▶ Beachte: Hauptgründe für vermeidbare sekundäre Hirnschäden nach SHT: ■ – Verzögerte Diagnose und verzögerte Therapie einer raumfordernden intrakraniellen Blutung. – Unzureichende Therapie von Hypoxie und Hypotension.

33.3 Gesichtsschädel- und Halsverletzung Verletzungsformen und Ursachen ▶ Verletzungsformen: Nasenfraktur, Mittelgesichtsfraktur, Unterkieferfraktur, Orbitafraktur, Larynxtrauma (besonders bei Strangulationsverletzung). ▶ Ursachen: • Autounfall, Glassplitterverletzung (z. B. Windschutzscheibe). • Sturz oder Schlag auf das Gesicht. • Schussverletzung. • Strangulation, Erhängen (z. B. Suizidversuch).

Folgen und Gefahren ▶ Schwere Blutungen. ▶ Augenverletzungen, Blindheit. ▶ Atemwegsobstruktion durch: • Blut und Blutkoagel. • Direktes Larynx- und Trachealtrauma. ▶ Beachte: Häufig begleitendes Schädel-Hirn-Trauma und HWS-Trauma. ■

Diagnostik ▶ Inspektion, Anamnese, Unfallhergang. ▶ Blutungszeichen? 406

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Neurologische Untersuchung, insbesondere Bewusstseinszustand, Pupillen. Auskultation des Thorax. Puls-, Blutdruckmessung. EKG. Pulsoxymetrie.

Therapie ▶ Kompression einer Blutungsquelle (s. S. 422), wenn nötig und möglich. ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Endotracheale Intubation bei: • Drohender oder manifester Atemwegsverlegung. • Bewusstlosigkeit. • Notwendigkeit einer Narkose.

33 Traumatologische Notfälle

33.4 Thoraxtrauma: Übersicht

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Häufig Intubationsschwierigkeiten Bei Scheitern der Intubation (3 vergebliche Versuche) rechtzeitiger Entschluss zur Koniotomie! Bei Verletzungen, die eine Intubation unmöglich erscheinen lassen, primäre Koniotomie unter Lokalanästhesie oder unter Ketanestsedierung mit erhaltener Spontanatmung. ▶ Infusionstherapie: Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v., bei großen Blutverlusten evtl. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500–1 000 ml i. v. ▶ Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. ▶ Lagerung: • Blutdruckstabile Patienten: 30°-Oberkörperhochlagerung. • Hypotensive Patienten: Flachlagerung. • Bei Blutung im Mund-Nase-Gesichtsbereich: Seitenlagerung bei nicht-intubierten Patienten. ▶ ■ Beachte: An begleitendes SHT und HWS-Trauma (S. 401, 426) denken! Halskrawatte anlegen! ▶ Therapie bei Epistaxis: Siehe S. 359.

33.4 Thoraxtrauma: Übersicht Verletzungsformen ▶ Verletzungen der Atempumpe (Thoraxwand): • Rippenfraktur, Rippenserienfraktur. • Pleuraverletzungen: – Pneumothorax. – Spannungspneumothorax. – Offener Pneumothorax. – Hämatothorax. ▶ Verletzungen der Lunge und Atemwege: • Lungenkontusion. • Trachealruptur, Bronchusabriss. • Mediastinalemphysem, kompressives Mediastinalemphysem. ▶ Verletzungen des Herzens und der großen Gefäße: • Herzkontusion. • Perikardtamponade.

Ursachen ▶ Stumpfes Thoraxtrauma: • Verkehrsunfall. 407

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Traumatologische Notfälle

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33.4 Thoraxtrauma: Übersicht

• Sturz aus größerer Höhe (Dezelerationstrauma). • Schlageinwirkung. ▶ Penetrierendes Thoraxtrauma: • Schussverletzung. • Messerstichverletzung. ▶ Selten: Tauchunfall.

Gefahren und Komplikationen ▶ Hämorrhagischer Schock: Durch Gefäßverletzungen und Gewebszerreißungen. ▶ Kardiogener Schock: Durch Herzkontusion. ▶ Obstruktiver Schock: Durch Spannungspneumothorax, Herzbeuteltamponade oder kompressives Mediastinalemphysem. ▶ Rasches Ausbluten (Hämorrhagischer Schock): Durch Ruptur der großen Gefäße und des Herzens. ▶ Ventilationsversagen: Durch Pneumothorax, Verlegung der Atemwege durch Blut oder Blutkoagel. ▶ Oxygenierungsversagen: Durch Lungenkontusion (meist verzögerte Entwicklung über einige Stunden). ▶ Kammerflimmern, Herzstillstand: Durch Herzkontusion.

Therapie ▶ Allgemeine Therapie: • Lagerung: – Oberkörperhochlagerung: Indiziert bei stabilem Kreislauf. – Flach- oder Schocklagerung: Indiziert bei Hypotension. • Sauerstoffgabe 4–8 l/min. • Intubation und Beatmung bei drohender oder manifester Ateminsuffizienz (Dyspnoe, Hypoxie, pSaO2 < 85–90 %). ▶ Beachte: ■ – Großzügige Indikation zur Intubation und Beatmung beim schweren Thoraxtrauma, ggf. Intubationsnarkose. – Aber: Gefahr der Verstärkung oder Auslösung eines Spannungspneumothorax! • Kreislaufstabilisierung: – Infusionstherapie: Elektrolytlösungen, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. oder mehr, ggf. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500–1 000 ml oder mehr i. v. – Katecholamintherapie: Im Schock evtl. zusätzlich zur Infusionstherapie, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min. ▶ Cave: Bei unstillbarer Blutung, insbesondere bei penetrierenden Thoraxverlet■ zungen, kann das Ausbluten durch Infusionstherapie und Blutdruckanhebung beschleunigt werden! In diesem Fall u. U. eher zurückhaltende Infusionstherapie mit permissiver Hypotension bei etwa 90 mmHg systolisch (Ausnahme: Bei begleitendem SHT höhere systolische Blutdruckwerte anstreben). Rascher Transport zur chirurgischen Blutstillung! • Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v.

Therapie bei speziellen Thoraxverletzungen: Übersicht ▶ Spezielle Therapie: • Penetrierende Thorax- oder Herzverletzungen mit penetrierendem Agens (z. B. Messer): Gegenstand möglichst bis zur innerklinischen chirurgischen Versorgung in situ belassen! • Offene Thoraxverletzungen: Lockere Abdeckung mit sterilen Mullkompressen. ▶ Beachte: Bei luftdichtem Verband Gefahr des Spannungspneumothorax! ■ • Spannungspneumothorax: Auch schon im begründeten Verdachtsfall Anlage einer Thoraxdrainage (S. 152)! Nicht auf Diagnosebestätigung durch Röntgen warten! 408

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33.5 Thoraxtrauma: Spezielle Krankheitsbilder Herzkontusion ▶ Ursache: Kompression des Herzens zwischen Sternum und Wirbelsäule bei stumpfem Trauma. Herzkontusion ist eine häufige Todesursache bei jungen, gesunden Sportlern! ▶ Folgen, Gefahren, Symptomatik: • Rhythmusstörungen aller Art. • Herzinsuffizienz. • Myokardiale Ischämie. • Hypotension. • Perikardtamponade (siehe dort). ▶ Diagnostik: • Inspektion: Prellmarken, instabiles Sternum (Sternumfraktur). • Auskultation des Thorax. • EKG. • Pulsoxymetrie. ▶ Therapie: • Sauerstoffgabe. • Rhythmusstörungen: Antiarrhythmika, z. B. Amiodaron 300 mg i. v.; bei VF/VT sofortige Defibrillation. • Ischämiezeichen (klinisch oder im EKG): Behandlung wie Angina pectoris (S. 269), z. B. Nitroglycerin 0,8–1,6 mg s. l. • Herzinsuffizienz: Katecholamine, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 2– 20 μg/kgKG/min; evtl. zusätzlich Nitrate, z. B. Nitroglycerin 0,8–1,6 mg s. l.

33 Traumatologische Notfälle

33.5 Thoraxtrauma: Spezielle Krankheitsbilder

• Herzkontusion, Rhythmusstörungen: Bei Kreislaufwirksamkeit symptomatische Therapie mit Antiarrhythmika, z. B. Amiodaron 150–300 mg i. v. • Herzbeuteltamponade: Im dringenden Verdachtsfall und bei schwerem, katecholaminresistentem Schock Perikardpunktion (S. 155). • Kompressives Mediastinalemphysem: Im dringenden Verdachtsfall und bei schwerem, katecholaminresistentem Schock kollare Mediastinotomie (S. 153).

▶ Beachte: Die ■

Lungenkontusion ▶ Ursache: Meist stumpfes Trauma. ▶ Pathophysiologie: Mikroskopische und/oder makroskopische Zerreißungen und Quetschungen des Lungengewebes; Zerstörung der alveolokapillären Einheit. ▶ Folgen und Komplikationen (Ausbildung oft erst nach Stunden bis Tagen): • Oxygenierungsstörungen. • Nicht-kardiogenes Lungenödem, ALI, ARDS (S. 308). ▶ Symptomatik: Präklinisch unmittelbar nach dem Trauma oft fehlend! • Ggf. Tachypnoe, Dyspnoe. • Ggf. Zyanose. ▶ Diagnostik: • Anamnese, Unfallhergang. • Inspektion der Atmung. • Auskultation und Palpation des Thorax. • Puls-, Blutdruckmessung. • EKG. • Pulsoxymetrie. ▶ Therapie: • Siehe auch S. 408. 409

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33.5 Thoraxtrauma: Spezielle Krankheitsbilder

• Bei Zeichen der schweren Oxygenierungsstörung (Zyanose oder Hypoxie, die sich durch Sauerstoffgabe allein nicht bessern lässt): Intubation und Beatmung mit hoher FiO2 und möglichst mit einem PEEP von 5–10 mbar. ▶ Beachte: Eine „prophylaktische“ präklinische PEEP-Beatmung kann jedoch die ■ spätere Entwicklung eines ARDS offenbar nicht verhindern!

Perikardtamponade (Herztamponade, Herzbeuteltamponade) ▶ Definition: Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel. Blutansammlung im Herzbeutel = Hämoperikard. ▶ Ursachen: Meist penetrierende Verletzung (Stich- oder Schussverletzung), seltener stumpfes Thoraxtrauma. ▶ Folgen und Komplikationen: • Diastolische Funktionseinschränkung des Herzens. • Verminderte ventrikuläre Füllung. • Obstruktiver Schock. ▶ Symptomatik: • Beck-Trias: – Hypotension. – Leise Herztöne. – Gestaute Halsvenen bzw. hoher ZVD. • Tachykardie. • Pulsus paradoxus: Abnahme der Pulsdruckamplitude bzw. des Blutdrucks während der Inspiration. • Zyanose. ▶ Diagnostik: • Anamnese (Unfallhergang) und Inspektion (penetrierende Verletzungen?). • Auskultation des Thorax (Herz und Lunge). • EKG. • Blutdruckmessung. • Pulsoxymetrie. ▶ Therapie: Siehe auch S. 408. Perikardpunktion (S. 155) bei katecholaminresistentem Schock und dringendem Verdacht auf Perikardtamponade.

Pneumomediastinum und Hautemphysem ▶ Definition: Eindringen von Luft in das Mediastinum bzw. in das Subkutangewebe. ▶ Ursachen: Pulmonale oder tracheobronchiale Verletzungen, häufig (aber nicht immer!) begleitet von einem Pneumothorax. ▶ Pathophysiologie: Vordringen von Luft entlang der bronchialen Bindegewebsscheide nach proximal. ▶ Symptomatik: • Hautemphysem: „Schneeballknistern“ bei Palpation. • Mediastinalemphysem (Pneumomediastinum): Initial meist keine Symptome. • Kompressives Mediastinalemphysem (selten): Hypotension und Tachykardie als Zeichen des obstruktiven Schocks. ▶ Folgen und Gefahren: • Hautemphysem und Mediastinalemphysem (Pneumomediastinum): An sich harmlos, jedoch möglicherweise Anzeichen für u. U. lebensbedrohliche Verletzung des Tracheobronchialsystems! • Kompressives Mediastinalemphysem: Obstruktiver Schock. ▶ Diagnostik • Anamnese (Unfallhergang) und Inspektion (penetrierende Verletzungen?). • Auskultation des Thorax (Herz und Lunge). • EKG. • Blutdruckmessung. • Pulsoxymetrie. 410

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33 Traumatologische Notfälle

33.5 Thoraxtrauma: Spezielle Krankheitsbilder

• Hautemphysem: Palpation der Haut im Hals- und Thoraxbereich. • Mediastinalemphysem: Präklinisch nicht zu diagnostizieren. • Kompressives Mediastinalemphysem: Präklinisch nur zu vermuten bei folgender Konstellation: – Symptome des obstruktiven Schocks. – Spannungspneumothorax als Ursache ausgeschlossen. – Gleichzeitig ausgeprägtes Hautemphysem. ▶ Therapie: • Siehe auch S. 408. • Hautemphysem und vermutetes Mediastinalemphysem: Keine spezifische Therapie! • Kompressives Mediastinalemphysem: Als ultima ratio bei entsprechender Verdachtsdiagnose: Kollare Mediastinotomie (S. 153).

Pneumothorax, Hämatopneumothorax ▶ Definitionen: • Pneumothorax: Luftansammlung im Pleuraraum. • Offener Pneumothorax (s. Abb. 33.4): Sonderform des Pneumothorax, gekennzeichnet durch ungehindertes Eindringen und Entweichen von Luft durch eine Thoraxwandverletzung in den und aus dem Pleuraraum. • Spannungspneumothorax (s. Abb. 33.5): Sonderform des Pneumothorax, gekennzeichnet durch Eindringen von Luft in den Pleuraraum ohne Möglichkeit zum Entweichen. • Hämatothorax: Blutansammlung im Pleuraraum. • Hämatopneumothorax: Bei Thoraxtrauma häufige Mischform aus Pneumothorax und Hämatothorax mit Blut- und Luftansammlung im Pleuraraum. ▶ Ursachen: Verletzungen der viszeralen und/oder parietalen Pleura durch: • Thoraxtrauma. • Rippenserienfraktur. • Ruptur eines großen Lungenbläschens (Spontanpneumothorax). • Fehlpunktion beim Legen eines zentralen Venenkatheters. • Überdruckbeatmung: Baro- und Volotrauma. • Tauchunfall (S. 438). ▶ Folgen, Gefahren, Symptomatik: • Alle Formen: – Lungenkollaps. – Abnahme der Gasaustauschfläche. – Gefahr des Ventilations- und Oxygenierungsversagens.

a

b

Abb. 33.3 • Instabiler Thorax: Inspiration (a); Exspiration (b).

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33.5 Thoraxtrauma: Spezielle Krankheitsbilder

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a

b

Abb. 33.4 • Offener Pneumothorax: Inspiration (a); Exspiration (b).

a

b

Abb. 33.5 • Spannungspneumothorax: Inspiration (a); Exspiration (b).

• Offener Pneumothorax (s. Abb. 33.4): Mediastinalflattern: – Bewegung des Mediastinums inspiratorisch in Richtung der unverletzten Thoraxseite und exspiratorisch in Richtung der verletzten Seite. – Negative Auswirkungen auf Herzkreislaufsystem gering; jedoch u. U. lebensbedrohliche Störung der Spontanatmung. • Spannungspneumothorax (s. Abb. 33.5): – Intrapleuraler Druckanstieg mit Mediastinalverlagerung zur anderen Seite. – Obstruktiver Schock. • Hämatothorax: – Blutverlust. – Hämorrhagischer Schock. ▶ Diagnostik (S. 407): • Alle Formen: Abgeschwächtes oder fehlendes Atemgeräusch auf der betroffenen Seite. • Spannungspneumothorax: U. U. gestaute Halsvenen; Symptome des obstruktiven Schocks. • Offener Pneumothorax: Sichtbare Wunde im Thoraxbereich. • Hämatothorax: Symptome des hämorrhagischen Schocks. 412

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Praxistipp Eine zu tiefe (einseitige) Intubation kann einen Pneumothorax vortäuschen! ▶ Therapie: • Siehe auch S. 408. • Thoraxdrainage (S. 152): Spezifische Therapie der Wahl. Evtl. zunächst auch Punktion der Pleurahöhle mit großlumiger Venenverweilkanüle (z. B. 2,0 mm ID). Grundsätzliche Indikationen: – Deutliche Beeinträchtigung der Atmung oder des Herz-Kreislauf-Systems. – Bevorstehender Hubschraubertransport eines beatmeten Patienten mit frischem, schwerem Thoraxtrauma. – Spannungspneumothorax: Thoraxdrainierung schon im begründeten Verdachtsfall präklinisch indiziert. ▶ Beachte: Bei V. a. Hämatothorax und unkompliziertem Pneumothorax oder Hä■ matopneumothorax ohne deutliche Ateminsuffizienz ist präklinisch keine Thoraxdrainage indiziert! ▶ Merke: Durch Beatmung kann ein Spannungspneumothorax aufgrund des intra■ pulmonalen Überdrucks verstärkt oder überhaupt erst ausgelöst werden! • Offener Pneumothorax: – Lockere, luftdurchlässige Abdeckung der Brustwandverletzung mit sterilen Kompressen. ▶ Cave: Bei luftdichter Abdeckung Gefahr, dass sich ein Spannungspneumothorax ■ entwickelt! Sie ist nur dann indiziert, wenn keine Möglichkeit zur Beatmung besteht (Großunfall, Katastrophenfall).

33 Traumatologische Notfälle

33.5 Thoraxtrauma: Spezielle Krankheitsbilder

Rippenserienfraktur ▶ Definition: Frakturen mehrerer benachbarter Rippen. ▶ Folgen und Gefahren: • Instabiler Thorax, thorakale paradoxe Atmung. • Verletzungen der Pleura: Pneumothorax bzw. Hämatopneumothorax, Spannungspneumothorax, offener Pneumothorax. • Ventilationsversagen, Dyspnoe, Tachypnoe. ▶ Diagnostik (S. 407): • Anamnese: Unfallhergang? • EKG, Blutdruckmessung. • Pulsoxymetrie. • Inspektion: Paradoxe Atmung? • Auskultation: Begleitender Pneumothorax? • Palpation: Krepitationen im Bereich der Frakturen? ▶ Therapie: • Siehe auch S. 408. • Sauerstoffgabe. • Bei manifester respiratorischer Insuffizienz: Intubation und Beatmung. • Großzügige Indikationsstellung zur Thoraxdrainierung, da Gefahr der Entwicklung eines Spannungspneumothorax.

Thorakale Aortenverletzung ▶ Siehe auch unter Aortenruptur (S. 296). ▶ Ursachen: • Stumpfe Thoraxtraumen: – Oft axiale Dezelerationstraumen, z. B. Sturz aus großer Höhe. – Verkehrsunfälle. • Penetrierende Thoraxtraumen: Schuss-, Stichverletzungen. 413

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33.6 Abdominaltrauma

▶ Diagnostik (S. 297): Verdacht auf Aortenverletzung bei unmittelbarem, schwerstem hypovolämischen Schock. ▶ Therapie: Siehe auch S. 297. Adäquate präklinische Therapie nicht möglich; daher nach Atemwegssicherung zügiger Transport in die nächste geeignete Klinik, am besten mit Herz-Thorax-Chirurgie. ▶ Beachte: Bei unstillbarer Blutung aus großen intrathorakalen Gefäßen kann das ■ Ausbluten durch Infusionstherapie und Blutdruckanhebung beschleunigt werden! In diesem Fall u. U. eher zurückhaltende Infusionstherapie mit permissiver Hypotension bei etwa 90 mmHg systolisch und rascher Transport.

Tracheal- und Bronchusruptur ▶ Folgen und Symptomatik: • Schwere respiratorische Insuffizienz. • Hämoptyse (Bluthusten). • Mediastinal- und Hautemphysem (S. 410). • Evtl. Pneumothorax. ▶ Diagnostik (S. 410): • Keine präklinische Diagnosemöglichkeit! • Beim Vorliegen eines Hautemphysems an die Möglichkeit einer Tracheal- oder Bronchusruptur denken! ▶ Therapie: • Siehe auch S. 408. • Theoretische Forderung: Tubus möglichst über die Läsion hinaus in die distale Trachea vorschieben (jedoch keine präklinischen Diagnose- und Kontrollmöglichkeiten). • Möglichst niedrigen Beatmungsdruck wählen.

33.6 Abdominaltrauma Grundlagen ▶ Stumpfes Bauchtrauma: • Direkte Gewalteinwirkung auf Bauchdecke ohne Eröffnung derselben. • In mehr als 30 % der Fälle sind mehr als ein Organ verletzt. • Vor allem im Rahmen von Autounfällen. • Häufig im Rahmen eines Polytraumas (s. dort). ▶ Offenes Bauchtrauma: • Gewalteinwirkung mit Eröffnung der Bauchdecke z. B. bei Penetrationsverletzungen (Messerstich, Schusswaffenverletzungen); meist Monotrauma. • Pfählungsverletzungen: Eindringen von Stäben oder Stangen in den Bauchraum, häufig durch natürliche Körperöffnungen (Anus, Vagina) mit Penetration des Hohlorgans. ▶ Betroffene Organe: • Milz (häufig). • Leber (häufig). • Darm. • Niere. • Pankreas. • Blutgefäße: Mesenterialgefäße, V. cava, Aorta (selten). • Zwerchfell: Traumatische Zwerchfellhernie.

Folgen und Gefahren ▶ Organruptur: • Sofort (einzeitig). • Zweizeitig: Vor allem Milz und Leber: 414

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33 Traumatologische Notfälle

33.6 Abdominaltrauma

– Zunächst lediglich Parenchymruptur bei intakter Kapsel. – Später (innerhalb von Stunden bis Tagen): Kapselruptur, intraabdominelle Blutung, hämorrhagischer Schock. – In der Klinik: Wiederholte Ultraschall- und CT-Diagnostik! ▶ Intraabdominelle Blutung. ▶ Hämorrhagischer bzw. traumatisch-hämorrhagischer Schock. ▶ Respiratorische Insuffizienz (Oxygenierungs- und/oder Ventilationsversagen): • Auftreten vor allem bei: – Zwerchfellruptur. – Verletzung/Ruptur der Oberbauchorgane. • Grund: Störung der Zwerchfellmotilität und Abnahme der funktionellen Residualkapazität. ▶ Peritonitis, Sepsis, septischer Schock: Bei Darmruptur und Darmischämie.

Symptomatik ▶ Allgemein: Symptome des akuten Abdomens (S. 226), häufig zusammen mit Schocksymptomen (S. 254). ▶ Hypotension, Tachykardie. ▶ Abdominelle Schmerzen. ▶ Abwehrspannung. ▶ Evtl. abdominelle Prellmarken oder offene Wunden.

Diagnostik ▶ Inspektion, Anamnese, Unfallhergang. ▶ Palpation des Abdomens im Bereich aller 4 Quadranten. ▶ Beachte: Vor Analgetikagabe Schmerzlokalisation und -typ eruieren (S. 227): ■ • Spontanschmerzen. • Durch Palpation ausgelöste Schmerzen. • Schmerzangaben dokumentieren. ▶ Puls-, Blutdruckmessung. ▶ EKG, Pulsoxymetrie. ▶ In der Klinik: • Ultraschall des Abdomens. • CT-Abdomen. • Ggf. Peritoneallavage. • DK-Anlage: Blutiger Urin bei Nieren-, Blasenverletzung.

Therapie ▶ Siehe auch Polytraumatherapie. ▶ Ziele: Respiratorische und kardiozirkulatorische Stabilisierung bei ausreichender Analgesie. ▶ Respiratorische Stabilisierung: • Sauerstoffgabe 4–8 l/min. • Endotracheale Intubation bei bewusstlosen und ateminsuffizienten Patienten; Indikation beim schweren Bauchtrauma mit Kreislaufinsuffizienz großzügig stellen! ▶ Kreislaufstabilisierung: • Anlage von 1–2 großlumigen (mindestens 1,7 mm ID) periphervenösen Gefäßzugängen. • Infusionstherapie: Elektrolytlösungen, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. oder mehr, ggf. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500–1 000 ml oder mehr i. v. • Katecholamintherapie: Im Schock evtl. zusätzlich zur Infusionstherapie, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min. ▶ Beachte: Bei unstillbarer intraabdomineller Blutung, insbesondere bei penetrier■ enden Abdominalverletzungen, kann das Ausbluten durch Infusionstherapie und 415

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33.7 Extremitäten- und Beckentrauma: Übersicht

▶ ▶





Blutdruckanhebung beschleunigt werden! In diesem Fall u. U. eher zurückhaltende Infusionstherapie mit permissiver Hypotension bei etwa 90 mmHg systolisch (Ausnahme: Bei begleitendem SHT höhere systolische Werte anstreben). Rascher Transport in die Klinik zur chirurgischen Blutstillung! Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. Lagerung: • Stabile Kreislaufverhältnisse: Halbsitzend mit Knierolle. • Hypotension: Flach- oder Schocklagerung. Penetrierende Abdominalverletzungen und Pfählungsverletzungen mit penetrierendem Agens in situ: Gegenstand möglichst bis zur chirurgischen Versorgung in der Klinik belassen! Offene Bauchwunden: Steril abdecken. Ausgetretene Eingeweide nicht reponieren. Wichtig Beim Bauchtrauma mit Verdacht auf intraabdominelle Blutung stets zügiger Transport in chirurgische Klinik, da Blutstillung nur durch sofortigen operativen Eingriff möglich.

33.7 Extremitäten- und Beckentrauma: Übersicht Grundlagen ▶ Ursachen (Auswahl): • Verkehrsunfall. • Sturz. • Schussverletzung. ▶ Formen: • Fraktur. • Weichteilverletzung. • Luxation. • Gefäß- und Nervenverletzung. • Traumatische Amputation.

Komplikationen und Gefahren ▶ Traumatisch-hämorrhagischer Schock durch: • Blutverlust. • Gewebeverletzungen. ▶ Durchblutungsstörung. ▶ Motorische und/oder sensible Ausfälle. ▶ Wundinfektion, besonders bei offenen Frakturen. ▶ Thrombose und Lungenembolie. ▶ Dauerhafte Funktionseinschränkung der betroffenen Extremität.

Diagnostik ▶ Immer: Anamnese, Unfallhergang, Puls-, Blutdruckmessung. ▶ Blutverlust? • Bei größeren Blutverlusten, Mehrfachverletzungen oder Verletzungen im Rahmen eines Polytraumas: – Auskultation des Thorax. – EKG, Pulsoxymetrie. – Orientierende neurologische Diagnostik. ▶ Schmerzen? ▶ Frakturzeichen? ▶ Luxationszeichen? 416

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Allgemeine Therapie ▶ Vitalfunktionsstabilisierung: Bei größeren Blutverlusten, ausgedehnten Verletzungen und Mehrfachverletzungen: • Atmung: – Sauerstoffgabe 4–8 l/min. – Ggf. Intubation und Beatmung. • Kreislauf: – Anlage von 2 großlumigen (mindestens 1,7 mm ID) periphervenösen Gefäßzugängen, wenn möglich. – Infusionstherapie mit Vollelektrolytlösungen: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v., bei großen Blutverlusten evtl. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500– 1 000 ml i. v. – Katecholamintherapie: Im Schock evtl. zusätzlich zur Infusionstherapie, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. ▶ Schienung und Reposition wenn möglich und erforderlich.

33 Traumatologische Notfälle

33.8 Amputationsverletzungen

▶ Anzeichen für Nervenschädigung (Sensibilität und Motorik distal der Verletzung vorhanden)? ▶ Anzeichen für Durchblutungsstörungen (Puls distal der Verletzung vorhanden)? ▶ Ausschluss weiterer relevanter Verletzungen (Kopf, Thorax, Abdomen)!

33.8 Amputationsverletzungen Ursachen ▶ Arbeitsunfall: Maschinenunfall (z. B. Kreissäge). ▶ Unfälle mit Schienenfahrzeugen.

Therapie ▶ Ziele: • Blutstillung durch Kompression mit sterilen Kompressen und Druckverband (s. Gefäßverletzung). • Therapie des hyopovolämischen Schocks. ▶ Hochlagerung der Extremität und Fixierung in der Vakuumschiene. ▶ Bei unvollständiger Abtrennung Gewebebrücken unbedingt belassen, Stabilisierung in Vakuumschiene. ▶ Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. ▶ Behandlung des Amputats: • Amputat auf jeden Fall mit in die Klinik nehmen! • Verpacken des Amputats oder einzelner Knochen in einem sterilen Beutel. • Indirekte Kühlung des Amputats durch (Abb. 33.6):

äußerer Plastikbeutel mit je zur Hälfte Eis und Wasser (4C)

Abb. 33.6 • Amputatkühlung zum Transport.

innerer Plastikbeutel mit Amputat (eingewickelt in keimfreies Material)

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Traumatologische Notfälle

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33.9 Frakturen

– Einbringen des Amputatbeutels in einen mit Eiswasser gefüllten zweiten Beutel. – Verwendung von Spezial-Kühlbeuteln (z. B. Replant-Beutel). Folgende gewebezerstörende Maßnahmen sind unbedingt zu unterlassen ▶ Amputat direkt mit Eis kühlen. ▶ Amputat in Tiefkühltruhen lagern. ▶ Beachte: Ist eine kühle Aufbewahrung des Amputats nicht möglich → keine Zeit ■ verlieren und rasch mit Patient und Amputat Klinik anfahren!

33.9 Frakturen Einteilung ▶ Geschlossene Frakturen: Haut im Frakturbereich intakt. Kein Knochenkontakt zur Außenwelt. ▶ Offene Frakturen: Haut im Frakturbereich zerstört. Knochenkontakt zur Außenwelt. Einteilung (s. Abb. 33.7): • Offene Fraktur I°: Durchspießung der Haut von innen nach außen; kleine Weichteilschädigung. • Offene Fraktur II°: Verletzung von außen nach innen durch direkte Gewalteinwirkung; größere Weichteilschädigung. • Offene Fraktur III°: Ausgedehnte, verschmutzte Weichteilverletzung mit freiliegender Fraktur; häufig kombiniert mit Gefäß- und Nervenläsionen.

Fraktursymptomatik und -diagnostik ▶ Hinweise auf Vorliegen einer Fraktur: • Schmerz. • Hämatom. • Schwellung. • Funktionseinschränkung. ▶ Sichere Frakturzeichen: • Fehlstellung. • „Abnormes Gelenk“. • Knochenreiben (Krepitation). ▶ Zeichen der Schenkelhalsfraktur: • Beinverkürzung. • Außenrotation. • Schmerzhafte Bewegungseinschränkung in der Hüfte. ▶ Merke: Keine unnötigen und wiederholten Untersuchungen! Gefahr der Verstär■ kung des Gewebetraumas, Verstärkung von Gefäßverletzungen, Schmerzverstärkung!

a

b

c

Abb. 33.7 • Offene Frakturen, Einteilung: I°(a); II°(b); III°(c).

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Oberarm/ Humerus bis 800 ml Unterarm bis 400 ml Becken bis 5000 ml

33 Traumatologische Notfälle

33.9 Frakturen

Oberschenkel/ Femur bis 2000 ml

Unterschenkel/ Tibia bis 1000 ml Abb. 33.8 • Anhaltswerte für Blutverlust bei geschlossenen Frakturen.

▶ Allgemeine Diagnostik: • Anamnese, Unfallhergang. • Puls-, Blutdruckmessung. • Bei größeren Frakturen und Mehrfachverletzung: EKG, Pulsoxymetrie. • Ausschluss weiterer relevanter Verletzungen!

Folgen und Gefahren ▶ Blutverlust und Entwicklung eines hämorrhagischen Schocks. Anhaltswerte für den Blutverlust bei geschlossenen Frakturen (s. Abb. 33.8). Achtung Besonders bei den präklinisch gelegentlich schwer zu diagnostizierenden Beckenfrakturen großer, von außen unsichtbarer Blutverlust möglich! Schockgefahr! ▶ Gefäßverletzung und Durchblutungsstörung distaler Extremitätenanteile. ▶ Verletzungen des umgebenden Gewebes und der Haut; Entwicklung eines traumatischen Schocks. ▶ Wundinfektion, besonders bei offenen Frakturen. ▶ Sekundär: Thrombose und Lungenembolie.

Therapie ▶ Vitalfunktionsstabilisierung bei größeren Blutverlusten, Mehrfachfrakturen oder Frakturen im Rahmen eines Polytraumas: • Atmung: – Sauerstoffgabe 4–8 l/min. – Ggf. Intubation und Beatmung. • Kreislauf: – Anlage von 2 großlumigen (mindestens 1,7 mm ID) periphervenösen Gefäßzugängen, wenn möglich. 419

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33.9 Frakturen

Traumatologische Notfälle

33

Abb. 33.9 • Erstmaßnahmen bei massivem Beckentrauma (Open-BookVerletzung). Grobreposition des instabilen Beckenrings mit Innenrotation der Beine im Hüftgelenk.

– Infusionstherapie mit Vollelektrolytlösungen: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v., bei großen Blutverlusten evtl. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500– 1 000 ml i. v. – Katecholamintherapie: Im Schock evtl. zusätzlich zur Infusionstherapie, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. ▶ Schienung frakturierter Extremitäten. ▶ Reposition: Bei Fehlstellungen vor der Schienung vorsichtige achsengerechte Reposition (bzw. Repositionsversuch) unter dosiertem Längszug, wenn möglich; 1 Versuch ist immer erlaubt! ▶ Ausnahme: Bei Schenkelhalsfraktur kein Repositionsversuch! ■ ▶ Offene Wunden: Sterile Abdeckung, z. B. mit Mullkompressen, steriler Folie oder sterilen Tüchern. ▶ Instabile Beckenfraktur: Lagerung auf Vakuummatratze in Innenrotation der Beine und Kompression des Beckens von lateral (pneumatischer Beckengürtel, Umschlingen des Beckens mit Tuch) zur Verkleinerung des intrapelvinen Volumens. ▶ In der Klinik: • Ggf. operative Versorgung, z. B. mit Fixateur externe. • Bei offenen Frakturen: Kurzzeitantibiotikaprophylaxe/-therapie über 24 h, z. B. mit Basiscephalosporin wie z. B. Cefuroxim 3 × 1 500 mg i. v.

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33.10 Gefäßverletzungen Ursachen ▶ Verkehrsunfall, besonders Zweiradfahrer, Überrolltraumen, Unfälle mit Schienenfahrzeugen. ▶ Schussverletzung. ▶ Messerstichverletzung. ▶ Explosionsverletzung. ▶ Maschinenunfall. ▶ Suizid(versuch) durch Öffnen der „Pulsadern“ (meist A. radialis).

Wichtige Blutungsquellen und entsprechende Abdruckstellen

33 Traumatologische Notfälle

33.10 Gefäßverletzungen

▶ Siehe auch Abb. 33.10, Abb. 33.11 und Abb. 33.12. ▶ A. temporalis, z. B. bei Schädelhirntrauma. • Kompression gegen Schläfenbein. ▶ A. submandibularis, z. B. bei Unterkieferfraktur. • Kompression gegen Unterkiefer. ▶ A. carotis, z. B. bei Halsverletzungen, insb. Schnitt- oder Messerstichverletzungen. • Kompression gegen HWS. Cave zerebrale Durchblutungsstörung! ▶ A. subclavia, z. B. bei Thoraxtrauma, Amputationsverletzung; besonders Motorradunfall! • Kompression gegen die 1. Rippe durch kräftigen Druck in die Mohrenheim-Grube (obere Schlüsselbein-Grube). ▶ A. brachialis, z. B. bei Oberarmfraktur. • Kompression gegen Oberarmknochen (s. Abb. 33.12c). ▶ A. cubitalis, z. B. bei Armfraktur, Amputationsverletzung. • Kompression in der Ellenbeuge. ▶ A. radialis, z. B. bei Suizidversuch. • Kompression gegen Radiusknochen. ▶ A. ulnaris, z. B. bei Suizidversuch. • Kompression gegen die Elle. ▶ Aorta und ihre kostalen und abdominalen Äste, z. B. bei schwerem, insbesondere penetrierendem Thorax- und Bauchtrauma.

A. temporalis A. facialis A. carotis A. subclavia A. brachialis A. axillaris

A. femoralis

A. poplitea Abb. 33.10 • Wichtige Blutungsquellen des Stammes und der Extremitäten.

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Traumatologische Notfälle

33

33.10 Gefäßverletzungen

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

A. temporalis A. submandibularis A. carotis A. subclavia A. brachialis A. femoralis A. cubitalis A. ulnaris A. radialis 7

1 2 3 4 5

6 8 9

Abb. 33.11 • Abdruckstellen bei starker Blutung.

• Mit einer oder beiden Fäusten abdominal gegen die Wirbelsäule drücken (s. Abb. 33.12a). ▶ A. femoralis, z. B. bei Becken-Bein-Trauma, Amputationsverletzungen. • Kompression gegen Oberschenkelknochen (s. Abb. 33.12b). ▶ A. poplitea, z. B. bei Beinfraktur, Amputationsverletzung. • Kompression in der Kniekehle. Für die genannten Stellen gilt: ▶ Direkte Kompression der Blutungsquelle (1. Wahl, wenn immer möglich) oder ▶ Kompression der zuführenden Arterie proximal der Blutungsquelle (2. Wahl, wenn direkte Kompression unmöglich).

Diagnostik ▶ Sichtbare, anhaltende Blutung? ▶ Blutungslokalisation, Blutungsquelle? ▶ Puls und kapilläre Reperfusion distal der Gefäßverletzung → (Rest-)Durchblutung erhalten? ▶ Blutdruckmessung. ▶ EKG, Pulsoxymetrie. ▶ Weitere Verletzungen?

Therapie ▶ Ziele: • Blutstillung. • Therapie des hyopovolämischen Schocks. ▶ Blutstillung: • Methode der 1. Wahl: Direkte Kompression der blutenden Wunde, z. B. mit Kompressen und einer straffen Bandage (Druckverband, Abb. 33.13). • Methode der 2. Wahl: Arterienkompression proximal der Blutungsquelle (Abb. 33.11 und Abb. 33.12). • Methode der letzten Wahl: Direktes Aufsuchen des Gefäßstumpfes und möglichst distales Setzen einer Klemme. 422

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33 Traumatologische Notfälle

33.10 Gefäßverletzungen

Abb. 33.12 • Kompression Aorta (a); A. femoralis (b); A. brachialis (c).

• Ungeeignet: Abbinden mit einem Tourniquet. Gefahren: – Erhebliche Gewebszerstörungen durch Einschnürungen. – Verstärkung der Blutung durch venöse Stauung. • Zusätzliche Maßnahme: Hochlagerung der Blutungsstelle. ▶ Vitalfunktionsstabilisierung: • Atmung: – Sauerstoffgabe 4–8 l/min. – Ggf. Intubation und Beatmung. • Kreislauf: – Anlage von 1–2 großlumigen (mindestens 1,7 mm ID) periphervenösen Gefäßzugängen. 423

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Traumatologische Notfälle

33

33.11 Luxationsverletzungen

Wunde Arterie

Muskulatur Knochen Druckpolster Wundbedeckung Binde

(Oberarm)

Abb. 33.13 • Druckverband.

– Infusionstherapie mit Vollelektrolytlösungen: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v., bei großen Blutverlusten evtl. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500– 1 000 ml i. v. – Katecholamintherapie: Im Schock evtl. zusätzlich zur Infusionstherapie, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Beachte: Bei unstillbarer Blutung kann das Ausbluten durch Infusionstherapie und ■ Blutdruckanhebung beschleunigt werden! In diesem Fall u. U. eher zurückhaltende Infusionstherapie mit permissiver Hypotension bei etwa 90 mmHg systolisch. (Ausnahme: Bei SHT höhere systolische Werte anstreben.) Rascher Transport zur chirurgischen Blutstillung! ▶ Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v.

33.11 Luxationsverletzungen Häufigste Ursachen und betroffene Gelenke ▶ Häufigste Ursachen: • Sturz. • Dezelerationstrauma. • Sportunfall. ▶ Betroffene Gelenke: • Schultergelenk: Bei rezidivierendem Auftreten häufig Vorliegen einer habituellen Schultergelenksluxation, meist als Traumafolge; Luxation meist nach vorne. • Finger. • Kniegelenk, Patella. • Hüftgelenk. • Halswirbelsäule (besonders bei Rheuma-Kranken!) (S. 426).

Folgen, Gefahren, Symptomatik und Diagnostik ▶ Folgen und Gefahren: • Nerven- und Gefäßverletzungen. • Zerstörung benachbarter knöcherner und bindegewebiger Gelenkstrukturen. 424

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Allgemeine Therapie ▶ Analgesie: • Mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. • Mit Ketamin 20–40 mg i. v., S-Ketamin 10–20 mg i. v. • Ggf. Kurznarkose zur Reposition, z. B. mit Ketamin 50–100 mg i. v./S-Ketamin 25– 50 mg i. v. (Cave Aspiration!). ▶ Reposition bei Schultergelenks- und Fingerluxation unter Zug und Gegenzug. Möglichst noch am Notfallort, um Gefäß-, Nerven- und Druckschäden des Weichteilmantels und der Gelenkkapsel zu minimieren: • Inverses Wiederholen des Luxationsereignisses. • Evtl. leichter Seitendruck oder Rotationsbewegung zum Einschnellen des Kopfes in die Pfanne. • Niemals Gewalt anwenden! ▶ Bei Unmöglichkeit der Reposition: Lagerung der Extremität in der für den Patienten angenehmsten Stellung (z. B. Vakuummatratze); Transport in die Klinik.

33 Traumatologische Notfälle

33.11 Luxationsverletzungen

▶ Symptomatik: • Schmerzen im Gelenkbereich. • Fehlstellung der Extremität. • Funktionsstörung der Extremität. • „Federnde Fixation“ des Kopfes in der Gelenkpfanne. ▶ Diagnostik: • Inspektion des Gelenkbereichs. • Palpation des Gelenkbereichs: Gelenkkopf kann an atypischer Stelle getastet werden. • Puls und Sensibilitätsprüfung distal der Luxation.

Spezifische Therapie ▶ Hüftluxation: Reposition nur in der Klinik unter Vollrelaxierung und Narkose möglich. ▶ Kniegelenksluxation: Reposition nur in der Klinik unter Vollrelaxierung und Narkose möglich. ▶ Patellaluxation: Reposition durch Überstreckung des Gelenks, ggf. mit Analgesie. ▶ Sprunggelenksluxation: Meist Luxationsfraktur; daher Reposition oft nur in der Klinik unter Vollrelaxierung und Narkose möglich. ▶ Fingerluxation: Finger nach distal ziehen, bis das Gelenk zurückspringt. ▶ Schultergelenksluxation: • Reposition nach Hippokrates (Abb. 33.14): – Luxierten Arm des Patienten mit beiden Händen greifen. – Fuß in die Axilla des Patienten zum Gegendruck stemmen. – Zug am Arm nach distal, bis das Gelenk fühlbar zurückspringt.

Abb. 33.14 • Schultergelenksluxation: Reposition nach Hippokrates.

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33.12 Wirbelsäulen- und Rückenmarkstrauma

Traumatologische Notfälle

33

Abb. 33.15 • Schultergelenksluxation: Reposition nach Arlt.

• Reposition über eine Stuhllehne nach Arlt (Abb. 33.15): – Lehne polstern, Arm des Patienten darüber legen. – Arm im Ellenbogen beugen. – Oberarm mit der einen, Unterarm mit der anderen Hand greifen. – Arm kontinuierlich nach distal ziehen, bis der Gelenkkopf in die Pfanne zurückspringt.

33.12 Wirbelsäulen- und Rückenmarkstrauma Einteilung und Ursachen ▶ Nach Lokalisation: • Halswirbelsäulentrauma (HWS-Trauma): Die Halswirbelsäule ist aufgrund des geringen muskulären Schutzmantels besonders gefährdet! • Brustwirbelsäulentrauma (BWS-Trauma). • Lendenwirbelsäulentrauma (LWS-Trauma). ▶ Nach neurologischer Mitbeteiligung: Mit oder ohne neurologische Ausfälle. ▶ Ursachen: • Verkehrsunfall. • Sturz aus größerer Höhe. • Sportunfall. • Messer- oder Schussverletzung. • Selten: Dekompressionskrankheit (S. 438), Stromunfall (S. 429).

Folgen und Gefahren ▶ Rückenmarksschädigung und Querschnittslähmung durch: • Primäre Läsion: Schuss- oder Stichverletzung, Spinalkanalkompression durch Knochenanteile der Wirbelkörper bei Wirbelsäulenfrakturen. • Sekundärschäden: Spinale Blutung, spinales Ödem, Hypoxie oder Hypotension (Mechanismen siehe SHT, S. 403). ▶ Neurogener (spinaler) Schock. ▶ Ateminsuffizienz bei hoher Querschnittslähmung. ▶ Retroperitoneale Blutung, u. U. Darmparalyse bis hin zum Ileus.

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Symptomatik ▶ Wirbelsäulenverletzung ohne Rückenmarksbeteiligung: Schmerzen im Bereich der frakturierten Wirbel. ▶ Wirbelsäulenverletzung mit Rückenmarksbeteiligung: • Neurologische Ausfälle: Paresen, Parästhesien distal der Läsion. • Blutdruckabfall und Bradykardie: Durch Ausfall des Sympathikus bei Läsionen im thorakalen Bereich und höher → neurogener Schock. • Thorakoabdominale paradoxe Atmung: Bei hoher Querschnittslähmung (hochthorakal oder im unteren Zervikalbereich) durch Ausfall der thorakalen Atemmuskulatur. • Akutes respiratorisches Versagen: Bei sehr hoher Querschnittslähmung (oberhalb C 4) durch zusätzlichen Ausfall der Zwerchfellinnervation.

33 Traumatologische Notfälle

33.12 Wirbelsäulen- und Rückenmarkstrauma

Unmittelbar nach dem Unfall können Schmerzen fehlen: Bei entsprechendem Trauma immer Immobilisation des Patienten auf Vakuummatratze und immobilisierende Halskrawatte (z. B. Stiff-Neck).

Diagnostik ▶ Inspektion, Anamnese, Unfallhergang. ▶ Neurologische Untersuchung, insbesondere: • Frage nach Parästhesien an Händen und Armen sowie Beinen und Füßen. • Überprüfung von Paresen durch Aufforderung zum Bewegen der Arme und Beine. • Bewusstseinszustand, Pupillen (begleitendes SHT?). ▶ Auskultation des Thorax (häufig begleitendes Thoraxtrauma). ▶ Blutdruck-, Pulsmessung. ▶ EKG, Pulsoxymetrie.

Therapie ▶ Ziel: Verhinderung einer (weiteren) Rückenmarksschädigung! -quetschungen oder -lazerationen können während der Rettung oder durch unsachgemäße Lagerung bei vorgeschädigter Wirbelsäule verstärkt oder überhaupt erst induziert werden! ▶ Weitestgehende Immobilisation der Wirbelsäule: Schon im Verdachtsfall während Rettung und Transport! • Immer immobilisierende Halskrawatte anlegen! • Zur Rettung Schaufeltrage verwenden! • Flachlagerung auf Vakuummatratze! • Schonender Transport. • Unnötige Bewegungen vermeiden, Kleidung ggf. mit Kleiderschere auftrennen. ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Endotracheale Intubation und Beatmung: • Indikation beim HWS-Trauma wegen der Gefahr sekundärer Halsmarkschädigungen durch den Intubationsvorgang streng stellen! • Intubation bei Atemwegsverlegung oder schwerer respiratorischer Insuffizienz jedoch nicht aufschieben! • Intubation unter weitestgehender Schonung der Halswirbelsäule: Manuelle HWS-Fixierung durch Helfer. ▶ Kreislaufstabilisierung: • Ziel: RRsyst um 140 mmHg. • Infusionstherapie: Elektrolytlösungen, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. oder mehr, ggf. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500–1 000 ml oder mehr i. v.

▶ Beachte: Rückenmarksüberdehnungen, ■

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Traumatologische Notfälle

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33.12 Wirbelsäulen- und Rückenmarkstrauma

• Katecholamintherapie: Im Schock evtl. zusätzlich zur Infusionstherapie, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min. ▶ Beachte: Hypotension vermeiden! ■ ▶ Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. ▶ Kortikosteroidtherapie: Methylprednisolon 30 mg/kgKG als Bolus, gefolgt von 5,4 mg/kgKG/h für 23 h (NASCIS-Schema). • Günstige Wirkung (im Gegensatz zum SHT) bei Rückenmarkstrauma für Methylprednisolon nachgewiesen (nicht unbedingt übertragbar auf andere Kortikosteroide!). • Beginn der Kortikoidtherapie nur innerhalb der ersten 8 h nach Trauma! • Therapie mittlerweile umstritten, ggf. in Absprache mit nächstem Traumazentrum beginnen.

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Besondere Unfallsituationen

34.1 Crush-Syndrom Grundlagen und Allgemeines ▶ Definition: Myoglobinämie und Myoglobinurie durch Zerstörung großer Muskelmassen (traumatische Rhabdomyolyse). ▶ Ursachen: • Polytrauma. • Verschüttungen. • Kindesmisshandlung durch Schläge. • Gleiche Symptomatik durch: – Elektrounfall. – Kompartment-Syndrom. – Ischämie-Reperfusions-Syndrom. ▶ Folgen, Gefahren: • Akutes Nierenversagen, v. a. durch myoglobinbedingte Verstopfung der Tubuli. • Akutes Leberversagen. • Traumatisch-hämorrhagischer Schock.

34 Besondere Unfallsituationen

34.2 Elektrounfall

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶

Anzeichen multipler Muskelschädigung. Brettharte, geschwollene Muskulatur. Symptome des traumatisch-hämorrhagischen Schocks. Häufig Ateminsuffizienz.

Diagnostik ▶ Inspektion, Anamnese, Eruieren des Unfallhergangs. ▶ Palpation der Muskeln und Extremitäten. ▶ Neurologische Untersuchung, insbesondere: • Bewusstseinszustand. • Pupillen. ▶ Puls-, Blutdruckmessung. ▶ EKG, Pulsoxymetrie.

Präklinische Therapie ▶ Ausreichende Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 1 000–2 000 ml i. v. oder mehr. ▶ Weitere Therapie: Siehe Polytrauma (S. 400), bzw. sonstiges Trauma.

Therapie in der Klinik ▶ Forcierte Diurese: Urinproduktion > 100–150 ml/h durch: • Volumentherapie: Elektrolytlösung 100–200 ml/h. • Diuretika: z. B. Furosemid 10–20 mg/h i. v. ▶ Alkalisierung des Urin-pH: Reduktion der tubulären Myoglobinausfällung durch Natriumbikarbonat, z. B. repetitive Boli von 50 ml i. v. bis Urin-pH ≥ 7 (Cave: Induktion einer systemischen Alkalose!).

