Bundesstaat und Europäische Integration: Die »Europatauglichkeit« des deutschen Föderalismus [1 ed.] 9783428521975, 9783428121977

Die Autorin geht der Frage nach, ob der deutsche Föderalismus "europatauglich" ist. Zunächst werden die verfas

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Bundesstaat und Europäische Integration: Die »Europatauglichkeit« des deutschen Föderalismus [1 ed.]
 9783428521975, 9783428121977

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 171

Bundesstaat und Europäische Integration Die „Europatauglichkeit“ des deutschen Föderalismus

Von

Christina Baier

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTINA BAIER

Bundesstaat und Europäische Integration

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles

Band 171

Bundesstaat und Europäische Integration Die „Europatauglichkeit“ des deutschen Föderalismus

Von

Christina Baier

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-12197-X 978-3-428-12197-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung wurde im Juli 2005 abgeschlossen und sodann von der Juristischen Fakultät der Universität Münster als Dissertation angenommen. Ich freue mich, an dieser Stelle einigen Personen danken zu können, ohne deren Hilfe diese Arbeit nicht hätte entstehen können. Mein Dank gilt zunächst Herrn Professor Dr. Stefan Kadelbach, LL.M., meinem Doktorvater, der die Arbeit zu jeder Zeit durch wertvolle Anregungen gefördert hat. Herrn Professor Dr. Bodo Pieroth danke ich für die ausgesprochen zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Weiterer Dank gilt neben Herrn Prof. Dr. Hans D. Jarass, LL.M. allen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Münster für die freundschaftliche Zusammenarbeit. Mein Freund, Christoph Blaschke, hat die Arbeit Korrektur gelesen; ihm verdanke ich viele hilfreiche Hinweise und Anregungen. Auch dafür gebührt ihm mein herzlicher Dank. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat meine Promotion ideell und finanziell unterstützt. Der größte Dank gilt meinen Eltern Regina Baier-Schemmert und Bernd Baier, die nicht nur mein Studium, sondern auch mein Promotionsvorhaben durch ihr stetes Interesse, ihre Anregungen und ihre finanzielle Unterstützung gefördert haben.

Berlin, im Juli 2006

Christina Baier

Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung................................................................................................................ 21 B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung ............................... 28 I.

Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG .......................... 28 1. Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG ................................................................................. 31 a) Verfassungsbedeutung der Änderung oder Ergänzung ........................ 32 b) Erfordernis einer Hoheitsrechtsübertragung ........................................ 33 c) Verfassungsändernde Bedeutung der Hoheitsrechtsübertragung ......... 35 2. Mitwirkung und Unterrichtung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 2 GG.............................................................................................................. 36 a) Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG als allgemeine Aufgabenzuweisungsnorm ...... 36 b) Die Unterrichtung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG..... 38 3. Die Mitwirkung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 4 GG...................... 39 4. Die Berücksichtigung der Stellungnahmen der Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 GG ..................................................................................... 40 a) Das einfache Mitwirkungsverfahren gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG.... 40 b) Das qualifizierte Mitwirkungsverfahren gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG........................................................................................................ 43 aa) Das Problem der Schwerpunktbestimmung.................................. 43 bb) Die „maßgebliche“ Berücksichtigung........................................... 44 cc) Die Ausnahmeregelung des Art. 23 Abs. 5 S. 3 GG..................... 45 dd) Mögliche weitere Ausnahmen vom Letztentscheidungsrecht....... 46 ee) Unterschiedliche Mitwirkungsintensität bei einheitlichen europäischen Maßnahmen ............................................................ 48 c) Verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Willensbildung im EUZBLG.............................................................................................. 49 d) Die Sonderregelung gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG für Vorhaben nach Art. 308 EG.......................................................................................... 50 aa) Das „Einvernehmen“ .................................................................... 50

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Inhaltsverzeichnis bb) Die „Zustimmung“ ....................................................................... 51 5. Die Mitwirkung von Ländervertretern gemäß Art. 23 Abs. 6 GG und § 6 EUZBLG.............................................................................................. 52 a) Verhandlungsbeteiligung nach § 6 Abs. 1 EUZBLG........................... 52 b) Die Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte durch Ländervertreter gemäß Art. 23 Abs. 6 GG ........................................................... 54 aa) Ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder ............ 55 bb) Ausnahmen von der Pflicht zur Übertragung der mitgliedstaatlichen Rechte ................................................................................ 55 cc) Die rechtliche Stellung des Ländervertreters................................ 57 dd) Beschränkung der Rechtsausübung durch Art. 23 Abs. 6 S. 2 GG ................................................................................................ 57 6. Die Europakammer des Bundesrates.......................................................... 59 II. Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung ................................................... 61 1. Bundeskompetenz ...................................................................................... 62 a) Herleitung aus Gemeinschaftsrecht...................................................... 62 b) Herleitung aus Art. 23 GG ................................................................... 62 c) Herleitung aus Art. 73 und 74 GG ....................................................... 63 d) Herleitung aus Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG oder Art. 32 Abs. 1 GG .......... 65 e) Herleitung aus den Rechtsinstituten der Kompetenz „kraft Sachzusammenhang“ oder „kraft Natur der Sache“ ........................................ 65 2. Länderkompetenz....................................................................................... 66 3. Art. 70 ff. GG analog ................................................................................. 67 III. Zusammenfassung ............................................................................................ 67

C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis............................... 70 I.

Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG.................... 71 1. Die Problematik der Beitrittsverträge......................................................... 72 a) Ratifikation der Beitrittsverträge mit Schweden, Norwegen, Finnland und Österreich.............................................................................. 72 b) Ratifikation der Beitrittsverträge im Rahmen der sog. Osterweiterung der Europäischen Union .............................................................. 74 2. Gesetz zum Eigenmittelbeschluss .............................................................. 76 3. Vertrag von Nizza ...................................................................................... 79 4. Bewertung .................................................................................................. 81

II. Unterrichtung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG ........................ 82 1. Umfang der Unterrichtung ......................................................................... 82 2. Zeitpunkt der Unterrichtung....................................................................... 85

Inhaltsverzeichnis

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III. Beteiligung gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG ...................................................... 86 IV. Beteiligung von Ländervertretern gemäß § 6 Abs. 1 EUZBLG........................ 88 V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG........................ 90 1. Die innerstaatliche Seite: Auslöser der Meinungsverschiedenheiten und Konfliktlösung ........................................................................................... 92 a) Maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 1 GG .................................................. 92 aa) Die Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem „Aktionsplan 2004–2006“............................................................ 92 bb) Pragmatische Vorgehensweise als Regelfall................................. 94 b) Maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 2 und 3 GG ........................................ 96 aa) Die Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem Richtlinienvorschlag über den Prospekt beim Wertpapierhandel. 96 bb) Pragmatische Vorgehensweise als Regelfall................................. 98 c) Letztentscheidungsrecht des Bundesrates ............................................ 99 aa) Der Ablauf der Beratungen zur Plan-UVP-Richtlinie ................ 100 bb) Probleme im Zusammenhang mit den Beratungen der PlanUVP-Richtlinie........................................................................... 102 d) Das Einvernehmen des Bundesrates gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG ..... 104 e) Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter gemäß Art. 23 Abs. 6 GG .......................................................................................... 106 aa) Auslöser für Meinungsverschiedenheiten................................... 106 bb) Konfliktlösungsmechanismus..................................................... 108 f) Art. 23 GG und das Lindauer Abkommen ......................................... 110 g) Zwischenergebnis .............................................................................. 113 2. Die europäische Seite: die integrationspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland ............................................................. 114 a) Die Besonderheiten des europäischen Gesetzgebungsverfahrens ...... 115 b) Integrationspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands im Lichte der Besonderheiten des europäischen Gesetzgebungsverfahrens....... 118 aa) Grundsätzliche Bedenken ........................................................... 118 bb) Gefahren des Letztentscheidungsrechts des Bundesrates ........... 119 cc) Gefahren der Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter ........................................................................................... 123 dd) Gefahren der Anwendung des Lindauer Abkommens ................ 128 c) Zwischenergebnis .............................................................................. 128 3. Zukunftstauglichkeit der qualifizierten Mitwirkung des Bundesrates...... 129

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Inhaltsverzeichnis 4. Bedenken gegen die Nichtbeachtung verfassungsrechtlicher Verfahrensvorschriften........................................................................................ 131 a) Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip .............................................. 132 b) Problematik informaler Absprachen .................................................. 134 5. Zwischenergebnis..................................................................................... 135 VI. Zusammenfassung .......................................................................................... 135

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis....................... 137 I.

Die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht ...................................... 138 1. Die Entwicklung in den Mitgliedstaaten .................................................. 138 2. Die Entwicklung in Deutschland.............................................................. 140

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen .............................................................. 144 1. Die Umsetzungsquoten in den einzelnen Teilbereichen........................... 144 2. Sachliche Inkongruenz von umsetzungsbedürftigen Gemeinschaftsrechtsakten und innerstaatlicher Kompetenzverteilung............................ 146 3. Innerstaatliche Gesetzgebungskompetenz für nicht fristgerecht umgesetzte Richtlinien .................................................................................. 148 4. Durch die föderale Struktur bedingte Probleme....................................... 149 a) Probleme der kompetenzrechtlichen Einordnung von umsetzungsbedürftigen Gemeinschaftsrechtsakten............................................... 150 b) Probleme bei der Beurteilung der Zulässigkeit bundesgesetzlicher Regelungen ........................................................................................ 153 aa) Konsequenzen aus dem Altenpflegegesetzurteil und dem Juniorprofessururteil des Bundesverfassungsgerichts ................ 155 (1) Die Verfassungsänderung des Jahres 1994 .......................... 155 (a) Die Änderungen des Art. 72 Abs. 2 GG......................... 155 (b) Die Änderungen des Art. 75 GG.................................... 157 (2) Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts.......................... 157 bb) Ausblick: weitere Verzögerungen im Umsetzungsprozess ......... 160 c) Verzögerungen bei der Umsetzung durch die Zweistufigkeit des Gesetzgebungsverfahrens................................................................... 161 aa) Die Umsetzung der FFH-Richtlinie............................................ 162 bb) Die Umsetzung der UVP-Richtlinie ........................................... 165 cc) Auswirkungen der Zweistufigkeit............................................... 168 d) Skepsis gegenüber dem Gemeinschaftsrecht...................................... 169 III. Zusammenfassung und Bewertung................................................................. 173 E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung.................................. 175

Inhaltsverzeichnis I.

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Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG ......................................................................... 175 1. Problemlage ............................................................................................. 175 2. Lösungsansatz .......................................................................................... 176

II. Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG ................................................................................... 178 1. Gewährleistung rechtzeitiger und umfassender Information .................... 178 2. Selektion der Informationen..................................................................... 179 III. Art. 23 Abs. 5 GG .......................................................................................... 180 1. Problemlage ............................................................................................. 180 2. Lösungsansatz .......................................................................................... 181 a) Keine Bindung an Stellungnahme...................................................... 182 b) Schaffung eines permanenten Gremiums ........................................... 182 c) Kontrolle der Verhandlungsführung .................................................. 183 d) Zusammensetzung des ständigen Gremiums...................................... 184 aa) Gemeinsames Gremium von Bundestag und Bundesrat ............. 184 bb) Gremium auf Regierungsebene................................................... 186 cc) Gremium aus Beauftragten der Landesregierungen.................... 186 IV. § 5 Abs. 3 EUZBLG....................................................................................... 188 1. Problemlage ............................................................................................. 188 2. Lösungsansatz .......................................................................................... 188 V. Art. 23 Abs. 6 GG .......................................................................................... 189 1. Problemlage ............................................................................................. 189 2. Lösungsansatz .......................................................................................... 190 VI. Art. 23 GG und das Lindauer Abkommen...................................................... 191 1. Problemlage ............................................................................................. 191 2. Lösungsansatz .......................................................................................... 191 VII. Zusammenfassung .......................................................................................... 191 F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung.................................. 194 I.

Änderung der Gesetzgebungskompetenzen .................................................... 194 1. Spezielle Regelungen ............................................................................... 194 a) Öffnungsklausel für den Bund im Bereich der Rahmengesetzgebung ............................................................................................... 194 aa) Erlass bzw. Anpassung von Landesrecht durch den Bund ......... 195 bb) Unmittelbare Wirkung von Richtlinien ...................................... 196 b) Übertragung der Rahmenkompetenz in die konkurrierende Gesetzgebung ............................................................................................... 201 c) Enge Auslegung von Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG ......... 201

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Inhaltsverzeichnis d) Direkte Einwirkung des EG-Rechts – Interpretationslösung ............. 202 e) Zwischenergebnis .............................................................................. 203 2. Generelle Lösungsansätze ........................................................................ 204 a) Freiwillige Übertragung der Gesetzgebung auf den Bund ................. 204 b) Auffanggesetzgebung des Bundes...................................................... 205 c) Richtlinienumsetzungsgesetzgebung des Bundes .............................. 206 aa) Möglicher Verstoß gegen das Bundesstaatsprinzip .................... 207 bb) Auslegung im Sinne der Staatszielbestimmung der Verwirklichung eines vereinten Europas ................................................. 208 d) Richtliniengesetzgebung des Bundes mit Gestaltungsrecht der Länder ................................................................................................ 209 e) Richtliniengesetzgebung des Bundes mit Zugriffsrecht der Länder... 210 f) Zwischenergebnis .............................................................................. 211 II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes............................................................ 211 1. Einsatz von Bundeszwang........................................................................ 212 a) Die Bundespflichten aus dem Grundgesetz........................................ 212 aa) Herleitung der Umsetzungsverpflichtung aus Gemeinschaftsrecht............................................................................................ 213 bb) Herleitung der Umsetzungsverpflichtung aus dem Grundgesetz 214 (1) Das Prinzip der Bundestreue ................................................ 215 (2) Umsetzungsverpflichtung aus dem Prinzip der Bundestreue...................................................................................... 215 b) Nichterfüllung der Bundespflicht....................................................... 217 c) Das Verfahren des Art. 37 GG........................................................... 217 aa) Zeitpunkt des Einsatzes von Bundeszwang ................................ 217 bb) Ermessensentscheidung des Bundes........................................... 218 cc) Zustimmung des Bundesrates ..................................................... 219 d) Die Maßnahmen des Art. 37 GG........................................................ 220 e) Bewertung.......................................................................................... 221 2. Bund-Länder-Streit .................................................................................. 222 a) Zulässigkeitsvoraussetzungen ............................................................ 222 b) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts............................. 224 aa) Fehlende Vollstreckungsmöglichkeiten...................................... 224 bb) Lange Verfahrensdauer............................................................... 226 3. Haftung der Bundesländer........................................................................ 226 a) Passivlegitimation bei gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsansprüchen ......................................................................................... 227

Inhaltsverzeichnis

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aa) Bestimmung des Schuldners nach Gemeinschaftsrecht .............. 227 bb) Bestimmung des Schuldners nach nationalem Staatshaftungsrecht............................................................................................ 228 cc) Bundesländer als Schuldner gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsansprüche ...................................................................... 230 b) Verhängung von Zwangsgeldern und Pauschalbeträgen.................... 231 c) Regressansprüche des Bundes gegen die Länder ............................... 231 aa) Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG................................................. 232 (1) Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG als unmittelbare Anspruchsgrundlage............................................................. 232 (2) „Verwaltung“ im Sinne von Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG........................................................................................ 233 bb) Analoge Anwendung von Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG ....... 234 cc) Bundestreue................................................................................ 235 dd) Amtshaftung, Art. 34 S. 1 GG i.V.m. § 839 BGB ...................... 235 ee) Rückgriffsansprüche des Bundes gemäß § 426 Abs. 1 BGB und § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 839 BGB ............. 236 ff) Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag................ 237 (1) Zahlung des Zwangsgeldes als auch fremdes Geschäft ........ 237 (2) Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsansprüche ............................................................................. 238 gg) Allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ............ 238 d) Zusammenfassung und Bewertung .................................................... 239 III. Zusammenfassung .......................................................................................... 241 G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder.............................. 243 I.

Subsidiaritätsprinzip und Frühwarnmechanismus .......................................... 245 1. Das Verfahren der Subsidiaritätskontrolle ............................................... 245 a) Informations- und Stellungnahmerecht.............................................. 245 aa) Der Bundesrat als zweite Kammer im Sinne des Subsidiaritätsprotokolls.................................................................................... 246 bb) Fehlender europarechtlicher Anspruch regionaler Parlamente ... 247 cc) Konsequenzen einer Stellungnahme........................................... 248 b) Richterliche Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips .............................. 249 aa) Die Klageberechtigten ................................................................ 250 bb) Rechtsanspruch nationaler Parlamente auf Klageübermittlung .. 251 2. Bewertung des neugeschaffenen Frühwarnmechanismus......................... 252 a) Das Stellungnahmerecht .................................................................... 252

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Inhaltsverzeichnis b) Die Subsidiaritätsklage ...................................................................... 254 II. Der Ausschuss der Regionen.......................................................................... 255 1. Stellung und Aufgaben des Ausschusses der Regionen ........................... 255 a) Beratende Aufgabe............................................................................. 256 b) Heterogenität der Mitglieder.............................................................. 258 2. Die Stellung des Ausschusses der Regionen nach der europäischen Verfassung ............................................................................................... 260 a) Die Änderungen durch den Vertrag über eine Verfassung für Europa................................................................................................ 260 b) Bewertung der Änderungen durch die europäische Verfassung......... 262 III. Kompetenzverteilung ..................................................................................... 262 1. Reformauftrag an den Konvent ................................................................ 262 2. Reform der Kompetenzordnung durch den Verfassungsvertrag............... 263 a) Keine wesentlichen Änderungen der materiellen Kompetenzverteilung ........................................................................................... 263 b) Abgrenzung der Kompetenzen........................................................... 265 aa) Einführung verschiedener Kompetenzkategorien ....................... 266 bb) Beibehaltung der Flexibilitätsklausel ......................................... 268 (1) Vereinbarkeit der Flexibilitätsklausel mit dem Ziel einer besseren Abgrenzung der Kompetenzen .............................. 268 (2) Ausgestaltung der Flexibilitätsklausel.................................. 270 cc) Klarere Gestaltung der Kompetenzregeln................................... 271 3. Bewertung der neugeschaffenen Kompetenzordnung .............................. 272 IV. Achtung der regionalen Selbstverwaltung...................................................... 273 V. Konventsverfahren ......................................................................................... 274 VI. Bewertung ...................................................................................................... 275

H. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse................................................ 277 I.

Europäische Rechtssetzung ............................................................................ 277

II. Rechtsumsetzung............................................................................................ 280 III. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa ................................................ 282 I. Ausblick ................................................................................................................ 284 Literaturverzeichnis................................................................................................... 288 Sachregister ................................................................................................................ 320

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Die EU-weite Entwicklung der Umsetzungsquote..................................... 139 Tabelle 2: Entwicklung der EU-weiten und der deutschen Umsetzungsquote............ 140 Tabelle 3: Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen...................................................................... 143 Tabelle 4: Bereiche mit besonders großen Umsetzungsproblemen ............................. 145

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. Abs. AdR a.F. AöR ArchVöR Art. BayVBl. Bd. BGB BGBl. BGH BGHZ BLV BNatSchG BR-Drs. BremVerf. BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE B-VG BWGZ bzw. CDU CMLR CSU dens. ders.

anderer Ansicht Amtsblatt Absatz Ausschuss der Regionen alter Fassung Archiv des öffentlichen Rechts Archiv des Völkerrechts Artikel Bayerische Verwaltungsblätter Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bund-Länder-Vereinbarung Bundesnaturschutzgesetz Bundesratsdrucksache Bremische Verfassung Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Österreichisches Bundes-Verfassungsgesetz Die Gemeinde beziehungsweise Christliche Demokratische Union Common market law reports Christlich Soziale Union denselben derselbe

Abkürzungsverzeichnis d.h. dies. Diss. DÖV Drs. DVBl. EEA EEAG EFTA EG EG/EGV ELR EMK EU EuG EuGH EuGRZ EuR EURATOM EurUP EUV EUZBLG EuZW E&W EWG EWGV FAS FAZ FDP FES FFH FG Fn. FR FS GA GASP GewArch GG

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das heißt dieselbe(n) Dissertation Die Öffentliche Verwaltung Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt Einheitliche Europäische Akte Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European law review Europaministerkonferenz Europäische Union Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Europäische Atomgemeinschaft Zeitschrift für europäisches Umwelt- und Planungsrecht Vertrag über die Europäische Union Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift Erziehung und Wissenschaft Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Freiheitlich Demokratische Partei Friedrich-Ebert-Stiftung Flora-Fauna-Habitat Festgabe Fußnote Frankfurter Rundschau Festschrift Generalanwalt Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Gewerbearchiv Grundgesetz

18 GO BR GS GVBl. GVK Habil. Hrsg. Hs i.S.v. i.V.m. IVU JbUTR JÖR Jura JuS JZ KAS KOM KSTA LKV m.w.N. NJ NJW Nr. NuR NVwZ NWVBl. ÖJZ PJZS RL Rn. S. Slg. s.o. sog. SPD StuGr SZ ThürVBl. UPR

Abkürzungsverzeichnis Geschäftsordnung des Bundesrates Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Gemeinsame Verfassungskommission Habilitationsschrift Herausgeber Halbsatz im Sinne von in Verbindung mit Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung Jahrbuch für Umwelt- und Technikrecht Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Konrad-Adenauer-Stiftung Dokument der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Kölner Stadt-Anzeiger Landes- und Kommunalverwaltung mit weiteren Nachweisen Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nummer Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Österreichische Juristen-Zeitung Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Richtlinie Randnummer Satz oder Seite Sammlung siehe oben sogenannt(e/r) Sozialdemokratische Partei Deutschlands Städte- und Gemeinderat Süddeutsche Zeitung Thüringer Verwaltungsblätter Umwelt- und Planungsrecht

Abkürzungsverzeichnis Urt. UVP UVPG v. Var. VBlBW VerfE VerwArch vgl. VR VVDStRL WHI ZaöRV z.B. ZEuS ZfRV ZFSH/SGB ZfSoz. ZfZ ZG ZHR ZÖR ZParl ZRP zugl.

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Urteil Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom Variante Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Vertrag über eine Verfassung für Europa Verwaltungsarchiv vergleiche Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Walter Hallstein-Institut Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch Zeitschrift für Soziologie Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für öffentliches Recht Zeitschrift für Parlamentsfragen Zeitschrift für Rechtspolitik zugleich

Im Übrigen wird verwiesen auf: Kirchner, Hildebert (Begr.)/Butz, Cornelie (Bearb.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin 2003.

„Der deutsche Föderalist muss sich langsam darüber klar werden: Integration auf europäischer Ebene und Eigenstaatlichkeit der deutschen Länder sind unvereinbar.“ Heinz Wagner1

„Europäisierung und Vergemeinschaftung dürfen nicht blindlings mit monopolisierendem Zentralismus gleichgesetzt werden. Die Demokratie hat ihre Wurzeln an der Basis – in der Bundesrepublik wie in den anderen Ländern der Gemeinschaft.“ Christian Tomuschat2

A. Einleitung Die Europäische Union weist hinsichtlich der internen Struktur ihrer Mitgliedstaaten eine große Pluralität auf. Die Untergliederung der einzelnen Mitgliedstaaten in Länder eines Bundesstaates, autonome Regionen eines dezentralen Einheitsstaates oder bloße Verwaltungseinheiten ist äußerst inhomogen.3 Gravierende Unterschiede bestehen vor allem in Bezug auf den verfassungsrechtlichen Status der jeweiligen nachgeordneten Gebietskörperschaften, ihre Kompetenzausstattung und ihre Mitwirkungsbefugnisse auf gesamtstaatlicher Ebene, aber auch hinsichtlich außerrechtlicher Determinanten wie etwa Größe4, Wirtschaftskraft und Bevölkerungsdichte.5 Diese Heterogenität der Handlungsebenen wurde durch den Beitritt weiterer europäischer Staaten im Mai 2004 grundsätzlich verstärkt. ___________ 1

Wagner, Grundbegriffe, S. 219. Tomuschat, Bundesstaats- und Integrationsprinzip, S. 43. 3 Schladebach, LKV 2005, 95 (95); Döring, Fundament für Europa, S. 206; Schindler, VBlBW 2003, 339 (342); Ranacher, Funktion des Bundes, S. 24; Kottmann, ELR 26 (2001), 159 (160); Hrbek, Regionen in Europa, S. 16 ff. 4 Siehe dazu die Übersicht bei Döring, Fundament für Europa, S. 206. 5 Vgl. dazu die einzelnen Länderberichte in Färber/Forsyth, The Regions, S. 59 ff. und Ranacher, Funktion des Bundes, S. 24; Nass, Regionen aus Sicht von Rat und Kommission, S. 203 f.; Hrbek/Weyand, Europa der Regionen, S. 28 ff.; Engel, Regionen in der EG, S. 15 ff. 2

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A. Einleitung

Mit Österreich6 und Belgien7 ist die Bundesrepublik Deutschland als föderativ strukturierter Staat, der alle wesentlichen Merkmale eines klassischen Bundesstaates aufweist8, unter den EU-Mitgliedstaaten in der Minderheit.9 Zudem betrachtet die Europäische Union sie als Einheit, ignoriert also ihre Untergliederung in Länder eines Bundesstaates. Die Bundesländer haben keinen europarechtlichen Status, sondern erscheinen als bloße Untergliederungen der Bundesrepublik, vergleichbar den Regionen anderer Mitgliedstaaten ohne Gesetzgebungskompetenzen.10 H. P. Ipsen hat dafür in Bezug auf die damalige EWG den sehr einprägsamen Terminus der „Landesblindheit“ der Gemeinschaften und ihrer Organe geprägt.11 Umgekehrt greifen Maßnahmen der Europäischen Union aber sehr wohl in die Interessen- und Kompetenzbereiche der Bundesländer ein. Angeführt sei hier die fortlaufende Vergemeinschaftung der Landeskompetenzen, also die zunehmende Überlagerung von Zuständigkeiten der Länder durch Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft.12 Daraus ergeben sich für Deutschland drei miteinander verbundene Probleme: Zum einen handelt es sich dabei um die Auswirkungen des Integrationsprozesses der Europäischen Union auf das föderale Gefüge der Bundesrepublik. Hieraus resultiert die Frage, inwieweit bei fortschreitender Entwicklung der Union die Qualität der Bundesländer als staatliche Gebilde, die sich durch einen eigen___________ 6 Zur Staatsstruktur Österreichs vgl. Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 86 ff.; Zwicker, Als Bundesstaat in der Europäischen Union, S. 53 ff. 7 Belgien hat sich seit 1970 durch mehrere Staatsreformen bis 1993 zu einem Bundesstaat entwickelt. Vgl. dazu Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 157 ff.; Delmartino, Belgium after the fouth state reform, S. 117 ff. 8 Als solche gelten die Aufteilung der Staatsgewalt zwischen Bund und Ländern, die Mitbestimmung der Länder an der Ausübung der Zentralgewalt, die Verfassungsautonomie der Länder und eine föderalistische Finanzordnung. Vgl. H. Maurer, Staatsrecht I, § 10, Rn. 1 ff.; Ranacher, Funktion des Bundes, S. 24, Fn. 95; Pernthaler, Staats- und Verfassungslehre, S. 291 ff.; Polaschek, Föderalismus als Strukturprinzip, S. 10. 9 Obermüller, in: von der Groeben/Schwarze, Vorbem. zu den Artikeln 263 bis 265 EG, Rn. 5; Kilper/Lhotta, Föderalismus, S. 208. In zwei dezentralisierten Einheitsstaaten hat allerdings der Föderalismus in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend an Boden gewonnen: Spanien, das sich nunmehr aus 17 autonomen Gemeinschaften zusammensetzt, und Italien mit seinen 20 Regionen, von denen fünf über eine weit reichende Autonomie mit Sonderstatut verfügen. Vgl. López Guerrra, Regions and Nationalities in Spain, S. 145 ff.; Chiner, Landesbericht Spanien, S. 167 ff. sowie Onida, Landesbericht Italien, S. 239 ff. 10 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 31; Rudolf, Europäische Einigung, S. 265; ders., FS Karl Josef Partsch, S. 357 f.; ders., FS Hans-Jürgen Schlochauer, S. 117 ff.; H. P. Ipsen, FS Walter Hallstein, S. 256. 11 H. P. Ipsen, FS Walter Hallstein, S. 256. 12 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 33; Kottmann, ELR 26 (2001), 159 (161). Ausführlich zu den Kompetenzverlusten der Bundesländer D. O. Reich, EuGRZ 2001, S. 1 ff.; Donoth, Bundesstaatliche Ordnung und Verwirklichung der Europäischen Union, S. 40 ff.; Tomuschat, Bundesstaats- und Integrationsprinzip, S. 28 ff.

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ständigen politischen Gestaltungsspielraum auf der Grundlage von verfassungsrechtlich verankerten Kompetenzen auszeichnen, bewahrt werden kann.13 Zu dieser Frage nach dem Schicksal des Föderalismus im Prozess der europäischen Integration existiert mittlerweile eine kaum noch zu übersehende Literatur.14 Zum anderen ist die Organisation des innerstaatlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses in EU-Angelegenheiten problematisch. Insofern stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Länder an diesen Entscheidungen mitwirken sollen.15 Seit Bestehen der Europäischen Gemeinschaften haben sich die Bundesländer um förmliche Anerkennung und rechtliche Gewährleistung ihres Anspruchs auf Mitwirkung bei der innerstaatlichen Behandlung von EUAngelegenheiten wie auch auf Beteiligung auf der europäischen Ebene bemüht. Hintergrund war die Vorstellung, die Kompetenzverluste durch die Institutionalisierung von Mitwirkungs- und Partizipationsrechten zu kompensieren.16 So wurden bereits während des Ratifizierungsverfahrens für den MontanunionVertrag17 im Jahre 1951 seitens der Länder gesetzlich verankerte Mitwirkungsrechte bei der Willensbildung des Bundes in europäischen Angelegenheiten gefordert.18 Zunächst war die Bundesregierung jedoch nicht bereit, ihr integrationspolitisches Handeln in den Institutionen der Gemeinschaften an die Zustimmung des Bundesrates zu binden, obschon sie für die Anliegen der Bundesländer Verständnis gezeigt hat.19 Parallel zur Dynamisierung der europäischen Integration wurden den Ländern seitens der Bundesregierung aber zunehmend Rechte zugestanden.20 Es entwickelten sich vielfältige Formen der Beteiligungsmöglichkeit der Länder.21 ___________ 13 Ossenbühl, Föderalismus in Deutschland, S. 146; Hrbek/Thaysen, Deutsche Länder, S. 9. 14 Vgl. dazu m.w.N. D. O. Reich, EuGRZ 2001, S. 1 ff.; Becker, Länder und Landtage, S. 25 ff.; Frowein, Europäische Einigung, S. 285 ff.; Haas, DÖV 1988, S. 613 ff.; Borchmann, AöR 112 (1987), S. 586 ff.; Ress, EuGRZ 1986, S. 549 ff.; Schröder, JöR 35 (1986), S. 83 ff. 15 Hrbek/Thaysen, Deutsche Länder, S. 9. 16 Calliess, Innerstaatliche Mitwirkungsrechte, S. 13. 17 Gesetz betreffend den Vertrag v. 18.04.1951 über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, BGBl. II 1952, S. 445. 18 Vgl. dazu Zwicker, Als Bundesstaat in der Europäischen Union, S. 79; Schweizer/ Brunner, Mitwirkung der Länder an EU-Vorhaben, S. 21; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 45; Neßler, EuR 1994, 216 (218); Hrbek, Länder im EG-Entscheidungsprozess, S. 18; Jaspert, Aus Politik und Zeitgeschichte B12/1982, 17 (18 f.). 19 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 239; Kalbfleisch-Kottsieper, Jahrbuch des Föderalismus 2001, 168 (175 f.); Hrbek/Thaysen, Deutsche Länder, S. 9. 20 Tauras, Mitwirkung der Regionen, S. 51. 21 Dazu ausführlich B I. Vgl. auch Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 239 ff.; Halfmann, Europäische Integration, S. 26 ff.; Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 21 ff.; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 51 ff.; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 30 ff.; Meißner, Kompetenzkompensation,

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Der Höhepunkt der Ländermitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union wurde im Jahre 1992 mit Einfügung des Art. 23 in das Grundgesetz22 sowie den dazu gehörigen Ausführungsbestimmungen23 erreicht.24 Die Einfügung dieses umfangreichen Mitwirkungsverfahren war das Ergebnis des politischen Tauziehens um die Ratifizierung des Maastricht-Vertrages25, bei welchem die Länder zwischen ihrer Zustimmung im Bundesrat und der (grund-)gesetzlichen Verankerung weiterer Mitwirkungsrechte in EU-Angelegenheiten ein politisches Junktim hergestellt hatten.26 Die detaillierte und ausdifferenzierte Regelung der Zusammenarbeit der Bundesorgane einschließlich der hierzu ergangenen Ausführungsvorschriften erfuhr allerdings schon bei ihrem Inkrafttreten zum Teil erhebliche Kritik.27 Die Spannweite reichte dabei von „unpraktikabel“28 über „ziemliches Monstrum“29, „alle Regeln ordnungsgemäßer Ver___________ S. 192 ff.; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 45 ff.; Neßler, EuR 1994, 216 (218 ff.); Blumenwitz, GS Christoph Sasse, S. 215 ff. 22 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 21.12.1992, BGBl. I 1992, S. 2086. Die weiteren Grundgesetzänderungen, abgesehen von Art. 23 GG, betrafen Art. 24 Abs. 1a, Art. 28 Abs. 1 S. 2, Art. 45, Art. 50, Art. 52 Abs. 3a, Art. 88 und Art. 115e Abs. 2 S. 2 GG. 23 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union v. 12.03.1993, BGBl. I 1993, S. 311; Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union v. 12.03.1993, BGBl. I 1993, S. 313; Vereinbarung v. 29.10.1993 zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union, Fassung v. 08.07.1998, BAnz. 1998, Nr. 123, S. 9433. 24 Im Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EUAngelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 5 ist insofern von einem „verfassungsrechtlichen Quantensprung“ die Rede. Unzutreffend dagegen Clostermeyer, Fragen zur Europafähigkeit, S. 10, der der Auffassung ist, dass Art. 23 GG lediglich die gängige Staatspraxis in Verfassungsform gegossen hat. 25 Gesetz zum Vertrag v. 07.02.1992 über die Europäische Union, BGBl. II 1992, S. 1251. 26 „Die ... Länder werden den Vertrag über die Europäische Union zusammen mit den Ergebnissen der Verhandlungen über die Fortentwicklung der föderativen Grundentscheidungen des Grundgesetzes und über die Verbesserung der innerstaatlichen Beteiligung einer Gesamtbewertung unterziehen und auf dieser Grundlage darüber entscheiden, ob die Länder dem Vertrag zustimmen können“; aus dem Ergebnisprotokoll der Ministerpräsidentenkonferenz am 12.02.1992 in Bonn, abgedruckt bei Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (705). Siehe auch Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 241 f.; Neßler, EuR 1994, 216 (222). 27 Eppler, Mitwirkungsrechte in Europaangelegenheiten, S. 62; Halfmann, Europäische Integration, S. 24. 28 Breuer, NVwZ 1994, 417 (427); Herdegen, EuGRZ 1992, 589 (594). 29 Starck, VVDStRL 53 (1994), S. 127 (Aussprache); Ossenbühl, DVBl. 1993, 629 (630). Ähnlich jetzt auch Hänsch, 44. Bitburger Gespräche v. 07.01.2005, Vortrag zum Thema „Deutscher Föderalismus in der verfaßten Europäischen Union“, S. 6 (http:// klaus-haensch.de/htcms/reden-gesamt/ausserhalb-des-parlaments/mehr-71.html, Stand:

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fassungsgebung verletzend“30 oder „Krücke“31 bis hin zu „Europa-Behinderungsartikel“32. Zugleich entstanden in der Literatur in den neunziger Jahren etliche verfassungstheoretische Abhandlungen über den neuen Art. 23 GG.33 Dagegen ist die Zahl der Untersuchungen speziell zu den Erfahrungen in der Praxis der Anwendung von Art. 23 GG äußerst gering.34 Dies überrascht, da nach mehr als zehn Jahren der Anwendung von Art. 23 GG bereits ausreichend praktische Erfahrungen über die Handhabbarkeit der Regelung und ihre Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit Deutschlands in der Europäischen Union vorliegen sollten. Zudem bedarf nunmehr die Frage einer Klärung, ob sich die Hoffnungen der Länder auf eine Stärkung ihrer Stellung im Bundesstaat mit der Regelung des Art. 23 GG und den dazugehörigen Ausführungsgesetzen erfüllt haben und ob sie sich angesichts des Fortschreitens der Integration – mittlerweile sind nach dem Vertrag von Maastricht weitere Reformprozesse durch den Amsterdamer Vertrag35, den Vertrag von Nizza36 sowie den Vertrag über eine Verfassung für Europa37 eingeläutet worden – in Zukunft weiterhin erfüllen können. In der Vergangenheit bildeten die Erfahrungen der Staatspraxis stets den Grund und das Motiv für den Ruf nach Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen.38 Insofern stellt sich die Frage, ob die praktischen Erfahrungen mit Art. 23 GG ebenfalls eine Anpassung der Regelung erfordern. Dass es sich dabei um eine Frage von großer Aktualität handelt, wird verdeutlicht durch die Tatsache, dass sich auch die im Oktober 2003 eingesetzte „Gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ (im Weiteren: Bundesstaatskommission)39 mit ___________ 13.06.2005), der von einem „Monsterartikel“ spricht sowie Prantl, SZ v. 13./14.11. 2004, S. 10 (Showdown in Stoibers Neuschwanstein). 30 Everling, DVBl. 1993, 936 (945). Ähnlich auch Häberle, VVDStRL 53 (1994), S. 147 (Aussprache). 31 Voscherau, Arbeitspapiere zur internationalen Politik, Bd. 71 (1992), 30 (33). 32 Oppermann/Classen, NJW 1993, 5 (12); Oppermann, Arbeitspapiere zur internationalen Politik, Bd. 71 (1992), 7 (15). 33 Vgl. beispielsweise Halfmann, Europäische Integration; König, Integrationsprozeß; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß; Pröpper, Europapolitische Willensbildung; Meißner, Kompetenzkompensation; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit. 34 Ausführlich zur Praxis nur Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen; v. Dewitz, Der Bundesrat; ders., Praxisbericht. 35 Gesetz zum Vertrag von Amsterdam v. 02.10.1997, BGBl. II 1998, S. 386. 36 Gesetz zum Vertrag von Nizza v. 26.02.2001, BGBl. II 2001, S. 1666. 37 Vertrag über eine Verfassung für Europa, ABl. 2004 C 310, S. 1 ff. 38 Halfmann, Europäische Integration, S. 25. 39 Vgl. Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf Einsetzung einer gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, BT-Drs. 15/1685; angenommen am 16.10. 2003, Stenographisches Protokoll, 66. Sitzung des Bundestages v. 16.10.2003, S. 5618

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ihr beschäftigt hat. Aufgabe der Bundesstaatskommission war es unter anderem, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern sowie die Effizienz der Aufgabenerfüllung gerade „auch vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung der Europäischen Union“ zu überprüfen.40 Mit Blick auf die Erweiterung der Union im Mai 2004 um weitere zehn Mitgliedstaaten sollte erörtert werden, inwiefern sich die Regelung des Art. 23 GG bewährt hat und wie gegebenenfalls sichergestellt werden kann, dass die Bundesrepublik auch zukünftig auf europäischer Ebene handlungsfähig bleibt. Dieser Frage soll auch in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Schließlich hat die föderale Struktur der Bundesrepublik – abgesehen von der Frage der Auswirkungen des Integrationsprozesses auf die Länderstaatlichkeit und der Mitwirkung der Bundesländer in EU-Angelegenheiten – auch Einfluss auf die Umsetzung europäischer Verpflichtungen, wie z.B. der von Richtlinien, in innerstaatliches Recht. So wurde in der Vergangenheit die Frage ausführlich diskutiert, ob dem Bund oder den Ländern die Umsetzung von EGRichtlinien zusteht, deren Regelungsvorgaben Bereiche berühren, die innerstaatlich in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fallen.41 In der Praxis wurden dagegen seit Erlass der ersten Richtlinien die Kompetenzregelungen des Grundgesetzes analog herangezogen, so dass sich die Zuständigkeit seit jeher nach Art. 70 ff. GG bestimmt. Aktuell wird aber gerade die daraus resultierende Zuständigkeitsverflechtung zwischen Bund und Ländern bei der Umsetzung europäischer Vorgaben zunehmend in Frage gestellt. Wiederholt wurde zuletzt darauf hingewiesen, dass die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern dazu führe, dass Deutschland bei der Erfüllung seiner Umsetzungsverpflichtungen große Schwierigkeiten habe. Die Bundesrepublik habe sich in Fragen der Richtlinienumsetzung vom Musterknaben zum EU-weiten Schlusslicht entwickelt.42 Aus diesem Grunde hatte die Bundesstaatskommission auch die Aufgabe, im Rahmen der Überprüfung der „Europafähigkeit“ des deutschen Föderalismus zu untersuchen, ob die föderale Struktur der Bundesrepublik der ordnungsgemäßen Erfüllung europäischer Verpflichtungen hinderlich ist und bejahendenfalls ___________ (B) sowie Antrag aller Länder auf Einsetzung einer gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, BR-Drs. 750/03; angenommen am 17.10.2003, Stenographisches Protokoll, 792. Sitzung des Bundesrates v. 17.10.2003, S. 359 (A). 40 Einsetzungsbeschluss des Bundestages, BT-Drs. 15/1685, S. 1 bzw. des Bundesrates, BR-Drs. 750/03, S. 2. Vgl. auch Schmidt-Bleibtreu/Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Einl., Rn. 66. 41 Vgl. dazu m.w.N. Haslach, DÖV 2004, S. 12 ff.; ders., Richtlinienumsetzung, S. 46 ff.; Grabitz, AöR 111 (1986), S. 1 ff. 42 So beispielsweise Geiger, Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 156; Spreen, Bundeskompetenz, S. 33.

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Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Mit der vorliegenden Arbeit soll auch diese Frage behandelt werden. Ingesamt ist damit das Grundgesetz mit Blick auf die europäischen Aufgaben und Verpflichtungen – insbesondere in seinen bundesstaatlichen Ausprägungen – auf den Prüfstand zu stellen. Der deutsche Bundesstaat verkörpert kein festes Modell, sondern ist in besonderem Maße von den jeweiligen Gegebenheiten abhängig, die einem ständigen Wandel unterliegen.43 Gerade der europäische Integrationsprozess hat immer wieder Auswirkungen auf die föderale Struktur Deutschlands gezeitigt. Er ist damit eine der größten Herausforderungen für die Dynamik des föderativen Systems der Bundesrepublik Deutschland.44 Auch die zukünftige europäische Verfassung wird Einfluss auf die Position der Bundesrepublik in den europäischen Entscheidungsgremien sowie die Stellung der deutschen Länder in der Europäischen Union und damit den Bundesstaat des Grundgesetzes haben. Insofern ist es angesichts dieser fortschreitenden europäischen Entwicklung erneut notwendig, der Frage nachzugehen, inwieweit das Grundgesetz den dadurch entstandenen Anforderungen noch gerecht wird und zukünftig gerecht werden kann.

___________ 43 44

Heckel, Überstaatliche Gemeinschaftsbildung, S. 17. Kilper/Lhotta, Föderalismus, S. 211 f.

B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung Die Bundesländer wirken sowohl bei der Setzung primären und sekundären Gemeinschaftsrechts als auch bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in nationales Recht mit. Wie sich die Mitwirkung der Länder in diesen beiden Bereichen gestaltet, soll im Folgenden überblicksartig dargestellt werden. Ein Schwerpunkt ist dabei auf Auslegungsschwierigkeiten und Unklarheiten der die Beteiligung regelnden Normen zu legen, um im Anschluss die durch diese Schwierigkeiten in der Praxis entstehenden Probleme herauszuarbeiten.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG1 Die Ländermitwirkung gemäß Art. 23 GG ist das Ergebnis einer längeren Entwicklung der Beteiligung der Länder in Angelegenheiten der Europäischen Union. An ihrem Anfang stand die anlässlich der Ratifizierung des Montanunion-Vertrages im Jahre 1951 erhobene Forderung der Länder nach gesetzlich verankerten Mitwirkungsrechten bei der Willensbildung des Bundes in europäischen Angelegenheiten.2 1957 wurde in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen3 ein Informationsanspruch von Bundestag und Bundesrat und eine damit korrespondierende Informationsverpflichtung der Bundesregierung aufgenommen. Von einer wirklichen Mitwirkung der Bundesländer konnte damit aber noch keine Rede sein.4 Die Bundesländer beharrten deshalb in der Folgezeit auf ihren Forderungen. Zwar führte dies lange Zeit nicht zu gesetzlichen Regelungen, es entwickelten sich in der Praxis aber vielfältige Formen der Zusammen-

___________ 1 Ausführliche Darstellungen zu Art. 23 GG unter anderem bei König, Integrationsprozeß, S. 294 ff.; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß; Pröpper, Europapolitische Willensbildung; Meißner, Kompetenzkompensation, S. 242 ff.; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 71 ff. 2 Dazu schon unter A. 3 Gesetz zu den Verträgen v. 25.03.1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft, BGBl. II 1957, S. 753. 4 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 239; Tauras, Mitwirkung der Regionen, S. 51; Hrbek/Weyand, Europa der Regionen, S. 88; Neßler, EuR 1994, 216 (218); Rudolf, FS Hans-Jürgen Schlochauer, S. 124 ff.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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arbeit5, die beispielsweise auch die Entsendung von Ländervertretern in Gremien der Gemeinschaft umfassten.6 Erweitert und auf eine neue Grundlage gestellt wurde die Bund-Länder-Kooperation durch einen Brief des damaligen Bundeskanzlers Schmidt an den damaligen Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder Rau vom 19.09.19797, in welchem sich der Bund nicht nur zur umfassenden Information der Länder über alle Vorlagen an den Ministerrat verpflichtete, sondern auch dazu, im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der Länder von deren Standpunkt nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abzuweichen.8 Das Verfahren brachte die Notwendigkeit mit sich, Einstimmigkeit zwischen den Ländern bei den einzelnen EG-Vorhaben zu erzielen, was in der Praxis aber kaum möglich war.9 Seit 1979 vertiefte und erweiterte sich der europäische Integrationsprozess durch die Tätigkeit der Gemeinschaftsorgane stetig10 und erhöhte damit das Potential, in Politikbereiche, die innerstaatlich in ausschließlicher Länderzuständigkeit lagen, hineinzuwirken.11 In der Folgezeit verfestigte sich daher bei den Ländern die Auffassung, dass das bisherige Länderbeteiligungsverfahren seinen Zweck nicht mehr erfüllte. Anlässlich der Ratifizierung des Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte konnten die Länder erneut erweiterte Mitwirkungsrechte in Gemeinschaftsangelegenheiten durchsetzen, die in Art. 2 des Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) vom 28.02.198612 verankert wurden.13 Vorgesehen war ein mehrfach gestuftes Ver___________ 5 Ausführlich dazu Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 49 ff.; Borchmann, AöR 122 (1987), 586 (588 ff.); Hrbek, Länder im EG-Entscheidungsprozess, S. 24 ff. 6 Dazu Neßler, EuR 1994, 216 (218); Borchmann, AöR 122 (1987), 586 (592). 7 Abgedruckt bei Hrbek, Die Beteiligung der deutschen Länder, S. 31 f. und Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 153 ff. 8 BVerfG, Urt. v. 22.03.1995, E 92, 203 (233); Neßler, EuR 1994, 216 (218); Haas, DÖV 1988, 613 (616 f.). Ausführlich zu diesem Verfahren Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 240; Zwicker, Als Bundesstaat in der Europäischen Union, S. 90 ff.; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 52 ff.; Rudolf, FS Hans-Jürgen Schlochauer, S. 131 ff. 9 Tauras, Mitwirkung der Regionen, S. 52; Hrbek/Weyand, Europa der Regionen, S. 88. 10 Ziller, EG-politische Mitwirkung, S. 98; Neßler, EuR 1994, 216 (219). 11 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 240. 12 Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28.02.1986, BGBl. II 1986, S. 1102. 13 Zum Verfahren und den damals erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken Zwicker, Als Bundesstaat in der Europäischen Union, S. 103 ff.; Kilper/Lhotta, Föderalismus, S. 216 ff.; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 63 ff.; Frowein, Europäische Einigung, S. 291 ff.; Blanke, Eigenstaatlichkeit und Europäische Integration, S. 63 ff.; Borchmann, DÖV 1988, 623 (624 ff.); Haas, DÖV 1988, 613 (617 ff.). Kritisch zur Begründung eines Junktims zwischen der Zustimmung zur EEA und der Regelung der

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

fahren der Länderbeteiligung, das neben Informationspflichten der Bundesregierung14 das Recht des Bundesrates zur Abgabe von Stellungnahmen15 und die Möglichkeit, Ländervertreter in die Beratungsgremien des Rates und der Kommission zu entsenden16, vorsah. Schließlich wurde im Zusammenhang mit den Verpflichtungen aus dem Vertrag von Maastricht eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Die deshalb erforderliche Qualifizierung des Ratifizierungsgesetzes als Zustimmungsgesetz gemäß Art. 79 Abs. 2 GG versetzte die Länder in eine vorteilhafte Verhandlungsposition, die dazu führte, dass sie nochmals vertiefte Mitwirkungsrechte im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften erstreiten konnten.17 Diese sind heute detailliert in Art. 23 GG18, in dem auf Grund von Art. 23 Abs. 7 GG erlassenen Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12.03.1993 (EUZBLG)19 und in der auf Grund von § 9 EUZBLG getroffenen Bund-Länder-Vereinbarung vom 29.10. 1993 (BLV)20 enthalten. Neben der Beteiligung des Bundesrates bei der Übertragung von Hoheitsrechten wurde ein gestuftes Länderbeteiligungsverfahren eingerichtet, das ausgehend von einer frühestmöglichen Unterrichtung des Bundesrates durch die Bundesregierung, über eine einfache und eine maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates bis hin zu einer Übertragung der Wahrnehmung der gemeinschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte auf einen Ländervertreter reicht.

___________ Beteiligung der Länder zur Hausen, EuR 1987, 322 (323, Fn. 5), anders dagegen Morawitz, Zusammenarbeit von Bund und Ländern, S. 51. 14 Art. 2 Abs. 1 EEAG. 15 Art. 2 Abs. 3 EEAG. 16 Art. 2 Abs. 5 EEAG. 17 Calliess, Innerstaatliche Mitwirkungsrechte, S. 14; Benz, DÖV 1998, 881 (888); Meißner, Kompetenzkompensation, S. 242; Badura, Prozeß der europäischen Integration, S. 6. Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 187 f. spricht in diesem Zusammenhang von einer für die Bundesländer günstigen „Erpresserkonstellation“; Kalbfleisch-Kottsieper, DÖV 1993, 541 (545) vom „Drohszenario des Ratifizierungsvorbehalts“. Ähnlich auch Prantl, SZ v. 13./14.11.2004 , S. 10 (Showdown in Stoibers Neuschwanstein). 18 Art. 23 GG eingeführt durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.12.1992, BGBl. I 1992, S. 2086. 19 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union, BGBl. I 1993, S. 313. 20 Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union in Ausführung von § 9 EUZBLG, Fassung vom 08.06.1998, abgedruckt in Bundesanzeiger v. 08.07. 1998, Nr. 123, S. 9433.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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1. Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG ermächtigt den Bund, zum Zwecke der Mitwirkung bei der Entwicklung der Europäischen Union durch Gesetz Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, wobei in jedem Fall die Zustimmung des Bundesrates zu dem Übertragungsgesetz erforderlich ist. Ein Hoheitsrecht ist jede Kompetenz zur Ausübung öffentlicher Gewalt im innerstaatlichen Bereich.21 Das Zustimmungserfordernis gilt unabhängig davon, ob Länder- oder Bundeszuständigkeiten übertragen werden oder ob grundgesetzlich anderweitig als zustimmungsbedürftig klassifizierte Gebiete betroffen sind oder nicht.22 Der Begriff der Übertragung ist in zwei Teile aufzuspalten: in die Kompetenzzuweisung an die außerstaatliche Instanz und in die Rücknahme des Ausschließlichkeitsanspruchs der staatlichen Rechtsordnung in Bezug auf die innerstaatliche Regelung des betreffenden Sachbereichs.23 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob zur Verabschiedung des Übertragungsgesetzes die einfache Mehrheit im Bundestag gemäß Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG und im Bundesrat gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GG ausreicht oder ob sie mit Blick auf Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG einer verfassungsändernden Mehrheit bedarf.24 Nach dieser Regelung gilt für die Begründung der Europäischen Union sowie für die Änderung ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen25, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, Art. 79 Abs. 2 und 3 GG. Die Beantwortung dieser Frage ist gerade für die Fälle europapoliti___________ 21

Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 83; R. Geiger, JZ 1996, 1093 (1094); Hölscheidt/Schotten, DÖV 1995, 187 (190). Umfassend zum Begriff des „Hoheitsrechts“ Flint, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 89 ff. 22 Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 23 GG; König, Integrationsprozeß, S. 294; Rn. 15; Meißner, Kompetenzkompensation, S. 246; W. Fischer, ZParl 1993, 32 (39); Scholz, NVwZ 1993, 817 (821). 23 BVerfG, Beschluss v. 29.05.1974, E 37, 271 (280); Beschluss v. 23.06.1981, E 58, 1(28); Beschluss v. 22.10.1986, E 73, 339 (374); Hobe, in: Friauf/Höfling, Art. 23 GG, Rn. 41; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 GG, Rn. 18; Zuleeg, in: AK, Art. 23 GG, Rn. 45; R. Geiger, JZ 1996, 1093 (1094); Hölscheidt/Schotten, DÖV 1995, 187 (190); Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 30 ff. Umfassend zum Begriff der „Übertragung“ Flint, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 112 ff. 24 Ausführliche Darstellung des Verhältnisses von Art. 23 Abs. 1 S. 2 und S. 3 GG bei König, Integrationsprozeß, S. 295 ff. 25 „Vergleichbare Regelungen“ sind insbesondere Evolutivklauseln, durch die materielle Änderungen der Verträge auf Grund eines einstimmigen Beschlusses des Rates, aber ohne Regierungskonferenzverfahren ermöglicht werden, z.B. Art. 42 EUV zur Überführung weiterer Kompetenzen im Bereich Polizei und Justiz in die Gemeinschaftsmethode oder Beschlüsse nach Art. 269 EG zum System der Eigenmittel, vgl. Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 353; Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 77; Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 90.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

scher Differenzen zwischen Regierungspartei(en) und Opposition oder zwischen Bund und Ländern von besonderer Bedeutung, da bei Erforderlichkeit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat die Gefahr einer zeitweiligen Blockade des künftigen Integrationsprozesses besteht. Zu untersuchen ist damit das Verhältnis von Art. 23 Abs. 1 S. 2 und S. 3 GG, das in seinen Einzelheiten äußerst unklar ist und deshalb zu unterschiedlichen Auslegungen Anlass gibt. Im Wesentlichen stellen sich in diesem Zusammenhang drei Fragen: 1. ob Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG auf jede Änderung oder Ergänzung des Maastrichter Vertrages anwendbar ist, 2. vorausgesetzt, dass nur Änderungen oder Ergänzungen erfasst werden, die das Grundgesetz seinem Inhalt nach ändern oder ergänzen oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglichen, ob sich der Anwendungsbereich des Satzes 3 auf Hoheitsrechtsübertragungen beschränkt oder auch andere verfassungsrelevante Änderungen einbezieht, und schließlich 3. ob alle Hoheitsrechtsübertragungen verfassungsändernden Charakter haben und damit immer der Zustimmung mit Zweidrittelmehrheit gemäß Satz 3 bedürfen.

a) Verfassungsbedeutung der Änderung oder Ergänzung Die erste Frage wäre zu bejahen, wenn sich der Relativsatz „durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird“ nur auf die „vergleichbare(n) Regelungen“ und nicht auch auf die „Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen“ bezöge. Insofern hilft die Entstehungsgeschichte der Norm weiter. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung fehlte der Zusatz „und vergleichbare Regelungen“, so dass sich der Relativsatz ursprünglich eindeutig auf die „Änderungen“ bezog.26 Demnach gilt Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG nicht für sämtliche Änderungen des Maastrichter Vertrages, sondern nur für diejenigen, die Auswirkungen auf den Inhalt des Grundgesetzes haben können.27 Die Verabschiedung des Übertragungsgesetzes bedarf also nicht in jedem Fall einer verfassungsändernden Mehrheit. Vielmehr ist, solange eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes nicht stattfindet bzw. eine solche auch nicht ermöglicht wird, nur die einfache Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig.

___________ 26 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)“, BT-Drs. 12/3896, 5. Darauf weist auch hin König, Integrationsprozeß, S. 297. 27 Streinz, in: Sachs, Art. 23, Rn. 72; Hölscheidt/Schotten, DÖV 1995, 187 (189); Oschatz/Risse, DÖV 1995, 437 (438 f.).

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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b) Erfordernis einer Hoheitsrechtsübertragung Damit schließt sich die Frage an, ob sich Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG, ebenso wie Satz 2, nur auf Hoheitsrechtsübertragungen bezieht oder ob auch andere verfassungsrelevante Änderungen erfasst werden. Zu denken ist insofern an Vertragsänderungen, die zwar nicht mit einer Übertragung von Hoheitsrechten verbunden sind, aber durch eine Änderung der Stellung Deutschlands in der Gemeinschaft zu einer Verringerung des deutschen Einflusses und infolgedessen zu einem weiteren Souveränitätsverlust führen.28 Beispielhaft seien hier die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im Rat der Europäischen Union auf Sachbereiche, in denen bislang einstimmig entscheiden wurde, sowie der Beitritt weiterer Staaten zur Gemeinschaft genannt. Wiederum ist die Beantwortung dieser Fragestellung gerade mit Blick auf den Einfluss des Bundesrates auf den europäischen Integrationsprozess und die Gefahr einer Blockade bei einer solchen Auslegung von Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG von Interesse. Sollten allein verfassungsrelevante Änderungen genügen, ohne dass es sich zugleich auch um eine Hoheitsrechtsübertragung handeln muss, wäre der Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG erheblich erweitert. Teile der Literatur sprechen sich für eine solche Auslegung aus.29 Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG enthalte keinen Hinweis darauf, dass der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf die Übertragung von Hoheitsrechten beschränkt sein soll, obschon es formulierungstechnisch nicht schwierig gewesen wäre, dies im Gesetzestext explizit niederzulegen.30 Darüber hinaus sei es Sinn und Zweck der Regelung des Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG allen Vertragsdurchbrechungen vorzubeugen.31 Im Übrigen werde, wenn davon ausgegangen wird, dass die Übertragung von Hoheitsrechten durch Mitwirkungsrechte kompensiert werden kann, nicht allein auf die formale Einräumung von Durchgriffsrechten, sondern zugleich auf den damit einhergehenden materiellen Gesichtspunkt des Verlustes nationaler Entscheidungsspielräume verwiesen.32 Damit komme es also auch entscheidend auf den Einfluss nationaler Entscheidungsträger auf die Ausübung der Gemeinschaftsbefugnisse an, welcher z.B. durch die Einführung von Mehr___________ 28

Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 23 GG, Rn. 16; Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 73 f. 29 Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 23 GG, Rn. 16; Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 73 f.; R. Geiger, JZ 1996, 1093 (1097); Hölscheidt/Schotten, DÖV 1995, 187 (189 f.). Ähnlich Bothe/Lohmann, ZaöRV 58 (1998), 1 (34 ff.), welche die Schwelle für die Bejahung einer Hoheitsrechtsübertragung im Rahmen der Europäischen Union niedriger ansetzen. 30 Hölscheidt/Schotten, DÖV 1995, 187 (189). 31 Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 73; Hölscheidt/Schotten, DÖV 1995, 187 (189). 32 Bothe/Lohmann, ZaöRV 58 (1998), 1 (35).

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

heitsentscheidungen oder den Beitritt weiterer Staaten zur Union verringert werde.33 Gegen eine solche Interpretation spricht allerdings der unmittelbare Sinnzusammenhang zwischen Satz 2 und Satz 3, der darauf schließen lässt, dass es sich bei den durch den Relativsatz qualifizierten Vertragsänderungen um Hoheitsrechtsübertragungen handeln muss.34 Satz 2 enthält die grundsätzliche Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten, wohingegen in Satz 3 die Modalitäten derselben unter anderem in Form des Erfordernisses einer verfassungsändernden Mehrheit festgelegt werden.35 Ferner ist es Sinn und Zweck der Regelung von Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG klarzustellen, dass inhaltliche Änderungen des Grundgesetzes, die durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die europäischen Organe bewirkt werden, nicht mehr, wie in Art. 24 Abs. 1 GG vorgesehen, durch einfaches Gesetz legitimiert werden können, sondern vielmehr wie jede andere Verfassungsänderung der gemäß Art. 79 Abs. 2 GG erforderlichen Mehrheit bedürfen.36 Dagegen kann nicht schon der Verlust von Einflussmöglichkeiten genügen, um das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit auszulösen, da die Mitwirkung am europäischen Integrationsprozess zwangsläufig mit dem Verzicht auf eigene Entscheidungsbefugnisse verbunden ist.37 Letztlich ist der faktische Verlust von Einflussmöglichkeiten auch schwer zu gewichten und kann darüber hinaus auf eine Reihe von Ursachen zurückzuführen sein.38 Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass vieles dafür spricht, dass Satz 2 und Satz 3 des Art. 23 Abs. 1 GG eine Einheit bilden. Daraus ist zu folgern, dass das Zustimmungserfordernis mit verfassungsändernder Mehrheit gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG nur ausgelöst wird, wenn die Änderung oder Ergänzung des Maastrichter Vertrages mit der Übertragung weiterer Hoheitsrechte auf die Europäische Gemeinschaft verbunden ist und zudem eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes bewirkt bzw. bewirken kann.

___________ 33

Bothe/Lohmann, ZaöRV 58 (1998), 1 (35 f.); R. Geiger, JZ 1996, 1093 (1097). Zuleeg, in: AK, Art. 23 GG, Rn. 48; König, Integrationsprozeß, S. 298. 35 Vgl. auch Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 21, wo es heißt: „Die Sätze 2 und 3 des Absatzes 1 regeln die Rahmenbedingungen, unter denen der Bund Hoheitsrechte auf die europäische Ebene übertragen kann“. 36 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)“, BT-Drs. 12/3896, S. 18. Entsprechend König, Integrationsprozeß, S. 298 f.; Scholz, NVwZ 1993, 817 (821). 37 König, Integrationsprozeß, S. 299. 38 Zuleeg, in: AK, Art. 23 GG, Rn. 48. 34

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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c) Verfassungsändernde Bedeutung der Hoheitsrechtsübertragung Zu erörtern bleibt damit nur noch die Frage, wann Letzteres zu bejahen ist, wann also eine Hoheitsrechtsübertragung das Grundgesetz ändert oder ergänzt. Einerseits wird argumentiert, dass jede Hoheitsrechtsübertragung das Grundgesetz ändere.39 Andererseits wird darauf hingewiesen, dass Satz 2 neben Satz 3 einen eigenen Anwendungsbereich haben müsse und deshalb bestimmte Hoheitsrechtsübertragungen nur eines einfachen Zustimmungsgesetzes bedürften.40 Folgte man der erstgenannten Ansicht, wäre der Einfluss des Bundesrates auf den Integrationsprozess nicht unerheblich, da dann bei jeder Übertragung von Hoheitsrechten eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat gemäß Art. 79 Abs. 2 GG erforderlich würde. Für diese Auffassung spricht, dass sie sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Fall „Eurocontrol“ stützen kann, wonach die Übertragung von Hoheitsrechten stets in die verfassungsrechtlich festgelegte Kompetenzordnung eingreife und somit eine materielle Verfassungsänderung bewirke.41 Hinzu kommt, dass der Relativsatz allein auf inhaltliche Änderungen oder Ergänzungen abstellt, ohne nach ihrer Gewichtigkeit zu differenzieren.42 Andererseits könnte so Satz 2 überflüssig werden. Die entgegenstehende Auffassung stützt sich deshalb darauf, dass dies nicht die Absicht des verfassungsgebenden Gesetzgebers gewesen sein könne. Mit Rücksicht auf die Verwirklichung des vereinten Europas, welcher durch das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit unnötige Erschwernisse in den Weg gelegt würden, sei zwischen Hoheitsrechtsübertragungen mit der materiellen Qualität einer Verfassungsänderung und solchen ohne derartige Qualität zu unterscheiden.43 Dagegen spricht jedoch, dass es an klaren Abgrenzungskriterien in Bezug auf Hoheitsrechtsübertragungen mit und ohne Verfassungsänderungsqualität fehlt und zudem eine solche Unterscheidung in den übrigen Vorschriften des Grundgesetzes und in der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 24 Abs. 1 ___________ 39

Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 23 GG, Rn. 16; Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 65; Rojahn, in: von Münch/Kunig, Art. 23 GG, Rn. 47; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 23 Abs. 1 GG, Rn. 21; Bothe/Lohmann, ZaöRV 58 (1998), 1 (5 ff., 21); Breuer, NVwZ 1994, 417 (423); Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 81 ff.; Everling, DVBl. 1993, 936 (943 f.); W. Fischer, ZParl 1993, 32 (39 f.); Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (707). 40 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 GG, Rn. 23; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 83; ders., NVwZ 1993, 817 (821 f.); Schotten, VR 1993, 89 (91). 41 BVerfG, Beschluss v. 23.06.1981, E 58, 1 (36). 42 König, Integrationsprozeß, S. 304; Breuer, NVwZ 1994, 417 (423). 43 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 83; Zuleeg, in: AK, Art. 23 GG, Rn. 47; Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 92; Schotten, VR 1993, 89 (91); Hobe, in: Friauf/Höfling, Art. 23 GG, Rn. 49.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

GG keine Anhaltspunkte findet.44 Dies entspricht auch der Auffassung der Gemeinsamen Verfassungskommission (GVK)45, wonach der Verweis auf Art. 79 Abs. 2 GG alle Hoheitsrechtsübertragungen erfasst, ohne Rücksicht darauf, ob „wesentliche Strukturen“ des Grundgesetzes betroffen sind oder nicht.46 Schließlich wird Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG durch eine solch weite Auslegung keinesfalls überflüssig, da er eine spezielle Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten enthält und im Übrigen für diese die Gesetzesform anordnet sowie den Erlass des Gesetzes an die Zustimmung des Bundesrates bindet.47 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG auf Grund der aufgezeigten Unklarheiten nicht wenig Konfliktpotential für die Praxis birgt. Nach dem Gesagten erscheint es vorzugswürdig, wenn zukünftige Hoheitsübertragungen auf die Europäische Gemeinschaft, die im Wege der Änderung des Maastrichter Vertrages erfolgen, in jedem Fall der verfassungsändernden Mehrheiten in Bundesrat und Bundestag bedürfen, da sie immer zugleich eine Änderung des Grundgesetzes bedeuten. Satz 2 und Satz 3 bilden auch in dieser Beziehung eine Einheit. Somit hätte der Bundesrat mit der Einführung von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Schaffung von Primärrecht und damit den europäischen Integrationsprozess erhalten.

2. Mitwirkung und Unterrichtung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 2 GG a) Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG als allgemeine Aufgabenzuweisungsnorm Zunächst enthält Art. 23 Abs. 2 GG in seinem Satz 1 eine generelle Entscheidung, wonach im nationalen Innenverhältnis die Angelegenheiten der Europäischen Union nicht allein Sache der Bundesregierung sind48, sondern der ___________ 44

König, Integrationsprozeß, S. 306 f. Art. 23 GG beruht ganz wesentlich auf den Vorschlägen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat. Eine Aufgabe der GVK war die Erarbeitung von Vorschlägen für die mit dem Vertrag von Maastricht notwendig erachteten Grundgesetzänderungen. Daneben sollte sie v.a. die mit dem vereinigten Deutschland aufgetretenen verfassungsrechtlichen Fragen lösen. Vgl. zur Arbeit der GVK ausführlich Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 127 ff.; Schmalenbach, Gemeinsame Verfassungskommission. Kritisch zur Zusammensetzung und Arbeitsweise der GVK Benz, DÖV 1993, S. 881 ff. 46 Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 20. 47 Bothe/Lohmann, ZaöRV 58 (1998), 1 (7). 48 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)“, BT-Drs. 12/3896, S. 19; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 109. 45

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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Mitwirkung des Bundestages und des Bundesrates unterliegen. Dadurch bringt der Verfassungsgeber zum Ausdruck, dass er die Europapolitik nicht mehr der klassischen Außenpolitik im Sinne des Art. 32 Abs. 1 GG zuordnet, sondern sich das Leitbild der Länder von der „europäischen Innenpolitik“ zu Eigen gemacht hat.49 Zugleich stellt das Grundgesetz hierdurch klar, dass die innerstaatliche Beteiligung der Länder am Meinungsbildungsprozess in Angelegenheiten der Europäischen Union durch den Bundesrat mediatisiert wird und nicht auf Ebene der zur Einstimmigkeit verpflichteten unmittelbaren Länderbeteiligung erfolgt.50 Damit werden Lehren aus der Praxis der Ländermitwirkung in europäischen Angelegenheiten seit den 50er Jahren gezogen, wo ein Handeln der Länder „zur gesamten Hand“ wenig erfolgreich war.51 Diese Grundentscheidung wird in Art. 23 Abs. 4 GG und § 1 EUZBLG nochmals ausdrücklich bekräftigt. Auch in Art. 50 GG findet die Mitwirkung der Länder über den Bundesrat ihren Niederschlag. Eine Konkretisierung der gleichsam vor die Klammer gezogenen allgemeinen Aufgabenzuweisungsnorm des Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG findet in den Absätzen 4 bis 6 des Art. 23 GG statt. Art. 23 Abs. 2 S. 1 und Art. 50 GG sprechen von der Mitwirkung der Länder durch den Bundesrat in „Angelegenheiten der Europäischen Union“. Dieser Begriff ist nicht näher spezifiziert und an dieser Stelle bewusst so weit gefasst worden.52 Es umfasst alle politischen, legislativen, administrativen und judikativen Aktivitäten, die der EU-Vertrag oder die anderen Gemeinschaftsverträge insgesamt als Handlungsformen der Gemeinschaft vorsehen.53

___________ 49

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)“, BT-Drs. 12/3896, S. 19; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 109; Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 97; Kokott, DVBl. 1996, 937 (938); Oschatz/Risse, DÖV 1995, 437 (441); Badura, FS Konrad Redeker, S. 124 f.; Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (708). 50 Halfmann, Europäische Integration, S. 79; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 109, 119; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 89. 51 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 7 f. 52 Halfmann, Europäische Integration, S. 81; König, Integrationsprozeß, S. 334; Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 98. 53 Halfmann, Europäische Integration, S. 81; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 116 ff.; Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 100.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

b) Die Unterrichtung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG Um den Bundesrat in die Lage zu versetzen, seinen Beteiligungsrechten und -pflichten nachzukommen, sieht Art. 23 Abs. 2 GG in Satz 2 des Weiteren die Pflicht der Bundesregierung vor, neben dem Bundestag den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Hierbei handelt es sich um eine im Verhältnis zu Art. 53 S. 3 GG speziellere Regelung, welche die bereits bestehende Informationspflicht der Bundesregierung spezifiziert.54 In § 2 EUZBLG erfolgt die Konkretisierung der Pflicht zur Unterrichtung des Bundesrates dahingehend, dass sie sich auf alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union erstreckt, „die für die Länder von Interesse sein könnten“. Der letzte Halbsatz dieser Formulierung ist allerdings nicht als Einschränkung der Informationspflicht der Regierung gegenüber Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG zu verstehen und wird in der Praxis dementsprechend weit ausgelegt.55 Die Gegenstände, welche von der Unterrichtungspflicht erfasst sind, sind im Einzelnen in Ziffer I. 1. BLV aufgeführt. Die Unterrichtung muss gemäß Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG, § 2 EUZBLG umfassend sein und zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Das Erfordernis einer „umfassenden“ Unterrichtung stellt sicher, dass dem Bundesrat alle der Bundesregierung zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zugänglich gemacht werden.56 Angesichts der Informationsflut im Rahmen der europäischen Rechtssetzung und Politik sollte der Umfang der Informationen allerdings faktisch bewältigbar bleiben und der Bedeutung der jeweiligen Angelegenheit entsprechen.57 „Frühestmöglich“ erfolgt die Unterrichtung, wenn sie vor der Beschlussfassung im Rat und auch vor Festlegung des Abstimmungsverhaltens der Bundesregierung stattfindet. Soweit möglich muss auch über Vorentwürfe der EUKommission informiert werden, da ein effektiver Einfluss auf die Gemeinschaftsrechtssetzung oft nur in diesem Stadium ausgeübt werden kann.58 Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG stellt dem Bundesrat mithin den denkbar weitest gehenden und zudem einen verfassungsrechtlich verbürgten Informationsanspruch ___________ 54 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 128; Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 102. 55 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 299; König, Integrationsprozeß, S. 337. 56 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 131. 57 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 GG, Rn. 50; Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 94; Halfmann, Europäische Integration, S. 98; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 131. 58 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 GG, Rn. 50; Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 96.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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zur Seite. Die danach übermittelten Informationen bilden gleichsam das Fundament, auf dem der Bundesrat seine Willensbildung und Mitwirkung im Sinne der Absätze 5 und 6 aufzubauen vermag. Insoweit wird durch die Informationsverpflichtung der Bundesregierung eine erste Voraussetzung für eine effektive Mitwirkung des Bundesrates geschaffen.59

3. Die Mitwirkung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 4 GG In Konkretisierung der allgemeinen Verpflichtung des Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG ist der Bundesrat nach Art. 23 Abs. 4 GG an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären. Diese Bestimmung stellt als „Leitsatz der Mitwirkungsregelung“60 diejenigen Grundsätze auf, nach denen der Bundesrat an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen ist. Unterschieden werden dabei zwei Beteiligungsalternativen: Variante 1 erfasst zum einen alle Gegenstände der Bundesgesetzgebung61, da der Bundesrat gemäß Art. 50, 77 GG nicht nur bei Zustimmungs-, sondern auch bei Einspruchsgesetzen mitwirkt, zum anderen Verwaltungsmaßnahmen des Bundes gemäß Art. 86 ff. GG, welche der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.62 Variante 2 bezieht darüber hinaus alle Materien ein, für die den Ländern die Gesetzgebungs- oder Verwaltungskompetenz zusteht.63 Des Weiteren ergibt sich aus Art. 23 Abs. 4 GG, dass es sich bei der geplanten europäischen Maßnahme um eine Regelung handeln muss, die überhaupt als innerstaatliche Maßnahme ergehen könnte und als solche Mitwirkungsrechte des Bundesrates nach sich zöge. Dies trifft sicherlich auf den Erlass von Sekundärrecht und die dazugehörigen Durchsetzungsakte zu. Um dem weiten Anwendungsbereich der Grundnorm in Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG zu entsprechen, sind

___________ 59

Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 40; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 146. 60 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 147; W. Fischer, ZParl 1993, 32 (42). Ähnlich Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 22 („Leitsatz für die Mitwirkungsrechte“) und Halfmann, Europäische Integration, S. 99 („Generalnorm“). 61 Gärtner, VR 2004, 404 (405); Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 103; König, Integrationsprozeß, S. 338; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 149; Morawitz/ Kaiser, Zusammenarbeit, S. 92; Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 108; Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (708). 62 König, Integrationsprozeß, S. 338 f. 63 König, Integrationsprozeß, S. 339; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 150; Oschatz/Risse, DÖV 1995, 437 (447); Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 109 ff.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

aber wohl auch vorbereitende Handlungsformen wie Aktionsprogramme, Grünbücher, Weißbücher und Ähnliches erfasst.64 In welcher Form und mit welcher Intensität die Beteiligung erfolgt, wird durch Absatz 4 nicht geregelt, sondern erst in den Absätzen 5 und 6 konkretisiert. Damit statuiert die Vorschrift lediglich, dass unter den dort näher normierten Voraussetzungen der Bundesrat zu beteiligen ist, ohne erkennen zu lassen, wie diese Beteiligung im Einzelnen ausgestaltet sein soll.65 Im Ergebnis bedeutet dies, dass für eine Mitwirkung des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union kumulativ sowohl die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 4 GG als auch diejenigen des Art. 23 Abs. 5 und 6 GG erfüllt sein müssen.66

4. Die Berücksichtigung der Stellungnahmen der Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 GG Art. 23 Abs. 5 GG, § 5 EUZBLG eröffnet dem Bundesrat unter bestimmten Umständen das Recht zur Abgabe von Stellungnahmen in Angelegenheiten der Europäischen Union. Dabei findet eine Abstufung der Stellungnahmerechte je nach Intensität der Rechtsverluste für die Länder durch die geplante europäische Maßnahme statt.67 Dies entspricht dem der Regelung zugrundeliegenden Gedanken, dass die Beteiligung der Länder an der Willensbildung des Bundes einen Ausgleich für den Verlust von Mitwirkungsrechten im Bereich der Bundesgesetzgebung und -verwaltung sowie von Gestaltungs- und Entscheidungsrechten in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich darstellt.68

a) Das einfache Mitwirkungsverfahren gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit der Bund im Übrigen das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates, Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG, § 5 Abs. 1 EUZBLG. Dabei erfasst das ___________ 64 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)“, BT-Drs. 12/3896, S. 20. Entsprechend König, Integrationsprozeß, S. 339; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 147. 65 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 151; Lerche, FS Herbert Schambeck, S. 762. 66 König, Integrationsprozeß, S. 332; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 151; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 94. 67 Halfmann, Europäische Integration, S. 101. 68 Vgl. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, 22. So auch Zuleeg, in: AK, Art. 23 GG, Rn. 54; König, Integrationsprozeß, S. 341.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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Tatbestandsmerkmal der „ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes“ nicht nur den Bereich ausschließlicher Gesetzgebungszuständigkeiten, sondern gleichermaßen auch die bundeseigene Verwaltung gemäß Art. 86 ff. GG sowie alle sonstigen dem Bund zur alleinigen Verantwortung übertragenen Aufgabenfelder.69 Zusätzlich müssen die Länder im Fall der ersten Anwendungsalternative ein Interesse an dem europabezogenen Vorhaben geltend machen, wofür allerdings ausreichend ist, dass ihre Interessen in irgendeiner, auch geringfügigen Art und Weise tangiert werden.70 Angesichts der umfassenden Tätigkeit der Länder in nahezu allen Lebensbereichen berühren fast alle EU-Vorhaben die Interessen der Länder in irgendeiner Weise. Nur für Vorhaben der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) dürfte die Interessenbetroffenheit der Länder meist fehlen.71 § 11 EUZBLG nimmt den gesamten Bereich der GASP aus dem Anwendungsbereich des EUZBLG heraus. Soweit es um den Bereich geht, in dem „im Übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat“, ist die Stellungnahme des Bundesrates dagegen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob eine Interessenberührung feststellbar ist. Angesprochen sind hier die konkurrierende und die Rahmengesetzgebung des Bundes.72 Da in diesem Bereich Kompetenzgegenstände betroffen sind, welche inhaltlich sowohl in die Landes- als auch die Bundeszuständigkeit fallen können, wird das Länderinteresse generell immer berührt.73 Unklar ist dagegen auf den ersten Blick, wann genau der Bund diese Gesetzgebungsrechte im Sinne des Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG innehat. Der Bundesrat war zunächst der Meinung, dass das Mitwirkungsverfahren nach Satz 1 nur dann anwendbar ist, wenn der Bund im Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung von seinem Recht zur Gesetzgebung bereits Gebrauch gemacht hat.74 Danach wäre der Einfluss des Bundesrates ___________ 69

Halfmann, Europäische Integration, S. 102; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 160 f.; Pröpper, Europapolitische Willensbildung, S. 206; Kössinger, Durchführung, S. 56 ff. 70 König, Integrationsprozeß, S. 342; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 162; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 158. 71 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 311; Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 10. 72 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, S. 8; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3540, S. 5 f. (zu § 5 EUZBLG); Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 166; W. Fischer, ZParl 1993, 32(42); Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (708). 73 Halfmann, Europäische Integration, S. 103; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 167. 74 Siehe die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, 12. Vgl. auch Arnold, Beteiligung der Bundesländer, S. 135 f.; Donoth, Bundesstaatliche Ordnung und Verwirklichung der Europäischen Union, S. 205.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

beachtlich, da unter Zugrundelegung dieser Auffassung eine qualifizierte Mitwirkung des Bundesrates nach Satz 2 auch in den Fällen stattfände, in denen die Länder noch die Befugnis zum Erlass eines Gesetzes haben, obwohl dem Bund nach Art. 72 Abs. 2 GG das Recht zur Gesetzgebung zusteht. Gegen eine solche Auslegung ist allerdings der eindeutige Wortlaut von Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG anzuführen, der von einem Recht des Bundes zur Gesetzgebung spricht.75 Zudem erschöpft sich die Formulierung nicht in einem schlichten Verweis auf die Kompetenzkataloge der Art. 74 ff. GG, sondern umfasst vielmehr den gesamten durch die Kompetenznormen der Verfassung charakterisierten Bereich – und damit auch Art. 72 Abs. 2 GG.76 Die Notwendigkeit einer Erforderlichkeitsprüfung ist später auch in Ziffer II. 2. BLV bekräftigt worden. Demnach ist in Fällen der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung darauf abzustellen, ob das Erfordernis einer bundesgesetzlichen Regelung im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG bestehen würde. Somit findet auch dann nur eine einfache Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates statt, wenn der Bund von seiner konkurrierenden oder Rahmengesetzgebungskompetenz noch keinen Gebrauch gemacht hat, diese aber für eine Regelung der betreffenden Art gegeben wäre. Für die Praxis bedeutet dies, dass es angesichts des faktischen Schwergewichts der Gesetzgebungskompetenzen beim Bund zumeist zu einer Anwendung von Art. 23 Abs. 5 S. 1 G und damit einer einfachen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates kommt. Das Wort „berücksichtigen“ wird in diesem Zusammenhang so ausgelegt, dass die Bundesregierung den Standpunkt des Bundesrates zur Kenntnis nehmen, in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen und sich mit ihm auseinandersetzen muss.77 Sie ist im Konfliktfall, d.h. wenn Bundesregierung und Bundesrat unterschiedlicher Auffassung sind, nicht an den Standpunkt des Bundesrates gebunden, vielmehr steht ihr das Letztentscheidungsrecht zu.78 Dies ist auch folgerichtig, da es sich um Regelungsgegenstände handelt, für die der Bund zuständig ist.

___________ 75

König, Integrationsprozess, S. 343; Olah, ZFSH/SGB 2000, 131 (142). Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 171; W. Fischer, ZParl 1993, 32 (42). 77 Gärtner, VR 2004, 404 (405); Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 125; Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 101, 105; Zuleeg, in: AK, Art. 23 GG, Rn. 58; König, Integrationsprozeß, S. 345; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 156; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 95; Neßler, EuR 1994, 216 (223). 78 Halfmann, Europäische Integration, S. 107; König, Integrationsprozeß, S. 345; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 156; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 95; Lerche, FS Herbert Schambeck, S. 764; Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (708). 76

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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b) Das qualifizierte Mitwirkungsverfahren gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG Auf der nächsten Stufe ist bei der Willensbildung des Bundes die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen, Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG, § 5 Abs. 2 S. 1 EUZBLG. Dabei ist vorausgesetzt, dass im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind. Die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder umfassen alle Regelungsbereiche, für die dem Bund entweder keine Gesetzgebungskompetenz zugewiesen worden ist oder für die er zwar eine konkurrierende oder Rahmengesetzgebung besitzt, eine bundesgesetzliche Regelung aber gemäß Art. 72 Abs. 2 GG nicht erforderlich ist.79 Verwaltungsaufbau und Verwaltungsorganisation der Länder sind dann betroffen, wenn durch ein Vorhaben der Gemeinschaft Änderungen des Behördenaufbaus oder neue arbeits- und kostenintensive Verfahrensschritte erforderlich werden.80

aa) Das Problem der Schwerpunktbestimmung Die Einschätzung, wann die Rechte im Schwerpunkt betroffen sind, ist mit abstrakten Begriffen kaum zu fassen.81 Grund dafür ist auch, dass europäische Rechtsakte häufig eine Vielzahl von Materien betreffen. In Ziffer II. 2. BLV haben sich beide Seiten – in einer Aneinanderreihung von Pleonasmen – darauf verständigt, dass darauf abzustellen ist, ob eine Materie im Mittelpunkt des Vorhabens steht oder ganz überwiegend Regelungsgegenstand ist, wobei es nicht auf eine quantitative, sondern eine qualitative Betrachtungsweise ankommen soll.82 Entscheidend muss damit sein, ob die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, welche die Länderrechte betreffen, den Kern des gesamten Vorhabens insoweit bilden, als sich der Regelungszusammenhang veränderte, würden sie hinweggedacht. Dass eine solche Abgrenzung in der Praxis nicht leicht ist, liegt auf der Hand. Umso schwerer wiegt deshalb, dass es sich beim Schwer___________ 79 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 127; Halfmann, Europäische Integration, S. 108 f.; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 191; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 97; Badura, FS Konrad Redeker, S. 127; Scholz, NJW 1992, 2593 (2599 f.). 80 Halfmann, Europäische Integration, S. 109; König, Integrationsprozeß, S. 346; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 174; Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (709). 81 Zuleeg, in: AK, Art. 23 GG, Rn. 59; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 174 f. 82 Vgl. auch Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3540, S. 6. Daraus folgert Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 137 f., dass es ausreichend ist, wenn die Länderzuständigkeiten einen ins Gewicht fallenden Teil des europäischen Vorhabens ausmachen. Der Regelung ist aber zu entnehmen, dass es auf den Schwerpunkt und nicht auf einen Schwerpunkt des Vorhabens ankommt. So auch Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 128.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

punkt-Begriff um den Schlüsselbegriff im Rahmen des Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG handelt. Da ein EU-Vorhaben häufig Gesetzgebungsbefugnisse der Bundesländer, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betreffen wird, entscheidet sich auf seiner Grundlage, ob die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates nur einfach oder maßgeblich zu berücksichtigen hat. Damit ist bei all denjenigen Gemeinschaftsvorhaben, die sich nicht homogen und eindeutig dem Länderkompetenzbereich zuordnen lassen, gleichwohl aber in nicht unerheblichen Umfang Länderkompetenzen betreffen, Streit um die Auslegung der Voraussetzung der Betroffenheit im Schwerpunkt vorprogrammiert.83 Das Problem wurde von den am Bundesratsverfahren Beteiligten durchaus erkannt. Ziffer II. 3. BLV sieht deshalb vor, dass in Fällen, in denen der Regelungsschwerpunkt des Vorhabens nur schwer feststellbar ist, bei der Festlegung der Verhandlungsposition – auch auf Gemeinschaftsebene – ein gemeinsames Vorgehen anzustreben sei. Damit wird das Problem der Bestimmung des Schwerpunktes eines EU-Vorhabens in den Bereich des Politischen verlagert.84

bb) Die „maßgebliche“ Berücksichtigung Nicht aus sich selbst heraus verständlich ist des Weiteren der Begriff der „maßgeblichen Berücksichtigung“. Geht man nach dem oben Gesagten davon aus, dass „berücksichtigen“ nicht mehr bedeutet, als das Einstellen der Argumente des Bundesrates in den Willensbildungsprozess, liegt es nahe, anzunehmen, dass es sich bei einer „maßgeblichen Berücksichtigung“ nicht um etwas strukturell Verschiedenes handelt, sondern lediglich ein Unterschied gradueller Natur zum Ausdruck gebracht werden soll. Dies würde bedeuten, dass die Bundesregierung in den Willensbildungsprozess auch eigene Vorstellungen einfließen lassen könnte, solange nur denjenigen des Bundesrates ein Übergewicht zugebilligt wird.85 Genau das sollte mit Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG aber nicht aus___________ 83

Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 200. Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 201. 85 Vgl. in diesem Zusammenhang Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 520 („Maßgeblich berücksichtigen ist weniger als Bindung“); Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 23 GG, Rn. 71 („Berücksichtigung lässt nach seinem Wortsinn noch Raum für Abweichungen in Einzelheiten, andere konzeptionelle Gewichtungen oder Abschwächungen“); Zuleeg, in: AK, Art. 23 GG, Rn. 59 („Die Maßgeblichkeit erweckt zwar den Anschein der Verbindlichkeit, ist aber auf die Berücksichtigung ausgerichtet“); Olah, ZFSH/SGB 2000, 131 (143) („Da eine maßgebliche Berücksichtigung der Regierung immer noch ein gutes Maß an Gestaltungsfreiheit einräumt, wird in Art. 23 V 2 GG keine strenge Bindung der Regierung an den Bundesrat gefordert“); Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 113 f. („Tatsächlich impliziert die Formulierung, dass die Verantwortung bei der Bundesregie84

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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gedrückt werden, weshalb um die Formulierung in den Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission auch lange und heftig gerungen wurde.86 Letztlich war die Verankerung eines echten Letztentscheidungsrechts beabsichtigt, was sich unzweideutig aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt.87 Insofern handelt es sich bei der Herleitung eines Letztentscheidungsrechts auch nicht um eine unzulässige Überdehnung des Wortlauts.88 In § 5 Abs. 2 S. 3, 4 und 5 EUZBLG ist im Einzelnen festgelegt worden, welche Verfahrensschritte bei einer maßgeblichen Berücksichtigung einzuhalten sind. Das Verfahren zielt auf ein Einvernehmen der Beteiligten ab. Kommt es nicht zustande und bestätigt der Bundesrat daraufhin seine Auffassung mit einem mit zwei Dritteln seiner Stimmen gefassten Beschluss, sog. Beharrungsbeschluss, ist die Auffassung des Bundesrates maßgebend. Damit erhalten die Länder die Möglichkeit, die Verhandlungsposition des Bundes bei einem Regelungsvorhaben der Europäischen Gemeinschaft selbständig zu bestimmen und notfalls auch gegen die Auffassung der Bundesregierung durchzusetzen. Diese ist also unter Umständen an die über den Bundesrat artikulierte Position der Länder gebunden.

cc) Die Ausnahmeregelung des Art. 23 Abs. 5 S. 3 GG Dieses Letztentscheidungsrecht des Bundesrates ist jedoch dadurch eingeschränkt, dass die Bundesregierung gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 3 GG, § 5 Abs. 2 S. 6 EUZBLG Entscheidungen des Bundesrates zustimmen muss, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen für den Bund führen können. ___________ rung bleibt und diese einen politischen Handlungsspielraum behält“). Ähnlich auch Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 108 ff.; Heckel, Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft Band 6 (1992/93), 385 (398). 86 Vgl. dazu Halfmann, Europäische Integration, S. 112; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 189; Scholz, NJW 1992, 2593 (2598). 87 Aus den Gesetzesmaterialien: Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, S. 8 („für die Bundeshaltung letztlich bestimmend“); Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 23 („sich die Ländermeinung im Streitfall durchsetzt“). Aus der Literatur: Brockmeyer, in: SchmidtBleibtreu/Klein, Art. 23 GG, Rn. 24; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 GG, Rn. 60; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 127; Halfmann, Europäische Integration, S. 113 f.; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 179 f.; Wolfrum, VVDStRL 56 (1997), 38 (59); Meißner, Kompetenzkompensation, S. 252; Winkelmann, DÖV 1996, 1 (8); Oschatz/ Risse, DÖV 1995, 437 (442 f.); Lerche, FS Herbert Schambeck, S. 764; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 95; Badura, FS Konrad Redeker, S. 127; Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (208); W. Fischer, ZParl 1993, 32 (43 f.); Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (709). 88 Davon gehen aber aus Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 110 ff.; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 23 GG, Rn. 71; Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 113.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

Diese Schranke, die auf den Rechtsgedanken des Art. 113 Abs. 1 GG zurückzuführen ist89, soll der besonderen Verantwortung der Bundesregierung für eine sachgerechte Haushalts- und Finanzpolitik Rechnung tragen.90 Der Gesetzgeber lässt aber offen, was die Folge einer fehlenden Zustimmung der Bundesregierung ist. Die logische Konsequenz ist wohl, dass die Bundesregierung in solchen Fällen in ihrer Entscheidung frei ist und das Vorhaben im Rat auch ablehnen kann.91

dd) Mögliche weitere Ausnahmen vom Letztentscheidungsrecht Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob weitere Ausnahmen vom Letztentscheidungsrecht des Bundesrates zuzulassen sind. Dafür könnte sprechen, dass ein solches vom Wortlaut des Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG nicht zwingend vorgegeben ist und das qualifizierte Mitwirkungsverfahren unter dem Vorbehalt steht, dass die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren ist. Unter der „gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes“ sind gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 EUZBLG insbesondere außen-, verteidigungs- und integrationspolitisch zu bewertende Fragen zu verstehen. Dieser Vorbehalt könnte die Möglichkeit eröffnen, das qualifizierte Mitwirkungsverfahren entsprechend dem Grundsatz der Einheit der Verfassung im Hinblick auf die ausschließlichen Zuständigkeiten des Bundes in der Außen-, Sicherheits- und Integrationspolitik, Art. 32 Abs. 1, 59, 73 Nr. 1, 87a, 87b und 23 Abs. 1 S. 2, 24 Abs. 1 GG, einschränkend auszulegen.92 Deshalb wird vertreten, dass der Stellungnahme des Bundesrates zwar im Regelfall eine Bindungswirkung zukomme, der Bundesregierung im Konfliktfall aber doch ein Letztentscheidungsrecht gewährt werden müsse. Die Bundesregierung könne nicht dazu gezwungen werden, auf Gemeinschaftsebene einen Standpunkt zu vertreten, den sie aus außen-, sicherheits- oder integrationspolitischen Gründen für schädlich hält. Eine solche Bindung verletze den Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung der Bundesregierung und sei unzu-

___________ 89

Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, S. 9; Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 23. Ebenso Halfmann, Europäische Integration, S. 121; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 222; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 101; Scholz, NJW 1992, 2593 (2600); Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (709). 90 Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 23. 91 Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 116; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 101. 92 König, Integrationsprozeß, S. 351.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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mutbar.93 Ferner wird angeführt, dass die Regierungsmitglieder im Rat der Europäischen Union auch dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet seien, was im Hinblick auf die Handlungsfähigkeit des Rates einer strikten Bindung der Mitglieder entgegenstehe.94 Gegen diese Interpretation ist jedoch einzuwenden, dass die „gesamtstaatliche Verantwortung“ keinen Ausnahmetatbestand zugunsten der Bundesregierung begründen, sondern lediglich die Bundesländer, wenn sie durch den Bundesrat an der Willensbildung des Bundes mitwirken, ausdrücklich in die Verantwortung für den Gesamtstaat nehmen sollte.95 Insofern hat die Verpflichtung zur Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung letztlich nur deklaratorischen Charakter, da der Bundesrat als Bundesorgan ohnehin Mitverantwortung für die Gesamtpolitik des Bundes zu tragen hat.96 Im Übrigen wurde gerade ausgeführt, dass in der Gemeinsamen Verfassungskommission Einigkeit darüber bestand, dass dem Bundesrat ein Letztentscheidungsrecht zukommen soll, wenn dies auch aus dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG nicht eindeutig hervorgeht. Die in früheren Vereinbarungen und Rechtsvorschriften verwendete ausdrückliche Ermächtigung der Bundesregierung, in bestimmten Fällen von einer bindenden Stellungnahme des Bundesrates oder der Länder aus „unabweisbaren“ oder „zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen“ abweichen zu dürfen97, ist bewusst nicht mehr verwendet worden.98 Insofern spricht viel dafür, dass es auch im Konfliktfall beim Letztentscheidungsrecht des Bundesrates bleibt.

___________ 93 Zuleeg, in: AK, Art. 23 GG, Rn. 60; Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 115, Lang, Mitwirkungsbefugnisse, S. 188; Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 145 f.; Di Fabio, Der Staat 1993, 191 (208, 215). 94 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 132; Badura, FS Herbert Schambeck, S. 897 f.; Breuer, NVwZ 1994, 417 (427). 95 So Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, S. 9. Entsprechend auch Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 313 f.; Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 111; Halfmann, Europäische Integration, S. 118; König, Integrationsprozeß, S. 353; Olah, ZFSH/SGB 2000, 131 (143); Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 206; Oschatz/Risse, DÖV 1995, 437 (443); Lerche, FS Herbert Schambeck, S. 764; Badura, Prozeß der europäischen Integration, S. 21. 96 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 206; Lerche, FS Herbert Schambeck, S. 764. 97 Art. 2 Abs. 3 S. 2 EEAG; Nr. II. 2. S. 5 des Kanzlerbriefes von 1979 zum Länderbeteiligungsverfahren. 98 Halfmann, Europäische Integration, S. 119.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

ee) Unterschiedliche Mitwirkungsintensität bei einheitlichen europäischen Maßnahmen Problematisch ist schließlich, dass sich der maßgebliche Einfluss der Länder nicht auf das ganze EU-Vorhaben erstreckt, sondern nur „insoweit“, d.h. in dem Umfange gilt, wie die oben genannten Gesetzgebungsbefugnisse der Länder oder die Struktur ihrer Behörden oder deren Verwaltungsverfahren im Schwerpunkt betroffen sind. Für die übrigen Teile des Vorhabens bleibt es hinsichtlich der Ländermitwirkung bei dem einfachen Mitwirkungsverfahren des Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG. Mithin kann es bei einer geplanten Gemeinschaftsregelung Bereiche unterschiedlicher Mitwirkungsintensität des Bundesrates geben. Dass eine solche Regelung in der Praxis Probleme hervorrufen kann, erscheint naheliegend.99 Dies insbesondere auch deshalb, weil die vorgesehene Differenzierung für die Phase der Abstimmung eines Vorhabens im Rat nur schwer durchführbar ist, da der Vertreter Deutschlands dem Vorhaben nur geschlossen zustimmen oder es ablehnen kann. Fraglich ist insofern, wie er sich verhalten soll, wenn die Auffassung der Bundesregierung hinsichtlich des Stimmverhaltens von der des Bundesrates abweicht. Eine Zustimmung oder Ablehnung, insoweit die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrates zu berücksichtigen hat, ist in diesen Fällen nicht denkbar.100 Welcher Auffassung im Ergebnis Vorrang einzuräumen ist – der der Bundesregierung oder der des Bundesrates – ist aber unklar.101 Insgesamt weist damit das in Art. 23 Abs. 5 GG verankerte Recht des Bundesrates zur Abgabe von Stellungnahmen in Angelegenheiten der Union etliche Unklarheiten auf, die unterschiedliche Auslegungen ermöglichen. Grund dafür sind insbesondere die in der Regelung enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe wie die „Betroffenheit im Schwerpunkt“ sowie die Pflicht der Bundesregierung, die Stellungnahme des Bundesrates „maßgeblich zu berücksichtigen“. Schwierigkeiten muss auch die in ihren Konsequenzen auslegungsbedürftige Formulierung bereiten, dass bei Ausübung des Stellungnahmerechts die „gesamtstaatliche Verantwortung zu wahren“ ist. Damit dürfte die Vorschrift in der Praxis nur schwer handhabbar sein.

