Business Transformation: Praxisorientierter Leitfaden zur erfolgreichen Neuausrichtung von Unternehmen und Geschäftsfeldern [1. Aufl.] 978-3-658-25878-8;978-3-658-25879-5

Unternehmen stehen vor der ständigen Herausforderung, sich im Markt erfolgreich zu behaupten und auf veränderte Rahmenbe

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German Pages IX, 184 [188] Year 2019

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Business Transformation: Praxisorientierter Leitfaden zur erfolgreichen Neuausrichtung von Unternehmen und Geschäftsfeldern [1. Aufl.]
 978-3-658-25878-8;978-3-658-25879-5

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-IX
Einleitung (Jörg Klasen)....Pages 1-11
Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess (Jörg Klasen)....Pages 13-30
Das Problem erkennen (Jörg Klasen)....Pages 31-59
Strategie entwickeln (Jörg Klasen)....Pages 61-87
Transformationsprojekt starten und managen (Jörg Klasen)....Pages 89-108
Vom Konzept bis zur Umsetzung (Jörg Klasen)....Pages 109-132
Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung (Jörg Klasen)....Pages 133-151
Marketing und Kommunikation (Jörg Klasen)....Pages 153-169
Verankerung (Jörg Klasen)....Pages 171-182
Anforderungen an einen erfolgreichen Chief Transformation Officer (Jörg Klasen)....Pages 183-184

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Jörg Klasen

Business Transformation Praxisorientierter Leitfaden zur erfolgreichen Neuausrichtung von Unternehmen und Geschäftsfeldern

Business Transformation

Jörg Klasen

Business Transformation Praxisorientierter Leitfaden zur erfolgreichen Neuausrichtung von Unternehmen und Geschäftsfeldern

Jörg Klasen Stuttgart, Baden-Württemberg Deutschland

ISBN 978-3-658-25878-8 ISBN 978-3-658-25879-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-25879-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Seit 20 Jahren bin ich in der Strategieentwicklung, -umsetzung und -verankerung, der Konzipierung und Umsetzung von Effizienzprogrammen, oder dem Aufbau neuer Geschäftsfelder tätig. Dabei habe ich als Berater für eine international führende Managementberatung, sowie als leitender Angestellter und Geschäftsführer in der Energiebranche unterschiedlichste Rollen eingenommen. Die vergangenen 20 Jahre waren von weltweiten Ereignissen geprägt, die mich in meinen Funktionen und Aufgaben immer wieder neu und intensiv gefordert haben, da sie direkt oder auch indirekt Einfluss auf das Umfeld des jeweiligen Auftrag- oder Arbeitgebers hatten. Die bedeutendsten Ereignisse waren dabei sicherlich die Anschläge in den USA am 11. September 2001, die als 9/11 in die Geschichtsbücher eingegangen sind, die Lehman Brother Pleite 2008 und die darauffolgende weltweite Finanzkrise, sowie im März 2011 das Erdbeben vor der Ostküste Japans und der dadurch ausgelöste verheerende Tsunami, infolge dessen es zu einem sogenannte GAU (Größter anzunehmender Unfall) im Kernkraftwerk Daichii kam. Hinzu kamen weitere Umbrüche im direkten Marktumfeld, wie etwa neue Regulierungsanforderungen durch die Europäische Union (EU) oder die eingeläutete Energiewende in Deutschland. Daher musste, rückblickend formuliert durfte, ich mich mehrfach mit der strategischen Neuausrichtung von Unternehmen und Geschäftsfeldern, sowie mit der Umsetzung der verabschiedeten neuen Strategie verantwortlich beschäftigen. Trotz Suche in der Literatur, sowie zahlreichen Gespräche mit Erfahrungsträgern und Mentoren, hatte ich leider nie einen Leitfaden oder einen Prozess für die richtige und wirkungsvolle Neuausrichtung von Unternehmen (Transformation) zur Hand. Die bekommenen Leitlinien, Ansätze und Ideen hatte ich damals eher instinktiv als zielgerichtet und systematisch eingesetzt und mit meinem erlernten und bis dahin angewendeten Handwerkzeug des strategischen Managements erfolgreich kombiniert. In der Literatur zur Unternehmens- und Geschäftsfeldtransformation (Business Transformation) gibt es viele Leitgedanken, Ansätze und rudimentäre Beschreibungen von Prozessen, die größtenteils jedoch nur Teile einer Transformation beschreiben und/ oder wenig handlungsorientiert sind. Obwohl die Herausforderungen für Unternehmen sich im Markt erfolgreich zu behaupten und auf veränderte Rahmenbedingungen V

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Vorwort

in Teilbereichen oder umfangreich zu reagieren schon seit jeher bestehen, wurden das wissenschaftliche Fundament der Betriebswirtschaftslehre, die Forschung zur Transformation und die praktischen Erfahrungen aus der Wirtschaft nur unzureichend zusammengeführt. Diese existierende Lücke möchte ich mit dem vorliegenden Buch Business Transformation weiter schließen. Jörg Klasen

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Begriffsdefinition und -abgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Ergänzung zur bisherigen Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Struktur des Buches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2

Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess. . . . . . 13 2.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.2 Business Transformation in der bisherigen Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.3 Business Transformation Management – ein ganzheitlicher Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

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Das Problem erkennen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3.2 Exogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.2.1 Politik und Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.2.2 Volkswirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.2.3 Gesellschaft und Umwelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3.2.4 Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.2.5 Wettbewerb in der Branche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.3 Endogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.3.1 Effektivität, Effizienz, Zuverlässigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.3.2 Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.3.3 Maschine und Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.3.4 Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.3.5 Agilität im Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.4 Werttreiber darstellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.5 Checkliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

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Inhaltsverzeichnis

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Strategie entwickeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.2 Fähigkeit des Unternehmens kennen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.3 Marktsegmente bestimmen (Where to play?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.3.1 Strategische Portfolioanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.3.2 Finanzielle Portfolioanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.4 Value Proposition herausarbeiten – Der Nutzen für den Kunden (Why we will win?). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4.4.1 Schärfung der eigenen Position in einem bekannten Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4.4.2 Neueinsteiger mit Differenzierung (Disruptive Innovation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4.4.3 Neue Kundenanforderungen (Megatrends). . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.5 Organisation (How to play?). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.6 Weitere Verfeinerung mit Business Model CANVAS. . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.7 Strategie darstellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.8 Checkliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

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Transformationsprojekt starten und managen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5.2 Phasen des Projektmanagements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 5.3 Auswahl des Projektleiters und des Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5.4 Projektantrag, -auftrag, -handbuch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.5 Projektsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 5.5.1 Terminanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.5.2 Kostenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.6 Checkliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

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Vom Konzept bis zur Umsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 6.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 6.2 Konzeptplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6.2.1 Entwicklung von mehreren Lösungsvarianten mit Design Thinking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6.2.2 Bewertung der Lösungsvarianten mit der Nutzwert-Analyse (Scoring) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6.2.3 Behördliche Genehmigung beantragen und Prozess erfolgreich managen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 6.2.4 Lastenheft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6.3 Wachstumsinitiativen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Inhaltsverzeichnis

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6.4 Initiativen zur Effizienzsteigerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.4.1 Target Costing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.4.2 Lean Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 6.4.3 Synchrones Produktionssystem (SPS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.5 Checkliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 7

Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 7.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 7.2 Gesetzliche Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 7.3 Mitbestimmung auf Unternehmensebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 7.4 Beteiligung auf Tarifebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 7.5 Mitbestimmung auf Betriebsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 7.5.1 Mitwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 7.5.2 Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 7.5.3 Initiativrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.6 Vertretung auf Betriebsebene in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 7.7 Checkliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

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Marketing und Kommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 8.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 8.2 Die Transformation durch Kommunikation effektiv unterstützen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 8.3 Stakeholder in der Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 8.4 Kommunikationsplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 8.5 Checkliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

9 Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 9.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 9.2 Projektdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 9.3 Gremienbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 9.4 Übergabe des Wissens in die Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 9.5 Checkliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 10 Anforderungen an einen erfolgreichen Chief Transformation Officer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

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Einleitung

Zusammenfassung

Kap. 1 (Einleitung) beschreibt die Motivation und Hinführung zu dem Buch. Die existierenden Problemstellungen zur Transformation werden herausgearbeitet, der Begriff der Business Transformation wird definiert und die wesentlichen, häufig ebenfalls im Zusammenhang mit Transformation genannten Begrifflichkeiten werden voneinander abgegrenzt. Zusätzlich wird aufgezeigt und begründet, in welchen Bereichen und Fragestellungen das Buch eine Ergänzung zur bisherigen Literatur darstellt. Die Struktur des Buches wird vorgestellt.

1.1 Begriffsdefinition und -abgrenzung Transformation (lat. transformatio, von transformare für umformen) steht für die Umwandlung oder Weiterentwicklung einer Sache von einem Ursprung zu einem neuen Zielzustand. Als Transformation im betriebswirtschaftlichen Sinne (Business Transformation) wird die Umwandlung eines Unternehmens oder eines Teiles von einem Istzustand zu einem neuen Zielzustand verstanden. Ist diese Umwandlung zielgerichtet und gesteuert, spricht man von Transformationsmanagement (Zeid 2014, S. 17). Business Transformation ist ein Thema, das Unternehmen und Geschäftseinheiten von Zeit zu Zeit angehen müssen, um Veränderungen am Markt oder im Unternehmen zum Erhalt beziehungsweise zum Ausbau der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu begegnen (Kotter 1995, S. 59). Eine erfolgreiche Unternehmenstransformation ist somit geprägt von einem Verständnis über die aktuelle Situation des Unternehmens, einer Idee über den Zielzustand in einer definierten Zukunft, sowie der Möglichkeit die Veränderung ­umzusetzen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Klasen, Business Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25879-5_1

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1 Einleitung

Der Begriff der Transformation wird in der Literatur unterschiedlich definiert beziehungsweise verstanden. Gouillart und Kelly (1995, S. 21) definieren zum Beispiel „Unternehmenstransformation als die aufeinander abgestimmte Umgestaltung der genetischen Architektur eines Unternehmens, die gleichzeitig – wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten – in … vier Dimensionen – Reframing, Restructuring, Revitalisierung und Renewing – durchgeführt wird.“ Janes et al. (2001, S. 8) definieren „Transformation [als] die Gestaltung eines Veränderungsprozesses von Innen“, oder Uhl und Gollenia (2012, S. 4) „Business Transformation“ als ganzheitliches Management einer intensiven, komplexen Veränderung, auf die der zukünftige Erfolg der Organisation maßgeblich beruht. Kohlöffel und August (2012, S. 10 ff.) beschreiben wiederum Transformation als umfangreiche und tief greifende Neuausrichtung, erforderlich aus deutlichen Veränderungen der Ist-Situation. Aufbauend auf die bisher berücksichtige Literatur kann definiert werden: Business Transformation ist die strategische Neuausrichtung und organisatorische Umwandlung eines Unternehmens oder eines seiner Teile zur nachhaltigen Sicherung der Leistungsfähigkeit im Markt. Die strategische Neuausrichtung und Umwandlung kann unterschiedliche Umfänge haben. Betrifft sie das ganze Unternehmen, spricht man von Unternehmenstransformation, betrifft sie nur einen Teil, ein Geschäftsfeld oder einen Prozess (z. B. die Logistikkette, Supply Chain), spricht man von Geschäftsfeld- oder Prozesstransformation. Häufig wird dann auch das Geschäftsfeld oder der Prozess selbst genannt wie zum Beispiel bei Supply Chain Transformation (Chakravarty 2014, S. 3 ff.). Die Kombination aus Business Transformation und einem weiteren Management-Ansatz wie beispielsweise Outsourcing ist selten, kommt aber vor. Schaarschmidt (2003, S. 49 ff.) beschreibt unter der Bezeichnung Business Transformation Outsourcing (BTO) einen Ansatz der Unternehmen erlaubt, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Kerngedanke ist die Auslagerung von IT-intensiven Prozessen, die nicht zu den „wettbewerbsentscheidenden Prozessen“ gehören. In dem Ansatz BTO wird die eigentliche Outsourcing-Entscheidung mit einer „Leistungsverbesserung durch Transformation der Geschäftsarchitektur bzw. der Geschäftsprozesse und -bereiche“ begründet (Frei 2005, S. 25). Neben der Transformation von ganzen Unternehmen oder Geschäftsfeldern gibt es auch Veränderungen in funktionalen Unternehmensbereichen wie beispielsweise in der Informationstechnologie. Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen bietet Unternehmen Potenziale in der gesamten Wertschöpfungskette. Die sogenannte „Digitale Transformation“, die im Wesentlichen durch die Themen Social Media, Mobility, Data Analytics und Cloud Computing getrieben ist, kann auch ganze Unternehmen zur Neuausrichtung veranlassen (Köhler-Schulte 2016, S. 18 ff.). Hier muss jedoch unterschieden werden zwischen Ursache (Veränderung in der Informationstechnologie) und Wirkung (Veränderung im Unternehmen). Meistens wird jedoch vereinfacht von Digitaler Transformation als Überbegriff gesprochen (Krause und Pellens 2018, S. 49 ff.).

1.1  Begriffsdefinition und -abgrenzung

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Begrifflichkeiten, die immer wieder auch in Zusammenhang mit Transformation genannt werden jedoch nicht gleichzusetzen sind, sind Reorganisation, Restrukturierung, Reengineering, Change Management, Innovation und Diffusion, Entrepreneurship, oder Corporate Development. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass Transformation als englische Bezeichnung für Veränderung „eingedeutscht“ wurde und daher in der Literatur vielfach vorkommt. Reorganisation  ist die Änderung einer bestehenden Organisation (Aufbau oder/und Ablauf) (Best und Weth 2005, S. 356). Reorganisation kann Teil einer Transformation sein. Restrukturierung  (auch Umstrukturierung, Turnaround oder Sanierung) bezeichnet die Verbesserung der organisatorischen, betriebswirtschaftlichen oder marktseitigen Bedingungen eines Unternehmens. Restrukturierung kann verschiedene Bestandteile haben, unter anderem die Neugestaltung oder Optimierung der internen Prozesse (Reorganisation), das Heben von Synergiepotenzialen, die Ausgliederung von Geschäftsteilen (Outsourcing), oder die Änderung der Marktausrichtung (Business Model Innovation). Häufig wird der Begriff in der deutschen Literatur mit der Bewältigung einer Unternehmenskrise und mit Arbeitsplatzabbau gleichgesetzt (Berner 2010, S. 159). In der englischsprachigen Literatur wird „restructuring“ auch als proaktive, geplante Verbesserung einer Unternehmenssituation gesehen (Mintzberg und Westley 1992, S. 40). Die Restrukturierung kommt, insbesondere im Verständnis der englischen Literatur, inhaltlich der Transformation sehr nahe, wird jedoch eher reaktiv, im Zuge einer sich deutlich negativ veränderten Unternehmenssituation angewendet. Reengineering  (auch Re-Engineering oder Reverse-Engineering) ist die Neugestaltung bestehender Strukturen oder das Ersetzen einer alten Struktur durch ein neue. Hammer und Champy (2003, S. 48) definieren Business Reengineering „als fundamentales Überdenken und radikales Redesign von Unternehmen oder wesentlichen Unternehmensprozessen. Das Resultat sind Verbesserungen um Grössenordnungen in entscheidenden, heute wichtigen und messbaren Leistungsgrössen in den Bereichen Kosten, Qualität, Service und Zeit“. Ausgangspunkt des Reengineerings sind die Unternehmensprozesse, die bezüglich Effektivität und Effizienz in dieser Reihenfolge zu überdenken sind. Ein weiterer Leitgedanke von Reengineering ist „die tragende Rolle der Informationstechnologie“ (Hammer 2003, S. 112 ff.). Reengineering adressiert viele Teile einer Transformation, ist jedoch aufgrund der starken Prozessfokussierung (Osterloh und Frost 2006, S. 18 ff.) nicht gleichzusetzen. Change Management (auch Veränderungsmanagement) ist die Zusammenfassung aller Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weitreichende Veränderung in einer Organisation bewirken sollen. Dies geschieht zur Umsetzung neuer Strategien, Strukturen, Prozesse und/oder

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1 Einleitung

­ erhaltensweisen. In Abgrenzung dazu befasst sich das Änderungswesen mit der NachV verfolgung von Änderungen an Produkten. In der Praxis wird Change Management im Wesentlichen in Verbindung mit der Veränderung der Menschen im Unternehmen gesehen. „Change management focuses on behavioural changes and only considers a small set of clearly defined goals, whereas business transformation management provides a holistic view on the entire organization, considering complex changes to the business“ (Uhl und Gollenia 2012, S. 4). Change Management kann somit Teil einer Transformation sein. Innovation  (vom lateinischen Verb innovare, erneuern) ist die Generierung neuer Ideen und Erfindungen, sowie deren wirtschaftliche Umsetzung. Konkret resultieren Innovationen „… erst dann aus Ideen, wenn diese in neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren umgesetzt werden (Invention), die tatsächlich erfolgreich Anwendung finden und den Markt durchdringen (Diffusion)“ (Müller-Prothmann und Dörr 2014, S. 7). „­Business Innovation ist die systematische Planung, Steuerung und Kontrolle von Innovationen in und zwischen Organisationen. Gegenstand der Innovationen sind Produkte und Dienstleistungen, Prozesse und Geschäftsmodelle“ (Hoffmann et al. 2016, S. 4). Business Model Innovation ist der Prozess zur Erneuerung des Geschäftsmodells mit dem Ziel der Wertsteigerung. Das Geschäftsmodell wird dann zur Innovation, wenn es ein neues Leistungsversprechen an den Kunden enthält und sich aus anderen Werttreibern zusammensetzt (Trapp 2014, S. 38). Innovationen können jeweils Teil einer Transformation sein. Entrepreneurship  (Komposition aus dem französischem „entre“, auf Deutsch „-unter“ und „prendre“, auf Deutsch „-nehmen“), beschreibt einen Prozess, in dem einzelne Personen auf eigene Rechnung oder im Dienste eines Unternehmens Geschäftsmöglichkeiten ungeachtet der aktuell verfügbaren Ressourcen verfolgen. Es wird auch als Unternehmertum oder Unternehmensgründung verstanden (Schulz und Rehder 2017, S. 9 ff.). Entrepreneurship ist ein Treiber für und in einer Transformation. Corporate Development (Konzern- oder Unternehmensentwicklung) befasst sich mit der Planung und Umsetzung der Strategien, um die gesetzten Unternehmensziele zu erreichen. Dazu gehören unter anderem die Festlegung der Portfoliostrategie, das Einleiten von strategischen Allianzen, Fusionen und Zukäufen (M&A), die Rekrutierung des Managementteams, und im weiteren Sinne auch die Sicherstellung der Finanzierung oder die Sicherung des geistigen Eigentums. Die Aufgaben sind häufig in der Verantwortung des CEO und gebündelt in einer gleichnamigen Organisationseinheit (Melzig-Thiel und Joos 2013, S. 7 ff.). Die Aufgaben des Corporate Development sind Teil einer Transformation. Vertreter der Organisationseinheit sind daher häufig Mitglieder des Transformationsteams.

1.2  Ergänzung zur bisherigen Literatur

5

Darüber hinaus sind in Abgrenzung zu einer geplanten und langfristig angelegten Transformation kurzfristig eingetretene Krisen zu verstehen. Hat das Management in einer Transformation den langfristigen Erfolg des Unternehmens am Markt im Fokus, ist in einem Krisenmanagement vor allem die Liquidität des Unternehmens zu sichern, sowie akute Risiken zu erkennen und aktiv zu managen. Ursachen für Krisen können in einem sich plötzlich stark veränderten Marktumfeld oder einer stark veränderten internen Unternehmenssituation liegen, anderseits auch in einem schleichenden Niedergang eines Unternehmens bei gleichzeitig fehlender Transparenz über den Unternehmenserfolg.1

1.2 Ergänzung zur bisherigen Literatur Mit dem Buch soll eine Ergänzung der bisherigen Literatur in drei Bereichen vorgenommen werden. Zum einen wird Business Transformation als strategischer Prozess verstanden und als solcher beschrieben. Des Weiteren soll der Forderung nach einer Einbindung der Mitarbeiter explizit durch die Berücksichtigung der Rechte aus den betrieblichen Mitbestimmungsgesetzen in einem Transformationsprozess erläutert werden und drittens soll ein methodischer Vorschlag zur Berücksichtigung der im Unternehmen vorhandenen Kernkompetenzen in den Strategieentwicklungsprozess beschriebene werden. Business Transformation als strategischer Prozess Obwohl die Herausforderungen von Unternehmen nach strategischer Neuauszurichtung und deren wirksamen Umsetzung seit jeher besteht, wurde Transformation als Managementaufgabe und Prozess in der Forschung nur unzureichend ganzheitlich betrachtet. Die Anfänge des in der Wissenschaft behandelten Strategischen Managements begannen in den 1950er, 60er Jahren (Ghemawat 2002, S. 37–74). Drucker (1956, S. 11 ff.) beschreibt das Wesen und die Aufgaben des Management, Selznick (1957, S. 61 ff.) fordert Führung als institutionelle Aufgabe im Unternehmen, Chandler (1962, S. 14 ff.) formulierte das Prinzip „Structure follows Strategy“, Ansoff (1965, S. 27 und 142 ff.) beschrieb in seinem Buch Corporate Strategy die Grundzüge des Strategischen Managementprozesses, wie er auch heute noch in den Lehrbüchern zu finden ist (­Bühner 2001, S. 727 f.). Andrews stellte ebenfalls 1965 die SWOT-Analyse vor (in: Christensen et al. 1965) und Henderson, der Gründer der Boston Consulting Group, 1968 die Erfahrungskurve sowie in 1970 die „Growth-Share-Matrix“ (Henderson 1979, S. 106 ff. und S. 163). Welche Strategietypen es gibt und welche Voraussetzungen für eine ideale Umsetzung notwendig sind, beschrieb Mintzberg in den 1980er Jahren

1Vertiefende

Literatur dazu u. a. Brühl V, Göpfert B (Hrsg) (2014) Unternehmensrestrukturierung.2. Aufl. Schäffer-Poeschel, Stuttgart; von Rössing R (2005) Betriebliches Kontinuitätsmanagement. Mitp, Bonn; Weber J. et al (Hrsg) (2011) Turnaround: Navigation in stürmischen Zeiten. Wiley, Weinheim.

6

1 Einleitung

(Mintzberg und Waters 1985, S. 258 ff.). Neben der formalen Strategieentwicklung durch das Top-Management benötigen langfristig erfolgreiche Unternehmen zusätzlich Unternehmertum (Entrepreneurship) auf Ebene des Oberen- und Mittleren-Managements, die auch Veränderungen gegen den Strom anstoßen und vorantreiben (Burgelman 1991, S. 243 ff., 2002, S. 352). Der Begriff der Transformation im betriebswirtschaftlichen Sinne wurde erstmals Mitte der 1990er Jahre von Kotter (1995), Gouillart und Kelly (1995) und im deutschen Sprachraum von Buchner (1995), sowie Große-Oetringhaus (1996) geprägt. Zu Beginn der 2000er Jahre wurde Transformation häufig in den Kontext von Reorganisation oder Change Management gesetzt (Janes et al. 2001). Erst Anfang der 2010er Jahre wurde Business Transformation als Prozess gesehen, der ganzheitlich betrachtet und gemanagt werden muss (Uhl und Gollenia 2012 oder Kohlöffel und August 2012). Eine klare Definition des Begriffs Business Transformation oder Unternehmenstransformation ist in der Literatur bislang nicht vorgenommen worden. Des Weiteren fehlt eine ganzheitliche, dem strategischen Managementprozess angelehnte, Beschreibung des Transformationsmanagementprozesses. Berücksichtigung der Mitbestimmung in der Business Transformation Im Gegensatz zu den USA und zu Großbritannien, in denen monistische Führungsstrukturen in Unternehmen gelten, besteht in Deutschland und weiteren Ländern der Europäischen Union wie Dänemark, Niederlande und Österreich für Kapitalgesellschaften die getrennte, dualistische Führungsstruktur aus Aufsichtsrat und Vorstand (Reinisch 2012, S. 12). Zusätzlich haben Arbeitnehmer, in Form organisierter Vertreter wie Gewerkschaft oder Betriebsrat, umfangreiche und gesetzlich festgeschriebene Mitbestimmungsrechte auf Unternehmens-, sowie Betriebsebene (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft L80/2002, S. 29–34), was die Umsetzung von Veränderungsprozessen im Vergleich zu den USA oder Großbritannien deutlich komplexer macht (Oechsler und Paul 2015, S. 85). Die Literatur zu Business Transformation geht bislang nicht auf dieses Thema ein, sie beschränkt sich lediglich auf die Forderung, den Mitarbeiter in den Transformationsprozess miteinzubinden (Leiss und Barth 2008, S. 459 f.; Uhl und Gollenia 2012; Dalpiaz und Di Stefano 2018, S. 667 ff.). Berücksichtigung der vorhandenen Kernkompetenzen in der Strategieentwicklung Bei der strategischen Neuausrichtung eines Unternehmens oder Geschäftsfeldes muss unterschieden werden in radikale, revolutionäre Neuausrichtung oder in evolutionäre Neuausrichtung. Insbesondere im Falle der evolutionären Neuausrichtung ist das Wissen um die Stärken eines Unternehmens und die Berücksichtigung in der Unternehmensstrategie als Beschreibung des Weges zur Neuausrichtung von entscheidender Bedeutung, wenn die Transformation gelingen soll (auch Haeussler und Higgins 2014, S. 181 und S. 199). Leider werden den fachlichen Kompetenzen eines Unternehmens, das intellektuelle Kapital (Bornemann und Reinhardt 2017), das mitunter einen wesentlichen Anteil (bis zu 80 %) des Unternehmenswertes ausmachen (Skroupa 2017), bei

1.3  Struktur des Buches

7

der Strategieentwicklung zu wenig Beachtung geschenkt. Lafley und Roger (2013, S. 14 und 105 ff.) adressieren die Kompetenzen in ihrem viel beachteten Ansatz „Where to play and how to win?“ erst als vierte von fünf „Leitfragen der Strategieformulierung“ und konzentrieren sich dabei im Wesentlichen auf die Frage nach den Kompetenzlücken, die zur Umsetzung der neuen Ausrichtung zu schließen sind. Die Literatur zur Business Transformation geht bislang nur allgemein auf Kompetenzen ein (Uhl und Gollenia 2012; Kohlöffel und August 2012), die Bedeutung für die Verankerung im Transformationsprozess wird nicht beschrieben.

1.3 Struktur des Buches Das Buch gliedert sich, eingeschlossen der Einleitung wie in Abb. 1.1 dargestellt, in zehn Kapitel. In den Kap. 2 bis 9 werden die wesentlichen Erkenntnisse in einer separaten Zusammenfassung beschrieben. Zum schnellen Einfinden in diesen Kapiteln wir zusätzlich jeweils eine kapitelspezifische Einleitung vorweggestellt.

Abb. 1.1   Struktur der Arbeit. (Quelle: Eigene Darstellung)

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1 Einleitung

Kap. 1 (Einleitung) beschreibt die Motivation und Hinführung zu dem Buch. Die existierenden Problemstellungen werden herausgearbeitet und die wesentlichen Begriffe definiert oder voneinander abgegrenzt. Zusätzlich wird aufgezeigt und begründet, in welchen Bereichen und Fragestellungen das Buch eine Ergänzung zur bisherigen Literatur ist. Die Struktur der Arbeit wird vorgestellt. Kap. 2 (Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess) gibt einen umfassenden Überblick über die Wissensbasis aus der Literatur zu Business Transformation. Dabei werden Ansätze beschrieben, miteinander verglichen und bewertet. Ausgehend aus der Literaturrecherche wird der Prozess des Business Transformation definiert und das Business Transformation Managements beschrieben. Kap. 3 (Das Problem erkennen) zeigt auf, wie ein Unternehmen Probleme, die sich aus internen und/oder externen Einflussfaktoren ergeben können oder bereits ergeben haben, identifiziert, differenziert und beschreibt. Die exakte Beschreibung der Problemstellung ist der Ausgangspunkt einer wirkungsvollen Transformation. Kap. 4 (Die Strategie entwickeln) beschreibt den Prozess der Strategieentwicklung auf Unternehmens- oder Geschäftsfeldebene. Am Beispiel „Where to play and how to win?“ (Lafley und Roger 2013) wird ein in der Praxis erprobter, methodischer Rahmen vorgestellt und weiterentwickelt. Ein Verfahren für die systematische Identifikation von Kernkompetenzen wird vorgestellt, sowie am Beispiel CANVAS erläutert, wie Geschäftsmodelle beschrieben und visualisiert werden können. Kap. 5 (Transformationsprojekte starten und managen) beschreibt die organisatorische Aufstellung der Strategieumsetzung in Form einer Programm- oder Projektstruktur. Die Phasen des Projektmanagements werden vorgestellt und beschrieben sowie auf die wesentlichen Kernerfolgsfaktoren eingegangen. Des Weiteren wird ein Augenmerk auf die Auswahl des Programm- beziehungsweise Projektleiters gelegt, explizit auf die Übergangsphase von der Strategieentwicklung in die Umsetzung eingegangen, sowie Beispiele für die Steuerung der Strategieumsetzung gegeben. Kap. 6 (Vom Konzept bis zur Umsetzung) behandelt die unterschiedlichen Phasen von der Umsetzungsvorbereitung bis zur Ausführung der geplanten Veränderung. Werkzeuge zur Entwicklung und Bewertung von Lösungsvarianten werden vorgestellt und ihre Anwendung beispielhaft beschrieben. Zusätzliche wird auf den Genehmigungsprozess mit Behörden und das Lastenheftes eingegangen, sowie die Grundlogik von Wachstums- und Effizienzinitiativen vorgestellt. Kap. 7 (Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung) beschreibt die Rechte der Mitbestimmung in Form von Betriebsrat und Gewerkschaften auf Unternehmens- und Betriebsebene, die in einer strategischen Neuausrichtung zu berücksichtigen sind. Die für Deutschland geltenden gesetzlichen Grundlagen werden vorgestellt und erläutert, sowie auf Unterschiede in den Ländern Europas eingegangen. Ebenfalls wird die Gesellschaftsform der SE (Societas Europaea) diskutiert. Kap. 8 (Marketing und Kommunikation) erläutert, warum in einem Veränderungsprozess informiert und sich ausgetauscht werden muss und gibt praktische Hinweise über Zeitpunkte, Art und Weise der Kommunikation und mögliche Inhalte. Es wird

Literatur

9

beschrieben, wie Kommunikation die Transformation effektiv unterstützen kann, welche Interessengruppen (Stakeholder) in der Kommunikation zu adressieren sind und wie eine effektive Kommunikationsplanung durchgeführt wird. Kap. 9 (Verankerung) behandelt formale Aspekte des Programm-/Projektmanagements wie Beschlüsse in zuständigen Gremien, die Dokumentation, sowie die Übergabe von Wissen an die Organisation. Kap. 10 (Anforderungen an einen erfolgreichen Chief Transformation Officer) nennt die Eigenschaften, die einen erfolgreichen Transformation Officer auszeichnen. Zusätzlich werden spezifische Erfolgsfaktoren im Transformationsprozess vorgestellt, die ein Transformation Officer sicherstellen muss.

Literatur Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft (2002) Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft: Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zur Vertretung der Arbeitnehmer. Amtsblatt Nr. L 80 vom 23.03.2002, S. 29–34 Ansoff I (1965) Corporate strategy: an analytic approach to business policy for growth and expansion. McGraw-Hill, New York Berner W (2010) Change!: 15 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung. Schäffer-Poeschel, Stuttgart Best B, Weth M (2005) Geschäftsprozesse optimieren: der Praxisleitfaden für erfolgreiche Reorganisation, 2. Aufl. Gabler, Wiesbaden Bornemann M, Reinhardt R (2017) Handbuch Wissensbilanz: Umsetzung und Fallstudien, 2., neu bearbeitete Aufl. Schmidt, Berlin Brühl V, Göpfert B (Hrsg) (2014) Unternehmensrestrukturierung, 2. Aufl. Schäffer-Poeschel, ­Stuttgart Buchner D (Hrsg) (1995) Vision und wandel: Neuorientierung und Transformation von Unternehmen. Springer Gabler, Wiesbaden Burgelman R (1991) Intraorganizational ecology of strategy making and organizational adaption: theory and field research. Organ Sci 2(3):239–262 Burgelman R (2002) Strategy as vector and the inertia of coevolutionary lock-in. Adm Sci Q 47(2002):325–357 Bühner R (2001) Management-Lexikon. De Gruyter Oldenbourg, München Chakravarty A (2014) Supply chain transformation: evolving with emerging business paradigms. Springer, Berlin Chandler A (1962) Strategy and structure: chapters in the history of the industrial enterprise. The M.I.T. Press, Cambridge Christensen CR et al (1965) Business policy: text and case. R. D. Irwin, o. O. Dalpiaz E, Di Stefano G (2018) A universe of stories: mobilizing narrative practices during transformative change. Strateg Manag J 39(3):664–696 Drucker P (1956) Praxis des Management: ein Leitfaden für die Führungs-Aufgaben in der modernen Wirtschaft. Econ, Düsseldorf

10

1 Einleitung

Frei C (2005) Business Transformation Outsourcing im Banking: Ein strategischer Ansatz zur Auslagerung geschäftskritischer Prozesse. Haupt, Bern Ghemawat P (2002) Competition and business strategy in historical perspective. Bus Hist Rev 76(1):37–74 Große-Oetringhaus W (1996) Strategische Identität – Orientierung im Wandel: Ganzheitliche Transformation zu Spitzenleistung. Springer, Berlin Gouillart F, Kelly J (1995) Business transformation. Ueberreuter, Wien Haeussler C, Higgins M (2014) Strategic alliances: trading ownership for capabilities. J Econ Manag Strategy 23(1):178–203 Hammer M (2003) Business Reengineering: Die Radikalkur für das Unternehmen. Aus dem Englischen von Patricia Künzel. Campus, Frankfurt Henderson B (1979) Henderson on corporate strategy. Harpercollins, Cambridge Hoffmann C et al (Hrsg) (2016) Business Innovation: Das St. Galler Modell. Springer Gabler, Wiesbaden Janes A et al (2001) Transformations-Management: Organisationen von Innen verändern. Springer, Wien Köhler-Schulte C (Hrsg) (2016) Digitalisierung und Transformation in Unternehmen. KS-Energy-Verlag, Berlin Kohlöffel K, August H-J (2012) Veränderungskonzepte und Strategische Transformation: Trends, Krisen, Innovationen als Chance nutzen. Publicis, Erlangen Kotter J (1995) Leading change: why transformation efforts fail. Harv Bus Rev 73(2):59–67 Krause S, Pellens B (Hrsg) (2018) Betriebswirtschaftliche Implikationen der digitalen Transformation: 75 Jahre Arbeitskreis der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. Springer Gabler, Wiesbaden Lafley A, Martin R (2013) Playing to win: how strategy really works. Harvard Business Review Press, Boston Leiss Myrto E, Barth O (2008) Konflikte effizient managen. Arbeit und Arbeitsrecht 8(2008):456– 460 Melzig-Thiel B, Joos M (2013) Corporate Development: Praxisleitfaden zur Unternehmensentwicklung mit Fallbeispielen. De Gruyter Oldenbourg, München Mintzberg H, Waters J (1985) Of strategies, deliberate and emergent. Strateg Manag J 6(1985):257–272 Mintzberg H, Westley F (1992) Cycles of organizational change. Strateg Manag J, Special Issue: Fundamental themes in strategy process research, Winter 1992, 13:39–59 Müller-Prothmann T, Dörr N (2014) Innovationsmanagement: Strategien, Methoden und Werkzeuge für systematische Innovationsprozesse, 3. Aufl. Hanser, München Oechsler W, Paul C (2015) Personal und Arbeit, 10. Aufl. De Gruyter Oldenbourg, Berlin Osterloh M, Frost J (2006) Prozessmanagement als Kernkompetenz: Wie Sie Business Reengineering strategisch nutzen können, 5. Aufl. Springer Gabler, Wiesbaden Reinisch D (2012) CEO-Compensation: Vergütungssysteme zwischen Effizienz und Gerechtigkeit. Lit, Berlin Schaarschmidt R (2003) Business transformation outsourcing: Der Weg in die on-demand-Welt. IM Inf Manag Consult 18(3):46–50 Schulz C, Rehder S (2017) Entrepreneurship. Springer Gabler, Stuttgart Selznick P (1957) Leadership in administration: a sociological interpretation. Harper & Row, New York Skroupa C (2017) How intangible assets are affecting company value in the stock market. https:// www.forbes.com/sites/christopherskroupa/2017/11/01/how-intangible-assets-are-affecting-company-value-in-the-stock-market/#14aaf8902b8e. Zugegriffen: 6. Apr. 2018

Literatur

11

Trapp M (2014) Realizing business model innovation: a strategic approach for business unit managers. Springer Gabler, Wiesbaden Uhl A, Gollenia L (2012) A handbook of business transformation management methodology. Grower, o. O. von Rössing R (2005) Betriebliches Kontinuitätsmanagement. Mitp-Verlag, Bonn Weber J et al (Hrsg) (2011) Turnaround: Navigation in stürmischen Zeiten. Wiley, Weinheim Zeid A (2014) Business transformation: a roadmap for maximizing organizational insights. Wiley, Hoboken

2

Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

Zusammenfassung

Kap. 2 (Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess) gibt einen umfassenden Überblick über die Wissensbasis aus der Literatur zu Business Transformation. Dabei werden wesentliche Ansätze, die seit den 1990er-Jahren bis heute entwickelt wurden, vorgestellt, miteinander verglichen und bewertet. Die vorhandenen Ansätze und Bausteine werden zu einem ganzheitlichen Business Transformation Management zusammengeführt, sowie der Prozess der Business Transformation von der Problemerkennung über die Strategieentwicklung bis zur Umsetzung definiert.

2.1 Einleitung Unter Management wird die „zielgerichtete Führung und Leitung eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter …“ verstanden (Bühner 2001, S. 458). Unter Transformationsmanagement kann man somit die zielgerichtete Führung und Leitung des Veränderungsprozesses in einem Unternehmen verstehen. Dabei werden das Unternehmen und seine Produktionsfaktoren verändert. Der Veränderungsprozess wird mit den Mitarbeitern gestaltet. Eine Transformation hat zum Ziel, den Unternehmenserfolg mittel- bis langfristig sicherzustellen oder zu steigern. Damit kann man das Transformationsmanagement auch dem Strategischen Management zuordnen (Bühner 2001, S. 727 f.; Lombriser und Abplanalp 2015, S. 18 ff.).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Klasen, Business Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25879-5_2

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14

2  Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

Ausgangslage kennen

Ziele festlegen, Weg beschreiben

Maßnahmen umsetzen und nachhaltig verankern

2. Analyse der externen Umwelt

1. Bewertung des Unternehmenserfolgs

4. Überprüfung von Mission und Zielsetzung

5. Entwicklung, Bewertung, Auswahl der Strategie

6. Implementierung der Strategie

7. Strategische Kontrolle

3. Analyse der internen Umwelt

Abb. 2.1   Strategischer Planungsprozess. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bühner 2001, S. 728)

Ein Transformationsmanagement setzt sich in Anlehnung an das Strategische Management (Abb. 2.1) aus drei Hauptphasen zusammen: 1. Ausgangslage kennen: Probleme innerhalb und außerhalb des Unternehmens sind erkannt und den Entscheidern bewusst. Ebenfalls sind die eigenen Fähigkeiten und Stärken, sowie deren Bedeutung im Markt und Wettbewerb bekannt. 2. Ziele festlegen, Weg beschreiben: Im Rahmen der eigentlichen Strategieentwicklung wird der Weg zum Ziel beschrieben. 3. Maßnahmen umsetzen und nachhaltige Verankerung: Die Umsetzung der Strategie ist wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Transformation. Häufig wird diesem Schritt zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

2.2 Business Transformation in der bisherigen Literatur In der Literatur gibt es nur sehr wenige und zum Teil unvollständig formulierte Ansätze für das Managen von Unternehmenstransformationen. Die ersten Veröffentlichungen zum Thema betriebswirtschaftliche Neuausrichtung von Unternehmen im Sinne „Business Transformation“ erschienen Mitte der 1990er Jahre. Kotter formulierte 1995 auf Basis einer umfangreichen Studie Leitlinien zur Transformation. Gouillart und Kelly (1995) beschrieben Transformation in Unternehmen als Managementaufgabe und als kontinuierlichen, wiederkehrenden Prozess. Im deutschen Sprachraum wird das Management von Transformationen erstmals von Buchner (1995), sowie Große-Oetringhaus (1996) erörtert. Die Veröffentlichungen, die alle einen allgemeingültigen Anspruch haben, werden durch eine Reihe von spezifischen Fachartikeln (beispielhaft Hamel und Prahalad 1995; Stacey 1995; Brown und Eisenhover 1997; Macintosh und MacLean 1999) ergänzt, die einzelne Facetten in der Unternehmenstransformation oder Ansätze zur Bewältigung der Komplexität in Transformationsprozessen adressieren.