34.2 Elektrounfall Grundlagen ▶ Niederspannungsunfall ( < 1 000 Volt), Hochspannungsunfall ( ≥ 1 000 Volt) und Blitzschlag. 429

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Besondere Unfallsituationen

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34.2 Elektrounfall

▶ Primäre Stromschäden: • Elektrische Schädigung: Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern. • Thermische Schädigungen: Verbrennungen. ▶ Sekundäre Stromschäden: Werden mittelbar durch primäre Schäden hervorgerufen: • Sturz. • Schädelhirntrauma (S. 401). • Rückenmarkstrauma, Querschnittslähmung (S. 426). • Frakturen (S. 418). ▶ Die Schwere der Verletzungen ist abhängig von: • Stromspannung und Stromstärke. • Dauer der Einwirkung. • Größe der Berührungsfläche. • Weg durch den Körper. • Sonstige Faktoren wie Feuchtigkeit, Leitfähigkeit der Haut etc.

Niederspannungsunfälle ▶ Häufigkeit: Ca. 50 % aller tödlichen Stromunfälle. Ca. 3 % der Niederspannungsunfälle verlaufen tödlich. ▶ Ursache: Meist Stromunfälle im Haushalt (Haushaltsstrom: In Deutschland 230 Volt Wechselstrom). • Wechselstrom: Gefährlicher als Gleichstrom; für die gleichen schädigenden Effekte sind etwa 3–4-fach niedrigere Spannungen ausreichend. • Begünstigender Faktor: Feuchte, dünne Haut mit niedrigem Hautwiderstand. ▶ Vorwiegender Schädigungsmechanismus: Elektrische Schäden. ▶ Mögliche Folgen: • Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern. • Sehr niedrige Spannungen ( < 50 Volt, z. B. Batterien, Klingelstrom, Telefonanlage) sind normalerweise harmlos.

Hochspannungsunfälle ▶ Häufigkeit: Ca. 50 % aller tödlichen Stromunfälle. Etwa ⅓ aller Hochspannungsunfälle verlaufen tödlich. ▶ Ursache: Kontakt mit Hochspannungsleitungen oder Aufenthalt im Spannungstrichter bei Bodenkontakt eines Kabels (Schrittspannung; siehe Blitzschlag): • Spannung bis zu 380 000 Volt. • Bundesbahnfahrleitungen 15 000 oder 25 000 Volt. ▶ Vorwiegender Schädigungsmechanismus: Thermische Schäden. ▶ Folgen: • Primäre Stromschäden: Verbrennungen, Verkohlungen, Strommarken: – An den Kontaktstellen. – Im Bereich des Stromkreises im Körper. • Sekundäre Stromschäden: Muskelverkrampfungen, Frakturen.

Blitzschlag ▶ Charakteristik: Hochspannungsunfall (3–200 Millionen Volt Gleichstrom) mit extrem kurzer Einwirkzeit (Mikro- oder Millisekunden). ▶ Schädigungsmechanismen, Folgen: • Direkter Blitzeinschlag: Herzstillstand, Kammerflimmern, schwere Verbrennungen. • Schrittspannung: – Blitzeinschlag in den Boden → Ausbildung eines Spannungstrichters um die Einschlagstelle herum (gleicher Effekt bei Bodenkontakt eines Hochspannungskabels). 430

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Symptomatik ▶ Kammerflimmern: V. a. durch Wechselstrom. ▶ Asystolie: V. a. durch Gleichstrom (Blitz). ▶ Herzrhythmusstörungen (S. 280): Bei Starkstromunfällen Möglichkeit des Auftretens noch nach 24 h! ▶ Hypotension, Schock: V. a. bei Hochspannungsunfällen. ▶ Hypertension: V. a. bei Niederspannungsunfällen. ▶ Ateminsuffizienz. ▶ Bewusstseinstrübungen, Sopor, Koma. ▶ Verbrennungen (S. 329). ▶ Muskelschäden, Myoglobinämie (Crush-Syndrom, S. 429). ▶ Nierenversagen (S. 312). ▶ Knochenfrakturen (S. 418).

34 Besondere Unfallsituationen

34.2 Elektrounfall

– Ausbildung einer Spannungsdifferenz zwischen beiden Füßen bei Personen, die innerhalb des Spannungstrichters mit gespreizten Beinen stehen (ein Bein näher an der Einschlagstelle als das andere). ▶ Letalität: Insgesamt 30–50 %. ▶ Spezifische Symptome: Farnkrautartig verzweigte sog. Lichtenberg-Blitzfiguren auf der Haut.

Diagnostik ▶ Inspektion, Anamnese. ▶ Körperliche und spezielle neurologische Untersuchung. ▶ Puls-, Blutdruckmessung, EKG, Pulsoxymetrie.

Stromrettung Wichtig Selbstschutz beachten! ▶ Hochspannungsunfall: • Rettung nur durch Experten! • Vor der Rettung durch den Fachmann immer Stromkreis unterbrechen und gegen Wiedereinschalten sichern! • Sicherheitsabstand beachten: Vermeidung eines Spannungsbogens (Lichtbogens). Regel für Mindestabstand: 1 cm pro 1 000 Volt → bei Hochspannungsleitung 4–5 Meter. ▶ Niederspannungsunfall: • Vor der Rettung möglichst Stromkreis unterbrechen und gegen Wiedereinschalten sichern! • Ggf. Kabel mit einem nicht-leitenden Stab (z. B. Holzstock) vom Patienten entfernen.

Therapie ▶ Beachte: Elektrounfälle ■

sind häufig mit Verletzungen verbunden! Therapeutische Aspekte spezifischer Verletzungen bzw. des Polytraumas (S. 400) bedenken! Insbesondere bei Stürzen an Anlegen einer immobilisierenden Halskrawatte denken! ▶ Therapie von Herzrhythmusstörungen (S. 282): • Kammerflimmern: Sofortige Defibrillation. 431

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Besondere Unfallsituationen

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34.3 Ertrinken und Beinaheertrinken

▶ ▶ ▶

▶ ▶

▶ ▶

• Asystolie: Verlängerte Reanimationsmaßnahmen (Prognose besser als bei anderen Ursachen einer Asystolie!). • Schwere, kreislaufwirksame VES: z. B. Amiodaron 300 mg i. v. Sauerstoffgabe 4–8 l/min. Endotracheale Intubation und Beatmung: Indiziert bei bewusstlosen und ateminsuffizienten Patienten. Kreislaufstabilisierung: • Infusionstherapie: Elektrolytlösungen, z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. oder mehr, ggf. zusätzlich Kolloide, z. B. HAES 130 6 % 500–1 000 ml oder mehr i. v. • Katecholamintherapie: Im Schock evtl. zusätzlich zur Infusionstherapie, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min i. v. Lagerung: Schocklagerung; bei SHT und stabilem Kreislauf jedoch eher 30°-Oberkörperhochlagerung. Analgesie: • Opioide, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. • Alternativ Ketamin 20–40 mg i. v., S-Ketamin die Hälfte. Therapie bei Verbrennungen: Siehe S. 332. Auch bei Niederspannungsunfall EKG-Ableitung und in Klinik verbringen, insbesondere bei nachgewiesenen Herzrhythmusstörungen.

34.3 Ertrinken und Beinaheertrinken Grundlagen und Allgemeines ▶ Ursachen: • Badeunfälle. • Pädiatrische Unfälle, z. B. Ertrinken im Gartenteich. • Einbruch ins Eis, z. B. beim Schlittschuhlaufen. ▶ Hypoxie: Ertrinken = Ersticken unter Wasser. • Beinaheertrinken: (Partiell) reversible Hypoxie und Hypoxiefolgen (Kreislaufversagen, Atmungsversagen). • Ertrinken: Tod durch hypoxisches Herz-Kreislauf-Versagen. ▶ Häufig Unterkühlung (S. 325) aufgrund der guten Wärmeleitfähigkeit des Wassers. ▶ Nasses Ertrinken: Aspiration von Wasser in 90 % der Fälle. ▶ Trockenes Ertrinken: Keine Wasseraspiration durch reaktiven Laryngospasmus in etwa 10 % der Fälle. ▶ „Zweites Ertrinken“: Entstehung eines Lungenödems nach Beinaheertrinken innerhalb von 1–2 d. ▶ Salzwasserertrinken: • Schädigungsmechanismus: – Eindringen von hypertoner Flüssigkeit in die Alveolen. – Konsekutiv Einstrom intravasaler und interstitieller Flüssigkeit in die betroffenen Alveolargebiete. • Folgen: – Alveoläres Lungenödem mit Verlust von Gasaustauschfläche und Ausbildung von Rechts-links-Shunts → Hypoxie! – Blutvolumenverminderung und Hämokonzentration nur initial und pathophysiologisch von geringer Bedeutung. ▶ Süßwasserertrinken: • Schädigungsmechanismus: – Eindringen hypotoner Flüssigkeit in die Alveolen. – Einstrom intraalveolärer Flüssigkeit aus den betroffenen Alveolargebieten in das Gefäßsystem. • Folgen: – Zerstörung des Surfactantsystems mit Alveolarkollaps, Verlust von Gasaustauschfläche und Ausbildung von Rechts-links-Shunts → Hypoxie! 432

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Merke Die Unterscheidung zwischen Salz- und Süßwasserertrinken ist für die präklinische Therapie unwichtig! Im Vordergrund der Gefährdung steht in beiden Fällen der Verlust von Gasaustauschfläche und die damit verbundene Hypoxieentwicklung.

Symptomatik und Diagnostik ▶ Symptome: • Kalte, blasse Haut. • Zyanose. • Ggf. Bradykardie. ▶ Diagnostik: • Inspektion, Anamnese. • Temperaturmessung mit Spezialthermometer für niedrige Temperaturen. • Neurologische Untersuchung. • EKG. • Puls-, Blutdruckmessung. ▶ Beachte: Pulsoxymetrie aufgrund peripherer Vasokonstriktion meist nicht mög■ lich.

34 Besondere Unfallsituationen

34.3 Ertrinken und Beinaheertrinken

– Blutvolumenvermehrung und Hämolyse nur initial und pathophysiologisch von geringer Bedeutung.

Therapie ▶ Retten des Patienten aus dem Wasser schnellstmöglich und ohne Verzögerung durch CPR-Maßnahmen im Wasser. An HWS-Verletzung denken: Bei Verdacht auf HWS-Verletzung (Unfallhergang: Kopfsprung in flaches Wasser) Vermeidung von Kopfbewegungen, besonders Anteflexion; Stabilisierung des Halses mit einer immobilisierenden Halskrause (z. B. Stiff-Neck). ▶ Respiratorische Therapie: Sauerstoff 4–8 l/min (möglichst 100 %), ggf. rechtzeitige Intubation und Beatmung. ▶ Beachte: ■ – Kein „Ausschütteln des Patienten“. – Ggf. endobronchiales Absaugen nach Intubation. – Beatmung am besten mit moderatem PEEP (5–10 mbar). – Magensonde (meist prall gefüllter Magen durch verschlucktes Wasser). ▶ Kreislaufstabilisierung: • Infusionstherapie: Kolloide und/oder Elektrolytlösungen. Z.B. Ringerlösung 500– 1 500 ml i. v., ggf. plus Kolloide wie HAES 130 6 % 500–1 000 ml i. v. • Katecholamintherapie: Im Schock evtl. zusätzlich zur Infusionstherapie, z. B. Dopamin 5–20 μg/kgKG/min. • Ggf. CPR. ▶ Lagerung: Flach. ▶ Therapie einer begleitenden Hypothermie: Siehe S. 327. ▶ Umstrittene Maßnahme ohne erwiesene Effektivität: Kortikosteroide, z. B. Dexamethason 100 mg i. v. ▶ Merke: Transport ins Krankenhaus und 48 h Intensivüberwachung in jedem Fall, ■ auch bei initial günstigem Verlauf.

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Besondere Unfallsituationen

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34.4 Schuss- und Explosionsverletzung

34.4 Schuss- und Explosionsverletzung Allgemeines ▶ Bei Schussverletzungen handelt es sich im Allgemeinen um Penetrationsverletzungen. • Organverletzungen im Verlauf des Schusskanals (Ein- und Austrittsstelle suchen). • Verletzungen durch Sturz. ▶ Die Explosionsverletzung stellt eine Sonderform der Penetrationsverletzungen dar. Ursächlich für die Verletzungen sind Splitterwind und Schockwelle. Folgen: • Zerreißungen innerer Organe, wobei die Lunge besonders betroffen ist. Überdehnung und Zerreißung im Bereich der Alveolen mit konsekutivem Lungenödem → Hypoxie, Hämoptoe. • Spannungspneumothorax. • Luftembolien. • Schädelhirntrauma. • Verletzungen des Gehörsystems. • Verletzungen durch Splitter und Aufprall. • Verbrennungen. • Inhalationstrauma. ▶ Besonderheit bei Explosionsverletzungen → atypisches Schockgeschehen: • Klinik: – Periphere Vasodilatation. – Bradykardie. – Konsekutive Hypoxie. – Rückbildung nach 1–2 h. • Ursache: – Vermutlich vagaler Reflex der Lunge. – Alveoläres Lungenödem. • Kann auch ohne erkennbare Verletzungen auftreten.

Diagnostik ▶ Auch bei ansprechbaren, kreislaufstabilen Patienten sorgfältige Inspektion des Körperstammes. ▶ EKG, Blutdruck. ▶ Auskultation. ▶ Pulsoxymetrie. ▶ Bei Explosionsverletzungen mit entsprechender Gewalteinwirkung oder MehrfachSchussverletzungen Vorgehen wie bei Polytrauma (s. S.400).

Therapie ▶ Siehe auch Polytrauma (S.400). ▶ Sauerstoffgabe. ▶ Kreislaufstabilisierung durch: • Volumengabe (1 000 ml Elektrolytlösung). • Katecholamingabe: – Akrinor – Dopamin/Arterenol-Perfusor. ▶ Ggf. Intubation. ▶ Beachte: Ist bei Explosionsverletzungen eine Intubation notwendig, großzügige ■ Indikation zur beidseitigen Thoraxdrainagenanlage (erhöhtes Risiko für Spannungspneumothorax). ▶ Zügiger Transport in Klinik.

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34.5 Strahlenunfall Grundlagen ▶ Ursachen: • Reaktorunfall. • Unfall beim Transport radioaktiver Substanzen. • Unfall in medizinischen oder industriellen (Forschungs)einrichtungen. ▶ Formen: • Ganzkörperbestrahlung. • Teilkörperbestrahlung. • Kontamination mit Radionukliden. • Inkorporation von Radionukliden. ▶ Strahlungsarten: • Siehe auch Abb. 34.1. • α-Strahlen (Heliumkerne): Sehr kurze Reichweite (Zentimeter); geringes Durchdringungsvermögen. • β-Strahlen (Elektronen): Kurze Reichweite (Meter). • γ- und Röntgenstrahlen (Photonen): Starkes Durchdringungsvermögen. ▶ Strahlendosis: • Maßeinheit der Äquivalentdosis: 1 Sievert (Sv) = 100 rem. • Schwellendosis für das Auftreten von Spätschäden nicht bekannt. • Ab 0,5–1 Sv: Auftreten von Frühschäden. • Ab 3–6 Sv: Lebensgefahr. ▶ Schädigungsfaktoren: • Art der Strahlung. • Strahlendosis. • Zeitdauer der Strahlungseinwirkung. • Bestrahlte Körperareale. ▶ Folgen: • Schädigung der Haut und des Magen-Darm-Traktes. • Gewebszerfall, Anämie, Leukämie, Karzinomentstehung. ▶ Beachte: Blutbildungssystem und Gastrointestinaltrakt sind besonders strah■ lungssensibel!

34 Besondere Unfallsituationen

34.5 Strahlenunfall

Akutes Strahlensyndrom: Symptomatik Hautrötung. Übelkeit, Erbrechen. Kopfschmerzen. Verwirrtheit. Distributiver Schock (S. 254) bei hohen Strahlendosen: Kapillarlecksyndrom, Vasoparalyse; stets tödlicher Verlauf! ▶ Laborchemisch (in der Klinik): Lymphopenie, Granulozytopenie, Thrombozytopenie, Anämie. ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Stadien und Phasen des Strahlenschadens ▶ Prod-Abb. 34.1 • Durchdringungskraft von r- Strahlen: α-Strahlen-Absorption durch o-ein Blatt Papier (1); β-Strahlen-Absorption durch 4 mm starkes Aluminiumblech (2); γ-Strahlen-Absorption durch Bleiplatten oder Betonwände (3).

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Besondere Unfallsituationen

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34.6 Gewalteinwirkungen auf den Hals – Strangulation, Erdrosseln, Erhängen, Erwürgen

malstadium (akute Phase): Übelkeit, Erbrechen. Dauer: Stunden bis Tage. ▶ Latente Phase: Verschwinden der Akutphasesymptome; Wohlbefinden und Euphorie. Dauer: Tage bis Wochen. ▶ Manifeste Erkrankung: Nach 3–4 Wochen Auftreten von Durchfall, Erbrechen, Blutung, Infektionen, Haarausfall. ▶ Erholungsphase: Monate.

Vorgehen ▶ Stets Alarmierung der Feuerwehr! ▶ Stets Information der Krankenhäuser! ▶ Selbstschutz: • Handschuhe. • Schutzkleidung. • Brille. • Mundschutz. ▶ Beachte: ■ • Das Rettungspersonal ist nicht verpflichtet, sich in unzumutbare Gefahr zu begeben! Bei Großunfällen oder Reaktorkatastrophen außerhalb der Zone der akuten Gefährdung bleiben! • Von Patienten mit Strahlenschäden (Ganz- oder Teilkörperbestrahlung mit γoder Röntgenstrahlen) bei begrenzten Strahlenunfällen geht (nach Stoppen der Strahlungsquelle) keine Gefahr aus! • Von mit Radionukliden kontaminierten Patienten geht bei Beachtung adäquater Selbstschutzmaßnahmen ebenfalls keine wesentliche Gefahr aus!

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese: Unfallhergang. Inspektion: Hautrötung? Puls-, Blutdruckmessung. EKG.

Therapie ▶ Vitalfunktionsstabilisierung, wenn erforderlich. ▶ Kontaminationsunfälle: Sofortige Dekontamination der Haut. • Alle Kleider entfernen. • Gründliche Hautreinigung. ▶ Beachte: Radioaktive Kontaminationen sind selten akut lebensbedrohlich! ■ ▶ Ingestionsunfälle: Sofortige Eliminationsmaßnahmen (s. Intoxikationen, S. 445): • Provokation von Erbrechen. • Magenspülung. ▶ Keine spezifische Therapie möglich.

34.6 Gewalteinwirkungen auf den Hals –

Strangulation, Erdrosseln, Erhängen, Erwürgen

Grundlagen und Allgemeines ▶ Definition: Strangulation → Ersticken infolge Kompression v. a. der Halsgefäße (selten HWS-Fraktur oder Kompression der Atemwege). • Erhängen: Krafteinwirkung durch eigenes Körpergewicht. • Erdrosseln: Krafteinwirkung über Hände mittels Drosselwerkzeug; Fremd- oder Eigenhandlung. • Erwürgen: Krafteinwirkung durch Hände; immer Fremdhandlung! 436

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Praktisches Vorgehen: ▶ Wenn nicht unmittelbar sichere Todeszeichen festgestellt werden, muss ein Erhängter, auch auf die Gefahr hin Spuren zu verwischen, abgehängt werden, um sofort mit der CPR zu beginnen. ▶ Nach Feststellen sicherer Todeszeichen lässt man den möglichen Tatort unverändert. Soweit noch keine Polizei vor Ort ist, wird diese informiert und dafür Sorge getragen, dass nichts verändert wird (bei Folgeeinsatz kann ein Rettungssanitäter/-assistent vor Ort bleiben)!

Symptomatik und Diagnostik ▶ Symptomatik: • Typische Verletzungen am Hals: Würgemale, Einschnürungen, Strangmale, etc. • Stauungsblutungen im Bereich der Augenbindehäute, Augenlider und der Gesichtshaut. • Gedunsenes Gesicht. • Luftnot, Heiserkeit. • Geschwollene Zunge, Schluckbeschwerden. • Psychische Symptome wie Angst, Verwirrtheit, Euphorie. ▶ Cave: Gefahr des Zuschwellens der Atemwege, insbesondere bei Kehlkopfverlet■ zungen! ▶ Diagnostik: • Inspektion von Kopf, Hals und Mund (Zunge geschwollen?). • EKG, RR-Messung, Pulsoxymetrie. • Auskultation. • Neurologischer Status.

34 Besondere Unfallsituationen

34.6 Gewalteinwirkungen auf den Hals – Strangulation, Erdrosseln, Erhängen, Erwürgen

Therapie HWS-Immobilisation. Ggf. Anxiolyse mit Benzodiazepinen (Diazapam 10 mg i. v., Midazolam 2–5 mg i. v.). Ggf. Intubation und Beatmung. Bei Kreislaufstillstand CPR, sofern keine sicheren Todeszeichen vorhanden sind. ▶ Beachte: Nach primärem Überleben Gefahr des Zuschwellens der Atemwege! ■ • Atemwegssicherung durch Intubation bei ausgeprägter Luftnot, ggf. Koniotomie. • Bei kurzer Anfahrtszeit zur Klinik kann es u. U. besser sein, den Patient unter O2Gabe (evtl. mit unterstützender Maskenbeatmung) in die vorinformierte Klinik zu verbringen und dort unter Tracheotomiebereitschaft zu intubieren. ▶ ▶ ▶ ▶

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Notfälle durch veränderte Luftdruckverhältnisse

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35.1 Tauchunfälle

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Notfälle durch veränderte Luftdruckverhältnisse

35.1 Tauchunfälle Formen und Ursachen ▶ Pathophysiologie: • Mit zunehmender Tauchtiefe steigen die Umgebungsdrücke, dadurch Partialdruckerhöhung der Atemgase. • Rasche Druckänderungen beim Ab- und Auftauchen, dadurch Kompression bzw. Dekompression luftgefüllter Hohlräume im Körper. • Inertgasaufsättigung der Gewebe (i. d. R. Stickstoff als Inertgas), bei zu rascher Entsättigung dann Ausperlen von Inertgas. ▶ Unfälle in der Kompressionsphase (zunehmender Druck/beim Abtauchen): Notfallmedizinisch ohne besondere Bedeutung, z. B. Trommelfellruptur → HNO-ärztlicher Notfall ohne Vitalbedrohung. ▶ Unfälle in der Isopressionsphase (gleichbleibender Druck): In erster Linie atemgasbedingte Störungen. • Tiefenrausch: – Anstieg des Stickstoffpartialdrucks in stickstoffhaltigen Atemgasgemischen (Luft, Nitrox). – Symptome (bei Luftatmung ab ca. 30 m Tiefe): Verminderung des Urteilsvermögens, Euphorie, Panik, Bewusstlosigkeit (lachgasähnliche Effekte). • Sauerstofftoxizität bei Verwendung von sauerstoffangereicherten Gasgemischen (Nitrox). – Anstieg des Sauerstoffpartialdrucks > 1 200 mmHg (1,6 bar). – Symptome: Faziale Zuckungen, Zittern, Übelkeit, Krämpfe, Grand-mal-Anfall, Bewusstlosigkeit. • Kohlenmonoxidvergiftung: Bei fehlerhaft befülltem Atemgerät, s. S. 485. • Kohlendioxidvergiftung: – Ursachen sind fehlerhaft befülltes Atemgerät, zu niedriges AMV durch willentliche Minderatmung (Sparatmung) oder alveoläre Minderventilation (turbulente Atemgasströmung in den kleinen Atemwegen bei großer Tiefe und Anstrengung, sog. Essoufflement). – Symptome: Lufthunger, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, panikartiges Auftauchen (Gefahr der Lungenüberblähung), u. U. Bewusstlosigkeit. ▶ Beachte: Individuelle Erkrankungen können beim Tauchen zu internistischen Not■ fällen führen, v. a. Herzinfarkt, Hypoglykämie, Asthmaanfall, ischämische Insulte. Unfälle in der Isopressionsphase imponieren in der Regel als Ertrinken/Beinaheertrinken (S. 432). ▶ Unfälle in der Dekompressionsphase (abnehmender Druck/beim Auftauchen): • Dekompression Sickness (DCS, s. u.). • Lungenüberdruckbarotrauma (s. u.). ▶ Ertrinken (s. S. 432), Verletzungen, z. B. durch Meerestiere oder Boote.

Dekompressionskrankheit (DCS) ▶ Ursache: Zu rasches Auftauchen ohne Einhalten der Dekompressionszeiten nach längeren und/oder tiefen Tauchgängen. Kommt vor bei Tauchern, Arbeitern von Druckluftbaustellen (z. B. Tunnel- und U-Bahnbau), Beschäftigten in Luft- und Raumfahrt (frühere Bezeichnung Caisson-Krankheit). ▶ Pathophysiologie: Abfall des Umgebungsdrucks beim Auftauchen → Ausperlen des während des Tauchens vermehrt in den Körpergeweben aufgesättigten Inertgases (bei Tauchen mit Luft: Stickstoff). 438

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35 Notfälle durch veränderte Luftdruckverhältnisse

35.1 Tauchunfälle

▶ Folge: Gasblasenbildung im Gewebe, intravasal (v. a. venöse Strombahn). ▶ Sonderfall PFO: Bei offenem Foramen ovale arterielle Gasembolie (s. u.). ■ ▶ Symptomatik: Latenz bis zum Auftreten der Symptome: Minuten bis Stunden. • DCS Typ 1: – Hautsymptome („Taucherflöhe“): Juckreiz, punktförmige Rötungen, Schwellung, Marmorierung der Haut. – Muskel- und Gelenkschmerzen („Bends“): V. a. Große Gelenke (belastungsabhängig). – Evtl. Müdigkeit, Apathie. – Geschwollene, druckdolente Lymphknoten (selten). • DCS Typ 2: Zusätzlich neurologische und/oder pulmonale Symptomatik. – Schwindel und Erbrechen, Hör-, Seh- und Sprachstörungen, gestörte Muskelkoordination („Staggers“), Sensibilitätsstörungen, Paresen, Paraplegie (oft ab Nabel abwärts), Blasen- und Mastdarmschwäche. – Akute Dyspnoe („Chokes“) mit Brustschmerz, Husten, Erstickungsgefühl. – Bei paradoxer Embolie (PFO, s. o.) auch Halbseitensymptomatik möglich. ▶ Diagnostik: • Anamnese, Sicherstellen von Tauchcomputer/Tauchgangsdaten (langer und/oder tiefer Tauchgang > 20 m)? • Hautveränderungen? • Auffällige Lymphknoten? • Pneumothorax? Lungenödem? • Neurologischer Status. • Puls- und Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie. ▶ Präklinische Therapie: • Sauerstoffzufuhr: Wichtigste Therapiemaßnahme. Beschleunigt Inertgas-Elimination, verkleinert Gasblasen (Schaffung von Diffusionsgradienten). Möglichst 100 % Sauerstoff (mind. 15 l/min), so rasch wie möglich und ohne Pausen bis zum Erreichen einer Therapiedruckkammer, mindestens aber über 45 min. • Flüssigkeitszufuhr: Nach dem Tauchen besteht eine Hypovolämie, Volumendefizit von ca. 1,5 l durch vermehrte Abgabe (Taucherdiurese, trockene Atemgase). Kristalloide, glukosefreie Lösungen, z. B. Ringer-Lösung. Dosierung: 1 000 ml/h i. v. über 2 h, dann ca. 1,5 ml/kgKG/h. • Intubation und Beatmung mit 100 % Sauerstoff: Bei drohender oder manifester Ateminsuffizienz (massive Dyspnoe, Hypoxie, pSaO2 < 85–90 %). • Ggf. zusätzlich Keislaufstabilisierung mit Katecholaminen, z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v., oder Dopamin 5–20 μg/kgKG/min. Ggf. CPR. • Analgesie: NSAID, z. B. ASS bis 1 g i. v. oder p. o. Opioid-Gabe nur, wenn unabdingbar und nach sorgfältiger Dokumentation der neurologischen Befunde, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. • Umstrittene Maßnahmen: Thrombozytenaggregationshemmer (ASS 0,5–1 g i. v.) als spezifisches Therapeutikum, Kortikosteroide, z. B. Dexamethason 100 mg i. v., Lidocain 1,5 mg/kgKG i. v. als Bolus. ▶ Transport und weiterführende Therapiemaßnahmen: • Bei bewusstseinklaren oder intubierten Patienten Rückenlagerung. • Bei eingetrübten, noch nicht intubierten Patienten stabile Seitenlagerung. • Hyperbare Oxygenierung (HBO): Schnellstmögliche Rekompression und hyperbare Sauerstofftherapie in nächster einsatzbereiter Therapiedruckkammer (Telefonnummern s. Anhang). • Transport: – Möglichst erschütterungsfrei. – Bei Lufttransport im Flugzeug höchstmöglicher Kabinendruck; im Hubschrauber max. Flughöhe 300 m (jede weitere Druckreduktion führt zur Symptomverschlechterung).

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Notfälle durch veränderte Luftdruckverhältnisse

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35.1 Tauchunfälle

Beachten: ▶ Bei bewusstlosen und/oder beatmeten Patienten und Druckkammerbehandlung an Parazentese bds. denken, ggf. Tubus-Cuff mit Wasser blocken. ▶ Bei Patienten mit Pneumothorax mit dem Auftreten eines Spannungspneumothorax während der Dekompression rechnen!

Lungenüberdrucktrauma ▶ Ursache: • Rasches Auftauchen auch aus geringer Tiefe mit inadäquater Ausatmung (Luftanhalten beim Auftauchen, Air-Trapping-Mechanismen). • Explosionstrauma (siehe dort). ▶ Pathophysiologie: Ausdehnung der Luft in der Lunge bei nachlassendem Umgebungsdruck. Entwicklung eines relativen Überdrucks in der Lunge mit Lungenüberdehnung und Parenchymverletzung. ▶ Beachte: Relativ geringe Überdrücke reichen aus, Auftreten daher auch im ■ Schwimmbad (z. B. Training von Tauchgruppen) möglich! Auftreten unabhängig von Tauchzeit und -tiefe. ▶ Folgen und Symptomatik: • (Spannungs-)Pneumothorax (s. S.411): Dyspnoe, Thoraxschmerz, Hypotension, Zyanose, obstruktiver Schock. • Mediastinalemphysem: Brustschmerz, Hals-/Schulterschwellung, „Schneeballknistern“ bei Palpation, Schluckbeschwerden. • AGE: Arterielle Gasembolie (bzw. Luftembolie). Grundsätzlich Embolisation aller Endstromgebiete möglich. Sind die Koronararterien betroffen (selten), Symptome wie bei Myokardinfarkt (s. S.270). • CAGE: Cerebrale arterielle Gasembolie, in den hirnversorgenden Arterien mit Symptomatik wie Apoplex (Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen, neurologische Ausfälle bis zur Halbseitensymptomatik, Bewusstlosigkeit, Krampfanfälle). Häufig! ▶ Diagnostik: • Anamnese, Sicherstellen von Tauchcomputer/Tauchgangsdaten (Auftreten jedoch unabhängig von Tauchtiefe und -zeit). • Untersuchung: Hautemphysem? Pneumothorax? Neurologische Untersuchung. Puls- und Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie. ▶ Therapie: • Respiratorische Therapie und Kreislaufstabilisierung: – Sauerstoff 4–8 l/min, besser 100 %. – Intubation und Beatmung bei Bewusstlosigkeit, Dyspnoe, Hypoxie, pSaO2 < 85– 90 %. – Infusionstherapie mit Elektrolytlösungen, z. B. Ringerlösung 500–1 500 ml i. v. – Katecholamintherapie im Schock evtl. zusätzlich z. B. Dopamin 5–20 μg/kg/ min. – Ggf. CPR. • Antikonvulsive Therapie bei zerebralem Krampfanfall (bei CAGE, häufig sehr therapieresistent): – Z.B. Diazepam 5–20 mg i. v. – Bei Versagen Thiopental (Trapanal) 5 mg/kgKG. – Intubationsbereitschaft, Blutdruckabfall möglich. • Therapie des (Spannungs)pneumothorax (S. 413). • Analgesie mit Opioiden, z. B. Morphin 5–10 mg i. v. • Weiterführende Therapie: Druckkammerbehandlung (s. DCS S. 509). ▶ Beachte: Bei Patienten mit Pneumothorax vor Druckkammerbehandlung Entlas■ tung und Drainageanlage! (Gefahr: Entwicklung eines Spannungspneumothorax während der Dekompression.)

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35.2 Akute Höhenkrankheit ▶ Definition: • Anpassungsstörung an subakut einwirkende hypobare Hypoxie (ab etwa 2 500 m über NN). Man unterscheidet: – Milde akute Höhenkrankheit (Acute Mountain Sickness, AMS). – Höhenlungenödem (High Altitude Pumonary Edema, HAPE). – Höhenhirnödem (High Altitude Cerebral Edema, HACE). • AMS ist eine milde Form des HACE. • HAPE und HACE können isoliert oder kombiniert vorkommen. • HAPE ist die häufigste Todesursache bei der akuten Höhenkrankheit. ▶ Pathophysiologie: • Gemeinsame Ursache ist die individuell zu geringe Ventilationssteigerung (relative Hypoventilation). • Folgen: – Hypoxämie. – Anstieg des pulmonalarteriellen Drucks. – Anstieg des intrakraniellen Drucks (CBF-Anstieg durch hypoxiebedingte Vasodilatation). – Mediatorvermittelte Kapillarleaks. – Flüssigkeitsretention. – Geringere Erythropoese.

35 Notfälle durch veränderte Luftdruckverhältnisse

35.2 Akute Höhenkrankheit

Symptome ▶ AMS/HACE: • Leitsymptom: Kopfschmerz. • Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, beeinträchtigtes Allgemeinempfinden. • Psychische Veränderungen: Verwirrtheit, Halluzinationen. • Periphere Ödeme. • Erhöhte Körpertemperatur. • Meist zwischen 2 500 und 6 000 m Höhe auftretend. • HACE: – Sehr hohe Letalität (40 % Letalität bei Behandlung). – Typische Trias: Ataxie, Kopfschmerzen und Erbrechen. – Spätstadium: Zeichen der Herniation, Somnolenz, Koma. ▶ HAPE: • Leitsymptom: Schwäche und plötzlicher Leistungsabfall. • Belastungsdyspnoe, Ruhedyspnoe. • Zunächst trockener Husten, später mit blutig-schaumigem Auswurf. • Zyanose. • Auskultatorisch feuchte RG’s. • Später auch Temperaturerhöhung. • Charakteristischer Beginn in der 2. Nacht in neuer Höhe oder der 4. Nacht nach Überschreiten der Schwellenhöhe (2 500 m).

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Auskultatation. Grobe neurologische Untersuchung. GCS-Score erheben (s. S.221). Pulsoxymetrie. RR, EKG.

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Notfälle durch veränderte Luftdruckverhältnisse

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35.2 Akute Höhenkrankheit

Therapie ▶ AMS: • Bei leichten Symptomen: – Ruhetag einlegen. – Symptomatisch mit nichtsteroidalen Antiphlogistika (Nichtansprechen auf Analgetika spricht für HACE). • Bei schwereren Symptomen und im Zweifel wie HACE behandeln. ▶ HACE: • Bei GCS < 8 Intubation. • Sauerstoffgabe 4–8 l. • Abtransport in tiefere Lagen ( < 2 500 m), falls nicht möglich, Überdrucksack. • Glukokortikoide: – Dexamethason initial 8 mg, weiter mit 4 × 4 mg/die. – Prednison initial 100 mg, weiter mit 3 × 50 mg/die. • Acetazolamid (Diamox) 2 × 250 mg umstrittene Wirksamkeit. • Kälteschutz. • Oberkörper 30°-Hochlagerung. • Bewusste Hyperventilation (Patient zum tiefen, schnellen Atmen auffordern). ▶ HAPE: • Sofortiger Abstieg! Oft ausreichend. • Falls kein sofortiger Abstieg möglich, Überdrucksack. • Sauerstoffgabe 4–8 l. • Bei bedrohlicher Hypoxie trotz Sauerstoff Intubation und Beatmung mit FiO2 von 1,0. • Drucksenkung im kleinen Kreislauf mit Nifedipin ret. 20 mg alle 8 h. • Oberkörper 30°-Hochlagerung. ▶ Prophylaxe der Höhenkrankheit: • Nicht zu schnell zu hoch steigen. • Keine anaeroben Anstrengungen. • Möglichst tiefe Schlafhöhe.

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Akute Intoxikationen

36.1 Allgemeine Aspekte und Diagnostik Definition ▶ Intoxikation (Vergiftung): Schädliche Einwirkung von Substanzen auf den Organismus.

Giftstoffe

36 Akute Intoxikationen

36.1 Allgemeine Aspekte und Diagnostik

▶ Genussgifte, z. B. Alkohol, Nikotin. ▶ Rauschdrogen, z. B. Heroin, Kokain, LSD, Ecstasy. ▶ Pharmaka, z. B. Überdosierungen von Antidepressiva, β-Blockern, Digitalisglykosiden, Kalziumkanal-Blockern. ▶ Chemische Gifte, z. B. Insektizide, Herbizide, Lösungsmittel, Abgase. ▶ Natürliche Gifte: Pflanzliche, tierische und bakterielle Gifte. ▶ Die Anzahl der möglichen Giftstoffe ist unüberschaubar. Allein industriell werden z. Zt. etwa 500 000 potenziell giftige Substanzen verwendet. ▶ Häufige Vergiftungen mit tödlichem Ausgang: • Kohlenmonoxidvergiftung. • Rauschdrogenüberdosierung. • Medikamentenüberdosierung: Antidepressiva, Analgetika, kardiozirkulatorische Pharmaka (Digitalis, β-Blocker), Schlafmittel (Barbiturate), Asthmamedikamente (Theophyllin).

Ursachen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Suizid, Suizidversuch – v. a. bei Erwachsenen (s. u. und S. 353). Verwechselung oder versehentliche Einnahme – häufig bei Kindern. Versehentliche Überdosierung von Pharmaka oder Rauschdrogen. Lebensmittelvergiftung. Gewerbliche Vergiftung. Unfall (Hausbrand etc.). Mord, Mordversuch.

Giftaufnahme ▶ Oral (Ingestion): Mit ca. 80 % weitaus häufigste Form der Giftaufnahme. Primäre Giftelimination prinzipiell möglich mittels Kohleapplikation, Erbrechen, Magenspülung (S. 446). ▶ Pulmonal (inhalativ): Häufigkeit ca. 5 %; z. B. Kohlenmonoxid, Rauchgas, Schnüffeln von Lösungsmitteln. ▶ Perkutan bzw. transdermal: Häufigkeit ca. 10 %; in etwa der Hälfte der Fälle sind die Augen mitbetroffen; z. B. Kontamination mit Säuren, Laugen, Insektiziden. Dekontamination (s. u.) indiziert! ▶ Intravenös: Insgesamt < 1 %; üblich für Morphium, Heroin.

Suizid(versuch) durch Gifteinnahme ▶ Häufigkeit: 70–90 % aller Vergiftungen. ▶ Häufig in suizidaler Absicht verwendete Substanzen (s. a. S. 353): • Antidepressiva. • Benzodiazepine. • Paracetamol. • Acetylsalicylsäure. • Kohlenmonoxid (Autoabgase). ▶ Häufig Mischintoxikationen (ca. 50 % der Fälle)! 443

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Akute Intoxikationen

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36.1 Allgemeine Aspekte und Diagnostik

▶ Gängige Kombination: Alkohol plus eine oder mehrere der o. g. Substanzen.

Vergiftungssymptomatik ▶ Meist unspezifisch. ▶ Bewusstseinsstörung: Häufigstes Symptom schwerer Vergiftungen. • Somnolenz, Sopor, Koma: z. B. bei Barbituraten, Benzodiazepinen, Opioiden, Alkohol. • Verwirrtheit, Delir: z. B. bei Halluzinogenen und Kokain. ▶ Störungen des Herz-Kreislauf-Systems: • Hypotension: z. B. bei Alkohol, Barbituraten, β-Blockern, Opioiden. • Hypertension: z. B. bei Amphetaminen, Kokain, Ecstasy. • Bradykardie: z. B. bei β-Blockern, Insektiziden, Opioiden. • Tachykardie: z. B. bei Amphetaminen, Kokain, Theophyllin, trizyklischen Antidepressiva, Ecstasy. ▶ Störungen der Atmung: • Hyperventilation: z. B. bei Amphetaminen, Ecstasy. • Hypoventilation: z. B. bei Alkohol, Barbituraten, Benzodiazepinen, Opioiden. ▶ Merke: ■ • Hypoventilation führt unter Raumluftatmung zur Hypoxie! • Hypoventilation und Atemstillstand sind die häufigsten präklinischen Todesursachen bei Vergiftungen. • Opioide verringern typischerweise v. a. die Atemfrequenz mit variablem Einfluss auf die Atemtiefe. • Benzodiazepine, Barbiturate und Alkohol verringern typischerweise v. a. die Atemtiefe ohne wesentlichen Einfluss auf die Atemfrequenz. ▶ Störungen der Temperaturregulation: • Hyperthermie: z. B. bei Amphetaminen, trizyklischen Antidepressiva, Ecstasy. • Hypothermie: z. B. nach prolongiertem Aufenthalt im Freien nach Intoxikation mit Alkohol, Barbituraten, Benzodiazepinen, Opioiden. ▶ Symptome in Abhängigkeit von Qualität (Art) und Quantität der eingenommenen Gifte: • Eher dämpfend wirkende Gifte → Somnolenz, Sopor und Koma. • Eher stimulierend wirkende Gifte → Schwitzen, Verwirrtheit, Psychosen, Krämpfe, später Koma. ▶ Charakteristische Vergiftungssymptome mit mehr oder weniger großer Spezifität (ca. 5 % der Vergiftungen), z. B.: • Alkoholgeruch: Alkoholvergiftung. • Bittermandelgeruch: Zyanidvergiftung. • Kirschrote Hautfarbe: Kohlenmonoxidvergiftung. • Stecknadelkopfgroße Pupillen: Opioidintoxikation. • Blasenbildung auf der Haut: Barbituratintoxikation.

Allgemeine Schweregradeinteilung der Vergiftungssymptomatik ▶ Vergiftung mit sedierenden Substanzen: z. B. Alkohol, Barbiturate, Benzodiazepine, γ-Hydroxy-Buttersäure, Lösungsmittel, Opioide, Sympatholytika (Clonidin, β-Blocker). Zur Gradeinteilung der Komastadien s. S. 233. • Grad 1: Somnolenz, Lethargie. • Grad 2: Sopor oder Koma Grad I, Bradykardie, Hypotension. • Grad 3: Koma Grad II, Atemdepression. • Grad 4: Koma Grad III–IV. ▶ Vergiftung mit stimulierenden Substanzen: z. B. Amphetamine, Antidepressiva, Ecstasy, Halluzinogene, Koffein, Kokain, Theophyllin. • Grad 1: Schwitzen, Übererregbarkeit, Tremor, Mydriasis. • Grad 2: Verwirrtheit, Fieber, Hypertension, Tachykardie. • Grad 3: Exogene Psychose, Delir, Tachyarrhythmie. 444

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Diagnostische Hinweise auf eine Vergiftung ▶ Anamnese: • Ggf. Aussage des Patienten selbst. • Angaben von Zeugen, Angehörigen oder Bekannten. ▶ Äußere Umstände: • Herumliegende Spritzen oder Medikamentenschachteln. • Abschiedsbriefe. ▶ Spezifische oder unspezifische Vergiftungssymptome, Symptomkonstellation (s. o.). ▶ Unklare Todesursache.

36 Akute Intoxikationen

36.2 Allgemeine Therapie

• Grad 4: Krämpfe, Schock, Koma. ▶ Beachte: Ähnliche Symptome wie bei der Intoxikation mit stimulierenden Giften ■ werden beobachtet beim Entzug von dämpfend wirkenden Substanzen wie Alkohol, Barbituraten, Benzodiazepinen, β-Blockern, Clonidin und Opioiden.

Diagnostik Anamnese. Inspektion (Haut, Pupillen). Blutdruckmessung. EKG. Sauerstoffsättigung. ▶ Cave: Pulsoxymetrische Fehlmessungen (falsch hohe Sättigungen) bei Intoxikatio■ nen mit Kohlenmonoxid und Methämoglobinbildnern (S. 484). ▶ Blutzuckeruntersuchung: Bei allen unklaren Bewusstseinsstörungen und Krampfanfällen! ▶ Asservierung von Medikamenten, Drogen oder Giftbehältnissen sowie von präklinisch gewonnenen Körpersekreten bei Verdacht auf eine Intoxikation!

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Praxistipp: Giftinformationszentralen Bei Einnahme von Substanzen unklarer Toxizität oder Unsicherheit in Diagnose und Therapie: Telefonische Nachfrage bei einer Giftinformationszentrale (siehe Anhang), z. B. Berlin (030 /19 240). ▶ In der Klinik: Giftnachweis in Blut, Urin oder Mageninhalt.

36.2 Allgemeine Therapie Basistherapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min (Vorsicht bei Herbizidvergiftung, s. S. 456). ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung, wenn erforderlich, mit Infusionstherapie, Katecholaminen, Vasodilatatoren, Antiarrhythmika. ▶ Antikonvulsive Therapie bei Krampfanfällen. ▶ Sedierung/antidelirante Therapie bei Erregungszuständen. ▶ Ggf. CPR: Fortsetzung der CPR bei Vergiftungen u. U. länger als sonst, v. a. bei Vergiftungen mit Barbituraten, Benzodiazepinen, β-Blockern und begleitender Hypothermie. ▶ Besonderheiten bei einigen Vergiftungen: • Erhöhter Selbstschutz (Insektizidvergiftung, Rauchgasvergiftung). • Maßnahmen der Giftelimination anschließen (s. u.). • Antidote geben (s. u.). 445

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Akute Intoxikationen

36

36.2 Allgemeine Therapie

Bedenken ▶ Die Basistherapie der Vergiftungen unterscheidet sich prinzipiell nicht von der Versorgung anderer Notfälle. ▶ Die allermeisten Vergiftungen lassen sich präklinisch und klinisch durch die o. g. supportiven Maßnahmen allein erfolgreich therapieren! ▶ Vergiftungsspezifische Maßnahmen wie Dekontamination und Giftelimination sind präklinisch nur bei relativ wenigen lebensbedrohlichen Vergiftungen indiziert. ▶ Spezifische Antidote (S. 450) sind nur bei ca. 5 % der Vergiftungen indiziert!

Dekontamination ▶ Definition: Entfernung von auf der Haut oder äußeren Schleimhaut befindlichen Giftstoffen. ▶ Indikation: Kontamination der Haut mit Gift- oder Ätzstoffen, insbesondere wenn eine transdermale Resorption oder lokale Schädigung stattfinden kann. ▶ Vorgehen: • Entfernen aller Kleidungsstücke, die mit dem Giftstoff kontaminiert sein können. • Abspülen der Haut mit reichlich (lauwarmem) Wasser, möglichst am Ende mit Seife nachwaschen. • Ggf. ausführliches Spülen der Augen mit Wasser oder Kochsalzlösung.

Giftelimination: Übersicht ▶ Primäre Giftelimination: • Definition: Entfernung oder Neutralisation (Adsorption) eingenommener Giftstoffe noch vor der Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt. • Indikation: Schwere Vergiftungen ( < 5 % aller Vergiftungen, s. u.). • Formen: – Induziertes Erbrechen (S. 446). – Magenspülung (S. 448). – Kohleapplikation („Universalantidot“, S. 448). ▶ Sekundäre Giftelimination: • Definition: Entfernung eingenommener Giftstoffe aus dem Körper nach Eindringen in die Blutbahn. • Indikation: Schwere Vergiftungen ( < 5 % aller Vergiftungen, s. u.), selten präklinisch. • Formen: – Forcierte Diurese (S. 449). – Induzierte Diarrhö (s. u.). – Hyperventilation (forcierte Ventilation, S. 449). ▶ Indikation zur präklinischen Giftelimination: Lebensbedrohliche Vergiftungen mit hochtoxischen Substanzen. Wichtige Beispiele: • Insektizide: Organophosphate, z. B. E 605, s. S. 481. • Herbizide: Dipyridiniumverbindungen, z. B. Paraquat und Diquat. • Zyanide: HCN, KCN, NaCN, s. S. 483. • Digitalisglykoside in größeren Mengen, s. S. 462. • β-Blocker in größeren Mengen, s. S. 461. • Antidepressiva in größeren Mengen, s. S. 457. • Knollenblätterpilze, s. S. 491.

Induziertes Erbrechen ▶ Prinzip: Elimination oral aufgenommener Gifte noch vor der Resorption. • Sinnvoll evtl. innerhalb von 2–4 h (besser innerhalb der ersten Stunde) nach Giftaufnahme. 446

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36 Akute Intoxikationen

36.2 Allgemeine Therapie

• Führt zur Entleerung von ca. 50 % des Mageninhalts. • Reduktion der resorbierten Giftmenge: – um 30–70 % bei Erbrechen 5 min nach Giftaufnahme, – um 2–45 % bei Erbrechen 30 min nach Giftaufnahme. • Effektivität geringer als bei Magenspülung und/oder Kohleapplikation. • Nutzen im Verhältnis zu den Gefahren (s. u.) in vielen Fällen umstritten. • Zu erwägen bei sehr toxischen Substanzen, bei denen nach Resorption u. U. keine wirksame Therapie mehr zur Verfügung steht, wie z. B. Zyankali, Strychnin, Paraquat, Arsen. ▶ Merke: Eine routinemäßige Auslösung von Erbrechen ist (gleich mit welcher Me■ thode) nicht indiziert. ▶ Methoden: • Verabreichung von Ipecacuanha-Sirup: – Früher bevorzugtes Emetikum bei Kindern. Weniger zuverlässige Wirkung bei Erwachsenen. – Wird heute allerdings nicht mehr empfohlen. – Vorgehen und Dosierung (wenn überhaupt verwendet) s. u. • Verabreichung von Apomorphin: – Stark emetisch wirkendes Opioid mit zentralnervös dopaminerger Wirkung. – Antagonisierung der Apomorphinwirkung mit Naloxon möglich (S. 454). – Bevorzugtes Emetikum bei Erwachsenen. – Nicht bei Kleinkindern anwenden! – Unerwünschte Wirkungen: Hypotension, Kreislaufdepression, unstillbares Erbrechen. – Indikation umstritten. – Vorgehen und Dosierung (wenn überhaupt verwendet) s. u. • Mechanische Reizung der Rachenhinterwand („Finger in den Hals stecken“): Unzuverlässiges Verfahren. • Trinken gesättigter, hypertoner Kochsalzlösung: Wegen Gefahr der Kochsalzintoxikation heute obsolet! ▶ Gefahren: Aspiration von (toxisch kontaminiertem) Mageninhalt → Pneumonie, respiratorische Insuffizienz, Hypoxie. ▶ Kontraindikationen: • Ingestion von Säuren oder Laugen. • Ingestion von Schaumbildnern (Waschpulver, Spülmittel). • Ingestion von Petroleum. ▶ Voraussetzungen: • Patient wach. • Vitalfunktionen stabil. • Schluck- und Hustenreflexe intakt. ▶ Vorgehen: • Verabreichung von Ipecacuanha-Sirup: – Dosierung: Kinder 10–20 ml p. o., ggf. Erwachsene 30 ml p. o. – Eintritt von Erbrechen nach ca. 10–20 min. – Wird heute laut ERC explizit nicht mehr empfohlen. • Verabreichung von Apomorphin: – Therapie und Vermeidung eines Blutdruckabfalls: Ggf. Vasopressor (Katecholamine) verabreichen oder von vornherein mit Vasopressor kombinieren; meist wird das sonst eher selten verwendete α-Mimetikum Norfenefrin (Novadral) im Gewichtsverhältnis 1 : 1 empfohlen (alternativ zu Norfenefrin wird auch Akrinor empfohlen). – Dosierung: Apomorphin 0,1 mg/kgKG (5–10 mg) i. m. oder s. c., evtl. kombiniert mit Norfenefrin 0,1 mg/kgKG (5–10 mg) oder Akrinor 1 ml i. m. oder s. c. – Eintritt von Erbrechen nach ca. 10 min. – Indikation unsicher; Cave Kreislaufdepression!