___________ 99

Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 96. Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 313; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 203. 101 Für ein Letztentscheidungsrecht des Bundesrates Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 204. Für ein Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 143 ff. 100

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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c) Verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Willensbildung im EUZBLG Damit die Stellungnahme des Bundesrates von den jeweiligen Vertretern der Bundesrepublik bei den Verhandlungen und Entscheidungen in Brüssel berücksichtigt werden kann, muss dem Handeln auf europäischer Ebene innerstaatlich ein Koordinationsverfahren zwischen Bundesregierung und Bundesrat vorgeschaltet sein. Dieses Verfahren ist in den §§ 3 und 4 EUZBLG sowie in der BLV näher ausgestaltet. Gemäß § 3 EUZBLG gibt die Bundesregierung dem Bundesrat vor der Festlegung der Verhandlungsposition zu einem Vorhaben der Europäischen Union zunächst rechtzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme binnen angemessener Frist, soweit Interessen der Länder berührt sind. Vor dem Hintergrund des Art. 23 Abs. 4 GG sind die Interessen der Länder berührt, wenn der Bundesrat an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären.102 In diesem Fall ist die Bundesregierung verpflichtet, alles zu unternehmen, damit der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme erhält; eine Pflicht, die Stellungnahme in jedem Fall abzuwarten, besteht jedoch nicht.103 Des Weiteren beteiligt die Bundesregierung gemäß § 4 Abs. 1 EUZBLG vom Bundesrat benannte Vertreter der Länder an den Beratungen zur Festlegung der Verhandlungsposition zu einem Vorhaben, soweit der Bundesrat an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären. Die Beteiligung von Ländervertretern an den vorbereitenden Gesprächen der Bundesregierung auf der Fachebene, sog. Weisungssitzungen, ist eine bereits in der Vergangenheit vielfach geübte Praxis.104 Bei diesen vorbereitenden Sitzungen soll gemäß § 4 Abs. 2 EUZBLG auch Einvernehmen darüber erzielt werden, in welcher Weise die Stellungnahme des Bundesrates von der Regierung zu berücksichtigen ist und ob einem Vertreter der Länder die Verhandlungsführung bei Ratstagungen übertragen werden soll, vgl. Art. 23 Abs. 6 GG. Dabei geht es im Kern um die Frage, in wessen Kompetenzbereich die geplante Gemeinschaftsmaßnahme fiele, wenn es sich bei ihr um ein innerstaatliches Gesetzgebungsvorhaben handelte. Mangels einer Einigung zwischen Bund und Ländern enthält aber das Ausführungsgesetz keinen Konfliktlösungsmechanismus für den Fall, dass in dieser Frage kein

___________ 102

Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 232. Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 233. 104 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 235 f.; Everling, DVBl. 1993, 936 (946). 103

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

Einvernehmen erzielt werden kann.105 Insofern ist es der politischen Praxis vorbehalten, hierfür Kriterien bzw. Verfahren zu entwickeln.106

d) Die Sonderregelung gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG für Vorhaben nach Art. 308 EG107 Schließlich ist in § 5 Abs. 3 EUZBLG eine nicht aus Art. 23 GG ableitbare Sonderregelung getroffen worden, die die Bundesregierung verpflichtet, vor der Zustimmung im Ministerrat zu einem auf Art. 235 EWG-Vertrag – jetzt Art. 308 EG – gestützten Vorhaben, das Einvernehmen mit dem Bundesrat herzustellen, soweit dessen Zustimmung nach innerstaatlichem Recht erforderlich wäre oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären. Wann bei einem EU-Vorhaben nach innerstaatlichem Recht die Zustimmung des Bundesrates erforderlich wäre, ist nicht immer leicht festzustellen. Zweifelsfragen können insbesondere in den Fällen auftreten, in denen innerstaatlich die Zustimmungspflicht durch Vorschriften ausgelöst wird, die die Verwaltungskompetenz der Länder berühren.108 Der Bereich der Zuständigkeit der Länder ergibt sich dagegen nach dem zu Art. 23 Abs. 5 und 6 GG Gesagten und erfasst alle Gebiete, für die das Grundgesetz keinen Kompetenztitel zugunsten der Bundes enthält und zudem die konkurrierende und Rahmengesetzgebung, wenn ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung zu verneinen ist.109 Hinzu kommen die Verwaltungskompetenzen der Länder.110

aa) Das „Einvernehmen“ Schwierigkeiten bereitet allerdings die Auslegung des Begriffs des „Einvernehmens“. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass „Einvernehmen“ weniger sei als Zustimmung, während der Bundesrat der Ansicht ist, dass seine ___________ 105

Der Versuch der Länder, auch hier – wie in § 5 Abs. 2 EUZBLG – ein Letztentscheidungsrecht zu verankern, ist am Widerstand der Bundesregierung gescheitert, vgl. Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 66; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 93. 106 Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 100. 107 In § 5 Abs. 3 EUZBLG ist noch von Art. 235 EWGV die Rede. Gemäß § 16 EUZBLG war § 5 Abs. 3 EUZBLG schon vor Inkrafttreten des EG-Vertrages wirksam geworden, bezog sich also ursprünglich auf den EWG-Vertrag. 108 Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 105. 109 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 247; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 105. 110 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 247.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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ausdrückliche Zustimmung erforderlich sei.111 Diese Meinungsverschiedenheiten sind gravierend, da nach Ansicht des Bundesrates die Bundesregierung bei nicht zu erzielendem Einvernehmen an der Zustimmung gehindert ist, was die Regierung bestreitet. Entscheidend muss aber sein, dass der Begriff des „Einvernehmens“ in der verwaltungsrechtlichen Literatur eindeutig dahin geklärt ist, dass damit ein Zustimmungserfordernis statuiert wird.112 Insofern besteht angesichts des eindeutigen Wortlauts eigentlich kein Raum für Relativierungen. Im Rahmen des § 5 Abs. 3 EUZBLG wird deshalb die ausdrückliche vorherige Zustimmung des Bundesrates verlangt.113

bb) Die „Zustimmung“ Zum anderen ist unklar, was unter dem Begriff der „Zustimmung“ zu verstehen ist. Einigkeit besteht zwischen Bund und Ländern angesichts des Wortlauts noch dahingehend, dass die Ablehnung eines Vorhabens keines Einvernehmens seitens des Bundesrates bedarf. Begründen lässt sich dies mit dem Regelungszweck des § 5 Abs. 3 EUZBLG, einem auf Art. 308 EG gestützten Einbruch in die Länderkompetenzen entgegenzuwirken.114 Umstritten ist jedoch, ob die Bundesregierung das Einvernehmen mit dem Bundesrat nur dann herzustellen hat, wenn sie plant, dem Gemeinschaftsvorhaben zuzustimmen, oder ob dies auch für den Fall der Stimmenthaltung gilt.115 Relevant ist dies, weil nach Art. 205 Abs. 3 EG die Stimmenthaltung dem Zustandekommen von Beschlüssen nicht entgegensteht. Die Länderseite fordert insofern, dass auch die Stimmenthaltung von einem Einvernehmen des Bundesrates abhängig gemacht wird.116 Die Bundesregierung besteht demgegenüber auf der Möglichkeit, mit-

___________ 111

Vgl. zu den Einzelheiten Oschatz/Risse, DÖV 1995, 536 (444, Fn. 17). H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rn. 30; Badura, in: Erichsen/Ehlers, § 37, Rn. 33; Oschatz/Risse, DÖV 1995, 436 (444). 113 Oschatz/Risse, DÖV 1995, 436 (444). Anderer Ansicht ist König, Integrationsprozeß, S. 349, wonach darauf abzustellen sei, ob eine entsprechende innerstaatliche Maßnahme in den Bereich der Bundeszuständigkeiten nach Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG oder der Länderzuständigkeiten gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG fällt. Je nachdem habe die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrates nur zu berücksichtigen oder sei an sie gebunden. 114 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 249; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 106. 115 Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 106. Ausführlich dazu Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 249 ff. 116 Diese Auffassung wurde vom ehemaligen Ministerpräsidenten Scharping in einer Protokoll-Erklärung anlässlich der Unterzeichnung der BLV v. 29.10.1993 nochmals bekräftigt (abgedruckt bei Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 188 unter 2.). 112

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

tels einer vom Bundesrat nicht konsentierten Stimmenthaltung an der Verabschiedung eines Gemeinschaftsrechtsaktes mitwirken zu können.117 Im Ergebnis sollte die Lösung im Einklang mit den Regelungen des Art. 23 Abs. 4 und 5 GG stehen, d.h. es ist darauf abzustellen, ob eine entsprechende innerstaatliche Maßnahme in den Bereich der Bundeszuständigkeiten nach Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG oder der Länderzuständigkeiten gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG fällt. Damit wäre die Regierung an die Ablehnung des Bundesrates gebunden, wenn die Maßnahme das qualifizierte Mitwirkungsverfahren gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG auslöst. In diesem Fall dürfte sie sich folglich nicht der Stimme enthalten, sondern müsste die Maßnahme im Ministerrat ausdrücklich ablehnen.118 In Anbetracht der auch in dieser Sonderregelung enthaltenen Unklarheiten und Auslegungsdifferenzen insbesondere hinsichtlich der Begriffe des „Einvernehmens“ und der „Zustimmung“ ist somit im Ergebnis zu befürchten, dass sie in der Praxis Auseinandersetzungen zwischen Bundesregierung und Bundesrat hervorrufen.

5. Die Mitwirkung von Ländervertretern gemäß Art. 23 Abs. 6 GG und § 6 EUZBLG Die intensivste Form der Mitwirkung der Länder an der Rechtssetzung auf europäischer Ebene ist in Art. 23 Abs. 6 GG sowie in § 6 EUZBLG geregelt. Art. 23 Abs. 6 GG sowie § 6 Abs. 2 bis 4 EUZBLG erfassen dabei diejenigen Fälle, in denen die Bundesregierung die Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter übertragen soll. § 6 Abs. 1 EUZBLG sieht dagegen ein Beteiligungsrecht von Ländervertretern an der Außenvertretung des Bundes vor, ohne dass zugleich auch eine Übertragung der Mitgliedschaftsrechte auf diese stattfindet.

a) Verhandlungsbeteiligung nach § 6 Abs. 1 EUZBLG Nach § 6 Abs. 1 EUZBLG sind Ländervertreter zu den Beratungsgremien der Kommission und des Rates hinzuzuziehen, wenn der Bundesrat an einer ___________ 117 Auch diese Haltung wurde in einer Protokoll-Erklärung des damaligen Bundeskanzlers Kohl anlässlich der Unterzeichnung der BLV nochmals bekräftigt (abgedruckt bei Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 190 unter 2.). 118 König, Integrationsprozeß, S. 350; Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 156. Anderer Ansicht ist Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 250 ff., der der Rechtsauffassung der Bundesregierung zustimmt.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte, die Länder innerstaatlich zuständig wären oder zumindest sonstige wesentliche Interessen der Länder berührt wären. Entgegen dem Wortlaut ist auch die schlichte Teilnahme eines Ländervertreters an Ratstagungen in der Zusammensetzung der Minister119, an Besprechungen der deutschen Delegation120 sowie an informellen Treffen von Rat und Kommission121 möglich. Tatbestandlich knüpft § 6 Abs. 1 EUZBLG an die Regelungen in Art. 23 Abs. 4 GG sowie in § 4 EUZBLG an.122 Es sind demnach alle Gegenstände der Bundesgesetzgebung, Verwaltungsmaßnahmen des Bundes, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen und Maßnahmen, welche in die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz der Länder fallen, erfasst.123 Für die dritte Tatbestandsalternative bleibt demgegenüber nur ein sehr schmaler Anwendungsbereich, da die ersten beiden Alternativen bereits eine weitestgehend flächendeckende Beteiligungsmöglichkeit der Ländervertreter sicherstellen.124 Die Beteiligung von Ländervertretern steht dabei unter der Voraussetzung, dass ihre Hinzuziehung möglich erscheint, § 6 Abs. 1 S. 1 a.E. EUZBLG, Ziffer IV. 3. BLV, also z.B. eine Beteiligung von mehr als einem Vertreter pro Mitgliedstaat geduldet wird und ausreichend Platz im Sitzungssaal ist.125 Ausgeschlossen ist außerdem die Teilnahme von Ländervertretern an Sitzungen des Ausschusses der Ständigen Vertreter (AStV) sowie des Sonderausschusses Landwirtschaft.126 Die Ländervertreter können nur mit Zustimmung der Verhandlungsführung nach § 6 Abs. 1 S. 2 Hs 2 EUZBLG Erklärungen abgeben. Ist bekannt, dass der Ländervertreter eine von der Position des Bundes abweichende Ansicht vertritt, ___________ 119 Eine andere Schlussfolgerung widerspräche dem System abgestufter Länderbeteiligungsrechte, vgl. Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 40. 120 Ziffer IV. 6. BLV. 121 Ziffer IV. 4. BLV, dies gilt jedoch nur insoweit, als im konkreten Fall ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder im Schwerpunkt betroffen sind und sich die Bundesregierung und die Länder über die Hinzuziehung verständigt haben. 122 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 298. 123 Siehe dazu schon B I 3. Zu § 6 Abs. 1 EUZBLG Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 37; Zwicker, Als Bundesstaat in der Europäischen Union, S. 175 f. 124 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 299. 125 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 305, 322. Weitere Beispiele bei zur Hausen, EuR 1987, 322 (332) noch in Bezug auf Art. 2 Abs. 5 EEAG. 126 Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 39; MüllerTerpitz, Willensbildungsprozeß, S. 301; Oschatz-Risse, DÖV 1995, 437 (445, Fn. 85), die im Übrigen anzweifeln, ob es sich beim AStV um einen „beratenden Ausschuss“ i.S.d. § 6 Abs. 1 EUZBLG handelt.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

kann der Bund demnach verhindern, dass die Ansicht der Länder unmittelbar in die Verhandlungen eingebracht wird.127 In Ausübung ihrer Rechte sind sie gemäß § 45i Abs. 1 S. 1 GO BR an die Beschlüsse des Bundesrates gebunden. Liegen solche Beschlüsse nicht vor, hat der Ländervertreter nach § 45i Abs. 1 S. 2 GO BR unverzüglich auf einen Bundesratsbeschluss hinzuwirken. Darüber hinaus sind die Ländervertreter auch verpflichtet, dem Bundesrat nach § 45i Abs. 2 GO BR im Anschluss an eine Sitzung unverzüglich, regelmäßig schriftlich, Bericht zu erstatten. Diese Berichtspflicht ergänzt die Informationen, die der Bundesrat durch die Unterrichtung der Bundesregierung nach Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG i.V.m. § 2 EUZBLG und Ziffer I. BLV erhält.

b) Die Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte durch Ländervertreter gemäß Art. 23 Abs. 6 GG Nach Art. 23 Abs. 6 GG, § 6 Abs. 2 – 4 EUZBLG soll die Bundesregierung, wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder betroffen sind, die Wahrnehmung der mitgliedstaatlichen Rechte auf einen vom Bundesrat benannten Ländervertreter übertragen.128 Die Wahrnehmung dieser Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung, wobei die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren ist, Art. 23 Abs. 6 S. 2 GG. Diese Regelung ist durch die Änderung von Art. 146 EGV a.F. – jetzt Art. 203 Abs. 1 EG – möglich geworden, wonach der Rat aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaates auf Ministerebene besteht, der befugt ist, für die Regierung des Mitgliedstaates verbindlich zu handeln. Demnach muss der Vertreter nicht mehr Mitglied der Regierung des Mitgliedstaates sein, sondern kann auch der Regierung einer Region bzw. eines Bundeslandes angehören.129

___________ 127

Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 322; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 299. 128 Dies gilt grundsätzlich auch für die Wahrnehmung der mitgliedschaftlichen Rechte in der Kommission. In Kommissionsgremien kommt es aber praktisch nie zu einer Übertragung der Verhandlungsführung, da in diesem Gremium meist keine wirklichen Verhandlungen geführt werden, sondern nur eine Beratung der Kommission stattfindet. Deshalb werden die Einzelheiten zur Übertragung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter bezogen auf die Ratsgremien dargestellt. Dazu auch Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 307. 129 Die Änderung erfolgte durch den Maastricht-Vertrag auf Initiative der belgischen Verhandlungsdelegation. Ausführlich zum entstehungsgeschichtlichen Hintergrund von Art. 146 EGV a.F. vgl. Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 267 ff.; KleffnerRiedel, BayVBl. 1995, 104 (104 ff.).

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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aa) Ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder Von Art. 23 Abs. 6 GG werden nur Fälle erfasst, in denen „im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder betroffen sind.“ Der Begriff der „ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnisse der Länder“ ist verfassungsrechtlich nicht definiert.130 Darunter sind Regelungszuständigkeiten für diejenigen Sachgebiete zu verstehen, für die das Grundgesetz keinen ausdrücklichen Kompetenztitel zugunsten des Bundes enthält.131 Mithin ist der Anwendungsbereich von Art. 23 Abs. 6 GG enger als der des Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG und erstreckt sich nicht auf Fälle, in denen eine bundesgesetzliche Regelung lediglich nicht im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich ist.132 Als Beispiele ausschließlicher Gesetzgebungskompetenzen der Länder sind insofern etwa das Polizei- und Ordnungsrecht, der zivile Katastrophenschutz, das Bildungs-, Schul- und Kommunalrecht sowie das Denkmalschutz-, Bauordnungs- und Rundfunkrecht zu nennen.133

bb) Ausnahmen von der Pflicht zur Übertragung der mitgliedstaatlichen Rechte Die Ausgestaltung als „Soll“-Vorschrift bedeutet in diesem Zusammenhang wie im administrativen Bereich134, dass den Ländern im Regelfall ein Anspruch ___________ 130 Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 272; Oschatz/Risse, DÖV 1995, 436 (446); Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 110. Zwar diente der Begriff schon zuvor der Kompetenzabgrenzung – beispielsweise in Ziffer 3 des Lindauer Abkommens –, für die Verfassung selbst stellt der Begriff aber einen neuen Terminus dar, vgl. Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 44, Fn. 114. 131 So der Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 24, die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, S. 9 und Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)“, BT-Drs. 12/3896, S. 20. Entsprechend auch Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 135; Stumpf, EuR 2002, 275 (278); Halfmann, Europäische Integration, S. 140; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 273; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 205; Kleffner-Riedel, BayVBl. 1995, 104 (106); Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 158. 132 Halfmann, Europäische Integration, S. 140; Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 50; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 273; Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 118; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 205; Pröpper, Europapolitische Willensbildung, S. 298 ff. Anderer Ansicht sind Oschatz/Risse, DÖV 1995, 437 (446); Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 110. Das hätte aber zur Konsequenz, dass die Anwendungsbereiche von Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG und Art. 23 Abs. 6 GG gleichzusetzen wären, wogegen aber der unterschiedliche Wortlaut spricht. 133 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 135; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 274; Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 118. 134 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 11. Gegen eine Auslegung wie im Verwaltungsrecht spricht sich dagegen Kleffner-Riedel, BayVBl. 1995, 104

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

auf die Übertragung der Wahrnehmung mitgliedstaatlicher Rechte zusteht, in begründeten Fällen aber Ausnahmen vorgesehen werden können.135 Gedacht war in erster Linie an die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zu gemeinschaftskonformem Verhalten.136 Darüber hinaus sind in § 6 Abs. 3 und 4 EUZBLG Ausnahmen für die Fälle festgeschrieben, in denen es sich um Rechte handelt, die Deutschland als Vorsitz im Rat zustehen oder wenn es um Tagesordnungspunkte geht, die der Rat ohne Aussprache genehmigt, sog. „A-Punkte“. Ob und unter welchen Voraussetzungen in weiteren Fällen von einer Übertragung abgesehen werden kann, ist dagegen zwischen Bund und Ländern streitig. Die Bundesregierung ist der Ansicht, auch aus Gründen administrativer oder politischer Opportunität von einer Übertragung absehen zu können.137 Der Bundesrat hat einer solchen Auslegung von Art. 23 Abs. 6 GG widersprochen und lediglich einen Ausnahmetatbestand auf Grund faktischer Gründe anerkannt.138 Gegen ein weites Verständnis der Ausnahmemöglichkeit spricht jedoch die allgemeine Auslegungsregel, dass Ausnahmen restriktiv zu interpretieren sind.139 Zudem ist zu beachten, dass die Bundesregierung letztlich über den Übertragungsakt entscheidet, so dass sie sich bei einer extensiven Auslegung dieser dehnbaren Formulierung in einer Vielzahl von Fällen auf eine Ausnahme berufen könnte. Deshalb genügen für eine Ausnahme nicht Opportunitätserwägungen, sondern sie kommt nur in Betracht, wenn die ratio legis der Vorschrift nicht mehr erreicht werden kann. Dies ist anzunehmen, wenn die Länderseite keine Möglichkeit hat, den von ihr maßgeblich beeinflussten Willen der Bundesrepublik in den Gremien der Europäischen Union selbständig zu vertreten.140 ___________ (106 f.) aus, da das Verwaltungsrecht durch ein Über-Unterordnungsverhältnis gekennzeichnet sei, das sich auf das Verhältnis von Bund und Ländern nicht übertragen lasse. 135 Calliess, Innerstaatliche Mitwirkungsrechte, S. 20; Halfmann, Europäische Integration, S. 142; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 277; Donoth, Bundesstaatliche Ordnung und Verwirklichung der Europäischen Union, S. 220; Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 111; W. Fischer, ZParl 1993, 32 (44). 136 Insoweit bestand Einigkeit, vgl. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 24; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 23 GG, Rn. 25; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 134; Halfmann, Europäische Integration, S. 142; Olah, ZFSH/SGB 2000, 131 (143); W. Fischer, ZParl 1993, 32 (44); Scholz, NVwZ 1993, 817 (823). 137 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, S. 10 und Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3540, S. 6. Ebenso, allerdings ohne nähere Begründung Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 111. 138 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrs. 12/3338, S. 12. 139 König, Integrationsprozeß, S. 362. 140 Streinz, in: Sachs, Art. 23 GG, Rn. 116; König, Integrationsprozeß, S. 363; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 280 f.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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Es handelt sich im Ergebnis also um eine Einzelfallentscheidung141, die durchaus geeignet scheint, Konflikte zwischen Bundesregierung und Bundesrat hervorzurufen.

cc) Die rechtliche Stellung des Ländervertreters Des Weiteren ist die rechtliche Stellung des Ländervertreters auf den ersten Blick unklar. Bei wörtlicher Lesart des Art. 23 Abs. 6 S. 1 GG scheint es so, als ob eine Übertragung der Rechte des Bundes auf eine Gesamtheit der Länder stattfindet, der Vertreter der Länder also eine Ländergesamtheit repräsentiert.142 Eine solche Auslegung würde aber der in Art. 23 Abs. 2 S. 1 und Art. 50 GG getroffenen Grundaussage widersprechen, dass die Länder in Angelegenheiten der Europäischen Union nur über den Bundesrat mitwirken.143 Der Begriff der „Vertreter der Länder“ ist deshalb missverständlich. Der Ländervertreter stellt vielmehr funktional ein Organ des Bundesrates und somit des Bundes, nicht aber der Länder dar.144

dd) Beschränkung der Rechtsausübung durch Art. 23 Abs. 6 S. 2 GG In Art. 23 Abs. 6 S. 2 GG ist eine Beschränkung seiner Rechtsausübung mit Blick auf die Interessen des Bundes vorgesehen. Danach kann die Wahrnehmung der mitgliedstaatlichen Rechte durch einen Ländervertreter nur unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung erfolgen, wobei wiederum die gesamtstaatliche Verantwortung zu wahren ist. Unter „Beteiligung“ ist zu verstehen, dass Vertreter der Regierung und der Ständigen Vertretung in Brüssel neben den Ländervertretern an allen Sitzungen und förmlichen Außenkontakten teilnehmen.145 Dieses Teilnahmerecht stellt ___________ 141 Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 23 GG, Rn. 25; Halfmann, Europäische Integration, S. 145; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 281; Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 162. 142 In diesem Sinne beispielsweise König, Integrationsprozeß, S. 364; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 267; Donoth, Bundesstaatliche Ordnung und Verwirklichung der Europäischen Union, S. 339; Meißner, Kompetenzkompensation, S. 252, Fn. 320. 143 Dazu bereits B. I. 2. a). 144 Calliess, Innerstaatliche Mitwirkungsrechte, S. 20; Halfmann, Europäische Integration, S. 147; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 284; Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 175. Anderer Ansicht ist König, Integrationsprozeß, S. 364, die davon ausgeht, dass dem Bundesrat nur das Benennungsrecht zukommt. 145 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, S. 10; Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)“, BT-Drs. 12/3896, S. 20; Bericht der Gemeinsamen Verfas-

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

sicher, dass die Bundesregierung die ihr verbleibenden Koordinierungs- und Kontrollaufgaben der Delegationsleitung ausüben und den Ländervertreter dahingehend kontrollieren kann, ob dieser im Rahmen seiner Verhandlungsführung die Interessen des Bundes angemessen berücksichtigt.146 Erheblich größere Schwierigkeiten bereitet die Auslegung des Begriffs „in Abstimmung“. Nicht nur im Gesetzgebungsverfahren findet sich die vage Umschreibung, der zufolge „Abstimmung“ „weniger als Einvernehmen und mehr als Benehmen“ bedeute.147 Dieser Formelkompromiss ist damit zwischen zwei eingeführten Rechtstermini angesiedelt, was zu einer klaren Begriffsbestimmung aber nur in sehr geringem Maße beiträgt.148 Damit die vom Bundesrat nach Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG i.V.m. § 5 EUZBLG letztverbindlich formulierte Verhandlungsposition auf Brüsseler Ebene nicht konterkariert wird, verbietet es sich jedoch, aus der Formulierung ein Weisungsrecht der Bundesregierung gegenüber dem Ländervertreter herzuleiten. Die Abstimmung ist demnach nicht inhaltlich, sondern verfahrensrechtlich zu verstehen, in dem Sinne, dass sie sich auf den Gang der Verhandlungen bezieht.149 Einen Hinweis darauf, wie Verhandlungsstrategien vor Ort angepasst und auf veränderte Verhandlungslagen reagiert werden soll, enthält § 6 Abs. 2 S. 4 EUZBLG. Dort wird auf den in § 5 Abs. 2 EUZBLG enthaltenen Konfliktlösungsmechanismus verwiesen. Dem Ländervertreter steht also nach gescheiterter Abstimmung dann das Letztentscheidungsrecht über die sich ändernde Verhandlungslage zu, wenn die Änderung der Verhandlungsposition ihrem Inhalt nach in den Bereich der maßgeblichen Berücksichtigung im Sinne des Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG fällt. Betrifft die streitbefangene Abstimmung zwischen den Vertretern dagegen eine Bundeszuständigkeit, die allenfalls in den Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG fiele, darf der Vertreter des Bundes die maßgebliche Entscheidung über die Änderung der Verhandlungsposition

___________ sungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 24. Entsprechend auch Stumpf, EuR 2002, 275 (281); König, Integrationsprozeß, S. 365; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 210. 146 Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 154. 147 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, S. 10 und Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)“, BT-Drs. 12/3896, S. 20. Ist eine Entscheidung „im Benehmen“ mit einer anderen Stelle zu treffen, ist die mitwirkungsberechtigte Stelle gutachtlich, zur Interessenwahrnehmung oder wegen Berührung ihrer Zuständigkeiten zu hören, ohne dass die Stellungnahme bindend wäre, vgl. Badura, in: Erichsen/Ehlers, § 37, Rn. 33. 148 Halfmann, Europäische Integration, S. 157; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 291; Oschatz/Risse, DÖV 1995, 436 (447). 149 Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 156; MüllerTerpitz, Willensbildungsprozeß, S. 291.

I. Ländermitwirkung bei der Rechtssetzung gemäß Art. 23 GG

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treffen. In diesem Fall muss der verhandlungsführende Ländervertreter den Standpunkt des Vertreters der Bundesregierung übernehmen.150 Das geschilderte Abstimmungsverfahren führt aber dann zu Problemen, wenn im Schwerpunkt Länderzuständigkeiten tangiert sind und der Ländervertreter auf Grund der veränderten Verhandlungslage sein Verhandlungsmandat überschreiten muss. Scheitert nämlich ein Einvernehmen zwischen Länder- und Regierungsvertreter, ist es dem Ländervertreter in der konkreten Verhandlungssituation nicht möglich, eine Beschlussfassung auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 S. 5 EUZBLG herbeizuführen. Die Vorschrift ist auf eine solche Verfahrenssituation nicht zugeschnitten.151 Damit bleibt dem Ländervertreter in einem solchen Fall nur die Möglichkeit, auf eine Vertagung der Verhandlung oder einer gegebenenfalls anstehenden Abstimmung hinzuwirken oder sein Abstimmungsverhalten unter den Vorbehalt einer nachträglichen Bestätigung durch den Bundesrat zu stellen.152 Beides ist jedoch gleichermaßen unbefriedigend und lässt befürchten, dass es nicht gelungen ist, eine stimmige und in der Praxis handhabbare Regelung der Außenvertretung zu schaffen.153

6. Die Europakammer des Bundesrates Zur effektiven Wahrnehmung der aufgeführten Mitwirkungsrechte154 wurde auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Art. 52 Abs. 3a GG155 eine Europakammer eingerichtet, deren Beschlüsse als Beschlüsse des Bundesrates gelten.156 Näher ausgestaltet sind die Rechte und das Verfahren der Europakammer in §§ 45a–45k GO BR. Danach kann die Europakammer alle Mitwirkungsrechte des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union wahrnehmen, wenn die Voraussetzungen des § 45d Abs. 1–3 GO BR erfüllt ___________ 150

Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 156; Lang, Mitwirkungsrechte, S. 212 f. 151 Halfmann, Europäische Integration, S. 157; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 292 f.; Oschatz/Risse, DÖV 1995, 437 (447). Anderer Ansicht ist Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 138, der für diesen Fall die außen- und europapolitische Grundzuständigkeit der Bundesregierung aufleben lassen will. Ebenso Pernice, in: Dreier, Art. 23 GG, Rn. 121. 152 Halfmann, Europäische Integration, S. 158; Müller-Terpitz, Willensbildungsprozeß, S. 293. 153 Halfmann, Europäische Integration, S. 158. 154 Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 25. 155 Eingefügt durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 21.12.1992, BGBl. I 1992, S. 2086. 156 Zunächst wurde sie 1988 mittels einer Änderung der Geschäftsordnung eingerichtet. Dies stieß aber auf rechtliche Bedenken, vgl. dazu Schütz, BayVBl. 1990, 518 (520 f.); ders., NJW 1989, 2160 (2164 f.); Frowein, Europäische Einigung, S. 295.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

sind. Hierzu sind neben der einfachen Willensbildung auf Grundlage des Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 EUZBLG beispielsweise auch der Beharrungsbeschluss nach § 5 Abs. 2 S. 5 EUZBLG oder die Benennung eines Ländervertreters gemäß Art. 23 Abs. 6 GG i.V.m. § 6 Abs. 2 EUZBLG zu rechnen. Problematisch im Zusammenhang mit der Beschlussfassung durch die Europakammer ist der Verweis des zweiten Halbsatzes von Art. 52 Abs. 3a GG auf Art. 51 Abs. 2 und 3 S. 2 GG. Nach dem Bericht der GVK war es Zweck der Verweisung, sicherzustellen, „dass die Stimmen der Länder in der Kammer in der gleichen Weise gewichtet werden wie im Bundesrat selbst.“157 Art. 51 Abs. 2 und 3 S. 2 GG enthält allerdings nicht nur die Regeln über die Stimmgewichtung und den Zwang zu deren einheitlichen Abgabe. Darüber hinaus ordnet er auch die Stimmabgabe „durch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter“ an. Damit stellt sich die Frage, ob diese die in Art. 51 Abs. 1 GG für ordentliche und stellvertretende Mitglieder des Bundesrates verlangte Eigenschaft der Zugehörigkeit zu einer Landesregierung haben müssen. Dagegen wird angeführt, dass es Sinn und Zweck der Europakammer sei, im Wege schneller Entscheidungsfindung die Mitwirkungsrechte des Bundesrates effektiv und verantwortungsvoll wahrnehmen zu können. Dies spreche angesichts der gedrängten Terminsituation von Mitgliedern der Landesregierungen dafür, im Eilfall die Entscheidung nicht von der politischen Leitungsebene, sondern von Beauftragten treffen zu lassen.158 Außerdem fehle der Verweis auf Art. 51 Abs. 1 GG gerade.159 Allerdings gilt es zu bedenken, dass sich Art. 51 Abs. 3 S. 2 GG verfassungssystematisch auf Art. 51 Abs. 1 GG bezieht und schon deshalb die Mitglieder einer Landesregierung bezeichnet, ohne dass es eines ausdrücklichen Verweises bedarf.160 Im Übrigen ist es zweifelhaft, ob der aufzählenden Verweisung in Art. 53 Abs. 3a GG ein abschließender Charakter zukommt. Sie enthält beispielsweise auch keinen Verweis auf Art. 52 Abs. 3 S. 1 GG, ohne dass sich deshalb ernsthaft die Auffassung vertreten ließe, die Europakammer könne ihre Beschlüsse auch mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen fassen.161 Schließlich wird darauf verwiesen, dass die Beschlussfassung der Euro-

___________ 157

Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 25. Lang, Mitwirkungsrechte, S. 154; Oschatz/Risse, DÖV 1995, 437 (449). 159 Lang, Mitwirkungsrechte, S. 154; Oschatz/Risse, DÖV 1995, 437 (449); Schede, Beteiligung des Bundesrates, S. 105, Fn. 279. 160 Müller-Terpitz, Mitwirkungsprozeß, S. 346; Hilf, VVDStRL 53 (1994), 7 (19). 161 Müller-Terpitz, Mitwirkungsprozeß, S. 346 f. 158

II. Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung

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pakammer die des Bundesrates ersetzt. Diese Kompetenzdelegation erfordere einen Gleichklang zwischen beiden Institutionen.162 Obschon zuzugeben ist, dass die Europakammer gerade die Aufgabe hat, eine schnelle Entscheidungsfindung zu ermöglichen, welche durch Beauftragte der Landesregierungen leichter zu erreichen ist, sprechen somit verfassungsrechtliche Erwägungen dafür, dass die Mitglieder der Europakammer Angehörige der Landesregierungen sein müssen. Ob die Europakammer ihre Aufgaben dennoch wie vorgesehen erfüllen kann, muss allerdings bezweifelt werden.

II. Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung Die Europäische Union verfügt über Kompetenzen zur Rechtssetzung auch auf Gebieten, auf denen nach der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland die Befugnis zur Gesetzgebung den Ländern zusteht. Inzwischen berühren die Rechtssetzungsakte der Union deshalb in zunehmenden Maße die Gesetzgebungskompetenzen der Bundesländer.163 Als Konsequenz dieser Entwicklung stellt sich die Frage, welcher Träger hoheitlicher Gewalt für die Umsetzung des Rechts der Europäischen Union – als praktisch wichtigster Fall seien hier die EG-Richtlinien behandelt – in nationales Recht zuständig ist, wenn diese Regelungsbereiche betreffen, welche das Grundgesetz innerstaatlich dem Landesgesetzgeber vorbehält. Eine ausdrückliche Regelung kann dem Grundgesetz nicht entnommen werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Grundgesetz überhaupt keine Regelung der Frage enthielte. Vielmehr sind die staatlichen Kompetenzen vollständig zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.164 Fraglich ist indes, an welche Verfassungsbestimmung hierfür anzuknüpfen ist. Zumindest in der Literatur wird bis heute die Frage diskutiert, ob der Bund oder die Länder für die Umsetzung von Richtlinien zuständig sind, wenn diese Bereiche berühren, die innerstaatlich in den Kompetenzbereich der Länder fallen. Dabei reichen die Ansichten von einer alleinigen Umsetzungskompetenz des Bundes bis hin zur entgegengesetzten Auffassung einer ausschließlichen Zuständigkeit der Länder. ___________ 162 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 52 GG, Rn. 15; Müller-Terpitz, Mitwirkungsprozeß, S. 347; Pröpper, Europapolitische Willensbildung, S. 189. Im Ergebnis ebenfalls gegen Beauftragte als Mitglieder der Europakammer Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 52 GG, Rn. 4. 163 Ausführlich zum Einfluss des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der deutschen Bundesländer D. O. Reich, EuGRZ 2001, S. 1 ff.; Donoth, Bundesstaatliche Ordnung und Verwirklichung der Europäischen Union, S. 40 ff. 164 Kössinger, Durchführung, S. 40; Rinck, FS Gebhard Müller. S. 289 f.; Rupp, FG Carlo Schmid, S. 142.

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

1. Bundeskompetenz a) Herleitung aus Gemeinschaftsrecht So wird vertreten, dass sich eine ausschließliche Bundeskompetenz unmittelbar aus EG-Recht ergebe. Art. 10 EG bilde auf Grund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Richtschnur für die innerstaatliche Kompetenzverteilung und erlaube insofern nur eine solche, die eine effektive Umsetzung von Richtlinien gewährleiste. Dies sei in der Regel aber lediglich bei einer Umsetzung durch den Bund der Fall.165 Nur eine alleinige Zuständigkeit des Bundes werde auch der Tatsache gerecht, dass der Bund gegenüber der Europäischen Union für eine fehlerhafte Umsetzung einzustehen hat166; insofern müsse ihm auch die Möglichkeit gegeben werden, sich vertragstreu zu verhalten.167 Schon dem Wortlaut des Art. 10 EG ist aber zu entnehmen, dass diese Vorschrift lediglich die Mitgliedstaaten in ihrer Gesamtheit verpflichtet, hierbei aber nicht bestimmte innerstaatliche Organe bezeichnet.168 Das Primärrecht trifft gerade keine Regelungen über die innerstaatliche Kompetenzverteilung, sondern überlässt vielmehr gemäß Art. 249 Abs. 3 EG ausdrücklich den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.169 Im Übrigen verpflichtet Art. 10 EG umgekehrt auch die Gemeinschaft, die Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten zu respektieren, sofern nur die Durchführung des Gemeinschaftsrechts gewährleistet ist.170 Mithin steht es jedem Mitgliedstaat frei, die Kompetenzen innerstaatlich so zu verteilen, wie er es für zweckmäßig hält.171

b) Herleitung aus Art. 23 GG Eine ausschließliche Bundeskompetenz ergibt sich weiterhin auch nicht aus dem Grundgesetz. Zwar wird eine solche nach einer Meinung aus Art. 23 GG mit der Begründung hergeleitet, dass die Integrationsgewalt nach dieser Grund___________ 165

Riegel, NuR 1981, 90 (93); ders., DVBl. 1979, 245 (247). Dazu ausführlich E. II. 3. a). 167 Riegel, NuR 1981, 90 (93); Wagner, Grundbegriffe, S. 219. 168 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 46; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (10). 169 Haslach, DÖV 2004, 12 (13); Trüe, EuR 1996, 179 (186); Kössinger, Durchführung, S. 45; Blanke, Eigenstaatlichkeit und Europäische Integration, S. 76; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (10). 170 Schmidt am Busch, DÖV 1999, 581 (583); Trüe, EuR 1996, 179 (187); Pernice, DVBl. 1993, 909 (914 f.). 171 EuGH, Urt. v. 01.03.1983, Rs. 300/81, Slg. 1983, 449 (456) – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Italienische Republik; Trüe, EuR 1996, 179 (186); Zuleeg, Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 315. 166

II. Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung

63

gesetznorm ausschließlich den Organen des Bundes anvertraut sei. Die Integration sei aber ein dynamischer Prozess und bedürfe ständiger Maßnahmen. Damit obliege den Bundesorganen neben der Einleitung auch die kontinuierliche Weiterführung des Integrationsprozesses bis zur Vollendung der in den Verträgen konzipierten Gemeinschaftsrechtsordnung.172 Insofern ist jedoch schon dem Ausgangspunkt der Überlegung zu widersprechen: Das Gemeinschaftsrecht als originäre und effektive Rechtsordnung ist bereits mit der ersten Rechtshandlung entstanden. Da es deshalb keiner weiteren Maßnahmen seitens der Staaten bedarf, um Gemeinschaftsgewalt entstehen zu lassen, können die Ausführungsvorschriften auch nicht als Integrationsmaßnahmen angesehen werden.173 Zudem muss der Ansicht entgegengehalten werden, dass der Befugnis des Bundes, Hoheitsrechte der Länder auf supranationale Organisationen zu übertragen, nicht zugleich die innerstaatliche Alleinzuständigkeit für die Rechtsumsetzung folgt174; es handelt sich um zwei strukturell völlig verschiedene Ebenen.175 Art. 23 GG öffnet lediglich die Staatsgewalt für das Gemeinschaftsrecht, beseitigt aber nicht die nationalen Hoheitsrechte der Gliedstaaten.176 Insofern verlieren die Bundesländer durch Hoheitsrechtsübertragungen im Bereich ihrer Kompetenzen Zuständigkeiten an die Union, nicht aber an den Bund.177

c) Herleitung aus Art. 73 und 74 GG Etwas anderes folgt weiterhin auch nicht aus den Regelungen zur ausschließlichen und konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes in Art. 73 und 74 GG. So stellt die Rechtsumsetzung keine auswärtige Angelegenheit im Sinne des Art. 73 Nr. 1 GG dar.178 Dies könnte zwar mit dem Argument angenommen werden, dass die Gründung der Gemeinschaft durch völkerrechtliche Verträge ___________ 172

So aber Birke, Bundesländer, S. 121, 124 f. Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (24 f.); Schwan, Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, S. 147 f. 174 Haslach, DÖV 2004, 12 (13); ders., Richtlinienumsetzung, S. 47; Trüe, EuR 1996, 179 (188); Schwan, Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, S. 144 f. 175 Schwan, Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, S. 149. 176 Haslach, DÖV 2004, 12 (13 f.); ders., Richtlinienumsetzung, S. 47; Hailbronner, JZ 1990, 149 (157); Rudolf, FS Hans-Jürgen Schlochauer, S. 128. 177 Haslach, DÖV 2004, 12 (14); Ress, EuGRZ 1986, 549 (556); Fuß, NJW 1966, 1782 (1783). 178 So aber E. Kaufmann, Kampf um den Wehrbeitrag, S. 58 f. und Grewe, VVDStRL 12 (1954), 129 (172, 177) bezüglich der Durchführung völkerrechtlicher Verträge im Allgemeinen. 173

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

erfolgt ist. Allerdings würden dann zahlreiche spezielle Vorschriften, die sich neben Art. 73 Nr. 1 GG mit den Auslandsbeziehungen der Bundesrepublik befassen und deren Gegenstände typischerweise durch völkerrechtliche Verträge geregelt werden, wie z.B. Art. 73 Nr. 5 GG und Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG, überflüssig. Die betroffenen Materien unterlägen dann bereits durch die bloße Tatsache des völkerrechtlichen Vertragsschlusses der Gesetzgebungskompetenz des Bundes.179 Außerdem hätte der Bund bei einer solchen Auslegung von Art. 73 Nr. 1 GG die Möglichkeit, jeden beliebigen Sachgegenstand durch einen völkerrechtlichen Vertragsschluss zu einer auswärtigen Angelegenheit zu erheben und sich zu Lasten der Länder die Gesetzgebungskompetenz zuzuordnen.180 Deshalb ist der Begriff der auswärtigen Angelegenheiten eng auszulegen und erfasst nur Fragen des zwischenstaatlichen Verkehrs im engeren Sinne wie beispielsweise die Unterhaltung diplomatischer und konsularischer Beziehungen.181 Weiterhin kann eine Durchführungskompetenz des Bundes auch nicht aus Art. 73 Nr. 5 GG hergeleitet werden, da nicht alle gemeinschaftsrechtlichen Normen auf den Warenverkehr bezogen sind und zudem der bei der Kompetenznorm erforderliche Auslandsbezug nicht allein deshalb bejaht werden kann, weil die innerstaatliche Norm auf Grund einer bestimmten Verpflichtung aus dem Außenverhältnis Deutschlands erlassen werden soll.182 Vielmehr muss der Auslandsbezug bei dem konkreten, auf die Kompetenz des Art. 73 Nr. 5 GG gestützten Gesetz gegeben sein.183 Des Weiteren ist mit der Zuständigkeit für das wirtschaftliche Leben gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG die Tätigkeit der Gemeinschaft nicht mehr zu erfassen.184 Zwar betrifft ein Großteil der EG-Richtlinien den Bereich Wirtschaft und Warenverkehr, doch sind längst auch andere Gebiete durch gemeinschaftsrechtliche Regelungen erschlossen. Dies spiegelt sich auch in der Umbenennung der Gemeinschaft von EWG in EG mit Inkrafttreten des EUV wider.

___________ 179 Grabitz, AöR 111(1986), 1 (15); Schwan, Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, S. 151. 180 Spreen, Bundeskompetenzen, S. 81 f.; Kössinger, Durchführung, S. 45; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (16); Pelzer, DÖV 1959, 51 (53). 181 Spreen, Bundeskompetenzen, S. 82; Wölk, Umsetzung von Richtlinien, S. 133; Bothe, in: AK, Art. 73 GG, Rn. 1; Blanke, Eigenstaatlichkeit und Europäische Integration, S. 77; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (17). 182 Trüe, EuR 1996, 179 (187); Blanke, Eigenstaatlichkeit und Europäische Integration, S. 77; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (18). 183 Wölk, Umsetzung von Richtlinien, S. 133; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (18). 184 Trüe, EuR 1996, 179 (187).

II. Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung

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d) Herleitung aus Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG oder Art. 32 Abs. 1 GG Darüber hinaus können auch Art. 59 Abs. 2 S. 1 und Art. 32 Abs. 1 GG nicht zur Begründung einer Bundeskompetenz herangezogen werden. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG regelt nur die Kompetenzverteilung zwischen den einzelnen Bundesorganen zum Abschluss bzw. zur Transformation völkerrechtlicher Verträge, trifft aber keine Aussage über die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung zur Durchführung.185 Art. 32 Abs. 1 GG verleiht dem Bund lediglich das Recht zur Pflege der auswärtigen Beziehungen und ist damit bezogen auf das Außenverhältnis. Aus dieser Kompetenz des Bundes, insbesondere völkerrechtliche Verträge mit anderen Staaten abzuschließen, lässt sich aber keine der Außenkompetenz kongruente Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Vollzug ableiten.186

e) Herleitung aus den Rechtsinstituten der Kompetenz „kraft Sachzusammenhang“ oder „kraft Natur der Sache“ Schließlich wäre an eine alleinige Bundeskompetenz durch Rückgriff auf die Rechtsinstitute der Kompetenz „kraft Sachzusammenhang“ oder „kraft Natur der Sache“ zu denken. Soweit der Bund, um eine ihm ausdrücklich zugewiesene Materie gestalten zu können, darauf angewiesen ist, zugleich eine ihm nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mit zu regeln, steht dem Bund die Kompetenz zur Erstreckung seiner Regelung auch auf die ihm nicht ausdrücklich zugewiesene Materie kraft Sachzusammenhangs zu.187 Um eine generelle Umsetzungskompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhangs bejahen zu können, müsste festgestellt werden, dass zur sinnvollen Ausübung der Kompetenz zur Übertragung von Hoheitsrechten gemäß Art. 23 Abs. 1 GG die Zuweisung auch der generellen Umsetzungskompetenz an den Bund unerlässlich ist. Die legislative Durchführung kann jedoch wirksam nicht nur vom Bund, sondern auch von den Ländern vorgenommen werden.188 Es darf bei der Abschichtung von Kompetenzen von Bund und Ländern nicht lediglich danach gefragt werden, was zweckmäßig im Sinne einer möglichst reibungslosen, schnellen und einheitlichen Aufgabenerledigung ist. Dies hätte, zumindest im Bereich der Rechtsset___________ 185 Haslach, DÖV 2004, 12 (14); ders., Richtlinienumsetzung, S. 48; Trüe, EuR 1996, 179 (188); Blanke, Integrationsgewalt, S. 294; Grabitz, AöR 111(1986), 1 (19 f.). 186 Haslach, DÖV 2004, 12 (14); Trüe, JuS 1997, 1092 (1093); Starck, FS Peter Lerche, S. 563 ff.; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (22); Schwan, Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, S. 145; Mosler, ZaöRV Bd. 16 (1955/56), 1 (33). Anderer Ansicht bezogen auf die Erfüllung völkerrechtlicher Verträge allgemein ist Kaiser, ZaöRV Bd. 18 (1957/58), 526 (548 ff.). 187 Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (27). 188 Haslach, DÖV 2004, 12 (14); ders., Richtlinienumsetzung, S. 49; Trüe, EuR 1996, 179 (189); Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (29).

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

zung zur Folge, dass in Zweifelsfällen eine generelle Aufgabenübertragung auf den Bund stattfindet.189 Insofern scheidet eine generelle Umsetzungskompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhangs aus. Eine Kompetenz des Bundes kraft Natur der Sache wird nur zur Regelung von Sachgebieten angenommen, die ihrer Natur nach ausschließlich vom Bund geregelt werden können.190 Das Umsetzungsrecht ist aber nationales Recht wie anderes auch und unterscheidet sich hiervon nur durch den europäischen Anlass zur Gesetzgebung. Es sind deshalb keine Gründe erkennbar, weshalb wegen der Natur der Durchführungsmaßnahmen die Länder in keiner Form imstande sein sollten, diese vorzunehmen.191 Demnach ist eine generelle Umsetzungskompetenz des Bundes kraft Natur der Sache ebenfalls abzulehnen. Damit begründen weder das Gemeinschaftsrecht noch das Grundgesetz eine alleinige Bundeskompetenz zur Umsetzung von EG-Richtlinien.

2. Länderkompetenz Allerdings ist aus dieser Tatsache nicht zu schließen, dass eine solche Alleinzuständigkeit deshalb den Ländern zukommt. Gedacht werden könnte zwar an eine Begründung aus Art. 30, 70 Abs. 1 GG. Alle Bereiche, die innerstaatlich gemäß Art. 70 ff. GG in die Bundeszuständigkeit fallen, wären damit durch den Abschluss des Gemeinschaftsrechts auf die Länder verschoben worden. So weit geht die Vermutung der Länderzuständigkeit aus Art. 30, 70 Abs. 1 GG jedoch nicht.192 Eine derart massive Kompetenzverschiebung bedürfte bereits aus Gründen der Rechtssicherheit einer Verfassungsänderung.193 Ferner ist dem Grundgesetz die Absicht zu entnehmen, der Bundesrepublik Deutschland rechtsverbindliche Beziehungen zu auswärtigen Hoheitsträgern zu ermöglichen. Eine generelle Verschiebung der Durchführungskompetenz vom Bund auf die Länder würde jedoch bedeuten, dass der Bund schon aus diesem Grund in Bezug auf den Beitritt zu internationalen Organisationen äußerst zurückhaltend sein müsste.194 Dadurch entstünde ein Widerspruch zu dem in der Präambel und Art. 23 Abs. 1 GG verankerten Staatsziel, an der Verwirklichung eines verein___________ 189

Kössinger, Durchführung, S. 44; Zuleeg, Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 318. 190 Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (26). 191 Haslach, DÖV 2004, 12 (14); Trüe, EuR 1996, 179 (189); Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (17). 192 Trüe, EuR 1996, 179 (189); Kössinger, Durchführung, S. 42; Rinck, FS Gebhard Müller, S. 289 ff. 193 Trüe, EuR 1996, 179 (190); Kössinger, Durchführung, S. 43. 194 Kössinger, Durchführung, S. 43.

III. Zusammenfassung

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ten Europas mitzuwirken. Mithin wäre eine alleinige Kompetenz der Länder, EG-Richtlinien zu transformieren, vom Gesetzgeber ebenso wenig gewollt, hätte er bei Erlass des Grundgesetzes die Frage der Zuständigkeitsverteilung bei der Rechtsumsetzung von europäischem Recht gekannt.195

3. Art. 70 ff. GG analog Vielmehr ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz der Länder oder des Bundes im Einklang mit dem Bundesstaatsprinzip und den dieses konkretisierenden Zuständigkeiten analog196 Art. 70 ff. GG.197 Die innerstaatliche Zuständigkeit wurde lediglich dadurch betroffen, dass bestimmte Zuständigkeiten nunmehr von der Europäischen Gemeinschaft wahrgenommen werden; ein innerstaatlicher Kompetenztransfer von den Ländern auf den Bund oder dem Bund auf die Länder fand dadurch nicht statt. Dies entspricht auch der Gesetzgebungspraxis in Bund und Ländern seit Erlass der ersten EG-Richtlinien. Die Bundesländer sind mithin – neben der Rechtssetzung auf europäischer Ebene gemäß Art. 23 GG – auch an der Rechtsumsetzung von europäischem in nationales Recht beteiligt. In der Konsequenz können zur Umsetzung, gegebenenfalls neben einem Umsetzungsakt des Bundes, weitere 16 der einzelnen Länder erforderlich werden. Ob damit eine ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung in der Praxis durchzuführen ist, ist zumindest zweifelhaft.

III. Zusammenfassung Die deutschen Bundesländer wirken sowohl an der Rechtssetzung auf europäischer Ebene als auch bei der Umsetzung von europäischem in nationales Recht mit. ___________ 195

Haslach, DÖV 2004, 12 (15); ders., Richtlinienumsetzung, S. 49. Für eine Analogie spricht die Tatsache, dass der Verfassungsgeber bei der Konstituierung des Grundgesetzes noch kein sekundäres EG-Recht kannte und deshalb die Umsetzungskompetenzen diesbezüglich nicht verteilen konnte, vgl. Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 50. 197 Haslach, DÖV 2004, 12 (15); Spreen, Bundeskompetenzen, S. 65; Schnapauff, ZG 1997, 188 (193); Trüe, EuR 1996, 179 (190); Rengeling, DVBl. 1995, 945 (950); Pernice, DVBl. 1993, 909 (914 f.); Starck, FS Lerche, S. 571; Kössinger, Durchführung, S. 46; Barnstedt, Ausführung des Gemeinschaftsrechts, S. 84; Blanke, Eigenstaatlichkeit und Europäische Integration, S. 78; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (29); Weber, DVBl. 1986, 800 (802); Schwan, Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, S. 154; Zuleeg, Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 315. 196

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B. Die Ländermitwirkung bei Rechtssetzung und -umsetzung

Die Mitwirkungsrechte im Rahmen der europäischen Rechtssetzung ergeben sich aus Art. 23 GG und den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen. Sie betreffen die Setzung von Primär- wie auch von Sekundärrecht. Bei der Setzung von Primärrecht muss der Bundesrat in jedem Fall zustimmen, unabhängig davon, ob Hoheitsrechte des Bundes oder der Länder auf die Europäische Union übertragen werden. Darüber hinaus ist aber umstritten, wann für die Übertragung die Zustimmung mit einfacher Mehrheit genügt und wann eine verfassungsändernde Mehrheit nach Art. 79 Abs. 2 GG erforderlich ist. Vorzugswürdig scheint insofern die Annahme, dass mit jeder Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union eine Verfassungsänderung einhergeht, so dass in diesem Fall immer eine Zweidrittelmehrheit notwendig wird. Abzulehnen ist allerdings die Auffassung, dass auch solche Änderungen der Verträge der Union das Erfordernis einer verfassungsändernden Mehrheit auslösen, welche nicht mit einer Hoheitsübertragung einhergehen, sondern lediglich einen Verlust an Einflussmöglichkeiten der Bundesrepublik in der Europäischen Union bedingen. Die Mitwirkungsrechte der Bundesländer bei der Setzung von Sekundärrecht reichen vom Recht der Bundesrates zur Abgabe einer von der Bundesregierung „einfach“ zu berücksichtigenden Stellungnahme, Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG, über eine maßgeblich zu berücksichtigende Stellungnahme, Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG, bis hin zu dem Recht, einem Ländervertreter im Rat der Europäischen Union die Verhandlungsführung für die Bundesrepublik Deutschland zu übertragen, Art. 23 Abs. 6 GG. Dabei sind allerdings die Voraussetzungen der verschiedenen Mitwirkungsrechte in ihren Einzelheiten unklar, weil teilweise dem Grundgesetz bislang unbekannte Formulierungen, teilweise sehr unbestimmte Begriffe gewählt wurden. So besteht insbesondere keine Einigkeit darüber, was unter der „maßgeblichen Berücksichtigung“ der Stellungnahme des Bundesrates zu verstehen ist. Entsprechend den Vorstellungen des verfassungsändernden Gesetzgebers sollte die Formulierung so verstanden werden, dass dem Bundesrat ein Letztentscheidungsrecht zukommt. Insofern ist die Bundesregierung an die Auffassung des Bundesrates gebunden. Abzulehnen ist deshalb auch die Meinung, die ein Recht zur Abweichung von der Stellungnahme des Bundesrates über die Pflicht zur Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung zu konstruieren sucht. Bezüglich der Übertragung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter stellt sich vor allem die Frage, was unter ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnissen der Länder zu verstehen ist. In Abgrenzung zu den Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG muss dies so ausgelegt werden, dass damit alle Bereiche gemeint sind, in denen es keine Kompetenzzuweisung an den Bund gibt. Dass eine bundeseinheitliche Regelung gemäß Art. 72 Abs. 2 GG lediglich nicht erforderlich ist, genügt also nicht. Im Übrigen ist eine Aus-

III. Zusammenfassung

69

nahme von der Pflicht der Bundesregierung zur Übertragung der Verhandlungsführung aus außen- oder integrationspolitischen Gründen abzulehnen. Im Rahmen der Sonderregelung des § 5 Abs. 3 EUZBLG ist zur Auslegung des Begriffs der „Zustimmung“ eine Übereinstimmung mit den Regelungen des Art. 23 GG zu suchen. Deshalb darf sich die Bundesregierung bei Ablehnung eines Vorhabens durch den Bundesrat dann nicht der Stimme enthalten, wenn dieses in den Bereich der Länderzuständigkeiten gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG fällt. Hinsichtlich der Rechtsumsetzung von europäischem in nationales Recht ist in der Literatur umstritten, wem die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Die besseren Gründe sprechen für eine analoge Anwendung der Art. 70 ff. GG, was auch der Praxis der Richtlinienumsetzung entspricht. Folge der Beteiligung der Länder an der Rechtsumsetzung ist damit – insbesondere im Bereich der Rahmengesetzgebung –, dass neben Rechtssetzungsakten des Bundes auch Umsetzungsmaßnahmen jedes Landes erforderlich werden können.

C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis Im Zusammenhang mit Art. 23 GG und den dazu ergangenen Ausführungsvorschriften bestehen bezüglich der Einschlägigkeit und des Umfangs bestimmter Beteiligungsrechte der Bundesländer bei der europäischen Rechtssetzung etliche offene Fragen. Fraglich ist, ob sich diese Unklarheiten in der Praxis auswirken oder ob sie lediglich theoretischer Natur sind. Von besonderer Bedeutung ist insofern, ob sie der Einbringung deutscher Interessen in die Verhandlungen in Brüssel hinderlich sind. Damit wird die Frage gestellt nach der integrationspolitischen Handlungsfähigkeit Deutschlands in der Europäischen Union. Innerhalb der Bundesstaatskommission wie auch in der Literatur sind die Meinungen geteilt, ob sich das Verfahren der Ländermitwirkung nach Art. 23 GG bewährt hat. Einerseits wird vertreten, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Praxis reibungslos funktioniere1 und praktikabel sei.2 Andererseits wird behauptet, dass die komplexe Regelung des Art. 23 GG die Handlungsfähigkeit Deutschlands auf europäischer Ebene beeinträchtige.3 Weiterhin wird darauf verwiesen, dass die Zusammenarbeit häufig nur deshalb gelinge, weil die Bundesländer die ihnen zustehenden Rechte nicht in vollem Umfang wahrnähmen und größere Konflikte durch pragmatische Lösungen vermieden werden könnten.4 ___________ 1

Vgl. z.B. Drs.-Bundesstaatskommission 0034 des Landes Rheinland-Pfalz, Anlage, S. 1; Mertin, Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 137 (B); Menz, Deutsche Interessenvertretung in der EU, S. 69. Siehe auch Teufel in der 3. Sitzung der Arbeitsgruppe „Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte“ der Bundesstaatskommission v. 11.03.2004, Protokollvermerk v. 18.03.2004, S. 2 (zitiert nach Pernice, Zur Reform des Artikel 23 GG, S. 4, Fn. 6). 2 Görlitz, ZG 2004, 249 (249, 257); Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 10; Arnold, Beteiligung der Bundesländer, S. 140. 3 Vgl. beispielsweise Benz, Stenographischer Bericht, 3. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 12.12.2003, S. 53 (B); Huber, ebenda, S. 57 (A); Ferdinand Kirchhof, ebenda, S. 60 (C); Scharpf, ebenda, S. 66 (B-C); Benz, Drs.-Bundesstaatskommission 0043, S 4 f. Siehe auch FR v. 13.12.2004, S. 2 (Nationale Interessenvertretung unrealistisch). 4 Vgl. beispielsweise Schwall-Düren, Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 129 f. (D); Zypries, ebenda, S. 132 (B); SchmidtJortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 6.

I. Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG

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Damit drängt sich die Frage auf, welche dieser unterschiedlichen Einschätzungen der Wirklichkeit am ehesten entspricht.

I. Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG Wenig Beachtung hat im Rahmen der Bundesstaatskommission die Beteiligung der Länder bei der Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG gefunden. Dies mag daran liegen, dass diese Zustimmungsermächtigung in der Praxis vergleichsweise selten relevant wird. Allerdings ist sie, insbesondere wenn es um das Erfordernis einer Zustimmung mit Zweidrittelmehrheit gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG geht, nicht unproblematisch: In drei von sechs bis Mai 20045 zur Anwendung gekommenen Fällen ist es Bundesregierung und Bundesrat nicht gelungen, eine Einigung darüber zu erzielen, ob Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG einschlägig und damit die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Dabei ging es zum einen um den Beitrittsvertrag mit den vier EFTA-Staaten Österreich, Finnland, Schweden und Norwegen zur Europäischen Union vom 24./25.06.1994.6 Ein weiterer Konflikt entzündete sich anlässlich des Verfahrens, in welchem dem Beschluss des Rates vom 31.10.1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften zugestimmt werden sollte.7 Darüber hinaus war beim Gesetz zum Vertrag von Nizza zunächst unklar, ob eine Zustimmung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat notwendig war.8 Jüngst ist es zu Uneinigkeiten in Bezug auf die Einschlägigkeit von Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG anlässlich des Gesetzes zum Vertrag über den Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten Tschechien, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien und Slowakei gekommen.9 ___________ 5 Vgl. die Zusammenstellung über die „Qualifizierte Mitwirkung des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union“ v. 06.02.2004 (im Folgenden: Zusammenstellung 2004; erhältlich über das Sekretariat des Bundesrates, Büro des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union), S. 14 f. Noch nicht aufgeführt ist dort das Gesetz zum Vertrag v. 16.04.2003 über den Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten. 6 Gesetz zu dem Vertrag v. 24.06.1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union, BGBl. II 1994, S. 2022. 7 Gesetz zu dem Beschluss des Rates v. 31.10.1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften, BGBl. II 1995, S. 498. 8 Gesetz zum Vertrag von Nizza v. 26.02.2001, BGBl. II 2001, S. 1666. 9 Gesetz zu dem Vertrag v. 16.4.2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union, BGBl. II 2003, S. 1408.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

1. Die Problematik der Beitrittsverträge a) Ratifikation der Beitrittsverträge mit Schweden, Norwegen10, Finnland und Österreich Bereits in seinem ersten Praxistest hat Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG eine Kontroverse ausgelöst: Es stellte sich die Frage, ob die Ratifikation des Beitrittsvertrages zwischen der Europäischen Union und den vier EFTA-Staaten einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedurfte.11 Der Bundesrat vertrat die Auffassung, dass durch den Beitritt weiterer Staaten die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert würden und deshalb eine Zustimmung nach Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG erforderlich sei.12 Dem hielt die Bundesregierung entgegen, dass grundsätzlich ein einfaches Gesetz nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG zur Ratifikation des Beitrittsvertrages ausreiche. Das Vertragsgesetz bedürfe der Zustimmung des Bundesrates nur im Hinblick auf Art. 80 Abs. 2 GG.13 Der Bundestag machte sich den Standpunkt der Bundesregierung zu Eigen und verabschiedete eine entsprechende Entschließung.14 Darin wurde bezweifelt, dass durch einen Beitritt Norwegens, Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union Änderungen der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union oder vergleichbare Änderungen vorgenommen würden, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird. Des Weiteren wurde seitens des Bundestages argumentiert, dass ein erneuter Zustimmungsbedarf des Bundesrates schon deshalb nicht ausgelöst werde, weil der Vertrag über die Europäische Union allen europäischen Staaten den Beitritt eröffne und diese Perspektive von Bundestag und Bundesrat bereits mit verfassungsändernder Mehrheit gebilligt worden sei. Insofern verlieh der Bundestag seiner mehrheitlich vertretenen Auffassung Ausdruck, dass durch den Beitritt weiterer Staaten keine Hoheitsrechte der Bundesrepublik auf die Europäische Union übertragen werden, so dass Art. 23 Abs. 1 GG überhaupt nicht einschlägig sei. ___________ 10

Norwegen hat den vereinbarten Beitritt auf Grund eines ablehnenden Referendums nicht vollzogen. 11 Zum Verlauf der Auseinandersetzung siehe auch Hölscheidt/Schotten, DÖV 1995, 187 (188). 12 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 446/94. 13 Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7977, S. 6, 330. Das Vertragsgesetz enthielt eine Vorschrift, die zum Erlass einer – zustimmungsbedürftigen – Rechtsverordnung ermächtigte. Das Zustimmungserfordernis des Bundesrates zur Rechtsverordnung wurde aber ausgeschlossen, weshalb das Gesetz selbst der Zustimmung bedurfte, vgl. BVerfG, Beschluss v. 24.02.1970, E 28, 66 (76 f.). 14 Beschluss des Deutschen Bundestages, BR-Drs. 680/94, S. 2.

I. Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG

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Die oppositionelle SPD-Fraktion gab allerdings während der Beratungen im federführenden Auswärtigen Ausschuss entgegen der mehrheitlichen Auffassung des Bundestages zu Protokoll, dass sie den Bezug auf Art. 59 GG ablehne, da „aus guten rechtlichen Gründen“ auch Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG zur Grundlage des Zustimmungserfordernisses des Bundesrates gemacht werden könne.15 Die Frage, ob der Beitritt weiterer Staaten zur Europäischen Union das qualifizierte Zustimmungserfordernis gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG auslöst, wurde demnach uneinheitlich beantwortet. Dabei gab es nicht nur zwischen den drei Verfassungsorganen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, sondern teilweise auch innerhalb der Organe Meinungsverschiedenheiten über die verfassungsrechtliche Grundlage der Ratifikation. Die Auffassung des Bundesrates blieb allerdings angesichts der knappen Begründung etwas unklar. Der Hinweis auf die durch den Beitritt weiterer Staaten stattfindende Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union lässt aber wohl den Schluss zu, dass der Bundesrat die Frage, ob durch den Beitritt eine Hoheitsrechtsübertragung stattfand, bejahte. Dass er darüber hinaus nicht näher begründet hat, inwiefern dadurch die Notwendigkeit einer verfassungsändernden Mehrheit ausgelöst wird, könnte darauf hindeuten, dass der Bundesrat grundsätzlich jede Hoheitsrechtsübertragung für verfassungsrelevant hielt. Gegen beide Annahmen wandte sich der Bundestag. Demnach konnte eine Einigung über die Frage, ob der Beitritt weiterer Staaten zur Union eine das qualifizierte Zustimmungserfordernis auslösende Hoheitsrechtsübertragung bedeutet, nicht erzielt werden. Die im Rahmen der Untersuchung von Art. 23 Abs. 1 GG angesprochenen Auslegungsprobleme, wann genau eine Hoheitsrechtsübertragung zu bejahen ist und in welchen Fällen diese mit einer Grundgesetzänderung einhergeht, haben also schon im ersten Anwendungsfall eine Rolle gespielt. Die Streitfragen konnten allerdings offen bleiben, da das Ratifikationsgesetz vom Deutschen Bundestag am 29.06.1994 in namentlicher Abstimmung einstimmig verabschiedet wurde16 und der Bundesrat am 08.07.1994 ebenfalls einstimmig zustimmte.17 Die Kontroverse hatte demnach angesichts der einhelligen Zustimmung im dargestellten Fall keine Folgen.

___________ 15

Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses, BT-Drs. 12/ 8188, S. 5. 16 Stenographischer Bericht, Sitzung des Bundestages v. 29.06.1994, S. 20835 (B). 17 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 680/94; Stenographischer Bericht, 672. Sitzung des Bundesrates v. 08.07.1994, S. 405 (D).

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

b) Ratifikation der Beitrittsverträge im Rahmen der sog. Osterweiterung der Europäischen Union In Anbetracht der Tatsache, dass schon 1994 der Beitritt der zehn im Mai 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten Mittel- und Osteuropas im Wesentlichen absehbar war18, wäre eine Klärung dennoch wünschenswert gewesen. Mangels einer Einigung kam es hinsichtlich des jüngsten Beitritts zwischen Bundesregierung und Bundesrat zu einem ähnlich grundlegenden Streit wie schon anlässlich des Beitritts der vier EFTA-Staaten. Der Bundesrat verlangte in seiner Stellungnahme wiederum, dass das Ratifikationsgesetz mit qualifizierter Mehrheit gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG verabschiedet werde.19 Der Beitrittsvertrag regele nämlich erstmals verbindlich die Zahl der Sitze für die neuen Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament, ihre Stimmenzahl im Rat sowie das künftig geltende Quorum für die qualifizierte Mehrheit. Durch den Vertrag von Nizza habe eine solche endgültige und rechtlich verbindliche Festlegung der institutionellen Bestimmungen und die damit verbundene Änderung des Kreises der Befugten, die übertragene Hoheitsrechte ausüben, noch nicht stattgefunden. Die diesbezüglich in Erklärung Nr. 2020 erfolgte Einigung sei nicht Bestandteil des Vertrages geworden. Damit würden durch den Beitrittsvertrag Hoheitsrechte auf die Union übertragen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert werde.21 Die Bundesregierung vertrat wiederum die Auffassung, dass der Beitrittsvertrag nur der Zustimmung nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG bedürfe.22 Gegen die Forderung des Bundesrates wandte sie sich vorrangig mit dem Argument, dass sich die Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union infolge des Beitrittsvertrages auf die Anpassung organisatorischer Regelungen beschränke. Eine materielle Änderung sei damit nicht verbunden, so dass schon von einer Übertragung von Hoheitsrechten der Bundesrepublik nicht die Rede sein könne.23 Davon abgesehen handele es sich bei Erklärung Nr. 20 zwar lediglich um die Festlegung einer Gemeinschaftsposition. Allerdings habe das Ratifikationsge___________ 18

Die Erweiterungsrunde um mittel- und osteuropäische Staaten wurde auf dem Europäischen Rat in Kopenhagen 1993 politisch im Grundsatz beschlossen, dazu Iliopoulos, EuR 2004, 637 (643). 19 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 300/03, S. 1. 20 Vgl. Schlussakte der Konferenz von Nizza mit Erklärungen, Erklärung Nr. 20 zur Erweiterung der Europäischen Union. 21 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 300/03, S. 1 f. 22 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/1100, S. 1. 23 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 15/1200, S. 2.

I. Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG

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setz zum Vertrag von Nizza sämtliche von der Regierungskonferenz angenommenen Erklärungen einschließlich derjenigen zur Erweiterung der Union umfasst. Die vom Bundesrat damit bereits verbindlich akzeptierte Gemeinschaftsposition habe aber fast unverändert Eingang in den Beitrittsvertrag gefunden.24 Schließlich spreche gegen das Erfordernis einer verfassungsändernden Mehrheit im Sinne von Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG der Normzweck. Das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit sei eng auszulegen, um der Norm des Art. 23 GG nicht ihren integrationsoffenen Charakter zu nehmen.25 Unterstützung fand die Position der Bundesregierung durch die Mehrheit des Bundestages.26 Hier vertraten allerdings wiederum Teile der Opposition – in diesem Fall die mittlerweile oppositionelle CDU/CSU-Fraktion – die Auffassung, dass eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig sei, da die deutsche Rechtsordnung im Verhältnis zu den Beitrittsstaaten zugunsten des EU/EG-Rechts zurückgedrängt werde und zudem das relative Stimmengewicht Deutschlands abnehme.27 Damit war die CDU/CSU-Fraktion offenkundig der Ansicht, dass das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit schon dann ausgelöst werde, wenn durch Vertragsänderungen der faktische Einfluss Deutschlands in der Europäischen Union reduziert wird, ohne dass dies mit einer Hoheitsrechtsübertragung verbunden sein muss. Letztlich wiederholte sich der Streit, der schon anlässlich der Ratifikation der Beitrittsverträge mit den vier EFTA-Staaten stattgefunden hatte. Die Bundesregierung und die Mehrheit des Bundestages verneinten sowohl eine Übertragung von Hoheitsrechten als auch eine Änderung des Grundgesetzes durch den Beitritt neuer Mitgliedstaaten. Der Bundesrat hingegen bejahte beides. Die CDU/CSU-Fraktion schließlich hielt schon den Verlust tatsächlichen Einflusses der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union für ausreichend, um den Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG zu eröffnen. Erneut hatten damit die Unklarheiten des Verfassungstextes auch Auswirkungen auf die praktische Anwendung im Rahmen des Integrationsprozesses. Im Ergebnis kam es aber wiederum zu keiner Klärung, da inhaltlich keine Differenzen bestanden und der Beitritt einhellig begrüßt wurde.28 Der

___________ 24

Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 15/1200, S. 3. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 15/1200, S. 3. 26 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, BT-Drs. 15/1300, S. 1 ff. 27 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, BT-Drs. 15/1300, S. 6. 28 Vgl. Stenographischer Bericht, Sitzung des Bundestages v. 03.07.2003, S. 4642 (A) (580 Stimmen insgesamt davon 575 Ja, 1 Nein, 4 Enthaltungen). 25

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Bundesrat stimmte in seiner Sitzung am 11.07.2003 dem Gesetz zu dem Beitrittsvertrag einstimmig zu.29 Damit existieren die unterschiedlichen Auffassungen nach wie vor und können bei jedem weiteren Beitritt zu erneuten Auseinandersetzungen führen. Angesichts der Tatsache, dass mit Bulgarien und Rumänien weitere Beitrittskandidaten feststehen, mit denen bereits Beitrittsverhandlungen geführt werden und die Aufnahme von Verhandlungen für den Oktober 2005 auch mit der Türkei beschlossen ist, stellt sich die Frage, ob eine endgültige Klärung des Anwendungsbereichs von Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG unter integrationspolitischen Erwägungen nicht wünschenswert gewesen wäre. Zwar ist es bisher trotz der Uneinigkeiten über die Bundesratsbeteiligung sowie das Erfordernis einer verfassungsändernden Mehrheit nicht zu Blockaden von Beitritten weiterer Mitgliedstaaten gekommen. Hat man jedoch die Kontroversen im Blick, die sich jetzt um den Beitritt Rumäniens und Bulgariens30 und einen etwaigen Beitritt der Türkei entzündet haben31, scheint eine solche in Zukunft nicht ausgeschlossen, so dass die Fragen nicht allein von akademischen Interesse sind.32 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei einem zukünftigen Beitritt die Meinungen zwischen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat – sei es aus wirtschaftspolitischen oder auch kulturellen Gründen – auseinandergehen, ob diesem zuzustimmen ist. Eine dann erforderliche Klärung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates durch langwierige Diskussionen zwischen den Verfassungsorganen oder durch das BVerfG droht zumindest zu einer nicht unerheblichen Verzögerung des Integrationsprozesses zu führen.

2. Gesetz zum Eigenmittelbeschluss Probleme hinsichtlich des Anwendungsbereichs von Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG entstanden auch bei den Beratungen zum Eigenmittelbeschluss des Rates vom 31.10.1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften33. Der Beschluss des Rates sollte an die Stelle des Eigenmittelbe___________ 29

Stenographischer Bericht, 790. Sitzung des Bundesrates v. 11.07.2003, S. 217 (A). Vgl. FAS v. 17.04.2005, S. 1 (CDU droht mit Nein). 31 Vgl. nur FAS v. 05.06.2005, S. 1 (Merkel: Bürger sind überfordert); ebenda, S. 2 (Ein Weiter so geht nicht); FAS v. 15.05.2005, S. 2 (Niemals EU-Mitglied!); FR v. 14.12.2004, S. 1 (EU stellt Türkei herbe Bedingungen); FR v. 16.12.2004, S. 1 (Gute Chancen für die Türkei); FR v. 16.12.2004, S. 2 (Dinner for 25); FR v. 17.12.2004, S. 1 (CDU-Position zur Türkei gekippt); FR v. 17.12.2004, S. 3 (Merkels Eigensinn). 32 Ebenso auch schon Hölscheidt/Schotten, DÖV 1995, 186 (188) angesichts der Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Beitritts der EFTA-Staaten. 33 ABl. 1994 L 293, S. 9 ff. 30

I. Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG

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schlusses vom 24.06.198834 treten und die Finanzausstattung der Gemeinschaft erweitern sowie die Lastenverteilung bei der Aufbringung der Eigenmittel der Gemeinschaft zwischen den Mitgliedstaaten verändern. Hinsichtlich der Durchführung des Beschlusses sah Art. 8 Abs. 2 vor, dass der Rat die erforderlichen Vorschriften erlässt. Art. 269 Abs. 2 EG legt wegen des unmittelbaren Eingriffs der Erhebung von Eigenmitteln in die Finanzautonomie der Mitgliedstaaten das Verfahren nationaler Ratifizierung für den Eigenmittelbeschluss der Gemeinschaft fest.35 Insofern handelt es sich um ein spezielles Vertragsänderungsverfahren, das von der in Art. 48 EU festgelegten Vertragsrevision abweicht.36 Der Eigenmittelbeschluss zählt demnach zum primären Gemeinschaftsrecht37, so dass der Anwendungsbereich von Art. 23 Abs. 1 GG grundsätzlich eröffnet ist. Bundesregierung und Bundesrat waren jedoch bezüglich der Frage uneins, ob eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG notwendig ist. Der Bundesrat ging davon aus, dass seine qualifizierte Zustimmung erforderlich sei, da Hoheitsrechte übertragen würden. Argumentiert wurde insofern, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG die Übertragung von Hoheitsrechten immer eine Verfassungsänderung bewirke.38 Dem hielt die Bundesregierung entgegen, dass nicht jeder Übertragung von Hoheitsrechten mit den nach Satz 3 erforderlichen Mehrheiten zugestimmt werden müsse.39 Eine derartige Auffassung sei nicht nur mit dem klaren Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG unvereinbar, sondern werde auch den Intentionen des Gesetzgebers nicht gerecht.40 Dieser habe ausdrücklich anerkannt, dass es Fälle der Hoheitsrechtsübertragung gebe, die allein dem Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG zuzuordnen seien. Eine Zweidrittelmehrheit sei nur dann zu verlangen, ___________ 34

ABl. 1988 L 185, S. 24 ff. Vgl. auch die Durchführungsverordnung 1552/89 des Rates v. 29.05.1989, ABl. 1989 L 155, S. 1 ff. 35 Schoo, in: Schwarze, Art. 269 EG, Rn. 22 f. 36 Magiera, in: Grabitz/Hilf, Art. 201 a. F. EGV; Niedobitek, in: Streinz, Art. 269 EG, Rn. 11; Storr, EuR 2001, 846 (866); Rn. 9; Schoo, in: Schwarze, Art. 269 EG, Rn. 22. 37 Niedobitek, in: Streinz, Art. 269 EG, Rn. 11; Storr, EuR 2001, 846 (866); Magiera, EuR 1985, 273 (286); Bieber, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 269 EG, Rn. 10 f. Vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union, BT-Drs. 14/6464, S. 1. 38 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 1102/94, S. 2, mit Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss v. 23.06.1981, E 58, 1 (36). 39 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 13/382, Anlage 3, S. 20. 40 Gegenäußerung des Bundesregierung, BT-Drs. 13/382, Anlage 3, S. 20 unter Verweis auf Beschlussempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union“ (Vertrag von Maastricht, BT-Drs. 12/3896, S. 18).

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

wenn über vorhandene Ermächtigungen hinausgegangen werde. Durch die Aufnahme der Rechtssetzungsbefugnisse des Art. 8 Abs. 2 in den Eigenmittelbeschluss geschehe dies aber nicht, da schon der Eigenmittelbeschluss vom 24.06.1988 entsprechende Regelungen vorgesehen habe. Der Beschluss des Rates vom 31.10.1994 sehe hierzu lediglich Änderungen in den Modalitäten vor, wodurch nur Kompetenzen abgerundet würden, die bereits zugunsten der Europäischen Gemeinschaften begründet waren.41 Es stellte sich damit die bereits angesprochene grundsätzliche Frage, ob jede Übertragung von Hoheitsrechten Verfassungsrelevanz hat und deshalb das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG hervorruft. Der Bundesrat vertrat im beschriebenen Fall diese Auffassung. Die Bundesregierung hingegen verlangte eine qualifizierte Verfassungsbedeutung der Hoheitsrechtsübertragung. Wiederum kam es nicht zu einer Klärung der Streitfrage, da inhaltlich Einigkeit bestand. Der Bundesrat hat am 12.05.1998 dem Gesetz mit ausdrücklichem Hinweis auf Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG zugestimmt.42 Damit ist auch die Frage weiterhin ungeklärt, ob jede Hoheitsrechtsübertragung von der Bundesrepublik Deutschland auf die Europäische Union zugleich das Grundgesetz ändert oder eine solche Änderung ermöglicht. Zwar hat im Rahmen der Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses in der Bundesrepublik zwischen den Verfassungsorganen zuletzt inhaltliche Einigkeit bestanden, so dass es unerheblich war, ob dem Ratifizierungsgesetz mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit zugestimmt werden musste. Der letzte Eigenmittelbeschluss der Gemeinschaft vom 29.09.2001 wurde ohne Auseinandersetzungen zwischen Bundesregierung und Bundesrat über die Ratifikationsgrundlage angenommen.43 Allerdings zeichnen sich hinsichtlich des nächsten Eigenmittelbeschlusses inhaltliche Divergenzen zwischen Bundesrat und Bundesregierung insofern ab, als die Bundesregierung im Rahmen der Beratungen zur Finanziellen Vorausschau 2007–201344 trotz der Osterweiterung darauf bestanden hat, ___________ 41

Gegenäußerung des Bundesregierung, BT-Drs. 13/382, Anlage 3, S. 20. Empfehlungen des Finanzausschusses, BR-Drs. 207/1/95, S. 1; Stenographischer Bericht, 684. Sitzung des Bundesrates v. 12.05.1995, S. 205 (D). 43 Gesetz zu dem Beschluss des Rates v. 29.09.2000 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften, BGBl. II 2001, S. 794. Zum Gesetzgebungsverfahren vgl. BT-Drs. 14/6464 und BR-Drs. 490/01. 44 In einer interinstitutionellen Vereinbarung verständigten sich 1988 das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Rat darauf, sich jeweils im Voraus über die großen Haushaltsprioritäten eines abgesteckten Zeitraums zu einigen. In dieser sog. Finanziellen Vorausschau sind der Höchstbetrag und die Zusammensetzung der voraussichtlichen Ausgaben der Gemeinschaft angegeben. Die Vereinbarung ist bisher nicht Teil der geltenden EU-Verträge, sie hat jedoch verbindlichen Charakter, vgl. Hecker, in: Lenz/Borchardt, Art. 270 EG, Rn. 2; Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, Art. 42

I. Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG

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die Ausgaben der Europäischen Union bei 1 % des gemeinschaftlichen Bruttonationaleinkommens einzufrieren45, die Bundesländer dagegen auf möglichst umfangreiche Förderung aus dem Strukturfonds der Union hoffen.46 Darüber hinaus spielt die Frage, ob jede Hoheitsrechtsübertragung von der Bundesrepublik auf die Europäische Union zugleich eine Grundgesetzänderung bewirkt, nicht allein bei der Ratifikation des Eigenmittelbeschlusses, sondern in allen Fällen der Hoheitsrechtsübertragung eine Rolle.

3. Vertrag von Nizza Dies zeigt der Konflikt zwischen Bundesregierung sowie Bundestag und Bundesrat bei der Ratifikation des Vertrages von Nizza. Wie schon beim Gesetz zum Eigenmittelbeschluss vertrat der Bundesrat die Auffassung, dass der Gesetzentwurf gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates bedürfe, da durch den Vertrag von Nizza Hoheitsrechte übertragen würden. Damit sei ohne Weiteres eine Grundgesetzänderung verbunden.47 Ergänzend führte der Bundesrat an, dass sich eine Verfassungsänderung darüber hinaus aus der Tatsache ergebe, dass in mehreren Politikbereichen das Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EG neu eingeführt und damit die Rechtssetzungsbefugnis des Europäischen Parlaments erweitert werde. Folge sei, dass die Gewichte vom Rat und den dort durch die Regierung vertretenen Mitgliedstaaten in Richtung des Parlaments verschoben und damit die Stellung der Mitgliedstaaten in der Gemeinschaft verändert werde. Dadurch werde die im Grundgesetz vorgesehene Zuständigkeitsordnung berührt.48 Schließlich trete eine Grundgesetzänderung auch deswegen ein, weil nach dem Vertrag in zahlreichen bedeutenden Sachbereichen die Beschlussfassung mit qualifizierter ___________ 270 EG, Rn. 4; Schoo, in: Schwarze, Art. 270 EG, Rn. 6 ff.; Timmann, EuR 1989, S. 13 ff. 45 Vgl. FR v. 04.06.2005, S. 1 (Finanz-Signal soll die EU retten); FR v. 21.05.2005, S. 1 (Zank über EU-Haushalt); ebenda, S. 5 (Junckers Etat-Vorschlag hat wenige Freunde). Vgl. auch den Brief der Bundesregierung mit den Regierungschefs weiterer Nettozahler-Nationen an den damaligen Kommissionspräsident Prodi, http://bundesregierung. de/artikel-,413.577056/Gemeinsames-Schreiben-Deutschl.htm (Stand: 10.06.2005). 46 Vgl. beispielsweise die Äußerung des bayerischen Europaabgeordneten Wuermeling (CSU): „Allerdings kann von uns Oberfranken nicht erwartet werden, dass wir ersatzlos auf jede europäische Förderung verzichten. Wenn im gesamtstaatlichen Interesse generell eine Rückführung der Mittel befürwortet wird, dürfen nicht die Problemgebiete dafür die Zeche zahlen“, http://wuermeling.net/pdf/infomail/em_110403.pdf (Stand: 10.06.2005). 47 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 200/01, S. 1. 48 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 200/01, S. 1 f.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Mehrheit an die Stelle der bisher erforderlichen Einstimmigkeit trete, wodurch die Möglichkeit eröffnet werde, dass die Bundesrepublik im Rat überstimmt wird. Dies verändere ebenfalls die grundgesetzliche Kompetenzordnung.49 Insofern vertrat der Bundesrat die Auffassung, dass faktische Einflussverluste Deutschlands in der Union genügen, um das Erfordernis einer verfassungsändernden Mehrheit hervorzurufen. Die Bundesregierung wandte sich gegen den Beschluss des Bundesrates zunächst mit der Argumentation, dass zwar wegen des neuen Art. 181a EG Hoheitsrechte übertragen würden50, diese Übertragung jedoch nicht die in Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG vorgesehene Qualität aufweise.51 Im Übrigen handele es sich bei der Einführung der Mehrheitsentscheidungen für weitere Sachbereiche und der Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens durch den Vertrag von Nizza lediglich um Modalitäten zur Ausübung von Zuständigkeiten, die der Europäischen Union bereits ausdrücklich übertragen waren. Schon eine Hoheitsrechtsübertragung könne darin nicht gesehen werden.52 Wie schon beim Ratifikationsgesetz über den Eigenmittelbeschluss verlangte die Bundesregierung also zum einen eine besondere Verfassungsrelevanz der Hoheitsrechtsübertragung. Einen Regelschluss von der Hoheitsrechtsübertragung auf das Zweidrittelerfordernis lehnte sie ausdrücklich ab. Zum anderen machte sie deutlich, dass eine Hoheitsrechtsübertragung ihrer Ansicht nach zu verneinen ist, wenn nur die Modalitäten solcher Kompetenzen geändert werden, die bereits zugunsten der Europäischen Gemeinschaft begründet waren. Letztere Argumentation findet sich auch anlässlich des Ratifikationsgesetzes zum Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten im Mai 2004 wieder.53 Im Ergebnis stimmten Bundesregierung und Bundestag allerdings dem Bundesrat dahingehend zu, dass eine qualifizierte Mehrheit in Bundestag und Bundesrat gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG erforderlich sei. Dabei übernahmen sie jedoch die Begründung des Bundesrates nicht in Gänze. Abgelehnt wurde weiterhin die Auffassung des Bundesrates, dass jede Hoheitsrechtsübertragung automatisch eine Verfassungsänderung i.S.d. Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG bedeutet und deshalb immer der verfassungsändernden Mehrheit bedarf. Vielmehr wurde entscheidend darauf abgestellt, dass die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im Rat sowie die Ausdehnung der Mitent___________ 49

Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 200/01, S. 2. Titel XXI: EG-Kompetenz zur wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Zusammenarbeit mit Drittländern. Nach a.A. hat diese Kompetenz aber bereits auf der Basis des Art. 308 EG bestanden, vgl. K. H. Fischer, Nizza, S. 128. 51 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/6114, Anlage 3, S. 57. 52 Gegenäußerung des Bundesregierung, BT-Drs. 14/6146, Anlage 3, S. 57. 53 Dazu schon unter C. I. 1. a) bb). 50

I. Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG

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scheidungsbefugnisse des Europäischen Parlaments die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten berühre.54 Mithin stimmten Bundesregierung und Bundestag im Ergebnis nur dem zweiten Teil der Begründung des Bundesrates zu, der darauf abstellte, dass die vorgesehenen Änderungen im Entscheidungsverfahren die Rechtsstellung der Bundesrepublik berühren. Von der Bundesregierung wurde damit – in diesem konkreten Fall – anerkannt, dass nicht durch Hoheitsrechtsübertragungen herbeigeführte Souveränitätsverluste ausreichen können, um das Zweidrittelerfordernis nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG auszulösen. Zu einer Einigung hinsichtlich der Frage, ob allein eine Hoheitsrechtsübertragung, wie sie vorliegend durch Art. 181a EG erfolgte, genügt, um das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit auszulösen, kam es hingegen auch während des Ratifikationsverfahrens zum Vertrag von Nizza nicht.

4. Bewertung Gerade diese Frage ist aber von nicht unerheblicher Bedeutung, weil das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates mit verfassungsändernder Mehrheit den Bundesrat in die Lage versetzen kann, die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union und somit den Integrationsprozess zu blockieren. Dies wiederum stellt ein enormes Druckpotential der Länder dar, welches diesen die Möglichkeit eröffnet, die Frage der Zustimmung mit Forderungen nach einer Stärkung der Ländermitwirkung in europäischen Angelegenheiten zu verbinden, wie dies beispielsweise zuletzt im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Vertrages über eine Verfassung für Europa geschehen ist.55 Es kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass auch in Zukunft stets über die parteipolitischen Grenzen hinweg inhaltliche Einigkeit zwischen den Verfassungsorganen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat besteht, wenn es um so entscheidende europapolitische Fragen wie beispielsweise die Änderung der Entscheidungsverfahren oder die Überführung von Bestimmungen des intergouvernementalen Bereichs der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in den supranationalen Kompetenzbereich geht. Umso mehr gilt dies, als in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit die europäische Integration nicht mehr uneingeschränkt positiv bewertet wird.56 Gerade die bundesdeutsche Tendenz dahinge___________ 54 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, BT-Drs. 14/7172, S. 5. 55 Vgl. FR v. 09.01.2005, S. 4 (Willkommene Ablenkung in Kreuth); FR v. 25.04. 2005, S. 3 (EU-Verfassung, Frivol); ebenda, S. 6 (Union dringt auf mehr Länderrechte in der EU). 56 Rometsch, European Union and member states, S. 67.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

hend, dass die Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat parteipolitisch divergieren, birgt die Gefahr in sich, dass es zu Blockaden kommt, die eher auf der Parteiräson begründet sind als auf europapolitischen Erwägungen.57 Insgesamt kann demnach festgehalten werden, dass es zu einer Beeinträchtigung des europäischen Integrationsprozesses durch das Zustimmungserfordernis nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG und die damit verbundenen Unklarheiten bislang nicht gekommen ist. Vielmehr ist es gelungen, die vorhandenen Konflikte pragmatisch zu lösen. Diese Vorgehensweise scheint auch begrüßt zu werden, wie eine Äußerung des damaligen Berliner Senators Radunski zeigt, der in der Sitzung des Bundesrates, in welcher die Zustimmung des Bundesrates zu den Beitrittsverträgen mit Österreich, Schweden, Finnland und Norwegen verhandelt wurde, den Bundesrat aufforderte, pragmatisch vorzugehen. Wenn in einer politischen Frage Einigkeit bestehe, solle nicht um Verfahrensfragen gekämpft werden.58 Allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass es in Zukunft zu inhaltlichen Differenzen gerade bei der Frage des Beitritts weiterer Mitgliedstaaten kommt. Damit ist zweifelhaft, ob der Einschätzung, dass die Verfahrensfragen von eher nachrangiger Bedeutung sind, uneingeschränkt zugestimmt werden kann. Sie erscheint zu kurzsichtig, da die Befürchtung besteht, dass umso erbitterter um sie gerungen werden wird, je umstrittener auch die inhaltlichen Aspekte sind.

II. Unterrichtung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG 1. Umfang der Unterrichtung Die umfassende und rechtzeitige Information des Bundesrates durch die Bundesregierung über Vorhaben der Europäischen Union ist entscheidende Voraussetzung für eine rechtzeitige Beteiligung des Bundesrates an der Willensbildung des Bundes sowie eine fristgemäße Abgabe von Stellungnahmen.

___________ 57 Die politischen Parteienkonstellationen in den Ländern dürfen allerdings nicht dazu benutzt werden, eine andere Parteienkonstellationen im Bunde in ihren Regierungsaufgaben lahmzulegen, vgl. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 50 GG, Rn. 34; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 50 GG, Rn. 25. Das besagt jedoch nicht, dass der Bundesrat apolitisch sein muss. Es ist legitim, wenn sich in ihm die Kräftegruppierungen zeigen, die in den Landeshauptstädten bestehen, vgl. Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 614; Leibholz, Bundesrat und Parteiensystem, S. 108 ff.; Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (516 ff.). Zur politischen Stellung des Bundesrates ausführlich Abromeit, ZParl 1982, S. 462 ff.; Klein, DÖV 1971, S. 325 ff.; Laufer, ZParl 1970, S. 318 ff. 58 Radunski, Stenographischer Bericht, 672. Sitzung des Bundesrates v. 08.07.1994, S. 405 (B).