2.2  Business Transformation in der bisherigen Literatur

15

In den frühen 2000er Jahren wurde zum Thema Transformation wenig veröffentlicht. Janes et al. (2001) verorteten Transformation als Managementansatz zwischen Change Management und Organisationsentwicklung. Rosenbloom (2000, S. 1083 ff.) beschrieben in einer Fallstudie die Transformation des Unternehmens NCR und arbeitet heraus, wie Führung und Fähigkeiten in Transformationsprozessen aufgebaut werden. Die Einbettung der beschriebenen Maßnahmen in einen Gesamtprozess zur Transformation blieb jedoch offen. Erst Anfang der 2010er Jahre wurde Business Transformation als strategischer Prozess gesehen, der ganzheitlich betrachtet und gemanagt werden muss (Uhl und Gollenia 2012 oder Kohlöffel und August 2012). Die 90er Jahre John P. Kotter (1995b, S. 21 ff.) hat seine Erkenntnisse aus Erneuerungen von Unternehmen in einem 8-Punkte Plan zusammengefasst. Dafür hat er über 100 Unternehmen unterschiedlicher Art und in mehreren Regionen untersucht, die alle das gleiche Hauptziel verfolgten: „Grundlegende Veränderung erreichen bei der Art und Weise, das Geschäft zu betreiben mit dem Zweck, sich auch in einem neuen, anspruchsvolleren Marktumfeld zu behaupten.“ Kotter kommt zu dem Schluss, dass ein Veränderungsprozess mehrere Phasen durchläuft, die jeweils viel Zeit beanspruchen und einzelne Abschnitte nicht übersprungen werden dürfen. Des Weiteren mahnt er, dass sich Fehler in den Phasen massiv auf den Erfolg des Gesamtprozesses auswirken, da sie „… Schwung abbremsen und schwer erreichte Fortschritte wieder zunichtemachen können“ (Kotter 1995a, S. 21). Aus den aus seiner Sicht gemachten Fehlern hat er acht Schritte für eine Erneuerung der Organisation abgeleitet (Abb. 2.2). Diese haben den Charakter von Leitlinien zur Transformation für die Unternehmensführung (Vision of Transformation). Über den konkreten Transformationsprozess und Methoden in der Transformation äußert sich der Autor nicht. 1. Establishing a Sense of Urgency 2. Forming a Powerful Guiding Coalition 3. Creating a Vision 4. Communicating the Vision 5. Empowering Others to Act on the Vision 6. Planning for and Creating Short-Term Wins 7. Consolidating Improvements and Producing Still More Change 8. Institutionalizing New Approaches

Abb. 2.2   Organisationserneuerung in acht Schritten nach Kotter. (Quelle: Kotter 1995a, S. 61)

16

2  Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

Gouillart und Kelly (1995, S. 61 ff.) beschreiben im gleichen Jahr erstmals Transformation als Managementaufgabe. Sie sind der Ansicht, dass Transformation eine neue Stufe der Unternehmensphilosophie darstellt und als kontinuierlicher, wiederkehrender Prozess von der Organisation selber getragen werden soll (systemischer Ansatz). Sie sind geleitet von der Vorstellung einer Organisation vergleichbar eines biologischen Organismus (Bio-Organisationssystem) und beschreiben wie Abb. 2.3 zeigt, je 3 Organisationssysteme in 4 Dimensionen (4R): Reframing (Einstellung verändern), Restructuring (Umstrukturieren), Revitalizing (Revitalisieren), Renewing (Erneuern). „Unternehmenstransformation [ist] die aufeinander abgestimmte Umgestaltung der genetischen Architektur eines Unternehmens, die gleichzeitig – wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten – in alle vier Dimensionen […] durchgeführt wird“ (S. 21). Im Reframing soll ein Bewusstsein für die Situation im Unternehmen bei den Mitarbeitern geschaffen, eine Vision als „gemeinsamen geistigen Rahmen für die Zukunft“ entwickelt (S. 25), sowie Maßnahmen zur Erreichung der Ziels vereinbart werden. Diese Dimension, oder Phase beinhaltet insbesondere eine Ertüchtigung der Mannschaft, um Transformationsziele zu erreichen (S. 45 ff.) und fordert „Individuen auf den permanent Wandel vor[zu]bereiten“ (vgl. Agile Unternehmen).

Erneuern

Einstellung verändern

Seele/Geist

Bewusstsein

Organisation erneuern

Mobilisierung erreichen

Individuelles Lernen forcieren

Vision entwerfen

Ziel- und Messgrößen System verankern

Anreizsysteme schaffen

Transformation Quantensprünge durch Technologieeinsatz erzielen

Neue Ge_ schäftsfelder entwickeln

Infrastruktur ausrichten Kundenfokussierung erreichen

Revitalisierung Körper und Umwelt

Wertschöpfungsorientiertes Geschäftsmodell aufbauen

Prozesse umgestalten

Umstrukturieren Inneres

Abb. 2.3   Transformation der Organisation nach Gouillart und Kelly. (Quelle: Gouillart und Kelly 1995, S. 24)

2.2  Business Transformation in der bisherigen Literatur

17

Die Dimension Restructuring beinhaltet im Wesentlichen die Forderung nach wertorientierten Geschäftsmodellen, sowie effektive, effiziente Infrastrukturen und Prozesse (S. 143 ff.). Die Wertschaffung für das Unternehmen und ihre Investoren findet hauptsächlich über die Reduzierung spezifischer Kosten statt. Man könnte auch sagen, die Produktionsfaktoren und Prozesse werden fit gemacht um Kraft für die dritte Dimension oder Phase der Revitalisierung zu schöpfen. In der Revitalisierung soll das Unternehmen auf Wachstum getrimmt werden. Dafür richtet sich das Handeln des Unternehmens ganz auf die Kunden und ihre Bedürfnisse aus, entwickelt neue Geschäftsfelder und versucht neue Technologien nutzbar zu machen (S. 241 ff.). In der vierten Dimension Renewing werden vor allem Hebel der Organisationsentwicklung angesprochen. Eine Unternehmenstransformation ist nur dann erfolgreich, wenn die richtigen (finanziellen) Anreize für Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden gesetzt werden, das individuelle Lernen gefördert wird und die Organisation die Fähigkeit erlangt, sich laufend zu erneuern beziehungsweise neuen Anforderungen anzupassen (S. 335 ff.). Die von Gouillart und Kelly vorgestellten Dimensionen sind weniger ein Prozess zur zielgerichteten Neuausrichtung eines Unternehmens als vielmehr ein Methodenbaukasten, der wichtige Themen in einer Transformation adressiert. Sie können daher vergleichbar zu Kotter einerseits Leitlinien zur Transformation zugeordnet werden, zum anderen geben sie wertvolle Impulse für die Organisation und die Durchführung des Transformationsprozesses. Große-Oetingshaus (1996, S. 8 ff.) sieht einen Transformationsprozess als umfassenden Aktionsplan. Er spricht auch von Transformationsprogramm und bezieht sich dabei auf das Vorgehen von Firmen wie IBM, GE, ABB, Motorola, Siemens und EDS. Er leitet drei wesentliche Einflussfaktoren (vgl. Leitlinien) für einen erfolgreichen Transformationsprozesses ab (S. 14): 1. „Der Zusammenhang zwischen Zielen und Kompetenzen ist für den Erfolg grundlegend.“ Langfristige Unternehmensziel (Vision) können nur dann erreicht werden, wenn das Unternehmen auch die für die Umsetzung notwendigen Kompetenzen besitzt. Den „schlüssigen Zusammenhang zwischen Vision und Kompetenz“ bezeichnet ­Große-Oetingshaus als Identität. 2. Die Realisierung eines „Identitätswandels [muss] durch ein abgestuftes Gesamtprogramm, das Führungssystem, strategische Leitlinien und systemverändernde Programme [z. B. 6-Sigma] umfaßt“, erfolgen. Transformationen sind nur dann erfolgreich, wenn sie ganzheitlich und nachhaltig die Organisation aktiviert und entwickelt. Man kann auch sagen, dass eine Transformation nur dann wirkungsvoll und erfolgreich ist, wenn sie von der eigenen Organisation getrieben und getragen wird. Das Abgeben der Verantwortung an Managementberater kann daher im Sinne einer nachhaltigen Neuausrichtung des Unternehmens oder eines Geschäftsfeldes nicht funktionieren.

18

2  Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

3. „Die systemverändernden Programme sind aufwendig [und] erfassen […] Unternehmen in ihren Grundfesten.“ Transformation erfolgt nicht alleine durch Ankündigung und Kommunikation von ambitionierten Zielen. Es gilt vielmehr ein Programm oder dauerhaften Prozess aufzusetzen, das/der die Transformation im Unternehmen oder Geschäftsfeld treibt und steuert, sowie die Umsetzung der umfassenden Maßnahmen sicherstellt. Dies ist eine zum Teil mehrjährige Tätigkeit, die professionell durchgeführt werden muss. Groß-Oetingshaus sieht Transformation im Unternehmen als fortlaufende Daueraufgabe an und hält einmalige Großprojekte für nicht sinnvoll. „Neue Wettbewerbs- und Technologiebedingungen erfordern zukünftig eine ständige Erneuerung, ein ständiges Lernen mit flexiblen Strukturen und Prozessen“ (S. 21). Es ist zu vermuten, dass dieser Ansatz im Lichte der gerade überwundenen Krise der deutschen Wirtschaft 1992–1993 und den neuen, aus Japan kommenden Management-Methoden wie Kontinuierliches Verbesserungsmanagement (KVP) entstanden ist. Wird einem die Bedeutung und der Kraftakt der strategischen Neuausrichtung eines Unternehmens klar, wird verständlich, warum ein einmaliges Programm, auf das eine Organisation eingeschworen wird, eine valide Alternative zur fortlaufenden Daueraufgabe darstellt. Im Gegensatz zu Gouillart und Kelly (1995) schlägt Große-Oetingshaus (1996) implizit vor, zuerst ein Transformationsplan aufzusetzen und zu kommunizieren und erst dann mit der eigentlichen Problemanalyse zu beginnen. Dies hat den Anschein, als ob Transformation als Selbstzweck verstanden wird. Den Prozess unterteilt Große-Oetingshaus in 5 Stufen: Transformationsplan, Umfeldanalyse, Strategische Identität, Systemveränderung und Umsetzung (Abb. 2.4). Zu Beginn steht der Transformationsplan (Gesamtplan) als Bezugsrahmen zur Transformation aller Aktivitäten. Er soll die Konsistenz (Zusammenhalt) im Transformationsprozess sicherstellen und besteht aus den drei Elementen Ziel-, Führungs-, und Transformationssystem (S. 33 ff.). Der Transformationsplan bildet somit eine Richtschnur für die spätere Durchführung der Transformation auf Unternehmens- oder Geschäftsfeldebenen. In der zweiten Stufe Umfeldanalyse werden die Veränderungen des externen Umfelds analysiert und die Notwendigkeit für Veränderung im Unternehmen erzeugt. ­Große-Oetingshaus ist davon überzeugt, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens über das Erkennen und Verstehen der Veränderungen im Markt, wie „Technologie, Lebensstil, Demografie, Marktregulierung und Geopolitik“, sowie Wohlstand und Wettbewerb, Anregungen für Innovationen erhalten und somit auch auf die Kernprobleme des Unternehmens geführt werden (S. 75 ff.). Die Strategische Identität als dritte Stufe verbindet die Entwicklung der Vision mit der Ableitung der Kompetenzlücken im Unternehmen. Auf Basis langfristiger Unternehmensziele werden die Kompetenzfelder entwickelt, die zum Erreichen der anspruchsvollen Transformationsziele, wie zum Beispiel die Marktführerschaft in einem Segment, benötigt werden (S. 143 ff.).

2.2  Business Transformation in der bisherigen Literatur

19

alter Führungssprozeß ‡ Wirkungen ‡ Kontrollieren ‡ Sichern

Transformation auf Unternehmensebene 1. Stufe: Transformationsplan

2. Stufe: Umfeldanalyse

3. Stufe:

4. Stufe:

Strategische Identität

Systemveränderung

5. Stufe: Umsetzung

Marktführerschaft

Transformation auf Geschäftsebene neuer Führungssprozeß ‡ Ursachen ‡ Verbessern ‡ Lernen

Abb. 2.4   Transformationsprozess nach Große-Oetingshaus. (Quelle: Große-Oetingshaus 1996, S. 18)

Im vierten Schritt Systemveränderung wird die neue Identität des Unternehmens in Form von sieben Elementen („Strategie, Stärke, Werte, Führungsstil, Mitarbeiter, Organisation und Führungsprozess“) umgesetzt. Es handelt sich um eine Veränderung der Einstellung in der Organisation und eine Erneuerung der Organisation, vergleichbar dem vorgestellten Ansatz von Gouillart und Kelly. Zu allen sieben Elementen werden nach Große-Oetingshaus je vier Leitlinien in den Dimensionen „Anspruch, Richtung, Objekt und Prozeß“ zur Neuausrichtung des Unternehmens festgelegt (S. 203 ff.). Die abschließende Stufe Umsetzung operationalisiert die Transformation und bricht sie von der Unternehmensebene auf die Geschäftsfeldebene herunter. Laut Große-­ Oetingshaus müssen die Geschäftsfelder ebenfalls die Stufen 1–5 durchlaufen, jedoch mit geschäftsfeldrelevanten Inhalten. Am Ende dieses zweiten Durchgangs liegt „ein korrekter Maßnahmenplan mit Meilensteinen“ vor (S. 30 f. und S. 389 ff.). Große-Oetingshaus beschreibt einen Prozess zur Erneuerung des Unternehmens und seiner Geschäftsfelder. Besonderen Wert legt er auf die Erneuerung von Innen. So soll die Organisation aus der eigenen Zieldefinition und Umfeldanalyse die Handlungsnotwendigkeit erkennen und sich das Unternehmen durch Anpassung des Führungssystems von selbst erneuern. Eine Programm- oder Projektsteuerung sieht er nicht vor, da er Transformation als Daueraufgabe versteht. Somit ist der Ansatz nahe dem Change Management anzusiedeln.

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2  Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

Hamel und Prahalad (1995, S. 51) sind der Ansicht, dass für eine erfolgreiche Strategieumsetzung das Management vor allem ambitionierte Ziele, die von den Angestellten das scheinbar Unmögliche verlangen, gesetzt werden müssen. Dazu werden häufig dezidierte Umsetzungsprogramme aufgelegt, um den Fokus der Belegschaft auf das Wesentliche zu lenken. Im Rahmen einer umfassenden Transformation, kann davon ausgegangen werden, dass die gesetzten Ziele für die Mitarbeiter des Unternehmens oder Geschäftsfeldes ambitioniert sind. Daher sollte die Umsetzungsphase einer Transformation in einem Programm oder Projekt eingebettet sein. Buchner (1995) weist auf den Stellenwert der Vision in einer Unternehmenstransformation hin. Eine Vision zu haben wird gleichgesetzt mit dem „Mut, Risiken einzugehen“. Wenn die Mitarbeiter eines Unternehmens wissen, was das Unternehmen will, wohin es will und warum, dann werden sie sich auf den Weg machen (vgl. S. 5). Darum steht Vision und Wandel auch in einem unmittelbaren Kontext zueinander. Der Herausgeber macht deutlich, dass die Vision von allen mitgetragen werden muss, das heißt alle Mitarbeiter kennen die langfristigen Ziele, sind von der Möglichkeit diese zu erreichen überzeugt und setzen sich für deren Erreichung ein (S. 14 f.). Angelehnt an „Management by Objectives“ spricht der Autor von „Management by Vision“ (S. 125 ff.). Stacey (1995, S. 477 ff.) überlegte, wie die Komplexität in einer Transformation über ein Business Dynamics Modell beschrieben und beherrscht werden kann. Sein Fazit ist, dass eine Organisation als System beschrieben und simuliert werden kann. In diesem System können außenstehende Berater oder privilegierte Mitarbeiter des Unternehmens, wie Führungskräfte, die Ausrichtung des Unternehmens vorgeben und andere Mitarbeiter beeinflussen, einem Masterplan zu folgen (S. 490 f.). Damit bekommt Führung im Transformationsprozess einen besonderen Stellenwert zugesprochen. Macintosh und MacLean (1999, S. 305 f.) befassen sich mit einem temporären Leistungsabfall der Organisation während einer Transformation im Sinne eines Change Management Prozess. Sie unterteilen den Transformationsprozess in drei Phasen: 1. Aufbereitung („Conditioning“) in der die Ausgangslage des Unternehmens beschrieben wird. 2. Aufbrechen („Creating far-from-equilibrium conditions“) in der die bestehende Organisation zum Mitmachen aktiviert wird. 3. Steuern („Managing the feedback process“) in der die Umsetzung der Maßnahmen und die Rückmeldungen der Organisation ausgesteuert werden. In der 2. Phase „Aufbrechen“ werden nach Macintosh und MacLean die Mitarbeiter des Unternehmens explizit zur Mitarbeit und Unterstützung des Prozesses aufgefordert. Nur wenn die Ziele des Unternehmens von allen am Unternehmenserfolg Beteiligten verstanden werden, kann die Umsetzung der Neuausrichtung gelingen. Neben den Mitarbeitern sind jedoch auch weitere Stakeholder mit einzubeziehen.

2.2  Business Transformation in der bisherigen Literatur

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Die 2000er Jahre Janes et al. (2001, S. 7 ff.) verstehen Transformations-Management als eigenständigen Managementansatz zwischen Change Management und Organisationsentwicklung, der die Vorzüge von Change (Wandel) und Organisationsentwicklung vereint. Eine Transformation ist zu verstehen als Veränderung von Innen. Sie stellen ein 5-Phasen-Modell der „Transformation von Innen“ vor (Abb. 2.5): Transformationsbedarf benennen, Transformationsziele fest machen, Transformation konzipieren und realisieren, Transformationskonzepte implementieren und Transformation von Innen auswerten. In der ersten Phase „Transformationsbedarf benennen“ sollen die Probleme des Unternehmens oder des Geschäftsfeldes herausgearbeitet werden. Wesentliches Instrument sind Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitern. Die Interviews werden anschließend zusammengeführt und die Ergebnisse in gemeinsamen Workshops vorgestellt und diskutiert. Analysen von verfügbaren Daten oder der Einbezug von externen Stakeholdern wird nicht beschrieben. Die Ergebnisse der Workshops werden für die Gruppe als „Committment for Change“ zusammengefasst (S. 61 ff.). In der zweiten Phase „Transformationsziele fest machen“ werden konkrete Veränderungsziele aus den Interviews und dem Committment for Change festgelegt und konkrete Maßnahmen der Transformation beschrieben. Abschließend werden in der Phase Leitlinien für den weiteren Transformationsprozess festgelegt (S. 71 ff.).

1. Den Transformationsbedarf benennen ‡ ‡

Probleme identifizieren, die es aus der Sicht der relevanten Umwelt zu lösen gilt; den Case for Action formulieren Energie für die Transformation lokalisieren

2. Die Transformationsziele festmachen, das Commitment zu den Inhalten der Transformation und zum Prozess-Design herstellen ‡ ‡ ‡ ‡ ‡ ‡

Eine Vision formulieren (falls noch keine vorhanden ist) Existierende Vorstellungen zu gewünschten zukünftigen Zuständen formulieren Erfolgskriterien für die Zielerreichung festlegen Die Veränderungsorganisation konzipieren und vereinbaren Das Ausmaß an Offenheit/Geschlossenheit der Prozesse vereinbaren Den Kooperationsvertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer aushandeln

3. Die Transformation konzipieren und realisieren ‡ ‡ ‡

Die Veränderungsorganisation konzipiere, rekrutieren, einrichten und laufend anpassen Die einzelnen Konzeptprojekte durchführe und abschließen Den Transformationsprozess laufend bilanzieren und die Ergebnisse verankern

4. Die Transformationskonzepte implementieren ‡ ‡ ‡

Die Veränderungsorganisation konzipiere, rekrutieren, einrichten und laufend anpassen Einzelne Realisierungsprojekte durchführen Den Transformationsprozess laufend bilanzieren und die Ergebnisse verankern

5. Die Transformation von Innen insgesamt auswerten ‡ ‡ ‡

Reviews und Feed-back-Schleifen durchführen Den Prozess abschließen und Know-how sichern Gegebenenfalls einen neuen Prozess aufsetzen

Abb. 2.5   Die 5 Phasen der „Transformation von Innen“ nach Janes, Prammer und Schulte-Derne. (Quelle: Janes et al. 2001, S. 16)

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2  Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

Die dritte Phase „Transformation konzipieren und realisieren“ baut zu Beginn ein mit der Transformationsumsetzung und -steuerung beauftragtes Programm- oder Multi-Projektteam auf. Dieses Team entwickelt auf Basis der langfristigen Unternehmensziele und den veränderten internen und externen Umfeldbedingungen Maßnahmen, die im Rahmen der weiteren Transformation im Unternehmen implementiert werden sollen (S. 79 ff.). In der vierten Phase „Transformationskonzepte implementieren“ werden die entwickelten Maßnahmen von Umsetzungsteams weiter konkretisiert, Beschlüsse für die Umsetzung eingeholt und die Umsetzung der Maßnahmen durchgeführt. Das Programmteam begleitet die Umsetzung durch laufende Bilanzierung und überprüft die Verankerung der Maßnahmen in der Organisation (S. 117 ff.). Die abschließende fünfte Phase „Transformation von Innen auswerten“ hat zum Ziel, Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Transformationsprozess systematisch aufzunehmen und gegebenenfalls Felder zu identifizieren, in denen die Maßnahmen noch nicht wie geplant vollständig umgesetzt sind. Das Gelernte aus dem Prozess ist in der Programm- beziehungsweise Projektdokumentation für spätere Transformationsprozesse festzuhalten (S. 130 ff.). Die vorgestellten Erkenntnisse von Janes et al. basieren im Wesentlichen aus der Zusammenarbeit der Unternehmensberater mit einem österreichischen Versicherungsunternehmen. Weitere Beispiele sind aus der Zusammenarbeit mit Unternehmensbereiche der Firmen Bayer und DaimlerChrysler. In der Fallstudie wird detailliert der gemeinsame Weg beschrieben und mit mehreren Checklisten die Erkenntnisse zusammengefasst. Strategische Fragestellungen werden nicht diskutiert, es bleibt für den Leser auch offen, wie der Bedarf für eine Transformation konkret abgeleitet wird. Janes et al. sind davon überzeugt, das eine Transformation nur mit oder durch Berater erfolgreich umgesetzt werden kann. Die 2010er Jahre Uhl und Gollenia (2012) nehmen implizit die bisher vorgestellten Ansätze unter dem Namen „Business Transformation Management Methodology“ (BTM2) auf und ergänzen diesen um die Ebene des „Meta-Managements“ zur expliziten Steuerung der Gesamtaktivitäten (vgl. Projekt Management Office – PMO; Sedlmayer 2011, S. 203 ff.) und um den Schritt „Engage“ zur Aktivierung und Involvierung der Mitarbeiter für den Transformationsprozess. Auch der Ansatz von Uhl und Gollenia, den sie selbst als den ersten ganzheitlichen, integrierten und methodischen Ansatz zum Business Transformation Management beschreiben, geht von einem kontinuierlichen, wiederkehrenden Prozess aus (S. 4). Der Transformations-Lebenszyklus (Abb. 2.6) beginnt nach Uhl und Gollenia (S. 17 ff.) mit dem Schritt „Envision“. In dem Schritt wird herausgearbeitet, warum eine Transformation notwendig ist und wie fähig die eigene Organisation ist, den Wandel zu gestalten und in die Umsetzung zu führen. Zusätzlich wird die Strategie auf Unternehmens- oder auch Geschäftsfeldebene definiert und die Zustimmung für die neue Ausrichtung bei den relevanten Stakeholdern eingeholt.

2.2  Business Transformation in der bisherigen Literatur

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Every business transformation is an interactive process going through different phases in recurring cycles.

Envision

Engage

Create case for change, sense of urgency, strategy/vision.

Empower people to act on the vision and plan the effort.

Transformation Internalize, institutionalize, and optimize transformation; create stability.

Optimize

Change behaviour, process, technology, culture, values.

Transform

Abb. 2.6   Business Transformation Management Methodology (BTM2) nach Uhl und Gollenia. (Quelle: Uhl und Gollenia 2012, S. 17)

Im zweiten Schritt „Engage“ wird die gesamte, von der Transformation betroffene Organisation aktiviert und eine Zustimmung zur geplanten Transformation auf bereiter Mitarbeiterebene eingeholt. Dazu werden Hintergründe die zur Transformation führen kommuniziert und erläutert. Geplante Transformationsmaßnahmen werden in dem Schritt in Aufgabenpakete oder Umsetzungsprojekte gefasst und gestartet. Damit bekommt die Transformation im Unternehmen Gestalte und wird spürbar. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt in der dritten Phase „Transform“. Zu Transformation gehört nach Uhl und Gollenia ein breiter Fächer aus Reorganisation und Anpassung der Kapazitäten, der Aufbau neuer Geschäftsprozesse und Kompetenzen, genauso wie der Wandel der Kultur. Einen besonderen Augenmerk ist auf die Informationstechnologie in den betroffenen Organisationen zu legen. Nach Ansicht der Autoren ist der erfolgreiche Wandel der IT der entscheidenden Wegbereiter einer ­Transformation. Im abschließenden 4. Schritt „Optimize“ soll die durchgeführten Maßnahmen der Transformation in der Organisation verankert und verinnerlicht werden. Dazu wird die Zielerreichung fortlaufend gemessen, zusätzliche naheliegende und schnell umsetzbare Maßnahmen (Quick-Wins) in der weiteren Transformation berücksichtigt, sowie jegliches Nachlassen der Wandelbereitschaft in der Organisation angesprochen. Nach Uhl und Gollenia muss es Ziel in dem Lebenszyklus sein, dass sich die Organisation selbstständig und kontinuierlich der Veränderungsnotwendigkeit stellt und den Wandel eigenständig einleitet und durchführt. Das Problem kontinuierlicher, wiederkehrender Verbesserungs- oder Veränderungsprozesse ist jedoch die schleichend schwindende Effektivität und Effizienz in diesen Prozessen, wenn nicht eine „Unternehmenskultur der ständigen Verbesserung“ etabliert ist

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2  Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

(Brunner 2017, S. 7). Daher begegnen Uhl und Gollenia dieser Schwäche mit der Einführung des Meta Managements als hauptamtliche Funktion und Treiber für die ständige Transformation im Unternehmen und schaffen damit neben der Funktion Corporate Development/Strategie eine weitere Organisationseinheit mit weiteren Schnittstellen. Dies ist letztendlich eine Aufstockung der administrativen und steuernden Funktionen im Unternehmen (Overhead), was die Komplexität zusätzlich erhöht und dadurch die Erneuerung erschwert (Suter et al. 2015, S. 92 ff. und 106 ff.). Kohlöffel und August (2012) beschreiben Transformation als umfangreiche und tief greifende Neuausrichtung eines Unternehmens, die aus einer deutlichen Veränderung der Ist-Situation erforderlich ist. „Eine solche Transformation erfordert häufig den Umgang mit völlig neuen Technologien, das Arbeiten mit neuen Verfahren und Prozessen, das Verständnis für neue Fachbegriffe und Inhalte sowie auch neue Denk-, Verhaltens- und Führungsweisen. Dadurch werden die Beziehungen zu wichtigen Stakeholdern, wie Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und Kapitalgeber neu gestaltet“ (S. 29). Kohlöffel und August verstehen Transformation als ein Projekt (S. 268). Ein wichtiger und unverzichtbarer Baustein in einer erfolgreichen Umsetzung ist die Kommunikation. „Kommunikation ist nicht alles – ohne Kommunikation ist alles nichts“ (S. 276). Dalpiaz und Di Stefano (2018, S. 664 ff.) stützen diese Sicht am Beispiel der strategischen Neuausrichtung der Firma Alessi. Durch Kommunikation und einem ausgefeilten „Storytelling“ wurde die Transformation des Unternehmens den Mitarbeitern, Kunden und weiteren Stakeholdern vermittelt und letztendlich erfolgreich umgesetzt. Kohlöffel und August unterteilen die Transformation eines Unternehmens oder Geschäftsfelds in drei Schritte (Abb. 2.7): Handlungsrahmen definieren, Strategische Optionen entwickeln und Strategie umsetzen. Im ersten Schritt „Handlungsrahmen definieren“ werden die „inneren Antreiber des eigenen Handelns geklärt“. Ausgangspunkt des Handelns bildet die Vision und das Leitbild des Unternehmens. Sie geben das Zielsystem des Unternehmens vor und beschreiben die Grundsätze des täglichen Handels im Unternehmen. Zum Handlungsrahmen zählen Kohlöffel und August auch die vorhandenen Kernkompetenzen des Unternehmens. Sie sind die Basis, oder „Wurzeln der Wettbewerbsfähigkeit“ des Unternehmens und müssen zu einer frühen Phase der Transformation bekannt sein (S. 31 und 33 ff.).

Prozessphasen

Prozessinhalte

Konzepte, Instrumente

Handlungsrahmen definieren ‡ Vision/Leitbild ‡ Strategisches Zielsystem ‡ Kernkompetenzen

Wertorientierte Unternehmensführung

Strategische Optionen entwickeln ‡ Gestaltungsebenen ‡ Strategieoptionen ‡ Strategischer Plan

Umfeldanalyse Strategiekonzepte

Strategien umsetzen ‡ Management von Wandel ‡ Implementierungsprozess ‡ Kommunikation

Umsetzungsprogramme

Abb. 2.7   Strategischer Transformationsprozess nach Kohlöffel und August. (Quelle: Kohlöffel und August 2012, S. 31)

2.2  Business Transformation in der bisherigen Literatur

25

Der zweite Schritt „Strategische Optionen entwickeln“ beginnt mit der externen und internen Umfeldanalyse. Auf dieser Basis werden unter Berücksichtigung des im ersten Schritt definierten Handlungsrahmens mehrere strategische Optionen erarbeitet, ausgewählt und in einem Umsetzungsplan festgehalten (S. 31 und S. 61 ff.). Im abschließenden dritten Schritt „Strategie umsetzen“ werden die Maßnahmen aus dem Umsetzungsplan implementiert. Dabei ist der Einbezug aller Mitarbeiter in den Transformationsprozess wichtig und Betroffene sollen zu Beteiligte gemacht werden (S. 31 f.). Die Steuerung und Begleitung der Transformation sollen durch ein Projektteam erfolgen. Viel zu häufig verzichten selbst Unternehmen, die jährlich hunderte Projekte mit professionellen Projektmanagement-Methoden zur Zufriedenheit ihrer Kunden durchführen, darauf, strategische Entwicklungsmaßnahmen als Projekte aufzusetzen (S. 268). Scott (2016) beschreibt in seinem Blog-Beitrag auf Harvard Business Review online im Februar 2016 unter dem Titel „What Do You Really Mean by Business Transformation?“, dass Business Transformation vielfältig in der Literatur genannt und in der Praxis durchgeführt wird, aber wissenschaftlich nie fundiert beschrieben wurde. Er kommt zu dem Schluss, dass der Begriff Transformation für drei Arten von Wandel genutzt wird, jedoch nur zwei („Operational Model Transformation“ und „Strategic Transformation“) als wirkliche Transformation eines Unternehmens oder Geschäftsfeldes verstanden werden sollte: 1. „Operational transformation, or doing what you are currently doing, better, faster, or cheaper, e.g. using new technologies to solve old problems (going digital).“ (Vergleichbar mit der Zielsetzung des Business Process Re-Engineering) 2. „Operational Model transformation (core transformation), or doing what you are currently doing in a fundamentally different way, e.g. Netflix do not lend DVDs, they provide content by streaming.“ 3. „Strategic transformation, or change the very essence of the company, e.g. Apple from computer to consumer gadgets or Amazon.com from retail to cloud computing.“ Aktuelle Forschung Veröffentlichungen zu Business Transformation in derzeitigen wissenschaftlichen Artikeln fokussiert sich vor allem auf die Themen Rolle und Incentivierung des CEO in der Transformation (Herrmann und Nadkarni 2014, S. 1318 ff.; Laux 2015, S. 275 ff.; Chen 2015, S. 1895 ff.), Dynamische Fähigkeiten von Unternehmen (Ko und Liu 2015, S. 263 ff.; Girod und Whittington 2017, S. 1121 ff.; Salvato und Vassolo 2017, S. 12 ff.) und Kommunikation als Werkzeug in der Transformation (Dalpiaz und Di Stefano 2018, S. 664 ff.).

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2  Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

Umfangreiche Fachliteratur und Fallstudien liegen zum spezifischen Thema Digitale Transformation (u. a. Piccinini 2016; Li et al. 2017; Gläß und Leukat 2017; Krause und Pellens 2018) vor. Zusammenfassend  lässt sich sagen, dass Business Transformation, die strategische Neuausrichtung von Unternehmen oder Teilen, seit Mitte der 1990er Jahre in der Literatur in zwei Wellen behandelt wurde. In der ersten Welle (Mitte bis Ende der 1990er Jahre) wurden von Kotter acht Leitlinien zur Transformation vorgestellt. Gouillart und Kelly beschrieben Transformation als Managementaufgabe und stellten einen systematischen, aus der Natur abgeleiteten Ansatz für die Umgestaltung von Unternehmen vor, der bereits erste Teile eines durchgehenden Transformationsprozesses beinhaltete. Große-Oetringhaus bezeichnet einen Transformationsprozess als umfassenden Aktionsplan, der vorlaufend in einem Programm zu organisieren ist. Sein Vorschlag beinhaltet grobe Leitlinien und Prozessschritte, eine Programm- oder Projektsteuerung sieht er jedoch nicht vor. Allen Vorschlägen gemein ist, dass die Initiierung, Planung und Durchführung einer Transformation im weitesten Sinne der Organisation in den bestehenden Strukturen überlassen wird. Ein Treiber für den Prozess, wie einen Chief Transformation Officer (CTO), ist in den Modellen noch nicht angedacht. In der zweiten Welle (nach 2010) wurde Business Transformation als ganzheitlicher, strategischer Prozess gesehen, der proaktiv gemanagt werden muss. Uhl und Gollenia legten einen systematischen Vorschlag für eine kontinuierliche Unternehmens- und Geschäftsfeldtransformation vor, der sich am Prozess des strategischen Managements orientiert. Um einer schleichend schwindenden Effektivität und Effizienz in diesen Prozessen entgegenzuwirken, sehen sie ein explizites Treiben und Steuern der Gesamtaktivitäten für notwendig. Kohlöffel und August beschreiben eine Neuausrichtung des Unternehmens als strategischen Transformationsprozess, der in einem Projekt zu organisieren ist und gehen auf die Bedeutung der Kommunikation in der Neuausrichtung ein. Ein Überblick der Ansätze und Inhalte für die wesentlichen Werke der vorliegenden Literaturrecherche zu Business Transformation ist in Abb. 2.8 in chronologischer Reihenfolge dargestellt. Die Literaturrecherche hat gezeigt, dass es unzählige Veröffentlichungen gibt, die Teile einer erfolgreichen Business Transformation beschreiben. Scott (2016) macht aber auch deutlich, dass der Transformationsbegriff vielfältig genutzt wird und eine Klarheit in der Definition fehlt. Daher soll es Anspruch in diesem Buch sein, Business Transformation als Managementprozess und -aufgabe als Ganzes vollständig zu behandeln und der Unternehmensführung wie auch dem Transformationsmanagern eine Richtschnur zu geben, die sie systematisch durch diese oftmals komplexe und schwierige ­Aufgabe führt.

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2.3  Business Transformation Management – ein ganzheitlicher Ansatz

Leitlinien der Transformation

Kotter (1995)

Gouillart/Kelly (1995)

( )

GroßeOetingshaus 1996)

-

Janes et al. (2001)

-

Uhl/Gollenia (2012)

-

Kohlöffel/August (2012)

-

Ausgangslage kennen

Ziele festlegen, Weg beschreiben

Status quo bekannt, Problem erkennen

Vision/Strategie entwickeln

Programm/Projekt aufsetzen

Strategie umsetzen, Organisation mitnehmen/ ausrichten

Verankern

Prozess?

-

-

-

-

-

nein

-

3. Restructure

1. Transformationsplan

4. Systemveränderung (Kultur, ist ein Teil)

1. Renew

2. Umfeldanalyse 3. Strategische Identität

1. Transformationsbedarf benennen

2. Transformationsziele festmachen

1. Envision

Maßnahmen umsetzen und nachhaltig verankern

2. Reframe nein

4. Revitalize 5. Umsetzung (hier nur als Teil des ChangeProzess)

3. Transformation konzipieren 5. Auswerten und realisieren 4. Transformationskonzept implementieren

2. Engage

3. Transform

4. Optimize

ja

ja

ja

1. Handlungsrahmen definieren 2. Strategische Optionen entwickeln

3. Strategien umsetzen

k.A.

Abb. 2.8   Vergleich Business Transformation in der Literatur. (Quelle: Eigene Darstellung)

2.3 Business Transformation Management – ein ganzheitlicher Ansatz Business Transformation ist die strategische Neuausrichtung und organisatorische Umwandlung eines Unternehmens oder eines seiner Teile zur nachhaltigen Sicherung der Leistungsfähigkeit im Markt. Die organisatorische Umwandlung eines Unternehmens beinhaltet die Weiterentwicklung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen, Aufbau- und Ablauforganisation ­(Prozesse), genauso wie Produktionsfaktoren (Arbeit, Betriebsmittel oder Wertstoffe) sowie Leitlinien und Regelwerke. Leistungsfähigkeit im Markt  beschreibt die Gesamtheit der Faktoren, die für eine nachhaltige gesunde Existenz eines Unternehmens sorgen. Das ist zum einen die Wettbewerbsfähigkeit der abgesetzten Produkte im betriebswirtschaftlichen Sinne (Preis, Marge, sowie Produkt- und Lieferqualität), zum anderen die Attraktivität als Arbeitgeber (Verfügbarkeit und Kosten qualifizierten Personals). Weitere Faktoren sind der Zugang zum Kapital- und Kreditmarkt (getrieben durch Rentabilität, Risikomix und Glaubwürdigkeit) sowie der Zugang zu den lokalen und internationalen Beschaffungsmärkten.

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2  Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

Eine Unternehmenstransformation kann nur erfolgreich sein, wenn sie ganzheitlich und umfassend angegangen wird (Abb. 2.9). Auftraggeber und Mentor der Transformation ist die Unternehmensführung, insbesondere der Vorsitzende (CEO). Ein Leitmotiv beziehungsweise die Konkretisierung in Leitlinien geben dem Gesamtprozess Richtung und Haltepunkte (Meilensteine). Ein umfassender, an dem Prozess des strategischen Managements angelehnter Transformationsprozess beschreibt die Abfolge und die Inhalte. Der Transformationsprozess ist vergleichbar mit anderen Unternehmensprozessen wie Strategie-, Planungs- oder Kundenserviceprozesse. Er ist gekennzeichnet durch ein Anfangs- und ein Endpunkt, eine definierte Tätigkeit und durch Ergebnisse (Wertschöpfung), sowie definierte Beteiligte und deren Rollen. Im Transformationsprozess beziehungsweise in Teilprozessen kommen Methoden und Werkzeuge zur Bearbeitung der Aufgabenstellungen zum Einsatz (Methoden in der Transformation). Transformationsmanagement kann sowohl als einmaliger Prozess in Form eines Programmes oder Projektes konzipiert und umgesetzt oder als wiederkehrender, rollierender Prozess im Unternehmen verankert werden. Eine langfristig ausgerichtete, strukturierte und geplante Transformation erfolgt in Anlehnung an den Prozess des Strategischen Managements (Bühner 2001, S. 727 f.) in vier Schritten (Abb. 2.10):

Abb. 2.9   Ganzheitliches Transformation Management. (Quelle: Eigene Darstellung)

Transformation Management

1. Problem erkennen (Kap. 3) 2. Strategie entwickeln (Kap. 4) 3. Umsetzungsprojekt aufsetzen und managen (Kap. 5) 4. Verankerung (Kap. 9)

Leitmotiv Leitlinien

Transformationsprozess

Methoden in der Transformation

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Literatur Problem erkennen (Kap. 3) Bewertung des Unternehmenserfolgs

Programm aufsetzen

Analyse der externen Umwelt

Konzept zu Detailplanung ausarbeiten (Kap. 6)

Strategie entwickeln (Kap. 4)

Analyse der internen Umwelt

Arbeitnehmer -vertreter einbeziehen (Kap. 7)

Revision von Mission und Vision (lfr. Zielsetzung)

Entwicklung, Bewertung, Auswahl der Strategie

Mitarbeiter und andere Stakeholder mitnehmen (Kap. 8)

Umsetzungsprojekt aufsetzen und managen (Kap. 5)

Verankern

Implementierung der Strategie

Strategische Kontrolle

Do (machen)

Verankerung (Kap. 9)

Abb. 2.10   Transformationsprozess. (Quelle: Eigene Darstellung)

Innerhalb des Umsetzungsprojektes gibt es drei inhaltliche Schwerpunkte zu beachten, die jeweils separat beleuchtet werden sollen • Vom Konzept bis zur Umsetzung (Kap. 6) • Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung (Kap. 7) • Marketing und Kommunikation (Kap. 8) Nachfolgend wird jedes Thema in einem abgeschlossenen Kapitel behandelt. Wesentliche Facetten des Kapitels werden in weiteren Unterkapiteln herausgearbeitet.

Literatur Brown S, Eisenhardt K (1997) The art of continuous change; linking complexity theory and time-paced evolution in relentlessly shifting organizations. Adm Sci Q 42(1):1–34 Brunner F (2017) Japanische Erfolgskonzepte: KAIZEN, KVP, lean production management, total productive maintenance shopfloor management, toyota production system, GD3-lean development, 4., überarbeitete Ausgabe Aufl. Hanser, München Buchner D (Hrsg) (1995) Vision und wandel: Neuorientierung und Transformation von Unternehmen. Springer Gabler, Wiesbaden Bühner R (2001) Management-Lexikon. De Gruyter Oldenbourg, München Chen G (2015) Initial compensation of new CEOs hired in turnaround situations. Strateg Manag J 36(12):1895–1917 Dalpiaz E, Di Stefano G (2018) A universe of stories: mobilizing narrative practices during transformative change. Strateg Manag J 39(3):664–696 Girod S, Whittington R (2017) Reconfiguration, restructuring and firm performance: dynamic capabilities and environmental dynamism. Strateg Manag J 38(5):1121–1133 Gläß R, Leukert B (Hrsg) (2017) Handel 4.0: Die Digitalisierung des Handels – strategie, technologie, transformation. Springer Gabler, Berlin Gouillart F, Kelly J (1995) Business transformation. Ueberreuter, Wien Große-Oetringhaus W (1996) Strategische Identität – Orientierung im Wandel: Ganzheitliche Transformation zu Spitzenleistung. Springer, Berlin

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2  Business Transformation – ein ganzheitlicher Managementprozess

Hamel G, Prahalad C (1995) Wettlauf um die Zukunft: wie Sie mit bahnbrechenden Strategien die Kontrolle über Ihre Branche gewinnen und die Märkte von morgen schaffen. Aus dem Amerikan. von Stephan Gebauer und Annemarie Pumpernig. Ueberreuter, Wien Herrmann P, Nadkarni S (2014) Managing strategic change: the duality of CEO Personality. Strateg Manag J 35(9):1318–1342 Janes et al (2001) Transformations-Management: Organisationen von Innen verändern. Springer, Wien Ko WW, Liu G (2015) Understanding the process of knowledge spillovers: learning to become social enterprise. Strateg Entrepreneurship J 9(3):263–285 Kohlöffel K, August H-J (2012) Veränderungskonzepte und Strategische Transformation: Trends, Krisen, Innovationen als Chance nutzen. Publicis, Erlangen Kotter J (1995a) Leading change: why transformation efforts fail. Harv Bus Rev 73(2):59–67 Kotter J (1995b) Acht Kardinalfehler bei der Transformation. Har Bus manager, 17. Jahrgang 1995, III. Quartal, S 21–28 Krause S, Pellens B (Hrsg) (2018) Betriebswirtschaftliche Implikationen der digitalen Transformation: 75 Jahre Arbeitskreis der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. Springer Gabler, Wiesbaden Laux V (2015) Executive pay, innovation, and risk-taking. J Econ Manag Strategy 24(2):275–305 (Innovation Economics II) Li L et al (2017) Digital transformation by SME entrepreneurs – a capability perspective. In: Information Systems Journal, Special Issue Paper, 20 June 2017, S 1–29 Lombriser R, Abplanalp P (2015) Strategisches Management: Visionen entwickeln, Erfolgspotenziale aufbauen, Strategien umsetzen, 6. Aufl. Versus, Zürich MacIntosh R, MacLean D (1999) Conditioned Emergence: A Dissipative Structures Approach to Transformation. Strateg Manag J 20(4):297–316 Piccinini E (2016) Digital transformation of business: understanding this phenomenon in the context of the automotive industry. Dissertation, Cuvillier Verlag, Göttingen Rosenbloom R (2000) Leadership, capabilities, and technological change: the transformation of NCR in the electronic era. Strateg Man J 21(10/11):1083–1103 (Special Issue: The evolution of firm capabilities (Oct.–Nov., 2000)) Salvato C, Vassolo R (2017) The sources of dynamism in dynamic capabilities. Strateg Manag J 2:1–25 Scott A (2016) What Do You Really Mean by Business „Transformation“? Auf HBR-online February 29, 2016. https://hbr.org/2016/02/what-do-you-really-mean-by-business-transformation. Zugegriffen: 5. Nov. 2018 Sedlmayer M (2011) Integrating the project management office into the strategy process. In: Hirzel M et al (Hrsg) Projektportfolio-Management – Strategisches und operatives Multi-Projektmanagement in der Praxis, 3., überarbeitete Aufl. Springer Gabler, Wiesbaden, S 193–208 Stacey R (1995) The science of complexity: an alternative perspective for strategic change processes. Strateg Manag J 16(6):477–495 Suter A et al (2015) Die Wertschöpfungsmaschine: Strategie operativ verankern, Prozessmanagement umsetzen, Operational-Excellence erreichen. Hanser, München Uhl A, Gollenia L (2012) A handbook of business transformation management methodology. Grower, o. O.