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Akute Intoxikationen

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36.2 Allgemeine Therapie

Magenspülung ▶ Prinzip: Elimination oral aufgenommener Gifte noch vor der Resorption. • Gelegentlich effektiver, jedoch aufwendiger als induziertes Erbrechen. • Reduktion der resorbierten Giftmenge – um 55–85 % bei Magenspülung 5 min nach Giftaufnahme, – um ca. 30 % 30 min nach Giftaufnahme und – um ca. 10 % 60 min nach Giftaufnahme. ▶ Gefahren: • Aspiration von (toxisch kontaminiertem) Mageninhalt in bis zu 10 % der Fälle! • Verletzungen von Mund, Ösophagus und Magen. • Atemwegsverlegung. ▶ Kontraindikationen für das blinde Einführen einer Magensonde: • Ingestion von Säuren, Laugen und Petroleum (Gefahr der iatrogenen Ösophagusruptur). ▶ Merke: ■ • Die Magenspülung war früher (zumindest innerklinisch) ein zentraler Pfeiler des Notfallmanagements oraler Vergiftungen. Heute wird sie wegen ihres fraglichen Nutzen-Risiko-Profils erheblich seltener angewendet. • Eine routinemäßige präklinische Magenspülung ist nicht indiziert. ▶ Vorgehen: ▶ Beachte: Komatöse und somnolente Patienten ohne sichere Schluckreflexe vorher ■ intubieren! Ggf. Narkose einleiten. • Linksseitenlage. • Einführen einer großlumigen Magensonde (S. 156). • Jeweils mit ca. 500 ml (5–7 ml/kgKG) Wasser spülen und Flüssigkeit aus dem Magen in einen Eimer zurücklaufen lassen. • Spülvorgang wiederholen, bis die zurücklaufende Flüssigkeit klar ist (insgesamt meist ca. 20 l). ▶ Merke: Flüssigkeitsprobe asservieren! ■ • Im Anschluss an die Magenspülung meist Kohleinstillation (s. u.) und meist zusammen mit einem Laxans.

Kohle (Aktivkohle, Carbo medicinalis) ▶ Prinzip: Adsorption oral aufgenommener Gifte noch vor der Resorption. • Universaladsorbens aufgrund großer Oberfläche. 1 g Kohle bindet bis zu 2 g Giftstoff. • Ca. 90 % der häufigsten Giftstoffe können im Magen-Darm-Trakt durch Kohle adsorbiert werden. • Reduktion der Giftresorption – um ca. 80 % bei Kohleapplikation 5 min nach Giftaufnahme, – um ca. 60 % 30 min nach Giftaufnahme und – um ca. 30 % 60 min nach Giftaufnahme. • Generiert durch intraluminare Giftbindung außerdem einen Gradienten zwischen Giftkonzentration in Blut und Darmlumen. • Dadurch z. T. auch Elimination bereits resorbierter oder primär parenteral verabreichter Giftstoffe möglich (sog. „gastrointestinale Dialyse“). ▶ Indikationen: • Grundsätzlich: Praktisch alle Vergiftungen („Universalantidot“), insbesondere lebensbedrohliche Vergiftungen mit Indikation zur präklinischen Elimination. • Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass Kohle tatsächlich die Prognose einer Vergiftung verbessert. • Laut ERC ist daher die (präklinische) Gabe von Kohle (innerhalb der ersten Stunde nach Giftaufnahme) heute lediglich optional und zu erwägen. 448

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36 Akute Intoxikationen

36.2 Allgemeine Therapie

• Nur bei Patienten geben, die wach sind oder einen gesicherten Atemweg haben (Intubation bei Bewusstlosigkeit). • Kohle i. d. R. nur einmalig verabreichen. • Mehrere Dosen (dann innerklinisch) erwägen bei Vergiftungen mit folgenden Substanzen: – Carbamazepin, Phenobarbital, Theophyllin, Dapson und Chinin. Anwendungshinweise und Kommentare: • Gut wirksam z. B. bei Antidepressiva, Barbituraten, Benzodiazepinen und Theophyllin. • Mäßig wirksam z. B. bei ASS, Paracetamol, Zyaniden. • Schlecht wirksam bei Alkoholen. Kontraindikationen: Grundsätzlich keine; jedoch Zurückhaltung bei Intoxikationen mit Säuren und Laugen, da Verschlechterung der endoskopischen Bedingungen. Gefahren: Gefahr des Lungenversagens bei Kohleaspiration! Vorgehen: • Kohleinstillation vor Magenspülung/Erbrechen, nach Magenspülung/Erbrechen oder anstelle von Magenspülung/Erbrechen sowie repetitiv möglich. • Applikation beim wachen Patienten p. o., beim komatösen Patienten über eine Magensonde. • Dosierung: Aktivkohle 0,5–1(– 2) g/kgKG (50–100 g), suspendiert in ca. der 7–10fachen Menge Wasser → 4–20 ml/kgKG (0,3–1 l).

Forcierte Diurese und pH-Manipulation des Urins ▶ Forcierte Diurese: • Definition: Induktion einer Diurese von 250–500 ml/h oder mehr. • Vorgehen: – Furosemid 10–40 mg repetitiv oder 5–40 mg/h kontinuierlich i. v. – Zusätzlich ausreichende Flüssigkeits- und Kochsalzzufuhr → 250–500 ml/h oder mehr, z. B. Ringer-Lösung oder NaCl 0,9 %. • Effektivität: – Vergleichsweise gering, daher präklinisch nicht indiziert. – Ineffektiv zur Elimination von Substanzen mit hoher Proteinbindung wie z. B. trizyklische Antidepressiva. – Ineffektiv zur Elimination von Substanzen mit hohem Verteilungsvolumen wie z. B. Paracetamol, Digitalisglykoside oder Herbizide. ▶ Manipulation des Urin-pH: Zusätzliche Maßnahme zur forcierten Diurese; hierdurch bessere Elimination bestimmter Gifte. • Saure Giftstoffe → Alkalisierung des Urins: – Natriumbikarbonat 50 mmol i. v., ggf. repetitiv. – Kontrolle von Urin-pH und Blut-pH! – Überschießende Alkalose vermeiden! – Vergiftungsbeispiele: Barbiturate, Salicylate. • Alkalische Giftstoffe → Ansäuerung des Urins: – Ascorbinsäure (Vitamin C) 1 000 mg i. v., ggf. repetitiv. – Kontrolle von Urin-pH und Blut-pH! – Überschießende Azidose vermeiden! – Vergiftungsbeispiele: Amphetamine, Kokain, Phencyclidin, Chinidin, Katecholamine, Strychnin. ▶ Therapiebeginn: Präklinisch möglich, aber normalerweise nicht indiziert.

Hyperventilation (forcierte Ventilation) ▶ Indikation, Anwendung: Verstärkte Elimination von Lösungsmitteln (Halogen-Kohlenwasserstoffe), z. B. Trichlorethylen. 449

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Akute Intoxikationen

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36.3 Antidote: Übersicht

▶ Vorgehen (nur bei Patienten, die auf Grund von Bewusstlosigkeit o. Ä. beatmet sind; keine Intubation nur zur Hyperventilation): • Vorübergehende Erhöhung des Atemminutenvolumens auf 120–150 ml/kgKG. • Exzessive Hyperventilation und Hypokapnie vermeiden!

Induzierte Diarrhö ▶ Prinzip: Beschleunigung der Magendarmpassage durch Laxanzien. ▶ Effektivität: Vergleichsweise gering. ▶ Vorgehen: • Applikation meist nach Kohlegabe. • Substanzen und Dosierung: z. B. Glaubersalz 10–20 g p. o. oder über Magensonde verabreichen. ▶ Therapiebeginn: Präklinisch möglich, aber nicht notwendig und nicht empfohlen.

Eliminationsverfahren in der Klinik ▶ Hämodialyse: • Sinnvoll bei Vergiftungen mit dialysablen, wasserlöslichen Substanzen mit niedrigem Verteilungsvolumen und niedriger Proteinbindung. • Beispiele: Methanol, Ethylenglykol, Salicylate, Lithium. ▶ Hämoperfusion: • Effektivste Maßnahme bei vielen Vergiftungen. Hierbei kommt das Blut bei der extrakorporalen Zirkulation mit absorbierenden Substanzen (üblicherweise Kohle) in Verbindung. • Geeignet für Substanzen mit hoher Eiweißbindung wie z. B. Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin und Theophyllin. ▶ Andere mögliche Verfahren der Giftelimination in der Klinik: • Hämofiltration bei wasserlöslichen Substanzen. • Plasmapherese oder Austauschtransfusion bei Substanzen mit hoher Eiweißbindung.

36.3 Antidote: Übersicht Definition ▶ Antidote („Gegengifte“) im weiteren Sinne: Alle Pharmaka, die zur Therapie von Intoxikationen eingesetzt werden, die Resorption von Giftstoffen vermindern, deren Elimination beschleunigen oder deren Toxizität abschwächen. ▶ Antidote im engeren Sinne: Substanzen, die die Toxizität resorbierter Gifte vermindern oder aufheben.

Allgemeines ▶ Spezifische Antidote im engeren Sinne sind nur für relativ wenige, darunter einige sehr seltene Vergiftungen verfügbar. In diesen Fällen ist eine rasche Antidotgabe jedoch oft lebensrettend. ▶ Universalantidot: Kohle (s. S. 448). ▶ Antidotbevorratung: • Obligat auf arztbesetzten Rettungsfahrzeugen (NAW, NEF, RTH). • Bevorratung meist in einer Intox-Box; diese enthält die wichtigsten Antidote sowie Indikations- und Dosierungsanleitungen. ▶ Dosierungsprinzipien: • Patienten- bzw. gewichtsbezogene Dosierung unabhängig von Giftmenge und -wirkung. Beispiel: Toxogonin bei Insektizidvergiftung (3 mg/kgKG). • Gift- bzw. wirkungsbezogene Dosierung unabhängig von der Patientengröße bzw. dem Körpergewicht. Beispiel: Atropin bei Insektizidvergiftung. – Titration der Dosis nach Wirkung. 450

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Antidote und ihre Indikationen: Übersicht s. Tab. 36.1 Intoxikationen und ihre Antidote: Übersicht s. Tab. 36.2

36.4 Antidote: Spezielle Substanzen Atropin

36 Akute Intoxikationen

36.4 Antidote: Spezielle Substanzen

– Notwendige Dosis wesentlich von der Giftmenge abhängig. – Genaue Dosisangaben daher a priori nicht möglich.

▶ Handelsname: Atropinsulfat. ▶ Indikationen: Vergiftungen mit bzw. Überdosierungen von cholinergen bzw. muskarinergen Substanzen. • Vergiftung mit Insektiziden vom Typ der Organophosphate ( = Alkylphosphate) und Carbamate (S. 481). • Muskarinhaltige Pilze, z. B. Risspilze (S. 491). • Überdosierung von Physostigmin (s. u.). ▶ Wirkungsweise: Anticholinerg; Acetylcholinantagonismus an muskarinergen Rezeptoren. Tab. 33.1 • Antidote und ihre Indikation. Antidot

Indikation

Atropin

Insektizidvergiftung (S. 481) muskarinerge Pilze (S. 491) Überdosierung von Physostigmin (S. 209)

Biperiden

Extrapyramidale Nebenwirkungen von Neuroleptika (S. 465).

Dimethylpolysiloxan (sab simplex):

Schaumbildner (Spül- und Waschmittel; S. 475)

4-DMAP

Zyanidvergiftung (S. 483)

Flumazenil

Benzodiazepinvergiftung (S. 460)

Hydroxocobalamin

Zyanidvergiftung (S. 483)

Kalzium

Kalziumkanal-Blocker-Intoxikation (S. 463)

N-Acetylcystein

Paracetamolvergiftung (S. 468; präklinische Gabe nicht erforderlich)

Naloxon

Opioidvergiftung (S. 467)

Natriumthiosulfat

Zyanidvergiftung (S. 483)

Obidoxim

Insektizidvergiftung (S. 481; präklinische Gabe nicht erforderlich)

Physostigmin

zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS; S. 457) Atropin- und Scopolaminvergiftung (S. 457) Vergiftung mit trizyklischen Antidepressiva (S. 457; umstrittene Indikation)

Sauerstoff

Kohlenmonoxidintoxikation (S. 485) Zyanidintoxikation (S. 483)

Toluidinblau

Methämoglobinbildnerintoxikation (S. 484)

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Akute Intoxikationen

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36.4 Antidote: Spezielle Substanzen Tab. 33.2 • Intoxikationen und ihre Antidote. Intoxikation

Antidot

Anticholinergika: z. B. Belladonna-Alkaloide, Atropin, Scopolamin, Fliegen- oder Pantherpilze; S. 457

Physostigmin

Benzodiazepine: z. B. Diazepam, Flunitrazepam, Oxazepam; S. 460

Flumazenil

β-Blocker: z. B. Atenolol, Metoprolol, Propanolol; S. 461

β-Agonisten (Adrenalin, Orciprenalin) oder Glukagon

Digitalisglykoside: z. B. Digoxin, Metildigoxin, Digitoxin; S. 462

Fab-Antikörper-Fragmente (nicht präklinisch)

Eisen

Desferoxamin (nicht präklinisch).

Insektizide: Organophosphate, Carbamate; S. 481

Atropin und Obidoxim (Obidoxim nicht unbedingt präklinisch)

Kalziumkanal-Antagonisten: z. B. Nifedipin, Verapamil; S. 463

Kalzium

Kohlenmonoxid (S. 485)

Sauerstoff

Metalle

Chelatbildner (nicht präklinisch)

Methämoglobinbildner (S. 484)

Toluidinblau oder Methylenblau

Methylalkohol (S. 471)

Äthylalkohol

Neuroleptika: Akute dystone Reaktion; S. 465

Biperiden

Opioide: z. B. Heroin, Morphin; S. 467

Naloxon

Paracetamol (S. 468)

N-Acetylcystein (nicht unbedingt präklinisch)

Reizgase (S. 487)

Kortikosteroide p. i., z. B. Budesonid oder Dexamethason

Schaumbildner: Spül- und Waschmittel; S. 475)

Dimethylpolysiloxon (sab simplex)

Schlangenbisse, Skorpionstiche (S. 493)

Anti-Toxin-Serum (nicht präklinisch)

Trizyklische Antidepressiva (S. 457)

Physostigmin (umstritten)

Zyanide: HCN, NaCN, KCN; S. 483

4-DMAP, Natriumthiosulfat oder Hydroxocobalamin Sauerstoff

▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Allgemeine Symptomatik cholinerger Intoxikationen: Miosis, Bradykardie, Hypersalivation, Bronchorrhö, Diarrhö, Muskelzuckungen oder -fibrillationen. • Insektizidvergiftung (Alkylphosphate): Sofortiger Therapiebeginn erforderlich! Atropin liegt für diese Indikation in höherer Konzentration (z. B. 1 ml à 10 mg) vor. • Unerwünschte Wirkungen: Tachykardie, Tachyarrhythmie, zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS; S. 457). 452

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Biperiden ▶ Handelsname: Akineton. ▶ Indikation: Akute dystone Reaktion bzw. neuroleptikainduzierte Extrapyramidalsymptomatik als Nebenwirkung von Neuroleptika (Phenothiazine und Butyrophenone), gelegentlich auch von Metoclopramid (S. 465). ▶ Wirkungsweise: Zentral anticholinerg mit vorwiegend antimuskarinergem Effekt; insbesondere im nigrostriatalen System. ▶ Unerwünschte Wirkungen: Tachykardie, zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS; S. 457). ▶ Dosierung: 0,04 mg/kgKG (3–5 mg) i. v.

36 Akute Intoxikationen

36.4 Antidote: Spezielle Substanzen

▶ Dosierung: Wirkungsbezogene Titration: • Insektizidvergiftung (Alkylphosphate): 2–20 mg i. v. oder mehr. • Intoxikation mit sonstigen cholinergen Substanzen: 0,5–3 mg i. v. oder mehr.

Dimethylpolysiloxan ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Handelsname: sab simplex. Indikation: Schaumbildneringestion: Wasch- und Spülmittel (S. 475). Wirkungsweise: Herabsetzung der Oberflächenspannung (Entschäumer). Anwendungshinweis und Kommentar: Schwere unerwünschte Wirkungen selten. Dosierung: Ca. 0,5–1 ml/kgKG: • Erwachsene: 10–30 ml oder 2–6 Esslöffel p. o. • Kinder: 5–10 ml oder 2–4 Teelöffel p. o.

4-DMAP (Dimethylaminophenol) ▶ Handelsname: 4-DMAP. ▶ Indikation: Zyanidvergiftung (S. 483): Blausäure (HCl), Zyankali (KCl). ▶ Wirkungsweise: Methämoglobinbildung: • Umwandlung von Hb (Eisen-II) in Met-Hb (Eisen-III). • Vermehrte Bindung von Zyanidionen an Met-Hb statt an Eisen III der Atmungskette. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Bei entsprechender Indikation sofortiger Therapiebeginn erforderlich. • 3 mg/kgKG i. v. bewirkt eine Transformation von etwa 30 % Hb in Met-Hb. ▶ ■ Beachte: Überdosierung von 4-DMAP bewirkt eine kritische Abnahme des Sauerstofftransports, daher sollte bei Zyanidintoxikation präklinisch nur eine einmalige Gabe erfolgen! Bei der Gabe von 4-DMAP beachten: ▶ Nach der Gabe von 4-DMAP muss Natriumthiosulfat (100-500 mg/kgKG) verabreicht werden, um die körpereigene Entgiftung durch Rhodanase zu unterstützen/zu ermöglichen (s. S. 455). (Zuerst 4-DMAP, dann Natriumthiosulfat.) ▶ Bei Überdosierung oder Fehlindikation: Toluidinblau 3 mg/kgKG i. v. (s. u.). ▶ Dosierung: 3 mg/kgKG i. v.

Flumazenil ▶ ▶ ▶ ▶

Handelsname: Anexate. Siehe auch S. 209. Indikation: Benzodiazepinintoxikation (S. 460). Wirkungsweise: Rezeptorantagonismus.

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Akute Intoxikationen

36

36.4 Antidote: Spezielle Substanzen

▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Indikation und Notwendigkeit der Flumazenilgabe bei Benzodiazepinintoxikation wegen möglicher Nebenwirkungen und meist relativ gutartigem Verlauf der Intoxikation umstritten. • Kontraindikation: Mischintoxikationen mit stimulierenden Pharmaka/Drogen! Durch Benzodiazepine supprimierte exzitatorische Wirkungen der Begleitsubstanz (häufig: trizyklische Antidepressiva) können sonst demaskiert werden. • Unerwünschte Wirkungen: Tachykardie, Krampfanfall. • Titration nach Wirkung erforderlich! • Kurze Halbwertszeit (1–2 h) des Flumazenil im Vergleich zu den Benzodiazepinen beachten! ▶ Cave: Lebensrettende Basismaßnahmen (Beatmung) dürfen nicht durch die Flu■ mazenilgabe verzögert werden! ▶ Dosierung: 5 μg/kgKG (0,2–0,4 mg) i. v.; evtl. mehr (Titration).

Hydroxocobalamin ▶ Indikation: Zyanidvergiftung (S. 483): Blausäure, Zyankali. ▶ Wirkungsweise: • Hydroxocobalamin ( = Vitamin B12) enthält Kobalt. • Zyanid (CN) hat eine noch höhere Affinität zu Kobalt als zu Eisen-III. • Hydroxocobalamin bindet daher das Zyanid und neutralisiert es so. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Hydroxocobalamin ist praktisch untoxisch und daher besser zur Therapie geeignet als 4-DMAP. • Es ist jedoch sehr teuer. ▶ Dosierung: 5 g über ½ h i. v.; Kinder 2,5 g i. v.

Kohle ▶ Siehe S. 448.

N-Acetylcystein ▶ Handelsname: Flumimucil Antidot 20 % Injektionslösung. ▶ Indikation: Paracetamol-Vergiftung (S. 468). ▶ Wirkungsweise: Glutathion-Vorstufe. Durch Konjugation toxischer Paracetamolmetaboliten an Glutathion Entgiftung von Paracetamol möglich. Außerdem antioxidative Wirkung. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Verzögerter Wirkungseintritt. • Präklinische Gabe nicht erforderlich. • Unerwünschte Wirkungen: Selten. • Innerklinische Gabe möglichst frühzeitig bereits im Verdachtsfall sowie auch bei bereits eingetretenem Organversagen. ▶ Dosierung: • 150 mg/kgKG i. v. innerhalb 15–30 min. • Dann 50–100 mg/kgKG/h kontinuierlich i. v.

Naloxon ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Handelsname: Naloxon. Siehe auch S. 209. Indikation: Opioidintoxikation (S. 467). Wirkungsweise: Rezeptorantagonismus. Anwendungshinweise und Kommentare: • Indikation und Notwendigkeit der Naloxongabe bei Opioidintoxikation wegen möglicher unerwünschter Wirkungen (s. u.) umstritten. • Unerwünschte Wirkungen: Tachykardie, Krampfanfall.

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Natriumthiosulfat ▶ Handelsname: Natriumthiosulfat. ▶ Indikationen: • Wichtigste Indikationen: Vergiftungen mit Zyanid (S. 483), Blausäure (HCN), Zyankali (KCN), Natriumzyanid (NaCN). • Weitere Indikationen: Intoxikationen durch Chlor, Brom, Jod, Stickstoffoxide, Nitrile (Acrylnitril, Acetoncyanhydrin), Nitrite, aromatische Amine (Anilin, Toluidin), Alkylanzien (S-Lost, N-Lost, Überdosierung von Alkylanzien, die als Zytostatika verwendet werden), Schwermetalle und Thallium. ▶ Wirkungsweise: Schwefeldonator (Na2S2O3). • Schwefel ist erforderlich für die körpereigene Zyanid-Entgiftung durch das Enzym Rhodanase. • Katalysierung der folgenden Reaktion durch Rhodanase: S + CN → SCN (Rhodanid). • Andere Gifte werden durch Natriumthiosulfat in weniger toxische Schwefelverbindungen umgewandelt. ▶ Anwendungshinweis und Kommentar: • Schwere unerwünschte Wirkungen wie z. B. akuter Asthmaanfall möglich aber selten. • Anwendung bei Zyanidvergiftung in Kombination mit 4-DMAP (s. S. 483): – Erst 4-DMAP – Dann Natriumthiosulfat. ▶ Dosierung: • Zyanidvergiftung: 50–100 mg/kgKG (6–10 g) i. v.; max. 500 mg/kgKG. • Vergiftungen mit Bromat oder Jod: Falls erforderlich 100 mg Natriumthiosulfat/ kgKG i. v. • Intoxikationen mit alkylierenden Substanzen (S-Lost, N-Lost, Zytostatika): Sofort bis zu 500 mg Natriumthiosulfat/kgKG i. v.

36 Akute Intoxikationen

36.4 Antidote: Spezielle Substanzen

• Titration nach Wirkung erforderlich! Halbwertszeit 40–70 min. ▶ Cave: Lebensrettende Basismaßnahmen (Beatmung) dürfen nicht durch die Gabe ■ von Naloxon verzögert werden! ▶ Dosierung: 10 μg/kgKG (0,4–0,8 mg) i. v.; evtl. deutlich mehr (Titration).

Obidoxim ▶ Handelsname: Toxogonin. ▶ Indikation: Insektizidvergiftung (S. 481): • Alkylphosphate (Organophosphate): Parathion (E 605), Demeton, Dimethoat (Metasystox). • Carbamate: Carbaryl, Isolan. ▶ Wirkungsweise: Reaktivierung der Acetylcholinesterase (AChE) durch Bindung des Phosphorrestes. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Dauer der Reaktivierung: Tage bis Wochen. • Parathion: Gute Wirksamkeit. • Demeton: Mäßige Wirksamkeit. • Dimethoat: Keine Wirksamkeit, sondern Verstärkung der AChE-Hemmung. • Carbamate: Umstrittene Indikation, da relativ rasche Regeneration auch ohne Reaktivator. • Präklinische Gabe grundsätzlich nicht unbedingt erforderlich. ▶ Dosierung: 3 mg/kgKG (250 mg) i. v. oder i. m.

Physostigmin ▶ Handelsname: Anticholium. 455

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Akute Intoxikationen

36

36.4 Antidote: Spezielle Substanzen

▶ Indikationen: • Zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS; S.457). • Vergiftungen mit Atropin und Scopolamin. • Vergiftungen mit Benzodiazepinen (umstritten). • Vergiftungen mit tri- und tetrazyklischen Antidepressiva (umstritten): – Indiziert bei leichteren Vergiftungen zur Antagonisierung der (zentralen) anticholinergen Effekte der trizyklischen Antidepressiva. – Fraglich indiziert bei schweren Vergiftungen; Gefahr der Asystolie! ▶ Kontraindikation: Intoxikation durch trizyklische Antidepressiva mit Bradyarrhythmien oder Blockbildern (Rechtsschenkelblock). Gefahr der Asystolie! ▶ Wirkungsweise: Vorwiegend zentrale, aber auch periphere Hemmung der Acetylcholinesterase → Erhöhung der zentralen und peripheren Acetylcholinkonzentration. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • – Langsame Injektion (1–2 mg über 2–5 min)! – Wirkungsbezogene Titration! – Unerwünschte Wirkungen: Bronchospasmus, Hypersalivation, Bradykardie. – Bei Überdosierung: Atropin in halbem Gewichtsverhältnis (0,5–1 mg) i. v. ▶ Dosierung: 20 μg/kgKG (1–2 mg) langsam i. v.

Sauerstoff ▶ Spezielle Indikationen: Kohlenmonoxidintoxikation (S. 485), Zyanidintoxikation (S. 483). ▶ Wirkungsweise: • Verdrängung des Kohlenmonoxids vom Hämoglobin. • Hemmung der Bindung von Zyanidionen an die Zytochromoxidase. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Im Verdachtsfall so früh wie möglich applizieren. • Ggf. Fortsetzung der Therapie in einer Überdruckkammer (hyperbare Oxygenation, stationäre Überdruckkammern); Indikation für Kohlenmonoxidvergiftung umstritten, für Zyanidintoxikation nicht evaluiert. ▶ Dosierung: Möglichst 100 % inspiratorische Sauerstoffkonzentration.

Toluidinblau ▶ Handelsname: Toluidinblau. ▶ Freiname: Toloniumchlorid. ▶ Indikation: Vergiftung mit Methämoglobinbildnern (S. 484), z. B.: • Nitrate, Nitrite. • Anilin. • 4-DMAP. • Prilocain (Lokalanästhetikum). ▶ Wirkungsweise: Redoxmediator. • Reduziert Eisen-III wieder weitgehend zu Eisen-II. • Redoxpotenzialeinstellung bei etwa 10 % Met-Hb. ▶ Anwendungshinweise und Kommentare: • Langsam injizieren! • Mögliche unerwünschte Wirkungen: Bronchospasmus, Bradykardie. • Wirkungsbezogene Titration! ▶ Dosierung: 3 mg/kgKG (2–4 mg/kgKG) i. v.

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36.5 Zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS) Ursache ▶ Zentrale cholinerge/anticholinerge Imbalance: Hemmung cholinerger oder Überaktivität anticholinerger Systeme.

Auslösende Substanzen (Beispiele) ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Psychopharmaka: Antidepressiva, Neuroleptika. Sedativa/Hypnotika: Benzodiazepine, Barbiturate. Opioide und Narkosemittel. Belladonnaalkaloide: Atropin, Scopolamin. Fliegenpilze.

36 Akute Intoxikationen

36.6 Antidepressiva

Zentrale Symptome ▶ Agitierte Form (Plussymptomatik): • Unruhe, Exzitation, Angst. • Akuter Erregungs- und Verwirrtheitszustand. • Krampfanfall. • Hyperthermie. ▶ Komatöse Form (Minussymptomatik): • Müdigkeit. • Bewusstseinstrübung: Somnolenz, Sopor, Koma.

Periphere Symptome ▶ Tachykardie. ▶ Mydriasis. ▶ Trockener Mund und rote, trockene, heiße Haut.

Diagnostik ▶ Anamnese, insbesondere Medikamenten- oder Drogenanamnese. ▶ Inspektion (Haut, Augen, Verhalten). ▶ Puls, Blutdruck, EKG. ▶ Beachte: Diagnose eines ZAS bei Vorliegen zentraler und peripherer Symptome in ■ Erwägung ziehen. Letztlich handelt es sich jedoch um eine Ausschlussdiagnose.

Differenzialdiagnose ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Akuter Erregungs- und Verwirrtheitszustand anderer Ursache (S. 350). Krampfanfall anderer Ursache (S. 344). Bewusstseinstrübung anderer Ursache (S. 233). Tachykardie anderer Ursache (S. 284). Fieber anderer Ursache.

Medikamentöse Therapie ▶ Physostigmin 20 μg/kgKG (1–2 mg) langsam i. v. (wirkungsbezogene Titration).

36.6 Antidepressiva Substanzen ▶ Tri- und tetrazyklische Antidepressiva (TZA): z. B. Doxepin, Imipramin, Clomipramin, Amitriptylin, Trimipramin, Opipramol, Desipramin, Doxepin, Maprotilin ( = tetrazyklisch). ▶ Monoaminoxidaseinhibitoren (MAOI): Tranylcypromin (irreversibler MAOI), Moclobemid (reversibler MAOI). 457

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Akute Intoxikationen

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36.6 Antidepressiva

▶ Selektive-Serotonin-Wiederaufnahmeinhibitoren (SSRI): z. B. Fluvoxamin, Fluoxetin, Citalopram, Escitalopram, Sertralin und Paroxetin. ▶ Andere: • Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Venlafaxin, Duloxetin. • Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Reboxetin. • Alpha-2-Antagonisten wie Mianserin, Mirtazapin, Trimipramin, Bupropion.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Oral; Spitzen-Serumkonzentrationen 2–6 h nach Aufnahme. ▶ Häufigkeit: Zweithäufigste Vergiftungen nach Intoxikationen mit Sedativa/Hypnotika. ▶ Besonders gefährdeter Personenkreis: Depressive, suizidgefährdete Patienten, die mit diesen Pharmaka behandelt werden. ▶ Toxische Wirkungen: • TZA: Anticholinerge Wirkung; Entwicklung eines zentralen anticholinergen Syndroms (ZAS, S. 457); lebensbedrohliche kardiale und zerebrale Störungen. • MAO-Hemmer: Sympathikotone Wirkung durch Hemmung des Katecholaminabbaus. • SSRI: Sertonerges Syndrom bei nur schwacher Ausprägung der cholinergen und adrenergen Nebenwirkungen. Wegen der heute hohen Absolutzahl an SSRI-Verschreibungen sind SSRI-Intoxikationen jedoch sehr häufig geworden. Daher sterben seit 2003 jährlich mehr Menschen an SSRI als an den eigentlich gefährlicheren TZA dar. ▶ Merke: Unter den Antidepressiva-Vergiftungen stellen die SSRI heute die führende ■ Todesursache. ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle wirksam. ▶ Antidot für tri- und tetrazyklische Antidepressiva: Physostigmin (S. 455, umstritten).

Symptomatik ▶ Tri- und tetrazyklische Antidepressiva: • Heiße, rote Haut, trockene Schleimhäute. • Mydriasis. • Tachykardie, Tachyarrhythmie. • Hypotension. • Erregungszustände. • Krämpfe. • In schweren Fällen Koma und Kreislaufstillstand durch elektromechanische Dissoziation. ▶ MAO-Inhibitoren: • Muskelspasmus, Trismus, Opisthotonus, Tremor. • Tachykardie, Tachypnoe. • Mydriasis. • Hyperthermie, heiße, feuchte Haut. ▶ SSRI/Serotonerges Syndrom: • Unruhe, Halluzinationen. • Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen. • Tachyarrhythmien, Hypertension. • Tachypnoe. • Krampfanfälle. • Somnolenz, Koma.

Diagnostik ▶ Anamnese. ▶ Blutdruckmessung, Sauerstoffsättigung. 458

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Therapie ▶ Bei allen Antidepressivaintoxikationen symptomatische Therapie. ▶ Besonderheiten: • TZA: – Ggf. Physostigmin als Antidot (s. u.). – Hinweise auf eine therapeutische Wirkung von Natriumbikarbonat bei schweren Rhythmusstörungen und Hypotension (s. u.). • MAOI: Vorsicht mit Katecholaminen! Die MAO ist eines der Katecholamin-abbauenden Enzyme; MAOI verstärken daher die Wirkung von Dopamin und anderen Katecholaminen. ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung: Großzügige Indikation bei schweren Rhythmusstörungen mit Kreislaufinsuffizienz und Bewusstlosigkeit. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Blutdruckabfall: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin (Vorsicht bei MAO-Hemmern!). ▶ Therapie von Rhythmusstörungen: • Hypoxie und Hyperkapnie ausgleichen: Sauerstoffgabe, Beatmung. • Azidose ausgleichen bei Intoxikationen mit TZA: Bei schweren Herzrhythmusstörungen und Hypotension 50 mmol Natriumbikarbonat i. v. In der Klinik (nach pHMessung) ggf. repetitive Gabe. Ziel (nach ERC) pH zwischen 7,45–7,55. • Ventrikuläre Rhythmusstörungen: z. B. Amiodaron 150–300 mg i. v. oder Lidocain 50–100 mg i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Sedierung/antidelirante Therapie bei Erregungszuständen: Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. (Cave: Atemdepression!). ▶ Antikonvulsive Therapie bei Krampfanfällen: Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10– 20 mg i. v. (Cave: Atemdepression!). ▶ Präklinische Maßnahmen der Giftelimination (S. 446): Bei schwersten Intoxikationen mit TZA und MAO-Hemmern indiziert: • Magenspülung bei komatösen Patienten (kein induziertes Erbrechen!). • Aktivkohle 40–100 g p. o. oder über Magensonde. ▶ Antidottherapie: Bei Vergiftungen mit TZA ggf. Verabreichung von Physostigmin 0,02 mg/kgKG (1–2 mg) langsam i. v. Stellenwert umstritten: • Indiziert bei leichteren Vergiftungen zur Antagonisierung der anticholinergen Effekte. • Nicht indiziert bei schweren Vergiftungen: Gefahr der Asystolie. • Kontraindiziert bei Patienten mit Arrhythmien oder Blockbildern (Rechtsschenkelblock).

36 Akute Intoxikationen

36.7 Barbiturate

▶ EKG: Charakteristisch bei Intoxikation mit TRA: QRS-Verbreiterung ( > 0,1 s), typischerweise (inkompletter) Rechtsschenkelblock. ▶ Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. ▶ In der Klinik: Blutkonzentrationsbestimmung, Blutgasanalyse.

36.7 Barbiturate Substanzen ▶ Meist Phenobarbital; selten kurzwirkende Barbiturate wie Thiopental, Methohexital. 459

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Akute Intoxikationen

36

36.8 Benzodiazepine

Hinweise ▶ Applikationsweg: Meist oral; kurzwirkende Barbiturate intravenös. ▶ Vergiftungsursachen: • Im Jugend- und Erwachsenenalter meist suizidale Absicht. • Im Kleinkindesalter meist versehentliche Einnahme. ▶ Wirkungen: Antikonvulsiv, hypnotisch und atemdepressiv durch Stimulation der GABA-Rezeptoren (anderer Angriffsmechanismus als Benzodiazepine). ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle gut wirksam. ▶ Antidot: Nein. ▶ Beachte: Barbituratintoxikationen sind deutlich gefährlicher und verlaufen häufiger ■ tödlich als Benzodiazepinintoxikationen.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Müdigkeit, Somnolenz, Sopor, Koma. Hypotension. Hypothermie. In schweren Fällen: Zyanose durch Hypoxie bei Hypoventilation. Schweregradeinteilung: Siehe S. 444 (Vergiftung mit sedierenden Substanzen).

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Äußere Umstände: Umherliegende Medikamentenschachteln? Inspektion: Evtl. Druckblasen (sog. „Schlafmittelblasen“) an den Aufliegestellen. Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutuntersuchung auf Barbiturate.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Blutdruckabfall: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. ▶ Ggf. CPR: Wiederbelebungszeit möglicherweise verlängert! ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: In den meisten Fällen nicht indiziert. Ggf. Verabreichung von Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o. oder über Magensonde.

36.8 Benzodiazepine Substanzen (Auswahl) ▶ Diazepam, Flunitrazepam, Oxazepam.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Meist oral. ▶ Vergiftungsursachen: • Im Jugend- und Erwachsenenalter meist suizidale Absicht. • Im Kleinkindesalter meist versehentliche Einnahme. ▶ Wirkungen (siehe auch S. 203): Sedierend, hypnotisch und atemdepressiv durch Stimulation der GABAA-Rezeptoren. ▶ Vergiftungsverlauf: Bei reinen Benzodiazepinintoxikationen selten tödlich. 460

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Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶

Müdigkeit, Somnolenz, Sopor, Koma. Hypotension. In schweren Fällen: Zyanose durch Hypoxie bei Hypoventilation. Schweregradeinteilung: Siehe S. 444 (Vergiftung mit sedierenden Substanzen).

36 Akute Intoxikationen

36.9 β-Blocker

▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle gut wirksam. ▶ Antidot: Flumazenil (S. 453). ▶ Beachte: Benzodiazepinvergiftungen gehen häufig mit anderen Tablettenintoxika■ tionen einher!

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Äußere Umstände: Umherliegende Medikamentenschachteln? Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutuntersuchung auf Benzodiazepine.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung: Bei isolierter Benzodiazepinintoxikation selten erforderlich. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Blutdruckabfall: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. ▶ Ggf. CPR: Wiederbelebungszeit möglicherweise verlängert, d. h. CPR nicht zu früh abbrechen! ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: In den meisten Fällen nicht indiziert. ▶ Antidottherapie: Ggf. Verabreichung von Flumazenil 5 μg/kgKG (0,2–0,4 mg) i. v., evtl. repetitiv bis zu 5 mg. Kurze Halbwertszeit beachten! Nicht bei Verdacht auf Mischintoxikation!

36.9 β-Blocker Substanzen ▶ Acebutolol, Atenolol, Metoprolol, Pindolol, Propanolol, Sotalol.

Hinweise ▶ Siehe auch S. 182. ▶ Applikationsweg: Oral. ▶ Toxische Wirkungen: Bradykardie (Extremfall: Asystolie), negative Inotropie (Hemmung der Kalziumfreisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum). ▶ Beginn der Vergiftungssymptomatik: Nach ca. 30 Minuten. ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle gut wirksam. ▶ Antidote: • β-mimetische Katecholamine: (Orciprenalin), Adrenalin. • Glukagon oder Kalzium (S. 191). ▶ Beachte: Katecholamine sind aufgrund der β-Rezeptorbesetzung durch die β-Blo■ cker häufig schlecht wirksam. Daher ist die Gabe von Glukagon oder Kalzium gelegentlich effektiver. 461

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Akute Intoxikationen

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36.10 Digitalisglykoside

Symptomatik ▶ Zentrale Symptome: Müdigkeit, Somnolenz, Verwirrtheit. ▶ Gastrointestinale Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö. ▶ Kardiozirkulatorische Symptome: Bradykardie, Hypotension, in schweren Fällen Kreislaufstillstand durch Asystolie. ▶ Sonstige Symptome: Kalte, blasse Haut, Miosis.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Äußere Umstände: Umherliegende Medikamentenschachteln? Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutkonzentrationsbestimmung, EKG.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension und extremer Bradykardie: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Atropin 0,5–3 mg i. v. • Katecholamintherapie: Adrenalin, Dopamin oder Dobutamin sind häufig weniger effektiv, können aber in erhöhter Dosis wirksam sein. • Bei β-Blocker-Intoxikation gelten folgende, ansonsten zur kardiozirkulatorischen Therapie kaum eingesetzte Substanzen als indiziert: – Glukagon 5–10 mg i. v., dann 2–10 mg/h. – Calciumchlorid 5,5 %: 0,2–0,4 ml/kgKG (20 ml) über 5 min i. v., ggf. repetitiv. ▶ Ggf. CPR: Evtl. länger fortführen als sonst üblich (bis zum Abklingen der β-Blockade). ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Bei Einnahme hoher Dosen indiziert. Ggf. Aktivkohle 40–100 g p. o. oder über Magensonde.

36.10 Digitalisglykoside Substanzen ▶ Digoxin, Metildigoxin, Acetyldigoxin, Digitoxin.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Oral. ▶ Vergiftungsursache: Medikamentenüberdosierung, Suizid(versuch). Digitalisglykoside sind zur Behandlung von chronischer Herzinsuffizienz und Tachyarrhythmia absoluta gerade bei älteren Menschen weit verbreitet. ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle gut wirksam und indiziert. ▶ Antidot: Fab-Antikörper-Fragmente (in der Klinik) → Bildung unwirksamer Komplexe mit freien Digitalisglykosiden. ▶ Probleme der Glykosidvergiftung, die bereits präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination rechtfertigen: • Geringe therapeutische Breite. • Lange Halbwertszeit. • Hohe Gewebebindung, hohes Verteilungsvolumen (Dialyse kaum wirksam).

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Symptomatik ▶ Zentrale Symptome: Verwirrtheit, Kopfschmerzen, Sehstörungen (Farbensehen). ▶ Gastrointestinale Symptome: Übelkeit, Erbrechen. ▶ Kardiale Symptome: Rhythmusstörungen aller Art, v. a. Tachyarrhythmie.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Blutdruckmessung, Sauerstoffsättigung, Blutzuckeruntersuchung. EKG: Charakteristische muldenförmige ST-Streckensenkungen. In der Klinik: Plasmaspiegelbestimmung, Elektrolytbestimmungen. Vergiftungssymptome treten bei Digoxinspiegeln > 3–5 ng/ml auf.

36 Akute Intoxikationen

36.11 Kalziumkanal-Blocker

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin/Dobutamin. ▶ Therapie von Rhythmusstörungen: • Bradykarde Rhythmusstörungen: z. B. Atropin 0,5–2 mg i. v. • Tachykarde Rhythmusstörungen: z. B. Lidocain 50–100 mg i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Bei Einnahme hoher Dosen indiziert. Aktivkohle 40–100 g p. o. oder über Magensonde evtl. plus Magenspülung oder induziertem Erbrechen. ▶ Antidottherapie: In der Klinik Verabreichung von Digitalisantikörpern (Fab-Antikörper-Fragmente) unter Digitalis-Plasmaspiegelkontrolle. Praxistipp: Digitalisintoxikation Faustregeln: ▶ 80 mg Digitalisantikörper binden etwa 1 mg Digoxin. ▶ 1 ng/ml Digoxin entsprechen etwa 1 mg im Körper enthaltenes Glykosid.

36.11 Kalziumkanal-Blocker Substanzen ▶ Dihydropyridine (sog. vasoselektive Kalziumkanal-Blocker): Nifedipin, Nitrendipin, Nicardipin. ▶ Sog. kardioselektive Kalziumkanal-Blocker: Verapamil und Diltiazem.

Hinweise Siehe auch S. 190. Applikationsweg: Oral. Primäre Giftelimination: Aktivkohle wirksam. Antidot: Kalzium (S. 191). Toxische Wirkungen: Bradykardie (Extremfall: Asystolie), negative Inotropie (Hemmung des langsamen Kalziumeinstroms), Vasodilatation. ▶ Beginn der Vergiftungssymptomatik: Nach ca. 30 min.

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Symptomatik ▶ Zentrale Symptome: Müdigkeit, Somnolenz, Verwirrtheit. 463

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Akute Intoxikationen

36

36.12 Methylxanthine

▶ Gastrointestinale Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö. ▶ Kardiozirkulatorische Symptome: Bradykardie (insbesondere bei Verapamil und Diltiazem), Hypotension (alle Kalziumkanal-Blocker), in schweren Fällen Kreislaufstillstand durch elektromechanische Entkopplung. ▶ Beachte: Der mit der höchsten Letalität assoziierte Kalziumkanal-Blocker ist Verapa■ mil!

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Blutdruckmessung, Sauerstoffsättigung. EKG: Meist Sinusbradykardie, oft AV-Block. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutkonzentrationsbestimmung, EKG.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension und extremer Bradykardie: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Calciumchlorid 5,5 %: 0,2–0,4 ml/kgKG (20 ml) über 5 min, ggf. repetitiv; dann 20– 50 mg/kgKG/h kontinuierlich i. v. • Atropin 0,5–3 mg i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Adrenalin, Dopamin oder Dobutamin. • Bei Therapieresistenz evtl. Glukagon 5–10 mg i. v. ▶ Ggf. CPR; Evtl. länger fortführen als sonst üblich. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Bei Einnahme hoher Dosen indiziert. Ggf. Aktivkohle 40–100 g p. o.

36.12 Methylxanthine Substanzen ▶ Theophyllin, Koffein (weniger toxisch).

Hinweise ▶ ▶ ▶ ▶

Applikationsweg: Meist oral. Vergiftungsursache: Meist Medikamentenüberdosierung. Antidot: Nein. Primäre Giftelimination: Aktivkohle wirksam.

Symptomatik und Schweregradeinteilung

464

▶ Wichtigste Symptome: • Kardial: Tachykardie, Tachyarrhythmie, Herzrasen. • Zentralnervös: Verwirrtheit, Krämpfe. • Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen. ▶ Schweregradeinteilung und weitere Symptome: • Grad 1: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhö, Nervosität, Tremor, Sinustachykardie > 120 /min, Hypokaliämie. • Grad 2: Hämatemesis, Somnolenz oder Verwirrtheit, supraventrikuläre Tachyarrhythmie, Hypotension, Azidose oder Alkalose, Rhabdomyolyse. • Grad 3: Zerebrale Krampfanfälle, ventrikuläre Tachykardie, ausgeprägte Hypotension. • Grad 4: Status epilepticus, Kammerflimmern, Herzstillstand.

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Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Blutdruckmessung, Sauerstoffsättigung, EKG. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutkonzentrationsbestimmung, Blutgasanalyse.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 3-10 µg/kgKG/ min. ▶ Therapie von Rhythmusstörungen: • Ventrikuläre Rhythmusstörungen: z. B. Lidocain 50–100 mg i. v. • Supraventrikuläre Rhythmusstörungen: z. B. Metoprolol 2,5–5 mg i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Sedierung/antidelirante Therapie: Bei agitierten Patienten Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. (Cave: Atemdepression!). ▶ Antikonvulsive Therapie: Bei Krampfanfällen Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10– 20 mg i. v. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Nach oraler Aufnahme von Methylxanthinen Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o. oder über Magensonde.

36 Akute Intoxikationen

36.13 Neuroleptika

36.13 Neuroleptika Substanzen (Auswahl) ▶ Phenothiazine: z. B. Chlorpromazin, Promethazin, Promazin. ▶ Butyrophenone: z. B. Haloperidol, Dehydrobenzperidol. ▶ Atypische Neuroleptika: z. B. Clozapin, Risperidon.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Oral. ▶ Wirkung: Hauptsächlich zentral antidopaminerg. ▶ Krankheitsbilder: • Neuroleptikaintoxikation. • Malignes neuroleptisches Syndrom. • Akute dystone Reaktion = Neuroleptikainduzierte Extrapyramidalsymptomatik. ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle wirksam.

Neuroleptikaintoxikation ▶ Ursache: Überdosierung von Neuroleptika. ▶ Symptomatik: • Müdigkeit, Somnolenz, Koma. • Hypotension. • Hypothermie. • Tachykardie, Tachyarrhythmie, Blockbilder, Torsades de pointes (S. 291). • Zeichen eines zentralen anticholinergen Syndroms (ZAS; S. 457).

Malignes neuroleptisches Syndrom ▶ Ursache: Wahrscheinlich Dopaminverarmung in den Basalganglien. 465

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Akute Intoxikationen

36

36.13 Neuroleptika

▶ Ernste Nebenwirkung mit hoher Letalität um 20 % bei Neuroleptikaeinnahme in üblicher Dosierung, selten nach Überdosis. ▶ Symptomatik: • Hyperthermie ( > 41°C), profuses Schwitzen. • Extrapyramidalsymptome: Muskelrigidität, Akinesie, Schlund- und Blickkrämpfe. • Hypertension, Tachykardie. • Tachypnoe. • Verwirrtheit, Delirium, Koma.

Akute dystone Reaktion ▶ Ursache: Dopaminerg/cholinerges Ungleichgewicht im nigrostriatalen System mit Überwiegen cholinerger Aktivität. ▶ Bizarre neurologische Nebenwirkung von Neuroleptika (Phenothiazine und Butyrophenone), gelegentlich auch von Metoclopramid. ▶ Dosisunabhängige Nebenwirkung bei Neuroleptikaeinnahme auch schon in niedriger oder üblicher Dosierung mit guter Prognose. ▶ Antidot: Biperiden (S. 453). ▶ Symptomatik: Neuroleptikainduzierte Extrapyramidalsymptomatik: • Muskelrigidität, Akinesie, Schlundkrämpfe, Blickkrämpfe. • Keine ausgeprägte Hyperthermie. • Patient wach (keine Symptome wie Verwirrtheit, Delirium, Koma).