II. Unterrichtung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG

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Bislang übermittelt die Bundesregierung dem Bundesrat – Büro des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union – praktisch alle der Bundesregierung offiziell zugänglich gemachten Dokumente des Europäischen Rates, des Rates der Europäischen Union sowie der informellen Ministertreffen.59 Entsprechend der Ziffer I. BLV werden dem Bundesrat zahlreiche weitere Dokumente zur Verfügung gestellt, von denen die Bundesregierung annimmt, dass sie für die Länder von Interesse sein könnten, wie beispielsweise Kommissionsdokumente, die der Bundesregierung offiziell zugänglich gemacht werden, die aber nicht als Ratsdokumente erscheinen sowie Berichte der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel über Sitzungen des Rates und der Ratsgruppen, Sitzungen des Ausschusses der Ständigen Vertreter etc.60 Zudem ermöglicht der Bund auf Grundlage von Ziffer I. 3. BLV den Ländern einen Online-Zugriff auf das Extranet des Ratssekretariats. In dieser Datenbank sind viele EU-Dokumente eingestellt, es fehlen aber noch sämtliche Dokumente der Kommission, des Europäischen Parlaments und des Ausschusses der Regionen sowie Verschlusssachen und non-papers des Rates.61 Insofern gibt es nur in wenigen Punkten Defizite, wobei aber teilweise gerade die vorenthaltenen Informationen praktisch besonders wichtig sind. Einige frühe oder vertrauliche Papiere und Informationen aus der Kommission, den Ratsgremien und von anderen Mitgliedstaaten62 erreichen den Bundesrat und die Bundesländer nicht. Es ist dabei festzustellen, dass die Bundesregierung nicht nur in den Bereichen, in denen schon die BLV Einschränkungen enthält, sondern auch in anderen Feldern nicht alle relevanten Dokumente und Berichte weiterleitet.63 In Rat und Bundesregierung als vertraulich eingestufte Informationen erreichen den Bundesrat und damit auch die Länder nur selten.64 Allerdings erhalten der Bundesrat und die Länder darüber hinaus dank eines ergänzend aufgebauten, eigenen Informationsbeschaffungssystems die Berichte des Länderbeobachters65 über die Tagungen des Rates, von den Ländervertre___________ 59

v. Dewitz, Der Bundesrat, S. 71; ders., Praxisbericht, S. 2. Halfmann, Europäische Integration, S. 284. 61 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 300. 62 Dies gilt insbesondere für den länderrelevanten Bereich Justiz und Inneres, in dem auch die Mitgliedstaaten ein Vorschlagsrecht haben, Bericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 34. EMK, Berlin 05.12.2002, S. 14. 63 Z.B. erhielten die Länder Anfang 2001 nicht alle Berichte der Ständigen Vertretung zum heiklen Thema der Organisation des Post-Nizza-Prozesses, vgl. dazu Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 302, Fn. 1154. 64 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 302. 65 Die Institution des Beobachters der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften geht zurück auf eine Absprache der Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Bayern mit dem früheren Außenminister von Brentano aus dem Jahr 1956, welche die beobachtende Teilnahme eines Beamten der genannten Länder an der deutschen Delegation zu den Verhandlungen über die Gründung der EWG und EURATOM gestattete. In 60

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

tern in den Unionsorganen entsprechende Berichte über die Sitzungen der verschiedenen Rats- und Kommissionsgruppen66 sowie von den Büros der Bundesländer in Brüssel67 Informationen über zu erwartende Entwicklungen und nonpapers.68 Insgesamt ist damit die Zahl der beim Bundesrat eingehenden Dokumente sehr groß. Allein für den Zeitraum von Anfang 1996 bis Oktober 1996 ist die Seitenzahl der übermittelten Dokumente mit 32.270 beziffert worden69 und die Anzahl der EG-Dokumente, die dem Bundesrat von der Bundesregierung zugänglich gemacht wurden, belief sich zuletzt auf ca. 8.000 pro Jahr.70 Aus diesen übermittelten Unterrichtungen wählt der Direktor des Bundesrates diejenigen aus, welche nach seiner Auffassung für eine Beratung im Bundesrat in Betracht kommen, und weist diese nach § 45a Abs. 1 S. 1 und 2 GO BR den Ausschüssen zu bzw. versendet sie an deren Mitglieder und Sitzungsvertreter in den Landesvertretungen oder den Verwaltungen in den Ländern. Auf diese Weise werden jährlich etwa 160 Vorhaben für eine Beratung im Bundesrat vorgesehen.71 Daraus erarbeiten die beteiligten Fachausschüsse unter der ___________ der Folgezeit wurde der Länderbeobachter zu einer dauerhaften Institution. Hauptaufgabe ist die Informationsbeschaffung durch Teilnahme an den Tagungen der Unionsgremien. Diese unterstützende Funktion hat mittlerweile in Ziffer VIII. 5. BLV ausdrücklich Erwähnung gefunden. Zur Entstehung und den Aufgaben der Institution des Länderbeobachters siehe auch Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 262 ff.; Halfmann, Europäische Integration, S. 46 ff.; Stöger, Beobachter der Länder, S. 101 ff.; Strohmeier, DÖV 1988, 633 (635); Borchmann, AöR 112 (1987), 586 (590 f.). 66 Halfmann, Europäische Integration, S. 285. 67 Mitte der 80er Jahre begannen einige deutsche Länder mit der Einrichtung von Büros in Brüssel, um näher an die Entscheidungsträger in der EU heranzurücken. Die Bundesregierung versuchte zunächst, die Entstehung solcher Büros zu verhindern, da sie sie für einen Verstoß gegen Art. 32 Abs. 1 GG hielt. Bis Ende der 80er Jahre waren dennoch alle Bundesländer mit Büros in Brüssel präsent; die neuen Länder zogen 1992 nach. Die Bundesregierung akzeptierte 1993 in § 8 EUZBLG das Recht der Länder, zu den EU-Einrichtungen ständige Verbindungen zu unterhalten und zu diesem Zweck auch Büros in Brüssel einzurichten. Die Büros beobachten die Aktivitäten der EUInstitutionen unter dem Blickwinkel besonderer Länderinteressen, unterstützen die Vertreter der Landesregierung und -verwaltung bei der Kontaktaufnahme mit den Institutionen und leisten Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit zu EU-Themen für Bürger und Einrichtungen aus dem Land. Umfassend dazu Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 266 ff.; Zumschlinge, Europakompetenzen der Landesregierungen, S. 60 ff.; Fechtner, VR 1992, S. 157 ff.; Fastenrath, DÖV 1990, S. 125 ff.; Strohmeier, DÖV 1988, S. 633 ff. 68 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 301. 69 Hofmann/Meyer-Teschendorff, ZG 1997, 81(83). 70 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 22; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 302. 71 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 302; Halfmann, Europäische Integration, S. 285; v. Dewitz, Der Bundesrat, S. 71.

II. Unterrichtung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG

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Federführung des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union Empfehlungen für eine Stellungnahme des Bundesrates. Im Durchschnitt kommt es in ca. 140 Fällen pro Jahr zu einer solchen Stellungnahme.72 Mithin wird nur ein Bruchteil der beim Bundesrat eingehenden Dokumente von diesem auch behandelt. Zum Teil kann dies damit erklärt werden, dass etliche der EU-Dokumente nur begleitende Informationen enthalten oder sich mit Angelegenheiten, die bereits durchgeführt sind, sowie mit Änderungsvorschlägen befassen.73 Ein weiterer Grund ist aber auch, dass es sich um eine wahre Informationsflut handelt, welcher der Bundesrat nur schwer Herr zu werden vermag.74 In der Konsequenz machen die Bundesländer nur äußerst selten von ihrem Recht gemäß § 45a Abs. 1 S. 3 GO BR Gebrauch, eine Zuweisung weiterer Unterrichtungen an die Ausschüsse zu verlangen.75 Die Angaben belegen, dass der Umfang des von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Materials in der Praxis bis auf die genannten Ausnahmen umfangreich genug ist und zumindest insofern keinen Anlass zu Klagen bietet.76 Angesichts der zukünftig eher noch steigenden Zahl an EU-Dokumenten wird es aber noch wichtiger werden, dass die eingehenden Materialien schnell gesichtet und eine Selektion hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Länder stattfindet, so dass sie gegebenenfalls vom Bundesrat noch rechzeitig vor etwaigen Entscheidungen in Brüssel behandelt werden können.

2. Zeitpunkt der Unterrichtung Lange Zeit wurde aber bemängelt, dass eine zu große Zeitspanne zwischen der Übergabe eines Dokuments an die Bundesregierung und der Erreichung der zuständigen Ressorts in den Ländern liege. Die Länder erhielten die benötigten Dokumente, Einladungen zu Sitzungen der Gremien und Fernschreiben der Ständigen Vertretung häufig erst dann, wenn sie nicht mehr aktuell seien.77

___________ 72 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 22; Halfmann, Europäische Integration, S. 285. 73 Halfmann, Europäische Integration, S. 285, Fn. 611. 74 So für den Bereich des Umweltrechts Kloepfer, Umweltföderalismus, S. 128. 75 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 22; Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 91. 76 Halfmann, Europäische Integration, S. 285. 77 Halfmann, Europäische Integration, S. 285 f.; Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 17; v. Dewitz, Der Bundesrat, S. 71; ders., Praxisbericht, S. 2.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Deshalb wurde vermehrt gefordert, in Zukunft verstärkt auf die elektronische Datenverarbeitung zu setzen.78 Mittlerweile gelangen die meisten relevanten Dokumente auf elektronischem Wege zum Bundesrat bzw. stehen elektronisch zur Verfügung. Daher konnten hinsichtlich der genannten Verzögerungen in der Vergangenheit bereits deutliche Verbesserungen erzielt werden. Allerdings entsteht ein gewisser Zeitverlust weiterhin dadurch, dass die Dokumente der Europäischen Union und der Bundesregierung den Ländern nicht unmittelbar, sondern über den Bundesrat zugeleitet werden.79 Größere Verspätungen entstehen dagegen vor allem im eigenen Verantwortungsbereich der Länder, insbesondere bei den Berichten der Ländervertreter in EU-Gremien. Diese werden zu einem großen Teil nicht zeitnah nach einer Gremiensitzung erstellt und sind manchmal auch noch lange im Postverkehr unterwegs, da sie bisher teilweise nicht per E-Mail versandt werden.80

III. Beteiligung gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG Vergleichsweise wenige Unklarheiten weist die verfassungsrechtliche Verankerung des Rechts des Bundesrates zur Abgabe einfach zu berücksichtigender Stellungnahmen in Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 EUZBLG auf. Dem entspricht die Beteiligung des Bundesrates in der Praxis, die sich grundsätzlich problemlos gestaltet und in der Regel angesichts der eindeutigen Prärogative der Bundesregierung keine politischen Konflikte auslöst.81 Insbesondere gibt es keine Hinweise darauf, dass es Schwierigkeiten hinsichtlich der Festlegung gegeben hätte, wann der „Bund im übrigen das Recht zur Gesetzgebung hat“.82 Die Zahl der einfachen Stellungnahmen des Bundesrates ist in der Mitwirkungspraxis relativ hoch.83 Von den Anliegen des Bundesrates im Bereich von ___________ 78 Halfmann, Europäische Integration, S. 286; v. Dewitz, Der Bundesrat, S. 72; ders., Praxisbericht, S. 2 f. 79 Information des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union des Bundesrates v. 06.07.2004. 80 Bericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 34. EMK, Berlin 05.12.2002, S. 11; Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 23. 81 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 312. 82 Insofern enthalten v. Dewitz, Praxisbericht und die Zusammenstellung 2004 gar keine Angaben zu Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG. 83 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 21. Zur Statistik: Direktor des Bundesrates,

III. Beteiligung gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG

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Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG hat die Bundesregierung einige aufgenommen, andere jedoch nicht. Abweichungen gab es dabei nicht nur bei typischen Bund-LänderInteressengegensätzen, sondern auch bei unterschiedlichen partei-politischen Wertungen von Bundesregierung und Bundesratsmehrheit.84 Probleme entstehen aber dann, wenn es um die Abgrenzung zu Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG und damit um die Frage geht, ob die Stellungnahme des Bundesrates im konkreten Fall von der Bundesregierung nicht nur einfach, sondern maßgeblich zu berücksichtigen ist.85 Da es hierbei letztlich um die Frage, ob die Bundesregierung an die Stellungnahme des Bundesrates gebunden ist und damit um das Letztentscheidungsrecht geht, vertritt die Bundesregierung mit einer gewissen Regelmäßigkeit die Auffassung, dass lediglich eine einfache Berücksichtigung gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 EUZBLG erforderlich sei, während der Bundesrat ebenso regelmäßig eine maßgebliche Berücksichtigung seiner Position fordert.86 Diesbezüglich hat sich auch § 4 Abs. 2 EUZBLG als wenig hilfreich erwiesen, der – wie gezeigt87 – vorsieht, dass in den vorbereitenden Sitzungen zwischen Bundesregierung und Ländervertretern ein Einvernehmen über die konkrete Art der Beteiligung des Bundesrates erzielt werden soll, ohne aber zugleich einen Konfliktlösungsmechanismus zur Verfügung zu stellen. Im Ergebnis konnte keiner der bisher aufgetretenen Streitfälle zwischen Bund und Ländern auf der Grundlage dieser Verfahrensregel gelöst oder entschieden werden.88 Vom Bundesrat wurde § 4 Abs. 2 EUZBLG deshalb auch als praktisch bedeutungslos eingestuft.89 Damit wird schon deutlich, dass ein Einvernehmen über die Art der Bundesratsbeteiligung in Streitfällen ohne festgelegten Konfliktlösungsmechanismus nicht einfach zu erzielen ist. Es bleibt der politischen Praxis vorbehalten, eine Einigung herbeizuführen und hierfür Kriterien bzw. Verfahren zu entwickeln. Ob dies gelungen ist, ist im Rahmen von Art. 23 Abs. 5 S. 2 und Abs. 6 GG zu erörtern.

___________ Bundesrat und Bundesstaat, S. 63: In den Perioden 1987–1990, 1990–1994 und 1994– 1998 gab es beim Bundesrat jeweils ca. 750 EU-Vorlagen. 84 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 312; Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 21. 85 Dazu Zusammenstellung 2004, S. 28 ff. 86 Siehe dazu C. I. 5. a) aa). 87 Siehe dazu B. I. 4. c). 88 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 310, 331. 89 v. Dewitz, Praxisbericht, S. 4 für den Zeitraum bis 1996.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

IV. Beteiligung von Ländervertretern gemäß § 6 Abs. 1 EUZBLG Die Verhandlungsbeteiligung der Ländervertreter nach § 6 Abs. 1 EUZBLG ist in der Praxis einigen Schwierigkeiten ausgesetzt. Zunächst ist schon eine regelmäßige Sitzungsbeteiligung nicht immer leicht zu erreichen, weil die Sitzungen von Beratungsgremien der Kommission und von Ratsarbeitsgruppen nicht selten sehr kurzfristig angesetzt werden, was für die im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern regelmäßig nicht in Brüssel angesiedelten Ländervertreter erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt.90 Auch eine fachlich adäquate Vertretung ist regelmäßig schwer zu organisieren, weil die in Brüssel residierenden Mitarbeiter der Länderbüros oder der Länderbeobachter meist nicht die erforderliche Fachkenntnis besitzen.91 Hinsichtlich der Ratsarbeitsgruppen kommt die Schwierigkeit hinzu, für den Ländervertreter einen Platz im Sitzungssaal zu erlangen. Insbesondere bei informellen Treffen sind die Teilnahmebeschränkungen manchmal so streng, dass eine Teilnahme eines Ländervertreters für die Bundesregierung nur schwer zu erreichen ist.92 Hinzu kommt, dass – auf Grund der kleinen Sitzungssäle in Brüssel – häufig nur ein Teil der deutschen Delegation am Verhandlungstisch Platz findet. Nach einer Entschließung des Auswärtigen Amtes ist in diesen Fällen davon auszugehen, dass der Vertreter der Länder den Vertretern der Bundesregierung, insbesondere den Mitarbeitern der Ständigen Vertretung, dann nicht weichen muss, wenn es sich um ein Vorhaben nach Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG handelt. Im Umkehrschluss wird der Vertreter der Länder dann keinen Platz am Verhandlungstisch finden, wenn Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG einschlägig ist.93 Im Übrigen müssen die Ländervertreter in den Fällen, in denen die Bundesratsstellungnahme lediglich einfach zu berücksichtigen ist, die Erfahrung machen, dass ihnen jede über reines Zuhören hinausgehende Teilnahme versagt wird.94 Problematisch im Zusammenhang mit Ratsarbeitsgruppen ist teilweise auch der Informationsstand der Ländervertreter. Es ist nicht in jedem Fall sicherge___________ 90

Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 306, 323. Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 306, 323. In einer Protokollerklärung anlässlich der Unterzeichnung der BLV hat der damalige Ministerpräsident Scharping namens der Länder zur Frage der Vertretung folgende Stellungnahme abgegeben: Für den Fall, „daß vom Bundesrat noch kein Ländervertreter benannt ist, kann der Länderbeobachter, nach Benennung eines Ländervertreters durch den Bundesrat, im Verhinderungsfall andere Bedienstete des benannten Landes sowie hilfsweise der Länderbeobachter die Sitzung wahrnehmen ...“ (abgedruckt bei Morawitz/Kaiser, Zusammenarbeit, S. 188, 3.). 92 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 323. 93 Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 41 f. 94 Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 41. 91

IV. Beteiligung von Ländervertretern gemäß § 6 Abs. 1 EUZBLG

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stellt, dass der Ländervertreter darüber informiert ist, was in einem möglicherweise vorgelagerten Kommissionsgremium besprochen wurde, selbst wenn auch in diesem Gremium Ländervertreter mitgewirkt haben.95 Zudem erreichen die Sitzungsunterlagen der Rats- und Kommissionsgremien die Ländervertreter mitunter sehr kurzfristig und sind oft nur in Englisch und/oder Französisch zu erhalten.96 Weiterhin bereitet die Frage der inhaltlichen Positionierung der Ländervertreter auf der Ebene der Kommissionsgremien und Ratsarbeitsgruppen oft besondere Schwierigkeiten. Grund dafür ist, dass zum Zeitpunkt der Beratung in Kommissionsgremien und Ratsarbeitsgruppen meist noch keine entsprechenden Beschlüsse des Bundesrates zu dem EU-Vorhaben vorliegen. Zudem gibt es in der Regel auch noch keine einschlägigen Positionierungen der Länder, z.B. der jeweiligen Fachministerkonferenzen. Zwar hat der Ländervertreter bzw. das den Ländervertreter stellende Land in solchen Fällen nach § 45i Abs. 1 S. 2 GO BR unverzüglich auf einen Bundesratsbeschluss hinzuwirken. Zu einer derartigen Initiative kommt es in der Praxis aber selten; und selbst wenn sie ergriffen wird, kommt die Stellungnahme wegen der Langwierigkeit des Bundesratsverfahrens nicht selten zu spät. Dies hat zur Konsequenz, dass sich der Ländervertreter häufig an den Interessen seines eigenen Landes oder an etwaigen fachlichen Diskussionen zum betreffenden Thema in den Fachministerkonferenzen orientiert.97 Folge dieses Vorgehens ist, dass nicht immer gewährleistet werden kann, dass der Ländervertreter tatsächlich die Interessen der anderen Länder, bei parteipolitisch brisanten Themen insbesondere die Interessen der parteipolitisch anders orientierten Länder, vollständig berücksichtigt. Um letzteres Risiko zu minimieren, nominieren die Länder für wichtige Gremien häufig zwei Ländervertreter, meist einen aus einem A- und einen aus einem B-Land.98 Schließlich ist die Berichterstattung der Ländervertreter gegenüber dem Bundesrat entgegen der ausdrücklichen Verpflichtung in § 45i Abs. 2 GO BR meist weder schnell noch qualitativ ausreichend.99 Insbesondere gehen die Berichte nicht immer hinreichend auf die spezifischen Länderinteressen zu einem EU-Vorhaben ein.100 Dies liegt auch daran, dass die Bundesratsbeauf___________ 95

Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 323. Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 16. 97 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 306, 323. 98 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 323. 99 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 14; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 307, 324. 100 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 324. 96

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

tragten die Sitzungen nicht selten vor dem Ende verlassen und daher häufig nicht umfassend über die Beratungsergebnisse informiert sind.101 Folglich wird der Bundesrat regelmäßig unzureichend über den Stand der Entwürfe von EUVorhaben informiert. Ingesamt mindern die genannten praktischen Schwierigkeiten den Wert der Mitwirkung von Ländervertretern in Kommissionsgremien und Ratsarbeitsgruppen erheblich.102 Die Möglichkeit, Veränderungen an einem vorgeschlagenen EU-Vorhaben, das sich erst im Entwurfsstadium befindet, anzuregen sowie die Möglichkeit, sich in Ratsarbeitsgruppen einen unmittelbaren Überblick über die vorläufigen Standpunkte der anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen, um frühzeitig einzuschätzen, ob die Länderposition politisch durchsetzbar ist, werden deshalb nur unzureichend genutzt.

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG Im Zeitraum seit Einführung von Art. 23 in das Grundgesetz bis einschließlich 2003 hat der Bundesrat in 94 Fällen die maßgebliche Berücksichtigung seiner Stellungnahme gefordert.103 In Anbetracht der Tatsache, dass der Bundesrat in diesem Zeitraum insgesamt 900 Stellungnahmen abgegeben hat, erscheint die Zahl der Fälle, in denen eine qualifizierte Berücksichtigung verlangt wurde, relativ gering. Er entspricht einem Anteil von nur 4,1 %.104 Allerdings hat die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren dem Verlangen des Bundesrates in 20 von insgesamt 37 Fällen widersprochen.105 Damit kam es bei mehr als der Hälfte der EU-Vorhaben zu Konflikten zwischen Bundesregierung und Bundesrat darüber, ob die Stellungnahme des Bundesrates einfach oder maßgeblich zu berücksichtigen ist. Ähnlich stellt sich die Situation auch für den restlichen Zeitraum dar.106 ___________ 101 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 29. 102 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 307. 103 Zusammenstellung 2004, S. 1 ff. 104 Vgl. Drs.-Bundesstaatskommission 0034 des Landes Rheinland-Pfalz, Anlage, S. 3. 105 Zusammenstellung 2004, S. 1 ff.; Drs.-Bundesstaatskommission 0034 des Landes Rheinland-Pfalz, Anlage, S. 3. 106 So hat sich der Bundesrat beispielsweise in den ersten zwei Jahren nach Einführung der neuen Mitwirkungsrechte – wenigstens konkludent – bei 30 EU-Vorhaben auf Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG, § 5 Abs. 2 EUZBLG berufen. Dabei wurde in 12 Fällen die Frage, ob es sich bei dem EU-Vorhaben um ein von Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG, § 5 Abs. 2 EUZBLG erfasstes handelt, strittig erörtert, vgl. v. Dewitz, Praxisbericht, S. 6 unter Bezugnahme auf die vom Büro des EU-Ausschusses erarbeitete Liste der Beschlüsse des

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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Häufigster Auslöser für Streitigkeiten war die Anwendung der 2. und 3. Variante des Art. 23 Abs. 5 S. 2, § 5 Abs. 2 S. 1 EUZBLG107 und somit die Frage, wann die Einrichtung der Behörden der Länder oder deren Verwaltungsverfahren durch ein EU-Vorhaben im Schwerpunkt betroffen sind. Insgesamt kam es aber auch in 12 von 25 Fällen, in denen eine maßgebliche Berücksichtigung gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 1 GG, § 5 Abs. 2 S. 1 Var. 1 EUZBLG gefordert wurde, zu Problemen.108 Die intensivste Form der Mitwirkung, die Übertragung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter gemäß Art. 23 Abs. 6 GG, § 6 Abs. 2 EUZBLG, ist bislang in 29 Fällen verlangt worden. Bei 10 Vorhaben hat die Bundesregierung eine Übertragung abgelehnt.109 Mithin bestand auch hier bei mehr als einem Drittel der Fälle zwischen Bundesregierung und Bundesrat Uneinigkeit darüber, ob die Voraussetzungen für eine Übertragung der Verhandlungsführung gegeben sind. Allerdings wurde trotz der regelmäßig auftauchenden Konflikte bezüglich der Art der Mitwirkung nie das BVerfG angerufen. Zudem wurde auch die Fassung eines Beharrungsbeschlusses durch den Bundesrat gemäß § 5 Abs. 2 S. 5 EUZBLG nur in einem einzigen Fall erwogen.110 Beides deutet darauf hin, dass in den Sachfragen größtenteils Übereinstimmung geherrscht hat. Eine Einschätzung, ob sich das Verfahren der qualifizierten Mitwirkung des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 5 S. 2 und Abs. 6 GG in der Praxis bewährt hat, fällt daher schwer. Einerseits ist der Anteil der EU-Vorhaben, hinsichtlich derer eine qualifizierte Mitwirkung verlangt wird, offensichtlich verhältnismäßig gering. Dies lässt es zweifelhaft erscheinen, ob den Bundesländern über Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG überhaupt die ursprünglich erhoffte Möglichkeit tatsächlicher und angemessener Einflussnahme eröffnet wird. Andererseits scheint es Bundesregierung und Bundesrat im Regelfall Schwierigkeiten zu bereiten, Einigkeit darüber zu erzielen, wann die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 5 S. 2 und Abs. 6 GG gegeben sind. Damit stellt sich die Frage, was die Auslöser für die Meinungsverschiedenheiten über das Beteiligungsverfahren waren und ob es ___________ Bundesrates mit erhöhten Mitwirkungsrechten, Stand 31.12.1995 (unveröffentlicht, erhältlich über das Sekretariat des Bundesrates, Büro des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union). 107 Zusammenstellung 2004, S. 36 ff. 108 Zusammenstellung 2004, S. 28 ff. 109 Zusammenstellung 2004, S. 20 ff. 110 Dieser betraf den Richtlinienvorschlag zur sog. Plan-UVP-Richtlinie, Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.07.2001 (ABl. 2001 L 197, S. 30) über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme. Dazu genauer unter C. I. 5. a) cc).

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

regelmäßig gelungen ist, diese Konflikte zu lösen. Daran schließt sich die weitere Frage an, ob die Konfliktlösung auch in einer Art und Weise erfolgte, die der Bundesrepublik eine rechtzeitige und verbindliche Einbringung ihrer Positionen auf europäischer Ebene erlaubt und damit eine hinreichende Einflussnahme auf den Gang der Verhandlungen und Entscheidungen eröffnet hat. Eine derartige Beurteilung setzt voraus, dass den Besonderheiten des europäischen Gesetzgebungsverfahrens, das sich stark von dem der Bundesrepublik unterscheidet, ausreichend Beachtung geschenkt wird. Die Erfordernisse einer effektiven Interessenvertretung sind hier andere als auf nationaler Ebene.111 Zusätzlich gilt es in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass der jüngste Beitritt zehn weiterer Staaten zur Europäischen Union sowie die zu erwartende Ratifikation der europäischen Verfassung strukturelle Veränderungen bewirken. Fraglich ist insofern, ob das qualifizierte Mitwirkungsverfahren auch angesichts der dadurch entstehenden neuen Herausforderungen eine angemessene Form der Beteiligung der Bundesländer an der europäischen Gesetzgebung ist.

1. Die innerstaatliche Seite: Auslöser der Meinungsverschiedenheiten und Konfliktlösung a) Maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 1 GG Zu Konflikten darüber, ob die Stellungnahme des Bundesrates wegen schwerpunktmäßiger Betroffenheit der Gesetzgebungskompetenzen der Länder durch ein EU-Vorhaben maßgeblich zu berücksichtigen ist, kam es zumeist aus zwei Gründen: Zum einen war mehrfach unklar, ob überhaupt das Vorliegen eines rechtsrelevanten EU-Vorhabens, welches innerstaatlich die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder berührt, zu bejahen ist. Zum anderen bereitete die Anwendung der Voraussetzung der schwerpunktmäßigen Betroffenheit auf den praktischen Fall Probleme.112

aa) Die Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem „Aktionsplan 2004–2006“ Beispielhaft bezüglich beider Auslegungsprobleme sowie des Verlaufs der Auseinandersetzungen zwischen Bundesregierung und Bundesrat ist insofern die Mitteilung der EU-Kommission zur „Förderung des Sprachenlernens und ___________ 111

Dazu ausführlich unter C. I. 5. b) aa). Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 315; Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 25; Zusammenstellung 2004, S. 28 ff. 112

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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der Sprachenvielfalt: Aktionsplan 2004–2006“113. Der Aktionsplan sah in einem Abschnitt 1 als Zielvorgabe vor, dass Maßnahmen ergriffen werden, um allen Bürgern die Möglichkeit lebenslangen Sprachenlernens zu gewährleisten, den Sprachunterricht zu verbessern und um ein sprachenfreundlicheres Umfeld zu schaffen. Abschnitt 2 unterbreitete konkrete Vorschläge für kurzfristig zu erzielende greifbare Verbesserungen. Er regte eine Reihe von Maßnahmen an, die im Zeitraum 2004–2006 auf europäischer Ebene getroffen werden sollten, um von den lokalen, regionalen und nationalen Behörden unternommene Anstrengungen zur Verbesserung der transnationalen sprachlichen Kommunikationsfähigkeit zu unterstützen. Der Bundesrat beschloss daraufhin in seiner 792. Sitzung am 17.10.2003, dass seine Stellungnahme gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 1 GG, § 5 Abs. 2 Var. 1 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen sei, da das Vorhaben im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betreffe.114 Begründet wurde diese Auffassung damit, dass der Aktionsplan im Schwerpunkt Maßnahmen behandele, die sich auf Inhalte, Methoden und Organisation des Sprachenlehrens und -lernens bezögen. Betroffen seien fast ausschließlich der Schulbereich und die Erwachsenenbildung, wohingegen die in den Kompetenzbereich des Bundes fallende berufliche Bildung nur am Rande berührt sei. Dem widersprach die Bundesregierung in einem Schreiben der Bundesministerin für Bildung und Forschung Bulmahn vom 03.12.2003.115 Zur Begründung wurde zum einen angeführt, dass es sich schon um kein Vorhaben handele, das die Gesetzgebungsbefugnisse der Bundesländer berühre. Der vorgeschlagene Aktionsplan habe nämlich keinen Regelungsgehalt und sei weder selbst Gemeinschaftsakt noch diene er der Vorbereitung eines solchen. Die Mitgliedstaaten entwickelten die vorgeschlagenen Aktionen vielmehr in eigener Verantwortung und könnten dabei auch entscheiden, ob sie dazu überhaupt und, wenn ja, in welcher Weise gesetzgeberisch tätig werden wollten. Zum anderen sei die Gesetzgebung der Länder nicht im Schwerpunkt betroffen. Bei den vorgelegten Vorschlägen handele es sich um bildungsbereichsübergreifende Maßnahmen sowohl der schulischen und der Erwachsenenbildung als auch der Hochschul- und Berufsbildung, wobei der Bereich der beruflichen Bildung ebenso wie die in die Zuständigkeit der Länder fallenden Bereiche berührt werde. Daher sei eine schwerpunktmäßige Betroffenheit der Gesetzgebungsbefugnisse der Länder nicht feststellbar. ___________ 113

Mitteilung des Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss des Regionen – Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt: Aktionsplan 2004–2006, KOM (2003) 449 endg. 114 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 591/03, S. 4. 115 Zitiert nach Zusammenstellung 2004, S. 28.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Im Zusammenhang mit der Festlegung des Schwerpunktes des EU-Vorhabens war auch die Vorgabe der Ziffer II. 2. BLV, dass die Bestimmung qualitativ und nicht quantitativ zu erfolgen habe, wenig hilfreich. Der Bundesrat vertrat die Auffassung, dass der qualitative Schwerpunkt des Aktionsplans im Schulbereich und der Erwachsenenbildung und damit im Bereich der Länderzuständigkeiten liege. Dieser Ansicht wurde von der Bundesregierung mit dem Argument widersprochen, dass angesichts der bereichsübergreifenden Maßnahmen eine qualitative Schwerpunktbildung nicht möglich sei. Darüber hinaus konnte auch keine Einigkeit hinsichtlich der Frage, ob der Aktionsplan überhaupt schon Regelungsgehalt aufwies, mithin als ein Vorhaben i.S.d. § 5 Abs. 2 Var. 1 EUZBLG einzustufen war, erzielt werden. Vielmehr sagte die Bundesregierung dem Bundesrat bei Weiterbestehen der unterschiedlichen Auffassungen zu, die Interessen der Länder in den weiteren Verhandlungen, so, wie sie vom Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Ausdruck gebracht wurden, zumindest einfach zu berücksichtigen und die Vertreter des Bundesrates an den weiteren Verhandlungen teilnehmen zu lassen.116 Angesichts der größtenteils bestehenden inhaltlichen Einigkeit mit der Bundesregierung zeigte sich der Bundesrat damit einverstanden.

bb) Pragmatische Vorgehensweise als Regelfall Ähnlich stellten sich die Argumentationsmuster und der Verlauf der Meinungsverschiedenheiten in den übrigen Konfliktfällen dar.117 Zu unterschiedlichen Einschätzungen zwischen Bundesregierung und Bundesrat über die Frage des Vorliegens eines Vorhabens kam es auch bei der „Entschließung der Kommission zur Überarbeitung der Fernsehrichtlinie“118 und bei der „Entschließung über staatliche Beihilfen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“119. Die Argumente beider Seiten entsprachen dabei im Wesentlichen denen im Zusammenhang mit dem „Aktionsplan 2004–2006“. Da das Vorliegen eines Vorhabens Grundvoraussetzung einer qualifizierten Beteiligung des Bundesrates ist, bejahte der Bundesrat ein solches ohne weiteres, wohingegen die Bundesregierung in beiden Fällen zu einem ablehnenden Ergebnis kam. Eine allgemeingültige Klärung zwischen den beiden Verfassungsorganen, wie der Begriff des Vorhabens zu definieren ist, um zukünftige Meinungsverschieden___________ 116

Zusammenstellung 2004, S. 28. Siehe dazu Zusammenstellung 2004, S. 28 ff. 118 Vgl. dazu Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 116/02, S. 2 und Zusammenstellung 2004, S. 30. 119 Vgl. dazu Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 663/01, S. 6; Hendricks, 767. Sitzung des Bundesrates v. 27.09.2001, Anlage 11, S. 508 (A). 117

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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heiten zu vermeiden, ist bislang nicht erfolgt. Theoretisch sind sich Bundesregierung und Bundesrat aber zumindest darüber einig, dass auch vorbereitende Maßnahmen erfasst werden können. In allen übrigen Konfliktfällen bestanden Auslegungsprobleme hinsichtlich der Frage, wann eine schwerpunktmäßige Betroffenheit der Gesetzgebungsbefugnisse der Länder zu bejahen ist. Im Zusammenhang mit der „Empfehlung des Rates zur Gewährleistung des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde in den audiovisuellen und den Informationsdiensten“120 vertrat der Bundesrat beispielsweise die Auffassung, dass seine Stellungnahme von der Bundesregierung maßgeblich zu berücksichtigen sei, da es sich im Schwerpunkt um Gesetzgebungsbefugnisse der Länder handele, welche diesen im Bereich des Jugendschutzes durch den Mediendienste-Staatsvertrag121 zuständen.122 Dagegen wandte allerdings die Bundesregierung ein, dass ebenso Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes betroffen seien. Dieser habe im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz123 erlassen und sei daher ebenfalls für den von der Empfehlung erfassten Bereich zuständig. Weder ein sachliches noch ein quantitatives Übergewicht der Gesetzgebungskompetenzen der Länder könne daher festgestellt werden.124 Wiederum entstand die Uneinigkeit zwischen Bund und Ländern durch die Unbestimmtheit der Voraussetzung der Betroffenheit im Schwerpunkt, welche von den Betroffenen unterschiedlich bewertet wurde. Es gelang auch nicht, eine Klärung herbeizuführen, so dass im Ergebnis keine maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates stattfand. Auf Grund der weitgehenden Einigkeit in der Sache fand sich der Bundesrat allerdings mit dieser Vorgehensweise ab. In gleicher Weise pragmatisch wurde auch beim Beschlussvorschlag zur „Verbesserung der Qualität der Hochschulbildung und der Förderung des interkulturellen Verständnisses durch die Zusammenarbeit mit Drittländern (ERASMUS-WELT)“125 vorgegangen. Da eine Einigung bezüglich der Frage, ob die ___________ 120 Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Gewährleistung des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde in den audiovisuellen und den Informationsdiensten, KOM (97) 570 endg. 121 Staatsvertrag über Mediendienste in der Fassung v. 08.03.2005, GVBl. NRW 2005, S. 192. 122 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 70/98, S. 2. 123 Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste v. 22.07.1997, BGBl. I 1997, S. 1870. 124 Cartens, Stenographischer Bericht, 722. Sitzung des Bundesrates v. 06.03.1998, S. 110 (D). 125 Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Programm zur Verbesserung der Qualität der Hochschulbildung und des interkultu-

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Gesetzgebungsbefugnisse der Länder durch den Beschlussvorschlag im Schwerpunkt betroffen wurden, nicht erzielt werden konnte, inhaltlich die Auffassung der Bundesrates von der Bundesregierung aber im Wesentlichen geteilt wurde, versprach diese, die Interessen der Länder bei den weiteren Verhandlungen soweit wie möglich zu berücksichtigen.126 Ebenso fand bei dem Konflikt über die Entschließung des Bundesrates anlässlich eines Kommissionsberichts zu Leistungen der Daseinsvorsorge127 eine Lösung der Frage, ob die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, wie vom Bundesrat behauptet, im Schwerpunkt betroffen waren, nicht statt. Stattdessen teilte die Bundesregierung mit, dass sie die sachliche Beurteilung des Kommissionsberichts durch den Bundesrat teile und deshalb die Interessen der Länder im weiteren Verfahren berücksichtigen wolle.128

b) Maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 2 und 3 GG Im Ergebnis zu ähnlichen Auslegungsschwierigkeiten wie bei Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 1 GG kam es auch im Rahmen des Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 2 und 3 GG. Große Probleme bereitete insbesondere die Beurteilung der schwerpunktmäßigen Betroffenheit der Einrichtung der Behörden der Länder oder ihrer Verwaltungsverfahren.

aa) Die Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem Richtlinienvorschlag über den Prospekt beim Wertpapierhandel Zur Veranschaulichung der im Zusammenhang mit Art. 23 Abs. 5 Var. 2 und 3 GG üblicherweise auftretenden Meinungsverschiedenheiten sowie den Umgang mit ihnen sei der Fall des „Richtlinienvorschlags über den Prospekt, der ___________ rellen Verständnisses durch die Zusammenarbeit mit Drittländern (ERASMUS WELT), KOM (2002) 401 endg. 126 Unterrichtung der Bundesregierung, BR-Drs. 681/02; Zusammenstellung 2004, S. 29 f. 127 Mitteilung der Kommission: Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. 2001 C 17, S. 4. 128 Beschluss des Bundesrates BR-Drs. 992/01, S. 2; Hendricks, 770. Sitzung des Bundesrates v. 30.11.2001, Anlage 28, S. 714 (B); Zusammenstellung 2004, S. 30 f.

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist“129, dargestellt. Ziel der Richtlinie sollte es sein, die Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren bzw. deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, zu harmonisieren. In seinem Beschluss betreffend die Richtlinie hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, seine Stellungnahme gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 2 und 3 GG maßgeblich zu berücksichtigen.130 Argumentiert wurde seitens des Bundesrates, dass das Regelungsvorhaben im Schwerpunkt die Errichtung von Länderbehörden und ihre Verwaltungsverfahren betreffe, da für die Prüfung und Genehmigung von derartigen Prospekten die Börsenaufsichtsbehörden der Länder und die Zulassungsstellen der Börsen zuständig seien. Die Zulassungsstellen unterlägen aber der staatlichen Aufsicht durch die Börsenaufsichtsbehörden der Länder. Zudem sehe die Richtlinie umzusetzende Anwendungsbestimmungen vor, die Art und Umfang der Prüfungspflichten regelten und damit die Börsenstruktur bedingten. Schließlich greife die ergänzend vorgeschlagene Übertragung von Verwaltungszuständigkeiten für die Prüfung und Genehmigung von Prospekten auf eine zentrale staatliche Verwaltungsbehörde in das föderale Verfassungsprinzip und die föderal-zentrale Börsenorganisationsstruktur ein. Diese Auffassung wurde von der Bundesregierung nicht geteilt. In seinem Schreiben vom 29.10.2002 teilte der Bundesminister der Finanzen Eichel mit131, dass der Richtlinienentwurf vorrangig Regelungen zur Harmonisierung des Inhalts der Prospekte und somit solche auf dem Gebiet des Börsen- und Wertpapierrechts enthalte, für das nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG der Bund das Recht zur Gesetzgebung habe. Zudem finde auch keine Regelung der Einrichtungen der Behörden der Länder statt. Zwar schreibe Artikel 21 des Richtlinienentwurfs vor, dass bei Angeboten von Wertpapieren in mehreren Mitgliedstaaten nur die von jedem Mitgliedstaat als zentrale Stelle benannte zuständige Behörde zur Genehmigung des Prospekts berechtigt sein soll. Damit sei aber keine Änderung der Struktur der Zulassungsstellen der Börsen verbunden, zumal es den Mitgliedstaaten freistehe, bei nationalen Angeboten mehrere zuständige Verwaltungsbehörden zu benennen. Im Übrigen sei die vorgenannte Bestimmung auch nicht Schwerpunkt des Richtlinienentwurfs. Ferner wurde der Auffassung des Bundesrates entgegengehalten, dass auch die Verwaltungsver___________ 129

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, KOM (2001) 280 endg. 130 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 751/02, S. 5. 131 Zitiert nach Zusammenstellung 2004, S. 39.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

fahren der Länder nicht geregelt würden, da keine detaillierten Vorgaben vorgesehen seien, wie die Prüfung durchzuführen ist. Der Konflikt zwischen Bundesregierung und Bundesrat entzündete sich demnach an der Frage, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensregeln der Kern des Richtlinienvorschlags bildeten oder es vielmehr im Schwerpunkt um eine Harmonisierung des Inhalts der Prospekte ging. Eine Klärung, inwiefern der Bundesrat zu beteiligen war, wurde nicht herbeigeführt, da in der Sache weitestgehend Einigkeit bestand. Deshalb akzeptierte der Bundesrat, dass seine Stellungnahme von der Bundesregierung nicht maßgeblich berücksichtigt wurde.

bb) Pragmatische Vorgehensweise als Regelfall Ähnlich verliefen die anderen im Zusammenhang mit Art. 23 Abs. 5 Var. 2 und 3 GG aufgetretenen Konfliktfälle.132 So verlangte der Bundesrat beispielsweise auch anlässlich des „Richtlinienvorschlags des Europäischem Parlaments und des Rates über die Umwelthaftung betreffend die Vermeidung von Umweltschäden und die Sanierung der Umwelt“133 eine maßgebliche Berücksichtigung seiner Stellungnahme.134 Als Argument wurde angeführt, dass die Richtlinie Vorgaben für die Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren enthalte, mit denen Haftungsansprüche gegenüber dem Verursacher geltend zu machen seien. Dadurch würden Verwaltungsaufgaben der Länder betroffen, was wiederum schwerpunktmäßig der Fall sei. Dagegen lehnte die Bundesregierung eine maßgebliche Berücksichtigung mit dem Hinweis ab, dass die Einrichtung von Behörden der Länder oder ihre Verwaltungsverfahren nicht den Schwerpunkt der Richtlinie bildeten.135 Es bleibt damit festzuhalten, dass sowohl bei Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 1 GG als auch bei Art. 23 Abs. 5 Var. 2 und 3 GG der Hauptgrund für die Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob die Anwendungsvoraussetzungen vorliegen, die Bestimmung der schwerpunktmäßigen Betroffenheit durch eine Gemeinschaftsmaßnahme ist. Die Unbestimmtheit dieser Voraussetzung wirkt sich demnach in der Praxis aus, indem sich die Ansichten von Bundesregierung und Bundesrat in dieser Frage grundsätzlich widersprüchlich gegenüberstehen. Die Erläuterung in ___________ 132

Vgl. Zusammenstellung 2004, S. 36 ff. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umwelthaftung betreffend die Vermeidung von Umweltschäden und die Sanierung der Umwelt, KOM (2002) 17 endg. 134 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 197/02, S. 9. 135 Altmann, Stenographischer Bericht, 776. Sitzung des Bundesrates v. 31.05.2002, S. 329 (C). 133

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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Ziffer II. 2. BLV, dass die Beurteilung nach qualitativen Gesichtspunkten zu erfolgen hat, ist in der Praxis nicht hilfreich. Trotz der Auslegungsprobleme hat eine gerichtliche Klärung bislang nicht stattgefunden. Zudem wurden bislang auch keine weitergehenden Verfahren oder Kriterien entwickelt, um zukünftige Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich dieser Frage zu vermeiden. Vielmehr hat sich die Bundesregierung in jedem der Konfliktfälle mit ihrer Auffassung durchgesetzt, so dass es nur zu einer einfachen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates kam. Auf Grund der inhaltlichen Einigkeit von Bundesregierung und Bundesrat haben sich die Länder bisher mit diesem Vorgehen abgefunden. Demnach war das Verfahren der qualifizierten Mitwirkung im Rahmen des Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG vor allem durch Konsens in der Sache und darauf gegründete Vermeidung der Eskalation von Meinungsverschiedenheiten über das Beteiligungsverfahren gekennzeichnet.136 Das Letztentscheidungsrecht des Bundesrates wurde von der Bundesregierung grundsätzlich nicht anerkannt.137

c) Letztentscheidungsrecht des Bundesrates Einen – deswegen besonders interessanten – Sonderfall stellte die Behandlung des geänderten Richtlinienvorschlags der Kommission über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (sog. Plan-UVPRichtlinie)138 dar, bei welchem der Bundesrat das bisher einzige Mal erwogen hat, auf Grund inhaltlicher Differenzen mit der Bundesregierung einen Beharrungsbeschluss nach § 5 Abs. 2 S. 5 EUZBLG zu fassen. Besonderheiten wies der Fall auch deshalb auf, weil im Rahmen der Beratungen des Richtlinienvorschlags eine der wenigen Sitzungen der Europakammer des Bundesrates stattfand.139

___________ 136

Ähnlich auch Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 26. Bericht über die Mitwirkungsinstrumente der Länder in EU-Angelegenheiten, 34. EMK, Berlin 05.12.2002, S. 16; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 316; Engel, Kooperation und Konflikt zwischen den Ländern, S. 58 f. 138 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, KOM (96) 511 endg. 139 Die Europakammer hat im Zeitraum von 1993 bis 1998 nur neunmal getagt. In den Jahren 1987–1990 gab es 3, in den Jahren 1990–1994 gab es 4 und 1994–1998 nur eine Sitzung der Europakammer, vgl. Direktor des Bundesrates, Bundesrat und Bundesstaat, S. 63. Kalbfleisch-Kottsieper, Jahrbuch des Föderalismus 2001, 168 (181) spricht deshalb von einem „institutionellen Dornröschenschlaf“ der Europakammer; Schneider, Drs.-Bundesstaatskommission 0042, S. 3 von einem „Schattendasein“. 137

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

aa) Der Ablauf der Beratungen zur Plan-UVP-Richtlinie Mit dem Vorschlag für eine Plan-UVP-Richtlinie beschäftigte sich der Bundesrat erstmals im Jahre 1997. Ziel des Vorhabens war es, die bisher im Projektstadium bzw. bei FFH-Schutzgebieten vorgesehenen Umweltverträglichkeitsprüfungen auf sämtliche formell festgelegte Planungsräume auszudehnen. Zur Erreichung dieses Ziels sollten die zuständigen Entscheidungsträger verpflichtet werden, schon bei der Erarbeitung bzw. der Annahme bestimmter Pläne und Programme mögliche Umweltauswirkungen angemessen zu berücksichtigen. Der Vorschlag beinhaltete unter anderem eine Beteiligung anderer Behörden sowie der Öffentlichkeit und sah die Erstellung eines Umweltberichts vor. Der Bundesrat sprach sich mit Beschluss vom 06.06.1997 gegen den Richtlinienvorschlag aus und forderte die Bundesregierung auf, dem Vorhaben nicht zuzustimmen. Begründet wurde dies unter anderem mit dem enormen Verwaltungsaufwand, der in einem deutlichen Missverhältnis zu dem erreichbaren Nutzen stünde. Zudem sei der Geltungsbereich der Richtlinie unklar und lasse daher eine uneinheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten befürchten. Schließlich bestünden Zweifel daran, ob Art. 130s Abs. 1 EG – jetzt Art. 175 Abs. 1 EG – eine ausreichende Kompetenzgrundlage biete. Abschließend wies der Bundesrat darauf hin, dass seine Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 5 S. 2 Var. 3 GG maßgeblich zu berücksichtigen sei, da von dem Richtlinienvorschlag im Schwerpunkt Verwaltungsaufgaben der Länder betroffen seien.140 Dieser Forderung hatte die Bundesregierung nicht widersprochen.141 Allerdings wurde der Richtlinienvorschlag dann im Rat zwei Jahre lang nicht beraten und erst im Jahre 1999 wieder aufgegriffen. Die finnische Präsidentschaft legte am 25.11.1999 eine überarbeitete Textfassung vor, in der vor allem der Anwendungsbereich des aktuellen Richtlinienvorschlags über den Bereich der Raumordnung hinaus wesentlich ausgedehnt wurde. Zudem teilte die Kommission mit, ihren Vorschlag auf Art. 175 Abs. 1 EG stützen zu wollen, wonach der Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheidet. Auf Drängen der Präsidentschaft sollte im Hinblick auf den geänderten Richtlinienvorschlag noch auf der Tagung des Umweltministerrates am 13./14.12.1999 ein Gemeinsamer Standpunkt verabschiedet werden.142 Mit Schreiben vom 30.11.1999 teilte der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Trittin mit, dass die Bundesregierung beabsichti___________ 140

Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 277/97, S. 1 ff. Fischer/Koggel, DVBl. 2000, 1742 (1747). 142 Fischer/Koggel, DVBl. 2000, 1742 (1744).

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V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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ge, dem Richtlinienvorschlag zur Vermeidung europapolitischer Nachteile unter bestimmten noch zu erfüllenden Voraussetzungen zuzustimmen. Eine Ablehnung des Vorschlags durch Deutschland hätte erhebliche europapolitische Nachteile zur Folge und sei daher aus gesamtstaatlicher Sicht zu vermeiden.143 Im Hinblick darauf, dass eine Entscheidung des Bundesrates im regulären Geschäftsgang vor der Sitzung des Umweltministerrates nicht mehr herbeizuführen war, wurde für den 09.12.1999 nach vierjähriger Pause erstmals wieder eine Sitzung der Europakammer einberufen.144 Diese bestätigte zunächst den Beschluss des Bundesrates aus dem Jahre 1997 und forderte die Bundesregierung auf, dem Vorschlag auch in der vorliegenden Fassung nicht zuzustimmen. Die zuvor erhobenen Kritikpunkte wurden im Wesentlichen wiederholt, was insbesondere für die Frage der Rechtssetzungskompetenz galt. Die Europakammer vertrat die Auffassung, dass der Richtlinienvorschlag sich weiterhin schwerpunktmäßig auf den Bereich der Raumordnung und Bodennutzung beziehe und daher auf Art. 175 Abs. 2 EG – und nicht Absatz 1 – zu stützen sei. Folglich sei im Rat Einstimmigkeit erforderlich. Die Bundesregierung hatte allerdings bereits in ihrem Schreiben vom 30.11. 1999 die Ansicht geäußert, dass der aktuelle Richtlinienvorschlag über den Bereich der Raumordnung wesentlich ausgeweitet worden sei und deshalb mit guten Gründen auf Art. 175 Abs. 1 EG gestützt werden könne.145 Die mit den Vertretern der Bundesregierung im weiteren Verlauf der Sitzung geführten Gespräche, bei denen versucht wurde, noch ein Einvernehmen zu erzielen, waren daher im Ergebnis vergeblich. In einer weiteren Abstimmung der Europakammer gelang es jedoch auch nicht, den zuvor gefassten Beschluss mit der nach § 5 Abs. 2 S. 5 EUZBLG erforderlichen Zweidrittelmehrheit zu bestätigen und sich so gegenüber der Auffassung der Bundesregierung durchzusetzen. Ein sog. Beharrungsbeschluss wurde also nicht gefasst. Auf der Tagung des Umweltministerrates am 13./14.12.1999 konnte deshalb mit deutscher Zustimmung ein Gemeinsamer Standpunkt verabschiedet werden.146 ___________ 143

Unterrichtung durch die Bundesregierung, BR-Drs. 693/99, S. 1 ff. Fischer/Koggel, DVBl. 2000, 1742 (1744). 145 Unterrichtung durch die Bundesregierung, BR-Drs. 693/99, S. 3. 146 Fischer/Koggel, DVBl. 2000, 1742 (1748 f.). Der Richtlinienvorschlag wurde daraufhin dem Europäischen Parlament entsprechend den Regeln des Mitentscheidungsverfahrens vorgelegt. Eine Einigung wurde nach erheblichen Diskussionen am 16.03. 2001 erzielt. Dem im Vermittlungsausschuss vom 23.04.2001 erarbeiteten Textvorschlag haben das Europäische Parlament am 31.05.2001 und der Rat der Europäischen Union am 05.06.2001 zugestimmt, vgl. Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.07.2001 (ABl. 2001 L 197, S. 30) über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme. 144

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

bb) Probleme im Zusammenhang mit den Beratungen der Plan-UVP-Richtlinie Im Zusammenhang mit der Einberufung der Europakammer und dem Versuch, einen Beharrungsbeschluss zu fassen, traten mehrere Probleme auf. So wurde zunächst trotz des formellen Vorliegens der Voraussetzungen für eine Einberufung der Europakammer gemäß § 45d Abs. 2 GO BR überlegt, ob diese nicht vermieden werden könne, indem den Ländern eine einfachere Möglichkeit eröffnet wird, ihre Haltung in die Ratsverhandlungen einfließen zu lassen. In der Vergangenheit war es vereinzelt vorgekommen, dass der Bundesregierung die Voten der Bundesratsausschüsse als Verhandlungsgrundlage mitgeteilt wurden, wenn diese sich nicht widersprachen. Im Fall der Plan-UVPRichtlinie ging man allerdings – gestützt auf die Erfahrungen aus dem Jahre 1997 – davon aus, dass unterschiedliche Voten abgegeben würden, so dass dieses Vorgehen ausschied.147 Weiterhin stellte sich das Problem, dass noch zwei Wochen vor der Tagung des Ministerrates nicht feststand, ob die Bundesregierung der Plan-UVP-Richtlinie zustimmen würde oder nicht. Eine Festlegung erfolgte erst durch das Schreiben des Bundesministers Trittin vom 30.11.1999. Damit war es lange Zeit äußerst schwierig zu beurteilen, ob eine Sitzung der Europakammer zur Artikulierung der ablehnenden Länderhaltung sowie für den Fall fortbestehender Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat zur Fassung eines Beharrungsbeschlusses überhaupt erforderlich sein würde. Zudem bestand durch die letztendlich sehr kurzfristige Einberufung sehr wenig Zeit, alle Aspekte des geänderten Richtlinienvorschlags hinreichend zu erörtern, zumal nicht einmal eine deutsche Textfassung vorlag.148 In vorangegangenen Fällen war teilweise selbst eine kurzfristige Einberufung nicht mehr möglich gewesen, da als Bundesratsdrucksache umgedruckte EUVorhaben bereits in Brüssel verabschiedet worden waren, so dass von einer Stellungnahme durch die Europakammer abgesehen wurde.149 Ein weiteres Problem im Vorfeld der Einberufung der Europakammer war die Frage, ob diese überhaupt beschlussfähig sein würde. Grund dafür war sowohl die kurze Einberufungsfrist als auch die angespannte Terminlage – zeitgleich fanden der SPD-Bundesparteitag, Sitzungen der Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses sowie die Vereidigung des neuen Berliner Senats statt. Nur auf Grund wiederholter und intensiver Nachfragen bei den einzelnen Ländern zeichnete sich zwei Tage vor der Sitzung ab, dass diese beschlussfähig ___________ 147

Fischer/Koggel, DVBl. 2000, 1742 (1745). Fischer/Koggel, DVBl. 2000, 1742 (1745). 149 v. Dewitz, Praxisbericht, S. 6.

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V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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sein würde.150 Zuvor war dagegen schon mehrfach auf die Einberufung der Europakammer verzichtet worden, da im Vorfeld bereits erkennbar war, dass sie nicht beschlussfähig sein würde.151 In einigen dieser Fälle kam allerdings auch hinzu, dass die zu behandelnden Materien als so unwichtig eingestuft wurden, dass man den Aufwand einer Europakammer-Sitzung für nicht gerechtfertigt hielt.152 Es ist also im Zusammenhang mit dem bisher einzigen Versuch der Fassung eines Beharrungsbeschlusses durch die Europakammer innerstaatlich zu etlichen Schwierigkeiten gekommen. Die Probleme bei der Einberufung, die in ähnlicher Form auch schon früher aufgetreten waren, haben dazu geführt, dass die Europakammer zum Teil als überflüssig und für den angestrebten Zweck der Entscheidungsfindung in Eilfällen als untauglich angesehen wird.153 Zudem führte die Verknüpfung des Letztentscheidungsrechts des Bundesrates mit einer Zweidrittelmehrheit dazu, dass die Fassung eines Beharrungsbeschlusses im Ergebnis nicht zustande kam. Das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit erschwert die Möglichkeit des Bundesrates, die Bundesregierung an seine Auffassung zu binden und letztverbindlich in der Sache zu entscheiden.154 Insbesondere gilt dies für parteiideologisch definierte Konflikte, zumal wenn sie kaum spezifische Bedeutung für die Landespolitik selbst haben oder zumindest landespolitische Aspekte den bundespolitischen nachgeordnet sind. In diesen Fällen dominiert in der Regel die Parteienkonkurrenz den Entscheidungsprozess, so dass nicht zu erwarten ist, dass die die Regierung tragenden Parteien im Bundesrat gegen die Bundesregierung stimmen werden.155 Zweidrittelmehrheiten können also – neben dem weniger wahrscheinlichen Fall, dass eine Partei oder eine sich ideologisch nahestehende Parteiengruppe im Bundesrat über eine Zweidrittelmehrheit verfügt – nur dann zustande kommen, wenn über Parteigrenzen hinweg parteipolitische Interessen einerseits und spezifische Länderinteressen andererseits zur Deckung kommen.156 Diese erschwerten Voraussetzungen für die Fassung eines Beharrungsbeschlusses sind ebenfalls ein Grund dafür, dass bislang noch keine solche letztverbindliche Entscheidung des Bundesrates zustande kam. ___________ 150

Fischer/Koggel, DVBl. 2000, 1742 (1746). Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 249; Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 37; v. Dewitz, Praxisbericht, S. 6. 152 Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 37. 153 So Schweizer/Brunner, Mitwirkung der Länder an EU-Vorhaben, S. 32 unter Berufung auf Aussagen von Praktikern. Ähnlich Pernice, Bund-Länder-Koordinierung, S. 3. 154 Schweizer/Brunner, Mitwirkung der Länder an EU-Vorhaben, S. 27, Fn. 81. 155 Ausführlich zur Struktur der Konfliktlagen im Bundesstaat Renzsch, Parlamentarischer Bundesstaat, S. 172 ff. 156 Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 196. 151

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

d) Das Einvernehmen des Bundesrates gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG Der Bundesrat hat das Einvernehmen zur Zustimmung gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG regelmäßig erteilt, wenn die Bundesregierung ihn dazu aufforderte.157 In zwei Fällen158 hat der Bundesrat sein Einvernehmen zudem ungefragt erklärt und die Bundesregierung anschließend mitgeteilt, dass sie diesem Vorhaben nicht zustimmen wolle. Nach dem oben Gesagten159 musste demnach die Bundesregierung das Einvernehmen des Bundesrates nicht einholen, so dass dessen befürwortende Auffassung unerheblich war. Zu Problemen zwischen Bundesrat und Bundesregierung kam es in wenigen Fällen. Zum einen äußerte der Bundesrat anlässlich des „Kooperationsabkommens mit Indien“160 und des „Programmentwurfs zur Zusammenarbeit im Hinblick auf die Prävention und Begrenzung der Folgen chemischer, biologischer, radiologischer oder nuklearer terroristischer Bedrohungen“161 seinen Unmut darüber, erst sehr spät einbezogen worden zu sein. Im Rahmen der jeweiligen Beratungen wurde die Bundesregierung deshalb aufgefordert, zukünftig das Einvernehmen bereits zum Verhandlungsmandat einzuholen162 und den Bundesrat so frühzeitig zu informieren, dass die Voraussetzungen für eine rechtzeitige Bundesratsbefassung geschaffen werden. Die Erklärung des Einvernehmens könne eine umfassende Unterrichtung zum frühestmöglichen Zeitpunkt und eine inhaltliche Beratung des jeweiligen Vorhabens nicht ersetzen.163 ___________ 157

Zusammenstellung 2004, S. 16 ff. 1. Vorschlag für einen Beschluss des Rates über ein viertes mittelfristiges Aktionsprogramm der Gemeinschaft für die Chancengleichheit von Frauen und Männern (1996–2000), KOM (95) 381 endg., dazu BR-Drs. 591/95 sowie Stenographischer Bericht, 691. Sitzung des Bundesrates v. 24.11.1995, S. 545 (D); 2. Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Änderung der Entscheidung des Rates 89/286/EWG über die Durchführung auf Gemeinschaftsebene der Hauptphase des strategischen Programms für Innovation und Technologietransfer (1989–1993), KOM (93) 306 endg., dazu Empfehlung des Ausschusses für Fragen der Europäischen Gemeinschaften, BR-Drs. 623/93, S. 1. Siehe auch Zusammenstellung 2004, S. 18. 159 Siehe dazu B. I. 4. b) bb). 160 Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Indien über Partnerschaft und Entwicklung, KOM (93) 82 endg., dazu Empfehlung des Ausschusses für Fragen der Europäischen Gemeinschaften, BR-Drs. 238/93. 161 Entwurf eines Programms zur Verbesserung der Zusammenarbeit in der Europäischen Union im Hinblick auf die Prävention und die Begrenzung der Folgen chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer terroristischer Bedrohungen, Ratsdok. 14627/02, dazu Empfehlung des Ausschusses für Fragen der Europäischen Gemeinschaften, BR-Drs. 869/1/02, S. 2. 162 Gerster, Stenographischer Bericht, 656. Sitzung des Bundesrates v. 07.05.1993, S. 194 (B). 163 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 869/02, S. 2. 158

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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Zum anderen wurde bei den Beratungen über die „Verordnung zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft“164 zwischen Bundesregierung und Bundesrat zunächst über den Anwendungsbereich gestritten. In Ziffer 5 seiner ersten Stellungnahme führte der Bundesrat aus, dass nach seiner Auffassung die in der Verordnung vorgesehenen Vorschriften Regelungen des Verwaltungsverfahrens darstellten, die, soweit sie von den Landesbehörden auszuführen wären, der innerstaatlichen Zustimmung nach Art. 84 Abs. 1 GG bedürften. Daher sei vor der Zustimmung durch die Bundesregierung das Einvernehmen des Bundesrates einzuholen.165 Die Bundesregierung dagegen war zunächst der Auffassung, dass § 5 Abs. 3 EUZBLG nicht einschlägig sei. Schließlich suchte sie aber doch kurzfristig um das Einvernehmen des Bundesrates nach, weil § 5 Abs. 3 EUZBLG wegen der zwischenzeitlich in die Verordnung aufgenommenen Regelung in Artikel 6 einschlägig geworden sei.166 Dieses wurde dann auch vom Bundesrat uneingeschränkt erteilt.167 Strittig ist allerdings zwischen Bundesregierung und Bundesrat weiterhin, ob die Bundesregierung sich bei der Abstimmung über ein Vorhaben nach § 5 Abs. 3 EUZBLG der Stimme enthalten und dadurch die einstimmige Beschlussfassung ermöglichen kann, wenn der Bundesrat sein Einvernehmen zu der Zustimmung verweigert hat. Dass diese unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen Bund und Ländern fortbestehen, hat der damalige Vorsitzende der Chefs der Staatskanzleien, Staatssekretär Dr. Krapp, Thüringen, in seinem Schreiben vom 07.04.1997 an den Chef des Bundeskanzleramtes nochmals betont.168 Die Bundesregierung lehnte es wiederum ab, die Rechtsauffassung der Länder in dieser Frage zu übernehmen. In einem Schreiben an die Ministerpräsidenten der Länder vom 03.03.1998 hat sie allerdings erklärt, dass sie bei einer Regelung, für die das vorgesehene Einvernehmen mit dem Bundesrat nicht zustande komme, nur in Ausnahmefällen von der Möglichkeit einer Stimmenthaltung Gebrauch machen wolle. Im Übrigen werde sie den Bundesrat so früh wie möglich von einer beabsichtigten Stimmenthaltung unterrichten.169 ___________ 164

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften, KOM (94) 214 endg. 165 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 741/94, S. 3. 166 Vorlage der Bundesregierung, BR-Drs. 297/95, S. 3. 167 Empfehlung des Ausschusses für Fragen der Europäischen Gemeinschaften, BRDrs. 297/1/95, S. 1; Stenographischer Bericht, 686. Sitzung des Bundesrates v. 23.06. 1995, S. 306 (C). 168 Mit diesem Schreiben fand die in Ziffer VIII. 8. BLV zum 01.07.1996 vorgesehene Überprüfung der Vereinbarung ihren Abschluss. 169 Siehe Ziffer 2 des Schreibens des Chefs des Bundeskanzleramtes an die Ministerpräsidenten der Länder v. 03.03.1998, Ergebnisse des Bundes-Ländergesprächs v.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Hinsichtlich der Erteilung des Einvernehmens mit der Zustimmung zu Vorhaben, die auf Art. 308 EG gestützt werden, traten demnach in der Praxis bislang normalerweise keine nennenswerten Probleme auf.170 Über den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 EUZBLG bestand gemeinhin Einigkeit zwischen Bundesrat und Bundesregierung, was vermutlich daran liegt, dass die Vorschrift nicht die Betroffenheit der Zuständigkeiten der Länder im Schwerpunkt, wie etwa Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG i.V.m. § 5 Abs. 2 EUZBLG, zur Voraussetzung macht. Darüber hinaus bestand bislang auch in all jenen Fällen, in denen der Bundesrat sein Einvernehmen zu erteilen hatte, inhaltliche Überstimmung mit der Bundesregierung, so dass die Bundesregierung dem jeweiligen Vorhaben zustimmen konnte. Bedenklich ist aber, dass zwischen Bund und Ländern immer noch keine Einigung darüber erzielt werden konnte, ob sich die Bundesregierung im Rat der Stimme enthalten und damit die Beschlussfassung ermöglichen darf, wenn der Bundesrat sein Einvernehmen zur Zustimmung verweigert hat. Diese Uneinigkeit birgt die Gefahr zukünftiger Konflikte in den Fällen in sich, in denen inhaltliche Differenzen zwischen Bundesregierung und Bundesrat bestehen. Es ist insofern nicht davon auszugehen, dass die durch die Protokollerklärung der Regierung erfolgte Selbstbeschränkung weiterhilft. Zum einen handelt es sich nur um eine Absichtserklärung. Zum anderen sieht sie selbst die Möglichkeit der Stimmenthaltung in Ausnahmefällen vor. Insofern steht die „Stunde der Wahrheit“171 hier letztlich noch aus.

e) Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter gemäß Art. 23 Abs. 6 GG aa) Auslöser für Meinungsverschiedenheiten Die intensivste Form der Mitwirkung, die Übertragung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter gemäß Art. 23 Abs. 6 GG i.V.m. § 6 Abs. 2 EUZBLG, führte in mehr als einem Drittel der Fälle zwischen Bundesregierung und Bundesrat zu Uneinigkeit darüber, ob die Voraussetzungen für diese Art der qualifizierten Beteiligung des Bundesrates gegeben sind.172 Grund für die Konflikte zwischen Bundesregierung und Bundesrat waren – wie schon bei der Mitwirkung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG – unterschiedliche Auffassungen darüber, wann das Vorliegen eines Vorhabens sowie die Betrof___________ 06.02.1998 (abgedruckt in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Vertrag von Amsterdam mit den deutschen Begleitgesetzen, 3. Aufl. 1999, S. 362). 170 Drs.-Bundesstaatskommission 0034 des Landes Rheinland-Pfalz, Anlage, S. 3; v. Dewitz, Der Bundesrat, S. 75. 171 So Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 32. 172 Siehe dazu schon C. V.

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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fenheit der Gesetzgebungsbefugnisse der Länder im Schwerpunkt zu bejahen ist. So wurde beispielsweise hinsichtlich der „Mitteilung der Kommission – Allgemeine und berufliche Bildung 2010“173 seitens der Bundesregierung darauf verwiesen, dass der darin vorgeschlagene Zwischenbericht zum detaillierten Arbeitsprogramm der Bildungsminister entgegen der Auffassung des Bundesrates ebenso wenig wie dieses selbst einen verbindlichen Regelungsgehalt habe und damit weder selbst ein Gemeinschaftsrechtsakt sei noch der Vorbereitung eines solchen diene.174 Ähnlich wurde auch angesichts der „Mitteilung der Kommission – Europäische Benchmarks für die allgemeine und berufliche Bildung“175 durch die Bundesregierung argumentiert. Das Arbeitsprogramm enthalte entgegen der Meinung des Bundesrates keine konkreten Zielvorgaben, da die Benchmarks nur als Option vorgesehen seien, welche einer Entscheidung des Rates im Konsens bedürften. Darüber hinaus entfalte auch ein solcher Beschluss keine Rechtsbindung, sondern beschreibe eine rein politische Zielsetzung der Beteiligten.176 Zudem bestanden hinsichtlich beider Mitteilungen zwischen Bundesregierung und Bundesrat unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob überhaupt eine Betroffenheit der Gesetzgebungsbefugnisse der Länder im Schwerpunkt zu bejahen wäre, handelte es sich um rechtserhebliche Vorhaben. Vertrat der Bundesrat bei beiden Vorhaben die Ansicht, dass der Schwerpunkt in den Bereichen Lehrerausbildung, Organisationshoheit für das Bildungssystem und Bildungshaushalte und damit vorwiegend im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder liege, war die Bundesregierung der Meinung, dass die Arbeitsprogramme einen bildungsbereichsübergreifenden Ansatz verfolgten, der genauso die berufliche Bildung und den Hochschulbereich und somit Gesetzgebungskompetenzen des Bundes umfasse. Insofern könne bei qualitativer Abwägung der Inhalte der Mitteilungen jedenfalls keine schwerpunktmäßige Betroffenheit der Gesetzgebungsbefugnisse der Länder festgestellt werden. Diese Frage wurde auch in allen übrigen Konfliktfällen streitig erörtert, wie beispielsweise anlässlich des „Durchführungsbeschlusses zur zweiten Phase

___________ 173 Mitteilung der Kommission – Allgemeine und berufliche Bildung 2010: Die Dringlichkeit von Reformen für den Erfolg der Lissabon-Strategie, KOM (2003) 685 endg.; BR-Drs. 856/03. 174 Zusammenstellung 2004, S. 20. 175 Mitteilung der Kommission – Europäische Benchmarks für die allgemeine und berufliche Bildung: Follow-up der Tagung des Europäischen Rates von Lissabon, KOM (2002) 629 endg.; BR-Drs. 870/02. 176 Zusammenstellung 2004, S. 21.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

des Aktionsprogramms im Bereich der allgemeinen Bildung Sokrates“177, dem „Programm zur Zusammenarbeit in der Sicherung der Qualität der Hochschulbildung“178 und dem „Rahmenprogramm zur Kulturförderung 2000–2004“179. Die Argumente beider Seiten waren dabei im Wesentlichen die Gleichen wie bei den genannten Arbeitsprogrammen zur allgemeinen beruflichen Bildung.

bb) Konfliktlösungsmechanismus Angesichts dieser bei Art. 23 Abs. 6 GG regelmäßig auftretenden Meinungsunterschiede zwischen Bundesregierung und Bundesrat über die Voraussetzungen für die Übertragung der Verhandlungsführung haben sich die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in dem bereits angesprochenen Briefwechsel zur Überprüfung der BLV auf ein Verfahren verständigt, um verfassungsgerichtliche Streitigkeiten über mögliche Auffassungsunterschiede in der Frage der Einordnung eines Vorhabens der Europäischen Union unter die Voraussetzungen über die Übertragung der Verhandlungsführung zu vermeiden.180 Danach soll ein möglichst frühzeitig gefasster Beschluss des Bundesrates zur Übertragung der Verhandlungsführung substantiiert begründen, inwieweit das Vorhaben nach Auffassung des Bundesrates die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 S. 1 EUZBLG erfüllt. Ihre gegenteilige, ebenfalls substantiiert begründete Auffassung soll die Bundesregierung durch das federführende Bundesressort dem Präsidenten des Bundesrates in angemessener Frist mitteilen. Daran anschließend befasst sich der Ständige Beirat, der den Präsidenten bei der Führung der Geschäfte unterstützt, mit diesen Fällen und prüft, ob der Bundesregierung Gespräche auf politischer Ebene vorgeschlagen werden, bei denen geklärt wird, inwieweit – unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur Frage der Übertragung der Verhandlungsführung – im vorliegenden Einzelfall eine Verständigung über das praktische Vorgehen in den einschlägigen Gremien der Europäischen Union möglich ist. Die Bundesregierung erklärte sich grundsätzlich bereit, einem solchen Gesprächsvorschlag zu entsprechen. Im Zusammenhang mit dem „Programm zur ___________ 177

Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung der zweiten Phase des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms im Bereich der allgemeinen Bildung Sokrates, KOM (98) 329 endg.; BR-Drs. 774/98. 178 Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zu Europäischer Zusammenarbeit in der Sicherung der Qualität der Hochschulbildung, KOM (97) 159 endg.; BR-Drs. 298/97. 179 Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Ausschuss der Regionen – Erstes Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft zur Kulturförderung (2000– 2004), KOM (98) 266 endg.; BR-Drs. 571/98. 180 v. Dewitz, Der Bundesrat, S. 77 f.

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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Zusammenarbeit in der Sicherung der Qualität der Hochschulbildung“181 ist von diesem Verfahren das erste Mal Gebrauch gemacht worden. Nach Mitteilung der Bundesregierung, dass sie der durch den Bundesrat erfolgten Einordnung des EU-Vorhabens widerspreche, befasste sich der Ständige Beirat mit dem Fall und schlug der Bundesregierung Gespräche auf politischer Ebene vor. Diese sind vom Präsidenten der Kultusministerkonferenz geführt worden. Im Ergebnis verständigte man sich unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur Frage der Verhandlungsführerschaft darauf, die Verhandlungsführung nicht auf einen Ländervertreter zu übertragen, diesem jedoch das Recht einzuräumen, während der Sitzungen des Bildungsministerrates mit Einverständnis der Bundesregierung Erklärungen abzugeben. Demnach wurde eine pragmatische Vereinbarung getroffen und die deutsche Verhandlungslinie in Kooperation zwischen Bundesregierung und Bundesrat bestimmt.182 Ebenso wurde auch in den meisten nachfolgenden Konfliktfällen – dem „Rahmenprogramm zur Kulturförderung 2000–2004“, dem „Durchführungsbeschluss zur zweiten Phase des Aktionsprogramms im Bereich der allgemeinen Bildung Sokrates“ und der „Mitteilung der Kommission – Europäische Benchmarks für die allgemeine und berufliche Bildung“ – vorgegangen. Es fand eine Verständigung dahingehend statt, dass kooperativ verfahren und den Ländern in für sie relevanten Angelegenheiten das Wort erteilt werde, ohne dass aber im Ergebnis die Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter übertragen wurde.183 Trotz der etlichen zwischen Bundesregierung und Bundesrat auftretenden Schwierigkeiten bei der Auslegung der Voraussetzungen für die Übertragung der Verhandlungsführung konnte bislang regelmäßig eine handhabbare Einigung auf politischer Ebene entsprechend dem vereinbarten Verfahren für die Lösung von Konfliktfällen herbeigeführt werden. Begünstigt wurde die Kompromissfindung dabei sicherlich auch durch die Tatsache, dass größere inhaltliche Differenzen zwischen Bundesregierung und Bundesrat in der Regel nicht bestanden, so dass der Bundesrat schon aus diesem Grunde nicht auf einer Übertragung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter bestanden hat. Allerdings wurden gerade in den letzten Jahren im Hinblick auf grundsätzliche Orientierungen sowie in Sachfragen vereinzelt unterschiedliche Akzentsetzungen deutlich.184 In Anbetracht dieser Entwicklung kann nicht ohne weiteres ___________ 181

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zu europäischer Zusammenarbeit in der Sicherung der Qualität der Hochschulbildung, KOM (97) 159 endg.; BR-Drs. 298/97. 182 Zusammenstellung 2004, S. 24; Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 68. 183 Zusammenstellung 2004, S. 20 ff. 184 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 12.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

davon ausgegangen werden, dass es auch zukünftig immer gelingen wird, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.

f) Art. 23 GG und das Lindauer Abkommen Ein Sonderproblem im Zusammenhang mit Art. 23 GG entsteht in der Praxis regelmäßig beim Abschluss sog. Partnerschafts-, Assoziations- und Kooperationsabkommen mit Drittstaaten.185 Bei diesen handelt es sich in der Regel um sog. gemischte Abkommen. Gemischte Abkommen zeichnen sich dadurch aus, dass Vertragspartner auf Grund von Vertragsmaterien aus unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen sowohl die Europäische Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten sind.186 Im Hinblick auf die in den Kompetenzbereich der Gemeinschaft fallenden Regelungen handelt es sich um Angelegenheiten der Europäischen Union, auf die nach einhelliger Auffassung ausschließlich Art. 23 GG, §§ 2 ff. EUZBLG Anwendung finden.187 Bezüglich der in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten fallenden Regelungen ist dagegen zwischen Bundesregierung und Ländern umstritten, inwiefern noch Raum für die Anwendung des Lindauer Abkommens bleibt. Das Lindauer Abkommen vom 14.11.1957188 hat die zwischen Bund und Ländern bestehende Streitfrage, ob der Bund Verträge mit auswärtigen Staaten auch über Gegenstände abschließen kann, für die er keine Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz besitzt bzw. ob die Länder auf den Gebieten ihrer ausschließli___________ 185

Zusammenstellung 2004, S. 50 f. Derartige sog. gemischte Abkommen existieren heute in großer Zahl. Neben den Abkommen mit Drittstaaten fallen darunter beispielsweise auch multilaterale Abkommen wie die Entwicklungsabkommen mit den sog. AKP-Staaten (früher Lomé-, jetzt Cotonou-Abkommen) oder die Umweltabkommen von Kyoto und Aarhus. 186 Halfmann, Europäische Integration, S. 93 f.; Frenz, DVBl. 1999, 945 (945); Clostermeyer/Lehr, DÖV 1998, 148 (150 f.); Emmert, Europarecht, § 43, Rn. 12; Stern, FS Carl Heymanns Verlag, S. 267; Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Europäische Union, S. 542; Arnold, ArchVöR 19 (1980/81), 418 (418); Bleckmann, EuR 1976, 301 (301). Bedenken gegen Gemischte Abkommen ergeben sich aus der Überspielung der Zuständigkeitsproblematik. Dies kann praktische Konsequenzen haben, z.B. bei der Frage der Finanzierung von Vertragsleistungen, bei der Mitwirkung in Ausschüssen und Gremien, bei der Auslegungsbefugnis durch die nationalen Gerichte und/oder den Gerichtshof und bei der Verantwortlichkeit im Falle eines Vertragsbruchs, vgl. Emmert, Europarecht, § 43, Rn. 13; M. Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 671. 187 König, Integrationsprozeß, S. 334; Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 178; Clostermeyer/Lehr, DÖV 1998, 148 (151); Winkelmann, DVBl. 1993, 1128 (1135). 188 Abgedruckt bei Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 32 GG, Rn. 17a. Eingehend zum Lindauer Abkommen Papier, DÖV 2003, S. 265 ff.; Stern, FS Carl Heymanns Verlag, S. 251 ff.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 119 ff.

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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chen Zuständigkeiten allein zum Vertragsabschluss befugt sind, einer pragmatischen Lösung zugeführt. Die Bundesregierung hat sich in Ziffer 3 der Vereinbarung verpflichtet, zu Verträgen des Bundes, die sich ganz oder teilweise auf Gegenstände beziehen, die in die ausschließliche Gesetzgebungs- oder Verwaltungskompetenz der Länder fallen, das Einverständnis jedes einzelnen Landes einzuholen, bevor der Vertrag für die Bundesrepublik völkerrechtlich verbindlich wird.189 Das bedeutet in der Praxis, dass es in der Macht eines jeden Landes steht, einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag zu verhindern. Damit liegt der strukturelle Unterschied zu einer Beteiligung der Länder nach Art. 23 GG darin, dass nach dem Lindauer Abkommen jedes Land unmittelbar zu beteiligen ist, wohingegen die Länder gemäß Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG durch den Bundesrat und nach Maßgabe der dort getroffenen Mehrheitsentscheidungen handeln.190 Inwiefern die Lindauer Vereinbarung bei völkerrechtlichen Abkommen im Bereich der Europäischen Union Anwendung findet, war auch Gegenstand der Beratungen zwischen Bund und Ländern zur BLV, ohne dass aber Einigkeit erzielt werden konnte.191 Im Zusammenhang mit den gemischten Abkommen verlangten die Länder die Herbeiführung des Einverständnisses nach der Lindauer Vereinbarung für die Materien, die nicht in den Kompetenzbereich der Europäischen Union fallen und die ausschließliche Zuständigkeit der Länder betreffen.192 Dagegen kam nach der Meinung der Bundesregierung eine Beachtung der Lindauer Absprache nur in Betracht, wenn es sich nicht um die Regelung solcher Materien handelt, die zum Inhaltsbereich der Gemeinschaftsverträge gehören oder im Vertrag über die EU als Gegenstände des gemeinsamen Interesses angesprochen oder als Gegenstände der Zusammenarbeit193 vorgesehen sind.194 ___________ 189

Clostermeyer/Lehr, DÖV 1998, 148 (149); Stern, FS Carl Heymanns Verlag, S. 259, 261; Starck, FS Peter Lerche, S. 566; Menzel, DÖV 1971, 528 (530); Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 185; Beck, DÖV 1966, 20 (21 f.). 190 Papier, DÖV 2003, 265 (270); Clostermeyer/Lehr, DÖV 1998, 148 (150); Stern, FS Carl Heymanns Verlag, S. 267. 191 Die Frage wurde daher in Fußnote 8 zu Ziffer VII. 1. BLV ausdrücklich offen gelassen und die unterschiedlichen Positionen im Protokoll über den Verhandlungsstand zwischen Bund und Ländern in der Frage der Behandlung völkerrechtlicher Abkommen im Bereich der Europäischen Union festgehalten. Protokoll abgedruckt bei Clostermeyer/Lehr, DÖV 1998, 148 (154). 192 Protokoll über den Verhandlungsstand zwischen Bund und Ländern in der Frage der Behandlung völkerrechtlicher Abkommen im Bereich der Europäischen Union, II. Ziffer 2. Ebenso Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 179. 193 Als Angelegenheiten von gemeinsamen Interesse wurden in Art. K.1 EUV a.F. (Maastricht) neun Bereiche aufgeführt. Mit der Amsterdamer Vertragsänderung wurden solche Gegenstände des gemeinsamen Interesses nicht mehr benannt. Zudem wurde

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Auf Grund dieser ungelösten Streitfrage kam es in der Praxis häufiger zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern über die Grundlage der Mitwirkung der Länder beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit Drittstaaten. Im Verlauf der Auseinandersetzungen wurden zumeist die schon im Rahmen der Beratungen zur BLV geäußerten Positionen und Argumente wiederholt. So hat beispielsweise der Bundesrat im Zusammenhang mit den Europa-Abkommen mit Bulgarien195 und Rumänien196 nochmals darauf hingewiesen, dass die Lindauer Vereinbarung zur Anwendung komme, soweit durch das Abkommen mitgliedstaatliche Kompetenzen berührt würden. Insofern müsse nach Ziffer 3 das Einverständnis jedes Landes herbeigeführt werden, wenn die Zuständigkeiten der Länder betroffen seien. Hinsichtlich der genannten Abkommen sei dies der Fall, da diese nicht allein in den Regelungsbereich der Gemeinschaftskompetenzen fielen und außerdem zum Teil Gegenstände regelten, für die der Bund innerstaatlich keine Zuständigkeit besitze.197 Die Bundesregierung hielt dem entgegen, dass sich die in den EuropaAbkommen vorgesehenen Kooperationsklauseln in dem vom Vertrag über die Europäischen Union vorgesehenen Rahmen hielten, weshalb die Voraussetzungen für die Anwendung des Lindauer Abkommens nicht vorlägen.198 Ähnlich stellten sich die Uneinigkeiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat auch bei den übrigen Partnerschafts-, Assoziations- und Kooperationsabkommen dar. In der Praxis wird normalerweise so verfahren, dass die Länder die Zustimmung ihrer Landtage einholen, gleichzeitig leitet die Bundesregierung das Ratifikationsverfahren stets erst dann ein, wenn die Zustimmungen nach dem Lindauer Abkommen vorliegen.199 Dieses pragmatische Vorgehen vermeidet – bei Fortbestehen der unterschiedlichen Rechtsauffassungen von Bundesregierung und Ländern – zumindest innerstaatlich größere Konflikte.

___________ auch die Bandbreite der durch die Zusammenarbeit erfassten Gegenstände verkleinert. Beibehalten wurden aber beispielsweise die Bestimmungen zu Fragen der inneren Sicherheit als 3. Säule des EU-Vertrages. Vgl. dazu auch Oberländer, Aufgabenwahrnehmung durch Vertreter der Länder, S. 174 f. 194 Protokoll über den Verhandlungsstand zwischen Bund und Ländern in der Frage der Behandlung völkerrechtlicher Abkommen im Bereich der Europäischen Union, I. Ziffer 3. Ebenso Winkelmann, DVBl. 1993, 1128 (1135); Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 142. 195 Vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 799/93, S. 9 ff. 196 Vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 801/93, S. 9 ff. 197 Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 799/93, S. 1 f. 198 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7010, Anlage 3. 199 Zusammenstellung 2004, S. 50; Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 35.

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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g) Zwischenergebnis Hinsichtlich der innerstaatlichen Seite der qualifizierten Mitwirkung des Bundesrates kann somit Folgendes festgehalten werden: Sowohl bei Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG als auch bei Abs. 6 GG hat die Auslegung der teilweise recht unbestimmten Voraussetzungen Schwierigkeiten bereitet. Insbesondere gilt dies für das Merkmal der Betroffenheit im Schwerpunkt. Schwergefallen ist es Bundesregierung und Bundesrat zudem, Einigkeit darüber zu erzielen, wann überhaupt von einem EU-Vorhaben gesprochen werden kann und was jeweils sein Regelungsinhalt ist. Trotz der diesbezüglich stetig auftretenden Auffassungsunterschiede wurde von den beteiligten Verfassungsorganen keine letztverbindliche Klärung darüber herbeigeführt, wie die Voraussetzungen genau zu verstehen sind. Zugleich ist es aber bislang auch noch zu keiner Eskalation der Auseinandersetzungen über die Art und Weise der Beteiligung dergestalt gekommen, dass das BVerfG angerufen wurde oder beide Seiten unwiderruflich auf ihrer Meinung beharrt hätten. Grund dafür ist die zwischen Bundesregierung und Bundesrat zumeist gewählte pragmatische Handhabung der Mitwirkungsfragen, die in der Regel zu einer Verständigung dahingehend führte, dass die Stellungnahme des Bundesrates beachtet und Vertreter der Länder an den Verhandlungen beteiligt wurden. Dies bedeutet allerdings auch, dass es dem Bundesrat in den Konfliktfällen nie gelungen ist, die Bundesregierung davon zu überzeugen, das Recht zur letztverbindlichen Entscheidung in der Sache dem Bundesrat einzuräumen oder die Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter zu übertragen. Begünstigt wurde die Kompromissfindung dadurch, dass in der Sache zwischen Bundesregierung und Bundesrat zumeist Einigkeit bestand. Insofern drängt sich jedoch die Frage auf, ob der Bundesrat zu derartigen Zugeständnissen auch dann bereit ist, wenn zu den Meinungsverschiedenheiten über das Beteiligungsverfahren sachliche Auffassungsunterschiede treten. Darüber hinaus ist aber bereits fraglich, ob der Bundesrat grundsätzlich überhaupt in der Lage ist, im Falle inhaltlicher Meinungsverschiedenheiten mit der Bundesregierung einen Beharrungsbeschluss zu fassen. Im bislang einzigen Praxisfall ist das Letztentscheidungsrecht an der qualifizierten Mehrheit gescheitert. Insofern scheint das an den Beharrungsbeschluss geknüpfte Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit eine nur schwer überwindbare Hürde zu sein. Ähnlich stellte sich auch die Praxis der Mitwirkung des Bundesrates gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG dar. Hier traten innerstaatlich keine unüberwindbaren Schwierigkeiten auf, was ebenfalls in erster Linie der Einigkeit von Bundesregierung und Bundesrat in der Sache zuzuschreiben ist. Konsequenz ist aber auch, dass bisher keine Einigung darüber erzielt wurde, wie mit der Situation umzugehen wäre, dass der Bundesrat sein Einvernehmen verweigert und die

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Bundesregierung sich im Rat der Stimme enthalten und dadurch die Beschlussfassung ermöglichen will. Schließlich wurden auch die im Zusammenhang mit der Abschluss sogenannter gemischter Abkommen auftretenden Probleme bezüglich des Anwendungsbereichs der Lindauer Vereinbarung unbeschadet der weiterbestehenden unterschiedlichen Auffassungen von Bundesregierung und Bundesrat in der Praxis regelmäßig pragmatisch gelöst. Eine grundsätzliche Klärung des Anwendungsbereichs der Lindauer Vereinbarung bei völkerrechtlichen Abkommen im Bereich der Europäischen Union fand dagegen nicht statt. Innerstaatlich konnten demnach die zwischen Bundesregierung und Bundesrat auftretenden Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise der Mitwirkung des Bundesrates zumeist pragmatischen Lösungen zugeführt werden. Allerdings kam es bislang auch noch nicht zu einer wirklichen Bewährungsprobe des Verfahrens dergestalt, dass zu den unterschiedlichen Auffassungen über das Beteiligungsverfahren inhaltliche Meinungsunterschiede hinzugetreten wären. Mithin ist die Kompromissfindung in Zukunft nicht gesichert.200 Zudem ist damit noch nicht geklärt, ob das Verfahren der innerstaatlichen Willensbildung und der Außenvertretung durch einen Vertreter der Länder den Besonderheiten des Gesetzgebungsverfahrens in Brüssel gerecht wird.201

2. Die europäische Seite: die integrationspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland Bedingt durch seine Zusammensetzung und verhandlungstypischen Gesetzmäßigkeiten unterscheidet sich das Gesetzgebungsverfahren in Brüssel grundlegend vom nationalen Gesetzgebungsverfahren der Art. 76 ff. GG und wird gelegentlich als „Verhandlungsregime“ bezeichnet.202

___________ 200

Ebenso Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 27. Zwischen innerstaatlicher und europäischer Ebene unterscheidet ebenfalls Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die innerstaatliche Kooperation relativ gut funktioniert, die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik dagegen beeinträchtigt wird, vgl. insbesondere Rn. 38 f. Ähnlich auch Schneider, Drs.Bundesstaatskommission 0042, S. 3 ff. 202 So Leutheusser-Schnarrenberger, Parlamentsdefizite, S. 48 f. Ausführlich zum Ablauf der Entscheidungsprozesse der EU Halfmann, Europäische Integration, S. 258 ff.; Bach, Vom Zweckverband zum technokratischen Regime, S. 288 ff.; ders., ZfSoz. Bd. 21 (1992), 16 (19 ff.). Eine Analyse technokratischer Verhaltensmuster und Verhandlungsabläufe bietet Frisch, Technokraten, S. 90 ff. 201

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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a) Die Besonderheiten des europäischen Gesetzgebungsverfahrens Ein bedeutsamer Unterschied zur nationalen Gesetzgebung ist der, dass die Verhandlungen in den Gremien des Ministerrates nach Grundsätzen stattfinden, welche sich in den internationalen Beziehungen für Verhandlungen formal gleichgestellter und souveräner Staaten herausgebildet haben.203 Der Interaktionsstil bei der Nutzung der EG-Verfahren ist durch eine besondere Mischung aus rechtlich festgelegten Entscheidungen und einer intensiven Inanspruchnahme informeller Kontakte geprägt.204 Auch die sich gegenüberstehenden Interessen sind zu Beginn der Verhandlungen keineswegs so klar zu bestimmen wie im nationalen Gesetzgebungsverfahren. Die jeweilige Interessenlage der einzelnen Mitgliedstaaten hängt vielmehr von einer Anzahl komplexer Faktoren ab, die von den anderen Mitgliedstaaten nicht immer von vornherein abzuschätzen sind.205 Diese unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten bedingen zugleich sehr heterogene nationale Zielvorstellungen, welche eines Ausgleichs bedürfen.206 Hinzu kommt, dass sich normalerweise nicht wie im Parlament feste Koalitionen bilden, was eine Einschätzung der Positionen der anderen Mitgliedstaaten erschwert.207 Gleichzeitig verhindert dies aber auch, dass parteipolitische Frontlinien zwischen den einzelnen Delegationen entstehen.208 Die Entscheidungsträger präferieren vielmehr pragmatische Konsensfindungsprozesse gegenüber parteipolitischen Positionskämpfen.209 Diese Besonderheiten – verbunden mit einer zunehmenden Komplexität und Kompliziertheit der Regelungsmaterien – erfordern vergleichbar mit den rein nationalen Rechtsetzungsverfahren ein hohes Maß an Konsultation.210 In der Folge stellt sich zumeist auch erst im Laufe der Gesetzesberatungen heraus, welche Position ein Mitgliedstaat einnimmt, ob er sich für eine Regelung engagiert, für seine Vorstellungen Verbündete findet oder in der Minderheit bleibt.211 Dies wiederum begründet die Notwendigkeit einer schnellen und ___________ 203 Halfmann, Europäische Integration, S. 262; Everling, DVBl. 1993, 936 (947); Siedentopf/Hauschild, DÖV 1990, 445 (448). Kritisch dazu Bleckmann, Europarecht, Rn. 240. 204 Halfmann, Europäische Integration, S. 262; Wessels, Staat und Integration, S. 46. 205 Halfmann, Europäische Integration, S. 163. 206 Scharpf, Demokratiedefizit, S. 298; Siedentopf/Hauschild, DÖV 1990, 445 (447). 207 Halfmann, Europäische Integration, S. 263; Everling, DVBl. 1993, 936 (947). 208 Halfmann, Europäische Integration, S. 263; Bach, Vom Zweckverband zum technokratischen Regime, S. 307. 209 Bach, Vom Zweckverband zum technokratischen Regime, S. 307. 210 Siedentopf/Hauschild, DÖV 1990, 445 (447). 211 Halfmann, Europäische Integration, S. 263; Rabe, NJW 1993, 1 (4).