Weiterführende Literatur Zeid A (2014) Business transformation: a roadmap for maximizing organizational insights. Wiley, Hoboken

3

Das Problem erkennen

Zusammenfassung

Kap. 3 (Das Problem erkennen) zeigt auf, wie ein Unternehmen Probleme, die sich aus internen und/oder externen Einflussfaktoren ergeben können oder bereits ergeben haben, identifiziert, differenziert und beschreibt. Das Kapitel gibt einen vollständigen Überblick über die exogenen und endogenen Faktoren, erläutert diese und schärft das Verständnis für die durchzuführenden Analysen mithilfe von Beispielen aus der Praxis. Des Weiteren wird in dem Kapitel in Begriffe wie Wertschöpfungskette, Prozesse und Agile Organisation eingeführt. Die exakte Beschreibung der Problemstellung ist der Ausgangspunkt einer wirkungsvollen Transformation. Daher sind alle wesentlichen strategischen Fragen, die im Rahmen der Identifikation und Beschreibungen der Herausforderungen vom Unternehmen gestellt werden müssen, in einer Checkliste am Ende des Kapitels zusammengefasst.

3.1 Einleitung Die Transformation eines Unternehmens wird notwendig, wenn sich eine bestehende Organisation nicht mehr in den geltenden oder zukünftigen Rahmenbedingungen erfolgreich behaupten kann. Das heißt, dass gesetzte Ziele, häufig finanzielle Ziele, nicht mehr erreicht werden können. Bevor sich das Management vorschnell in eine neue Strategiedefinition begibt, ist es unbedingt notwendig, die eigentlichen Problemherde zu identifizieren und zu verstehen. „Der zuverlässige Weg, in die Zukunft zu sehen […, die Zukunft zu planen…], ist das Verstehen der Gegenwart“ (Naisbitt 1984, S. 13). So wie ein guter Arzt eine ausgiebige Anamnese macht, bevor er zur Diagnose und zur Therapie kommt, ist die Unternehmensführung aufgerufen, sich mit dem Status-quo auseinanderzusetzen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Klasen, Business Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25879-5_3

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3  Das Problem erkennen

Um das Problem eines Unternehmens ganzheitlich zu beschreiben, ist es notwendig auf die externen Marktrahmenbedingungen (Exogene Faktoren) und auf die unternehmensinterne Situation (endogene Faktoren) zu schauen. Nur wenn beide Seiten gemeinsam analysiert werden, kann ein Problem erfolgreich behoben werden (Uhl und Gollenia 2012, S. 3 sowie Chakravarty 2014, S. 3).

3.2 Exogene Faktoren Jedes Unternehmen befindet sich in einem Markumfeld, in dem es sich behaupten muss. Micheal Porter hat sich bereits in den 1970 und 80er Jahren mit der Attraktivität von Branchen beschäftigt und fünf relevante Marktkräfte („Five Forces“) identifiziert, die es als Unternehmen zu adressieren gilt (Abb. 3.1). Diese sind die Verhandlungsmacht der Lieferanten, die Verhandlungsmacht der Kunden, die Bedrohung durch neue Wettbewerber, die Bedrohung durch Ersatzprodukte (Neue Technologien) und die ­Wettbewerbsintensität in der Branche (Porter 1979, S. 24 ff.). In den letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass es noch weitere Faktoren gibt, die zu berücksichtigen sind. Insbesondere die Einflüsse der Politik auf die Regulierung der Märkte hat signifikant an Bedeutung gewonnen (Politik & Recht). Dies lässt sich auch an der Reaktion der Unternehmen erkennen, die heutzutage umfangreiche Lobbyisten-Abteilungen inklusive Repräsentanzen an Orten der politischen Entscheidungen wie Brüssel (EU) oder in Deutschland Berlin betreiben. Ein weiterer Faktor, der durch die Entwicklung des Internets und der darüber entstandenen sozialen

Neue Wettbewerber

Bedrohung durch neue Konkurrenten

Lieferanten

Verhandlungsstärke der Lieferanten

Wettbewerb in der Branche

Rivalität unter den Unternehmen

Kunden

Verhandlungsmacht der Kunden

Substitutionsprodukte Bedrohung durch Ersatzprodukte

Abb. 3.1   Faktoren der externen Umfeldbeschreibung. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Porter 1979, S. 24)

3.2  Exogene Faktoren

33

Netzwerke an Bedeutung deutlich gewonnen hat, ist die Gesellschaft allgemein oder in speziellen als Kunde und Wähler (Gesellschaft & Umwelt). Die globale Finanzkrise 2008/2009 hat erneut gezeigt, wie stark die Wirtschaft von funktionierenden Geldströmen, von Vertrauen und Risikobereitschaft abhängig ist (Volkswirtschaft). Ein weiterer Faktor ist der technologische Fortschritt, der ganze Branchen neu definieren kann und etablierte Unternehmen verdrängt (Technologie). Zusammengefasst lässt sich ein Rahmen an exogenen Faktoren definieren1, der das Unternehmensumfeld ganzheitlich beschreibt (vgl. auch David und David 2015, S. 228 ff.; Parnell 2014, S. 53 ff.; Fitzroy et al. 2012, S. 91 ff.).

3.2.1 Politik und Recht Der Einfluss von Politik und Regierungen auf das Marktumfeld ist sehr hoch. Der Staat nimmt seine Lenkungsfunktion wahr und bewegt sich je nach politischem Programm der Entscheider zwischen Liberalisierung und Regulierung der Märkte. Liberalisierung heißt, dass sich der Markt selbst überlassen wird und Wettbewerbskräfte für ein volkswirtschaftliches Optimum sorgen (freie Marktwirtschaft). Die Gegenbewegung ist die Regulierung, in der der Staat über die Gesetzgebung aktiv in den Markt eingreift und den Teilnehmern feste Grenzen setzt. Ähnlich wie Verkehrsregeln soll so der Markt gelenkt werden. Aufgrund der globalen Verknüpfung der Märkte entstehen durch Regulierung Binnenmärkte. Die stärkste Ausprägung der staatlichen Regulierung ist die Planwirtschaft oder der Kommunismus. Als Ursache für Regulierung wird häufig „Marktversagen“ angegeben. Es werden vor allem drei Formen von Marktversagen genannt, natürliche Monopole, externe Effekte und Informationsasymmetrien (Benz et al. 2007, S. 73). Weitere Gründe für eine Regulierung kann im Schutz des eigenen Marktes (Protektionismus) liegen (Yalcin et al. 2017, S. 45 und 62 f.). Natürliche Monopole sind zum Beispiel Netzinfrastrukturen wie Schienenverkehr, Energieversorgung oder Telekommunikation. Ein Wettbewerb in stationären Netzen ist nicht realistisch, da der Investitionskostenanteil gegenüber dem Betriebskostenanteil an den Gesamtkosten dominiert und die Betriebskosten mit einer höheren Auslastung nur unwesentlich steigen. Neuer Wettbewerb in Netzen entsteht nur, wenn zum Beispiel eine neue Technologie (vgl. im Mobilfunknetz 5G) den Aufbau einer neuen Infrastruktur erfordert. Die Aufgaben der Regulierung übernehmen häufig Regulierungsbehörden (Benz et al. 2007, S. 74).

1Wird

verschiedentlich auch in Akronymen ausgedrückt wie STEP-Analyse (Sociological, Technological, Economical and Political Change; Gesellschaftlicher, technologischer, (volks-)wirtschaftlicher und politischer Wandel), STEEP (Erweiterung um Environment; Umwelt) oder PESTLE (Erweiterung um Legal; Recht).

34

3  Das Problem erkennen

Externe Effekte sind Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf unbeteiligte Marktteilnehmer. Diese Auswirkungen können negativ (Produktionsmenge liegt über dem sozialen Optimum) oder positiv (Produktionsmenge liegt unter dem sozialen Optimum) sein. Das Ziel der Marktregulierung ist es, Auswirkungen durch verschiedene Instrumente zu internalisieren, das heißt soziale Zusatzkosten/-nutzen, die durch externe Effekte verursacht werden, in das Wirtschaftlichkeitskalkül des Verursachers einzubeziehen (Mankiw und Taylor 2008, S. 333 ff.). Beispiele sind die Umweltverschmutzung (Mögliche Regulierungsmaßnahmen sind u. a. die Besteuerung des Schadstoffausstoßes oder der Emissionsrechtehandel) oder die Regulierung der Finanzmärkte durch Finanzmarktaufsicht oder Bankenregulierung. Informationsasymmetrie  kann zwischen Anbieter und Konsument über Produkte oder Dienstleistungen in Bezug auf Preis oder Qualitätsmerkmale auftreten (Benz et al. 2007, S. 74). Grundsätzlich schützt in diesem Fall eine Regulierung den Kunden vor einer falschen Entscheidungsgrundlage. Beispielhaft genannt sind hier Lebensmittelqualität, Arzneimittel und ärztliche Leistungen. Mögliche Regulierungsmaßnahmen sind unter anderem Kennzeichnungs- und Aufklärungspflichten. Protektionismus  bezeichnet die Abschottung des eigenen Marktes gegenüber anderen Märkten. Typische Einflussnahmen sind Einfuhrbeschränkungen oder die Erhebung von Zöllen. Der Protektionismus hat zum Ziel, die heimische Wirtschaft und letztendlich die Arbeitsplätze im Land zu schützen. Der eingeschränkte Wettbewerb lähmt Fortschritt und wirkt sich nachteilig auf den Endkunden aus, die meist höhere spezifische Preise und geringere Qualitäten akzeptieren müssen. Der Protektionismus ist häufig eine temporäre Maßnahme, bis die heimische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig ist (Yalcin et al. 2017, S. 1 ff.). u

Regulierung kann schnell und umfangreich wirken.

Beispiel Lenkungsfunktion: Entwicklung Erneuerbare Energien in Deutschland

Im Jahr 2017 waren in Deutschland Erzeugungskapazität in Höhe von 217,6 GW installierte. Davon sind 112,5 GW (>50 %) den erneuerbaren und 105,1 GW den konventionellen Energieträgern zuzuordnen. Gegenüber 2007 wurde die installierte Leistung der Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geförderten Kapazitäten mehr als verdreifacht. Das durchschnittliche jährliche Wachstum lag bei 13,1 % (Abb. 3.2). Die gesamte Stromerzeugung in Deutschland betrug 2017 rund 600 TWh und ist gegenüber 2012 leicht mit 0,8 % jährlich gestiegen. Erneuerbaren Energien haben mit 205 TWh in 2017 einen Anteil von rund 1/3 an der Gesamtproduktion, wachsen mit 8,2 % jährlich überproportional und verdrängen sukzessive konventionelle, CO2 emittierende Erzeugungsanlagen aus dem Markt (Abb. 3.3).

35

3.2  Exogene Faktoren

SD

Abb. 3.2   Entwicklung der installierten Leistungen Erneuerbarer Energieträger mit Zahlungsanspruch nach dem EEG; Es fehlen Kapazitäten wie große Laufwasserkraftwerk, die nicht nach EEG vergütet werden. (Quelle: Bundesnetzagentur 2018, S. 76) :ćŚƌůŝĐŚĞƐ tĂĐŚƐƚƵŵ +0,8 % +8,2 %

-2,0 %

Abb. 3.3   Entwicklung der Nettostromerzeugung in Deutschland. (Quelle: Bundesnetzagentur 2018, S. 30)

3.2.2 Volkswirtschaft Der Zustand der Volkswirtschaft (auch Konjunktur genannt) in einem Markt (Wirtschaftsraum) wirkt sich auf ein Unternehmen vielfältig aus. Ist die Volkswirtschaft in Takt und von Wachstum geprägt, steigt die Nachfrage nach Produkten (Konsum- und Investitionsgüter). Das Vertrauen im Markt spiegelt sich darüber hinaus auch in der Verfügbarkeit von zum Beispiel Krediten zur Finanzierung von weiterem Wachstum wider.

36

3  Das Problem erkennen

Wesentliche Indikatoren einer Volkswirtschaft (Konjunkturindikatoren) lassen sich unterscheiden in Mengen- und Preisindikatoren, sowie ihrer zeitlichen Perspektive in Frühindikatoren (auf die Zukunft ausgerichtet), Präsenzindikatoren (auf die Gegenwart ausgerichtet) oder Spätindikatoren (Blick auf die Vergangenheit). Sie werden meistens in einer Zeitreihe über mehrere Jahre angegeben (Mankiw und Taylor 2008, S. 899 ff.). Mengenindikatoren  bilden die Mengenentwicklung beziehungsweise die Auslastung eines Bezugsobjektes ab. Beispiele sind Arbeitslosenzahl, Auftragseingänge oder Industrieproduktion. Preisindikatoren  geben über das Preisniveau beziehungsweise die Preisentwicklung eines Bezugsobjektes Auskunft. Beispiele sind Leitindex der Aktienbörse (Dow Jones Index, FTSE oder DAX), Immobilienindex, Inflationsrate oder Währungskurse. Weitere globale Preisindikatoren sind Rohstoffpreise wie für Öl, Gold, Kupfer oder seltene Erden. Frühindikatoren  sind Hinweise über die zukünftige Entwicklung der Wirtschaftslage. Sie sind charakterisiert durch die Erwartungen, die sich bei den Marktteilnehmern eingestellt haben. Beispiele sind Aktienindex, Auftragseingänge, Baugenehmigungen im Hochbau, Book-to-bill Ratio (insb. IT Halbleitertechnik), Einzelhandelsumsätze, Geldmengenwachstum, Geschäftsklimaindex, Rohstoffindex, oder Zinsspread. Präsenzindikatoren,  auch als Ist-Indikatoren, Gegenwartsindikatoren oder gleichlaufende Indikatoren bezeichnet, geben die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung wieder. Beispiele hierfür sind Bruttoinlandsprodukt (BIP), Kurzarbeit, Sparquote oder Zinsen. Spätindikatoren,  auch als nachlaufende Indikatoren bezeichnet, informieren über die wirtschaftliche Entwicklung in der Vergangenheit. Es ist also ein ex post Betrachtung. Beispiele hierfür sind Arbeitslosenquote, Bruttoinlandsprodukt (BIP), Inflationsrate, Insolvenzen, (Real-) Lohnentwicklung, Preisniveauentwicklung, Steuereinnahmen des Staates oder Zinsentwicklung. Für die Analyse der Ist-Situation eines Unternehmens sind die Konjunkturindikatoren zu wählen, die einen hohen Einfluss auf das eigene Geschäft haben. u

Transparenz über Konjunkturindikatoren helfen, aufkommende Krisen frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.

3.2.3 Gesellschaft und Umwelt Gesellschaft und Umwelt haben vielfältigen Einfluss auf ein Unternehmen. Gesellschaftliche Einflussfaktoren lassen sich unterteilen in die Bereiche Kultur, Soziales Verhalten und Demografie. Häufig merken Unternehmen die Veränderung von Gesellschaft und

3.2  Exogene Faktoren

37

Umwelt nur nach und nach. Im Gegensatz zu einem Kunden, der eine Kaufentscheidung trifft und mit dem das Unternehmen dabei meistens in einer direkten Interaktion steht, sind gesellschaftliche Entwicklungen meist schleichend, könnten aber auch abrupt zu einer Marktveränderung führen.2 Gesellschaftliche Einflussfaktoren beeinflussen Kaufverhalten von Kunden sowie Verfügbarkeit und Preis von Arbeitskraft (Martell 2017, S. 56 ff.). Einflüsse der Umwelt (hier Lebensraum des Menschen und Ökosystem) wirken im Wesentlichen auf Produktionsfaktoren wie Preis und Verfügbarkeit von Rohstoffen, Anlagen oder Arbeitskraft. Kultur  bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Kulturen unterscheiden sich vielfältig, zum Beispiel in Sprache, Religion, Werte, Bildung, Soziale Organisation, Politik, Recht oder Kunst. Subkultur bezeichnet eine abweichende Kultur der Teilgruppe einer Gesellschaft, wie beispielsweise Generation X, Y oder Z (Fitzroy et al. 2012, S 110). Soziales Verhalten beschreibt die Voraussetzungen, Abläufe und Folgen des Zusammenlebens von Menschen. Es geht um den Sinn und die Strukturen des sozialen Handelns sowie nach den die Handlungen regulierenden Werte und Normen. In der Soziologie werden die Gesellschaft als Ganzes wie auch in ihren Teilbereichen (Soziale Systeme, Institutionen, Organisationen und Gruppen) untersucht. Bereiche der Veränderung sind unter anderem gesellschaftliche Integration und Desintegration, soziale Ungleichheit, soziale Konflikte, sozialer Wandel oder soziale Netzwerke. Beispiel für Kennzahlen zu Gesellschaft und Umwelt sind:

• Bevölkerung Größe und Wachstum • Bevölkerung Alter und ethnische Zusammensetzung • Bildungsstand • Anteil Erwerbstätige an der Gesamtbevölkerung • Religion • Internetnutzung • Mobilität Quelle: Fitzroy et al. (2012, S. 110)

2Meistens

jedoch technologiegetrieben wie die Einführung von MP3-Player oder Digitalkameras. In Deutschland gab es 2011 nach dem Unfall in Fukushima einen einmaligen hohen Wechsel zu Strombelieferung aus erneuerbaren Energiequellen.

38

3  Das Problem erkennen

Demografie  beschreibt die Entwicklung von Bevölkerungen und ihren Strukturen. Sie untersucht ihre alters- und zahlenmäßige Gliederung, die geografische Verteilung sowie die für Veränderungen verantwortlichen sozialen und umweltbedingten Faktoren. Es werden vier große Fachgebiete unterschieden (Engelhardt 2016, S. 11): Fertilität (Fruchtbarkeit, Geburtenzahlen), Mortalität (Sterblichkeitsrate), Migration (Aus- und Einwanderung) und Bevölkerungsstrukturen (Zusammensetzung der Bevölkerung aus Gruppierungen, die sich durch bestimmte Merkmale voneinander unterscheiden, zum Beispiel Alter, Geschlecht, Nationalität, Zugehörigkeit zu Haushalten bestimmter Größe, Lebensstile und -gewohnheiten). Umwelt  ist ein weiter Begriff, soll sich im Falle der hier definierten Umfeldbeschreibung von Unternehmen aber ausschließlich auf Habitat und Ökosystem beziehungsweise Natur beziehen. Als Habitat wird der Lebensraum der Menschen bezeichnet, zum Beispiel die Stadt. Ein Ökosystem ist ein „dynamischer Komplex von Gemeinschaften aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie deren nicht lebender Umwelt, die als funktionelle Einheit in Wechselwirkung stehen“.3 Einflussfaktoren auf Unternehmen (Kirchhoff 2018, S. 15) sind demnach Naturereignisse (gemessen in Regen, Klima, Naturkatastrophen) oder Umweltverschmutzung (gemessen in CO2-­ Emmission), aber auch Rohstoffe (gemessen in Art, Verfügbarkeit, Preis). u

Gesellschaftliche Entwicklungen sind schleichend und meistens nachhaltig.

3.2.4 Technologie Unter Technologie wird im heutigen Sprachgebrauch die Lehre vom Handwerk beziehungsweise die Wissenschaft von der Technik verstanden. Der Fortschritt in der Technik kann ganze Branchen neu definieren (Christensen et al. 2015, S. 44 ff.). So hat die Einführung und die Nutzung des Internets vielfältige Einflüsse auf Unternehmen gehabt. Unter anderem wurden die Lebenszyklen von Produkten kürzer, die Märkte transparenter und grenzüberschreitender, sowie die Beschaffung von Gütern oder die Neuentwicklung von Produkten und Services beschleunigt. Das Internet hat Markteintrittsbarrieren gesenkt und die Beziehung zwischen Industrie und Kunden, Lieferanten, Geldgebern, sowie Wettbewerbern neu definiert. Wesentliche Themen der digitalen Transformation sind unter anderem Social Media, Mobility, Data Analytics und Cloud Computing (Köhler-Schulte 2016, S. 18 ff.).

3Übereinkommen

über die Biologische Vielfalt, abgeschlossen in Rio de Janeiro am 5. Juni 1992. Artikel 2 Begriffsbestimmungen Übersetzung der Schweizerischen Bundesverwaltung.

3.2  Exogene Faktoren

39

Einflüsse der Technologie auf ein Unternehmen lassen sich am besten entlang der Wertschöpfungskette sowie am Kundenbedürfnis erörtern. „Eine Technologie ist dann wettbewerbsrelevant, wenn sie erhebliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens oder auf die Branchenstruktur hat“ (Porter 2014, S. 224). Einfluss auf die Wertschöpfungskette Die Wertschöpfungskette (Value Chain) stellt die Stufen der Produktion als eine geordnete Reihung von Tätigkeiten dar. Diese Tätigkeiten schaffen Werte, verbrauchen Ressourcen und sind in Prozessen miteinander verbunden. Das Konzept wurde erstmals 1985 von Michael E. Porter veröffentlicht (Porter 1985, S. 63 ff.). Technologie kann auf einzelne oder mehrere Prozesskennzahlen wie Durchlaufzeit, Qualität oder Kosten wirken. Der Einsatz eines Roboters in einer Montage kann zum Beispiel die Durchlaufzeit des Gesamtprozess verringern, da er schneller und gleichmäßiger arbeiten kann als ein Mensch. Gleichzeitig erhöht er die Prozessqualität, da durch die programmierten Abläufe die Fehlerrate geringer ausfällt. Diese Logik wird durch die Ansätze der Digitalisierung oder Industrie 4.0 weiter geführt. Ein anderes Beispiel für Veränderungen durch Technologie kann man in der Erzeugung von Strom durch erneuerbare Energien sehen. Waren anfänglich Fotovoltaik-Zellen oder Windkraftanlagen noch staatlich gefördert, so sind sie in der Zwischenzeit gegenüber anderen Erzeugungsarten wettbewerbsfähig und können über ihren Lebenszyklus die Investitions- und Kapitalkosten auch ohne Subventionen verdienen. Somit steigt der Anteil der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien weiter und verdrängt andere Erzeugungsarten. Als Kundenbedürfnis wird der vom Kunden erwartete Nutzen an einem Produkt oder Dienstleistung zu einem adäquaten Preis verstanden. Der Nutzen ergibt sich aus der verfügbaren Menge und der dargebotenen Qualität. Die Zahlungsbereitschaft ist der finanzielle Wert (Preis), den der Kunde dem Produkt oder der Dienstleistung beimisst (Goffin und Koners 2011, S. 3 f.). Der Kunde hat heute die Möglichkeit, über das Internet rund um die Uhr einzukaufen und sich die Ware innerhalb kurzer Zeit nach Hause oder an einen anderen Ort liefern zu lassen. Somit hat der Kunde die Möglichkeit, außerhalb der üblichen Geschäftszeiten des stationären Handels einzukaufen und findet meistens auch einen Anbieter, der die gewünschte Anzahl vorrätig hat. Amazon oder andere Online-Händler haben über die letzten Jahre gezeigt, wie sie Kunden für ihr Angebot begeistern und binden können (Köhler-Schulte 2016, S. 39). Auch in der Stromversorgung haben sich die Kundenbedürfnisse in den letzten Jahren gewandelt. Nachdem durch Förderung von Fotovoltaik-Zellen viele Privathaushalte zu Klein- beziehungsweise Eigenerzeuger geworden sind und sich die Erzeugung somit immer mehr dezentralisiert hat, steigt das Bedürfnis der Kunden (Produzenten und Konsumenten in einem), den erzeugten Strom auch tatsächlich selber zu verbrauchen beziehungsweise zwischen zu speichern, sowie zukünftig auch autarker zu werden. u Verfügbare neue Technologie können Kundenbedürfnisse und Wertschöpfungsketten nachhaltig verändert.

40

3  Das Problem erkennen

3.2.5 Wettbewerb in der Branche Jedes Unternehmen steht in einem funktionierenden Markt im Wettbewerb zu anderen Akteuren. Allgemein versteht man unter Wettbewerbsintensität den Grad der wechselseitigen Abhängigkeit (Interdependenz) der Konkurrenten untereinander. Porter beschreibt fünf „Kräfte des Wettbewerbs“ (Five-Forces), von denen die Intensität des Wettbewerbs abhängt: Mitbewerber innerhalb der Branche, Potenzielle neue Mitbewerber, Verhandlungsmacht der Lieferanten, Verhandlungsmacht der Kunden (Abnehmer), sowie die Bedrohung durch Ersatzprodukte, die das eigene Produkt/die Dienstleistung überflüssig machen (Porter 2008, S. 78 ff.). Mitbewerber innerhalb der Branche  streben in einem funktionierenden Wettbewerb nach einem höhere Zielerreichungsgrad gegenüber dem eigenem Unternehmen. Dabei kann ein Unternehmen zur Maximierung seiner Gewinne an den drei Faktoren Absatz, Preis und Kosten arbeiten. Es wird in der Literatur unterschieden in unterschiedlichen Stufen der Wettbewerbsintensität: kein Wettbewerb (Monopol), geringer Wettbewerb (Oligopol) bis ruinöser Wettbewerb (Verdrängung von Mitbewerbern). Die Intensität des Wettbewerbsverhaltens ist von mehreren Faktoren abhängig. Diese sind die Kapazitätsauslastung, der Differenzierungsgrad der Produkte, die Umstellungskosten, die Marktaustrittsbarrieren und die Branchenkultur (Bea und Haas 2016, S. 112). Potenzielle neue Mitbewerber  treten in den Markt ein, wenn die Markteintrittsbarrieren niedrig sind (Porter 2008, S. 81 f.). Wie hoch die Eintrittsbarrieren sind, bestimmt sich im Wesentlichen aus dem Marktzugang (Marktregulierung, Markenidentität/­Käuferloyalität, Distributionszugang), den Markteintrittskosten (Kapitalbedarf, Umstellungskosten) und den potenziellen Alleinstellungsmerkmalen (Bea und Haas 2016, 110 f.). Etablierte Unternehmen versuchen häufig durch Intervention neue Anbieter vom Markteintritt abzuhalten oder durch besondere Angebote die Käuferloyalität zu erhalten. Beispiele für niedrige Eintrittsbarrieren sind der deutsche Markt für Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien (viele neue Kleinstromerzeuger) oder der Markt für Direktoder Punkt-zu-Punkt Flüge („Billigfluglinien“ wie Ryanair, Easyjet). Verhandlungsmacht der Lieferanten  ist immer genau dann sehr hoch, wenn viele kleine Abnehmer wenigen großen Lieferanten gegenüberstehen und/oder die Substitutionsmöglichkeiten in Form von Ersatzprodukten gering ist. Damit verringert sich der Gewinnspielraum des Abnehmers auf der Einkaufsseite. Um die Verhandlungsmacht der Lieferanten zu reduzieren, können Abnehmer neue Lieferanten durch Qualifizierung und Marktzugang aufbauen oder eigene Volumen zur Realisierung von Skaleneffekten bündeln (Krampf 2016a, S. 33 ff.). Lieferanten auf der anderen Seite versuchen zum Beispiel über Schutzrechte (Patente) die Substitutionsmöglichkeiten zu reduzieren und die Verhandlungsmacht auszubauen (Gassmann und Bader 2017, S. 22 ff.).

3.2  Exogene Faktoren

41

Verhandlungsmacht der Kunden  steigt mit einer zunehmenden Abnehmerkonzentration, der Fähigkeit zur Rückwärtsintegration (das heißt vorgelagerte Wertschöpfungsstufen werden selber ausgeführt) und/oder wenn die Substitutionsmöglichkeiten in Form von Ersatzprodukten hoch ist (Bamberger und Wrona 2012, S. 372 f.). Dadurch reduzieren sich die Gewinnpotenziale des Anbieters. Um die Abnehmerkonzentration zu reduzieren, können Anbieter in neue regionale Märkte eintreten (vgl. Potenzielle neue Mitbewerber) oder das eigene Produkt für neue Einsatzgebiete qualifizieren, um damit eine neue Nachfrage zu erzeugen (vgl. Bedrohung durch Ersatzprodukte). Bedrohung durch Ersatzprodukte findet immer dann statt, wenn es eine Alternative zum etablierten Produkt gibt und dieses den Bedürfnissen der Kunden gerecht wird. Die Bedrohung nimmt zu, je besser das Preis-Leistungs-Verhältnis des Ersatzproduktes zum Bestandsprodukt ist. Werden durch das Ersatzprodukt die etablierten Branchenproduzenten verdrängt, spricht man von Disruption oder disruptiven Innovation (Christensen et al. 2015, S. 44 ff.). Die Abwehr von Ersatzprodukten kann einmal durch gemeinsame Strategien der etablierten Wettbewerber (kollektives Handeln) oder durch individuelles Handeln einzelner Wettbewerber erfolgen. Maßnahmen sind etwa Werbekampagnen, Besetzen von Vertriebswege oder Schaffung einheitlicher Produktstandards (Bea und Haas 2016, S. 112). Exkurs ruinöser Wettbewerb Insbesondere der ruinöse Wettbewerb ist von besonderer Bedeutung in der Ursachensuche warum eine Transformation notwendig ist. Ruinöser Wettbewerb ist ein Wettbewerbsverhalten, das durch Preisverfall gekennzeichnet ist und infolgedessen die beteiligten Unternehmen zu geringe Gewinne beziehungsweise bereits Verluste erwirtschaften. Dies liegt daran, dass etablierte Unternehmen gegen kostengünstiger produzierende „Newcomer“, oder Kartelle gegen Außenseiter kämpfen. Folgen dieses intensiven Wettbewerbs sind geringere Investitionstätigkeiten von Unternehmen (fehlende freie Cash-flows aus dem bisherigen Geschäft) gefolgt von Marktaustritten (Tolksdorf 1971, S. 29 f. und S. 201 ff.). Das kann auf lange Sicht zu einem überproportionalen Preisanstieg durch die entstehende Anbieterkonzentration führen. Ursachen für einen ruinösen Wettbewerb liegen nach Tolksdorf in unmittelbar wirkende Faktoren wie Überkapazität und Faktorunbeweglichkeit (Verharren der Arbeitskräfte und Unbeweglichkeit des Produktionskapitals), sowie in mittelbar wirkende Faktoren wie technischer Fortschritt, freier Marktzutritt, gesamtwirtschaftliche Depression, Aufkommen von Substitutionsgütern, traditionelle Verhaltensweisen und unternehmerische Unfähigkeit, starke Nachfrageschwankungen und niedrige Preiselastizität von Angebot/Nachfrage, und Arbeitsunruhen in der Branche (Tolksdorf 1971, S. 89–105). Ein Beispiel für den ruinösen Wettbewerb in der deutschen Energiebranche ist der Großkundenvertrieb. Nach der Marktliberalisierung in 1999 und der Gründung der Strombörse in Frankfurt (EEX) und Leipzig (LPX) in 2000 (Fusion zur EEX mit Sitz in Leipzig in 2002) entstand ein freier Marktzugang für neue Stromvertriebe. Gleichzeitig ist der Strommarkt aber auch durch eine niedrige Preiselastizität von Angebot und Nachfrage gegenzeichnet (Gesamtnachfrage im Markt hängt nur im geringen Maße vom Preis ab). Somit konnten neue Marktteilnehmer nur durch Verdrängung von etablierten Unternehmen Marktanteile gewinnen. Die Folge waren deutliche Preissenkungen der etablierten Anbieter bis auf das Niveau von Grenzkosten kombiniert mit veralteten und komplexen Prozessen zur Belieferung und Abrechnung. Da die „Newcomer“ ihre Prozesse einfacher

42

3  Das Problem erkennen

und ihre Organisation schlanker aufgebaut hatten, konnten sich einige von ihnen trotz des intensiven Preiswettbewerbs im Markt halten. Einzelne etablierte Anbieter dagegen sind aus dem Markt ausgetreten.

3.3 Endogene Faktoren

Leistungsprozesse

Führungsprozesse

Neben der Sicht auf das externe Umfeld (Exogenen Faktoren) muss das Management auch den Ist-Zustand des eigenen Unternehmens analysieren um Probleme und Herausforderungen zu erkennen. Im Wesentlichen geht es um die Analyse der bestehenden Prozesse in den vier Dimensionen Effektivität, Effizienz, Zuverlässigkeit und Flexibilität (Agilität). Letztgenannte wird durch die wesentlichen internen Einsatzfaktoren4 Mensch (Personal), Maschine/Infrastruktur und Kapital bestimmt. Neben den Leistungsprozessen, die die wesentliche Wertschöpfung im Unternehmen darstellen, sind zusätzlich die Führungsprozesse zur Planung, Steuerung und Entwicklung von Leistungsprozessen Gegenstand der Analyse (Abb. 3.4).

Unternehmensführung und -steuerung Personal, Organisation & Kultur Informationsmanagement Produkt- und Technologieentwicklung

Kapital Beschaffung

Produktion

Personal

Vertrieb

Maschine/ Infrastruktur

Abb. 3.4   Faktoren der internen Unternehmensanalyse. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Porter 2014, S. 77)

4In

Abgrenzung dazu die Definition der Produktionsfaktoren, die Arbeit (Personal und Dienstleistung), Betriebsmittel (Maschine/Infrastruktur) und Werkstoffe (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, sowie Waren) umfassen und nur ein Teil der benötigten Einsatzfaktoren darstellen.

3.3  Endogene Faktoren

43

3.3.1 Effektivität, Effizienz, Zuverlässigkeit Unternehmen bestehen aus einer Vielzahl von Prozessen, die darauf ausgerichtet sind, einem Kunden ein oder mehrere Produkte zu verkaufen und dabei für beide Akteure einen Nutzen zu erzeugen. Der Nutzen für das Unternehmen ist die Realisierung der eigenen Wertschöpfung in Form eines Gewinns, der Nutzen für den Käufer ergibt sich aus der Qualität und Verfügbarkeit der gelieferten Güter oder Dienstleistung. Dabei wird unterschieden in Leistungsprozesse, die direkt an der Herstellung (inkl. Beschaffung der Vorprodukte) und dem Vertrieb (Verkauf, kommerzielle Abwicklung und Belieferung) der Produkte beteiligt sind, sowie in Führungsprozesse, die die Leistungsprozesse unterstützen (vgl. Bea und Haas 2016, S 129). Sonderform Technologieentwicklung Schutzrechte haben auch einen Wert, daher kann man auch sagen, dass Technologieentwicklung ebenfalls ein Leistungsprozess ist (Pharma, Automobilbranche). Hier kommt es darauf an, für was die Technologieentwicklung durchgeführt wird. Wird geforscht und entwickelt, um ein neues, attraktives Produkt auf dem Markt zu bringen, dann ist die Technologieentwicklung ein Führungsprozess, da die Wertschöpfung über den Verkauf eines Produktes (z. B. ein Auto) in Form eines Gewinnes realisiert wird. Dagegen ist die Forschung und Entwicklung in einem Startup oder Biotech-Unternehmen ein Leistungsprozess, da es das originäre Ziel des Unternehmens ist, zum Beispiel Wirkstoffe bis zu einer gewissen Reife zu entwickeln und ihn dann in ein Produkt zu überführen, häufig mit einem der etablierten, großen Pharmaunternehmen, oder das gesamte Know-how inklusive Patente komplett an diese zu verkaufen.

Jeder Prozess hat zum Ziel, eine Wertschöpfung in der angestrebten Produktqualität (Effektivität, das Richtige tun) zu den geplanten Kosten (Effizienz, die Dinge richtig tun) zu erbringen. Wichtig für einen kontinuierlichen und unterbrechungsfreien Prozess ist die Zuverlässigkeit (Prozessqualität), mit der die Wertschöpfung erbracht wird. Um wesentliche Kennzahlen im Prozess und deren Entwicklung über die Zeit den am Prozess Beteiligten transparent zu machen, hat sich in vielen Produktionsbetrieben das Shopfloor Board bewährt. Shopfloor Board: Transparenz am Ort des Geschehens

Das Shopfloor Board enthält eine Reihe von möglichen Kennzahlen, die den Zustand und die Entwicklung in den Prozessen (häufig Produktionsprozesse) sichtbar macht (Abb. 3.5). Beispiele hierfür sind:

44

3  Das Problem erkennen

Ist-Zustand

Arbeitssicherheit (Plan / Ist)

Leistung (Plan / Ist)

Qualität (Plan / Ist)

Kosten (Plan / Ist)

Berichte über Arbeitsunfälle, Erläuterung der Ursache

Kennzahlen über Output, Termintreue, ...

Kennzahlen zu Fehler, Ausschuss, Nacharbeit, ...

Kennzahlen zu Stückkosten, Budgets, ...

Trend

Graphik zur Entwicklung Anzahl Unfälle, Krankheitstage

Graphik zur Entwicklung

Graphiken zur Entwicklung

Graphiken zur Entwicklung

Maßnahmen

Wenige korrekte Maßnahmen

Wenige korrekte Maßnahmen

Korrekte Maßnahmen der Qualitätssicherung

Aufzeigen der aktuellen Kostentreiber

Abb. 3.5  Shopfloor Board. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Leyendecker und Pötters 2018, S. 74)

• Produktivität • Termintreue • Ausschussquote • Reklamationsquote • Durchlaufzeit • Anlagenverfügbarkeit • Krankenstand • Rüstzeit • Taktzeit (Quelle: Leyendecker und Pötters 2018, S. 60 ff.) „Die Ursprünge des Prozessmanagements gehen auf frühe organisationstheoretische Überlegungen zurück. Wesentliche Basis für alle Formen von Prozessmanagement und Prozessoptimierung bilden die Zeitstudien von Frederick W. Taylor (Qasim 2013, S. 23). Taylor hat dies in seinem Buch Shop Management zusammengefasst. Sein Anliegen war es, große produzierende Betriebe zu rationalisierte. Dazu schuf er Transparenz über die ablaufenden Prozesse, um sie dann zu optimieren (Taylor und Wallichs 1914). „Die Optimierung verankerte er … durch Methoden der Organisationsentwicklung“. Dazu trennte Taylor die ausführenden Tätigkeiten (vgl. Leistungsprozesse) von den steuernden Tätigkeiten (vgl. Führungsprozesse) und stellte die gemeinsamen Ziele des ganzen Unternehmens in den Vordergrund (vgl. Gewinn und Nutzen für den Kunden). Des Weiteren überwachte Taylor die Optimierung durch genaue Kennzahlen zu den neu eingeführten Prozessen (Qasim 2013, S. 23).