Diagnostik ▶ Anamnese: Anhalt für Überdosierung? ▶ Blutdruckmessung, Sauerstoffsättigung. ▶ EKG: Typisch für Neuroleptikaüberdosierung: Verlängerte QT-Intervalle, Torsades de pointes. ▶ Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. ▶ In der Klinik: Blutkonzentrationsbestimmung, Blutgasanalyse.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: Vorzugsweise Katecholamine mit α-mimetischer Wirkung, z. B. Dopamin 5–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Therapie von Rhythmusstörungen: • Hypoxie und Hyperkapnie ausgleichen: Sauerstoffgabe, Beatmung. • Torsades de pointes (S. 291): Magnesium 2 g i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Sedierung/antidelirante Therapie: Bei agitierten Patienten Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. (Cave: Atemdepression!). ▶ Antikonvulsive Therapie: Bei Krampfanfällen Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10– 20 mg i. v. ▶ Neuroleptikainduzierte Extrapyramidalsymptomatik (akute dystone Reaktion): Biperiden 0,04 mg/kgKG (3–5 mg) i. v. ▶ Malignes neuroleptisches Syndrom: In der Klinik Dantrolene oder Bromocriptin sowie intensive Kühlung. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Bei erheblicher Überdosierung von Neuroleptika indiziert: Magenspülung, induziertes Erbrechen, Aktivkohle 40–100 g p. o. oder über Magensonde. 466

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36.14 Opioide Substanzen (Auswahl) ▶ Morphium (Morphin). ▶ Heroin (Diazetylmorphin). ▶ Fentanylderivate: Designerdrogen.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Meist intravenös. ▶ Mischungen mit anderen Drogen möglich: • Speed ball: Mischung aus Heroin und Kokain (S. 477). • Frisco speed ball: Mischung aus Heroin, Kokain (S. 480) und LSD (S. 477). ▶ Vergiftungsursachen: • Meist versehentliche Überdosierung. • Seltener suizidale Absicht. ▶ Wirkungen: Euphorie, Analgesie, Sedierung, Atemdepression und Blutdruckabfall durch Stimulation spezifischer Opioidrezeptoren. ▶ Antidot: Naloxon (S. 454 und 209).

36 Akute Intoxikationen

36.14 Opioide

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Miosis: Enge, stecknadelkopfgroße Pupillen. Bradypnoe: Langsame Atmung bei normalen, vertieften oder flachen Atemzügen. Zyanose: Bei bereits eingetretener schwerer Hypoxie. Hypotension. Bradykardie. Somnolenz, Sopor, Koma. Lungenödem (selten): Sog. heroininduziertes bzw. opioidassoziiertes Lungenödem.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Inspektion: Pupillengröße, Einstichstellen. Anamnese: Bekannter Drogenabusus? Äußere Umstände: Umherliegende Spritzen. Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Drogenscreening; Blutgasanalyse.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Antidottherapie: Ggf. titrierende Verabreichung von Naloxon (S. 454) 10 μg/kgKG (0,4–0,8 mg) i. v.; evtl. bis 2 mg oder mehr. ▶ ■ Cave: • Die Gabe von Naloxon bei Opioidintoxikation kann eine akute Entzugssymptomatik mit Hypertension und Tachykardie auslösen! Sie ist ohne Beatmungsmöglichkeit jedoch oft lebensrettend. • Die Halbwertszeit von Naloxon beträgt etwa 1 h. Bei schweren Opioidvergiftungen kann danach die Atemdepression wiederkehren! 467

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Akute Intoxikationen

36

36.15 Paracetamol

36.15 Paracetamol Substanz ▶ Paracetamol ( = Acetaminophen).

Hinweise ▶ Applikationsweg: Oral. ▶ Wirkungen: Organ-, insbesondere lebertoxische Wirkung durch Anhäufung der Metaboliten, v. a. Acetyl-p-Benzoquinoneimin. Häufigste Ursache für akutes Leberversagen in England! ▶ Vergiftungserscheinungen ab 140 mg/kgKG (3–10-faches der therapeutischen Dosis). Letale Dosis beim Erwachsenen ab 15 g, beim Kleinkind ab 1 g. Gefahr der Leberschädigung beim Erwachsenen bereits ab 6 g. ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle ist indiziert. ▶ Antidot: N-Acetylcystein (S. 454).

Symptomatik ▶ Frühsymptome: Unspezifisch; keine zentralnervösen Symptome! • Übelkeit, Erbrechen. • Schweißausbrüche. • Verwirrtheit. ▶ Spätsymptome (nach 24–48 h): Zeichen des akuten Leberversagens (S. 335): • Schmerzen im rechten Oberbauch. • Ikterus. • Enzephalopathie. • Gerinnungsstörungen. • Metabolische Azidose oder Alkalose.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Äußere Umstände: Umherliegende Medikamentenschachteln? Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: • Blutgasanalyse. • Leberwerte. • Kreatinin. • Gerinnungsanalyse. • Paracetamol-Konzentrationsbestimmung im Blut: – Insbesondere nach ca. 4 h und 8–10 h. – Vergleich der erhobenen Werte mit einschlägigen Normogrammen (RumackMathew-Normogramm). – So kann die Toxizität der eingenommenen Dosis beurteilt und die Therapie gesteuert werden.

Therapie

468

▶ Vitalfunktionssicherung, wenn erforderlich: Sauerstoffgabe, Atemwegssicherung, ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o. ▶ Antidottherapie: Verabreichung von N-Acetylcystein möglichst innerhalb von 8 h (– 24 h), aber auch bei schon länger zurückliegender Vergiftung mit bereits eingetretenem Leberversagen; Dosierung: • 150 mg/kgKG i. v. innerhalb 15–30 min. • Dann 50–100 mg/kgKG/h kontinuierlich i. v.

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36.16 Salicylate und NSAID Substanzen ▶ Acetylsalicylsäure (ASS) S. 197. ▶ Andere NSAID: z. B. Diclofenac, Ibuprofen, Indomethacin.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Oral. ▶ Wirkung: Toxische Wirkung durch Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung. ▶ ASS: Vergiftungserscheinungen bereits durch das 10–20-fache der therapeutischen Dosis. Letale Dosis beim Erwachsenen im Bereich von 30–40 g, beim Kleinkind u. U. schon bei 2–4 g. ▶ Andere NSAID: Selten schwere Vergiftungen. ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle mäßig wirksam. ▶ Antidot: Nein.

36 Akute Intoxikationen

36.17 Alkohol

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Unruhe, Übererregbarkeit, Halluzinationen. Ohrensausen (Tinnitus). Tachykardie. Hyperventilation. Fieber, Schwitzen. Übelkeit, Erbrechen. Metabolische Azidose oder respiratorische Alkalose.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese: Bekannter Drogenabusus? Äußere Umstände: Umherliegende Medikamentenschachteln? Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutkonzentrationsbestimmung, Blutgasanalyse.

Therapie ▶ Vitalfunktionssicherung, wenn erforderlich: Sauerstoffgabe, Atemwegssicherung, ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Blutdruckabfall: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. ▶ Sedierung/antidelirante Therapie: Bei agitierten Patienten Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. (Cave: Atemdepression!). ▶ Antikonvulsive Therapie: Bei Krampfanfällen Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10– 20 mg i. v. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Ggf. Aktivkohle 0,5–1 g/ kgKG p. o. ▶ In der Klinik Alkalisierung des Urins (pH 7,5) mit Bikarbonat. In schweren Fällen Hämodialyse.

36.17 Alkohol Substanz ▶ Äthylalkohol.

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Akute Intoxikationen

36

36.17 Alkohol

Hinweise ▶ Applikationsweg: Meist oral. ▶ Vergiftungsursachen: Meist Trinkexzesse, seltener suizidale Absichten (dann meist in Verbindung mit anderen Medikamenten oder Maßnahmen). ▶ Wirkung: Zentralnervöse Enthemmung, später Lähmung. ▶ Körpereigener Alkoholabbau durch Alkoholdehydrogenase ca. 0,15 ‰/h (lineare Kinetik). ▶ Schweregradeinteilung: Analog zu Narkosestadien möglich (s. u.). ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle schlecht wirksam. ▶ Antidot: Nein. ▶ Merke: Eine Alkoholvergiftung kann andere, lebensbedrohliche Zusatzerkrankun■ gen/-verletzungen wie Hypoglykämie, zusätzliche Tablettenintoxikation und Schädelhirntrauma verschleiern.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Foetor alcoholicus. Euphorie, Exzitation. Somnolenz, Sopor, Koma. Partielle Analgesie. Gelegentlich Hypoglykämie.

Stadien der Alkoholintoxikation ▶ Stadium I: Stadium der Exzitation: • Blutalkoholgehalt: 1–2 ‰. • Symptome: Euphorie, Enthemmung, Sprachstörungen (Lallen), Gangstörungen (Torkeln), Sehstörungen (Doppelbilder). ▶ Stadium II: Stadium der Hypnose: • Blutalkoholgehalt: 2–2,5 ‰. • Symptome: Somnolenz, Tachykardie, partielle Analgesie. ▶ Stadium III: Stadium der Narkose: • Blutalkoholgehalt: 2,5–4 ‰. • Symptome: Sopor oder Koma Grad I–II, Hypotension, Hypoglykämie. ▶ Stadium IV: Stadium der Asphyxie: • Blutalkoholgehalt: > 4 ‰. • Symptome: Koma Grad III–IV, Hypothermie. Folgen: Respiratorische Insuffizienz, Schock, Tod. ▶ Beachte: Die promilleabhängige Symptomatik ist stark von Gewöhnung und indivi■ duellen Unterschieden abhängig.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Äußere Umstände: Kneipe, umherliegende Schnaps- oder Bierflaschen. Puls-, Blutdruckmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutalkoholbestimmung; Säure-Basen-Status (Laktazidosegefahr!).

Therapie ▶ Indikation für Therapie und Klinikeinweisung: Ab Stadium II. ▶ Sedierung/antidelirante Therapie: Bei agitierten Patienten: • Neuroleptika, z. B. Haloperidol 5–10 mg i. v. (Cave: Herzrhythmusstörungen und Blutdruckabfall!). ▶ ■ Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. (Cave: Atemdepression!). 470

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36 Akute Intoxikationen

36.18 Methanol und Glykole

▶ Antikonvulsive Therapie: Bei Krampfanfällen Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10– 20 mg i. v. ▶ Bewusstseinsgetrübte Patienten: • Bei Hypoglykämie: Glukose 20–50 g i. v. • Sauerstoffgabe 4–8 l/min, Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung, CPR. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Blutdruckabfall: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Meist nicht indiziert. Wernicke-Enzephalopathie In der Akutphase auch an Thiaminsubstitution denken! Dosierung: 100 mg i. v. (bis zu 3 × /d) zur Prophylaxe/Therapie einer Wernicke-Enzephalopathie bei chronischem Alkoholabusus.

36.18 Methanol und Glykole Substanzen ▶ Methanol. ▶ Ethylenglykol.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Oral. ▶ Vergiftungsursachen: • Oft Verunreinigung von Alkoholika. • Ingestion von Reinigungs- oder Frostschutzmitteln. ▶ Wirkung: Giftungsreaktion durch Oxidation (Alkoholdehydrogenase): • Methanol: Entstehung von Ameisensäure bei der Metabolisierung nach folgender Reaktion: Methanol → [Alkoholdehydrogenase] → Formaldehyd → [Aldehydehydrogenase] → Ameisensäure → [Folat] → CO2 + H2O. • Ethylenglykol: Entstehung von Ameisensäure und Oxalsäure bei der Metabolisierung nach folgender Reaktion: – Ethylenglykol → [Alkoholdehydrogenase] → Glykolaldehyd → [Aldehydehydrogenase] → Glykolsäure. – Glykolsäure wird zu unterschiedlichen Teilen weiter metabolisiert zu Oxalsäure und/oder zu Ameisensäure und/oder (in Anwesenheit von Pyridoxin) zum weniger toxischen Glycin und/oder (in Anwesenheit von Thiamin) zum ebenfalls weniger toxischen Alpha-Amino-Beta-Ketoadipat. ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle schlecht wirksam; induziertes Erbrechen innerhalb der 1. Stunde möglicherweise wirksam. ▶ Sekundäre Giftelimination: Hämodialyse wirksam. ▶ Antidot: Äthylalkohol: Kompetitive Verdrängung der Substrate von der Alkoholdehydrogenase.

Symptomatik ▶ Methanolvergiftung: • Frühsymptome: Ähnlich wie bei Äthylalkohol (S. 469). • Gastrointestinale Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen. • Zentralnervöse Symptome: Euphorie, Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Koma. • Sehstörungen: Ab ca. dem 2. Tag (Latenzphase: 1–72 h; Beschreibung „wie durch einen Schneesturm gehen“). – Zunächst reversibel (Retinaödem). – Später irreversibel (Optikusatrophie). 471

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Akute Intoxikationen

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36.19 Tabak und Nikotin

• Zentrales Atemversagen. • Laborchemisch: Azidose, vergrößerte Anionenlücke. ▶ Glykolvergiftung: • Symptome ähnlich der Vergiftung mit Äthylalkohol (s. S.469 f.). • Zerebrale Phase (1–12 h nach Einnahme): Somnolenz, Koma, Krampfanfälle. • Kardiorespiratorische Phase (12–24 h nach Einnahme): Hypotension, Tachypnoe, Schock. • Renale Phase (24–72 h nach Einnahme): Nierenversagen. • Laborchemisch: Azidose, vergrößerte Anionenlücke.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese, äußere Umstände. Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutkonzentrationsbestimmung, Blutgasanalyse, Säure-Basen-Status (oft ausgeprägte Azidose, deutlich vergrößerte Anionenlücke).

Therapie ▶ Prinzipielle Therapie: • Zufuhr von Äthylalkohol bereits im Verdachtsfall und so bald wie möglich: 40 ml Alkohol = ca. 100–120 ml Schnaps p. o. (Gin, Korn) → Hemmung der ADH durch Äthylalkohol (Hemmung der Giftungsreaktion). • Azidosekorrektur durch Natriumbikarbonat; dadurch auch verbesserte Ausscheidung von Ameisensäure. • Gabe spezifischer Cofaktoren wie Folsäure, Pyridoxin und Thiamin → verstärkter Abbau in weniger toxische Metabolite. • Sauerstoffgabe 4–8 l/min. • Atemwegsmanagement: – Freimachen und -halten der Atemwege. – Ggf. Intubation und Beatmung. • Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: – Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. – Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Adrenalin 10–100 µg i. v./s. c. • Ggf. CPR. ▶ In der Klinik: • Aufrechterhaltung einer Blutalkoholkonzentration von ca. 1 ‰ über 5 Tage. • Natriumbikarbonat bei pH < 7,2. (Dosierung pH-gesteuert; oft ausgeprägte Azidose mit pH < 7,0; oft große Mengen Bikarbonat erforderlich.) • Bei Glykolintoxikation: Thiamin und Pyridoxin (jeweils 1 mg/kgKG bzw. 100 mg i. v.; Wiederholung täglich). • Bei Methanolintoxikation: Folsäure (50 mg alle 4 h). • Hämodialyse zur Toxinelimination.

36.19 Tabak und Nikotin Substanzen im Tabak bzw. Tabakrauch ▶ Nikotin: Hauptalkaloid und wichtigster Wirkstoff für akute Intoxikationen. ▶ Sonstige: Kohlenmonoxid (S. 485), Teer (aromatische Kohlenwasserstoffe, Phenole), Nitrosamine, Ammoniak, Stickstoffoxide.

Vorkommen und Ursachen akuter Nikotinvergiftungen ▶ Ingestionsintoxikation (orale Tabakaufnahme): • Im Kindesalter und bei geistig retardierten Menschen: Durch Essen von Zigaretten oder Verzehr des Aschenbecherinhalts. 472

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36 Akute Intoxikationen

36.19 Tabak und Nikotin

• Versehentliches Trinken nikotinhaltiger Lösungen, z. B. nikotinhaltiger Pflanzenschutzmittel, die auch gelegentlich selbst durch Auflösen mehrerer Zigaretten in Wasser hergestellt werden. • Symptommaximum: 2–3 h nach oraler Aufnahme. • Als unbedenklich gelten folgende Mengen: – < 1 Jahr: Bis maximal ⅓ Zigarette. – 1–4 Jahre: Bis maximal ½ Zigarette. – 4–12 Jahre: Bis maximal ¾ Zigarette. – > 12 Jahre: Bis maximal 1 Zigarette. ▶ Inhalationsintoxikation: Exzessive Rauchversuche Jugendlicher.

Wirkungsweise des Nikotins ▶ Niedrige Dosen: Ganglienstimulierend (wie Acetylcholin) → Stimulation der 2. Neurone des Parasympathikus und des Sympathikus sowie Katecholaminausschüttung aus Nebennierenmark (s. zum Vergleich die ähnlich wirkenden Insektizide vom Organophosphattyp, S. 481). ▶ Hohe Dosen: Ganglienblockierend → Parasympathiko- und Sympathikolyse (Ganglienblocker wurden früher zur Induktion einer kontrollierten Hypotension verwendet). ▶ Tödliche Dosis: 40–60 mg, bei Kindern weniger; enthalten z. B. in 5 Zigaretten oder 1 Zigarre.

Symptomatik ▶ Neurologische Symptome: • Kopfschmerzen. • Tremor. • Schwäche in den Beinen. • Zerebraler Krampfanfall. • Koma. • Atemlähmung. ▶ Gastrointestinale Symptome: • Speichelfluss. • Übelkeit, Erbrechen. • Diarrhö. • Bauchkrämpfe. ▶ Kardiozirkulatorische Symptome: • Tachykardie oder Bradykardie. • Hypertension oder Hypotension bis hin zum Schock.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese, Inspektion. Orientierende neurologische Untersuchung. Puls-, Blutdruckmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit und Krampfanfällen (Ausschluss einer Hypoglykämie).

Therapie ▶ Schwere Vergiftungen: • Sauerstoffgabe 4–8 l/min; auch wegen der oft begleitenden Kohlenmonoxidintoxikation (S. 485). • Intubation und Beatmung: Bei Koma und Atemdepression.

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Akute Intoxikationen

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36.20 Lösungsmittel

▶ Übelkeit, Erbrechen: • Bei oraler Nikotinaufnahme: Erbrechen nicht unterdrücken, sondern womöglich fördern (primäre Giftelimination)! • Bei Nikotinaufnahme durch Rauchen: Ggf. Haloperidol 0,625–1,25 mg i. v. ▶ Krampfanfall: z. B. Diazepam 5–10 mg i. v. ▶ Herzrhythmusstörungen: • Tachyarrhythmie: Symptomatische Therapie s. S. 284; ggf. Sedierung mit 5–10 mg Diazepam i. v. • Bradyarrhythmie: Symptomatische Therapie s. S. 291; Atropin 0,5–3 mg i. v., ggf. titrierend auch höher dosieren (ähnlich Insektizidvergiftung, S. 482). ▶ Hypotension und Schock: Siehe S. 255. Volumentherapie, z. B. 500–1 000 ml Ringerlösung i. v., ggf. plus Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 2–10 μg/kgKG/min. ▶ Bei Intoxikation mit größeren Mengen an Tabak oder Nikotin: Primäre Giftelimination durch Erbrechen erwägen, z. B. Ipecacuanha-Sirup: Kinder 10–20 ml p. o., ggf. Erwachsene 30 ml p. o.; dann Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o.

36.20 Lösungsmittel Substanzen ▶ Chlorierte Kohlenwasserstoffe: Z. B. Trichlorethylen, Tetrachlorkohlenstoff.

Hinweise ▶ Applikationswege: Per inhalationem (Schnüffeln, gewerblicher Unfall) oder oral (versehentliche Einnahme). ▶ Vergiftungsursachen: Orale Ingestion/Schnüffeln von Klebstoffen oder industriellen Reinigungsmitteln. ▶ Wirkungen: Ähnlich denen von Inhalationsanästhetika (Trichlorethylen wurde früher auch als Narkosemittel verwendet): • In niedrigeren Dosen Euphorie. • In höheren Dosen Sedierung, Somnolenz, Koma (Narkose). ▶ Primäre Giftelimination: Bei oraler Ingestion Aktivkohle wirksam. ▶ Antidot: Nein.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶

Euphorie. Somnolenz, Koma. Tachykardie, Tachyarrhythmien. Hypotension.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Äußere Umstände. Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutkonzentrationsbestimmung, Blutgasanalyse.

Therapie

474

▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung: Verstärkung der Giftelimination durch kontrollierte Hyperventilation (S. 82, 449). ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v.

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36.21 Weitere haushaltsübliche Substanzen

36 Akute Intoxikationen

36.21 Weitere haushaltsübliche Substanzen

• Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. ▶ Beachte: Die Lösungsmittel sensibilisieren das Herz gegen Katecholamine! Gefahr ■ von Rhythmusstörungen! ▶ Ggf. CPR. ▶ Sedierung/antidelirante Therapie: Bei agitierten Patienten Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. (Cave: Atemdepression!). ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Bei oraler Aufnahme ggf. Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o.

Präparate ▶ Lampenöle: Hochgereinigte Erdöldestillate wie Petroleum, Isoparaffin. ▶ Organische Lösungsmittel: z. B. Benzin, Terpentin, Benzol. ▶ Schaumbildner: Spülmittel, Waschmittel, Tenside. ▶ Beachte: Spülmaschinenzusätze können starke Laugen enthalten! (Siehe S. 489, Ver■ ätzungen durch Säuren und Laugen.)

Hinweise und Kommentare ▶ Applikationswege: Oral; Lösungsmittel auch per inhalationem (S. 474). ▶ Vergiftungsursache: Vor allem bei Kindern: Akzidentielle Ingestion oder Verwechselung mit schmackhaftem Getränk (gefärbte Lampenöle sehen oft aus wie Limonade!).

Allgemeine Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Äußere Umstände. Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen.

Lampenöle und organische Lösungsmittel ▶ Hauptgefahr: Aspiration → Lungenversagen, ARDS. ▶ Symptomatik: • Husten, Luftnot. • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall. • Tachykardie, Tachyarrhythmie. • Krampfanfälle. ▶ Therapie: • Sauerstoffgabe 4–8 l/min, ggf. Intubation und Beatmung. • Bei Krampfanfällen und starker Erregung: Diazepam 5–10 mg i. v. bzw. rektal. • Antiarrhythmische Therapie: Siehe S. 282. • Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o. ▶ Cave: Kein Erbrechen provozieren! Aspirationsgefahr! ■

Schaumbildner ▶ Wirkung und Symptomatik: Insgesamt geringe Toxizität und meist benigner Krankheitsverlauf mit unspezifischen Symptomen; Hauptgefahr: Schaumaspiration bei übermäßiger Schaumentwicklung! Schleimhautreizung, Husten, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall. ▶ Therapie: • Sauerstoffgabe 2–8 l/min, wenn erforderlich. • Sedierung, wenn erforderlich: z. B. Diazepam 5–10 mg i. v. bzw. rektal. 475

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Akute Intoxikationen

36

36.22 China-Restaurant-Syndrom

• Antidottherapie: Bei Aspirationsgefahr → Entschäumer (Herabsetzung der Oberflächenspannung): Dimethylpolysiloxan (sab simplex) ca. 0,5–1 ml/kgKG: – Erwachsene: 10–30 ml oder 2–6 Esslöffel p. o. – Kinder: 5–10 ml oder 2–4 Teelöffel p. o. ▶ Merke: Keine Magenspülung, kein Erbrechen auslösen, kein Wasser trinken zur ■ Verdünnung: Schaumbildungsgefahr!

36.22 China-Restaurant-Syndrom Definition ▶ Vegetative Reaktion auf Genuss von Nahrungsmittelzusätzen oder Gewürzen, die häufig in hoher Konzentration in der chinesischen Küche verwendet werden.

Auslösende Substanzen ▶ Glutamat und andere Geschmacksverstärker. ▶ Enthalten z. B. in: Sojasauce, Weizen, Mais.

Verlauf ▶ Beginn der Symptome: ½–2 h nach dem Essen. ▶ Dauer der Symptome: ca. 2–3 h.

Symptomatik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Übelkeit. Schwitzen. Kopfschmerzen. Tachykardie, Tachyarrhythmie. Parästhesien (v. a. Nacken, Arme).

Variante: Pseudoallergische Reaktion ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Siehe auch S. 261. Hautausschlag. Juckreiz. Schnupfen. Diarrhö. Hypotension. Auslösung eines Asthma-Anfalls (S. 300).

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese (chinesisches Essen?). Blutdruck-, Pulsmessung. Auskultation. EKG. Pulsoxymetrie.

Therapie ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

In der Regel nicht erforderlich. Bei Tachyarrhythmie: S. 284. Bei Asthmaanfall: S. 300. Bei Hypotension: S. 245. Bei pseudoallergischer Reaktion: S. 261.

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36.23 Halluzinogene Substanzen ▶ Cannabis: Haschisch oder Marihuana. ▶ Lysergsäurediaethylamid (LSD). ▶ Psilocybin: Wirkstoff z. B. des Pilzes Psilocybes semilanceata (Spitzkegeliger Kahlkopf). ▶ Meskalin.

Hinweise

36 Akute Intoxikationen

36.24 Kokain

▶ Wirkung: Meist Modulation des zentralen und peripheren serotoninergen Systems. Auslösung akuter paranoider Erregungszustände möglich. ▶ Toxizität: Meist geringer als bei Kokain, Amphetaminen und Opioiden; schwere Vitalfunktionsstörungen selten. ▶ Eigen- und Fremdgefährdung durch inadäquate Verhaltensweisen möglich.

Symptomatik ▶ Halluzinationen („trip“). ▶ Panikattacken. ▶ Paranoide Erregungszustände. ▶ Störungen der Körperwahrnehmung. ▶ Tachykardie, Hypertension. ▶ Mydriasis. ▶ Tremor. ▶ Fieber.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Blutdruck-, Pulsmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Drogenscreening.

Therapie ▶ Vitalfunktionssicherung, wenn erforderlich: Sauerstoffgabe, Atemwegssicherung, ggf. Intubation und Beatmung; CPR. ▶ Angstzustände: Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. ▶ Paranoide Erregungszustände: Neuroleptika, z. B. Haloperidol 5–10 mg, evtl. kombiniert mit Benzodiazepinen, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. ▶ Hypertensive Krise (S. 279): Sedierung mit Benzodiazepinen, zusätzlich evtl. Vasodilatatoren, z. B. Nitroglyzerin 2–4 Hübe s. l. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Meist nicht indiziert.

36.24 Kokain Substanzen ▶ Kokain. ▶ Crack = Kokain-Base kombiniert mit Natriumbikarbonat.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Intranasal (Schnupfen), oral, pulmonal (Crack-Rauchen) oder intravenös (oft in Kombination mit Heroin = „speedball“). 477

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Akute Intoxikationen

36

36.24 Kokain

▶ Vergiftungsursachen: Überdosierung. ▶ Wirkung: Sympathoadrenerge Überaktivierung, v. a. durch Blockade der neuronalen Dopamin-Wiederaufnahme. ▶ Wirkungseintritt und -dauer: • Intranasale Applikation (Schnupfen): Beginn nach 3–5 min, voller Effekt nach 10– 20 min, Dauer ca. 1 h. • Rauchen (Crack): Beginn nach 8–10 s. ▶ Primäre Giftelimination: Bei intestinaler Aufnahme Aktivkohle wirksam. ▶ Antidot: Nein. ▶ Besonders schwere Vergiftungen nach Kokain plus Alkohol.

Symptome und Komplikationen ▶ Schweregradeinteilung: Siehe S. 444 (Vergiftung mit stimulierenden Substanzen). ▶ Nervensystem: • Euphorie, Agitiertheit, Unruhe. • Akuter Erregungs- und/oder Verwirrtheitszustand (S. 239). • Halluzinationen, Panikattacken, Suizidgefährdung (S. 353). • Später Sopor, Koma. • Krampfanfälle. • Apoplex, intrakranielle Blutung. • Tremor, Mydriasis. ▶ Herz-Kreislauf-System: • Tachykardie, Tachyarrhythmie. • Hypertension, hypertensive Krise. • Akutes Koronarsyndrom. ▶ Vegetative Effekte: • Übelkeit, Erbrechen. • Temperaturanstieg (Hyperpyrexie). Praxistipp Das führende Symptom einer Kokain-Intoxikation ist oft der Thoraxschmerz.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Blutdruck-, Pulsmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Drogenscreening.

Therapie ▶ Respiratorische Therapie: • Sauerstoffgabe 4–8 l/min. • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kardiozirkulatorische Therapie: • Infusionstherapie: Vor allem bei Hyperthermie und Dehydratation: 500–1 000 ml Ringer-Lösung i. v. • Therapie der Tachyarrhythmien: z. B. Verapamil 5 mg i. v. • Therapie der hypertensiven Krise: Vasodilatatoren, z. B. Nitroglycerin 2–4 Hübe s. l. • Ggf. CPR: Dabei vorsichtige Verwendung von Adrenalin!

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sind β-Blocker kontraindiziert! Sie können die kokaininduzierte Vasokonstriktion und den Myokardschaden verstärken. ▶ Sedierung/antidelirante Therapie: Bei agitierten Patienten Benzodiazepine, z. B. Diazepam oder Midazolam 5–10(–20) mg i. v. (Cave: Atemdepression!); keine Neuroleptika! ▶ Antikonvulsive Therapie: Bei Krampfanfällen Benzodiazepine, z. B. Diazepam oder Midazolam 5–10(–20) mg i. v.. ▶ Präklinische Maßnahmen der Giftelimination: Meist nicht indiziert; ggf. Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o. nach oraler Aufnahme.

36 Akute Intoxikationen

36.25 Ecstasy und Amphetamine

▶ Beachte: Bei Kokain-induzierter Tachykardie, Hypertension oder Myokardischämie ■

36.25 Ecstasy und Amphetamine Substanzen ▶ Ecstasy ( = XTC): Sammelbegriff für verschiedene, ähnlich wirkende sympathomimetische Amphetaminabkömmlinge (Designerdrogen), die meist in lustige Tabletten (love pills) gepresst sind: • MDMA: Methylendioxymethamphetamin. Wichtigster Vertreter. • MDEA: Methylendioxyethylamphetamin. Zweitwichtigster Vertreter. • MDA: Methylendioxyamphetamin. • MBDB: Methylbenzodioxolbutanamin. • DOB: Dimethoxybromamphetamin. ▶ Amphetamine ( = Weckamine): z. B. • Amphetamin ( = Benzedrin). • Methamphetamin ( = Pervitin). • Propylhexedrin ( = Eventin). • Amphetaminil ( = AN 1). • Fenetyllin ( = Captagon).

Hinweise ▶ Wirkungsweise: Indirekte Sympathomimetika mit vorwiegend zentralerregender Wirkung (sog. „upper“). ▶ Ecstasy: • Zunehmender Konsum in den letzten Jahren; v. a. 15–25-jährige (Modedroge; Spaß- und-Gute-Laune-Droge). • Mischpräparate von o. g. Amphetaminderivaten mit LSD (S. 477), Koffein (S. 464), reinen Amphetaminen und evtl. auch anderen Substanzen wie ASS (S. 469) und Paracetamol (S. 468) sind immer häufiger. • Eingenommene Dosis: Üblicherweise etwa 50–200 mg MDMA. • Wirkungseintritt: 20–60 min nach Tabletteneinnahme. • Wirkdauer: 4–6 h. ▶ Amphetamine: Einsatz der o. g. Substanzen oder verwandter Mittel auch als Doping-Mittel und Appetitzügler. ▶ Vergiftungsursachen: Überdosierung. ▶ Applikationsweg: Oral. ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle wirksam. ▶ Antidot: Nein.

Symptomatik und Komplikationen ▶ Schweregradeinteilung: Siehe S. 444 (Vergiftung mit stimulierenden Substanzen). ▶ Nervensystem: • Euphorie, Agitiertheit, Unruhe. • Akuter Erregungs- und/oder Verwirrtheitszustand (S. 239). • Halluzinationen, Panik-Attacken, Suizidgefährdung (S. 353). 479

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Akute Intoxikationen

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36.26 Liquid Ecstasy

• Später Sopor, Koma. • Krampfanfälle. • Apoplex, intrakranielle Blutung. • Tremor, Mydriasis. ▶ Herz-Kreislauf-System: • Tachykardie, Tachyarrhythmie. • Hypertension, hypertensive Krise. ▶ Vegetative Effekte: • Übelkeit, Erbrechen. • Temperaturanstieg (Hyperpyrexie) bis > 40 °C mit Muskelzerfall (Rhabdomyolyse), Leber- und Nierenversagen. • Flüssigkeits- und Elektrolytverluste bis hin zur lebensbedrohlichen Dehydratation, v. a. bei gleichzeitigem stundenlangem Tanzen.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese, Umgebung: Techno- oder Housemusic-Partys, Raves. Blutdruck-, Pulsmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Drogenscreening.

Therapie ▶ Respiratorische Therapie: • Sauerstoffgabe 4–8 l/min. • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kardiozirkulatorische Therapie: • Infusionstherapie: Vor allem bei Hyperthermie und Dehydratation: 500–1 000 ml Ringer-Lösung i. v. • Therapie der Tachyarrhythmien: z. B. Verapamil 5 mg i. v. • Therapie der hypertensiven Krise: Vasodilatatoren, z. B. Nitroglycerin 2–4 Hübe s. l., evtl. kombiniert mit Verapamil 5 mg i. v. • Ggf. CPR. ▶ Beachte: Der Einsatz von β-Blockern wird hier kontrovers beurteilt. Aufgrund der ■ pathophysiologischen Ähnlichkeit mit einer Kokain-Intoxikation sollte auf eine β-Blockade besser verzichtet werden. ▶ Sedierung/antidelirante Therapie: • In leichteren Fällen: verbale Beruhigung („talk down“). • In schweren Fällen bei agitierten Patienten: Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. (Cave: Atemdepression!); keine Neuroleptika! ▶ Antikonvulsive Therapie: Bei Krampfanfällen Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. ▶ Präklinische Maßnahmen der Giftelimination: Meist nicht indiziert; ggf. Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o. nach oraler Aufnahme.

36.26 Liquid Ecstasy Wirksubstanz ▶ Gamma-Hydroxybuttersäure, GHB. ▶ Gelegentlich auch Prodrugs von GHB wie Gamma-Butyrolacton (GBL) oder 1,4-Butandiol (1,4-BD).

480

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Hinweise ▶ Applikationswege: Meist oral. GHB und seine Prodrugs sind als Flüssigkeit farblos, klar und nahezu geschmacklos. ▶ Vergiftungsursache: Meist freiwillige Einnahme („Partydroge“), jedoch auch Fremdbeibringung möglich („K. O.-Tropfen“). ▶ Wirkungen: GHB • Natürlicher inhibitorischer Transmitter. • Halbwertszeit: von ½–1 h. • Wirkung: Sedierend und in hohen Dosen narkotisch. • Angeblich muskelaufbaufördernde Wirkung (daher gelegentlich verwendet in Bodybuilderkreisen). • Gewisser Stellenwert in der Anästhesie/Intensivmedizin und zur Behandlung der Narkolepsie und eines Delirs. • Hat mit „Ecstasy“ nichts zu tun. • Wirkt kaum organtoxisch. ▶ Antidote: Keine spezifischen bekannt. Physostigmin beschleunigt jedoch das Erwachen.

36 Akute Intoxikationen

36.27 Insektizide

Symptomatik ▶ Dosisabhängig. Bei oraler Einnahme: • 1,0–2,0 g: Entspannung, Anxiolyse, Euphorie, Sedierung. • 2,0–3,0 g: Übelkeit, Erbrechen, Myoklonien, Bradykardie, Amnesie. • 3,0–4,0 g: Bewusstlosigkeit. • > 4,0 g: Atemdepression, Koma.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese, äußere Umstände. Blutdruck-, Pulsmessung. Überprüfen der Atmung. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung (zur Differenzialdiagnose).

Therapie ▶ Symptomatische Therapie. ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Akrinor: 1–2 ml i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Ggf. Physostigmin 20 mg/kgKG (1–2 mg) langsam i. v.

36.27 Insektizide Substanzen ▶ Alkylphosphate (Organophosphate): Parathion (E 605), Demeton, Dimethoat (Metasystox). ▶ Carbamate: Carbaryl, Isolan. ▶ Nervengas: Sarin, VX (aktuell wieder gefürchtet bei Terroranschlägen!).

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Akute Intoxikationen

36

36.27 Insektizide

Hinweise ▶ Applikationswege: Oral, perkutan bzw. per inhalationem. ▶ Vergiftungsursache: Ingestion in suizidaler Absicht oder gewerblicher Unfall. ▶ Wirkungen: • Alkylphosphate: Irreversible Hemmung der Acetylcholinesterase (AChE). • Carbamate: Reversible AChE-Hemmung, daher meist weniger schwerwiegend als Organophosphatvergiftungen (Dauer der AChE-Hemmung liegt im Bereich von Minuten). • Endogene Acetylcholinvergiftung: – Stimulation der muskarinergen Rezeptoren des Parasympathikus. – Stimulation der nikotinergen Rezeptoren der vegetativen Ganglien (Parasympathikus und Sympathikus). – Stimulation der nikotinergen Rezeptoren an der neuromuskulären Endplatte. – Folge: Stark gesteigerter Vagotonus bei gleichzeitig gesteigerter Katecholaminfreisetzung (Phäochromozytomähnliche Reaktion) sowie unkontrollierte Muskelaktivierung. ▶ Antidote: Atropin (S. 451) und Obidoxim (S. 455). Selbstschutz Präklinisches Vorgehen unter erhöhtem Selbstschutz! Gute transdermale Penetration beachten! Hautkontakt vermeiden!

Symptomatik Miosis. Muskelfibrillationen, Muskelschwäche. Atemlähmung. Gesteigerte Speichel- und Bronchialsekretion (bis hin zum klinischen Bild eines „Lungenödems“), Bronchospasmus. ▶ Kardiozirkulatorische Symptome: Bradykardie (nicht immer!), Hypotension (nicht immer!). ▶ Zentrale Symptome: Krämpfe, Bewusstseinstrübung, Somnolenz, Koma. ▶ Beachte: Initial lebensbedrohlich sind v. a. die pulmonalen Auswirkungen der Vergif■ tung! ▶ ▶ ▶ ▶

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese, äußere Umstände. Blutdruck-, Pulsmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung. In der Klinik: Giftnachweis im Blut, Serumcholinesteraseaktivität als Marker für die AChE-Hemmung.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 2–20 μg/kgKG/ min i. v. ▶ Ggf. CPR. 482

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36.28 Zyanide

36 Akute Intoxikationen

36.28 Zyanide

▶ Ausgiebige Dekontamination und primäre Giftelimination, wenn möglich. ▶ Antidottherapie: • Atropin: Beginn so früh wie möglich mit titrierender Gabe bis zum Sistieren der Bronchial- und Speichelsekretion. Erstdosis: 2–5 mg i. v.; Wiederholung alle 2–5 min; keine Höchstdosis! • Obidoxim: Reaktivierung der AChE. Prähospitale Gabe nicht erforderlich. Umstritten bei Carbamaten, kontraindiziert bei Dimethoat.

Substanzen ▶ Blausäure (HCN), Zyankali (KCN), Natriumzyanid (NaCN): Enthalten in Metallreinigungsmitteln, Photoentwicklerlösungen, Entwesungsmitteln, Rauchgas bei Kunststoffverbrennung sowie natürlicherweise in Obstkernen und Nüssen (v. a. Mandeln). ▶ Medikamente, aus denen Zyanid (CN-) freigesetzt werden kann: z. B. Natriumnitroprussid.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Oral oder (bei Rauchgasexposition) per inhalationem. ▶ Vergiftungsursache: Suizid(versuch), Kunsttoffverbrennung bei Zimmerbränden. Bei Kindern evtl. auch exzessiver Mandelgenuss. ▶ Wirkung: Blockade der mitochondrialen Atmungskette durch reversible Bindung an Eisen-III; dadurch Hemmung der oxidativen Verwertung des Sauerstoffs („inneres Ersticken“). ▶ Wirkungsbeginn: Sekunden nach Inhalation und ca. 30 min nach oraler Einnahme. ▶ Letale Dosis: 200 mg NaCN oder KCN bzw. 50 mg HCN. ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle wirksam. ▶ Antidote: 4-DMAP (oder andere Methämoglobinbildner, S. 484), Natriumthiosulfat (S. 455), Hydroxocobalamin (S. 454) sowie Sauerstoff (S. 456).

Symptomatik ▶ Bittermandelgeruch kann aufgrund genetischer Disposition von einigen Menschen sehr gut, von anderen (ca. 50 %) gar nicht wahrgenommen werden. ▶ Gastrointestinale Symptome: Übelkeit, Erbrechen. ▶ Zerebrale Symptome: Tinnitus, Sehstörungen, Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Koma. ▶ Respiratorische Symptome: Tachypnoe, Dyspnoe. ▶ Kardiozirkulatorische Symptome: Hypotension, tachykarde oder bradykarde Rhythmusstörungen.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese. Geruch. Blutdruck-, Pulsmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Blutkonzentrationsbestimmung, Blutgasanalyse, EKG. Vergiftungssymptome treten bei Zyanidkonzentrationen von > 10–20 μmol/l auf, der Tod tritt bei Konzentrationen von > 120 μmol/l ein.

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Akute Intoxikationen

36

36.29 Methämoglobinbildner

Therapie ▶ Sauerstoffgabe: So früh wie möglich und so viel wie möglich (mindestens 8 l/min), am besten 100 % O2. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung: Großzügige Indikationsstellung; Beatmung mit 100 % O2. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamine: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 2–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: • Magenspülung oder induziertes Erbrechen. • Aktivkohle 40–100 g p. o. ▶ Sofortige Antidottherapie: • 1. Möglichkeit: – 4-DMAP: 3 mg/kgKG (ca. 250 mg) i. v.; anschließend – Natriumthiosulfat: 50–100 mg/kgKG (6–10 g) i. v.; max. 500 mg/kgKG. • 2. Möglichkeit (besser, aber erheblich teurer): – Hydroxocobalamin: 5 g i. v. (Kinder 2,5 g). ▶ Alternative bzw. zusätzliche Antidote: Statt 4-DMAP sind auch andere Methämoglobinbildner möglich und regional (z. B. in USA) auch üblich, z. B. Nitrite: • Amylnitrit p. i.: 2 Ampullen zerdrücken und inhalieren; anschließend • Natriumnitrit: 5–10 mg/kgKG (300–450 mg) i. v.

36.29 Methämoglobinbildner Substanzen ▶ Chlorate, Perchlorate, Nitrate, Nitrite: Enthalten in Reinigungsmitteln, Zahnpasta. ▶ Medikamente: Prilocain (Lokalanästhetikum), 4-DMAP (S. 453).

Hinweise ▶ Applikationswege: Meist oral; 4-DMAP intravenös; Prilocain durch Resorption nach Infiltration bzw. nach i. v.-Regionalanästhesie. ▶ Vergiftungsursache: Überdosierung oder versehentliche Einnahme. ▶ Wirkung: • Oxidation von Eisen-II zu Eisen-III → Umwandlung von Hämoglobin in Methämoglobin (MetHb). • MetHb kann Sauerstoff nicht mehr transportieren; dadurch Abnahme des Sauerstoffgehalts: toxische Hypoxämie. • Gleichzeitig Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve mit verschlechterter Sauerstoffabgabe des verbleibenden Hämoglobins. ▶ Wichtige rettungsdienstliche Vergiftungssituation: Versehentliche, nicht indizierte oder überhöhte Gabe von 4-DMAP (S. 453). ▶ Primäre Giftelimination: Aktivkohle wirksam bei intestinaler Aufnahme. ▶ Antidote: Toluidinblau, Ascorbinsäure (Vitamin C; weniger effektiv).

Symptome ▶ ▶ ▶ ▶

Ab 10 % MetHb: Zyanose, Kopfschmerzen, Schwindel. Ab 30–40 % MetHb: Übelkeit, Benommenheit, Dyspnoe, Tachypnoe, Tachykardie. Ab 50 % MetHb: Koma, Hypotension. Ab 60 % MetHb: Tod.

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Diagnostik Anamnese. Inspektion: Bläuliche oder blau-graue Verfärbung der Haut. Blutdruck-, Pulsmessung. EKG. Pulsoxymetrie: • Bei Verwendung traditioneller Pulsoximeter: Fehlmessung! Falsch hohe Werte! • Die neuesten Pulsoximeter mit der sog. Regenbogentechnologie (Analyse von bis zu 12 Wellenlängen) können auch CO-Hb und Met-Hb messen. ▶ Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. ▶ In der Klinik: MetHb-Bestimmung, Blutgasanalyse.

▶ ▶ ▶ ▶ ▶

36 Akute Intoxikationen

36.30 Kohlenmonoxid

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Ggf. Aktivkohle 40–100 g p. o. ▶ Antidottherapie: Toluidinblau 2–4 mg/kgKG i. v. und/oder Ascorbinsäure 10–20 mg/ kgKG (1 000 mg) i. v. (in leichteren Fällen allein ausreichend).

36.30 Kohlenmonoxid Substanz ▶ Kohlenmonoxid (CO): Enthalten in Autoabgasen, Rauchgas, Zigarettenrauch (starke Raucher haben bis zu 10 % CO-Hb), Entstehung bei unvollständiger Verbrennung.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Per inhalationem. ▶ Vergiftungsursachen: • Suizid(versuch) mit Autoabgasen: Diese enthalten bis 20 % CO (0,1 % CO in der Einatemluft führt mit der Zeit zum Tod). • Zimmerbrand, Schwelbrände: Unvollständige Verbrennung in geschlossenen Räumen. ▶ Wirkung: • Vor allem Bindung an Hämoglobin, aber auch an Myoglobin und mitochondriale Cytochromoxydasen. • 200–300 × größere Affinität zu Hämoglobin als Sauerstoff. • COHb kann Sauerstoff nicht mehr transportieren; dadurch Abnahme des Sauerstoffgehalts: toxische Hypoxämie. • Gleichzeitig Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve mit verschlechterter Sauerstoffabgabe des verbleibenden Hämoglobins. • Akute Schädigung: Vor allem durch Gewebehypoxie (Symptome s. u.). • Neurologische Spätschäden: Ursache weitgehend unklar. Symptomentwicklung 2– 40 Tage nach Intoxikation auch bei relativ moderaten COHb-Werten (ab COHb 10–20 %) in 20–40 % der Fälle. Symptome: – Kopfschmerzen. – Konzentrationsschwäche, Müdigkeit. 485

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Akute Intoxikationen

36

36.30 Kohlenmonoxid

– Merkschwäche, Demenz. – Psychose. – Parkinsonismus, Neuropathie. ▶ Antidot: Sauerstoff: kompetitive Bindung an Hämoglobin, dadurch Verkürzung der Halbwertszeit des COHb: • FiO2 21 % (Raumluftatmung): Halbwertszeit COHb 4–6 h. • FiO2100 %: Halbwertszeit COHb 40–60 min. • Hyperbare Oxygenierung und FiO2100 %: Halbwertszeit COHb 15–30 min. Achtung Rettung unter erhöhtem Selbstschutz!

Symptomatik ▶ Hautfarbe: Kirschrot oder bläulich. Kirschrote Färbung typisch bei ausgeprägter COVergiftung (ab 50 % COHb); oft aber Zyanose. ▶ Ab 5 % COHb: Visusbeeinträchtigung. ▶ Ab 10 % COHb: Kopfschmerzen, Schwindel. ▶ Ab 20 % COHb: Herzklopfen, Herzrhythmusstörungen, Benommenheit. ▶ Ab 30 % COHb: Somnolenz. ▶ Ab 40 % COHb: Bewusstlosigkeit. ▶ Ab 50 % COHb: Koma. ▶ Ab 60 % COHb: Tod innerhalb von 10 min bis 1 h. ▶ Ab 70 % COHb: Tod in wenigen Minuten. ▶ Beachte: ■ • Nur lockere Korrelation zwischen COHb-Konzentration und klinischer Symptomatik! • Das typische kirschrote Hautkolorit ist keineswegs immer zu beobachten. • Neben der Höhe des COHb spielt auch die Expositionsdauer eine wichtige Rolle.

Diagnostik ▶ Anamnese, äußere Umstände: Zimmerbrand, Garage, Fahrzeug mit laufendem Motor. ▶ Inspektion: Unter Umständen kirschrote Hautfarbe. ▶ Blutdruck-, Pulsmessung. ▶ EKG. ▶ Pulsoxymetrie: • Bei Verwendung traditioneller Pulsoximeter: Fehlmessung! Falsch hohe Werte! • Die neuesten Pulsoximeter mit der sog. Regenbogentechnologie (Analyse von bis zu 12 Wellenlängen) können auch COHb und MetHb messen. ▶ Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. ▶ In der Klinik: COHb-Bestimmung, Blutgasanalyse.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe: So früh wie möglich und so viel wie möglich (mind. 8 l/min), am besten 100 % O2. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung: Großzügige Indikationsstellung; Beatmung mit 100 % O2. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamine: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 2–20 μg/kgKG/min i. v. ▶ Therapie von Rhythmusstörungen (S. 208 ff.): • Bradykarde Rhythmusstörungen: z. B. Atropin 0,5–2 mg i. v. 486

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36 Akute Intoxikationen

36.31 Reizgasinhalation

• Tachykarde Rhythmusstörungen: z. B. Lidocain 50–100 mg i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Antikonvulsive Therapie: Bei Krampfanfällen Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10– 20 mg i. v. ▶ In der Klinik: Indikation zur hyperbaren Oxygenierung in Überdruckkammer überprüfen (s. Anhang, S. 509): • Effektivität zwar umstritten, jedoch wahrscheinlich. • Auch in nicht-akut lebensbedrohlichen Fällen erwägen, da die frühzeitige hyperbare Oxygenierung (Beginn < 6 h nach Intoxikation) neurologische Spätschäden (s. o.) reduziert. • Nach gegenwärtiger Ansicht indiziert bei – Koma, Perioden von Bewusstlosigkeit. – COHb > 40 %. – Schwangerschaft und COHb > 15 %. – Zeichen der Myokardischämie oder Arrhythmie. – Bekannter KHK und COHb > 20 %. – Symptome, die auf normobare Sauerstofftherapie für 4–6 h nicht ansprechen.

36.31 Reizgasinhalation Grundlagen ▶ Definition: Inhalation von sog. Reizgasen, d. h. von Gasen, Dämpfen, Staub, Rauch und Nebel, die zu einer Schädigung der Atemwege und des Organismus führen. ▶ Substanzen: • Wasserlösliche Substanzen: Ammoniak, Chlorwasserstoff, Formaldehyd. • Intermediäre Substanzen: Schwefeldioxid, Chlorgas, Isocyanate. • Fettlösliche Substanzen: Nitrose-Gase (NOx ), Ozon, Phosgen. ▶ Ursachen: • Industrieunfälle. • Haus- und Zimmerbrände. Die Rauchgase enthalten häufig Reizgase, v. a. durch Verbrennung verschiedener Kunststoffe. Weitere mögliche toxische bzw. schädigende Komponenten von Rauchgasen: – Kohlenmonoxid (S. 485). – Zyanide (S. 483). – Hitze (S. 323). ▶ Pathophysiologie: • Direkte Schädigung der Schleimhäute des Respirationstraktes (z. B. ätzende Wirkung). • Hypoxie durch fehlbesetztes Hämoglobin (Methämoglobinämie, Carboxyhämoglobinbildung). • Systemische Toxizität (z. B. Hemmung der Zellatmung durch Zyanide). • Entwicklung eines toxischen Lungenödems: – Reizgase vom Soforttyp (hydrophil): Schnelle Entwicklung. – Reizgase vom Latenztyp (lipophil): Ausbildung nach Latenzzeit von mehreren Stunden. Wichtig: Rettung unter erhöhtem Selbstschutz (Atemmasken, Schutzanzug)!