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

flexiblen Meinungsbildung und Verhandlungsführung von Seiten der nationalen Delegation.212 Des Weiteren sollte jede Delegation darauf bedacht sein, mit einer Stimme zu sprechen und Meinungsverschiedenheiten innerhalb der eigenen Delegation nicht nach außen dringen zu lassen. Es kann nämlich die eigene Verhandlungsposition erheblich schwächen, wenn solche Differenzen von den anderen Verhandlungspartnern wahrgenommen werden.213 Der Vorsitz versucht aber meist, auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken. Insgesamt ist der Verhandlungsprozess sehr stark konsensorientiert, damit die nachfolgenden Verhandlungen erfolgreich sein können. Ein kurzfristiger Abstimmungserfolg zu Lasten anderer wäre mit dieser Grundlage einer langfristigen Zusammenarbeit nicht vereinbar.214 Deshalb muss jede Delegation versuchen, bei den anderen Mitgliedstaaten um Verständnis für die eigenen Standpunkte zu werben. Viele Ergebnisse beruhen auf dem Gegenseitigkeitsprinzip. Die Möglichkeit des Handels ist angesichts der vielfältigen Kontakte der Regierungen untereinander nicht auf ein einzelnes Vorhaben beschränkt, sondern kann sich auch auf Gegenstände erstrecken, die in keinerlei thematischen Sachzusammenhang zueinander stehen. Wenn es gelingt, eine bestimmte Maßnahme zum Bestandteil eines solchen Pakets zu machen, werden die anderen Verhandlungspartner in der Regel der Gesamtlösung aus übergeordneten Interessen insgesamt zustimmen, obwohl einzelne Bestandteile des Pakets für sie eigentlich inakzeptabel wären. Damit ist die Bildung von sog. Paketlösungen zu einem Charakteristikum der Verhandlungen im Ministerrat geworden.215 Durch diese sektorübergreifenden Verhandlungspakete können die Entscheidungsträger Ergebnisse erzielen, die von jedem der beteiligten Akteure als nationaler Erfolg bei der Verarbeitung eigener Probleme akzeptiert und so auch mitgetragen werden können. Jeder der beteiligten Staaten sieht zumindest einen wesentlichen Teil seiner Interessen berücksichtigt, was die Möglichkeit eröffnet, die Ergebnisse innerstaatlich als Nutzen oder Erfolg zu verbuchen.216 Nicht selten steht für die nötigen Abstimmungen der Beteiligten nicht sehr viel Zeit zur Verfügung. Dies gilt in besonderem Maße für die Vorschläge, die ___________ 212

Halfmann, Europäische Integration, S. 263 f. Halfmann, Europäische Integration, S. 264. 214 Halfmann, Europäische Integration, S. 264; Röhl, EuR 1994, 409 (414). Zu der Frage, wie zukünftige Zusammenarbeit den Verhandlungsstil beeinflussen kann, siehe M. Deutsch/Kotik, Altruism and bargaining, S. 20 ff. 215 Halfmann, Europäische Integration, S. 264; Bleckmann, Europarecht, Rn. 240; Littwin, DVBl. 1997, 151 (153); Röhl, EuR 1994, 409 (414); Rabe, NJW 1993, 1 (5); Wessels, Staat und Integration, S. 47. 216 Halfmann, Europäische Integration, S. 264 f.; Wessels, Staat und Integration, S. 47. 213

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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erst in der Sitzung erarbeitet werden. Auf Grund des Zeitdrucks und angesichts der oft mühsamen Konsensfindung ist ein Abrücken von einem einmal konsentierten Standpunkt nicht mehr ohne weiteres möglich.217 In der Praxis wird an Stelle eines absoluten Vetos oft ein Zustimmungsvorbehalt angebracht. Das häufige Einlegen eines Vorbehalts verbietet sich allerdings auch, da es den mühsam ausgehandelten Kompromiss und den Fortgang der Verhandlungen gefährdet. Zudem besteht die Gefahr, dass ein beständiger Vorbehalt den betreffenden Mitgliedstaat in Sitzungen über andere Rechtsakte in eine unvorteilhafte Verhandlungssituation bringt, weil die anderen Mitgliedstaaten unter Umständen nicht ohne weiteres bereit sein werden, auf seine Position zuzugehen.218 Die Ausweitung des Mehrheitsprinzips im Rat und die damit verbundene Möglichkeit des Überstimmtwerdens haben noch zu einer weiteren Beschleunigung des Verhandlungsablaufs und zur Erhöhung der Kompromissbereitschaft der Verhandlungsteilnehmer und damit der Effizienz bei der Herstellung von Entscheidungen geführt.219 Gesucht wird zwar dennoch weiterhin ein breiter Konsens, aber Einstimmigkeit im Rat ist nicht mehr die notwendige Voraussetzung für wesentliche Entscheidungen der Europäischen Union.220 Insofern liegt die Bedeutung der Mehrheitsentscheidung angesichts der Struktur des Rates als permanentes Verhandlungsgremium vor allem in der Möglichkeit einer Abstimmung, die ein wirksames Mittel gegen eine Obstruktionspolitik eines oder mehrerer Mitgliedstaaten bietet.221 Die Konsenssuche wird auch gefördert durch die persönlichen Kontakte der Verhandlungsteilnehmer und das dadurch gewachsene Zusammengehörigkeitsgefühl, das zu größerem Verständnis für die Eigenheiten und nationalen Schwierigkeiten der anderen Mitgliedstaaten führt. Es kommt durchaus vor, dass sich die Teilnehmer mit anderen Delegationen treffen und in inoffiziellen Korridorgesprächen Fachfragen erörtert und Verhandlungspositionen abgesteckt werden.222

___________ 217

Halfmann, Europäische Integration, S. 265. Halfmann, Europäische Integration, S. 265; Röhl, EuR 1994, 409 (414). 219 Halfmann, Europäische Integration, S. 265; Wessels, Staat und Integration, S. 46,

218

48. 220

Röhl, EuR 1994, 409 (414); Wessels, Staat und Integration, S. 48. Röhl, EuR 1994, 409 (414); Götz, JZ 1993, 1081 (1085). A. Maurer, Der Konvent, S. 152, spricht insofern von einem über dem Rat schwebenden „Damoklesschwert“ zur Steigerung der Entscheidungsfreudigkeit. 222 Halfmann, Europäische Integration, S. 265 f.; Bach, ZfSoz. Bd. 21 (1992), 16 (25); Schmitt von Sydow, EuR 1974, 62 (66). 221

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Insgesamt entspricht die Rechtssetzung der Gemeinschaft damit ganz offensichtlich nicht den Usancen demokratisch-parlamentarischer Konsensbildung und Entscheidungsfindung in der Bundesrepublik.223

b) Integrationspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands im Lichte der Besonderheiten des europäischen Gesetzgebungsverfahrens aa) Grundsätzliche Bedenken In Anbetracht der dargestellten Besonderheiten des Rechtssetzungsverfahrens auf EU-Ebene bestehen gegenüber der qualifizierten Beteiligung des Bundesrates grundsätzliche Bedenken. So ist es offensichtlich, dass jede Erweiterung des Kreises der am Abstimmungsprozess Beteiligten für die Bundesregierung zu Einbußen an Handlungsfreiheit und Flexibilität führen muss.224 Zum einen bereitet die Einordnung eines bestimmten EU-Vorhabens in die Kategorien des Art. 23 Abs. 5 und 6 GG angesichts der unbestimmten Voraussetzungen regelmäßig wiederkehrende Probleme, die der klärenden Absprache zwischen Bundesregierung und Bundesrat bedürfen. Diese führt fast zwangsläufig zu Verzögerungen in der internen Meinungsbildung, so dass in der Folge die bundesdeutschen Interessen auch erst vergleichsweise spät in Brüssel eingebracht werden können. Eine bedeutende Einflussnahme auf den Verhandlungsverlauf und die Herbeiführung eines Konsenses erscheint damit aber angesichts der Schnelligkeit, welche die Brüsseler Entscheidungsfindung kennzeichnet, deutlich erschwert. Zugleich kann ein schwebender Kompetenzkonflikt die Einheitlichkeit und Durchschlagskraft der vertretenen Position beeinträchtigen, wenn Bundesregierung oder Bundesrat befürchten müssen, dass ihre Haltung nachfolgend möglicherweise zu einem Streitverfahren vor dem BVerfG führt.225 Zwar sind bislang die zwischen Bundesregierung und Bundesrat aufgetretenen Auslegungsschwierigkeiten nicht vor das BVerfG getragen worden. Insofern genügt aber die Befürchtung, dass dies geschehen könnte – beispielsweise wenn gleichzeitig auch inhaltliche Differenzen zu verzeichnen sind –, um die deutsche Verhandlungsposition zu beeinträchtigen. Zum anderen bedeutet das qualifizierte Mitwirkungsverfahren des Bundesrates grundsätzlich einen großen Koordinierungsbedarf zwischen Bund und Län___________ 223

Bach, Vom Zweckverband zum technokratischen Regime, S. 288. Auf nationalstaatliche Rechtssetzungsprozesse allgemein bezogen Schweizer/Brunner, Mitwirkung der Länder an EU-Vorhaben, S. 16. 224 Halfmann, Europäische Integration, S. 268. 225 Halfmann, Europäische Integration, S. 269.

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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dern, der zu zeitlicher Bedrängnis führt. Insgesamt pflegt die Bundesrepublik im Vergleich zu allen anderen EU-Mitgliedstaaten eines der am stärksten dezentralisierten und damit langsamsten Systeme europapolitischer Entscheidungsfindung.226 Hinzu kommt, dass die Stellungnahmen des Bundesrates häufig erst relativ spät im Entscheidungsverfahren ergehen.227 Zu selten genutzt wird die Möglichkeit zu außerordentlichen Sitzungen der Ausschüsse des Bundesrates oder der Beschlussfassung durch die Europakammer.228 Durch das Weitergeben der Regelungsfragen an die Länder wird daher ein frühzeitiges und geschlossenes Auftreten – bevor die eigentliche Entscheidung gefallen ist – erschwert. Vergrößert wird der Abstimmungsbedarf darüber hinaus durch die in der Praxis in Konfliktfällen stattfindenden politischen Gespräche, in welchen die Möglichkeiten einer pragmatischen Lösung abgestimmt werden. Zudem zwingt die Rückkoppelung an die Länder zu einem Verhandeln unter Vorbehalt, bis die Länder eine Stellungnahme abgegeben haben. Das beständige Einlegen eines Vorbehalts kann den Mitgliedstaat aber in zukünftigen Verhandlungen schwächen, da insofern die Bereitschaft der Verhandlungspartner zu Zugeständnissen gegenüber der Bundesrepublik sinkt. Zugleich ist auch die permanente Rückkoppelung angesichts der sich schnell ändernden Verhandlungslagen und bei sich abzeichnenden Kompromissen fast unmöglich zu bewältigen.229

bb) Gefahren des Letztentscheidungsrechts des Bundesrates Besonders problematisch stellt sich das Recht des Bundesrates dar, nach Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG i.V.m. § 5 Abs. 2 S. 5 EUZBLG einen Beharrungsbeschluss zu fassen und damit letztverbindlich über die Position der Bundesrepublik in den Verhandlungen auf EU-Ebene zu entscheiden.

___________ 226 Hänsch, 44. Bitburger Gespräche v. 07.01.2005, Vortrag zum Thema „Deutscher Föderalismus in der verfaßten Europäischen Union“, S. 5 f.; Janning/Meyer, Deutsche Europapolitik, S. 17; Rometsch, European Union and member states, S. 73, 102. 227 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 22; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 316; Pernice, Reform des Artikel 23 GG, S. 5. 228 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 22. Siehe auch schon C. V. 1. c). 229 Einen Überblick über diese im Rahmen der Verhandlungen von EU-Vorhaben auftretenden Probleme bietet Künast, Stenographisches Protokoll, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 132 ff.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Ein Grund dafür ist, dass das Schnüren von sektorübergreifenden Verhandlungspaketen dem Bundesrat mangels Zuständigkeit verwehrt ist.230 Insofern wird die Verhandlungsführung sehr starr an die verbindliche Entscheidung des Bundesrates gebunden. Zudem findet auch eine Anpassung der Bundesratsposition an veränderte Verhandlungssituationen so gut wie nie statt. Dies liegt weniger daran, dass die Bundesregierung ihrer Informationspflicht nach Ziffer III. 2. BLV nicht nachkommt. Vielmehr ergreifen die Ländervertreter in Ratsgremien, die am ehesten eine erneute Beratung im Bundesrat anstoßen könnten, nur selten derartige Initiativen. Auch die Fachausschüsse des Bundesrates verfolgen ein EU-Vorhaben nach Abgabe einer ersten Stellungnahme in der Regel nicht mehr intensiv oder gar systematisch.231 Darüber hinaus ist auch die Qualität der Stellungnahmen des Bundesrates insofern nicht immer optimal, als sie häufig von fachpolitischem Perfektionismus geprägt sind und sich in Einzelforderungen verlieren. Dabei berücksichtigen sie aber die spezifische Verhandlungssituation in Brüssel zu wenig, indem sie die politisch prioritären Punkte nicht ausreichend herausheben und zu wenig Verhandlungsspielräume eröffnen.232 Die Unbeweglichkeit der deutschen Verhandlungsführung in den Schlussrunden soll schon bei so manchen anderen Delegationen für Unverständnis gesorgt haben.233 Deshalb werden die anderen Verhandlungspartner geneigt sein, eher die entgegenkommenden Partner für Kompromisse und die notwendigen Mehrheiten zu gewinnen.234 Eine optimale Ergebniserzielung im Sinne und Interesse Deutschlands wird damit durch eine von vornherein festgelegte Bindung der Bundesregierung erheblich erschwert.235 Zugleich besteht die Gefahr, dass die Bundesrepublik auch bei anderen EU-Vorhaben als ungeeigneter Verhandlungspartner nicht konsultiert wird. ___________ 230

Halfmann, Europäische Integration, S. 270; Schweizer/Brunner, Mitwirkung der Länder an EU-Vorhaben, S. 35, Fn. 114. 231 Bericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 34. EMK, Berlin 05.12.2002, S. 5 ff. Ebenso schon Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 15. Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 316. 232 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, 31.05.2001, S. 20 f.; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 316; Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 18; Roller, AöR 123 (1998), 21 (45). 233 Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 47. 234 Halfmann, Europäische Integration, S. 270; Leutheusser-Schnarrenberger, Parlamentsdefizite, S. 54. 235 Schwall-Düren, Stenographisches Protokoll, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.5.2004, S. 129 (C), 130 (B); Halfmann, Europäische Integration, S. 270; Neßler, EuR 1994, 216 (224 f.); Leutheusser-Schnarrenberger, Parlamentsdefizite, S. 54; Herdegen, EuGRZ 1989, 309 (314).

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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Ganz allgemein machen imperative Mandate ein Verhandeln, das im Rechtssetzungsverfahren der Gemeinschaft von so großer Bedeutung ist, unmöglich. Empirische und experimentelle Untersuchungen haben erwiesen, dass die Chance erfolgreicher Verhandlungsführung in dem Maße sinkt, wie die Bindung der Verhandlungsführer an die Weisungen ihrer jeweiligen Auftraggeber zunimmt.236 Beharrt die deutsche Verhandlungsführung auf ihrer Position und macht keine Kompromissangebote, besteht das Risiko, dass sie einfach überstimmt wird und so noch nicht einmal eine Abschwächung in ihrem Sinne erzielen kann.237 Im Ergebnis bleiben dann auch die Interessen der deutschen Bundesländer vollständig auf der Strecke.238 Damit wird aber nicht nur der Zweck der qualifizierten Beteiligung des Bundesrates verfehlt, sondern des Weiteren auch die europäische Integration insgesamt gefährdet. Die Union der 25 ist zur Kompromissfindung noch mehr als bislang auf die Verhandlungskompetenz der nationalen Regierungen, d.h. auf deren Fähigkeit und Bereitschaft zur Suche nach flexiblen Kompromissen, kreativen Kompensationsgeschäften und Paketlösungen, in denen heterogene Optionen in unterschiedlichen Politikfeldern miteinander verknüpft werden, angewiesen. Würden mehr nationale Parlamente, dem deutschen Beispiel folgend, ihre Regierungen mit gebundenen Marschrouten in Verhandlungen auf europäischer Ebene schicken, dominierte die Unbeweglichkeit die europäische Politik.239 Zwar wurde ein Beharrungsbeschluss vom Bundesrat bislang noch nicht gefasst. Allerdings ist es zum einen nicht unwahrscheinlich, dass es auf Grund der zunehmenden Themenbreite der europäischen Politik in Zukunft häufiger zu inhaltlicher Uneinigkeit zwischen Bund und Ländern kommen wird, so dass das Treffen eines Beharrungsbeschlusses vom Bundesrat öfter in Erwägung gezogen werden könnte. Zum anderen genügt allein die Möglichkeit, dass der Bundesrat das Letztentscheidungsrecht ausübt, um die Verhandlungsposition der Bundesregierung nachhaltig zu schwächen. Dies zeigen die Beratungen zur Plan-UVP-Richtlinie240, der bislang einzige Fall, in dem die Fassung eines Beharrungsbeschlusses seitens des Bundesrates erwogen wurde. Bis feststand, ob ein Beharrungsbeschluss gefasst würde, musste die Bundesregierung sämtliche Beratungen in der Ratsgruppe unter Vorbehalt führen, wodurch ihre Einflussmöglichkeiten erheblich beeinträchtigt wurden. Zudem wurde das Abstimmungsverfahren zwischen Bund und Ländern überhaupt erst vier Tage vor der entscheidenden Sitzung des ___________ 236

Scharpf, Demokratiedefizite, S. 298. Halfmann, Europäische Integration, S. 271; Zeh, Umsetzung von EU-Recht, S. 48 f.; Classen, ZRP 1993, 57 (60); Scharpf, Demokratiedefizite, S. 298. 238 Everling, DVBl. 1993, 936 (947). 239 Everling, DVBl. 1993, 936 (947); Scharpf, Demokratiedefizite, S. 298 f. 240 Dazu siehe schon C. V. 1. c) aa). 237

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Umweltministerrates abgeschlossen, so dass sich auch die anderen Verhandlungspartner bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausrechnen konnten, wie die Bundesrepublik letztlich abstimmen würde.241 Gerade auch die Europakammer des Bundesrates hat sich im Rahmen der Beratungen zur Plan-UVP-Richtlinie auf Grund verschiedenster Umstände nicht in der Lage erwiesen, eine rasche Entscheidung zu treffen. Damit befand die Bundesregierung sich insgesamt in einer ausgesprochen unglücklichen Verhandlungsposition. Folge des Rechts des Bundesrates, die Bundesregierung an seine Auffassung zu binden, ist demnach, dass Deutschland im Vergleich zu Akteuren wie Frankreich und Großbritannien zu langsam ist.242 An Stelle von weitsichtigen, schnellen und flexiblen Positionsformulierungen zu europäische Projekten dominiert das reaktive Kalkül.243 Dadurch wird die Konsensfindung im Interesse der Bundesrepublik und damit auch im Sinne der Bundesländer beeinträchtigt. Ingesamt ist Deutschland der Mitgliedstaat, der seit 1986 – also seit Einführung der Mehrheitsentscheidung – im Ministerrat am häufigsten überstimmt wurde.244 Die innere Rechtfertigung der Mehrheitsentscheidung beruht aber wesentlich auf der Möglichkeit aller Beteiligten, ihre Interessen bereits im Prozess der Willensbildung einzubringen, um so die eigenen Standpunkte so weit wie möglich in das Ergebnis einfließen zu lassen.245 Durch die Beschneidung der Verhandlungsfähigkeit der Regierung und damit der Schmälerung der Möglichkeit, für Deutschland einen tragbaren Gesamtkompromiss zu erzielen, wird jedoch diese Legitimation der Zurechenbarkeit von Mehrheitsentscheidungen im Rat mit Wirkung für und gegen die Bundesrepublik unterlaufen. Damit wirkt sich die strikte Bindung der Bundesregierung an die Stellungnahme des Bundesrates auf Grund der Gesetzmäßigkeiten des Verhandlungsregimes im Ergebnis nachteilig für die demokratische Repräsentation des Volkswillens aus und kann somit zu einer Schwächung des Demokratieprinzips aus deutscher Sicht beitragen.246 ___________ 241 Zypries, Stenographisches Protokoll, 6. Sitzung des Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 132 (A). 242 Ebenso Schwall-Düren, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 4. 243 Janning/Meyer, Deutsche Europapolitik, S. 18. 244 So Scharpf, Stenographisches Protokoll, 3. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 12.12.2004, S. 66 (B). 245 Halfmann, Europäische Integration, S. 271; Kamann, Mitwirkung der Parlamente, S. 271 f. 246 Halfmann, Europäische Integration, S. 272. Zu dem Problem, dass sich die Forderung nach einer Demokratisierung der Entscheidungsprozesse nicht mit der Zielsetzung einer kooperativen Problemlösung verträgt Benz, Kooperative Verwaltung, S. 195 f. Zum Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Entscheidungseffizienz vgl. M. Kaufmann, Demokratieprinzip, S. 384 ff.; Sasse, ZParl 1978, 254 (259 f.).

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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cc) Gefahren der Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter Kaum weniger problematisch ist angesichts der Besonderheiten des Entscheidungsverfahrens die Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter. Zum einen kann er keine Paketlösungen eingehen, da ihm regelmäßig die Zuständigkeit für weitergehende Entscheidungen fehlt. Zum anderen tritt der Ländervertreter nur selten in Aktion. Teilweise ist den anderen Mitgliedstaaten die Länderzuständigkeit auch überhaupt nicht bekannt.247 Deshalb ist der Ländervertreter in die europäischen Netzwerke der Bundesregierung, die diese über mehrere Jahre aufgebaut hat, kaum integriert und hat weniger persönliche Kontakte. Die mangelnde Kontinuität beeinträchtigt auch die Entwicklung von Reputation und Vertrauen, welche aber zur Erzielung von Kompromisslösungen unerlässlich sind.248 Zusätzlich kann den deutschen Ländervertretern vorgeworfen werden, dass sie im Vergleich zu beispielsweise den Vertretern der Gemeinschaften und Regionen Belgiens deutlich weniger engagiert in der Kontaktaufnahme mit anderen Mitgliedstaaten sind.249 Diese Problematik lässt sich anhand der Beschlüsse zum Katastrophenschutz verdeutlichen.250 Hier war die Verhandlungsführung hinsichtlich einer Entschließung des Rates zum Katastrophenschutz auf den damaligen Minister Ziel, Brandenburg, übertragen worden. Dieser trug die ablehnende Haltung des Bundesrates vor, welche mit einer Unvereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip begründet wurde. Da sich aber erwies, dass die Bundesrepublik mit ihrer Ablehnung isoliert war, hat der Bundesrat nach erneuten Beratungen seinen Widerstand aus integrationspolitischen Erwägungen aufgegeben. Dabei ging er aber davon aus, dass bis zur Klärung der Rechtssituation durch die Regierungskonferenz keine vorbereitenden Handlungen erfolgen würden, die zu einer Vergemeinschaftung der Aufgaben im Rahmen des Katastrophenschutzes führen könnten.251 Dennoch sahen sich die Länder im Frühjahr 1994 mit einem „Vorschlag für einen Beschluss des Rates über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft für den Katastrophenschutz“252 konfrontiert. Diesen lehnte der Länder___________ 247

Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 332. Darauf weist auch hin Künast, Stenographisches Protokoll, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 135 (A). Ähnlich Benz, Drs.-Bundesstaatskommission 0043, S. 9; Pernice, Föderalismus im Umbruch, S. 2; ders., Umweltgerechte Kompetenzordnung, S. 3; ders., Reform des Artikel 23, S. 5. 249 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 333. 250 Ausführlich v. Dewitz, Der Bundesrat, S. 79 f. 251 Empfehlung des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union, BR-Drs. 384/1/94, S. 1; Stenographischer Bericht, 670. Sitzung des Bundesrates v. 10.06.1994, S. 324 (C). 252 Vorschlag für einen Beschluss des Rates über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft für den Katastrophenschutz, KOM (95) 155 endg. 248

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

vertreter zunächst entsprechend dem Beschluss des Bundesrates ab und erläuterte seine ablehnende Haltung im Rat.253 Allerdings ergaben die Beratungen in Brüssel, dass die Ablehnung des Aktionsprogramms von den anderen Mitgliedstaaten nicht geteilt wurde. Daraufhin hat der Bundesrat auf Initiative des Länderministers die Beratungen wieder aufgenommen und diesen erneut aus integrationspolitischen Gesichtspunkten ermächtigt, einen Kompromiss zu schließen.254 Im Ergebnis ist der Bundesrat also in diesem ebenso wie in anderen Fällen mit seiner Auffassung während der Ratssitzungen nicht durchgedrungen. Selbst bei formellem Vetorecht dank Einstimmigkeitserfordernis wurde häufig ein so hoher Druck von den anderen Mitgliedstaaten auf den Ländervertreter erzeugt, dass dieser angesichts des Wunsches, nicht als Blockierer dazustehen, und der Erkenntnis, bei zukünftigen Verhandlungen auf die Unterstützung anderer Mitgliedstaaten angewiesen zu sein, nicht selten nachgab.255 Die Artikulierung der Länderinteressen durch einen Ländervertreter bewirkt demnach keine größere Durchschlagskraft derselben. Letztlich fehlt es dem Bundesrat und den Ländern an der nötigen internationalen Gewichtigkeit, um ihren Forderungen selbst Nachdruck zu verleihen. Dagegen verfügt die Bundesregierung auf Grund ihrer Rolle und ihrer vielfältigen außenpolitischen Beziehungen über sehr viel weiterreichende Möglichkeiten der politischen Einflussnahme, mit denen sie bei internationalen Verhandlungen ihren Forderungen Geltungskraft verleihen kann.256 Im Ergebnis sind die Länder nicht in der Lage, das potentiell stärkste Instrument der Mitwirkung, die unmittelbare Einflussnahme auf Entscheidungen in dem immer noch einflussreichsten EU-Organ, effektiv zu nutzen.257

___________ 253 Empfehlung des Ausschusses für Fragen der Europäischen Gemeinschaften, BRDrs. 220/1/95, S. 1 f. 254 Empfehlung des Ausschusses für Fragen der Europäischen Gemeinschaften, BRDrs. 295/96, S. 1; Stenographischer Bericht, 696. Sitzung des Bundesrates v. 03.05. 1996, S. 171 (B). 255 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 333. 256 Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 6; Halfmann, Europäische Integration, S. 270; Littwin, DVBl. 1997, 151 (153). Als herausragendes Beispiel eines ebenso unzulässigen wie nichtsdestoweniger erfolgreichen politischen Druckmittels kann die Drohung Großbritanniens aus dem Jahre 1996 gesehen werden, sämtliche wichtige EU-Vorhaben zu blockieren, wenn in der Frage des von der EG verhängten Schlachtprogramms und des Importverbots im Zusammenhang mit der Rinderseuche „BSE“ kein Kompromiss im Sinne Großbritanniens erzielt würde, vgl. dazu Rack/Gassner, EuZW 1998, 421 (422). Die Existenz der sog. Luxemburger Vereinbarung v. 29.01.1966, die von Frankreich erzwungen wurde, kann als weiterer Beleg für die Möglichkeiten der Einflussnahme einer Regierung dienen, vgl. dazu M. Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 171. 257 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 334.

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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Besonders problematisch mit Blick auf die effektive Einbringung deutscher Interessen ist die bei den Ratstagungen auf Ministerebene nicht selten fehlende Präsenz des benannten Landesministers. Häufig nehmen an den Ministertreffen auch nicht die vom Bundesrat benannten Landesminister, sondern nur Vertreter auf Beamtenebene teil. Wegen der Vorgaben des Art. 203 EG, wonach nur Regierungsmitglieder ein Rederecht im Rat haben, führt dies dazu, dass die Länder ihr Rederecht gemäß Art. 23 Abs. 6 GG schon aus formalen Gründen verlieren. So hätten an den Räten unter französischer Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2000 Landesminister an sieben Ratstagungen teilnehmen können. Bei nur vier davon waren tatsächlich Minister anwesend und bei einem weiteren Rat lediglich der Bundesratsbeauftragte auf Arbeitsebene für den seinem Mandat entsprechenden Teil.258 Zusätzlich kann es dazu kommen, dass für verschiedene Teile einer Ratsformation unterschiedliche Landesminister benannt werden. So gibt es für den Innen- und Justizministerrat Benennungen von Landesministern für jeden der beiden Teile. Ähnliches gilt auch für Kultur und Medien. Wenn nur einer der beiden benannten Landesminister anwesend ist, nimmt dieser häufig nur an den Tagesordnungspunkten teil, für die er benannt ist.259 Man kann insofern den Eindruck gewinnen, dass die Übernahme der politischen Vertretung der Bundesrepublik im Rat zu in der Regel wenigen, nicht immer politisch sehr wichtigen Einzelpunkten für die benannten Länderminister im Vergleich zu ihren sonstigen politischen Aufgaben nicht unbedingt vorrangig ist.260 Zu bemängeln ist an der Möglichkeit der Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter außerdem, dass bis zu einer Einigung durch politische Gespräche zwischen Bundesregierung und Bundesrat unklar ist, wer die deutschen Interessen im Ministerrat vertritt. In Anbetracht der Tatsache, dass bei einem Drittel der dahingehend erhobenen Forderungen des Bundesrates Meinungsverschiedenheiten mit der Bundesregierung darüber bestanden, ob der Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 6 GG eröffnet war, stellt dies ein ernstzunehmendes Problem dar. Es kam im Zusammenhang mit derartigen Konfliktfällen zum Teil auch zu unschönen Auseinandersetzungen am Ratstisch.261 Hinzu kommt, dass bis zu einer Klärung wegen des mehrstufigen Kompromissfindungsverfahrens bisweilen einige Zeit vergeht, in der auch die europäischen Verhandlungspartner im Ungewissen darüber gelassen werden, wer ihnen im Ergebnis im Rat auf deutscher Seite gegenübersitzt. Dies verringert die Bereit___________ 258 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 18. 259 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 18. 260 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 332. 261 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 331.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

schaft, auf die Argumente des deutschen Vertreters einzugehen, solange die Möglichkeit besteht, dass am Ende ein anderer Vertreter Deutschland vertritt, der möglicherweise zu größeren Zugeständnissen bereit ist. Schließlich untergräbt auch die Tatsache, dass die Bundesrepublik in den Brüsseler Verhandlungen im Falle der Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter mit einer Doppelspitze, bestehend aus dem Vertreter der Bundesregierung und des Bundesrates, auftritt, aus Sicht der anderen Mitgliedstaaten wie auch der EU-Kommission die Berechenbarkeit Deutschlands.262 Das Agieren mit einer Vielzahl von Kontaktpersonen muss das Bild der Unzuverlässigkeit erwecken.263 Zudem besteht die Gefahr, dass im Falle von Widersprüchen innerhalb der deutschen Delegation die gegenläufigen Positionen gegeneinander ausgespielt werden. Als aktuelles Beispiel sei die Diskussion über die zukünftige Finanzierung der Union in den Jahren 2007–2013 und die Zukunft des Strukturfonds genannt.264 Wenn einerseits die Bundesregierung erklärt, nur 1 % des Bruttosozialprodukts für den Haushalt der Europäischen Union ausgeben zu wollen, die Bundesländer sich andererseits aber bemühen, Strukturförderungen in möglichst großem Umfang zu erhalten, muss dies als widersprüchlich empfunden werden.265 Die Europapolitik der Bundesregierung wird durch ein solches Verhalten des Länder konterkariert.266 Noch unübersichtlicher wird die Situation, wenn auch die Länder untereinander sich nicht auf eine einheitliche Position einigen können. Auf Grund der nach der Einheit angewachsenen Heterogenität der politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Bundesländer bei einer stark differierenden Flächenausdehnung und sozio-demographischen Zusammensetzung weisen die Länderpositionen zunehmend eine mangelnde Kohärenz auf.267 Dies war beispielsweise bei den Diskussionen zum Vertrag vom Amsterdam der Fall. Ostdeutsche Länder erklärten die institutionellen Reformfragen für besonders wichtig, weil von ihnen die Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union abhinge. Andere betonten die Notwendigkeit, die soziale Dimension der Ge___________ 262

Halfmann, Europäische Integration, S. 273. Künast, Stenographisches Protokoll, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 135 (A). 264 Dazu schon C. I. 1. b). 265 So Nemitz, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 10 f. Dazu auch Janning, Jahrbuch der Europäischen Integration 2003/2004, S. 317 sowie FR v. 13.12.2004, S. 2 (Nationale Interessenvertretung unrealistisch). Dies gilt ebenso, wenn verschiedene Bundesminister in Brüssel widersprüchliche Forderungen erheben, vgl. Rometsch, European Union and member states, S. 76. 266 Janning/Meyer, Deutsche Europapolitik, S. 17. 267 Janning/Meyer, Deutsche Europapolitik, S. 26. 263

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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meinschaft zu stärken und Regelungen im Bereich Einwanderung und Asyl zu schaffen. Eine Mehrheit maß zwar stärkeren föderalen Elementen eine überragende Bedeutung bei. Sie stellte die institutionelle Weiterentwicklung des Ausschusses der Regionen in den Mittelpunkt der Betrachtungen.268 Eine große Zahl von Ländern – im Wesentlichen die kleineren und die neuen Länder – zeigte dagegen immer weniger Interesse an den sogenannten föderalen Anliegen.269 Zum einen wollen einige Länder dieses Feld aus politischen Gründen, zum anderen können etliche Länder dies aus ökonomisch/finanziellen Gründen nicht mehr ausfüllen.270 Insgesamt bewegt sich die Europapolitik der Länder daher weg von den föderalen Themen hin zu fachlichen Einzelbereichen, in denen die deutschen Länder ihre jeweiligen Interessen vertreten sehen wollen.271, 272 Der Eindruck, dass die deutschen Interessen häufig unabgestimmt und inhomogen sind, wird zudem noch dadurch verschärft, dass etliche Länder dazu übergegangen sind, die sie unmittelbar betreffenden Europaangelegenheiten über ihre Büros in Brüssel direkt mit den zuständigen Generaldirektionen der Kommission zu regeln.273 Dabei geht es den Ländern in der Regel um individuelle Präferenzen und Vorteile, weniger um das gesamtstaatliche Interesse.274 Die Bundesrepublik spricht auf Grund der Vielzahl der an den Verhandlungen direkt oder indirekt beteiligten Personen nicht mit einer Stimme. Insofern ist es nicht überraschend, dass ein EU-Kommissar im Rahmen von Rechtssetzungsverhandlungen in Brüssel den Verhandlungsführer der Bundesregierung ___________ 268

Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 42. Engel, Kooperation und Konflikt zwischen den Ländern aus der Sicht NordrheinWestfalens, S. 51; Mentler, Kooperation und Konflikt zwischen den Ländern aus der Sicht Bayerns, S. 61. 270 Mentler, Kooperation und Konflikt zwischen den Ländern aus der Sicht Bayerns, S. 61. 271 Mentler, Kooperation und Konflikt zwischen den Ländern aus der Sicht Bayerns, S. 62. 272 Im Zusammenhang mit dem Amsterdamer Vertrag kam es dann zwar noch zu einer gewissen Prioritätensetzung, allerdings ohne konzeptionellen Zusammenhang und – aus europäischer Sicht betrachtet – auf Nebenkriegsschauplätzen. Als prioritär behandelte man die Absicherung der Rundfunkgebühren und der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute gegenüber dem Zugriff des europäischen Wettbewerbsrechts, die Schaffung eines eigenen Klagerechts und eines vom Wirtschafts- und Sozialausschuss getrennten Unterbaus für den Ausschuss der Regionen, die Konkretisierung des Subsidiaritätsartikels und die Aufnahme der Beschäftigungspolitik in die Verträge, Engel, Kooperation und Konflikt zwischen den Ländern aus der Sicht Nordrhein-Westfalens, S. 51; Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 44. 273 Pernice, Reform des Artikel 23 GG, S. 5; Schneider, Drs.-Bundesstaatskommission 0042, S. 3; Schönfelder, Föderalismus als Stärke oder Handicap, S. 76. 274 Pernice, Bund-Länder-Koordinierung, S. 3. 269

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Geiger zynisch fragte, ob dieser wisse, dass in Deutschland zum Teil eine völlig andere Meinung vertreten werde.275

dd) Gefahren der Anwendung des Lindauer Abkommens Schließlich stellt sich auch die pragmatische Vorgehensweise beim Abschluss sog. gemischter Abkommen, die darauf hinausläuft, dass vor Einleitung des Ratifizierungsverfahrens im Rat die Zustimmung aller Landtage eingeholt wird, auf europäischer Ebene als nicht unproblematisch dar. Dieses Vorgehen, das innerstaatlich größere Konflikte vermeidet, führt dazu, dass die Beschlussfassung im Rat angehalten werden muss, bis die Zustimmung aller Länder vorliegt. Dies begründet die Gefahr, dass die Bundesrepublik als Hemmnis für den Abschluss von Kooperationsabkommen mit Drittstaaten empfunden wird.276

c) Zwischenergebnis Insgesamt ist demnach hinsichtlich der Auswirkungen auf europäischer Ebene festzuhalten, dass die qualifizierte Mitwirkung des Bundesrates an der europäischen Rechtssetzung gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 und Abs. 6 GG die integrationspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik teilweise beeinträchtigt. Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat, die innerstaatlich wegen der zumeist gefundenen Kompromisse als nicht weiter problematisch einzustufen waren, bewirken auf europäischer Ebene, dass Deutschland seine Positionen erst verhältnismäßig spät in die Beratungen einbringen kann. Erschwert wird eine positive Verhandlungsführung darüber hinaus durch die Möglichkeit der Letztentscheidung des Bundesrates, welche die Eingehung von Kompromissen behindert sowie zu einem Verhandeln unter Vorbehalt zwingen kann. Letzteres macht die Position der Bundesrepublik – ebenso wie auch die große Zahl der an den Beratungen beteiligten Personen – für die anderen Mitgliedstaaten schwer kalkulierbar. Konsequenz war in der Vergangenheit, dass Deutschland häufiger als die anderen Staaten überstimmt wurde und demnach mit seinen Interessen nicht durchdringen konnte. Damit ___________ 275 Geiger, Stenographisches Protokoll, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 150 (C). Ein ähnliches Beispiel findet sich bei Schönfelder, Föderalismus als Stärke oder Handicap, S. 76: So fragte sich der damalige EU-Wettbewerbskommissar van Miert in einem Interview mit der Welt vom 04.08.1997, ob bestimmte Bundesländer noch Mitglieder der EU sind. „Manche sind schon mit einem Bein draußen oder fast schon Drittstaaten, zumindest wenn man ihre Ministerpräsidenten hört“. 276 So auch Kolb, Stenographisches Protokoll, 656. Sitzung des Bundesrates v. 07.05. 1993, S. 194 (D) im Zusammenhang mit einem Kooperationsabkommen mit Indien.

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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wurde letztlich auch der Zweck der qualifizierten Beteiligung des Bundesrates nicht erreicht.

3. Zukunftstauglichkeit der qualifizierten Mitwirkung des Bundesrates Muss von daher schon auf Grund der bisherigen Erfahrungen bezweifelt werden, dass sich das Verfahren der qualifizierten Beteiligung des Bundesrates bewährt hat, gilt dies erst recht mit Blick auf die Struktur der zukünftigen Union und die mit der geplanten europäischen Verfassung einhergehenden Neuerungen.277 Art. I-23 Abs. 3 des Vertrages über eine Verfassung für Europa (VerfE) bestimmt, dass der Ministerrat zukünftig mit qualifizierter Mehrheit entscheidet, soweit in der Verfassung nichts anderes festgelegt ist. Zudem sieht die europäische Verfassung eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit vor.278 Insofern werden in der erweiterten Union Mehrheitsentscheidungen des Ministerrates zur Regel werden und können deshalb Entwicklungen kaum mehr durch ein Veto aufgehalten werden. Deshalb wird sich die Entscheidungseffizienz des Rates weiter erhöhen.279 Weiterhin kann bei 25 Mitgliedstaaten noch weniger auf jeden Mitgliedstaat und dessen innerstaatlichen Probleme Rücksicht genommen werden. Hinsichtlich der Bundesrepublik gilt dies umso mehr, als sie sich als Bundesstaat mit Österreich und Belgien in der Europäischen Union in der absoluten Minderheit befindet und nicht davon ausgegangen werden kann, dass die 22 anderen Mitgliedstaaten für die föderalen Befindlichkeiten Verständnis aufbringen.280 Hinzu kommt, dass der Konkurrenzdruck unter den Mitgliedstaaten größer wird und die neuen Mitgliedstaaten sich ihre Positionen erst erkämpfen müssen.281 Es wird demnach noch wichtiger, seine Interessen frühzeitig und geschlossen einzubringen, um die anderen Regierungen von der eigenen Auffassung zu überzeugen. ___________ 277 Ausführlich zur Europäischen Verfassung und den Auswirkungen auf die Stellung der Bundesländer unter F. 278 Der Vertrag über eine Verfassung für Europa hat die Zahl der Handlungsermächtigungen, in denen der Rat einstimmig entscheiden muss, von derzeit 82 auf 78 reduziert und die Zahl der Anwendungsfelder für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen von 137 auf 177 erhöht, vgl. Hinx, Ministerrat und Europäischer Rat, S. 82; A. Maurer, Der Konvent, S. 155; Oppermann, DVBl. 2003, 1165 (1175). 279 Hänsch, 44. Bitburger Gespräche v. 07.01.2005, Vortrag zum Thema „Deutscher Föderalismus in der verfaßten Europäischen Union“, S. 6; A. Maurer, Der Konvent, S. 152. 280 Schneider, Drs.-Bundesstaatskommission 0042, S. 4. 281 Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 5.

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

Zudem wird wohl die schon übliche Praxis der Paketlösungen angesichts der zunehmenden Themenbreite europäischer Politik und der Heterogenität der nationalen Interessen weiter an Bedeutung gewinnen.282 Dies wird eine erhöhte Beweglichkeit und Flexibilität der Verhandlungsführung erfordern. Weiterhin wird die europäische Verfassung die sog. Säulenarchitektur mit der Europäischen Union als Dach, welches auf drei Säulen ruht, nämlich auf EG/EAG als erster supranationaler Säule sowie auf der gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen als zweiter und dritter intergouvernementaler Säule283, teilweise beseitigen. Die bisherige dritte Säule der Union wird in den einheitlichen institutionellen Rahmen der Union überführt (Art. I-41 i.V.m. Art. III-294-308 VerfE).284 Im Bereich der GASP wird zudem ein rudimentäres Rechtssetzungsverfahren eingeführt, das sich allerdings durch zahlreiche Abweichungen von den regulären Verfahrensvorschriften des Verfassungsvertrages unterscheidet.285 Insofern ist für die Zukunft aber zumindest im Bereich der bisherigen dritten Säule davon auszugehen, dass die Kommission die bislang von den nationalen Regierungen wahrgenommene Möglichkeit, hier Vorschläge zu machen, nutzen wird. Deshalb steht zu erwarten, dass die EU-Kommission sich verstärkt zum eigentlichen Motor der europäischen Integration entwickeln wird. Konsequenz wird vermutlich sein, dass in Zukunft noch viel mehr Vorschläge aus Brüssel

___________ 282 Drs.-Bundesstaatskommission 0041, Position der Bundesregierung zu Art. 23 GG, A.; Schwall-Düren, Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 130 (B). 283 Zu dieser „Architektur“ etwa Streinz, Europarecht, Rn. 42, 69; Oppermann, Europarecht, Rn. 151. 284 Hänsch, 44. Bitburger Gespräche v. 07.01.2005, Vortrag zum Thema „Deutscher Föderalismus in der verfassten Europäischen Union“, S. 3; Böse, Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, S. 151; Pernice, Bund-Länder-Koordinierung, S. 2; Wuermeling, BayVBl. 2004, 577 (581); Oppermann, DVBl. 2003, 1234 (1239). Ungenau insofern Tichy-Fisslberger, Ergebnisse des Konvents, S, 57; Dederer, ZG 2003, 97 (100); Meyer/Hölscheidt, EuZW 2003, 613 (620), die von einer kompletten Abschaffung der Säulenstruktur sprechen. 285 Zu nennen sind neben der grundsätzlichen Einstimmigkeit im Europäischen Rat bei politischen Entschlüssen, welche durch ebenfalls einstimmige Beschlüsse des Ministerrates näher ausgeführt werden, die nur untergeordnete Bedeutung der übrigen Unionsorgane. Letztlich bleibt die GASP damit in faktischer Hinsicht weiterhin in den Händen der Mitgliedstaaten, vgl. Görlitz, DÖV 2004, 374 (379); Wuermeling, BayVBl. 2004, 577 (581). Die Beibehaltung der Einstimmigkeit in der GASP war ein Hauptstreitpunkt im Konvent. Teile insbesondere des Europäischen Parlaments strebten auch hier vorsichtige Übergänge zur qualifizierten Mehrheit an, scheiterten jedoch an der englischen Haltung. Für Großbritannien war die Einstimmigkeit in der GASP ein Essential der gesamten Verfassung, vgl. Oppermann, DVBl. 2003, 1234 (1238, Fn. 80).

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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kommen werden, die eine schnelle und einheitliche Positionierung Deutschlands erfordern.286 Schließlich sieht der Vertrag über eine Verfassung für Europa in seinem „Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ vor, dass jedes nationale Parlament eines Mitgliedstaates oder jede Kammer eines nationalen Parlaments binnen sechs Wochen nach dem Zeitpunkt der Übermittlung eines Gesetzgebungsvorschlags der Kommission in einer begründeten Stellungnahme darlegen kann, warum der Vorschlag seines Erachtens nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist.287 Dabei obliegt es dem jeweiligen nationalen Parlament oder der jeweiligen Kammer eines nationalen Parlaments, gegebenenfalls die regionalen Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen zu konsultieren. Dieses neue Beteiligungsrecht, für dessen Verankerung in der Verfassung sich die Vertreter der Länder im Verfassungskonvent besonders stark gemacht haben, erfordert ebenfalls konzentriertere und effizientere Verfahren in der innerparlamentarischen Praxis. Ansonsten wird es nicht möglich sein, eine Stellungnahme im Bundesrat oder Bundestag innerhalb der vorgesehenen Frist zu erarbeiten, so dass das neue Kontrollrecht ohne tatsächliche Relevanz bliebe.288 Die aufgezeigten Veränderungen durch die große Zahl der Mitgliedstaaten, die teilweise Abschaffung der Säulenstruktur sowie das Verfahren der Subsidiaritätskontrolle werden demnach dazu führen, dass in der zukünftigen Union noch mehr als bisher schnelles und flexibles Verhandeln verlangt wird, um angemessenen Einfluss auf die Entscheidungsfindung ausüben zu können. Insgesamt ist zu erwarten, dass die qualifizierte Mitwirkung – wird sie wie bisher beibehalten – die integrationspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik angesichts der anstehenden bzw. gerade vollzogenen Veränderungen im Rahmen der Europäischen Union noch weitergehend beeinträchtigen wird.

4. Bedenken gegen die Nichtbeachtung verfassungsrechtlicher Verfahrensvorschriften Als Letztes sei darüber hinaus grundsätzlich in Frage gestellt, ob die jetzige Situation, in der die Verfahrensvorschriften nicht immer genau befolgt werden, ___________ 286 Geiger, Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 150 (B). 287 Ausführlich dazu G. I. 288 Pernice, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 33 f.; Benz, Stenographisches Protokoll, 3. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 12.12.2003, S. 53 (C); Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 367 f.

132

C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

beibehalten werden sollte. Dies ist ungeachtet der dargestellten und in Zukunft verstärkt zu erwartenden Probleme aus mehreren Gründen zweifelhaft.

a) Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip Das Rechtsstaatsprinzip als „eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes“289 drückt sich vor allem in der Höchstrangigkeit der Verfassung aus, die alle Staatsgewalt bindet.290 Kein staatlicher Akt darf sich mit ihr in Widerspruch setzen.291 Deshalb kommt der Verfassung Vorrang vor allen anderen Maßstäben zu. Sie bindet auch dann, wenn dies unpraktikabel wird, wenn Notwendigkeit oder Nützlichkeit in Gestalt von „staatspolitischen Gründen“, „überwiegenden staatlichen Interessen“ oder Ähnlichem Abweichungen von dem Grundsatz zu fordern scheinen. Insofern sorgt der Primat der Verfassung für eine Stabilisierung der Entwicklung, indem er augenblicklichen Veränderungswünschen die Verbindlichkeit und das Beharrungsmoment des Rechts entgegensetzt.292 Demnach sind die Beteiligten des Mitwirkungsverfahrens nach Art. 23 GG auch dann an die Vorgaben der Verfassungsnorm gebunden, wenn dies unpraktisch erscheint, weil eine pragmatische Vorgehensweise eine schnellere Lösung verspricht. Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn die größtenteils bereits seit Einfügung von Art. 23 in das Grundgesetz geübte pragmatische Vorgehensweise von Bundesrat und Bundestag Verfassungsgewohnheitsrecht darstellte. Es ist jedoch schon zweifelhaft, ob es – insbesondere nachkonstitutionelles – Verfassungsgewohnheitsrecht überhaupt geben kann.293 Ungeachtet dieser Frage scheitert eine solche Einordnung der praktizierten Beteiligung des Bundesrates aber bereits an den Voraussetzungen für die Entstehung von Verfassungsgewohnheitsrecht. Als solche werden in der Regel folgende zwei Kriterien genannt: 1. die langdauernde, tatsächliche Übung, die eine ständige, gleichmäßige und allgemeine sein muss und 2. die Überzeugung der Beteiligten von der

___________ 289 BVerfG, Beschluss v. 25.10.1966, E 20, 323 (331). Ähnlich auch BVerfG, Urt. v. 01.07.1953, E 2, 380 (403). 290 Stern, Staatsrecht Bd. I, S. 788; ders., FS Kurt Eichenberger, S. 201; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR Bd. I, § 24, Rn. 28. 291 Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 199; Wahl, NVwZ 1984, S. 401 ff.; ders., Der Staat 20 (1981), S. 485 ff. 292 Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 58. 293 Dazu Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 34 f.; Schulze-Fielitz, Informaler Verfassungsstaat, S. 125 ff.; Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 27; Voigt, VVDStRL Bd. 10 (1951), 33 (37 ff.).

V. Qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 GG

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Rechtmäßigkeit der Übung.294 Zum einen ist bereits das Vorliegen einer langdauernden Übung überaus fraglich.295 Zum anderen spricht gegen die Charakterisierung als Gewohnheitsrecht, dass sich sowohl Bundesregierung als auch Bundesrat ihre Rechtsstandpunkte ausdrücklich vorbehalten haben. Dies schließt aber die Überzeugung der Beteiligten von der Rechtmäßigkeit ihrer Vorgehensweise logisch aus.296 Abgesehen davon umfasst der Begriff des Verfassungsrechts neben den Bestimmungen des Grundgesetzes auch kein ungeschriebenes Verfassungsrecht, welches nicht als Konkretisierung des geschriebenen Verfassungsrechts zu qualifizieren wäre. Das Grundgesetz stellt eine verfassungsrechtliche Vollregelung dar, welches für Verfassungsgewohnheitsrecht kaum Raum lässt.297 Mithin darf die Offenheit des Grundgesetzes nicht mit einer fragmentarischen Kodifikation verwechselt werden, die erst durch ergänzende Regelungen anwendbar würde298; das Grundgesetz versucht vielmehr, sich über Art. 79 GG dagegen abzuschirmen, dass die politische Wirklichkeit unter der Hand in die Normen eindringt.299 Die pragmatische Vorgehensweise von Bundesregierung und Bundesrat füllt aber gerade nicht die sehr detaillierten Regelungen des Art. 23 GG aus, indem sie diese im Sinne der Verfassungsnorm konkretisiert, sondern widerspricht in Teilen den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Im Übrigen ist eine Konkretisierung des Art. 23 GG bereits im EUZBLG und der BLV erfolgt. Demnach kann das Vorgehen in der Praxis auch aus diesem Grund nicht als konkretisierendes Verfassungsgewohnheitsrecht bezeichnet werden. Vielmehr verstößt die Vorgehensweise gegen den Grundsatz des Vorrangs der Verfassung und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip.

___________ 294 BVerfG, Beschluss v. 28.06.1967, E 22, 114 (121); Beschluss v. 19.12.1962, E 15, 226 (232 ff.); H. Maurer, Staatsrecht, § 1, Rn. 45; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 428; Wipfelder, GS René Marcic, S. 957. 295 Teilweise wird eine Mindestzeit von 10 Jahren genannt, wenn eine Handlung entsprechend häufig vorgenommen wurde, vgl. Wipfelder, GS René Marcic, S. 956. 296 Ähnlich Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 36 hinsichtlich der Frage, ob die Lindauer Vereinbarung mittlerweile Verfassungsgewohnheitsrecht darstellt. 297 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Abs. 3 GG, Rn. 241. Im Ergebnis auch Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 34; Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 27; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 138 ff. Anderer Ansicht sind H. Maurer, Staatsrecht, § 1, Rn. 45 sowie Wipfelder, GS René Marcic, S. 959, welche die Existenz derogativen Verfassungsgewohnheitsrechts bejahen. 298 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Abs. 3 GG, Rn. 241. Den Charakter des Grundgesetzes als Rahmenordnung betont auch Starck, JZ 1999, 473 (484). 299 Ritter, Der Staat 3 (1968), 352 (368).

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

b) Problematik informaler Absprachen Darüber hinaus gehen von der Nichtbeachtung der Vorschriften des Art. 23 GG weitere Gefahren für die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik aus. Erschwert die detaillierte und komplizierte Regelung an sich schon eine Zuordnung von Verantwortlichkeiten, so wird eine solche vollends unmöglich, wenn informale politische Absprachen zwischen Bundesregierung und Bundesrat über die Art und Weise der Beteiligung des Bundesrates im Einzelfall stattfinden.300 In der Folge wird auch die öffentliche Kontrolle erschwert, wenn klare Verantwortungsbereiche für bestimmte Entscheidungen nicht erkennbar sind. Zugleich droht die pragmatische Vorgehensweise die verfassungsrechtliche gewaltenteilende Kompetenzordnung zu unterlaufen, welcher eine ganz bestimmte Gewichtsverteilung von Macht, Effektivität und Abhängigkeit zugrunde liegt.301 Schon einzelne Veränderungen können von daher diese Balance beeinträchtigen. Im Übrigen droht die Gefahr einer Entrechtlichung von Kompetenz- und Verantwortungszuweisungen. Zudem ist informalen Entscheidungen eine besondere Gefahr eigen, die in der Eigendynamik informaler Prozesse gründet. Gerade weil diese rechtlich unstrukturiert sind und den handelnden Politikern unkontrollierte Freiräume überlassen, können diese bis an ihre Grenzen genutzt werden.302 Insofern droht die Fassung unsachlicher Entscheidungen aus machtpolitischen Erwägungen. Bleibt das Vorgehen außerdem über längere Zeit unwidersprochen, kann es sich zu unkorrigierbarer Starrheit verfestigen. Dann aber werden Grundgesetz und Praxis zu identischen Größen.303 Schließlich verbindet sich die starke Betonung von Konsens und Kooperation bei informalen Absprachen mit Gefahren, die bereits im Zusammenhang mit dem kooperativen Föderalismus umfassend diskutiert worden sind: Unitarisierung und mangelnde Effektivität als Folge der Notwendigkeit einstimmiger Entscheidungen, die nur einen Konsens auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner ermöglichen.304 Es bestehen sonach eine ganze Reihe grundlegender, insbesondere verfassungsrechtlicher Einwände, die gegen die bisherige Praxis der teilweisen Nicht___________ 300

Allgemein zu dieser Problematik bei informalen Absprachen Schulze-Fielitz, Informaler Verfassungsstaat, S. 136. 301 Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 187. 302 Schulze-Fielitz, Informaler Verfassungsstaat, S. 145. 303 Ähnlich Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 71 f. 304 Vgl. dazu etwa Calliess, DÖV 1997, 889 (890); Renzsch, Parlamentarischer Bundesstaat, S. 169; Schulze-Fielitz, Informaler Verfassungsstaat, S. 147; Scharpf/Reissert/ Schnabel, Politikverflechtung, S. 54 ff., 218 ff.; Hesse, FS Gebhard Müller, S. 145 ff.

VI. Zusammenfassung

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beachtung der Beteiligungsregelungen des Art. 23 GG sprechen. Die jetzige Situation sollte schon aus diesen Gründen – ganz abgesehen von den tatsächlichen Schwierigkeiten – zukünftig nicht beibehalten werden.

5. Zwischenergebnis Letztlich muss man damit zu dem Ergebnis kommen, dass sich die qualifizierte Mitwirkung der Länder über den Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union angesichts der Schwierigkeiten auf europäischer Ebene in der Praxis nicht bewährt hat. Insbesondere das Letztentscheidungsrecht und die Möglichkeit der Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik auf europäischer Ebene. Deutschland wird im Rat häufiger als alle andere Mitgliedstaaten überstimmt, so dass letztlich auch die Länderinteressen keinen Eingang in die Resultate der Verhandlungen finden. Im Ergebnis wird damit der Zweck des qualifizierten Beteiligungsverfahrens, den Ländern über den Bundesrat Einfluss auf die Rechtssetzungsprozesse der Europäischen Union zu gewähren, nicht erreicht. Zudem werden sich die in der Vergangenheit sichtbar gewordenen Probleme in Zukunft weiter verstärken, da in der erweiterten Union noch schnellere und flexiblere Verhandlungsmöglichkeiten seitens der einzelnen Delegationen erforderlich werden. Schließlich stehen der bisherigen Praxis der Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften des Art. 23 GG auch grundsätzliche verfassungsrechtliche Überlegungen entgegen.

VI. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Länderbeteiligung gemäß Art. 23 GG in der Praxis nicht bewährt hat. Die unbestimmten Voraussetzungen haben auf innerstaatlicher Ebene regelmäßig zu Auslegungsschwierigkeiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat geführt. Diese wurden zwar zumeist pragmatisch gelöst; allerdings ist mangels verbindlicher Klärung der Beteiligungsvoraussetzungen zu bezweifeln, dass im Falle inhaltlicher Uneinigkeit ebenfalls eine solch einvernehmliche Vorgehensweise wie bislang möglich ist. Besonders gilt dies für die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG. Zwar ist es bisher noch nicht zu einer Blockade des Integrationsprozesses durch das Zustimmungserfordernis

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C. Die Ländermitwirkung an der Rechtssetzung in der Praxis

des Bundesrates gekommen. Allerdings ist eine solche zukünftig – insbesondere bei der Frage des Beitritts weiterer Staaten zur Europäische Union – nicht mehr auszuschließen. Hinzu kommt, dass insbesondere das Letztentscheidungsrecht und die Möglichkeit der Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik auf europäischer Ebene erheblich beeinträchtigen. Deutschland wird im Rat häufiger als alle anderen Mitgliedstaaten überstimmt, so dass letztlich auch die Länderinteressen keinen Eingang in die Resultate der Verhandlungen finden. Im Ergebnis wurde dadurch auch der Zweck des Beteiligungsverfahrens, den Ländern über den Bundesrat Einfluss auf den Rechtssetzungsprozess der Europäischen Union zu gewähren, nicht erreicht. Zudem werden sich die in der Vergangenheit sichtbar gewordenen Probleme in der Zukunft weiter verstärken, da in der erweiterten Union noch schnellere und flexiblere Verhandlungsmöglichkeiten seitens der einzelnen Delegationen erforderlich werden. Zugleich wird auch die europäische Verfassung beispielsweise durch die teilweise Abschaffung der Säulenstruktur und die geplante Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen erhöhte Anforderungen an die Mitgliedstaaten stellen. Schließlich stehen der bisherigen Praxis der Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften des Art. 23 GG auch grundsätzliche verfassungsrechtliche Überlegungen entgegen. Die Praxiserfahrungen sprechen deshalb dafür, Art. 23 GG einer grundlegenden Änderung zu unterziehen.

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis 1 Die integrationspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands in der Europäischen Union ist darüber hinaus auch abhängig von der Fähigkeit Deutschlands, europäische Verpflichtungen, insbesondere in Form von EG-Richtlinien, in nationales Recht umzusetzen. Wiederholt wurde in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die durch die Zuständigkeitsverflechtung zwischen Bund und Ländern bedingte Beteiligung der Länder an der Richtlinienumsetzung dazu führe, dass Deutschland bei der rechtzeitigen Erfüllung von Umsetzungsverpflichtungen große Schwierigkeiten habe.2 Gestützt werden diese Aussagen dabei zumeist auf die Jahresberichte der Europäischen Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Diese werden seit nunmehr 20 Jahren3 über die von der Kommission in Ausübung ihrer Rolle als „Hüterin der Verträge“ durchgeführten Maßnahmen entsprechend einer Entschließung der Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten4 veröffentlicht.5 Untersuchungsgegenstand ist auch die Umsetzung von EG-Richtlinien durch die Mitgliedstaaten. ___________ 1

Oft wird ganz allgemein von der „Umsetzung von EU-Recht“ gesprochen, wobei verschiedene legislative und administrative Handlungen zur Aus- bzw. Durchführung von Gemeinschaftsrecht auf mitgliedstaatlicher Ebene gemeint sind. Hier soll „Umsetzung“ lediglich die legislative Ausführung durch nationale generelle Normen bezeichnen. Mit anderen Worten bedeutet „Umsetzung“ von Gemeinschaftsrecht die Umformung und/oder inhaltliche Konkretisierung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften in die nationale Rechtsordnung. Ausführlich dazu Ranacher, Funktion des Bundes, S. 12 ff. 2 So beispielsweise Geiger, Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 156 (D); Schmidt-Jortzig, Stenographischer Bericht, 3. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 12.12.2003, S. 76 (C); Kloepfer, NuR 2004, 759 (760); Spreen, Bundeskompetenzen, S. 33; Janning/Meyer, Deutsche Europapolitik, S. 11. Ähnlich auch Pernice, Umweltgerechte Kompetenzordnung, S. 4 hinsichtlich der Umsetzung von Umweltrichtlinien. 3 Der erste Jahresbericht umfasste das Jahr 1982 – KOM (83) 181. 4 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 09.02.1983 und der Mitgliedstaaten (Erklärung Nr. 19 Ziffer 2 zum Vertrag von Maastricht). 5 Die Jahresberichte werden seit 1985 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Darüber hinaus können sie ab dem 16. Jahresbericht (1998) auch auf der Webseite der Kommission http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/droit_ com/index_en.htm (Stand: 10.06.2005) eingesehen werden. Dort befinden sich auch aktuelle Zwischenberichte.

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Es stellt sich demnach die Frage, ob aus den Kommissionsberichten der Schluss zu ziehen ist, dass Deutschland auffällige Schwierigkeiten im Hinblick auf die Umsetzung von EG-Richtlinien hat. Sollte dies das Ergebnis sein, ergibt sich daran anschließend die weitere Frage, ob dies insbesondere für Politikbereiche gilt, in denen eine Länderbeteiligung besteht.

I. Die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht 1. Die Entwicklung in den Mitgliedstaaten Die Beantwortung der Frage, ob Deutschland im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union besonders große Umsetzungsdefizite aufweist, setzt eine Analyse der EU-weiten Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales Recht voraus. Der Vergleich mit dem Stand der Umsetzung in den anderen Mitgliedstaaten ermöglicht eine bessere Einschätzung der Situation in der Bundesrepublik. Seit dem ersten Jahresbericht der Kommission aus dem Jahre 1982 über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts bis zum jüngsten Zwischenbericht vom 02.05.2005 hat sich die Umsetzungsquote in der Europäischen Union insgesamt – wie die nachfolgende Tabelle zeigt – deutlich verbessert.6 ___________ 6

Vgl. zu den Umsetzungsquoten die jeweiligen Jahresberichte: 8. Jahresbericht (1990), ABl. 1991 C 338, S. 7; 9. Jahresbericht (1991), ABl. 1992 C 250, S. 7; 10. Jahresbericht (1992), ABl. 1993 C 233, S. 6; 11. Jahresbericht (1993), ABl. 1994 C 154, S. 7; 12. Jahresbericht (1994), ABl. 1995 C 254, S. 8; 13. Jahresbericht (1995), ABl. 1996 C 303, S. 12; 14. Jahresbericht (1996), ABl. 1997 C 332, S. 13; 15. Jahresbericht (1997), ABl. 1998 C 250, S. 9; 16. Jahresbericht (1998): http://europa.eu.int/comm/ secretariat_general/sgb/infringements/report98_en.htm (Stand: 10.06.2005); 17. Jahresbericht (1999): http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/infringements/report99_en.htm (Stand: 10.06.2005); 18. Jahresbericht (2000): http://europa.eu.int/comm/ secretariat_general/sgb/infringements/18report_2000_en.htm (Stand: 10.06.2005); 19. Jahresbericht (2001): http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/infringements/ 19report_2001_en.htm (Stand: 10.06.2005); 20. Jahresbericht (2002): http://europa.eu. int/comm/secretariat_general/sgb/droit_com/pdf/rapport_annuel/20_rapport_annuel_en. htm (Stand: 10.06.2005); 21. Jahresbericht (2003): http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/droit_com/pdf/XXI_rapport_annuel/21_rapport_annuel_en.htm (Stand: 10.06.2005). Der aktuellste Zwischenbericht (02.05.2005) findet sich unter http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/droit_com/index_en.htm, die älteren unter http:// europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/droit_com/archmme_en.htm (jeweils Stand: 10.06.2005).

I. Die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht

139

Tabelle 1 Die EU-weite Entwicklung der Umsetzungsquote Stichtag

EU-weite Umsetzungsquote

31.12.1982

89,58 %

31.12.1990

90,83 %

31.12.1991

89,73 %

31.12.1992

91,00 %

31.12.1993

90,43 %

31.12.1994

91,89 %

31.12.1995

90,70 %

31.12.1996

92,80 %

31.12.1997

94,00 %

31.12.1998

95,70 %

31.12.1999

94,53 %

31.12.2000

96,59 %

31.12.2001

97,41 %

31.12.2002

98,87 %

31.12.2003

98,03 %

29.02.2004

98,25 %

30.04.2004

98,43 %

15.11.2004

96,82 %

10.01.2005

97,69 %

03.03.2005

98,12 %

02.05.2005

98,69 %

Die Umsetzungsquote ist insgesamt relativ kontinuierlich von 89,58 % am 31.12.1982 auf 98,69 % am 02.05.2005 gestiegen. Zuletzt war nur für die Stichtage 15.11.2004 und 10.01.2005 ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Dieser ist allerdings hauptsächlich auf den Beitritt der zehn mittel- und osteuropäi-

140

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

schen Staaten zur Europäischen Union im Mai 2004 zurückzuführen. Die Mitteilungsquoten der neuen Mitgliedstaaten lagen wenige Monate nach dem Beitritt zumeist recht deutlich unter denen der alten Mitgliedstaaten.7 Daher spiegeln die Zahlen insgesamt eine positive Entwicklung wider. Es ist festzustellen, dass sich die Umsetzungsmoral in den Mitgliedstaaten stark verbessert hat und das auf dem Europäischen Rat von Stockholm festgelegte Ziel einer Umsetzungsquote von 98,50 %8 in erreichbare Nähe gerückt ist.

2. Die Entwicklung in Deutschland Fraglich ist, ob sich die Entwicklung in Deutschland ebenso darstellt. Einen Überblick bietet die nachfolgende Tabelle.9 Tabelle 2 Entwicklung der EU-weiten und der deutschen Umsetzungsquote Stichtag

EU-weite Umsetzungsquote

deutsche Umsetzungsquote

31.12.1990

90,83 %

95,30 %

31.12.1991

89, 73 %

92,90 %

31.12.1992

91,00 %

89,90 %

31.12.1993

90,43 %

88,90 %

31.12.1994

91,89 %

91,00 %

31.12.1995

90,70 %

92,90 %

31.12.1996

92,80 %

93,45 %

31.12.1997

94,00 %

93,60 %

31.12.1998

95,70 %

96,71 %

31.12.1999

94,53 %

95,49 %

31.12.2000

96,59 %

96,86 %

31.12.2001

97,41 %

96,84 %

31.12.2002

98,87 %

97,12 %

___________ 7

Am 15.11.2004 und 10.01.2005 wiesen jeweils sechs der zehn neuen Mitgliedstaaten eine unterdurchschnittliche Umsetzungsquote auf. 8 Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Stockholm) v. 23./24.03. 2001, Ziff. 17. 9 Vgl. dazu die jeweiligen Jahresberichte (Fn. vor Tabelle 1, oben D. I. 1.).

I. Die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht 31.12.2003

98,03 %

97,33 %

29.02.2004

98,25 %

97,76 %

30.04.2004

98,43 %

97,74 %

15.11.2004

96,82 %

97,52 %

10.01.2005

97,69 %

97,94 %

03.03.2005

98,12 %

98,94 %

02.05.2005

98,69 %

99,22 %

141

Auch die deutsche Umsetzungsquote hat sich insgesamt – von 95,30 % am 31.12.1990 auf 99,22 % am 02.05.2005 – verbessert, was der EU-weiten Entwicklung entspricht. Allerdings wies die Bundesrepublik beinahe in der Hälfte aller Untersuchungszeitpunkte eine unterdurchschnittliche Umsetzungsquote auf.10 Hinzu kommt, dass einige der überdurchschnittlichen Umsetzungsquoten Deutschlands zu relativieren sind. Die gilt zum einen für die Jahre 1995 und 1996. Hier ist das verhältnismäßig gute Abschneiden auch auf den Beitritt der drei neuen Mitgliedstaaten Schweden, Finnland und Österreich am 01.01.1995 zur Europäischen Union zurückzuführen. Nach dem gerade erfolgten Beitritt waren die Mitteilungsquoten im Jahre 1995 zumindest in Finnland und Österreich überaus niedrig11 – 70,50 % in Finnland12 und 84,20 % in Österreich13. ___________ 10

Unterdurchschnittlich war die deutsche Umsetzungsquote am 31.12.1992, 31.12. 1993, 31.12.1994, 31.12.1997, 31.12.2001, 31.12.2002, 31.12.2003, 29.02.2004 und 30.04.2004. 11 Zwar wurde ein komplexes System von Instrumenten entwickelt, um Beitrittskandidaten schon in der Vorbeitrittsphase schrittweise an die EU heranzuführen und sie insbesondere dabei zu unterstützen, soweit wie möglich bereits im Vorfeld eines späteren Beitritts den „acquis“ der Union zu übernehmen. Dennoch sind die Herausforderungen für neue Mitgliedstaaten angesichts des immer weiter anwachsenden „acquis“ ausgesprochen groß, vgl. dazu Iliopoulos, EuR 2004, 637 (645); Herrnfeld, in: Schwarze, Art. 49 EUV, Rn. 10. 12 Die finnische Situation erklärt sich zum großen Teil aus der Sonderstellung der Åland-Inseln, die in bestimmten Bereichen einen Autonomiestatus besitzen und besondere Umsetzungsmaßnahmen treffen müssen, vgl. Vedder, in: Grabitz/Hilf, Art. 49 EUV, Rn. 56. 13 Der schlechte Umsetzungsstand Österreichs in den Anfangsjahren der EUMitgliedschaft dürfte zu einem guten Teil auch auf Mängel im Notifikationssystem zurückzuführen sein. So fand u.a. zunächst keine zentrale Erfassung der erfolgten Notifikation statt, so dass bei Nachfragen oder Beschwerden der EU-Kommission der Beweis der Notifikation nur schwer erbracht werden konnte und neuerliche Notifikationen erforderlich wurden. Zudem bestanden auch technische Probleme, die mit der Einrichtung einer elektronischen Datenerfassung betreffend die spezifische Richtlinienumset-

142

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Auch im Jahre 1996 war die Zahl der mitgeteilten Umsetzungsmaßnahmen noch deutlich geringer als in den anderen Ländern. Mit Mitteilungsquoten von 88,28 % für Österreich und 80,93 % für Finnland war weiterhin ein teilweise gravierender Unterschied zu den ansonsten sämtlich über 90 % liegenden mitgliedstaatlichen Umsetzungsquoten zu verzeichnen. Deshalb kann für die Jahre 1995 und 1996 im Vergleich zu den weiteren Mitgliedstaaten im Ergebnis nicht von einer überdurchschnittlich guten Umsetzungsquote der Bundesrepublik Deutschland gesprochen werden. Ähnliches gilt auch für die Stichtage 15.11.2004 und 10.01.2005. Am 15.11.2004 wies Deutschland zwar eine überdurchschnittliche Umsetzungsquote auf, lag damit aber nur auf Rang 14 von 25 Mitgliedstaaten. Hinzu kommt, dass hauptsächlich am 01.05.2004 neu beigetretene Mitgliedstaaten schlechtere Mitteilungsquoten als die Bundesrepublik hatten.14 Vergleicht man die deutsche Umsetzungsquote allein mit den Umsetzungsquoten der alten Mitgliedstaaten ist diese unterdurchschnittlich.15 Auch am 10.01.2005 war die deutsche Umsetzungsquote insgesamt gesehen zwar knapp überdurchschnittlich. Dies war aber wiederum auf die vergleichsweise schlechten Mitteilungsquoten einiger neuer Mitgliedstaaten zurückzuführen.16 Von den alten Mitgliedstaaten hatten dagegen nur vier eine schlechtere Umsetzungsquote vorzuweisen als die Bundesrepublik. Ohne die verhältnismäßig schlechten Mitteilungsquoten der neuen Mitgliedstaaten wäre die Quote Deutschlands dagegen unterdurchschnittlich gewesen.17 An den letzten zwei Stichtagen war allerdings die deutsche Umsetzungsquote auch im Vergleich mit nur den alten Mitgliedstaaten überdurchschnittlich gut.18 Damit ist festzuhalten, dass die Umsetzungsquote der Bundesrepublik in der Regel schlechter ausfällt als im EU-weiten Durchschnitt. Dieses Ergebnis spiegelt sich im Wesentlichen auch in der Zahl der gegen die Bundesrepublik einge___________ zung im Bundeskanzleramt beseitigt wurden. Vgl. dazu Burtscher, Landesgesetzgebung auf europäischer Ebene, S. 50 f. 14 Schlechtere Umsetzungsquoten als Deutschland hatten am 15.11.2004: Frankreich, Slowenien, Italien, Zypern, Luxemburg, Griechenland, Lettland, Estland, Slowakei, Tschechische Republik und Malta. 15 Die durchschnittliche Umsetzungsquote der alten Mitgliedstaaten betrug am 15.11. 2004 97,67 %. 16 Schlechtere Umsetzungsquoten als Deutschland hatten am 10.01.2005: Portugal, Luxemburg, Estland, Zypern, Lettland, Italien, Griechenland, Malta, Slowakei und Tschechische Republik. 17 Die durchschnittliche Umsetzungsquote der alten Mitgliedstaaten betrug am 10.01. 2005 97,96 %. 18 Die durchschnittliche Umsetzungsquote der alten Mitgliedstaaten betrug am 03.03. 2005 98,19 % und am 02.05.2005 98,55 %.

I. Die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht

143

leiteten Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EG wegen Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen wider.19 Tabelle 3 Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen20 Jahr

EU-weit (Durchschnitt)

Deutschland

1998

610 (40,67)

43

1999

677 (45,13)

45

2000

896 (59,73)

49

2001

607 (40,47)

45

2002

607 (40,47)

51

2003

1166 (77,73)

85

Gegen Deutschland wurden vergleichsweise viele Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen eingeleitet. Dabei lag die Bundesrepublik in den vergangenen sechs Jahren hinsichtlich der Anzahl der aus diesem Grunde gegen sie eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren teilweise deutlich über dem EU-weiten Durchschnitt. Besonders gilt dies für die letzten Untersuchungszeiträume der Jahre 2002 und 2003. Hier nahm Deutschland Platz 14 bzw. 11 ein, d.h. dass gegen 13 bzw. 10 Mitgliedstaaten weniger Verfahren wegen Nichtumsetzung eingeleitet wurden.21 Zudem sind auch für das Jahr 1999, in welchem gegen die Bundesrepublik weniger Ver___________ 19 Zu unterscheiden sind Vertragsverletzungsverfahren aufgrund von Beschwerden Einzelner, von Amtswegen ermittelte Fälle und Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtmitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien und der technischen Normen gemäß der Richtlinie 98/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.06.1998 (ABl. 1998 L 204, S. 37) über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften. Von Amts wegen wird die Kommission tätig, wenn sie im Rahmen ihrer allgemeinen Tätigkeit auf eine mögliche Verletzung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten aufmerksam wird. Wichtig ist aber angesichts der begrenzten personellen Ressourcen der Kommission auch die Beschwerde natürlicher oder juristischer Personen, vgl. dazu Gaitanides, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 226 EG, Rn. 18; P. Karpenstein/U. Karpenstein, in: Grabitz/ Hilf, Art. 226 EG, Rn. 32; Borchardt, in: Lenz/Borchardt, Art. 226 EG, Rn. 9 ff.; Ehrike, in: Streinz, Art. 226 EG, Rn. 15; Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 226 EG, Rn. 4; Breier, NuR 1993, 457 (465); Krämer, Environmental Law, S. 219, 224. 20 Vgl. dazu die jeweiligen Jahresberichte (Fn. vor Tabelle 1, oben D. I. 1.), jeweils Anhang I (Aufdeckung von Vertragsverletzungen). 21 Im Jahr 2002 wurden nur gegen Portugal mehr Verfahren wegen Nichtumsetzung eingeleitet. Am besten stand Dänemark mit nur 30 Verfahren aus diesem Grund da.

144

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

tragsverletzungsverfahren als im EU-weiten Durchschnitt angestrengt wurden, acht Mitgliedstaaten zu verzeichnen, gegen welche weniger Verfahren wegen Nichtumsetzung eingeleitet wurden. Ingesamt entspricht damit die Anzahl der gegen die Bundesrepublik eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtmitteilung einzelstaatlicher Durchführungsmaßnahmen im Wesentlichen der Umsetzungsquote im jeweiligen Untersuchungszeitraum. Es ist daher festzuhalten, dass Deutschland bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht größere Schwierigkeiten hat als viele andere Mitgliedstaaten. Zwar hat sich die Umsetzungsquote in den letzten Jahren auch in Deutschland verbessert, jedoch nicht in dem Maße wie dies in der Europäischen Union insgesamt geschehen ist. Zugleich ist auch die Anzahl der gegen die Bundesrepublik wegen Nichtumsetzung eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren verhältnismäßig hoch. Deutschland ist zwar, entgegen vereinzelter Behauptungen, hinsichtlich der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht auch nicht europäisches Schlusslicht. Es kann aber schon konstatiert werden, dass die Bundesrepublik, die sich gerne als Musterknabe der Integration präsentiert, bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenbar nicht in der Lage ist, ihr hohes integrationspolitisches Credo in der Realität der nationalen Gesetzgebung zu beweisen. Dagegen verfügen als euroskeptisch geltende Mitgliedstaaten22 bei der Befolgung des Gemeinschaftsrechts weitgehend über eine weiße Weste.23

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen Insofern stellt sich im Weiteren die Frage, warum die Bundesrepublik trotz ihrer vergleichsweisen Integrationsoffenheit nicht in der Lage ist, ihren Umsetzungsverpflichtungen verstärkt nachzukommen. Denkbar ist, dass die Schwierigkeiten Deutschlands auf die Zuständigkeitsverflechtungen zwischen Bund und Ländern und damit auf das föderale System zurückzuführen sind.

1. Die Umsetzungsquoten in den einzelnen Teilbereichen Regelmäßig wird die Behauptung erhoben, dass Umsetzungsprobleme immer dann entstehen, wenn die Länder am Umsetzungsprozess zu beteiligen sind. ___________ 22

Dies gilt traditionell für Dänemark und – mit Abstrichen – auch für das Vereinigte Königreich. 23 von Danwitz, NWVBl. 1997, 7 (7); Winkel, ZG 1997, 113 (123); Rometsch, European Union and member states, S. 94.

145

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen Tabelle 4 Bereiche mit besonders großen Umsetzungsproblemen24

Stichtag

31.12.2000

31.12.2001

31.12.2002

28.02.2003

30.04.2003

30.04.2004

15.11.2004

03.03.2005

Bereiche

Umsetzungsquoten

Gesundheit/Verbraucherschutz

85,41 %

Binnenmarkt

87,60 %

Umwelt

89,81 %

Umwelt

82,42 %

Landwirtschaft

88,46 %

Binnenmarkt

93,14 %

Beschäftigung/Soziales

91,23 %

Umwelt

91,42 %

Energie/Verkehr

92,17 %

Justiz/Inneres

80,00 %

Beschäftigung/Soziales

91,23 %

Umwelt

91,87 %

Justiz/Inneres

81,25 %

Unternehmen

95,01 %

Energie/Transport

95,03 %

Informationsgesellschaft

73,68 %

Justiz/Inneres

81,25 %

Wettbewerb

93,33 %

Wettbewerb

93,33 %

Steuern/Zollunion

94,23 %

Beschäftigung/Soziales

94,87 %

Justiz/Inneres

89,47 %

Beschäftigung/Soziales

96,15 %

Umwelt

96,84 %

___________ 24 Vgl. dazu die jeweiligen Jahresberichte (Fn. vor Tabelle 1, oben D. I. 1.), Anhang IV: Übersicht über den Stand der Mitteilung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Durchführung der Richtlinien und die jeweiligen Zwischenberichte (Aufschlüsselung nach Sektoren).

146

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Insofern ist es überraschend, dass sich aus den Jahresberichten der EU-Kommission wenig Konstanz hinsichtlich der Bereiche ergibt, in denen Deutschland seinen Umsetzungsverpflichtungen in besonders großem Umfang nicht fristgemäß nachgekommen ist. Insgesamt ist nicht festzustellen, dass – abgesehen vielleicht vom Bereich des Umweltrechts25 – die Umsetzung von Richtlinien bestimmten Inhalts besondere Probleme bereitete. In den letzten Jahren waren die Umsetzungsquoten vielmehr in so unterschiedlichen Bereichen wie Justiz und Inneres, Informationsgesellschaft, Beschäftigung und Soziales, Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Energie und Transport, Landwirtschaft, Steuern und Zollunion sowie Wettbewerb am niedrigsten. Die Umsetzungsquoten lassen insofern nicht den Schluss zu, dass Deutschland mit der Umsetzung von Richtlinien besondere Schwierigkeiten hat, die Politikbereichen zuzuordnen sind, für welche die Länder nach dem Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz inne haben.

2. Sachliche Inkongruenz von umsetzungsbedürftigen Gemeinschaftsrechtsakten und innerstaatlicher Kompetenzverteilung Hinzu kommt, dass sich die genannten Sektoren aus recht heterogenen Teilbereichen zusammensetzen. Der Bereich Unternehmen ist zum Beispiel in die Teilbereiche Kraftfahrzeuge, kosmetische Erzeugnisse, Arzneimittel, Baugewerbe, Textil, Leder, Spielzeug, Ausrüstungsgüter, chemische Erzeugnisse und technische Normen untergliedert; der Sektor Umwelt setzt sich aus den Untergliederungen Wasser, Luft, Lärm, Chemie und Biologie, Abfälle, Strahlenschutz, Natur und allgemeine Umweltfragen zusammen. Eine Zuordnung der Bereiche, in denen Umsetzungsprobleme bestehen, zu den Kompetenzen, wie das Grundgesetz sie vorsieht, fällt damit schon grundsätzlich schwer. Die Kompetenzen, so wie Brüssel sie definiert und in Anspruch nimmt, sind nicht deckungsgleich mit der in Deutschland festzustellenden innerstaatlichen Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.26 Dadurch, dass EG-Richtlinien sich zudem häufig inhaltlich über mehrere Bereiche erstrecken, kann sich die Umsetzungsgesetzgebung nicht allein auf eine Gesetzgebungskompetenz stützen. Erforderlich ist vielmehr oftmals eine Kompetenzkombination27, welche einzelne Gesetzesteile auf unterschiedliche Kom___________ 25

Vgl. dazu FR v. 20.08.2004, S. 7 (EU-Umweltrecht wird oft ignoriert). Ebenso Scholz, Stenographisches Protokoll, 3. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 12.12.2003, S. 174 (C). 27 Zur Zulässigkeit von Kompetenzkombinationen siehe Spreen, Bundeskompetenzen, S. 92 ff.; Groß, NWVBl. 2002, 289 (290); Jarass, NVwZ 2000, 1098 (1090); Stern, Staatsrecht Bd. II, S. 607 f. 26

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

147

petenzen stützt. Dabei darf diese Kompetenzkombination nicht dazu führen, dass der Bund Kompetenzen erhält, die über die Summe der Einzelkompetenzen hinausgehen.28 Dies hat im Bundesstaat zur Folge, dass sowohl Gesetzgebungskompetenzen des Bundes wie auch der Länder betroffen sein können. So setzt sich beispielsweise die Gesetzgebungskompetenz für das Umweltrecht29 mit seinen von der Gemeinschaft erfassten Teilbereichen unter anderem zusammen aus: 1.

2.

3.

im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes –

Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (Wirtschaftskontrolle, einschließlich u.a. Energierecht)



Art. 74 Abs. 1 Nr. 11a GG (Strahlenschutz)



Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG (Ernährungssicherung, Hochseefischerei, Küstenschutz)



Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG (Bodenrecht)



Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG (Gesundheitsrecht, Verkehr mit besonders gefährlichen Stoffen)



Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG (Lebens- und Futtermittelrecht, Tierschutz)



Art. 74 Abs. 1 Nr. 21-23 GG (Schiffs-, Straßen- und Schienenverkehr)



Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG (Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung)

im Bereich der Rahmengesetzgebung des Bundes –

Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG (Jagdwesen, Naturschutz, Landschaftspflege)



Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG (Bodenverteilung, Raumordnung, Wasserhaushalt)

im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes –

4.

Art. 73 Nr. 6 GG (Bundeseisenbahn, Luftverkehr)

im Bereich der originären Gesetzgebungskompetenzen der Länder –

Landesplanungsrecht



Bauordnungsrecht

___________ 28 BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.06.1954, E 3, 407 (423 ff.); Groß, NWVBl. 2002, 289 (290); Peine, NuR 2001, 421 (421); Jarass, NVwZ 2000, 1089 (1090); Gramm, DÖV 1999, 540 (541). 29 Eine Aufzählung der verschiedenen umweltrelevanten Kompetenztitel findet sich bei Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 89 ff.; Steinberg/Klößner, JbUTR 27 (1994), 481 (494 ff.). Siehe auch Engelhardt, Umsetzung der IVU-Richtlinie, S. 184 f.

148

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis –

Landesstraßenrecht



Fischereirecht.

Mithin kommt es nicht selten vor, dass EG-Richtlinien von Bund und Ländern gemeinsam umzusetzen sind. Zugleich wird deutlich, dass sich fast nie einem Bereich europäischer Gesetzgebung eindeutig eine Gesetzgebungskompetenz des Grundgesetzes zuordnen lässt, so dass selbst dann eine Verantwortungszuweisung für nicht fristgerechte Durchführungsmaßnahmen kaum möglich wäre, wenn bestimmte Teilbereiche sich hinsichtlich der innerstaatlichen Umsetzung als besonders problematisch erwiesen.

3. Innerstaatliche Gesetzgebungskompetenz für nicht fristgerecht umgesetzte Richtlinien Deshalb sind die sektoralen Umsetzungsquoten wenig aussagekräftig, was die Frage der innerstaatlichen Verantwortlichkeit für die Nichtumsetzung angeht. Erforderlich ist vielmehr eine Zuordnung einzelner Richtlinien, deren Umsetzung Schwierigkeiten bereitet hat, zu den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes oder der Länder. Wertet man die Aufstellung der bis spätestens zum 31.12.2002 umzusetzenden Richtlinien aus30, ist bemerkenswert, dass die meisten Richtlinien, welche nicht fristgerecht umgesetzt wurden, vom Bund umzusetzen waren. Von den über 100 bis Ende 2002 nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinien fielen lediglich etwa 4 % in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Ähnlich stellt sich das Ergebnis des Untersuchungszeitraums bis zum 31.12.2001 dar.31 Hier hatten die Länder nur bei etwa 3 % der fast 100 nicht rechtzeitig umgesetzten Richtlinien die Gesetzgebungskompetenz inne. In der Vielzahl der Fälle war damit der Bund für die Umsetzung in nationales Recht zuständig. Auch von den Richtlinien, hinsichtlich derer im Untersuchungszeitraum bis 31.12.200032 nationale Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen waren, wurden insgesamt über 80 nicht rechtzeitig umgesetzt. Zugleich waren die Bundesländer nur bei knapp 3 % der verspätet umgesetzten Richtlinien an der Umsetzung zu beteiligen. ___________ 30 20. Jahresbericht (2002) (Fn. vor Tabelle 1, oben D. I. 1.), Anhang IV, Teil 2: Mitteilung und Nichtmitteilung von einzelstaatlichen Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinien. 31 19. Jahresbericht (2001) (Fn. vor Tabelle 1, oben D. I. 1.), Anhang IV, Teil 2: Mitteilung und Nichtmitteilung von nationalen Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinien. 32 18. Jahresbericht (2000) (Fn. vor Tabelle 1, oben D. I. 1.), Anhang IV, Teil 1: Mitteilung und Nichtmitteilung von nationalen Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinien.

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

149

Ebenso gehen von den derzeit 53 nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinien lediglich zwei auf das Konto der Länder: Die Seilbahn-Richtlinie33 und die Richtlinie zur Diplomanerkennung.34, 35 Diese aktuellen Zahlen spiegeln zudem nicht eine Entwicklung erst der letzten Jahre wider, sondern stehen in einer Reihe mit ähnlichen Ergebnissen von Untersuchungen der EU-Kommission. So bietet beispielsweise der 11. Jahresbericht36, der das Jahr 1993 umfasst, mit Blick auf die Richtlinienumsetzung kein anderes Bild: Die Länder hatten nur bei knapp 2 % der nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinien Gesetzgebungskompetenzen inne. Zu identischen Ergebnissen kommt man auch für alle übrigen Untersuchungszeiträume. Damit können diese Zahlen auf den ersten Blick nicht die These stützen, dass der Bundesrepublik die fristgerechte Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht schwer fällt, wenn die Länder an der innerstaatlichen Gesetzgebung zu beteiligen sind. Vielmehr scheinen sie den Schluss nahe zu legen, dass es fast ausschließlich der Bund allein zu verantworten hat, wenn EG-Richtlinien nicht rechtzeitig in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.37

4. Durch die föderale Struktur bedingte Probleme Dabei handelt es sich allerdings um eine zu vordergründige Schlussfolgerung. Zum einen trägt der Bund in quantitativer Hinsicht die Hauptlast der Umsetzung.38 Insofern deutet die Tatsache, dass die Bundesländer absolut gesehen nur vergleichsweise wenige verspätete Umsetzungen Deutschlands unmittelbar verursachen, nicht auf eine größere Umsetzungsmoral in den Länder hin. ___________ 33 Richtlinie 2000/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.03.2000 (ABl. 2000 L 106, S. 21) über Seilbahnen für den Personenverkehr. 34 Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.05.2001 zur Änderung der Richtlinien 89/48/EWG und 92/51/EWG über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise und der Richtlinien 77/452/ EWG, 77/453/EWG, 78/686/EWG, 78/687/EWG, 78/1026/EWG, 78/1027/EWG, 80/ 154/EWG, 80/155/EWG, 85/384/EWG, 85/432/EWG, 85/433/EWG und 93/16/EWG des Rates über die Tätigkeiten der Krankenschwester und des Krankenpflegers, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, des Zahnarztes, des Tierarztes, der Hebamme, des Architekten, des Apothekers und des Arztes. 35 So Drs.-Bundesstaatskommission 0034 des Landes Rheinland-Pfalz, Anlage, S. 5 sowie Westbomke, EurUP 2004, 122 (126). 36 11. Jahresbericht (1993) (Fn. vor Tabelle 1, oben D. I. 1.), Anhang IV: Stand der Durchführung der Richtlinien. 37 Zu diesem Ergebnis kommt auch Drs.-Bundesstaatskommission 0034 des Landes Rheinland-Pfalz, Anlage, S. 5 f. 38 Winkel, ZG 1997, 113 (116). Siedentopf, Implementation, S. 95 spricht davon, dass 5–10 % der Richtlinien in die Zuständigkeit der Länder fallen.

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Vielmehr ist festzustellen, dass es regelmäßig zu Fristversäumnissen kommt, wenn die Länder an der Umsetzung in nationales Recht zu beteiligen sind und dass die Fristüberschreitungen in diesen Fällen außerdem besonders groß sind.39 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die föderalen Strukturen, insbesondere die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern, die Umsetzung von EGRichtlinien in nationales Recht aus verschiedenen – im Folgenden genauer zu untersuchenden – Gründen teilweise erheblich erschweren.40

a) Probleme der kompetenzrechtlichen Einordnung von umsetzungsbedürftigen Gemeinschaftsrechtsakten Zum einen führt die komplexe Kompetenzverteilung des Grundgesetzes dazu, dass die Regelung eines bestimmten, in einer EG-Richtlinie behandelten Themas vielfach Abgrenzungsprobleme grundsätzlicher Art hinsichtlich der Frage, welche Kompetenztitel inhaltlich zur Umsetzung heranzuziehen sind, hervorruft. Dabei können in der Bundesrepublik umfassende europäische Regelungen anders als in den zentralistisch organisierten Mitgliedstaaten in den seltensten Fällen einem bestimmten Kompetenztatbestand eindeutig zugeordnet werden. Vielmehr ist häufig eine Vielzahl verschiedener Kompetenztitel des Bundes und der Länder einschlägig.41 Daher sind am Beginn jedes Umsetzungsprozesses umfangreiche wechselseitige Abstimmungen zwischen Bund und Ländern über die einschlägigen Kompetenztitel und den Inhalt sich wechselseitig ergänzender Regelungen erforderlich.42 Dieser Abstimmungsprozess wird zusätzlich durch die strukturellen Unterschiede zwischen der Kompetenzverteilung auf europäischer und staatlicher Ebene erschwert. Die Festlegung der Gemeinschaftszuständigkeiten erfolgt ___________ 39

Der vielleicht krasseste Fall betrifft die Richtlinie 78/659/EWG des Rates v. 18.07. 1978 (ABl. 1978 L 222, S. 1) über die Qualität von Süßwasser, das schutz- und verbesserungswürdig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten und die Richtlinie 79/923/ EWG des Rates v. 30.10.1979 (ABl. 1979 L 281, S. 47) über die Qualitätsanforderungen an Muschelgewässer. In einem Urteil vom 12.12.1996, das also 17 bzw. 16 Jahre nach der Annahme der Richtlinien erging, stellte der EuGH fast, dass Deutschland die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien in innerstaatliches Recht und zum Aufstellen der von beiden Richtlinien geforderten Programme noch nicht ergriffen hatte, Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-298/95, Slg. 1996, I-6747 (6759) – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Bundesrepublik Deutschland. 40 Ähnlich auch Benz, Drs.-Bundesstaatskommission 0043, S. 13; Schink, UPR 2004, 206 (209); ders., ZG 2004, 1 (4); Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (21); von Danwitz, NWVBl. 1997, 7 (8); Winkel, ZG 1997, 113 (113, 122). 41 Spreen, Bundeskompetenzen, S. 33; Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (22); Breier, NuR 1993, 457 (465). 42 Zu ähnlichen Problemen in Österreich vgl. Öhlinger, Österreichische Rechtsordnung, S. 185 f. sowie Ranacher, Funktion des Bundes, S. 208 f.

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

151

mittels final ausgerichteter, dynamisch ausgelegter begrenzter Einzelermächtigungen43, wohingegen sich das Grundgesetz durch eine streng nach Sachmaterien abgegrenzte, in Teilbereichen extrem zersplitterte und weitgehend „versteinerte“ Kompetenzordnung auszeichnet.44 Dies hat zur Folge, dass sich die materiellen Kompetenzumschreibungen des EG-Vertrages in der Regel nicht mit denjenigen des Grundgesetzes decken, wodurch sich eine Zuordnung von Gemeinschaftsrechtsakten zu Kompetenztiteln des Grundgesetzes als zusätzlich kompliziert erweisen und in die Länge ziehen kann. Zugleich bedeutet diese sachliche Inkongruenz von umsetzungsbedürftigen Gemeinschaftsrechtsakten zur innerstaatlichen Kompetenzverteilung, dass es in der Regel nicht genügt, ein einziges Bundes- oder Landesrecht zu erlassen oder zu ändern, um der Umsetzungsverpflichtung aus einer Richtlinie nachzukommen. Vielmehr sind häufig mehrere Gesetzgebungsverfahren auf Bundes- wie auch auf Landesebene zur Umsetzung eines EG-Rechtsaktes durchzuführen, womit die sachliche Zuständigkeit mehrerer Ministerien des Bundes und der Länder korrespondiert. Besonders umfangreich war insofern die Liste der von einer Umsetzung der sog. UVP-Richtlinie45 potentiell betroffenen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften. Neben mehreren spezifischen Umweltgesetzen des Bundes und der Länder beispielsweise in den Bereichen Naturschutz und Landschaftspflege, Wasserrecht, Immissionsschutzrecht und Wald- und Forstwirtschaft, waren darüber hinaus unter anderem das Energierecht, das Bergrecht, das Verkehrs- und Straßenrecht, das Luftverkehrsrecht, das Atomrecht sowie das Raum-, Bau- und Planungsrecht betroffen.46 Ebenso erforderte die Wasserrahmenrichtlinie47 neben einem Rahmengesetz des Bundes48 weitere 32 Rechtsetzungsakte der Länder.49 Es liegt auf der Hand, dass derartige Zersplitterungen der Zuständigkeiten einer reibungslosen und effizienten Koordination zwischen Bund und Ländern nicht unbedingt förderlich sind, weil sie Reibungsverluste geradezu provozieren ___________ 43

Engelhardt, Umsetzung der IVU-Richtlinie, S. 186; Ranacher, Funktion des Bundes, S. 208. 44 Engelhardt, Umsetzung der IVU-Richtlinie, S. 186. 45 Richtlinie 85/337/EWG des Rates v. 27.06.1985 (ABl. 1985 L 175, S. 40) über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. Zur Umsetzung genauer unter D. II. 4. c) bb). 46 Siehe dazu die Übersicht bei Weber, Umweltverträglichkeitsrichtlinie, S. 32. 47 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2000 (ABl. 2000 L 237, S. 1) zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik. 48 Siebtes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, BGBl. I 2002, S. 1914, 2711. 49 Kloepfer, NuR 2004, 759 (762); Westbomke, EurUP 2004, 122 (126).

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

und bundes- wie landesintern zusätzlichen Koordinationsaufwand erzeugen.50 Zudem ist die Umsetzungsverpflichtung gegenüber der Gemeinschaft erst dann erfüllt, wenn auch das 16. Land das Gesetz- bzw. Verordnungsgebungsverfahren abgeschlossen hat.51 Der Hinweis auf innerstaatliche Besonderheiten wie etwa die innerstaatliche Kompetenzverteilung zwischen verschiedenen föderalen Einheiten ist damit ausgeschlossen.52 Erschwerend kommt hinzu, dass konkrete Kriterien für die inhaltliche Zuordnung einer Materie zu einem Kompetenztitel fehlen, vielmehr nach der Rechtsprechung des BVerfG auf den hauptsächlichen Zweck des geregelten Gegenstandes53 bzw. darauf abzustellen ist, ob das Kompetenzthema „als solches“54 und „nicht nur als Reflex“55 oder „speziell“ und nicht nur „zwangsläufig“56 berührt wird.57 Insofern bestehen enorme Auslegungsspielräume, die unterschiedliche Auffassungen von Bund und Ländern über die Zuordnung einer EG-Richtlinie zu Kompetenztiteln des Grundgesetzes herausfordern, so dass dieser Prozess insgesamt einiges Konfliktpotential in sich birgt. Dies ist aber naturgemäß einer rechtzeitigen Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales Recht wenig förderlich.58 Die genannten Schwierigkeiten haben sich in den letzten Jahren unter anderem im Bereich des Umweltrechts verschärft. Grund dafür ist, dass die Gemeinschaft hier zunehmend auf medienübergreifende und integrierende59 Genehmi___________ 50 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 224 f.; Hennecke, JbUTR 9 (1989), 117 (125 f.). 51 Pernice, Reform des Artikel 23 GG, S. 6; Westbomke, EurUP 2004, 122 (123); Winkel, ZG 1997, 113 (122). 52 EuGH, Urt. v. 11.04.1978, Rs. 100/77, Slg. 1980, 879 (886) – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Italienische Republik; Urt. v. 06.05.1980, Rs. 102/79, Slg. 1980, 1473 (1487) – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Königreich Belgien; Prechal, Directives, S. 23; Wölk, Umsetzung von Richtlinien, S. 34 f. 53 BVerfG, Beschluss v. 29.04.1958, E 8, 143 (149 ff.); Beschluss v. 30.10.1961, E 13, 181 (196 ff.); Beschluss v. 31.01.1962, E 13, 367 (371 f.); Beschluss v. 12.12.1984, E 68, 319 (327 f.). 54 BVerfG, Beschluss v. 29.04.1958, E 8, 143 (148 ff.); Beschluss v. 15.12.1970, E 29, 402 (409). 55 BVerfG, Beschluss v. 18.03.1970, E 28, 119 (149). 56 BVerfG, Urt. v. 24.07.1962, E 14, 197 (220); Urt. v. 30.10.1962, E 15, 1 (9, 22); Beschluss v. 04.06.1957, E 7, 29 (39, 44). 57 Zum Ganzen Erbguth, DVBl. 1988, 317 (320 f.). 58 Ebenso Schwall-Düren, Tagung der FES v. 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 8; Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 11; Scholz, Drs.-Bundesstaatskommission 0040, S. 6 f. 59 Der Begriff „Integration“, wie er durch das 5. Aktionsprogramm (ABl. 1993 C 138, S. 5 (29)) in die gemeinschaftliche Umweltpolitik eingeführt wurde, zielt darauf ab, die Auswirkungen eines Stoffes oder einer Tätigkeit auf die Umwelt als Ganzes und nicht nur im Hinblick auf ein einzelnes Medium zu regulieren.