3.3  Endogene Faktoren

45

Ein weiterer Pionier des Prozessmanagements war W. Edwards Deming, der in den 1940er Jahren erkannte, dass „die Ursache für die Nichterfüllung von Kundenwünschen [… zu einem großen Teil …] nicht bei den handelnden Mitarbeitern liegt, sondern auf vorhandene ineffiziente Prozesse zurückzuführen sind“ (Krampf 2016b, S. 3). Kurze Zeit später wurde vom Japaner Taiichi Ohno im Rahmen des Toyota-Produktionssystem das Just-in-time (JIT) Konzept entwickelt. Ursprung der Idee war die Folgerung von Toyoda Kiichirō, dem Gründer von Toyota Motor Cooperation, dass in Japan nur durch die Eliminierung von Verschwendung (japanisch Muda) eine wirtschaftliche und konkurrenzfähige Automobilproduktion erreicht werden könne. JIT-Produktion bezeichnet demnach „ein logistikorientiertes, dezentrales Organisations- und Steuerungskonzept“, bei dem nur das Material in der Menge und zu dem Termin produziert und bereitgestellt wird, wie es zur Erfüllung der Kundenaufträge tatsächlich benötigt wird. Dies erfordert einen abgestimmten Produktions- und Materialfluss entlang der gesamten Wertschöpfungskette, was eine enge Zusammenarbeit zwischen einem Lieferanten und seinem Abnehmer erfordert. Ziele von JIT sind Effizienzgewinne durch schlanke Gesamtprozesse, reduzierte Durchlaufzeiten und Kapitalbindung, sowie der Eliminierung des Lagerrisiko (Kamiske und Brauer 2011, S. 107 ff.). Eine Übersicht über die verschiedenen Ansätze zur Prozessoptimierung zeigt Abb. 3.6. Neben der Erhöhung der Produktionsmenge, zum Beispiel durch die Reduzierung der Durchlaufzeit und der Reduzierung der spezifischen Kosten gab es parallel auch die Bestrebung, die Qualität der Produkte und Prozesse zu verbessern. Aus einer anfänglichen Qualitätskontrolle (um 1900; Taylor und Wallichs 1914, S. 71) wurden Initiativen (z. B. Null-Fehler-Programm des US-Verteidigungsministeriums in den 1960er Jahren; auch Deming 1986, S. 22), Strategien (z. B. Null-Fehlerstrategie und Six-Sigma in den 1980er Jahren; Simschek und Oppel 2018, S. 17 ff.) und letztendlich Management-Systeme wie das Total-Quality-Management (TQM; vgl. auch Deming 1986, S. 167 ff. und 180 f.). Eine Übersicht zum Einsatz einzelner Methoden der Prozessoptimierung, abhängig vom Reifegrad der Organisation, zeigt Abb. 3.7. Tools

Fokus

Vorgehen

Erneuerung

‡ Business Prozess Reengineering (BPR)

‡ Radikales Redesign

Top down

Verbesserung

‡ Total Quality Management (TQM) ‡ Lean Management ‡ Kaizen, Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) ‡ Six Sigma

‡ Qualität

Bottom up, ganzheitlicher Ansatz

‡ Prozess ‡ Mitarbeiter

‡ Prozess

Abb. 3.6   Ansätze zur Prozessoptimierung. (Quelle: Krampf 2016b, S. 34)

46

3  Das Problem erkennen Lean Management

Kaizen/KVP

Six Sigma

Fokus

‡ Vermeidung von Verschwendung ‡ Reduktion von Prozesszeiten ‡ Prinzip schlanker Organisationen

‡ Permanente Verbesserung Produkt-, Prozess- und Servicequalität ‡ Lösung von Problemen in bestehenden Abläufen

‡ Erhöhung Kundenzufriedenheit ‡ Reduzierung Fehlerquoten ‡ Standardisierung in den Prozessen

Optimierungsziel

‡ Excellence-Level von 60 ‡ Aktive, permanente ‡ Excellence-Level von auf 80 % steigern 95 auf 100% steigern Veränderung von innen (von 80 auf 95 %)

Programm-/ ProjektStruktur

‡ Kurzfristige, kleine Projekte bis zu drei Monaten ‡ Hands-on

‡ Langfristig angelegtes Change-Programm ‡ Breite Einbindung der Belegschaft ‡ Regelungen zu betrieblichen Vorschlagwesens vorhanden

‡ Expertenstruktur mit intensivem Methodentraining für alle Beteiligten ‡ Einzelne Initiativen von 1-3 Monate

ZĞŝĨĞŐƌĂĚĚĞƌKƌŐĂŶŝƐĂƚŝŽŶ

Abb. 3.7   Abgrenzung Lean Management, Kaizen/KVP und Six Sigma. (Quelle: Eigene Darstellung)

In den 1990er Jahren ist zunehmend auch die verursachungsgerechten Zuordnung der Gemeinkosten in den Fokus des Managements gerückt. Horváth und Mayer haben die ersten Vorschläge der „Prozesskostenrechnung“ in 1989 gemacht. Die Grundidee der Prozesskostenrechnung ist, die Gemeinkosten der „indirekten Leistungsbereiche“ (vgl. Führungsprozesse), die zunehmend einen größeren Teil der Gesamtkosten einnehmen, entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme der betrieblichen Aktivitäten auf die Kalkulationsobjekte zu verteilen, anstatt wie davor üblich undifferenziert über Zuschlagsschlüssel. Damit können Gemeinkosten verursachungsgerecht zugeordnet werden. Es wird unterschieden in leistungsmengeninduzierte (lmi) und leistungsmengenneutrale (lmn) Prozesse (Horváth und Mayer 1989, S. 214 ff.). Prozesskostenrechnung und das um 1985 in den USA entwickelt Activity Based Costing (ABC; Cooper und Kaplan 1988, S. 98 ff.) unterscheiden sich im Wesentlichen darin, dass das Acitivity Based Costing auch die Leistungsprozesse mit einbindet. Die Entwicklung der beiden Ansätze ist eng miteinander verbunden. Die Prozesskostenrechnung eignet sich insbesondere für Unternehmen (oder Bereiche), in denen Fixkosten dominieren und variable Kosten nur eine nebensächliche Rolle spielen, wie insbesondere Dienstleistungs-, Handelsund Finanzunternehmen (Siehe auch Horváth und Mayer 1995, S. 59 ff.). u

Transparenz über Prozesse im Unternehmen und ihre wesentlichen Kennzahlen für die weitere Analyse schaffen.

3.3  Endogene Faktoren

47

3.3.2 Personal Personal bezeichnet die von Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer, „… die innerhalb einer institutionell abgesicherten Ordnung [Arbeitsanweisungen] eine Arbeitsleistung gegen Entgelt erbringen“ (Oechsler 2011, S. 1). In der Literatur wird es ebenfalls als „lebendige Arbeit“ (Schanz 2000, S. 6) oder als „Belegschaft“ (Olfert 2015, S. 32) bezeichnet. Personal lässt sich unterteilen aus arbeitsrechtlicher Sicht (Arbeiter/ Angestellte, Leitende Angestellte, Auszubildende/Praktikanten), aus Sicht der Führungsebene (Top- bis unteres Management, sowie ausführende Ebene), sowie aus sozialer Sicht (Altersstruktur, Bildung, Herkunft, Familienstand, …). Nicht zum Personal gehören Leiharbeiter oder freie Mitarbeiter. Sie gehören zwar zum Produktionsfaktor „Arbeit“, sind jedoch der zugekauften Dienstleistung zuzuordnen (Jung 2017, S. 7 ff.). Unternehmen und Belegschaft bilden immer einen Zweckgemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen wie Gewinn/Entlohnung oder Sicherheit. Die Personalwirtschaft hat die Aufgabe, das für die Erbringung der Arbeit in einem Unternehmen notwendige Personal zu beschaffen, zu betreuen und zu entwickeln. Dabei muss die Personalwirtschaft zwischen den wirtschaftlichen Zielen des Unternehmens und den sozialen Zielen der Belegschaft mit den Interessenvertretern beider Seiten vermitteln (Olfert 2015, S. 32 ff.). Herausforderungen in Sachen Personal entstehen im Wesentlichen durch Unzufriedenheit und Unsicherheiten zwischen den Partnern Unternehmen und Belegschaft. Diese können unterschiedliche Ursachen haben. Die Auslastung der Belegschaft hat kurzfristige Einflüsse auf Stückkosten (Geringe Auslastung = Steigende Stückkosten) und körperliche/psychische Belastung der Belegschaft (Hohe Auslastung = Hohe Belastung). Ist der Zustand nachhaltig, steigt das Bestreben eines Partners zum Ausgleich, zum Beispiel durch Kostenreduktion und Mitarbeiterabbau einerseits oder durch die Forderung nach Lohnerhöhung oder Neueinstellungen anderseits. Die Qualifikation der Belegschaft ist entscheidend für die Qualität in den heutigen Prozessen und für die Realisierung zukünftiger Potenziale. Entsprechen die Prozesse in Sachen Qualität, Menge und Kosten nicht den Erwartungen, kann es neben den in Abschn. 3.3.1 (Effektivität, Effizienz, Zuverlässigkeit) erörterten Ursachen auch an den Fähigkeiten der Belegschaft zur Erkennung und Behebung von Schwachstellen im Prozess oder in der Durchführung des Prozesses liegen. Typische Gegenmaßnahmen sind Mitarbeiter-Qualifikationsprogramme oder der temporäre Einsatz eines externen Experten. Neben fehlender Qualifikation kann es aber auch vorkommen, dass Mitarbeiter „überqualifiziert“ sind. Dies kann auf lange Sicht zu Unzufriedenheit und Leistungsabfall bei den Mitarbeitern führen, für das Unternehmen bedeutet es auf der anderen Seite, zu hohe spezifische Lohnkosten. Die Altersstruktur in einem Unternehmen hängt im Wesentlichen von der Branche ab (vgl. „Gastronomie“ 36,7 Jahre oder „Interessenvertretung sowie kirchliche und sonstige religiöse Vereinigungen“ 45,3 Jahre. Ein Treiber: Art des Arbeitsverhältnis und

48

3  Das Problem erkennen

Fluktuation; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2013, S. 35 f.), sowie davon wie lange das Unternehmen schon existiert. Junge Unternehmen (Startups) haben eine durchschnittlich jüngere Belegschaft als Unternehmen, die schon seit Jahrzehnten existieren. Dies liegt unter anderem auch an der Altersstruktur der Eigentümer. Sind Gründer durchschnittlich bei ihrer ersten Gründung um die 30 Jahre alt (KPMG 2015, S. 26), sind Inhaber von Mittelstandsunternehmen in Deutschland um die 50 Jahre alt (KFW 2015, S. 2). Das Alter der Belegschaft wirkt sich vielfältig auf das Unternehmen aus, wie beispielsweise Leistungsfähigkeit, Flexibilität, oder Erfahrung. Die Diversität in einem Unternehmen spiegelt sich dagegen hauptsächlich in seiner Kultur wider. Laut einer Studie von McKinsey&Company sind Unternehmen mit einer hohen Diversität (im Wesentlichen wurde der Anteil männlich/weiblich und der Anteil unterschiedlicher ethnischer Gruppen an der Gesamtbelegschaft herangezogen) erfolgreicher als der Branchendurchschnitt (Hunt et al. 2015, S. 3 ff.). Um Diversität im Unternehmen zu leben und zu verankern ist es notwendig, Entscheidungsträger mit Minderheiten im Unternehmen regelmäßig zusammen zu bringen, anstatt Quoten zu verabschieden und Diversity-Programme aufzulegen (Dobbin und Kalev 2016, S. 55).

3.3.3 Maschine und Infrastruktur Maschinen und Infrastruktur sind nach Erich Gutenberg Betriebsmittel, gehören betriebswirtschaftlich zu den Investitionsgütern und bilanziell zum Anlagevermögen. Maschinen ergänzen beziehungsweise ersetzen den Menschen als Produktionsfaktor durch eine Verstärkung der menschlichen Kraft, einem Zeitgewinn durch schnellere Bearbeitung, eine Steigerung der Genauigkeit, die Möglichkeit einer feineren Bearbeitung, und/oder die Fertigung identischer Produkte (Gutenberg 1983, S. 70 f.). Dazu kommt, dass Maschinen in Umgebungen arbeiten können, die für den Menschen ohne besondere Schutzausrüstung nicht geeignet sind wie zum Beispiel hohe/niedrige Temperaturen, sauerstoffarme Atmosphären oder bei Strahlenbelastung. Als Infrastruktur eines Unternehmens werden technische Grundeinrichtungen verstanden. Dazu gehören Gebäude und Straßen, sowie technische Einrichtungen wie für Information und Kommunikation, oder auch Einrichtungen der Strom,- Gas-, und Wasserversorgung, sowie der Entsorgung (vgl. Heid 2009, S. 24 ff.). In der Literatur gibt es keine saubere Abgrenzung von Maschinen und Infrastruktur als Produktionsfaktoren. In der Technik ist eine Maschine ein Teil einer Anlage. Diese ist eine Zusammenstellung von örtlich zusammenhängenden Maschinen, Geräten und/ oder Apparaten, die funktional, steuerungstechnisch oder sicherheitstechnisch miteinander verknüpft sind. Durch die vielfältige Verknüpfung innerhalb einer Anlage wird die betriebswirtschaftliche Abgrenzung erschwert. Im Folgenden verstehen wir deshalb Maschinen als technische Betriebsmittel, die direkt an der Produktion beteiligt sind und Infrastruktur, als Einrichtungen, die den Produktionsprozess unterstützen.

3.3  Endogene Faktoren

49

Aus Sicht der Betriebswirtschaft sind Maschinen und Infrastruktur gekennzeichnet durch ihre Leistung, Verfügbarkeit, Anschaffungs- und Herstellkosten, sowie Betriebskosten. Die (Arbeits-)Leistung beschreibt das innerhalb einer Arbeitszeit erbrachte Arbeitsvolumen mit einer bestimmten Arbeitsqualität. Anders ausgedrückt beschreibt die Leistung die Funktionalität der Maschine oder Infrastruktur. Es kann sich um eine technische Funktion (z. B. Ausstoß Stück pro Zeiteinheit), einer Qualität (z. B. Genauigkeit) oder im Fall der Infrastruktur um eine Mengeneinheit (z. B. Fläche) handeln. Ähnlich wie bei Personal gibt es auch bei Maschinen und Infrastruktur Über- oder Unterdimensionierungen, die bei nachhaltigem Zustand vom Management korrigiert werden müssen. Die Verfügbarkeit gibt an, zu welchem prozentualen Anteil die Maschine arbeiten kann. Da Maschinen regelmäßig gewartet und instand gesetzt werden müssen, wird die jährliche Verfügbarkeit unter dem Maximalwert von 100 % liegen. Steht die Maschine häufiger aufgrund von Instandhaltungsmaßnahmen oder fehlenden Ersatzteilen still und ist die Verfügbarkeit gegenüber vergleichbaren Einrichtungen deutlich geringer, ist das ein Indiz für Verbesserungspotenziale oder einer Ersatzinvestition. Dementsprechend wird in der Kategorie Verfügbarkeit auch die durchschnittliche Lebensdauer einer Maschine oder Infrastruktur betrachtet. Die Anschaffungs- und Herstellkosten einer Maschine oder Infrastruktur sind die Summe aller Kosten, die bis zur Inbetriebnahme dieser entstehen. Sie werden im ­Rahmen des bilanziell zulässigen aktiviert und über die Nutzungsdauer abgeschrieben. Der Aktivierungsumfang, sowie die Abschreibungsdauer und -art sind durch die gültigen Rechnungslegungsvorschriften (Internationale Vorschriften wie „IFRS“ oder steuerrechtliche Vorschrift in Deutschland „HGB“) vorgegeben und werden vom Wirtschaftsprüfer testiert (Neitz und Hundt 2014, S. 99 ff.). Die Höhe der Anschaffungs- und Herstellkosten sind im Wesentlichen beeinflusst durch die Spezifikation (definierte Leistung- und Verfügbarkeitsanforderungen), dem Einkaufsprozess (Verhandlungsstärke, Risikoverteilung im Vertrag) und das eigene Projektmanagement bis zur Inbetriebnahme (Planungsqualität und -stabilität, Steuerung, sowie Forderungs-/Claimmanagement). Insbesondere bei Anschaffung von Infrastruktur kommt es häufig aufgrund der zum Teil hohen Komplexität und den begleitenden Genehmigungsverfahren zu ungeplanten Mehrkosten, die die Wirtschaftlichkeit der Investition schon vor Inbetriebnahme stark negativ beeinflussen kann.5 Die Betriebskosten einer Maschine oder Infrastruktur umfassen die laufenden Kosten für die Aufrechterhaltung der definierten Leistung und Verfügbarkeit. Dazu gehören im Wesentlichen Instandhaltung (Inspektion, Wartung und Instandsetzung) und Versicherung. Bei vertiefender Analyse sollten auch die Kosten für Hilfs- und

5Beispielhaft

erwähnt der Flughafen Berlin Brandenburg, dessen Herstellkosten im Laufe des noch andauernden Baus um ein Vielfaches gegenüber der ursprünglichen Planung gestiegen ist.

50

3  Das Problem erkennen

­ etriebsstoffe, die direkt in das herzustellende Produkt gehen oder für deren HerB stellungsprozess benötigt werden, mit berücksichtigt werden. Betriebskosten werden als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung verbucht.

3.3.4 Kapital „Der Begriff des Kapitals wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet. In der Betriebswirtschaftslehre gibt es einen weiteren klassischen und einen engeren moderneren Kapitalbegriff“ (Zantow et al. 2016, S. 23 f.). Im klassische Kapitalbegriff, der bilanziell ausgerichtet ist, ist Kapital die abstrakte Wertsumme einer Bilanz. Das Kapital bezeichnet einerseits das Vermögen auf der Aktivseite (Mittelverwendung), sowie anderseits die Summe aller Schulden auf der Passivseite der Bilanz (Mittelherkunft). Der moderne Kapitalbegriff ist funktional an finanzwirtschaftlichen Problemstellungen, zum Beispiel der Liquiditätsplanung ausgerichtet. Er fasst Kapital enger als Geldmittel, die im Unternehmen bereits eingesetzt sind beziehungsweise zukünftig eingesetzt werden (Olfert 2017, S. 33). Im Folgenden werden beide Begrifflichkeiten genutzt. Kapital benötigt ein Unternehmen zur Finanzierung der eigenen Investitionen und zur Absicherung der Zahlungsfähigkeit (Liquidität) im laufenden Geschäft. Das Kapital, mit dem ein Unternehmen arbeitet heißt Vermögen und wird in der Bilanz auf der Aktivseite dargestellt. Es wird unterschieden in Anlagevermögen (Sachanlagen, Immaterielle Anlagen und Finanzanlagen), sowie in Umlaufvermögen (Vorräte, Forderungen, Wertpapiere und Zahlungsmittel). Das Kapital als Summe aller Schulden eines Betriebes gegenüber Beteiligten und Gläubigern wird in der Bilanz auf der Passivseite dargestellt. Es wird unterschieden in Eigenkapital und Fremdkapital (langfristige oder kurzfristige Verbindlichkeiten) (Wöhe et al. 2016, S. 648 ff.). Kapital muss produktiv, das heißt effizient eingesetzte werden, da es seine Kapitalkosten, die sich aus den Zinsen für den Fremdkapitalanteil und den Verzinsungserwartungen an den Eigenkapitalanteil ergeben, verdienen muss (Zantow et al. 2016, S. 29 ff.). Daher ist das Management aufgerufen gerade genau so viel Kapital im Unternehmen in Form von Vermögen zu binden wie notwendig und sich eine flexible Reserve für Unvorhergesehenes zu schaffen (Liquidität). Die Kapitalproduktivität ergibt sich aus dem Verhältnis von Produktionsmenge (Stromgröße) und dem dafür erforderlichen Kapitalstock (Bestandsgröße), im Handel etwas Umsatz zu Umlaufvermögen. Im Folgenden soll näher auf das Anlage- und Umlaufvermögen sowie auf die Schaffung von finanziellen Reserven zur Sicherung der Liquidität eingegangen werden. Anlagevermögen  beschreibt alle eigenen Werte in einem Unternehmen, die langfristig gebunden sind. Dazu gehören Sachanlagen in Form von Maschinen und Infrastruktur, Immaterielle Anlagen in Form von Konzessionen, Patente, Lizenzen und Finanzanlagen in Form von Beteiligungen, Wertpapiere, langfristigen Darlehens- oder Hypothekenforderungen. Das Management muss regelmäßig die Struktur und die Werte ihres

3.3  Endogene Faktoren

51

Anlagevermögens überprüfen und aktiv managen. Dabei stehen zum Beispiel bei Sachanlagen mit Kauf oder Miete unterschiedliche Optionen zur Optimierung des Kapitaleinsatzes zur Verfügung. Immaterielle Vermögenswerte sind regelmäßig auf ihren Nutzen für das Unternehmen zu überprüfen, Finanzanlagen müssen die Kapitalkosten verdienen und sollten idealerweise frei handelbar sein. Umlaufvermögen  beschreibt alle eigenen Werte in einem Unternehmen, die mittel- und kurzfristig gebunden sind. Dazu gehören Vorräte in Form von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, sowie unfertige und fertige Erzeugnisse (Lager), Forderungen im Wesentlichen aus Lieferungen und Leistungen (noch nicht bezahlte Rechnungen der eigenen Kunden), Wertpapiere und Kassenbestand/Guthaben bei Kreditinstituten (Wöhe et al. 2016, S. 648). Wesentliche Werthebel zur Optimierung des Kapitaleinsatzes im Umlaufvermögen sind die Überprüfung der Lagerbestände sowie die Reduzierung der Zahlungsziele (Zeitspanne zwischen Lieferung und Zahlung). Liquidität  bezeichnet allgemein die Fähigkeit, im Markt ein Wirtschaftsgut schnell gegen ein anderes zu tauschen. Liquidität im Sinne Kapital bezeichnet die Verfügbarkeit über genügend Zahlungsmittel (Geld, Währungen). Aus Sicht eines Unternehmens macht es wenig Sinn, Liquidität nur in Form von Kassenbeständen und Wertpapieren zu halten. Vielmehr ist die Liquidität aktiv über die Passivseite der Bilanz, genauer in Form von Fremdkapital zu strukturieren. Dabei ist in langfristiges und kurzfristiges Fremdkapital zu unterscheiden. Entscheidend für die Finanzierung eines Unternehmens ist der Zugang zu den Finanzmärkten (insbesondere Kapital- und Kreditmärkte) und das Vertrauen, dass das Unternehmen an diesen genießt (Zantow et al. 2016, S. 37 ff.). Wie wichtig diese für Unternehmen ist, lässt sich auch an der Größe der Abteilung „Investor Relations“ eines Unternehmens ablesen.

3.3.5 Agilität im Unternehmen Die zunehmenden Veränderungen in den Märkten (exogene Faktoren und Wettbewerb) in Form von Schwankungsbreite (Volatilität) und Häufigkeit erfordert von den Unternehmen sich schnell und flexible auf die neuen Gegebenheiten anzupassen, um im Markt erfolgreich bestehen zu können. Wenn eine Organisation die notwendigen internen Anpassungen proaktiv vornimmt, das heißt die Marktveränderungen antizipiert und Anpassungsmaßnahmen initiiert, spricht man von einer agilen Organisation (Goldman et al. 1996, S. 3 ff.). Anpassungsmaßnahmen können in allen Leistungs- und Führungsprozessen vorgenommen werden, entscheidend für das Unternehmen ist jedoch vor allem die Flexibilität und Anpassungsgeschwindigkeit in den Leistungsprozessen. Wenn die Nachfrage nach einer bestimmten Produktgruppe (z. B. Diesel-Fahrzeuge) abnimmt oder sich auf alternative Produktgruppen des Unternehmens verlagert (z. B. zu Benzin-­ Fahrzeugen), so ist es für das Unternehmen hilfreich, wenn sich die gesamte Wert-

52

3  Das Problem erkennen

schöpfungskette zur Herstellung und Vermarktung schnell ohne Zusatzkosten an die neue Nachfrage anpassen lässt. Dafür sind Produktionslinien (Maschine und Infrastruktur) notwendig, über die beide Produktgruppen und ihre Komponenten hergestellt oder beschafft werden können beziehungsweise die Produktionsmenge erhöht oder abgesenkt werden kann. Zusätzlich sind mit Lieferanten eine angemessene Flexibilität zu Mengenabnahmen im Vorfeld vertraglich zu vereinbaren. Das gleiche gilt für Personal, das je nach Nachfrage in der Produktion eingesetzt wird. Der Einsatz von Personal in einem Betrieb ist häufig mit der Mitbestimmung zu vereinbaren. Flexibilität sind nicht nur notwendig, wenn sich die Nachfrage ändert, es ist auch möglich, dass in vernetzten Wertschöpfungsketten einzelne Partner oder Produktionsstätten ungeplant ausfallen und temporär oder langfristig ersetzt werden müssen. Daher ist weitere Flexibilität für ein Unternehmen anzustreben zum Beispiel in den Beschaffungskanälen oder der Kapitelstruktur und -ausstattung.

3.4 Werttreiber darstellen Ein Werttreiber stellt im Allgemeinen einen veränderbaren Faktor dar, der einen hohen Einfluss auf die Leistung und das finanzielle Ergebnis eines Unternehmens beziehungsweise einer Unternehmenseinheit hat (Gabler Wirtschafslexikon 2014, S. 3564). Eine positive Veränderung des Werttreibers hat ceteris paribus eine Erhöhung des Unternehmenswertes zur Folge. Werttreiber lassen sich in operative, strategische und externe Werttreiber unterteilen (Weber et al. 2017, S. 88 ff.). Operative Werttreiber sind Einflussfaktoren, die durch das Unternehmen in erheblichem Maße gesteuert werden können. Sie orientieren sich am bestehenden Geschäftsmodell. „Die Wirkung der Einflussnahme durch das Unternehmen auf diese Faktoren sind gut abschätzbar.“ Strategische Werttreiber  sind im Unterschied zu operativen Werttreibern durch erhebliche Wissensdefiziten gekennzeichnet. „So kann ein Unternehmen zwar mehr oder weniger direkt Einfluss auf diese Faktoren nehmen, doch sind die Folgen der Einflussnahme unsicher“. Externe Werttreiber sind solche Faktoren, die das Unternehmen kaum beeinflussen kann. „Hierzu gehören Einflussfaktoren aus dem politischen, ökonomischen, technologischen und soziokulturellen Umfeld eines Unternehmens.“ Einflussfaktoren und ihre Wirkung auf das Unternehmen werden besonders dann verständlich, wenn das Unternehmen oder ein Teil davon in einem groben Werttreibermodell wie in den Abb. 3.8, 3.9 und 3.10 gezeigt, dargestellt wird. In einem Unternehmen wird in einer zeitlichen Periode Wert geschaffen, wenn es dem Management gelingt, dass die tatsächlich erwirtschaftete Rendite über den

53

3.4  Werttreiber darstellen

Gewinn

Return on Investment (ROI)

÷

Vermögen Überrendite

./.

Eigenkapital Kapitalkostensatz (WACC)

EK-Verzinsungserwartung: Risikolose Kapitalanlage + Risikoprämie Fremdkapital FK-Verzinsung (Durchschnitt) Unternehmenssteuerrate

Abb. 3.8   Werttreibermodell. (Quelle: Eigene Darstellung)

Zahlungsbereitschaft Preis

Wettbewerbsintensität Unforced Discounts ...

Erlös

x Nachfrage, Bedürfnis (Varianz) Menge

Gewinn

Koppelprodukte (Sortiment) Erreichbarkeit (Location) Verfügbarkeit (Lagerhaltung)

./.

Beschaffung: Verhandlungsmacht, Mengenbündelung, Outsourcing-Quote Personal: Auslastung, Produktivität, Lohnkostenniveau Kosten

Maschine und Infrastruktur: Instandhaltung, Maschinenstundensatz, Mieten Logistik: Durchlaufzeiten, ... Vertrieb: Verkaufsunterstützung, Werbung, Rabatte, ... Gemeinkosten

Abb. 3.9   Werttreibermodell – Erlös und Kosten. (Quelle: Eigene Darstellung)

54

3  Das Problem erkennen Sachanlagen: Kauf v.s. Miete Anlagenvermögen

+

Immaterielle Anlagen: Konzessionen, Patente, Lizenzen Finanzanlagen: Beteiligungen, Wertpapiere, lfr. Darlehens-/Hypothekenforderungen

Vermögen

+ Vorräte: Lagerbestand Umlaufvermögen

+

Forderungen: Zahlungsziele Wertpapiere Zahlungsmittel: Kassenbestand Gezeichnetes Kapital

Eigenkapital

+

Rücklagen Gewinnvortrag

Kapital

+ Lfr. Verbindlichkeiten: Anleihen, Kredite, ... Fremdkapital

+

Kfr. Verbindlichkeiten: ggü. Lieferanten, ... Rückstellungen (Zweckgebunden) ...

Abb. 3.10   Wertreibermodell – Bilanzsicht. (Quelle: Eigene Darstellung)

d­ urchschnittlichen Kapitalkosten (aus Eigenkapitalerwartung und Fremdkapitalkosten) liegt. Es wird für diese Periode eine Überrendite erwirtschaftet. Wird diese auch in den kommenden Perioden nachhaltig erzielt, erhöht sich der finanzielle Gesamtwert des Unternehmens (Unternehmenswert). Es gibt verschiedene Spitzenkennzahlen in der wertorientierten Unternehmenssteuerung wie der Economic Value Added (EVA), der Cash Flow Return on Investment (CFROI) oder der Cash Value Added (CVA), die sich in ihrer Berechnung und Interpretation unterscheiden (Weber et al. 2017, S. 2). An dieser Stelle soll der Fokus auf dem beschriebenen Grundgedanken der wertorientierten Steuerung gelegt werden und die Spitzenkennzahl als „Überrendite“ bezeichnet werden. Ein Unternehmen und sein Management schafft Wert, wenn es eine Überrendite erzielt (Abb. 3.8). Diese ist die Differenz aus der Kapitalrendite, gemessen in Return on Investment (ROI) und dem durchschnittlichen Kapitalkostensatz (WACC). Die Kapitalrendite ergibt sich wiederum aus dem Verhältnis des Periodengewinns und dem im Unternehmen eingesetzten Kapitals beziehungsweise Vermögen (siehe Abschn. 3.3.4). Die durchschnittlichen Kapitalkosten ergeben sich aus den Verzinsungserwartungen des anteiligen Eigenkapitals und den durchschnittlichen, ebenfalls anteiligen Fremdkapitalkosten. Gewinn macht ein Unternehmen dann, wenn es für ein Produkt (Güter oder Dienstleistung) einen höheren Betrag beim Kunden erlöst, als der eigene Aufwand zur Bereitstellung war (Abb. 3.9). Die Erlöse eines Unternehmens werden beeinflusst durch

3.5 Checkliste

55

den am Markt erzielten Preis je Stück und der Absatzmenge. He höher der durchsetzbare Stückpreis ist oder je mehr von einem Produkt abgesetzt wird, desto höher ist der Gewinn. Preis, Absatzmenge und Kosten (alternativ auch Aufwand) werden von verschiedenen Einflussgrößen beeinflusst. Wechselwirkungen zum Beispiel aus Preis und Absatz sind bei detaillierten Analysen zu berücksichtigen. Die Begriffe Kosten und Aufwand sind gleichbedeutend zu verwenden. Im Rahmen der Aufstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) nach dem Umsatzkostenverfahren (UKV) wird von Kosten besprochen, nach dem Gesamtkostenverfahren (GKV) von Aufwand. Der Unterschied beider Verfahren liegt zum einen in der periodischen Abgrenzung sowie in der Gruppierung der Kosten. Im Umsatzkostenverfahren werden die Kosten nach Kostenstellen (Produktion, Vertrieb, Verwaltung) gruppiert, im Gesamtkostenverfahren nach Kostenarten (Materialkosten, Personalkosten, Abschreibungen). u

Viele Problemstellungen in Unternehmen lassen sich mit Werttreiberbäumen strukturieren und erfüllen dabei häufig gleichzeitig die MECE-Regeln (sich gegenseitig ausschließend und insgesamt erschöpfend).

3.5 Checkliste Checkliste „Das Problem erkennen“

Analyse der exogenen Faktoren • Wesentliche politische und rechtliche Einflussfaktoren, die auf das Unternehmen (Zum Beispiel auf Geschäftsmodell, Struktur oder Produktionsfaktoren) wirken und ihre Veränderungen über die Zeit sind beschrieben. Die Bedeutung der Einflussfaktoren für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens ist bekannt und bewertet. • Wesentliche Konjunkturindikatoren mit Einfluss auf das Unternehmen liegen als Zeitreihen vor. • Wesentliche heutige und zukünftige Einflüsse aus Gesellschaft und Umwelt sind beschriebenen und bewertet. • Heutige und zukünftige technologische Einflüsse auf den Markt, seinen Teilnehmern und das Unternehmen sind bekannt und bewertet. • Heutige und zukünftige Wettbewerber sind bekannt und deren Entwicklung antizipiert. • Heutige und zukünftige Lieferanten und Kunden, sowie deren Stärken und Bedürfnisse sind bekannt. Ihre zukünftigen Entwicklungen sind antizipiert. • Im Kreis der Entscheider besteht Einigkeit über die Einflussfaktoren, ihre Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Unternehmens, sowie ihre zukünftige Entwicklung.

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3  Das Problem erkennen

Analyse der endogenen Faktoren • Im Unternehmen gibt es eine kommunizierte und gelebte Vision? • Das Geschäftsmodell des Unternehmens ist beschrieben und den Mitarbeitern bekannt? • Was kann das Unternehmen besser als der Wettbewerb, was sind die heutigen Kernkompetenzen? • Die wesentlichen Leistungs- und Führungsprozesse des Unternehmens sind bekannt und dokumentiert. • Ist-Kosten je Leistungs- und Führungsprozess liegen vor. Welchen Unterschied gibt es zum Wettbewerb? • Wesentliche Prozesskennzahlen werden regelmäßig erhoben und sind den Entscheidern und Mitarbeitern bekannt und bewusst. Welchen Unterschied gibt es in den Prozesskennzahlen zum Wettbewerb? • Die Bedürfnisse der Zielkunden werden durch die Produkte des Unternehmens erfüllt. Wo werden sie unter- bzw. übererfüllt? • Mit allen Kunden wird ein vergleichbarer Deckungsbeitrag oder eine vergleichbare Marge erzielt. Gibt es gravierende Unterschiede zwischen den oder innerhalb der Kundensegmente? Gibt es Kunden mit dauerhaft negativen Margen? Wie haben sich die Margen über die letzten Jahre entwickelt? • Das Unternehmen beschafft auf liquiden Märkten zu wettbewerbsfähigen Preisen. Ist das Unternehmen von einem oder mehreren Lieferanten anhängig? Wie hoch ist der Beschaffungsanteil an den Gesamtkosten der Leistungsprozesse? Wie hat sich der Anteil über die letzten Jahre entwickelt? • Im Einkauf wird immer ausgeschrieben. Wenn nicht, wie sind die Ausnahmen begründet? • Die Einkaufskonditionen der wesentlichen Beschaffungsgüter und -leistungen liegen in anonymisierter Form vor und konnten in den letzten Jahren gehalten werden oder haben sich verbessert. • Die Verfügbarkeit der Produktionsanlagen liegt vor und ist hoch. Wie hat sich diese über die letzten Jahre verändert und welchen Unterschied gibt es zum Wettbewerb? • Die Produktion ist flexible und kann an geänderte Marktanforderungen schnell und kostengünstig angepasst werden. • Das Unternehmen hat heute und zukünftig ausreichend qualifiziertes Personal. Für welche Aufgaben gibt es eine Unter- bzw. Überdeckung? • Die spezifischen Personalkosten nach Gruppen liegen vor und sind vergleichbar oder niedriger als die der wichtigsten Wettbewerber. Wenn nicht, warum und welche Auswirkungen hat dies auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit?

Literatur

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• Der Altersdurchschnitt und die Zusammensetzung (Diversität) des Personals im Unternehmen liegen vor und haben sich in den letzten Jahren nach Plan entwickelt. • Das Unternehmen verfügt über ausreichend finanzielle Liquidität und Zugang zu den Kapitel- und Kreditmärkten. • Investitionen können aus dem laufenden Cash-flow gedeckt werden. • Werttreiberbäume für wesentliche Unternehmensteile liegen in aggregierter Form vor.

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4

Strategie entwickeln

Zusammenfassung

Kap. 4 (Strategie entwickeln) beschreibt den Prozess der Strategieentwicklung auf Unternehmens- oder Geschäftsfeldebene. Am Beispiel „Where to play and how to win?“ von Lafley und Martin wird ein in der Praxis erprobter methodischer Rahmen vorgestellt. Instrumente zur Strategieformulierung, wie die Balanced Scorecard, und fundamentale Werkzeuge der strategischen Analyse, wie die BCG-Matrix ergänzen diesen Ansatz. Ein Verfahren für die systematische Identifikation von marktrelevanten Kernkompetenzen wird vorgestellt und auf die Bedeutung von Alleinstellungsmerkmalen (USP) wird eingegangen. Zusätzlich wird am Beispiel CANVAS erläutert, wie Geschäftsmodelle systematisch beschrieben und visualisiert werden können. Eine Checkliste am Ende des Kapitels fasst die wesentlichen Fragestellungen in der erfolgreichen Strategieentwicklung zusammen.

4.1 Einleitung Jedes Unternehmen, jede Organisation benötigt als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche zielgerichtete und langfristige Ausrichtung am Markt eine Daseinsberechtigung oder einen Zweck (Mission), ein langfristiges Ziel (Vision) und eine Beschreibung des Weges zum Ziel (Strategie). Die Mission beschreibt den Zweck eines Unternehmens und beinhaltet das konkrete Leistungsversprechen für die Kunden (Melzig-Thiel und Joos 2013, S. 14, 19 ff.). Sie richtet sich an Kunden und andere Interessensgruppen und vermittelt, warum das ­Unternehmen am Markt ist und was der Kunde erwarten kann. Nach innen gerichtet soll die Mission auch den Sinn des Unternehmens für die Mitarbeiter vermitteln.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Klasen, Business Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25879-5_4

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62

4  Strategie entwickeln Beispiel

Nike’s Mission: „Bring inspiration and innovation to every athlete* in the world.“; *„if you have a body, you are an athlete“ (Nike 2018). Starbucks Mission: „To inspire and nurture the human spirit – one person, one cup and one neighborhood at a time.“ Ergänzt wird die Formulierung durch den ursprünglichen Gedanken von Howard Schultz (Chairman und CEO) zum Sinn des Unternehmens: „A third place between work and home.“ (Starbucks 2018) Die Vision eines Unternehmens beschreibt das langfristige Ziel und baut auf den eigentlichen Unternehmenszweck auf. Die Vision richtet sich an die Mitarbeiter eines Unternehmens, ist idealerweise kurz und prägnant, mitreißend, für jedermann schnell zu erfassen und zu merken. Beispiel

Mercedes-Benz: „Our vision is to become the world’s most renowned center for customer service in the automotive sector.“ (Mercedes-Benz 2018) Amazon’s Vision: „To be Earth’s most customer-centric company, where customers can find and discover anything they might want to buy online.“ (Amazon 2018; Gregory 2018). Das Verständnis für die Vision des Unternehmens erschließt sich häufig erst in der Kenntnis der Strategie. Die Strategie beschreibt den Weg zum Ziel. Dabei werden in Unternehmen verschiedene Ebenen unterschieden. Über allem steht die Konzern- oder Unternehmensstrategie. Sie beschreibt den Weg, die ein Konzern oder ein Unternehmen gehen will. Darunter gliedern sich Geschäftsfeldstrategie und spezifische, funktionale Strategien wie Vertriebs-, Innovations- oder Produktionsstrategien. Beispiel

Daimler’s Strategie: „Durch fünf eng miteinander verknüpfte Bausteine treiben wir den größten Wandel in unserer Unternehmensgeschichte voran – unsere 5C-Strategie. Wir werden: • das globale Kerngeschäft stärken (CORE), • in neuen Zukunftsfeldern führen (CASE), • die Unternehmenskultur anpassen (CULTURE) und • die divisionale Struktur stärken (COMPANY) Der Maßstab für jeden dieser Bausteine ist unser fünftes und wichtigstes C: der Kunde (CUSTOMER).“ (Daimler 2018)

4.1 Einleitung

63

Handelt es sich bei der geplanten Transformation um eine bewusste Weiterentwicklung aus dem Status-quo, bleiben Mission und Vision des Unternehmens in der Regel unverändert. Die Transformation baut dann auf einer neuen Strategie auf. Wenn die Erneuerung jedoch umfassender und tiefgreifender notwendig ist, da sich die Marktrahmenbedingungen massiv geändert haben, das bestehende Geschäft nachhaltig nicht mehr wettbewerbsfähig ist oder das Unternehmen sich getrieben durch neue Eigentümer oder einer neuen Unternehmensführung generell neu ausrichten möchte, sind Mission und Vision des Unternehmens ebenfalls zu hinterfragen und im Rahmen der Transformation neu zu formulieren. Ziel und Strategie sind seit jeher eng miteinander verbunden. Schon in der Frühzeit der Menschheit wurden Ziele gesetzt und der Weg zum Ziel, die Strategie, festgelegt. War es in der Frühzeit bei der Jagd oder beim Sammeln eher ein Handeln auf Basis von gemachten Erfahrungen, so werden spätestens bei kriegerischen Auseinandersetzungen im Mittelalter Strategie und Taktik bewusst festgelegt und angewendet. Eine der ersten systematischen Auseinandersetzung mit Strategie findet sich in den Theorien von Carl von Clausewitz, zusammengefasst 1832 in dem Buch Vom Kriege. Darin kommt er unter anderem zu dem Schluss, dass eine zu detaillierte Planung eines Feldzuges nach wenigen Tagen gegenstandslos wird, da neue Einflüsse oder Unwägbarkeiten, sogenannte „Friktionen“ auftreten. Militärische Führer müssen nach Clausewitz befähigt sein, Entscheidungen unter Zeitdruck mit unvollständigen Informationen zu treffen. Einen weiteren Aspekt des heutigen Verständnisses zum strategischen Management, den Clausewitz beschreibt, ist die Berücksichtigung der Ressourcenbindung und der Aufbau des langfristigen Wettbewerbsvorteils (Clausewitz 2011, S. 178 ff.; Staehle 1999, S. 601 ff.). Seine Theorien sind auch heute noch Inhalt des Lehrplanes der Betriebswirtschaftslehre an renommierten Managementschulen wie zum Beispiel der Harvard University in Boston, Massachusetts, USA. In der Wissenschaft entwickelte sich ab den 1960er Jahren die Diskussion um ein strategisches Management durch Beiträge von Chandler (1962), Ansoff (1965) und Christensen et al. (1965). „Beratungsunternehmen wie McKinsey und Boston Consulting Group (BCG) trugen zu einer raschen Verbreiterung der neuen Ideen bei“ (Lombriser und Abplanalp 2015, S. 24; sowie Mintzberg et al. 2005, S. 39). Wie eine gute Strategie in der Wirtschaft zu entwickeln ist, hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Die Anfänge der modernen Unternehmensstrategie machte Bruce Henderson, der Gründer der Boston Consulting Group 1968 mit der „Experience Curve“ und 1970 mit der „Growth-Share-Matrix“ (Reeves et al. 2014). Er baute auf die Managementlehre von Peter F. Drucker auf, der 1954 Begründer des „Management by Objectives (MbO)“ war (Drucker 1956, S. 153). Weitere richtungsweisende Beiträge kamen vom Harvard Business School Professor Michael E. Porter, wie zum Beispiel das „Fünf-Kräfte“ Modell (Porter 1979, 2008) oder die „Drei Wettbewerbsstrategien“ (Porter 1985, 2014, S. 33 ff.). Die Strategieentwicklung in einem Unternehmen ist ein iterativer Prozess. Innerhalb der Strategieentwicklung sind verschiedene strategische Fragenstellungen anzugehen

64

4  Strategie entwickeln

Finanzperspektive Finanzperspektive

Kundenperspektive Kundenperspektive

Vision und Strategie

Prozessperspektive

Prozessperspektive Mitarbeiterperspektive Mitarbeiterperspektive

Abb. 4.1   Balanced Scorecard. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kaplan und Norton 1997, S. 9, 23 ff., 2006, S. 75)

und zu lösen. Dabei ist die Herausforderung, mit welchen Fragestellungen sinnvoll gestartet wird und wie die erarbeitete Strategie mit messbaren Zielen verknüpft und kommuniziert wird. Kaplan und Norton (1997) haben mit der Balanced Scorecard (BSC) in den 1990er Jahren erstmals einen Ansatz vorgelegt, in dem strategische Ziele eines Unternehmens mit messbaren Kennzahlen in einem Management-System verknüpft werden. Dabei stehen vier Perspektiven „gleichberechtigt“ (balanced) nebeneinander, in der Systematik bauen diese jedoch aufeinander auf (Abb. 4.1). Als oberste Zielebene werden die finanziellen Ziele wie Gewinn oder Kapitalrendite (ROI: Return on Investment) verstanden. Darunter liegen wesentliche Einflussfaktoren aus der Kundenperspektive (Absatz und Preis), der Prozessperspektive (Produktionsmenge, -kosten) und der Mitarbeiterperspektive (Fähigkeiten und Wissen). Im Gegensatz zu den bis dahin geltenden Kennzahlensystemen aus dem Controlling machten Kaplan und Norton den Vorschlag, die Einflussfaktoren lediglich qualitativ zu verknüpfen. Somit war es möglich, dass sich das Unternehmen bei seiner Strategieentwicklung und -umsetzung auf die wesentlichen Treiber (vgl. Abschn. 3.4) konzentriert. „Wenn Strategie praktisch werden soll, müssen die Menschen sie a) verstehen und b) in konkrete Aktionen umsetzen können“ (Friedag und Schmidt 2015, S. 10). In den Anfängen der 2000er Jahre kombinierten die Monitor Group und Procter & Gamble die wesentlichen Erkenntnisse des strategischen Management neu und brachten es verkürzt auf die Formel „Where to play?“ und „How to win?“. Lafley und Martin (2013, S. 14 ff.) entwickelten einen systematischen Ansatz zur Strategieentwicklung in fünf Schritten, in denen jeweils Antworten auf eine wesentliche strategische Frage gefunden werden muss:

4.1 Einleitung

65

1. Welche Rolle soll das Unternehmen in Zukunft im Markt einnehmen? 2. In welchen Märkten will das Unternehmen zukünftig aktiv sein? 3. Wie differenzieren sich das Unternehmen und die eigenen Produkte zukünftig im Markt, beziehungsweise welche neuen Kundenanforderungen (Megatrends) gilt es zu befriedigen? 4. Welche Fähigkeiten muss das Unternehmen zukünftig einsetzen? 5. Wie stellt sich das Unternehmen organisatorisch auf? Der Prozess ist iterativ und beinhaltet Rückkopplungsschleifen, um eine in sich stimmige Strategie zu beschreiben. Die kaskadenartige Beantwortung der Fragen hilft in der Kommunikation der Strategie, da sie ausgehend vom Unternehmenszweck und den langfristigen Zielen (Mission und Vision), die konkrete Umsetzung beschreibt. Der Frage in welchen Märkten ein Unternehmen tätig sein sollte, widmeten sich Kim und Mauborgne, Professoren für strategisches Management am INSEAD. Sie sind der Ansicht, dass Unternehmen nach „Blue Oceans“ Ausschau halten sollen, in denen der Wettbewerb verhältnismäßig gering ist. Gemieden werden sollen dagegen „Red Oceans“ die von hohem Wettbewerb gezeichnet sind (Kim und Mauborgne 2015). Der Nachteil der Blue Oceans-Theorie ist jedoch, dass diese Märkte in einer global agierenden Welt entweder finanziell eher unattraktiv sind oder sich der Wettbewerb bei Erfolg einzelner Unternehmen sehr schnell ergibt, sobald andere Akteure diesen ebenfalls finden. Den Markt für sich exklusiv zu schützen geht nur mit einem wirksamen und durchsetzbaren Patentanspruch. Nationale Regelungen zu Marktbeschränkungen sollen hier nicht weiter vertieft werden. Beispiel aus der Praxis

Ein Beispiel für einen „Blue Ocean“ ist das iPhone von Apple. Die ersten Smartphones gab es bereits in den 1990er Jahren zu kaufen. Nokia nutzte die etablierten Techniken und Gestaltungsprinzipien in ihrer Communicator-Reihe. Diese Geräte waren im Vergleich zu gängigen Mobiltelefonen deutlich größer, schwerer und teurer. Apple stellte 2007 ein neuartiges Telefon mit Multitouch Displays (Touchscreen) vor, das viel leichter und intuitiver zu bedienen war, als bisherige Smartphones. Gleichzeitig hatte das neue Apple-Telefon gegenüber den in dieser Zeit weit verbreiteten Mobiltelefonen deutlich mehr Funktionalitäten. Apple begeisterte mit ihrem Produkt ein neues, technik- und designaffines Kundensegment. Das Smartphone wurde zu einem wahrgenommen und breit nachgefragtem Produktsegment. Bereits kurze Zeit später kamen jedoch weitere Anbieter wie Samsung mit günstigeren Modellen und dem Betriebssystem Android von Google auf den stark wachsenden Markt, sodass dieser sich nach und nach vom „Blue“ zum „Red Ocean“ wandelte. Ein Beleg für den starken Wettbewerb im Smartphone-Markt ist unter anderem die Vielzahl von hart umkämpften Patentstreitigkeiten zwischen den Smartphone-Herstellern oder auch mit dritten Unternehmen, die sich ebenfalls ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen.