Symptomatik ▶ Leitsymptom: Atemnot nach Inhalation. ▶ Die klinische Symptomatik hängt wesentlich von den physikalischen Eigenschaften der Reizstoffe ab. 487

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Akute Intoxikationen

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36.31 Reizgasinhalation

▶ Wasserlösliche Substanzen: Wirkung vorwiegend in den oberen Atemwegen (oberer Respirationstrakt, Pharynx, Larynx, Trachea). • Aufgrund ihrer Sofortwirkung meist weniger gefährlich als Vergiftungen mit lipidlöslichen Reizgasen! Die Patienten bemerken das Gas aufgrund der Frühsymptome und entfernen sich selbständig aus dem Gefahrenbereich (sofern möglich). – Augentränen, Konjunktivitis. – Hustenreiz, Bronchospasmus, exspiratorischer Stridor. – Pharyngitis, Glottisödem, inspiratorischer Stridor. – Atemnot. ▶ Intermediäre Substanzen: Wirkung vorwiegend in den mittleren Atemwegen (Bronchien, Bronchiolen). • Hustenreiz. • Exspiratorischer Stridor. • Bronchospasmus. • Reizhusten. • Atemnot. ▶ Fettlösliche Substanzen: Wirkung vorwiegend in den terminalen Atemwegen (Bronchiolen, Alveolen sowie Kapillaren). • Diskrete, gelegentlich ganz fehlende Sofortsymptome. • Spätsymptome mit einer Latenzzeit von bis zu 24 h: – Toxisches Lungenödem, ALI, ARDS (S. 308). – Hypoxie, Zyanose, Tachypnoe.

Diagnostik ▶ Anamnese, äußere Umstände: Zimmerbrand, Garage, Fahrzeug mit laufendem Motor. ▶ Inspektion: Verbrennungen? ▶ Auskultation der Lunge: Exspiratorisches Giemen, Rasselgeräusche bei Entwicklung eines Lungenödems. ▶ Blutdruck-, Pulsmessung, EKG. ▶ Pulsoxymetrie: pSaO2 erniedrigt. • Traditionelle Messgeräte: Fehlmessung bei zusätzlicher CO-Vergiftung! Dann falsch hohe Werte! • Die neuesten Pulsoximeter mit der sog. Regenbogentechnologie (Analyse von bis zu 12 Wellenlängen) können auch COHb und MetHb messen. ▶ Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. ▶ Giftgasnachweis durch Gasspürgeräte der Feuerwehr. ▶ Weiterführende Diagnostik in der Klinik: • Röntgen-Thorax. • Blutgasanalyse: Nachweis von COHb, MetHb, Azidose.

Therapie ▶ Rettung: Patient aus Gefahrenbereich entfernen; Rettung unter erhöhtem Selbstschutz (Atemmasken, Schutzanzug). ▶ Freimachen und -halten der Atemwege. ▶ Wichtigste Maßnahme: O2-Gabe, so früh wie möglich und so viel wie möglich (mind. 8 l/min), am besten 100 %. ▶ Bei schwerer Atemnot, Hypoxie trotz Sauerstoffgabe und/oder Bewusstseinsverlust: Intubation und Beatmung mit 100 % O2. ▶ Bei Verdacht auf Lungenödem: Lasix 20–40 mg i. v. ▶ Bei Bronchospasmus (analog der Asthma-Therapie S. 301): • Inhalative β2-Mimetika (z. B. Fenoterol-Spray: 2(–5) Hübe à 0,1 mg p. i.). • In schweren Fällen β2-Mimetika, Theophyllin (5 mg/kgKG (200–400 mg) und Kortikoide (s. u.) i. v. 488

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36 Akute Intoxikationen

36.32 Verätzungen durch Säuren und Laugen

▶ Gabe von Kortikoiden: • Z. B. Budesonid-Spray 5 Hübe alle 5 min. • Ziel: Verhinderung reaktiver ödematöser Schwellungen des Respirationstraktes, Suppression der folgenden Entzündungsreaktion und Abschwächung der Schädigung der Alveolarmembranen. • Evtl. einmalige systemische Kortikoidgabe, z. B. Methylprednisolon 250 mg i. v. Keine protrahierte systemische Kortikoidtherapie! • Wirksamkeit der Kortikoidtherapie bei Reizgasinhalationstrauma unbewiesen und umstritten (Fehlen prospektiver randomisierter Studienergebnisse); dennoch üblicherweise Empfehlung zur topischen Kortikoidapplikation bei dieser Indikation. ▶ Bei Kohlenmonoxidintoxikation: Hyperbare Oxygenierung erwägen. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. oder Dopamin 2–20 μg/kgKG/ min i. v. ▶ Therapie von Rhythmusstörungen (S. 282): • Bradykarde Rhythmusstörungen: z. B. Atropin 0,5–2 mg i. v. • Tachykarde Rhythmusstörungen: z. B. Lidocain 50–100 mg i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ In der Klinik: Indikation zur hyperbaren Oxygenierung überprüfen, insb. bei begleitender Kohlenmonoxid-Vergiftung (S. 485). Vorgehen Bei Verdacht auf Reizgasinhalation zur weiteren Überwachung immer in die Klinik einweisen (auch bei wenig Symptomatik) wegen der Möglichkeit der verzögerten Entwicklung eines Lungenödems.

36.32 Verätzungen durch Säuren und Laugen Substanzen ▶ Säuren: z. B. Salz-, Phosphor- oder Schwefelsäure; enthalten z. B. in Toilettenreinigern, Batterien, Rostschutzmitteln. ▶ Laugen: z. B. Natronlauge, Ammoniak, Phosphate, Karbonate; enthalten in vielen Haushaltsreinigern.

Hinweise ▶ Applikationswege, Schädigungsorte: • Äußere Verletzungen (Kontaminationsverletzung): Haut oder Schleimhaut. Besonders gefährdet: Augen! • Innere Verletzungen: – Oberer Gastrointestinaltrakt (Mund, Rachen und Ösophagus) bei oraler Einnahme. – Respirationstrakt (Larynx, Trachea, Lunge) bei Inhalation ätzender Gase (Inhalationstrauma, S. 490) oder Aspiration ätzender Flüssigkeiten. ▶ Vergiftungsursachen: Meist Fahrlässigkeit, Verwechselungen. ▶ Schwere der Schädigung korreliert mit Menge, Kontaktdauer und pH-Wert der Substanzen (besonders ausgeprägte Verätzung bei pH < 2 und > 12). ▶ Folgen: • Säureverätzung: Koagulationsnekrosen, die ihre Ausbreitung in die Tiefe durch Schorfbildung selbst hemmen. • Laugenverätzung: Kolliquationsnekrosen (Verflüssigungsnekrosen), die sich leicht bis in tiefe Gewebsschichten hin ausbreiten. 489

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Akute Intoxikationen

36

36.32 Verätzungen durch Säuren und Laugen

Symptomatik, Folgen ▶ Äußere Verätzung: • Schmerzen an der Schädigungsstelle. • Rötung, Nekrosen. Einteilung der Verätzungsschwere analog zu Verbrennungen (S. 332). ▶ Innere Verätzung: • Schmerzen in Hals, Rachen und retrosternal. • Evtl. sichtbare Verletzungen an Mund und Nase. • Ingestionsverletzungen: – Hypersalivation, Würgen, Erbrechen. – Schleimhautschäden bis hin zu Perforationen des oberen Gastrointestinaltrakts. – Später Strikturen. • Inhalations- und Aspirationsverletzungen: – Schleimhautschäden des Tracheobronchialsystems und Lungenschäden; Lungenödem. – Atemnot, Tachypnoe, Zyanose.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese, äußere Umstände. Inspektion: Lokale Verätzungsfolgen (Nekrosen, Wunden). Blutdruck- und Pulsmessung. EKG. Pulsoxymetrie. In der Klinik: Bei Ingestion oder Inhalation vorsichtige Endoskopie (Ösophagogastroskopie, Bronchoskopie) innerhalb der ersten 24 h.

Therapie ▶ Ingestionsverätzung: • Vitalfunktionssicherung, wenn erforderlich: Sauerstoffgabe, Atemwegssicherung, ggf. Intubation und Beatmung. • Reichlich Wasser trinken lassen → Verdünnung der Säure/Lauge, Anhebung/Senkung des pH-Werts. ▶ Beachte: Folgende Maßnahmen sind unbedingt zu unterlassen: ■ – Magensonde blind einführen: Gefahr der Ösophagusperforation! – Erbrechen provozieren: Gefahr der erneuten ösophagopharyngealen Schädigung! • Analgesie: z. B. Morphin 5–10 mg i. v. • Infusionstherapie: z. B. 500–1 500 ml Ringer-Lösung i. v. • Kortikosteroide: Anwendung zur Strikturprophylaxe umstritten; präklinische Gabe nicht erforderlich; ggf. Methylprednisolon 1–2 mg/kgKG i. v. ▶ Inhalationsverätzung (s. a. S. 487): • Vitalfunktionssicherung, wenn erforderlich: Sauerstoffgabe, Atemwegssicherung, ggf. Intubation und Beatmung. • Bronchospasmolyse: – Inhalative β2-Mimetika, z. B. Fenoterol-Spray: 2(–5) Hübe à 0,1 mg p. i. – Evtl. zusätzlich Theophyllin 5 mg/kgKG (200–400 mg) i. v. • Inhalative Kortikoide: Z. B. Budesonid 5 Hübe alle 5 min. ▶ Kontaminationsverätzung der Haut: • Entfernen aller kontaminierter Kleidungsstücke. • Ausgiebiges Spülen mit Wasser oder Elektrolytlösungen. • Analgesie: z. B. Morphin 5–10 mg i. v. • Infusionstherapie: z. B. 500–1 500 ml Ringer-Lösung i. v. 490

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36 Akute Intoxikationen

36.33 Pilze

▶ Kontaminationsverätzung der Augen: • Ausgiebiges Spülen des Auges mit Wasser oder (besser) Elektrolytlösungen bzw. spezieller Augenspüllösungen (z. B. Isogutt): – Kopf zur Seite des verletzten bzw. des zu spülenden Auges drehen. – Spüllösung vom inneren Lidwinkel ins Auge einträufeln und nach außen ablaufen lassen. • Ggf. zunächst bestehenden Lidkrampf (Blepharospasmus) durchbrechen durch Aufträufeln eines Lokalanästhetikums: z. B. Lidocain 0,5–2 %. • Analgesie: z. B. Morphin 5–10 mg i. v.

36.33 Pilze Substanzen/Pilze ▶ Knollenblätterpilz (Amanita phalloides, Amanita verna, Amanita virosa): Amatoxine. ▶ Fliegen- und Pantherpilz (Amanita muscaria, Amanita pantherina): Isoxazole (Ibotensäure und Muscimol). ▶ Risspilze und Trichterlinge (Inocybe- und Clitocybe-Arten): Muskarin.

Hinweise ▶ Applikationsweg: Oral. ▶ Vergiftungsursachen: • Meist versehentlicher Genuss von für essbar gehaltenen Pilzen. • Bewusster Genuss halluzinogener Pilze (Fliegenpilz, Psilocybes-Arten, S. 477). ▶ Wirkungen: • Amatoxine: Zellgifte; Hemmung der RNA-Polymerase B. • Isoxazole: Interaktion mit Neurotransmitter-Rezeptoren, u. a. GABA-Rezeptor. • Muskarin: Parasympathomimetische Wirkung. ▶ Latenz bis zum Auftreten der Symptome: • Geringe Latenz: Frühes Auftreten der Symptome; meist assoziiert mit relativ geringer Toxizität. • Lange Latenz: Verzögertes Auftreten der Symptome (viele Stunden bis Tage); meist assoziiert mit relativ hoher Toxizität. ▶ Besonderheiten einzelner Pilze: • Knollenblätterpilze: – Verantwortlich für 90–95 % aller tödlichen Pilzvergiftungen. – Bereits 1 einziger Fruchtkörper kann tödlich sein. – Verwechselung mit Champignons möglich. • Fliegen- und Pantherpilze: – Halluzinogene und anticholinerge Symptome stehen im Vordergrund. – Lebensbedrohliche Zustände erst nach Genuss von > 10 Pilzen. • Risspilze und Trichterlinge: – Parasympathomimetische (cholinerge) Wirkung steht im Vordergrund. – In schweren Fällen Ähnlichkeit mit der Insektizidvergiftung (S. 481). ▶ ■ Beachte: Auch andere, prinzipiell essbare Pilze können unter folgenden Bedingungen zu gastrointestinalen Frühsymptomen führen: • Bakteriell kontaminierte Speisen. • Pilzgenuss im Übermaß. • Entstehung enterotoxischer Eiweißzerfallsprodukte durch Wiederaufwärmen von Pilzgerichten. ▶ Antidote: • Amatoxine (Knollenblätterpilz): Penicillin G und Silibinin. • Isoxazole (Fliegen-, Pantherpilz): Physostigmin. • Muskarin (Risspilze): Atropin. 491

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Akute Intoxikationen

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36.33 Pilze

Symptomatik ▶ Allgemeine gastrointestinale Frühsymptome: • Übelkeit, Erbrechen. • Diarrhö. • Abdominale Schmerzen. ▶ Spezifische Symptome einzelner Pilze: • Knollenblätterpilze: Phalloides-Syndrom. Dreiphasiger Verlauf: – Frühphase (nach 8–12 h): Unspezifische gastrointestinale Symptome (s. o.). – Latenzphase (12–24 h): Symptomfreies Intervall. – Spätphase: Hepatorenale Phase mit Entwicklung eines foudroyanten Leberund Nierenversagens sowie von Gerinnungsstörungen. • Fliegen- und Pantherpilze: Pantherina-Syndrom (s. a. ZAS; S. 457): – Mydriasis. – Erregungszustand, Hyperthermie. – Tachykardie, Hypotonie. – In schweren Fällen: Krampfanfälle, Bewusstlosigkeit. • Risspilze und Trichterlinge: Muskarin-Syndrom. – Miosis. – Erregungszustand, Schwitzen. – Bradykardie, Hypotonie. – Bronchospasmus, Hypersalivation.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese: Pilzgerichte? Blutdruck-, Pulsmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Giftnachweis im Blut.

Therapie ▶ Allgemeine präklinische Therapie: • Vitalfunktionssicherung: Sauerstoffgabe 4–8 l/min, Atemwegssicherung, ggf. Intubation und Beatmung. • Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: – Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. – Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. • Ggf. CPR. • Sedierung/antidelirante Therapie: Bei agitierten Patienten Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10–20 mg i. v. (Cave: Atemdepression!); keine Neuroleptika! • Antikonvulsive Therapie: Bei Krampfanfällen Benzodiazepine, z. B. Diazepam 10– 20 mg i. v. • Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Bei schweren Vergiftungen, insbesondere mit Knollenblätterpilzen, indiziert; Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o., evtl. zusätzlich induziertes Erbrechen oder Magenspülung. ▶ Spezifische Therapie: • Knollenblätterpilze: – Präklinisch: Maßnahmen der primären Giftelimination (Aktivkohle, Erbrechen bzw. Magenspülung) wegen hoher Toxizität indiziert. – In der Klinik: Silibinin (20–50 mg/kgKG/d i. v.) und Penicillin G (1 000 000 I.E./ kgKG/d i. v.). Prinzip: Blockade der hepatozellulären Toxinaufnahme. – Intensivtherapie: Wasser-, Glukose- und Elektrolytsubstitution, Gerinnungssubstitution, ggf. Nierenersatztherapie, evtl. Lebertransplantation. 492

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36.34 Tierische Gifte Tierarten, Substanzen ▶ Insekten (Wespen, Hornissen, Skorpione, Spinnen): Biogene Amine, Histamin. ▶ Schlangen: Neurotoxine, Kardiotoxine, Hämolysine. ▶ Fische, Muscheln: Neurotoxine (z. B. „paralytic shellfish poisoning“).

36 Akute Intoxikationen

36.34 Tierische Gifte

• Fliegen- und Pantherpilze: Bei ausgeprägtem zentralem anticholinergen Syndrom (ZAS, S. 457) Physostigmin 1–2 mg i. v. • Risspilze und Trichterlinge: Atropin 0,5–5 mg initial i. v., dann weiter titrieren nach Wirkung.

Hinweise ▶ Schädigungsmechanismen: • Anaphylaktische Reaktionen auf Fremdeiweiß. • Direkte toxische Wirkung bei Bissen bzw. Stichen von Schlangen, Skorpionen oder Spinnen. • Toxische Wirkung nach Verzehr bestimmter Fische oder Muscheln und Resorption derer Toxine (z. B. „paralytic shellfish poisoning“). ▶ Lebensbedrohliche Situationen durch tierische Gifte: • Lebensbedrohliche anaphylaktische/anaphylaktoide Reaktionen (S. 261): Auftreten häufiger auf Wespenstiche, gelegentlich auch auf Bienen-, Hornissen- oder Skorpionstiche. • Lebensbedrohliche obere Atemwegsverlegung: Bei intraoralen Stichen durch lokale Schwellung im Mund- und Rachenbereich möglich. • Europäische Tierarten verursachen nur äußerst selten gefährliche Vergiftungen durch direkte Giftwirkung. ▶ Antiseren: Bei bekannter Herkunft/Art der Schlange, Spinne bzw. des Skorpions erhältlich in Notfalldepots für Sera und Plasmaderivate, die meist großen Kliniken angegliedert sind: • Charakterisierung: Mischseren, die mehrere der in Frage kommenden Tierarten abdecken (z. B. Europaserum, Nord- und Westafrikaserum). • Indikation: Systemische Vergiftungszeichen. • Gefahr: Anaphylaktische/anaphylaktoide Reaktionen auf das Antiserum.

Symptomatik ▶ Lokale Symptome: • Schmerzen an der Stich-/Bissstelle. • Rötung, Schwellung, Ödembildung, evtl. Nekrose an der Stich-/Bissstelle. ▶ Anaphylaktische/anaphylaktoide Symptome (S. 261): • Exanthem. • Tachykardie. • Hypotension. • Bronchospasmus. ▶ Ggf. systemische und zentralnervöse Symptome: • Übelkeit, Erbrechen. • Lähmungserscheinungen. • Parästhesien. • Krämpfe. • Bewusstlosigkeit. • Gerinnungsstörungen.

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Akute Intoxikationen

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36.34 Tierische Gifte

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Anamnese, äußere Umstände. Inspektion: Einstiche, Bissmale. Blutdruck- und Pulsmessung. EKG. Pulsoxymetrie. Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen. In der Klinik: Giftnachweis im Blut.

Therapie ▶ Sauerstoffgabe 4–8 l/min. ▶ Atemwegsmanagement: • Freimachen und -halten der Atemwege. • Ggf. Intubation und Beatmung: Bei Zuschwellung der oberen Atemwege ggf. rechtzeitige Koniotomie. ▶ Kreislaufstabilisierung bei Hypotension: • Infusionstherapie: z. B. Ringer-Lösung 500–1 500 ml i. v. • Katecholamintherapie: z. B. Akrinor 0,5–2 ml i. v. ▶ Ggf. CPR. ▶ Schwere anaphylaktoide Reaktionen (S. 263) und anaphylaktoider Schock (S. 263): • Volumenersatzmittel: z. B. HAES 500–1 500 ml i. v. oder mehr. • Katecholamine: Adrenalin 0,1 mg i. v., ggf. repetitiv. • Kortikosteroide: z. B. Methylprednisolon 250 mg i. v. ▶ Ggf. Analgesie: z. B. Morphin 5–10 mg i. v. ▶ Ruhigstellung der verletzten Extremität. ▶ Antiserum: Bei Schlangen- oder Spinnenbissen bzw. Skorpionstichen kann in der Klinik ggf. das spezifische Antiserum bei Vorliegen systemischer Vergiftungssymptome verabreicht werden. ▶ Präklinische Maßnahmen der primären Giftelimination: Bei Verzehr toxischer Nahrung (Fische, Muscheln) ggf. Aktivkohle 0,5–1 g/kgKG p. o., evtl. zusätzlich induziertes Erbrechen oder Magenspülung. ▶ Beachte: Folgende Maßnahmen sind bei Stichen oder Bissen zu unterlassen: ■ • Abbinden der Extremität (Tourniquets). • Aussaugen oder Ausbrennen der Wunde. • Präklinische Wundexzision.

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37.1 Notfallmedikamente

Anhang

Anhang

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37.1 Notfallmedikamente Tab. 37.1 • Übersicht Notfallmedikamente. Auswahl; nicht körpergewichtsbezogene Dosierungsangaben gelten für normalgewichtige Erwachsene; ausführlichere Informationen, Nebenwirkungen (NW), Kontraindikationen (KI) siehe einzelne Kapitel und Produktinformationen der Substanzen. Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Actilyse (rtPA, Alteplase) S. 184

Inj.-Flaschen 10 /20 /50 mg

Fibrinolytikum

Myokardinfarkt Lungenembolie (Stadium III–IV)

Myokardinfarkt: Insgesamt 100 mg i. v.: 15 mg als Bolus; dann 50 mg über 30 min; dann 35 mg über 60 min Lungenembolie: z. B. 50 mg i. v. über 15 min dann 50 mg über 1 h 45 min (Gesamtdosis 100 mg/ 2h)

Adalat (Nifedipin) S. 180

Kapseln 10 mg/Kps.

KalziumkanalBlocker Vasodilatation Blutdrucksenkung

hypertensive Krise NW: Reflextachykardie

1–2 Kps. p. o.

Adrekar (Adenosin) S. 190

Inj.-Flaschen 6 mg/2 ml

Adenosin-Rezeptor-Agonist, Antiarrhythmikum („Vagusverstärker“)

paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie Rasche Bolusinjektion über 1–3 s

6 mg i. v.; ggf. nach 1–2 min erneut 12 mg i. v. (ggf. 1 × wiederholen)

Akineton (Biperiden) S. 453

Ampullen 5 mg/1 ml

vorwiegend zentral wirkendes Anticholinergikum

neuroleptikainduzierte Extrapyramidalsymptomatik

0,04 mg/kg (3–5 mg) i. v.

Akrinor (Cafedrin/Theodrenalin) S. 177

Ampullen 200 mg Cafedrin + 10 mg Theodrenalin/ 2 ml

Sympathomimetikum, inotropes Antihypotensivum, Tonisierung der venösen Kapazitätsgefäße

Hypotension

0,5–2 ml i. v.

495

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Anhang

37

37.1 Notfallmedikamente Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Alupent (Orciprenalin) S. 176

Ampullen 0,5 mg/1 ml 5 mg/10 ml

Sympathomimetikum, β-1und β-2-Rezeptor-Stimulation, Inotropicum, Tachykardie, Bronchodilatation

Bradykardie, Asthmaanfall; heute weitgehend durch Adrenalin bzw. spez. β-2-Mimetika wie Fenoterol ersetzt

0,05–0,2 mg i. v. kontinuierlich: 0,05– 1 μg/kgKG/min i. v.

Anexate (Flumazenil) S. 209

Ampullen 0,5 mg/5 ml 1 mg/ 10 ml

Benzodiazepinantagonist

BenzodiazepinÜberdosierung/ -Intoxikation

3–30 μg/kgKG (0,2–2 mg) i. v. (Titration!)

Anticholium (Physostigmin) S. 209

Ampullen 2 mg/5 ml

vorwiegend zentral wirkender Cholinesterase-Hemmer

zentral anticholinerges Syndrom, leichtere Intoxikationen mit Antidepressiva

20 μg/kgKG (1–2 mg) langsam i. v. (Titration!)

Apo-go (Apomorphin) S. 198

Ampullen 10 mg/1 ml

Opioid mit überwiegend zentralnervös dopaminerger Wirkung, Emetikum

induziertes Erbrechen nach oraler Giftaufnahme (nur bei Erwachsenen!)

0,1 mg/kg (5–10 mg) i. m./s. c., evtl. kombiniert mit Norfenefrin (α-Mimetikum) 0,1 mg/ kgKG (5–10 mg) i. m./s. c.

Arterenol (Noradrenalin) S. 176

Ampullen 1 mg/1 ml

Sympathomimetikum, αund β-1-Rezeptor-Stimulation, Vasopressor, Blutdruckanstieg

schwerer Schock

0,05–0,2 mg i. v. kontinuierlich: 0,05–1 μg/kgKG/min i. v.

Aspirin (Acetylsalicylsäure) S. 183 u. S. 197

Inj.-Flaschen 0,5 mg Trockensubstanz, Ampullen 5 ml Lösungssubstanz, Tabletten 500 mg/Tbl. 100 mg/Tbl.

fiebersenkendes Analgetikum, peripher und zentral wirkende Hemmung der Zyklooxygenase, Entzündungshemmung, Gerinnungshemmung durch Inhibition der Thrombozytenaggregation

akutes Koronarsyndrom (Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris), leichtere Schmerzzustände, Fieber

500–1 000 mg i. v. (oder p. o.)

496

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Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Atosil (Promethazin) S. 204

Ampullen 50 mg/2 ml

sedierendes Neuroleptikum, Antihistaminikum, Dopaminund HistaminRezeptor-Antagonismus, Antiemesis, Vasodilatation, Blutdrucksenkung

akuter Verwirrtheits- und Erregungszustand, Agitiertheit, akute Psychose, Delir, leichtere anaphylaktoide Reaktion

0,5 mg/kgKG (25–50 mg) i. v.

Atropinsulfat B.Braun (Atropinsulfat) S. 178 u. S. 451

Ampullen 0,5 mg/1 ml 1,0 mg/1 ml 2,0 mg/1 ml 100 mg/10 ml

Anticholinergikum, Acetylcholinantagonismus an muskarinergen Rezeptoren, Tachykardie, Bronchodilatation, Spasmolyse, Speichelund Bronchialsekretionshemmung, Mydriasis

Bradykardie, Vergiftungen mit Alkylphosphaten und Carbamaten, muskarinhaltigen Pilzen, Überdosierung von Physostigmin. Bei Asystolie erwägen: 3 mg i.v.

Bradykardie: 5–10 μg/kgKG (0,5 mg) i. v. (max. 3 mg) Alkylphosphatintoxikation: 50–100 μg/kgKG (5–10 mg) i. v.; Dosissteigerung, bis Bronchial- und Speichelsekretion sistiert

Beloc (Metoprolol) S. 182

Ampullen 5 mg/5 ml

β-Rezeptorenblocker, Antiarrhythmikum Klasse II, Senkung des myokardialen Sauerstoffbedarfs, antianginös

Tachyarrhythmie, akutes Koronarsyndrom und Angina pectoris relative KI: Asthma bronchiale und COPD

2,5–5 mg langsam i. v.

Ben-u-ron (Paracetamol) S. 197

Suppositorien 125, 250, 500, 1 000 mg Tabletten 500 mg

fiebersenkendes Analgetikum, vorwiegend zentrale Zyklooxygenasehemmung

leichtere Schmerzen, Fieber (insbes. bei Kindern); i. v.Form: Perfalgan; max. Tagesdosis beachten!

bei Kindern initial einmalig 20–40 mg rektal oder p. o.; dann jeweils 10–20 mg/kgKG alle 6 h

Berotec (Fenoterol) S. 177

Dosieraerosol 0,1 mg/Hub

Sympathomimetikum, β-2Rezeptor-Agonist, Bronchodilatation, Wehenhemmung, Senkung der Serum-Kaliumkonzentration

Asthmaanfall, dekompensierte COPD, Reizgasinhalation, vorzeitige Wehen, lebensbedrohliche Hyperkaliämie NW: Tachykardie, Angina pectoris

Bronchodilatation, Tokolyse: 2(– 5) Hübe à 0,1 mg p. i.

37 Anhang

37.1 Notfallmedikamente

497

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Anhang

37

37.1 Notfallmedikamente Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Brevibloc (Esmolol) S. 182

Infusionslösung 100 mg/ 10 ml, Infusionskonzentrat 2,5 g/ 10 ml

kurz wirksamer β-1-Rezeptorenblocker, Antiarrhythmikum Klasse II, Senkung des myokardialen Sauerstoffbedarfs, antianginös

Tachyarrhythmie, Myokardinfarkt; relative KI: Asthma bronchiale und COPD

35 mg (0,5 mg/ kgKG) über 1 min i. v.; dann evtl. 50–100 μg/kgKG/ min kontinuierlich i. v.

Bricanyl (Terbutalin) S. 177

Ampullen 0,5 mg/1 ml

Sympathomimetikum β-2Rezeptor-Agonist Bronchodilatation Wehenhemmung Senkung der Serum-Kaliumkonzentration

Asthmaanfall dekompensierte COPD Reizgasinhalation lebensbedrohliche Hyperkaliämie

Bronchodilatation: 0,25–0,5 mg s. c.

Bronchoparat (Theophyllin) S. 193

siehe Euphyllin

Buscopan (Butylscopolamin) S. 178

Ampullen 20 mg/1 ml

Spasmolytikum

Koliken NW: Tachyarrhythmie

0,3 mg/kg (20 mg) i. v.

Catapresan (Clonidin) S. 181

Ampullen 0,15 mg/1 ml

Sympatholytikum vorwiegend zentrale α2-Rezeptor-Stimulation Blutdrucksenkung Herzfrequenzsenkung sedierende und analgetische Komponente

hypertensive Krise langsam injizieren; Gefahr der initialen Hypertension bei zu schneller Injektion

0,075–0,15 mg i. v.

ChloralhydratRectiole (Chloralhydrat) S. 204

Rectiolen 0,6 g/Rectiole

Sedativum Antikonvulsivum

Sedierung und Krampfanfälle im Kindesalter

Säuglinge: 0,3 g; Kleinkinder: 0,6 g rektal

Clexane (Enoxaparin) S. 183

Fertigspritzen zu je 20, 40, 60, 80 und 100 mg; 1 mg entspricht jeweils 100 I. E.

Antikoagulans Inhibition plasmatischer Gerinnungsfaktoren, v. a. FX Kofaktor von Antithrombin III

Akutes Koronarsyndrom (Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris) Lungenembolie

1 mg/kg KG 2 × pro Tag s. c.

498

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Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Urokinase S. 184

Inj.-Flaschen 500 000 I.E.

Fibrinolytikum

Myokardinfarkt Lungenembolie (Stadium III–IV)

1,5 Mio. I.E. i. v. (Bolus), dann 1,5 Mio. I. E. kontinuierlich über 90 min i. v.

Cordarex (Amiodaron) S. 189

Ampullen 150 mg/3 ml

Antiarrhythmikum Klasse III

ventrikuläre und supraventrikuläre Tachyarrhythmie Notfallmedizinisch Mittel der Wahl bei den meisten schweren supraventrikulären und ventrikulären Tachyarrhythmien sowie bei defibrillationsresistenten Kammerflimmern

4 mg/kg (300 mg) i. v. über 15 min; dann ggf. weitere 600 mg über 1 h

Cormagnesin (Magnesiumsulfat) S. 191

Ampullen 1 000 mg ( = 4 mmol)/ 10 ml 2 000 mg ( = 8 mmol)/ 10 ml

Kalziumantagonismus Vasodilatation Blutdrucksenkung antiarrhythmische Wirkung

Eklampsie, Präeklampsie Torsade de pointes evtl. supraventrikuläre und ventrikuläre Rhythmusstörungen

8–16 mmol langsam i. v.

Dilzem (Diltiazem) S. 180

Ampullen 25 / 100 mg

KalziumkanalBlocker Antiarrhythmikum Klasse IV

supraventrikuläre Rhythmusstörungen, v. a. Tachyarrhythmia absoluta

10–25 mg i. v.

Dipidolor (Piritramid) BtM S. 198

Ampullen 15 mg/2 ml

Analgetikum Opioid Sedierung

starke Schmerzen NW: Atemdepression bei Überdosierung

0,1–0,2 mg/kg (5–15 mg) i. v.

Disoprivan (Propofol) S. 205

Ampullen 200 mg/20 ml

Hypnotikum

Narkoseeinleitung/aufrechterhaltung Gut geeignet bei Asthmatikern; NW: Blutdruckabfall

2 mg/kg (100–200 mg) i. v.; dann evtl. 6–12 mg/ kg/h kontinuierlich i. v.

4-DMAP (4-Dimethylaminophenol) S. 453

Ampullen 250 mg/5 ml

Methämoglobinbildner

Zyanidvergiftung (Blausäure, Zyankali)

3 mg/kg (250 mg) i. v.

Dobutamin S. 175

Inj.-Flaschen 250 mg

Sympathomimetikum HZVSteigerung

akute Herzinsuffizienz kardiogener Schock NW: Möglichkeit des Blutdruckabfalls; ggf. Kombination mit Dopamin oder Noradrenalin

2–10 μg/kg/min kontinuierlich i. v. evtl. kombiniert mit Dopamin (Verhältnis 1 : 1 oder 2 : 1)

37 Anhang

37.1 Notfallmedikamente

499

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Anhang

37

37.1 Notfallmedikamente Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Dolantin (Pethidin) BtM S. 198

Ampullen 50 mg/1 ml

Analgetikum Opioid Sedierung spasmolytisch

starke Schmerzen, insbesondere bei schwerer Kolik NW: Atemdepression bei Überdosierung; Blutdruckabfall

1–2 mg/kg (50–100 mg) i. v.

Dopamin S. 175

Ampullen 50 mg/5 ml 200 mg/10 ml 250 mg/50 ml 500 mg/50 ml

Sympathomimetikum dosisabhängige Stimulation von α, β und Dopaminrezeptoren Blutdruckanstieg HZV-Anstieg Tachykardie

Schock akute Herzinsuffizienz Kreislaufstabilisierung nach CPR

2–30 μg/kg/min kontinuierlich i. v.

Dormicum (Midazolam) S. 203

Ampullen 5 mg/1 ml 5 mg/5 ml 15 mg/3 ml

Benzodiazepin Stimulation der GABAARezeptoren Sedativum Anxiolytikum Antikonvulsivum

Angst Agitiertheit Krampfanfall Narkoseaufrechterhaltung

Sedierung: 0,05–0,1 mg/kg (2–8 mg) i. v. Narkose: 0,2 mg/kg (15 mg) i. v.

Ebrantil (Urapidil) S. 181

Ampullen 25 mg/5 ml 50 mg/10 ml

α-1-Rezeptorblocker Stimulation zentraler Serotininrezeptoren Vasodilatation Antihypertensivum

hypertensive Krise bevorzugtes Antihypertensivum bei neurologischen Notfällen

0,2–0,5 mg/kg (12,5–50 mg) i. v.

Eminase (Antistreplase)

1 Injektionsfl. (Trockensubstanz) enth. 30 E

Fibrinolytikum

Myokardinfarkt Lungenembolie (Stadium III–IV)

30 E. in 5 min i. v.

Esmeron (Rocuronium) S. 207

Ampullen 50 mg/5 ml

Nicht depolarisierendes Muskelrelaxans

Notwendigkeit der Muskelrelaxation während Narkose

0,6 mg/kg (50 mg) i. v.

Euphyllin (Theophyllin) S. 193

Ampullen 0,12 g/2 ml 0,24 g/10 ml

Methylxanthin Adenosin-Rezeptor-Antagonismus PhosphodiesteraseHemmung Bronchodilatation Vasodilatation Tachykardie

Bronchospasmus: Asthmaanfall Dekompensation einer COPD Reizgasinhalation Bronchodilatative Wirkung den β-2-Mimetika unterlegen

5 mg/kg (200–400 mg) langsam i. v. Kontinuierlich: 0,6–1 mg/kg/h

500

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Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Fenistil (Dimetinden) S. 194

Ampullen 4 mg/4 ml

Antihistaminikum H1-Rezeptorblocker

leichte anaphylaktoide Reaktionen

0,1 mg/kg (4–8 mg) langsam i. v.

Fentanyl-Janssen (Fentanyl) BtM S. 198

Ampullen 0,1 mg/2 ml 0,5 mg/10 ml

stark wirksames Opioid Analgesie Sedierung

starke Schmerzen Notwendigkeit einer Narkose starke atemdepressive Wirkung

Narkose mit Beatmung: 1–4 μg/kg (0,1–0,3 mg) i. v.

Fluimucil (NAcetylcystein; NAC) S. 454

Ampullen 300 mg/Amp.

GlutathionPrecursor

Paracetamolvergiftung

150 mg/kg i. v. innerhalb 15–30 min, dann 50–100 mg/ kg/h kontinuierlich i. v.

Fortecortin (Dexamethason) S. 194

Ampullen 40 mg/5 ml 100 mg/10 ml

Kortikosteroid Entzündungshemmung

Asthmaanfall schwere anaphylaktoide Reaktion

0,5–2 mg/kg (40–100 mg) i. v.

Fortral (Pentacozin) BtM S. 198

Ampullen 30 mg/1 ml

Analgetikum Opioid mit partiell antagonistischer Wirkung

starke Schmerzen NW: pulmonalarterielle Blutdrucksteigerung

0,1–0,4 mg/kg (10– 30 mg) i. v.

Gilurytmal (Ajmalin) S. 188

Ampullen 50 mg/2 ml 50 mg/10 ml

Antiarrhythmikum Klasse Ia

ventrikuläre und supraventrikuläre Tachyarrhythmie

0,5–1 mg/kg i. v. (50 mg) i. v.

Glukose 40 % S. 165

Ampullen 4 g/ 10 ml

Anhebung der Blutglukosekonzentration

Hypoglykämie

16–40 g i. v. (Titration!)

Glycilpressin (Terlipressin) S. 338

Inj.-Flaschen 1 mg

Vasopressor

Ösophagusvarizenblutung

1–2 mg i. v.

Haldol (Haloperidol) S. 204

Ampullen 5 mg/1 ml

stark wirksames Neuroleptikum Dopamin-Rezeptor-Antagonismus antipsychotisch antidelirant sedierend antiemetisch Vasodilatation Blutdrucksenkung chinidinartige antiarrhythmische Wirkung

akuter Erregungsund Verwirrtheitszustand Agitiertheit akute Psychose Delir starke Übelkeit NW: proarrhythmische Wirkung, Torsades des pointes

0,1 mg/kg (5– 10 mg) i. v.

Hypnomidate (Etomidat) S. 56

Ampullen 20 mg/10 ml

Hypnotikum

Narkoseeinleitung gute Kreislaufstabilität

0,2–0,3 mg/kg (20–30 mg) i. v.

37 Anhang

37.1 Notfallmedikamente

501

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Anhang

37

37.1 Notfallmedikamente Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Isoket (Isosorbiddinitrat, ISDN) S. 179

Dosieraerosol 1,25 mg/Hub Ampullen 10 mg/10 ml 25 mg/50 ml

Nitrat NO-Freisetzung vorwiegend venöse Vasodilatation arterielle und pulmonalarterielle Blutdrucksenkung

Akutes Koronarsyndrom (Angina pectoris Myokardinfarkt) Linksherzinsuffizienz Lungenödem hypertensive Krise kolikartige Schmerzen NW: Reflextachykardie

Aerosol: 1–3 Hübe s. l. Ampullen: 2–10 mg/h kontinuierlich i. v.

Isoptin (Verapamil) S. 180

Ampullen 5 mg/2 ml

KalziumkanalBlocker Antiarrhythmikum Klasse IV

supraventrikuläre Rhythmusstörungen, v. a. Tachyarrhythmia absoluta. Nur bei Tachyarrhythmien mit engen Kammerkomplexen einsetzen! Keine Kombination mit β-Blockern

0,05–1 mg/kg (5 mg) i. v.

Kalziumchlorid 10 % Kalziumglukonat 10 % (Kalzium) S. 191 u. S. 121

Ampullen Kalziumchlorid (10 % = 1,36 mval/1 ml) Kalziumglukonat (10 % = 0,48 mval/1 ml)

Erhöhung des Membranschwellenpotenzials positiv inotrop kurzfristiger Blutdruckanstieg funktioneller Kaliumantagonismus

Überdosierung von Kalziumkanalblockern lebensbedrohliche Hyperkaliämie elektromechanische Dissoziation (?)

Kalziumchlorid 10 %: 5–10 ml i. v. Kalziumglukonat 10 %: 10–20 ml i. v.

Ketanest (Ketamin) S. 200

Stechflaschen 10 mg/5 ml 10 mg/20 ml 50 mg/2 ml 50 mg/10 ml

Anästhetikum Analgetikum NMDA-Rezeptor-Antagonist sympathikotone Wirkung Bronchodilatation

starke Schmerzen (Trauma) Analgesie und Narkose in unübersichtlichen Situationen Narkoseeinleitung, insb. bei schwerem Asthmaanfall

Analgesie: 0,2–0,5 mg/kg (20–40 mg) i. v. 1–2 mg/kg (50–200 mg) i. m. Narkose: 1–2 mg/kg (50–200 mg) i. v. 5–12 mg/kg (300–1 000 mg) i. m.

Ketanest S (S-Ketamin) S. 200

Stechflaschen 25 mg/5 ml 100 mg/20 ml 50 mg/2 ml 1 250 mg/ 50 ml

Anästhetikum Analgetikum NMDA-Rezeptor-Antagonist sympathikotone Wirkung Bronchodilatation

starke Schmerzen (Trauma) Analgesie und Narkose in unübersichtlichen Situationen Narkoseeinleitung, insb. bei schwerem Asthmaanfall

Analgesie: 0,1–0,2 mg/kg (10–20 mg) i. v. 1 mg/kg (50–100 mg) i. m. Narkose: 0,5–1 mg/ kg (50–100 mg) i. v. 3–6 mg/kg (200–500 mg) i. m.

Kohle-Pulvis (med. Kohle) S. 448

Dosen 10 g/ Dose

Universaladsorbens „Universalantidot„

perorale Giftaufnahme

1 g/kg (50–100 g) p. o. oder per Magensonde

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Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Lanicor (Digoxin) S. 190

Ampullen zu 0,25 mg

Digitalisglykosid Inotropikum Antiarrhythmikum („Vagusverstärker“)

Tachyarrhythmia absoluta (Vorhofflimmern mit schneller Überleitung)

0,2–0,6 mg langsam i. v.

Lasix (Furosemid) S. 192

Ampullen 20 mg/2 ml 40 mg/4 ml 250 mg/25 ml

Schleifendiuretikum Vorlastsenkung pulmunalarterielle Vasodilatation

Hyperhydratation kardiogenes Lungenödem hypertensive Krise forcierte Diurese (z. B. Intoxikationen)

10–80 mg i. v.

Liquemin (Heparin) S. 183

Ampullen 5 000 I.E./1 ml 25 000 I.E./ 5 ml

Antikoagulans Inhibition plasmatischer Gerinnungsfaktoren, v. a. FX und F II Kofaktor von Antithrombin III

Akutes Koronarsyndrom (Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris) Lungenembolie

100 I.E./kg (5 000– 7 500 I.E.) i. v.; dann ggf. 10–20 I.E./kg/h (700–2 000 I.E./h) kontinuierlich i. v.

Lysthenon 2 % (Succinylcholin) S. 207

Inj.-Flaschen 100 mg/5 ml

kurz wirksames depolarisierendes Muskelrelaxans

Muskelrelaxierung zur Intubation NW: Hyperkaliämie, sehr selten Maligne Hyperthermie

1–1,5 mg/kg (70–100 mg) i. v.

Mestinon (Pyridostigmin) S. 209

Ampullen 25 mg/5 ml

peripher wirkender Acetylcholinesteraseinhibitor indirektes Parasympathomimetikum

Überhang nicht depolarisierender Muskelrelaxanzien

0,15 mg/kg (10 mg) langsam i. v. (in Kombination mit Atropin 1 mg)

Metalyse (Tenecteplase) S. 184

Durchstechampullen: 8 000 U (40 mg) 10 000 U (50 mg)

Fibrinolytikum

Myokardinfarkt Lungenembolie (Stadium III–IV)

0,5 mg/kg (bis maximal 50 mg) i. v. (Bolus über 10 s)

Morphium hydrichloricum (Morphin) BtM S. 198

Ampullen 10 mg/1 ml 20 mg/1 ml

Analgetikum Opioid Stimulation zentraler und peripherer Opioidrezeptoren Sedierung pulmonalarterielle Blutdrucksenkung

starke Schmerzen kardiogenes Lungenödem NW: Atemdepression bei Überdosierung Blutdruckabfall

0,1 mg/kg (5–10 mg) i. v.

37 Anhang

37.1 Notfallmedikamente

503

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Anhang

37

37.1 Notfallmedikamente Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Narcanti (Naloxon) S. 209

Ampullen 0,4 ml/1 ml

Opioidantagonist

Opioidintoxikation/-überdosierung

0,5–10 μg/kg (0,04–1 mg) i. v. (Titration!)

Natriumbikarbonat 8,4 % (Natriumbikarbonat 8,4 %) S. 120, S. 138, S. 186

Infusionslösung 8,4 g/ 100 ml (1 mmol/ml)

Puffersubstanz Anstieg des Blut-pH Abfall der Kaliumkonzentration

schwere Azidose lebensbedrohliche Hyperkaliämie prolongierte CPR (?)

während CPR alle 10 Minuten 50 ml Nabic i. v. in Kenntnis des pH-Wertes nach Astrup-Formel

Nepresol (Dihydralazin) S. 179

Ampullen 25 mg/Amp.

Antihypertensivum vorwiegend arteroläre Vasodilatation

hypertensive Krise, insb. bei Präeklampsie verzögerter Wirkungseintritt

6,25–12,5 mg i. v.

Neurocil (Levomepromazin) S. 204

Ampullen 25 mg/1 ml

Neuroleptikum Dopamin- Rezeptor-Antagonismus antipsychotisch antidelirant sedierend antiemetisch Vasodilatation

akuter Erregungsund Verwirrtheitszustand Agitiertheit akute Psychose Delir NW: Blutdrucksenkung

0,2–0,5 mg/kg (12,5–50 mg) i. m. oder langsam i. v.

Nitrolingual (Glycerolnitrat) S. 179

Spray 0,4 mg/ Hub Kapseln 0,8 mg/Kps. Ampullen 5 mg/5 ml 25 mg/25 ml 50 mg/50 ml

Nitrat NO-Freisetzung vorwiegend venöse Vasodilatation arterielle und pulmonalarterielle Blutdrucksenkung

Angina pectoris, Myokardinfarkt, Linksherzinsuffizienz, Lungenödem, hypertensive Krise, kolikartige Schmerzen

Spray: 2–3 Hübe s. l. Kapseln: 1 Kps. à 0,8 mg s. l. Ampullen: 0,01–0,1 mg i. v. bzw. 0,3–3 μg/kg/ min kontinuierlich i. v.

Norcuron (Vecuronium) S. 207

Ampullen 4 mg/2 ml

nicht depolarisierendes Muskelrelaxans

Notwendigkeit der Muskelrelaxation während Narkose

0,05–0,1 mg/kg (4–8 mg) i. v.

Novalgin (Metamizol) S. 197

Ampullen 1 g/2 ml

fiebersenkendes Analgetikum vorwiegend zentrale Zyklooxygenasehemmung Spasmolyse

Schmerzen insb. Koliken NW: sehr selten Agranulozytose; Hypotension bei zu rascher Injektion

1–2,5 g langsam i. v. (am besten als Kurzinfusion)

Orpec-Sirup (Ipecacuanha) S. 446

Flaschen

Emetikum

induziertes Erbrechen nach oraler Giftaufnahme

Kinder 10–20 ml p. o., Erwachsene 30 ml p. o.

Pancuronium Organon (Pancuronium) S. 207

Ampullen 4 mg/2 ml

nicht depolarisierendes Muskelrelaxans

Notwendigkeit der Muskelrelaxation während Narkose

0,05–1,0 mg/kg (4–8 mg) i. v.

504

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Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Partusisten (Fenoterol) S. 177

Ampullen Partusisten: 0,5 mg/10 ml Partusisten intrapartal: 0,025 mg/ 1 ml

Sympathomimetikum β-2Rezeptor-Agonist Bronchodilatation Wehenhemmung Senkung der Serum-Kaliumkonzentration

vorzeitige Wehentätigkeit NW: Tachykardie; selten: Lungenödem

25 μg langsam i. v.; dann evtl. 0,5–3 μg/ kg/min kontinuierlich i. v.

Paspertin (Metoclopramid) S. 194

Ampullen 10 mg/1 ml

Antiemetikum zentraler Dopaminantagonist gastrointestinale Motilitätserhöhung

Übelkeit, Erbrechen NW: Extrapyramidalsymptomatik

01–0,2 mg/kg (10 mg) i. v.

Perfalgan (Paracetamol) S. 197

Infusion 1 000 mg/ 100 ml

fiebersenkendes Analgetikum vorwiegend zentrale Zyklooxygenasehemmung

leichtere Schmerzen

1 000 mg i. v. über 30 min bei Erwachsenen

Phenhydan (Phenytoin) S. 346

Ampullen 250 mg/5 ml

Antikonvulsivum Antiarrhythmikum Klasse I

Status epilepticus Ventrikuläre Tachyarrhythmie Starke Venenreizung; im Rettungsdienst unüblich

3–4 mg/kg (250 mg) über 10–20 min i. v.

Pulmicort (Budesonid) S. 194

Dosieraerosol 0,2 mg/Hub

Kortikosteroid Entzündungshemmung

Reizgasinhalation/intoxikation

5 Hübe p. i., wiederholt alle 5–10 Minuten

Rapilysin (Reteplase) S. 184

Injektionsflaschen zu 10 E

Fibrinolytikum

Myokardinfarkt Lungenembolie (Stadium III–IV)

2 Bolus-Injektionen im Abstand von 30 Min. (10 + 10 E) jeweils langsam i. v.

Rectodelt (Prednison) S. 194

Suppositorien 5 /10 /30 / 100 mg

Kortikosteroid Entzündungshemmung

bei Kindern: KruppSyndrom Asthma bronchiale Anaphylaxie

5–20 mg/kg rektal

Rivotril (Clonazepam) S. 203

Ampullen 1 mg

Antikonvulsivum Benzodiazepin Stimulation der GABAARezeptoren Sedierung

Krampfanfall

0,5–1 mg langsam i. v.

Rytmonorm (Propafenon) S. 189

Ampullen 70 mg/20 ml

Antiarrhythmikum Klasse Ic

ventrikuläre und supraventrikuläre Tachyarrhythmie

1 mg/kg (70 mg) i. v.

37 Anhang

37.1 Notfallmedikamente

505

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Anhang

37

37.1 Notfallmedikamente Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Sab simplex (Dimeticon bzw. Dimethylpolysiloxan) S. 453

Flaschen 40 mg/0,6 ml Lösung

Entschäumer

Ingestion von Schaumbildnern (z. B. Spülmittel)

0,5–1 mg/kg p. o.: Erwachsene: 10–30 ml (2–6 Esslöffel) Kinder: 5–10 ml (2–4 Teelöffel)

Solu-Decortin H (Prednisolon) S. 194

Ampullen 10 / 25 /50 /250 / 1 000 mg

Kortikosteroid Entzündungshemmung

Asthmaanfall, schwere anaphylaktoide Reaktion

1–10 mg/kg (40–1 000 mg) i. v.