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

153

gungs- bzw. Prüfungs- und Planungskonzepte sowie Verfahrensregelungen setzt.60 Was die EG-Richtlinie in ihrer integrierenden Ausrichtung einheitlich geregelt hat, muss im deutschen Recht nach Umweltmedien getrennt zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden.61 Diese Differenzierung zwischen Kompetenzen des Bundes und der Länder wird dabei umso komplizierter, je komplexer sich der von der Richtlinie geregelte Bereich darstellt. Außerdem erfordern umfassende gemeinschaftsrechtliche Umwelt-Richtlinien auf nationaler Ebene die Anpassung zahlreicher Fachgesetze des Bundes wie der Länder. Dieser Problematik entspricht die Tatsache, dass Deutschland gerade auf dem Gebiet des Umweltrechts in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den übrigen Mitgliedstaaten relativ große Umsetzungsdefizit vorzuweisen hatte.62

b) Probleme bei der Beurteilung der Zulässigkeit bundesgesetzlicher Regelungen Erschwerend kommt im Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung des Bundes hinzu, dass es dort, anders als bei der ausschließlichen Gesetzgebung nach Art. 71 GG, nicht bei der Frage nach der Subsumierbarkeit einer Materie unter einen Kompetenztitel bewendet. Vielmehr hat sich an die Zuordnung zu einem Kompetenztitel noch die weitere Prüfung gemäß Art. 72 Abs. 2 GG anzuschließen, ob und inwieweit eine bundesgesetzliche Regelung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist. Soweit diese Erforderlichkeit fehlt, bleibt die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern, so dass ein gleichwohl erlassenes Bundesgesetz nichtig ist. ___________ 60 Groß, NWVBl. 2002, 289 (290); Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (22). Beispielhaft seien insofern die UVP-Richtlinie (Richtlinie 85/337/EWG des Rates v. 27.06. 1985), die IVU-Richtlinie (Richtlinie 96/61/EG des Rates v. 24.09.1996), die Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2000), die Umweltaudit-Verordnung (Verordnung 1836/93/EWG des Rates v. 29.06.1993) sowie die Umweltinformationsrichtlinie (Richtlinie 90/313/EG des Rates v. 07.06.1990) genannt. 61 Kloepfer, NuR 2004, 759 (760); Pernice, Umweltgerechte Kompetenzordnung, S. 4. 62 Im Jahr 2001 hatte Deutschland die schlechteste Umsetzungsquote mit einem Defizit von deutlich über 10 %. Die zweitschlechteste Bilanz hatten Belgien und Spanien mit einem Defizit von jeweils 10,2 % vorzuweisen, während die Umsetzungsquote in Finnland und Schweden mit jeweils nur 2 % Defizit am besten ausfiel. Im Jahr 1997 war die Umsetzungsquote Deutschlands mit 94 % am zweitschlechtesten, Dänemark dagegen hatte sämtliche Umweltrichtlinien umgesetzt. Vgl. dazu die Jahresberichte der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission, die seit 1996 erstellt werden, http:// europa.eu.int/comm/environment/law/index.htm (Stand: 10.06.2005).

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Diese sog. Erforderlichkeitsklausel wurde 1994 im Rahmen einer Verfassungsänderung neu gefasst; Rechtsprechung des BVerfG zur neuen Fassung erging erstmals im Jahre 2002.63 Damit teilt Art. 72 Abs. 2 GG die Gesetzgebungshoheit über eine Materie zwischen Bund und Ländern mittels auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe, welche nicht immer eine zuverlässige und vorhersehbare Kompetenzzuteilung erlauben. Es können Bereiche verbleiben, in denen unsicher ist, ob der Bund allein zuständig ist, oder ob er die Länder nicht an der Gesetzgebung beteiligen muss. Dadurch vergrößert sich das bereits bestehende Konfliktpotential zwischen Bund und Ländern und kann zu weiteren Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren führen.64 Darüber hinaus ist der Bund im Bereich der Rahmengesetzgebung des Art. 75 GG obligatorisch auf einen Rahmen beschränkt. Detailregelungen und unmittelbar geltende Vorschriften in einem Rahmengesetz lässt das Grundgesetz gemäß Art. 75 Abs. 2 nur in begründeten Ausnahmefällen zu. Die Feststellung, ob eine bundesgesetzliche Regelung über den zulässigen „Rahmen“ hinausgeht sowie die Bestimmung der Sachthemen, für die dem Bund ausnahmsweise die Vollregelung zusteht, ist mangels verbindlicher Kriterien schwierig. Dem entsprechen auch die Erfahrungen in der Praxis. Die Auslegung der Voraussetzungen über den zulässigen Umfang bundesgesetzlicher Regelungen im Bereich der Rahmengesetzgebung hat in der Vergangenheit zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern geführt.65 Demnach kommt bei der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung zu dem Problem der inhaltlichen Zuordnung von gemeinschaftsrechtlich geregelten Materien zu den Gesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes noch die weitere, konfliktträchtige und damit Verzögerungen auslösende Frage hinzu, ob und in welchem Umfang der Bund gesetzgeberisch tätig werden darf. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die meisten der vom Bund nicht fristgemäß in innerstaatliches Recht umgesetzten EG-Richtlinien der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz oder der Rahmenkompetenz zuzuordnen waren. Umsetzungsaufgaben ausschließlicher Bundes-Regelungszuständigkeit waren dagegen vergleichsweise unproblematisch.66

___________ 63

Dazu ausführlich unter C. II. 2. d) bb) (1). Faßbender, JZ 2003, 332 (338). 65 Ähnlich Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 11. 66 Ähnlich Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 11. 64

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

155

aa) Konsequenzen aus dem Altenpflegegesetzurteil und dem Juniorprofessururteil des Bundesverfassungsgerichts Angesichts der jüngsten Urteile des BVerfG zum Gesetz über die Berufe in der Altenpflege und zur Änderung des Krankenpflegegesetzes (Altenpflegegesetzurteil)67 sowie zum Fünften Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und anderer Vorschriften (Juniorprofessururteil)68, welche sich erstmals zu der 1994 geänderten Verfassungsrechtslage äußerten, ist zudem zu erwarten, dass die Bundesländer zukünftig im Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung noch weitergehend als bisher eigene Interessen anmelden werden. Es steht deshalb zu befürchten, dass die Konflikte zwischen Bund und Ländern in diesen Bereichen zunehmen werden, so dass mit weiteren Verzögerungen im Umsetzungsprozess zu rechnen ist.

(1) Die Verfassungsänderung des Jahres 1994 Im Rahmen der Verfassungsreform des Jahres 199469 wurden, neben anderen Vorschriften über die Verteilung der Gesetzgebungsrechte zwischen Bund und Ländern70, Art. 72 und 75 GG neu geregelt. Insgesamt zielten die Neuregelungen auf eine Stärkung der Rolle der Länder in den Bereichen der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung, darüber hinaus verfolgten sie auch das Ziel, präzisere Maßstäbe für die Verfassungspraxis – einschließlich der verfassungsgerichtlichen Kontrolle – vorzugeben.71

(a) Die Änderungen des Art. 72 Abs. 2 GG Die ursprüngliche Fassung des Art. 72 Abs. 2 GG setzte nicht die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung voraus, sondern stellte in Absatz 2 auf ein „Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung“ ab. Dabei umschrieb Art. 72 Abs. 2 GG a.F. ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung in drei Alternativen („..., weil eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann oder die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder der Gesamt___________ 67

BVerfG, Urt. v. 24.10.2002, E 106, S. 62 ff. BVerfG, Urt. v. 27.07.2004, E 111, S. 226 ff. 69 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3, 20a, 28, 29, 72, 74, 75, 76, 77, 80, 87, 93, 118a und 125a) v. 27.02.1994, BGBl. I 1994, S. 3146. 70 Art. 74, 93 Abs. 1 Nr. 2a, 125a GG. 71 Lechleitner, Jura 2004, 746 (747); Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 72 GG, Rn. 4 und Art. 75 GG, Rn. 3; Gramm, DÖV 1999, 540 (543). 68

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

heit beeinträchtigen könnte oder die Wahrung der Rechts- oder der Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert.“). Ob ein solches Bedürfnis vorlag, konnte der Bund ohne einschränkende materielle Kriterien weitgehend selbst beurteilen. Dies lag nicht nur an der Weite der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen, welche sich insbesondere daraus ergab, dass eine dynamisch wirkende Bundesgesetzgebung als zulässig erachtet wurde72, sondern vor allem auch an dem weiten politischen Ermessensspielraum, den die Rechtsprechung des BVerfG73 dem Bundesgesetzgeber bei der Anwendung der Bedürfnisklausel einräumte.74 Danach war die Frage, ob ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, eine solche „pflichtgemäßen Ermessens des Bundesgesetzgebers, die ihrer Natur nach nicht justiziabel und daher der Nachprüfung durch das BVerfG grundsätzlich entzogen“75 ist. Als Konsequenz aus dieser Rechtsprechung hat das BVerfG in keinem Fall ein Bundesgesetz wegen Verstoßes gegen die Bedürfnisklausel für verfassungswidrig gehalten, es vielmehr gelegentlich bei eher floskelhafter Prüfung belassen.76 Art. 72 Abs. 2 GG in seiner neuen Fassung sollte gegenüber der Bedürfnisklausel die Maßstäbe verschärfen.77 Die Bedürfnisklausel wurde durch eine Erforderlichkeitsklausel ersetzt, welche die Bundeskompetenz nicht nur dem Grunde, sondern auch dem Umfang nach einschränkt („wenn und soweit“). Außerdem wurden die ersten beiden Argumente für die Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund gestrichen. Zudem wurde mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG ein eigenes Verfahren vor dem BVerfG zur Überprüfung der Einhaltung des Art. 72 Abs. 2 GG geschaffen, welches die Justiziabilität der Erforderlichkeitsklausel sicherstellen sollte.78

___________ 72 BVerfG, Urt. v. 29.11.1961, E 13, 230 (233); Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 72 GG, Rn. 20. 73 Ständige Rechtsprechung seit BVerfG, Beschluss v. 22.04.1953, E 2, 213 (224). Siehe etwa BVerfG, Beschluss v. 15.12.1969, E 10, 234 (245); Beschluss v. 30.05.1972, E 33, 224 (229). 74 Jochum, NJW 2003, 28 (29); Kenntner, NVwZ 2003, 821 (821); Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 72 GG, Rn. 22; Rybak/Hofmann, NVwZ 1995, 230 (231). 75 BVerfG, Beschluss v. 22.04.1953, E 2, 213 (224). 76 Kenntner, NVwZ 2003, 821 (822); Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 72 GG, Rn. 22; Schmehl, DÖV 1996, 724 (724); Frowein, FS Peter Lerche, S. 404. 77 Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 209; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 72 GG, Rn. 24. 78 Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, BT-Drs. 12/6633, S. 8; Faßbender, JZ 2003, 332 (334); Kenntner, NVwZ 2003, 821 (822); Jarass, NVwZ 2000, 1089 (1092); Papier, NJW 1997, 2841 (2847).

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

157

(b) Die Änderungen des Art. 75 GG Auch Art. 75 GG ist durch die Verfassungsänderung nachhaltig umgestaltet und in einzelne Absätze untergliedert worden. Vor 1994 beschränkte sich die Vorschrift darauf, einzelne Kompetenzmaterien aufzuzählen, für welche der Bund das Recht hatte, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG Rahmenvorschriften zu erlassen. Insbesondere fehlte demnach eine dem Art. 75 Abs. 2 GG entsprechende Regelung, mit der Folge, dass sich in Staatspraxis, Rechtsprechung und Theorie die Auffassung konsolidierte, Art. 75 GG beschränke den Bund nicht auf die Setzung von „Richtlinien“, d.h. die Vorgabe eines Orientierungsrahmens, sondern es kennzeichne eine Rahmenvorschrift, dass sie auf Ausfüllung angelegt sei, wobei Ausfüllung auch „innerhalb eines verbindlich und unmittelbar gesetzten Rahmens erfolgen“79 könne.80 Insofern sei der Begriff des „Rahmens“ nicht in einem technischen Sinne zu verstehen.81 Diese bundesfreundliche Rechtsprechung hatte zum Ergebnis, dass rahmenrechtliche Regelungen verfassungsrechtlich praktisch nie an der Unmittelbarkeit ihrer Geltung oder an einer zu weitgehenden Regelungsdichte gescheitert sind.82 Zwar fand auch anlässlich der Verfassungsänderung keine Definition der Rahmengesetzgebung statt, wohl aber wurde versucht, in Absatz 2 nunmehr eine Grenzlinie zu ziehen, die nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf.83 Art. 75 Abs. 2 GG hat damit die Aufgabe, den Rahmencharakter zu sichern und die Befugnisse des Bundesgesetzgebers zu beschränken.84

(2) Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts Trotz dieser Intention des Gesetzgebers war lange Zeit unklar, ob durch die genannte Neuregelung des Art. 72 Abs. 2 GG nur die Formulierungen ausgewechselt wurden, ohne wesentliche Änderungen in der Sache zu bewirken, oder ob Art. 72 Abs. 2 GG nunmehr eine rechtlich durchsetzbare Subsidiarität der

___________ 79 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 01.12.1954, E 4, 115 (130); Beschluss v. 27.03.1979, E 51, 43 (53 ff.); Beschluss v. 06.06.1989, E 80, 137 (157). 80 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 75 GG, Rn. 3; Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (22); Gramm, DÖV 1999, 540 (542). 81 BVerfG, Beschluss v. 06.06.1989, E 80, 137 (157). 82 Gramm, DÖV 1999, 540 (542). 83 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 75 GG, Rn. 3. 84 So der Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 36; Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 213; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 75 GG, Rn. 41.

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Bundesgesetzgebung normiert.85 Im Schrifttum wurde überwiegend die Auffassung vertreten, dass dem Bundesgesetzgeber weiterhin ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum bei der Beantwortung der Frage zustehe, ob und wieweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.86 Zudem war angesichts der Tatsache, dass Art. 75 Abs. 2 GG keine Kriterien zur Beurteilung ausnahmsweiser Zulässigkeit unmittelbar geltender oder in Einzelheiten gehender Regelungen vorsieht87, auch unsicher, ob die im Bereich der Rahmengesetzgebung durchgeführten Verfassungsänderungen tatsächlich eine Beschränkung des Umfangs der Bundesgesetzgebung bewirken würden.88 Zu Art. 72 Abs. 2 GG hatte das BVerfG erstmals im Jahre 2002 Gelegenheit, grundlegend Stellung zu beziehen. In der Entscheidung zum Altenpflegegesetz wies es der Erforderlichkeitsklausel die beschränkende Funktion zu, die der verfassungsändernde Gesetzgeber intendiert hatte.89 Es stellte fest, dass ein „von verfassungsrechtlicher Kontrolle freier gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG“ nicht bestehe.90 Die Norm könne ihrem Zweck nämlich nur dann gerecht werden, wenn ihre Voraussetzungen nicht subjektiv von demjenigen bestimmt werden, dessen Kompetenz beschränkt werden soll.91 Zugleich interpretierte das BVerfG von den drei alternativen Gründen des Art. 72 Abs. 2 GG für eine bundesgesetzliche Regelung die beiden ersten eher restriktiv.92 In mehreren Urteilen aus den Jahren 2004 und 2005 bestätigte das Gericht diese Rechtsprechung.93 ___________ 85

So beispielsweise Kenntner, VBlBW 1999, 289 (294); Calliess, DÖV 1997, 889 (896 ff.); Schmehl, DÖV 1996, 724 (727 f.). Umfassend zu dieser Frage Kröger/Moos, BayVBl. 1997, 705 (707 ff.). 86 Vgl. etwa Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 72 GG, Rn. 15; Spreen, Bundeskompetenzen, S. 100; Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 211; Groß, NWVBl. 2002, 289 (290); Peine, NuR 2001, 421 (426); Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 72 Abs. 2 GG, Rn. 112 ff.; Neumeyer, FS Martin Kriele, S. 563; Sannwald, NJW 1994, 3313 (3316); Vogel, DVBl. 1994, 497 (502). 87 Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 214; Jarass, NVwZ 2000, 1089 (1094 ff.). 88 Gramm, DÖV 1999, 540 (543). 89 BVerfG, Urt. v. 24.10.2004, E 106, 62 (135 ff.). 90 BVerfG, Urt. v. 24.10.2004, E 106, 62 (135). 91 BVerfG, Urt. v. 24.10.2004, E 106, 62 (135 f.). 92 Die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ soll danach nur ein Argument sein, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinanderentwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet. Damit macht nicht allein der Wille zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, sondern nur die Verhinderung krasser Unterschiede den Bund zuständig, vgl. BVerfG, Urt. v. 24.10.2004, E 106, 62 (144). Ähnlich wird das Erfordernis der „Wahrung der Rechtseinheit“ interpretiert. Der Bund kann sich auf sie berufen, wenn eine Gesetzesvielfalt auf

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

159

Auch in der Entscheidung des BVerfG zur Juniorprofessur wurde darauf hingewiesen, dass Art. 72 Abs. 2 GG eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nunmehr von einem Erforderlichkeitskriterium abhängig macht, welches der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.94 Zugleich erfolgte eine weitere Konkretisierung der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG, indem über die Prüfung der Erforderlichkeit des Zugriffs des Bundesgesetzgebers auf einen bestimmten Regelungsgegenstand hinaus – in diesem Fall Voraussetzungen des Zugangs zum Professorenberuf – auch die Erforderlichkeit des jeweiligen Regelungsinhalts – in diesem Fall Juniorprofessur statt Habilitation – zum Gegenstand der Kompetenzprüfung gemacht wurde.95 Insofern wurde auch die inhaltliche Gesetzesgestaltung an die in Art. 72 Abs. 2 GG genannte Zielgröße der Erforderlichkeit gebunden. Insgesamt wurde demnach durch die bisher ergangenen Urteile des BVerfG zu Art. 72 Abs. 2 GG nicht nur die Justiziabilität der Voraussetzungen einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung festgestellt, sondern dieselben außerdem inhaltlich restriktiv ausgelegt. Die legislativen Gestaltungsmöglichkeiten des Bundesgesetzgebers dürften damit zukünftig sehr viel geringer als bislang ausfallen. Darüber hinaus hat sich das BVerfG im Zusammenhang mit der Juniorprofessur erstmals mit Art. 75 GG in der Neufassung auseinandergesetzt. Das BVerfG entsprach dabei dem mit der Verfassungsänderung verfolgten Ziel, die Rahmenkompetenz des Bundes zu begrenzen, um deren kooperativen Charakter wieder stärker zu betonen. Es stellte insofern fest, dass ein Ausnahmefall im Sinne von Art. 75 Abs. 2 GG nur vorliege, wenn die Rahmenvorschriften ohne die in Einzelheiten gehenden oder unmittelbar geltenden Regelungen verständigerweise nicht erlassen werden können, diese also schlechthin unerlässlich sind.96 Damit wurde von der Senatsmehrheit aus der Wendung „in Ausnahmefällen“ eine hohe Hürde für in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen des Bundes abgeleitet. Konstellationen, in denen solche Vorschriften ___________ Länderebene eine Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen darstellt, die im Interesse des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden kann, vgl. BVerfG, Urt. v. 24.10.2004, E 106, 62 (145 f.). Vgl. dazu Denninger, FR v. 02.02.2005, S. 5 („Ein Bayer soll in NRW kein Ausländer sein“). Dieser hält die Einschränkung auf ein Recht des Bundes zu lediglich „rettender“ Gesetzgebung für eine verfehlte Maxime. 93 Vgl. beispielsweise BVerfG, Urt. v. 16.03.2004, E 110, S. 141 ff.; Urt. v. 26.01. 2005 – 2 BvF 1/03, Rn. 61 ff. 94 BVerfG, Urt. v. 27.07.2004, E 111, 226 (253). 95 BVerfG, Urt. v. 27.07.2004, E 111, 226 (266 f.). 96 BVerfG, Urt. v. 27.07.2004, E 111, 226 (252).

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

unerlässlich sind, sind in der Praxis schwer vorstellbar, so dass der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung des Art. 75 Abs. 2 GG extrem reduziert sein dürfte.97 Jedenfalls wird zukünftig die Kompetenz des Bundes zu politischer Gestaltung im Bereich der Rahmengesetzgebung sehr viel begrenzter als bislang sein. Das Urteil zur Juniorprofessur hat somit die mit dem Altenpflegeurteil begonnene Tendenz fortgesetzt, die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes gegenüber den Ländern stärker zu kontrollieren und zu begrenzen.98

bb) Ausblick: weitere Verzögerungen im Umsetzungsprozess Mag das Verlangen der Bundesländer Kompetenzen an sie zurückzuführen nachvollziehbar sein99, steht doch zu befürchten, dass mit der Verfassungsänderung von 1994 und den jüngsten Urteilen des BVerfG zu Art. 72 Abs. 2 und Art. 75 GG die bereits bestehenden Probleme bei der Umsetzung von EGRichtlinien, die innerstaatlich in den Bereich der konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung fallen, noch zunehmen werden. Zum einen werden die Länder verstärkt geltend machen, für die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht zuständig zu sein. Zugleich ist es aber unwahrscheinlich, dass der Bund dem ohne weiteres zustimmen wird, so dass eine Zunahme der Auseinandersetzungen über die Verteilung der Zuständigkeiten droht. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass Kriterien für eine Überprüfung der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG, welche die Gesetzgebungsorgane oder das BVerfG verlässlich leiten können, nicht ersichtlich sind. Gleichzeitig wird sich der Bund nicht mehr auf einen ihm zustehenden, weiten Ermessensspielraum hinsichtlich der Beurteilung, ob eine bundesgesetz___________ 97 Wrase, NJ 2004, 458 (458 f.) ist sogar der Meinung, dass Art. 75 Abs. 2 GG zukünftig gar keinen Anwendungsbereich mehr haben wird. 98 Wrase, NJ 2004, 458 (458). 99 Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 44 spricht insofern davon, dass der Bund im Laufe der Geschichte fast alle Gesetzgebungskompetenzen an sich gezogen hat und heute für nahezu alle Bereiche der Gesetzgebung zuständig ist. Dazu auch Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20 GG, Rn. 22 f. Man kann allerdings durchaus in Frage stellen, ob die These von der Aushöhlung der Länderstaatlichkeit zutreffend ist. Der Eindruck von erheblichen Verlagerungen der Gesetzgebungskompetenzen von den Ländern auf den Bund kann auch täuschen. Insbesondere sind dem Bund mit Zustimmung der Länder Aufgaben übertragen worden, die neu entstanden sind (z.B. friedliche Nutzung der Kernenergie) und ihrer Anforderungsstruktur nach auch nicht originäre Länderaufgaben sind. Zudem sind bestimmte, dem Bund zugewiesene Aufgaben wie etwa die Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung, Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG, im Kern auch schon zuvor Bundesangelegenheiten gewesen, nämlich in Form des Anlagengenehmigungsrechts der Gewerbeordnung, gestützt auf die Bundeskompetenz Recht der Wirtschaft, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Vgl. dazu auch Meyer, Drs.-Bundesstaatskommission 0013, S. 1 ff.; Koch/Mechel, NuR 2004, 277 (278).

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

161

liche Regelung zu erlassen ist, stützen können, so dass nicht nur noch langwierigere Auseinandersetzungen mit den Bundesländern, sondern auch eine Verlagerung politischer Entscheidungen auf die verfassungsgerichtliche Ebene droht. Zum anderen hat die Ausweitung der kompetentiellen Erforderlichkeitsprüfung auf die inhaltliche Ausgestaltung der jeweiligen Regelung einen wesentlichen Verlust an Klarheit und Rechtssicherheit in Abgrenzung der Kompetenzen von Bundes- und Landesgesetzgeber zur Folge100, was ebenfalls einer schnellen Zuweisung der Gesetzgebungshoheit zur Umsetzung von EG-Richtlinien hinderlich ist. Zudem wurde die Rahmenkompetenz des Bundes derart eng gefasst, dass die zukünftigen Möglichkeiten des Bundes, eine neue politische Gestaltung der betreffenden Gesetzgebungsmaterien vorzunehmen, sehr begrenzt sind. Eine ähnliche Nutzung wie in der Vergangenheit wird daher nicht mehr möglich sein.101 Vielmehr steht zu erwarten, dass die Länder weitergehend als bislang geltend machen werden, dass ihnen Gesetzgebungsbefugnisse zur Richtlinienumsetzung für die in Art. 75 GG aufgeführten Materien zustehen. Damit werden für die rechtzeitige und erfolgreiche Umsetzung noch ungünstigere Rahmenbedingungen als bislang schon geschaffen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ein noch wesentlicher Teil der zur Umsetzung zur Verfügung stehenden Zeit bereits durch die Lösung der Kompetenzprobleme konsumiert wird.

c) Verzögerungen bei der Umsetzung durch die Zweistufigkeit des Gesetzgebungsverfahrens Abgesehen davon, dass die innerstaatliche Aufspaltung der Gesetzgebungskompetenzen in EU-regelungsrelevanten Materien zwischen Bund und Ländern die Umsetzung von EG-Richtlinien dadurch verzögert, dass eine Zuordnung der Zuständigkeiten äußerst kompliziert ist, hat die Vergangenheit gezeigt, dass sie auch aus einem weiteren Grund zu ganz erheblichen Problemen führt: Insbesondere dort, wo der Bund nur Teilbereiche eines gemeinschaftsrechtlichen Rechtsaktes regeln kann, findet eine zeitlich parallele Gesetzgebung von Bund und Ländern nur in ganz seltenen Ausnahmefällen statt. Die Regel ist, dass die

___________ 100 Dies kritisieren auch die Richterinnen Osterloh und Lübbe-Wolff sowie der Richter Gerhardt in ihrer abweichenden Meinung zum Juniorprofessururteil, BVerfG, Urt. v. 27.07.2004, E 111, 226 (278 f.). 101 Diese Befürchtung äußerten bereits Groß, NWVBl. 2002, 289 (289); Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (22) anlässlich der Grundgesetzänderung.

162

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Bundesländer mit der innerstaatlichen Umsetzung abwarten, bis der Bund seine Gesetzgebung abgeschlossen hat.102 Insbesondere die Normierung grundsätzlicher Anforderungen zur Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie103 (FFH-Richtlinie) und die Umsetzung der UVP-Richtlinie104 sind für die bei zweistufigen Gesetzgebungsverfahren auftretenden zeitlichen Problemen beredte Beispiele.105

aa) Die Umsetzung der FFH-Richtlinie Ziel der sog. FFH-Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21.05.1992 ist nach ihrer Präambel die Förderung der Erhaltung der biologischen Vielfalt, um damit dem allgemeinen Ziel einer nachhaltigen Entwicklung zu dienen.106 Um dieses Ziel zu erreichen, sind gemäß Art. 3 Abs. 1 FFHRichtlinie Schutzgebiete auszuweisen, aus denen sich nach und nach ein zusammenhängendes ökologisches Netz in Europa entwickeln soll. Es besteht aus Gebieten, die in Anhang I als natürliche Lebensraumtypen benannt sind, und in denen die in Anhang II aufgeführten Tiere und Pflanzen vorkommen. Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten so viele Gebiete wie möglich melden, die repräsentativ und von Bedeutung sind. Aus diesen nationalen Gebietslisten erstellt die Kommission nach Art. 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten eine Liste von Gebieten mit gemeinschaftlicher Bedeutung. Für die auf diese Weise zustande gekommenen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest. Nach Erlass der Richtlinie waren die Mitgliedstaaten gefordert, die Vorgaben in nationales Recht zu übertragen. Der vorgesehene Zeitplan sah gemäß Art. 4, ___________ 102 Schink, UPR 2004, 206 (209); Müller, Umsetzungsprobleme, S. 38; Hennecke, JbUTR 9 (1989), 117 (125). 103 Richtlinie 92/43/EWG des Rates v. 21.05.1992 (ABl. 1992 L 206, S. 7) zur Erhaltung, der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, zuletzt geändert durch Richtlinie 97/62/EG des Rates v. 27.10.1997 (ABl. 1997 L 305, S. 42). 104 Richtlinie 85/337/EWG des Rates v. 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985 L 175, S. 40), zuletzt geändert durch Richtlinie 97/11/EG des Rates v. 03.03.1997 (ABl. 1997 L 73, S. 5). 105 Ein derartiges Abwarten der Bundesländer war beispielsweise auch bei der Umsetzung der IVU-Richtlinie (Richtlinie 96/61/EG des Rates v. 24.09.1996) und der UVP-Änderungsrichtlinie (Richtlinie 97/11/EG des Rates v. 03.03.1997) zu verzeichnen. 106 Zur Zielsetzung der FFH-Richtlinie vgl. Berner, Habitatschutz, S. 40 ff.; Wahl, FS Willi Blümel, S. 632 ff.; Rödiger-Vorwerk, Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, S. 7 f.; Fisahn/Cremer, NuR 1997, 268 (268 ff.); Gellermann, NuR 1996, 548 (548 ff.); Freytag/Iven, NuR 1995, 109 (109 f.).

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

163

23 FFH-Richtlinie folgende Termine vor: 1. Umsetzung in nationales Recht bis Juni 1994, 2. Erstellen einer nationalen Gebietsliste bis Juni 1995, 3. Erstellen einer Gebietsliste der Gemeinschaften bis Juni 1998 und 4. Ausweisung der Gebiete als nationale Schutzgebiete bis Juni 2004. Sämtliche Umsetzungsfristen der Richtlinie wurden nicht eingehalten. Weder wurde der Gesetzgebungspflicht fristgemäß bis Juni 1994 nachgekommen107, noch wurden die schützenswerten Gebiete rechtzeitig und vollständig gemeldet.108 Der Bund hat die Anforderungen der FFH-Richtlinie erst durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 30.04.1998109 umgesetzt. Da er sich insofern nur auf die Rahmengesetzgebungskompetenz des Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG stützen konnte, hat der Bund zu einigen in der FFHRichtlinie enthaltenen Regelungen keine oder keine unmittelbar geltenden Vorschriften erlassen.110 Allein mittels der Änderungen im BNatSchG hatte die Bundesrepublik daher ihre Umsetzungsverpflichtungen noch nicht erfüllt111, vielmehr waren die FFH-Ziele auch im Naturschutzrecht der Länder umzusetzen. Allerdings sahen sich die meisten Länder nicht in der Pflicht oder außer Stande, eigene Regelungen zu erlassen, ohne dass der Bund bereits einen Rahmen durch Änderung des BNatSchG vorgegeben hätte.112 Sie verständigten sich auf der 44. Umweltministerkonferenz am 12.05.1995 und damit nach Ablauf der Gesetzgebungsfrist und kurz vor Ablauf der Gebietsmeldefrist darauf, mit der Gesetzgebung und der Benennung von Gebieten zu warten, bis der Bund eine eigene Regelung getroffen habe.113 Ein solches Vorgehen ist aber mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar.114, 115 ___________ 107 Dazu EuGH, Urt. v. 11.12.1997, Rs. C-83/97, Slg. 1997, I-7191 ff. – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Bundesrepublik Deutschland; BVerwG, Urt. v. 27.01.2000, NVwZ 2000, 1171 (1172). 108 Schrader/Hellenbroich, JbUTR 58 (2001), 283 (284). 109 BGBl. I 1998, S. 823. 110 Vgl. etwa Art. 6 Abs. 3 letzter Halbsatz FFH-Richtlinie. 111 Lediglich soweit sich der Bund bei der Umsetzung in § 1a BauGB auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 GG stützen konnte, ist diese bauplanungsrechtliche Umsetzung insoweit abschließend und eine landesrechtliche Umsetzungsverpflichtung nicht gegeben vgl. Schrader/Hellenbroich, JbUTR 58 (2001), 283 (288, Fn. 21). Speziell zur FFH-Richtlinie im Baurecht siehe Düppenbecker/Greiving, UPR 1999, S. 173 ff.; Schink, GewArch 1998, S. 41 ff. 112 Florian Kirchhof, Implementierung der FFH-Verträglichkeitsprüfung, S. 7; Schrader/Hellenbroich, JbUTR 58 (2001), 283 (288); Niederstadt, NuR 1998, 515 (517); Carlsen, Umsetzung der EG-Richtlinie „Fauna, Flora, Habitate“, S. 203. 113 Schink, ZG 2004, 1 (4); Spreen, Bundeskompetenzen, S. 41; Niederstadt, NuR 1998, 515 (517). 114 Schink, ZG 2004, 1 (4); Louis/Engelke, BNatSchG, § 19a, Rn. 6; Carlsen, Umsetzung der EG-Richtlinie „Fauna, Flora, Habitate“, S. 204. 115 Letztlich bestand eine Umsetzungsverpflichtung der Länder gemäß Art. 75 GG auch für die bundesrechtlich nicht rechtzeitig umgesetzten Vorschriften der FFH-

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Lediglich Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wurden schon vor dem Bund legislativ tätig und haben vor Änderung des BNatSchG Landesgesetze zur Umsetzung erlassen.116 Folge des Vorgehens der übrigen Bundesländer war eine deutliche Überschreitung der Umsetzungsfrist117 durch die Bundesrepublik, die dazu führte, dass gegen die Bundesrepublik Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurden. Mit Urteil vom 11.12.1997 stellte der EuGH fest, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtung aus Art. 23 FFHRichtlinie verstoßen hat, indem sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie nachzukommen.118 Zudem wurde unter dem 24.02.1999 von der EUKommission die zweite Vertragsverletzungsklage vor dem EuGH erhoben. Sie hielt die deutsche Gebietsliste für unvollständig und eine tranchenweise Gebietsbenennung für unzulässig. Der EuGH hat mit Urteil vom 11.09.2002 die Bundesrepublik antragsgemäß verurteilt.119 Da die Kommission sich auch mit den bis zum Frühjahr 2003 erfolgten Gebietsmeldungen noch nicht zufrieden zeigte, leitete sie schließlich im April 2003 ein Zwangsgeldverfahren nach Art. 228 EG ein, welches für Deutschland Zahlungen von bis zu 791.293,- € pro Tag zur Folge haben kann. Auf Arbeitsebene hat die EU-Kommission allerdings signalisiert, das Verfahren nicht forcieren zu wollen, wenn Deutschland die Defizite im Rahmen eines vereinbarten Zeitplans beseitigt.120

___________ Richtlinie, solange und soweit der Bund nicht tätig geworden war. Rechtlich wäre es demnach geboten gewesen, dass die Länder bis zum Juni 1994 sämtliche Anforderungen der FFH-Richtlinie in ihre Landesgesetze umsetzen, wenn auch die Zweckmäßigkeit eines solchen Vorgehens angesichts der absehbaren bundesgesetzlichen Regelung zweifelhaft ist, Schink, ZG 2004, 1 (5); Louis/Engelke, BNatSchG, § 19a, Rn. 5. Verständnis für das Vorgehen der Bundesländer äußert insofern Gebhard, NuR 1999, 361 (370). 116 In das Bayerisches Naturschutzgesetz wurden durch Gesetz v. 21.07.1998, GVBl. 1998, S. 403 und in das Landesnaturschutzgesetz Mecklenburg Vorpommern durch Gesetz v. 10.07.1998, GVBl. 1998, S. 403 Regelungen zur Umsetzung der FFH-Richtlinie eingefügt. 117 Ingesamt waren auch im Januar 2001 in 13 Bundesländern immer noch keine legislativen Umsetzungsvorschriften erlassen. 118 EuGH, Urt. 11.12.1997, Rs. C-83/97, Slg. 1997, I-7191 ff. – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Bundesrepublik Deutschland. 119 EuGH, Urt. v. 11.09.2001, Rs. C-71/99, Slg. 2001, I-5811 ff. – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Bundesrepublik Deutschland. 120 Vgl. Spreen, Bundeskompetenzen, S. 53; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Birgit Homburger, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zum Verfahren zu FaunaFlora-Habitat-Gebietsnachmeldungen, BT-Drs. 15/2909, S. 4. Mittlerweile hat die Bundesrepublik die Gebietsnachmeldungen abgeschlossen. Sie werden derzeitig von der Kommission geprüft (Stand: 08.07.2005).

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

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bb) Die Umsetzung der UVP-Richtlinie Die UVP-Richtlinie wurde am 27.06.1985 nach jahrelangen Diskussionen und einer Vielzahl von Kompromissen erlassen.121 Die Präambel der Richtlinie bringt das Ziel der Richtlinie deutlich zum Ausdruck, indem sie die Aufgabe der Umweltverträglichkeitsprüfung als umweltschützendes Vorsorgeinstrument bei allen technischen Planungs- und Entscheidungsprozessen für bestimmte in der Anlage I, II aufgelistete Projekte formuliert. Mit Hilfe der Umweltverträglichkeitsprüfung als förmlichen Verfahren zur Identifizierung, Beschreibung und Bewertung von Umweltauswirkungen sollen schädliche Umweltbeeinträchtigungen frühzeitig und umfassend vor der Erteilung der Genehmigung oder Zulassung erkannt werden. Im Folgenden legt sie die wesentlichen Anforderungen an die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Mitgliedstaaten verbindlich fest.122 Die UVP-Richtlinie sah eine Umsetzungsfrist bis zum 03.07.1988 vor, deren Einhaltung der Bundesrepublik nicht gelang. Die Umsetzung auf Bundesebene erfolgte im Wesentlichen durch Gesetz vom 12.02.1990123, das in seinem Artikel 1 das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) enthält und in seinen Artikel 2 bis 12 Änderungen des Abfallgesetzes, des Atomgesetzes, des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, des Wasserhaushaltsgesetzes und des Bundesnaturschutzgesetzes sowie verschiedener Verkehrsgesetze regelt. Da außerdem nach Artikel 14 das UVPG auf bestimmte atomrechtlich und immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen erst nach einer Anpassung der dafür geltenden Genehmigungsverordnungen Anwendung finden sollte, wurde die Richtlinienumsetzung für diese Bereiche letztlich erst mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Atomrechtlichen Verfahrensordnung124 vom 11.11.1994 und der Verordnung zur Änderung der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes125 vom 20.03.1992 bewirkt. Schließlich wurde die Umsetzung für bergbaurechtliche Vorhaben ergänzt durch die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben126 vom 13.07.1990 und das Gesetz zur Änderung des Bundesbergbaugesetzes127 vom 12.02.1992. ___________ 121

Prelle, Verwaltungsgerichtliche Kontrolle, S. 67. Siehe dazu Bunge, in: HdUVP, 0060 (Einleitung), Rn. 6; Schink, StuGr 1992, 176 (176 f.). 123 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates v. 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/ EWG), BGBl. I 1990, S. 205. 124 BGBl. I 1994, S. 3455. 125 BGBl. I 1992, S. 536. 126 BGBl. I 1990, S. 1420. 127 BGBl. I 1990, S. 215. 122

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Mithin war allein auf Bundesebene eine umfangreiche gesetzgeberische Tätigkeit zur Umsetzung der UVP-Richtlinie erforderlich. Die dabei bestehenden konzeptionellen Probleme – wie aber auch die Widerstände gegen eine wirksame Umweltverträglichkeitsprüfung insbesondere aus Wirtschaftskreisen128 – sind als Gründe dafür zu nennen, dass bereits die bundesrechtliche Umsetzung mit mehr als sechsjähriger Verspätung erfolgte. Damit war die Richtlinie aber noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt, sondern es bestand auch in den Bundesländern noch Regelungsbedarf.129 Dies galt zunächst für den Bereich der landeseigenen Gesetzgebung, wo die Länder eine eigene vollständige Umsetzung der Richtlinie vorzunehmen hatten.130 Zu nennen sind hier beispielhaft das Landesstraßenrecht, die Baugenehmigungsverfahren nach den Landesbauordnungen sowie die Zulassungsverfahren etwa für Sand-, Kies- und Torfbauvorhaben.131 Darüber hinaus bestanden Verpflichtungen der Bundesländer aus rahmenrechtlichen Regelungen des Βundes, was insbesondere den Naturschutz und die Landschaftspflege, die Raumordnung und den Wasserhaushalt betraf.132 Schließlich hatten die Länder die verfahrensmäßige Ausgestaltung der Umweltverträglichkeitsprüfung einmal im Bereich der Anwendung ausschließlichen Landesrechts, zum anderen im Bereich des Bundesrechtes, soweit nicht der Bund eigene Regelungen getroffen hatte, unter Βeachtung der Vorgaben des UVP-Artikelgesetzes des Bundes durchzuführen.133 In der Praxis war aber zu beobachten, dass die Bundesländer mit ihrer Gesetzgebung sehr zögerlich waren.134 Überlegungen zur Umsetzung der Richtlinie unabhängig von der Gesetzgebung des Bundes wurden gar nicht angestellt, obschon den Ländern ausschließliche Umsetzungskompetenzen zustanden.135 Vielmehr kam beispielsweise eine mit der Frage der Umsetzung der UVPRichtlinie befasste Arbeitsgruppe im Land Rheinland-Pfalz schnell zu dem Ergebnis, dass ein Umsetzungskonzept vorrangig vom Bund geleistet werden ___________ 128 Feldmann, in: Handbuch Umweltrecht, § 34, Rn. 21; Hennecke, JbUTR 58 (2001), 193 (197); ders., JbUTR 1989, 117 (139, 143). 129 Ausführlich zu den Regelungskompetenzen der Länder Steinberg/Klößner, JbUTR 27 (1994), 481 (505 ff.). 130 Schink, StuGR 1992, 176 (177); Steinberg/Müller, NuR 1989, 277 (282). 131 Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 184; Steinberg/Müller, NuR 1989, 277 (280). Speziell zur Umsetzungsverpflichtung im Bereich des Landesstraßenrechts BVerwG, Beschluss v. 30.08.1995, NuR 1996, 198 (198). 132 Schink, ZG 2004, 1 (8); Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 184; Schink, StuGr 1992, 176 (177); Steinberg/Müller, NuR 1989, 277 (280). 133 Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 184; Steinberg/Klößner, JbUTR 27 (1994), 481 (490); Steinberg/Müller, NuR 1989, 277 (282); Schink, StuGr 1992, 176 (177). 134 Schink, ZG 2004, 1 (8). 135 Hennecke, JbUTR 1989, 117 (134).

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

167

müsse, dass die Landesgesetzgebung einem Leitbild des Bundes nur folgen könne und im Übrigen nur über marginale Kompetenzen verfüge.136 Allerdings wurden auch nach Erlass der bundesrechtlichen Regelungen längst nicht alle Länder gesetzgeberisch tätig. Bis Ende 2003 hatten lediglich Baden-Württemberg137, Nordrhein-Westfalen138, Berlin139, Hamburg140, Bayern141, Brandenburg142, Bremen143, Mecklenburg-Vorpommern144, Hessen145 und Sachsen-Anhalt146 eigene UVP-Gesetze erlassen. Im Übrigen beschränken sich beispielsweise die Maßnahmen von Baden-Württemberg, NordrheinWestfalen, Hamburg und Berlin im Wesentlichen auf die Wiedergabe oder die Bezugnahme auf das Bundesrecht.147 So ist nach Art. 1 § 1 UVPG NW für Vorhaben, für die auf Grund von Landesrecht eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, das UVPG des Bundes anzuwenden, soweit im UVPG NW nichts anderes bestimmt ist.148 In Berlin richtet sich gemäß § 1 UVPG-Bln das Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung für alle zu überprüfenden Vorhaben nach den Vorschriften des UVPG des Bundes i.V.m. dem UVPGBln. Das UVPG Hamburgs beschränkt sich inhaltlich auf eine einzige Bestim___________ 136

Hennecke, JbUTR 1989, 117 (135). Landesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates v. 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/ 337/EWG) v. 12.12.1991, GBl. 1991, Nr. 32, S. 848. 138 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates v. 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/ EWG) im Lande Nordrhein-Westfalen v. 29.04.1992, GVBl. 1992, Nr. 21, S. 175. 139 Berliner Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung v. 21.06.1992, GVBl. 1992, Nr. 34, S. 234. 140 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates v. 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/ EWG) in Hamburg v. 10.12.1996, GVBl. 1996, Nr. 49, S. 310. 141 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27.06.1995 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, geändert durch Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 03.03.1997, vom 27.12.1999, GVBl. 1999, Nr. 28, S. 532. 142 Gesetz zur Umsetzung der UVP-Richtlinie und der IVU-Richtlinie im Land Brandenburg und zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 10.07.2002, GVBl. 2002, S. 62. 143 Bremisches Landesgesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (BremUVPG) vom 28.05.2002, GVBl. 2002, S. 103. 144 Landes-UVP-Gesetz – LUVPG M-V vom 09.08.2002, BVOBl. M-V 2002, S. 631. 145 ÄnderungsG zum HessWG vom 18.06.2002, GVBl. 2002, S. 324. 146 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Land Sachsen-Anhalt und die Anpassung des Landesrechts vom 27.08.2002, GVBl. 2002, S. 371. 147 Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 188. 148 Ausführlich zum UVPG NW Schink, StuGR 1992, S. 176 ff. 137

168

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

mung, welche für alle nach Landesrecht UVP-pflichtigen Vorhaben die Anwendung des Bundesrechts vorsieht.

cc) Auswirkungen der Zweistufigkeit Die Aufteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern führt also bei der Umsetzung von EG-Richtlinien regelmäßig zu zeitlich hintereinander geschalteten Gesetzgebungsverfahren. Dies gilt in besonderem Maße dort, wo der Bund lediglich eine Rahmenkompetenz inne hat. Hier verfügen die Länder zwar über eine originäre Kompetenz zur Ausfüllung des Rahmenrechts. Andererseits sind sie bei der Ausfüllung von den Vorgaben des Rahmenrechts des Bundes abhängig. Durch das Abwarten der bundesgesetzlichen Rahmenregelung wird vermieden, dass der Landesgesetzgeber zunächst nach eigener Entscheidung die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts vornimmt und nach kurzer Zeit seine Regelung der inzwischen ergangenen Rahmenregelung anzupassen hat. Hinsichtlich der Umsetzung der EG-Richtlinien ist es für die Bundesländer also mit Blick auf den legislativen Aufwand zumindest unzweckmäßig, mit der Detailumsetzung zu beginnen, bevor der Bund das Rahmenrecht erlassen bzw. an die EG-Richtlinie angepasst hat.149 Zum anderen erlassen die Länder aber zumeist auch hinsichtlich derjenigen Bereiche der Richtlinie, für die sie originär zuständig sind und die nicht der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegen, keine Anpassungsgesetze, bevor der Gesetzgebungsakt des Bundes abgeschlossen ist. Grund dafür ist einerseits, dass den Ländern auf Grund der komplizierten Kompetenzverteilung des Grundgesetzes nicht erkennbar ist, welche Gesetzgebungsmaterien im Einzelnen konkret der landesgesetzlichen Umsetzung bedürfen. Andererseits ist es nicht unbedingt sinnvoll, für den landeseigenen Bereich ein Umsetzungskonzept zu entwickeln, bevor nicht der Bund mit dem Leitkonzept vorangegangen ist. So macht der Bund gerade im Bereich des integrierten Umweltschutzes meist solche Vorgaben, die von den Ländern dann im Bereich ihrer Gesetzgebung entsprechend übernommen werden können und nur in Teilbereichen modifiziert werden müssen. Die innere Harmonisierung des Rechts spricht aus Sicht der Länder dagegen, gerade in EU-relevanten Regelungsbereichen von den Verfahrens- und materiellen Vorschriften des Bundes abzuweichen und eigenständige landesrechtliche Regelungen dagegen zu setzen.150 So verständlich ein solches Abwarten der Länder ist, da ein zersplittertes Landes- und Bundesrecht häufig nicht sinnvoll erscheint, ist diese Vorgehens___________ 149 Schink, UPR 2004, 206 (209); Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (22); Müller, Umsetzungsprobleme, S. 38; Henneke, JbUTR 9 (1989), 117 (125). 150 Schink, UPR 2004, 206 (209); Henneke, JbUTR 9 (1989), 117 (125).

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

169

weise doch mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren. Unabhängig von der Umsetzung durch den Bund müssen die Länder ihren europarechtlichen Verpflichtungen nachkommen, wenn sie nach den Art. 72 ff. GG für einen Aufgabenbereich zuständig sind.151 Zudem führt diese Vorgehensweise der zeitlich hintereinander geschalteten Gesetzgebungsverfahren bei den fristgebundenen Umsetzungen von EG-Recht – üblicherweise gilt für Richtlinien eine Umsetzungsfrist von zwei Jahren152 – zu kaum zu bewältigenden Zeitproblemen. In der Regel beansprucht schon der Bund für den Erlass der bundesgesetzlichen Regelung die Umsetzungsfrist zu einem großen Teil bzw. in Gänze, so dass für die darauf folgende Landesgesetzgebung kaum mehr Zeit verbleibt. Auch wenn dies dem Bund zumeist nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, weil ein umzusetzender Gemeinschaftsrechtsakt tiefgreifende Änderungen bestehender Strukturen erfordern und damit den Prozess der Umsetzung äußerst komplex machen kann, bleibt für die Länder das Problem, dass sie unter immensen Zeitdruck geraten, der auch der Qualität ihrer Umsetzungsmaßnahmen kaum förderlich ist. Erforderlich wäre demnach, dass die Länder ihre eigenen Umsetzungsaktivitäten schon ab Beginn der Umsetzungsfrist auch in Eigeninitiative engagierter vorantreiben, um so eine ordnungsgemäße und vor allem rechtzeitige Umsetzung sicherzustellen. Schließlich führt die starke Orientierung der Länder an den Umsetzungsmaßnahmen des Bundes dazu, dass bestehende Umsetzungsspielräume nicht genutzt werden. Dies droht die Implementierung von Richtlinien auf Landesebene zu einer aus föderalistischer Sicht wertlosen Wiederholungsgesetzgebung zu degradieren.

d) Skepsis gegenüber dem Gemeinschaftsrecht Darüber hinaus hat es sich hierzulande, insbesondere auch in den Bundesländern, eingebürgert, der Richtlinienumsetzung sehr kritisch gegenüberzustehen.153 Einer der Gründe mag der Tatsache zuzuschreiben sein, dass sich die Richtlinien zunehmend durch eine große Detailliertheit und Regelungsdichte auszeichnen, so dass der Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers gegen

___________ 151

Schink, ZG 2004, 1 (5); Louis/Engelke, BNatSchG, § 19a, Rn. 5. Müller, Umsetzungsprobleme, S. 39. 153 Jarass, DVBl. 2000, 945 (950); Wasielewski, NVwZ 2000, 15 (15); Wahl, FS Willi Blümel, S. 637; Rengeling/Gellermann, JbUTR 53 (1996), 1 (4); Hilf, EuR 1993, 1 (3). 152

170

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Null tendiert.154 In vielen Fällen ähnelt gerade die Rolle des Landesgesetzgebers bei der Umsetzung von Richtlinien eher der eines Notars, d.h. dass auf EUund Bundesebene getroffene Regelungen lediglich in die Form des innerstaatlichen Gesetzes gegossen werden müssen.155 Dies führt in den Ländern teilweise zu Verdruss.156 Allerdings ist ihnen insofern auch vorzuwerfen, dass sie selbst die ihnen verbleibenden Spielräume häufig nicht nutzen, sondern es vorziehen, auf Regelungen der Bundes zu verweisen.157 Hinzu kommt, dass dem Gemeinschaftsrecht dort, wo es sich von den deutschen Rechtskonzeptionen und Regelungen unterscheidet, mit der Begründung, dass es inhaltlich Probleme aufweise oder dem nationalen Recht unterlegen sei, möglichst wenig Beachtung geschenkt wird.158 Beispielhaft kann hierfür wiederum der Umsetzungsprozess der UVP-Richtlinie angeführt werden. Man stand der Richtlinie ausgesprochen reserviert gegenüber und hat um jeden Aspekt des Anwendungsbereichs „gekämpft“ mit dem Ziel, in möglichst vielen Bereichen von der Richtlinie nicht tangiert zu werden.159 Es ist zwar zuzugeben, dass die Umsetzung von EG-Richtlinien häufig durch die rechtstechnischen und rechtssystematischen Unzulänglichkeiten des EGRechts erschwert wird. Diese sind Folge der Tatsache, dass die europäische Rechtssetzung den Einflüssen unterschiedlicher Rechtstraditionen unterliegt und außerdem die am Rechtssetzungsprozess beteiligten Organe im Interesse eines Kompromisses zu unklaren und weit auslegbaren Formulierungen neigen.160 Letztlich dürften diese Probleme jedoch mittlerweile bekannt und der Umgang mit ihnen deshalb möglich sein. Ein weiterer Grund für die unzureichende Offenheit gegenüber dem EGRecht ist aber darin zu sehen, dass es nationalen Fachleuten schwer fällt, Konzepte zu akzeptieren, die in anderen Ländern entwickelt wurden und nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprechen. Sie neigen zu sehr dazu, allein die einhei___________ 154 Nicklas, Implementationsprobleme, S. 50; Winkel, ZG 1997, 113 (119); Risse, Germany’s federal state organization, S. 137. 155 Als allgemeines Problem sieht dies Winkel, ZG 1997, 113 (120). 156 Nemitz, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 16. 157 Dies war beispielsweise bei der Umsetzung der UVP-Richtlinie (Richtlinie 85/ 337/EWG des Rates v. 27.06.1985) der Fall. Siehe dazu schon D. II. 4. c) bb). Ähnliches gilt auch für die UVP-Änderungsrichtlinie (Richtlinie 97/11/EG des Rates v. 03.03. 1997), vgl. dazu Kunert/Michael, UPR 2003, 326 (335). 158 Jarass, DVBl. 2000, 945 (950); Rengeling/Gellermann, JbUTR 53 (1996), 1 (5). Bohne, Entwicklungstendenzen, S. 276 spricht sogar von einem larmoyanten Unverständnis und einer sturen Abwehrhaltung. 159 Jarass, DVBl. 2000, 945 (950); Steinberg, AöR 120 (1995), 549 (555). 160 Jarass, DVBl. 2000, 945 (951); Nicklas, Implementationsprobleme, S. 51; Rengeling/Gellermann, JbUTR 53 (1996), 1 (14); Hansmann, NVwZ 1994, 320 (321).

II. Bereiche mit Umsetzungsproblemen

171

mischen Lösungen für überzeugend zu halten. Folge davon ist, dass die Nachteile von Gemeinschaftsvorhaben zum Teil völlig überzogen dargestellt werden, etwa wenn ein Bundesministerium behauptet, dass die Umweltinformationsrichtlinie allein in seinem Bereich ca. 200 neue Planstellen erfordert oder Landesverwaltungen davon ausgehen, dass 30 % des Personals durch die Beantwortung von Fragen nach der Richtlinie gebunden sein werden.161 Ebenso wurde im Zusammenhang mit der Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie162 die Vermutung geäußert, dass die Länder in ihrer Folge einen so großen zusätzlichen Verwaltungsaufwand verkraften müssten, dass die Einstellung weiterer Mitarbeiter erforderlich werde. Da die aktuelle finanzielle Situation der Länder dies nicht zulasse, sei es notwendig, den Anwendungsbereich der Umweltverträglichkeitsprüfung möglichst sinnvoll zu begrenzen. 163 Viele Umsetzungsverfahren zeichnen sich demnach gerade auf Landesebene durch den Versuch aus, so viel wie nur möglich so zu belassen wie bisher. Besonders groß ist der Unwille in den Bundesländern, Richtlinien umzusetzen, wenn die Transposition in nationales Recht als sachlich sinnlos erscheint. Es kann vorkommen, dass ein Land das Ziel einer Richtlinie auf keinen Fall verwirklichen kann. In der Literatur wird für diese Fälle teilweise eine Ausnahme dergestalt angenommen, dass dann eine Befreiung von der Umsetzungsverpflichtung stattfindet.164 Die Rechtsprechung des EuGH dagegen ist hierzu im Grundsatz klar: Ein föderal organisierter Mitgliedstaat hat seine Umsetzungsverpflichtung erst dann erfüllt, wenn alle Länder ausnahmslos – soweit ihre Mitwirkung erforderlich ist – umgesetzt haben.165 Dennoch haben die deutschen Länder sowohl bei den Seehafenrichtlinien166 als auch in jüngster Zeit bei der sog. Seilbahnrichtlinie167 mit Berufung auf die Unsinnigkeit derartiger Regelungen in ihrem Gebiet die Umsetzung teilweise . ___________ 161

Jarass, DVBl. 2000, 945 (951); Bohne, Entwicklungstendenzen, S. 272. Richtlinie 97/11/EG der Rates v. 03.03.1997 (ABl. 1997 L 73, S. 5) über die Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. 163 Kunert/Michael, UPR 2003, 326 (328). Zur Kritik im Zusammenhang mit der Umsetzung der UVP-Richtlinie vgl. Steinberg, AöR 120 (1995), S. 549 (552 ff.). 164 Schroeder, in: Streinz, Art. 249 EG, Rn. 74, 81; Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht, S. 106 f. 165 EuGH, Urt. v. 15.03.1990, Rs. 339/87, Slg. 1990, 884 (886) – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Königreich der Niederlande; Schroeder, in: Streinz, Art. 249 EG, Rn. 81; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 47; Wölk, Umsetzung von Richtlinien, S. 35. 166 Richtlinie 93/75/EWG des Rates v. 13.09.1993 (ABl. 1993 L 247, S. 19) über Mindestanforderungen an Schiffe, die Seehäfen der Gemeinschaft anlaufen oder aus ihnen auslaufen und gefährliche oder umweltschädliche Güter befördern. 167 Richtlinie 2000/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.03.2000 (ABl. 2000 L 106, S. 21) über Seilbahnen für den Personenverkehr die in den Erwägun162

172

D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

Die Zuständigkeit hinsichtlich der Seilbahnrichtlinie liegt nach Art. 70 GG ausschließlich bei den Ländern. Obschon die Richtlinie bis zum 03.05.2002 umzusetzen war, ist dies bis heute noch nicht in allen Bundesländern geschehen. Die Gründe dafür sind nachvollziehbar: Unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung überflüssiger Gesetzgebung ist es verständlich, dass die Länder, die weder entsprechende Seilbahnen haben, noch auf Grund ihrer Topographie in Zukunft haben werden, sich weigern, Umsetzungsgesetze zu erlassen, die weitgehend ins Leere laufen.168 Dennoch ist allein entscheidend, dass nach der Rechtsprechung des EuGH in diesen Fällen Umsetzungszwang besteht.169 Die Verweigerung der Länder ist demnach rechtsstaatlich inakzeptabel. Die aufgezeigte Skepsis auf Bundes- wie besonders auch auf Landesebene gegenüber den Konzepten von EG-Richtlinien erschwert ebenfalls eine fristgerechte Umsetzung in nationales Recht. Gerade in einem föderal strukturierten Staat, wo die Transposition aus Gründen der Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern sowieso schon problematischer ist als in einem Zentralstaat, ist es erforderlich, dass man den Lösungen des Gemeinschaftsrechts – auch wenn sie dem nationalen System fremd sind – aufgeschlossen gegenübertritt und mit den Umsetzungsarbeiten zum frühestmöglichen Zeitpunkt beginnt.170

___________ gen (1) und (2) durchweg – allerdings nicht ausschließlich – auf den Betrieb in Bergregionen abstellt. 168 Westbomke, EurUP 2004, 122 (124 f.). 169 Dem in diesen Fällen dennoch bestehenden Zwang zur Umsetzung ist das Land Berlin mit entsprechenden Kommentierungen in den Medien nachgekommen: Berliner Zeitung vom 03.12.2003 (Seilbahnen für Berlin!); Tagesspiegel vom 03.12.2003 (AmtsPosse: Berlin hat jetzt ein Gesetz für Seilbahnen); SZ vom 03.12.2003 (Berlins Seilbahn wäre sicher – Obwohl es keine gibt, muss die Hauptstadt ihren Betrieb regeln), zitiert nach Westbomke, EurUP 2004, 122 (125, Fn. 18). 170 Abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Richtlinienumsetzung, welche in der bundesstaatlichen Struktur Deutschlands begründet sind, gibt es weitere Gründe für die Umsetzungsprobleme: Erschwerend ist zum einen, dass die Möglichkeiten der Bundesregierung, EG-Richtlinien im Wege von Rechtsverordnungen umzusetzen, nicht erweitert worden sind. Andere Mitgliedstaaten haben in dieser Hinsicht viel weitergehende Möglichkeiten. In Großbritannien werden Richtlinien fast ausschließlich über den Weg der Rechtsverordnung umgesetzt. In Italien sieht das sog. „Legge La Pergola“ vor, dass jährlich mittels eines eigenen Gesetzes die Umsetzungsart für alle in diesem Jahr zu übernehmenden Richtlinien festgelegt wird, vgl. dazu Winkel, ZG 1997, 113 (116). Zur Rechtslage in Italien Morisi, L’attuazione delle directive CE in Italia. Darüber hinaus sehen sich die für die Vorbereitung der Regierungsentwürfe verantwortlichen Bundesressorts trotz der großen Anzahl der umzusetzenden Richtlinien seit Jahren mit einer Verringerung ihrer Personalressourcen konfrontiert. In dieser permanenten Knappheitssituation kann deshalb die ressortinterne Prioritätensetzung zwischen der Verfolgung wichtiger innenpolitischer Ziele und der Erfüllung der gemeinschaftlichen Verpflichtungen schwierig werden, vgl. Winkel, ZG 1997, 113 (116).

III. Zusammenfassung und Bewertung

173

III. Zusammenfassung und Bewertung Insgesamt ist festzuhalten, dass Deutschland bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht größere Schwierigkeiten hat als die meisten anderen Mitgliedstaaten. Zwar hat sich die Umsetzungsquote in den letzten Jahren auch in Deutschland verbessert, jedoch nicht in dem Maße wie dies in der Europäischen Union insgesamt geschehen ist. Es ist jedoch nicht feststellbar, dass die Umsetzungsquoten in den Bereichen, in denen innerstaatlich die Gesetzgebungskompetenz den Ländern zusteht, besonders schlecht sind. Vielmehr verursachen die Länder nur wenige Fristüberschreitungen unmittelbar. Allerdings erschweren die föderalen Strukturen, insbesondere die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern, die Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales Recht teilweise erheblich. Zum einen führt die komplexe Kompetenzverteilung des Grundgesetzes dazu, dass die Regelung eines bestimmten, in einer EG-Richtlinie behandelten Themas vielfach Abgrenzungsprobleme grundsätzlicher Art hinsichtlich der Frage, welche Kompetenztitel inhaltlich zur Umsetzung heranzuziehen sind, hervorruft. Zum anderen schließt sich im Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes noch die weitere Prüfung an, ob und inwieweit eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist. Zusätzlich wird der Umsetzungsprozess dadurch verzögert, dass dort, wo der Bund nur Teilbereiche eines gemeinschaftsrechtliches Rechtsaktes regeln kann, eine zeitlich parallele Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern nur in ganz seltenen Ausnahmefällen stattfindet. Die Regel ist, dass die Bundesländer mit der innerstaatlichen Umsetzung abwarten, bis der Bund seine Gesetzgebung abgeschlossen hat. Die deutsche föderalistische Kompetenzordnung ist demnach nur unzureichend auf die Anforderungen der Umsetzung von EG-Richtlinien vorbereitet. Die Richtliniengesetzgebung wird als nationaler Rechtsetzungsakt betrachtet und folgt deshalb ausschließlich nationalen Regelungen. Die Umsetzungsgesetzgebung ist jedoch ein besonderer Typ der Gesetzgebung, die nicht allein deutscher Disposition unterliegt, sondern inhaltlich wie zeitlich gebunden ist. Insbesondere die Fristgebundenheit ist ein schwerwiegender Grund gegen die interne Aufteilung der Umsetzung auf mehrere Gesetzgebungsakte zwischen Bund und Ländern. Insofern ist aus der Perspektive der Länder ein stetig wachsender Zentralisationsdruck unübersehbar. Dies gilt in besonderem Maße für Bereiche, in denen Umsetzungsregelungen durch einen hohen Grad an gemeinschaftsrechtlicher Determinierung oft schon bis ins Detail vorgeformt sind. Wenn den Mitgliedstaaten von der Europäischen Union – wenn überhaupt – nur minimale Gestal-

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D. Die Ländermitwirkung bei der Rechtsumsetzung in der Praxis

tungsspielräume eingeräumt werden, ist eine innerstaatliche Ausführung durch (je nach Kompetenzlage) 16 oder 17 notwendigerweise praktisch inhaltsgleiche Gesetze weder föderalistisch sinnvoll noch praktisch rechtfertigbar. Vor allem die den Sinn jeder Landesgesetzgebung ausmachende Möglichkeit regionaler Differenzierung kann hier nicht mehr genutzt werden.

E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung Anders als bei der Richtlinienumsetzung durch die Bundesländer gibt es für den Bereich der Mitwirkung der Länder gemäß Art. 23 GG kaum Vorschläge, wie den dort festgestellten Problemen zu begegnen ist. Ausgangspunkt eines Lösungsansatzes sollte das obige Ergebnis sein, dass es zur Durchsetzung nationaler Interessen auf europäischer Ebene wichtig ist, dass Deutschland zum einen auf Vorschläge und Planungen im Rahmen der Europäischen Union reagiert, bevor die grundlegenden Entscheidungen gefallen sind und sich zum anderen auf veränderte Verhandlungslagen schnell einstellt, um die Kompromissfindung nicht zu erschweren.

I. Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG 1. Problemlage Im Zusammenhang mit Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG ist es bislang trotz der in jedem Fall der Übertragung von Hoheitsrechten erforderlichen Zustimmung des Bundesrates nicht zu Blockaden des Integrationsprozesses gekommen. Dies könnte dafür sprechen, Art. 23 Abs. 1 GG so wie bisher beizubehalten. Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass es zwischen Bundesregierung und Bundesrat auch in der Vergangenheit durchaus Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der Mitwirkung des Bundesrates gab. Diese haben nur deshalb nie zu größeren Problemen geführt, weil bislang immer inhaltliche Einigkeit bestand. Da dies aber in Zukunft nicht mehr unbedingt zu erwarten ist – genannt sei der denkbare Beitritt der Türkei zur Europäischen Union – muss für die Zukunft mit größeren Auseinandersetzungen gerechnet werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Bundesrat, wenn er inhaltlich nicht mit der Bundesregierung übereinstimmt, auf sein Zustimmungsrecht, gegebenenfalls sogar mit Zweidrittelmehrheit gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG, verzichtet. Die dann drohenden Blockaden des europäischen Integrationsprozesses sprechen daher für eine Änderung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union.

176

E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung

2. Lösungsansatz Die einfachste Lösung wäre sicherlich eine Modifizierung von Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG dahingehend, dass eine Zustimmung des Bundesrates zu dem die Hoheitsrechte übertragenden Gesetz nicht mehr erforderlich ist. Damit müsste lediglich der Bundestag der Hoheitsrechtsübertragung zustimmen, wovon auf Grund der Unterstützung der Regierung durch die Mehrheitsfraktionen des Bundestages regelmäßig auszugehen ist. Dadurch verringerte sich der Abstimmungsbedarf erheblich und Blockadesituationen wegen einer Zustimmungsverweigerung des Bundesrates wären ausgeschlossen. Allerdings gilt es auch zu beachten, dass angesichts des erreichten Integrationsstandes die Übertragung weiterer Hoheitsrechte auf die Union regelmäßig eine starke Betroffenheit der Länder auslöst.1 Schon in der Vergangenheit wurden zahlreiche Zuständigkeiten der Länder auf die Europäische Union übertragen. In Zukunft wird dies wegen der Ausweitung der Politikbereiche der Gemeinschaft noch verstärkt der Fall sein. Durch das Zustimmungserfordernis des Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG werden diese zahlreichen Kompetenzverluste der Länder aber teilweise kompensiert. Schon aus diesem Grund erscheint es zweifelhaft, ob im föderalen Gefüge der Bundesrepublik die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union ohne eine Beteiligung des Bundesrates vertretbar ist. Hinzu kommt, dass eine Entscheidung über die Übertragung von Hoheitsrechten zumeist von erheblicher Bedeutung ist. Durch eine Änderung der Verträge der Gemeinschaften oder die Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten wird zugleich die weitere Entwicklung der Union für die Zukunft festgelegt. Es handelt sich üblicherweise um grundlegende Entscheidungen, die zudem nicht einfach rückgängig gemacht werden können. Auch angesichts dieser besonderen Bedeutung für den Integrationsprozess sollte die Hoheitsrechtsübertragung in Deutschland von einer möglichst breiten Zustimmung getragen werden, die insbesondere den Bundesrat als das Organ, über welches die Länderinteressen artikuliert werden, einschließt. Nur so ist eine Unterstützung des Integrationsprozesses auch durch die staatlich-demokratischen Binnenstrukturen realisierbar. Mithin ist eine Modifizierung von Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG dahingehend, dass eine Zustimmung des Bundesrates bei der Übertragung von Hoheitsrechten nicht mehr zu erfolgen hat, abzulehnen. Denkbar ist es dagegen, das Zustimmungserfordernis des Bundesrates davon abhängig zu machen, dass Zuständigkeiten der Länder übertragen werden oder dass grundgesetzlich anderweitig als zustimmungsbedürftig klassifizierte Gebie___________ 1 So auch die Bundesregierung in ihrer Begründung zum Gesetzentwurf, vgl. BTDrs. 12/3338, S. 7; Schmalenbach, Gemeinsame Verfassungskommission, S. 87.

I. Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG

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te betroffen sind.2 Eine solche Vorschrift würde dem Kompensationsgedanken in besonderer Weise gerecht, da eine Mitwirkung der Länder über den Bundesrat immer dann stattfände, wenn sie Kompetenzverluste erlitten hätten. Fraglich ist aber, ob eine solche Vorschrift in der Praxis ausreichend praktikabel wäre. In Anbetracht der Schwierigkeiten, die schon jetzt bei der Auslegung von Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG hinsichtlich der Fragen bestehen, ob überhaupt Hoheitsrechte übertragen werden und ob diese außerdem eine Grundgesetzänderung bedingen, ist zu befürchten, dass die Abhängigkeit des Zustimmungserfordernisses von der Übertragung von Länderkompetenzen zu weiteren Auslegungsproblemen führt. Die Hoheitsrechtsübertragung von den Mitgliedstaaten auf die Europäische Union orientiert sich nicht an der innerstaatlichen Kompetenzverteilung, so dass eine eindeutige Zuordnung zu den Kompetenzen des Bundes bzw. der Länder kaum möglich sein wird. Damit wären aber ähnliche Meinungsverschiedenheiten, wie sie jetzt schon im Rahmen des Art. 23 Abs. 5 und 6 GG über die Mitwirkung der Bundesländer bestehen, vorprogrammiert. Im Ergebnis würde damit die Gefahr von Blockaden des Integrationsprozesses durch eine solche Regelung nicht beseitigt. Letztlich wird deshalb die Regelung des Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG trotz der bestehenden Schwierigkeiten auch in Zukunft so wie bisher beibehalten werden müssen. Um auch zukünftig selbst bei inhaltlichen Differenzen einen einigermaßen zügigen Zustimmungsprozess zu gewährleisten, sollten aber wenigstens die bestehenden Auslegungsprobleme verbindlich geklärt werden. Dies gilt zum einen für die Frage, wann eine Hoheitsrechtsübertragung zu bejahen ist. Bekanntermaßen bejaht der Bundesrat eine solche auch bei einem Beitritt weiterer Mitgliedstaaten sowie beispielsweise bei der Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im Rat. Zum anderen muss zwischen Bundesregierung und Bundesrat auch festgelegt werden, ob als Folge einer Hoheitsrechtsübertragung immer auch eine Grundgesetzänderung zu bejahen ist, die das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit hervorruft. Mit einer Klärung dieser Fragen sollte nicht gewartet werden bis sie in der Praxis relevant werden, da dann der Integrationsprozess ins Stocken geriete. Zudem sollte das Ergebnis auf einfachgesetzlicher Ebene, möglicherweise im EUZBLG, festgehalten werden. Gegen eine Verankerung in Art. 23 Abs. 1 GG spricht die schon jetzt bestehende extreme Detailliertheit dieser Vorschrift, welche für das Grundgesetz ungewöhnlich ist. Des Weiteren hat eine einfachge-

___________ 2 So etwa Nemitz, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 12 f.

178

E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung

setzliche Regelung den Vorteil, dass sie einfacher abgeändert werden kann, wenn sie sich in der Praxis nicht bewähren sollte.3

II. Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG An Informationsdefiziten ist eine effektive Mitwirkung der Länder in EUAngelegenheiten in der Vergangenheit vergleichsweise selten gescheitert.4 Dennoch sind einige Verbesserungsmöglichkeiten vorhanden.

1. Gewährleistung rechtzeitiger und umfassender Information Hinsichtlich der Informationspflicht ist für die Zukunft einerseits zu gewährleisten, dass die Informationen den Bundesrat und die Länder ausnahmslos rechtzeitig erreichen. Erklärtes Ziel ist es, ihnen Informationen im Rahmen des Ländermitwirkungsverfahrens zukünftig möglichst aktuell zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist für September 2005 die Inbetriebnahme des elektronischen EU-Dokumenteninformationssystems „EUDISYS“ geplant.5 Dieses zielt darauf ab, Bundesrat und Länder tagesaktuell über die Entwicklungen im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten. Der bisherige Papierversand der EUDokumente soll durch eine elektronische Weiterleitung ersetzt werden. Dadurch wird sich allerdings nichts am Weg der Information ändern, d.h. die Dokumente werden über den Bundesrat an die Länder weitergeleitet. Dringlicher im Zusammenhang mit dem Bemühen um eine rechtzeitige Unterrichtung des Bundesrates und der Länder ist allerdings die allein im Einflussbereich der Länder liegende Beschleunigung und Verbesserung der Berichterstattung von Ländervertretern in EU-Gremien. Hier liegen die wesentlichen Mängel im Informationsbereich. Die Information durch die Ländervertreter sollte in Zukunft zeitnah per E-Mail und direkt an alle besonders betroffenen Länderstellen erfolgen.6 Hinsichtlich des Umfangs ist eine Ausdehnung der Unterrichtung nur in Einzelbereichen notwendig: Zu nennen sind hierbei insbesondere die Bereiche

___________ 3 Für eine einfachgesetzliche Regelung der Länderbeteiligung auch Benz, Drs.Bundesstaatskommission 0043, S. 1. 4 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 304. 5 Information des Ausschusses des Bundesrates für Fragen der Europäischen Union v. 13.06.2005. 6 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 303.

II. Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG

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informelle Informationen (non-papers etc.) und förmliche Initiativen anderer Mitgliedstaaten.7

2. Selektion der Informationen Fraglich ist allerdings, ob der Bundesrat und insbesondere die Länder überhaupt in der Lage sein werden, die Menge der zu erwartenden Informationen zu verarbeiten, die in der europäischen Politik produziert werden.8 Im Rahmen des Informationssystems werden sie Zugang zu allen Dokumenten haben; hinzu kommen die ergänzenden Informationen des ländereigenen Informationsbeschaffungssystems. Zudem steht zu erwarten, dass die Aktivitäten der Gemeinschaft noch weiter zunehmen werden, womit zugleich eine Zunahme der EUDokumente einhergeht. Für eine wirksame Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte ist es aber ganz entscheidend, dass Bundesrat und Länder gerade über die sie betreffenden EU-Angelegenheiten ausreichend informiert sind. Ob sie aber immer in der Lage sein werden, schnell unwichtige von wichtigen Dokumenten zu unterscheiden, ist – auch in Anbetracht der häufig ungewohnten Darstellungsform der in den EU-Institutionen produzierten Dokumente9 – zu bezweifeln. Gerade bei sehr umfangreichen und komplexen Vorlagen stellt sich die Frage einer angemessenen Behandlung, da manche auf den ersten Blick eher technischen EU-Vorlagen in der weiteren Entwicklung ganz erhebliche politische Bedeutung erlangen können, ohne dass dies von Anbeginn deutlich wird.10 Eine qualitativ hochwertige Filterung und Kommentierung von EU-Informationen setzt deshalb erhebliche Fachkenntnisse voraus.11 Deshalb ist es wichtig, dass auf den Zwischenschritt der Sichtung durch das Büro des EU-Ausschusses des Bundesrates nicht verzichtet wird.12 Im Gegenteil erscheint es sogar wünschenswert, dass dieses zusätzlich noch mit der Kommentierung der eingehenden Dokumente mit Blick auf die Relevanz für die

___________ 7

Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 304. Zweifelnd auch Benz, Drs.-Bundesstaatskommission 0043, S. 12; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 304. Ebenso wird im Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 22 die Auswahl der wesentlichen Informationen als zentrales Problem genannt. 9 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 41. 10 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 20. 11 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 369. 12 Information des Ausschusses des Bundesrates für Fragen der Europäischen Union v. 21.06.2005. 8

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E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung

Länder betraut wird.13 Es müsste dazu aber personell besser ausgestattet werden.14 Zu denken wäre dann beispielsweise an die Schaffung von Unterausschüssen des EU-Ausschusses des Bundesrates, welche die Sichtungs- und Kommentierungsfunktion übernehmen.15 Wie genau die Informationsgewinnung und Einordnung stattfindet, muss aber nicht auf Verfassungsebene geregelt werden, vielmehr genügt eine einfachgesetzliche Regelung im EUZBLG. Allein die Grundzüge der Informationspflicht sollten wie bisher im Grundgesetz verankert bleiben.

III. Art. 23 Abs. 5 GG 1. Problemlage Die Mitwirkung der Länder über den Bundesrat durch die Abgabe von Stellungnahmen stellt sich – wie gezeigt – insbesondere dann als problematisch dar, wenn der Fall einer maßgeblichen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG vorliegt bzw. dessen Vorliegen vom Bundesrat behauptet wird. Durch die Diskussionen darüber, ob die Voraussetzungen für eine qualifizierte Mitwirkung des Bundesrates gegeben sind und durch das Weitergeben der Regelungsfragen an die Länder wird ein geschlossenes und frühzeitiges Auftreten Deutschlands auf EU-Ebene, bevor die eigentliche Entscheidung gefallen ist, verhindert und in der Folge eine Durchsetzung deutscher Interessen im Ministerrat erschwert. Besonders gilt dies, wenn die Bundesregierung unter Vorbehalt verhandeln muss, weil noch nicht klar ist, wie die Stellungnahme des Bundesrates ausfallen wird. Sehr problematisch ist eine effektive Einbringung der deutschen Vorstellungen auch dann, wenn der Bundesrat einen Beharrungsbeschluss fasst oder zu fassen droht, weil dadurch ein Verhandeln, welches flexibel auf sich ändernde Verhandlungslagen und sich abzeichnende Kompromisse reagiert, sehr erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht wird. Zudem wird die Position Deutschlands durch diese mögliche Bindung der Bundesregierung an die Interessen der Länder weniger berechenbar, wodurch auch die Zuverlässigkeit Deutschlands als Koalitionspartner in Frage gestellt wird. Auf Grund des komplizierten und aufwändigen Mitwirkungsverfahrens in Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG war es der Bundesrepublik in der Vergangenheit häufig ___________ 13

Im britischen Unterhaus hat man diese Aufgabe einem eigenen Ausschuss übertragen – dem European Scrutiny Committee –, der über die Art und Weise der Behandlung von Vorlagen befindet. 14 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 304. 15 Ähnlich auch Benz, Drs.-Bundesstaatskommission 0043, S. 12.

III. Art. 23 Abs. 5 GG

181

nicht möglich, ihre Interessen in Brüssel effektiv durchzusetzen. Dies galt auch für die Länderinteressen, die durch das Verfahren der qualifizierten Mitwirkung eigentlich geschützt werden sollen. Letztlich ist die Mitwirkung der Länder in den Art. 23 Abs. 5 und 6 GG viel zu sehr auf die Entscheidungsphase auf europäischer Ebene zugeschnitten, in welcher die Mitwirkung der Länder aber weder ausreichend noch notwendig ist, um ihre Vorstellungen einzubringen.16 Viel wichtiger ist es, bereits in der Planungs- und Verhandlungsphase Einfluss zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt lassen sich nationale Interessen viel effektiver vortragen, und die Bildung von Koalitionen ist noch möglich.17 Dagegen ist ein endgültig vorgelegter Kommissions-Vorschlag nur schwer abänderbar. Zum einen ist eine Änderung politisch schwierig, da der Vorschlag häufig einen Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen und Positionen darstellt.18 Zum anderen ist eine Änderung gegen den Widerstand der Kommission aber auch rechtlich problematisch, da hohe Mehrheiten für eine Abänderung gegen ein Kommissions-Votum erforderlich sind, vgl. Art. 251 Abs. 3 EG.19 Es muss also ein Weg gefunden werden, der es ermöglicht, dass die Mitwirkung der Länder die Verhandlungen der Bundesregierung in Brüssel nicht mehr behindert und der zugleich eine rechtzeitige Einbringung der deutschen Interessen – einschließlich der Länderinteressen – schon in der Vorschlagsphase gewährleistet.

2. Lösungsansatz Behält man dies im Auge, ist eine Streichung der Mitwirkungsregelung, wie sie jetzt in Art. 23 Abs. 5 GG vorgesehen ist, gut begründbar. Den Länderinteressen sollte schon frühzeitiger und außerdem unterhalb der europäischen Handlungsebene in einem internen Kooperationsverfahren Rechnung getragen werden.20 Insbesondere muss eine Bindung der Bundesregierung an die Auffassung des Bundesrates, wie sie bisher in Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG verankert ist, ausgeschlossen sein, will man die nötige Flexibilität im Rahmen der Verhandlungen gewährleisten.21

___________ 16

Ähnlich auch Schneider, Drs.-Bundesstaatskommission 0042, S. 5. Ähnlich auch Schwall-Düren, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 4. 18 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 41; Pernice, Umweltgerechte Kompetenzordnung, S. 3. 19 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 41. 20 So auch Schneider, Drs.-Bundesstaatskommission 0042, S. 4. 21 Ebenso Schwall-Düren, Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 130 (B); Meyer, ebenda, S. 155 (D); Scharpf, Stenographischer Bericht, 3. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 12.12.2003, S. 66 (C). 17

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E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung

a) Keine Bindung an Stellungnahme Mithin sollte sich in Zukunft die Pflicht des Verhandlungsführers in Brüssel nur noch auf eine einfache Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundesrates beschränken, unabhängig davon, ob durch ein Vorhaben der Europäischen Union nur die Interessen der Länder berührt sind oder aber eine Betroffenheit der Gesetzgebungs- oder Verwaltungskompetenzen der Länder im Schwerpunkt vorliegt. Dies hätte zum einen den Vorteil, dass in der Regel Abgrenzungsprobleme hinsichtlich der Art und Weise der Mitwirkung der Bundesländer vermieden werden dürften, was wiederum Zeitvorteile mit Blick auf die Positionierung Deutschlands in Brüssel mit sich brächte. Zum anderen könnte die Verhandlungsführung mangels Bindung an die Stellungnahmen flexibel auf sich ändernde Verhandlungssituationen und sich abzeichnende Kompromisse reagieren.

b) Schaffung eines permanenten Gremiums Damit die Abgabe der Stellungnahmen so rechtzeitig erfolgt, dass sie der Verhandlungsführung schon während der Verhandlungsphase in den Ratsarbeitsgruppen und den Beratungsgremien der Kommission und damit deutlich vor den abschließenden Verhandlungen im Ministerrat zur Kenntnis gelangen, müsste ein ständiges Bundesratsgremium eingerichtet werden.22 In Anbetracht des Erfordernisses schneller Entscheidungen spräche zudem viel dafür, dass dieses ständige Gremium anstelle des Bundesrates entscheidungsbefugt ist, also eine echte Organstellung inne hat.23 Dieses kontinuierlich tagende Gremium könnte die Planungen der Europäischen Union permanent inhaltlich verfolgen, so dass im Falle sich abzeichnender Änderungen der Verhandlungslage bzw. sich abzeichnender Kompromisse und Entscheidungen nicht erst eine zeitaufwändige Information durch die Verhandlungsführung und langwierige inhaltliche Diskussionen in den Ländern, den Ausschüssen des Bundesrates und im Bundesratsplenum stattfinden müssten. Vielmehr wäre ein ständiges Gremium viel eher als der Bundesrat in der Lage zu reagieren und seine Meinung zu den Vorschlägen in Brüssel der Verhandlungsführung so rechtzeitig mitzuteilen, dass sie noch Auswirkungen auf den Verhandlungsprozess haben könnte. Weiterhin sollte die personelle Kontinuität auch zu steigender fachlicher Kompetenz und einem größeren Einblick in die Praxis der Entscheidungsabläufe in der Union und die Interessen und Positionen der Verhandlungspartner ___________ 22 23

Ebenso Pernice, Bund-Länder-Koordinierung, S. 3 ff. Dafür auch Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 9.

III. Art. 23 Abs. 5 GG

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führen.24 Dies könnte sich auch positiv auf die Kooperation von Bundesregierung und dem zu schaffenden ständigen Bundesratsgremium auswirken. Nicht nur wüssten die Mitglieder des Gremiums, was auf europäischer Ebene ungefähr erreicht und deshalb sinnvollerweise vorgeschlagen werden kann. Insofern wäre zu erwarten, dass sich die Stellungnahmen mehr auf die politischen Kernfragen konzentrieren und nicht zu fachlich-technisch angelegt werden. Hinzu käme, dass die Gremiumsmitglieder für längere Zeit die gleichen wären, so dass für die Vertreter in Brüssel klar identifizierbare Ansprechpartner existierten und sich ein eingespieltes Arbeitsverhältnis entwickeln könnte, welches die Möglichkeit wechselseitigen Aufeinanderzugehens eröffnete. Darüber hinaus wäre ein sowohl mit den fachlichen Fragen wie auch den politischen Verhältnissen vertrautes Gremium in der Lage, eigene Konzepte zu entwickeln und diese in ständiger Abstimmung mit der deutschen Verhandlungsführung auf europäischer Ebene einzubringen. Damit könnte es auch der Europapolitik der Bundesregierung entscheidende Impulse geben und insofern die Aufgabe einer in Deutschland bislang fehlenden vorausschauenden Planung25, die nicht allein auf das abstellt, was im Rahmen der Europäischen Union gerade passiert, übernehmen. Schließlich könnte ein ständiges Bundesratsgremium auch die notwendige Aufgabe der Selektion und Kommentierung der eingehenden europäischen Dokumente übernehmen.26 In diesem Zusammenhang wäre wiederum von Vorteil, dass die Mitglieder auf Grund ihrer fachlichen Kompetenz in der Lage wären, wichtige von unwichtigen Informationen zu unterscheiden, um diese rechtzeitig an die einzelnen Bundesländer weiterzuleiten.

c) Kontrolle der Verhandlungsführung Zwar sollte die personelle Kontinuität dazu führen, dass sich zwischen den Mitgliedern des Bundesratsgremiums und den Vertretern in Brüssel ein vertrauensvolles und zugleich professionelles Arbeitsverhältnis entwickelt, in welchem die Rechte des jeweils anderen geachtet werden, um eine gute Zusammenarbeit auch für die Zukunft zu gewährleisten. Allerdings ist die Gefahr dennoch nicht vollständig auszuschließen, dass die Regelung einer nur einfachen Berücksichtigung der Stellungnahme durch die Verhandlungsführung, ohne dass die Verpflichtung zu deren Beachtung besteht, dazu führt, dass die Stellungnahme nicht abgewartet oder schlichtweg ignoriert wird. Damit dies nicht geschieht, sollte ___________ 24

Pernice, Bund-Länder-Koordinierung, S. 4. Ähnlich Schneider, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 20. 26 Zu diesem Erfordernis siehe E. II. 2. 25

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E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung

die Verhandlungsführung, zumindest wenn Zuständigkeiten der Länder betroffen sind, verpflichtet werden, dem Bundesrat im Anschluss an die Ratssitzungen öffentlich Rechenschaft abzulegen.27 Dadurch könnte dann ein politischer Abgleich zwischen dem, was die Länder über das ständige Gremium als ihre Interessen artikuliert haben und dem, was der Minister in Brüssel erreichen konnte, stattfinden. Besonders effektiv wäre eine solche öffentliche Kontrolle dann, wenn Mehrheits- und Oppositionsfraktionen die Kontrollfunktion als gemeinsame Aufgabe wahrnähmen, selbst wenn sie in der Sache divergierende Positionen vertreten. Auch die Mitglieder der Regierungsparteien müssten demnach im Einzelfall zu einer ernsthaften Kontrolle der zuständigen Vertreter der Regierung im Ministerrat bereit sein, auch wenn sie die Europapolitik der Regierung insgesamt gegen die Kritik der Opposition verteidigen.28

d) Zusammensetzung des ständigen Gremiums Zuletzt stellt sich die Frage nach der genauen Zusammensetzung eines derartigen ständigen Gremiums. Hier sind verschiedene Konstruktionen vorstellbar.

aa) Gemeinsames Gremium von Bundestag und Bundesrat Zum einen wird in diesem Zusammenhang die Bildung eines übergreifenden gemeinsamen Gremiums aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates ins Gespräch gebracht.29 Ausgangspunkt dieses Vorschlags ist die Kritik, dass den Stellungnahmen des Bundestages gemäß Art. 23 Abs. 3 GG30 in der Vergangenheit im Vergleich zu denen des Bundesrates zu wenig Beachtung ge___________ 27

Ähnlich auch Benz, Drs.-Bundesstaatskommission 0043, S. 11. Dazu auch Benz, Drs.-Bundesstaatskommission 0043, S. 6. Zweifelnd, ob nationale Parlamente in der Lage sind, gegenüber den Regierungen spezifische Kontrollaufgaben wahrzunehmen, Lais, ZEuS 2003, 187 (208). 29 So etwa Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 9; Scholz, Drs.Bundesstaatskommission 0040, S. 7 f. 30 Art. 23 Abs. 3 GG enthält ein einfaches Stellungnahmerecht des Bundestages. Damit bleiben die Beteiligungsrechte des Bundestages im Hinblick auf ihre Durchschlagskraft auf die Meinungsbildung der Bundesregierung deutlich hinter dem Letztentscheidungsrecht des Bundesrates zurück. Zurückzuführen ist dies auf die vergleichsweise Apathie des Bundestages bei der Einforderung einer verfahrensrechtlichen Kompensation für die Kompetenzverluste des Parlaments im europäischen Integrationsprozess. Erst das forsche Vorgehen des Bundesrates veranlasste den Bundestag, seinerseits verbesserte Beteiligungsrechte an der europapolitischen Willensbildung zu fordern, vgl. Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 193; Zeh, Umsetzung von EU-Recht, S. 41. Zur Beteiligung des Bundestages nach Art. 23 GG vgl. Fuchs, DÖV 2001, S. 233 ff. 28

III. Art. 23 Abs. 5 GG

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schenkt worden sei. Durch die Bildung eines gemeinsamen Gremiums, welches gemeinsame Stellungnahmen erarbeitet, könne man den Forderungen nach einer stärkeren Beteiligung des Bundestages gerecht werden.31 Allerdings werden durch die dem Bundesrat eingeräumten Rechte auch Zuständigkeitsverluste jedes einzelnen Landes ausgeglichen. Im Grunde müssten daher alle Länder nach dem Einstimmigkeitsprinzip maßgebend auf die Willensbildung bei europäischen Rechtssetzungsakten Einfluss nehmen können. Stattdessen ist das Bundesratsverfahren aus dem staatspraktischen Bedürfnis gewählt worden, die Willensbildung der Länder aus der zur Einstimmigkeit verpflichteten Ebene der Länderkooperation auf die Ebene der Bundesstaatlichkeit zu heben.32 Insofern verstößt es aber nicht gegen die Machtbalance zwischen Bundestag und Bundesrat, wenn die Rechte des Bundesrates stärker ausgestaltet sind.33 Zudem war die praktisch-politische Bindungswirkung der Bundestagsstellungnahmen in der Vergangenheit auch deshalb nicht sehr groß, weil die Bundesregierung bisher immer über eine parlamentarische Mehrheit im Bundestag verfügt hat und diese Bundestagsmehrheit ihre Rolle eher in der Stützung der Bundesregierung, denn in ihrer Anleitung gemäß den Wünschen der Fraktionsmehrheiten sah.34 Aus diesem Grund sind die europapolitischen Stellungnahmen des Bundesrates grundsätzlich politisch und verfassungsrechtlich wichtiger als die des Bundestages.35 Vorzugswürdig ist deshalb die Schaffung eines ständigen Gremiums allein zur Vertretung des Bundesrates.

___________ 31

So Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 9. Zur mangelnden Beachtung der Stellungnahmen des Bundestages siehe Scholz, Drs.-Bundesstaatskommission 0040, S. 4. Siehe zur Kritik an den unterschiedlich starken Rechten von Bundestag und Bundesrat Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (209 f.). 32 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/3338, S. 8. 33 Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 23 GG, Rn. 20. Im Ergebnis ebenso Hilf, VVDStRL 53 (1994), 7 (19). 34 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 321. Eine Ausnahme aus der jüngsten Zeit ist allerdings der Druck des Bundestages auf die Bundesregierung, im Post-Nizza-Prozess einem interinstitutionellen Konvent unter Beteiligung der nationalen Parlamente eine bedeutsame Rolle zuzuteilen und die Koordinierung des Prozesses nicht – wie erst vom Kanzleramt geplant – einer Steuerungsgruppe zu überlassen, siehe die Berichte und Beschlussempfehlungen des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Bundestages zu Post-Nizza, BT-Drs. 14/6643, 14/7172, 14/ 8182. 35 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 321.

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E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung

bb) Gremium auf Regierungsebene Zum anderen wird erwogen, dass einem solchen ständigen Bundesratsgremium die jeweiligen Ministerpräsidenten der einzelnen Bundesländer oder ein anderes Mitglied der jeweiligen Landesregierung angehören könnten.36 Damit handelte es sich letztlich um eine Europakammer mit erweiterten Aufgabenkreis. Die Europakammer würde nicht mehr nur in Ausnahmefällen tätig, sondern stellte ein generell verfügbares Ersatzplenum dar. Eine Zusammensetzung auf Regierungsebene erscheint aber auf Grund des zu erwartenden Arbeitsaufwands des ständigen Gremiums nur schwer zu realisieren. Schon Tagungen der Europakammer sind in der Vergangenheit mehrfach daran gescheitert, dass sich abzeichnete, dass diese wegen der gedrängten Terminlage der Mitglieder der Landesregierungen nicht beschlussfähig sein würde. Das ständige Gremium soll aber ein solches ständiger Rückkoppelung sein und wäre damit viel häufiger als die Europakammer mit Aufgaben betraut. Hinzu käme außerdem noch die Aufgabe der Sichtung und Kommentierung der eingehenden europäischen Dokumente. Dieser zusätzliche Arbeitsaufwand ist jedoch von den Landesregierungen nicht zu bewältigen.

cc) Gremium aus Beauftragten der Landesregierungen Sinnvoller wäre es aus diesen Gründen, wenn dem Gremium Vertreter der Länder unterhalb der Ministerebene angehörten. Denkbar wäre einerseits, dass die jeweiligen Landesregierungen beauftragte Ministerialbeamte in das ständige Gremium entsenden, die als Vertreter der Landesregierungen und damit quasi als Bundesratsmitglieder handeln. Andererseits könnten auch die Landtage ihre Landesvertreter unmittelbar wählen. Letzteres hätte den Vorteil, dass die Wahl eine stärkere Legitimation der Gremiumsmitglieder bewirkte. Zudem würde eine Wahl durch die Landesparlamente der Tatsache Rechnung tragen, dass durch die Übertragung von Zuständigkeiten auf die Europäische Union zumeist die Landesparlamente und nicht die Landesregierungen die „Verlierer“ sind.37 Allerdings legt Art. 50 GG, ebenso wie Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG, grundlegend fest, dass die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes sowie in Angelegenheiten der Europäischen Union „durch den Bundesrat“ mitwirken. Soweit jedoch dem Bundesrat im Grundgesetz Kompetenzen zugewiesen sind,

___________ 36

So etwa Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 9. Ähnlich Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 2, 4; Johne, Jahrbuch des Föderalismus 2001, 188 (189). 37

III. Art. 23 Abs. 5 GG

187

können an seiner Stelle nicht die Länder handeln.38 Die Mitwirkung der Länder in Angelegenheiten der Europäischen Union wird demnach kraft der Entscheidung der Bundesverfassung nur durch die Mitglieder der Landesregierungen vermittelt.39 Zwar ist diese Vorgabe nicht durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlich gestellt. Jedoch hat sich diese Regelung eingespielt und augenscheinlich bewährt. Angesichts der Tatsache, dass Planungen ohnehin eher eine Aufgabe der Exekutive sind, empfiehlt es sich deshalb, pragmatisch auch weiterhin von dieser Plattform auszugehen.40 Aus diesem Grund sollten die Mitglieder des zu schaffenden ständigen Gremiums nicht von den Landesparlamenten gewählt, sondern von den Landesregierungen benannt werden. Zudem gibt es in der einschlägigen Literatur aber auch eine Reihe von Stimmen, die eine Delegation von Beschlussfunktionen vom Plenum auf kleinere Unterorgane allgemein und grundsätzlich als unzulässig erachten41; andere differenzieren je nach Organ und betroffener Materie.42 Für eine solche Ablehnung wird dabei hauptsächlich vorgetragen, dass die Repräsentation des Staatsvolkes nur durch die Gesamtheit der Plenumsmitglieder gewährleistet werden könne, nicht jedoch, wenn nur eine Auswahl von Mitgliedern das Staatsvolk vertrete.43 Beim Bundesrat hingegen, in dem die einschlägigen Kompetenzen nicht dem einzelnen Delegierten, sondern den Bundesländern als solchen zugewiesen sind, tritt keine grundsätzliche Änderung ein, wenn Kompetenzen auf ein Gremium, in dem jedes Land mit dem gleichen Stimmengewicht wie im Bundesratsplenum vertreten ist, übertragen werden.44 Die Repräsentation bleibt die Gleiche. Allerdings findet eine Verlängerung der Legitimationskette durch ein zusätzliches Glied, den Beauftragten, statt. Diese Verlängerung der Legitimationskette ist jedoch schon deshalb hinzunehmen, weil ansonsten eine effektive und verantwortungsvolle Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates nicht möglich ist. Sie ist daher auch aus Sicht des vertretenen Landesvolks einer Repräsentation durch die Landesregierung vorzuziehen, wenn Letztere dazu führt, dass es auf Grund der angespannten Terminlage häufig zu gar keiner Interessenartikulation kommt. Im Übrigen ist die Delegation von Beschluss___________ 38 Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 50 GG, Rn. 1; Jekewitz, in: AK, Art. 50 GG, Rn. 1. 39 BVerfG, Urt. v. 30.07.1958, E 8, 104 (120); Jekewitz, in: AK, Art. 51 GG, Rn. 1. 40 So auch Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 4. 41 So etwa Kreuzer, Der Staat 7 (1968), 183 (186). 42 Abmeier, Parlamentarische Befugnisse, S. 80 ff.; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 678 ff.; Berg, Der Staat 9 (1970), 21 (33 ff.). 43 Kreuzer, Der Staat 7 (1968), 183 (197 f.). 44 Schütz, NJW 1989, 1260 (1265).