4  Strategie entwickeln

Produktleistung, Qualität

66

Zeit Abb. 4.2   The Distruptive Innovation Model nach Christensen et al. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Christensen et al. 2015, S. 49)

Einen anderen Ansatz, in einem bestehenden Markt Fuß zu fassen und Kunden in großem Umfang für sich zu gewinnen, beschreibt Christensen mit „Disruptive Innovation“ (Christensen 1997). Die Grundidee ist, dass kleine Unternehmen mit weniger Ressourcen in der Lage sind, etablierten Akteuren erfolgreich Marktanteile zu entreißen. Das liegt im Wesentlichen an der Strategie der etablierten Akteure, die nach Christensen ihren Fokus zu sehr auf die stetige Weiterentwicklung und Verbesserung ihrer bestehenden Produkte sowie auf die größten und meistens auch profitabelsten Kunden legen. Dabei übertreffen sie die Bedürfnisse einiger Kundensegmente und vernachlässigen gleichzeitig Wünsche und Anforderungen andere Kundengruppen. Genau dort greifen neue Akteure wie in Abb. 4.2 gezeigt an und bekommen einen Fuß in die Tür, weil sie neue oder bessere Produkteigenschaften, oft zu niedrigeren Preisen am unteren Ende des Marktes anbieten (Christensen et al. 2015, S. 47). Etablierte Akteure, die immer weiter die Profitabilität ihrer Kundenbasis optimieren, neigen dazu, gegen diese Neueinsteiger nicht energisch genug vorzugehen. Die Neueinsteiger haben somit die Chance, im Markt zu wachsen und weitere Kunden der bisherigen Akteure für sich zu gewinnen, gleichzeitig aber ihre Vorteile aus der Eintrittsphase zu erhalten. Wenn die Kunden der etablierten Akteure nun in großen Mengen beim Neueinsteiger kaufen und dieser den etablierten Akteur teilweise oder vollständig verdrängt, spricht man von „Disruption“. Dagegen grenzt sich die klassische Innovation ab. Hier gewinnt ein neuer Akteur einen Markt, indem er den großen Kundensegmenten eine bessere Funktionalität zu mit dem Wettbewerb vergleichbaren Preisen anbietet (Christensen et al. 2015, S. 48–49).

4.1 Einleitung

67

Beispiele für disruptive Innovationen

• Flixbus: Einfacher Transport mit Bussen auf festen Routen zu im Wettbewerb deutlich günstigeren Preisen. • Renault-Dacia: Automobile mit einfachster Ausstattung und sehr günstigen Preisen für den europäischen Markt. • Ryanair: Günstige Flüge von A nach B von kleineren Flughäfen (Zum Beispiel Frankfurt-Hahn, 112 km entfernt vom Flughafen Frankfurt am Main). In Abgrenzung dazu klassische Innovationen • Uber: Neue und/oder bessere Funktionalitäten zu im Wettbewerb vergleichbaren Preisen. • iPad: Scheller, direkter Zugang zum Internet. Leichter und einfacher zu bedienen als herkömmliche mobile Computer. Ein weiterer Ansatz zur systemischen Beschreibung von Strategie wurden von Osterwalder und Pigneur mit dem Business CANVAS vorgestellt (2011, S. 15 ff.). Das Business CANVAS ist eine Darstellungsform zur Beschreibung eines Geschäftsmodells. Der Grundgedanke und das Vorgehen in der Erarbeitung des Business CANVAS sind vergleichbar mit den fünf Schritten von Lafley und Martin und bietet sich für die weitere Operationalisierung der Strategie an. Im Rahmen der Transformation gehen wir davon aus, dass ein Unternehmen oder Geschäftsfeld im Markt seit Jahren etabliert ist und sich neu ausrichten muss. Das Management hat dabei die Wahl zwischen einem radikalen Neuanfang (Neue Mission/ Vision) oder einer strategischen Weiterentwicklung (Erhalt Mission/Vision, neue Strategie). Folgt man dem Vorgehen von Kaplan und Norton oder Lafley und Martin, so stellt sich das Management zu Beginn die Frage, in welchen attraktiven Märkten das Unternehmen zukünftig aktiv sein soll. Dies birgt die Gefahr, dass vorhandene Fähigkeiten und Stärken des Unternehmens zu wenig bei der Neuausrichtung berücksichtigt werden und somit schon bei der Neuausrichtung Unternehmenswert vernichtet wird. Bevor mit der eigentlichen Strategieentwicklung begonnen werden kann, sind die Fähigkeiten des Unternehmens und die Bedeutung dieser in der Wertschöpfung zu analysieren. Es bietet sich an, das Vorgehen von Lafley und Martin wie in Abb. 4.3 gezeigt anzupassen und die Neuausrichtung eines Unternehmens ausgehend von den vorhandene Kernkompetenzen („Winning capabilities“) aufzubauen. Nachfolgende strategische Fragen sind in der strategischen Neuausrichtung zu stellen: 1. Was kann das Unternehmen heute besser als andere Marktteilnehmer? Welche Kernkompetenzen sind in der Erfüllung der Kundenbedürfnisse heute und zukünftig besonders wichtig? (Abschn. 4.2) 2. Welche Rolle soll das Unternehmen in Zukunft im Markt einnehmen?

68

4  Strategie entwickeln ϭ͘/ŶǁĞůĐŚĞŶǁŝĐŚƟŐĞŶdćƟŐŬĞŝƚĞŶŝƐƚ ĚĂƐhŶƚĞƌŶĞŚŵĞŶŝŵsĞƌŐůĞŝĐŚnjƵŵ tĞƩďĞǁĞƌďƌŝĐŚƟŐŐƵƚ͍

What winning capabilities do we have? What is our winning aspiration?

Ϯ͘ŶƚƐĐŚĞŝĚƵŶŐnjƵƌ ŶĚĞƌƵŶŐDŝƐƐŝŽŶͬsŝƐŝŽŶ͗ tĞůĐŚĞZŽůůĞƐŽůůĚĂƐ hŶƚĞƌŶĞŚŵĞŶŝŶƵŬƵŶŌŝŵ DĂƌŬƚĞŝŶŶĞŚŵĞŶ͍

ϯ͘ŶƚƐĐŚĞŝĚƵŶŐnjƵƌ ŶĚĞƌƵŶŐĚĞƐWŽƌƞŽůŝŽƐ͗/Ŷ ǁĞůĐŚĞŶDćƌŬƚĞŶǁŝůůĚĂƐhŶƚĞƌŶĞŚŵĞŶnjƵŬƺŶŌŝŐ ĂŬƟǀƐĞŝŶ͍ Where will we play?

How will we win?

ϰ͘ŶƚƐĐŚĞŝĚƵŶŐnjƵƌ ŶĚĞƌƵŶŐWƌŽĚƵŬƚĞŝŐĞŶƐĐŚĂŌĞŶ͗ tŝĞĚŝīĞƌĞŶnjŝĞƌĞŶƐŝĐŚĚĂƐhŶƚĞƌŶĞŚŵĞŶďnjǁ͘ĚŝĞ ĞŝŐĞŶĞŶWƌŽĚƵŬƚĞnjƵŬƺŶŌŝŐŝŵDĂƌŬƚ͕ďnjǁ͘ǁĞůĐŚĞ ŶĞƵĞŶ0,5 denkbar und somit würde Alternative 1 durch „k. o.“ aus dem Rennen sein. Die vielversprechendste Lösung auf Basis der Nutzwert-Analyse ist Alternative 3 mit 5,75 Punkten. u

Bewertung von Alternativen auf Basis objektiver, vollständig abdeckender und voneinander unabhängiger Kriterien vornehmen.

6.2 Konzeptplanung

Kriterien

Gewicht

117

Alternative 1

Alternative 2

Alternative 3

Kriterium 1

1x

1

1

1

1

0,5

0,5

Kriterium 2

2x

0,75

1,5

0

0

1

2

Kriterium 3

½x

0

0

0,5

0,25

0

0

Kriterium 4

1x

1

1

0

0

0

0

Kriterium 5

3x

0, 5

1,5

1

3

0,75

2,25

Kriterium 6

1x

1

1

0

0

1

1

SUMME

!

6,0

4,25

5,75

Abb. 6.6   Nutzwert-Analyse mit gewichteten Kriterien und differenzierten Werten je Kriterium. (Quelle: Eigene Darstellung)

6.2.3 Behördliche Genehmigung beantragen und Prozess erfolgreich managen Im Rahmen einer Transformation kann es vorkommen, dass die Umsetzung durch eine Behörde im Vorfeld genehmigt beziehungsweise während der Umsetzung beaufsichtigt werden muss. Darunter fallen zum Beispiel Baumaßnahme nach Landesbauordnung (LBO), oder eine Veränderung von Betriebsabläufen und -organisation in Anlagen oder Bereichen, die einer Betriebsgenehmigung unterliegen. Dazu gehören etwa Anlagen mit Emissionen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Ein Genehmigungsverfahren erfolgt wie in Abb. 6.7 dargestellt generell in vier ineinander übergehende Schritten: 1) Projektierung des Vorhabens, 2) Erstellen des Antrages, 3) Antragstellung und Prüfphase und 4) Genehmigungsphase. Die Zuständigkeiten der Behörden für das Vorhaben werden, wenn nicht von vornherein klar, im Rahmen des ersten Schrittes geklärt. Projektierung des Vorhabens Die Projektierung des Vorhabens ist Teil der Phase Konzeptplanung. In der Projektierung wird ein Vorhaben im Wesentlichen technisch beschrieben und bereits die Weichen für das spätere Genehmigungsverfahren gestellt. Für die interne Entscheidungsfindung werden zusätzlich betriebswirtschaftliche Analysen durchgeführt. Da der Genehmigungsprozess in der Regel mehrere Wochen oder Monate läuft und es einen umfangreichen Austausch mit der Behörde geben wird, ist es sinnvoll, schon sehr früh in der Projektierung Kontakt mit der Behörde aufzunehmen, das Vorhaben anzukündigen, die Zuständigkeit zu klären und weitere offene Fragen, insbesondere zum Zeitplan und

118

6  Vom Konzept bis zur Umsetzung ScopingTermin

Öffentliche Anhörung

Öffentlichkeitsbeteiligung

Start Genehmigungsunterlagen

Unterlagen vollständig

Einreichen Genehmigungsantrag

Entwurf Genehmigung

Prüfbericht der Behörde

Wenn vorgesehen, InanspruchPrüfung nahme der übergeordnete Genehmigung Bundesbehörde 4. Genehmigungsphase

1. Projektierung des Vorhabens 2. Erstellung Antrag

Erteilung Genehmigung

3. Antragsstellung und Prüfphase

Abb. 6.7   Zeitliche Abfolge im Genehmigungsprozess. (Quelle: Eigene Darstellung)

den Ansprechpartnern auf beiden Seiten zu klären. Im weiteren Verlauf wird ebenfalls die Verfahrensart geklärt. Es wird unterschieden in Anzeigeverfahren, in dem der Vorhabende sein Vorhaben der Behörde anzeigen muss, bevor er mit der Ausführung beginnen kann (Vorhabende bleibt in der Verantwortung, dass alle Vorschriften eingehalten werden) und einem Genehmigungsverfahren, in dem die zuständige Behörde einem Vorhaben nach Prüfung formal zustimmen muss, bevor eine Ausführung durch die Antragstellerin erfolgen darf (vgl. „Roter Punkt“ bei Bauvorhaben). Wesentlicher Bestandteil der Beratungsfunktion, die eine Behörde nach Gesetzeslage (zum Beispiel § 2 Absatz 2 der 9. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV)) hat, ist die Erörterung und Festlegung von Form und Umfang der Antragsunterlagen. Es ist sinnvoll mit der zuständigen Behörde und den verantwortlichen Mitarbeitern möglichst verbindlich festzulegen, welche Unterlagen mit welcher Detailtiefe vorzulegen sind, inwieweit von Formblättern abweichende Unterlagen herangezogen werden können und ob zusätzliche Gutachten durch Sachverständige durch die Antragstellerin einzuholen sind. Zusätzlich wird in den Erörterungsterminen mit der Behörde geklärt, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt werden muss und ob dann ein sogenannter Scopingtermin zur Festlegung des Untersuchungsrahmens unter Beteiligung der betroffenen Behörden und gegebenenfalls Dritter, erfolgen muss.

6.2 Konzeptplanung

119

Wenn mehrere Behörden in einem Vorhaben ihre Genehmigung erteilen müssen, wird Seitens der Behörden die zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) festgelegt, die den Gesamtprozess koordiniert und weitere Fachbehörden in den Prozess der Beratung und der späteren Prüfung mit einbezieht. Die Praxis hat gezeigt, das es Vorteilhaft für den weiteren Prozess ist, die Beratungsgespräche zu protokollieren und unter allen Beteiligten (Unternehmen und Behörden) auszutauschen. Erstellen des Antrages Die Inhalte und Umfänge eines Genehmigungsantrages ergeben sich aus den rechtlichen Vorgaben (Gesetze und regelnde Verordnungen) sowie aus den Beratungen zwischen Antragstellerin und Behörde, die begleitend zur Projektierung durchgeführt wurden. Der eigentliche Genehmigungsantrag ist ein kurzes förmliches Schreiben an die Behörde, das durch Pläne, Ablaufschemata sowie konkretisierende Beschreibungen und Erläuterungen von Maßnahmen und Betriebsweisen ergänzt wird. Bei komplexen Vorhaben werden Erläuterungsberichte erst nach und nach eingereicht, um einerseits der Behörde das Einfinden in die Thematik zu erleichtern aber anderseits auch ein Verfahren frühzeitig anzustoßen, auch wenn die Unterlagen der Antragstellerin noch nicht vollständig vorliegen. Antragstellung und Prüfphase Nach Eingang des Genehmigungsantrages bei der zuständigen Behörde erhält die Antragstellerin eine schriftliche Bestätigung des Antrages und der eingereichten Unterlagen. Im Anschluss erfolgt eine Vollständigkeitsprüfung durch die Behörde sowie die Sachprüfung. Sind Unterlagen nicht vollständig, sind diese zeitnah einzureichen, da gesetzliche Fristen für die Bearbeitung von Genehmigungsverfahren, wenn es diese im spezifischen Fall gibt, üblicherweise erst bei Vollständigkeit der Antragsunterlagen beginnen. Im Rahmen der Sachprüfung werden von den Behörden und ihren unterstützenden Sachverständigen weitere, vertiefende Verständnisfragen an die Antragstellerin gestellt. In der Führung zügiger und erfolgreicher Genehmigungsprozesse hat sich eine aktive, regelmäßige Kommunikation mit den Vertretern der Behörden im Rahmen festgelegter Jour-fixe-Termine bewährt. Insbesondere bei komplexen Vorhaben ist es wichtig, die Behörde, von deren Entscheidung die weitere inhaltliche und zeitliche Umsetzung abhängig ist, von der Idee zu überzeugen und während des Prozesses, im Rahmen der Möglichkeiten, „an die Hand zu nehmen“. Genehmigungsphase Nach durchgeführter Sachprüfung der Antragsunterlagen entscheidet die Behörde über das Genehmigungsverfahren. Die Antragstellerin erhält einen schriftlichen Genehmigungsbescheid von der Behörde. Dieser enthält alle wesentlichen Informationen zur Antragstellerin, zur Rechtsgrundlage der Genehmigung und zum Gegenstand der Genehmigung, sowie die Begründung für die Entscheidung. Des Weiteren sind alle der Genehmigung unterliegenden Voraussetzungen, wie zum Beispiel Emissionsbegrenzungen, als Nebenbedingungen aufgeführt. Der Genehmigung zugrunde liegt

120

6  Vom Konzept bis zur Umsetzung

Gesetze

Rechtsnormen

Verordnungen Technische Regeln („Stand der Technik“) Normen (ISO, DIN)

Unterstützend, aber keine Rechtsnormen

Abb. 6.8   Rechtsrahmen in der Regulierung. (Quelle: Eigene Darstellung)

ein Rechtsrahmen, der sich aus Rechtsnormen (Gesetze und Verordnungen) und unterstützende in der Praxis bewährte Regeln und Normen zusammensetzt (Abb. 6.8). Es ist üblich, dass der Antragstellerin ein Entwurf des Genehmigungsbescheides vor der formalen Zustellung zur Kenntnis zugeleitet wird. Die Antragstellerin prüft in diesem Fall den Entwurf sorgfältig und kann eventuelle Fragen oder Vorbehalte gegenüber den Festlegungen im Bescheid noch im Verfahren mit der Genehmigungsbehörde diskutieren und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einleiten. Der Genehmigungsprozess endet mit der Erteilung des rechtsgültigen Genehmigungsbescheids und der schriftlichen Inanspruchnahme der Genehmigung durch die Antragstellerin. u

Genehmigungsprozesse sind formale Prozesse die meist Zeit benötigen und von einer Vielzahl exogener Einflussfaktoren abhängen können.

6.2.4 Lastenheft Der Abschluss der Konzeptphase ist die Dokumentation der Ergebnisse in einem Konzeptbericht und einem dazugehörigen Lastenheft. Das Lastenheft beschreibt die Gesamtheit der Anforderungen aus der Konzeptphase an die weitere Ausführungsplanung (Detailphase) und der späteren Umsetzung. Es beinhaltet Basisinformationen zum Vorhaben, die Beschreibung des Ist-Zustandes und des geplanten zukünftigen Sollzustandes sowie die Nennung wesentlicher Rahmenbedingungen die in der Detailplanung und anschließenden Ausführung zu berücksichtigen sind.

6.2 Konzeptplanung

121

Lastenheft Inhalt

Basisinformationen • • • •

Benennung des Vorhabens. Nennung Ersteller und Verantwortlicher. Kurze Beschreibung des Unternehmens und/oder seiner Teile. Benennung der von dem Vorhaben betroffenen Bereiche, Prozesse, Anlagen, Produkte, etc.

Ist- und Soll-Zustand • Beschreibung des Ist-Zustandes inklusive wesentlicher Leistungsmerkmale und Schnittstellen. • Beschreibung des Soll-Zustandes, der durch die Umsetzung des Vorhabens erreicht werden soll. • Auflistung wesentlicher Leistungsmerkmale/Kriterien, die zu erzielen sind. Rahmenbedingungen (so allgemein wie möglich und so einschränkend wie nötig) • Anfangs- und Endtermine. • Technische und organisatorische Schnittstellen. • Spezifische Leistungsmerkmale und Ausführung der Lösung. Wird die Ausführungsplanung und Umsetzung an einen Dritten vergeben, so ist das Lastenheft die vom Auftraggeber beschriebene und spezifizierte Leistung, die der ausgewählte Auftragnehmer zu erbringen hat. Das Gegenstück zum Lastenheft ist das Pflichtenheft. Im Pflichtenheft beschreibt der potenzielle oder ausgewählte Auftragnehmer in konkreter Form, wie er die Anforderungen des Auftraggebers erfüllen wird. Lasten- und Pflichtenheft gehören demnach zusammen und stellen die Schnittstelle zwischen zwei Phasen dar (Abb. 6.9). Um dem nachfolgenden Auftragnehmer (egal ob es sich um eine unternehmensinterne Abteilung oder einem externen Unternehmen handelt) einen größtmöglichen Spielraum zum Erarbeiten einer optimalen Lösung zu ermöglichen, sollte das Lastenheft so allgemein wie möglich und so einschränkend wie nötig formuliert werden. Dieses Vorgehen ist in Beschaffungsprozessen auch als „Funktionale Ausschreibung“ bekannt. u

Lastenheft vollständig erstellen und Inhalte so allgemein wie möglich und so einschränkend wie nötig formulieren.

122

6  Vom Konzept bis zur Umsetzung Auftraggeber

Auftragnehmer Übergang der Durchführungsverantwortung

Lastenheft

Pflichtenheft

Inhalt:

Inhalt:

‡ Gesamtheit der Anforderungen aus der Konzeptphase

‡ Beschreibung in konkreter Form, wie die Anforderungen des Auftraggebers erfüllt werden sollen

‡ Beschreibung und Spezifizierung der Leistung, die ein Auftragnehmer zu erbringen hat Anforderung:

Chance:

‡ Formulierung so allgemein wie möglich und so einschränkend wie nötig

‡ Vollständige Ausnutzung des gewährten Spielraums zur Erarbeitung einer optimalen Lösung

Abb. 6.9   Abgrenzung Lasten- und Pflichtenheft. (Quelle: Eigene Darstellung)

6.3 Wachstumsinitiativen Ein Unternehmen oder ein Geschäft wächst dann, wenn von einer Periode zur nächsten der Umsatz steigt. Steigt der Umsatz über mehrere Perioden hinweg und wird das erreichte Niveau gesichert, so wächst das Unternehmen nachhaltig. Dabei ist darauf zu achten, dass das Wachstum für das Unternehmen und deren Eigentümer profitabel ist und nicht zulasten der realisierten Marge und Rendite geht (Freibichler und Stiehl 2018a, S. 87 ff.). Für Unternehmen gibt es grundsätzlich zwei Hebel um zu wachsen. Wachstum in bekannten Märkten mit neuen Produkten oder Anwendungen und Wachstum durch Eroberung neuer Märkte (vgl. Ansoff 1965, S. 109). Der naheliegende erste Schritt ist Wachstum in bekannten Märkten. Ziel des Unternehmens ist es, mit bestehenden Kunden mehr Umsatz zu machen, oder in dem bekannten Marktumfeld neue Kunden zu gewinnen. Wenn diese Maßnahmen ausgeschöpft sind, kann das Unternehmen eine weitere Absatzsteigerung nur in neuen Märkten generieren. Dazu werden bestehende Produkte in neue Regionen oder neue Produkte beziehungsweise im Zwischenschritt neue Anwendungsfelder in bekannten Regionen vermarktet (Abb. 6.10). Mischformen wie neue Produkte in neuen Regionen sind grundsätzlich möglich, sind jedoch mit deutlich höheren Umsetzungsrisiken behaftet.

6.3 Wachstumsinitiativen

123

Abb. 6.10   Wachstumspfade. (Quelle: Eigene Darstellung)

Neue Produkte

Neue Anwendungsbereiche

Neue Regionen Bekannte Märkte

Die Phasen Konzeption, Detaillierung und Umsetzung von Wachstumsinitiativen l­assen sich jeweils in zwei Schritte unterteilen, sodass sich ein Prozess in sechs Schritten ergibt: 1) Geschäftsmodell beschreiben, 2) Business Plan erstellen, 3) Prototyp bauen, 4) Prototyp testen, 5) Organisation auf-/ausbauen und 6) Erfolg messen. Geschäftsmodell beschreiben Nach einer ersten Kreativphase, in der eine Idee entwickelt wurde, wird diese in einem konkreten Geschäftsmodell beschrieben. Für die Beschreibung eignet sich die Business Model CANVAS wie in Abschn. 4.6 vorgestellt. Wichtig ist, dass das Geschäftsmodell mit dem Fokus auf den zukünftigen Kunden entwickelt und der Nutzen für den Kunden klar beschrieben wird. Ein Geschäftsmodell beinhaltet die Beschreibung der Kundensegmente, ihre Bedürfnisse sowie die Art und Weise der Kundenbeziehung, den Nutzen des Produktes oder der Leistung für den Kunden, die Organisation und Bereitstellung des Produktes, sowie die Erlös- und Kostenlogik. Geschäftsplan erstellen Das qualitativ beziehungsweise in Eckpunkten quantifizierte Geschäftsmodell wird durch einen finanziellen Geschäftsplan (Business Plan) ergänzt. Dazu werden über einen mehrjährigen Zeithorizont Absatzmengen, Preisentwicklungen, Umsätze und korrespondierende Kosten geplant. In der weiteren Verfeinerung werden zusätzlich eine Liquiditätsplanung und eine dazugehörige Planbilanz aufgestellt. Beispiel Geschäftsplan erstellen Position

Einheit

Jahr 1

2

3

4

5

Absatz- und Umsatzplanung Menge

Stück

Preis

EUR/Stück

Umsatz

EUR

500

2000

5000

5000

5000

15

10

9

8

7

7500

20.000

45.000

40.000 35.000

124

6  Vom Konzept bis zur Umsetzung Position

Einheit

Jahr 1

2

3

4

5

Kostenplanung Spezifische Herstellkosten

EUR/Stück

10

9

8

7

6

Herstellkosten

EUR

5000

18.000

40.000

35.000 30.000

Vertrieb & Administration

EUR

3000

3000

3000

3000

Summe Kosten

EUR

8000

21.000

43.000

38.000 33.000

(500)

(1000)

2000

2000

3000

Ertragsplanung Operativer Gewinn/(Verlust) EUR

2000

Der Business Plan wird üblicherweise mit den kaufmännischen Bereichen des Unternehmens erstellt. Wichtig ist, dass die wesentlichen Wertgrößen von allen Beteiligten verstanden und mitgetragen werden. Prototyp bauen Sobald das Konzept verabschiedet ist, werden ein oder mehrere Produktprototypen gebaut. Dazu wird das Produkt so weit entwickelt, dass es von einem Nutzer (Kunde) getestet werden kann. Bei einem gegenständlichen Produkt wird ein funktionsfähiges und in den Abmaßen oder im Design realistisches Modell gebaut, bei Software funktionsfähige Bausteine und bei Dienstleistungen die Leistung in der geplanten Spezifikation oder in Teilen der Spezifikation erstmalig erbracht. Wenn neue Regionen erschlossen werden sollen, wird als Prototyp ein erster Marktauftritt entwickelt. Prototyp testen Der Prototyp wird anschießend mit den Zielkundengruppen oder in der Zielregion getestet. Werden während der Testphase Verbesserungspotenziale erkannt beziehungsweise vom Kunden Spezifikationsänderungen eingefordert, so wird der Prototyp iterativ verbessert und das Geschäftsmodell sowie der Businessplan entsprechend angepasst. Am Ende diesen Schrittes hat das Unternehmen ein neues Produkt, das im Markt angeboten werden kann, oder den Zugang zu einer neuen Region entwickelt. Organisation auf-/ausbauen In der weiteren Umsetzung werden die Voraussetzungen für eine effektiv, effiziente und zuverlässige Bereitstellung und Vermarktung des entwickelten Produktes geschaffen. Produktionslinien und Lieferketten werden aufgebaut, Aufbau- und Ablauforganisationen eingerichtet und der Vertrieb des Produktes aufgenommen.

6.4  Initiativen zur Effizienzsteigerung

125

Erfolg messen Begleitend zum Auf- und Ausbau der Organisation und dem Hochfahren der Produktion werden kontinuierlich (zum Beispiel monatlich) realisierte Istwerte mit den geplanten Werten aus dem Geschäftsplan verglichen und der Erfolg der Wachstumsinitiative bewertet. u

Wachstumsinitiativen solide planen, mit Prototypen schnell am Markt testen und auf Basis realistischer finanzieller Ziele kontinuierlich steuern.

6.4 Initiativen zur Effizienzsteigerung Sollen im Rahmen der Transformation die spezifischen Kosten für die Leistungserbringung (zum Beispiel Stückkosten oder Prozesskosten) gesenkt werden, so spricht man von Effizienzsteigerung. Die Ziele dürfen nicht willkürlich gesetzt werden, sie müssen sich vielmehr glaubhaft von Markt- oder Renditeerwartungen der Kapitalgeber herleiten lassen und realistisch definiert sein. Insbesondere die Angemessenheit der Zielsetzung wird ein entscheidender Faktor für die weitere möglichst konfliktfreie Umsetzung mit den Betroffenen (Mitarbeiter und Geschäftspartner) sein. Eine etablierte Methode für die Ableitung der angestrebten Kosten ist die Zielkosten-Methode (Target Costing). Sind die angestrebten Zielkosten definiert, richtet sich die Suche nach Verbesserungen im Bestandsgeschäft auf die Vermeidung von Verschwendung in jeglicher Form (Zeit, Ressourcen, etc.), eine der Kernforderung aus dem Lean Management. Eine Anwendungsform von Lean Management ist die Just-inTime-Philosophie, oder das Synchrone Produktionssystem, eine verallgemeinerte Beschreibung der Ideen des Toyota Produktionssystems für unterschiedliche Branchen. Klassische Maßnahmen aus der Restrukturierung wie Reduzierung der Personalkosten, Einkaufskosten und des betriebsnotwendige Kapitals (Capital Employed) vervollständigen die Ansätze zur Effizienzsteigerung. Im nachfolgenden wird auf die drei erstgenannten Themenfelder näher eingegangen.

6.4.1 Target Costing Das Target Costing, oder auch Zielkostenmanagement, ist nach Seidenschwarz (1993, S. 69 ff.) ein Instrument des strategischen Kostenmanagements. Die Grundphilosophie ist einfach gehalten und besagt, dass die zu erreichenden Gesamtkosten (Zielkosten) zur Erbringung einer Dienstleistung oder der Bereitstellung von Gütern beim Kunden maximal so hoch sein dürfen, wie die zu erwartenden Erlöse (Menge × Preis), abzüglich des angestrebten Gewinnes (Abb. 6.11). Der Gewinn errechnet sich häufig aus der vom Kapitalgeber geforderten Rendite auf das eingesetzte Kapital (WACC). Bei der weiteren Strukturierung der Kosten als Vorbereitung auf die Optimierung ist es hilfreich, die Kosten nach beeinflussbaren und nicht, oder nur schwer beeinflussbaren

126

6  Vom Konzept bis zur Umsetzung

Erwartete Erlöse

Angestrebter Gewinn

Zielkosten

Davon nicht oder schwer beeinflussbare Kosten

Beeinflussbare Kosten

Abb. 6.11   Ableitung der Zielkosten. (Quelle: Eigene Darstellung)

Kosten zu unterteilen. Beeinflussbar sind alle Kosten, die in Menge und Preis veränderbar und in der Einflusssphäre des Unternehmens sind. Beispiele dafür sind die Beschaffungskosten für verhandelbare Leistungen und Güter, die Anzahl oder Vergütung der Mitarbeiter (Personalkosten), sowie die Sonstigen Kosten. Nicht oder nur schwer beeinflussbare Kosten sind dagegen vorgelagerte Leistungen oder Güter zu festgelegten Preisen (zum Beispiel aus Regulierungsvorgaben oder Vorgaben der internen Leistungsverrechnung). Bei der Beschaffung von Rohstoffen oder Energie, die im allgemeinen zu an Börsen ermittelten Preisen eingekauft werden, ist in der Regel nur die im Herstellungsprozess eingesetzte Menge durch das Unternehmen beeinflussbar. Das Zielkostenmanagement soll im Transformationsprozess dazu dienen, die definierten Ziele finanziell greifbar und kommunizierbar zu machen. Sollten sich an den Eingangsparametern wie Erwartete Erlöse (Zahlungsbereitschaft und Absatz) oder Rendite Veränderungen ergeben, so können die Auswirkungen auf die zu erreichenden Zielkosten ceteris paribus berechnet werden. u

Nachvollziehbare und klare Kostenziele sind der Grundstein für einen erfolgreichen Start von Effizienzinitiativen.

6.4.2 Lean Management Der Begriff Lean Management umfasst „die Gesamtheit der Denkprinzipien, Methoden und Verfahrensweisen zur effizienten Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette industrieller Güter“ (Pfeiffer und Weiss 1991, S. 2). Der Fokus des Lean M ­ anagements liegt

6.4  Initiativen zur Effizienzsteigerung

127

im Wesentlichen in der Vermeidung von Verschwendung mit dem Ziel die ­Prozesszeiten im Ganzen wie auch in Teilprozessen zu reduzieren. Es gibt nach dem Begründer Taiichi Ohno sieben Arten der Verschwendung (japanischer Begriff Muda). Bewegungen, Transport, Wartezeiten, Überarbeitung, Überproduktion, Korrekturen und Fehler. Nach Womack/Jones sind die Basis von Lean Management-Aktivitäten fünf Kernprinzipien, die die Leitlinien für die Überprüfung eines bestehenden Systems bilden: 1) Den Wert aus Sicht des Kunden definieren, 2) Den Wertstrom identifizieren, 3) Das Fluss-Prinzip umsetzen, 4) Das Pull-Prinzip einführen und 5) Perfektion anstreben (Womack und Jones 2013, S. 28 ff.). Den Wert aus Sicht des Kunden definieren Im ersten wichtigen Schritt bei allen Lean Überlegungen ist genau zu prüfen, welche Bedürfnisse und Anforderungen der Kunde an das Produkt hat und welche Menge in welcher Güte produziert werden soll. Der Kunde soll zur richtigen Zeit am für ihn richtigen Ort das auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Produkt in der bestmöglichen Qualität zu adäquaten Preisen bekommen. Den Wertstrom identifizieren Im zweiten Schritt werden die Prozesse, die für die Erstellung der Leistungen vom Rohmaterial bis zum Kunden notwendig sind (Wertstrom), detailliert betrachtet. Wenn Transparenz darüber besteht, wie der Wertstrom durch das Unternehmen läuft und wer daran beteiligt ist, kann das gesamte Produktionssystem auf diesen Wertstrom ausgerichtet werden, um ihn optimal zu unterstützen und alle Ressourcen effizient auszunutzen. Dies vermeidet Verschwendung und unterstützt die Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse. Das Fluss-Prinzip umsetzen Das Fluss-Prinzip beschreibt die Forderung nach einem kontinuierlichen und geglätteten Ablauf der Produktion. Ziel ist es, Engpässe zu beseitigen, die Produktion zu harmonisieren und auf den Wertstrom auszurichten und möglichst kleine Lose kontinuierlich fließen zu lassen. Damit werden die Voraussetzungen für eine flexible, auftragsbezogene und effiziente Fertigung geschaffen. Das Pull-Prinzip einführen Im Pull-Prinzip (aus dem englischen „ziehen“) wird erst dann produziert, wenn der Kunde bestellt oder die Bestände ein Minimum erreicht haben. Im Fokus steht nicht die Maßgabe der maximalen Maschinenauslastung, sondern die Reduktion der Lagerung von Teilprodukten und Fertigwaren und des damit verbundene Such- und Transportaufwands. Voraussetzung dafür sind die vorher beschriebenen Prinzipien der Kundenausrichtung und des Fluss-Prinzips. Zur Umsetzung des Pull-Prinzips in einem Unternehmen ist es hilfreich, wenn die Produktionsanlagen und das zur Herstellung oder Bereitstellung der Produkte notwendige Personal eine hohe Flexibilität haben und die Umrüstkosten/-dauer beziehungsweise die Anlaufkosten/-dauer gering sind.

128

6  Vom Konzept bis zur Umsetzung

Perfektion anstreben Perfektion kann man nicht erreichen, sondern nur anstreben. Da sich die Rahmenbedingungen laufend ändern und sich schlechte Gewohnheiten in der Ausführung schnell wieder einspielen, ist es notwendig, für kontinuierliche Verbesserung zu sorgen. Ein Weg zur Einbindung der Mitarbeiter in diese Aufgabe ist die Einführung des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP). Im Japanischen spricht man auch von Kaizen, was übersetzt „Veränderung zum Besseren“ bedeutet. Eine Zusammenfassung der fünf Kernprinzipien in der Umsetzung von Lean Management zeigt Abb. 6.12. Bei bestehenden, langjährig etablierten Prozessen ist es für die mit der Transformation beauftragten Manager jedoch häufig schwierig, den richtigen Einstieg zu finden, ohne den gesamten Prozess von Grund auf neu zu definieren. Brenner (2018, S. VI) schlägt daher die Analyse in drei wesentlichen Stoßrichtungen vor: 1. Vermeidung von Kapazitätsengpässen und Produktivitätsverlusten 2. Reduzierung von Beständen und Durchlaufzeiten 3. Vermeidung von Ausschuss und Nacharbeiten Vermeidung von Kapazitätsengpässen und Produktivitätsverlusten Produktivität beschreibt das Verhältnis aus produzierten Gütern oder Dienstleistungen (Output) und den dafür benötigten Produktionsfaktoren (Input). Zum Beispiel Stückzahl/ Maschinenstunden (Brenner 2018, S. 1 ff.). Zu Produktivitätsverlusten kommt es immer dann, wenn Produktionsfaktoren eingesetzt werden, ohne dass es zu einem Output

1. Den Wert aus Sicht des Kunden definieren

2. Den Wertstrom identifizieren

Aus Sicht der Kunden denken

Transparenz schaffen

Welche Anforderungen hat der Kunde an das Produkt?

Prozesse aufnehmen. Wer ist wann und wo an der Wertschöpfung beteiligt?