Streptase (Streptokinase) S. 184

Inj.-Flaschen 250 000 I.E. 750 000 I.E. 1 500 000 I.E.

Fibrinolytikum

Myokardinfarkt, Lungenembolie (Stadium III-IV)

1,5 Mio I.E. i. v. über 30–60 min

Sultanol (Salbutamol) S. 177

Dosieraerosol 0,1 mg/Hub

Sympathomimetikum β-2Rezeptor-Agonist Bronchodilatation Wehenhemmng Senkung der Serum-Kaliumkonzentration

Asthmaanfall, dekompensierte COPD, Reizgasinhalation, vorzeitige Wehen, lebensbedrohliche Hyperkaliämie

2–5 Hübe à 0,1 mg p. i.

Suprarenin (Adrenalin) S. 174

Ampullen 1 mg/1 ml Stechflaschen 25 mg/25 ml Fertigspritzen 1 mg/10 ml

Sympathomimetikum α- und β-Rezeptor-Agonist Blutdruckanstieg Tachykardie Bronchodilatation Senkung der Serum-Kaliumkonzentration

CPR, Schock, schwere Bradykardie, schwerer Bronchospasmus, schwere Hyperkaliämie

CPR: 0,01 mg/kg (1 mg) i. v. bzw. 3 mg (0,03–0,05 mg) in 10 ml NaCl 0,9 % endobronchial kontinuierlich: 0,1–1 μg/ kg/min i. v.

Syntocinon (Oxytocin) S. 375

Ampullen 3 I. E./1 ml 10 I.E./ 1 ml

Wehensteigerung Uteruskontraktion

Geburtsstillstand, postpartale Blutung

3–5 I.E. langsam i. v.

Tagamet (Cimetidin) S. 194

Ampullen 200 mg/2 ml

Antihistaminikum H2-Rezeptorblocker

leichte anaphylaktoide Reaktionen

200–400 mg i. v. (zusätzlich Fenistil oder Tavegil)

Tavegil (Clemastin) S. 194

Ampullen 2 mg/5 ml

Antihistaminikum H1-Rezeptorblocker

leichte anaphylaktoide Reaktionen

2–4 mg i. v.

Temgesic (Buprenorphin) BtM S. 198

Ampullen 0,3 mg/Amp.

Analgetikum Opioid mit partiell antagonistischer Wirkung

starke Schmerzen

0,15–0,3 mg i. v.

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Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Thrombophob (Heparin)

s. Liquemin

Toluidinblau (Toluidinblau) S. 456

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Ampullen 400 mg/10 ml

Redoxmediator Eisenreduktion: Eisen-III nach Eisen-II

Vergiftung mit Methämoglobinbildnern

2–4 mg/kg (250–400 mg) i. v.

Toxogonin (Obidoxim) S. 455

Ampullen 0,25 g/1 ml

Reaktivator der Acetylcholinesterase

Intoxikation mit Alkyphosphaten und Carbamaten

3 mg/kg (250 mg) i. v.

Tracrium (Atracurium) S. 207

Ampullen 25 mg/2,5 ml 50 mg/ 5 ml

nicht depolarisierendes Muskelrelaxans

Notwendigkeit der Muskelrelaxation während Narkose

0,5 mg/kg (40 mg) i. v.

Tramal (Tramadol) S. 198

Ampullen 50 mg/1 ml 100 mg/2 ml

Analgetikum Opioid mit zusätzlicher NichtOpioid-Wirkung

mittelstarke Schmerzen

Initial 3 mg/kg i. v. (200 mg); dann alle 4–6 h 1–2 mg/kg (50–100 mg) i. v.

Trapanal (Thiopental) S. 205

Stechflaschen 0,5 g/20 ml

Hypnotikum Antikonvulsivum Blutdrucksenkung Hirndrucksenkung

Narkoseeinleitung/aufrechterhaltung, Status epilepticus

3–5 mg/kg (250– 500 mg) i. v.

Urbason (Methylprednisolon) S. 194

Ampullen Urbason: 10 / 25 /50 /250 / 1 000 mg

Kortikosteroid Entzündungshemmung

Asthmaanfall, schwere anaphylaktoide Reaktion, Rückenmarktrauma

1–4 mg/kg i. v. (40– 250 mg) i. v. Rückenmarktrauma: 30 mg/ kg (2 000–3 000 mg) i. v., dann 5,4 mg/kg i. v. für 23 h

Urokinase S. 184

Inj.-Flaschen 10 000 I.E. 50 000 I.E. 100 000 I.E. 250 000 I.E. 500 000 I.E. 1 000 000 I.E.

Fibrinolytikum

Myokardinfarkt, Lungenembolie (Stadium III–IV)

1,5 Mio. I.E. i. v. (Bolus), dann 1,5 Mio. I. E. kontinuierlich über 90 min i. v.

Valium (Diazepam) S. 203

Ampullen 10 mg/2 ml Tabletten 5 / 10 mg Rectiolen 5 /10 mg

Sedatives Antikonvulsivum Benzodiazepin GABAA-Rezeptor-Agonismus Anxiolyse

Erregungszustand, Krampfanfall, Narkoseaufrechterhaltung

Ampullen: 0,1 mg/kg (5–10 mg) i. v. Tabletten: 5–10 mg p. o. Rectiolen: Kinder < 15 kg: 5 mg; Kinder > 15 kg: 10 mg rektal

Volon A solubile (Triamcinolonacetonid) S. 194

Ampullen 40 mg/1 ml 80 mg/1 ml 200 mg/ 5 ml

Kortikosteroid Entzündungshemmung

Asthmaanfall, schwere anaphylaktoide Reaktion

1–3 mg/kg (80–200 mg) i. v.

37 Anhang

37.1 Notfallmedikamente

507

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Anhang

37

37.2 Wichtige Telefonnummern und Adressen Tab. 37.1 • Fortsetzung Handelsname (Substanz)/ Seitenverweis

Zubereitung

Substanzgruppe Wirkung

Notfallmedizinische Indikationen Bemerkungen

Dosierung

Xomolix (Dehydrobenzperidol) S. 204

Ampullen 2,5 mg/1 ml

stark wirksames Neuroleptikum Dopamin- Rezeptor-Antagonismus antipsychotisch antidelirant sedierend antiemetisch Vasodilatation Blutdrucksenkung chinidinartige antiarrhythmische Wirkung

akuter Erregungsund Verwirrtheitszustand, Agitiertheit, akute Psychose, Delir, starke Übelkeit, starke antiemetische Wirkung bereits mit 0,5–1 mg! NW: proarrhythmische Wirkung, Torsades des pointes

0,02–0,2 mg/kg (1,25–12,5 mg) i. v.

Xylocain 2 % (Lidocain) S. 188

Ampullen 100 mg/5 ml

Antiarrhythmikum Klasse Ib

ventrikuläre Tachyarrhythmie, Lokalanästhesie

1–2 mg/kg i. v. (50–100 mg) i. v.

Zentropil (Phenytoin)

s. Phenhydan

Abkürzungen: NW = Nebenwirkungen, KI = Kontraindikationen, HZV = Herzzeitvolumen, i. m. = intramuskulär, i. v. = intravenös, p. i. = per inhalationem, s. l. = sublingual

37.2 Wichtige Telefonnummern und Adressen Giftinformationszentralen Tab. 37.2 • Giftinformationszentralen. Ort



Berlin

030 /19 240 /www.giftnotruf.de

Bonn

0 228 /19 240 oder 0 228 /287–3 211 /www.meb.uni-bonn.de

Erfurt

0 361 /730–730 /www.ggiz-erfurt.de

Freiburg

0 761 /19 240 /www.giftberatung.de

GIZ Nord (Göttingen)

0 551 /19 240 /www.giz-nord.de

Homburg/Saar

06 841 /19 240 /www.med-rz.uni-sb.de/med_fak/kinderklinik/ Vergiftungszentrale/vergiftungszentrale.html

Mainz

06 131-19 240 /www.giftinfo.uni-mainz.de

München

089 /19 240 /www.toxinfo.org

Nürnberg

0 911 /398–2 451 /www.giftinformation.de

508

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37.2 Wichtige Telefonnummern und Adressen

Ort

Anhang

Tab. 37.2 • Fortsetzung ☎

Wien

(0 043) (0) 1 /4 064–4 343

Zürich

(0 041) (0) 1 /2 515 151

37

Verbrennungszentren ▶ Adressen, Telefonnummern und nähere Auskünfte zu Verbrennungszentren unter ■ der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin: www.verbrennungsmedizin.de Zentrale Bettenauskunft Verbrennungszentrale Hamburg: 040 /42 851-3998

Überdruckkammern ▶ Siehe unter www.gtuem.org (Homepage der Gesellschaft für Tauch- und Überdruck■ medizin).

Rettungshubschrauber ▶ Man unterscheidet: • RTH → Rettungshubschrauber für die Notfallrettung. • ITH → Intensiv-Transport-Hubschrauber. • AHS → Ambulanz-Hubschrauber (Verlegungen). • GRH → Großraumrettungshubschrauber (Katastropheneinsätze). • NEH → Notarzteinsatzhubschrauber. ▶ Rettungshubschrauber werden unterhalten vom ADAC (www.adac.de), der deutschen Rettungsflugwacht (DRF; www.drf-luftrettung.de), dem Bundesministerium für Inneres und einigen privaten Betreibern. Tab. 37.3 • Sekundärtransporte (RTH). Organisation



Deutsche Rettungsflugwacht e. v. Hubschrauberverlegungsflüge

0 711 /7 007-0

German Air Rescue Deutsche Zentrale für Luftrettung Raiffeisenstraße 32 70 794 Filderstadt Auslandsrückholung

0 711 /701 070

ADAC Am Westpark 8 81 373 München Auslandsrückholung

089 /222 222

DRK-Flugdienst Königswinterer Straße 29 53 227 Bonn

0 228 /91 730-0

Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. v. (ASB) ASB-Rückholdienst – weltweit Sülzburgstraße 140 50 937 Köln

0 221 /4 760 555

509

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Anhang

37

37.2 Wichtige Telefonnummern und Adressen Tab. 37.3 • Fortsetzung Organisation



Internationale Flug-Ambulanz e. v. (IFA) Am Neumarkt 30 22 041 Hamburg

Notruf Inland: 00 800-43 244 538 Notruf Ausland: + 49-911-522 077

Helicopter Service Mitte GmbH 63 329 Egelsbach

01 805 /333 455

510

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A ABC-Schema 99 Abdomen – Bodycheck Polytrauma 400 – Schmerzen 228 – Trauma 414 Abdomen, akutes 335 – Akuttherapie 335 – Analgesie 335 – Definition 226 – Differenzialdiagnosen 227 – Leitsymptome 226 – Peritonealdialyse 313 – Schwangerschaft 229 – somatische Schmerzen 228 – Ursachen 227 – viszerale Schmerzen 228 Abdominalschmerz 228 Abdominaltrauma 414 – Häufigkeit 399 – Kinder 393 Abnabeln 364, 367 Absaugen – Freimachen der Atemwege 45 – Lungen-Tuberkulose 216 – Neugeborene 139 Absaugvorrichtung, Intubation 55 Abtrocknen (Neugeborenes) 367 Abwehrspannung, Leitsymptome akutes Abdomen 226 ACD-CPR (aktive Kompressions-DekompressionsVerfahren) 115 Acebutololvergiftung 461 Acetazolamid – Höhenkrankheit 442 – Glaukomanfall 356 Acetylcholinesteraseinhibitor 209 Acetyldigoxinvergiftung 462 Halbfette Seitenzahl = Haupttextstelle

Acetylsalicylsäure – Nichtopioid-Analgetika 197 – NSTEMI 269 – Schwangerschaft 371 – STEMI 273 – Thrombozytenaggregationshemmer 183 – Übersicht Notfallmedikamente 496 – Vergiftung 469 ACS (akutes Koronarsyndrom) 266 – Differenzialdiagnosen 268 – Leitsymptom 266 – mit ST-Hebung 270 – ohne ST-Hebung 268 – Sofortmaßnahmen 266 – Therapie 268 Adaptationsstörung (Neugeborenes) 368 Addison-Krise 318 Adenosin 190 – Antiarrhythmika 187 – AV-Knoten-Re-entry-Tachykardie 290 – Einteilung Antiarrhythmika 284 – Herzinsuffizienz Kinder 398 – Übersicht Notfallmedikamente 495 Adrenalin 174 – β-Blocker-Vergiftung 461 – Dosierung 174 – Hochdosistherapie 117 – Indikationen 174 – kardiogener Schock 260 – Kinderdosis 386, 392 – Reanimation Erwachsene 117 – Reanimation Kinder 131, 136 – Reanimation Neugeborene 143 – Sinusbradykardie 293 – Übersicht Notfallmedikamente 506 – Ulkusblutung 338 – Wirkungsmechanismus 174

Advanced Life Support siehe Erweiterte Maßnahmen AED (automatischer Defibrillator) 149 – kardiopulmonale Reanimation 102 – Reanimationsablauf 10 after-drop 327 AGE (arterielle Gasembolie), Tauchunfall 440 Air-Mix 73 Air-Trapping, Asthmaanfall 302 Ajmalin 188 – Antiarrhythmika 187 – AV-Knoten-Re-entry-Tachykardie 290 – Dosierung 188 – Einteilung Antiarrhythmika 284 – Indikation 188 – Reanimation Erwachsene 119 – Übersicht Notfallmedikamente 501 – ventrikuläre Tachykardie 290 – Wolff-Parkinson-WhiteSyndrom 289 Akrinor 177 – Abdominaltrauma 415 – Digitalisglykosidvergiftung 463 – Dosierung 177 – Fraktur 420 – Gammahydroxybuttersäurevergiftung 481 – Herzkontusion 409 – hypovolämischer Schock 258 – Kinder 255 – neurogener Schock 265 – Nierenverletzung 384 – Polytrauma 401 – postpartale Blutung 37 – Schädel-HirnTrauma 405 – Schock 255 – Subarachnoidalblutung 344 – Wirbelsäulentrauma 428

Sachverzeichnis

Sachverzeichnis

511

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Sachverzeichnis

Aktivkohle – Wirkungsmechanismus 177 Aktivkohle siehe Kohle Albumindialyse 336 ALI (acute lung injury) 308 Alkohol – Hypothermie 327 – Methanolvergiftung 472 Alkoholvergiftung 469 Alkylphosphate, Wirkungen 482 Alkylphosphatintoxikation 481 – Atropin 178 – Obidoxim 455 Allgöwer-Schockindex 25 ALS (Advanced Life Support) siehe erweiterte Maßnahmen ALTE (apparent life threatening event) 398 Altersdepression 349 Amatoxine 491 Ambroxol – Asthmaanfall 302 – COPD 304 American Burn Assiciation, Verbrennung 332 Amiodaron 189 – Antiarrhythmika 187 – Asystolie/PEA 105 – atriale Tachykardie 288 – AV-Knoten-Re-entry-Tachykardie 290 – Dosierung 190 – Einteilung Antiarrhythmika 284 – Elektrounfall 432 – Herzkontusion 409 – Indikation 189 – Kinderdosis 392 – Reanimation Erwachsene 119 – STEMI 274 – Übersicht Notfallmedikamente 499 – ventrikuläre Tachykardie 290 Amitriptylinvergiftung 457 Amphetaminvergiftung 479 Amputatbehandlung 417

Amputationsverletzung 417 AMS (Acute Mountain Sickness) 441 Analgesie 197 – Abdominaltrauma 416 – akutes Abdomen 335 – Dekompressionskrankheit 439 – Elektrounfall 432 – Erfrierung 329 – Fraktur 420 – Gesichtsschädelverletzung 407 – Glaukomanfall 356 – Harnleiterkolik 382 – Hodentorsion 381 – hypovolämischer Schock 258 – Ketamin 200 – leichtere Schmerzen 202 – Luxationsverletzung 425 – multimodale 202 – Nichtopioid-Analgetika 197 – Nierenverletzung 384 – Opioid-Analgetika 198 – Paraphimose 382 – Polytrauma 401 – Priapismus 383 – Schädel-HirnTrauma 405 – starke Schmerzen 202 – Subarachnoidalblutung 344 – urologischer Notfall 380 – Verätzung 490 – Wirbelsäulentrauma 428 Analgetika – multimodale Analgesie 202 – nicht saure, antipyretische 197 – saure antiphlogistischantipyretische 197 Analgosedierung – Kardioversion 150 – transkutaner Schrittmacher 152 Anamnese 25 – Atemwegsobstruktion 310 – Lungenödem 307

– psychiatrischer Notfall 349 Anaphylaxie 261 – Definitionen 261 – Pathophysiologie 261 – Therapie 263 – Ursachen 261 Aneurysma – Aorta 296 – Subarachnoidalblutung 343 Angina pectoris – Herzrhythmusstörung 284 – instabile 266, 268 – stabile 268 Angioödem 358 Angststörung 351 Anisokorie, Schädel-HirnTrauma 404 Antagonist 208 – Acetylcholinesteraseinhibitor 209 – Benzodiazepine 209 – Flumazenil 209 – Naloxon 209 – Opioide 209 Anti-Trendelenburg-Lagerung 18 Antiarrhythmika 187 – akute Herzinsuffizienz 276 – Einteilung 284 – Extrasystolen 281 – Herzkontusion 409 – Indikationen 187 – Kaliumkanalblocker 187 – Kalziumkanalblocker 187 – Natriumkanalblocker 187 – Reanimation Erwachsene 119 – STEMI 274 – supraventrikuläre Tachykardie 285 – Übersicht 283 Anticholinergika – Antidote 452 – COPD 304 Antidepressivavergiftung 457 – Symptomatik 458 – Therapie 459

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Secchi, Ziegenfuß, Checkliste Notfallmedizin (ISBN 978-3-13-109034-8 ), © 2009 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

– Schmerzlokalisation 228 – Schock 259 Aortenruptur 296 – abdominale 296 – Schmerzlokalisation 228 – Symptomatik 296 – Therapie 297 – thorakale 296 Apgar-Score 139, 368 Apomorphin – Dosierung 447 – Erbrechen 447 – Übersicht Notfallmedikamente 496 Apoplex 340 – Definition 340 – Subarachnoidalblutung 343 – Therapie 341 – Ursachen 340 Appendizitis, Schmerzlokalisation 227 Applikation – endobronchiale 117, 118 – intrakardiale 164 – intramuskuläre 163 – intraossäre 163 – intravenöse 163 – Medikamente 163 – orale 164 – pulmonale 163 – rektale 164 – sublinguale 164 Äquivalentdosis 435 ARDS (acute respiratory distress syndrome) 308 Arlt-Reposition 426 Armvorfall 366 Arrhythmia absoluta 288 – Palpitation 245 Arterenol – hypovolämischer Schock 258 – Lungenembolie 306 – neurogener Schock 265 – Schock 255 Arteria basilaris – Apoplex 340 – Thrombose 235 Arteria brachialis, Kompression 421, 423

Arteria carotis – Jugularis-interna-Zugang 91 – Karotissinusmassage 283 – Kompression 421 – Palpation 27 – SCV-CPR 114 – Synkope 233 Arteria centralis retinae 356 Arteria cubitalis, Kompression 421 Arteria femoralis – Femoraliszugang 92 – Kompression 422, 423 – Palpation 27 Arteria poplitea, Kompression 422 Arteria radialis – Gefäßverletzung 421 – Kompression 421 – Palpation 27 Arteria subclavia, Kompression 421 Arteria submandibularis, Kompression 421 Arteria temporalis, Kompression 421 Arteria ulnaris, Kompression 421 Arteria vertebralis – Synkope 233 – Wallenberg-Syndrom 235 Arterienverschluss, peripherer 298 Arzt-Patient-Vertrag 8 Ärztlicher Leiter Rettungsdienst 4 Ascorbinsäure, Methämoglobinbildner 485 Asphyxie – Alkoholvergiftung 470 – blaue 139 – kardiopulmonale Reanimation 128 – weiße 139 Aspiration – Combitubus 67 – Giemen 27 – Intubation 59 – Kardioversion 150

Sachverzeichnis

Antidote 450 – 4-DMAP 453 – Atropin 451 – Biperiden 453 – Definition 450 – Digitalisglykosidvergiftung 462 – Dimethylaminophenol 453 – Dimethylpolysiloxan 453 – Dosierungsprinzipien 450 – Flumazenil 453 – Hydroxocobalamin 454 – Kohle 448 – N-Acetylcystein 454 – Naloxon 454 – Natriumthiosulfat 455 – Obidoxim 455 – Physostigmin 455 – Pilzvergiftung 491 – Sauerstoff 456 – Toluidinblau 456 – Übersicht 451 Antiemetika – akutes Abdomen 335 – Gallenkolik 337 – Leberversagen 336 – NSTEMI 269 – STEMI 273 Antihistaminika 194 – anaphylaktischer Schock 262 – Angioödem 359 – Dosierung 194 – Indikationen 194 Antikoagulanzien 183 Antikoagulation – Apoplex 341 – Arterienverschluss 298 – Lungenembolie 306 – Venenverschluss 299 Anurie – Nierenversagen 312 – Urethraverlegung 380 Anwässerungslösung 166 Aorta – Aneurysma 296 – Kompression 421, 423 – thorakale Verletzung 413 Aortendissektion 296 – Rückenschmerzen 232

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Sachverzeichnis

Aspiration Aspiration – Larynxmaske 64 – Larynxtubus 68 – Maskenbeatmung 79 – Pharyngealtuben 52 ASS siehe Acetylsalicylsäure Assist/Control 81 Asthma – Definition 300 – Dyspnoe 242 – Hypnotika 206 – Propofol 207 Asthmaanfall 300 – Auslöser 300 – Bronchodilatation 301 – Definition 300 – Ketamin 201 – Kortikosteroide 195, 196 – Notkompetenz 2 – Symptomatik 300 – Therapie 301 – Ursachen Atemstillstand 98 Astrup-Formel 120, 187 Asystolie – Atropin 178 – primäre 121 – Prognose 125 – Reanimationsaussichten 122 – sekundäre 122 – Vasopressin 118 Asystolie/PEA – Reanimation Erwachsene 105 – Reanimation Kinder 131 Atemdepression – Hypnotika 206 – Kardioversion 150 Atemfrequenz 43 – Blutverlust 257 – Kapnometrie 39 – Kinder 385 – Normwerte 43 – Revised Trauma Score 222 Atemgeräusche 27 Atemhub – assistierter 81 – kontrollierter 81 Ateminsuffizienz 241 Atemminutenvolumen – Herzdruckmassage 110, 112

– Steuerung durch Kapnometrie 41 Atemnebengeräusche 27 Atemnot – hypertensive Krise 278 – hypertensiver Notfall 278 – Orthopnoe 241 Atemstillstand – kardiopulmonale Reanimation 99 – peripherer 98 – Ursachen 98 Atemstörung, Medikamente 243 Atemtypen 241 Atemwege – akute Obstruktion 310 – Basismaßnahmen 43 – erweiterte Maßnahmen 50 – Kinder 385 – Pharyngealtuben 50 Atemwege freihalten 48 – Wendl-Tubus 52 Atemwege freimachen – Erwachsene 43 – Kinder 128, 133 Atemwege freisaugen (Neugeborenes) 367 Atemwegsdruck 74 Atemwegsmanagement 61 Atemzug – assistierter 79 – kontrollierter 79 Atenolol – Antiarrhythmika 187 – Vergiftung 461 Atmung – agonale 242 – Medikamente 164 – Neugeborene 139 – Neugeborenes 367 – Schwangerschaft 370 – seitenparadoxe 242 – thorakale paradoxe 242 – thorakoabdominale paradoxe 242 – Wirbelsäulentrauma 427 Atmung prüfen – Basismaßnahmen 101 – Kinder 129, 133 Atracurium – Dosierung 208

– Übersicht Notfallmedikamente 507 – Wirkdauer 208 Atropin 178 – Acetylcholinesteraseinhibitor 210 – Antidote 451 – Asystolie/PEA 105 – Dosierung 178 – Hitzeohnmacht 325 – Indikationen 178 – Kinderdosis 386, 392 – Pilzvergiftung 491 – Reanimation Erwachsene 118 – Reanimation Kinder 138 – Sinusbradykardie 293 – STEMI 274 – Übersicht Notfallmedikamente 497 – Wirkung 178 Atropinvergiftung, Physostigmin 456 Aufklärung 8 Augenverletzung 357 Auskultation 27 – akute Herzinsuffizienz 276 – Atemstörung 241 – Herz 28 – Lunge 27 – Lungenödem 307, 309 – ösophagotrachealer Doppellumentubus 65 Austreibungsphase (Geburt) 361 – Beckenendlage 365 Autotransfusion – postpartale Blutung 37 – Schocklagerung 18 AV-Block 293 – Gradeinteilung 293 – PQ-Zeit 34 AV-Re-entry-Tachykardie 289 – Einteilung Herzrhythmusstörung 285

B Barbiturate 206 – Atemstörung 243 – Schädel-HirnTrauma 406 – Vergiftung 459

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COPD 304 druckbegrenzte 77 einfache Hilfsmittel 109 erweiterte Maßnahmen 110 – Exspiration 74 – Formen 77 – Frequenz 107 – Hypothermie 327 – Indikationen 75 – Initialeinstellung 82 – Inspiration 73 – Kapnometrie 39 – Kinder 135, 389, 391 – kontrollierte 80 – Lungenödem 307, 310 – maschinelle 79, 391 – Maske 78 – Mund-zu-Mund-Beatmung 108 – Mund-zu-Mund-undNase-Beatmung 109 – Mund-zu-Nase-Beatmung 108 – Mund-zu-Tracheostoma-Beatmung 108 – Neugeborene 141 – Notkompetenz 2 – ohne Hilfsmittel 76 – Physiologie 73 – Schädel-HirnTrauma 405 – simultane Thoraxkompression 114 – Subklaviazugang 90 – Thoraxdrainage 152 – Überdruckbeatmung 73 – volumenkontrollierte 77 – Ziele 74 – Zusammenfassung 143 Beatmungsbeutel 78 – Kinder 391 – Sauerstofftherapie 72 – Vorgehen 110 Beatmungsfrequenz – Asthmaanfall 302 – Beatmungsbeutel 111 – kardiopulmonale Reanimation 99 – Neugeborene 141 – Zusammenfassung 144 Beatmungsgerät – Einstellungen Kinder 391 – – – –

Einstellungen 111 Kinderreanimation 136 manuelles 76 maschinelles 76 Sauerstofftherapie 73 Schädel-HirnTrauma 405 Beatmungshub 107 – Beatmungsbeutel 110 – druckbegrenzter 80 – Neugeborene 142 – volumenbegrenzter 80 Beatmungsmaske 78 – Kinder 390 Beck-Trias 410 Beckenendlage 365 – Definition 365 – Untersuchung 361 Beckenfraktur – Blutverlust 419 – Lagerung 420 Beckentrauma 416 – Erstmaßnahmen 420 Beclometason, Reigasinhalation 196 Beinaheertrinken 432 Beinvenenthrombose 298 – Lungenembolie 305 – Symptomatik 299 – Therapie 299 Beißschutz 55 Belastungsreaktion, akute 350 Bellocq-Tamponade 162, 360 Bends, Dekompressionskrankheit 439 Benzodiazepine 203 – Angststörung 351 – Antagonist 209 – Antidote 452 – Atemstörung 243 – Eigenschaften 204 – Eklampsie 371, 373 – hyperthyreote Krise 316 – Hyperventilationssyndrom 352 – Indikationen 203 – Kokainvergiftung 479 – Paracetamolvergiftung 469 – Psychose 353 – Sedierung 240 – Status epilepticus 346 – – – – – –

Sachverzeichnis

Benzodiazepine Barotrauma – Asthmaanfall 302 – Überdruckbeatmung 75 Basedow-Krise 316 Basic Life Support siehe Basismaßnahmen Basilaristhrombose – Apoplex 340 – Bewusstseinsstörung 235 – neurogener Schock 264 Basismaßnahmen (Erwachsene) – Atemwege 43 – Atmung prüfen 101 – automatischer Defibrillator 102 – Beatmung 107 – Bewusstseinszustand prüfen 101 – kardiopulmonale Reanimation 99, 128, 133 – Kreislaufzeichen prüfen 101 – Laienreanimation 101 – Mund-zu-Mund-Beatmung 108 – Mund-zu-Mund-undNase-Beatmung 109 – Mund-zu-Nase-Beatmung 108 – Mund-zu-Tracheostoma-Beatmung 108 – Neugeborene 130 – Säuglinge 130 – Vorgehen 101 – Zusammenfassung 143 Basismaßnahmen (Kinder) – Beatmung 135 – Herzdruckmassage 136 – Zusammenfassung 143 Battered-Child-Syndrom 393 Bauchtrauma 414 Baxter-Formel, Verbrennung 333 Beatmung 73 – assistierte/kontrollierte 81 – Asthmaanfall 301 – Asystolie/PEA 105 – Atemwegsdruck 74 – Ausatemluft des Helfers 109 – Basismaßnahmen 107

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Sachverzeichnis

Benzodiazepine Benzodiazepine – STEMI 273 – Subarachnoidalblutung 344 – Überdosierung 204 – Wirkung 203 Benzodiazepinvergiftung 460 – Physostigmin 456 Bergen 14 Bergetuch 16 Bergungstod 327 Bewusstlosigkeit – Geschäftsführung ohne Auftrag 9 – Herzdruckmassage 111 – kardiopulmonale Reanimation 99 – Kohlenmonoxidvergiftung 486 – Leitsymptom 233 – Magensonde 157 – Nasenbluten 359 – Schwangerschaft 234 – zerebrale Hypoxie 126 Bewusstsein – Blutverlust 257 – Krampfanfälle 345 – Volumenersatztherapie 171 Bewusstsein prüfen – Basismaßnahmen 101 – Kinder 128 – neurologische Untersuchung 29 Bewusstseinsstörung – Differenzialdiagnose 235 – Hyperglykämie 315 – Hypoglykämie 317 – hypovolämischer Schock 248 – Leitsymptom 233 – Meningitis 348 – Schock 254 – Vergiftung 444 Bewusstseinstrübung – Blutzucker 36 – Dialysepatient 314 – Geschäftsführung ohne Auftrag 9 – Kopfschmerzen 223 – Schädel-HirnTrauma 404 BIG (bone injection gun) 96

Biot-Atmung 241 Biperiden – Antidote 451, 453 – Dosierung 453 – Übersicht Notfallmedikamente 495 Bittermandelgeruch 483 – Zyanidvergiftung 444 Blasenbildung – Erfrierung 329 – Vergiftung 444 Blasenkatheter 159 – Bellocq-Tamponade 16 – suprapubischer 161 – transurethraler 159 Blasenkolik 381 Blasensprung, vorzeitiger 366 Blasenverletzung 383 Blässe – arterieller Gefäßverschluss 230 – hypovolämischer Schock 248 – Inspektion 26 Blausäurevergiftung 483 Blepharospasmus 357 Blitzschlag 430 β-Blocker 182 – Antiarrhythmika 187 – Antidote 452 – Dosierung 182 – Einteilung 182 – Glaukomanfall 356 – hyperthyreote Krise 316 – Indikationen 182 – NSTEMI 269 – peripartale Kardiomyopathie 375 – Phäochromozytom 319 – Reanimation Erwachsene 119 – STEMI 273 – Wirkung 182 β-Blocker-Vergiftung 461 – Symptomatik 462 – Therapie 462 Blockungsmaterial 54 BLS (Basic Life Support) siehe Basismaßnahme Blue Bloater (COPD) 303 Blutdruck – akute Herzinsuffizienz 276

Blutverlust 257 Herzdruckmassage 111 Hypotonie 244 Kinder 385 niedriger 244 Normwerte 30 Revised Trauma Score 222 – Schwangerschaft 370 – Volumenersatztherapie 171 Blutdruckabfall – anaphylaktischer Schock 261 – Dihydralazin 180 – Hypnotika 206 – hypovolämischer Schock 248 – Neuroleptika 205 – Orciprenalin 176 – Small Volume Resuscitation 170 – Synkope 233 – Theophyllin 193 – Wirbelsäulentrauma 427 Blutdruckmessung 30 – Lungenödem 307 – manuelle 30 – oszillometrische 30 Blutdrucksenkung – Eklampsie 373 – Phäochromozytom 319 Bluterbrechen 251 Blutgasanalyse – Asthmaanfall 302 – COPD 304 – Lungenembolie 306 – Lungenödem 308 – Schwangerschaft 370 Blutstillung 248 – Gefäßverletzung 422 – Small Volume Resuscitation 258 Blutung 248 – Abdruckstelle 422 – akute 248 – anorektale 251 – Geburt 361 – intrakranielle 403 – intrazerebrale 342 – Kompression 248 – Mund und Nase 249 – Polytrauma 401 – postpartale 375 – – – – – – –

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– Neugeborene 139, 142 – Reanimation Kinder 128-129 – Schrittmacher 295 – STEMI 274 – Vergiftung 444 – Wirbelsäulentrauma 427 Bradypnoe 241 Bronchitis, chronische 303 Bronchodilatation – Asthmaanfall 301 – COPD 304 – Fenoterol 497 – Lungenödem 307 – Terbutalin 498 Bronchusruptur 414 Brustschmerz 224 – akutes Koronarsyndrom 266 – Differenzialdiagnose 225 – hypertensive Krise 278 – hypertensiver Notfall 278 – Transport 225 Budesonid – Inhalationsverätzung 490 – Reizgasinhalation 489 – Übersicht Notfallmedikamente 505 Buprenorphin 199 – Übersicht Notfallmedikamente 506 Bupropionvergiftung 458 Butylscopolamin 178 – akutes Abdomen 335 – Dosierung 178 – Gallenkolik 337 – Harnleiterkolik 382 – kolikartige Schmerzen 203 – Übersicht Notfallmedikamente 498 – urologischer Notfall 380 Butyrophenone 203 – akute dystone Reaktion 466 – Vergiftung 465

C C1-Esterase-InhibitorMangel 358 – Angioödem 359

Cabrera-Kreis 33 Cafedrin/Theodrenalin 495 CAGE (cerebrale arterielle Gasembolie), Tauchunfall 440 Caisson-Krankheit 438 Cannabis, Vergiftung 477 Carbamate, Vergiftung 481 Carbamazepin, Hämoperfusion 450 Carbo medicinalis siehe Kohle Carboxyhämoglobin – Pulsoxymetrie 37 – Reizgasinhalation 487 Cheyne-Stokes-Atmung 241 China-Restaurant-Syndrom 476 Chloralhydrat 203, 204 – Dosierung 204 – Fieberkrampf 347, 395 – Kinderdosis 392 – Krupp-Syndrom 396 – Übersicht Notfallmedikamente 498 Chlorpromazinvergiftung 465 Chokes, Dekompressionskrankheit 439 Cholezystolithiasis 336 Chvostek-Zeichen 352 Cimetidin 194 – anaphylaktischer Schock 262 – Dosierung 194 – Übersicht Notfallmedikamente 506 Ciprofloxacin, Meningitis 348 Citalopram, Vergiftung 458 CK-MB – akutes Koronarsyndrom 268 – NSTEMI 269 – STEMI 270 Clemastin 194 – anaphylaktischer Schock 262 – Angioödem 359 – Dosierung 194

Sachverzeichnis

– Schock 256 – Symptomatik 248 – Therapie 248 – Ulzera 337 – Urogenitaltrakt 252 – vaginale 252 Blutung, gastrointestinale – Formen 337 – Inspektion 338 – obere 337 – untere 339 Blutung, vaginale – Differenzialdiagnosen 252 – Insertio velamentosa 378 – postpartale 375 – Spätschwangerschaft 378 Blutverlust – Abschätzung 257 – Fraktur 419 – Geburt 361 – Gradeinteilung 257 – Kinder 393 – Schockindex 257 – vorzeitige Plazentalösung 378 Blutvolumen – Abnabeln 367 – Kinder 388 Blutzucker – Normwert 36 – Untersuchung 36 Brachialispuls – kardiopulmonale Reanimation 131 – Kinder 129 Bracht-Handgriff 365 Bradyarrhythmie – Anamnese 282 – Einteilung Herzrhythmusstörung 281 – Therapiegrundsätze 282 Bradykardie – Anamnese 282 – Atropin 178 – β-Blocker-Vergiftung 462 – Einteilung Herzrhythmusstörung 281 – Hypothermie 328 – Hypotonie 246 – Kinder 388 – Maßnahmen 292

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Clemastin – Übersicht Notfallmedikamente 506 Clomipramin, Vergiftung 457 Clonazepam – Dosierung 204 – Krampfanfälle 204 – Status epilepticus 346 – Übersicht Notfallmedikamente 505 Clonidin 181 – Dosierung 182 – hypertensive Krise 279 – Indikation 181 – Übersicht Notfallmedikamente 498 – Wirkungsmechanismus 181 Clozapin, Vergiftung 465 Cluster-Kopfschmerz 223 CMV (continuous mandatory ventilation) 80 COHb 485 Cola-Complication 41 Combitubus 65 Commotio cerebri 403 Compressio cerebri 403 Compression-onlyCPR 110 Contre-coup-Verletzung 403 Contusio cerebri 403 COPA (cuffed oropharyngeal airway) 51 COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung) 302 – Definition 302 – Dyspnoe 242 – Formen 302 – Kortikosteroide 195 – Pathophysiologie 302 – Sauerstofftherapie 73 – Symptomatik 303 – Therapie 303 Cor pulmonale, COPD 303 Coup-Verletzung 403 COX-2-Hemmer 197 CPR siehe Reanimation, kardiopulmonale Crack 477 Credé-Handgriff 375 Crush-Syndrom 429

D Dalteparin 183 Dammschnitt, mediolateraler 364 Dammschutz 363 Darmkolik, Differenzialdiagnose Harnleiterkolik 382 Defibrillation 145 – EKG-Ableitung 146 – Elektrodenplatzierung 146 – Energie 146 – Gefahren 147 – Herzschrittmacher 148 – ICD 148 – Indikationen 145 – Kinder 389 – Kinderelektroden 131 – Material 146 – Nitropflaster 148 – Notkompetenz 3 – Prinzip 145 – Reanimation Erwachsene 105, 123 – Reanimation Kinder 133 – Vorgehen 146 – Zusammenfassung 144 Defibrillator – automatischer 102, 149 – biphasischer 145 – monophasischer 145 Defibrillatorelektroden – Herzschrittmacherpatient 148 – Position 121 Dehydratation 320 – Akuttherapie 320 – antiarrhythmische Therapie 283 – Definition 320 – Hyperglykämie 315 – hypertone 321 – hypotone 321 – isotone 321 – Reperfusionstest 31 – Symptomatik 320 – Therapie 321 – Volumenersatztherapie 170 Dehydrobenzperidol 203 – Dosierung 205 – Übersicht Notfallmedikamente 508

– Vergiftung 465 Dekompressionskrankheit 438 Dekontamination, Vergiftung 446 Delir – Neuroleptika 205 – Vergiftung 444 Delta-Welle 289 Demetonvergiftung 481 Depression 349 Designerdrogen 467 Desipraminvergiftung 457 Dexamethason – anaphylaktischer Schock 196 – Asthmaanfall 301 – Atemwegsobstruktion 311 – Dekompressionskrankheit 439 – Dosierung 196 – Höhenkrankheit 442 – Schädel-HirnTrauma 406 – Übersicht Notfallmedikamente 501 Dextrane 169 – Bewertung 169 – Effekte 169 – Höchstdosis 169 – Präparate 167 DHB (Dehydrobenzperidol) 203 – akutes Abdomen 335 – Dosierung 205 – Gallenkolik 337 – NSTEMI 269 – STEMI 273 Dialyse 313 Diarrhö – Dehydratation 321 – induzierte 450 Diazepam 203 – akute Belastungsreaktion 351 – Psychose 353 – Angststörung 351 – Aortenruptur 297 – Dosierung 56, 204 – Eklampsie 371, 373 – endotracheale Intubation 56 – Fieberkrampf 347, 396 – Herzschrittmacherstimulation 152

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– Dosierung 181 – Indikationen 180 – Übersicht Notfallmedikamente 499 – Vergiftung 463 – Wirkungen 180 Dimethoat, Vergiftung 481 Dimethylaminophenol – Antidote 451,453 – Dosierung 453 – Zyanidvergiftung 484 Dimethylpolysiloxan – Antidote 451, 453 – Dosierung 453 – Schaumbildnervergiftung 476 – Übersicht Notfallmedikamente 506 Dimetinden 194 – Dosierung 194 – Übersicht Notfallmedikamente 501 Diphtherie, Infektionsschutz 216 Disopyramid, Antiarrhythmika 187 Diurese, forcierte 449 – Crush-Syndrom 429 Diuretika 192 – akute Herzinsuffizienz 276 – Dialysepatient 313 – Dosierung 192 – Hyperhydratation 321 – Indikationen 192 – peripartale Kardiomyopathie 374 4-DMAP – Antidote 451, 453 – Dosierung 453 – Übersicht Notfallmedikamente 499 – Zyanidvergiftung 484 DOB (Dimethoxybromamphetamin) 479 Dobutamin 175 – akute Herzinsuffizienz 276 – Dosierung 175 – Herzinsuffizienz Kinder 398 – Indikationen 175 – kardiogener Schock 260 – Lungenödem 308

– peripartale Kardiomyopathie 374 – peripartales Lungenödem 374 – Übersicht Notfallmedikamente 499 – Wirkungsmechanismus 175 Dokumentation 218 Dolasetron, Gallenkolik 337 Dopamin 175 – Abdominaltrauma 415 – akute Herzinsuffizienz 276 – Aortenruptur 297 – Beinaheertrinken 433 – Dosierung 175 – Fraktur 420 – Herzinsuffizienz Kinder 398 – Herzkontusion 409 – Hypothyreose 318 – hypovolämischer Schock 258 – Indikationen 175 – kardiogener Schock 260 – Lungenembolie 306 – Lungenödem 308 – Nebenniereninsuffizienz 319 – neurogener Schock 265 – Nierenverletzung 384 – peripartale Kardiomyopathie 374 – peripartales Lungenödem 374 – Polytrauma 401 – postpartale Blutung 37 – Schädel-HirnTrauma 405 – Schock 255 – STEMI 274 – Subarachnoidalblutung 344 – Übersicht Notfallmedikamente 500 – Wirbelsäulentrauma 428 – Wirkungsmechanismus 175 Doppellumentubus, ösophagotrachealer 65 Doxepinvergiftung 457 Drehleiter 6

Sachverzeichnis

Drehleiter – Hitzschlag 324 – hypertensive Krise 279 – hyperthyreote Krise 316 – Hyperventilationssyndrom 352 – Kardioversion 150 – Kinderdosis 386, 392 – Kokainvergiftung 479 – Krampfanfälle 204 – Krupp-Syndrom 396 – Lungenödem 308 – Lungenüberdrucktrauma 440 – Nikotinvergiftung 474 – Schaumbildnervergiftung 475 – Sonnenstich 325 – Status epilepticus 346 – STEMI 273 – Übersicht Notfallmedikamente 507 – Vergiftung 460 Diazetylmorphinvergiftung 467 Diclofenac 197 – Schwangerschaft 371 – Vergiftung 469 Digitalisglykoside 190 – Antiarrhythmika 187 – Antidote 452 – forcierte Diurese 449 Digitalisglykosidvergiftung 462 Digitoxin, Vergiftung 462 Digoxin 190 – Dosierung 190 – Einteilung Antiarrhythmika 284 – Indikation 190 – Übersicht Notfallmedikamente 503 – Vergiftung 462 Dihydralazin 179 – Eklampsie 373 – hypertensive Krise 279 – Indikationen 180 – Übersicht Notfallmedikamente 504 Dihydropyridine 180 – Indikationen 180 – Vergiftung 463 Diltiazem – Antiarrhythmika 187 – Anwendung 181

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Sachverzeichnis

Dreifachhandgriff Dreifachhandgriff 49 Drittelelektrolytlösung – Indikation 167 – Natriumgehalt 166 Druckinfusion 172 Druckverband 424 Duloxetinvergiftung 458 Durchblutungsstörung – myokardiale 270 – zerebrale 233 Dyspnoe – Asthmaanfall 300 – COPD 303 – Definition 241 – Differenzialdiagnosen 242 – Herzrhythmusstörung 284 – Lungenödem 307, 309

E EasyTube 65 Echokardiografie – Lungenembolie 306 – Lungenödem 308 Ecstasyvergiftung 479 – Symptomatik 479 Eigenanamnese 25 Eigengefährdung – Depression 349 – Erregung 240 – Psychose 353 – Retten 14 – Sedierung 240 Einmal-Larynxmaske 64 Einsatzgruppe, schnelle 4 Einsatzprotokoll 218 Einthoven-Ableitung 32 Eintrübung, Schädel-HirnTrauma 404 Einwilligung 8 – Geschäftsführung ohne Auftrag 9 – Sedierung 240 Eisen, Antidote 452 EKG (Elektrokardiogramm) 32 – Ableitung 32 – akutes Koronarsyndrom 266 – Asystolie 121 – Elektrolytstörungen 35 – Erregungsablauf 34 – Herzmuskelschädigung 35

Hypothermie 327 Interpretation 35 Kammerflimmern 122 12-Kanal-EKG 34 Lagetypbestimmung 34 Lungenembolie 306 Lungenödem 309 Lyse 274 Nierenversagen 312 Nulllinie 121 P-Welle 34 PQ-Zeit 34 QRS-Komplex 34 QT-Zeit 35 Reanimation Erwachsene 104, 121 – Schrittmacher 294 – Sinusbradykardie 293 – ST-Strecke 35 – Stellenwert 32 – STEMI 270-271 – T-Welle 35 – Unterkühlung 327 – Wolff-Parkinson-WhiteSyndrom 289 Eklampsie 372 Elektroden – Anordnung EKG 32 – Defibrillation 146 – Herzschrittmacher 151 – Kardioversion 150 Elektrokardiogramm siehe EKG Elektrolyte, Dehydratation 320 Elektrolytlösung 166 Elektrolytstörung – Elektrokardiogramm 35 – Herzrhythmusstörungen 280 – Torsades de pointes 291 Elektrounfall 429 – Blitzschlag 430 – Hochspannungsunfälle 430 – Niederspannungsunfälle 430 – Stromrettung 431 Embryonalperiode (Schwangerschaft) 370 EMD (elektromechanische Dissoziation) 122 – Prognose 125 Emphysem – COPD 303 – – – – – – – – – – – – – – –

– Haut 410 – Mediastinum 409, 410 Endotrachealtuben 52 – Arten 53 – Bestandteile 53 – Größen 53 – Indikationen 52 – Magill-Tubus 53 – Oxford-Tubus 53 Enoxaparin 183 – Dosierung 183 – Lungenembolie 185 – NSTEMI 269 – Übersicht Notfallmedikamente 498 Enoximon – akute Herzinsuffizienz 277 – kardiogener Schock 260 Enzephalitis 347 EPH-Gestose 372 – Bewusstseinsstörung 234 – Symptomatik 373 – Therapie 373 Epididymitis, Differenzialdiagnosen 381 Epiglottitis 394 – Differenzialdiagnosen 397 – Dyspnoe 243 – Larynxmaske 65 – paradoxe Atmung 242 – Symptomatik 394 – Therapie 395 – Ursachen Atemstillstand 98 Epinephrin – Hochdosistherapie 117 – kardiopulmonale Reanimation 117 – Kinderreanimation 136 – Krupp-Syndrom 397 Episiotomie 364 Epistaxis 249, 359 Eptifabatide, NSTEMI 270 Erbrechen – induziertes 446 – Intubation 59 – Magensonde 156 – Opioid-Analgetika 198 Erdrosseln 436 Erfrierung 328 Erhängen 436 Erholungsposition 20

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Kardioversion 150 Larynxmaske 63 Larynxtubus 68 Polytrauma 401 Schädel-HirnTrauma 405 – Übersicht Notfallmedikamente 501 Explosionsverletzung 434 Exsikkose – Bewusstseinsstörung 235 – Dehydratation 320 – Hyperglykämie 315 – Volumenersatztherapie 170 Exspiration – Beatmung 74 – endexspiratorischer Kohlendioxidpartialdruck 40 – Physiologie 73 – Spontanatmung 73 Extrasystole 280 Extrauteringravidität – Blutung 252 – Schmerzlokalisation 228 Extremitäten – Inspektion 27 – Schienung 22 – Schmerzen 229 Extremitätentrauma 416 – Amputationsverletzung 417 – Häufigkeit 399 – Luxationsverletzung 424 Exzitation – Alkoholvergiftung 470 – zentrales anticholinerges Syndrom 457 – – – – –

F Fab-Antikörper-Fragmente 462 Fachkundenachweis Rettungsdienst 2 Fasttrach-Larynxmaske 64 Faustregel – alveolärer Sauerstoffpartialdruck 71 – Digitalisintoxikation 463

– endexspiratorischer Kohlendioxidpartialdruck 40 – Guedel-Tubus 50, 390 – Infusionslösung 166 – Kühlung 127 – Medikamentendosis bei Kindern 391 – Normoventilation 82 – Notfalltherapie Kinder 388 – Tubusgröße 53 – Tubuslage bei Kindern 141 – Volumenersatztherapie 172 Faustschlag, präkordialer 114 Fehlintubation, endobronchiale 59 – Kapnometrie 41 Fehlintubation, ösophageale 59 – Folgen 59 – Kapnometrie 41 Femoralispuls, Palpation 27 Femoraliszugang 92 Fenoterol 177 – anaphylaktischer Schock 262 – Asthmaanfall 301 – COPD 304 – Dosierung 177 – Lungenödem 307, 310 – peripartales Lungenödem 374 – Tokolyse 361, 365 – Übersicht Notfallmedikamente 497, 505 – Verätzung 490 – Wehenhemmung 379 Fentanyl – Dosierung 200 – kardiogener Schock 260 – Narkose 212 – Pharmakokinetik 199 – Polytrauma 401 – Schädel-HirnTrauma 405 – Übersicht Notfallmedikamente 501 – Wirkung 198 – Wirkungsweise 199

Sachverzeichnis

Fentanyl Erkrankung – anorektale 251 – Thoraxwand 224 Eröffnungsphase (Geburt) 361 – Beckenendlage 365 Erregung 239 – Differenzialdiagnosen 239 – psychiatrischer Notfall 350 – Verwirrtheit 239 Erregungsbildungsstörung, Herzrhythmusstörung 281 Erregungsleitungsstörung, Herzrhythmusstörung 281 Erstickungs-T 35 – STEMI 271 Ertrinken 432 Ertrinkungsunfall Kinder 394 Erweiterte Maßnahmen 104 – Atemwege 50 – Beatmung 110 – Kinder 131, 135 – Material 104 – Vorgehen 104 – Zusammenfassung 144 Erwürgen 436 Erysipel 230 Escitalopramvergiftung 458 Esmarch-Handgriff 49 Esmolol 182 – Antiarrhythmika 187 – Dosierung 182 – Indikationen 182 – Übersicht Notfallmedikamente 498 – Wirkung 182 Essoufflement 438 Ethylenglykol – Hämodialyse 450 – Metabolisierung 471 Ethylenglykolvergiftung 471 Etomidate 206 – Dosierung 56, 206 – endotracheale Intubation 56 – Hypnotika 205 – kardiogener Schock 260