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E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung

funktionen eines Plenums auf ein verkleinertes Unterorgan in der Praxis in einzelnen Fällen durchaus auch dann für zulässig erkannt worden, wenn dieses nicht mit Personen aus der Mitte des jeweiligen Plenums beschickt ist.45 Im Ergebnis erscheint es also als vorzugswürdige Lösung, wenn das ständige Gremium sich aus Beauftragen der Landesregierungen zusammensetzt. Dabei sollte die Zusammensetzung entsprechend der Stimmengewichtung im Bundesrat erfolgen, da das Gremium anstelle des Bundesrates entscheidungsbefugt wäre. Hinzukommen müsste angesichts des Arbeitsumfangs ein umfangreicher Mitarbeiterstab. Schließlich sollten die jeweiligen Gremiumsmitglieder über eine gewisse Amtszeit verfügen, die mindestens einer Legislaturperiode entspricht. Nur so kann sich die erhoffte Kontinuität der Arbeit entwickeln.

IV. § 5 Abs. 3 EUZBLG 1. Problemlage Ebenfalls als nicht völlig problemlos stellt sich in der Praxis die in § 5 Abs. 3 EUZBLG einfachgesetzlich verankerte Verpflichtung der Bundesregierung dar, vor Zustimmung zu einem auf Art. 308 EG gestützten Vorhaben das Einvernehmen mit dem Bundesrat herzustellen, soweit dessen Zustimmung nach innerstaatlichem Recht erforderlich wäre oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären. Zwar kam es nur in wenigen Fällen zu Auslegungsproblemen hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Vorschrift. Unklar ist aber, ob die Bundesregierung sich der Stimme enthalten und dadurch einen einstimmigen Beschluss ermöglichen kann, wenn der Bundesrat sein Einvernehmen zur Zustimmung verweigert hat. Zudem beklagte der Bundesrat mehrfach, zu spät einbezogen worden zu sein.

2. Lösungsansatz Eine Lösung der beschriebenen Probleme sollte im Einklang mit den für die Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 GG gemachten Verbesserungsvorschlägen stehen. Dies bedeutet, dass auch bei auf Art. 308 EG gestützten Vorhaben eine ___________ 45 So z.B. Art. 105 Abs. 3 BremVerf. bzw. § 63IV GOBremBürgerschaft, die vorsehen, dass in die ständigen Ausschüsse der Bürgerschaft, denen gem. Art. 105 V BremVerf. die Bürgerschaft ihr zustehende Befugnisse, mit Ausnahme endgültiger Gesetzgebung, d.h. aber wohl unter Einschluss anderer ihr zustehender Beschlussbefugnisse, übertragen kann, neben Senatoren auch andere, der Bürgerschaft nicht angehörende Personen als Mitglieder gewählt werden können. Dazu auch Schütz, NJW 1989, 2160 (2162, Fn. 12).

V. Art. 23 Abs. 6 GG

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Bindung der Vertreter in Brüssel an die über den Bundesrat artikulierte Auffassung der Länder ausgeschlossen sein muss. Vielmehr sollten sie lediglich verpflichtet werden, die Meinung der Länder zur Kenntnis zu nehmen, also einfach zu berücksichtigen. Diese gemeinsame Auffassung der Bundesländer sollte wiederum vom ständigen Bundesratsgremium erarbeitet werden, damit die Stellungnahme rechtzeitig erfolgt und deshalb die Meinungsbildung innerhalb der Verhandlungsführung und damit auch auf EU-Ebene noch beeinflussen kann. Damit würde auch der andauernde Streit darüber, ob die Bundesregierung sich der Stimme enthalten darf, obschon sich die Länder gegen ein EUVorhaben ausgesprochen haben, dahingehend gelöst, dass die Vertreter in Brüssel in die Lage versetzt werden, sich ihrer Stimme zu enthalten und damit das Zustandekommen eines Vorhaben zu gewährleisten, obgleich sich die Länder über das ständige Bundesratsgremium gegen das Vorhaben gewandt haben. Weiterhin würde durch die Einschaltung des ständigen Gremiums auch eine frühzeitigere Information der Bundesländer über auf Art. 308 EG gestützte Vorhaben gewährleistet. Dieses erhielte nämlich nicht nur auf Grund seiner ständigen Befassung mit den Vorhabenplanungen der Europäischen Union frühzeitige Kenntnis, sondern könnte auch von der Bundesregierung auf einfachem Wege auf anstehende Entscheidungen hingewiesen werden.

V. Art. 23 Abs. 6 GG 1. Problemlage Die intensivste Form der Mitwirkung der Länder, die Übertragung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter gemäß Art. 23 Abs. 6 GG, führt in der Praxis nicht nur zu Abgrenzungsproblemen auf Grund des unklaren Wortlauts, sondern beeinträchtigt auch die Verhandlungsführung. Einerseits liegt dies daran, dass die Bereitschaft der anderen Mitgliedstaaten nicht so hoch ist, auf den Verhandlungsführer Deutschlands zuzugehen, wenn noch nicht klar ist, ob dieser die Bundesrepublik bis zum Ende im Rat vertreten wird. Andererseits ist ein Ländervertreter auch nicht in gleicher Weise wie ein Mitglied der Bundesregierung in die europäischen Netzwerke integriert und verfügt deshalb nicht in ähnlichem Maße über persönlichen Einfluss. Von daher ist festzustellen, dass die Übertragung der Verhandlungsführung weder erforderlich noch geeignet ist, um eine effektive Artikulierung der Auffassung des Bundesrates zu gewährleisten.

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E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung

2. Lösungsansatz Auch im Rahmen von Art. 23 Abs. 6 GG muss Ausgangspunkt eines Lösungsansatzes die Feststellung sein, dass die Prozesse im Vorfeld von Entscheidungen im Ministerrat und die effektive Einflussnahme zu diesem Zeitpunkt viel wichtiger sind als die Frage, wer im Ministerrat die Verhandlungsführung innehat. Aus diesem Grund sollte Art. 23 Abs. 6 GG ersatzlos gestrichen werden und die Außenvertretung vollständig der Bundesregierung überlassen werden.46 Die Supranationalität, welche das Verhältnis von Mitgliedstaaten und Europäischer Union längst angenommen hat, ändert nichts daran, dass die alleinige Außenzuständigkeit des Bundes realiter die einzige Möglichkeit ist, welche die über den eigenen Staat hinausreichende Handlungsfähigkeit Deutschlands sichert.47 Die Einflussnahme der Länder fände dann ausschließlich über das zu schaffende ständige Gremium statt. Dieses wäre in der Lage, schon frühzeitig vor der endgültigen Entscheidung Stellungnahmen abzugeben und somit die Länderinteressen angemessen und effektiv zu artikulieren. Aus diesem Grund sollten die Mitglieder des Bundesratsgremiums auch das in § 6 Abs. 1 EUZBLG verankerte Recht zur Teilnahme an den vorbereitenden Verhandlungen des Rates und der Kommission wahrnehmen. Eine solche Regelung hätte den Vorteil, dass in der Außenvertretung die personelle Kontinuität gesichert wäre und dadurch die deutsche Verhandlungsführung für die anderen Mitgliedstaaten berechenbarer würde. Weiterhin fände die Vertretung der Bundesrepublik im Ministerrat allein durch solche Vertreter statt, die in die europäischen Netzwerke integriert sind und auf Grund ihrer persönlichen Kontakte besser als ein Ländervertreter in der Lage sind, Koalitionen zu bilden und Kompromisse auszuarbeiten. Außerdem würden etwaig bestehende Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern auf diese Weise nicht mehr nach außen getragen, was in der Vergangenheit ebenfalls die deutsche Position beeinträchtigt hat. Nicht zuletzt fielen auch die zur Zeit immer wieder entstehenden Auslegungsprobleme weg, die ebenfalls zeitliche Verzögerungen hervorgerufen und in Einzelfällen zu längerer Unklarheit darüber geführt haben, wer die Bundesrepublik letztendlich im Rat vertreten wird. ___________ 46

Ebenso Kloepfer, NuR 2004, 759 (763); Pernice, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 26 ff.; ders., Reform des Artikel 23 GG, S. 10; Schwall-Düren, Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 130 (C); Zypries, ebenda, S. 132 (C); Grimm, ebenda, S. 152 (B); Meyer, ebenda, S. 155 (D); Scharpf, Stenographischer Bericht, 3. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 12.12.2003, S. 66 (C); Wieland, ebenda, S. 71 (D); Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 7; Scholz, Drs.-Bundesstaatskommission 0040, S. 9. 47 So auch Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 7.

VII. Zusammenfassung

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VI. Art. 23 GG und das Lindauer Abkommen 1. Problemlage Die Frage nach dem Verhältnis von Art. 23 GG zu dem sog. Lindauer Abkommen ruft insbesondere beim Abschluss von Assoziations- und Partnerschaftsabkommen mit Drittstaaten, die in der Regel sog. gemischte Abkommen darstellen, Probleme hervor. Dies führt in der Praxis dazu, dass regelmäßig die Zustimmung aller Bundesländer vor Abschluss des Abkommens entsprechend der Lindauer Vereinbarung eingeholt wird. Folge dieses Vorgehens ist aber, dass die Beschlussfassung im Rat bis zum Eingehen sämtlicher Zustimmungen aufgehalten wird, so dass die anderen Mitgliedstaaten die Bundesrepublik zum Teil als Hemmnis für den Abschluss von Kooperationsabkommen empfinden.

2. Lösungsansatz Aus diesem Grunde sollte ein Vorgehen nach dem Lindauer Abkommen nur in Betracht kommen, wenn es sich weder um Regelungsgegenstände im Kompetenzbereich der Europäischen Union noch um Gegenstände des gemeinsamen Interesses oder der Zusammenarbeit handelt. Auf diese Weise würden die mit dem Erfordernis der vorherigen Zustimmung aller Bundesländer einhergehenden Verzögerungen auf wenige Fälle und damit auf ein Minimum reduziert. Zudem wäre zukünftig bei den Materien, die den Anwendungsbereich des Art. 23 GG, §§ 2 ff. EUZBLG eröffnen, im Einklang mit den bereits erarbeiteten Lösungsvorschlägen lediglich eine nichtbindende Stellungnahme des ständigen Gremiums erforderlich. Ebenso wenig wie bei Art. 23 Abs. 5 GG sollte die Bundesregierung beim Abschluss von Kooperationsabkommen mit Drittstaaten in ihren Verhandlungsmöglichkeiten auf Grund der Mitwirkung der Länder durch bindende Stellungnahmen und zeitlichen Verzögerungen beeinträchtigt werden.

VII. Zusammenfassung Zusammenfassend bleibt demnach festzuhalten, dass trotz teilweise bestehender Probleme die Regelung des Art. 23 Abs. 1 GG in ihrer jetzigen Fassung beibehalten werden sollte. Allerdings sollte eine verbindliche Klärung der offenen Streitfragen zwischen Bund und Ländern stattfinden. Dies könnte beispielsweise im Rahmen des EUZBLG erfolgen.

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E. Verbesserungsvorschläge im Bereich der Rechtssetzung

Ebenfalls keiner Änderung sollte Art. 23 Abs. 2 GG unterzogen werden. Für die Zukunft muss jedoch sichergestellt werden, dass eine sinnvolle Selektion und Kommentierung der eingehenden EU-Dokumente stattfindet. Diese Aufgabe könnte von dem vorgeschlagenen ständigen Bundesratsgremium übernommen werden. Die Einzelheiten sollten aber nicht im Grundgesetz, sondern auf einfachgesetzlicher Ebene, möglicherweise ebenfalls im EUZBLG geregelt werden. Dagegen sollte eine grundlegende Überarbeitung der qualifizierten Mitwirkung des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 5 und 6 GG stattfinden. Am sinnvollsten wäre eine ersatzlose Streichung von Absatz 6 mit der Folge, dass in jedem Fall die Bundesregierung die Verhandlungsführung inne hat. Auch die Verpflichtung der Bundesregierung zur maßgeblichen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG mit der Möglichkeit der Fassung eines Beharrungsbeschlusses sollte entfallen. Vielmehr ist nur noch eine einfache Berücksichtigung vorzusehen, unabhängig davon ob nur Interessen oder aber Zuständigkeiten der Länder schwerpunktmäßig berührt sind. Die Stellungnahme sollte von dem ständigen Bundesratsgremium abgegeben werden, das sich aus Beauftragten der Landesregierungen entsprechend der Stimmengewichtung im Bundesrat zusammensetzen sollte. Zudem müsste für die Fälle, in denen die Bundesregierung von den über das ständige Gremium artikulierten Interessen der Länder abweicht, eine Rechenschaftspflicht der Bundesregierung vorgesehen werden. Die Einzelheiten darüber, wie die Abgabe der Stellungnahme erfolgt und wie sich der Ausschuss zusammensetzt, sollten wiederum nur einfachgesetzlich im Rahmen des EUZBLG geregelt werden, um die Vorschrift des Art. 23 GG deutlich zu vereinfachen. Ebenfalls geändert werden müsste § 5 Abs. 3 EUZBLG dahingehend, dass kein Einvernehmen des Bundesrates mehr erforderlich ist, sondern nur noch eine einfach zu berücksichtigende Stellungnahme des ständigen Bundesratsgremiums erfolgt. Schließlich sollte eine abschließende Klärung des Verhältnisses von Art. 23 GG zum Lindauer Abkommen stattfinden. Vorzugswürdig wäre eine Lösung, die die Zahl der Anwendungsfälle der Lindauer Vereinbarung möglichst gering hält, indem sie vorsieht, dass die Regelung des Art. 23 GG das Lindauer Abkommen verdrängt, wenn es sich um Regelungsgegenstände im Kompetenzbereich der Europäischen Union oder des gemeinsamen Interesses oder der Zusammenarbeit handelt. Letztendlich käme demnach eine radikale Vereinfachung der Vorschrift des Art. 23 GG in Betracht, indem die Absätze 4 bis 6 gestrichen werden. Absatz 2 wäre dagegen um folgenden Zusatz zu ergänzen: „Die Bundesregierung gibt dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu Rechtsetzungsvorhaben der

VII. Zusammenfassung

193

Europäischen Union, berücksichtigt ihre Stellungnahme bei den Verhandlungen im Ministerrat und legt Rechenschaft über deren Verlauf und Ergebnis ab.“48 Außerdem müsste in Art. 52 GG eine Verpflichtung des Bundesrates eingefügt werden, ein ständiges Gremium zu bilden, welches anstelle des Bundesrates in allen Angelegenheiten der Europäischen Union Stellungnahmen abgibt.

___________ 48

So Pernice, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 28; ders., Föderalismus im Umbruch, S. 3.

F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung Zur Vermeidung der bei der Richtlinienumsetzung – insbesondere durch die Verflechtung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern – bestehenden Probleme wird eine ganze Reihe von Lösungsansätzen diskutiert. Im Allgemeinen konzentrieren sich diese auf eine Änderung der Gesetzgebungskompetenzen für die Richtlinienumsetzung. Weniger Beachtung wurde bislang dagegen bereits existierenden verfassungsrechtlichen Instrumenten geschenkt, die geeignet sein könnten, mittels Druck oder Zwang die Bundesländer zu einer zügigeren Richtlinienumsetzung zu veranlassen. Angesichts der Tatsache, dass eine Änderung der Gesetzgebungskompetenzen politisch wahrscheinlich nur schwer durchzusetzen ist, sollten auch diese als Alternative zu einer Grundgesetzänderung einer umfassenden Untersuchung unterzogen werden.

I. Änderung der Gesetzgebungskompetenzen Hinsichtlich der Änderung der Gesetzgebungskompetenzen können grundsätzlich solche Ansätze unterschieden werden, die zu den verschiedenen Gesetzgebungskompetenzen, insbesondere der Rahmengesetzgebung, spezielle Verbesserungsvorschläge unterbreiten und solche, welche die Kompetenz zur Richtlinienumsetzung umfassend neu und eigenständig zu regeln suchen.

1. Spezielle Regelungen a) Öffnungsklausel für den Bund im Bereich der Rahmengesetzgebung Unter den speziellen Regelungen sei zunächst der Vorschlag erwähnt, welcher für den Bund im Bereich der Rahmengesetzgebung eine Öffnungsklausel vorsieht. Danach soll der Bund im Falle der Umsetzung von Richtlinien abweichend vom Grundsatz des Art. 75 Abs. 2 GG weitergehende Rechte haben, d.h., es wären Vollregelungen und unmittelbar wirksame Regelungen zulässig, soweit dies für die Umsetzung erforderlich ist.1

___________ 1

Vgl. dazu Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (25).

I. Änderung der Gesetzgebungskompetenzen

195

Dies hätte den Vorteil, dass im Falle der Erforderlichkeit weitergehender Rechte des Bundes die Zweistufigkeit der Rahmengesetzgebung entfiele. Dadurch würden die immer wieder gerade im Bereich des Art. 75 GG auftretenden zeitlichen Verzögerungen zumindest teilweise vermieden. Problematisch an diesem Vorschlag ist allerdings der Begriff der „Erforderlichkeit“2, welcher unscharf ist und deshalb ähnliche Abgrenzungsprobleme wie im Rahmen von Art. 72 Abs. 2 GG hervorrufen kann, die die Funktion der Kompetenznorm belasten würden. Es liegt auf der Hand, dass die Bundesländer dem Bund mit einer gewissen Regelmäßigkeit widersprechen werden, sollte dieser sich auf die Öffnungsklausel zu seinen Gunsten berufen. Solche Auseinandersetzungen können aber den Zeitgewinn wieder zunichte machen, der durch den Wegfall der Zweistufigkeit der Gesetzgebung entsteht. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Länder auch nach diesem Vorschlag in jedem Fall erst einmal abwarten werden, ob und inwieweit der Bund gesetzgeberisch tätig wird. Dass diese Untätigkeit der Bundesländer bis zu einem Gesetzgebungsakt der Bundes aber mit Blick auf die Umsetzungsfristen äußerst problematisch ist, wurde bereits dargelegt.3 Schließlich ist gegen den Vorschlag einzuwenden, dass angesichts der Umsetzungsschwierigkeiten nicht allein die Rahmengesetzgebung reformbedürftig ist. Ebenso bereiten wegen der Probleme bei der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern und der zahlreichen tätig werdenden Legislativorgane die Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes und der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder Schwierigkeiten. Es erscheint aus diesen Gründen zweifelhaft, ob eine Öffnungsklausel zugunsten des Bundes im Rahmen von Art. 75 GG die dargestellten Probleme in hinreichendem Maße beseitigen kann.

aa) Erlass bzw. Anpassung von Landesrecht durch den Bund Im Übrigen kann es nach diesem Lösungsansatz – wie auch bei etlichen der nachfolgenden Lösungsvorschläge – dann zu Problemen kommen, wenn eine Richtlinie in einem Bereich umzusetzen ist, in dem bereits nationales Recht existiert. Handelt es sich dabei um Landesrecht, ist es notwendig, dass der Bund dieses im Zusammenhang mit der Richtlinienumsetzung an das EU-Recht anpasst. Die Ermittlung, hinsichtlich welcher Landesgesetze Harmonisierungsbedarf besteht, ist aber in Anbetracht der Vielzahl unterschiedlicher Landesregelungen äußerst aufwändig und deshalb nur schwer durchzuführen. Diese Schwierigkeiten drohen den durch das Entfallen des zweistufigen Gesetzgebungsprozesses entstehenden Zeitgewinn zunichte zu machen. ___________ 2 3

Dies geben auch Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (25 f.) zu bedenken. Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (26).

196

F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

Praktikabler erscheint es deshalb, wenn der Bund lediglich allgemein, mittels einer Art Generalklausel darauf verweist, dass dem nationalen Umsetzungsakt widersprechendes Landesrecht nichtig ist. Dies ergibt sich im Übrigen bereits aus Art. 31 GG.4 Allerdings würde durch ein solches Vorgehen der gesamte Umsetzungsprozess sehr intransparent.5 Nicht allein den Bürgern, sondern auch den das Landesrecht anwendenden Behörden wäre häufig nicht klar, ob das Landesrecht noch gilt oder auf Grund abweichenden Bundesrechts, welches eine EG-Richtlinie umsetzt, nichtig ist.

bb) Unmittelbare Wirkung von Richtlinien Andererseits gilt es zu bedenken, dass im Falle der Nichtumsetzung ansonsten möglicherweise eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie in Betracht kommt. Es ist aber fraglich, ob eine solche unmittelbare Wirkung und die mit ihr ebenfalls verbundenen Rechtsunsicherheiten gegenüber einer Anpassung des Landesrechts durch den Bund vorzuziehen ist. Das Instrument der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien und Entscheidungen hat der EuGH ausgehend von seiner Entscheidung „Grad“6 entwickelt und in einer bis in die Gegenwart heraufreichenden äußerst umfangreichen Rechtsprechung zunehmend verfeinert und gefestigt.7 Voraussetzung für eine Direktwirkung ist nach der Rechtsprechung des EuGH zum einen, dass die Richtlinie trotz Fristablaufs vom Mitgliedstaat nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist.8 Zum anderen muss die Richtlinie klar und genau, bedin___________ 4

Umfassend zu Art. 31 GG siehe März, Bundesrecht bricht Landesrecht. Pernice, Tagung der FES am 17.01.2004 zum Thema „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, S. 30. 6 EuGH, Urt. v. 06.10.1970, Rs. 9/70, Slg. 1970, 825 (838 f.) – Franz Grad/Finanzamt Traunstein (betreffend eine staatengerichtete Entscheidung). Darauf aufbauend die beiden Grundlagenentscheidungen zur unmittelbaren Richtlinienwirkung: EuGH, Urt. v. 17.12.1970, Rs. 33/70, Slg. 1970, 1213 (1223 f.) – Spa SACE/Finanzministerium der Italienischen Republik und Urt. v. 04.12.1974, Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337 (1349) – Yvonne van Duyn/Home Office. Beide Rechtsprechungslinien laufen parallel, insbesondere auch im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Direktwirkung. 7 Kühling/Röckinghausen, DVBl. 1999, 1614 (1615). Für einen Überblick über dieser Rechtsprechung vgl. m.w.N. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 69 ff.; Rörig, Direktwirkung von Richtlinien, S. 14 ff.; Claßen, Nichtumsetzung, S. 62 ff. 8 EuGH, Urt. v. 05.04.1979, Rs. 148/78, Slg. 1979, 1629 (1645) – Tullio Ratti; Urt. v. 19.01.1982, Slg. 1982, 53 (70 f.) – Ursula Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt; Prechal, Directives, S. 242 f.; Wölk, Umsetzung von Richtlinien, S. 65; Gundel, EuZW 2001, 143 (143); Schwartmann/Maus, EuZW 2000, 74 (75); Claßen, Nichtumsetzung, S. 67; Kühling/Röckinghausen, DVBl. 1999, 1614 (1615); Haneklaus, DVBl. 1993, 129 (132). 5

I. Änderung der Gesetzgebungskompetenzen

197

gungsunabhängig und ihrem Wesen nach geeignet sein, unmittelbare Wirkung zu entfalten.9 Zudem war lange Zeit Voraussetzung, dass die betreffende Richtlinienbestimmung dem Einzelnen Rechte verleiht.10 Es wurde deshalb gefordert, dass die Richtlinie die Einführung solcher Regelungen verlangt, die den Einzelnen im Vergleich zum noch nicht angepassten nationalen Recht begünstigen.11 In der Rechtssache „Großkrotzenburg“12 hat der EuGH allerdings die Anerkennung einer objektiven unmittelbaren Richtlinienwirkung klargestellt, indem er das Vorliegen der Voraussetzungen für eine unmittelbare Wirkung im Zusammenhang mit der bereits mehrfach erwähnten UVP-Richtlinie13 bejaht hat. In dem Urteil ging es – aus materieller Sicht14 – darum, ob die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung eines neuen Kraftwerkblocks des Wärmekraftwerks Großkrotzenburg durch das Regierungspräsidium Darmstadt deshalb gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben verstoßen hat, weil ihr keine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Art. 2, 3, 8 der UVP-Richtlinie vorangegangen war. Der Antrag auf Genehmigung des streitigen Projekts war zwischen dem Ablauf der Umsetzungsfrist am 03.07.1988 und dem Inkrafttreten des deutschen UVP___________ 9 EuGH, Urt. v. 19.01.1982, Rs. 8/81, Slg. 1982, 53 (54, 71) – Ursula Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt; Urt. v. 26.02.1986, Rs. 152/84, Slg. 1986, 723 (724, 748) – M. H. Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority; Wölk, Umsetzung von Richtlinien, S. 65; Gundel, EuZW 2001, 143 (143); Schwartmann/Maus, EuZW 2000, 74 (75); Claßen, Nichtumsetzung, S. 67 f.; Haneklaus, DVBl. 1993, 129 (132); Krämer, Environmental Law, S. 158 f.; Langenfeld, DÖV 1992, 955 (957). Dazu ausführlich Prechal, Directives, S. 241 ff. 10 EuGH, Urt. v. 19.01.1982, Rs. 8/81, Slg. 1982, 53 (71) – Ursula Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt; Urt. v. 19.11.1991, Rs. C 6/90 und 9/90, Slg. 1991, I-5357 (5408) – Andrea Francovich u.a./Italienische Republik; Ranacher, Funktion des Bundes, S. 142 f.; Claßen, Nichtumsetzung, S. 67 ff.; Epiney, DVBl. 1996, 409 (412); Haneklaus, DVBl. 1993, 129 (132). 11 Haneklaus, DVBl. 1993, 129 (132). 12 EuGH, Urt. v. 11.08.1995, Rs. C-431/92, Slg. 1995, I-2189 ff. – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Bundesrepublik Deutschland. Umfassend zum Urteil des EuGH Epiney, DVBl. 1996, S. 409 ff.; Calliess, NVwZ 1996, S. 339 ff. Dagegen hat das Urteil des EuGH, Urt. v. 22.06.1989, Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839 (1870 f.) – Fratelli Costanzo SpA/Stadt Mailand nur auf die Geltendmachung der Rechte durch den Einzelnen verzichtet, vgl. auch Rörig, Direktwirkung von Richtlinien, S. 23. 13 Richtlinie 85/337/EWG des Rates v. 27.06.1985 (ABl. 1985 L 175, S. 40) über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. 14 Daneben nahm der EuGH auch zu einigen Fragen der Zulässigkeit des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 169 EGV a.F. Stellung. Es ging dabei insbesondere darum, ob die Kommission auch befugt ist, die Nichtanwendung einer noch nicht umgesetzten Richtlinie im Einzelfall zu beanstanden (so die Kommission) oder ob sie nur die generelle Verletzung der Umsetzungspflicht feststellen darf (so das Vorbringen des Bundesrepublik). Der Gerichtshof schloss sich der Auffassung der Kommission an, EuGH, Urt. v. 11.08.1995, Rs. C-431/92, Slg. 1995, I-2189 (2218 ff.) – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Bundesrepublik Deutschland.

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

Gesetzes am 01.08.1990 gestellt worden, und auch die Genehmigung wurde vor dem 01.08.1990 erteilt. In Anbetracht der noch fehlenden Umsetzung hatte das Regierungspräsidium Darmstadt keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Nach dem Urteil des EuGH hätte diese aber trotz fehlender Umsetzung erfolgen müssen, da die UVP-Richtlinie unbedingt und hinreichend klar und bestimmt sei und damit die Voraussetzungen für eine unmittelbare Wirkung erfülle.15 Die Bestimmungen der UVP-Richtlinie, die den staatlichen Behörden unmissverständliche Verpflichtungen auferlegen, mussten also von diesen nach fruchtlosem Ablauf der Umsetzungsfrist von Amts wegen angewandt werden, unabhängig davon, ob sie Einzelne begünstigen oder nicht. Insofern hat der Gerichtshof deutlich gemacht, dass der individualschützende Charakter einer Richtlinienbestimmung nicht notwendigerweise Voraussetzung für ihre direkte Wirkung ist. Damit wurden die Rechtswirkungen von Richtlinien materiell erweitert und insbesondere die Durchsetzbarkeit der in großer Zahl vor allem im Umweltbereich anzutreffenden rein verfahrensrechtlichen Richtlinien sichergestellt. Eine Direktwirkung ist insofern bei allen Normen gleicher Qualität wie z.B. bei der in der Vergangenheit ebenfalls nicht fristgerecht umgesetzten IVU-Richtlinie16, der UVP-Änderungsrichtlinie17 oder der Seveso IIRichtlinie18 anzunehmen.19 Eine solche unmittelbare Wirkung einer nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinie wird der verpflichteten Behörde sowie dem betroffenen Bürger in der Regel aber ebenfalls nicht bewusst sein und damit zu Rechtsunsicherheit führen.20 Demnach stellt sich die unmittelbare Wirkung einer EG-Richtlinie ähnlich ___________ 15 Zwar hat der EuGH die Klage der Kommission im Ergebnis als unbegründet abgewiesen. Dies wurde aber damit begründet, dass die Kommission nicht im Einzelnen dargelegt habe, in welchen konkreten Punkten die Anforderungen für das streitige Projekt nicht erfüllt worden sind. 16 Richtlinie 96/61/EG des Rates v. 24.09.1996 (ABl. 1996 L 257, S. 26) über die integrierte Vermeidung und Verminderung des Umweltverschmutzung. 17 Richtlinie 97/11/EG des Rates v. 03.03.1997 (ABl. 1997 L 73, S. 5) zur Änderung des Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. 18 Richtlinie 96/82/EG des Rates v. 09.12.1996 (ABl. 1997 L 10, S. 13) zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen. 19 Vgl. dazu Otto, NVwZ 2000, 531 (533); Schwartmann/Maus, EuZW 2000, S. 74 ff.; Kühling/Röckinghausen, DVBl. 1999, S. 1614 (1619 ff.). 20 Wahl, NVwZ 2000, 502 (502) spricht insofern von einer für die Rechtsanwendung prekären Zeit der möglichen unmittelbaren Anwendung und Jarass, DVBl. 2000, 945 (950) von einer ausgeprägten Verunsicherung. Hennecke, JbUTR 58 (2001), 193 (197) hält die unmittelbare Geltung europäischer Richtlinien gar für ein unsägliches Problem. Ähnlich auch Wasielewski, NVwZ 2000, 15 (15).

I. Änderung der Gesetzgebungskompetenzen

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intransparent wie eine etwaige Umsetzung durch den Bund im Falle der Nichtumsetzung durch die Länder dar. Zudem zeigt das Beispiel der unmittelbaren Wirkung der UVP-Richtlinie, dass gerade im Umweltrecht – aber nicht nur dort – die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien durch die Verwaltung auch Nachteile für Einzelne mit sich bringen kann. Dies gilt im Falle der UVP-Richtlinie, wenn von dem betroffenen Unternehmen21 die Einhaltung gemeinschaftsrechtlicher Emmissionsstandards verlangt wird. Der betroffenen Bürger rechnet in der Regel aber nicht damit, dass sich allein aus der Richtlinie für ihn Belastungen ergeben, da er auf die Umsetzung der Richtlinie durch den Mitgliedstaat vertrauen darf, der allein Adressat der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsverpflichtung ist.22 Mittlerweile hat der EuGH in einer ganzen Reihe von Entscheidungen sowohl belastende Reflexwirkungen für betroffene Private in sog. Dreiecksverhältnissen23 als auch Direktwirkungen im Horizontalverhältnis zwischen Privaten24 toleriert.25 ___________ 21

In der Rechtssache Großkrotzenburg war dies die PreussenElektra AG. Langenfeld, DÖV 1992, 955 (959). 23 EuGH, Urt. v. 16.09.1999, Rs. C-435/97, Slg. 1999, I-5613 (5660 f.) – World Wildlife Fund u.a./Autonomie Provinz Bozen u.a.; Urt. v. 19.09.2000, Rs. C-287/98, Slg. 2000, I-6917 (6962 ff.) – Großherzogtum Luxemburg/Berthe Linster u.a.; Urt. v. 07.01.2004, Rs. C-201/02 – Delena Wells/Secretary of State for Transport, Local Government and the Regions, NVwZ 2004, 593, Rn. 57; Prechal, Directives, S. 261, Fn. 317; Jarass/Beljin, EuR 2004, 714 (726, Fn. 82); Gundel, EuZW 2001, 143 (144). Bei den sog. Dreiecksverhältnissen handelt es sich um Fälle, in denen private Interessenkonflikte mit Mitteln des öffentlichen Rechts zu schlichten sind. Die relevanten Fallgestaltungen stammen v.a. aus dem Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe und dem Umweltrecht, dazu Rörig, Direktwirkung von Richtlinien, S. 79; Scherzberg, Jura 1993, 225 (228). 24 Gegen eine Unterscheidung von Direktwirkungen in Dreiecksverhältnissen und Horizontalverhältnissen Rörig, Direktwirkung von Richtlinien, S. 79. 25 Ausdrücklich jüngst EuGH, Urt. v. 26.09.2000, Rs. C-443/98, Slg. 2000, I-7535 (7584 f.) – Unilever Italia SpA/Central Food SpA: „Zwar kann (...) eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen Einzelner begründen und daher nicht als solche ihnen gegenüber herangezogen werden (...); diese Rechtsprechung gilt jedoch nicht für den Fall, dass die Nichtbeachtung der Artikel 8 und 9 der Richtlinie 83/189, die einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, die Unanwendbarkeit der unter Verstoß gegen einen dieser Artikel erlassenen technischen Vorschrift nach sich zieht.“ Vgl. zu dieser Entscheidung Rörig, Direktwirkung von Richtlinien, S. 48 f. Ähnlich in der Rechtsprechung zur Informations-Richtlinie EuGH, Urt. v. 12.03.1996, Rs. C-441/93, Slg. 1996, I-1347 ff. – Panagis Pafitis u.a./Trapeza Kentrikis Elladis AE u.a., wo die alten Aktionäre einer Bank gegenüber dieser und ihren neuen Aktionären auf Grund einer gesellschaftsrechtlichen Richtlinie die Nichtigkeit eines staatlichen Rechtsaktes (Kapitalerhöhung durch staatliche Anordnung ohne vorherige Konsultation der Hauptversammlung) geltend machten. Dazu Rörig, Direktwirkung von Richtlinien, S. 84. Ebenfalls zu unmittelbarer Wirkung zwischen Privaten – wenn auch im Gewande richtlinienkonformer Auslegung – führte im Ergebnis EuGH, Urt. v. 05.10.2004, Rs. C-397/01 bis C-403/01 – Pfeiffer u.a./DRK. Zu den Argumenten für und gegen die Direktwirkung von Richtlinien im Horizontalverhältnis zwischen Privaten siehe Prechal, Directives, S. 255 ff. 22

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

Ersteres impliziert eine sehr weit gehende Anerkennung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien in Dreiecksverhältnissen, die erst in einer unmittelbaren26, vor allem strafrechtlichen Belastung des Einzelnen ihre Grenze finden dürfte.27 Letzteres deutet darauf hin, dass das Verbot einer unmittelbaren Richtlinienwirkung zwischen Privaten nunmehr auf klassisch privatrechtliche Konstellationen einzuschränken sein wird, in denen sich der Einzelne auf Bestimmungen einer Richtlinie direkt gegenüber einem Dritten beruft, um gegen diesen ein ihm durch die Richtlinie eingeräumtes Recht geltend zu machen.28 Diese recht großzügige Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien und die mit dieser verbundene Rechtsunsicherheit relativieren die mit einer Überführung der Rahmenkompetenz in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung verbundenen Schwierigkeiten. Im Ergebnis erscheint deshalb der Erlass bzw. die Anpassung von Landesrecht durch den Bund trotz der damit verbundenen Probleme vorzugswürdig gegenüber einer ansonsten möglicherweise eintretenden unmittelbaren Wirkung von nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinien.

___________ 26 Die jüngst vom EuGH entwickelte Abgrenzungsformel stellt darauf ab, ob die Verpflichtung des Staates in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verpflichtung eines Privaten steht oder ob es um bloß negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter geht, Urt. v. 07.01.2004, Rs. C-201/02 – Delena Wells/Secretary of State for Transport, Local Government and the Regions, NVwZ 2004, 593, Rn. 57. Dazu Jarass/Beljin, EuR 2004, 714 (731 ff.). 27 Vgl. die Formulierung des EuGH, „dass eine Richtlinie für sich allein und unabhängig von zu ihrer Durchführung erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht die Wirkung haben kann, die strafrechtliche Verantwortlichkeit derjenigen, die gegen die Vorschriften der Richtlinie verstoßen, festzulegen oder zu verschärfen“, Urt. v. 26.09.1996, Rs. C-168/95, Slg. 1996, I-4705 (4729) – Luciano Arcaro; Urt. v. 08.10.1987, Rs. 80/86, Slg. 1987, 3969 (3986) – Kolpinghuis Nijmegen BV. Ähnlich Ranacher, Funktion des Bundes, S. 144 f.; Kühling/Röckinghausen, DVBl. 1999, 1614 (1617). 28 Grundlegend EuGH, Urt. v. 26.02.1986, Rs. 152/84, Slg. 1986, 723 (749) – M. H. Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority. Da die Beklagte eine staatliche Organisation war, handelte es sich in diesem Verfahren eigentlich nicht um einen Fall der Direktwirkung im Horizontalverhältnis, so dass die Ausführungen des EuGH dazu als obiter dictum aufzufassen sind, vgl. Rörig, Direktwirkung von Richtlinien, S. 37; N. Reich, CMLR 1992, 861 (882). Vgl. auch Urt. v. 14.07.1994, Rs. C-91/92, Slg. 1994, I-3325 (3356) – Paola Faccini Dori/Recreb Srl; Urt. v. 07.03. 1996, Rs. C-192/94, Slg. 1996, I-1281 (1303) – El Corte Inglés SA/Cristina Blázquez Rivero; Ranacher, Funktion des Bundes, S. 145; Gundel, EuZW 2001, 143 (143 f., 149); Kühling/Röckinghausen, DVBl. 1999, 1614 (1617); Epiney, DVBl. 1996, 409 (412 f.).

I. Änderung der Gesetzgebungskompetenzen

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b) Übertragung der Rahmenkompetenz in die konkurrierende Gesetzgebung Des Weiteren wird vertreten, dass die Rahmenkompetenz zumindest für den Fall der Richtlinienumsetzung in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes übertragen werden sollte.29 Dies hätte den offensichtlichen Vorteil, dass die im Bereich der Rahmengesetzgebung grundsätzlich festzustellende Zweistufigkeit der Gesetzgebung und die besonders langwierigen konzeptionellen Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern entfielen. Ausreichend wäre vielmehr – vorausgesetzt, eine bundesgesetzliche Regelung ist erforderlich im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG – nur ein Umsetzungsakt des Bundes, wodurch die Wahrscheinlichkeit fristgerechter Umsetzung deutlich erhöht würde. Auch an diesem Vorschlag ist aber problematisch, dass nicht allein die Rahmengesetzgebung reformbedürftig ist. Da er insbesondere die Schwierigkeiten im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nicht zu lösen vermag, sondern vielmehr weitere Regelungsbereiche in die konkurrierende Gesetzgebung überführt, kann er angesichts der jüngsten Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 72 Abs. 2 GG30 die zeitlichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung nicht beseitigen. Zudem kann auch nach diesem Lösungsvorschlag die Konstellation entstehen, dass der Bund bereits existierendes Landesrecht anpassen muss. Dies ist aber – wie soeben gezeigt – gegenüber einer ansonsten möglicherweise eintretenden unmittelbaren Wirkung der nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinie vorzuziehen.

c) Enge Auslegung von Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG Vereinzelt wird zur Lösung der Probleme bei der Richtlinienumsetzung auch vorgeschlagen, die jetzigen Kompetenzregelungen beizubehalten, hingegen Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG hinsichtlich der Voraussetzung der Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung enger auszulegen. Bei Erlass einer EG-Richtlinie sei die Harmonisierung durch die Zielvorgaben der Richtlinie bereits auf rechtlich verbindliche Weise gesichert. Für eine zusätzliche Maßnahme des Bundes fehle es daher grundsätzlich an der Erforderlichkeit im Sinne von Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG. Eine Ausnahme sei lediglich dann vorzusehen, wenn der Bund bereits vor Erlass der Richtlinie von seiner Rahmenkompetenz Gebrauch gemacht hat und bei alleiniger Umsetzung

___________ 29

Dazu Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (26). Kloepfer, NuR 2004, 759 (761); Brandt, GS Günter Hartkopf, S. 179 ff. treten für die völlige Überführung des Umweltschutzes in die konkurrierende Gesetzgebung ein. 30 Siehe dazu bereits D. II. 4. b) aa).

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

durch die Länder Konflikte mit dem Rahmenrecht des Bundes unausweichlich wären.31 Von Vorteil an einer derartigen Auslegung des Erforderlichkeitsmerkmals ist wiederum zweifellos, dass die Zweistufigkeit bei der Rahmengesetzgebung regelmäßig entfiele. Zweifelhaft ist jedoch zum einen, ob eine solche Auslegung zugunsten der Bundesländer zu überzeugen vermag. Möglicherweise könnte ebenso gut argumentiert werden, dass die Umsetzung einer Richtlinie durch den Bund zu keiner relevanten zusätzlichen Einschränkung des Regelungsspielraums der Länder führt, da der Spielraum bereits durch das EG-Recht beschränkt ist. Wenn der Bund demnach zur Umsetzung von Richtlinien tätig wird, ist die Landesgesetzgebung materiell kaum betroffen, so dass die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG unabhängig von allen anderen Aspekten meist zu bejahen sind.32 Angesichts der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 72 Abs. 2 GG ist jedoch zuzugeben, dass tatsächlich der engen Auslegung der Vorzug zu geben ist. Dennoch ist es in der Praxis eher unwahrscheinlich, dass der Bund ohne weiteres auf die Ausübung seiner Rahmenkompetenz bei der Umsetzung von Richtlinien verzichtet. Dies hat er – selbst nach der Verfassungsänderung des Jahres 1994 – auch bislang nicht getan. Vielmehr ist anzunehmen, dass er zumindest in Einzelfällen weiterhin die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung behauptet, so dass es wiederum zu Abstimmungsproblemen zwischen Bund und Ländern käme. Folge wäre, dass die mit Blick auf die Umsetzungsfristen zeitraubende Zweistufigkeit des Umsetzungsprozesses nicht in jedem Fall entfiele. Zudem ist auch mit einer alleinigen Zuständigkeit der Länder im Bereich der Rahmengesetzgebung weiterhin das Problem verbunden, dass 16 Legislativorgane tätig werden müssen, was schon zwangsläufig einen beachtlichen Zeitaufwand bedeutet.

d) Direkte Einwirkung des EG-Rechts – Interpretationslösung Schließlich wird noch eine weitere Interpretationslösung zur Beseitigung der Umsetzungsprobleme ins Feld geführt. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass der Treuegedanke, welcher sich sowohl aus der Bundestreue als auch der Gemeinschaftstreue nach Art. 10 EG ergebe, die Regelung des Art. 75 Abs. 2 GG überlagere. Von daher würden dem Bund zusätzliche Gesetzgebungszuständigkeiten zuwachsen mit dem praktischen Ergebnis, dass eine Ausnahmesituation ___________ 31 32

Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 54 ff. Jarass, NVwZ 2000, 1089 (1093).

I. Änderung der Gesetzgebungskompetenzen

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für Regelungen des Bundes bestehe, seien diese auch besonders detailliert und mit unmittelbarer Wirkung ausgestattet.33 Grundlegend ist gegen diesen Vorschlag einzuwenden, dass die Pflicht zur Gemeinschaftstreue kompetenzrechtlich gesehen neutral ist, vielmehr alle innerstaatlichen Stellen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zum Handeln verpflichtet, so dass sie nicht zu einer Kompetenzverlagerung führen kann.34 Ansonsten gelten für den Vorschlag ähnliche Einwände wie für die eben vorgestellte Interpretationslösung: Die Länder werden in Einzelfällen versuchen, nachzuweisen, dass eine detaillierte und unmittelbar wirksame Bundesregelung nicht erforderlich ist.35 Im Übrigen gilt wieder, dass die konkurrierende Gesetzgebung und die ausschließliche Zuständigkeit der Länder bezüglich der Richtlinienumsetzung ebenso problematisch sind. Von daher ist nicht davon auszugehen, dass eine solche Überlagerung des Art. 75 Abs. 2 GG durch den Treugedanken entscheidende Vorteile brächte.

e) Zwischenergebnis Es bleibt damit festzuhalten, dass solche Lösungsansätze, welche keine umfassende Regelung der Richtlinienkompetenz, sondern hauptsächlich eine Verbesserung der Rahmengesetzgebung mit Blick auf den Umsetzungsprozess anstreben, den grundsätzlichen Nachteil haben, dass sie die Schwierigkeiten, welche auch im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes und der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder bestehen, nicht beseitigen können. Zudem haben die beiden Interpretationslösungen sowie der Ansatz, der im Rahmen des Art. 75 GG eine Öffnungsklausel für den Bund verankern will, den Nachteil, dass sie in der Praxis Auslegungsschwierigkeiten zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen bzw. einer in Einzelheiten gehenden und unmittelbar wirksamen Regelung hervorrufen werden. Praktikabler erscheint deshalb die Überführung der Rahmenkompetenz in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes, wenn Richtlinien umzusetzen sind, obschon sie die Schwierigkeiten im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nicht beseitigt. Hier bleibt im Übrigen das Problem, dass gegebenenfalls bereits Landesrecht im Regelungsbereich der umzusetzenden Richtlinie existiert.

___________ 33 Rengeling, Gesetzgebungskompetenzen, S. 36 ff., 64 ff.; ders., DVBl. 1998, 997 (1001, 1007). 34 Gramm, DÖV 1999, 540 (546). 35 Dies geben auch Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (28) zu bedenken.

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

2. Generelle Lösungsansätze Grundsätzlich sind deshalb solche Lösungen vorzuziehen, die auch die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes sowie die ausschließliche Zuständigkeit der Länder und die in diesen Bereichen bestehenden Probleme bei der Richtlinienumsetzung in den Blick nehmen.

a) Freiwillige Übertragung der Gesetzgebung auf den Bund Denkbar ist eine Ermächtigung an die Länder zur gemeinsamen, freiwilligen Übertragung ihrer Gesetzgebungskompetenzen auf den Bund.36 Dies hätte den Vorteil, dass bezüglich der Rahmengesetzgebung im Falle einer Übertragung die Zweistufigkeit der Umsetzung entfiele.37 Des Weiteren wären im Bereich der ausschließlichen Länderkompetenzen nicht mehr 16 Legislativakte der Länder, sondern lediglich ein Umsetzungsakt des Bundes erforderlich, was das Risiko einer verspäteten Umsetzung einer EG-Richtlinie verringern sollte. Zudem hätten die Bundesländer die Möglichkeit, auf ihre Gesetzgebungszuständigkeit zu verzichten, wenn sich abzeichnet, dass die Umsetzung in den Ländern Probleme bereitet und sich der Umsetzungsprozess deshalb verzögert. Zugleich würden die Kompetenzfragen nicht durch rechtliche Auslegungsnotwendigkeiten oder -streitigkeiten belastet, sondern der politischen Entscheidung der Bundesländer überlassen. Dies erfordert allerdings auch Verantwortungsbewusstsein und Entscheidungsbereitschaft bei den politischen Kräften. Es besteht die Gefahr, dass die Länder eine Übertragung auf den Bund erst dann erwägen, wenn sie mit der Umsetzung gescheitert sind.38 Dann wird es aber meistens für eine rechtzeitige Umsetzung der EG-Richtlinie in innerstaatliches Recht schon zu spät sein. Außerdem wäre in jedem Fall erst eine Einigung der Länder herbeizuführen. Dies stellt eine erhebliche Verfahrenshürde dar, die sekundäre Zeitprobleme mit sich bringt.39 Darüber hinaus kann bei einer alleinigen Umsetzung durch den Bund wiederum das schon erwähnte Problem entstehen, dass bereits existierendes Landesrecht durch den Bund zu harmonisieren wäre. Das Modell einer freiwilligen Übertragung der Länderkompetenzen auf den Bund würde damit nicht die wesentlichen in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten lösen und ___________ 36 Diesen Lösungsansatz favorisieren Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (28), wobei sie allerdings eine Ermächtigung der Länder lediglich im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder und im Bereich der Rahmenkompetenz vorschlagen. 37 Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (28). 38 Dies geben allerdings auch Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (28) zu bedenken. 39 Rehbinder/Wahl, NVwZ 2002, 21 (28).

I. Änderung der Gesetzgebungskompetenzen

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auch nicht unbedingt die erhofften Zeitvorteile im Hinblick auf die Richtlinienumsetzung bringen.

b) Auffanggesetzgebung des Bundes Weiterhin wird eine Art Auffanggesetzgebung des Bundes entsprechend Art. 23d Abs. 5 österreichisches B-VG vorgeschlagen.40 Art. 23d Abs. 5 B-VG lautet: „Die Länder sind verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, die in ihrem selbständigen Wirkungsbereich zur Durchführung von Rechtsakten im Rahmen der europäischen Integration erforderlich werden; kommt ein Land dieser Verpflichtung nicht nach und wird dies von einem Gericht im Rahmen der Europäischen Union gegenüber Österreich festgestellt, so geht die Zuständigkeit zu solchen Maßnahmen, insbesondere zur Erlassung der notwendigen Gesetze, auf den Bund über. Eine gemäß dieser Bestimmung vom Bund getroffene Maßnahme, insbesondere ein solcherart erlassenes Gesetz oder eine solcherart erlassene Verordnung, tritt außer Kraft, sobald das Land die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.“41 Bedingung für den Zuständigkeitsübergang ist also in inhaltlicher Hinsicht die Säumnis des betreffenden Landes und in formeller Hinsicht eine diesbezügliche Feststellung eines EU-Gerichtes42, d.h. derzeit des EuG oder des EuGH.43 Positiv an einer solchen Regelung ist sicherlich, dass durch sie weitere Verurteilungen durch den EuGH und damit auch Zwangsgeldzahlungen gemäß Art. 228 Abs. 2 EG vermieden werden können. Außerdem ist der Vorschlag, was die Bundesländer angeht, sehr kompetenzschonend, da zum einen die Zuständigkeit für die Umsetzung von Richtlinien nicht generell auf den Bund übergeht, sondern nur neben die weiterhin bestehende Landeskompetenz tritt44, und zum anderen eine Bundesregelung wieder außer Kraft tritt, wenn das betroffene Land seinerseits die erforderliche Rechtsumsetzungsmaßnahme trifft. Zudem wird durch das Urteil des EuGH bzw. des EuG das Umsetzungsversäumnis durch einen „neutralen Schiedsrichter“ festgestellt und nicht dem Ermessen des Bundes überlassen.45 Zugleich hat das Erfordernis eines vorausgehenden Urteils ___________ 40

Benz, Drs.-Bundesstaatskommission 0043, S. 2 f., 15. Umfassend zu dieser Regelung Ranacher, Funktion des Bundes, S. 161 ff., 343 ff.; Budischowsky, ÖJZ 1998, S. 881 ff.; Egger, ZÖR Bd. 53 (1998), 443 (469 ff.). 42 Egger, ZÖR Bd. 53 (1998), 443 (469); Grabenwarter, ZaöRV 55 (1995), 166 (176). 43 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 349; Budischowsky, ÖJZ 1998, 881 (882). 44 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 352 f.; Budischowsky, ÖJZ 1998, 881 (887); Egger, ZÖR Bd. 53 (1998), 443 (475). 45 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 343; Egger, ZÖR Bd. 53 (1998), 443 (471). 41

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

den Vorteil, dass zunächst verbindlich festgelegt wird, wie eine Richtlinie auszulegen ist, so dass der Bund danach genau weiß, welche Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen sind. Allerdings hat diese Lösung auch etliche Nachteile. Zunächst ist zu befürchten, dass die Bindung des Zuständigkeitsüberganges an eine vorhergehende Feststellung durch ein Gericht im Rahmen der Europäischen Union die Effektivität der Devolutionsregelung erheblich beeinträchtigt.46 Denn die absolute Bindung des Zuständigkeitsüberganges an eine solche Feststellung beraubt den Bund selbst bei offensichtlichen und besonders gravierenden Pflichtverstößen durch ein Landesorgan jedweder Möglichkeit, umgehend einen gemeinschaftsrechtskonformen Zustand herzustellen. Sie perpetuiert vielmehr eine möglicherweise qualifizierte Vertragswidrigkeit bis zum Abschluss eines entsprechenden Verfahrens vor dem EuGH, d.h. erfahrungsgemäß für einen Zeitraum von mehreren Jahren.47 Außerdem könnte eine dem Art. 23d Abs. 5 B-VG entsprechende Lösung den Anschein erwecken, als begründe sie eine Verpflichtung der Länder, sich erst dann gemeinschaftsrechtskonform verhalten zu müssen, wenn dies vom EuGH oder EuG festgestellt wird. Damit würde sie aber eine psychologisch schädliche Wirkung entfalten, das angestrebte Ziel einer rechtzeitigeren Umsetzung verwandelte sich so in sein Gegenteil.48 Schließlich bleiben die dargestellten Probleme der Richtlinienumsetzung durch Bund und Länder vollständig bestehen, da die Regelung letztlich erst eingreift, wenn die Umsetzungsfrist lange abgelaufen ist. Ziel sollte aber nicht allein die Vermeidung von Zwangsgeldzahlungen, sondern eine rechtzeitige Umsetzung von EG-Richtlinien sein.49

c) Richtlinienumsetzungsgesetzgebung des Bundes Möglich ist darüber hinaus eine vollständige Übertragung der Kompetenz zur Umsetzung von EG-Richtlinien auf den Bund. Vorteilhaft an einer solchen Richtlinienumsetzungskompetenz des Bundes wäre der Wegfall von Abstimmungsprozessen zwischen Bund und Ländern sowie der Zweistufigkeit des Umsetzungsprozesses. Außerdem wäre im Rahmen der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder nurmehr ein Legislativakt des Bundes und nicht 16 Umsetzungsakte der Länder erforderlich. ___________ 46

Ranacher, Funktion des Bundes, S. 345. Ranacher, Funktion des Bundes, S. 356 f.; Griller, ecolex 2000, 4 (10); Budischowsky, ÖJZ 1998, 881 (890). 48 Budischowsky, ÖJZ 1998, 881 (891). 49 Ähnlich Westbomke, EurUP 2004, 122 (126). 47

I. Änderung der Gesetzgebungskompetenzen

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Allerdings entstünde wieder die Schwierigkeit, dass der Bund unter Umständen Richtlinien in solchen Bereichen umzusetzen hätte, in denen bereits Landesrecht existiert. Jedoch ist dies letztlich weniger problematisch als die mit der unmittelbaren Wirkung einer nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinie verbundene Rechtsunsicherheit.

aa) Möglicher Verstoß gegen das Bundesstaatsprinzip Des Weiteren würde eine solche Änderung der Zuständigkeiten aber in nicht unerheblicher Weise in die Kompetenzbereiche der Länder eingreifen. Mittlerweile ist nach vorsichtigen und nicht durch Statistiken belegbaren Schätzungen etwa 50 % der innerstaatlichen Gesetzgebung in den Bereichen Wirtschaft, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durch EG-Richtlinien veranlasst.50 Durch eine vollständige Richtliniengesetzgebung des Bundes entfiele jegliche Mitwirkungsmöglichkeit der Bundesländer an der Umsetzung, so dass der Vorschlag verfassungsrechtliche Bedenken hervorrufen könnte.51 Das Grundgesetz spricht sich in Art. 79 Abs. 3 Var. 1 GG in der sog. Ewigkeitsklausel für eine Gliederung des Bundes in Länder aus und garantiert damit – neben der Existenz mehrerer Länder52 – den Bestand einer Mehrzahl von Zentren demokratischlegitimer Entscheidung.53 Art. 79 Abs. 3 Var. 1 GG sichert den Ländern ein Mindestmaß an Eigenständigkeit, d.h. eigene Entscheidungskompetenzen in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung sowie eine eigene Finanzausstattung.54 Damit werden aber die Kompetenzen der Länder nicht an die augenblicklichen Zuständigkeiten gebunden55, sondern das Maß unentziehbarer Kompetenzen ist davon abhängig, inwieweit der Gesamtbestand der Landeskompetenzen ausreicht, die Länder als Zentren demokratisch legitimer politi___________ 50

Westbomke, EurUP 2004, 122 (124); Röttgen, Stenographischer Bericht, 2. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 28.11.2003, S. 32 (D). Vgl. auch Zumschlinge, Europakompetenzen der Landesregierungen, S. 53. 51 So etwa Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 53, der einen Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG schon für den Fall eines Entzugs der Kompetenzen der Länder im Bereich von Art. 75 GG bejaht. 52 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 79 GG, Rn. 30; Lücke, in: Sachs, Art. 79 GG, Rn. 26; Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 79 Abs. 3 GG, Rn. 131. In diesem Zusammenhang ist allerdings umstritten, ob zwei oder drei Länder fortbestehen müssen. 53 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 79 GG, Rn. 31; Donoth, Bundesstaatliche Ordnung und Verwirklichung der Europäischen Union, S. 31; Hesse, AöR 98 (1973), 1 (12 ff.). 54 BVerfG, Urt. v. 26.07.1972, E 34, 9 (19 f.); Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 79 GG, Rn. 31; Lücke, in: Sachs, Art. 79 GG, Rn. 27; Dreier, in: Dreier, Art. 79 GG, Rn. 17; Stern, Staatsrecht Bd. II, § 5 IV 5a; Hesse, AöR 98 (1973), 1 (14 ff.). 55 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 79 GG, Rn. 31; Lücke, in: Sachs, Art. 79 GG, Rn. 27.

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

scher Entscheidungen zu erhalten.56 Wann die Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG überschritten ist, ist daher eine schwer zu beantwortende Frage.57

bb) Auslegung im Sinne der Staatszielbestimmung der Verwirklichung eines vereinten Europas Allerdings belässt auch eine vollständige Übertragung der Richtlinienumsetzungskompetenz auf den Bund die Gesetzgebungszuständigkeit in allen nicht gemeinschaftsrechtlich veranlassten Fällen bei den Ländern. Zudem hätten diese auch weiterhin ihre Zuständigkeit im Bereich der Rechtsprechung und ihre Hauptaufgabe, die Exekutivgewalt, unverändert inne. Darüber hinaus kann die Ewigkeitsklausel auch keine absolute Grenze gegenüber sich wandelnden Verhältnissen bilden, sondern ist ihrerseits einer am Zeitwandel orientierten Auslegung zugänglich.58 Demnach müssen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Strukturprinzipien, insbesondere das Demokratie- und Bundesstaatsprinzip, auch mit Blick auf die Staatszielbestimmung in der Präambel und in Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG, an der Verwirklichung eines vereinten Europas mitzuwirken, ausgelegt werden.59 Die hinter den Verfassungsgeboten stehenden Werte müssen so zueinander in Verhältnis gesetzt werden, dass möglichst alle unter Berücksichtigung der jeweils gegenläufigen Werte oder Prinzipien verwirklicht werden können.60 Angesichts der durch die unzulängliche Umsetzung der Bundesrepublik bestehenden Gefahren für den Integrationsprozess bedeutet deshalb der Ausschluss der Länder von der Richtlinienumsetzung keinen Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 Var. 1 GG, sondern die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen zwei in diesem Fall widerstreitenden Staatsstrukturprinzipien. Damit wäre eine Richtlinienumsetzungskompetenz des Bundes zwar nicht verfassungswidrig, wegen der mit ihr verbundenen Einbußen für die Länder politisch aber kaum durchsetzbar. ___________ 56

BVerfG, Urt. v. 26.07.1972, E 34, 9 (20); Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 79 GG, Rn. 31; Hesse, AöR 98 (1973), 1 (17 f.). 57 Calliess, Innerstaatliche Mitwirkungsrechte, S. 23 f.; Stein, VVDStRL 53 (1993), 26 (27). Bislang wurde die Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG durch Zuständigkeitsverlagerung auf die Europäische Union noch nicht überschritten, dazu Stein, VVDStRL 53 (1993), 26 (33 ff.). 58 König, Integrationsprozeß, S. 524. 59 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 88, 63; Wölk, Umsetzung von Richtlinien, S. 116; König, Integrationsprozeß, S. 529; Lerche, FS Konrad Redeker, S. 140 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR Bd. IV, § 98, Rn. 288. 60 König, Integrationsprozeß, S. 529.

I. Änderung der Gesetzgebungskompetenzen

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d) Richtliniengesetzgebung des Bundes mit Gestaltungsrecht der Länder Interessanter ist dagegen der Vorschlag, der einen Akt der Richtliniengesetzgebung durch den Bund vorsieht, die Ausfüllung der in der Richtlinie enthaltenen Gestaltungsspielräume – sei es durch unbestimmte Rechtsbegriffe, ausdrücklich formulierte Alternativen oder die Technik der Mindestnormen – aber den Ländern überlassen will, wo es um ihre Gesetzgebungsmaterien geht.61 Wenn es sich um lediglich fakultativ auszufüllende Gestaltungsspielräume handelt, könnte der durch die Richtlinie zwingend vorgesehene Teil immer allein vom Bund umgesetzt werden. Dadurch dürfte die Umsetzung in der Regel fristgerecht erfolgen. Weiterhin fänden durch die den Bundesländern überlassenen Gestaltungsspielräume die Eigenheiten der Länder Beachtung. Auch wäre ein allzu großer Eingriff in den Kompetenzbereich der Länder ausgeschlossen, da sie hinsichtlich des Teils der Richtlinie, welcher vom Bund umgesetzt wird, sowieso keinen Spielraum gehabt hätten. Allerdings kann es auch nach diesem Lösungsansatz wieder zu der Situation kommen, dass der Bund bereits existierendes Landesrecht abändern muss, um es an die Anforderungen der Richtlinie anzupassen. Zudem besteht die Gefahr, dass Länder im Nachhinein gegen Vorgaben der Richtlinie verstoßen. Für solche Fälle wäre jedoch eine Regelung denkbar, dass Landesrecht, wenn es gegen EU-Vorhaben verstößt, unwirksam ist, so dass dann der eigentlich nach dieser Lösung bestehende Anwendungsvorrang des Landesrechts gegenüber dem Bundesrecht entfiele.62 Problematisch ist aber weiterhin die Konstellation, dass die den Mitgliedstaaten durch die EG-Richtlinie gewährten Gestaltungsspielräume zwingend auszufüllen sind. In diesem Fall bliebe die Zweistufigkeit des Umsetzungsprozesses bestehen.63 Zudem würden die Bundesländer wieder erst tätig, wenn der Bund den Transformationsakt erlassen hat. Dies hätte zur Folge, dass im Ergebnis keine Zeitgewinne zu erwarten wären. Letztlich wäre die Richtliniengesetzgebung des Bundes in Fällen der zwingend auszufüllenden Gestaltungsspielräume dann nichts anderes als eine Rahmengesetzgebung, die zudem noch mit sämtlichen ihrer Nachteile auf alle Bereiche der Gesetzgebung ausgeweitet würde. Sie stellt deshalb nur bei fakultativen Gestaltungsspielräumen eine denkbare Lösung dar. ___________ 61 Schmidt-Jortzig, Stenographischer Bericht, 3. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 12.12.2003, S. 75 (B-D). 62 Gerhards, Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 158 (A). 63 Darauf weist ebenfalls hin Bertelsmann Stiftung, Diskussionspapier zum Föderalismus-Reformdialog – Die Europafähigkeit des deutschen Bundesstaates v. 10.05.2004, S. 14.

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

e) Richtliniengesetzgebung des Bundes mit Zugriffsrecht der Länder Ähnlich erscheint auf den ersten Blick die Lösung, welche ebenfalls einen Akt der Richtliniengesetzgebung durch den Bund vorsieht und daneben den Ländern im Bereich ihrer Gesetzgebungskompetenzen Zugriffsrechte gewähren will.64 Der Unterschied zur zuvor vorgestellten Lösung ist der, dass der Bund vollständig zur Umsetzung befugt ist, also auch hinsichtlich der Gestaltungsspielräume, die in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen. Letztere können dann aber das vorgreifende Landesrecht in ihrem Kompetenzbereich durch eigene Regelungen ersetzen. Dies hat den enormen Vorteil, dass die Richtlinie auf jeden Fall zunächst fristgerecht allein vom Bund umgesetzt werden könnte. Die Zweistufigkeit des Gesetzgebungsprozesses und notwendige Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern entfielen. Zudem müssten die Länder nicht zwingend von ihrer Befugnis zur nachträglichen Ausfüllung der Gestaltungsspielräume Gebrauch machen. Vielmehr könnten beispielsweise finanzschwache Länder, die zuletzt sowieso kaum mehr in der Lage waren, die für die Umsetzung europäischer Richtlinien erforderlichen Ressourcen aufzubringen, die Regelung des Bundes beibehalten oder abwarten, welche Regelungen die übrigen Länder vorsehen, um dann eventuell deren Regelungen zu übernehmen.65 Zu erwarten ist aber, dass Abgrenzungsprobleme hinsichtlich der Frage entstehen, inwieweit die Länder ihr Zugriffsrecht ausüben und damit Bundesrecht abändern dürfen. Allerdings träten diese Schwierigkeiten erst nach erfolgter Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht ein und könnten eine rechtzeitige Umsetzung der Richtlinie nicht mehr gefährden. Daher ist eine Richtlinienumsetzungskompetenz des Bundes mit Zugriffsrecht der Länder eine durchaus bedenkenswerte Alternative. Allein das Problem, dass gegebenenfalls bereits existierendes Landesrecht wegen Verstoßes gegen das die Richtlinie umsetzende Bundesrecht nichtig ist, bleibt bestehen. Insofern ist aber nochmals darauf hinzuweisen, dass dies weniger problematisch ist als die bei der nicht fristgemäßen Umsetzung einer Richtlinie häufig eintretende unmittelbare Wirkung derselben. Im Ergebnis ist des___________ 64

Kloepfer, DÖV 2004, 566 (569); Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 12; Huber, Stenographischer Bericht, 3. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 12.12.2003, S. 55 (B), S. 88 (A); Schmidt-Jortzig, ebenda, S. 76 (C); ders., Stenographischer Bericht, 6. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 14.05.2004, S. 157 (A); Bertelsmann Stiftung, Diskussionspapier zum Föderalismus-Reformdialog – Die Europafähigkeit des deutschen Bundesstaates v. 10.05.2004, S. 14. Ähnlich für den Bereich Umwelt Pernice, Umweltgerechte Kompetenzordnung, S. 5. 65 Bertelsmann Stiftung, Diskussionspapier zum Föderalismus-Reformdialog v. 17.03.2004, S. 18.

II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes

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halb eine Richtliniengesetzgebung des Bundes mit Zugriffsrecht der Länder im Bereich ihrer Gesetzgebungskompetenzen der wohl praktikabelste Vorschlag.

f) Zwischenergebnis Festzuhalten ist damit, dass jede Änderung der Kompetenzordnung im Bereich der Richtlinienumsetzung auch mit Nachteilen verbunden ist. Bei einer Richtlinienumsetzungskompetenz des Bundes mit einem Zugriffsrecht der Länder im Bereich ihrer Zuständigkeiten überwiegen allerdings die Vorteile, wenn auch eine gewisse Intransparenz der Gesetzgebung dann, wenn der Bund im Bereich der Landesgesetzgebung tätig wird, nicht zu leugnen ist. Diese stellt sich jedoch weniger gravierend dar als die ansonsten eintretende unmittelbare Wirksamkeit der nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinie. Mithin wäre die grundgesetzliche Verankerung einer Richtlinienumsetzungskompetenz der Bundes mit Zugriffsrecht der Länder eine Möglichkeit, die derzeit bei der Richtlinienumsetzung bestehenden Schwierigkeiten zu beseitigen. Schon Einzeländerungen der Verfassung stellen aber ein politisch schwieriges Unterfangen dar. Potenziert werden diese Schwierigkeiten besonders dann, wenn eine Bündelung von Verfassungsänderungen oder einschneidende Veränderungen, wie sie auch mit einer Veränderung der Kompetenzordnung einhergehen, auf die Tagesordnung der politischen Agenda gesetzt werden sollen. Solche umfassenden Verfassungsänderungen waren bisher in der Bundesrepublik wenig erfolgreich.66 Aus diesem Grunde sollte auch über eine effektivere Nutzung bereits existierender verfassungsrechtlicher Instrumente nachgedacht werden, welche den Bund in die Lage versetzen könnten, durch Druck oder Zwang die Bundesländer zu einer rechtzeitigeren Umsetzung zu bewegen.

II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes Zwangs- und Druckmittel des Bundes können zwar nicht die durch die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern bestehenden Probleme bei der Umsetzung von EG-Richtlinien beseitigen; allerdings könnten sie sich als wirksame Mittel erweisen, um die Bundesländer dazu zu bewegen, rechtzeitiger eigene Gesetzgebungsmaßnahmen zu ergreifen und somit zukünftig extreme Fristüberschreitungen verhindern.67 Denkbare Instrumente des Bundes in diesem Zusammenhang sind der Bundeszwang gemäß Art. 37 GG, der Bund___________ 66

Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 282. Für die Notwendigkeit von Zwangsmitteln des Bundes auch Westbomke, EurUP 2004, 122 (125). 67

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

Länder-Streit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG sowie eine Haftung der Länder für Schadensersatz- bzw. Zwangsgeldzahlungen, die auf Grund der Nichterfüllung von Umsetzungsverpflichtungen entstehen.

1. Einsatz von Bundeszwang Der Bundeszwang gemäß Art. 37 GG ermächtigt zu Zwangsmaßnahmen gegenüber einzelnen Ländern.68 Voraussetzung ist nach Absatz 1, dass ein Land die ihm nach dem Grundgesetz oder einem anderen Bundesgesetz obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt. In diesem Fall kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.

a) Die Bundespflichten aus dem Grundgesetz Damit die Bundesregierung nach Art. 37 GG Zwangsmaßnahmen gegen ein seinen Umsetzungsverpflichtungen nicht nachkommenden Bundesland vornehmen kann, müsste es sich bei der Umsetzung von Richtlinien um eine den Ländern obliegende Bundespflicht aus dem Grundgesetz oder einem Bundesgesetz handeln. Aus dem Begriff „Bundespflichten“ folgt zweierlei: Zum einen muss es sich um Pflichten handeln, so dass ein Außerachtlassen von Hinweisen und ähnlichem oder reinen Berechtigungen nicht ausreicht69; zum anderen sind Bundespflichten solche Pflichten, welche einem Land als Gliedstaat auf Grund des bundesstaatlichen Prinzips obliegen.70 Es können daher Pflichten sein, die das Land gegenüber dem Bund oder auch gegenüber anderen Ländern zu erfüllen hat, soweit in letzterem Fall ebenfalls die Bundesstaatlichkeit betroffen ist.71 Die jeweilige Bundespflicht ergibt sich darüber hinaus aus dem Grundgesetz, wenn sie ausdrücklich in der Verfassung formuliert ist oder im Wege der Auslegung aus dem Grundgesetz abgeleitet werden kann.72

___________ 68

Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 37 GG, Rn. 1. Erbguth, in: Sachs, Art. 37 GG, Rn. 8; Rühmann, in: Umbach/Clemens, Art. 37 GG, Rn. 16; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 37 GG, Rn. 5. 70 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 37 GG, Rn. 5. 71 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 37 GG, Rn. 2; Erbguth, in: Sachs, Art. 37 GG, Rn. 8; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 37 GG, Rn. 15; Bauer, in: Dreier, Art. 37 GG, Rn. 9. 72 Erbguth, in: Sachs, Art. 37 GG, Rn. 8; Bothe, in: AK, Art. 37 GG, Rn. 12; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 37 GG, Rn. 6; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 37 GG, Rn. 16. 69

II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes

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Demnach müsste zunächst eine Verpflichtung der Länder zur Umsetzung bestehen. Zwar wurde eine solche früher vereinzelt in Frage gestellt.73 Heute dagegen ist es einhellige Meinung, dass nicht nur eine Berechtigung der Länder besteht, sekundäres Gemeinschaftsrecht umzusetzen, sondern die Länder hierzu auch verpflichtet sind74, wobei allerdings die Begründungen hierfür uneinheitlich sind.75 Weiterhin müsste es sich nach dem Gesagten bei der Umsetzungsverpflichtung der Länder um eine Pflicht handeln, die ihnen gegenüber dem Bund obliegt und die sich außerdem aus dem Grundgesetz ergibt. Ob allerdings die Umsetzungsverpflichtung aus dem Grundgesetz ableitbar ist, ist umstritten.

aa) Herleitung der Umsetzungsverpflichtung aus Gemeinschaftsrecht Zum Teil wird angenommen, dass sich die Pflicht der Länder, EGRichtlinien in innerstaatliches Recht umzusetzen, unmittelbar aus der besonderen Rechtsnatur des EG-Rechts ergebe.76 Dieses sei in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen und entfalte dort seine Wirkungen. Die Verpflichtungen aus den Verträgen bestünden dabei nicht nur für den Bund, sondern für die Bundesrepublik als Ganzes und damit auch für die Länder.77 Insbesondere erwähne Art. 249 Abs. 3 EG ausdrücklich die zur Umsetzung verpflichteten „innerstaatlichen Stellen“, womit zum Ausdruck gebracht werde, dass das Gemeinschaftsrecht erkenne, dass ihm nicht Staaten als Einheiten, sondern in sich untergliederte Organsysteme gegenüberstünden. Über Art. 249 Abs. 3 EG würden somit alle innerstaatlichen Verwaltungsträger zur Realisierung des jeweiligen Richtlinienergebnisses unmittelbar aufgefordert.78 Schließlich sei eine unmittelbare Organverbindlichkeit gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften auch deshalb anzunehmen, weil das Erfordernis eines nationalen Transformationsaktes zur Erlangung innerstaatlicher Bindungswirkung für die einzelnen Organe zu sehr Ausdruck mitgliedstaatlicher Autonomie sei, als dass es dem ___________ 73

Vgl. beispielsweise Schwan, Bundesländer, S. 167. Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 57; Trüe, EuR 1996, 179 (191); Weber, Durchführung des Gemeinschaftsrechts, S. 31; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (30); Scheuing, EuR 1985, 229 (242); Zuleeg, Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 320. 75 Dazu im Folgenden. 76 Nettesheim, Mitgliedstaatliche Durchführung, S. 18; Kovar, FS Pierre Pescatore, S. 362; R. Schäfer, EWG-Richtlinie, S. 117 ff. 77 Himmelmann, EG-Umweltrecht, S. 130; Trüe, EuR 1996, 179 (191); Scherzberg, Jura 1993, 225 (225); ders., Jura 1992, 572 (576). 78 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 121; Wollgast, Haftungssubjekt, S. 94; Himmelmann, EG-Umweltrecht, S. 130; ders., DÖV 1996, 145 (145); Scherzberg, Jura 1992, 572 (576). 74

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

heutigen Stand gemeinschaftlicher Integration gerecht werden könne.79 Demnach ergäbe sich die Umsetzungsverpflichtung der Länder unmittelbar aus dem EG-Recht und nicht aus einer aus dem Grundgesetz abgeleiteten Bundespflicht.

bb) Herleitung der Umsetzungsverpflichtung aus dem Grundgesetz Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass nur die Bundesrepublik als Bundesstaat – und nicht etwa zugleich die Länder – Mitgliedstaat der Gemeinschaft ist. Deshalb kann auch nur sie durch staatengerichtete Maßnahmen des Gemeinschaftsrechts unmittelbar verpflichtet werden.80 Zudem spricht Art. 249 Abs. 3 EG auch davon, dass die Richtlinie für den „Mitgliedstaat“ verbindlich ist. Diese Formulierung macht deutlich, dass das Gemeinschaftsrecht sich an die Staaten als körperschaftliche Einheit richtet.81 Weiterhin würde eine Durchgriffswirkung des staatengerichteten Rechts die Abgrenzung dieser Vorschriften zu den unmittelbar Geltenden, also namentlich der Verordnung, verwischen. Es ist gerade Ausdruck des an die Mitgliedstaaten gerichteten Rechts, dass eine innerstaatliche Wirkung im Gegensatz zur Verordnung nur vermittels eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes oder über das Institut der unmittelbaren Anwendbarkeit erfolgen kann. Wie und durch welche Organe der Mitgliedstaat seinen gemeinschaftsrechtlichen Obliegenheiten genügt, entscheidet er nach seiner eigenen Rechtsordnung. Damit sind nicht etwa die staatlichen Organe gemeinschaftsrechtlich Zuordnungsobjekte von Rechten und Pflichten, sondern sie werden lediglich mittels einer nationalen Aufgaben- und Befugnisnorm zuständig.82 Eine Verpflichtung der innerstaatlichen Organe durch das Gemeinschaftsrecht würde vielmehr in die institutionelle Autonomie der Mitgliedstaaten eingreifen.83 Damit ergibt sich die Verpflichtung der Länder zur Richtlinienumsetzung nicht unmittelbar aus EG-Recht.

___________ 79

Wollgast, Haftungssubjekt, S. 95. Wölk, Umsetzung von Richtlinien, S. 35; Barley, Kommunalwahlrecht, S. 109; Meißner, Kompetenzkompensation, S. 61; Kössinger, Durchführung, S. 69; Oldekop, JöR Band 21 (1972), 55 (72). 81 Steinberg/Klößner, JbUTR 27 (1994), 481 (498); Blanke, Integrationsgewalt, S. 338; Jarass, EuR 1991, 211 (216); Oldekop, JöR Band 21 (1972), 55 (72). 82 Barley, Kommunalwahlrecht, S. 109; Jarass, EuR 1991, 211 (216); Kössinger, Durchführung, S. 70. 83 Wölk, Umsetzung von Richtlinien, S. 35; Kössinger, Durchführung, S. 36; Oldekop, JöR Band 21 (1972), 55 (72). 80

II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes

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(1) Das Prinzip der Bundestreue Es bleibt die Frage, ob sich die Umsetzungsverpflichtung aus dem Grundgesetz als eine gegenüber dem Bund bestehende Bundespflicht ableiten lässt. Eine ausdrückliche Verpflichtung der Länder zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts sieht das Grundgesetz – im Gegensatz zu einigen anderen Rechtsordnungen – nicht vor.84 Denkbar ist aber, dass sich diese aus dem Verfassungsgrundsatz der Bundestreue85 ergibt.86 Inhalt der Bundestreue ist es, dass sowohl der Bund gegenüber den Ländern, als auch diese untereinander und gegenüber dem Bund auf die Interessen der jeweils anderen Seite Rücksicht nehmen.87 Die Notwendigkeit eines solchen Grundsatzes ergibt sich aus dem vielfältig verschränkten Verhältnis von Bund und Ländern, das im Grundgesetz nicht bis in alle wesentlichen Einzelheiten durchnormiert88 und das von den Spannungen zwischen der Wahrung der jeweiligen Autonomieinteressen einerseits und der Notwendigkeit des Zusammenwirkens im gemeinsamen Interesse andererseits geprägt ist.89 Sowohl den Ländern als auch dem Bund obliegen demnach gegenseitige Rücksichtnahmepflichten, speziell bei der Ausübung oder Nichtausübung ihrer Kompetenzen.

(2) Umsetzungsverpflichtung aus dem Prinzip der Bundestreue Bezogen auf die Rechtsbeziehungen des Bundes zur Europäischen Union und den sich hieraus ergebenden Verpflichtungen bedeutet der Grundsatz der Bundestreue, dass nicht nur der Bund gehalten ist – insbesondere bei seinen Entscheidungen im Ministerrat90 –, Interessen der Länder zu berücksichtigen91, ___________ 84 In Italien sind auch die Regionen kraft italienischen Verfassungsrechts an die völkerrechtlichen Verpflichtungen gebunden, vgl. dazu Zuleeg, Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 315, Fn. 72. In Österreich verpflichtet Art. 23d Abs. 5 Hs 1 B-VG die Länder ausdrücklich, Maßnahmen zu treffen, die in ihrem selbständigen Wirkungsbereich zur Durchführung von Rechtsakten im Rahmen der europäischen Integration erforderlich werden, vgl. dazu Ranacher, Funktion des Bundes, S. 120. 85 Siehe dazu umfassend H. Bauer, Bundestreue. 86 Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 62 ff.; Schnapauff, ZG 1997, 188 (194); Meißner, Kompetenzkompensation, S. 61 f.; Rengeling, DVBl. 1995, 945 (950); M. Schweitzer, ZG 1992, 128 (130); Kössinger, Durchführung, S. 75 ff.; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (30); Zuleeg, Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 320. 87 BVerfG, Urt. v. 22.05.1990, E 81, 310 (337 f.); Urt. v. 22.03.1995, E 92, 203 (230 ff.); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20 GG, Rn. 15; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 218; Kössinger, Durchführung, S. 75. 88 Kössinger, Durchführung, S. 76; Thieme, AöR 88 (1963), 38 (62 f.). 89 Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 63; Kössinger, Durchführung, S. 75. 90 BVerfG, Urt. v. 22.03.1995, E 92, 203 (231); Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 1070.

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

sondern dass auch die Länder die gebotene Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates nehmen müssen.92 Aus dem Bundestreueprinzip ist daher eine Verpflichtung der Länder abzuleiten, die Gemeinschaftsrechtsordnung zu respektieren und aus Loyalität gegenüber dem Mitgliedstaat Deutschland die gegebenenfalls notwendig werdenden Maßnahmen vorzunehmen.93 Eine Verpflichtung der Länder aus dem Prinzip der Bundestreue ist damit zu bejahen, wenn umzusetzende Gemeinschaftsmaßnahmen in den Kompetenzbereich der Länder fallen. Die Vertragsschlusskompetenz des Bundes und seine Ausstattung zwischenstaatlicher Einrichtungen mit Hoheitsbefugnissen würde bedeutungslos, wenn die Länder die Erfüllung dieser den Gesamtstaat treffenden Verpflichtungen verweigern und ihn so der Gefahr von Vertragsverletzungsverfahren aussetzen könnten.94 Zudem zeigt die in der Präambel und in Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG niedergelegte verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Verwirklichung eines vereinten Europas die herausragende Bedeutung, welche der Integration in der Europäischen Gemeinschaft beigemessen wird. Wenn der Bund dieses Verfassungsziel zu verwirklichen sucht, dürfen ihm die Länder hierbei nicht zuwider handeln. Vielmehr sind sie über den Grundsatz der Verfassungstreue ebenfalls an das europäische Integrationsziel gebunden.95 Demnach ergibt sich aus dem Verfassungsgrundsatz der Bundestreue eine Verpflichtung der Länder gegenüber dem Bund, Gemeinschaftsrecht, das in ihren Kompetenzbereich fällt, umzusetzen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass aus dem Prinzip des bundesfreundlichen Verhaltens keine selbständigen Handlungs- oder Unterlassungspflichten folgen können, sondern es nur dazu dient, Bund und Länder hinsichtlich der Ausübung schon bestehender Rechte festzulegen, dass es sich also im Ergebnis um eine Kompetenzausübungsschranke handelt.96 Eine Bin___________ 91

Zur Bedeutung der Bundestreue für die Länderbeteiligung bei EG-Vorhaben mit Länderbezug vor der gesetzlichen Verankerung der Beteiligungsrechte s. Bauer, Bundestreue, S. 198 ff. 92 BVerfG, Urt. v. 22.03.1995, E 203 (235). 93 Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 63; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (31). 94 Kössinger, Durchführung, S. 77; Weber, Durchführung des Gemeinschaftsrechts, S. 31; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (31); Zuleeg, Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 320. 95 Kössinger, Durchführung, S. 77; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (31). 96 So aber Schwan, Bundesländer, S. 161. Zur Auslegung des Prinzips der Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke vgl. BVerfG, Urt. v. 28.02.1961, E 12, 205 (255); Urt.v. 11.07.1961, E 13, 54 (75); Beschluss v. 11.04.1967, E 21, 312 (326); Urt. v. 22.05.1990, E 81, 310 (337); Sachs, in: Sachs, Art. 20 GG, Rn. 70; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 GG, Rn. 37; Faller, FS Theodor Maunz, S. 62; Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 19 III 4 e; Lerche, AöR 90 (1965), 341 (371); Dellmann, in: Seifert/Hömig, Art. 70 GG , Rn. 1. Kritisch zur Auslegung der Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke Meißner, Kompetenzkompensation, S. 145.

II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes

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dung der Länder an das Gemeinschaftsrecht bedeutet nämlich nichts anderes, als dass sie bei der Ausübung ihrer Kompetenzen auf bestimmten Gebieten der Gesetzgebung oder des Verwaltungsvollzugs beschränkt werden. Demnach werden mittels einer Umsetzungsverpflichtung über den Grundsatz der Bundestreue keine bisher nicht existierenden Handlungsverpflichtungen der Länder konstruiert, sondern lediglich bereits bestehende Kompetenzen ausgelegt.97 Folglich besteht eine aus dem Verfassungsgrundsatz der Bundestreue abgeleitete Pflicht der Bundesländer gegenüber dem Bund, Gemeinschaftsrecht in innerstaatliches Recht umzusetzen, wenn die Zuständigkeiten der Länder betroffen sind. Das Vorliegen einer Bundespflicht im Sinne des Art. 37 Abs. 1 GG ist demnach zu bejahen.

b) Nichterfüllung der Bundespflicht Des Weiteren liegt auch eine Nichterfüllung dieser Bundespflicht vor, wenn die Länder ihren Umsetzungsverpflichtungen nicht nachkommen. Mithin sind in einem solchen Fall die Voraussetzungen für die Anwendung von Bundeszwang gegenüber den nichtumsetzenden Ländern gegeben.

c) Das Verfahren des Art. 37 GG Über das Vorliegen der Voraussetzungen kann sich die Bundesregierung in eigener Zuständigkeit schlüssig werden. Deshalb kann sie, muss aber nicht, zuvor eine Entscheidung des BVerfG einholen.98 In Anbetracht der Tatsache, dass die Verfahren vor dem BVerfG teilweise erhebliche Zeit in Anspruch nehmen und zudem die Umsetzungsfristen der EG-Richtlinien häufig sehr knapp bemessen sind, hat dies den Vorteil, dass, ohne eine Entscheidung des BVerfG abzuwarten, sofort Maßnahmen des Bundeszwanges von Seiten der Bundesregierung ergriffen werden können.

aa) Zeitpunkt des Einsatzes von Bundeszwang Allerdings stellt sich insofern die Frage, wann ein Land die ihm obliegende Bundespflicht zur Richtlinienumsetzung nicht erfüllt hat.99 Solange die Umset___________ 97

Kössinger, Durchführung, S. 78. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 37 GG, Rn. 5; Bothe, in: AK, Art. 37 GG, Rn. 15. 99 Dieses Problem sieht auch Westbomke, EurUP 2004, 122 (125). 98

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

zungspflicht noch läuft, ist die Fristverletzung nicht gegeben. Der frühest denkbare Zeitpunkt zur Verfahrenseinleitung ist also eigentlich der Ablauf der Umsetzungsfrist. Dies hat aber den Nachteil, dass dann eine fristgerechte Umsetzung auch durch den Einsatz von Bundeszwang nicht mehr gewährleistet werden kann. Man könnte jedoch auch daran denken, dem Bund schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist das Recht zum Erlass einer Ersatzmaßnahme zuzugestehen, wenn sicher ist, dass es dem Land nicht mehr gelingen kann, innerhalb der Umsetzungsfrist seinen Verpflichtungen nachzukommen. Jedenfalls zu spät ist der Zeitpunkt eines entsprechenden Urteils des EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren100, da der Einsatz von Bundeszwang dann nur noch die Verhängung von Zwangsgeldzahlungen, nicht aber eine erhebliche Fristüberschreitung verhindern kann.

bb) Ermessensentscheidung des Bundes Die Einleitung des Verfahrens steht bei Vorliegen der Voraussetzungen im nicht überprüfbaren101 Ermessen der Bundesregierung. Allerdings kann sich dieses auf Null reduzieren.102 Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn sich die Wahlmöglichkeit auf eine Alternative reduziert, weil alle anderen Entscheidungen ermessensfehlerhaft wären.103 Denkbar ist es, eine solche Ermessensreduzierung für die hiesige Konstellation zu bejahen, dass die Länder ihren Pflichten zur innerstaatlichen Umsetzung von Gemeinschaftsrecht nicht nachkommen. Hier könnte das Ermessen des Bundes durch die gemeinschaftsrechtliche Pflicht des Art. 10 EG, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen zu treffen, beschränkt sein. Art. 10 EG beinhaltet unter anderem eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit einer Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten.104 Insofern könnte Art. 10 EG, wenn die Wirksamkeit der Richtlinie auf ___________ 100

So aber Westbomke, EurUP 2004, 122 (126), der dies für den einzigen unangreifbaren Zeitpunkt hält. 101 BVerfG, Urt. v. 27.05.1958, E 7, 367 (372); Rühmann, in: Umbach/Clemens, Art. 37 GG, Rn. 28; Bothe, in: AK, Art. 37 GG, Rn. 16. Anderer Ansicht ist v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 37 GG, Rn. 29, der trotz der politischen Natur der Entscheidung den Rahmen statthafter Ermessenserwägungen begrenzen will. 102 Erbguth, in: Sachs, Art. 37 GG, Rn. 16; Bothe, in: AK, Art. 37 GG, Rn. 16. 103 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 24; Ossenbühl, in: Erichsen/ Ehlers, § 10, Rn. 21; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 411. 104 EuGH, Urt. v. 14.12.2000, Rs. C-97/00, Slg. 2001, I-2053 (2061) – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Republik Frankreich; Urt. v. 21.06.2001, Rs. C-119/ 00, Slg. 2001, I-4795 (4806) – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Großherzogtum Luxemburg; Lenz, in: Lenz/Borchardt, Art. 10 EG, Rn. 4; Prechal, Directives, S. 17.

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Grund der Säumnis der Länder nicht mehr fristgerecht hergestellt werden kann, eine Pflicht des Bundes begründen, an deren Stelle Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen.

cc) Zustimmung des Bundesrates Im Übrigen bedarf die Durchführung des Bundeszwanges der Zustimmung des Bundesrates. Hintergrund dieser Voraussetzung ist die Tatsache, dass der Bundeszwang gerade im kooperativen Föderalismus der Bundesrepublik, welcher sich durch ein intensives institutionelles und prozedurales Zusammenwirken von Bund und Ländern auszeichnet105, eine sehr einschneidende Maßnahme des Bundes gegenüber dem rechtsuntreuen Land ist und sie deshalb von der Gesamtheit der rechtstreuen Länder mitgetragen werden soll.106 Dabei ist die Zustimmung vor Einleitung irgendwelcher Maßnahmen einzuholen, d.h. eine nachträgliche Genehmigung ist nicht ausreichend.107 Zudem bezieht sich die Zustimmungsbedürftigkeit nicht nur auf das Ob der Durchführung, sondern auch auf das Wie. Aus diesem Grunde muss die Bundesregierung in ihrem Antrag an den Bundesrat die zu treffenden Maßnahmen genau bezeichnen.108 Zur Zustimmungserteilung kann der Bundesrat nicht gezwungen werden, selbst dann nicht, wenn er im Verfahren nach Art. 84 Abs. 4 GG bereits festgestellt hat, dass das Land das Recht verletzt habe, oder wenn eine gemäß § 31 BVerfGG auch den Bundesrat bindende Entscheidung des BVerfG über die Verletzung von Bundespflichten ergangen ist.109 Damit besteht die Möglichkeit, dass bei der Weigerung mehrerer Länder, die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Zwangsmaßnahmen zu erlassen, diese Länder über das Zustimmungsrecht des Bundesrates die Anwendung des Bundeszwanges verhindern. Wenn dies geschieht, um das betroffene Land, aber auch das föderale Gefüge selbst vor ungerechtfertigten, übereilten oder allzu einschneidenden Maßnahmen der Bundesregierung zu bewahren, ist eine solche Verhinderungsmöglichkeit der Länder positiv zu bewerten. In der Bundesrepublik besteht aber die Gefahr, dass die Entscheidung im Bundesrat parteipolitisch und nicht mit Blick auf die rechtlichen Vorgaben oder das in einem föderalen Staat noch vertretbare Maß an Zwang geleitet wird. Dies gilt zumindest für die Konstellation, dass die politischen Verhältnisse innerhalb der Bundesregierung und im Bundesrat verschieden sind, wie es in den letzten Jahren nicht selten der ___________ 105

Zum kooperativen Bundesstaat vgl. Batt, Verfassungswirklichkeit, S. 49 ff. Erbguth, in: Sachs, Art. 37 GG, Rn. 18; Bothe, in: AK, Art. 37 GG, Rn. 17. 107 Erbguth, in: Sachs, Art. 37 GG, Rn. 18; Bothe, in: AK, Art. 37 GG, Rn. 17. 108 Evers, in: BK, Art. 37 GG, Rn. 42; Bothe, in: AK, Art. 37 GG, Rn. 18. 109 Evers, in: BK, Art. 37 GG, Rn. 45; Erbguth, in: Sachs, Art. 37 GG, Rn. 18. 106

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

Fall war. Es ist zu befürchten, dass dann eine Zustimmung zu oder Ablehnung von Bundeszwangsmaßnahmen zumindest auch von parteipolitischen Erwägungen abhängig gemacht wird. Deshalb ist der Bundeszwang des Art. 37 GG in der Praxis vermutlich dann kein wirksames Mittel, wenn sich die parteipolitischen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat unterscheiden. In den übrigen Zeiträumen sollte das Herbeiführen einer Mehrheitsentscheidung im Bundesrat dagegen eher möglich sein.

d) Die Maßnahmen des Art. 37 GG Art. 37 GG spezifiziert die Maßnahmen des Bundeszwanges nicht. Erlaubt sind demnach Maßnahmen jeder Art, soweit sie „notwendig“ sind. Dabei ist auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu achten.110 Für den hier erörterten Fall, dass die Bundesländer ihren Umsetzungsverpflichtungen nicht nachkommen, ist insbesondere die im Rahmen von Art. 37 GG anerkanntermaßen zulässige Ersatzvornahme, d.h. die Vornahme einzelner Akte der Landesstaatsgewalt einschließlich der Gesetzgebung durch die Bundesregierung von Interesse.111 Danach könnte dem Bund aus Art. 37 GG eine eigene Durchführungskompetenz zuwachsen, wenn das Land der ihm obliegenden Verpflichtung zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union nicht nachkommt. Teilweise wird dagegen – wie schon bei der Frage, ob aus dem Prinzip der Bundestreue eine Handlungsverpflichtung der Länder erwachsen kann – eingewendet, dass die Bundestreue als Auslegungsregel bereits bestehender Kompetenzen ihrerseits keine Kompetenz des Bundes zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts begründen könne.112 Hier geht es jedoch nicht darum, aus dem Grundsatz der Bundestreue eine zusätzliche generelle Kompetenz des Bundes zur Durchführung von Rechtsakten der Gemeinschaft abzuleiten. Das Recht der Bundesregierung, Gesetze zu erlassen, folgt vielmehr aus Art. 37 Abs. 1 GG, wenn der Grundsatz der Bundestreue verletzt ist. Zudem begründet diese Vorschrift auch keine umfassende Kompetenz des Bundes zur Umsetzung von Gemeinschaftsakten, sondern sie ermächtigt lediglich dazu, die Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung im Wege der Ersatzvornahme wahrzunehmen.113 Folglich ist es über Art. 37 Abs. 1 GG durchaus möglich, dass der Bund anstelle des eigentlich verpflichteten Landes Umsetzungsmaßnahmen vornimmt. ___________ 110

Erbguth, in: Sachs, Art. 37 GG, Rn. 11; Bothe, in: AK, Art. 37 GG, Rn. 22. Zur Zulässigkeit von Ersatzvornahmen im Rahmen des Art. 37 GG siehe Evers, in: BK, Art. 37 GG, Rn. 58; Bothe, in: AK, Art. 37 GG, Rn. 23; Haslach, Richtlinienumsetzung, S. 67; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 37 GG, Rn. 35; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (31 f.). 112 Schwan, Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, S. 152. 113 Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (32). 111

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Eine solche Ersatzvornahme müsste schließlich auch verhältnismäßig sein, d.h., vermeidbare Eingriffe in die Eigenstaatlichkeit des betroffenen Landes müssen vermieden werden. Dies setzt voraus, dass dem betroffenen Land vor der Einleitung von Zwangsmaßnahmen die Möglichkeit eigener Durchführung tatsächlich und in zumutbarer Weise gegeben worden ist. Wird der Bund erst gegen Ende der Umsetzungsfrist tätig, ist dies zweifellos der Fall.

e) Bewertung Der Bundeszwang des Art. 37 GG stellt damit eine Möglichkeit des Bundes dar, anstelle eines seinen Umsetzungsverpflichtungen nicht nachkommenden Landes EG-Richtlinien innerstaatlich Geltung zu verschaffen. Er hat gegenüber einer – politisch schwer durchsetzbaren – Änderung der Gesetzgebungskompetenzen den Vorteil, dass eine Bundesgesetzgebung im Bereich von Länderzuständigkeiten die Ausnahme bliebe, die Kompetenzen der Länder also nicht schwerwiegend eingeschränkt würden. Allerdings ist es wegen der erforderlichen Zustimmung des Bundesrates nicht sehr wahrscheinlich, dass von dieser Möglichkeit in der Praxis Gebrauch gemacht wird.114 Hinzu kommen die grundsätzlichen Vorbehalte, die gegenüber dem Einsatz von Bundeszwang in der Bundesrepublik zu bestehen scheinen. So wird die Erwartung geäußert, dass das Verhältnis zwischen den Akteuren nach Anwendung von Bundeszwang mit Sicherheit für längere Zeit zerstört wäre, da das betroffene Bundesland den Imageverlust und die Brandmarkung durch den Bund nicht so schnell verzeihen würde.115 Bislang wurden auch wegen dieser Befürchtung noch von keiner Bundesregierung Zwangsmaßnahmen gemäß Art. 37 GG ergriffen. Anstelle der (vermeintlich) scharfen Waffe des Bundeszwanges wird deshalb teilweise eine aus Art. 23 GG abgeleitete Ersatzkompetenz des Bundes vorgeschlagen.116 Hiergegen bestehen aber erhebliche Bedenken. Zum einen hat das Grundgesetz die Möglichkeit der Zuwiderhandlung eines Landes gegen Bundespflichten durchaus bedacht.117 Zum anderen ergibt sich schon die eigene Kompetenz des Bundes zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen ___________ 114

Zu einer ähnlichen Bewertung kommen Spreen, Bundeskompetenzen, S. 208; Westbomke, EurUP 2004, 122 (125); Rühmann, in: Umbach/Clemens, Art. 37 GG, Rn. 14. 115 Spreen, Bundeskompetenzen, S. 208; Rühmann, in: Umbach/Clemens, Art. 37 GG, Rn. 15. 116 So beispielsweise Riegel, DVBl. 1979, 245 (250); ders., EuR 1976, 79 (87); Zuleeg, Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 321. Diese gehen allerdings noch von einer Ableitung dieser Ersatzkompetenz aus Art. 24 Abs. 1 GG aus. 117 Scheuing, EuR 1985, 229 (242).