‡ Qualität ‡ Menge ‡ Lieferzeitpunkt und -ort ‡ Preis

Ressourcen auf den Wertstrom ausrichten Verschwendung identifizieren

3. Das Flussprinzip umsetzen

4. Das PullPrinzip

5. Perfektion anstreben

Kontinuierlicher, stetiger Fluss der Güter in kleinen Losgrößen

Nur das produzieren, was der Kunde bestellt

Qualität im Produktionsprozess und in den übrigen Bereichen der Wertschöpfung stetig steigern

Engpässe auflösen Materialfluss harmonisieren Pufferlagerung minimieren Flexibilität steigern

Lagerbestände auf ein Minimum begrenzen Just-in-Time Logik umsetzen

Total Quality Management (TQM) im gesamten Unternehmen verankern

Abb. 6.12   Fünf Kernprinzipien in der Umsetzung von Lean Management. (Quelle: Eigene Darstellung)

6.4  Initiativen zur Effizienzsteigerung

129

kommt. Dieser Faktoreinsatz ist nicht wertschöpfend und daher Verschwendung. Häufige Ursache dafür sind Kapazitätsengpässe an vorgelagerten oder parallelen Produktionsprozessen, was an verschiedenen Bearbeitungs- und Montagestationen in einem produzierenden Betrieb zu Wartezeiten führt (Siehe „Das Fluss-Prinzip umsetzen“). Bei Dienstleistungen entstehen Produktivitätsverluste vor allem durch nicht genutzte Wartezeiten, da zum Beispiel Entscheidungen noch nicht getroffen sind oder notwendige Pläne am Ort der Entscheidung oder der Ausführung nicht vorliegen. Durch den Einsatz mobiler IT-Endgeräte und digitaler Prozesse können diese Engpässe und Verluste reduziert werden. Reduzierung von Beständen und Durchlaufzeiten Bestände stellen mit das größte, jedoch oft auch meist vernachlässigte Übel in einer Produktion dar. Aus verschiedenen Gründen werden Bestände als gegeben oder notwendig hingenommen. Bestände binden Kapital, benötigen Lagerfläche beziehungsweise -raum. Nach den sieben Arten der Verschwendung wird in Bestände innerhalb der Produktion, in Rohmaterial und Komponenten (Materiallager), sowie in Bestände an Fertigprodukten, die durch Überproduktion oder Losfertigung entstanden sind, unterschieden (Brenner 2018, S. 151 ff.). Die Ursachen für Bestände sind vielfältig. Neben den oben genannten Auswirkungen von Beständen auf den Produktionsbetrieb, führen Bestände im Fertigungsprozess selber zur Behinderung im Ablauf vergleichbar einem Stau auf der Straße. Je mehr Teile im Produktionsprozess gepuffert werden und je länger die Wartezeiten vor einem Produktionsschritt sind, desto größer ist die Gesamtdurchlaufzeit in der Bereitstellung von Produkten (Siehe „Das Pull-Prinzip einführen“). Vermeidung von Ausschuss und Nacharbeiten Prozess- und Produktqualität ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor in einem Unternehmen. Fertigteile, die aufgrund fehlerhafter Fertigung oder nicht eingehaltenen Toleranzen verworfen (Ausschuss) oder die mit Zusatzaufwand nachgearbeitet werden müssen verursachen neben direkten Mehrkosten und zusätzlichem Personalaufwand auch eine zusätzliche Komplexität im Prozess. Ebenfalls steigt für das Unternehmen das Haftungsrisiko bei nicht erkannten Mängeln. Da Qualität zwar kontrolliert werden kann, letztendlich jedoch das Ergebnis einer Produktion ist, gilt es in einem Unternehmen zur Verbesserung der Qualität neben dem Erheben und regelmäßigen Kommunizieren von Prozesskennzahlen (zum Beispiel durch ein Shopfloor Board, Abschn. 3.3.1) auch eine Kultur der stetigen Verbesserung zu schaffen (siehe „Perfektion anstreben“). u

Jegliche Art Verschwendung zu vermeiden ist ein guter Anfang.

130

6  Vom Konzept bis zur Umsetzung

6.4.3 Synchrones Produktionssystem (SPS) „Das Synchrone Produktionssystem basiert auf der Just-in-Time-Philosophie“. Es ist eine verallgemeinerte Beschreibung der Ideen des Toyota Produktionssystems für unterschiedliche Branchen. Das synchrone Produktionssystem (SPS) versteht sich ähnlich wie Total Quality Management (TQM) als ganzheitliches Management- und Strategieansatz, der das gesamte Unternehmen umfasst. Kerngedanke ist, dass „die benötigten Teile in der notwendigen Stückzahl zum geforderten Zeitpunkt herzustellen, zu transportieren, weiterzugeben, zu managen, zu verbessern usw.“ sind (Takeda 2013, S. 1 f.). Takeda beschreibt 12 Schritte zu einem synchronen Produktionssystem, die sich auf die Produktionsfaktoren Material, Mensch und Maschine aufteilen lassen und die auch schon in Teilen aus dem Lean Management (Abschn. 6.4.2) bekannt sind (Abb. 6.13). Grundlage von allem sind die „6 S“. SEIRI (Aussortieren der nicht benötigten Teile), SEITON (Aufräumen, Ordnen der benötigten Teile), SEISO (Reinigen), SEIKETSU (Erhalten des geordneten sauberen Zustands), SHITSUKE (Disziplin) und SHUKAN (Gewöhnung). In guten Unternehmen sind Ordnung, Sauberkeit genauso wie Arbeitssicherheit auf einem hohen Niveau. Ein ordentlich geführter Betrieb ist nach Takeda das Aushängeschild des Unternehmens und spiegelt die gesamte Zuverlässigkeit als

System

Mensch

Material

‡ Die „6 S“ (Grundlage von allem) ‡ Nivellieren/Glättung der Produktion (Erhöhung der Zyklenzahl) ‡ Fließfertigung (Durchlaufzeiten, U-Linien, multifunktionelle Mitarbeiter) ‡ Verkleinerung der Losgrößen (Umrüsten, Logistiker, Transport) ‡ Kanban (Informationen, Management, Anweisungen, Kaizen)

‡ Standardisierte Arbeit (Kaizenwerkzeuge, Verschwendungseliminierung) ‡ Stückzahlmanagement (Herstellkosten-, Störungsmgt.) ‡ Einzelstück(satz)fluß (standardisierte Puffer) ‡ (Produkt-)Qualität (Narrensicherheit, Automatisierung) ‡ Produktion in Taktzeit (Schrittmacher, flex. Personaleinsatz) ‡ Anlage (Verfügbarkeit, Anordnung)

‡ Adressen, Stellflächen / Behälter

Schritte der Einführung

Abb. 6.13   Einführung Synchrone Produktionssysteme. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Takeda 2013, S. 9)

Literatur

131

Geschäftspartner wider. Gegenüber der 5-S-Philosophie (siehe Krampf 2016, S. 51) wird eine besonderes Augenmerk auf die Verankerung bei Management und Mitarbeitern (SHUKAN) gelegt und das ständige Schaffen von Bewusstsein für die Ziele. Ansätze von Lean Management oder Kaizen schrittweise und konsequent einführen.

u

6.5 Checkliste Checkliste „Vom Konzept bis zur Umsetzung“

• • • • • • • • • • •

Logik der Fortschrittsmessung mit Härtegraden ist definiert und verabschiedet. Methoden zur Entwicklung von Ideen liegen vor und sind geübt. Bei Bedarf werden Ideenworkshops von unabhängigen Dritten moderiert. Vorlage zur Beschreibung und Bewertung von Maßnahmen sind vorhanden. Lösungsvarianten sind konkretisiert und bewertet. Je Maßnahme ist ein Lastenheft erstellt und liegt den Unterlagen für die Entscheidung bei. Prozess zur formalen Entscheidung über die Umsetzung von Maßnahmen ist verabschiedet und findet regelmäßig statt. Die Entscheidung über die Umsetzung einer Maßnahme ist protokolliert und den betroffenen Adressaten bekannt. Notwendige Ressourcen für die Umsetzung von verabschiedeten Maßnahmen sind eingeplant und bereitgestellt (budgetiert). Notwendige Genehmigungsanträge sind bei den zuständigen Behörden gestellt, der Genehmigungsprozess wird aktiv geführt. Der Fortschritt der Maßnahmenentwicklung und Umsetzung wird regelmäßig gemessen, bewertet und kommuniziert.

Literatur Ansoff I (1965) Corporate strategy: an analytic approach to business policy for growth and expansion. McGraw-Hill, New York Brenner J (2018) Lean Production: Praktische Umsetzung zur Erhöhung der Wertschöpfung, 3. überarbeitete Aufl. Hanser, München, S 2018 Freibichler W, Stiehl A (2018a) Praxishandbuch operative Wertsteigerung: Wie Top-Entscheider Potenziale zur Optimierung erkennen und nutzen. Springer Gabler, Berlin, S 2018 Freudenthaler-Mayrhofer D, Sposato T (2017) Corporate Design Thinking: Wie Unternehmen ihre Innovationen erfolgreich gestalten. Springer Gabler, Wiesbaden Krampf P (2016) Strategisches Prozessmanagement: Instrumente und Philosophien für mehr Effizienz, Qualität und Kundenzufriedenheit. Vahlen, München

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6  Vom Konzept bis zur Umsetzung

Kuster J et al (2011) Handbuch Projektmanagement, 3. erweiterte Aufl. Springer, Berlin Pfeiffer W, Weiss E (1991) Lean Management: Zur Übertragbarkeit eines neuen japanischen Erfolgsrezepts auf hiesige Verhältnisse. Bericht Nr. 18, Forschungs- und Arbeitsberichte FIV Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg Plattner H et al (Hrsg) (2011) Design thinking: understand, improve, apply. Springer, Berlin Seidenschwarz W (1993) Target Costing: Marktorientiertes Zielkostenmanagement. Vahlen, München Takeda H (2013) Das synchrone Produktionssystem: Just-in-time für das ganze Unternehmen, Übersetzung aus dem Japanischen von Andreas Meynert, 7. Aufl. Vahlen, München Womack J, Jones D (2013) Lean Thinking: Balast abwerfen, Unternehmensgewinne steigern. Aus dem Englischen von H-P Meyer und M Bühler, 3. aktualisierte und erweiterte Aufl. Campus, Frankfurt a. M.

Weiterführende Literatur Freibichler W, Stiehl A (2018b) Praxishandbuch Operative Wertsteigerung: Wie Top-Entscheider Potentiale zur Optimierung erkennen und nutzen, 2. aktualisierte Aufl. Springer, Heidelberg Womack J et al (1991) Die zweite Revolution in der Autoindustrie: Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massachusetts Institute of Technology. (Übers W. Hof). Campus, Frankfurt a. M.

7

Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

Zusammenfassung

Kap.  7 (Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung) beschreibt die Rechte der ­Mitbestimmung in Form von Betriebsrat und Gewerkschaften auf Unternehmensund Betriebsebene, insbesondere im Hinblick auf die Herausforderungen in der Neuausrichtung von Unternehmen und Geschäftsfeldern. In dem Kapitel werden die für Deutschland geltenden gesetzlichen Grundlagen vorgestellt und erläutert, auf Unterschiede in den Ländern der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums eingegangen, die Besonderheiten in der Gesellschaftsform der SE (Societas Europaea) vorgestellt sowie umfangreich die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in der Transformation erläutert. Wichtige Aspekte, die von den Transformationsverantwortlichen zu adressieren sind, sind am Ende des Kapitels in einer Checkliste zusammengefasst.

7.1 Einleitung Entscheidungen zur Veränderung im Unternehmen, insbesondere mit Auswirkung auf Personal und Arbeit, werden nicht in einem rechtsfreien Raum getroffen (Oechsler und Paul 2015, S. 85). Häufig betrifft die Neuausrichtung von Unternehmen direkt die Organisation als Ganzes oder den einzelnen Mitarbeiter. Die Neuausrichtung kann sich auf die Aufbau- und Ablauforganisationen und die damit verbundene Besetzung von Stellen auswirken oder in der fachlichen und kulturellen Weiterentwicklung von Mitarbeitern. Zu häufig werden in der Strategieentwicklung und der anschließenden Vorbereitung der Maßnahmenumsetzung die Rolle und die Rechte der Arbeitnehmer, vertreten durch Gewerkschaften und Betriebsräte, zu wenig oder zu spät berücksichtigt. In der Folge kann es zu langwierigen Verhandlungen, Arbeitskämpfen und Vertrauensverlust aufseiten © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Klasen, Business Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25879-5_7

133

134

7  Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

der Arbeitnehmer und Arbeitgeber kommen, die den Transformationsprozess unnötig erschweren und verzögern. Ein gut geführter Transformationsprozess berücksichtigt frühzeitig sämtliche Rahmenbedingungen, die im zukünftigen Zielzustand vorherrschen oder sich auf dem Weg dahin ergeben können. Es ist daher in jeder Transformation wichtig, dass die mit der Aufgabe betrauten Personen im Unternehmen die verschiedenen Regelungsebenen und die geübte Praxis der Mitbestimmung kennen und beachten.

7.2 Gesetzliche Grundlagen „Das Arbeitsrecht bezeichnet die Gesamtheit der Normen (Gesetze, Tarif- und Betriebsvereinbarungen, geübte Praktiken und Rechtsprechung), die die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regeln“ (Oechsler und Paul 2015, S. 85 f.). Es ist grundsätzlich zu unterscheiden in Individual- und in Kollektivarbeitsrecht. Das Individualarbeitsrecht umfasst das Arbeitsvertragsrecht sowie das Arbeitsschutzrecht. Das Arbeitsvertragsrecht behandelt das einzelne Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, das im Arbeitsvertrag geregelt ist. Das kollektive Arbeitsrecht regelt die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern, die sich beispielsweise zu Betriebsräten und Gewerkschaften zusammengeschlossen haben. Der Fokus liegt auf Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen. Das Arbeitsrecht wird auf nationale Ebene angewendet. Um innerhalb der Europäische Union vergleichbare Regelungen zu schaffen wurde jedoch zum Beispiel ein allgemeiner Rahmen (Richtlinie 2002/14/EG) für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in Unternehmen, die sich in den Mitgliedstaaten befinden, als Mindeststandard festgelegt (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft 2002a, S. 29–34). Die Herausforderung im Arbeitsrecht ist, dass die Gesamtheit der Normen (Abb. 7.1) nicht in einem einzelnen Gesetzbuch verankert ist (Oechsler und Paul 2015, S. 86). Sie setzt sich vielmehr aus einer Vielzahl, häufig nebeneinander stehenden Ebenen und Regelungen, die sich teilweise widersprechen, zusammen. Daher werden bei der Anwendung dieser Normen fünf Prinzipien angewendet. Das Rangprinzip (höher- vor niederrangen ­Regelungen), das Günstigkeitsprinzip (günstigste Regelung für den Arbeitnehmer), das Spezialitätsprinzip (spezialisierte Regelung hat Vorrang), das Erneuerungsprinzip (neuere Regelung ersetzt ältere), sowie der Grundsatz des Vorranges des Bundesrechtes, das heißt Bund- vor Landesrecht im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung § 74 GG (Jung 2017, S. 64). Im Weiteren wird auf die Regelungsebenen vertiefter eingegangen, die im Rahmen von Transformationen häufig zu berücksichtigten sind. Dies umfasst die Mitbestimmung auf Unternehmensebene, die Tarifebene und die Mitbestimmung auf Betriebsebene.

7.3  Mitbestimmung auf Unternehmensebene

135

Abb. 7.1   Regelungsebenen des Arbeitsrechts. (Quelle: Eigene Darstellung ergänzt zu Oechsler und Paul 2015, S. 86)

7.3 Mitbestimmung auf Unternehmensebene In Deutschland ist bei der Unternehmensführung (Corporate Governance) von Kapitalgesellschaften die unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat zu beachten. Geregelt ist die Zusammensetzung des als Organ zwingenden Aufsichtsrates bei Aktiengesellschaften (AG) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) im Grundsatz in § 96 Aktiengesetz (AktG). Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) ist ein Aufsichtsrat nur dann zu errichten, wenn die GmbH den Regelungen der Mitbestimmungsgesetze unterfällt oder die Satzung einen Aufsichtsrat vorschreibt (§ 52 Abs. 1 GmbHG). Eine Genossenschaft (eG) hat grundsätzlich einen Aufsichtsrat zu haben (§ 9 GenG), es sei denn dass sie weniger als 20 Mitglieder hat und die Satzung verzichtet auf einen Aufsichtsrat. In allen Fällen erfolgt eine Mitbestimmung durch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nach dem Drittbeteiligungsgesetz (DrittelbG) schon dann zwingend, wenn die AG, GmbH oder eG in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 DrittelbG); 1/3 der Aufsichtsratsmandate entfallen dann auf Vertreter der Arbeitnehmer. Ein weitergehendes Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer ergibt sich aus dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer von 1976 (MitbestG), wenn das Unternehmen (einschließlich der ihm zuzurechnenden Tochtergesellschaften) in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Hälfte der Aufsichtsratsmandate werden dann von den Arbeitnehmern bestimmt. Gewählt werden so häufig Mitglieder des Betriebsrats und Gewerkschaftsvertreter; zu wählen ist dabei auch

136

7  Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

ein Vertreter der Leitenden Angestellten. Der Aufsichtsratsvorsitzende, der in der Regel aus den Reihen der Anteilseigner kommt, hat bei der sog. „paritätischen“ Mitbestimmung nach dem MitbestG bei Stimmengleichheit im Aufsichtsrat zwei Stimmen. Für Unternehmen der Montanindustrie gibt es schließlich besondere Regeln im MontanMitbestG (Jung 2017, S. 97 ff.). Unternehmensmitbestimmung in Europa In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ist die Unternehmensmitbestimmung unterschiedlich geregelt. In 15 von 28 Mitgliedstaaten gibt es überhaupt keine Mitbestimmung (­Belgien, Bulgarien, Estland, Großbritannien, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Portugal, Rumänien, S ­ panien und Zypern) beziehungsweise nur in Ausnahmen bei staatlichen Unternehmen (Griechenland, Irland und Polen). Drei Mitgliedstaaten kennen eine paritätische Mitbestimmung (Deutschland, Slowakei und Slowenien), wobei in der Slowakei und in Slowenien diese nur als Ausnahme angewendet wird. Die übrigen zehn Mitgliedsstaaten (Dänemark, Finnland, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweden, Tschechische Republik und Ungarn) haben eine Unternehmensmitbestimmung bis maximal der Drittelregelung (vgl. DrittelbG in Deutschland). Norwegen (Mitglied der EWR) sieht eine Drittel-Mitbestimmung vor, die Schweiz als direkter Nachbar von Deutschland hat keine Unternehmensmitbestimmung (Quelle: WP.eu 2019).

Aufsichtsrat und Vorstand beziehungsweise Geschäftsführung sind bezüglich der Unternehmenskontrolle in Deutschland interessendualistisch besetzt, das heißt gesonderte Gremien mit unterschiedlichen Personen. Abweichend von dieser Regel gibt es in anderen Ländern eine Zusammenführung aus Aufsicht und Leitung in einem Gremium (monistisches Modell), das als „Board“ bezeichnet wird (Oechsler und Paul 2015, S. 99 ff.). Seit Ende 2004 besteht in der Europäischen Union (EU) und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)1 die Möglichkeit der Gesellschaftsrechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE). Europäische Aktiengesellschaften haben eine Wahlmöglichkeit zwischen einer aus Vorstand und Aufsichtsrat bestehenden, dualistischen Leitungsstruktur, sowie dem vorher nach deutschem Recht nicht verfügbaren monistischen Modell, das allein aus einem Verwaltungsrat besteht (angloamerikanisches Board-System) (Wiedemann und Wanzl 2011, S. 51 f.). Die Entscheidung über die Art und den Umfang der Mitbestimmung wird dem besonderen Verhandlungsgremium, bestehend aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter überlassen, die innerhalb von sechs Monaten (sofern sie den Verhandlungszeitraum nicht einvernehmlich um sechs Monate verlängern) eine vertragliche Vereinbarung abschließen müssen. Wird in der Verhandlung kein Konsens erzielt, kommen gesetzliche Auffangregeln zum tragen. Diese sehen zum einen die Einrichtung eines besonderen SE-Betriebsrates vor und zum anderen die Anwendung des höchsten Mitbestimmungsstandards (Lutter et al. 2015, S. 65 sowie Habersack und Drinhausen 2016, S. 847 ff.).

1Die

Einbeziehung der EWR-Gesellschaften ergibt sich aus dem Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 93/2002 vom 25. Juni 2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft 2002b, S. 69–70).

7.4  Beteiligung auf Tarifebene

137

Gründe für die Umwandlung einer Gesellschaft in eine SE sind zum Beispiel

• Keine paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften ab >2000 Mitarbeiter in Unternehmen, die heute noch unterhalb der Schwelle sind und in den nächsten Jahren ihre Belegschaft aufbauen werden. • Verschiebung wesentlicher Teile der Entscheidungskompetenz in einer Aktiengesellschaft vom Vorstand auf den Aufsichtsrat/Verwaltungsrat. Dann Weisungsrecht vergleichbar wie bei einer GmbH. • Flexibilisierung in der Verortung des Konzernsitzes innerhalb der EU. Bei der Umwandlung in eine SE ist zu berücksichtigen, dass sich die Mitbestimmung im Aufsichtsrat nicht mehr ausschließlich aus Vertretern aus dem Land des Unternehmenssitzes zusammensetzt, sondern anteilig aus allen Betrieben, die in EU-Ländern liegen. 

Arbeitnehmervertreter können durch ihren Sitz im Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften über die Ausrichtung und Umsetzung einer Transformation mitentscheiden.

7.4 Beteiligung auf Tarifebene Formen der Beteiligung auf überbetrieblicher Ebene sind durch institutionelle Interessenvertretungen, Gewerkschaften, wie zum Beispiel in Deutschland IG Metall, ver.di oder IG BCE einerseits und Arbeitgeberverbände anderseits, möglich. Die Rechtsgrundlage dafür ist im Wesentlichen das Tarifvertragsgesetz (TVG) von 1969. „Der Tarifvertrag regelt Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien (schuldrechtlich) und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können (§ 1 Abs. 1 TVG)“ (Oechsler und Paul 2015, S. 92). Von den zwischen den Parteien ausverhandelten Regelungen kann auf Betriebsebene nur dann im Rahmen einer Betriebsvereinbarung (BV) abgewichen werden, wenn im Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel enthalten ist (Betriebsverfassungsgesetz, § 77 Abs. 3 BetrVG). Man unterscheidet mehrere Arten von Tarifverträgen. Nach den Tarifparteien wird unterschieden in Flächen- oder Verbandstarifvertrag, der zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeberverband abschlossen wird und dem Haus- oder Firmentarifvertrag, der zwischen einer Gewerkschaft und einem einzelnen Arbeitgeber geschlossen wird. Nach Inhalt und zeitlicher Wirkung wird unterschieden zwischen dem Manteltarifvertrag, der grundlegende Rahmen- und Arbeitsbedingungen regelt und für mehrere Jahre gültig ist, sowie dem Entgelttarifvertrag (auch Lohn- und Gehaltstarifvertrag), der meistens eine deutlich geringere Laufzeit hat und der üblicherweise Gegenstand der Arbeitskämpfe ist (Jung 2017, S. 78).

138

7  Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

Ein Betrieb kann grundsätzlich mit mehreren Gewerkschaften einen Tarifvertrag abschließen (§ 4a Abs. 2 Satz 2 TVG, vgl. auch Paul und Bleich 2013, S. 315). Im Rahmen einer Transformation besteht die Möglichkeit, überbetriebliche Regelungen aus Tarifverträgen betriebsbezogen durch eine oder mehrere Betriebsvereinbarungen anzupassen (wenn eine Öffnungsklausel besteht) oder für neu zu schaffende Betriebe einen Haustarifvertrag mit einer Gewerkschaft abzuschließen. Grundlage dafür sind die geltenden Verträge und Betriebsvereinbarungen unter Beachtung der Laufzeiten und einer möglichen Nachwirkungsdauer. Ein in Deutschland bekanntes Beispiel ist das Projekt des Automobilherstellers Volkswagen mit dem Namen „Benchmarking Production 5000 × 5000“. In einem wettbewerblich und wirtschaftlich schwierigem Umfeld gelang es dem Unternehmen gemeinsam mit der Gewerkschaft IG Metall einen Projekttarifvertrag zu vereinbaren, der die Einstellung von neuen Mitarbeitern zu günstigeren Konditionen sowie festgeschriebenen Stück- und Qualitätszielen ermöglichte. Zusätzlich wurde zeitliche Flexibilität vereinbart, die es dem Unternehmen ermöglicht, kostenneutral auf Auslastungsschwankungen zu reagieren. Beispiel Volkswagen Projekt 5000 × 5000

Im Jahr 1999 präsentierte Peter Hartz, Arbeitsdirektor der Volkswagen AG das Konzept „Benchmarking Production 5000 × 5000“. Nach diesem Modell sollten 5000 neue Arbeitsplätze in der Fahrzeugfertigung mit einer einheitlichen Vergütung von 5000 Deutsche Mark (DM) inklusive aller Zuschläge entstehen. Die Entlohnung sollte sich an dem Erreichen eines Produktionszieles orientieren und nicht an der dafür nötigen Arbeitsdauer. Dazu sollte die Möglichkeiten des geltenden Arbeitszeitgesetzes voll ausgeschöpft werden und Arbeitszeiten von durchschnittlich 48 bis maximal 60 h an sechs Werktagen je nach Auftragslage flexibel angewiesen werden können. Nach langwierigen Verhandlungen wurde der Projekttarifvertrag für die Auto 5000 GmbH abgeschlossen, in dem Arbeitszeit, Entgelt, allgemeine Arbeitsbedingungen sowie Personal- und Leistungsbemessung geregelt sind. Darin vereinbart ist die Einstellung von 3500 Arbeitslosen zu einer einheitlichen Entlohnung aus 4500 DM monatlich und einem jährlichen Bonus von 6000 DM. Im Vergleich zum geltenden Flächentarifvertrag Niedersachsens gilt eine erhöhte maximal mögliche Arbeitszeit, sowie weitere Flexibilität in der Ausgestaltung der Schichten inklusive Samstagsarbeit. Wenn geplante Stückzahlen und geforderte Qualität nicht erreicht werden, sind die Beschäftigten verpflichtet, auch über das festgesetzte Schichtende hinaus Nacharbeit zu leisten. Mehrarbeit, die vom Unternehmen zu verantworten ist, wird auf einem Ausgleichskonto gutgeschrieben und soll in der Regel mit Freizeit ausgeglichen werden (WSI 2001). Mögliche Anwendungsfelder für Tarifvereinbarungen in einer Transformation sind vielfältig. Wenn ein Konzern zum Ziel hat, ein neues Geschäftsfeld aufzubauen und dabei einen organischen Wachstumspfad verfolgt, ist es für den Erfolg mitentscheidend, dass sich die Vergütung der Mitarbeiter in dem neuen Geschäftsfeld an denen der Zielbranche orientiert. So unterscheiden sich die Entlohnung und vereinbarte Arbeitsdauer und -zeiten von gewerblichen Mitarbeitern in der Metall- oder Energiebranche zum Beispiel von der der Mitarbeiter

7.5  Mitbestimmung auf Betriebsebene

139

in der Entsorgung. Das Unternehmen hat die Möglichkeit für das neue Geschäftsfeld mit den Tarifparteien einen für das Geschäftsfeld spezifischen Tarifvertrag abzuschließen oder über Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat die Anwendung bestehender Verträge und Vereinbarungen weiter zu spezifizieren. Die Regelung über Betriebsvereinbarungen erhöht jedoch die Komplexität und erschwert künftige Veränderungsprozesse. Weitere Anwendungsfälle, in dem angepasste Tarifverträge sinnvoll sein können, sind etwa spezialisierte Berufsgruppen im Konzern (Vergleich Innovationstarifvertrag Bosch mit IG Metall 2018) oder beim Aufbau von branchennahen Startup-Unternehmen im Konzern. 

Tarifverträge und relevante Betriebsvereinbarungen sind frühzeitig im Transformationsprozess mit zu berücksichtigen. Verhandlungen zwischen Unternehmen und Mitbestimmung ist ein Geben und Nehmen.

7.5 Mitbestimmung auf Betriebsebene Die betriebliche Mitbestimmung ist in Deutschland im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Das BetrVG erfasst im Wesentlichen Arbeiter und Angestellte. Für leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG („… wer nach Arbeitsvertrag und Stellung … 1. zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von … Arbeitnehmern berechtigt ist oder 2. Generalvollmacht oder Prokura hat … oder 3. regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt [und] wenn er dabei … die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft …“) findet es nur Anwendung, wenn dies ausdrücklich festgelegt ist. Ansonsten gilt das Sprecherausschussgesetz (SprAuG). Für den öffentlichen Dienst gelten das Bundespersonalvertretergesetz (BPersVG) und die Personalvertretungsgesetze (PersVG) der Länder. Das BetrVG sieht vor, dass in Deutschland gelegene Betriebe ab fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 7 Satz 1 BetrVG, „… Arbeitnehmer des Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Werden Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen, so sind diese wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.“) ein Betriebsrat gebildet werden kann (Oechsler und Paul 2015, S. 108 f.). Die Aufgaben des Betriebsrates werden in § 80 BetrVG benannt. Es wird unterschieden in (Hromadka und Maschmann 2017, S. 375): • Mitwirkungsrechte (i. W. Unterrichtungsrecht §§ 80 Abs. 2, 105; Anhörungsrecht § 102; Beratungsrecht §§ 90, 92, 96, 106, 111 BetrVG), • Mitbestimmungsrechte (i. W. Zustimmungsverweigerungsrecht § 99 BetrVG; Mitbestimmungsrecht § 87, sowie §§ 91, 98, 112 BetrVG), sowie • Initiativrechte (i. W. §§ 92, 93, 95, 96 und 104 BetrVG) Bei den Mitwirkungsrechten behält der Arbeitgeber das Entscheidungsrecht, bei Mitbestimmungsrechten wird im Falle einer Nichteinigung eine dritte Stelle (beim Zustimmungsverweigerungsrecht das Arbeitsgericht bei den übrigen die Einigungsstelle)

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7  Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

entscheiden. Die Rechte der Mitbestimmung, insbesondere aus § 87 BetrVG werden in Betriebsvereinbarungen als beidseitige Willenserklärung des Arbeitgebers und des Betriebsrats vertraglich fixiert und gelten, wenn nicht anders geregelt, zeitlich unbefristet. Eine jüngere Betriebsvereinbarung ersetzt dabei eine ältere automatisch, wenn sie denselben Regelungsgegenstand betrifft (vgl. „Erneuerungsprinzip“ Abschn. 7.2). Ergänzend zur Betriebsvereinbarung gibt es auch die formlose Regelungsabrede (auch „Betriebsabsprache“ oder „betriebliche Einigung“ genannt) zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

7.5.1 Mitwirkung Die Mitwirkungsrechte umfassen das Unterrichtungsrecht, das Anhörungsrecht und das Beratungsrecht eines Betriebsrates. Bei den Mitwirkungsrechten behält der Arbeitgeber das Entscheidungsrecht, das heißt er entscheidet über den Umfang und den Inhalt der Mitwirkung (Hromadka und Maschmann 2017, S. 375). Unterrichtungsrecht Das Recht der Unterrichtung des Betriebsrates durch den Arbeitgeber über Belange der Abnehmer ist geregelt in § 80 Abs. 2 BetrVG und für Leitende Angestellte in § 105 BetrVG. Der Betriebsrat ist rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten und kann jederzeit Unterlagen einfordern, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 80 Abs. 1 BetrVG benötigt. Die Auskunft des Betriebsrates durch den Arbeitgeber muss von sachkundigen Personen erfolgen. § 80 Abs. 2 BetrVG „Allgemeine Aufgaben“ legt fest: • Der Betriebsrat ist rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten. Dies gilt für eigene und fremde Beschäftige und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen (Satz 1). • Unterlagen sind auf Verlangen des Betriebsrates jederzeit durch den Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat ist berechtigt, unter anderem die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter einzusehen (Satz 2). • Ebenfalls kann der Betriebsrat die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen, einsehen (Satz 3). • Als Auskunftspersonen sind sachkundige Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen, wenn nicht betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen (Satz 4). § 105 BetrVG „Leitende Angestellte“ legt fest: • Eine beabsichtigte Einstellung oder personelle Veränderung eines leitenden Angestellten (siehe § 5 Abs. 3) ist dem Betriebsrat rechtzeitig mitzuteilen.

7.5  Mitbestimmung auf Betriebsebene

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Anhörungsrecht Das Recht der Anhörung des Betriebsrates durch den Arbeitgeber bei Kündigung von Arbeitnehmern ist geregelt in § 102 Abs. 1 BetrVG. Dem Betriebsrat sind die Gründe mitzuteilen und der Arbeitgeber muss den Betriebsrat zur Kündigung anhören. Das gilt zum Beispiel für sogenannte betriebsbedingte Kündigungen (§ 1 KSchG) im Rahmen betrieblich notwendiger Umstrukturierungen. Der Betriebsrat kann der ordentlichen Kündigung in speziellen Fällen widersprechen. § 102 BetrVG „Mitbestimmung bei Kündigung“ legt fest: • Die Gründe für die Kündigung sind dem Betriebsrat mitzuteilen (Abs. 1 Satz 2). • Ohne Anhörung durch den Betriebsrat ist eine Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber unwirksam (Abs. 1 Satz 3). • Bedenken gegen eine ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers sind dem Arbeitgeber unter Angabe der Gründe innerhalb einer Woche schriftlich durch den Betriebsrat mitzuteilen (Abs. 2 Satz 1). • Bedenken gegen eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers sind unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich durch den Betriebsrat mitzuteilen (Abs. 2 Satz 3). • Eine Anhörung der von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter durch den Betriebsrat ist möglich beziehungsweise sollte durchgeführt werden (Abs. 2 Satz 4), jedoch ist die Vertraulichkeit aus § 99 Abs. 1 Satz 3 stets zu wahren (Abs. 2 Satz 5). • Einer ordentlichen Kündigung kann widersprochen werden, wenn – soziale Gesichtspunkte bei Auswahl nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden (Abs. 3 Satz 1), – die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 (Auswahlrichtlinien) verstößt (Abs. 3 Satz 2), – der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann (Abs. 3 Satz 3), – die Weiterbeschäftigung nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist (Abs. 3 Satz 4) oder – eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat (Abs. 3 Satz 5). • Der Erfolg des Widerspruchs ist von der Qualität der Begründung abhängig (vgl. Abs. 5 Satz 2). Beratungsrecht Das Recht der Beratung des Betriebsrates mit dem Arbeitgeber sind vielfältig und geregelt in den §§ 90, 96, 106 und 111 BetrVG. Sie betreffen die Bereiche Veränderung der Betriebsstätten und Abläufe, die Personalplanung, die Förderung der Berufsbildung, sowie wirtschaftliche Angelegenheiten, insbesondere mit Auswirkung auf die Personalplanung.

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7  Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

§ 90 BetrVG „Unterrichtungs- und Beratungsrechte“ legt fest: • Rechtzeitige Unterrichtung des Betriebsrates durch den Arbeitgeber unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen über die Planung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Fabrikations-, Verwaltungs- und sonstigen betrieblichen Räumen, von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze (Abs. 1). • Die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, insbesondere auf die Art ihrer Arbeit sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitnehmer sind rechtzeitig vom Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zu beraten, sodass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrates bei der weiteren Planung berücksichtigt werden können (Abs. 2 Satz 1). § 92 Abs. 1 BetrVG „Personalplanung“ legt fest: • Der Betriebsrat ist durch den Arbeitgeber über die Personalplanung anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Dies gilt insbesondere für den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf, über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen einschließlich der geplanten Beschäftigung von Fremdmitarbeitern und Maßnahmen der Berufsbildung (Satz 1). • Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat über die Art und den Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten in der Personalplanung zu beraten (Satz 2). § 96 BetrVG „Förderung der Berufsbildung“ legt fest: • Die Berufsbildung der Arbeitnehmer ist durch den Arbeitgeber und den Betriebsrat zu fördern (Abs. 1 Satz 1). • Der Berufsbildungsbedarf ist auf Verlagen des Betriebsrates durch den Arbeitgeber zu ermitteln. Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer sind mit dem Betriebsrat zu beraten (Abs. 1 Satz 2). • Der Betriebsrat kann Vorschläge zur Berufsbildung machen (Abs. 1 Satz 3). • Der Arbeitgeber hat unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten die Teilnahme von Arbeitnehmern an betrieblichen oder außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung zu ermöglichen (Abs. 2 Satz 1). Die Belange älterer Arbeitnehmer, Teilzeitbeschäftigter und von Arbeitnehmern mit Familienpflichten sind dabei zu berücksichtigen (Abs. 2 Satz 2). § 106 BetrVG „Wirtschaftsausschuss“ legt fest: • In allen Unternehmen >100 ständig beschäftigte Arbeitnehmer ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden (Abs. 1 Satz 1).

7.5  Mitbestimmung auf Betriebsebene

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• Der Wirtschaftsausschuss berät wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer (Arbeitgeber) und unterrichtet den Betriebsrat (Abs. 1 Satz 2). Ein Wirtschaftsausschuss besteht aus drei bis höchstens sieben Mitgliedern des Unternehmens, darunter vertreten ist mindestens ein Betriebsratsmitglied (§ 107 Abs. 1). • Der Wirtschaftsausschuss ist durch den Arbeitgeber über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens zu unterrichten, soweit dadurch nicht Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen (Abs. 2 Satz 1). Dies betrifft insbesondere (Abs. 3) – die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens, – die Produktions- und Absatzlage, – das Produktions- und Investitionsprogramm, – Rationalisierungsvorhaben, – Fabrikations- und Arbeitsmethoden (insbesondere Einführung neuer Methoden), – Fragen des betrieblichen Umweltschutzes, – die Einschränkung oder Stilllegung von Betrieben oder von Betriebsteilen, – die Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen, – den Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben, – die Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks, – die Übernahme des Unternehmens durch einen Dritten, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist, sowie – sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können. § 111 BetrVG „Betriebsänderungen“ legt fest: • In Betrieben >20 wahlberechtigten Arbeitnehmern ist der Betriebsrat durch den Arbeitgeber über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, zu unterrichten (Satz 1). • Die geplanten Betriebsänderungen sind durch den Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zu beraten (Satz 1). • In Unternehmen >300 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat zu einer Unterstützung einen Berater hinzuziehen (Satz 2). • Als Betriebsänderung gelten (Satz 3): – Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen, – die Verlegung des ganzen Betriebes oder wesentlicher Betriebsteile, – der Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben, – grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen, sowie – die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

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7  Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

7.5.2 Mitbestimmung „Die Beteiligungsrechte der Belegschaftsvertreter werden nicht selten unter dem Oberbegriff Mitbestimmung zusammengefasst.“ Die Mitbestimmung beinhaltet das Zustimmungsverweigerungsrecht und das Mitbestimmungsrecht im eigentlichen Sinne (Hromadka und Maschmann 2017, S. 374). Bei den Mitbestimmungsrechten wird im Falle einer Nichteinigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretern eine dritte Stelle (beim Zustimmungsverweigerungsrecht das Arbeitsgericht, beim Mitbestimmungsrecht eine Einigungsstelle) angerufen, die dann entscheidet. Das heißt, der Arbeitgeber kann, anders wie bei den Mitwirkungsrechten, nicht ohne die Zustimmung des Betriebsrates handeln. Die Umsetzung der Mitbestimmung, insbesondere der Rechte aus § 87 BetrVG erfolgt über Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden. Betriebsvereinbarungen sind vertraglich fixierte, beidseitige Willenserklärungen des Arbeitgebers und des Betriebsrats. Sie gelten in der Regel unbefristet und müssen durch eine neue Vereinbarung ersetzt werden (soweit die Nachwirkung § 77 Abs. 6 BetrVG existiert), es sei denn, die Betriebsvereinbarung ist von Anfang an zeitlich befristet abgeschlossen worden (z. B. Absenkung von nichttariflichen Vergütungsbestandteilen im Rahmen eines Effizienzprogramms für x Jahre). Eine jüngere Betriebsvereinbarung ersetzt eine ältere automatisch, wenn sie denselben Regelungsgegenstand betrifft (Oechsler und Paul 2015, S. 110 ff.). Zustimmungsverweigerungsrecht Das Recht des Betriebsrates die Zustimmung zu einer Maßnahme des Arbeitgebers zu verweigern ist für bestimmte Fälle in § 99 BetrVG geregelt. Darunter fallen die Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung von Arbeitnehmern. Im Falle einer Nichteinigung entscheidet das Arbeitsgericht. § 99 BetrVG „Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen“ legt fest: • Der Arbeitgeber hat in Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern über jede Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung den Betriebsrat zu unterrichten. In diesem Zusammenhang sind dem Betriebsrat die Unterlagen über die geplanten Maßnahmen inklusive einer Auskunft über deren Auswirkungen vorzulegen. Der Arbeitgeber muss beim Betriebsrat die Zustimmung zu den geplanten Maßnahmen einholen (Abs. 1 Satz 1). • Bei Einstellungen und Versetzungen muss der Arbeitgeber den Zielarbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung dem Betriebsrat mitteilen (Abs. 1 Satz 2). • Der Betriebsrat ist verpflichtet über die personellen Maßnahmen nach außen hin Stillschweigen zu bewahren (Abs. 1 Satz 3).

7.5  Mitbestimmung auf Betriebsebene

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• Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern (Abs. 2), wenn – die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde, – die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 (Auswahlrichtlinien) verstoßen würde, – die … Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden…, – der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird…, – eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder – die … Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden … stören werde. • Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung zu den Maßnahmen, so hat der Betriebsrat dies dem Arbeitgeber innerhalb einer Woche nach Unterrichtung schriftlich unter Angabe von Gründen mitzuteilen (Abs. 3 Satz 1). Ansonsten gilt die Zustimmung als erteilt. Mitbestimmungsrecht Die wichtigsten Fälle des Mitbestimmungsrechtes sind in den §§ 87, 91, 98 und 112 BetrVG geregelt. Sie betreffen im Westlichen die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer (zum Beispiel Arbeitsbeginn, -dauer und Urlaub), die Veränderung am Arbeitsplatz (zum Beispiel Ablauf oder Umgebung), die Durchführung betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen und Regelungen zum Interessenausgleich bei Betriebsänderungen. Im Falle einer Nichteinigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung entscheidet die Einigungsstelle, ausgenommen im Fall § 98 Abs. 2 das Arbeitsgericht. § 87 BetrVG „Mitbestimmungsrechte“ legt fest: • Der Betriebsrat hat in folgenden Fragen mitzubestimmen (Abs. 1): – Der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. – Den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Wochentage. – Eine vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. – Der Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte. – Der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans, sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird. – Der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

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7  Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

– Der Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. – Der Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist. – Der Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern vermietet werden. – Der betrieblichen Lohngestaltung. – Der Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren. – Der Grundsätze des betrieblichen Vorschlagswesens. – Den Grundsätzen über die Durchführung von Gruppenarbeit. § 91 Satz 1 BetrVG „Mitbestimmungsrecht“ legt darüber hinaus fest: • Wenn der Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung in besonderer Weise belastet wird, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen (über Betriebsvereinbarung oder Reglungsabrede). § 98 BetrVG „Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen“ legt fest: • Der Betriebsrat hat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen (Abs. 1). • Der Betriebsrat kann der Bestellung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person widersprechen. Die Entscheidung bei Nichteinigung erfolgt über das Arbeitsgericht (Abs. 2). • Der Betriebsrat kann Vorschläge für die Teilnahme von Arbeitnehmern oder Gruppen an der beruflichen Bildung machen (Abs. 3). § 112 BetrVG „Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan“ (Betriebsänderung ist definiert in § 111 BetrVG) legt fest: • Der Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung ist, wenn er zustande kommt, schriftlich niederzulegen (Was? Wann? Wie?, inkl. Auswahlrichtlinien, wie z. B. altersspezifische Sozialauswahl, sowie Namenslisten) und vom Unternehmer und dem Betriebsrat zu unterschreiben (Abs. 1 Satz 1). • Das Gleiche gilt für den Sozialplan (Wie werden „Verlierer“ entschädigt?), eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Abs. 1, Satz 2). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung (Abs. 1, Satz 3).