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Sachverzeichnis

Fentanyl-Midazolam-Kombinationsnarkose Fentanyl-Midazolam-Kombinationsnarkose 212 Fetalperiode (Schwangerschaft) 370 Fettembolie 305 Fibrinolytika 184 Fieberkrampf 345, 395 – Definition 395 – Prädilektionsalter 395 – Therapie 395 Fingerluxation 424 – Reposition 425 FiO2 71 – Initialeinstellung 83 – Oxygenierung 81 Fixationsmaterial 54 Flachlagerung 18-19 – Schock 255 Flecainid, Antiarrhythmika 187 Fliegenpilz 491 Flumazenil 209 – Antidote 451, 453 – Dosierung 209, 454 – Indikationen 209, 454 – Übersicht Notfallmedikamente 496 Flunitrazepam, Vergiftung 460 Fluoxetin, Vergiftung 458 Flüssigkeitszufuhr – kardiogener Schock 259 – Neugeborene 143 Fluvoxamin, Vergiftung 458 Fötor 28 Fraktur 418 – Blutverlust 419 – Einteilung 418 – Reposition 420 – Symptomatik 418 – Therapie 419 Frakturzeichen 418 Freihalten der Atemwege 48 – Esmarch-Handgriff 49 – HTCL-Manöver 48 – Kopfreklination 48 – Seitenlage 48 – Wendl-Tubus 52 Freimachen der Atemwege – Erwachsene 43 – Fremdkörper im Mund 45 – Heimlich-Manöver 45

– Oberbauchkompression 45 – Schläge auf den Rücken 45 – Thoraxkompression 46 Fremdanamnese 25 Fremdgefährdung – Depression 349 – Erregung 240 – Sedierung 240 – Zwangseinweisung 10 Fremdkörper – Auge 357 – Freimachen des Mundes 45 – Kinder 133 – paradoxe Atmung 242 Fremdkörperaspiration – Differenzialdiagnosen 397 – Dyspnoe 243 – Schläge auf den Rücken 45 – Ursachen Atemstillstand 98 Fremdkörperembolie 305 Frequenzinotropie 139 Frisco speed ball 467 Fruchtwasserembolie 305 Frühgeborene – Definition 385 – Normwerte 386 – Tubusgröße 390 Führungsstab 54 Füllungszeit, kapilläre, Extremitätenschmerz 229 Furosemid 192 – akute Herzinsuffizienz 276 – Dialysepatient 313 – Dosierung 192 – forcierte Diurese 449 – Herzinsuffizienz Kinder 398 – Hyperhydratation 321 – hypertensive Krise 279 – Indikationen 192 – kardiogener Schock 260 – Lungenödem 308 – Nierenversagen 312 – peripartale Kardiomyopathie 374 – peripartales Lungenödem 374

– Übersicht Notfallmedikamente 503 – Wirkung 192 Fußrückenvene, Zugang 86

G Gallenkolik 336 – Differenzialdiagnose Harnleiterkolik 382 – Symptomatik 336 – Therapie 337 Gammahydroxybuttersäurevergiftung 480 Gasbrand, Symptomatik 230 Gastroenteritis 216 Gastrointestinalblutung, obere 249 GCS (Glasgow-ComaScale) 218 – Kinder 394 – Revised Trauma Score 222 – Schädel-HirnTrauma 401 Geburt 361 – Abnabeln 364 – Dammschnitt 364 – Episiotomie 364 – Instrumentarium 362 – Leopold-Handgriffe 362 – normale 363 – pathologische 365 – Phasen 361 – Schulterentwicklung 364 Gefäßnotfälle 266 Gefäßpunktion 84 Gefäßverletzung 421 – Abdruckstelle 422 – Druckverband 424 Gefäßverschluss – arterieller 298 – venöser 298 Gegenpulsation, intermittierende abdominale 115 Gehirnerschütterung 403 Gehirnprellung 403 Gehirnquetschung 403 Gelatine 169 – Bewertung 169 – Präparate 167

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Herzkontusion 409 hypertensive Krise 279 Indikationen 179 kardiogener Schock 260 kolikartige Schmerzen 203 – Lungenödem 308 – NSTEMI 269 – Ösophagusvarizenblutung 339 – peripartales Lungenödem 374 – Phäochromozytom 319 – STEMI 270, 273 – Übersicht Notfallmedikamente 504 – urologischer Notfall 380 – Wirkung 179 Goldberger-Ableitung 33 GPIIb/IIIa-Antagonisten, NSTEMI 270 Grand mal 345 Großschadensereignis 7 – Charakteristika 7 – Definition 7 – leitender Notarzt 3 – schnelle Einsatzgruppe 4 Guedel-Tubus 50 – COPA 51 – Einführen 50, 390 – Faustregel – – – – –

H H1-Antagonisten 194 – anaphylaktischer Schock 262 – Dosierung 194 H2-Antagonisten 194 – anaphylaktischer Schock 262 – Dosierung 194 HACE (High Altitude Cerebral Edema) 441 HAES 168 – akutes Abdomen 335 – Aortenruptur 297 – Arterienverschluss 298 – Bewertung 169 – Effekte 168 – Höchstdosis 169 – Hörsturz 360 – hypovolämischer Schock 258 – Präparate 167

Halbelektrolytlösung – Indikation 167 – Natriumgehalt 166 Halbseitensymptomatik 238 Halluzinationen – Ketamin 201 – psychiatrischer Notfall 349 – Schizophrenie 352 – Verwirrtheit 239 Halluzinogene – Pilzvergiftung 491 – Vergiftung 477 Haloperidol 203 – Psychose 353 – akutes Abdomen 335 – Dosierung 205 – Gallenkolik 337 – Nikotinvergiftung 474 – NSTEMI 269 – Sedierung 240 – STEMI 273 – Übersicht Notfallmedikamente 501 – Vergiftung 465 – Wirkung 204 Halskrause 23 Halsverletzung 406 Halswirbelsäule – HTCL-Manöver 49 – Integralhelm abnehmen 44 – Luxation 424 – Nackenschmerzen 231 – Schienung 23 – Trauma 426 Hämatemesis 249 – gastrointestinale Blutung 338 – Methylxanthinvergiftung 464 Hämatokrit – Dehydratation 320 – Hyperhydratation 321 – Schwangerschaft 370 Hämatopneumothorax 411 – Definition 411 – Schock 257 – Thoraxdrainage 152, 413 Hämatothorax – Definition 411 – Thoraxdrainage 413

Sachverzeichnis

Hämatothorax Geschäftsführung ohne Auftrag 9 Gesichtsschädelverletzung 406 – Häufigkeit 399 Gewebsschädigung, Verbrennung 329 Giemen – Asthmaanfall 300 – exspiratorisches 27 – inspiratorisches 27 Gift – Antidote 450 – Aufnahme 443 – Elimination 446 – Stoffe 443 – tierisches 493 Giftelimination 446 – Klinik 450 – primäre 446 – sekundäre 446 – tierische Gifte 494 Giftinformationszentralen, Adressen 508 Giftresorption – Kohle 448 – Magenspülung 448 Glasgow-Coma-Scale 218 – Kinder 394 – Revised Trauma Score 222 – Schädel-HirnTrauma 401 Glaukomanfall 356 Globalinsuffizienz 241 Glottisödem 358 Glukagon, β-Blocker-Vergiftung 461 Glukose – Amiodaron 119 – Hypoglykämie 317 – Infusionslösung 166 – Kinderreanimation 138 Glukoselösung 166 – Indikation 167 – Verteilung 167 Glyceroltrinitrat 179 – akute Herzinsuffizienz 276 – Aortenruptur 297 – Dosierung 179 – Gallenkolik 337 – Harnleiterkolik 382 – Herzinsuffizienz Kinder 398

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Sachverzeichnis

Hämodialyse bei Vergiftung Hämodialyse bei Vergiftung 450 Hämoglobin – desoxygeniertes 37 – funktionelles 37 – oxygeniertes 37 – partielle Sauerstoffsättigung 37 – Pulsoxymetrie 37 Hämoperfusion bei Vergiftung 450 Hämoptoe 249 Hämoptyse 249 HAPE (high altitude pumonary edema) 441 Harnabgang, blutiger 252 Harnblasenkatheter 159 – Bellocq-Tamponade 16 – suprapubischer 161 – transurethraler 159 Harnleiterkolik 381 Harnröhrenblutung 252 Harnröhrenruptur 383 Harnverhalt 380 Haut – akute Herzinsuffizienz 276 – Bewusstseinsstörung 234 – β-Blocker-Vergiftung 462 – Extremitätenschmerz 229 – Kohlenmonoxidvergiftung 444 – peripherer Arterienverschluss 298 – Schock 254 – septischer Schock 264 – Verätzung 490 – zentrales anticholinerges Syndrom 457 Hautemphysem 410 HBO (hyperbare Oxygenierung) 439 Heimlich-Manöver – Erwachsene 45 – Kinder 134 1-Helfer-Reanimation 99 2-Helfer-Reanimation 99 HELLP-Syndrom 372 – Oberbauchschmerz 227 Hemiparese 238 Hemiplegie 238 Heparin 183

Arterienverschluss 298 Dosierung 183 Indikationen 183 Lungenembolie 185, 306 – niedermolekulares 183 – NSTEMI 269 – Präparate 183 – STEMI 273 – Übersicht Notfallmedikamente 503 – unfraktioniertes 183 – Venenverschluss 299 – Wirkungsmechanismus 183 Hepatitis B 215 Hepatitis C 215 Herbizidvergiftung – forcierte Diurese 449 – Sauerstofftherapie 72 Herz – Auskultation 28 – Notfälle 266 Herz-Kreislauf-Stillstand – Notkompetenz 2 – primärer 98 – sekundärer 98 – Ursachen 98 Herzachse, elektrische 34 Herzbeuteltamponade 410 – kardiopulmonale Reanimation 107 – Perikardpunktion 155 – pulslose elektrische Aktivität 122 – Thoraxtrauma 409 Herzdruckmassage (Erwachsene) 111 – Alternativen 113 – Fehler 113 – Komplikationen 113 – offene 116 – Vorgehen 112 – Wirkmechanismen 111 – Zusammenfassung 143 Herzdruckmassage (Kinder) 136 – Basismaßnahmen 129 – Bradykardie 129 – 2-Daumen-Methode 136 – 2-Finger-Methode 136 – Technik 130, 136 – Zusammenfassung 143 – – – –

Herzdruckmassage (Neugeborene) – Technik 130 – Überblick 142 Herzdruckmassage (Säuglinge), Technik 130 Herzenzyme – akutes Koronarsyndrom 267 – NSTEMI 269 Herzfrequenz – Asthmaanfall 300 – Atropin 178 – β-Blocker 182 – Blutverlust 257 – Herzzeitvolumen bei Säuglingen 128 – Kinder 385 – Neugeborene 139 – Schwangerschaft 370 – Volumenersatztherapie 171 Herzgeräusche 28 Herzinfarkt siehe Myokardinfarkt Herzinsuffizienz, akute 275 – Definition 275 – Herzkontusion 409 – Kinder 397 – Pathophysiologie 275 – Symptomatik 276 – Therapie 276 – Ursachen 275 Herzklappenfehler – peripartales Lungenödem 374 – Schock 259 Herzkontusion 409 – Schock 259 Herzrhythmusstörung 28 – Anamnese 282 – Einteilung 281 – Elektrounfall 431 – Entstehungsmechanismus 281 – Extrasystolen 280 – ICD-Patient 295 – Reperfusion bei Lyse 275 – Schrittmacher 294 – supraventrikuläre 288 – Therapie 282 – Ursachen 280 – vagale Stimulation 283

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Hitzschlag 323 HIV-Infektion 215 Hochdrucklungenödem 307 Hochspannungsunfall 430 Hodenquetschung 383 Hodentorsion 381 – Schmerzlokalisation 227 Höhenhirnödem 441 Höhenkrankheit 441 Höhenlungenödem 441 Homann-Zeichen 299 Hörsturz 360 HTCL-Manöver 48 Hüftgelenksluxation 424 – Reposition 425 Humanalbumin 167 Hunt-Hess-Einteilung 343 Hustenreanimation 117 HWS-Verletzung, Beinaheertrinken 433 Hydatidentorsion 381 Hydrokortison, Nebenniereninsuffizienz 319 Hydroxocobalamin – Antidote 451, 484 – Zyanidvergiftung 484 Hydroxyaethylstärke 168 – Arterienverschluss 298 – Bewertung 169 – Effekte 168 – Höchstdosis 169 – neurogener Schock 265 – Präparate 167 Hygienemaßnahmen 214 Hyperglykämie 36, 315 – leichte 36 – schwere 36 – Symptomatik 315 – Therapie 315 HyperHAES 169 – Schock 256 – Small Volume Resuscitation 258 Hyperhydratation 320 – Definition 320 – Formen 322 – hypertone 322 – hypotone 322 – isotone 322 Hyperkaliämie – Dialyse 313 – EKG-Veränderung 35 – Hyperventilation 82

– kardiopulmonale Reanimation 107 – Nierenversagen 312 – Puffersubstanzen bei Reanimation 120 – T-Welle 35 Hyperkalzämie – EKG-Veränderung 35 – QT-Zeit 35 Hyperkapnie – COPD 303 – Hypoventilation 82 – Lungenembolie 305 – permissive 82 Hypertensive Krise 277 – Defintion 277 – Schwangerschaft 279 – Symptomatik 277 – Therapie 279 – Ursachen 277 Hypertensiver Notfall 277 – Definition 277 – Symptomatik 277 – Therapie 279 – Ursachen 277 Hyperthermie – antiarrhythmische Therapie 283 – Hitzschlag 323 – malignes neuroleptisches Syndrom 466 – Vergiftung 444 Hyperthyreose – Exazerbation 316 – Extrasystolen 280 Hypertonie – Aortenruptur 297 – Definition 277 – Dialyse 313 – Elektrounfall 431 – Vergiftung 444 Hyperventilation 82 – Definition 241 – kontrollierte 82 – Schädel-HirnTrauma 406 – Schwangerschaft 370 – Steuerung durch Kapnometrie 41 – Vergiftung 444, 449 Hyperventilationssyndrom 351 – Dyspnoe 243 Hypervolämie – Hyperhydratation 320 – Nierenversagen 312

Sachverzeichnis

Herzrhythmusstörung, bradykarde 291 – Anamnese 282 – AV-Block 293 – langsamer Knotenrhythmus 293 – Maßnahmen 292 – Pathophysiologie 291 – Sinusbradykardie 293 – Ursachen 291 Herzrhythmusstörung, tachykarde 284 – breite Kammerkomplexe 285 – Einteilung 285 – schmale Kammerkomplexe 285 – Symptomatik 284 – therapeutische Grundsätze 285 – Therapiegerundsätze 283 – Ursachen 284 Herzschrittmacher, temporärer 151 – Analgosedierung 152 – Defibrillation 148 – Elektrodenplatzierung 151 – Indikationen 151 – transkutaner 151 – transösophagealer 151 Herzschrittmachertherapie 123 Herztöne 28 Hibler-Packung 327 Hilfe holen 102 Hinterwandinfarkt 271 Hippokrates-Reposition 425 Hirnabszess, Halbseitenlähmung 239 Hirnstammblutung 342 Hirntod, Feststellung 10 Hirntumor – Halbseitenlähmung 239 – Kopfschmerzen 224 Hitzeerschöpfung 324 – Definition 323 Hitzekrampf 325 – Definition 323 Hitzenotfall 323 Hitzeohnmacht 325 – Definition 323 Hitzesynkope 325

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Sachverzeichnis

Hypnomidate, endotracheale Intubation Hypnomidate, endotracheale Intubation 56 Hypnotika – Asthma 206 – Blutdruckabfall 206 – Injektion 205 Hypoglykämie 36, 317 – Bewusstseinsstörung 235 – Symptomatik 317 – Therapie 317 – Ursachen 317 Hypokaliämie – Antiarrhythmika 188 – antiarrhythmische Therapie 282 – EKG-Veränderung 35 – Hyperventilation 82 – kardiopulmonale Reanimation 107 – T-Welle 35 Hypokalzämie – EKG-Veränderung 35 – QT-Zeit 35 Hypokapnie – Hyperventilation 82 – Lungenembolie 305 Hypomagnesiämie – Antiarrhythmika 188 – antiarrhythmische Therapie 282 – kardiopulmonale Reanimation 107 Hypothermie 325 – antiarrhythmische Therapie 283 – EKG 327 – Hypothyreose 318 – kardiopulmonale Reanimation 107 – Körpertemperatur 326 – Kreislauftherapie 327 – leichte 326 – mäßige 326 – Reanimation 124 – Scheintod 326 – tiefe 326 – Vergiftung 444 – Wiederbelebungszeit 97 – Wiedererwärmung 326 – Zerebroprotektion 126 Hypothyreose – Dekompensation 318 – Therapie 318

Hypotonie 244 – β-Blocker-Vergiftung 462 – Aortenruptur 297 – Definition 244 – Differenzialdiagnosen 245 – Elektrounfall 431 – Herzinsuffizienz 246 – Herzrhythmusstörung 284 – Lungenembolie 305 – Methylxanthinvergiftung 464 – Symptomatik 244 – Ursachen 245 – Vergiftung 444 Hypoventilation 82 – COPD 304 – Steuerung durch Kapnometrie 41 – Vergiftung 444 Hypoventilationssyndrom, Atemstörung 243 Hypovolämie – antiarrhythmische Therapie 283 – Dehydratation 320 – kardiopulmonale Reanimation 106 – Nierenversagen 312 – Reanimation bei Polytrauma 124 Hypoxämie – antiarrhythmische Therapie 282 – Sauerstofftherapie 71 Hypoxie – antiarrhythmische Therapie 282 – Beinaheertrinken 432 – COPD 303 – Höhenkrankheit 441 – Oxygenierung 81 – Pulsoxymetrie 38 – Reanimation bei Polytrauma 124 – Sauerstofftherapie 71 – zerebrale 126 Hypoxygenation – Pulsoxymetrie 38 – Sauerstofftherapie 71

I IABP (intraaortale BallonGegenpulsation) 277 Ibuprofen 197 – Schwangerschaft 371 – Vergiftung 469 ICD (implantable cardioverter defibrillator) – Defibrillation 148 – Herzrhythmusstörungen 295 – Position 295 – Störungen 295 Ich-Störung 352 ILMA (intubating laryngeal mask) 64 Imipramin, Vergiftung 457 Impedanzerhöhung, inspiratorische 116 Indometacin 197 – Vergiftung 469 Infektionserkrankung, Vorgehen 215 Infektionsrisiko – Kategorien 214 – praktisches Vorgehen 215 Infrarotabsorptionskapnometer 39 Infusionslösung 165 – alkalisierende 165 – elektrolythaltige 166 – Faustregel 166 – hyperonkotische 168 – Indikationen 165 – isoonkotische 168 – kolloidale 165, 167 – kristalloide 165, 166 – Volumenersatzlösung 170 Infusionstherapie – Abdominaltrauma 415 – akutes Abdomen 335 – Aortenverletzung 414 – Beinaheertrinken 433 – Eklampsie 373 – Elektrounfall 432 – Gesichtsschädelverletzung 407 – Hitzeerschöpfung 324 – Hitzeohnmacht 325 – Hitzschlag 324 – Hypothermie 328

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Insult, apoplektischer 340 – Therapie 341 – Ursachen 340 Integralhelm abnehmen 43 Intoxikation siehe Vergiftung intubating laryngeal mask 64 Intubation – Asthmaanfall 301 – COPD 304 – Explosionsverletzung 434 – Gesichtsschädelverletzung 407 – Hypothermie 327 – intrazerebrale Blutung 343 – Lungenödem 307, 310 – Schwangerschaft 377 – SHT Kinder 393 Intubation, endotracheale 55 – Absaugvorrichtung 55 – Beißschutz 55 – blinde 55, 57 – Blockungsmaterial 54 – Fixationsmaterial 54 – Führungsstab 54 – Kapnometrie 39, 41 – Kinder 135 – Komplikationen 59 – Laryngoskop 54 – Magill-Zange 54 – Medikamente 55 – Muskelrelaxanzien 55 – nasotracheale 55, 57 – Neugeborene 141 – Notkompetenz 2 – orotracheale 55, 57 – Polytrauma 400 – schwierige 60 – translaryngeale 55 – transtracheale 55, 59 – Zubehör 54 Intubationszange 54 Invagination, Schmerzlokalisation 227 Ipecacuanha-Sirup 447 – Dosierung 447 – Nikotinvergiftung 474 – Übersicht Notfallmedikamente 504 Ipratropiumbromid, COPD 304

IRV (inverse ratio ventilation) 77 Isosorbiddinitrat 179 – Indikationen 179 – Übersicht Notfallmedikamente 502 – Wirkung 179 Isoxazole 491

Sachverzeichnis

Kammerflimmern Infusionslösungen 165 Kinder 391 Nierenverletzung 384 Notkompetenz 2 Polytrauma 400 Schädel-HirnTrauma 405 – Sonnenstich 325 – Thoraxtrauma 408 – Unterkühlung 125 – Volumenersatztherapie 170 – Wirbelsäulentrauma 427 Injektionshypnotika 205 Innenohrschwerhörigkeit 360 Insektizidvergiftung 481 – Antidote 452 – Atropin 453 – Obidoxim 455 – Symptomatik 482 – Therapie 482 Insertio velamentosa 378 Insolation 323 Inspektion 26 – allgemeine 26 – Atemstörung 241 – Ausscheidung 26 – Extremitäten 27 – gastrointestinale Blutung 338 – Hypotonie 244 – Kopf 27 – Körperhaltung 26 – Motorik 26 – Pupillen 26 – spezielle 26 – Thoraxbewegung 26 Inspiration – Beatmung 73 – endexspiratorischer Kohlendioxidpartialdruck 40 – maschinelle Beatmung 79-80 – Physiologie 73 – Spontanatmung 73 Insuffizienz – globale 241 – kardiale 275 – respiratorische 241 Insulin – Hyperglykämie 315 – Hypoglykämie 317 – – – – – –

J Jugularis-externa-Zugang 93 Jugularis-interna-Zugang 91

K Kalium bei Hyperglykämie 316 Kaliumkanalblocker 187 Kalzium 191 – Antidote 451 – β-Blocker-Vergiftung 461 – Dosierung 192 – Hyperventilationssyndrom 352 – Indikationen 191 – Reanimation Erwachsene 121 – Übersicht Notfallmedikamente 502 – Wirkung 191 – Wirkungsmechanismus 191 Kalziumchlorid 191 – Asystolie/PEA 106 – Dosierung 192 – Reanimation Erwachsene 121 – Reanimation Kinder 138 Kalziumkanalblocker 180, 187 – Antidote bei Vergiftung 452 – Dosierung 181 – Indikationen 180 – kardioselektive 180 – vasoselektive 180 – Vergiftung 463 – Wirkung 180 Kammerflattern 291 Kammerflimmern – automatischer Defibrillator 103 527

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Sachverzeichnis

Kammerflimmern Kammerflimmern – Defibrillation 145 – defibrillationsresistentes 119 – Elektrounfall 431 – ICD-Patient 296 – Kardioversion 145 – Niederspannungsunfall 430 – primäres 122 – Prognose 125 – Reanimation Erwachsene 122 – Reanimation Kinder 133 – rezidivierendes 119 – Schrittmacherpatient 295 – sekundäres 122 – STEMI 272 – Unterkühlung 327 – Vasopressin 118 – Vorgehen 105 Kammertachykardie 122 – pulslose 291 12-Kanal-EKG 34 Kapnografie 39 Kapnometrie 39 – Beatmung 39, 41 – Durchführung 41 – Einsatzgebiete 39 – Hauptstromverfahren 39 – Intubation 39 – Messverfahren 39 – Nebenstromverfahren 39 – Stellenwert 39 Kardiomyopathie, peripartale 374 Kardioversion, elektrische 145, 149 – Analgosedierung 150 – Definition 149 – Elektrodenplatzierung 150 – Energie 150 – externe 149 – Gefahren 150 – Indikationen 149 – interne 149 – Kammerflimmern 145 – Vorgehen 150 Kardioversion, medikamentöse 149

Karotispuls – Herzdruckmassage 111 – kardiopulmonale Reanimation 131 – Palpation 27 Karotissinusmassage 283 Karpfenmaul 352 Katastrophe 7 Katatonie 352 Katecholamine 173 – Abdominaltrauma 415 – akute Herzinsuffizienz 276 – Beinaheertrinken 433 – β-Blocker-Vergiftung 461 – Dekompressionskrankheit 439 – Elektrounfall 432 – Fraktur 420 – Herzinsuffizienz Kinder 398 – Herzkontusion 409 – Hypothyreose 318 – hypovolämischer Schock 258 – Indikationen 173 – Insektizidvergiftung 482 – kardiogener Schock 260 – Lungenembolie 306 – Lungenödem 308 – neurogener Schock 265 – Nierenverletzung 384 – peripartales Lungenödem 374 – Polytrauma 401 – postpartale Blutung 37 – Rezeptoraktivität 173 – Schädel-HirnTrauma 405 – Schock 255 – Sepsis 263 – Subarachnoidalblutung 344 – Thoraxtrauma 408 – Wirbelsäulentrauma 428 KED-System 16 Keime, multiresistente 216 Kendrick-Extrication-Device 16 Kernzone 340 Ketamin 200

Analgesie 202 Applikationsweg 163 Asthma 201 Dosierung 56, 202 endotracheale Intubation 56 – Halluzinationen 201 – Hypnotika 205 – hypovolämischer Schock 258 – Indikationen 200 – KHK 201 – Kinderdosis 392 – Luxationsverletzung 425 – Narkose 212 – Pharmakokinetik 201 – Polytrauma 401 – Schädel-HirnTrauma 201, 405 – Trauma 201 – Übersicht Notfallmedikamente 502 Ketamin-BenzodiazepinKombinationsnarkose 212 Kinder – Abdominaltrauma 393 – Altersbezeichnung 385 – Atemwege 385 – Beatmung 389, 391 – Blutverlust 393 – Blutvolumen 388 – Ertrinkungsunfall 394 – Herzdruckmassage 130 – Herzzeitvolumen 388 – Infusionstherapie 391 – kardiopulmonale Reanimation 128 – Medikamente 391 – Medikamentenbedarf 128 – Medikamentendosis 388 – Normwerte 385 – Notfälle 385 – physiologische Besonderheit 385 – Polytrauma 394 – Schädel-HirnTrauma 393 – Temperaturregulation 388 – Thoraxtrauma 393 – traumatologische Notfälle 393

– – – – –

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– urologischer Notfall 380 Kolloide 167 Koma – Definition 233 – hyperglykämisches hyperosmolares 317 – hyperglykämisches ketoazidotisches 317 – hyperosmolares 315 – hypoglykämisches 317 – Hypothyreose 318 – ketoazidotisches 315 – Kohlenmonoxidvergiftung 486 – Kußmaul-Atmung 241 – Vergiftung 444 Kombitubus 65 Kompartmentsyndrom 230 – Crush-Syndrom 429 Kompressionssyndrom, aortokavales 372 Koniotomie 68 – Bewertung 71 – Gesichtsschädelverletzung 407 – Indikation 68 – Komplikationen 71 – Minitrach-Besteck 70 – Vorgehen 68 Kopf, Inspektion 27 Kopfhochlagerung 18 Kopfschmerzen 223 – Bewusstseinstrübung 223 – Cluster-Kopfschmerz 223 – Hirntumor 224 – Höhenkrankheit 441 – hypertensive Krise 278 – Kinder 223 – Migräne 223 – Ursachen 224 Koronarintervention, perkutane 274 Koronarsyndrom, akutes 266 – Differenzialdiagnosen 268 – Leitsymptom 266 – Sofortmaßnahmen 266 – Therapie 268 Körpertemperatur – Kammerflimmern 125 – Sepsis 263

– Todeszeitpunkt 12 – Unterkühlung 326 – Wiederbelebungszeit 97 Körperverletzung, Einwilligung 9 Kortikosteroide 194 – anaphylaktischer Schock 262 – anaphylaktoider Schock 195 – Angioödem 359 – Asthmaanfall 195, 301 – Atemwegsobstruktion 311 – COPD 195, 304 – Dekompressionskrankheit 439 – Dosierung 196 – Höhenkrankheit 442 – hyperthyreote Krise 316 – Indikationen 195 – Krupp-Syndrom 397 – Reizgasinhalation 489 – Schädel-HirnTrauma 406 – Substanzen 194 – tierische Gifte 494 – Verätzung 490 – Wirbelsäulentrauma 428 – Wirkungsmechanismen 195 Krampfanfall 344 – epileptischer 344 – Fieber 395, 345 – Formen 345 – Gasembolie 440 – Grand mal 345 – hypoglykämischer 345 – Petit mal 345 – Schwangerschaft 234, 345 Krankentransportwagen 4 Kreislaufdepression – Apomorphin 447 – Hypnotika 206 Kreislaufstabilisierung – Abdominaltrauma 415 – Beinaheertrinken 433 – β-Blocker-Vergiftung 462 – Digitalisglykosidvergiftung 463

Sachverzeichnis

Kreislaufstabilisierung Tubusgröße 388 Venenpunktion 389 Wärmeverlust 388 Wasserhaushalt 388 Wirbelsäulentrauma 393 Kindesmisshandlung 393 – Crush-Syndrom 429 Kindstod, plötzlicher 398 Klasse-I-Antiarrhythmika 187, 188 Klasse-II-Antiarrhythmika 187, 189 Klasse-III-Antiarrhythmika 187, 189 Klasse-IV-Antiarrhythmika 187, 190 Kleiderschere 26 Kniegelenksluxation 424 Knochenmarkpunktion 95 Knollenblätterpilz 491 Knotenrhythmus, langsamer 293 KO-Tropfen 481 Kochsalzlösung, physiologische 166 Kohle 448 – Antidote 448 – Dosierung 449 – tierische Gifte 494 – Übersicht Notfallmedikamente 502 Kohlendioxidkonzentration, Kapnometrie 39 Kohlendioxidpartialdruck, endexspiratorischer – Kapnometrie 39 – Veränderung 40 Kohlendioxidvergiftung, Tauchunfall 438 Kohlenmonoxidvergiftung 485 – Antidote 452 – Tauchunfall 438 Kohlenwasserstoffe, chlorierte 474 Kokainvergiftung 477 Kolik – ableitende Harnwege 381 – Differenzialdiagnose akutes Abdomen 228 – Gallenwege 336 – Leitsymptome akutes Abdomen 226 – – – – –

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Sachverzeichnis

Kreislaufstabilisierung – Elektrounfall 432 – Explosionsverletzung 434 – Fraktur 419 – Gefäßverletzung 423 – Kalziumkanalblockervergiftung 464 – Methylxanthinvergiftung 465 – Paracetamolvergiftung 469 – Polytrauma 400 – Schädel-HirnTrauma 405 – Subarachnoidalblutung 344 – Thoraxtrauma 408 – Wirbelsäulentrauma 427 Kreislaufstillstand – Karotispuls 27 – Kinder 128 Kreislaufzeichen prüfen – Basismaßnahmen 101 – Indikation Herzdruckmassage 111 Krise – hypertensive 277 – hyperthyreote 316 – thyreotoxische 316 Krupp-Syndrom 396 – Differenzialdiagnosen 396 – Prädilektionsalter 396 – Stadieneinteilung 396 – Therapie 396 KTW (Krankentransportwagen) 4 Kubitalvene, Zugang 86 Kußmaul-Atmung 241 – diabetisches Koma 317 – Nierenversagen 312

L Lagerung 17 – Abdominaltrauma 416 – akute Herzinsuffizienz 276 – akutes Abdomen 335 – Apoplex 341 – Arten 19 – Asthmaanfall 301 – Elektrounfall 432 – flache 18 – Geburt 365

halbsitzende 18-19 Hitzeerschöpfung 324 Hitzeohnmacht 325 Hitzschlag 324 Lungenödem 307 Nasenbluten 359 Neugeborene 139 Polytrauma 401 Querlage 366 Rückenlagerung 17 Schädel-HirnTrauma 405 – Schock 18, 255 – Seitenlagerung 20 – sitzende 19 – Sonnenstich 325 – Subarachnoidalblutung 344 – Thoraxtrauma 408 Lagetypbestimmung, EKG 34 Laienreanimation 101 Lampenölvergiftung 475 Laryngoskop 54 Laryngoskopie – Combitubus 65 – direkte 55 – Larynxtubus 67 Larynxmaske 61 – Bewertung 64 – Größen 61 – Hypnotika 63 – Indikation 61 – Kinder 390 – Komplikationen 64 – Platzierung 63 – Varianten 64 – Vorgehen 62 Larynxödem 358 – Dyspnoe 243 Larynxtubus 67 – Bewertung 68 – Blocken 67 – Größen 67 – Narkoseinleitung 68 – Vorgehen 68 Laugenverätzung 489 Leberdialyse 336 Leberruptur 414 Leberversagen, akutes 335 – Crush-Syndrom 429 Leberzirrhose, anorektale Blutung 251 Leichenfäulnis 11 Leichenschau 10 – – – – – – – – – – –

Leichenschauschein 10 Leistenhernie, Schmerzlokalisation 227 Leitender Notarzt 3 Leopold-Handgriffe 362 Leriche-Syndrom 298 Leukozytose, Schwangerschaft 370 Levomepromazin 203 – Dosierung 205 – Übersicht Notfallmedikamente 504 – Wirkung 204 Levosimendan – akute Herzinsuffizienz 277 – kardiogener Schock 260 Lidocain 188 – Antiarrhythmika 187 – Blepharospasmus 357 – Dosierung 189 – Einteilung Antiarrhythmika 284 – Indikation 188 – Kinderdosis 392 – Reanimation Erwachsene 119 – Übersicht Notfallmedikamente 508 – ventrikuläre Tachykardie 290 Life-Stick 115 Linksherzinsuffizienz, akute 275 Linksschenkelblock, QRSKomplex 34 Linton-Nachlas-Sonde 159 Liquid-Ecstasy-Vergiftung 480 Lithium, Hämodialyse 450 load and go 1 Lorazepam – Psychose 353 – Status epilepticus 346 Löschfahrzeug 6 Lösung – kolloidale 172 – kristalloide 171 Lösungsmittelvergiftung 474-475 Luftembolie 305 – Placenta praevia 378 Luftkammerschiene 22 Lunge – Notfälle 300 – stumme 301

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M Macintosh-Spatel 54 Magensonde 156

– Gefahren 156 – Indikationen 156 – Kontraindikationen 156 – Material 156 – Vorgehen 157 Magenspülung 448 Magenüberdehnung – Maskenbeatmung 79 – Neugeborenenbeatmung 142 Magill-Tubus 53 Magill-Zange – Fremdkörperextraktion 45 – Intubation 54 Magnesium – Antiarrhythmika 187, 191 – Dosierung 191 – Einteilung Antiarrhythmika 284 – Eklampsie 371, 373 – Krampfanfall in der Schwangerschaft 347 – STEMI 274 – Torsades de pointes 291 – Übersicht Notfallmedikamente 499 Mallory-Weiss-Syndrom 337 Manie 352 ManV (Massenanfall von Verletzten) 6 – leitender Notarzt 4 – Retten 14 Maprotilinvergiftung 457 MARS (molecular adsorbent recirculating system) 336 Masern, Infektionsschutz 216 Maskenbeatmung 78 – Aspiration 79 – Indikationen 78 – Material 78 – Risiken 79 – Vorgehen 78 Massenanfall von Verletzten 6 – leitender Notarzt 4 – Retten 14 MBDB (Methylbenzodioxolbutanamin) 479 MDA (Methylendioxyamphetamin) 479

MDEA (Methylendioxyethylamphetamin) 479 MDMA (Methylendioxymethamphetamin) 479 Mediastinalemphysem 410 Mediastinitis, Rückenschmerzen 232 Mediastinotomie, kollare 153 Medikamente – alkalisierende 186 – anaphylaktischer Schock 261 – Antiarrhythmika 187 – Antikoagulanzien 183 – Applikationswege 163 – Atemstörung 243 – Atmung 164 – endotracheale Intubation 55 – Fibrinolytika 184 – Herz-Kreislauf-System 164 – Kaliumkanalblocker 187 – Kalzium 191 – Kalziumkanalblocker 187 – Katecholamine 173 – Kinder 391 – Kinderreanimation 136 – meist verwendete 165 – Natriumkanalblocker 187 – Nervensystem 164 – Neugeborenenreanimation 142 – Notfall 163, 495 – Parasympatholytika 178 – Sympatholytika 179 – Sympathomimetika 173 – Thrombozytenaggregationshemmer 183 – Vasodilatator 179 – Zerebroprotektion 126 Meläna, gastrointestinale Blutung 338-339 Meningismus – Sonnenstich 324 – Subarachnoidalblutung 235, 343 Meningitis 347

Sachverzeichnis

Lungen-Tuberkulose 216 Lungenembolie 305 – antiarrhythmische Therapie 283 – Definition 305 – Dyspnoe 243 – Fibrinolytika 184 – kardiopulmonale Reanimation 107 – Lyse 306 – pulslose elektrische Aktivität 122 – rt-PA 186, 495 – Schweregrade 305 – Streptokinase 185 – Symptomatik 305 – Therapie 306 – Urokinase 185 – Ursachen 305 Lungenerkrankung, chronisch obstruktive siehe COPD Lungenfunktionsmessung, Asthmaanfall 302 Lungenkontusion 409 Lungenödem – Dialyse 313 – Diuretika 192 – Dyspnoe 242 – Ertrinken 432 – kardiogenes 307 – nicht kardiogenes 308 – PCV 81 – PEEP 76, 83 – peripartales 374 – toxisches 487 Lungenüberdrucktrauma 440 Luxationsverletzung 424 Lyse unter CPR 274 Lyse, präklinische – Antistreplase 500 – Apoplex 341 – Dosierung 275 – Lungenembolie 184, 306 – Myokardinfarkt 184 – STEMI 274 – Voraussetzungen 184 Lysergsäurediaethylamidvergiftung 477

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Sachverzeichnis

Meningokokken-Meningitis, – Infektionsschutz 216 – Symptome 348 Meskalin, Vergiftung 477 Metallkanüle 84 Metamizol 197 – akutes Abdomen 335 – Dosierung 198 – Harnleiterkolik 382 – kolikartige Schmerzen 203 – Nebenwirkungen 198 – Paraphimose 382 – Priapismus 383 – Subarachnoidalblutung 344 – Übersicht Notfallmedikamente 504 – urologischer Notfall 380 Methämoglobin – partielle Sauerstoffsättigung 37 – Pulsoxymetrie 37 Methämoglobinbildner 484 – Antidote 452 – Symptome 484 – Therapie 485 Methanolvergiftung 471 – Hämodialyse 450 Methohexital 206 – Dosierung 206 – Vergiftung 459 Methylalkoholvergiftung, Antidote 452 Methylergometrin, postpartale Blutung 375 Methylprednisolon – anaphylaktischer Schock 196, 262 – Angioödem 359 – Asthmaanfall 301 – Atemwegsobstruktion 311 – COPD 304 – Dosierung 196 – hyperthyreote Krise 316 – Hypothyreose 318 – Schädel-HirnTrauma 406 – tierische Gifte 494 – Übersicht Notfallmedikamente 507 – Verätzung 490

– Wirbelsäulentrauma 428 Methylxanthine 193 – Asthmaanfall 301 – COPD 304 – Dosierung 193 – Indikationen 193 – Lungenödem 307 – Theophyllin 193 – Vergiftung 464 Metildigoxin – atriale Tachykardie 288 – Vergiftung 462 Metoclopramid – akutes Abdomen 335 – Gallenkolik 337 – Leberversagen 336 – NSTEMI 269 – STEMI 273 – Übersicht Notfallmedikamente 505 Metoprolol 182 – Antiarrhythmika 187, 189 – atriale Tachykardie 288 – Dosierung 182 – Einteilung Antiarrhythmika 284 – hyperthyreote Krise 316 – Indikationen 182 – kardiopulmonale Reanimation 119 – NSTEMI 269 – peripartale Kardiomyopathie 375 – STEMI 273 – Vergiftung 461 – Wirkung 182 Mexitilen, Antiarrhythmika 187 Mianserin, Vergiftung 458 Midazolam 203 – akute Herzinsuffizienz 276 – Aortenruptur 297 – Dosierung 56, 204 – endotracheale Intubation 56 – Fieberkrampf 396 – hypertensive Krise 279 – Hyperventilationssyndrom 352 – Hypnotika 205 – hypovolämischer Schock 258

kardiogener Schock 260 Kardioversion 150 Kinderdosis 392 Kokainvergiftung 479 Larynxmaske 63 Lungenödem 308 Narkose 212 Polytrauma 401 Psychose 353 Schädel-HirnTrauma 405 – Status epilepticus 346 – STEMI 273 – Subarachnoidalblutung 344 – Übersicht Notfallmedikamente 500 Migräne 223 Mikrozirkulation, Beurteilung 31 Miller-Spatel 54 Milrinon – akute Herzinsuffizienz 277 – kardiogener Schock 260 Milzruptur 414 – Schmerzlokalisation 227 β2-Mimetika – anaphylaktischer Schock 262 – Asthmaanfall 301 – COPD 304 – Lungenödem 307 – peripartales Lungenödem 374 – Tokolyse 361, 365 Minderjährige, Geschäftsführung ohne Auftrag 9 Minitrach-Besteck 70 Minussymptomatik, zentrales anticholinerges Syndrom 457 Miosis – Bewusstseinsstörung 234 – Cluster-Kopfschmerz 223 – Glaukomanfall 356 – Insektizidvergiftung 482 – Opioidvergiftung 467 – Pilzvergiftung 492 Mirtazapin, Vergiftung 458

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Morphin-MidazolamKombinationsnarkose 212 Motorik, neurologische Untersuchung 29 Mund – Blutung 249 – digitales Ausräumen 44 – Freimachen 44 – Fremdkörperextraktion 45 Mund-zu-Mund-Beatmung – Erwachsene 108 – Kinder 135 Mund-zu-Mund-undNase-Beatmung – Erwachsene 109 – Kinder 135 Mund-zu-Nase-Beatmung 108 Mund-zu-TracheostomaBeatmung 108 Murphy-Zeichen 336 Muskarin, Pilzvergiftung 491 Muskarin-Syndrom 492 Muskelerregbarkeit, Todeszeitpunkt 12 Muskelrelaxanzien 207 – endotracheale Intubation 55-56 – Indikationen 207 – nicht-depolarisierende 208 – Substanzen 207 – Succinylcholin 207 Mydriasis – Atropinwirkung 178 – Bewusstseinsstörung 234 – Butylscopolamin 178 – Glaukomanfall 356 – kardiopulmonale Reanimation 126 – Kokainvergiftung 478 – Pilzvergiftung 492 – Vergiftung 444 – zentrales anticholinerges Syndrom 457 Myokardinfarkt 270 – Definition 270 – Differenzialdiagnosen 272 – kardiopulmonale Reanimation 107

– QRS-Komplex 34 – rt-PA 185, 495 – Schmerzbild 228 – ST-Strecke 35 – Stadien 271 – Streptokinase 185 – Symptomatik 270 – T-Welle 35 – Therapie 273 – Therapieprinzipien 272 Myxödem 318

Sachverzeichnis

Narkose Mobitz-Typ (AVBlock) 293 Moclobemid, Vergiftung 457 MONA-Schema, NSTEMI 269 Monitoring – akutes Koronarsyndrom 266 – Polytrauma 401 Morbus Addison 318 Morphin – akute Herzinsuffizienz 276 – akutes Abdomen 335 – Analgesie 202 – Aortenruptur 297 – Arterienverschluss 298 – Dosierung 200 – Elektrounfall 432 – Erfrierung 329 – Gallenkolik 337 – Glaukomanfall 356 – Harnleiterkolik 382 – Herzinsuffizienz Kinder 398 – Herzschrittmacherstimulation 152 – Hodentorsion 381 – hypovolämischer Schock 258 – kardiogener Schock 260 – Kardioversion 150 – Kinderdosis 392 – Lungenembolie 306 – Lungenödem 308 – Luxationsverletzung 425 – Narkose 212 – Nierenversagen 312 – NSTEMI 269 – Paraphimose 382 – Polytrauma 401 – Priapismus 383 – Schienung 22 – Schwangerschaft 371 – STEMI 273 – Subarachnoidalblutung 344 – Übersicht Notfallmedikamente 503 – urologischer Notfall 380 – Venenverschluss 299 – Vergiftung 467 – Wirkung 198

N N-Acetylcystein – Antidote 451, 454 – Asthmaanfall 302 – COPD 304 – Dosierung 454, 468 – Paracetamolvergiftung 468 – Übersicht Notfallmedikamente 501 Nabelschnur – Abklemmen 367 – Insertio velamentosa 378 Nabelschnurvorfall 366 – Maßnahmen 366 – Untersuchung 362 NACA-Score 218 Nachgeburt 364 Nachgeburtsphase (Geburt) 361 Nackensteifigkeit – Meningitis 348 – Subarachnoidalblutung 343 Nadroparin 183 – Dosierung 183 Nalbuphin 199 Naloxon 209 – Antidote 451, 454 – Dosierung 209 – Indikationen 209 – Neugeborene 143 – Schwangerschaft 371 – Übersicht Notfallmedikamente 504 Narkose 211 – Alkoholvergiftung 470 – Aufrechterhaltung 212 – Ausleitung 212 – Einleitung 212 – Indikationen 211 – kardiogener Schock 260 533

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Sachverzeichnis

Narkose – Komponenten 211 – Phasen 212 – Polytrauma 401 – Schädel-HirnTrauma 405 – vegetative Dämpfung 211 Nasenbluten 359 – hypertensive Krise 278 – Leitsymptom 249 Nasentamponade 360 Nasopharyngealtuben 50, 52 – Wendl-Tubus 52 Natriumbikarbonat 186 – Astrup-Formel 120, 187 – Asystolie/PEA 105 – Dosierung 187 – Indikationen 186 – Neugeborene 143 – Reanimation Erwachsene 120 – Reanimation Kinder 138 – Übersicht Notfallmedikamente 504 – Wirkungsmechanismus 186 Natriumkanalblocker 187 Natriumthiosulfat – Antidote 451, 455 – Zyanidvergiftung 484 Natriumzyanidvergiftung 483 NAW (Notarztwagen) 5 Nebenniereninsuffizienz 318 NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) 5 – Rendezvoussystem 5 Neostigmin 209 – Dosierung 210 Nervengasvergiftung 481 Nervensystem – Amphetaminvergiftung 479 – Kokainvergiftung 478 – Medikamente 164 – neurogener Schock 264 Neugeborene – Absaugen 139 – Apgar-Score 139 – Basismaßnahmen 130 – Beatmung 141 – Beatmungshub 142

Bradykardie 139, 142 Definition 385 Einschätzung 139 Herzdruckmassage 130, 142 – Herzfrequenz 139 – Herzinsuffizienz 397 – initiale Stabilisierung 139 – kardiopulmonale Reanimation 128 – Lagerung 139 – Normwerte 386 – Reanimation 138 – Sauerstoffgabe 141 – Tubusgröße 390 Neugeborenenversorgung 364, 367 – Abnabeln 367 – Abtrocknen 367 – APGAR-Score 368 – Wärmen 367 Neuroleptanalgesie 205 Neuroleptika 203, 204 – akute dystone Reaktion 466 – Antidote 452 – Delir 205 – Indikationen 205 – malignes neuroleptisches Syndrom 465 – Vergiftung 465 – Wirkung 204 Nicardipin, Vergiftung 463 Nichtopioid-Analgetika 197 Niederspannungsunfall 430 Nierenkolik 381 Nierennotfall 312 Nierenverletzung 384 Nierenversagen, akutes 312 – Crush-Syndrom 429 – Definition 312 – Symptomatik 312 – Therapie 312 Nifedipin – Antidote 452 – Anwendung 180 – Applikationsweg 164 – Dosierung 181 – Eklampsie 373 – hypertensive Krise 279 – Indikationen 180 – Phäochromozytom 319 – – – –

– Übersicht Notfallmedikamente 495 – Vergiftung 463 Nikotinvergiftung 472 Nitrate 179 – Indikationen 179 – NSTEMI 269 – STEMI 273 – Wirkung 179 Nitrendipin, Vergiftung 463 Nitroglycerin siehe Glyceroltrinitrat NMH (niedermolekulares Heparin) 183 No-Air-Mix 73 Noradrenalin 176 – Dosierung 176 – Indikationen 176 – kardiogener Schock 260 – Übersicht Notfallmedikamente 496 – Wirkungsmechanismus 176 Normothermie, Wiederbelebungszeit 97 Normoventilation 82 – Steuerung durch Kapnometrie 41 Normwerte – Atemfrequenz 43 – Blutdruck 30 – Blutzucker 36 – Kinder 385 Not-Sectio, Reanimation bei Schwangeren 124 Notarzt 2 – Leichenschau 10 – leitender 3 – Retten 14 Notarzteinsatzfahrzeug 5 – Rendezvoussystem 5 Notarzteinsatzprotokoll 218 Notarztstandort 1 Notarztwagen 5 Notfall – Dialysepatient 313 – endokrinologischer 315 – HNO-Bereich 358 – hypertensiver 277 – kardiovaskulärer 266 – Kinder 385 – neurologischer 340 – Niere 312

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O Oberbauchkompression 45 Oberkörperhochlagerung 18-19 – akutes Koronarsyndrom 266 – Schock 255 Obidoxim – Antidote 451, 455 – Dosierung 455 – Übersicht Notfallmedikamente 507 Ödem – anaphylaktischer Schock 261

– angioneurotisches 358 – Angioödem 358 – Erfrierung 329 – Lunge 307, 308 Oligurie, Nierenversagen 312 Open-Book-Verletzung 420 Opioid-Analgetika 198 – Analgesie 198 – Dosierung 200 – Indikationen 199 – Pharmakokinetik 199 – Überwachung 200 – Wirkung 198 Opioide – Analgesie 202 – Antagonist 209 – Antidote 452 – Atemstörung 243 – Elektrounfall 432 – Schwangerschaft 371 – STEMI 273 Opioidvergiftung 467 – Naloxon 454 – Symptomatik 467 Opipramol, Vergiftung 457 Opisthotonus, Krampfanfall 346 Orciprenalin 176 – β-Blocker-Vergiftung 461 – Dosierung 176 – Indikationen 176 – Übersicht Notfallmedikamente 496 Organisation Rettungsmedizin 1 Organisatorischer Leiter Rettungsdienst 4 Organophosphatvergiftung 481 – Obidoxim 455 Oro-Tubus 52 Oropharyngealtuben 50 – Guedel-Tubus 50 Orthopnoe – Definition 241 – Lungenödem 307 Ösophaguskompressionssonde 157 Ösophagusvarizenblutung 337 Ovarialzyste, Schmerzlokalisation 227