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Union nicht aus Art. 23 Abs. 1 GG118, so dass diese Vorschrift auch keine Grundlage für eine Ersatzkompetenz des Bundes sein kann.119 Schließlich ist nicht einsichtig, warum eine aus Art. 23 GG abgeleitete Ersatzkompetenz, die nur eine rechtliche Konstruktion darstellt und zudem kein Zustimmungserfordernis des Bundesrates vorsieht, für das betroffene Land weniger einschneidend und deshalb in der Praxis praktikabler sein soll. Da sich auch hinsichtlich des Ergebnisses keine Unterschiede ergeben, ist demnach dem sich aus der Verfassung ergebenden Bundeszwang der Vorzug zu geben vor einer ohne Not gewonnenen, ungeschriebenen rechtlichen Konstruktion. Vielmehr sollte angesichts der Tatsache, dass dem Bund gegenüber den Ländern ansonsten die Mittel fehlen, um sie zur Umsetzung von Rechtsakten der Gemeinschaft zu veranlassen, ein Einsatz von Bundeszwangsmaßnahmen zukünftig – zumindest um Druck auf die Länder auszuüben – in Betracht gezogen werden.

2. Bund-Länder-Streit Als weitere bereits im Grundgesetz vorgesehene Möglichkeit, die Länder zu einer fristgerechten Umsetzung von Richtlinien zu bewegen, könnte der BundLänder-Streit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG herangezogen werden.

a) Zulässigkeitsvoraussetzungen Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7 BVerfGG entscheidet das BVerfG bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder. Diese materiell-rechtliche Zuständigkeitsnorm wird prozessual ergänzt durch §§ 68–70 BVerfGG, wobei § 69 BVerfGG die entsprechende Geltung der §§ 64–67 BVerfGG anordnet. Für die Bestimmung des Verfahrensgegenstandes ist die Inbezugnahme des § 64 BVerfGG entscheidend, weil danach Prozessvoraussetzung ist, dass der Antragsteller die Verletzung eigener durch das Grundgesetz übertragener Rechte und Pflichten durch den Prozessgegner geltend macht.120 Davon ausgehend hat das BVerfG den Bund-Länder-Streit als ein Verfahren bezeichnet, bei dem „Antragsteller und Antragsgegner in einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zueinander stehen müssen, aus dem ___________ 118

Dazu schon B. II. 1. b). Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (25). 120 Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, § 27, Rn. 1055; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 9, Rn. 6. 119

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sich Rechte und Pflichten ergeben, die sie gegenseitig achten müssen und die zwischen ihnen streitig geworden sind“.121 Im Falle der Nichtumsetzung von Richtlinien durch die Länder ergibt sich dieses verfassungsrechtliche Verhältnis aus dem Prinzip der Bundestreue, welches Bund und Länder zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet.122 Daraus lässt sich die Pflicht der Länder ableiten, Rechtsakte der Gemeinschaft, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, umzusetzen. Demnach liegt im Falle der Verweigerung der Umsetzung durch die Länder eine Meinungsverschiedenheit zwischen Bund und Ländern über verfassungsrechtliche Pflichten der Länder vor. Darüber hinaus müsste der Bund, um nach § 69 i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG antragsbefugt zu sein, geltend machen können, dass auf Grund der Unterlassung der Umsetzung durch ein Land die Möglichkeit besteht, dass er in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Da der Grundsatz der Bundestreue Bund und Länder zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet, besteht nicht nur eine Pflicht der Länder zur Umsetzung, sondern auch ein Recht des Bundes, dass die Länder dieser Pflicht nachkommen. Wenn die Länder ihre Umsetzungsverpflichtungen nicht erfüllen, besteht demnach die Möglichkeit, dass der Bund in seinem Recht auf bundestreues Verhalten der Länder verletzt wird.123 Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des Bund-Länder-Streits sind hier unproblematisch. Parteifähig sind der Bund und die Länder. Diese werden gemäß § 68 BVerfGG durch die Bundesregierung bzw. die jeweilige Landesregierung vertreten. Des Weiteren muss der Bund die Antragsfrist von sechs Monaten nach § 69 i.V.m. § 64 Abs. 3 BVerfGG beachten. Rügt der Antragsteller ein Unterlassen beginnt diese Frist erst bei ernsthafter und eindeutiger Weigerung der dafür zuständigen Stelle, die Forderung des Antragstellers zu erfüllen.124 Dies bedeutet, dass die Antragsfrist erst beginnt, wenn eindeutig absehbar ist, dass das betroffene Land seinen Umsetzungsverpflichtungen auf gar keinen Fall mehr fristgerecht nachkommen kann. ___________ 121 BVerfG, Beschluss v. 22.03.1966, E 20, 18 (23 f.). Ähnlich BVerfG, Beschluss v. 12.10.1951, E 1, 14 (30 f.); Urt. v. 07.03.1953, E 2, 143 (155); Urt. v. 30.07.1958, E 8, 122 (129). 122 BVerfG, Urt. v. 07.04.1976, E, 42 103 (111, 117); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 9, Rn. 7; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 93. Ausführlich dazu siehe F. II. 1. a) bb) (1). 123 Fisahn, DÖV 2002, 239 (241). 124 BVerfG, Urt. v. 28.07.1955, E 4, 250 (269); Beschluss v. 11.04.1967, E 21, 312 (319); Beschluss v. 20.01.1999, E 99, 361 (365); Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 466.

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Hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses ist weiterhin zu beachten, dass bei einer potentiellen Verletzung eigener Rechte wegen einer Verletzung des Grundsatzes der Bundestreue durch den Antragsgegner das Rechtsschutzinteresse in aller Regel zu verneinen ist, wenn der Antragsteller den Antragsgegner nicht zuvor förmlich um die Beachtung dieser Pflicht ersucht hat.125 Danach müsste der Bund vor Klageerhebung das Land zunächst ausdrücklich zur Umsetzung auffordern. Auf Grund der Tatsache, dass Bund und Länder sowieso dazu neigen, Rechtsfragen politisch zu behandeln und Streitigkeiten im Wege der Verständigung beizulegen, stellt diese Voraussetzung aber im föderalen Gefüge der Bundesrepublik eine Selbstverständlichkeit dar.

b) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Demnach ist es denkbar, dass die Bundesregierung das BVerfG gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG anruft, wenn ein Land seinen Umsetzungsverpflichtungen nicht nachkommt.126 Als Ergebnis stellt das Gericht gemäß § 69 i.V.m. § 67 S. 1, 2 BVerfGG fest, ob die beanstandete Unterlassung des Landes gegen das Grundgesetz – im konkreten Fall das Prinzip der Bundestreue – verstößt. Dabei statuiert § 31 Abs. 1 BVerfGG die generelle Bindung aller Verfassungsorgane von Bund und Ländern sowie aller Gerichte und Behörden an die bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen. Dies bedeutet zum einen für die verfahrensbeteiligten Staatsorgane, dass sie die Entscheidung des Gerichts zu befolgen haben. Zum anderen haben die nicht verfahrensbeteiligten Staatsorgane die bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung bei ihren Maßnahmen zu beachten.127 Das betroffene Land ist also an die Feststellung, dass die Nichtumsetzung einer EG-Richtlinie gegen das Prinzip der Bundestreue verstößt, gebunden.

aa) Fehlende Vollstreckungsmöglichkeiten Es darf aber nicht übersehen werden, dass das BVerfG hinsichtlich der Befolgung seiner Entscheidungen und deren Umsetzung auf die Akzeptanz der anderen Staatsorgane angewiesen ist.128 Zwar ermächtigt § 35 BVerfGG das ___________ 125

BVerfG, Urt. v. 30.07.1958, E 8, 122 (139); Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 472. Anders dagegen BVerfG, Beschluss v. 11.04.1967, E 21, 312 (319). 126 Spreen, Bundeskompetenzen, S. 208; Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 1070; Weber, Durchführung des Gemeinschaftsrechts, S. 31; Scheuing, EuR 1985, 229 (242). 127 Laumen, Vollstreckungskompetenz, S. 44. 128 Spreen, Bundeskompetenzen, S. 209; Roth, AöR 124 (1999), 470 (485).

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BVerfG zum Erlass von Vollstreckungsanordnungen. Bei einem Bund-LänderStreit wird dem Betroffenen im Rahmen der Entscheidung auch eine Verpflichtung auferlegt, es wird ihm dabei aber selbst überlassen, wie er zu einem der Verfassungslage entsprechenden Verhalten findet. Deshalb ist nur eine Vollstreckungsanordnung solcherart denkbar, dass sie die Aufforderung beinhaltet, die notwendigen Maßnahmen zu erlassen, um die sich aus der Entscheidung ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen. Gegen Bund und Länder sind dagegen weitere Zwangsmittel nicht gegeben.129 Mithin ist es auch nicht denkbar, dass das BVerfG im Wege der Vollstreckung die Richtlinie vorläufig in innerstaatliches Recht implementiert. Derartige Vollstreckungsanordnungen werden im Übrigen auch nur zur Überbrückung rechtsleerer Räume in Erwägung gezogen130, wenn es darum geht, die durch die Nichtigerklärung einer Norm drohende Rechtsunsicherheit durch Übergangsregelungen zu vermeiden.131 Allerdings ist es dem BVerfG schon früh gelungen, sich so viel Autorität zu verschaffen, dass seinen Entscheidungen stets der notwendige Respekt entgegengebracht wird. Dabei profitiert es sicherlich auch davon, dass die Nichtbefolgung eines Urteils nicht nur juristisch zwecklos, sondern auch politisch schädlich ist. Vom politischen Gegenspieler könnte sie auf Grund des umfassenden Respekts, der dem BVerfG innerhalb der Gesellschaft entgegengebracht wird, als Anschlag auf die Verfassung gebrandmarkt werden. Demnach entspricht es auch politischer Klugheit, die Entscheidungen des BVerfG zu befolgen.132 Des Weiteren würde ein Land eine Bundespflicht verletzen, wenn es einer Regelung der Vollstreckung, die der Beseitigung eines Verstoßes gegen das Prinzip der Bundestreue dient, nicht Folge leistet.133 Mithin könnte der Bund gemäß Art. 37 GG mittels einer Ersatzvornahme die Anordnung des BVerfG anstelle des betroffenen Landes vollstrecken.134 ___________ 129 Roth, AöR 124 (1999), 470 (495); Laumen, Vollstreckungskompetenz, S. 84; Weiß, Vollstreckung von Entscheidungen, S. 91 f. 130 BVerfG, Beschluss v. 12.10.1951, E 1, 14 (65 f.); Urt. v. 25.02.1975, E 39, 1 (68); Urt. v. 13.04.1978, E 48, 127 (184); Urt. v. 28.05.1993, E 88, 203 (336 f.); Laumen, Vollstreckungskompetenz, S. 95. Teilweise wird auch angenommen, dass für die Aufstellung von Übergangsregelungen § 32 BVerfGG die richtige Ermächtigungsgrundlage sei, vgl. F. Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 32, Rn. 9; ders., JZ 1966, 461 (463). Wieder anders Roth, AöR 124 (1999), 470 (191 ff.), der den Erlass von Übergangsregelungen als ein Problem ergänzender Rechtsfortbildung betrachtet. 131 Roth, AöR 124 (1999), 470 (474); H. H. Klein, Staatsraison, S. 40. Kritisch dazu Frenz, ZG 1993, 248 (250); J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit, S. 238 ff. 132 Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 32; Laumen, Vollstreckungskompetenz, S. 84. 133 Evers, in: BK, Art. 37 GG, Rn. 29. 134 Roth, AöR 124 (1999), 470 (486).

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

bb) Lange Verfahrensdauer Problematisch ist aber, dass bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts geraume Zeit vergehen kann. Dies birgt die Gefahr in sich, dass bis dahin die Umsetzungsfrist der umzusetzenden EG-Richtlinie schon lange abgelaufen ist, möglicherweise sogar bereits eine Verurteilung durch den EuGH stattgefunden hat.135 Eine Lösung bietet auch nicht die einstweilige Anordnung gemäß § 32 BVerfGG. Das BVerfG darf nämlich keine einstweilige Anordnung treffen, deren Inhalt nicht auch im Hauptsacheverfahren zulässig wäre.136 Es ist daher ausgeschlossen, dass das BVerfG der Legislative auf diesem Wege aufgibt, ein Gesetz zu erlassen.137 Somit kann über den Bund-Länder-Streit des Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG gegenüber einem eine EG-Richtlinie nicht umsetzenden Land die Feststellung getroffen werden, dass dieses dadurch gegen den Verfassungsgrundsatz der Bundestreue verstößt. Es ist auch davon auszugehen, dass das betroffene Bundesland im Falle eines solchen Urteils auf Grund der großen Autorität des BVerfG seinen Umsetzungsverpflichtungen nachkommen wird. Allerdings vergeht bis zu einem Urteil des Gerichts in der Regel etliche Zeit, so dass das verfassungsgerichtliche Streitverfahren nicht die Möglichkeit bietet, bei drohenden Ablauf einer Umsetzungsfrist das Land möglichst schnell zum Ergreifen von Umsetzungsmaßnahmen zu bewegen.

3. Haftung der Bundesländer Dies könnte sich aber anders darstellen, wenn die Bundesländer für die Schäden aufkommen müssten, die dadurch entstehen, dass sie gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. Die Aussicht drohender finanzieller Einbußen könnte die Länder veranlassen, rechtzeitiger Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Frage, ob die Länder unmittelbar haften oder zumindest die Möglichkeit des Bundes besteht, Regressansprüche gegenüber gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden Ländern geltend zu machen, wird für vier Fallkonstellationen erörtert: 1. Fälle, in denen ein Bundesland gegen Gemeinschaftsrecht verstößt und dadurch einem Einzelnen einen Schaden zufügt, den dieser unter Berufung auf den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch ersetzt verlangt138, ___________ 135 Spreen, Bundeskompetenzen, S. 208; Zuleeg, Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 321. 136 BVerfG, Beschluss v. 03.07.1962, E 14, 190 (192); Berkemann, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 32, Rn. 324. 137 Berkemann, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 32, Rn. 324. 138 Erstmals entschied der EuGH im sog. Francovich-Urteil, dass der einzelne Gemeinschaftsbürger unter gewissen Voraussetzungen einen Anspruch auf Schadensersatz

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2. Fälle, in denen der EuGH wegen Nichtbefolgung eines Urteils die Zahlung eines Zwangsgeldes oder eines Pauschalbetrages verhängt, Art. 228 Abs. 2 S. 4 EG, 3. Fälle, in denen der Rat gemäß Art. 104 Abs. 11 EG wegen eines übermäßigen öffentlichen Defizits eine Geldbuße verhängt und schließlich 4. Fälle sog. Anlastungen, wenn aus dem EG-Haushalt geflossene Mittel nicht in Übereinstimmung mit den maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben verausgabt wurden. Im Zusammenhang mit der Nichtumsetzung von EG-Richtlinien kann es sowohl zu gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsansprüchen Einzelner wie auch zu der Auferlegung von Zwangsgeldzahlungen gemäß Art. 228 Abs. 2 S. 4 EG kommen, weshalb hier nur die beiden erstgenannten Konstellationen interessieren sollen.139

a) Passivlegitimation bei gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsansprüchen Hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsansprüche140 ist zunächst fraglich, ob die Bundesländer, wenn sie einen Schaden durch gemeinschaftsrechtswidriges Verhalten verursachen, unmittelbar passivlegitimiert sind. Dies war lange Zeit ungeklärt. Es stellte sich konkret die Frage, ob der Gesamtstaat auch dann allein haftet, wenn die Bundesländer, wie im Falle der Nichtumsetzung trotz bestehender Länderzuständigkeit, den Gemeinschaftsrechtsverstoß zu verantworten haben, oder ob gleichzeitig auch der Träger des konkret verantwortlichen Organs herangezogen werden kann oder sogar allein haftet.

aa) Bestimmung des Schuldners nach Gemeinschaftsrecht Zum einen wurde vertreten, dass das Gemeinschaftsrecht selbst den Schuldner bestimme, wobei zugleich angenommen wurde, dass dieses eine Haftung des Mitgliedstaates verlange.141 Der Mitgliedstaat werde schließlich auch im ___________ gegen einen Mitgliedstaat geltend machen kann, wenn dieser gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, Urt. v. 19.11.1991, Rs. C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5357 ff. – Andrea Francovich u.a./Italienische Republik. Vgl. zum Francovich-Urteil Claßen, Nichtumsetzung, S. 29 ff.; J. Geiger, DVBl. 1993, S. 465 ff.; Prieß, NVwZ 1993, S. 118 ff.; Duffy, ELR 1992, S. 133 ff.; Pieper, NJW 1992, S. 2454 ff. 139 Einen umfassenden Überblick bieten beispielsweise Koenig/Braun, NJ 2004, S. 97 ff. sowie Dederer, NVwZ 2001, S. 258 ff. 140 Umfassend zur gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung Prechal, Directives, S. 271 ff.; Beljin, Staatshaftung; Claßen, Nichtumsetzung; Albers, Haftung der Bundesrepublik Deutschland. 141 Hidien, Gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung, S. 29, 33, 72 f.; Wollgast, Haftungssubjekt, S. 47 f.; Schärf, ecolex 1997, 547 (548 f.); H. Maurer, FS Karlheinz

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

Vertragsverletzungsverfahren von der Gemeinschaft für das Verhalten aller staatlichen Organe verantwortlich gemacht.142 Zudem müsse der Bund der Gemeinschaft im Fall der Verhängung von Zwangsgeldern nach Art. 228 Abs. 2 EG auch finanziell für das gerade stehen, was er innerstaatlich nicht unmittelbar beherrschen kann. Allenfalls als Ergänzung zu dieser gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Haftung des Gesamtstaates wurde in Betracht gezogen, dass das nationale Recht zusätzlich die Haftung weiterer Verwaltungsträger normieren könne.143

bb) Bestimmung des Schuldners nach nationalem Staatshaftungsrecht Der entgegengesetzte Ansatz ging davon aus, dass das Gemeinschaftsrecht die Bestimmung des Schuldners dem nationalen Staatshaftungsrecht überlasse144, sofern auf diese Weise ein effektiv durchsetzbarer Anspruch gewährleistet werde. Vor dem Hintergrund dieses gespaltenen Meinungsstandes hat eine Entscheidung des EuGH145 für Klärung gesorgt, indem ausdrücklich die Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten festgestellt wurde. Nach der Ausführung der Entscheidung kann ein Mitgliedstaat sich der Haftung zwar nicht durch Verweis auf die innerstaatliche Zuständigkeits- und Haftungsordnung entziehen; ist aber gesichert, dass der Schaden im Rahmen dieser Ordnung ersetzt wird, so kann „ein bundesstaatlich aufgebauter Mitgliedstaat seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen auch erfüllen (...), wenn nicht der Gesamtstaat den Ersatz der einem Einzelnen durch gemeinschaftsrechtswidrige innerstaatliche Maßnahmen

___________ Boujong, S. 606 f.; Detterbeck, VerwArch 85 (1994), 159 (191); Jarass, NJW 1994, 881 (884); ders., Grundfragen, S. 122; Prieß, NVwZ 1993, 118 (121); Nettesheim, DÖV 1992, 999 (1001). 142 Zu diesem Begründungsansatz vgl. Wollgast, Haftungssubjekt, S. 66 ff.; Lengauer, ÖJZ 1997, 81 (83); Nettesheim, DÖV 1992, 999 (1001, Fn. 30). 143 Klagian, ZfRV 1997, 6 (21); Schärf, ecolex 1997, 547 (549); Detterbeck, VerwArch 85, (1994), 159 (191 f.). Mit nochmals anderer Haftungsreihenfolge Schockweiler, EuR 1993, 107 (117): Das Gemeinschaftsrecht fordere primär die Haftung der für die Vertragsverletzung verantwortlichen Behörde, subsidiär hafte der Mitgliedstaat. Im Ergebnis ebenso Wollgast, Haftungssubjekt, S. 98 ff. 144 Kadelbach, Europäischer Einfluß, S. 179; Herdegen/Rensmann, ZHR 161 (1997), 522 (553); Trüe, EuR 1996, 179 (194 f.); Zenner, Haftung der EG-Mitgliedstaaten, S. 73. 145 EuGH, Urt. v. 01.06.1999, Rs. C-302/97, Slg. 1999, I-3099 (3140) – Klaus Konle/Republik Österreich. Zur Konle-Entscheidung siehe Weber, NVwZ 2001, S. 287 ff.; Gundel, DVBl. 2001, S. 95 ff. Siehe ferner EuGH, Urt. v. 04.07.2000, Rs. C-424/97, Slg. 2000, I-5123 (5159) – Salomone Haim/Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein; Urt. v. 28.06.2001, Rs. C-118/00, Slg. 2001, I-5063 (5098) – Gervais Larsy/Inasti.

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entstandenen Schaden sicherstellt“146. Damit kann der Mitgliedstaat seine bestehenden Haftungsregeln anwenden, auch wenn diese zum Ergebnis haben, dass nicht er selbst, sondern nur eine innerstaatliche Körperschaft haftet. Allerdings gilt dies nur unter dem doppelten Vorbehalt, dass die Staatshaftung nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird147 (Gebot der Mindesteffektivität) und sie nicht unter schlechteren Voraussetzungen steht, als sie für die Durchsetzung von Ansprüchen gelten, die allein auf innerstaatlichem Recht beruhen148 (Diskriminierungsverbot). Diese Entscheidung des EuGH ist auch überzeugend. Zum einen trägt die Parallele zum Vertragsverletzungsverfahren letztlich nicht. Dass der Mitgliedstaat gegenüber der Gemeinschaft für das Verhalten seiner Organe verantwortlich ist, ist schon deshalb unausweichlich, weil allein der Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof verklagt werden kann. Deshalb müssen die nationalen Gerichte aber nicht die „Landesblindheit“ des Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH nachahmen.149 Zum anderen ist auch die Notwendigkeit für eine gemeinschaftsrechtliche Festlegung auf die Haftung des Gesamtstaates nicht erkennbar. Selbst wenn die Haftung an nicht leistungsfähige kleine Einheiten delegiert würde, könnte dies allenfalls eine subsidiäre Haftung des Gesamtstaates rechtfertigen.150 Schließlich fügt sich die Rechtsprechung des EuGH nahtlos in die ständige Rechtsprechung zur Immunität der staatlichen Kompetenzverteilung und zur Organisations- und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ein. Ebenso wie es den Mitgliedstaaten überlassen ist, die für Vollzug und Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zuständigen Stellen zu bestimmen, steht es ihnen auch frei, nach ihrem nationalen Recht festzulegen, welche staatliche Einheit im Fall von Vollzugs- und Umsetzungsfehlern zur Haftung heranzuziehen ist.151

___________ 146

So die resümierende Feststellung in EuGH, Urt. v. 01.06.1999, Rs. C-302/97, Slg. 1999, I-3099 (3140) – Klaus Konle/Republik Österreich. 147 EuGH, Urt. v. 01.06.1999, Rs. 302/97, Slg. 1999, I-3099 (3140) – Klaus Konle/Republik Österreich; Tremml/Karger, Amtshaftungsprozess, Rn. 1451. 148 EuGH, Urt. v. 01.06.1999, Rs. 302/97, Slg. 1999, I-3099 (3140) – Klaus Konle/Republik Österreich; Tremml/Karger, Amtshaftungsprozess, Rn. 1451. 149 Ebenso auch die Schlussanträge von GA Mischo zur Rs. C-424/97, Slg. 2000, I-5123 (5131 f.) – Salomone Haim/Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein; Gundel, DVBl. 2001, 95 (98); Trüe, EuR 1996, 179 (194 f.); Zenner, Haftung der EG-Mitgliedstaaten, S. 73. 150 Gundel, DVBl. 2001, 95 (98); Wollgast, Haftungssubjekt, S. 146 f.; Zenner, Haftung der EG-Mitgliedstaaten, S. 74 f. 151 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 156; Gundel, DVBl. 2001, 95 (98); Weber, NVwZ 2001, 287 (288). Kritisch zum Ansatz des EuGH dagegen Anagnostaras, ELR 26 (2001), 139 (148 ff.).

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

cc) Bundesländer als Schuldner gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsansprüche Damit ist in Anwendung des deutschen Staatshaftungsrechts, Art. 34 GG, § 839 BGB152, die Haftung allein des Bundeslandes gegeben, wenn die Verletzung des Gemeinschaftsrechts nur dem Land zuzurechnen ist. Dies ist in den hier interessierenden Konstellationen der Fall, wenn dieses die Gesetzgebungskompetenz zur Richtlinienumsetzung inne hat und seiner Umsetzungsverpflichtung nicht nachkommt. Eine subsidiäre Einstandspflicht des Bundes besteht dagegen nicht, da mit dem Land ein leistungsfähiger Schuldner zur Verfügung steht.153 Der Bund haftet deshalb lediglich dann neben den Bundesländern, wenn beiden ein eigenes Fehlverhalten vorzuwerfen ist.154 Eine solche Konstellation wird in der Regel dann vorliegen, wenn der Bundesgesetzgeber eine Richtlinie nicht fristgerecht umsetzt und die zuständigen Landesbehörden eine Anwendung der Richtlinie im Wege der Direktwirkung zu Unrecht ablehnen.155 Denkbar ist eine gemeinsame Haftung von Bund und Ländern aber beispielsweise auch dann, wenn EG-Richtlinien in den Bereich der Rahmengesetzgebung fallen und weder Bund noch Länder ihre Umsetzungsverpflichtungen rechtzeitig erfüllen. Gleiches muss wohl auch gelten, wenn bei innerstaatlicher Zuständigkeit der Länder eine Richtlinie von einem Land nicht fristgerecht umgesetzt wird und der Bund die wirksame Implementierung der Richtlinie in dem betreffenden Land auf der Grundlage des Art. 37 Abs. 1 GG im Wege der Ersatzvornahme zu Unrecht unterlassen hat.156 Dagegen wird zwar eingewendet, dass der Einsatz dieses Aufsichtsinstruments keine Amtspflicht gegenüber einem Dritten begründe.157 Dabei wird allerdings verkannt, dass das Merkmal der Drittgerichtetheit außer Betracht bleiben muss, weil es mit dem Effektivitätsgebot unverein___________ 152

Zu anderen theoretisch denkbaren Anspruchsgrundlagen im deutschen Staatshaftungsrecht vgl. H. Maurer, FS Karlheinz Boujong, S. 607 ff.; Detterbeck, VerwArch 85 (1994), 159 (197 ff.). 153 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (98); Gundel, DVBl. 2001, 95 (99); Kremer, Jura 2000, 235 (241). 154 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (98); Dederer, NVwZ 2001, 258 (258); Wollgast, Haftungssubjekt, S. 102 f., 137 f., 159. 155 Kadelbach, Europäischer Einfluß, S. 179. Eine derartige Konstellation lag etwa dem vom EuGH entschiedenen Fall „Großkrotzenburg“ zugrunde. Siehe dazu schon E. I. 1. b) bb). 156 Dederer, NVwZ 2001, 258 (259); Zenner, Haftung der EG-Mitgliedstaaten, S. 74; Detterbeck, VerwArch 85 (1994), 159 (191); Prieß, NVwZ 1993, 118 (121). 157 So etwa Gundel, DVBl. 2001, 95 (99). Siehe auch LG Aachen, Urt. v. 02.07. 1997, NVwZ 1998, 547 (548): Keine Pflicht des Bundes zur Überwachung des Vollzugs von Richtlinien umsetzenden Bundesgesetzen durch die Länder.

II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes

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bar ist.158 Insofern ist es auch in diesem Fall eines gemeinschaftsrechtswidrigen Unterlassens des Bundes denkbar, dass Bund und Land dem Einzelnen als Gesamtschuldner auf Schadensersatz haften, § 840 BGB, Art. 34 S. 1 GG. Mithin sind die Bundesländer unmittelbar und allein passivlegitimiert, wenn ein Einzelner einen Schaden im Rahmen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs geltend macht, den nicht auch der Bund zu verantworten hat. In diesen Fällen kommt es damit auf etwaige Regressansprüche des Bundes gegen ein Land gar nicht mehr an.

b) Verhängung von Zwangsgeldern und Pauschalbeträgen Anders stellt sich die Situation dar, wenn der EuGH in dem auf Grund einer zweiten Aufsichtsklage ergehenden Urteil die Zahlung eines Pauschalbetrages oder eines Zwangsgeldes verhängt, Art. 228 Abs. 2 S. 4 EG. Selbst wenn die Vertragsverletzung und die spätere Nichtumsetzung des Urteils nach Art. 226 EG innerstaatlich einem oder mehreren Ländern zuzurechnen sind, kann das Zwangsgeldverfahren nach Art. 228 Abs. 2 EG immer nur gegen die Bundesrepublik Deutschland als Gesamtstaat betrieben werden. Die Zahlung von Zwangsgeldern fällt damit in die gesamtstaatliche Außenzuständigkeit des Bundes.159 Hier stellt sich also die Frage, ob der Bund im Regress die jeweiligen Länder in Anspruch nehmen kann.

c) Regressansprüche des Bundes gegen die Länder Für einen Regressanspruch des Bundes gegen die Länder im Falle einer gemeinsamen Haftung im Rahmen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs sowie bei der Verhängung von Zwangsgeldern oder Pauschalbeträgen gemäß Art. 228 Abs. 2 S. 4 EG kommen verschiedene potentielle Anspruchsgrundlagen in Betracht.

___________ 158 EuGH, Urt. v. 05.03.1996, Rs. C-46/93 und C-48/93, Slg. 1996, I-1029 (1154) – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary of State for Transport ex parte: Factortame Ltd u.a.; Prechal, Directives, S. 292; Kremer, Jura 2000, 235 (240). 159 Schmidt-Jortzig, Drs.-Bundesstaatskommission 0037, S. 12; Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (98); Fisahn, DÖV 2002, 239 (243); Dederer, NVwZ 2001, 258 (259).

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

aa) Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG Nach Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG haften Bund und Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung.

(1) Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG als unmittelbare Anspruchsgrundlage Zunächst stellt sich für beide zu behandelnden Konstellationen die grundsätzliche Frage, ob es sich bei dieser Vorschrift um eine unmittelbare Anspruchsgrundlage handelt. Dies wird zum Teil verneint.160 Begründet wird diese Auffassung unter anderem mit Art. 104a Abs. 5 S. 2 GG, wonach das Nähere ein Bundesgesetz bestimmt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Ein solches Ausführungsgesetz ist aber bislang nicht erlassen worden.161 Darüber hinaus unterscheide sich die Haftungsregelung von der unmittelbar anwendbaren Verwaltungsaufgabenregelung der Variante 1 durch seine mangelnde Bestimmtheit. Es fehlten jegliche Haftungskonturen, weil weder Voraussetzungen noch Maßstab, Umfang und eine eventuelle Quotelung der Haftung vorgegeben seien.162 Zudem drohe die Aushöhlung des Schutzes der Länderinteressen, wenn durch eine unmittelbare Anwendung das Zustimmungserfordernis umgangen werde. Im Übrigen gelte es grundlegend zu bedenken, dass die Begründung einer Bund-Länder-Haftung wegen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung nicht nur wegen der finanziellen Dimension der möglichen Ansprüche, sondern auch in historischer Perspektive und im systematischen Zusammenhang der Finanzverfassung, in der die Haftung als Grundlage für Finanztransfers vornehmlich von den Ländern hin zum Bund einen Fremdkörper darstelle, bundesstaatlich sehr ungewöhnlich sei.163 Hiergegen ist aber einzuwenden, dass der Auftrag an den Gesetzgeber, das Nähere zu regeln, bedeutet, dass das Wesentliche verfassungsrechtlich bereits ___________ 160 Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a GG, Rn. 216; Hatje, NJ 1997, 285 (287 ff.); Ferdinand Kirchhof, NVwZ 1994, 105 (105 ff.); Saipa, DVBl. 1974, 188 (190). 161 Böhm, JZ 2000, 382 (386); Hatje, NJ 1997, 285 (285). Ein entsprechender Gesetzesvorschlag der Bundesregierung ist am Bundesrat gescheitert. Weitere Bemühungen unterblieben bisher, v. a. weil der Bundesrat zu erkennen glaubte, dass wegen der weitreichenden Kompetenz der Länder im Bereich des Gesetzesvollzugs die Haftungsbestimmung in erster Linie diese als Anspruchsgegner im Blickfeld haben würde, vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 5/2681, S. 86. Dazu auch Storr, Haftung, S. 277 f. 162 Böhm, JZ 2000, 382 (386); Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a GG, Rn. 216; Ferdinand Kirchhof, NVwZ 1994, 105 (106 f.). 163 Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a GG, Rn. 216.

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festgelegt ist.164 Aus Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG ergibt sich eindeutig, dass die Rechtsfolge, d.h. die Haftung, lediglich von der Voraussetzung der nicht ordnungsgemäßen Verwaltung abhängt. Des Weiteren spricht die systematische und inhaltliche Verbundenheit von Variante 1 und 2 für eine parallele Auslegung, so dass auch für Variante 2 von einer unmittelbaren Anwendbarkeit auszugehen ist.165 Dafür können schließlich auch die Gesetzgebungsmaterialien herangezogen werden, die erkennen lassen, dass es dem Verfassungsgesetzgeber bei der Schaffung von Art. 104a Abs. 5 GG unter anderem darum ging, den lang andauernden Haftungsstreit zwischen Bund und Ländern im Grundsatz „ab sofort“ zu lösen.166 Es spricht also vieles dafür, dass es sich bei Art. 104a Abs. 5 Var. 2 GG um eine unmittelbar anwendbare Anspruchsgrundlage handelt. Damit Satz 2 aber nicht leer läuft, ist die Haftung aus Satz 1 auf schwerwiegende Verletzungen eines Kernbereichs zu beschränken.167 Für Haftungsfälle, die dagegen in einem weiter gezogenen Haftungskreis angesiedelt sind, kann Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG nicht als Anspruchsgrundlage herangezogen werden. Mithin ist etwa für vorsätzliches, nicht aber für fahrlässiges Handeln zu haften.168

(2) „Verwaltung“ im Sinne von Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG Es stellt sich im Weiteren die Frage, ob diese Vorschrift in ihrer dargestellten Auslegung auf die oben herausgearbeiteten Fallkonstellationen, also die ge___________ 164

Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (99); Wollgast, Haftungssubjekt, S. 173; Heitsch, Ausführung der Bundesgesetze, S. 400; Storr, Haftung, S. 278; Funke, ZfZ 1976, 336 (340). 165 BVerwG, Urt. v. 18.05.1994, E 96, 45 (51); Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (99); Heitsch, Ausführung der Bundesgesetze, S. 400; Papier, FS Willi Blümel, S. 436; Wollgast, Haftungssubjekt, S. 173 f.; Storr, Haftung, S. 279. 166 Vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz), BT-Drs. 5/2861, S. 31, 52, 94; Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (99); Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 104a GG, Rn. 68; Heitsch, Ausführung der Bundesgesetze, S. 401; Heun, in: Dreier, Art. 104a GG, Rn. 49; Storr, Haftung, S. 280. Deutlich auch BVerwG, Urt. v. 18.05.1994, E 96, 45 (55). 167 BVerwG, Urt. v. 18.05.1994, E 96, 45 (55); Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (100); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 104a GG, Rn. 13; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104a GG, Rn. 69; Dederer, NVwZ 2000, 258 (260); Papier, FS Willi Blümel, S. 437; Heun, in: Dreier, Art. 37 GG, Rn. 50. Anders Storr, Haftung, S. 281, der eine Beschränkung auf einen Haftungskernbereich mit dem Argument ablehnt, dass der Bundesrat der Verfassungsänderung gemäß Art. 79 Abs. 2 GG zugestimmt habe und daher nur ein die Haftung konkretisierendes oder das Verfahren regelndes Gesetz auf der Grundlage von Satz 2 einer erneuten Zustimmung bedürfe. Kritisch auch Hatje, NJ 1997, 285 (288). 168 BVerwG, Urt. v. 30.11.1995, E 100, 56 (60); Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (100); Siekmann, in: Sachs, Art. 104a GG, Rn. 69; Funke, ZfZ 1976, 336 (340).

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

meinsame Haftung von Bund und Ländern im Rahmen des gemeinschaftlichen Staatshaftungsrechts und die Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH gemäß Art. 228 Abs. 2 S. 4 EG, angewendet werden kann. In beiden Fallkonstellationen ist zweifelhaft, ob von „Verwaltung“ gesprochen werden kann. Bestimmt man den Verwaltungsbegriff nach der Substraktionsmethode169, so ist Verwaltung im Sinne des Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG diejenige Staatstätigkeit, die nicht Gesetzgebung, nicht Rechtsprechung und nicht Regierungshandeln ist.170 Damit wäre Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG beispielsweise dann heranzuziehen, wenn ein Pauschalbetrag, Zwangsgeld oder eine staatshaftungsrechtliche Schadensersatzforderung auf einen rechtswidrigen Vollzug einer Richtlinie durch ein Bundesland zurückgeht. Anders ist dies aber für die Fälle der nicht rechtzeitigen Umsetzung von EG-Richtlinien durch ein Bundesland. Hierbei handelt es sich um legislatives Unrecht und folglich nicht um Verwaltung im Sinne von Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG.171 Damit kann die Grundgesetzvorschrift nicht in den hier interessierenden Konstellationen der nicht rechtzeitigen Umsetzung von Richtlinien durch die Länder als Haftungsnorm herangezogen werden.172

bb) Analoge Anwendung von Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG Auch eine analoge Anwendung von Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG scheitert aus mehreren Gründen.173 Zum einen besteht bereits keine planwidrige Regelungslücke, da der Verfassungsgesetzgeber die gegenseitige Haftung von Bund und Ländern ganz bewusst auf die Haftung für ein nicht ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln beschränkt hat.174 Dies entspricht auch der deutschen Rechtstradition, der eine Haftung für legislatives Unrecht grundsätzlich fremd ist.175 Zum anderen besteht auch keine vergleichbare Interessenlage. Mangelhafte Verwaltung und unterlassene Gesetzgebung lassen sich nicht gleichsetzen, weil es sich um unzureichendes Tätigwerden verschiedener Staatsgewalten handelt. Dazu kommt, dass die Haftungskonstellationen sich im Falle legislati___________ 169

Siehe zu dieser Methode Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 5 f. Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (101); Dederer, NVwZ 2001, 258 (260); Böhm, JZ 2000, 382 (386); Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a GG, Rn. 201. 171 Dederer, NVwZ 2001, 258 (260). 172 Ebenso Schneider, Stenographischer Bericht, 5. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 11.03.2004, S. 122 (B); ders., Drs.-Bundesstaatskommission 0032, S. 17. 173 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (100); Dederer, NVwZ 2001, 258 (261); Böhm, JZ 2000, 382 (386). 174 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (101); Dederer, NVwZ 2001, 258 (261). 175 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (101, Fn. 58); Fisahn, DÖV 2002, 239 (245, Fn. 30). 170

II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes

235

ven Unrechts meist sehr viel komplexer darstellen.176 Somit kann der Bund auch nicht mittels einer analogen Anwendung von Art. 104a Abs. 5 S. 1 Var. 2 GG bei den Ländern Regress nehmen.

cc) Bundestreue Fraglich ist, ob Rückgriffsansprüche des Bundes aus dem Grundsatz der Bundestreue entnommen werden können. Dafür könnte sprechen, dass die aus diesem Prinzip hergeleitete Pflicht der Länder, Gemeinschaftsrecht, das in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, umzusetzen, erst über eine Schadensersatzpflicht vollkommen würde.177 In diesem Sinne könnte eine Schadensersatzpflicht der Länder als eine sekundäre Treuepflicht zur Verstärkung der primären Treuepflicht aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens aufgefasst werden. Allerdings fände dann nicht mehr lediglich eine Auslegung bereits bestehender Kompetenzen statt, sondern es würden selbständige Rechte und Pflichten von Bund und Ländern begründet. Dies widerspricht aber dem akzessorischen Charakter der Bundestreue.178 Darüber hinaus sucht das Grundgesetz in einer großen Vielzahl von Normen, namentlich in seinem II., IV., VII. bis X. Abschnitt, die Balance des bundesstaatlichen Gefüges zu wahren. Wie intensiv gerade eine Bund-Länder-Haftung das Kräftegleichgewicht zu berühren vermag, zeigt die Regelung des Art. 104a Abs. 5 S. 2 GG. Danach wird das Nähere einer solchen Haftung gerade einem Bundesgesetz überantwortet, dem der Bundesrat seine Zustimmung erteilen muss, d.h. es obliegt im föderalen Verhältnis von Bund und Ländern dem einverständlichen Zusammenwirken der Beteiligten, detaillierte Regelungen für den Ausgleich von Schäden zu formulieren. Der normative Gehalt des Verfassungsgrundsatzes der Bundestreue genügt dafür nicht.179

dd) Amtshaftung, Art. 34 S. 1 GG i.V.m. § 839 BGB Ferner könnte man an einen Anspruch des Bundes gegen das betreffende Land aus Art. 34 S. 1 GG i.V.m. § 839 BGB denken. Grundsätzlich ist die Amtshaftung aber auf einen Ausgleich des Bürgers für ihn treffendes hoheitliches Unrecht gerichtet.180 Eine interkörperschaftliche Amtshaftung kann es daher nur in den Fällen geben, in denen sich beide Körperschaften in einem dieser Staat-Bürger-Konstellation vergleichbaren Verhältnis zueinander befin___________ 176

Böhm, JZ 2000, 382 (386). H. Schäfer, DÖV 1960, 641 (649); Kölble, DÖV 1959, 807 (812). 178 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (102); Bauer, Bundestreue, S. 340 f. 179 Dederer, NVwZ 2001, 258 (262); Storr, Haftung, S. 276. 180 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (102). 177

236

F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

den.181 Nach dem Bundesgerichtshof (BGH) ist dies zu verneinen, wenn die Anstellungs- oder Anvertrauenskörperschaft und die geschädigte andere Körperschaft nach der Rechtslage im Einzelfall „bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung widerstreitender Interessen derart zusammen(wirken), dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen“182. Die Umsetzung von EG-Richtlinien stellt sich als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern dar. Auch wenn dabei durchaus Kompetenzstreitigkeiten auftreten können, ändert dies doch nichts daran, dass die europarechtlichen Umsetzungsverpflichtungen Bund und Ländern als gemeinsame Aufgabe obliegen. Die Amtspflicht zu gemeinschaftsrechtsmäßigem Handeln ist also keine Aufgabe der Länder, die diese gegenüber dem Bund als Drittem zu erfüllen haben. Vielmehr handelt es sich um eine Amtspflicht, die allein im Gemeinwohlinteresse begründet liegt. Demnach kann der Bund bei den Ländern keinen Rückgriff gemäß Art. 34 S. 1 GG, § 839 BGB nehmen.

ee) Rückgriffsansprüche des Bundes gemäß § 426 Abs. 1 BGB und § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 839 BGB Allerdings könnte ein Rückgriffsanspruch des Bundes gemäß § 426 Abs. 1 BGB und § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 839 BGB in Betracht kommen. Voraussetzung ist jeweils das Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses, d.h. dass sich der Anspruch des Gläubigers gegen mehrere Schuldner richten muss.183 Damit scheidet ein derartiger Anspruch bei der Begleichung von Zwangsgeldzahlungen durch den Bund von vorneherein aus, da die Zahlung in die gesamtstaatliche Außenzuständigkeit des Bundes fällt. Eine Verpflichtung des Landes, das die Vertragsverletzung verursacht hat, besteht daneben nicht. Anders ist die Rechtslage dagegen, wenn der Bund gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsansprüche erfüllt, obwohl die Verletzung des Gemeinschaftsrechts sowohl dem Bund als auch dem Land zuzurechnen ist. Hier haften Bund und Land dem Geschädigten gemeinsam und sind damit Gesamtschuldner. Befriedigt der Bund den Geschädigten, so hat er mehr geleistet als den im Innenverhältnis auf ihn entfallenden Anteil und kann daher gegen das Land nach ___________ 181 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (102); Dederer, NVwZ 2001, 258 (262); Wollgast, Haftungssubjekt, S. 162. 182 BGH, Urt. v. 16.05.1983, BGHZ 87, 253 (255); Urt. v. 12.12.1991, BGHZ 116, 312 (315). Kritisch zu dieser Rechtsprechung Storr, Haftung, S. 272. 183 Heinrichs, in: Palandt, § 421 BGB, Rn. 3; Ehmann, in: Erman, vor § 420 BGB, Rn. 45 ff.

II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes

237

§ 426 Abs. 1 BGB Rückgriff nehmen. Daneben besteht auch ein Anspruch des Bundes gemäß § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 839 BGB aus übergegangenem Recht. Mithin hat der Bund im Bereich der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung einen Rückgriffsanspruch gegen das ebenfalls haftende Land. Dagegen entfällt ein solcher Anspruch bei der Verhängung von Zwangsgeldzahlungen mangels Gesamtschuldverhältnis.

ff) Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag Das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag hat im öffentlichen Recht grundsätzlich Anerkennung gefunden; die §§ 677 ff. BGB sind entsprechend anwendbar.184 Erste Voraussetzung, damit der Bund analog §§ 670, 683, 677 BGB von den Ländern Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann, ist, dass er bei Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs im Rahmen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsrechts und bei Zahlung eines Zwangsgeldes oder eines Pauschalbetrages ein fremdes Geschäft führt. Objektiv fremd ist ein Geschäft in diesem Sinne, wenn es schon seiner Natur, seinem Inhalt oder seinem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis als den des Handelnden fällt.185 Dies erscheint auf Grund der Außenverantwortung des Bundes zweifelhaft. In Betracht käme hier allenfalls noch die Annahme eines „auch fremden“ Geschäfts, also eines Geschäfts, dessen Übernahme im eigenen Interesse des Bundes und im Interesse der Länder liegt.186

(1) Zahlung des Zwangsgeldes als auch fremdes Geschäft Mit der Zahlung eines Zwangsgeldes oder eines Pauschalbetrages gemäß Art. 228 Abs. 2 S. 4 EG erfüllt der Bund seine gemeinschaftsrechtlichen Pflichten gegenüber der Gemeinschaft und führt damit zweifelsfrei ein Geschäft, das im eigenen Interesse liegt.187 Schwieriger zu beantworten ist, ob er gleichzeitig auch im Interesse des betroffenen Landes handelt. Das Land ist nicht Schuldner der genannten Ansprüche der Gemeinschaft und hat damit zumindest kein recht___________ 184

BVerwG, Urt. v. 06.09.1988, E 80, 170 (172 f.); Beschluss v. 13.02.1992, NVwZ 1992, 672 (672); BGH, Urt. v. 15.06.1989, NVwZ 1990, 499 (500); Sprau, in: Palandt, Einf v § 677 BGB, Rn. 13 ff.; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB, Rn. 36. 185 Sprau, in: Palandt, § 677 BGB, Rn. 4; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB, Rn. 9. 186 Zum Begriff des „auch fremden Geschäfts“ siehe Sprau, in: Palandt, § 677 BGB, Rn. 6; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB, Rn. 11. 187 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (102); Dederer, NVwZ 2001, 258 (264).

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

liches Interesse an diesem Geschäft.188 Es spricht folglich einiges dafür, dass es sich um ein Geschäft im alleinigen Rechtskreis des Bundes handelt. Hinzu kommt, dass im Rahmen des Rechtsinstituts der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag stets eine Vermutung dafür spricht, dass ein Verwaltungsträger ausschließlich zur Erfüllung seiner ihm gesetzlich übertragenen Pflicht tätig wird.189 Darüber hinaus fehlt es jedenfalls auch an der Voraussetzung „ohne Auftrag“.190 Wegen seiner verfassungsrechtlichen sowie gemeinschaftsrechtlichen Außenverantwortung handelt der Bund nämlich gegenüber den Ländern nicht ohne Auftrag. Somit besteht ein Anspruch des Bundes aus §§ 670, 683, 677 BGB zumindest hinsichtlich der Zwangsgeldzahlungen nicht.

(2) Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsansprüche Die Rechtslage ist aber auch in der Konstellation, dass der Bund gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsansprüche erfüllt, nicht anders zu beurteilen. Haften Bund und Länder gemeinsam und befriedigt der Bund den Geschädigten kann er – wie soeben gezeigt – gegen das Land nach § 426 Abs. 1 BGB und § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 839 BGB Rückgriff nehmen. Insoweit hat sich aus der Sicht des Landes nur der Gläubiger verändert. Deshalb ist die Zuvielleistung auch nicht ein Geschäft des Landes.191 Im Übrigen ist § 426 BGB gegenüber den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag als abschließend hinsichtlich des Ausgleichs im Innenverhältnis anzusehen.192 Mithin ist ein Rückgriff des Bundes gegenüber dem Land aus dem Institut der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag auch im Bereich der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung ausgeschlossen.

gg) Allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch Schließlich ist noch an einen Rückgriff des Bundes gegenüber den Ländern aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu denken. Dieser erstreckt sich nicht nur auf das Staat-Bürger-Verhältnis, sondern findet auch auf das ___________ 188

BVerwG, Urt. v. 08.05.2002, E 116, 234 (240); Koenig/Braun, NJ 2004, 97

(102). 189 Detterbeck, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 22, Rn. 63; Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (102). 190 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (102); Dederer, NVwZ 2001, 258 (264). 191 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (102). 192 In diesem Sinne Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 35, Rn. 17; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 415; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB, Rn.18.

II. Zwangs- und Druckmittel des Bundes

239

Verhältnis von Trägern öffentlicher Gewalt zueinander Anwendung.193 Voraussetzung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist neben einer Verschlechterung der Vermögenslage beim Anspruchssteller, eine Verbesserung der Vermögenslage des Anspruchsgegners, eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung zwischen den beiden sowie die Rechtsgrundlosigkeit der Vermögensverschiebung.194 Bei einer Leistung des Bundes im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung fehlt es zumindest an einer die Vermögensminderung beim Bund widerspiegelnden Bereicherung des Landes, da der Anspruch des Geschädigten gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 BGB auf den Bund übergeht, so dass das Land nicht von seiner Schuld befreit wird.195 Im Falle der Zahlung von Zwangsgeldern nach Art. 228 Abs. 2 S. 4 EG zahlt der Bund von vornherein auf eine eigene Schuld, nicht auf eine solche der Länder gegenüber der Gemeinschaft.196 Zudem erfolgt die Leistung durch den Bund nicht rechtsgrundlos.197 Der Rechtsgrund liegt in Art. 228 Abs. 2 S. 4 EG in Verbindung mit der entsprechenden Verurteilung.198 Mithin kann ein Rückgriff des Bundes keinesfalls auf einen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch gestützt werden.

d) Zusammenfassung und Bewertung Zusammenfassend kann festgehalten werden: Bestehen Ansprüche aus gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung so sind die Länder unmittelbar Verpflichtete, wenn sie den Schaden allein zu verantworten haben. Sind dagegen Bund und Länder gemeinsam verantwortlich und leistet allein der Bund an den Geschädigten, so hat der Bund gegenüber den Ländern einen Ausgleichsanspruch aus §§ 840 Abs. 1, 426 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 839 BGB und aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB. In diesen Fällen tragen also die Länder die volle finanzielle Verantwortung für ihr Verhalten bei der Nichtumsetzung von EGRichtlinien.

___________ 193 BVerwG, Urt. v. 30.11.1995, E 100, 56 (59); Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (103); Böhm, JZ 2000, 382 (385); Detterbeck, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 23, Rn. 1. 194 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (103); Detterbeck, in: Detterbeck/Windhorst/Sproll, § 24, Rn. 1, 14. 195 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (103). 196 Dederer, NVwZ 2001, 258 (264); Böhm, JZ 2000, 382 (385). 197 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (103); Böhm, JZ 2000, 382 (385). 198 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (103); Böhm, JZ 2000, 382 (385).

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

Verhängt der EuGH allerdings gegen die Bundesrepublik gemäß Art. 228 Abs. 2 S. 4 EG ein Zwangsgeld oder einen Pauschalbetrag, so scheidet ein Rückgriffsanspruch gegen das den Umsetzungsverpflichtungen nicht nachkommende Land aus, da es sich um einen Fall legislativen Unrechts handelt und der Bund darüber hinaus im Falle der Leistung eine ihm sowohl gemeinschaftsrechtlich als auch verfassungsrechtlich obliegende Pflicht erfüllt. Folglich stehen den Einstandspflichten des Bundes für Gemeinschaftsrechtsverstöße der Länder nicht in komplementärer Weise Rückgriffsmöglichkeiten gegenüber.199 Dies hat zur Folge, dass dem Bund gegenüber den Ländern, die Richtlinien nicht rechtzeitig umsetzen, ein wichtiges Druckmittel versagt bleibt. Zudem wird die jeder Haftungsvorschrift innewohnende Präventionswirkung200 dadurch entscheidend geschwächt.201 Darüber hinaus besteht auch ein ganz erhebliches finanzielles Risiko des Bundes. Praktisch geht es nämlich bei der Verhängung von Zwangsgeldern – wie etwa für den Fall der Umsetzung der FFH-Richtlinie gesehen – um erhebliche Summen.202 Zur tatsächlichen Verhängung kam es bislang allerdings nicht, weil die Umsetzung der Urteile des EuGH nach der Einleitung des Zwangsgeldverfahrens endlich vorangetrieben wurde. Dies zeigt aber auch, dass die mögliche Verhängung von Zwangsgeldern, selbst wenn es dazu im Ergebnis zumeist nicht kommt, grundsätzlich ein wirksames Instrumentarium ist, den Mitgliedstaat zur Beseitigung des gemeinschaftsrechtswidrigen Zustands zu bewegen. Deshalb ist es wichtig, dass in Zukunft auch die Bundesländer von diesen Strafzahlungen getroffen werden können. Dadurch erhöhte sich nicht nur der Druck zur rechtzeitigen Umsetzung von Richtlinien auf sie erheblich. Es ist auch angesichts der Tatsache, dass die Entscheidungen des EuGH immer häufiger nicht befolgt werden und es deshalb nur eine Frage der Zeit ist, bis Deutschland tatsächlich Zwangsgelder zu leisten hat, wichtig, dass die finanziellen Risiken die Verantwortlichen treffen. Letztlich ist deshalb eine Verfassungsänderung unausweichlich. Im Rahmen dieser Verfassungsänderung sollte dann zugleich auch eine klare Regelung der hier nicht behandelten Konstellationen der EG-Anlastungen und der Geldbußen

___________ 199

Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (103). Vgl. Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts, S. 3 sowie E. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 18. 201 Koenig/Braun, NJ 2004, 97 (103). 202 Insofern handelt es sich auch nicht um einen Einzelfall. So hat die EU-Kommission zum Beispiel Ende 1996 wegen Nichtbefolgung von mehreren Entscheidungen des EuGH gegen die Bundesrepublik ein Zwangsgeld in Höhe von DM 870.000,- pro Tag beantragt. Dazu Böhm, JZ 2000, 382 (382 f.). 200

III. Zusammenfassung

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gemäß Art. 104 Abs. 11 EG getroffen werden.203 Denn auch in diesen Fällen kann der Bund nicht immer vollständig bei den Ländern Rückgriff nehmen, wenn diese die Zahlungen zu verantworten haben.204 Denkbar ist, dass ein Absatz 6 in Art. 104a GG mit folgendem Wortlaut aufgenommen wird: „Wird von Organen der Europäischen Union gegen die Bundesrepublik im Zuständigkeitsbereich der Länder eine Geldbuße, ein Zwangsgeld, ein Pauschalbetrag oder eine Anlastung festgesetzt, kann der Bund bei dem verantwortlichen Land Rückgriff nehmen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, welches der Zustimmung des Bundesrates bedarf.“205 In dem danach zu erlassenen Gesetz sollten auch Fragen nach den jeweiligen Haftungsanteilen, Kriterien für die Verursachungsbeiträge der Länder sowie die Behandlung von Mitverschulden des Bundes geklärt werden.

III. Zusammenfassung Damit die Bundesrepublik Deutschland in Zukunft ihren Umsetzungsverpflichtungen besser nachkommt, sind demnach mehrere Ansätze denkbar. Im Bereich der Änderung der Gesetzgebungszuständigkeiten erscheint eine Lösung vorzugswürdig, welche dem Bund die Richtlinienumsetzungskompetenz überträgt, den Ländern aber ein Zugriffsrecht im Bereich ihrer Zuständigkeiten gewährt. Eine solche Lösung hat den Vorteil, dass sie schwierige Kompetenzabgrenzungen zwischen Bund und Ländern während der Umsetzungsfrist vermeidet und die Zuständigkeiten der Bundesländer nicht schwerwiegend beeinträchtigt. Zweifelhaft ist allerdings, ob eine solche Grundgesetzänderung politisch durchsetzbar ist. Aus diesen Gründen sollte die Bundesregierung zukünftig verstärkt erwägen, Bundeszwang gemäß Art. 37 GG gegenüber Ländern einzusetzen, die ihren Umsetzungsverpflichtungen nicht nachkommen. Zwar besteht beim Bundeszwang das Problem, dass er die Zustimmung des Bundesrates voraussetzt, von der bei den gegenwärtigen politischen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat nicht auszugehen ist. Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen nicht schon aus parteipolitischen Erwägungen die Erteilung der Zustimmung abgelehnt wird. Im Übrigen ist zu bedenken, dass bereits die Drohung mit ___________ 203 Ebenso Schneider, Stenographischer Bericht, 5. Sitzung der Bundesstaatskommission v. 11.03.2004, S. 122 (C); Meyer, ebenda, S. 122 (C); ders., Drs.-Bundesstaatskommission 0020, S. 15. 204 Vgl. dazu Koenig/Braun, NJ 2004, S. 97 ff. sowie Dederer, NVwZ 2001, S. 258 ff. 205 So Schneider, Drs.-Bundesstaatskommission 0032, S. 17.

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F. Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinienumsetzung

einer Ersatzvornahme ein Land bewegen kann, seinen Umsetzungsverpflichtungen nachzukommen. Nicht in diesem Maße geeignet, die Länder zur fristgerechten Umsetzung von Richtlinien zu bewegen, erscheint dagegen das Bund-Länder-Streitverfahren. Zwar ist es denkbar, dass der Bund vom BVerfG feststellen lässt, dass ein Bundesland wegen einer Nichtumsetzung gegen den Grundsatz der Bundestreue verstoßen hat. Es ist im Übrigen auch davon auszugehen, dass das verurteilte Land dem Urteil Folge leistet. In der Regel vergeht aber bis zum Erlass des Urteils einige Zeit, so dass zu erwarten ist, dass es regelmäßig nicht rechtzeitig vor Ablauf der Umsetzungsfrist ergeht. Schließlich sollte die Einfügung eines Regressanspruchs des Bundes gegenüber den Ländern für den Fall erwogen werden, dass der EuGH Zwangsgelder gegenüber der Bundesrepublik wegen der Nichtumsetzung von Richtlinien erhängt und die Länder die Zuständigkeit zur Richtlinienumsetzung inne hatten. Hinsichtlich der Schadensersatzansprüche Einzelner im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung besitzt der Bund dagegen bereits Rückgriffsmöglichkeiten. Angesichts der Tatsache, dass auch im Bereich der EGAnlastungen und der Geldbußen gemäß Art. 104 Abs. 11 EG der Bund nicht umfassend bei den Ländern Regress nehmen kann, bietet sich allerdings eine einheitliche Regelung im Grundgesetz an, die sämtliche Fallkonstellationen erfasst und damit auch die Rückgriffsmöglichkeit des Bundes bei der Staatshaftung ausdrücklich festlegt.

G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

Am 18.07.2003 wurde der Entwurf des Europäischen Konvents für einen „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ der italienischen Ratspräsidentschaft überreicht und am 29.10.2004 in Rom durch die Staats- und Regierungschefs unterzeichnet.1 Hintergrund der Einsetzung des Europäischen Verfassungskonvents war die Tatsache, dass auf der Regierungskonferenz von Nizza 2000 Fragen der konstitutionellen Weiterentwicklung des europäischen Vertragswerks zunächst ausgeklammert blieben. Gleichzeitig hatte sich aber auf der Nizza-Konferenz die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Europäische Union nicht hinreichend auf die ab 2004 bevorstehende Erweiterung um 12 und mehr Beitrittsstaaten vorbereitet war. Es war klar geworden, dass die große gesamteuropäische Union einer neuen verfassungsmäßigen2 Ordnung bedarf, um handlungsfähig zu bleiben.3 ___________ 1

Vgl. ABl. 2004 C 310, S. 1 ff. Der Vertrag tritt am 01.11.2006 in Kraft, wenn ihn bis dahin alle 25 Mitgliedstaaten ratifiziert haben, andernfalls zu Beginn des zweiten Monats nach der letzten Ratifikation, vgl. Art. IV-447 Abs. 2 VerfE. Durch ablehnende Referenden in Frankreich am 29.05.2005 und den Niederlanden am 01.06.2005 ist der Ratifikationsprozess zuletzt ins Stocken geraten. Zunächst war geplant, die Ratifikation in den übrigen Mitgliedstaten dennoch wie geplant fortzusetzen, vgl. dazu FR v. 03.06.2005, S. 1 (Nein der Niederländer macht EU ratlos); ebenda, S. 5 (Krisenstimmung in den Nee-derlanden); FR v. 02.06.2005, S. 1 (EU will Kurs halten). Auf dem Europäischen Rat in Brüssel v. 16./17.06.2005 einigte man sich dann aber darauf, eine „Denkpause“ bei der Ratifizierung der EU-Verfassung einzulegen, wobei es aber jedem Mitgliedstaat freisteht, über den Zeitpunkt der Ratifizierung selbst zu entscheiden. Am Vertrag über eine Verfassung für Europa sollen jedoch keine Änderungen vorgenommen werden, vgl. FAS v. 19.06.2005, S. 2 (Hauen und Stechen in Brüssel); FR v. 18.06.2005, S. 1 (EU-Gipfel legt Verfassung auf Eis); ebenda, S. 2 (Fünf Länder verschieben die Ratifizierung); ebenda, S. 3 (Ratlose Entschlossenheit). 2 Obwohl durch die bewusste Verwendung des staatsrechtlich besetzten Begriffs „Verfassung“ der Eindruck der Verstaatlichung geweckt wurde, sollte es sich dabei aber nicht um eine Umstellung der Rechtsgrundlage der Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union von völkerrechtlichen Gründungsverträgen auf eine staatsrechtliche Verfassung handeln, sondern es sollte lediglich signalisiert werden, dass sich die Mitgliedstaaten mehr und mehr des immer staatsähnlicher werdenden Charakters der Union bewusst geworden sind, der dementsprechend auch stärker demokratisiert und legitimiert, d.h. „verfasst“ werden muss, vgl. Hummer, Konstitutionalisierung der EU, S. 34. 3 Oppermann, DVBl. 2003, 1165 (1165).

244

G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

Deshalb legten die Staats- und Regierungschefs in einer Erklärung zum Nizza-Vertrag4, die durch die sog. Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union vom 15.12.20015 konkretisiert wurde, das weitere Vorgehen in dieser Frage fest und beriefen einen Konvent zur Zukunft Europas ein. Der Konvent sollte die künftige Aufgabenteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten ebenso regeln wie eine Reform der zentralen Institutionen der Union einleiten.6 In der Zeit zwischen dem Gipfeltreffen von Nizza und dem Beginn des Europäischen Konvents im Februar 2002 haben sich die Bundesländer umfassend mit der regionalen Dimension eines künftigen Europas auseinandergesetzt und sich außerdem intensiv an den im Zusammenhang mit dem Konvent stattfindenden Debatten beteiligt.7 Diese Anstrengungen der Länder mündeten unter anderem in zwei umfangreiche Bundesratsresolutionen.8 Als zentrale regionalpolitische Anliegen der deutschen Länder ließen sich im Wesentlichen folgende Punkte identifizieren: 1. ein eigenes Klagerecht für die Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, 2. ein Klagerecht des Ausschusses der Regionen zur Wahrung der Subsidiarität und seiner eigenen Rechte, 3. die einschränkende Präzisierung der Binnenmarktartikel, 4. die Einschränkung der Kompetenzabrundungsklausel des Art. 308 EG, 5. die Einführung von Kompetenzkategorien, 6. die Präzisierung der Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sowie 7. die Einführung eines Mechanismus zur effektiven und frühzeitigen Kontrolle der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips.9 Es stellt sich die Frage, inwiefern das Ergebnis der Konventsverhandlungen den Forderungen der Länder entspricht. Zugleich soll eine Einschätzung versucht werden, welche Auswirkungen der Verfassungsprozess auf die Bundesländer und ihre Mitwirkung in EU-Angelegenheiten haben wird. Beim heutigen Integrationsstand sind die Stellung und die politischen Gestaltungsmöglichkeiten der deutschen Bundesländer im Rahmen der Europäischen Union nicht mehr ___________ 4 Erklärung Nr. 23 des Vertrages von Nizza über die Zukunft der Europäischen Union, ABl. 2001 C 80/1, S. 85 f. 5 Anlage I zu den Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Laeken) v. 14./15.12.2001, S. 19 ff. 6 Genauer zu den Aufgaben und der Arbeit des Europäischen Konvents Oppermann, DVBl. 2003, S. 1 ff.; Barnutz/Große Hüttmann, integration 25 (2002), S. 157 ff.; Göler, integration 25 (2002), S. 99 ff. 7 M. W. Bauer, Jahrbuch des Föderalismus 2004, 453 (455). 8 Entschließung des Bundesrates zur Kompetenzabgrenzung im Rahmen der Reformdiskussion zur Zukunft der Europäischen Union, BR-Drs. 1081/01; Entschließung des Bundesrates zu den Themen des Konvents zur Zukunft der Europäischen Union, BRDrs. 586/02. 9 Ausführlich zu den Forderungen der Länder M. W. Bauer, Jahrbuch des Föderalismus 2004, 453 (458 f.).

I. Subsidiaritätsprinzip und Frühwarnmechanismus

245

allein von den Vorgaben des Grundgesetzes abhängig. Vielmehr hat das Gemeinschaftsrecht auch auf die Position der Länder einen immer größeren Einfluss. Insofern könnte ein Zuständigkeitszuwachs der Länder durch die europäische Verfassung auch etwaige innerstaatliche Rechtsverluste durch eine Reform des Art. 23 GG im Rahmen der Bundesstaatskommission kompensieren.

I. Subsidiaritätsprinzip und Frühwarnmechanismus Das Subsidiaritätsprinzip, als grundlegendes föderales Prinzip bereits in Art. 5 Abs. 2 EG verankert, hat durch die europäische Verfassung in Art. I-11 Abs. 3 eine redaktionelle Verbesserung erfahren.10 Die Problemlösungskapazität der „Ebene der Mitgliedstaaten“ wurde ausdrücklich11 auf regionale und lokale Körperschaften ausgedehnt und das kausale („und daher“) durch ein finales („sondern wegen“) Junktim ersetzt. Letzteres bedeutet insofern einen Fortschritt, als sich aus der Erfüllung der ersten Voraussetzung nicht mehr automatisch die Erfüllung der zweiten ergibt. Beide müssen kumulativ vorliegen.12 Die eigentliche Stärkung der Subsidiarität liegt aber in der Neuerung des Frühwarnmechanismus in dem „Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit“. Dieses führt das Protokoll Nr. 21 zum EGV über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit von 1997 durch die Einführung eines Stellungnahmerechts von nationalen Parlamenten bzw. deren Kammern im Gesetzgebungsverfahren und durch neue Klagerechte wegen eines Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip beim EuGH weiter.

1. Das Verfahren der Subsidiaritätskontrolle a) Informations- und Stellungnahmerecht Ausgangspunkt des künftigen Frühwarnsystems zur Subsidiaritätskontrolle ist ein effektives Informations- und Unterrichtungssystem. Gemäß Art. 4 Subsi___________ 10

Schwarze, EuR 2004, 535 (552); Wuermeling, EuR 2004, 216 (224); ders., BayVBl. 2004, 577 (580). 11 Dieses Ergebnis ließ sich bisher schon interpretatorisch erreichen, Schröder, JZ 2004, 8 (11); Donoth, Bundesstaatliche Ordnung und Verwirklichung der Europäischen Union, S. 279 f. 12 M. W. Bauer, Jahrbuch des Föderalismus 2004, 453 (460); Ludwigs, ZEuS 2004, 211 (218 f.); Schwarze, EuR 2004, 535 (542); Wuermeling, EuR 2004, 216 (224). Dagegen Schröder, JZ 2004, 8 (11), der die Veränderung für folgenlos hält.

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G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

diaritätsprotokoll werden die nationalen Parlamente über Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene gesondert unterrichtet, wobei der übermittelte Gesetzesentwurf gemäß Art. 5 Subsidiaritätsprotokoll insbesondere detaillierte Angaben im Hinblick auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit enthalten muss.13 Damit verstärkt die europäische Verfassung die Unterrichtung der nationalen Parlamente sowohl inhaltlich wie auch institutionell. Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 Subsidiaritätsprotokoll können die nationalen Parlamente oder die Kammern eines dieser Parlamente binnen sechs Wochen nach dem Zeitpunkt der Übermittlung des Entwurfs in einer begründeten Stellungnahme an die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission darlegen, weshalb der Entwurf ihres Erachtens nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Dabei obliegt es nach Art. 6 Abs. 1 S. 2 Subsidiaritätsprotokoll dem jeweiligen nationalen Parlament oder der jeweiligen Kammer eines nationalen Parlaments gegebenenfalls die regionalen Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen zu konsultieren.

aa) Der Bundesrat als zweite Kammer im Sinne des Subsidiaritätsprotokolls In der Folge dieser Regelung stellt sich die Frage, was unter den Begriffen „nationales Parlament“ bzw. „Kammer des nationalen Parlaments“ zu verstehen ist. Da das Subsidiaritätsprotokoll das Macht- und Kräfteverhältnis im Gesetzgebungsbereich thematisiert, lässt sich dem Systemkontext entnehmen, dass es sich um nationale Verfassungsorgane handeln muss, die im Gesetzgebungsverfahren entscheidend mitwirken.14 Das Recht zur Abgabe einer Stellungnahme hat damit in Deutschland jedenfalls der Bundestag als aus Wahlen des Volkes hervorgehende, zur formellen Gesetzgebung berufene Volksvertretung des Gesamtstaates.15 Fraglich ist aber, ob dies auch für den Bundesrat gilt. Dagegen könnte sprechen, dass der Bundesrat nach einer Entscheidung des BVerfG nicht eine zweite Kammer eines einheitlichen Gesetzgebungsorgans darstellt, die gleichwertig mit der ersten Kammer entscheidend am Verfahren beteiligt ist.16 ___________ 13

Auch nach der geltenden Rechtslage besteht eine Verpflichtung der Kommission, in jedem Vorschlag für gemeinschaftliche Rechtsvorschriften zu begründen, dass die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eingehalten wurden. Eine ausdrückliche Erwähnung der beiden Grundsätze in den Erwägungsgründen des letztendlichen Rechtssatzes ist nach Ansicht der EuGH aber nicht erforderlich, vgl. EuGH, Urt. v. 19.11.1998, Rs. C-150/94, Slg. 1998, I-7235 (7290) – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland/Rat der Europäischen Union. 14 Nettesheim, EuR 2004, 511 (542). 15 Dederer, ZG 2003, 97 (106). 16 BVerfG, Beschluss v. 25.06.1974, E 37, 363 (380); Brockmeyer, in: SchmidtBleibtreu/Klein, Art. 50 GG, Rn. 1; Jekewitz, in: AK, vor Art. 50 GG, Rn. 9. Anderer

I. Subsidiaritätsprinzip und Frühwarnmechanismus

247

Zusätzlich wird gegen eine Einstufung des Bundesrates als zweiter Kammer im Sinne des Subsidiaritätsprotokolls angeführt, dass die Beteiligung des Bundesrates nicht dem Sinn der Beteiligung der nationalen Parlamente an der Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips entspreche. Nach dem ersten Erwägungsgrund des Protokolls sollen die „Entscheidungen der Union so bürgernah wie möglich getroffen werden“. Dem Prinzip bürgernaher Entscheidung werde aber weniger die Mitwirkung exekutivisch besetzter Organe wie der des Bundesrates als vielmehr die Mitwirkung aus einer Volkswahl hervorgegangener, unmittelbar demokratisch legitimierter Repräsentativorgane gerecht.17 Dieser Ansatz verkennt jedoch den offenkundigen politischen Willen des Verfassungskonvents, der durch die gewählte Formulierung gerade den sehr unterschiedlichen parlamentarischen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten, die zum Teil föderal, zum Teil zentralstaatlich organisiert sind, ausreichend Rechnung tragen wollte. Deshalb erscheint es problematisch, die Protokollvorgaben derart restriktiv zu interpretieren. Erkennbarer Sinn und Zweck der Bestimmung ist vielmehr die Erfassung jeglicher gesetzgebender Einrichtungen auf der Bundes- bzw. Zentralstaatsebene ohne Entscheidung dahingehend, Mitgliedstaaten mit einem Senatsprinzip etwa denjenigen Mitgliedstaaten vorzuziehen, die sich – wie Deutschland – für ein Ratsprinzip zur Vertretung föderativer Interessen entschieden haben.18 Im Übrigen steht außer Frage, dass der Bundesrat, wenngleich er sich nicht aus vom Volk direkt gewählten Vertretern zusammensetzt, Teil der vom Grundgesetz eingesetzten Legislative ist.19 Demnach stellt der Bundesrat eine zweite Kammer im Sinne von Art. 6 Subsidiaritätsprotokoll dar und ist insofern zur Abgabe begründeter Stellungnahmen hinsichtlich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips berechtigt.20

bb) Fehlender europarechtlicher Anspruch regionaler Parlamente Hingegen bestimmt gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 2 Subsidiaritätsprotokoll das nationale Recht, inwiefern regionale Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen ___________ Ansicht Direktor des Bundesrates, Bundesrat und Bundesstaat, S. 52 f.; Wyduckel, DÖV 1989, 181 (191 f.). 17 Dederer, ZG 2003, 97 (108). 18 Molsberger, VBlBW 2005, 169 (170, Fn. 12); Görlitz, ZG 2004, 249 (261); ders., Neugestaltung des Artikels 23 GG, S. 13. Ausführlich zu diesen unterschiedlichen Modellen Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 GG, Rn. 1. 19 Nettesheim, EuR 2004, 511 (542). 20 Im Ergebnis – allerdings ohne Begründung – ebenso M. W. Bauer, Jahrbuch des Föderalismus 2004, 453 (471); Ludwigs, ZEuS 2004, 211 (222); Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 383; Schwarze, EuR 2004, 535 (546); Wuermeling, EuR 2004, 216 (225); ders., BayVBl. 2004, 577 (578); Brok, KAS/Auslandsinformationen, 01/2003, 14 (21).

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G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

konsultiert werden. Als derartige „regionale Parlamente“ können sicherlich die Landtage eingestuft werden.21 Mangels Befugnis zum Erlass formeller Gesetze stellen dagegen die kommunalen Volksvertretungen keine regionalen Parlamente in diesem Sinne dar.22 Auch die Landesparlamente haben nach der Protokollbestimmung aber keinen europarechtlichen Anspruch darauf, dass sie vom Bundestag bzw. Bundesrat konsultiert oder gar ihre Stellungnahmen vom Bundestag oder Bundesrat vertreten werden. Im Übrigen muss bezweifelt werden, ob es den 16 Landesparlamenten gelänge, sich innerhalb von sechs Wochen eine Meinung zur Frage der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips im Hinblick auf ein bestimmtes europäisches Gesetzgebungsvorhaben zu bilden und diese dem Bundestag oder Bundesrat mitzuteilen.

cc) Konsequenzen einer Stellungnahme Nach Art. 7 Abs. 1 Subsidiaritätsprotokoll ist eine von einem nationalen Parlament oder einer der Kammern dieses Parlaments innerhalb der Frist abgegebene Stellungnahme von den Gesetzgebungsorganen der Europäischen Union zu berücksichtigen. Darunter ist wohl nicht mehr zu verstehen, als dass die Stellungnahme zur Kenntnis genommen werden muss, so dass die Stellung isoliert auftretender nationaler Parlamente bzw. ihrer Kammern vergleichsweise schwach ist. Das Bild ändert sich aber, wenn der Subsidiaritätsverstoß von einer hinreichend großen Gruppe nationaler Parlamente vorgetragen wird. Art. 7 Abs. 3 Subsidiaritätsprotokoll definiert die Schwelle insofern bei einem Drittel der mitgliedstaatlichen Parlamente für den Regelfall und bei nur einem Viertel der Stimmen für Gesetzgebungsakte auf der Grundlage von Art. III-264 VerfE betreffend den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Legt eine solche Gruppe mitgliedstaatlicher parlamentarischer Organe eine begründete Subsidiaritätsgegenvorstellung vor, ist die Kommission gemäß Art. 7 Abs. 4 S. 1 Subsidiaritätsprotokoll zu einer Überprüfung ihres Vorschlags verpflichtet – mit der Folge, dass sie über ihn erneut beschließen muss. Sie ist dabei gehalten, ihre Position zu begründen, Art. 7 Abs. 4 S. 2 Subsidiaritätsprotokoll. Nationale Parlamente und Europäische Kommission werden auf diese Weise in einen diskursiven Prozess der Verständigung über die Zuordnung von Aufgaben in Europa eingespannt, der im Prozess der Machtverlagerung auf die Europäische Union sicherlich bremsende Wirkung haben kann. Jedoch wird sich der Mechanismus nur bewähren, wenn die mitgliedstaatlichen Parlamente bzw. Kammern auch wirklich willens und fähig sind, die Arbeit der EU-Organe ___________ 21 Dederer, ZG 2003, 97 (107f.); Görlitz, ZG 2004, 249 (265); ders., Neugestaltung des Artikels 23 GG, S. 18. 22 Dederer, ZG 2003, 97 (107).

I. Subsidiaritätsprinzip und Frühwarnmechanismus

249

kritisch zu verfolgen und gegebenenfalls einzuschreiten.23 Insbesondere wird sich in diesem Zusammenhang das Problem stellen, dass die Stellungnahme innerhalb der recht kurzen Frist von sechs Wochen zu erarbeiten und an die EUOrgane zu übermitteln ist. Dies setzt voraus, dass sich die nationalen Parlamentarier laufend so intensiv mit EU-Materien befassen, dass sie im konkreten Fall auch tatsächlich in der Lage sind, innerhalb der Frist einen substantiierten Einspruch zu erheben; unsubstantiierte Einsprüche würden nämlich die nationalen Parlamente der Gefahr eines Glaubwürdigkeitsverlustes aussetzen.24 Auf Grund der Tatsache, dass es bislang zumeist nicht gelungen ist, sich in europäischen Angelegenheiten rechtzeitig über die deutsche Position zu verständigen, ist nicht davon auszugehen, dass Bundestag und Bundesrat in der Lage sein werden, ihre Rechte aus dem Subsidiaritätsprotokoll effektiv zu nutzen.25 Auch diese Aufgabe sollte deshalb dem einzurichtenden ständigen Bundesratsgremium übertragen werden, da dieses ohnehin die Arbeit der Gemeinschaft ständig verfolgt. Zudem wäre es im Sinne einer Autonomiesicherung der Länder vorteilhaft, wenn zunächst jene Politikfelder der Gemeinschaft identifiziert und klar bestimmt würden, für die aus Sicht der Länder eine besonders intensive Kontrolle der zulässigen Intensität und Reichweite europäischer Regulierungsaktivitäten geboten erscheint.26

b) Richterliche Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips Des Weiteren sieht das Subsidiaritätsprotokoll in Art. 8 nunmehr auch eine nachlaufende richterliche Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips vor. Danach ist der Gerichtshof der Europäischen Union für Klagen wegen Verstoßes eines Europäischen Gesetzgebungsaktes gegen das Subsidiaritätsprinzip zuständig, die nach Maßgabe des Art. III-365 VerfE von einem Mitgliedstaat erhoben oder entsprechend der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung von einem Mitgliedstaat im Namen seines nationalen Parlaments oder einer Kammer dieses Parlaments übermittelt werden. Dieses Recht gilt nach Absatz 2 auch für den Ausschuss der Regionen, soweit dessen Anhörung für den Erlass von Gesetzgebungsakten vorgeschrieben ist.27 Lediglich deklaratorische Bedeutung hat die Vorschrift insofern, als sie einem Mitgliedstaat nach den Modalitäten des Art. III-365 VerfE das Recht zur ___________ 23

Nettesheim, EuR 2004, 511 (528). Köck, Konventsentwurf, S. 238. 25 Zum gleichen Ergebnis für Österreich kommt Köck, Konventsentwurf, S. 238 f. 26 Ähnlich Bertelsmann Stiftung, Diskussionspapier zum Föderalismus-Reformdialog – Die Europafähigkeit der deutschen Bundesstaates v. 10.05.2004, S. 7. 27 Dazu auch G. II. 2. a). 24

250

G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

Erhebung einer Nichtigkeitsklage verleiht, da Mitgliedstaaten als privilegierte Kläger dieses Recht schon bisher innehatten und auch nach der europäischen Verfassung zukünftig innehaben werden, vgl. Art. 230 Abs. 2 EG, Art. III-365 Abs. 2 VerfE. Über die bisherige Klagebefugnis hinaus geht das Protokoll aber, wenn es nunmehr nationalen Parlamenten bzw. den Kammern nationaler Parlamente die Antragsberechtigung verleiht. Dies ist bemerkenswert, da damit erstmals mitgliedstaatliche Verfassungsorgane wie privilegierte Kläger Rechtsschutz verlangen können. Zwar konnten rechtsfähige Glieder eines Mitgliedstaates als nicht-privilegierte Kläger auch bislang dann gemäß Art. 230 Abs. 4 EG Rechtsschutz geltend machen, wenn sie Adressat von Maßnahmen der Europäischen Union oder von diesen unmittelbar und individuell betroffen waren. Der Organstreit zwischen einem mitgliedstaatlichen Organ und Organen der Europäischen Union war allerdings nicht vorgesehen.28

aa) Die Klageberechtigten Die Ausgestaltung des künftig möglichen Klagerechts nationaler Parlamente obliegt zwar dem nationalen Recht, muss aber gleichwohl den europarechtlichen Vorgaben des Subsidiaritätsprotokolls entsprechen. Diese sind jedoch in ihren Einzelheiten unklar. Die einschlägige Formulierung des Art. 8 unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Nichtigkeitsklagen, die nach den Modalitäten des Art. III-365 VerfE von den Mitgliedstaaten vor dem EuGH erhoben werden, und solchen Klagen, die „gemäß der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung von einem Mitgliedstaat im Namen seines nationalen Parlaments oder einer Kammer dieses Parlaments übermittelt“ werden. Letztere Formulierung stellt juristisches Neuland dar und wirft die Frage auf, welche Aussage hier in Bezug auf den zulässigen Klageberechtigten – die nationale Regierung für den Mitgliedstaat oder das nationale Parlament bzw. seine Kammer – gemacht wird. Grundsätzlich geht die Vorschrift für beide der dort genannten Klagevarianten von den „Mitgliedstaaten“ als vor dem EuGH handelnde Akteure aus. Konsequenz dieser Auslegung könnte sein, dass auch nach Einführung einer „Parlamentsklage“ nach den maßgeblichen EU-rechtlichen Vorgaben im Außenverhältnis allein die Mitgliedstaaten durch die nationalen Regierungen agieren. Insofern wäre die Formulierung von der Übermittlung der Klage durch die Mitgliedstaaten missverständlich, da hierdurch der fälschliche Eindruck entstünde, eigentlicher Kläger bei der Parlamentsklage sei das natio-

___________ 28

Nettesheim, EuR 2004, 511 (542).

I. Subsidiaritätsprinzip und Frühwarnmechanismus

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nale Parlament selbst, wohingegen der Mitgliedstaat lediglich die technische Funktion des „Briefträgers“ ausübe.29 Einem derartigen Verständnis steht allerdings auch die bisherige Systematik des EU-Prozessrechts sowie Sinn und Zweck der Protokollbestimmung entgegen. Grundsätzlich sieht Art. III-365 VerfE, auf den Art. 8 ausdrücklich Bezug nimmt, ebenso wie bislang Art. 230 Abs. 1 EG eine Klageberechtigung nur der EU-Organe sowie der Mitgliedstaaten vor. Gründe, die für eine Aufwertung nationaler Verfassungsorgane neben den Mitgliedstaaten sprechen könnten, sind nicht ersichtlich, vielmehr sind allein die Mitgliedstaaten als Vertragspartner im Kontext der Europäischen Union handlungsfähige Subjekte.30 Im Übrigen bestünde im Falle der Klagebefugnis nationaler Parlamente auch die Gefahr der Zersplitterung der nationalen Interessenwahrnehmung auf europäischer Ebene. Diesem Grundverständnis entspricht Art. 8 Subsidiaritätsprotokoll dadurch, dass er auch für die Konstellation einer parlamentarischen Klage auf die Mitgliedstaaten als nach außen agierende Rechtssubjekte abstellt. Dem gemäß ist eine Auslegung vorzugswürdig, die auch in dem Fall der parlamentarischen Klage eine Klage des jeweiligen Mitgliedstaates sieht und Fragen der parlamentarischen Initiierung bzw. Beteiligung als Probleme des Innenverhältnisses der nationalen Verfassungsorgane klassifiziert. In diesem Sinne ist auch die Formulierung von der „Übermittlung“ der Parlamentsklage zu verstehen.31 Es ist demnach festzuhalten, dass nicht die nationalen Parlamente bzw. ihre Kammern kraft europarechtlicher Anordnung vor dem EuGH als nationale Verfassungsorgane klagebefugt sind, sondern es wird vielmehr ein europarechtlicher Rahmen geschaffen, der auch Klagen eines Mitgliedstaates mit einer parlamentarischen Urheberschaft erfasst. Dabei obliegt es dem Mitgliedstaat, innerstaatlich zu regeln, auf welche Weise das Parlament in diesem Rahmen tätig wird.32

bb) Rechtsanspruch nationaler Parlamente auf Klageübermittlung Innerstaatlich wären dementsprechend insbesondere die Rechtsbeziehungen zwischen dem durch das Subsidiaritätsprotokoll begünstigten nationalen Parla___________ 29 Dafür Ludwigs, ZEuS 2004, 211 (222); Molsberger, VBlBW 2005, 169 (170 f.). Vgl. dazu Görlitz, Neugestaltung des Artikels 23 GG, S. 12. 30 Hänsch, 44. Bitburger Gespräche v. 07.01.2005, Vortrag zum Thema „Deutscher Föderalismus in der verfaßten Europäischen Union“, S. 5; Görlitz, ZG 2004, 249 (259); ders., Neugestaltung des Artikels 23 GG, S. 12. 31 Görlitz, ZG 2004, 249 (259 f.); ders., Neugestaltung des Artikels 23 GG, S. 12. 32 Görlitz, Neugestaltung des Artikels 23 GG, S. 12 f.; Sommermann, DÖV 2003, 1009 (1013). Davon scheint auch Schröder, JZ 2004, 8 (12) auszugehen.

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G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

ment und der nationalen Regierung zu klären. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob das nationale Parlament bzw. seine Kammer einen Rechtsanspruch darauf hat, dass der Mitgliedstaat, d.h. genauer die Regierung, eine Klage übermittelt. In der Ordnung des Grundgesetzes wird man die Frage bejahen und einen derartigen Anspruch der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme, welche dem Prinzip der Bundestreue entspringt, entnehmen können. Es ist Ausdruck dieser Pflicht, dass sich die Bundesregierung auch dann, wenn sie selbst einen Gesetzgebungsakt der Europäischen Union für kompetenzmäßig erachtet, der Subsidiaritätszweifel der gesetzgebenden Organe annimmt und die Geltendmachung unterstützt. Dieses Rechtsverständnis lässt sich insofern durch eine unionsrechtskonforme Interpretation untermauern, als in Art. 8 Subsidiaritätsprotokoll – wie gezeigt – ausdrücklich von einer bloßen Übermittlerrolle der außenvertretenden Organe des Mitgliedstaates die Rede ist. Auch wenn das Protokoll die Ausgestaltung der Übermittlung der Klage grundsätzlich der innerstaatlichen Rechtsordnung überlässt, darf das nationale Recht nicht so interpretiert werden, dass es den kompetenziellen Schutz leer laufen lässt.33 Folglich ist die Bundesregierung zur Klageerhebung verpflichtet, wenn sich Bundestag oder Bundesrat dafür aussprechen, hat aber zugleich das Recht, die Bundesrepublik in diesem Zusammenhang vor dem EuGH zu vertreten.

2. Bewertung des neugeschaffenen Frühwarnmechanismus a) Das Stellungnahmerecht Wenn Bundestag und Bundesrat ihr Recht zur Abgabe begründeter Stellungnahmen über die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zukünftig effektiv nutzen, eröffnet dies die Möglichkeit, hinsichtlich der ordnungsgemäßen Ausübung der Gemeinschaftskompetenzen ein gewisses Maß an Kontrolle auszuüben und insofern den Prozess der Machtverlagerung auf die Gemeinschaft zu bremsen sowie schon frühzeitig und unmittelbar auf die EU-Entscheidungsverfahren einzuwirken. Somit kann die Subsidiaritätskontrolle insbesondere des Bundesrates verhindern, dass eine stete Aushöhlung der Länderkompetenzen stattfindet. Weil die Missachtung des Subsidiaritätsprinzips in den allermeisten Fällen zu Lasten mitgliedstaatlicher Gesetzgebung geht34, sind die nationalen Parlamente diejenigen Institutionen, die an der Einhaltung des Prinzips in besonderer Weise interessiert sind. Ihre Einschaltung erscheint daher gegenüber einem mehrfach empfohlenen Subsidiaritätsausschuss vorzugswürdig im Hinblick auf

___________ 33 34

Nettesheim, EuR 2004, 511 (542 f.). v. Bogdandy, Vertikale Kompetenzverteilung, S. 32.

I. Subsidiaritätsprinzip und Frühwarnmechanismus

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die effektive Nutzung der gewährten Kontrollrechte35 und ermöglicht im Übrigen eine für den jeweiligen Mitgliedstaat repräsentativere Stellungnahme als ein wie auch immer zusammengesetzter Subsidiaritätsausschuss.36 Eine nicht unerhebliche Einschränkung der Kontrollmöglichkeiten bedeutet jedoch die Tatsache, dass eine Korrekturverpflichtung der Kommission nicht besteht, die Länder also eine Fortsetzung des europäischen Gesetzgebungsverfahrens durch die Abgabe der Stellungnahme nicht verhindern bzw. eine Änderung nicht erzwingen können. Vergleicht man den Aufwand, den die Stellungnahmen der Parlamente erfordern, mit den Konsequenzen, die diese von Rechts wegen erreichen können, ergibt sich eine gewisse Disproportionalität zwischen Aufwand und Ertrag. Änderungen des Gesetzesvorschlages ergeben sich selbst dann nicht, wenn das vorgesehene Quorum von einem Drittel bzw. einem Viertel der Stimmen erreicht wurde oder gar alle Parlamente gleichgerichtete Stellungnahmen abgegeben haben.37 Allerdings ist der politische Einfluss nicht zu unterschätzen, den die Stellungnahmen im Einzelfall haben können. Je nach Zahl und Überzeugungskraft der abgegebenen Stellungnahmen kann ein Druck zur Änderung des Gesetzesvorschlages oder gar zum Verzicht auf das Vorhaben entstehen. Der Einfluss gerade der Länder auf Gesetzgebungsvorhaben der Gemeinschaft wird demnach dann besonders groß, wenn es gelingt, in anderen Mitgliedstaaten Unterstützung für ihre Position finden. Dementsprechend wird eine organisatorische Verfestigung der Zusammenarbeit der nationalen Parlamente und ihrer Kammern notwendig werden.38 Zudem kann möglicherweise auch die Drohung mit einer Klage gemäß dem Subsidiaritätsprotokoll nach Verabschiedung des Rechtsaktes die Bedeutung des Einspruchs stärken.39

___________ 35 Schröder, JZ 2004, 8 (12); Weber, EuR 2004, 841 (850); Lais, ZEuS 2003, 187 (203). 36 Schröder, JZ 2004, 8 (12). Für die zusätzliche Schaffung eines solchen Ausschusses Schwarze, EuR 2004, 535 (547 f.). Gegen einen Subsidiaritätsausschuss spricht aber auch, dass es zu einer Entlastung der Entscheidungsorgane kommen könnte, entsprechende Erwägungen selbst bereits in der Phase der politischen Willensbildung vorzunehmen. Zudem würde die institutionelle Struktur der Union weiter verkompliziert und die Lokalisierung politischer Verantwortung erschwert. Schließlich könnten die Entscheidungsprozesse verzögert werden, vgl. auch v. Bogdandy, Vertikale Kompetenzverteilung, S. 33; Ludwigs, ZEuS 2004, 211 (223); Meyer, Arbeiten an einer europäischen Verfassung, S. 103. 37 Hoffschulte, DVBl. 2005, 202 (206). 38 Götz, Kompetenzverteilung und -kontrolle, S. 60; Lais, ZEuS 2003, 187 (194 ff.). 39 Straub, Verfassungsentwurf aus Sicht der Länder, S. 39; Wuermeling, EuR 2004, 216 (225); ders., BayVBl. 2004, 577 (580).

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G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

b) Die Subsidiaritätsklage Welche praktische Bedeutung der Subsidiaritätsklage in der Praxis zukommt, wird in besonderem Maße von der Rechtsprechung des EuGH abhängen. Angesichts der bislang praktizierten geringen Kontrolldichte bei der gerichtlichen Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips40, die sich im Wesentlichen auf eine reine Vertretbarkeitsprüfung beschränkte41, und im Lichte des überkommenen und tief verwurzelten Selbstverständnisses der europäischen Gerichtsbarkeit steht zu erwarten, dass der EuGH sich primär auf die Überwachung der prozeduralen Richtigkeit sowie auf die Erfüllung des Begründungserfordernisses konzentrieren wird. Es stellt sich insofern die grundlegende Frage, welches Maß die Gerichtskontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips durch den Gesetzgeber sach- und erwartungsgemäß überhaupt haben kann. Denn die bestehenden Meinungsverschiedenheiten haben stets ihren Kern in der politischen Beurteilung des Problems, so dass sich die Frage nach der Justiziabilität des Subsidiaritätsprinzips aufdrängt.42 Allerdings hat der EuGH auch hinsichtlich des Begründungserfordernisses bislang eher geringere Anforderungen gestellt43, so dass sich erst noch erweisen muss, ob die im Subsidiaritätsprotokoll vorgesehenen Erweiterungen der Begründungspflicht zum Schutz der mitgliedstaatlichen Sphäre auf die gerichtliche Kontrolle Auswirkungen haben.44 ___________ 40 Vgl. beispielsweise EuGH, Urt. v. 09.10.2001, Rs. C-377/98, Slg. 2001, I-7079 (7159) – Königreich der Niederlande/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, wo der Klagegrund der Verletzung des Subsidiaritätsprinzips mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass auf der Hand liege, dass das in Rede stehende Ziel besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden könne. Ähnlich auch Urt. v. 12.11.1996, Rs. C-84/94, Slg. 1996, I-5755 (5808 f.) – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland/Rat der Europäischen Union, wo die materiellrechtliche Kontrolle sich auf die Feststellung beschränkte, dass „die Erreichung dieses Zieles durch das Setzen von Mindestvorschriften unvermeidlich ein gemeinschaftsweites Vorgehen“ voraussetze. Dazu auch Götz, Kompetenzverteilung und -kontrolle, S. 61; Schladebach, LKV 2005, 95 (99); Boeck, Abgrenzung der Rechtsetzungskompetenzen, S. 39 f., 101. 41 Boeck, Abgrenzung der Rechtsetzungskompetenzen, S. 39 f. 42 Schwarze, EuR 2004, 535 (548); Götz, Kompetenzverteilung, S. 91 f.; Everling, Kompetenzordnung und Subsidiarität, S. 175 f. Meyer, Arbeiten an einer europäischen Verfassung, S. 105 geht davon aus, dass nur eine Evidenzprüfung dahingehend stattfinden wird, ob die Gründe, die für die Subsidiaritätseinhaltung geltend gemacht werden, offensichtlich unzutreffend sind. 43 v. Bogdandy/Bast, EuGRZ 2001, 441 (455). 44 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 09.10.2001, Rs. C-377/98, Slg. 2001, I-7079 (7160) – Königreich der Niederlande/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, wo festgestellt wird, dass die Begründung des Rechtsaktes „stillschweigend“, „aber offenkundig“ auf die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips eingehe. Vgl. auch Schröder, JZ 2004, 8 (12).