7.5  Mitbestimmung auf Betriebsebene

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• Kommt eine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht zustande, wird die Einigungsstelle nach folgenden Grundsätze ihre Entscheidung zum Sozialplan treffen (Abs. 5 Satz 2): – Wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, die den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen, werden ausgeglichen oder abgemildert. – Die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt werden berücksichtigt. – Arbeitnehmer, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb, in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und diese Weiterbeschäftigung ablehnen, werden von Ausgleichsleistungen des Arbeitgebers ausgeschlossen – Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit werden berücksichtigt. – Der Gesamtbetrag der Sozialplanleistungen darf den Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährden. • Im Gegensatz zum Sozialplan, der von der Mitbestimmung „erzwungen“ werden kann, ist der Interessenausgleich nicht Gegenstand der Entscheidung der Einigungsstelle (Abs. 4).  Der Verhandlungsweg zum Interessenausgleich und Sozialplan sollte gemeinsam von Arbeitgeber und Betriebsrat geplant werden. Ein definiertes zeitliches Ende erhöht den Druck und die Disziplin auf beiden Seiten. Wenn es zu keiner Lösung kommt, wird die Einigungsstelle angerufen und die Beteiligten geben dann das Zepter aus der Hand.

7.5.3 Initiativrecht Das Initiativrecht im BetrVG regelt die Vorschlagsrechte des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber unter anderem in den Bereichen Personalplanung, Beschäftigungssicherung, interne Stellenausschreibung, Auswahlrichtlinien (vgl. Düwell 2018, S. 1321), Berufsbildung, sowie Entfernung von Arbeitnehmern, die den Betriebsfrieden stören. Der Arbeitgeber muss die Vorschläge mit dem Betriebsrat beraten, die Art der Erledigung liegt jedoch im Ermessen des Arbeitgebers (Hromadka und Maschmann 2017, S. 376). § 92 Abs. 2 BetrVG „Personalplanung“ legt fest: • Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung machen.

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7  Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

§ 92a BetrVG „Beschäftigungssicherung“ legt fest: • Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung machen. Diese können sein (Abs. 1): – Die flexible Gestaltung der Arbeitszeit – Die Förderung von Teilzeitarbeit und Altersteilzeit – Neue Formen der Arbeitsorganisation – Änderungen der Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe – Die Qualifizierung der Arbeitnehmer – Alternativen zur Ausgliederung von Arbeit oder ihrer Vergabe an andere Unternehmen – Vorschläge zum Produktions- und Investitionsprogramm • Die Vorschläge hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zu beraten. Hält der Arbeitgeber die Vorschläge für ungeeignet, hat er dies zu begründen, bei >100 Arbeitnehmern schriftlich (Abs. 2). § 93 BetrVG „Interne Stellenausschreibung“ legt fest: • Der Betriebsrat kann verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. § 95 Abs. 2 BetrVG „Auswahlrichtlinien“ legt fest: • In Betrieben >500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Maßnahmen des § 95 Abs. 1 Satz 1 (Der Betriebsrat muss Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen zustimmen) zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen (Satz 1). • Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle (Satz 2). § 96 Abs. 1 BetrVG „Berufsbildung“ legt fest: • Der Arbeitgeber muss auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf ermitteln und mit dem Betriebsrat Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer des Betriebs beraten (Satz 2). Hierzu kann der Betriebsrat Vorschläge machen (Satz 3). § 104 BetrVG „Entfernung von Arbeitnehmern, die den Betriebsfrieden stören“ legt fest: • Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung eines Arbeitnehmers verlangen, wenn er durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe ­Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen, den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört hat (Satz 1).

7.6  Vertretung auf Betriebsebene in Europa



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Vorschläge des Betriebsrates zur Transformation proaktiv mit einbinden, um von Anfang an alle Perspektiven zu verstehen und relevanten Themen frühzeitig zu berücksichtigen.

7.6 Vertretung auf Betriebsebene in Europa Die Vertretung der Arbeitnehmer in europäischen Betrieben wird, wenn es eine gibt, meistens von Gewerkschaften direkt oder über Vertreter der Gewerkschaften in den Betrieben wahrgenommen. In Zeiten der strategischen Neuausrichtung eines Unternehmens ist es jedoch emotional und inhaltlich schwierig mit Arbeitnehmervertretern zu sprechen, wenn diese nicht dem Unternehmen angehören. Nur in wenigen Ländern der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums gibt es eine Mitbestimmung, die sich hauptsächlich aus gewählten Mitarbeitern des einzelnen Betriebes zusammensetzt. Dazu gehören neben Deutschland auch Ungarn, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweiz, Slowakische Republik, Slowenien und Spanien. Die Rechte der Mitbestimmung sind in den meisten Ländern auf die Mindeststandards nach EU-Recht begrenzt wie etwa Informations- und Anhörungsrechte. Entscheidungen kann der Arbeitgeber in diesen Fällen letztendlich alleine treffen. Anders sieht es in Ländern aus, in denen die Arbeitnehmervertreter Zustimmungsrechte, oder in Einzelfällen auch Vetorechte haben. Ist die Mitbestimmung im Betrieb ausgeprägt, sind Arbeitnehmervertreter automatisch auch Mitwirkende und Mitentscheider in der strategischen Neuausrichtung eines Unternehmens. Länder, die eine weiterreichende Befugnis der Mitbestimmung haben, sind neben Deutschland auch Belgien, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Rumänien, Schweden, Tschechische Republik, Slowakische Republik und Slowenien. Ein Sonderfall in der EU ist Großbritannien, die eine Arbeitnehmervertretung in Betrieben nur haben, wenn diese explizit vom Arbeitgeber anerkannt wird (WP.eu 2019). Ein Überblick der Mitbestimmung auf Betriebsebene in Europa ist in Tab. 7.1 gegeben. Tab. 7.1  Mitbestimmung in Europa. (Quelle: Eigene Analyse) Länder in Europa mit einer weitreichenden Befugnis der Mitbestimmung Arbeitnehmer vertreten über gewählte ­Mitarbeiter (Betriebsrat)

Arbeitnehmer i. W. vertreten durch ­Gewerkschaft

• Deutschland • Luxemburg • Niederlande • Österreich

• Belgien • Frankreich • Griechenland • Rumänien • Schweden • Tschechische Republik

Mischform • Slowakische Republik • Slowenien

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7  Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung

7.7 Checkliste Checkliste „Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung“

• Die Regelungsebenen des Arbeitsrechtes für das betroffene Unternehmen und seinen Betrieben (im Normalfall sind das die Standorte) sind bekannt. • Der Unterschied zwischen Individual- und Kollektivarbeitsrecht ist bewusst. • Vertreter der Mitbestimmung auf Unternehmens- und Betriebsebene sind bekannt und in der Transformation regelmäßig eingebunden. • Relevante Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sind bekannt und liegen zur Einsicht vor. • Möglichkeiten der SE als Gesellschaftsform sind geprüft. • Alternative Tarifvertragslösungen sind geprüft. • Wenn Personalmaßnahmen in der Transformation geplant sind, werden rechtzeitig die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem zuständigen Betriebsrat aufgenommen. • Der Verhandlungsfahrplan zum Interessenausgleich und Sozialplan ist zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat mit einem definierten zeitlichen Ende festgelegt.

Literatur Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft (2002a) Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft – Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zur ­Vertretung der Arbeitnehmer. Amtsblatt Nr. L 80 vom 23.03.2002, S 29–34 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft (2002b) Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 93/2002 vom 25. Juni 2002 zur Änderung des Anhangs XXII (Gesellschaftsrecht) des EWR-Abkommens. Amtsblatt Nr. L 266 vom 03.10.2002, S 69–70 Düwell FJ (Hrsg) (2018) Betriebsverfassungsgesetz BetrVG, WahlO, EBRG, SEBG: Handkommentar, 5. Aufl. Nomos, Baden-Baden Habersack M, Drinhausen F (2016) SE-Recht: mit grenzüberschreitender Verschmelzung, 2. Aufl. Beck, München Hromadka W, Maschmann F (2017) Arbeitsrecht Band 2: Kollektivarbeitsrecht + Arbeitsstreitigkeiten, 7. Aufl. Springer, Berlin Jung H (2017) Personalwirtschaft, 10. Aufl. De Gruyter Oldenbourg, Berlin Lutter M et al (Hrsg) (2015) SE-Kommentar: SE-VO, SEAG, SEBG, Arbeitsrechtliche Praxis, Steuerrecht, Konzernrecht, 2. Aufl. Schmidt, Köln Oechsler W, Paul C (2015) Personal und Arbeit, 10. Aufl. De Gruyter Oldenbourg, Berlin Paul C, Bleich T (2013) Spartengewerkschaften. Das Wirtschaftsstudium WISU 2013(3):312–316

Literatur

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Wiedemann A, Wanzl L (2011) Die monistische Leitungsstruktur der Europäischen Aktiengesellschaft – ein Corporate Governance Modell für deutsche Familienunternehmen? FuS 2011(2):51–57 WP.eu (2019) Nationale Arbeitsbeziehungen. http://de.worker-participation.eu/Nationale-Arbeitsbeziehungen/Laender. Zugegriffen: 3. Jan. 2019 WSI (2001) Tarifrunde 2001: Volkswagen Projekt 5000 × 5000. https://www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_2683.htm#. Zugegriffen: 3. Jan. 2019

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Marketing und Kommunikation

Zusammenfassung

Kap. 8 (Marketing und Kommunikation) erläutert, warum in einem Veränderungsprozess informiert und sich ausgetauscht werden muss und gibt praktische Hinweise über Zeitpunkte, Art und Weise der Kommunikation und mögliche Inhalte. In einer Transformation ist es notwendig, die Betroffenen zeitnah nach der Beschlussfassung offen, ehrlich und vollständig zu informieren. Nach einer Erstkommunikation durch die Geschäftsleitung ist umfassender Dialog zwischen Betroffenen und Entscheidern durch die Kommunikationsverantwortlichen zu organisieren. Somit ist die Kommunikation ein wichtiges Werkzeug innerhalb des Transformationsprozesses. In dem Kapitel wird beschrieben, wie Kommunikation die Transformation effektiv unterstützen kann, welche Interessengruppen (Stakeholder) in der Kommunikation zu adressieren sind und wie eine effektive Kommunikationsplanung durchgeführt wird. Am Ende fasst eine Checkliste die wesentlichen Fragestellungen zu einer Kommunikationsstrategie und zum Kommunikationsfahrplan in der Transformation zusammen.

8.1 Einleitung Transformation von Unternehmen und Geschäftsfeldern gelingt nur dann, wenn die durch die Transformation betroffenen Interessengruppen (Stakeholder) rechtzeitig über die Veränderungen informiert und in die weitere Umsetzung eingebunden werden. Es gilt Unsicherheiten und Ängste, die mit den Veränderungen einhergehen, bei den Betroffenen wirkungsvoll und zum richtigen Zeitpunkt entgegenzuwirken. Es gilt aber auch, die neue strategische Ausrichtung verständlich zu machen und alle Mitarbeiter und Geschäftspartner für den neuen Weg zu begeistern und sie zu ermutigen, die neue Ausrichtung zu leben und weiterzutragen. Es ist daher die Aufgabe der Transformationsverantwortlichen © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Klasen, Business Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25879-5_8

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8  Marketing und Kommunikation

darauf zu achten, dass die Vision, die Ziele aber auch korrekte Maßnahmen der Transformation den Stakeholdern „verkauft“ werden (vgl. Velez und Lord 2017, S. 173). Dies muss in einer Weise erfolgen, dass die Stakeholder (Käufer) die neue Ausrichtung (Angebot) als wünschenswert wahrnehmen (vgl. dazu die Ziele aus dem Marketing). Die Kommunikation ist ein Teil des Marketings.1 Sie umfasst den Austausch (gegenseitiges Geben und Nehmen) oder die Übermittlung (einseitiges Geben und Nehmen) von konkreten Informationen, die auf unterschiedliche Arten (verbal, nonverbal) oder Wegen (Sprechen, Schreiben) stattfindet. Die Kommunikation ist das konkrete Werkzeug, um die Betroffenen zu informieren, Fragen aufzunehmen und zu beantworten, sowie Erfolge zu dokumentieren. Im weiteren Kapitel wird beschrieben, wie Kommunikation die Transformation und insbesondere den Prozess des Wandels (Change) effektiv unterstützen kann, welche Stakeholder in der Kommunikation zu adressieren sind und wie eine effektive Kommunikationsplanung durchgeführt werden kann.

8.2 Die Transformation durch Kommunikation effektiv unterstützen Eine strategische Neuausrichtung in einem Unternehmen oder Geschäftsfeld ist üblicherweise mit einem umfassenden Wandel verbunden. Neue, unbekannte Regionen sollen erschlossen werden, andere Regionen sind zu stabilisieren oder werden aufgegeben. Neue Kunden müssen akquiriert und/oder neue Produkte entwickelt, verkauft und bereitgestellt werden. Um die Marktziele zu erreichen, werden neue Mitarbeiter rekrutiert, vorhandenen Mitarbeiter erhalten neue beziehungsweise ergänzenden Aufgaben und neue oder andere Geschäftspartner sind in den zukünftigen Prozessen einzubinden. Für die meisten Betroffenen kommen diese Neuerungen häufig plötzlich und unerwartet. Sicherlich hat der Vorstand, die Geschäftsführung oder Bereichsleitung (nachfolgend zusammengefasst Geschäftsleitung) schon angekündigt, dass es zu Veränderungen kommen muss. Es ist auch den meisten Betroffenen bekannt, dass es ein Projektteam gibt, das sich mit der Transformation beschäftigt. Welche konkreten Auswirkungen die Ergebnisse der Analysen und die daraus folgenden Entscheidungen für den Einzelnen haben kann ist häufig für die Betroffenen nicht greifbar oder wird verdrängt. u

Mitarbeiter und Geschäftspartner abholen und mitnehmen.

Zum Zeitpunkt der Kommunikation der neuen Vision und Transformationsziele im Unternehmen treffen somit zwei Gruppen aufeinander, die jeweils ein völlig unterschiedliches

1In

Abgrenzung dazu Kommunikation zwischen Maschinen, die durch einen Austausch oder eine Übermittlung von Daten erfolgt.

8.2  Die Transformation durch Kommunikation effektiv unterstützen

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Wissen und ein unterschiedlichen Informationsumfang haben und in ihrem persönlichen Prozess des Wandels in unterschiedlichen Phasen sind. Die Projektleitung und die Teammitglieder sind mitten im Projekt bei „maximaler Geschwindigkeit“ und Euphorie, die vom Wandel Betroffenen stehen ganz am Anfang und sind gegebenenfalls von dem Neuen irritiert und in einer Schockstarre. Bevor also mit der Kommunikation von Ergebnissen aus dem Transformationsprojekt begonnen wird, ist es sinnvoll, die Phasen im Change-­ Prozess, die jeder Betroffenen durchlebt, zu kennen und zu verstehen. Der Change-­Prozess kann, wie in Abb. 8.1 dargestellt, in die vier Phasen „Irritation: Angst oder Euphorie“, „Frustration und Trauer“, „Unklarheit und Entscheidungsfindung“, sowie „Entschlossenheit und Mitmachen“ unterteilt werden (vgl. Drauschke et al. 2013, S. 118 f.). Irritation: Angst oder Euphorie Veränderungen im Umfeld von Menschen führen allgemein bei diesen zu Irritationen. Sie nehmen wahr, dass etwas Neues entsteht oder entstanden ist, können aber noch nicht einschätzen, ob sich dies für sie positiv oder negativ auswirkt. Menschen reagieren unterschiedlich auf diese Unsicherheiten. Die einen sehen vorrangig die Chancen für sich und das Unternehmen und werden von einer Euphorie und Begeisterung für das Neue getragen. Andere wiederum sehen in dem Neuen vor allem den Wegfall lieb gewonnener Gewohnheiten und Abläufe, sowie persönliche Risiken für die Zukunft. Das Neue macht ihnen Angst und blockiert ihre Leistungsfähigkeit. Frustration und Trauer Sind die Veränderungen erst einmal bekannt und dem Einzelnen bewusst, setzt bei vielen eine Phase der Verdrängung und Ablehnung ein. Es wird klar, dass neue Fähigkeiten Innere Einstellung, Phase 1: Stimmung der Irritation: Angst Betroffenen oder Euphorie

Phase 2: Frustration und Trauer

Phase 4: Phase 3: Unklarheit und Entschlossenheit Entscheidungs und Mitmachen -findung

Zeit

Abb. 8.1   Innere Einstellung der Betroffenen im Verlauf eines Change-Prozesses. (Quelle: Eigene Darstellung)

156

8  Marketing und Kommunikation

erlernt werden müssen, sowie gelernte und angewendete Fähigkeiten an Bedeutung verlieren oder überflüssig werden. Wenn die Veränderung mit einer Umorganisation verbunden ist, müssen sich die betroffenen Mitarbeiter zusätzlich mit neuen Führungskräften und Kollegen arrangieren und sich in Zukunft neu etablieren. Die Zeichen ­stehen auf Abschied und lieb gewonnene Gewohnheiten müssen aufgeben werden. Die Betroffenen sind traurig und es gilt Trauerarbeit zu leisten. Diese Trauer ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Um aber in die nächste Phase zu gelangen ist es wichtig, das Raum und Zeit für die Trauer gegeben wird und bewusst, wie bei einer Beerdigung, Abschied genommen werden kann. Unklarheit und Entscheidungsfindung Ist der Abschied erfolgt, kommt häufig erst einmal eine Leere und Unklarheit über die nächsten Schritte bei den Betroffenen auf. Manche nehmen ihre Situation selbst in die Hand, andere müssen an die Hand genommen werden. Neue, sichtbare Perspektiven (Leuchtturm-Projekte) und Angebote lenken den Blick auf die Möglichkeiten. Betroffene, die in der Gestaltung des Neuen mit eingebunden sind, entwickeln meist neue Kräfte, Motivation und verarbeiten den Abschied deutlich schneller. In der Phase ist es wichtig, dass an die Betroffenen ein Angebot zum Mitmachen adressiert wird und sie sich als Teil des Ganzen verstehen. Entschlossenheit und Mitmachen In der abschließenden Phase haben die Betroffenen ihre alte Situation vollständig verarbeitet und abgeschlossen. Sie konservieren ihre Erfahrungen als Wissen und blicken entschlossen nach vorne. Ihre Motivation für das Neue drückt sich vor allem im aktiven Mitmachen aus. Aus einer kleinen Flamme ist ein Feuer geworden und es ist darauf zu achten, dass diese Begeisterung beim Einzelnen und im Team weiter stetig genährt wird. Das heißt konkret, dass eingeleitete Initiativen bis zur vollständigen Umsetzung und Ergebniswirksamkeit getrieben werden müssen. Die vollständige Umsetzung des Angekündigten steigert das Vertrauen der Betroffenen in das Neue. Es gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit, sich in den neuen Rahmenbedingung und Prozessen zurechtzufinden und neuen Aufgaben und Herausforderungen zu meistern. Der Prozess des Wandels ist bei jedem Betroffenen unterschiedlich ausgeprägt und das Befinden des Einzelnen drückt sich unterschiedlich aus. Es ist ein Fehler vorschnell anzunehmen, dass sich Betroffene, die sich nicht wehren oder ihre Emotionen offen zeigen, mit den neuen Zielen arrangiert und diese akzeptiert haben. Gerade wenn die Projektleitung und die Teammitglieder in einer Phase der Entschlossenheit und des Machens sind, ist es wichtig dafür zu sorgen, dass betroffene Mitarbeiter und Geschäftspartner abgeholt und auf dem weiteren Prozess mitgenommen werden. Vertrauen, dass sich langsam aufbaut, kann durch übereiltes Handeln oder fehlerhafte Kommunikation sehr schnell verloren gehen (vgl. Enste 2017, S. 24 ff.). u

Vertrauen schleicht sich an und geht mit den Pferden.

8.2  Die Transformation durch Kommunikation effektiv unterstützen

157

Wesentliche Aufgabe der Kommunikation in der Transformation ist somit die Begleitung der Veränderung durch zeitnahe, umfassende und vor allem für die Betroffenen verständliche und zugängliche Information. Die von Kotter formulierten acht Leitlinien für eine erfolgreiche Transformation (vgl. Abschn. 2.1 und Kotter 1995, S. 61) lassen sich zeitlich entlang der Wandlungsfähigkeit der Betroffenen ausrichten (Abb. 8.2). Dabei sind die ersten drei Schritte „Bewusstsein für die Dringlichkeit der Veränderung schaffen“, „Eine starke Veränderungskoalition bilden“ und „Eine klare Vision für das Unternehmen herausarbeiten“ im Wesentlichen projektinterne Schritte. Die Zeit, die für das Ausarbeiten der Vision und der Ziele benötigt wird, ermöglicht es der Kommunikation, die Mitarbeiter und die Geschäftspartner des Unternehmens auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Veränderung vorzubereiten. Dies geschieht im Wesentlichen durch die Information über Veränderungen des externen Umfeldes, den wahrscheinlichen und in der Planung anzunehmenden Marktentwicklungen, sowie die daraus folgenden Auswirkungen auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Die nachfolgenden Schritte der Transformation müssen durch die Abteilung Kommunikation eng begleitet werden. Vision und Ziele kommunizieren Die Kommunikation der neuen Vision und Ziele des Unternehmens oder ­Geschäftsfeldes ist die Achillesferse im Transformationsprozess. Die Neuausrichtung kann nur gelingen,

1. Bewusstsein für die Dringlichkeit der Veränderung schaffen 2. Eine starke Veränderungskoalition bilden 3. Eine klare Vision für das Unternehmen herausarbeiten

8. „Verankern“

4. Vision und Ziele kommunizieren

5. Hindernisse & Widerstände für die neue Vision beseitigen

7. Erreichte Verbesserungen weiter ausbauen

6. Sichtbare, kurzfristige Erfolge systematisch planen und herbeiführen

Zeit

Abb. 8.2   Phasen der Transformation an der Wandlungsfähigkeit der Betroffenen ausrichten. (Quelle: Eigene Darstellung)

158

8  Marketing und Kommunikation

wenn die Ziele und die Strategie (Weg der Umsetzung) von den Beteiligten verstanden und mitgetragen werden. Dafür sind einfach zu verstehende und zu merkende Botschaften zu verwenden, sowie vollständig und ehrlich zu kommunizieren, damit die Betroffenen wissen, in welche Richtung es geht und Vertrauen in den Prozess der Umsetzung fassen. Im Idealfall weiß der Mitarbeiter oder Geschäftspartner nach der Kommunikation der Vision und der Ziele intuitiv, was zu tun ist und welche Beträge von ihm in Zukunft erwartet werden. Die Transformation ist Chefsache. Dementsprechend ist es notwendig, dass die Erstkommunikation durch die Geschäftsleitung geschieht. Im Idealfall erfolgt die Kommunikation persönlich im Rahmen einer Rede, die von allen Betroffenen gehört werden kann. Ergänzend sollten im Nachgang die wichtigsten Botschaften und Hintergründe der Rede schriftlich kommuniziert und bereitgestellt werden. Sind von den Maßnahmen auch Stakeholder außerhalb des Unternehmens betroffen, so sollten diese zeitgleich oder im Nachgang unterrichtet werden. Wichtig im gesamten Prozess ist immer, dass die Betroffenen, insbesondere die eigenen Mitarbeiter die Informationen zuerst und aus erster Hand erhalten. u

Kommunikation von Vision und Ziele ist Chefsache. Klarheit und Verständlichkeit stehen im Vordergrund.

Hindernisse und Widerstände für die neue Vision beseitigen Nach der Kommunikation der neuen Vision und Ziele kann es dazu kommen, dass sich Widerstand gegen die bevorstehenden Maßnahmen bei den Betroffenen regt. Dieser Widerstand nährt sich meist aus Wut und Trauer. Vielfältige Emotionen können zutage treten. Daher ist es wichtig, dass die Betroffenen ihre Sorgen und Ängste den Entscheidern und der Projektleitung mitteilen können und diese die Sorgen und Ängste der Betroffenen aufnehmen und angemessen in ihrem weiteren Handeln berücksichtigen. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um einzelne, heterogene Gruppen von Betroffenen handelt (z. B. einzelne Mitarbeiter im Rahmen einer Neuaufstellung des Vertriebes), oder um eine homogene Gruppe (z. B. Mitarbeiter eines Betriebes der geschlossen werden soll). Im ersten Fall bieten sich Informations- und Dialogveranstaltungen an, die an verschiedenen Standorten angeboten und gegebenenfalls mehrfach durchgeführt werden. Auf diesen Veranstaltungen werden noch einmal die neue Vision und die wesentlichen Ziele den Teilnehmern vorgestellt. Eine erste Fragerunde nimmt im Anschluss direkt Verständnisfragen, Unsicherheiten und Ängste der Teilnehmer auf. Diese Fragen sollten wenn möglich direkt und wiederum vollständig und ehrlich beantwortet werden. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung werden dann Details der Umsetzung vorgestellt und bei Bedarf diskutiert. Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Betroffenen in die weitere Umsetzungsplanung aktiv und unmittelbar mit einzubinden, indem Workshops zu einzelnen Themenschwerpunkte direkt vor Ort durchgeführt werden. Wenn Fragen auf der Veranstaltung nicht beantwortet werden können, ist eine Beantwortung im Nachgang

8.2  Die Transformation durch Kommunikation effektiv unterstützen

159

persönlich oder für alle nachlesbar in einem Forum sinnvoll. Wichtig ist, dass genügend Zeit für eine Informationsveranstaltung eingeplant wird und die Teilnehmer alle Fragen gestellt und idealerweise auch beantwortet bekommen haben. Werden Fragen nicht oder nur unzureichend beantwortet, werden Widerstände eher noch aufgebaut, anstatt wie angestrebt abgebaut. u

Zuhören statt mit Argumenten ruhigstellen.

Im zweiten Fall bietet sich an, beziehungsweise wird vom Gesetz vorgeben, dass der Austausch mit den betroffenen Mitarbeitern über den zuständigen Betriebsrat kanalisiert wird. Im Rahmen von regelmäßigen oder separat einberufenen Betriebsversammlungen (Einladung erfolgt durch den Betriebsrat) werden Mitarbeiter über die bevorstehenden Änderungen durch die Geschäftsleitung informiert. Wenn es die Organisation zulässt, können einzelne betroffene Mitarbeiter ihre Fragen direkt an die Geschäftsleitung stellen oder ihre Ängste mitteilen. In der Regel wird dies aber durch den Betriebsrat und die Gewerkschaft als Vertreter der Mitarbeiter wahrgenommen. Die Mitarbeiter stimmen den gemachten Aussagen ihrer Vertreter gegenüber der Geschäftsleitung entsprechend durch Klatschen, Rufen oder sonstigen Kommunikationsmittel zu. In diesem Fall ist es wichtig, dass den betroffenen Mitarbeitern Raum für ihre Emotionen gegeben wird. Am Ende einer solchen Veranstaltung sollten alle mit dem Gefühl nach Hause gehen, maximal für ihre Position gekämpft zu haben. u

Vertreter der Geschäftsleitung und Mitbestimmung müssen ihre jeweiligen Rollen in der Kommunikation wahrnehmen.

Sichtbare, kurzfristige Erfolge systematisch planen und herbeiführen Eine Transformation kann nur Fahrt aufnehmen wenn einzelne Belege für das Neue, sogenannte Leuchtturm-Projekte, für die Stakeholder sichtbar werden. Die Leuchtturm-Projekte sind das Zeichen für den Aufbruch und die Ernsthaftigkeit der Neuausrichtung. Sie geben den Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder sonstigen Betroffenen einen Vorgeschmack darauf, was kommen wird und wie sich das neu ausgerichtete Unternehmen oder das neu ausgerichtete Geschäftsfeld in Zukunft darstellt oder sein wird. Leuchtturm-Projekte sind somit relevante und wichtige Eckpfeiler der gesamten Transformation. Daher ist unbedingt darauf zu achten, dass diese Leuchtturm-Projekte mit Bedacht ausgewählt und für die erfolgreiche Umsetzung ausreichende sowie kompetente Ressourcen bereitgestellt werden. Die Leitung der Transformation muss zusätzlich darauf achten, dass die Leuchtturm-Projekte in den wesentlichen Zielen im Plan umgesetzt werden können und somit als positive Beispiele von den Stakeholdern wahrgenommen werden. Wesentliche Erfolgsfaktoren sind demnach die Auswahl der Leuchtturm-Projekte, die Auswahl der richtigen Ressourcen, ein professionelles und hartnäckiges Projektmanagement sowie eine begleitende Kommunikation.

160

8  Marketing und Kommunikation

Mögliche Auswahlkriterien für Leuchtturm-Projekte

• • • • • •

Sichtbar und erlebbar für die Stakeholder Hohe Relevanz in oder für die Neuausrichtung, kein „Ausstellungsstück“ Neue, bislang nicht geplante oder diskutiere Maßnahme Kurzfristig umsetzbar Notwendige Ressourcen verfügbar Hohe Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Umsetzung im Plan gegeben

Die Kommunikation macht das einzelne Leuchtturm-Projekt für die Stakeholder sichtbar und nach der erfolgreichen Umsetzung erlebbar. Dabei kann bereits zu einem frühen Zeitpunkt das Leuchtturm-Projekt vorgestellt und erläutert werden. Begleitend zur Umsetzung werden weitere Informationen gegeben, insbesondere was neu ist und welche Funktionalitäten zu erwarten sind. Mit Abschluss der Umsetzung und Aufnahme des Regelbetriebs wird das Leuchtturm-Projekt einem breiteren Kreis vorgestellt und die ersten, vor allem positiven Erfahrungen kommuniziert. Ein Leuchtturm-Projekt ist ein Aushängeschild der Transformation. Die Macher dürfen stolz auf das Erreichte sein und die Stakeholder der Transformation lernen die Möglichkeiten des Neuen kennen. Das Neue wird für sie greifbar und gibt ihnen eine Perspektive auf und Motivation für die Zukunft. u

Leuchtturm-Projekte sind das Aushängeschild der laufenden Transformation. Sie sind relevant und müssen fliegen.

Erreichte Verbesserungen weiter ausbauen Wenn die Transformation in voller Fahrt ist und eine Vielzahl an Maßnahmen umgesetzt wird, ist es Aufgabe der Kommunikation den Blick der Stakeholder auf das Ganze zu lenken und durch einzelne Beispiele über den weiteren Fortschritt der Transformation zu berichten. Einzelne Porträts von erfolgreichen Maßnahmenumsetzungen aus unterschiedlichen Bereichen in unterschiedlichen Funktionen belegen, dass die Transformation im gesamten Unternehmen oder Geschäftsfeld angekommen ist und ein großer Teil der Stakeholder mitmacht. Um die Glaubwürdigkeit des Prozesses hoch zu halten und das Vertrauen der Adressaten weiter zu steigern gehört es auch dazu, über Misserfolge und Probleme bei der Umsetzung zu berichten. Dabei ist es wichtig, die Probleme und Missstände offen anzusprechen und aufzuzeigen, wie die weitere Maßnahmenplanung beziehungsweise -umsetzung angepasst wird, um die ursprünglich geplanten Ziele noch zu erreichen. Die Stringenz und Hartnäckigkeit in der Umsetzung der Maßnahmen signalisiert allen ­Stakeholdern, dass es fester Wille des Unternehmens oder des Geschäftsfeldes ist, die Transformation in den gesetzten Zielen vollständig umzusetzen. Die Gefahr in dieser Phase besteht darin, dass die Betroffen noch nicht in dem Maße für das Neue bereit sind, dass sie das gesetzte Tempo der Transformationsverantwortlichen mitgehen können. Sie fühlen sich abgehängt und ziehen sich zurück. Ein möglicher

8.3  Stakeholder in der Transformation

161

passiver oder aktiver Widerstand lähmt den Gesamtprozess. Daher muss die Kommunikation den Dialog mit den Stakeholdern auch in dieser Phase weiter aufrecht erhalten und den Transformationsverantwortlichen die Möglichkeit geben, die Probleme die sich im Tagesgeschäft bei den einzelnen Betroffen ergeben zu erfahren und zu verstehen. Geeignet sind aktive Dialogformate wie beispielsweise World-Café oder Großgruppenkonferenzen. u

Stakeholder während der Maßnahmenumsetzung mitnehmen und die Entschlossenheit in der Umsetzung verdeutlichen.

Verankern Ist ein großer Teil der in der Transformation geplanten Maßnahmen umgesetzt ist es Aufgabe der Kommunikation die Wirkung der Maßnahmen und die Gesamtzielerreichung der Transformation zu kommunizieren. Alle Mitarbeiter des Unternehmens oder des Geschäftsfeldes müssen erfahren und erleben, dass das Neue in allen angestrebten Bereichen und Funktionen Einzug gehalten hat, dass sich das eigene Arbeitsumfeld verbessert und stabilisiert hat und, dass die gesetzten Ziele erreicht wurden sowie nachhaltig werden. Die im Transformationsprozess Betroffenen sollen erkennen, dass sich der gegangene Weg und das von ihnen eingebrachte Engagement für das Ganze und für sich selbst gelohnt haben. Die Gefahr in der Transformation besteht jedoch noch darin, dass nach einer anfänglichen Euphorie in alte Muster zurückverfallen wird und beispielsweise neue Prozesse, Verantwortlichkeiten oder Verhaltensweisen nach einer kurzen Zeit nicht mehr gelebt werden. Neben der formalen Verankerung des Zielzustandes durch protokollierte Beschlüsse, Richtlinien und Organisationsbeschreibungen ist es hilfreich, den Dialog der Transformationsverantwortlichen mit dem mittleren Management und der Arbeitsebene fortzuführen um bei Bedarf nachzusteuern. Eine breit angelegte Umfrage bei Mitarbeitern und Geschäftspartnern ergänzt diesen Dialog. Mit dem formalen Ende des Transformationsprojektes wird die Kommunikation zur Transformation sukzessive zurückgefahren. u

Wirkung und Erreichung der Transformationsziele kommunizieren. Dialog zur Transformation auch nach Abschluss der Maßnahmenumsetzung noch für eine angemessene Zeit weiterführen.

8.3 Stakeholder in der Transformation In einer Transformation gibt es unterschiedliche Interessengruppen. Sie lassen sich unterteilen in die drei Rollen Betroffene, Treiber oder Allgemein Interessierte, sowie in Einzelpersonen oder Personengruppen. Die Personen/-gruppen können eine oder mehrere Rollen einnehmen.

162

8  Marketing und Kommunikation

Zur Gruppe der Betroffenen zählen alle, die direkt oder mittelbar die Maßnahmen der Transformation spüren. Dazu gehören unter anderem einzelne Mitarbeiter, unternehmensinterne Abteilungen (personifiziert durch ihre Führungskraft), externe Geschäftspartner wie Lieferanten, Mitgesellschafter in Beteiligungen, Technologie- oder Vertriebspartner, Kapitalgeber (Aktionäre und Banken) sowie weitere externe Institutionen, zu denen es direkte Schnittstellen gibt, wie etwa Genehmigungsbehörden oder das Rathaus der Standortgemeinden. Zusätzlich sind Vertreter der Betroffenen wie Gewerkschaften, Betriebsräte oder gegebenenfalls Verbände und Politik mit einzubeziehen. Die Gruppe der Treiber der Transformation ist zu Beginn des Prozesses vergleichsweise klein und wird im Laufe der Transformation immer größer. Zu Anfang bestehen die Treiber im Wesentlichen aus den Auftraggebern (Geschäftsleitung), dem Leiter der Transformation (auch CTO oder Chief Transformation Officer genannt) sowie dem Transformationsteam. Im Zuge der weiteren Maßnahmenentwicklung und Umsetzung vergrößert sich die Gruppe der Treiber kontinuierlich. Zum einen kommen weitere Maßnahmenverantwortliche und -umsetzer dazu, zum anderen aber auch Personen, die von den Transformationszielen überzeugt sind und sich als ein Teil des Wandels verstehen. Die dritte Gruppe der Allgemein Interessierten ist meist diffus und wenig greifbar. Es sind Nachbarn und Bürger von Standortgemeinden, Verbände und allgemein Brancheninteressierte, sowie die Öffentlichkeit. Die Herausforderung in der Kommunikation der Transformation ist es, die Interessengruppen zielgerichtet und zum Teil individuell anzusprechen und dabei die begrenzt verfügbaren eigenen Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen. Dafür ist es hilfreich, die Stakeholder nach „Bedeutung für die Transformation“ und deren „Einstellung gegenüber der Transformation“ zu gruppieren (Abb. 8.3). Je wichtiger eine Personengruppe für den Projekterfolg ist, umso mehr ist sie kommunikativ einzubinden. Gegner sind zu Abb. 8.3   Gruppierung der Stakeholder. (Quelle: Eigene Darstellung)

hoch

Bedeutung für den Erfolg der Transformation

gering

Wichtige Gegner

Wichtige Befürworter

Beziehung Beziehung intensiv verbessern. pflegen. Informieren, Als Promotoren Einbinden, Ängste zielgerichtet nehmen einsetzen Interessierte Gegner

Interessierte Befürworter

Keine spezifischen Als Multiplikatoren Maßnahmen nutzen. Auf dem Laufenden halten kritisch

positiv Einstellung ggü. der Transformation

8.3  Stakeholder in der Transformation

163

überzeugen, Befürworter sollten als Unterstützer gestärkt und als Multiplikatoren genutzt werden. Konkret ergeben sich vier Gruppen, die durch geeignete Maßnahmen zu adressieren sind. Wichtige Gegner Die erste und wichtigste Gruppe sind die Personen und Vertreter, die für den Erfolg der Transformation wichtig sind, jedoch den Zielen, dem Vorgehen oder/und den handelnden Personen kritisch gegenüber stehen. Diese Gruppe kann die Transformation bremsen oder gar zum Scheitern bringen. Daher ist ein besonderer Wert auf die Beziehungspflege und die Kommunikation mit dieser Gruppe notwendig. Es gilt die Beziehung mit den einzelnen Personen auf eine professionelle, von Vertrauen und Respekt geprägte Basis zu bringen. Durch die Kommunikation sollen dieser Gruppe relevante Informationen in adäquater Detailtiefe bereitgestellt werden, sowie eine Einbindung im Rahmen von wiederkehrenden Dialogen stattfinden. Ziel ist es, Interessen und Ängste der Gegner zu verstehen, damit diesen aktiv begegnet werden kann. Wichtige Befürworter Die zweite Gruppe, die es zu adressieren gilt, ist die Gruppe der Einflussreichen, die die Transformation generell unterstützen beziehungsweise sogar fordern. Die Beziehung mit ihnen fällt meistens leicht, da sie den Veränderungen offen und interessiert gegenüberstehen. Um sie vollständig hinter die Ziele der Transformation, das Vorgehen und die handelnden Personen zu bringen, ist es wichtig, die Beziehung zu ihnen regelmäßig individuell zu pflegen und sie als Unterstützer (Promotoren) in die Transformation einzubinden und zu nutzen. Interessierte Befürworter Die dritte Gruppe sind die Personen und Vertreter, die der Transformation ebenfalls positiv gegenüber stehen, jedoch wenig individuellen Einfluss haben. Sie können in der Masse hilfreich sein und eine positive Grundstimmung gegenüber der Transformation bilden. Jeder Einzelne soll als Multiplikator genutzt werden und wird durch interessante und wenn möglich gruppenspezifische Informationen auf dem Laufenden gehalten. Interessierte Gegner Die vierte Gruppe, in die die Stakeholder der Transformation eingeteilt werden können, sind Personen oder Personengruppen die der Transformation kritisch gegenüberstehen und wenig Einfluss auf den Projekterfolg haben. Wichtig ist zu prüfen, ob diese Stakeholder einen Einfluss auf andere, wichtige Vertreter haben könnten und somit die Eingruppierung zu korrigieren ist. Da die eigenen Ressourcen begrenzt sind, sollten für diese Stakeholder, insbesondere wenn es sich um eine Vielzahl einzelner Personen oder kleiner Gruppen handelt, keine spezifische Maßnahme durchgeführt werden. u

Stakeholder/-gruppen in der Transformation spezifisch ansprechen. Eigene Ressourcen effektiv einsetzen.

164

8  Marketing und Kommunikation

8.4 Kommunikationsplanung Kommunikation ist im Unternehmen allgegenwärtig. Der Austausch von Informationen und Wissen findet auf und zwischen allen Ebenen statt, sei es formell oder informell. Im Rahmen einer Transformation ist es wichtig, dass die teilweise über Monate hinweg begleitende Kommunikation zielgerichtet und geplant verläuft, da zu schnell Vertrauen in den Prozess und in die Verantwortlichen bei fehlerhafter Kommunikation verloren gehen kann (vgl. Pepels 2014, S. 42). Das oberste Ziel der Kommunikation in einer Transformation ist die Überzeugung und Zustimmung der Adressaten für den eingeschlagenen Weg und die Erwirkung der Bereitschaft zum Mitmachen. Um die Ziele zu erreichen, sind die drei Erfolgsfaktoren Inhalt, Übermittlung und Botschafter in der Kommunikation gleichermaßen zu adressieren (Abb. 8.4). Der Inhalt in der Kommunikation ist im Wesentlichen bestimmt durch die gesetzten Botschaften und die verwendete Sprache. Wichtig sind: • Prägnante, verständliche Grundbotschaft, das heißt die Transformation benötigt ein kurzes, auf die wesentlichen Ziele der Transformation zugespitztes Leitmotiv, das von den Adressaten schnell aufgenommen, verstanden und vor allem gemerkt werden kann. • Relevante, genaue und vollständige Information, das heißt wenn kommuniziert wird, dann darf nicht um den heißen Brei herumgeredet werden, sondern die Inhalte sind so aufzubereiten, dass die für die Adressaten wichtigen Informationen alle enthalten sind und keine Unklarheiten zurückbleiben. • Sprache der Adressaten, das heißt die Sprache in der Kommunikation ist so zu wählen, dass sie verstanden wird. Die Kommunikation mit Mitarbeitern in Fabriken und Kapitelgeber von Banken unterscheidet sich nicht im Inhalt, aber in Form und Stilistik.