Oxazepam, Vergiftung 46 Oxford-Tubus 53 Oxygenierung 81 – hyperbare bei Tauchunfall 439 – IRV (Inverse Ratio Ventilation) 77 – PEEP 75 – Überdruckbeatmung 75 Oxygenierungsversagen 241 Oxytocin – Blutverlust unter Geburt 361 – postpartale Blutung 37 – Übersicht Notfallmedikamente 506

Sachverzeichnis

Paracetamolvergiftung – ophthalmologischer 356 – peripartaler kardiopulmonaler 374 – pneumonologischer 300 – psychiatrischer 349 – Schwangerschaft 370 – thermischer 323 – traumatologischer 399 – urologischer 380 Notfall, rettungsdienstlicher 6 Notfall-Rettungstuch 16 Notfallmedikamente siehe Medikamente Notfallmedizin, Zusatzweiterbildung 2 Notkompetenz 2 Novaminsulfon, Gallenkolik 337 NPPE (negative pressure pulmonary edema) 309 NSAR (saure antiphlogistisch-antipyretische Analgetika) 197 NSTEMI 268 – akutes Koronarsyndrom 266 – Brustschmerz 225 – EKG 266 – Formen 268 – Therapie 268, 269 Nu-Trake-Set 70 Nulllinie – Herz-Kreislauf-Stillstand im EKG 121 – Verifizieren im EKG 32 Nystagmus, Hörsturz 360

P P-Welle 34 Paget-von Schroetter-Syndrom 298 Palpation 27 – Kindslage 362 – Puls 27 Palpitation 245 Pancuronium – Dosierung 208 – Narkose 213 – Übersicht Notfallmedikamente 504 – Wirkdauer 208 Panikstörung 351 Pankreatitis – Schmerzbild 228 – Schmerzlokalisation 227 Pantherina-Syndrom 492 Pantherpilz 491 Paracetamol 197 – Antidote 452 – Dosierung 198 – Fieberkrampf 347, 395 – forcierte Diurese 449 – Kinderdosis 386, 392 – kolikartige Schmerzen 203 – Schwangerschaft 371 – Übersicht Notfallmedikamente 505 Paracetamolvergiftung 468 – N-Acetylcystein 454 – Symptomatik 468 – Therapie 468-469 535

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Sachverzeichnis

Paraphimose Paraphimose 382 Parasympatholytika 178 – Atropin 178 – Butylscopolamin 178 Parasympathomimetika, Glaukomanfall 356 Parathionvergiftung 481 Parecoxib 197 Parese – Grade 238 – Wirbelsäulentrauma 427 Parklandformel, Verbrennung 333 Paroxetinvergiftung 458 Partydroge Gammahydroxybuttersäure 481 Patellaluxation 424 – Reposition 425 Patient, alter – Bewusstlosigkeit 235 – Sedierung 240 – Verwirrtheit 240 Patientenuntersuchung – Inspektion 26 – körperliche 25 – neurologische 29 – Todesursache 12 Patientenverfügung, Geschäftsführung ohne Auftrag 9 Payr-Zeichen 299 PCI (perkutane Koronarintervention) 274 PCV (pressure controlled ventilation) 80 PEA (pulslose elektrische Aktivität) 122 PEEP (positiver endexspiratorischer Druck) 74 – Atemwegsdruck 74 – Oxygenierung 75, 82 Penicillin G, Pilzvergiftung 491 Penisverletzung 383 Pentacozin 199 – Übersicht Notfallmedikamente 501 Penumbra-Zone 340 Perfusionsszintigrafie, Lungenembolie 306 Perikarderguss, Dialyse 313 Perikarditis – Brustschmerz 225

– Dialyse 313 – ST-Hebung 35 – ST-Strecke 35 Perikardpunktion 155 Perikardtamponade 410 – Dialyse 313 – Reanimation bei Polytrauma 124 Peripartalperiode (Schwangerschaft) 370 Peritonealdialyse, Notfall 313 Perkussion 27 Pethidin – Dosierung 200 – Gallenkolik 337 – Harnleiterkolik 382 – kolikartige Schmerzen 203 – Koliken 199 – Übersicht Notfallmedikamente 500 – urologischer Notfall 380 Petit mal 345 Pfötchenstellung 352 Phalloides-Syndrom 492 Phäochromozytom 319 Pharyngealtuben 50 – Bewertung 52 – Guedel-Tubus 50 – Nasopharyngealtuben 50, 52 – Oropharyngealtuben 50 – Wendl-Tubus 52 Phenobarbital – Hämoperfusion 450 – Vergiftung 459 Phenothiazine 203 – akute dystone Reaktion 466 – Vergiftung 465 Phenytoin – Antiarrhythmika 187 – Hämoperfusion 450 – Status epilepticus 346 – Übersicht Notfallmedikamente 505 Phlebothrombose 298 – Symptomatik 230, 299 – Therapie 299 Phlegmasia coerulea dolens 298 – Symptomatik 230 Phone fast 102 Phone first 102

Phosphodiesterase-III-Inhibitor, kardiogener Schock 260 Physostigmin 209 – Antidote 451, 455 – Dosierung 210 – Gammahydroxybuttersäurevergiftung 481 – Pilzvergiftung 491 – Übersicht Notfallmedikamente 496 – zentrales anticholinerges Syndrom 457 Pilocarpin, Glaukomanfall 356 Pilzvergiftung 491 – Antidote 491 Pindolol – Antiarrhythmika 187 – Vergiftung 461 Pink Puffer (COPD) 303 Piritramid – Analgesie 202 – Dosierung 200 – Kinderdosis 392 – STEMI 273 – Übersicht Notfallmedikamente 499 – Wirkung 198 Placenta praevia 378 Plazentalösung, vorzeitige 378 Pleuraempyem, Schmerzlokalisation 227 Pleuritis – Dyspnoe 243 – Rückenschmerzen 232 – Schmerzlokalisation 227 Plussymptomatik, zentrales anticholinerges Syndrom 457 Pneumomediastinum 410 Pneumonie – Dyspnoe 242 – Schmerzlokalisation 227 Pneumothorax 411 – Definition 411 – Dekompressionskrankheit 440 – Dyspnoe 243 – offener 411 – Subklaviazugang 89 – Thoraxdrainage 152, 413

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– Dosierung 194, 205 – Indikationen 194 – Übersicht Notfallmedikamente 497 – Vergiftung 465 – Wirkung 204 Propafenon 189 – Antiarrhythmika 187 – AV-Knoten-Re-entry-Tachykardie 290 – Dosierung 189 – Einteilung Antiarrhythmika 284 – Indikation 189 – kardiopulmonale Reanimation 119 – Übersicht Notfallmedikamente 505 – ventrikuläre Tachykardie 290 – Wolff-Parkinson-WhiteSyndrom 289 Propanolol – Antiarrhythmika 187 – hyperthyreote Krise 316 – Vergiftung 461 Propofol >207 – Dosierung 56, 207 – endotracheale Intubation 56 – Hypnotika 205 – Kardioversion 150 – Larynxmaske 63 – Larynxtubus 68 – Narkose 212 – Schädel-HirnTrauma 405 – Übersicht Notfallmedikamente 499 – Wirkung 207 Propofolinfusionsnarkose 212 ProSeal-Larynxmaske 64 PS (progressive stroke), Halbseitenlähmung 239 Psilocybin, Vergiftung 477 Psychose 352 6-P-Symptomatik 298 Puffersubstanzen 186 – kardiopulmonale Reanimation 120 Pulmonalisangiografie, Lungenembolie 306

Pulmonaliskatheter – Lungenembolie 306 – Lungenödem 308, 310 Puls – Kinder 385 – Neugeborenes 367 – paradoxer 410 – Unterkühlung 326 Puls prüfen – Beurteilung 28 – Kinder 129 – Palpation 27 Pulsdefizit 28 Pulsoxymetrie 36 – akute Herzinsuffizienz 276 – Asthmaanfall 301 – Atemstörung 241 – COPD 303 – Durchführung 38 – Grundlagen 37 – Interpretation 38 – Lungenembolie 306 – Lungenödem 307, 309 – Messverfahren 37 – Regenbogentechnologie 488 – Reizgasinhalation 488 – Stellenwert 36 – Störung 38 Punktion – intraossäre 85 – Perikard 155 Punktionsstelle – intraossärer Zugang 95 – Perikardpunktion 156 – V. femoralis 93 – V. jugularis externa 94 – V. jugularis interna 92 – V. subclavia 90 Pupille – CPR-Prognose 126 – Schädel-HirnTrauma 404 – Vergiftung 444 Pupillen – Inspektion 26 – kardiopulmonale Reanimation 126 – neurologische Untersuchung 29 – stecknadelkopfenge 26 – zerebrale Hypoxie 126 Pupillenreaktion, Todeszeitpunkt 12

Sachverzeichnis

Pupillenreaktion, Todeszeitpunkt – Überdruckbeatmung 75 Polizei – Erregung und Verwirrtheit 240 – Strangulation 437 – Todesursache 13 – Zwangseinweisung 10 Polytrauma 399 – Bodycheck 400 – Crush-Syndrom 429 – Definition 399 – Ketamin 201 – Kinder 394 – Reanimation 124 – Schweregradeinteilung 399 – Symptomatik 400 – Volumenersatztherapie 173 Polyurie, Nierenversagen 312 Poor man's V5 33 Postexpositionsprophylaxe 215 PPV (positive pressure ventilation) 73 PQ-Zeit 34 – AV-Block 34 – Präexzitationssyndrom 34 Präeklampsie 372 Präexzitationssyndrom 289 – Einteilung Herzrhythmusstörung 285 – PQ-Zeit 34 Präkurarisierung 208 Pratt-Warnvenen 299 Prednison – Höhenkrankheit 442 – Krupp-Syndrom 397 – Übersicht Notfallmedikamente 505 Priapismus 383 Prilocain, Vergiftung 484 Primärtransport 2 PRIND (prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit), Halbseitenlähmung 239 Procainamid, Antiarrhythmika 187 Promazin, Vergiftung 465 Promethazin 203

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Sachverzeichnis

PVT (puls PVT (pulslose ventrikuläre Tachykardie) 122 Pyridostigmin 209 – Dosierung 210 – Übersicht Notfallmedikamente 503

Q QRS-Komplex 34 – Linksschenkelblock 34 – Myokardinfarkt 34 – Rechtsschenkelblock 34 – Wolff-Parkinson-WhiteSyndrom 289 QT-Syndrom – QT-Zeit 35 – Torsades de pointes 291 QT-Zeit 35 – Hyperkalzämie 35 – Hypokalzämie 35 – QT-Syndrom 35 Qualifikation – ärztlicher Leiter Rettungsdienst 4 – leitender Notarzt 3 – Rettungsassistent 2 Querlage 366 Querschnittslähmung 426 – Atmung 427 Quincke-Ödem 358

R Radionuklide, Strahlenunfall 435 Ranitidin 194 Rasselgeräusche 27 Rauchgasvergiftung, Verbrennung 330 Rautek-Rettungsgriff 14 Ravussin-Tubus 70 Reaktion – allergische 261 – anaphylaktische 261 – anaphylaktoide 261 – pseudoallergische 261 – supravitale 12 – vasovagale 233 Reanimation, kardiopulmonale (Erwachsene) 97 – ABC-Schema 99 – Adrenalin 117 – Ajmalin 119 – aktive KompressionsDekompressions-Verfahren 115

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– – – – – –

Amiodaron 119 Antiarrhythmika 119 Atropin 118 automatischer Defibrillator 102 Basismaßnahmen 99 Beatmungsfrequenz 99 Beendigung 127 β-Blocker 119 Defibrillation 123 Dialysepatient 314 erweiterte Maßnahmen 104 2-Helfer-Reanimation 99 Herzschrittmachertherapie 123 Hustenreanimation 117 Hypothermie 327 Indikation 97 inspiratorische Impedanzerhöhung 116 intermittierende abdominale Gegenpulsation 115 1-Helfer-Reanimation 99 1-Jahres-Überlebensraten 126 Kalzium 121 Kapnometrie 39, 41 Lidocain 119 Lyse 274 Metoprolol 119 Natriumbicarbonat 120 Notkompetenz 2 Polytrauma 124 präkordialer Faustschlag 114 Prognose 98, 125 Propafenon 119 Puffersubstanzen 120 Schrittmacherpatient 295 Schwangere 376 Schwangerschaft 123 simultane Beatmung und Thoraxkompression 114 THAM 120 Theophyllin 193 Unterkühlung 124 Vasopressin 118 Vorgehen 99 Westenreanimation 11

– Wiederbelebungszeit 97 – Zerebroprotektion 126 – Zusammenfassung 143 Reanimation, kardiopulmonale (Kinder) 128 – Adrenalin 131, 136 – Atemwegsmanagement 133 – Atropin 138 – Basismaßnahmen 128 – Beatmung 135 – Defibrillation 133 – erweiterte Maßnahmen 131, 135 – Glukose 138 – Herzdruckmassage 136 – Kalzium 138 – medikamentöse Therapie 136 – Natriumbikarbonat 138 – Neugeborene 138 – Volumentherapie 138 – Zusammenfassung 143 Reboxetin, Vergiftung 458 Rechtsherzinsuffizienz, akute 275 Rechtsmedizin 8 – Aufklärung 8 – Einwilligung 8 – Feststellung des Todes 10 – Geschäftsführung ohne Auftrag 9 – Leichenschau 10 – Zwangseinweisung 10 Rechtsschenkelblock, QRSKomplex 34 Reflexionspulsoxymeter 37 Regionalanästhesie 203 Reizgasinhalation 487 – Antidote 452 – Symptomatik 487 – Therapie 488 Rendezvoussystem, Notarzteinsatzfahrzeug 5 Reperfusionsarrythmie 275 Reperfusionstest, kapillärer 31 Reperfusionstherapie, STEMI 274 Reperfusionszeit, kapilläre – Blutverlust 257

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– Geschäftsführung ohne Auftrag 9 – Grundlagen 1 – Leistungserbringer 1 – Organisation 1 – Patientenverfügung 9 – Personal 2 – rechtsmedizinische Aspekte 8 – Rettungsmittel 4 – Schadenskategorien 6 – scoop and run 1 – Sorgfaltspflicht 9 – stay and play 1 – Transport 1 – Versorgungskonzepte 1 Rettungsmittel 4 – Drehleiter 6 – Krankentransportwagen 4 – Löschfahrzeuge 6 – Notarzteinsatzfahrzeug 5 – Notarztwagen 5 – Rettungstransportwagen 5 – Rüstwagen 6 Rettungssanitäter 2 Rettungstransportwagen 5 Rettungswache 1 Revised Trauma Score 218 Reye-Syndrom 198 Rhabdomyolyse – Amphetaminvergiftung 480 – Methylxanthinvergiftung 464 – Symptomatik 230 – traumatische 429 Ringer-Lösung 166 – Aortenruptur 297 – hypovolämischer Schock 258 – neurogener Schock 265 Rippenfraktur – Thoraxschmerz 232 – Thoraxtrauma 407 – Thoraxtrauma Kinder 393 Rippenserienfraktur 413 – Thoraxtrauma 407 Risperidon, Vergiftung 465 Risspilz 491

Rocuronium – Dosierung 57, 208 – endotracheale Intubation 57 – Narkose 213 – Übersicht Notfallmedikamente 500 – Wirkdauer 208 Röntgenstrahlen 435 Röteln, Infektionsschutz 216 rt-PA – Dosierung 185 – Lyse bei STEMI 275 – Übersicht Notfallmedikamente 495 RTH (Rettungshubschrauber) 5 RTS (Revised Trauma Score) 218 RTW (Rettungstransportwagen) 5 – Rendezvoussystem 5 Rubenbeutel 78 Rückenlagerung 17, 19 Rückenmarkstrauma 426 Rückenschmerzen 231 Rüstwagen 6

Sachverzeichnis

Salmonellengastroenteritis – Extremitätenschmerz 229 – Hypotonie 244 – hypovolämischer Schock 248 – Schock 254 – septischer Schock 264 Reposition – Beckentrauma 420 – Fraktur 420 – Luxationsverletzung 425 Reproterol 177 – Asthmaanfall 301 – COPD 304 – Dosierung 178 RescueFlow 169 Reteplase – Dosierung 186 – Lyse bei STEMI 275 – Übersicht Notfallmedikamente 505 Retten 14 – Eigengefährdung 14 – Gefahren bei Unterkühlung 327 – Rautek-Rettungsgriff 14 Rettungsassistent 2 – Notkompetenz 2 Rettungsdienst – Arzt-Patient-Vertrag 8 – ärztlicher Leiter 4 – Aufklärung 8 – Bereiche 1 – Einwilligung 8 – Fachkundenachweis 2 – Geschäftsführung ohne Auftrag 9 – Organisation 1 – organisatorischer Leiter 4 – Patientenverfügung 9 – Sorgfaltspflicht 9 Rettungsdienstgesetz 1 Rettungsgerät 15 Rettungshelfer 2 Rettungshubschrauber 5 – Sekundärtransporte 509 Rettungsleitstelle 1 Rettungsmedizin – Arzt-Patient-Vertrag 8 – Aufklärung 8 – Einwilligung 8

S S-Ketamin 200 – Dosierung 56, 202 – endotracheale Intubation 56 – Kinderdosis 392 – Schienung 22 – Übersicht Notfallmedikamente 502 SADS (sudden adult death syndrome), Herzrhythmusstörung 284 Safar-Tubus 52 Salbutamol 177 – Asthmaanfall 301 – COPD 304 – Dosierung 177 – Nierenversagen 312 – Tokolyse 361 – Übersicht Notfallmedikamente 506 – Wehenhemmung 379 Salicylatvergiftung 469 – Hämodialyse 450 Salmonellengastroenteritis 216 539

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Sachverzeichnis

Salzwasserertrinken Salzwasserertrinken 432 Sauerstoff – Antidote 451, 456 – Kohlenmonoxidvergiftung 486 – Neugeborene 141 – Tauchunfall 438 Sauerstoffbindungskurve 38 Sauerstofffraktion, inspiratorische 71 Sauerstoffgabe – Dekompressionskrankheit 439 – Höhenkrankheit 442 – Neugeborene 141 – NSTEMI 269 – STEMI 273 – Vergiftung 445 Sauerstoffgehalt – arterieller 71 – COHb 485 – Methämoglobinbildner 484 Sauerstoffpartialdruck, alveolärer 71 Sauerstoffsättigung – arterielle 71 – fraktionelle 37 – partielle 37 – Pulsoxymetrie 37 – Vergiftung 445 Sauerstofftherapie 71 – beatmeter Patient 72 – chronisch-obstruktive Lungenerkrankung 73 – Herbizidvergiftung 72 – Indikationen 71 – Kontraindikationen 72 – spontanatmender, nicht-intubierter Patient 72 Säugling – Basismaßnahmen 130 – Definition 385 – Herzdruckmassage 130 – Tubusgröße 390 Säureverätzung 489 Schädel-Hirn-Trauma 401 – Bewusstseinsstörung 237 – geschlossenes 401 – Glasgow-ComaScale 401 – Häufigkeit 399

– Hyperventilation 82 – Ketamin 201 – Kinder 393 – Narkose 405 – offenes 401 – Symptomatik 404 – Therapie 404 Schadenskategorien 6 Scharlach, Infektionsschutz 216 Schaufeltrage 16 Schaukelatmung 242 Schaumbildnervergiftung 475 – Antidote 452 Scheintod 11 – Unterkühlung 326 Schenkelhalsfraktur, Symptomatik 418 Schienung 22 – Extremitäten 22 – Halswirbelsäule 23 – Luftkammerschiene 22 – Vakuummatratze 24 – Vakuumschiene 22 Schizophrenie 352 Schlaganfall 340 – Halbseitensymptomatik 238 – Subarachnoidalblutung 343 – Therapie 341 Schmerzen, akute 223 – Abdomen 226 – Extremitäten 229 – Gallenkolik 336 – Kopf 223 – Rücken 231 – Thorax 224 Schmerztherapie – Abdominaltrauma 416 – akutes Abdomen 335 – Erfrierung 329 – Fraktur 420 – Gesichtsschädelverletzung 407 – Glaukomanfall 356 – Harnleiterkolik 382 – Hodentorsion 381 – Luxationsverletzung 425 – Nierenverletzung 384 – Paraphimose 382 – Polytrauma 401 – Priapismus 383

– Schädel-HirnTrauma 405 – Schwangerschaft 371 – Subarachnoidalblutung 344 – urologischer Notfall 380 – Wirbelsäulentrauma 428 Schnappatmung 242 Schneeballknistern 410 Schnellsichtung 7 Schock 254 – anaphylaktischer 261 – anaphylaktoider 261 – Definition 254 – dekompensierter 255 – Differenzialdiagnosen 256, 259 – distributiver 254 – Explosionsverletzung 434 – hämorrhagischer 256 – Hautzustand 254 – hyperdynamer 264 – hypodynamer 264 – hypovolämischer 256 – kalter 264 – kardialer 258 – kompensierter 255 – Laborwerte 255 – Lagerung 18, 255 – neurogener 427 – obstruktiver 254 – Pathophysiologie 254 – psychischer 350 – roter 264 – Strahlenunfall 435 – Symptomatik 254 – Therapiemaßnahmen 255 – Thoraxtrauma 408 – warmer 264 – weißer 264 Schock, anaphylaktischer 261 – Definitionen 261 – Pathophysiologie 261 – Schweregradeinteilung 261 – Therapie 263 – Ursachen 261 Schock, anaphylaktoider – Dexamethason 196 – Kortikosteroide 195 – Medikamente 196

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– hypertensive Krise 279 – hypertensiver Notfall 278 – Intubation 377 – kardiopulmonale Reanimation 123 – Krampfanfall 345 – Missbildungsrisiko 371 – Notfallversorgung 370 – Phasen 370 – physiologische Veränderung 370 – Schmerztherapie 371 – Seitenlagerung 20 – Trauma 377 Schweregrade – Alkoholvergiftung 470 – Krupp-Syndrom 396 – Lungenembolie 305 – Methylxanthinvergiftung 464 – offene Frakturen 418 – Polytrauma 399 – Strahlenunfall 435 – Subarachnoidalblutung 343 – Vergiftung 444 Schwerhörigkeit, Hörsturz 360 scoop and run 1 Scopolaminvergiftung, Physostigmin 456 Scoringsysteme 218 SCV-CPR (simultane Beatmung und Thoraxkompression) 114 Sedativa 203 Sedierung – kardiogener Schock 260 – Medikamente 240 SEG (schnelle Einsatzgruppe) 4 Seitenlage 20 – Erholungsposition 20 – Freihalten der Atemwege 48 – Indikationen 20 – Kontraindikationen 22 – Methoden 20 – Schwangerschaft 20 – stabile 20 Sekundärtransport 2 – Anbieter 509 Selbstschutz

– Insektizidvergiftung 482 – Reizgasinhalation 487 – Strahlenunfall 436 Sengstaken-BlakemoreSonde 159 Sensibilität – Basilaristhrombose 340 – Extremitätentrauma 417 – Luxationsverletzung 425 – neurologische Untersuchung 29 Sepsis 263 Sertralin, Vergiftung 458 Shaken-Baby-Syndrom 393 Shigellengastroenteritis 216 Shuntblutung (Dialysepatient) 314 Sichtung 7 SIDS (Syndrom des plötzlichen Kindstods) 398 Silent Lung 301 Silibinin, Pilzvergiftung 492 SIMV (synchronized intermittent mandatory ventilation) 81 Sinusbradykardie 293 – Atropin 293 – EKG 293 – Sportlerherz 291 Sinustachykardie – Einteilung Herzrhythmusstörung 285 – STEMI 274 SIRS (systemic inflammatory response syndrome) 263 Skrotumruptur 383 Small Volume Resuscitation 169 – hypovolämischer Schock 258 – Schock 256 Somatostatin, Ösophagusvarizenblutung 339 Somnolenz 233 – Alkoholvergiftung 470 – Apoplex 340 – Ethylenglykolvergiftung 472

Sachverzeichnis

Somnolenz – Methylprednisolon 196 Schock, hypovolämischer 256 – Blutung 256 – Blutverlust 257 – Definition 256 – Differenzialdiagnosen 256 – Symptomatik 256 – Therapie 257 – Ursachen 256 Schock, kardiogener 258 – Definition 258 – Differenzialdiagnosen 259 – IABP 277 – Symptomatik 259 – Therapie 259 – Ursachen 259 – Zugang 86 Schock, neurogener 264 – Definition 264 – Therapie 265 – Ursachen 264 Schock, septischer 263 – Definition 263 – Diagnostik 263 – Pathophysiologie 263 – Symptomatik 263 – Therapie 263 Schockindex 254, 257 Schrittmacher – Bradykardie 295 – Funktionsstörung 294 – Position 294 – Tachykardie 295 – Typen 294 Schrittmacher-EKG 294 Schrittmacherstimulation – intakte 295 – Sinusbradykardie 293 Schulkind – Definition 385 – Tubusgröße 390 Schulterentwicklung (Geburt) 364 Schultergelenksluxation 424 Schussverletzung 434 Schwangerschaft – akutes Abdomen 229 – Atmung 370 – Bewusstlosigkeit 234 – Blutgasanalyse 370 – Blutung 252

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Sachverzeichnis

Somnolenz Somnolenz – Halbseitenlähmung 239 – Hyperglykämie 315 – Hypoglykämie 317 – Hypothyreose 318 – intrazerebrale Blutung 342 – Kohlenmonoxidvergiftung 486 – Methylxanthinvergiftung 464 – Schädel-HirnTrauma 404 – Subarachnoidalblutung 343 – Vergiftung 444 Sonde – Linton-NachlasSonde 159 – Magensonde 156 – Ösophaguskompressionssonde 157 – Sengstaken-BlakemoreSonde 159 Sonnenstich 324 – Definition 323 Sopor 233 – Alkoholvergiftung 470 – Apoplex 340 – Hyperglykämie 315 – Hypoglykämie 317 – Hypothyreose 318 – Schädel-HirnTrauma 404 – Subarachnoidalblutung 343 – Vergiftung 444 Sorgfaltspflicht, Rettungsdienst 9 Sotalol – Antiarrhythmika 187 – Vergiftung 461 Spannungspneumothorax 412 – Definition 411 – kardiopulmonale Reanimation 107 – pulslose elektrische Aktivität 122 – Reanimation bei Polytrauma 124 – Schock 257 – Thoraxdrainage 152, 413 – Thoraxtrauma 408

Speed ball 467 Spontanatmung – Atemwegsdruck 74 – Physiologie 73 – Thoraxdrainage 152 Sportlerherz 291 Sprunggelenksluxation, Reposition 425 ST-Hebung – Perikarditis 225 – STEMI 271 ST-Strecke 35 – Myokardinfarkt 35 – Perikarditis 35 Staatsanwaltschaft, Todesursache 13 Stadieneinteilung siehe Schweregrade Stagger, Dekompressionskrankheit 439 Stammganglienblutung 342 Status asthmaticus 300 Status epilepticus 344 stay and play 1 Steißlage 365 STEMI 270 – akutes Koronarsyndrom 266 – Brustschmerz 225 – Definition 270 – Differenzialdiagnosen 272 – EKG 266 – Fibrinolytika 184 – Infarktstadien 271 – Lyse 274 – Reperfusionstherapie 274 – Symptomatik 270 – Therapie 268, 273 – Therapieprinzipien 272 α-Strahlen 435 β-Strahlen 435 γ-Strahlen 435 Strahlendosis 435 Strahlenunfall 435 Strangulation 436 Streptokinase – Dosierung 185 – Lungenembolie 306 – Lyse bei STEMI 275 – Übersicht Notfallmedikamente 506 Stromrettung 431

Stromschäden 430 Stupor 352 Subarachnoidalblutung 343 – Bewusstseinsstörung 235 – Therapie 344 Subduralhämatom, Halbseitenlähmung 239 Subklaviazugang 89 – Beatmung 90 – infraklavikuläre Punktion 90 – Pneumothorax 89 – Punktionsstelle 90 Succinylcholin – Dosierung 56, 208 – endotracheale Intubation 56 – hypovolämischer Schock 258 – Indikationen 207 – kardiogener Schock 260 – Pharmakokinetik 207 – Übersicht Notfallmedikamente 503 – Wirkungsmechanismus 207 Suizid(versuch) – akute Belastungsreaktion 351 – Depression 349 – Ersteinschätzung 354 – Gift 443 – Kohlenmonoxidvergiftung 485 – Methoden 353 – psychiatrischer Notfall 353 – Zyanidvergiftung 483 Suiziddrohung 354 Süßwasserertrinken 432 SVR (Small Volume Resuscitation) – hypovolämischer Schock 258 – Schock 256 Sympatholytika 179 Sympathomimetika 173 Syndrom – malignes neuroleptisches 465 – zentrales anticholinerges 457 Synkope 233

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T T-Welle 35 – Hyperkaliämie 35 – Hypokaliämie 35 – Myokardinfarkt 35 Tachyarrhythmia absoluta 288 Tachyarrhythmie – Anamnese 282 – Einteilung Herzrhythmusstörung 281 – STEMI 274 – Therapiegrundsätze 282-283 Tachykardie – Anamnese 282 – Asthmaanfall 300 – atriale 285 – Einteilung Herzrhythmusstörung 281 – Hypotonie 246 – hypovolämischer Schock 248 – paroxysmale AV-junktionale 290 – Schrittmacher 295 – schrittmacherabhängige 295 – schrittmacherunabhängige 295 – supraventrikuläre 285 – Torsades de pointes 291 – ventrikuläre 290 – Vergiftung 444 Tachypnoe 241 – Asthmaanfall 300 – Lungenödem 307, 309 Taucherflöhe 439 Tauchunfall 438 – Dekompressionskrankheit 438 – Lungenüberdrucktrauma 440 Tenecteplase – Dosierung 186 – Lyse bei STEMI 275 – Übersicht Notfallmedikamente 503 Terbutalin 177 – Applikationsweg 163 – Asthmaanfall 301 – Dosierung 178 – Übersicht Notfallmedikamente 498

– Zugang 153 Thoraxkompression – Freimachen der Atemwege 46 – Kinder 135 – maschinelle 116 – simultane Beatmung 114 Thoraxpumpmechanismus, Hustenreanimation 117 Thoraxschmerz 224 – Angina pectoris 268 – Aortenruptur 296 – Kokainvergiftung 478 Thoraxtrauma 407 – Häufigkeit 399 – Herzkontusion 409 – Kinder 393 – Lungenkontusion 409 – penetrierendes 408 – Schock 408 – stumpfes 407 – Therapie 408 – Verletzungsformen 407 Thrombophlebitis, Symptomatik 230 Thrombose – Arterienverschluss 298 – Symptomatik 230 Thrombozytenaggregationshemmer 183 – Acetylsalicylsäure 183 – NSTEMI 269 – STEMI 273 Thyreostatika, hyperthyreote Krise 316 TIA (transitorische ischämische Attacke) 340 – Halbseitenlähmung 239 Tiefenrausch 438 Timolol, Glaukomanfall 356 Tinnitus, Hörsturz 360 Tirofiban, NSTEMI 270 Tod – natürlicher 13 – natürlicher, nach Unglücksfall 13 – nicht aufgeklärter 13 – nicht natürlicher 13 Todesart 13 Todesbescheinigung 10 Todesfeststellung 10 – formelle 11

Sachverzeichnis

Todesfeststellung Terlipressin – Ösophagusvarizenblutung 338 – Übersicht Notfallmedikamente 501 Tertiärtransport 2 Tetrachlorkohlenstoffvergiftung 474 THAM 186 – Indikationen 186 – kardiopulmonale Reanimation 120 – Wirkungsmechanismus 186 Theophyllin 193 – anaphylaktischer Schock 262 – Asthmaanfall 301 – COPD 304 – CPR 193 – Dosierung 193 – Hämoperfusion 450 – Indikationen 193 – Lungenödem 307 – Übersicht Notfallmedikamente 500 – Verätzung 490 – Vergiftung 464 Thiamizol, hyperthyreote Krise 316 Thiopental 206 – Dosierung 56, 206 – Eklampsie 371 – endotracheale Intubation 56 – Hypnotika 205 – Lungenüberdrucktrauma 440 – Schädel-HirnTrauma 405 – Status epilepticus 346 – Übersicht Notfallmedikamente 507 – Vergiftung 459 Thorax – Bodycheck Polytrauma 400 – instabiler 411 – Trauma 407 Thoraxdrainage 152 – Indikationen 152 – Komplikationen 152 – Material 153 – Pneumothorax 413 – Vorgehen 153

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Sachverzeichnis

Todesfeststellung – Scheintod 11 – sichere Todeszeichen 11 – Todeszeitpunkt 11 – unsichere Todeszeichen 10 Todesursache 12 – Dehydratation 320 – Herzkontusion 409 – Kinder 385 – unklare 13 – Vergiftung 444 Todeszeichen – sichere 11 – Strangulation 437 – Todeszeitpunkt 12 – unsichere 10 Todeszeitpunkt 11 Tokolyse 361 – Fenoterol 497 – Geburt 365 Toluidinblau – Antidote 451, 456 – Methämoglobinbildner 485 – Übersicht Notfallmedikamente 507 Torsades de pointes 291 Totenflecken 11 Totenstarre 11 Trachealruptur 414 Tracheostoma, Intubation 59 Trage 16 Tragestuhl 16 Tragsessel 16 Tramadol – Analgesie 202 – Dosierung 200 – Kinderdosis 392 – Schwangerschaft 371 – Übersicht Notfallmedikamente 507 – Wirkung 198 – Wirkungsweise 199 Trans-Cricotomie-Tubus 70 Transmissionspulsoxymeter 37 Transport – Ablehnung durch Patienten 9 – Arten 2 – Konzepte 1 – load and go 1 – primärer 2

– scoop and run 1 – sekundärer 2 – Stabilisierung 1 – stay and play 1 – tertiärer 2 – Triage 7 Transporthilfsmittel 15 – KED-System 16 – Notfall-Rettungstuch 16 – Schaufeltrage 16 – Trage 16 – Tragestuhl 16 – Tragsessel 16 Tranylcyprominvergiftung 457 Trauma – abdominales 414 – Schwangerschaft 377 Trendelenburg-Lagerung 19 Triage 7 Triamcinolonacetonid – Asthmaanfall 301 – Atemwegsobstruktion 311 – Dosierung 196 – Übersicht Notfallmedikamente 507 Trichlorethylenvergiftung 474 Trichterling 491 Trimipramin, Vergiftung 457 Trishydroxymethylaminomethan 151 – Indikationen 186 – kardiopulmonale Reanimation 120 – Wirkungsmechanismus 186 Troponine – akutes Koronarsyndrom 267 – NSTEMI 269 – STEMI 270 Tubus – Frühgeborene 139 – Neugeborene 139 Tubusgröße – Frühgeborene 390 – Kinder 388 – Neugeborene 390 – Säugling 390 – Schulkinder 390 Tumorembolie 305

U Überdruckbeatmung 73 – Auswirkungen 75 – Barotrauma 75 Überdruckkammern 509 UFH (unfraktioniertes Heparin) 183 Ulkusblutung 337 Unterbringung, vorläufige 10 Unterkühlung 325 – EKG 327 – kardiopulmonale Reanimation 124 – Körpertemperatur 326 – Kreislauftherapie 327 – Scheintod 326 – Wiederbelebungszeit 124 – Wiedererwärmung 326 Untersuchung – Inspektion 26 – körperliche 25 – neurologische 29, 234 Urämie, Dialyse 314 Urapidil 181 – Dosierung 181 – Eklampsie 373 – Herzinsuffizienz Kinder 398 – hypertensive Krise 279 – Indikationen 181 – intrazerebrale Blutung 342 – Nasenbluten 359 – Phäochromozytom 319 – Subarachnoidalblutung 344 – Übersicht Notfallmedikamente 500 – Wirkungsmechanismus 181 Urethrablutung 252 Urokinase – Dosierung 185 – Lungenembolie 306 – Übersicht Notfallmedikamente 499 Urolithiasis 382 Uteruskompression – bimanuelle 376 – postpartale Blutung 37 Uterusruptur 378 Uterusverletzung 377

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Secchi, Ziegenfuß, Checkliste Notfallmedizin (ISBN 978-3-13-109034-8 ), © 2009 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

V Vakuummatratze 24 Vakuumschiene 22 Valsalva-Manöver 283 Varizenblutung 337 Vasodilatatoren 179 Vasopressin – kardiopulmonale Reanimation 118 – Ösophagusvarizenblutung 339 Vaughan-Williams-Klassifikation 187 VCV (volume controlled ventilation) 80 Vecuronium – Dosierung 208 – Narkose 213 – Übersicht Notfallmedikamente 504 – Wirkdauer 208 Vena basilica, ZVK 94 Vena femoralis – Punktionsstelle 93 – Zugang 92 Vena jugularis externa – Punktion 86, 93 – Punktionsstelle 94 – Zugang 86, 93 Vena jugularis interna – Punktionsstelle 92 – Zugang 91 Vena saphena magna, Venae sectio 88 Vena subclavia – infraklavikuläre Punktion 90 – Punktionsstelle 90 – Zugang 89 Venae sectio 87 Venenkatheter 84 Venenpunktion – Dialysepatient 314 – Kinder 389 Venenverschluss, akuter 298 Venenverweilkanüle 84 – Farbkodierung 85 – Formen 85 – Größenwahl 86 – Kinder 389 Venenzugang – Kinder 389 – Notkompetenz 2

Cannabis 477 cholinerge 452 Definition 443 Dekontamination 446 Diagnostik 445 Digitalisglykoside 462 Ecstasy 479 Ethylenglykol 471 forcierte Diurese 449 Gammahydroxybuttersäure 480 – Giftelimination 446 – Giftstoffe 443 – Halluzinogene 477 – Hämodialyse 450 – Hämoperfusion 450 – Hyperventilation 449 – induzierte Diarrhö 450 – induziertes Erbrechen 446 – Insektizide 481 – Kohle 448 – Kohlenmonoxid 485 – Kokain 477 – Lampenöle 475 – Liquid Ecstasy 480 – Lösungsmittel 474-475 – Lysergsäurediaethylamid 477 – Magenspülung 448 – Meskalin 477 – Methämoglobinbildner 484 – Methanol 471 – Methylxanthine 464 – Neuroleptika 465 – Nikotin 472 – Opioide 467 – Paracetamol 468 – Pilze 491 – Psilocybin 477 – Reizgasinhalation 487 – Salicylate 469 – Schaumbildner 475 – Symptomatik 444, 469 – Terpentin 475 – Ursachen 443 – Zyanide 483 Verletzung – Blase 383 – Niere 384 – Penis 383 Vernichtungskopfschmerz, Subarachnoidalblutung 235 – – – – – – – – – –

Sachverzeichnis

Vernichtungskopfschmerz, Subarachnoidalblutung Venlafaxin, Vergiftung 45 Ventilation 82 – forcierte 449 – Initialeinstellung 83 – Überdruckbeatmung 75 Ventilationsversagen 241 Verapamil 190 – Antiarrhythmika 187 – Antidote 452 – Anwendung 181 – atriale Tachykardie 288 – AV-Knoten-Re-entry-Tachykardie 290 – Dosierung 181, 190 – Einteilung Antiarrhythmika 284 – Herzinsuffizienz Kinder 398 – Indikationen 180, 190 – Übersicht Notfallmedikamente 502 – Vergiftung 463 – Wirkungen 180 Verätzung 489 – Auge 357 – Lauge 489 – Säure 489 – Symptomatik 490 – Therapie 490 Verbrennung 329 – Auge 357 – Baxter-Formel 333 – Dehydratation 321 – Parkland-Formel 333 – Schweregradeinteilung (nach American Burn Association) 332 – Therapie 332 Verbrennungsausmaß 330 Verbrennungsgrade 330 Verbrennungskrankheit, Verbrennung 329 Verbrennungszentren, Bettenauskunft 509 Vergiftung 443 – Alkohol 469 – Amphetamine 479 – Antidepressiva 457 – Antidote 450 – Barbiturate 459 – Basistherapie 445 – Benzin 475 – Benzodiazepine 460 – Benzol 475 – β-Blocker 461

545

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Sachverzeichnis

Verwirrtheit Verwirrtheit 239 – Differenzialdiagnosen 239 – Geschäftsführung ohne Auftrag 9 – Methylxanthinvergiftung 464 – Vergiftung 444 – Zwangseinweisung 10 Vollelektrolytlösung 172 – Indikation 167 – Natriumgehalt 166 – Verteilung 167 Volumenersatzlösung 170 Volumenersatztherapie 170 – Durchführung 172 – Faustregel 172 – hypovolämischer Schock 258 – Indikationen 170 – Infusionsgeschwindigkeit 172 – Infusionslösungen 170 – Kinder 392 – kristalloide Lösung 171 – Steuerungsgrößen 171 – Ziele 171 Volumentherapie – Hyperglykämie 315 – Kinderreanimation 138 – Schock 256 Vorderwandinfarkt 271 Vorhofflattern – Einteilung Herzrhythmusstörung 285 – supraventrikuläre Tachykardie 288 Vorhofflimmern – Einteilung Herzrhythmusstörung 285 – supraventrikuläre Tachykardie 288 Vorhoftachykardie – Einteilung Herzrhythmusstörung 285 – supraventrikuläre Tachykardie 288

VT (ventricular tachycardia) 122

W Wahnvorstellung, psychiatrischer Notfall 349 Wallenberg-Syndrom 235 Wärmen (Neugeborenes) 367 Wärmeverlust Kinder 388 Wasserhaushalt Kinder 388 Wehenhemmung 379 Weinmann-Lifeway 51 Wenckebach-Typ (AVBlock) 293 Wendl-Tubus 52 Wernicke-Enzephalopathie 471 Westenreanimation 115 Wiederbelebungszeit 97 – Organe 97 – Unterkühlung 124 Wiedererwärmung – aktive 326 – Erfrierung 329 – Kollaps 327 – passive 326 Windpocken, Infektionsschutz 216 Wirbelsäulentrauma 426 – Häufigkeit 399 – Therapie 427 Wolff-Parkinson-WhiteSyndrom 289 – Einteilung Herzrhythmusstörung 285 – Therapie 289

X XTC-Vergiftung 479

Z ZAS (zentrales anticholinerges Syndrom) 457 – Differenzialdiagnose 457 – Pilzvergiftung 493

– Symptomatik 457 Zentralarterienverschluss 356 Zerebroprotektion – Hypothermie 126 – medikamentöse 126 Zirkulationsstörung, Reperfusionstest 31 Zugang – V. subclavia 89 – arterieller 86 – Infusionslösung 166 – intraossärer 85, 95 – Neugeborene 142 – periphervenöser 85, 86 – pulmonaler 85 – Thoraxdrainage 153 – V. femoralis 92 – V. jugularis externa 93 – V. jugularis interna 91 – zentralvenöser 85, 88 Zunge, Atemwegsverlegung 48 ZVK (zentraler Venenkatheter) – V. basilica 94 – Kinder 389 – Material 89 – Punktionsorte 90 – V. jugularis interna 91 Zwangseinweisung 10 – Suizid(versuch) 354 Zyanidvergiftung 483 – Antidote 452 – Dimethylaminophenol 453 – Hydroxocobalamin 454 – Symptomatik 483 – Therapie 484 Zyankalivergiftung 483 Zyanose – Asthmaanfall 301 – Atemstörung 241 – Inspektion 26 – Lungenödem 309 – Neugeborene 139 – Opioidvergiftung 467 – Pulsoxymetrie 38

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Vorgehen bei Advanced Life Support (nach ERC 2005). keine Reaktion auf Ansprache oder Berührung

Atemwege frei machen auf Lebenszeichen achten Reanimationsteam rufen CPR 30 : 2 bis Defibrillator/Monitor bereit

Rhythmus beurteilen

defibrillierbar (VF/VT)

1 x defibrillieren biphasisch 150–360 J monophasisch 360 J

sofort fortfahren CPR 30 : 2 für 2 min

während der CPR: – reversible Ursachen erkennen und behandeln* – Elektrodenposition und -kontakte prüfen – venösen Zugang schaffen – Zugang zu Atemwegen schaffen, Sauerstoffgabe – Adrenalin (1 mg alle 3–5 min) – erwägen • Amiodaron (300 mg nach • 3. erfolgloser Defibrillation) • Atropin (3 mg i.v.) • MgSO4 (2 g i.v.)

nicht defibrillierbar (PEA1/Asystolie)

sofort fortfahren CPR 30 : 2 für 2 min

*reversible Ursachen: die 4 H’s und 4 T’s • Hypoxie, Azidose • Toxine/Medikamente • Hypovolämie (Blutung, Trauma) • Tamponade des Herzbeutels • Hypo-/Hyperkaliämie metabolisch • Tamponade der Lunge/Spannungspneumothorax • Hypothermie • Thromboembolie: Herzinfarkt, Lungenembolie 1

PEA = pulslose elektrische Aktivität

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Ablauf der erweiterten Reanimationsmaßnahmen bei Kindern (nach ERC 2005).

reaktionsloses Kind

Basisreanimation beginnen Oxygenieren und Ventilieren Reanimationsteam rufen CPR 15 : 2 bis Defibrillator/ Monitor angeschlossen

Rhythmus?

defibrillierbar (VF/VT)

1 x Defibrillation mit 4 J/kg oder AED möglichst Kindermodus

während der CPR: – suche und therapiere behandelbare Ursachen* – überprüfe Elektrodenposition und -kontakte – Venenzugang, ggf. intraossäre Punktion – Atemwegszugang, O2 – nach Intubation ununterbrochene HDM

sofort CPR 15 : 2 für 2 min

nicht defibrillierbar (PEA1/Asystolie)

sofort CPR 15 : 2 für 2 min

Adrenalin 10 µg/kg i.v. alle 3–5 min

erwäge z.B.: Atropin, MgSO4, Amiodaron

*Ursachen eines Kreislaufstillstands: die 4 H’s und 4 T’s • Hypoxie, Azidose • Toxine/Tabletten • Hypovolämie (Blutung, Trauma) • Tamponade des Herzbeutels • Hypo-/Hyperkaliämie metabolisch • Tamponade der Lunge: Pneumothorax • Hypothermie • Thromboembolie: Herzinfarkt, Lungenembolie 1

PEA = pulslose elektrische Aktivität

MANV ja

Patient ansprechbar

Patient gehfähig

nein

spätere Behandlung

III

ja

schnellstmögliche Behandlung

I

dringliche Behandlung

II

abwartende Behandlung

IV

Reanimation (zunächst nicht durch sichtenden Arzt) falls keine sicheren Todeszeichen

I

nein

Spontanatmung nein

ja

Atemfrequenz > 30/min ja

nein

ja Atmung nach Freimachen der Atemwege nein

ausreichend Rettungsresourcen verfügbar

Radialispuls tastbar

nein

ja Patient befolgt einfache Befehle

nein ja

Bei spritzender Blutung Druckverband in allen Phasen des Algorithmus

nein ja

Anmerkung: Der sichtende Notarzt führt zunächst nur zwei einfache Therapiemaßnahmen durch: Freimachen der Atemwege und Blutstillung bei spritzender Blutung (ggf. Delegation). Bei ausreichend Rettungskräften schnellstmögliche Rückkehr zur Individualbehandlung. Bei MANV 1 wird sich der ersteintreffende Notarzt nach der ersten Sichtung und nach Rückmeldung an die Leitstelle dem Verletzten zuwenden, der am dringendsten ärztlicher Hilfe bedarf.

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12

15

17

20

22

2

3

4

5

6

5

3 Monate

8

3

Neugeborene

10

2

Frühgeborene

6 Monate

kg

Jahre

1

Gewicht

Alter

100

100

105

110

115

120

130

130

140

140

1/min

Puls

100

100

100

100

95

90

90

80

60

60

mmHg

Blutdruck systolisch

20

20

20

25

30

30

30

40

50

50

1/min

200

180

160

140

100

80

60

40

30

20

ml

Atem- Atemzugfrequenz volumen

Physiologische Normwerte

2

2

2

2

1

1

1

1

0

00



Masken, Spatel, Guedeltuben

5,5

5

5

4,5

4,5

4

3,5

3,5

3

2,5

mm

Tubusgröße (ID)

17

16

15

14

13

12

11

10

9

7

cm

Tubuseinführtiefe ab Zahnreihe (Lippe)

Atemwegsmanagement

Wichtige physiologische und therapeutische Größen im Kindesalter (Anhaltswerte)

0,2

0,2

0,2

0,15

0,15

0,1

0,1

0,05

0,05

0,03

mg

Adrenalin (Standarddosis bei CPR)

0,4

0,4

0,3

0,3

0,3

0,2

0,2

0,1

0,1

0,1

mg

Atropin

500

500

250

250

250

250

125

125





mg

10

10

10

5

5

5

5

2,5





mg

Para- Diazepam cetamol (rektal) (rektal)

Ausgewählte Medikamente

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32

35

37

9

10

11

12

80

85

85

90

95

100

115

115

110

110

105

105

18

18

20

20

20

20

350

330

300

280

250

220

(AD) in Chr. 18 ⫹ AlterJahre Kinder ⬎ 1 Jahr 12 ⫹ AlterJahre/2

Innendurchmesser (ID) Früh- und Neuin mm geborene 4 ⫹ AlterJahre/4 6 ⫹ Körpergewicht in kg Außendurchmesser

Pädiatrische Dosis ⫽

(Erwachsenendosis/70) ⫻ kgKG des Kindes

Tubuseinführtiefe (cm) ab Zahnreihe (Lippe)

Tubusgröße für Kinder ⱖ 1 Jahr

Medikamentendosis

Wichtige therapeutische Formeln und Faustregeln im Kindesalter

27

30

8

25

7

Atemfrequenz Neugeborene: 40 – 60/min Kinder ⬎ 1 Monat: 20/min

Atemhubvolumen 8 ml/kgKG

7

6,5

6,5

6

6

5,5

Beatmung

3

3

3

3

2

2

21

21

20

20

19

18

0,5

0,5

0,5

0,5

0,4

0,4

Mono- und biphasische Defibrillation jeweils 4 J/kgKG

Defibrillation: erforderliche Energie

0,35

0,35

0,3

0,3

0,3

0,25

10

10

10

10

10

10

4 ml/kg für die ersten 10 kg plus 2 ml/kg für die zweiten 10 kg plus 1 ml/kg für jedes weitere kg

Basisbedarf an Flüssigkeit pro Stunde

1000

1000

500

500

500

500