Abb. 8.4   Erfolgsfaktoren in der begleitenden Kommunikation. (Quelle: Eigene Darstellung)

Inhalt (Botschaft & Sprache)

Kommunikationsziele: - Überzeugung & Zustimmung - Bereitschaft zum Mitmachen

Übermittlung (Medien & Timing)

Botschafter

8.4 Kommunikationsplanung

165

Die Übermittlung der Inhalte in der Kommunikation ist bestimmt durch die ausgewählten Medien und den gewählten Zeitpunkten. Berücksichtigt werden müssen: • Adäquate Kommunikationsmittel, das heißt für die Übermittlung ist das jeweils passende Medium zu wählen. Als Erstkommunikation der neuen Vision und der Ziele ist eine Rede der Geschäftsleitung an die Betroffenen sicherlich der geeignetste Weg. Wenn das Unternehmen größer und über mehrere Standorte verteilt ist, ist eine Liveübertragung über das Internet möglich. Weitere passende Medien in der folgenden Kommunikation sind Print, Intra-/Internet (Schrift und Video), Konferenzen sowie Workshops. • Richtige(r) Zeitpunkt(e), das heißt die Kommunikation muss dann stattfinden, wenn der Adressat eine Information benötigt und das Transformationsprojekt eine verbindliche Aussage machen kann. Teilweise sind mehrere, sequenzielle Kommunikationsmaßnahmen einer großen umfangreichen Kommunikation vorzuziehen, um die Adressaten nicht zu überfrachten und auch mögliche Spekulationen aufgrund fehlender Aussagen zu vermeiden. • Formelle vor informelle Kommunikation („Flurfunk“), das heißt die Kommunikationshoheit muss bei den Transformationsverantwortlichen bleiben. Bleibt die offizielle, formelle Kommunikation aus, so fördert dies die informelle Kommunikation über Hörensagen, umgangssprachlich auch als Flurfunk bezeichnet. Sind erst einmal die falschen Botschaften im Umlauf ist es schwierig, das Gehörte wieder aus den Köpfen der Betroffenen zu bekommen, beziehungsweise richtig zu stellen. • Dialog zulassen beziehungsweise anstreben, das heißt Vertrauen kann nur aufgebaut werden, wenn man die Sorgen und Ängste der Betroffenen aufnimmt und ernst nimmt. Das geht nicht durch Botschaften senden, sondern durch Zuhören. In einer Transformation ist daher jede Art des Dialoges zu ermöglichen. Die Glaubwürdigkeit der Transformation wird maßgeblich durch ihre Botschafter und Vertreter geprägt. Botschafter sind nicht nur Entscheider und Umsetzungsverantwortliche sondern auch bekannte und anerkannte Befürworter oder greifbare und erlebbare Beispiele. Benötigt werden: • Glaubwürdige, vertraute Botschafter der Inhalte, das heißt Personen, die den Adressaten bekannt sind und direkten oder indirekten Einfluss auf sie haben, werden in der Kommunikation aktiv eingebunden. Das sind neben der Geschäftsleitung unter anderem auch Vertreter von Abteilungen oder gegebenenfalls auch Personen, die nicht zum Unternehmen gehören. • Erlebbare, relevante Beispiele (Leuchtturm-Projekte), das heißt die Transformation muss bereits zu einem frühen Zeitpunkt für den einzelne Adressaten greifbar und erlebbar werden. Dafür müssen in der Kommunikation relevante und konkrete ­Beispiele benannt und erläutert werden. Die Berichte über Leuchtturm-Projekte (siehe Abschn. 8.2) ist ein Anfang und wird im Laufe der Transformationsumsetzung durch weitere und vielfältige Praxisberichte ergänzt.

166

8  Marketing und Kommunikation

Die beschriebenen Kommunikationsmaßnahmen und -ausprägungen sind in ihrer zeitlichen Abfolge zu planen. Dafür ist es hilfreich, noch einmal auf den Adressaten zu schauen und zu verstehen, wie eine Kommunikation auf diesen wirkt. Im Marketing, konkret der Werbung kommen Stufenmodelle wie die AIDA-Formel, bereits um 1900 von Lewis entwickelt, zur Anwendung (Pepels 2014, S. 55). AIDA steht dabei für Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Wunsch) und Action (Kaufhandlung). Letztendlich sagt die Formel aus, dass ein Käufer erst über die Zeit und mehrfachem Kommunikationskontakt zu einer Kaufhandlung kommt. Ergänzungen an der AIDA-Formel wurden über die Zeit vor allem in der Kundenbetreuung nach der Kaufhandlung (Nach dem Kauf ist vor dem Kauf) vorgenommen. Die Ziele in der begleitenden Kommunikation der Transformation sind die Überzeugung und Zustimmung der Adressaten für den eingeschlagenen Weg und die Erwirkung der Bereitschaft zum Mitmachen. Das heißt im übertragenen Sinne sollen die Adressaten die Transformationsziele und das Vorgehen in der Umsetzung „abkaufen“. Aus dem Stufenmodell lernen wir, dass es sinnvoll ist, im Rahmen der Kommunikation und der gesetzten Botschaften den Verarbeitungsprozess des einzelnen Adressaten zu berücksichtigen. In der Transformation kann man daher von den Stufen Hören/Lesen, Verstehen, Akzeptanz/Überzeugung, sowie Zustimmung/Bereitschaft zum Mitmachen sprechen (Abb. 8.5). Die Planung der Kommunikation in der Transformation ist mitentscheidend für den Erfolg des Gesamtvorhabens. Die Kommunikation ist individuell an die Transformationsziele und an die Komplexität des Unternehmens beziehungsweise Geschäftsfelds anzupassen. Im Rahmen der Umsetzungsvorbereitung hat der Transformationsverantwortliche sicherzustellen, dass mit dem entsprechenden Fachbereich eine Kommunikationsstrategie abgestimmt wird und ein Kommunikationsfahrplan oder -zeitplan vorliegt. Ein möglicher Zeitplan ist in Abb. 8.6 dargestellt.

Gehört / Gelesen • Information geben • Schriftlich, Ton und/oder Bild • Prägnant • Ehrlich • Vollständig

Verstanden • Zeit zur Verarbeitung des Gehörten oder Gelesenen geben • Gelegenheit für Verständnisfragen schaffen

Akzeptiert / Überzeugt • Weg von Schock, Wut und Trauer bis hin zur Verarbeitung und Akzeptanz berücksichtigen • Raum für Emotionen und Austausch geben • Bewusstes Abschiednehmen • Leuchtturm-Projekte aufzeigen

Zustimmen / Bereit zum Mitmachen • Aktives Angebot zum Mitmachen geben • Von Erfolgen berichten • Fortlaufende Berichterstattung

Abb. 8.5   Stufenmodell in der begleitenden Kommunikation. (Quelle: Eigene Darstellung)

8.5 Checkliste 1. ErstKommunikation • Rede • Live-Übertragung, Aufzeichnung bereitstellen • Einfangen von ersten Eindrücken (ausgewogen) • Schriftliche Berichterstattung im Nachgang

167 3. LeuchtturmProjekte

2. DialogVeranstaltungen • Entscheider von Ort • Einführung mit wesentlichen Botschaften • Fragen an die Entscheider • Moderierter Austausch untereinander (z.B. World-Café) • Laufende Berichterstattung mit Ergebnissen und Stimmen • Betriebsversammlung und Abteilungsbesprechung mitnutzen • Kommunikationsmaterial bereitstellen

4. Fortlaufende Berichte

• Ausblick geben • Von Erfolgen berichten, insb. von • Berichterstattung den Auswirkungen über „Eröffnung“ der Transformation (jedes für sich) auf die Leistungs• Das Neue und die fähigkeit des Verbesserung Unternehmens herausstellen • Zahlen sprechen • Botschafter nennen lassen • Projekte greifbar • Auch an die denken, machen. für die es sich nicht Möglichkeiten zum positiv entwickelt eigenen Erleben hat schaffen • Schrift und Bild/Film • Positive Emotionen • Dialogforen und wecken, schriftlich Meinungsumfragen und ergänzend als Film Terminplanung, z.B. GANTT 1

2 3 4

Abb. 8.6   Zeitplan der begleitenden Kommunikation. (Quelle: Eigene Darstellung)

8.5 Checkliste Checkliste „Marketing und Kommunikation“

Kommunikationsstrategie • Erstellung einer Kommunikationsstrategie mit den zuständigen Fachbereichen der Kommunikation vereinbart. • Ziele und wesentliche Botschaften der Transformation liegen vor. • Ziele in der begleitenden Kommunikation festgelegt. • Stakeholder der Transformation bekannt. • Einstellung der Stakeholder zur Transformation (Ziele, Vorgehen, handelnde Personen) sind bekannt. • Leuchtturm-Projekte sind benannt und entschieden. • Raum für Abschiednehmen und Emotionen ist berücksichtigt. • Gruppen/Typen der Botschafter für die Transformation sind beschrieben. • Kommunikationsformate, -medien, -tonalität etc. sind festgelegt. • Kommunikationsstrategie ist verabschiedet.

168

8  Marketing und Kommunikation

Kommunikationsfahrplan • Kommunikationsfahrplan mit den zuständigen Fachbereichen der Kommunikation entwickelt und verabschiedet. • Verantwortlichkeiten der Kommunikation in der Transformation geklärt. • Erstkommunikation erfolgt durch persönliche Rede des Chefs. • Klare und verständliche Grundbotschaften sind festgelegt. • Nachberichterstattung mit Zitaten von Betroffenen erfolgt. • Von der Transformation Betroffene erhalten Dialog-Möglichkeiten mit den ­Entscheidern. • Mitbestimmung ist miteingebunden. • Gemeinsames Abschiednehmen eingeplant. • Leuchtturm-Projekte aufgesetzt. Terminpläne sind aufeinander abgestimmt. Enge Verzahnung in der Projektsteuerung erfolgt. • Botschafter der Transformation festgelegt. • Fortlaufende, breite Kommunikation an alle Betroffenen – Emotionen ansprechen. • Von Erfolge aber auch Misserfolgen berichten. • Zahlen sprechen lassen. • Auch an die denken, für die es sich nicht positiv entwickelt hat. • Kontinuierliches Zurückfahren der Kommunikation nach Abschluss des Transformationsprojektes.

Literatur Drauschke P et al (2013) Führen im Wandel: Die besten Kolumnen über Kommunikation, Führung und Change-Management. medhochzwei, Heidelberg Enste D (2017) Compliance, Culture, Conduct: Die Wertschöpfungskette wird durch Vertrauen „geölt“. In: Freytag M (Hrsg) Gestern. Heute. Zukunft.: Ideen, die bewegen. Frankfurter ­Allgemeine Buch, Frankfurt a. M., S 24–31 Freytag M (Hrsg) (2017) Gestern. Heute. Zukunft.: Ideen, die bewegen. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt a. M. Kotter J (1995) Leading change: why transformation efforts fail. Harv Bus Rev 73(2, March– April 1995):59–67 Pepels W (2014) Kommunikationsmanagement: Die Kommunikations- und Identitätspolitik im Marketing, 5., komplett überarbeitete Aufl. Duncker & Humblot, Berlin Velez R, Lord B (2017) Erfolgsrezept Konvergenz – gemeinsam innovativ: Wie Marketing und IT die Business Transformation vorantreiben und Kunden begeistern. Springer, Wiesbaden

Literatur

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Weiterführende Literatur Deutinger G (2017) Kommunikation im Change: Erfolgreich kommunizieren in Veränderungsprozessen, 2., aktualisierte u. vollständig überarbeitete Aufl. Springer, Wiesbaden Kirf B et al (2018) Unternehmenskommunikation im Zeitalter der digitalen Transformation. Springer Gabler, Wiesbaden Kostka C (2017) Change Management: Wandel gestalten und durch Veränderungen führen. Hanser, München Schönborn G et al (Hrsg) (2001) Corporate Agenda: Unternehmenskommunikation in Zeiten unternehmerischer Transformation. Luchterhand, Neuwied Weiss M (2011) Management in Skizzen: Die Kraft der Bilder im Change-Management. Haupt, Bern

9

Verankerung

Zusammenfassung

Kap. 9 (Verankerung) behandelt formale Aspekte des Programm-/Projektmanagements, wie Beschlüsse in zuständigen Gremien, die Dokumentation, sowie die Übergabe von Wissen an die Organisation. Die beiden zuletzt genannten Aktivitäten stehen meist am Ende eines Transformationsprozesses und werden zu häufig vernachlässigt oder vergessen. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass zum Projektende viele Beteiligte das Programm oder Projekt verlassen haben und sich neuen Herausforderungen zuwenden. Einer strukturierten und ordentlichen Dokumentation und eine wirkungsvolle Wissenssicherung und -weitergabe wird wenig Beachtung geschenkt. Transformation und Restrukturierung sind in einem Unternehmen jedoch eine wiederkehrende Herausforderung. Daher ist es außerordentlich wichtig, dass Erfahrungen für vergleichbare Vorhaben dokumentiert, ausgewertet und die wesentlichen Erkenntnisse weitergetragen werden. Die wichtigsten Aspekte der Dokumentation, der Gremienbeschlüsse und des Wissensmanagements in einer Transformation sind am Ende des Kapitels in einer Checkliste zusammengefasst.

9.1 Einleitung Obwohl die Herausforderungen für Unternehmen sich im Markt erfolgreich zu behaupten und auf veränderte Rahmenbedingungen inkrementell oder umfangreich zu reagieren schon seit jeher und für das Unternehmen immer wieder bestehen, werden die Erfahrungen in der Konzipierung und Durchführung der Transformation gar nicht oder nur unzureichend dokumentiert und an die nachfolgende Generation der Verantwortlichen weitergegeben. Wissensmanagement, egal ob beim Thema Transformation oder in

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Klasen, Business Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25879-5_9

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9 Verankerung

anderen Einzelvorhaben und Projekten wird in Unternehmen immer noch viel zu häufig vernachlässigt. Vergleichbar mit einem formalen Gremienbeschluss, der eine wesentliche Entscheidung im Unternehmen für die Zukunft dokumentiert und nachvollziehbar begründet, ist die Dokumentation und Auswertung der wesentlichen Ergebnisse eines Projektes, hier eines Transformationsprojektes, eine wichtige Aufgabe, die am Ende einer Vielzahl an Analysen, Entscheidungsvorbereitungen und Umsetzungsvorhaben steht beziehungsweise stehen muss. Dass die Dokumentationen am Ende eines Projektes oder Vorhabens nur halbherzig oder oberflächlich erstellt wird, liegt nicht selten an der geringen Priorität bei den Verantwortlichen und Beteiligten. Das Wissen ist implizit in den Köpfen dieser entstanden und für zukünftige Aufgaben gespeichert, als „Macher“ ist ihr Blick am Projektende jedoch schon in die Zukunft gerichtet und gedanklich sind sie schon bei der neuen Aufgabe. Daher wird ganz pragmatisch ein Mindestmaß an Dokumentation erstellt oder es werden ein oder wenige Mitarbeiter, die am Ende noch übrig sind, damit beauftragt, die Dokumentation bei Gelegenheit fertig zu stellen. Das Resultat ist wie zu erwarten, eine Ansammlung an Informationen, jedoch keine hilfreiche Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse für die Zukunft. Anders sieht es bei formalen Gremienbeschlüssen aus. Beschlussvorlagen sind notwendig, um in Unternehmen, je nach Aufgabenverteilung und Richtlinien, wesentliche Entscheidungen beispielsweise zu Investitionen, zu Vergaben an Dienstleister, zur Personalplanung, oder zu Aufbauorganisation vorzubereiten und zu treffen. Im weiteren Kapitel wird auf die Inhalte und Bedeutung der Projektdokumentation, der Gremienbeschlüsse und die Übergabe des Wissens in die Organisation für die Verankerung der Transformation näher eingegangen.

9.2 Projektdokumentation Nach DIN 69901 ist die Projektdokumentation die „Gesamtheit aller relevanter Dokumente, die in oder aus einem Projekt entstehen, Verwendung und Anwendung finden oder anderen Bezug zum Projekt haben“ (DIN 2013, S. 157). Der Projektabschlussbericht ist die „zusammenfassende, abschließende Darstellung von Aufgaben und erzielten Ergebnissen, von Zeit-, Kosten und Personalaufwand sowie gegebenenfalls von Hinweisen für mögliche Anschlussprojekte“ (DIN 2013, S. 155). Die Projektdokumentation, häufig auch mit dem Projektabschlussbericht gleichgesetzt, soll für den Leser nachvollziehbar machen, welche Fragestellung im Projekt zu lösen war (Ist-Situation), welche Lösung angewendet wurde (Soll-Konzept) und aus welchen Gründen der gewählte Lösungsweg beschritten wurde. Darüber hinaus sind wesentliche Kennzahlen aus dem Projektverlauf wie Kosten, Ressourcen, Termine aufzunehmen (Plan und Ist) und Abweichungen zum ursprünglichen Plan zu analysieren und zu erläutern. Insbesondere die Erkenntnisse aus der Abweichungsanalyse sind für nachfolgende Projekte und deren Verantwortlichen von hohem Wert.

9.2 Projektdokumentation

173

Die Projektdokumentation umfasst daher sämtliche Unterlagen, die in direktem Zusammenhang mit dem Projekt stehen. Das ist unter anderem der Projektauftrag, das Projekthandbuch (Abschn. 5.4), die finalen Projektstruktur- und -terminpläne, Projektberichte, wesentlicher Schriftverkehr und Protokolle. Des weiteren enthält die Projektdokumentation vom Projekt erwirkte Gremienbeschlüsse sowie eine detaillierte Abweichungsanalyse inklusive Erläuterungen (vgl. Meredith et al. 2016, S. 469 f.). In der Praxis und Literatur wird oftmals zwischen zwei Arten der Dokumentation am Projektende unterschieden, der Prozessdokumentation und der Produktdokumentation. Die Prozessdokumentation fokussiert auf dem Verlauf innerhalb des Projektes. Sie entspricht der eigentlichen Projektdokumentation wie oben beschrieben. Die Dokumentation der Projektergebnisse und ihrer Wirkung (bei Transformation) oder Funktionalität (bei gegenständlichen Produkten) wird dagegen in der Produktdokumentation festgehalten. Bei der Entwicklung eines neuen Produktes (Gebrauchsgegenstand oder Dienstleistung) ist der Inhalt einer Produktdokumentation einfach nachvollziehbar. Aber wie ist das Produkt „Transformation“ zu beschreiben? Die Transformation eines Unternehmens oder Geschäftsfeldes ist die Umsetzung der definierten Strategie (Kap. 4). Die Umsetzung der Strategie spiegelt sich in erreichter Marktpräsenz, Produktangebot, Kundenversprechen, Merkmale der Wettbewerbsdifferenzierung und Aufbau- und Ablauforganisation wider. Das heißt, die Produktdokumentation am Ende einer Transformation ist die Beschreibung des realisierten Zielzustandes der Strategieumsetzung und ist vergleichbar einer Unternehmens- oder Geschäftsfeldvorstellung, oder anders ausgedrückt, die Visitenkarte. Der Kunde oder allgemein Stakeholder erfährt, was er heute und zukünftig vom Unternehmen erwarten kann. Eine effektive und gute Projektdokumentation sollte die Arbeit bereits im Projekt erleichtern und allen beteiligten Mitarbeitern den gleichen Wissensstand über Historie, Ziele und Status vermitteln. Darüber hinaus sollte die Projektdokumentation über die bestehenden Projektrisiken und die gewählten Gegenmaßnahmen informieren. Es empfiehlt sich daher, die Projektdokumentation bereits mit Projektbeginn zu starten und parallel zur Projektabwicklung zu schreiben. Aufbau Projektdokumentation (Beispiel)

  1. Ausgangslage im Unternehmen (Ist-Analyse)   2. Aufgabenstellung (Soll-Konzept, Zielzustand im Unternehmen)   3. Projektziele (Soll-Ist-Vergleich)   4. Anforderungen an das Projekt  5. Projektstrukturplan  6. Zeitplanung/Meilenstein  7. Risiken   8. Kosten und Wirtschaftlichkeit  9. Projektverlauf 10. Abweichungsanalyse und gewonnene Erkenntnisse 11. Ausblick und Fazit

174

9 Verankerung

12. Anhang: – Projektauftrag – Projekthandbuch – Projektberichte – Protokolle und wesentlicher Schriftverkehr – Gremienbeschlüsse – Zugekaufte Leistungen, Rechnungen

9.3 Gremienbeschlüsse Gremien kommen in Unternehmen vielfältig vor. Sie nehmen unterschiedliche Aufgaben wahr, wie Beratungs-, Entscheidungs-, Informations-, Ausführungs- oder/und Überwachungsaufgaben (vgl. Vahs 2007, S. 92; Bea und Göbel 2010, S. 271 f.). Dafür werden den Gremien und ihren ernannten Mitgliedern bestimmte Funktionen delegiert. Gremien können sowohl ad hoc (befristete Sonderaufgaben) als auch permanent (unbefristete Daueraufgaben) gebildet werden (Vahs 2007, S. 85 f.). An dieser Stelle soll vor allem auf den formalen Aspekt der Gremien als Organ einer juristischen Person und Entscheider in einer Transformation eingegangen werden. Als oberstes formales Gremium in einem Unternehmen fungiert die Gesellschafterversammlung (trifft für Personen- und Kapitelgesellschaft zu) oder im spezifischen Fall der Aktiengesellschaft die Hauptversammlung. Als darunter liegende Gremien, die Entscheidungen vorbereiten oder im Rahmen der ihr übertragenden Aufgabe und Verantwortung (Delegation) selber treffen können sind abgestuft am Beispiel einer Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat, die Ausschüsse des Aufsichtsrats (z. B. Finanz- und Investitionsausschuss), der Vorstand, die Ausschüsse im Auftrag des Vorstandes (häufig jedoch ohne formale Entscheidungskompetenz), sowie weitere formalisierte Gremien im Unternehmen (Abb. 9.1). Die Aufgaben der Gremien und die Entscheidungsbefugnis (Kompetenzen), insbesondere hinsichtlich Wertgrenzen bei Investitionsentscheidungen, sind festgelegt. Als oberster Rahmen innerhalb des Unternehmens gilt der Gesellschaftsvertrag. Weitere Konkretisierungen finden sich in der Geschäftsordnung, dem Geschäftsverteilungsplan und in den Delegationsvereinbarungen (Abb. 9.2). Im Gesellschaftsvertrag legen die Gesellschafter bereits bei der Gründung einer Gesellschaft deren Rechtsgrundlagen fest. Er wird auch als Satzung bezeichnet. Im Innenverhältnis regelt der Gesellschaftsvertrag die Beziehungen zwischen den Gesellschaftern sowie zwischen den Gesellschaftern und der Geschäftsführung, insbesondere auch die Kompetenzregelungen, im Außenverhältnis die Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten (Geschäftspartnern). Die Geschäftsordnung ist die Gesamtheit aller Richtlinien und Regeln, die sich das Organ beziehungsweise Gremium zur Organisation eines systematischen Arbeitsablaufs gibt. Geschäftsordnungen regeln somit das Verfahren oder den Prozess, nachdem die

9.3 Gremienbeschlüsse

175

Abb. 9.1   Entscheidungsebenen im Unternehmen am Beispiel Aktiengesellschaft. (Quelle: Eigene Darstellung)

Abb. 9.2   Ordnungsrahmen der Unternehmensführung/Governance. (Quelle: Eigene Darstellung)

vorhandenen Aufgaben im Gremium zu erledigen sind. In Unternehmen gibt es darüber hinaus weitere Richtlinien, die zum Beispiel das Verfahren zur Freigabe eines Investitionsvorhabens oder die anzuwendenden Projektmanagement-Methoden (PM-Handbuch) im Unternehmen festlegen. Entscheidungskompetenzen sind im Zustimmungskatalog zusammengefasst. Der Geschäftsverteilungsplan regelt bei Organen oder Gremien, die aus mehreren Personen bestehenden, welche interne Einheit des Organs (Ressort) für die Bearbeitung eines konkreten Sachverhalts oder einer Aufgabe zuständig ist. Er regelt somit die

176

9 Verankerung

­ erteilung von Zuständigkeiten innerhalb von Organisationseinheiten, teilweise bis auf V Ebene einzelner Personen. Eine Delegationsvereinbarung ist die Übertragung von Aufgaben und Kompetenzen an eine unter- oder nachgeordnete Organisationseinheit oder Person. Sie sollte sich in den darüber liegenden Ordnungsrahmen an Richtlinien und Regeln im Unternehmen eingliedern. Im Rahmen einer Transformation ist es die Aufgabe der Projektverantwortlichen, die wesentlichen Regelungen, Richtlinien und Verantwortlichkeiten in der Unternehmensführung (Governance) zu kennen und das Einholen von notwendigen formalen Beschlüssen mit ausreichend Vorbereitungs- und Abstimmungszeit im Gesamtterminplan zu berücksichtigen. Insbesondere der zeitliche Aufwand zur Abstimmung eines Beschlussvorschlages innerhalb einer Transformation ist nicht zu unterschätzen. Häufig werden zu diesem Zeitpunkt erst Gegner oder Bremser im Prozess auf den Plan gerufen. Ein Gremienbeschluss, der unumgängliche Voraussetzung für den weiteren Fortschritt in der Transformation ist, wird gerne als Prüfstein für das Ganze, im positiven wie auch im negativen Sinne, genutzt. Aus diesem Grund ist es ebenfalls entscheidend, dass die für die Transformation Verantwortlichen mit voller Unterstützung und Rückendeckung des Auftraggebers, das heißt der Geschäftsleitung, ausgestattet sind. Besondere Bedeutung in der Vorbereitung haben Beschlüsse, die vom Aufsichtsrat eines Unternehmens gefasst werden müssen. Der Aufsichtsrat in Kapitalgesellschaften in Deutschland sieht eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer vor (Abschn. 7.3). Zusätzlich können Vertreter mehrerer Investoren(-gruppen) im Aufsichtsrat vertreten sein. Somit sind bei der Beschlussfassung verschiedenste Interessengruppen mit einzubeziehen, was die Komplexität in der Vorbereitung und Abstimmung deutlich erhöht. Von Vorteil in der Abstimmung ist, wenn die einzelne Maßnahme nachvollziehbarer Bestandteil der verabschiedeten Strategie ist oder bereits bei der Strategiefindung Bestandteil der Diskussion war. Dennoch wird es die Möglichkeit geben, einzelne Punkte innerhalb einer Beschlussvorlage kritisch zu hinterfragen. Daher ist es wichtig, dass der Beschlussvorschlag und die Begründung auf Basis von nachvollziehbaren Fakten und Analysen erfolgt. Die im Vorfeld durchgeführten informellen Abstimmungen, sowie vorgelagerte Gremienbeschlüsse in der Geschäftsleitung und in den Ausschüssen dienen letztendlich auch dazu, die Beschlussvorlage zu schärfen und bei den Entscheidern eine breite Zustimmung einzuholen. Struktur einer Beschlussvorlage (Beispiel)

1. Beschluss 2. Ausgangslage, Unternehmensumfeld 3. Maßnahme, Auswirkung und Begründung 4. Vorgehen in der Umsetzung 5. Finanzielle Bewertung 6. Risikoanalyse 7. Vorherige Gremienbeschlüsse, Abstimmung

9.4  Übergabe des Wissens in die Organisation

177

Durch die Komplexität im Prozess und die politischen Fallstricke in der Erwirkung von Gremienbeschlüssen hat der für die Transformation oder die entsprechende Maßnahme Verantwortliche darauf zu achten, dass wesentliche, beeinflussbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Beschlussfassung erfüllt sind. Diese sind unter anderem: u

Kenntnis der Verantwortlichen über die im Unternehmen geltende Richtlinien und Regeln zur Unternehmensführung.

u

Die Maßnahmen der Transformation fundieren auf einer kommunizierten Unternehmens-/Geschäftsfeldstrategie, die eine breite Zustimmung auf allen Entscheidungsebenen hat.

u

Die Entscheidungsvorbereitung und der Beschlussvorschlag erfolgen auf Basis von nachvollziehbaren Fakten und Analysen.

u

Der Leiter Transformation hat die uneingeschränkte Unterstützung der Unternehmensleitung und ist ihr Partner im Entscheidungsprozess.

9.4 Übergabe des Wissens in die Organisation Am Ende eines Projektes oder eines Vorhabens ist es sinnvoll, die wesentlichen Ergebnisse und das bei der Konzeption, Detailplanung, Beschlussfassung und Umsetzung Erlernte (Lessons Learned) systematisch festzuhalten, für Kollegen im Unternehmen verständlich aufzubereiten und das Wissen zukünftigen Transformationsverantwortlichen zugänglich zu machen (Abb. 9.3). Das systematische Festhalten der Ergebnisse wird durch die Projektdokumentation (Abschn. 9.2) sichergestellt. Für die Weitergabe des Wissens an Kollegen ist es jedoch sinnvoll, sich näher mit dem Thema Wissensmanagement auseinander zu setzen. Unter Wissensmanagement wird die Summe aller strategischen und ­ operativen ­Aufgaben verstanden, die auf den bestmöglichen Umgang mit Wissen abzielen. „­Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsweisen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursachen-Wirkungs-­ Zusammenhänge“ (Probst et al. 2012, S. 23). Das Wissensmanagement ist die methodische Beeinflussung der Wissensbasis im Unternehmen (Organisatorisches Wissensmanagement) oder einer einzelnen Person (Persönliches Wissensmanagement). Die Wissensbasis umfasst dabei alle Daten, Informationen und alles Wissen, sowie alle Fähigkeiten in dieser Organisation oder Person. Sie wird zur Erfüllung der im Unternehmen vorhanden Prozesse (Abb. 9.4) und zur

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9 Verankerung

Abb. 9.3   Wissensnutzung und Sicherung im Unternehmen. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Probst et al. 2012, S. 136)

Abb. 9.4   Intellektuelles Kapital des Unternehmens. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bornemann und Reinhardt 2017, S. 92)

9.4  Übergabe des Wissens in die Organisation

179

Lösung vielfältiger Aufgaben eingesetzt (Al-Laham 2003, S. 43). Die Wissensbasis wird auch als intellektuelles Kapital eines Unternehmens bezeichnet und setzt sich aus dem Human-, Struktur- und Beziehungskapital zusammen. Im Wissensmanagement werden drei Ebenen der Ziele unterschieden. Normative, strategische und operative Wissensziele. Normative Wissensziele  haben den Charakter einer Vision oder eines Leitbildes. Sie sind Voraussetzung für die Formulierung wissensorientierter Ziele im strategischen und operativen Bereich und sind damit die Basis für ein effektives Wissensmanagement. Normative Wissensziele „erfordern Einsatz und Überzeugung des Top-Managements“ (Probst et al. 2012, S. 42 f.). Strategische Wissensziele leiten sich aus den normativen Wissenszielen ab und „­definieren ein für die Zukunft angestrebtes Fähigkeitsportfolio“ im Unternehmen. Sie zeigen auf, welchen Beitrag das Wissen zum Gesamterfolg beitragen soll und bestimmen zusätzlich welche Fähigkeiten langfristig im Unternehmen benötigt werden (Probst et al. 2012, S. 42 und 50 ff.). Operative Wissensziele  sichern die Umsetzung der strategischen Vorgaben auf operativer Ebene. Sie leiten sich aus den normativen und strategischen Wissenszielen ab und sind für die Mitarbeiter greifbare und umsetzbare Teilziele (Probst et al. 2012, S. 42 und 54). Die mit der Transformation beauftragten Personen in einem Unternehmen sollten die gemachten Erfahrungen und entwickelten Erkenntnisse systematisch aufnehmen und dem Wissensmanagement des Unternehmens bereitstellen. Die Aufnahme kann zum ­Beispiel anhand von Leitfragen in den Kategorien des intellektuellen Kapitals erfolgen. Fragen zur Ergänzung des Humankapitals • Welche fachlichen und sozialen Fähigkeiten wurden in den Phasen der Transformation benötigt? • Waren die Fähigkeiten ausreichend ausgeprägt? • Welche Weiterentwicklungen sind in welcher Priorität notwendig und wie können diese umgesetzt werden? • Welchen Verlauf der Stimmung und Motivation war entlang der Transformation im Kernteam und bei mitarbeitenden Dritten zu erkennen? • Welchen Einfluss hatte die Stimmung und Motivation bei den Beteiligten auf den Transformationsprozess und den Gesamterfolg? • War der Gesamterfolg der Transformation durch ein unzureichend vorhandenes Humankapital gefährdet? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Phase und wie wurde dem Fehlen begegnet?

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9 Verankerung

Fragen zur Ergänzung des Strukturkapitals • Sind die Leistungs- und Führungsprozesse im Unternehmen transparent beschrieben und waren sie für die mit der Transformation beauftragten zugänglich? • Sind Prozesse und Denkweisen des Lean Management im Unternehmen verankert? • Werden Führungskräfte und Mitarbeiter stetig motiviert und dabei unterstützt, die bestehenden Prozesse zu verbessern? • Werden die realisierten Prozessverbesserungen gemessen und haben sie eine positive und nachvollziehbare Auswirkung auf den finanziellen Ertrag des Unternehmens? • Unterstützt die bestehende Kultur im Unternehmen Transformationsprozesse? • War der Gesamterfolg der Transformation durch ein unzureichend vorhandenes Strukturkapital gefährdet? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Phase und wie wurde dem Fehlen begegnet? Fragen zur Ergänzung des Beziehungskapitals • Welche externen Dritten waren in dem Transformationsprozess eingebunden beziehungsweise betroffen? • Wie sind die externen Dritten mit der Transformation umgegangen? Welche Gruppen der Unterstützer und der Gegner haben sich herausgebildet? • Welchen Einfluss hatte das Unternehmen und seine Vertreter auf die externen Dritten in den jeweiligen Gruppen? • Was hat die Transformation positiv, was negativ beeinflusst? • Welche Anreize für Kunden, Lieferanten und Partner wurden in der Transformation gegeben und haben sie sich bewährt? Was sollte erzielt werden und was wurde erzielt? • War der Gesamterfolg der Transformation durch ein unzureichend vorhandenes Beziehungskapital gefährdet? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Phase und wie wurde dem Fehlen begegnet? Ist kein zentrales Wissensmanagement im Unternehmen vorhanden, sollte das entstandene Transformationswissen zumindest der angefertigten Projektdokumentation beigefügt werden. Ergänzend können die Erkenntnisse zusammengefasst im Rahmen einer Gremiensitzung, beispielsweise in einer Vorstands- oder Geschäftsführungssitzung, vorgestellt und verabschiedet werden. Durch die Protokollierung der Sitzung und der Beschlüsse ist das Wissen zumindest formal gesichert.

9.5 Checkliste

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9.5 Checkliste Checkliste „Verankerung“

Projektdokumentation • Die Struktur und der/die angestrebte Umfang/Detailtiefe der Projektdokumentation sind festgelegt? • Der Fokus der Projektdokumentation liegt auf den Prozess der Transformation. • Die Projektdokumentation wird projektbegleitend erstellt. • Die Projektdokumentation ist an einem Ort gespeichert und ist den Teammitgliedern soweit notwendig zugänglich. • Die Qualitätssicherung der Projektdokumentation erfolgt laufend, die Transformationsverantwortlichen machen regelmäßig Stichproben zur Aktualität, zur Vollständigkeit, sowie zur Art und Weise der Aufbereitung. Gremienbeschlüsse • Der Leiter Transformation hat die uneingeschränkte Unterstützung der Unternehmensleitung und ist ihr Partner im Entscheidungsprozess. • Die im Unternehmen geltenden Richtlinien und Regeln zur Unternehmensführung liegen vor oder sind einsehbar. • Ein Ansprechpartner für Gesellschaftsrecht zur Erörterung möglicher Ausle­ gungs­fragen der Richtlinien und Regeln ist vorhanden. • Die Gremien, die einer Maßnahme der Transformation zustimmen müssen sind bekannt, ein Fahrplan (Abfolge und Zeitpunkt) der Beschlussfassung ist festgelegt. • Die Maßnahmen die zu beschließen sind, fundieren auf einer kommunizierten Unternehmens-/Geschäftsfeldstrategie, die eine breite Zustimmung auf allen Entscheidungsebenen hat. • Beschlussvorlagen sind auf Basis nachvollziehbarer Fakten und Analysen erstellt und mit den wesentlichen Entscheidern vorbesprochen und abgestimmt. Wissensmanagement • Die Erkenntnisse und das Gelernte aus dem Transformationsprozess ist systematisch aufgenommen worden. • Verbesserungsansätze für zukünftige Transformationen, Projekte oder Aufgaben im Unternehmen sind identifiziert, Maßnahmen beschrieben und der Beschlussfassung zugeleitet.

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9 Verankerung

• Das Wissen wird im Wissensmanagementsystem des Unternehmens gesichert und verteilt. • Besteht kein explizites Wissensmanagement im Unternehmen, wir der Bericht zu den Erkenntnissen und dem Gelernten der Geschäftsleitung zur Kenntnis gegeben und im Rahmen einer formalen Gremiensitzung protokolliert. • Wichtige Erkenntnisse, die alle im Unternehmen betreffen, werden über die interne Kommunikation an diese verteilt.

Literatur Al-Laham A (2003) Organisationales Wissensmanagement: Eine strategische Perspektive. Vahlen, München Bea FX, Göbel E (2010) Organisation: Theorie und Gestaltung, 4., neu bearb. u. erw. Aufl. Lucius & Lucius, Stuttgart Bornemann M, Reinhardt R (2017) Handbuch Wissensbilanz: Umsetzung und Fallstudien, 2., neu bearbeitete Aufl. Schmidt, Berlin DIN (2013) Projektmanagement: Netzplantechnik und Projektmanagementsysteme. DIN-Taschenbuch 472. Beuth, Berlin Meredith et al (2016) Project management: a managerial approach, 9. Aufl. Wiley, Hoboken Probst G et al (2012) Wissen managen: Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal ­nutzen. Springer, Wiesbaden Vahs D (2007) Organisation: Einführung in die Organisationstheorie und -praxis, 6., überarb. u. erw. Aufl. Schäffer-Poeschel, Stuttgart

Weiterführende Literatur Bastian J, Groß-Mlynek L (2018) Lerntechniken und Wissensmanagement: Wissen erwerben, speichern und verwerten, 2., überarb. Aufl. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz Döring H (2016) Wissensmanagement in Familienunternehmen: Modelle, Treiber, Barrieren und Werkzeuge. Springer, Wiesbaden Keuper F, Neumann F (Hrsg) (2009) Wissens- und Informationsmanagement: Strategie, Organisation und Prozesse. GWV Fachverlag, Wiesbaden Kohl H et al (Hrsg) (2016) Wissensmanagement im Mittelstand: Grundlagen, Lösungen, Praxisbeispiele, 2. Aufl. Springer, Wiesbaden Patzak G, Rattey G (2018) Projektmanagement: Projekte, Projektportfolios, Programme und Projektorientierte Unternehmen, 7. Aktualisierte Aufl. Linde, Wien Willk H (2018) Einführung in das systemische Wissensmanagement, 4. Aufl. Carl-Auer, Heidelberg

Anforderungen an einen erfolgreichen Chief Transformation Officer

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Zusammenfassung

Kap. 10 (Anforderungen an einen erfolgreichen Chief Transformation Officer) geht auf den eigentlichen Treiber der Transformation, den Chief Transformation Officer (CTO) ein. Die wesentlichen Faktoren, die jenseits von Prozesssicherheit in der Transformation und der Führung von Mitarbeitern für eine erfolgreiche Arbeit als CTO wichtig sind, werden vorgestellt. Konzepte sind schnell geschrieben und auch schnell kommuniziert. Die Herausforderung für Unternehmer und Manager ist jedoch, die Beteiligten und vom Konzept Betroffenen von ihren Ideen wirklich zu überzeugen. Und zwar so, dass diese die Ideen und Umsetzungsvorschläge verstehen, akzeptieren und unterstützen, sowie dann idealerweise selbstständig vorantreiben. Eine strategische Neuausrichtung oder der organisatorische Wandel ist erst dann erfolgreich umgesetzt, wenn das Unternehmen oder Geschäftsfeld im Anschluss besser dasteht und die geplante Leistungsstärke auch finanziell in Form von Gewinn und Rendite gemessen werden kann. Das Buch beschreibt den Prozess von der Problemerkennung, über die Strategieentwicklung und -umsetzung bis zur Verankerung im Unternehmen. Es vertieft wichtige Faktoren und Analyseansätze innerhalb der einzelnen Schritte und hilft dem verantwortlichen Transformationsmanager, dem „Chief Transformation Officer“ (CTO), in jeder Phase die notwendigen Fragen zu stellen, die auf dem Weg zu beantworten sind. Neben der Prozesssicherheit und der Führung der Mitarbeiter gibt es noch weitere Anforderungen und Erfolgsfaktoren, die der Transformation Officer mitbringen oder sicherstellen sollte. Daher soll am Ende des Buches noch einmal auf den eigentlichen Treiber in der Neuausrichtung eingegangen werden.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Klasen, Business Transformation, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25879-5_10

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10  Anforderungen an einen erfolgreichen Chief Transformation Officer

Aus der langjährigen praktischen Erfahrung haben sich für den Autor Eigenschaften herauskristallisiert, die einen erfolgreichen Transformation Officer auszeichnen. Dazu gehören Grundfähigkeiten und -einstellungen, die im Umgang mit Menschen in guten wie auch in schwierigen Situationen helfen, den Transformationsprozess oder allgemein Verhandlungen erfolgreich zu führen. Zusätzlich gibt es Erfolgsfaktoren, die besonders in der Führung des Transformationsprozesses durch den CTO sichergestellt werden müssen. Beteiligte in einem Transformationsprozess sind Individuen oder Gruppen, die unterschiedliche kulturelle Hintergründe, Denkweisen, sowie Aufgaben und Rollen haben. Diese müssen dem Verantwortlichen bekannt und bewusst sein und müssen von ihm im Prozess berücksichtigt werden. Allgemeine Eigenschaften, die ein Chief Transformation Officer mitbringen sollte sind: 1. Ein respektvoller Umgang mit jedem Einzelnen. 2. Die Fähigkeit Person und Rolle, die ein Vertreter im Prozess innehat, zu trennen. 3. Den Willen zur Suche nach und Realisierung von Win-win-Lösungen. 4. Das Treffen von Entscheidungen ausschließlich auf Basis von Daten, Fakten und ­Analysen. 5. Die Bereitschaft pragmatische Lösungen einzugehen. Ergänzt werden diese Eigenschaften durch spezifische Erfolgsfaktoren im Transformationsprozess. Diese sind: 6. Der CTO hat einen starken Rückhalt des Vorstandsvorsitzenden und des gesamten Vorstandes im Transformationsprozess. Der CTO ist wichtiger Ansprechpartner des Vorstandes in der Vorbereitung von Entscheidungen. 7. Der CTO hat die Nähe zu den operativ verantwortlichen Führungskräften auf allen Ebenen und zum Betriebsrat. Die Probleme im Tagesgeschäft sind dem CTO bekannt und werden von ihm und seinem Team berücksichtigt. 8. Der CTO steigert die Agilität und Geschwindigkeit im Unternehmen schrittweise. Dies wird vom gesamten Transformationsteam vorgelebt. 9. Der CTO hat eine klare Fokussierung auf die wesentlichen Hebel und stellt mit ­seinem Team konsequent die ergebniswirksame Umsetzung sicher. Viel Erfolg in der Anwendung des Leitfadens und in der strategischen Neuausrichtung oder organisatorischen Umwandlung Ihres Unternehmens.