II. Der Ausschuss der Regionen

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Einiges scheint also dagegen zu sprechen, dass das Klageverfahren für die Bundesländer Bedeutung als Mittel zur Nichtigerklärung von einmal ergangenen Rechtsakten gewinnen wird, die in ihren Augen die Kompetenzen der Gemeinschaft überschreiten. Allerdings kann es zumindest als latente Mahnung im Hintergrund des diskursiv angelegten Frühwarnsystems dienen, so dass auf diese Weise die Rolle der deutschen Länder in der zukünftigen Europäischen Union gestärkt wird.45

II. Der Ausschuss der Regionen Wesentliche Forderungen der Länder im Zusammenhang mit dem Verfassungskonvent betrafen außerdem den Ausschuss der Regionen.

1. Stellung und Aufgaben des Ausschusses der Regionen Der Ausschuss der Regionen repräsentiert die subnationalen Ebenen der Mitgliedstaaten und setzt sich gemäß Art. 263 Abs. 1 EG bzw. Art. I-32 Abs. 2 VerfE aus Vertretern regionaler und lokaler Gebietskörperschaften zusammen.46 Mit dem Vertrag von Maastricht geschaffen ist er Ausdruck des Anliegens, zentralistische Tendenzen aufzuhalten bzw. umzukehren. Der Ausschuss der Regionen löste den bereits 1988 bei der Kommission auf sekundärrechtlicher Basis gebildeten beratenden „Beirat der regionalen und der lokalen Gebietskörperschaften“ ab.47 Letzterer hatte auf Grund seiner beschränkten Tätigkeitsfelder und Rechte auf lange Sicht nicht den Forderungen insbesondere der deutschen Regionalpolitiker entsprochen.48 Allerdings ließen sich die weitgehenden Vorstellungen von einer „Regionalkammer“ als dritter Kammer neben Europäi-

___________ 45

Ähnlich Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 383. Bis zur Erweiterung im Mai 2004 222 Mitglieder, hinzu kommen 222 Stellvertreter. Die kleinen Mitgliedstaaten sind im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl weit überproportional vertreten. Die Spannbreite reicht von vier großen Mitgliedstaaten mit 24 bis zu Luxemburg mit 6 Mandaten, Art. 263 Abs. 3 EG. Art. III-386 VerfE begrenzt die Zahl der Mitglieder auf 350. 47 Rechtsgrundlage in ABl. 1988 L 247, S. 23; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 57. Zum Beirat siehe Blanke, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 263-265 EG, Rn. 10; Döring, Fundament für Europa, S. 192 ff.; Tauras, Mitwirkung der Regionen, S. 58 ff.; Hrbek/Weyand, Europa der Regionen, S. 100 ff.; Wuermeling, EuR 1993, 196 (197). 48 Tauras, Mitwirkung der Regionen, S. 60; Siebeke, Institutionalisierte Interessenvertretung, S. 105; Hrbek, FS Bodo Börner, S. 136. 46

256

G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

schem Parlament und Rat auch mit der Schaffung des Ausschusses der Regionen nicht realisieren.49

a) Beratende Aufgabe Der Ausschuss der Regionen wird gemäß Art. 7 Abs. 2, 263 Abs. 1 EG als eine nur beratende Institution beschrieben und ist demnach von den Gemeinschaftsorganen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 EG zu unterscheiden. Zugleich ergibt sich aus den genannten Vorschriften die Beschränkung des Ausschusses auf ein Recht zur Stellungnahme und damit eine bloß beratende Aufgabe. Dieses Stellungnahmerecht korrespondiert nur teilweise mit einer Anhörungspflicht des Rates und der Kommission. Obligatorisch anzuhören ist der Ausschuss der Regionen nach Art. 265 Abs. 1 Hs. 1 EG lediglich in den im Vertrag genannten Fällen, wozu beispielsweise Art. 71 Abs. 1, Art. 128 Abs. 2, Art. 129 Abs. 1, Art. 137 Abs. 2 und Art. 175 Abs. 1-3 EG-Vertrag gehören. Damit ist in einigen Politikfeldern von durchaus regionaler Bedeutung wie etwa in der Agrarpolitik, Art. 32 ff. EG, oder bei Entscheidungen über das Rahmenprogramm im Bereich Forschung und technologische Entwicklung, Art. 166 EG, keine obligatorische Anhörung vorgesehen.50 Allerdings verfügt der Ausschuss gemäß Art. 265 Abs. 4 EG über ein Selbstbefassungsrecht, welches an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft ist, so dass insbesondere regionale oder lokale Belange nicht tangiert sein müssen.51 Schließlich sieht Art. 265 Abs. 1 Hs. 2 EG eine fakultative Anhörung des Ausschusses der Regionen vor, welche im Ermessen von Rat und Kommission steht.52 Anhörung des Ausschusses der Regionen bedeutet, dass diesem eine Vorlage zugeleitet wird, er zu dieser Vorlage Stellung nehmen kann und die Stellungnahme nach Art. 265 Abs. 6 EG anschließend an die anderen Institutionen ___________ 49

Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 57; Wiedmann, Jahrbuch des Föderalismus 2002, 541 (541). 50 Blanke, in: Grabitz/Hilf, Art. 265 EG, Rn. 2; Burgi, in: Streinz, Art. 265 EG, Rn. 2. 51 Blanke, in: Grabitz/Hilf, Art. 265 EG, Rn. 13; Obermüller, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 265 EG, Rn. 18; Burgi, in: Streinz, Art. 265 EG, Rn. 5. Allerdings war die Anzahl der Initiativ-Stellungnahmen schon gegen Ende der ersten Amtszeit des Ausschusses der Regionen rückläufig. Grund dafür war, dass die Arbeitskapazität der Mitglieder des Ausschusses bereits durch die Beschäftigung mit den ihnen vorliegenden Befassungen durch die anderen Organe weitestgehend ausgeschöpft war, vgl. Hrbek, Jahrbuch des Föderalismus 2001, 487 (490). 52 Von dieser Möglichkeit macht die Kommission relativ häufig Gebrauch. Sie beschloss etwa, den AdR auch im Zusammenhang ihrer Maßnahmen auf dem Gebiet der beruflichen Bildung zu konsultieren, soweit sie die Aufgaben lokaler und regionaler Behörden berühren, vgl. dazu Wiedmann, EuR 1999, 49 (70, Fn. 98).

II. Der Ausschuss der Regionen

257

übermittelt wird. Es besteht keine Pflicht der anderen Institutionen zur Übernahme der Position des Ausschusses der Regionen, nicht einmal eine Begründungspflicht bei einem Abweichen von der Ausschussposition ist dem Vertrag zu entnehmen.53 Somit verfügt er im Ergebnis weder über wirkliche Mitentscheidungsbefugnisse oder ein Initiativrecht in den Rechtsetzungsverfahren der Gemeinschaft noch über außenwirksame Befugnisse.54 Des Weiteren wurde dem Ausschuss – entgegen der Forderung der deutschen Länder – kein Klagerecht bei Verletzung seiner Mitwirkungsrechte sowie des Subsidiaritätsgrundsatzes eingeräumt. Insofern verblieb bislang allein den im Ausschuss der Regionen vertretenen regionalen und lokalen Gebietskörperschaften die Möglichkeit, ihre Rechtsinteressen über Art. 230 Abs. 4 EG wahrzunehmen.55 Schließlich beeinträchtigt die Missachtung einer Pflicht zur Konsultation des Ausschusses der Regionen nach der derzeit herrschenden Auffassung die Rechtsgültigkeit eines Rechtsaktes nicht.56 Im Ergebnis mussten die Regionen damit von dem von ihnen propagierten Idealmodell einer „dritten Kammer“ gravierende Abstriche hinnehmen.57 Insgesamt hat dies dazu geführt, dass der Ausschuss der Regionen bisher nur eine

___________ 53 Obermüller, in: von der Groeben/Schwarze, Vorbem. zu den Artikeln 263 bis 265 EG, Rn. 26; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 58; Gray, Committee of the Regions, S. 275; Siebeke, Institutionalisierte Interessenvertretungen, S. 107. 54 Burgi, in: Streinz, Art. 263 EG, Rn. 1 ff.; Ranacher, Funktion des Bundes, S. 42; Suhr, in: Calliess/Ruffert, Art. 263 EG, Rn. 6; Wuermeling, EuR 1993, 196 (199). 55 EuGH, Urt. v. 08.03.1988, Rs. 62 und 72/87, Slg. 1988, 1573 (1592) – Exécutif régional wallon und SA Glaverbel/Kommission der Europäischen Gemeinschaften; EuG, Urt. v. 15.12.1999, Rs. T-132/96 und T-143/96, Slg. 1999, II-3663 (3701 ff.) – Freistaat Sachsen u.a./Kommission der Europäischen Gemeinschaften; Blanke, in: Grabitz/Hilf, Art. 263 EG, Rn. 3; R. Geiger, Art. 265 EG, Rn. 10; Obermüller, in: von der Groeben/Schwarze, Vorbem. zu den Artikeln 263 bis 265 EG, Rn. 26; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 58; Burgi, in: Streinz, Art. 265 EG, Rn. 3; Tauras, Mitwirkung der Regionen, S. 108. Entgegen dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers gehen dennoch einige Stimmen von einer Klageberechtigung des AdR zumindest bei Verletzung seiner Mitwirkungsrechte aus, vgl. Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, Art. 265 EG, Rn. 9; Hasselbach, BayVBl. 1997, 454 (457); ders., ZG 1996, 197 (211 f.). 56 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 58; Suhr, in: Calliess/Ruffert, Art. 265 EG, Rn. 10; Tauras, Mitwirkung der Regionen, S. 107 f. Dies erkennt selbst der AdR in seinem Beitrag zum Konvent an, Entschließung v. 04.07.2002, CdR 127/ 2002, Punkt 4.4. In der deutschen Literatur ist man verbreitet anderer Ansicht: Schladebach, LKV 2005, 95 (97); Klein, in: Handkommentar EUV/EGV, Art. 198c EGV a.F., Rn. 10; Donoth, Bundesstaatliche Ordnung und Verwirklichung der Europäischen Union, S. 309. 57 Obermüller, in: von der Groeben/Schwarze, Vorbem. zu den Artikeln 263 bis 265 EG, Rn. 27; Wuermeling, EuR 1993, 196 (199).

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G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

eingeschränkte politische Bedeutung und Wahrnehmung erfahren hat58, wenn er auch mehr ist als eine „folkloristische Schaubühne“59.

b) Heterogenität der Mitglieder Hinzu kommt, dass die Zusammenfassung der Belange sehr heterogener regionaler und lokaler Gebietskörperschaften in der gegenwärtigen Form sich zuletzt nicht unbedingt als sachgerecht und praktikabel erwiesen hat.60 Die Statusunterschiede zwischen autonomen Staatskörperschaften, die im Auftreten souveränen Staaten gleichen, Verwaltungsbezirken und Kommunen manifestieren sich verstärkt in widersprüchlichen Zielsetzungen.61 In den letzten Jahren war die Herausbildung einer „Art von regionaler Avantgarde“62 der konstitutionellen Regionen zu erkennen, die sich durch den Ausschuss der Regionen nicht mehr ausreichend vertreten sahen und deshalb am Ausschuss vorbei ihre regionalen Interessen verfolgten. In einer politischen Erklärung konstatierte die sog. „Flandern-Initiative“63, an der auch einige deutsche Länder beteiligt sind, mit Blick auf den Ausschuss der Regionen: ___________ 58 Ranacher, Funktion des Bundes, S. 42; Suhr, in: Calliess/Ruffert, Art. 263 EG, Rn. 38 f. In den deutschen Ländern ist auch deshalb hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten über den AdR eine große Ernüchterung eingetreten, weil sie schon in der Konstituierungsphase wegen ihrer unzureichenden Abstimmung mit anderen Delegationen und ihrer relativ geringen stimmenmäßigen Position häufig überstimmt wurden, vgl. Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 336. Zu einer positiven Bewertung der Arbeit und des Einflusses des AdR kommt dagegen Gray, Committe of the Regions, S. 274. 59 Isensee, Europa – die politische Erfindung eines Erdteils, S. 132. 60 Zwischenbericht zu den Mitwirkungsinstrumenten der Länder in EU-Angelegenheiten, 28. EMK, Berlin 31.05.2001, S. 11 f.; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 59; Ranacher, Funktion des Bundes, S. 42; Suhr, in: Calliess/Ruffert, Art. 263 EG, Rn. 40. Zur Mitgliederstruktur des Ausschusses der Regionen vgl. Taurus, Mitwirkung der Regionen, S. 137 f. (Abbildung 6 und 7). 61 Dazu ausführlich Döring, Fundament für Europa, S. 207; Eppler, Jahrbuch des Föderalismus 2003, 480 (489 ff.); Wiedmann, Jahrbuch des Föderalismus 2002, 541 (541 ff.). 62 So Hrbek/Große Hüttmann, Jahrbuch des Föderalismus 2002, 577 (593). Ähnlich Kalbfleisch-Kottsieper, Jahrbuch des Föderalismus 2001, 168 (170), die von einer „europaverfassungsrechtlichen Elite“ spricht. 63 Zusammenarbeit von anfangs sieben konstitutionellen Regionen der EU (Flandern, Wallonien, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Katalonien, Schottland, Salzburg). Die Flandern-Initiative verstand sich dabei von Anfang an als Impulsgeber für die Gesamtheit der konstitutionellen Regionen und formulierte beispielsweise als ihr gemeinsames Ziel EG-vertragliche Schutzklauseln für die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Kooperation nennt sich nunmehr „RegLeg“ und die Zahl der teilnehmenden Regio-

II. Der Ausschuss der Regionen

259

„Die konstitutionellen Regionen sind mit dem gegenwärtigen institutionellen Rahmen, in dem der Ausschuss der Regionen die Interessen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften wahrnimmt, nicht zufrieden. Die konstitutionellen Regionen haben Bedenken, ob der Ausschuss der Regionen in seiner derzeitigen Gestalt und mit seinem gegenwärtigen institutionellen Status den Bedürfnissen und Anliegen der Regionen gerecht werden kann.“64

Zugleich behindern die unterschiedlichen Zielsetzungen auch die tägliche Arbeit des Ausschusses der Regionen65, indem die Erarbeitung von Stellungnahmen, welche wertvolle, sachgerechte und weiterführende Aspekte einbringen und dadurch an Überzeugungskraft gewinnen, erschwert wird. Bislang fand keine Konzentration der Arbeit auf wenige Punkte statt, die mit Nachdruck gegenüber den EU-Organen vertreten werden konnten. Vielmehr differierten die Präferenzen, welche Themen intensiver bearbeitet werden und wie man sich zu den jeweiligen Vorhaben positionieren sollte, erheblich, insbesondere zwischen den „starken“ Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen und den Vertretern kleiner lokaler Gebietskörperschaften.66 Die Bedeutung des Ausschusses der Regionen hängt aber gemäß seinem Konsultativcharakter in erster Linie von der Qualität seiner Äußerungen ab.67 Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die Mehrzahl der bisherigen Stellungnahmen fachlich so hochwertig war, dass sie ernsthaft im EU-Entscheidungsprozess erwogen wurde.68 Selbst von den Mitgliedern des Ausschusses der Regionen wurde der Einfluss auf den EU-Entscheidungsprozess als eher gering eingeschätzt.69 Dies hat zur Folge, dass die arbeitsmäßig in den Ländern stark belasteten hochrangigen deutschen Mitglieder nur noch selten an den zeitraubenden Fachkommissionssitzungen und auch nicht regelmäßig an Plenarsitzungen teilnehmen, häufig ihre Stellvertreter schicken bzw. ___________ nen hat erheblich zugenommen. Kennzeichnend ist aber weiterhin, dass es sich um konstitutionelle Regionen handelt. Vgl. hierzu die Zusammenfassung von Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 81 ff. sowie Wiedmann, Jahrbuch des Föderalismus 2002, 541 (545 ff.). 64 Politische Erklärung der konstitutionellen Regionen Bayern, Katalonien, Nordrhein-Westfalen, Salzburg, Schottland, Wallonien und Flandern: Beitrag zur Debatte über die Zukunft der Europäischen Union, 28.5.2001, Brüssel, vgl. http://dstgb.de/index_inhalt/homepage/europa/inhalt/aktuell/erklaerung_der_regionen_zur_zukunft_der_ eu/3005zianl.doc (Stand: 10.06.2005). Dazu auch Eppler, Jahrbuch des Föderalismus 2003, 480 (489 f.); Schindler, VBlBW 2003, 339 (341). 65 Eppler, Jahrbuch des Föderalismus 2003, 480 (484). 66 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 68, 337; Kottmann, ELR 26 (2001), 159 (173). 67 Döring, Fundament für Europa, S. 207; Obermüller, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 265 EG, Rn. 31; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 66; Wuermeling, EuR 1993, 196 (206). 68 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 66 f.; Wiedmann, EuR 1999, 49 (72 ff.). 69 Bericht der ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder der deutschen Länder im Ausschuss der Regionen, 18. EMK, Bonn 24.09.1997.

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G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

keiner erscheint. Sinnvoller erscheint ihnen eine Konzentration auf die weitreichenderen und aus ihrer Sicht effizienteren innerstaatlichen Mitwirkungsrechte aus Art. 23 GG.70

2. Die Stellung des Ausschusses der Regionen nach der europäischen Verfassung Mit der Schaffung einer europäischen Verfassung war deshalb auch die Hoffnung verbunden, dass die aus der Heterogenität seiner Zusammensetzung entstandenen Probleme beseitigt werden. Zugleich war der Ausschuss der Regionen, nachdem der Auftrag von Nizza und Laeken an den Verfassungskonvent unter anderem eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips forderte, als Repräsentant der subsidiären regionalen und kommunalen Ebene bestrebt, seine Position unter den Einrichtungen der Union zu verbessern. Die Beobachter des Ausschusses der Regionen im Konvent und den Regionalinteressen verbundene Konventsmitglieder forderten deshalb für den Ausschuss unter anderem den Organstatus und eine Erweiterung seiner Befugnisse.71

a) Die Änderungen durch den Vertrag über eine Verfassung für Europa Allerdings hat der Vertrag über eine Verfassung für Europa diesen Forderungen nur teilweise entsprochen. Nach Art. I-32 Abs. 1 i.V.m. Art. III-388 VerfE bleibt der Ausschuss der Regionen eine lediglich beratende Einrichtung der Union und ist damit weiterhin von den Organen der Gemeinschaft zu unterscheiden. Gegner einer Organstellung waren im Konvent sowohl Mitgliedstaaten wie Spanien, die in ihren Regionen Separationstendenzen befürchteten, als auch das Europäische Parlament, welches seinen eigenen Status als das eigentliche Parlamentsorgan nicht mit einer weiteren Versammlung teilen wollte.72 Zugleich verdeutlichen die genannten Vorschriften, dass der Ausschuss auch zukünftig keine Mitwirkungs- oder Initiativrechte im Rechtsetzungsverfahren der Union innehaben wird. Vielmehr entspricht Art. III-388 VerfE im Wesentli___________ 70 Wiedmann, Jahrbuch des Föderalismus 2002, 541 (544); Kalbfleisch-Kottsieper, Jahrbuch des Föderalismus 2001, 168 (171); Wiedmann, EuR 1999, 49 (50); Kalbfleisch-Kottsieper, DÖV 1993, 541 (547 f.). 71 Eppler, Jahrbuch des Föderalismus 2003, 480 (487); Oppermann, DVBl. 2003, 1234 (1237). 72 Oppermann, DVBl. 2003, 1234 (1237, Fn. 73). Schon zum Zeitpunkt der Schaffung des AdR hat das Europäische Parlament klargestellt, dass der AdR eine Lobby der Regionen und keine Vorstufe zu einem neuen Gesetzgebungsorgan ist, vgl. Stahl, Regionen aus Sicht des Europäischen Parlaments, S. 226.

II. Der Ausschuss der Regionen

261

chen Art. 265 EG, d.h. dass der Ausschuss der Regionen auch zukünftig nur das Recht zur Abgabe von Stellungnahmen hat und zudem vom Rat und der Kommission lediglich in den in der Verfassung vorgesehenen Fällen obligatorisch anzuhören ist. Des Weiteren setzt sich der Ausschuss der Regionen nach Art. I-32 Abs. 2 VerfE weiterhin aus Vertretern der regionalen und lokalen, d.h. sehr heterogenen und hinsichtlich ihrer innerstaatlichen Machtstellung recht unterschiedlichen Gebietskörperschaften zusammen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch zukünftig aus den unterschiedlichen Interessen der Regionen und der Kommunen Schwierigkeiten erwachsen. Dagegen ist der Forderung der Länder nach einem Klagerecht des Ausschusses der Regionen bei Verletzung seiner Mitwirkungsrechte durch die europäische Verfassung entsprochen worden. Art. III-365 Abs. 3 VerfE sieht nunmehr vor, dass der Gerichtshof der Europäischen Union auch für Nichtigkeitsklagen des Ausschusses der Regionen zuständig ist, die auf die Wahrung seiner Rechte abzielen. Damit wurde dem Ausschuss das Recht eingeräumt, die Missachtung von Anhörungspflichten des Rates und der Kommission im Wege der Nichtigkeitsklage selbst anzugreifen. Zudem sieht Art. 8 Abs. 2 Subsidiaritätsprotokoll nun auch ein Klagerecht des Ausschusses der Regionen in Subsidiaritätsfragen bei europäischen Gesetzgebungsakten vor. Dieses steht dem Ausschuss nach der Protokollbestimmung dann zu, wenn für den Erlass des betreffenden Gesetzgebungsaktes die Anhörung des Ausschusses der Regionen nach der Verfassung vorgeschrieben ist.73 Ist dies der Fall, können über den Ausschuss der Regionen die regionale und kommunale Ebene, und damit auch die deutschen Länder und Gemeinden, zum Schutz ihrer Kompetenzen gegenüber der Europäischen Union Klage erheben und damit zum „Subsidiaritätsgewissen“74 der Union werden. Dazu ist allerdings auch erforderlich, dass der Ausschuss der Regionen insgesamt ein größeres Verständnis für die Länder und Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen entwickelt und sich zukünftig energisch für die Wahrung ihrer politischen Handlungsspielräume einsetzt.75 Insofern setzt die effektive Nutzung des Klagerechts voraus, dass der Ausschuss trotz seiner sehr heterogenen Zusammensetzung in der Lage ist, sich auf ein einheitliches Vorgehen zu verständigen.

___________ 73 Trotz der Beschränkung auf die Fälle, in denen der Ausschuss der Regionen angehört werden muss, hält Glietsch, BWGZ 2003, 674 (676) dies für eine erhebliche Verbesserung der Rolle und der Mitwirkungsmöglichkeiten des Ausschusses. 74 Straub, Verfassungsentwurf aus Sicht der Länder, S. 40. 75 Scholz, Institutionelles System, S. 106; Straub, Verfassungsentwurf aus Sicht der Länder, S. 40.

262

G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

b) Bewertung der Änderungen durch die europäische Verfassung Insgesamt entsprechen die Regelungen der europäischen Verfassung hinsichtlich der Zusammensetzung des Ausschusses und seiner Mitwirkungsbefugnisse im Gesetzgebungsverfahren in großen Teilen denen des EG-Vertrages. Dies spricht dagegen, dass der Ausschuss der Regionen zukünftig eine entscheidendere Rolle als bislang spielen wird. Aus Sicht der Länder positiv zu bewerten sind allerdings das Klagerecht des Ausschusses gemäß Art. III-365 Abs. 3 VerfE zur Geltendmachung seiner Rechte und das nach dem Subsidiaritätsprotokoll zur Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips. Letzteres eröffnet dem Ausschuss der Regionen die Möglichkeit, auf die Kompetenzausübung der Gemeinschaft Einfluss auszuüben und dient damit mittelbar der Sicherung der Zuständigkeiten der von ihr vertretenen subnationalen Ebenen wie den deutschen Bundesländern. Es liegt dabei allerdings auch in der Hand des Ausschusses, wie groß sein Einfluss in Fragen der Subsidiaritätskontrolle wird. Entscheidend wird auch insofern ein einheitlicheres Auftreten als bislang sein. Trotz dieser punktuellen Aufwertung ist der Ausschuss der Regionen aber weit entfernt von einer Stellung als „dritter Kammer“, wie es der Idealvorstellung der deutschen Länder entspricht. In diesem Zusammenhang muss allerdings grundsätzlich die Frage erhoben werden, ob gegen eine derartige Aufwertung des Ausschusses zu einer echten Kammer mit Mitentscheidungsbefugnissen nicht die erheblichen Statusunterschiede zwischen den regionalen mitgliedstaatlichen Untergliederungen sprechen, welche mit dem Prinzip der Gleichheit der Staaten in ihrer Teilhabe an Internationalen Organisationen kaum zu vereinbaren ist.76

III. Kompetenzverteilung 1. Reformauftrag an den Konvent In der Erklärung von Laeken wurde im Hinblick auf die künftige EU-Kompetenzordnung auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten zu verdeutlichen, zu vereinfachen und „im Lichte der neuen Herausforderungen, denen sich die Union gegenübersieht“ anzupassen. Diese Anpassung sollte sowohl durch mögliche zusätzliche Kompetenzübertragungen als auch gegebenenfalls durch Kompetenzrückübertragungen an die Mitgliedstaaten erfolgen. Ein weiteres Schwer___________ 76

Boeck, Abgrenzung der Rechtsetzungskompetenzen, S. 189; Konow, DÖV 1996, 845 (851); Stein, VVDStRL 53 (1994), 26 (42); Badura, Prozeß der europäischen Integration, S. 26; Stauffenberg/Langenfeld, ZRP 1992, 252 (257).

III. Kompetenzverteilung

263

gewicht möglicher Reformen sollte in diesem Zusammenhang bei der Erhöhung der Transparenz der Zuständigkeitsteilung liegen. Angeregt wurde insofern eine Aufteilung der Kompetenzen zwischen solchen der Union, der Mitgliedstaaten und der zwischen Union und Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeiten. Weiterhin wurde der Konvent aufgefordert, über Vorkehrungen gegen ein Ausufern der Zuständigkeiten der Union zu Lasten der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen bei gleichzeitiger Erhaltung der europäischen Dynamik nachzudenken. Daher wurde in der Erklärung von Laeken auch eine Überprüfung der Art. 95 und 308 EG vorgeschlagen.77 Die Forderungen der deutschen Bundesländer stimmten damit in Teilen mit den dem Verfassungskonvent übertragenen Aufgaben hinsichtlich der Neugestaltung der europäischen Kompetenzordnung überein. Es stellt sich somit die Frage, inwiefern die Vorstellungen der deutschen Länder im Vertrag über eine europäische Verfassung Niederschlag gefunden haben.

2. Reform der Kompetenzordnung durch den Verfassungsvertrag a) Keine wesentlichen Änderungen der materiellen Kompetenzverteilung Entgegen der Erklärung von Laeken war sich der Konvent bereits in einem sehr frühen Stadium der Beratungen weitgehend darüber einig, dass keine wesentlichen Änderungen im Bereich der derzeitigen materiellen Kompetenzverteilung zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten anzustreben seien.78 Aus diesem Grunde wird der Verfassungsvertrag keine wesentlichen Kompetenzverschiebungen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten bewirken. Rückerverlagerungen von Kompetenzen, die bislang von der Europäischen Union wahrgenommen wurden, inzwischen aber auf Grund des Integrationsfortschritts oder geänderter gesellschaftlicher Bedingungen wieder in die Hände der Mitgliedstaaten zurückgegeben werden könnten, finden sich so gut wie gar nicht.79 Vielmehr ist die künftige Ausstattung der Union mit Kompetenzen in den meisten Fällen unverändert geblieben, was die Kompetenzbestimmungen in Teil III der Verfassung zeigen, die mit dieser inhaltlichen Ausgestaltung zumeist schon bisher galten und die sich dort nun in lediglich anderer Form und Zählung wiederfinden. Insofern sind nicht nur alle bisherigen Kompetenzen weiterhin vorhanden, sondern auch ihr bisheriger Umfang bleibt erhal___________ 77

Görlitz, DÖV 2004, 374 (374 f.); Schröder, JZ 2004, 8 (8). Vgl. Sitzung des Konvents v. 15./16.05.2002 (Aufzeichnung der Beratungen CONV 60/02); Görlitz, DÖV 2004, 374 (375); Götz, Kompetenzverteilung und -kontrolle, S. 56. 79 Götz, Kompetenzverteilung und -kontrolle, S. 45; Nettesheim, EuR 2004, 511 (516); Straub, Verfassungsentwurf aus Sicht der Länder, S. 40. 78

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G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

ten.80 Grund dafür ist wohl, dass das anerkannte Problem des wachsenden Zentralismus eher als Frage der Rechtsausübung als der Kompetenzausstattung angesehen wurde.81 Dies gilt besonders auch im Hinblick auf die Kompetenz zur Gestaltung des Binnenmarktes der Europäischen Union. Hier bringt der Verfassungsvertrag in den Art. III-172 ff. keine wesentlichen Einschränkungen mit sich. Vielmehr bleiben die bewährten Strukturen des Binnenmarktes größtenteils erhalten: Eine Einschränkung bedeutet zwar, dass zukünftig zur Rechtsangleichung nach Art. III-172 Abs. 1 VerfE nur noch Europäische Gesetze und Rahmengesetze, welche der bisherigen Verordnung und der Richtlinie entsprechen, und nicht mehr das gesamte Arsenal der Handlungsformen verwendet werden darf. Dies liegt sicherlich im Interesse der Formenklarheit.82 Eine Erweiterung findet dagegen insofern statt, als entgegen der bisherigen Rechtsprechung des EuGH83 die Binnenmarkt-Harmonisierungskompetenzen gemäß Art. III-176 VerfE künftig auch die Schaffung europäischer Rechtstitel des geistigen Eigentums umfassen. Letztlich wird die Binnenmarktkompetenz daher auch zukünftig eine Querschnittskompetenz bleiben, die der Union umfassende Rechtsangleichungsmaßnahmen erlaubt.84 Zugleich sind aber auch nur in wenigen Bereichen neue Aufgaben auf die Union übertragen worden. Soweit dies die deutschen Bundesländer betrifft, gilt dies beispielsweise für den Katastrophenschutz (Art. III-284 VerfE), Gesundheit (Art. III-278 VerfE), Sport (Art. III-282 VerfE) und auch das Recht, im Bereich der Daseinsvorsorge die „Grundsätze und Bedingungen wirtschaftlicher und finanzieller Art“ durch Europäische Gesetze – unmittelbar anwendbares, nicht der Umsetzung bedürftiges Recht – festlegen zu können (Art. III-122 S. 2 VerfE).85 Allerdings konnten im Laufe der Beratungen einige Eingrenzungen ___________ 80 Götz, Kompetenzverteilung und -kontrolle, S. 44 f.; Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 381. 81 Wuermeling, BayVBl. 2004, 577 (580). 82 Hatje, Gestaltung des Binnenmarktes, S. 196. 83 EuGH, Gutachten 1/94 v. 15.11.1994, Slg. 1994, I-5267 (5405) – TRIPS; Urt. v. 09.10.2001, Rs. C-377/98, Slg. 2001, I-7079 (7157) – Königreich der Niederlande/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union. 84 Schwarze, EuR 2004, 535 (543). Allerdings erscheint die im Konvent gewählte Lösung im Ergebnis durchaus vertretbar, da Rat und Kommission eine flexible Ermächtigung benötigen, die es erlaubt, die Vielfalt möglicher Hindernisse für den Leistungsaustausch, welche in einer erweiterten Union mit Volkswirtschaften unterschiedlichster Leistungskraft zunehmen werden, zu beseitigen. Im Übrigen ist der Gemeinschaftsgesetzgeber auch zukünftig an die Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen der Rechtsangleichung sowie das Subsidiaritäts- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden, vgl. auch Hatje, Gestaltung des Binnenmarktes, S. 197. 85 Ausführlich zu Art. III-122 VerfE v. Danwitz, Unternehmen der Daseinsvorsorge, S. 257 ff.; H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 293 ff. Zur Frage, welche Tragweite diese

III. Kompetenzverteilung

265

der neuen Kompetenzen, insbesondere in Form von Harmonisierungsverboten, durchgesetzt werden, so dass es mehr oder weniger bei den jetzt bestehenden EU-Aktivitäten bleibt.86 Außerdem sind auch bislang von der Gemeinschaft schon Maßnahmen in einzelnen der genannten Bereiche, z.B. der Sportförderung, gestützt auf Art. 308 EG ergriffen worden.87 Insgesamt wurden demnach die Erwartungen der Länder bezüglich materieller Kompetenzänderungen, soweit dies die Rückübertragung von Kompetenzen auf die Mitgliedstaaten und ihre Regionen und die Beschränkung der Binnenmarktkompetenz angeht, nicht erfüllt.88 Allerdings sind auch die bei den Ländern zu verzeichnenden Kompetenzeinbußen eher gering.

b) Abgrenzung der Kompetenzen Ein Schwerpunkt der Arbeit des Konvents lag vielmehr bei der besseren Abgrenzung der Kompetenzen.89 Bislang waren die europäischen Verträge gekennzeichnet durch Kompetenzzuweisungen allein zugunsten der Gemeinschaft bzw. der Union, nicht der Mitgliedstaaten.90 In der Folge dieser einpoligen Zuständigkeitsordnung hat sich eine Tendenz zugunsten der Union entwickelt, da die Unionsrechtsordnung allein deren Zuständigkeiten „kennt“.91 Das entspricht dem Umstand, dass die Union kein Bundesstaat ist, für den duale Kompetenzzuweisungen typisch sind. Erst die von Laeken angeregte Unterscheidung verschiedener Zuständigkeitsarten hat die Situation verändert, soweit der Konventsentwurf die Vorschläge in Richtung einer dualen Kompetenzzuweisung aufgegriffen hat.92

___________ Gesetzgebungsbefugnis im Bereich des Daseinsvorsorge aufweist Einem, EuR 2004, 202 (202 ff.); Schwarze, EuR 2004, 535 (566 f.); Glietsch, BWGZ 2003, 674 (677). 86 Nettesheim, EuR 2004, 511 (518); Wuermeling, EuR 2004, 216 (226). A.A. ist Götz, Kompetenzverteilung und -kontrolle, S. 45, der durch den Konventsentwurf die Kompetenzausstattung der Union nicht unbeträchtlich erweitert sieht. 87 Wuermeling, EuR 2004, 216 (228). 88 Straub, Verfassungsentwurf aus Sicht der Länder, S. 40. 89 Görlitz, DÖV 2004, 374 (375); Götz, Kompetenzverteilung und -kontrolle, S. 50. 90 Schröder, JZ 2004, 8 (8 f.); Götz, Kompetenzverteilung, S. 86. 91 Götz, Kompetenzverteilung, S. 87. 92 Schröder, JZ 2004, 8 (8 f.); Schwarze, JZ 1998, 1077 (1086).

266

G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

aa) Einführung verschiedener Kompetenzkategorien Die europäische Verfassung unterscheidet nunmehr in Art. I-12 ausschließliche Zuständigkeiten der Union, zwischen der Union und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeiten und sogenannte unterstützende Maßnahmen. Dabei werden den verschiedenen Kompetenzarten in den folgenden Bestimmungen der Verfassung bestimmte Sachgegenstände zugeordnet. Zur Bestimmung des Umfangs der Zuständigkeiten der Union und der Einzelheiten ihrer Ausübung muss allerdings nach Art. I-12 Abs. 6 VerfE auf die Bestimmungen des Teils III zu den einzelnen Bereichen zurückgegriffen werden. Die ausschließliche Zuständigkeit ist gemäß Art. I-12 Abs. 1 VerfE dadurch gekennzeichnet, dass der ihr zugeordnete Sachbereich den Mitgliedstaaten gänzlich entzogen ist, außer bei entsprechender Ermächtigung durch die Union. Das entspricht der bisherigen Rechtslage.93 Der Typus der geteilten Zuständigkeit erfasst keine fassbaren Anteile der Union oder der Mitgliedstaaten an einem Sachbereich, sondern soll zum Ausdruck bringen, dass nicht von vornherein feststeht, wer die Zuständigkeit ausübt – die Union oder die Mitgliedstaaten. Allerdings kommt der Union insofern ein Vorrang zu, als die Mitgliedstaaten nur zuständig sind bzw. erneut zuständig werden, bis, soweit und solange die Union die Zuständigkeit nicht oder nicht mehr ausübt, Art. I-12 Abs. 2 S. 2 VerfE. Offen bleibt dabei, welches Unionsorgan und wie dieses die Freigabe einer zunächst wahrgenommenen Zuständigkeit zu Gunsten der Mitgliedstaaten vornimmt. Im Übrigen stehen geteilte Zuständigkeiten der Union schlicht zur Verfügung. Eine dem Art. 72 Abs. 2 GG entsprechende Regel, die das Entstehen verhindern könnte, gibt es nicht.94 Insofern steht zu befürchten, dass die Union weitgehend uneingeschränkt von der geteilten Zuständigkeit Gebrauch machen wird, so dass insoweit Kompetenzeinbußen auf Seiten der Länder zu erwarten sind. Gesteuert wird die Verfügbarkeit der geteilten Zuständigkeit aber zumindest durch die Kompetenzausübungsklausel des Subsidiaritätsprinzips. Hier liegt es in der Hand der Bundesländer, durch die Erhebung von Einsprüchen sowie gegebenenfalls durch Klageerhebung über den Bundesrat die Machtverschiebung auf die Union zu bremsen. Ein dritter Kompetenztyp sind die sogenannten unterstützenden Maßnahmen gemäß Art. I-12 Abs. 5 VerfE. Danach dürfen unionsseitig lediglich koordinierende ergänzende oder unterstützende Maßnahmen getroffen werden, so dass es bei der primären Rechtsetzungszuständigkeit der Mitgliedstaaten bleibt. Im Kern unterscheidet sich dieser Kompetenztyp damit von den vorgenannten ___________ 93 94

v. Bogdandy/Bast, EuGRZ 2001, 441 (447, Fn. 73). Schröder, JZ 2004, 8 (9).

III. Kompetenzverteilung

267

dadurch, dass er die Union von regulativer Politikgestaltung ausschließt.95 Insbesondere ist keine Harmonisierung des nationalen Rechts erlaubt, Art. I-12 Abs. 5 S. 2 VerfE, immerhin aber der Erlass verbindlicher Rechtsakte, wie beispielsweise EU-Programme.96 Steuerungsleistungen sollen von diesen nichtregulativen Kompetenzen vor allem dadurch ausgehen, dass sie Mitgliedstaaten und private Akteure durch positive Anreize zu einem bestimmten Verhalten motivieren. Allerdings sind die Mitgliedstaaten auch nach Art. 10 EG bzw. Art. I-5 Abs. 2 VerfE zur Förderung des Erfolgs der von den Unionsorganen ergriffenen Aktionen verpflichtet.97 Für den deutschen Föderalismus von besonderer Bedeutung ist die Einordnung zentraler Bestandteile der Länderkompetenzen „nur“ bei den ergänzenden Maßnahmen. Dazu gehören der Gesundheitsschutz, die allgemeine und berufliche Bildung, Jugend, Sport, Kultur und Zivilschutz. Damit ist für die Kernelemente der Länderzuständigkeiten grundsätzlich jegliche Harmonisierung durch europäische Rechtsakte ausgeschlossen.98 Zunichte gemacht würde dieser Gewinn an Kompetenzsicherung aber zugleich wieder, wenn die Union mittels der geteilten Binnenmarktkompetenz des Art. I-14 Abs. 2 a) VerfE auf die in Art. I-17 VerfE genannten Bereiche der Unterstützungs-, Koordinierungs- und Ergänzungsmaßnahmen zugreifen dürfte. Dagegen spricht wohl, dass ein Rückgriff auf die Binnenmarktkompetenz versperrt ist, wenn speziellere Kompetenzen, die gleichfalls einen Binnenmarktbezug aufweisen, in ihren Voraussetzungen detaillierter und deshalb in ihrer Inanspruchnahme besser abschätzbar sind. Zudem verbietet Art. I-12 Abs. 5 S. 2 VerfE ausdrücklich die Harmonisierung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der unterstützenden Maßnahmen. Allerdings reichen die Regelungsgegenstände des Art. I-17 VerfE über die Grundfreiheiten in die Binnenmarktkompetenz der Art. III-172 ff. VerfE hinein. Dann wäre die finale querschnittsartige Binnenmarktkompetenz nach wir vor ein breites Einfallstor für unionale Zuständigkeiten auch im Bereich der nur ergänzenden Maßnahmen.99 Es muss sich also in der Zukunft zeigen, ob die Bundesländer tatsächlich von der Negativklausel des Art. I-12 Abs. 5 VerfE profitieren werden.

___________ 95

v. Bogdandy/Bast, EuGRZ 2001, 441 (450). Schröder, JZ 2004, 8 (9). 97 v. Bogdandy/Bast, EuGRZ 2001, 441 (451). 98 Wuermeling, EuR 2004, 216 (223); ders., BayVBl. 2004, 577 (579). 99 Schröder, JZ 2004, 8 (10). 96

268

G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

bb) Beibehaltung der Flexibilitätsklausel Abgesehen von finalen querschnittsartig angelegten Kompetenzen wie der Binnenmarktkompetenz ist das Anliegen einer flexiblen und dynamischen Kompetenzordnung bisher insbesondere durch Art. 308 EG gesichert worden. Insofern nimmt er eine Schlüsselstellung ein, indem er ein „Kompetenzreservoir“ für die Union bereithält.100 Diese Nutzung von Art. 308 EG ist der Grund für die Kritik und Forderung nach Streichung in der künftigen europäischen Verfassung101, wie sie auch von den deutschen Bundesländern erhoben wurde. Der Verfassungskonvent hat sich dagegen für eine Fortführung von Art. 308 EG in einer verschärften Version in Art. I-18 VerfE entschieden.

(1) Vereinbarkeit der Flexibilitätsklausel mit dem Ziel einer besseren Abgrenzung der Kompetenzen Die prinzipielle Frage ist, wie weit sich Art. I-18 VerfE mit dem Bestreben einer Systematisierung und strikten vertikalen Abgrenzung der Kompetenzen sowie einer Zuständigkeitsbegrenzung der Union verträgt. Es ist zu befürchten, dass die Beibehaltung einer Flexibilitätsklausel der durch den Verfassungsvertrag ansonsten erreichten größeren Transparenz und Abgrenzung der Kompetenzen, welche einen Schutz vor Kompetenzanmaßungen durch die Union bedeuten, abträglich ist. Von daher wird die Beibehaltung einer Flexibilitätsklausel in einer europäischen Verfassung kritisch gesehen.102 Nicht nur von den deutschen Ländern wurde grundsätzlich gegen die weitere Existenz einer Flexibilitätsklausel angeführt, dass sie die Grundlage für einen schleichenden und unkontrollierten Kompetenztransfer hin zur europäischen Ebene liefere. Ansatzpunkt dieser Kritik ist dabei, dass die Vorschrift nicht nur zur beabsichtigten Abrundung bestehender Befugnisse, sondern nach wie vor auch zur Ausdehnung der Kompetenzen der Gemeinschaft genutzt werden könne.103 Außerdem wird gegen die Flexibilitätsklausel immer wieder vorgebracht, dass sie nicht mehr in eine Zeit passe, in der die europäische Ebene über eine derartige Kompetenzfülle verfüge. Von daher könne die bisherige Rechtfertigung der Anwendung von Art. 308 EG, wonach eine im Werden begriffene ___________ 100 Nicolaysen, Europarecht I, S. 277; Vedder, Kompetenzverteilung, S. 14; Bungenberg, EuR 2000, 879 (885). Der Begriff des „Kompetenzreservoirs“ stammt von Schwartz, in: GTE, Art. 235 EGV a.F., Rn. 2. 101 Schröder, JZ 2004, 8 (10). 102 Prinzipiell dafür etwa Schwarze, EuR 2004, 535 (545); Götz, Kompetenzverteilung, S. 99 f.; v. Bogdandy/Bast, EuGRZ 2001, 441 (453); Bungenberg, EuR 2000, 879 (896). Dagegen Schwarze, JZ 1998, 1077 (1086) sowie Schröder, JZ 2004, 8 (11). 103 Weidenfeld, Aus Politik und Zeitgeschichte, B/1-2 1996, 1 (6).

III. Kompetenzverteilung

269

Rechtsgemeinschaft eine dynamisch-flexible Kompetenznorm brauche, nicht mehr überzeugen.104 Mit Blick auf die europäische Verfassung wird zudem eingewendet, dass eine in Katalogen und Zuweisungsnormen niedergelegte Kompetenzverteilung sich der Idee nach gerade nicht verfassungsimmanent entwickeln, sondern den „acquis communautaire“ kompetenziell verteilen oder erweitern solle. Die notwendige Flexibilität und Dynamik könne und müsse dann in der Ausgestaltung der Kataloge und Einzelzuweisungen berücksichtigt werden. Deshalb stelle ein „Kompetenzreservoir“ wie in Art. I-18 VerfE einen Fremdkörper dar.105 Zuzugeben ist sicherlich, dass in der Tat Art. 308 EG bislang derjenige Punkt des Kompetenzgefüges war, an dem die Begrenzungsfunktion der Kompetenzordnung am schwächsten ausgeprägt war.106 Gleichwohl spricht – entgegen der Auffassung der Bundesländer – vieles dafür, an der Flexibilitätsklausel auch in Zukunft festzuhalten, da die Verfassungspraxis auch in jüngster Zeit immer wieder unvorhergesehene Fälle hervorgebracht hat, auf die gerade Art. 308 EG zugeschnitten war107, z.B. im Zusammenhang mit der Osterweiterung der Union oder der Einführung des Euro.108 Es kann also keine Rede davon sein, dass die Gemeinschaft in ihrer jetzigen Form keine flexible Kompetenznorm mehr benötigt. Auch eine Union, die die Wahrung mitgliedstaatlicher Handlungsspielräume als Verfassungsprinzip begreift, braucht vielmehr eine Norm wie Art. 308 EG. Ohnehin erfolgte der Rückgriff auf die Auffangkompetenz in der Vergangenheit sehr eingeschränkt: Nur durchschnittlich 18 Rechtsakte pro Jahr beruhten auf Art. 308 EG109, so dass von einer exzessiven Inanspruchnahme nicht die Rede sein kann.110 ___________ 104

Weidenfeld, Aus Politik und Zeitgeschichte, B/1-2 1996, 1 (6); ders., Europa ’96,

S. 30. 105

Schröder, JZ 2004, 8 (11). So auch v. Bogdandy, Vertikale Kompetenzverteilung, S. 33. 107 v. Bogdandy, Vertikale Kompetenzverteilung, S. 33 f.; Götz, Kompetenzverteilung, S. 99 f.; v. Bogdandy/Bast, EuGRZ 2001, 441 (453); Bungenberg, EuR 2000, 879 (886). 108 Ebenso Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 28. Im Zuge der Einführung des Euro wurde auf ex-Art. 235 EGV zurückgegriffen, um Vorschriften über die Umrechnung zwischen nationalen Währungen und über die Rundung zu treffen, VO (EG) Nr. 1103/97 des Rates v. 17.06.1997, ABl. 1997 L 162, S. 1 ff. 109 Ruffert, ThürVBl. 2005, 49 (53); Nettesheim, EuR 2004, 511 (520); Ruffert, EuR 2004, 165 (188); Epping, JZ 2003, 821 (828); Wartenberg, Bund-Länder-Koordinierung, Rn. 28. 110 Zu beachten ist im Kontext der vorliegenden Diskussion auch, dass die Kritik an einer zu extensiven Anwendung des Art. 308 EG immer auch eine Kritik an einer vermeintlich zu restriktiven Kompetenzkontrolle des EuGH ist. Nun hat der EuGH aber mit seiner Entscheidung zur Tabakwerbeverbot-Richtlinie deutlich gemacht, dass er durch106

270

G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

Im Übrigen ist schon die Grundannahme der Gegner der Flexibilitätsklausel, dass in dem Erlass von Rechtsakten auf Grundlage des Art. 308 EG häufig eine Kompetenzanmaßung zu sehen sei, in Frage zu stellen. Es handelt sich letztlich lediglich um die Ausübung bereits bestehender Kompetenzen. Die Handlungsbefugnis nach der Flexibilitätsklausel ist bereits seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957 Bestandteil der EG-Vertrages. Durch die Aufnahme des dynamischen Integrationskonzepts und des Art. 308 EG als logisch immanenten Bestandteil seiner Verwirklichung ist der Gemeinschaft somit schon damals ein „Kompetenzreservoir“ übertragen worden, welches sie in den folgenden nunmehr fast 50 Jahren auch genutzt hat. Damit sind die Vertragsparteien, indem sie der damaligen EWG eine potentielle Kompetenz übertragen haben, bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses weitreichende und nicht genau absehbare Verpflichtungen eingegangen.111 Im Übrigen hat es jede Regierung eines Mitgliedstaates in der Hand, mitgliedstaatliche Kompetenzen für diejenigen Politikbereiche, welche die Union sich zu erschließen beabsichtigt, durch Verweigerung eines positiven Votums in der Ratsbeschlussfassung zu verhindern.112 Von einer Kompetenzanmaßung mittels der Flexibilitätsklausel kann demnach nicht die Rede sein. Insofern spricht die Tatsache, dass es auch zukünftig notwendig sein wird, dass die Gemeinschaft flexibel auf unvorhergesehene Situationen reagiert, dafür, auch in der europäischen Verfassung, die grundsätzlich auf eine klarere Kompetenzabgrenzung zielt, die Flexibilitätsklausel beizubehalten.

(2) Ausgestaltung der Flexibilitätsklausel Im Übrigen sollte die zukünftige Ausgestaltung ermöglichen, dass eine zu extensive Nutzung seitens der Union verhindert wird.113 Zum einen bleibt es bei dem Erfordernis der Einstimmigkeit im Rat. Neu hinzu kommt zusätzlich, dass in Zukunft die Zustimmung des Europäischen Parlaments erforderlich wird. Zwar wird teilweise bezweifelt, ob derartige Zustimmungserfordernisse kompetenzschonend wirken.114 Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass bei der Erweiterung auf 25 Mitgliedstaaten substanzielle Gesetzgebung auf dieser ___________ aus willens ist, die Organe zur Einhaltung der Kompetenzordnung anzuhalten, vgl. Ruffert, ThürVBl. 2005, 49 (53); Jennert, NVwZ 2003, 936 (941). 111 Bungenberg, EuR 2000, 879 (887). 112 Epping, JZ 2003, 821 (828); Götz, Kompetenzverteilung, S. 100; Nicolaysen, Europarecht I, S. 277. 113 Schwarze, EuR 2004, 535 (545). 114 Schröder, JZ 2004, 8 (11); v. Bogdandy/Bast, EuGRZ 2001, 441 (449).

III. Kompetenzverteilung

271

Rechtsgrundlage zumindest erschwert werden dürfte.115 Gleiches gilt für die zusätzliche Einschaltung des Europäischen Parlaments.116 Negativ auswirken auf die Kompetenzen der deutschen Länder könnte sich jedoch, dass der Anwendungsbereich anders als bislang über den Binnenmarkt hinausgehen soll. Dies könnte dazu führen, dass auch Bereiche der Zuständigkeit der deutschen Bundesländer zukünftig noch weitaus häufiger von auf Art. I-18 VerfE gestützten Maßnahmen der Union betroffen werden.117 Allerdings hatte die Begrenzung auf den Binnenmarkt schon in der Vergangenheit kaum eine begrenzende Funktion. So wurde beispielsweise auch der Katastrophenfonds (Flutopfer) auf Art. 308 EG gestützt. Zudem wird der Anwendungsbereich von Art. I-18 VerfE in Zukunft auch dadurch kleiner, dass eine Reihe der neuen Zuständigkeiten Maßnahmen abdecken, die bislang auf die Flexibilitätsklausel gestützt wurden, z.B. europäisches Patent, Zivilschutz und Sportförderung. Schließlich enthält der Absatz 3 die ausdrückliche Klarstellung, dass die Harmonisierungsverbote in Art. I-12 Abs. 5 S. 2 VerfE auch für Maßnahmen auf Grundlage der Flexibilitätsklausel gelten.118 Insofern mögen es die deutschen Länder zwar bedauern, dass die Flexibilitätsklausel wiederum Eingang in die Verfassung gefunden hat. Es steht allerdings nicht zu befürchten, dass dadurch nunmehr eine weitere Kompetenzaushöhlung zu Lasten der Bundesländer droht.

cc) Klarere Gestaltung der Kompetenzregeln Des Weiteren enthält die europäische Verfassung eine Reihe von klar formulierten Kompetenzregeln. So geht der Vertrag über eine Verfassung für Europa wie im geltenden Recht vom Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung aus, Art. I-11 Abs. 1 VerfE. Danach verfügt die Union nur über solche Zuständigkeiten, die ihr explizit übertragen worden sind. Zwar ändert es nichts am geltenden Rechtszustand, gleichwohl erscheint im Hinblick auf das angestrebte Ziel der klareren Kompetenzabgrenzung die nun ausdrücklich erfolgte Feststellung erwähnenswert, dass ___________ 115

Ludwigs, ZEuS 2004, 211 (240); Wuermeling, EuR 2004, 216 (228); ders., BayVBl. 2004, 577 (581); Jennert, NVwZ 2003, 936 (941). 116 Weber, EuR 2004, 841 (849) spricht insofern von einer verfahrensrechtlichen und legitimatorischen Zähmung. 117 Dies scheint Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 382 zu befürchten. 118 Wuermeling, EuR 2004, 216 (228); ders., BayVBl. 2004, 577 (581). Ludwigs, ZEuS 2004, 211 (238) geht sogar davon aus, dass Art. I-18 VerfE gegenüber Art. 308 EG eine Beschränkung beinhaltet.

272

G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

„alle der Union nicht in der Verfassung zugewiesenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedstaaten verbleiben“, Art. I-11 Abs. 2 S. 2 VerfE.119 Einer besseren Kompetenzabgrenzung dient des Weiteren, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Kompetenzausübungsschranke ausdrücklich120 nicht nur inhaltlich, sondern auch formal, d.h. bei der Wahl der Handlungsform, gelten soll, Art. I-11 Abs. 4 VerfE. Mit Blick auf die Forderungen und die Stellung der deutschen Bundesländer in der Europäischen Union ist zudem positiv zu beurteilen, dass jetzt in Art. I-3 Abs. 5 VerfE klargestellt ist, dass die Unionsziele nur entsprechend dem Umfang der Zuständigkeiten von der Union verfolgt werden dürfen. Folglich sollte zukünftig eine bessere Trennung von Zielen und Zuständigkeiten gewährt sein.121 Damit hat der Verfassungskonvent der von den Ländern angemahnten Forderung nach einer Unzulässigkeit der Folgerung von Unionskompetenzen aus Unionszielen entsprochen.

3. Bewertung der neugeschaffenen Kompetenzordnung Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass durch den Verfassungsvertrag das komplizierte Kompetenzgeflecht systematisiert und kategorisiert wird und dadurch eine deutlichere Abgrenzung der Kompetenzen als bisher erfolgt. Dies stellt einen entscheidenden Fortschritt im Vergleich zum EG-Vertrag dar122 und entspricht den Forderungen der Länder nach einer transparenteren Gestaltung der EU-Kompetenzordnung.123 Negativ ist in diesem Zusammenhang aber zu bewerten, dass sich der Umfang der Zuständigkeiten der Union und die Einzelheiten ihrer Ausübung gemäß Art. I-12 Abs. 6 VerfE erst aus den Bestimmungen des Teils III zu den einzelnen Bereichen ergeben, die zudem inhaltlich den bisherigen, schwer zu erfassenden Regelungen entsprechen. Womöglich wäre mit Blick auf die Systematisierungs- und Transparenzbemühungen ein Verweis auf konkrete Artikel unter ___________ 119 Ludwigs, ZEuS 2004, 211 (217); Schwarze, EuR 2004, 535 (542); Wuermeling, BayVBl. 2004, 577 (580); K. H. Fischer, Konvent zur Zukunft Europas, S. 131. 120 Schon bislang wurde das Verhältnismäßigkeitsprinzip so ausgelegt, dass es sich auf die Regelungsdichte und die Wahl der Instrumentarien einer Maßnahme bezieht, vgl. Boeck, Abgrenzung der Rechtsetzungskompetenzen, S. 42; Weidenfeld, Reform der Europäischen Union, S. 37. 121 Positiv auch Wuermeling, BayVBl. 2004, 577 (580); Oppermann, DVBl. 2003, 1165 (1169). 122 Oppermann, DVBl. 2003, 1165 (1170). 123 M. W. Bauer, Jahrbuch des Föderalismus 2004, 453 (460).

IV. Achtung der regionalen Selbstverwaltung

273

Verzicht auf die in Teil I genannten Pauschalgebiete bzw. Sachgegenstände sinnvoller gewesen.124 Nicht erfüllt wurde dagegen die auch unter den deutschen Ländern verbreitete Forderung nach einer Streichung der Flexibilitätsklausel. Flexibilität und Entwicklungsfähigkeit genossen Priorität vor konstitutioneller Selbstbeschränkung.125 Allerdings ist auf Grund des Erfordernisses der Einstimmigkeit im Rat und der Zustimmung des Europäischen Parlaments nicht zu erwarten, dass in einer Union von 25 Mitgliedstaaten Art. I-18 VerfE häufig als Gesetzesgrundlage herangezogen werden wird. Schließlich ist bezüglich der Binnenmarktkompetenz der Union keine Änderung erfolgt. Dies entspricht der Einigkeit im Konvent darüber, dass im Bereich der derzeitigen materiellen Kompetenzverteilung keine Änderungen anzustreben seien. Mit Blick insbesondere auf die Kompetenzen der Länder könnte man insofern zwar befürchten, dass die Binnenmarktkompetenz genutzt wird, um auch im Bereich der ergänzenden Maßnahmen umfassende Regelungen zu treffen. Allerdings ist auch bei Ausübung der Binnenmarktkompetenz das ausdrückliche Harmonisierungsverbot des Art. I-12 Abs. 5 S. 2 VerfE zu beachten. Folglich haben sich mit der europäischen Verfassung zwar nicht alle Erwartungen der Bundesländer an eine neue Kompetenzordnung erfüllt, es ist aber dennoch zu erwarten, dass zukünftig der Machtzuwachs auf Seiten der Union zu Lasten der Länder gebremst wird.126

IV. Achtung der regionalen Selbstverwaltung Des Weiteren ist die besondere Rolle der Regionen in der Europäischen Union im Vertrag über eine Verfassung für Europa an herausgehobener Position angesprochen: Die Union hat gemäß Art. I-5 Abs. 1 VerfE unter anderem die grundlegende politische und verfassungsrechtliche Struktur der Mitgliedstaaten, einschließlich der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung zu achten. Zwar muss bezweifelt werden, ob der Begriff „der Achtung der regionalen Selbstverwaltung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Struktur der Mitgliedstaaten“ den spezifischen Charakter der Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen umfassend wiedergibt. Im Vergleich zu den allein auf die Achtung der nationalen Identität abstellenden Art. 5 EG und Art. 6 Abs. 3 EUV ist allerdings ein deutlicher europarechtlicher Fortschritt festzustellen. Erstmals anerkennt die ___________ 124

Schröder, JZ 2004, 8 (10). Schwarze, EuR 2004, 535 (542); Wuermeling, EuR 2004, 216 (228). 126 Zu einer insgesamt positiven Bewertung aus Sicht der Länder kommt auch Straub, Verfassungsentwurf aus Sicht der Länder, S. 41. 125

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G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

Union auf Primärebene die Tätigkeiten und Beiträge dieser Gebietskörperschaften und verleiht ihnen somit eine neue Qualität auf europäischer Ebene.127 Die Union scheint zukünftig nicht mehr mit „Landesblindheit“ geschlagen zu sein128, wie es H. P. Ipsen der EWG attestierte. Der weitergehende Vorschlag, den Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen im Hinblick auf ihre Mitverantwortung bei der Umsetzung von EU-Recht einen Sonderstatus zu gewähren, lies sich im Konvent indes nicht durchsetzen.129

V. Konventsverfahren Außerdem soll nach Art. IV-443 VerfE bei allen zukünftigen Änderungen der Verfassung grundsätzlich ein überinstitutioneller Konvent beteiligt werden.130 Nur wenn seine Einberufung auf Grund des Umfangs der geplanten Änderungen nicht gerechtfertigt ist, Art. IV-443 Abs. 2 S. 4, 5 VerfE, kann durch Beschluss des Europäischen Rates, der der Zustimmung des Europäischen Parlaments bedarf, auf die Einberufung des Konvents verzichtet werden. Insofern dürfte die Einschaltung des Konvents zumindest für jede substantielle künftige Vertragsänderung gesichert sein.131 Über dessen Zusammensetzung werden keine Aussagen getroffen; hier dürfte freilich das Modell des Verfassungskonvents Pate stehen.132 Dieser setzte sich zu gut zwei Dritteln aus Parlamentarien zusammen, so dass diese einen prägenden Einfluss im Konvent ausübten.133 Damit ist eine unmittelbare und wesentliche Einbindung der nationalen Parlamente auch in den Verfassungsprozess gewährleistet.134 Aus Sicht der deutschen Länder ist es insofern wichtig, im deutschen Recht festzuschreiben, dass im Rahmen des für nationale Parlamenta-

___________ 127 Hoffschulte, DVBl. 2005, 202 (204 f.); Schladebach, LKV 2005, 95 (97); K. H. Fischer, Konvent zur Zukunft Europas, S. 127. 128 Ludwigs, ZEuS 2004, 211 (215); Schwarze, EuR 2004, 535 (540). Ähnlich auch Glietsch, BWGZ 2003, 674 (675). 129 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 380. 130 Zur Konventsmethode siehe Hobe, EuR 2003, S. 1 ff. 131 Weber, EuR 2004, 841 (844); Oppermann, DVBl. 2003, 1234 (1245). 132 Weber, EuR 2004, 841 (843). 133 Ladenburger, Erarbeitung des Verfassungsentwurfs, S. 414 ff. Beispielhaft für den Einfluss der Parlamentarier können der Grundsatz der Öffentlichkeit der Ratstagungen, die Integration der Grundrechtecharta sowie die Initiative zur Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft genannt werden. 134 Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 384.

VI. Bewertung

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rier vorgesehenen Kontingents von Konventsmitgliedern auch Vertreter des Bundesrates an derartigen zukünftigen Konventen mitwirken können.135 Allerdings kann der Konvent – ähnlich dem Auftrag der Regierungschefs von Laeken – selbst keine verfassungsgebende bzw. -ändernde Gewalt ausüben. Vielmehr ist es entgegen mancherlei Forderungen im Konvent bei der bisherigen völkerrechtlich geprägten Änderung des Verfassungsvertrages ähnlich Art. 48 EUV geblieben. Dies relativiert die demokratische Bedeutung des Konvents wieder.136 Die Möglichkeit der Einflussnahme des Konvents auf Vertragsänderungen wird demnach entscheidend von der Qualität und Überzeugungskraft seiner Vorschläge abhängen.

VI. Bewertung Das Ergebnis der Konventsverhandlungen kann damit insgesamt als Erfolg für die deutschen Länder bewertet werden.137 Viele ihrer Forderungen finden sich im Vertrag über eine Verfassung für Europa wieder. Dies gilt insbesondere für die durch das Subsidiaritätsprotokoll dem Bundesrat gewährten Rechte, bei europäischen Gesetzgebungsverfahren Einspruch und gegebenenfalls sogar Klage wegen Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip zu erheben. Unerfüllt blieb insofern aber die Forderung der Länder, ein explizites Klagerecht für einzelne Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen zu installieren. Auch dem Ausschuss der Regionen wird durch das genannte Protokoll ein Klagerecht in Subsidiaritätsfragen gewährt, sofern dieser vor Erlass eines Gesetzgebungsaktes anzuhören ist. Insoweit ist auch seine Position gestärkt. Einen Bedeutungszuwachs erfährt er zudem durch die Gewährung eines ebenfalls von den deutschen Ländern geforderten Klagerechts nach Art. III-365 Abs. 3 VerfE zur Wahrung seiner Anhörungsrechte. Dagegen nimmt der Ausschuss der Regionen auch zukünftig nur die Stellung eines beratenden Ausschusses wahr und hat darüber hinaus weiterhin keine echten Mitwirkungsrechte im europäischen Gesetzgebungsverfahren. Hinsichtlich des Ausschusses der Regionen sind die Länder damit mit ihren Forderungen in etlichen Teilen nicht durchgedrungen. Dagegen finden sich viele Forderungen der Bundesländer im Bereich der Kompetenzabgrenzung in der europäischen Verfassung wieder. Zum einen ist auf Grund der expliziten Nennung bestimmter Kompetenzarten in Zukunft eine größere Transparenz zu erwarten. Zum anderen wurden die Prinzipien der be___________ 135

Pahl, Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen, S. 384. Weber, EuR 2004, 841 (843). 137 Anderer Ansicht ist M. W. Bauer, Jahrbuch des Föderalismus 2004, 453 (462 f., 473). 136

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G. Der europäische Verfassungsvertrag aus Sicht der Länder

grenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit präzisiert. Zudem fand eine explizite Trennung von Unionszielen und Kompetenzen statt. Allerdings wurden entgegen der Hoffnung der Bundesländer weder die Binnenmarktkompetenz noch die Flexibilitätsklausel eingeschränkt. Hinsichtlich der Flexibilitätsklausel ist aber davon auszugehen, dass sie auf Grund des Erfordernisses der Einstimmigkeit im Rat und der Zustimmung des Europäischen Parlaments in der erweiterten Union keine bedeutende Rolle mehr spielen wird.

H. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Europäische Rechtssetzung Art. 23 GG regelt die Mitwirkungsrechte der Bundesländer im Rahmen der Europäischen Union. Neben der Beteiligung des Bundesrates bei der Übertragung von Hoheitsrechten wurde ein gestuftes Länderbeteiligungsverfahren eingerichtet, das ausgehend von einer frühestmöglichen Unterrichtung des Bundesrates durch die Bundesregierung, über eine einfache und maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates bis hin zu einer Übertragung der gemeinschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte auf einen Ländervertreter reicht. 1. Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG ermächtigt den Bund, zum Zwecke der Mitwirkung an der Entwicklung der Europäischen Union durch Gesetz Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, wobei in jedem Fall die Zustimmung des Bundesrates zu dem Übertragungsgesetz erforderlich ist. Problematisch ist das Verhältnis zu Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG und damit die Frage, wann die Hoheitsrechtsübertragung einer verfassungsändernden Mehrheit nach Art. 79 Abs. 2 GG bedarf. Vorzugswürdig ist eine Auslegung, wonach zukünftige Hoheitsrechtsübertragungen auf die Europäische Union in jedem Fall der verfassungsändernden Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat bedürfen, da sie immer zugleich eine Änderung des Grundgesetzes bedeuten können. Im Zusammenhang mit der Übertragung von Hoheitsrechten kam es in der Praxis hinsichtlich der Frage, ob eine qualifizierte Zustimmung gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 GG erforderlich ist, zu Problemen. Uneinigkeit bestand darüber, wann eine Hoheitsrechtsübertragung zu bejahen ist. Unklar war auch, ob jede Hoheitsrechtsübertragung auf die Europäische Union zugleich das Grundgesetz ändert oder eine solche Änderung ermöglicht. Zu einer Blockade des Integrationsprozesses angesichts der Auslegungsschwierigkeiten ist es bislang nicht gekommen. Diese droht aber wegen der inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat über den Beitritt weiterer Staaten zur Europäischen Union. Trotz der teilweise bestehenden Probleme sollte die Regelung des Art. 23 Abs. 1 GG in ihrer jetzigen Fassung beibehalten werden. Nur so ist eine Unterstützung des Integrationsprozesses auch durch die staatlich-demokratischen Binnenstrukturen realisierbar. Allerdings muss eine verbindliche Klärung der

278

H. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

offenen Streitfragen zwischen Bund und Ländern stattfinden. Dies könnte beispielsweise im Rahmen des EUZBLG erfolgen. 2. Eine einfache Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG findet im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeiten des Bundes sowie dann statt, wenn eine bundeseinheitliche Regelung nach Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich ist, ohne dass der Bund von seinem Recht zur Gesetzgebung bereits Gebrauch gemacht haben muss. Die Bundesregierung hat dabei den Standpunkt des Bundesrates zur Kenntnis zu nehmen, ist also nicht an ihn gebunden. Eine maßgebliche Berücksichtigung des Bundesratsstellungnahme gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG findet statt, wenn Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren im Schwerpunkt betroffen sind. Dies setzt voraus, dass eine derartige Materie im Mittelpunkt des Vorhabens steht oder ganz überwiegend Regelungsgegenstand ist. Der Bundesrat hat dann bei Uneinigkeit mit der Bundesregierung im Falle der Fassung eines Beharrungsbeschlusses ein Letztentscheidungsrecht. Die Sonderregelung des § 5 Abs. 3 EUZBLG verpflichtet die Bundesregierung vor der Zustimmung im Ministerrat zu einem auf Art. 308 EG gestützten Vorhaben, das Einvernehmen mit dem Bundesrat herzustellen, soweit dessen Zustimmung nach innerstaatlichem Recht erforderlich oder soweit die Länder zuständig wären. Wenn die Maßnahme das qualifizierte Mitwirkungsverfahren nach Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG auslöst, ist die Regierung an eine etwaige Ablehnung des Bundesrates gebunden und darf sich im Ministerrat nicht der Stimme enthalten. Die Beteiligung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG gestaltete sich in der Praxis problemlos und hat angesichts der eindeutigen Prärogative der Bundesregierung keine politischen Konflikte ausgelöst. Dagegen kam es regelmäßig zu Konflikten, wenn der Bundesrat seine qualifizierte Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG gefordert hat. Grund dafür waren die Schwierigkeiten bei der Bestimmung eines rechtsrelevanten EUVorhabens sowie der schwerpunktmäßigen Betroffenheit durch eine Gemeinschaftsmaßnahme. Gelöst wurden die Konflikte innerstaatlich durch eine pragmatische Vorgehensweise dergestalt, dass die Bundesregierung sich mit ihrer Auffassung durchgesetzt und ein Letztentscheidungsrecht des Bundesrates nicht anerkannt, diesem aber zumindest Gelegenheit zur Abgabe einfacher Stellungnahmen gegeben hat. Auf Grund der zumeist inhaltlichen Einigkeit zwischen Bundesregierung und Bundesrat hat der Bundesrat sich bislang mit diesem Vorgehen abgefunden. Nur in einem Fall wurde die Fassung eines Beharrungsbeschlusses seitens des Bundesrates erwogen, was aber am Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit scheiterte.

I. Europäische Rechtssetzung

279

Hinsichtlich der Erteilung des Einvernehmens mit der Zustimmung zu Vorhaben, die auf Art. 308 EG gestützt werden, traten in der Praxis normalerweise weder verfahrensrechtliche noch inhaltliche Probleme auf. Bedenklich ist aber, dass zwischen Bund und Ländern noch keine Einigung darüber erzielt werden konnte, ob sich die Bundesregierung im Rat der Stimme enthalten und damit die Beschlussfassung ermöglichen darf, wenn der Bundesrat sein Einvernehmen zur Zustimmung verweigert hat. 3. Die Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte durch den Ländervertreter nach Art. 23 Abs. 6 GG soll stattfinden, wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder betroffen sind, wenn also das Grundgesetz keinen ausdrücklichen Kompetenztitel zugunsten des Bundes enthält. Im Regelfall besteht ein Anspruch auf die Übertragung; Ausnahmen können nur in begründeten Einzelfällen vorgesehen werden. Die Rechtsausübung wird dadurch beschränkt, dass die Vertretung durch einen Ländervertreter nur unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung erfolgen kann, was jedoch kein Weisungsrecht der Bundesregierung gegenüber dem Ländervertreter begründet. Bei der Frage der Einschlägigkeit von Art. 23 Abs. 6 GG kam es zu etlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat. Grund dafür waren unterschiedliche Auffassungen darüber, wann das Vorliegen eines Vorhabens sowie die Betroffenheit der Gesetzgebungsbefugnisse der Länder im Schwerpunkt zu bejahen ist. In der Regel gelang es innerstaatlich mittels politischer Gespräche Kompromisse herbeizuführen. Begünstigt wurde die Kompromissfindung durch die Tatsache, dass größere inhaltliche Differenzen zwischen Bundesregierung und Bundesrat in der Regel nicht bestanden. 4. Die qualifizierte Mitwirkung des Bundesrates gemäß Art. 23 Abs. 5 S. 2 und Abs. 6 GG beeinträchtigt die integrationspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik. Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat, die innerstaatlich wegen der zumeist gefundenen Kompromisse als nicht weiter problematisch einzustufen waren, bewirken auf europäischer Ebene, dass Deutschland seine Positionen erst verhältnismäßig spät in die Beratungen einbringen kann. Erschwert wird eine positive Verhandlungsführung darüber hinaus durch die Möglichkeit der Letztentscheidung des Bundesrates, welche die Eingehung von Kompromissen behindert sowie zu einem Verhandeln unter Vorbehalt zwingen kann. Letzteres macht die Position der Bundesrepublik – ebenso wie die große Zahl der an den Beratungen beteiligten Personen – für die anderen Mitgliedstaaten schwer kalkulierbar. Konsequenz war in der Vergangenheit, dass Deutschland häufiger als die anderen Staaten überstimmt wurde. 5. Institutionelle Veränderungen durch die Erweiterung der Union auf 25 Mitgliedstaaten, die teilweise Abschaffung der Säulenstruktur sowie die Einfüh-

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H. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

rung des Verfahrens der Subsidiaritätskontrolle durch die europäische Verfassung werden dazu führen, dass in der zukünftigen Union noch mehr als bisher schnelles und flexibles Verhandeln verlangt wird, um angemessenen Einfluss auf die Entscheidungsfindung ausüben zu können. Es ist zu erwarten, dass die qualifizierte Mitwirkung des Bundesrates die integrationspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik angesichts der anstehenden bzw. gerade vollzogenen Veränderungen im Rahmen der Europäischen Union weitergehender beeinträchtigen wird. 6. Es sollte eine grundlegende Überarbeitung der qualifizierten Mitwirkung des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 5 und 6 GG stattfinden. Am sinnvollsten wäre eine ersatzlose Streichung von Absatz 6 mit der Folge, dass in jedem Fall die Bundesregierung die Verhandlungsführung inne hat. Zudem sollte nur noch eine einfache Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates stattfinden, unabhängig davon ob nur Interessen oder aber Zuständigkeiten der Länder schwerpunktmäßig berührt sind. Die Stellungnahme sollte von einem ständigen Bundesratsgremium abgegeben werden, das sich aus Beauftragten der Landesregierungen entsprechend der Stimmengewichtung im Bundesrat zusammensetzen sollte. Für die Fälle, in denen die Bundesregierung von den über das ständige Gremium artikulierten Interessen der Länder abweicht, muss eine Rechenschaftspflicht der Bundesregierung vorgesehen werden.

II. Rechtsumsetzung 1. Die Europäische Union verfügt über Rechtssetzungskompetenzen auf Gebieten, auf denen nach der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland die Befugnis zur Gesetzgebung den Ländern zusteht. Die Rechtssetzungsakte der Union berühren deshalb in zunehmenden Maße die Gesetzgebungskompetenzen der Bundesländer. Als Folge sind diese analog Art. 70 ff. GG an der Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales Recht zu beteiligen. 2. Deutschland hat bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht größere Schwierigkeiten als viele andere Mitgliedstaaten. Zwar hat sich die Umsetzungsquote in den letzten Jahren auch in Deutschland verbessert, jedoch nicht in dem Maße, wie dies in der Europäischen Union insgesamt geschehen ist. Zugleich ist auch die Anzahl der gegen die Bundesrepublik wegen Nichtumsetzung eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren verhältnismäßig hoch. Deutschland ist zwar, entgegen vereinzelter Behauptungen, hinsichtlich der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht auch nicht europäisches Schlusslicht. Die Bundesrepublik ist allerdings bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht in der Lage, ihr hohes integrationspolitisches Credo in der Realität der nationalen Gesetzgebung zu beweisen.

II. Rechtsumsetzung

281

3. Die föderalen Strukturen, insbesondere die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern, erschweren die Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales Recht teilweise erheblich. Die komplexe Kompetenzverteilung des Grundgesetzes führt dazu, dass die Regelung eines bestimmten, in einer EGRichtlinie behandelten Themas vielfach Abgrenzungsprobleme grundsätzlicher Art hinsichtlich der Frage, welche Kompetenztitel inhaltlich zur Umsetzung heranzuziehen sind, hervorruft. Zum anderen schließt sich im Bereich der konkurrierenden und der Rahmenkompetenz des Bundes noch die weitere Prüfung an, ob und inwieweit eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist. Zusätzlich wird der Umsetzungsprozess dadurch verzögert, dass dort, wo der Bund nur Teilbereiche eines gemeinschaftsrechtlichen Rechtsaktes regeln kann, eine zeitlich parallele Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern nur in ganz seltenen Ausnahmefällen stattfindet. Die Regel ist, dass die Bundesländer mit der innerstaatlichen Umsetzung abwarten, bis der Bund seine Gesetzgebung abgeschlossen hat. 4. Zur Lösung der Probleme bei der Richtlinienumsetzung erscheint die Einführung einer Richtlinienumsetzungskompetenz des Bundes mit Zugriffsrecht der Länder im Bereich ihrer Gesetzgebungskompetenzen als vorzugswürdig. Eine solche hat den Vorteil, dass die Richtlinie auf jeden Fall zunächst fristgerecht allein vom Bund umgesetzt werden kann. Die Zweistufigkeit des Gesetzgebungsprozesses und notwendige Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern entfielen. Die Länder müssten auch nicht zwingend von ihrer Befugnis zur nachträglichen Ausfüllung der Gestaltungsspielräume Gebrauch machen. Zudem träten Abgrenzungsprobleme erst nach erfolgter Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht auf und könnten eine rechtzeitige Umsetzung der Richtlinie nicht mehr gefährden. 5. Die Bundesregierung sollte zukünftig verstärkt erwägen, Bundeszwang gemäß Art. 37 GG gegenüber Ländern einzusetzen, die ihren Umsetzungsverpflichtungen nicht nachkommen. Zwar besteht beim Bundeszwang das Problem, dass er die Zustimmung des Bundesrates voraussetzt, von der bei den gegenwärtigen politischen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat nicht auszugehen ist. Allerdings kann es Konstellationen geben, in denen nicht schon aus parteipolitischen Erwägungen die Erteilung der Zustimmung abgelehnt wird. Nicht in diesem Maße geeignet, die Länder zur fristgerechten Umsetzung von Richtlinien zu bewegen, erscheint dagegen das Bund-LänderStreitverfahren. In der Regel vergeht bis zum Erlass des Urteils einige Zeit, so dass zu erwarten ist, dass es regelmäßig nicht rechtzeitig vor Ablauf der Umsetzungsfrist ergeht. Schließlich sollte die Einfügung eines Regressanspruchs des Bundes gegenüber den Ländern für den Fall erwogen werden, dass der EuGH Zwangsgelder

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H. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

gegenüber der Bundesrepublik wegen der Nichtumsetzung von Richtlinien verhängt und die Länder die Zuständigkeit zur Richtlinienumsetzung inne hatten. Hinsichtlich der Schadensersatzansprüche Einzelner im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung besitzt der Bund dagegen bereits Rückgriffsmöglichkeiten.

III. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa 1. Das in der europäischen Verfassung vorgesehene Verfahren der Subsidiaritätskontrolle wird Bundestag und Bundesrat die Möglichkeit zur Abgabe begründeter Stellungnahmen hinsichtlich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips gegenüber der Kommission sowie die Möglichkeit der Klageerhebung eröffnen. Das Stellungnahmerecht kann den Prozess der Machtverlagerung auf die Gemeinschaft bremsen und wird gerade dem Bundesrat Gelegenheit geben, schon frühzeitig und unmittelbar auf die EU-Entscheidungsverfahren einzuwirken. Welche praktische Bedeutung der Subsidiaritätsklage in der Praxis zukommen wird, wird in besonderem Maße von der Rechtsprechung des EuGH abhängen. Vieles spricht dafür, dass der EuGH sich primär auf die Überwachung der prozeduralen Richtigkeit sowie auf die Erfüllung des Begründungserfordernisses konzentrieren wird. Allerdings kann die Subsidiaritätsklage zumindest als latente Mahnung im Hintergrund des diskursiv angelegten Frühwarnsystems dienen, so dass auf diese Weise die Rolle der deutschen Länder in der zukünftigen Europäischen Union gestärkt wird. 2. Die Regelungen der europäischen Verfassung zum Ausschuss der Regionen entsprechen hinsichtlich der Zusammensetzung des Ausschusses und seiner Mitwirkungsbefugnisse im Gesetzgebungsverfahren in großen Teilen denen des EG-Vertrages. Dies spricht dagegen, dass der Ausschuss der Regionen zukünftig eine entscheidendere Rolle als bislang spielen wird. Aus Sicht der Länder positiv zu bewerten sind allerdings das geplante Klagerecht des Ausschusses gemäß Art. III-365 Abs. 3 VerfE zur Geltendmachung seiner Rechte und das nach dem Subsidiaritätsprotokoll zur Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips. Trotz dieser punktuellen Aufwertung ist der Ausschuss der Regionen aber auch zukünftig weit entfernt von einer Stellung als „dritter Kammer“, wie es der Idealvorstellung der deutschen Länder entspricht. 3. Durch den Verfassungsvertrag wird das komplizierte Kompetenzgeflecht systematisiert und kategorisiert. Dies stellt einen entscheidenden Fortschritt im Vergleich zum EG-Vertrag dar und entspricht den Forderungen der Länder nach einer transparenteren Gestaltung der EU-Kompetenzordnung.

III. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa

283

Nicht erfüllt wurde dagegen die unter den deutschen Ländern verbreitete Forderung nach einer Streichung der Flexibilitätsklausel. Allerdings ist auf Grund des Erfordernisses der Einstimmigkeit im Rat und der Zustimmung des Europäischen Parlaments nicht zu erwarten, dass in einer Union von 25 Mitgliedstaaten Art. I-18 VerfE häufig als Gesetzesgrundlage herangezogen werden wird. Auch bezüglich der Binnenmarktkompetenz der Union ist keine Änderung erfolgt. Zumindest ist aber bei Ausübung der Binnenmarktkompetenz das ausdrückliche Harmonisierungsverbot des Art. I-12 Abs. 5 S. 2 VerfE zu beachten. Mit der europäischen Verfassung haben sich zwar nicht alle Erwartungen der Bundesländer an eine neue Kompetenzordnung erfüllt, es ist aber dennoch zu erwarten, dass zukünftig der Machtzuwachs auf Seiten der Union zu Lasten der Länder gebremst wird.

I. Ausblick

Der deutsche Föderalismus hat sich als nicht europatauglich erwiesen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Mitwirkung des Bundesrates an der Rechtssetzung auf europäischer Ebene als auch hinsichtlich der Beteiligung der Bundesländer an der Rechtsumsetzung. Daher ist es bedauerlich, dass es im Rahmen der Bundesstaatskommission nicht gelungen ist, konkrete Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Nachdem zunächst alles nach dem Gelingen einer umfassenden Föderalismusreform aussah1, scheiterte die Kommission überraschend im Dezember 2004.2 Grund dafür waren vordergründig unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern über die Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Bildungspolitik.3 Daneben bestand auch – zusätzlich zur Frage der Aufnahme des Solidarpaktes in das Grundgesetz4 und der Schaffung einer umfassenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Umweltrecht – hinsichtlich etwaiger Änderungen der Ländermitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union bis zuletzt keine Einigkeit.5 Vor allem potente Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern, allein so stark wie etliche Mittelmächte in der Europäischen Union und mit entsprechend leistungsstarken Repräsentanzen in Brüssel ausgestattet, ___________ 1 Vgl. dazu FR v. 02.10.2004, S. 5 (Länder erstreiten mehr Zuständigkeiten); SZ v. 13./14.11.2004, S. 10 (Showdown in Stoibers Neuschwanstein); FR v. 01.12.2004, S. 4 (Föderalismusreform kommt schneller voran); KSTA v. 08.12.2004, S. 5 (Weitere Einigung bei Föderalismus); SZ v. 11.12.2004, S. 4 (Bund und Länder verteilen Macht neu); FAS v. 12.12.2004, S. 1 (Föderalismusoptimismus); SZ v. 13.12.2004, S. 4 (Die Mutter aller Reformen); FR v. 17.12.2004 (Föderalismus-Streit steht vor dem Ende). 2 Vgl. dazu FR v. 18.12.2004, S. 2 (Über Nacht); FAS v. 19.12.2004, S. 1 (Blamabel für Deutschland). 3 Vgl. dazu FR v. 18.12.2004, S. 2 (Über Nacht); FAS v. 19.12.2004, S. 3 (Wird Karlsruhe neue deutsche Hauptstadt?); E&W, 1/2005, S. 24 (Aufs Eis gelegt). 4 Vgl. dazu FR v. 15.12.2004, S. 5 (Neue Länder lassen die Muskeln spielen). 5 Vgl. dazu FAZ v. 14.12.2004, S. 1 (Noch keine Einigung über Bildungs- und Europafragen); FAZ v. 14.12.2004, S. 3 (Am Freitag wird die Uhr angehalten); FR v. 18.12.2004, S. 2 (Über Nacht). Zwischenzeitlich sah es so aus, als könnten sich Bund und Länder auf eine Streichung der Absätze drei bis sieben des Art. 23 GG im Gegenzug zur Abgabe etlicher Bundeskompetenzen an die Länder einigen, vgl. dazu SZ v. 13./ 14.11. 2004, S. 10 (Showdown in Stoibers Neuschwanstein).

I. Ausblick

285

waren nicht bereit, dem Bund die Primärzuständigkeit in Angelegenheiten der Europäischen Union zu überlassen.6 Als möglicher Kompromiss galt deshalb zuletzt die Bewahrung des Status Quo, also die unmittelbare Beteiligung der Bundesländer nur in den bislang üblichen Bereichen, auch wenn die Länder im Rahmen der Föderalismusreform innerdeutsch neue Zuständigkeiten erhalten hätten.7 Dies hätte allerdings die schon bisher schwierige Abgrenzung im Rahmen des Art. 23 GG um die zusätzliche Frage kompliziert, ob es sich bei einer bestimmten Zuständigkeit der Länder um eine ursprüngliche oder erst mit der Föderalismusreform zugewiesene handelt. Darüber hinaus wurden, was die Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales Recht angeht, gar keine konkreten Reformvorschläge unterbreitet.8 Grund dafür, dass in Europafragen innerhalb der Bundesstaatskommission kaum kompromissfähige und zugleich die wesentlichen Probleme beseitigende Vorschläge gemacht wurden, war neben der Tatsache, dass eine Reform des Art. 23 GG nicht zuoberst auf der Reform-Agenda stand9, die Uneinigkeit über den tatsächlichen Reformbedarf. Die Positionen waren dabei vergleichsweise eindeutig zuzuordnen.10 Traten Bundesregierung und Bundestag zumeist für eine umfassende Vereinfachung von Art. 23 GG und eine Änderung der Richtlinienumsetzungskompetenz ein, widersetzten sich die Vertreter der Bundesländer dem mit dem Argument, dass kein Reformbedarf bestehe, weil das Verfahren der Ländermitwirkung in der Praxis gut funktioniere und die Umsetzungsprobleme nicht auf die Beteiligung der Bundesländer zurückzuführen seien. Diese Kontroverse verdeutlicht das grundlegende Problem der Bundesstaatskommission, das letztlich auch zum Scheitern der Föderalismusreform führte: Bei dem Aspekt der Europatauglichkeit des deutschen Föderalismus wie auch in den übrigen Bereichen ist es in der Bundesstaatskommission nicht gelungen, ___________ 6 Vgl. FR v. 13.12.2004, S. 2 (Nationale Interessenvertretung unrealistisch); Eppler, Mitwirkungsrechte in Europaangelegenheiten, S. 67 f. 7 Vgl. FR v. 14.12.2004, S. 4 (Bildung gegen Umwelt und Innere Sicherheit). 8 Eine Bundeskompetenz mit Zugriffsrecht der Länder wurde nicht für den Bereich der Richtlinienumsetzung, sondern allgemein für den Katastrophenschutz, das Umwelt-, Naturschutz- und Atomrecht diskutiert, vgl. dazu SZ v. 13./14.11.2004, S. 10 (Showdown in Stoibers Neuschwanstein) sowie Dietsche/Hinterseh, Landesrecht bricht Bundesrecht, S. 19 ff. 9 Eppler, Mitwirkungsrechte in Europaangelegenheiten, S. 65 f. Dies belegt auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Thomas Silberhorn, Volker Kauder, Marco Wanderwitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU zur Beteiligung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union, BT-DRs. 15/1961. 10 Anders war dies bei den meisten übrigen Reformbereichen. Hier bestanden unterschiedliche Interessenlagen zwischen Bund und Ländern, Koalition und Opposition, Ost und West, großen und reichen sowie kleinen und armen Ländern, vgl. dazu FAZ v. 14.12.2004, S. 3 (Am Freitag wird die Uhr angehalten).

286

I. Ausblick

sich aus den Routinen der Aushandlungsprozesse zwischen Parteien und zwischen Bundes- und Landesregierungen zu lösen. Dazu beigetragen hat die Tatsache, dass die Kommission einen Bund-Länder-Ausschuss darstellte, der die politischen Kräfteverhältnisse abbildete.11 Bereits bei der Ausarbeitung von Vorschlägen zu Verfassungsänderungen stand also die Durchsetzbarkeit in späteren parlamentarischen Verfahren und nicht die offene kreative Verfassungsdiskussion im Vordergrund. Damit haben die häufig gegenläufigen parteipolitischen und institutionellen Interessen der Bundes- und Landesregierungen die Diskussionen in jedem Stadium geprägt. Die Bundesstaatskommission war daher kein unabhängiges Diskussionsforum, sondern sie war den etablierten parteipolitischen und bundesstaatlichen Entscheidungsebenen tatsächlich nachgeordnet. Die Kommissionsmitglieder unterlagen Bindungen, die nach den Ergebnissen der empirischen Verhandlungsforschung dazu führen, dass die Beteiligten „hart“ verhandeln, dazu neigen, auf ihren Ausgangspositionen zu beharren und sich offenen Argumentationsprozessen eher verschließen.12 Unter diesen Bedingungen war eine Einigung nur durch Tauschgeschäfte möglich. Tauschgeschäfte zeichnen sich dadurch aus, dass jeder in dem Maße seine vorrangigen Interessen durchsetzen kann, wie er zur Zugeständnissen an die Verhandlungspartner bereit ist.13 Folge davon war, dass die Verhandlungen durch wechselseitige Zugeständnisse sehr unübersichtlich und kompliziert wurden. Ein Ergebnis konnte kaum noch für einzelne Sachbereiche erzielt werden. Zudem hing das Gelingen der Verhandlungen davon ab, dass die Beteiligten den erfolgreichen Abschluss nicht durch für die andere Seite inakzeptable Forderungen oder die Rücknahme von einmal gemachten Zugeständnissen gefährdeten. Die Bundesstaatskommission scheiterte deshalb im Ergebnis an machtpolitischen Erwägungen. Am Ende gab es kaum noch Akteure, die sich um einen Ausgleich bemühten.14 Ob und wie die Föderalismusreform zu einem erfolgreichen Ende geführt werden kann, ist ungewiss. Während die einen15 zuversichtlich sind, schon bald mit den Verhandlungen fortfahren und dabei auf bereits erzielte Einigungen ___________ 11

Ähnlich Kloepfer, NuR 2004, 759 (761). Benz, DÖV 1993, 881 (884); Druckmann, Monitoring function in negotiation, S. 344 ff. 13 Benz, DÖV 1993, 881 (886). 14 Vgl. dazu FR v. 18.12.2004, S. 2 (Über Nacht). 15 So die Vorsitzenden der Bundesstaatskommission Müntefering (SPD) und Stoiber (CSU), vgl. FAS v. 19.12.2004, S. 3 (Wird Karlsruhe neue deutsche Hauptstadt?). 12

I. Ausblick

287

aufbauen zu können, sehen andere16 für die nächsten 10 Jahre keine Möglichkeit eines erneuten Anlaufs. Für die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der Europäischen Union bedeutet dies, dass auch zukünftig Probleme bei der Länderbeteiligung gemäß Art. 23 GG sowie der fristgerechten Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales Recht ihre integrationspolitische Handlungsfähigkeit beeinträchtigen werden.

___________ 16

So der Abgeordnete Kröning (SPD), vgl. FAS v. 19.12.2004, S. 3 (Wird Karlsruhe neue deutsche Hauptstadt?).

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Sachregister

Abstimmung 58 Aktionsplan 2004–2006 93 f. Altenpflegegesetzurteil 156 Amtshaftung 237 Anlastungen 228 Auffanggesetzgebung 206 Ausschuss der Regionen 251, 256 ff., 276 auswärtige Angelegenheiten 63 f. Bedürfnisklausel 157 Beharrungsbeschluss 45, 60, 91, 100 ff., 122, 181 Beitrittsvertrag 72 ff. berücksichtigen 42, 44 Beteiligung 57 Binnenmarkt 265 Binnenmarktkompetenz 265 f., 268, 274, 277 Bundesländer 22 f., 26, 28, 44, 47, 61, 63, 67, 70, 79, 83 ff., 92, 94, 122 f., 127, 150 f., 156, 161 ff., 165, 167 ff., 171, 173, 178, 183 f., 187 f., 190, 192, 195 f., 205 f., 208, 210, 212 f., 218, 221, 228 f., 231 f., 244 ff., 256, 263 f., 266, 268 ff., 272 ff., 277, 285 f. Bundespflicht 213 ff., 218 f., 223 Bundesrat 28, 31 f., 36 ff., 42, 44 ff., 49 ff., 56 f., 59 ff., 71 ff., 91 ff., 119 ff., 132 ff., 176 ff., 220 ff., 247 ff., 253 Bundesregierung 37 f., 40, 42, 44 ff., 72 ff., 119 ff., 134 f., 176, 178,

181 f., 184, 186, 189 ff., 213, 218 ff., 253, 286 Bundesstaat 21 f., 25, 27, 130, 148, 215, 217, 267 Bundesstaatlichkeit 214 Bundesstaatskommission 25 f., 70, 285 ff. Bundesstaatsprinzip 208 Bundestag 28, 31 f., 36 f., 38, 71 ff., 132 f., 177, 185 f., 221, 248 ff., 253, 286 Bundestreue 203, 216 ff., 221 ff., 236 f., 253 Bundeszwang 213, 218 ff. Bund-Länder-Streit 213, 223 f., 226 Bund-Länder-Vereinbarung 30 Diskriminierungsverbot 230 Doppelspitze 127 Dreiecksverhältnis 200 f. Eigenmittelbeschluss 77 f. Einheitliche Europäische Akte 29 Einvernehmen 50 ff., 59, 104 ff., 189 Einzelermächtigung 273 Erforderlichkeitsklausel 155, 157 ff. ergänzende Maßnahme 268 Erklärung von Laeken 245, 264 Ermessen 219 Ersatzvornahme 219, 221 f., 232 EU-Kompetenzordnung 264 europäische Integration 23, 82, 122, 132 Europäische Union 21 f., 25, 27 f., 31,

Sachregister 37 f., 40, 49, 57, 60 ff., 70 ff., 78 f., 81, 83, 86, 109, 111 f., 118, 127 f., 130, 132, 139 f., 145, 176 ff., 183 f., 187, 190, 192 f., 217, 223, 244, 246, 249 ff., 262, 264 f., 273, 275, 285 f., 288 Europäische Verfassung 130 f., 244, 246 f., 251, 262 f., 265, 273 f. Europäischer Verfassungskonvent 244 Europafähigkeit 26 Europakammer 59 ff., 100 ff., 120, 123, 187 Europatauglichkeit 285 f. EU-Vorhaben 93 Ewigkeitsklausel 208 f. FFH-Richtlinie 163 ff. Flandern-Initiative 260 Flexibilitätsklausel 269 ff., 274, 277 Föderalismus 22, 27, 268, 285 f. Föderalismusreform 285 ff. Frühwarnmechanismus 246, 253, 256 Gebot der Mindesteffektivität 230 Gegenseitigkeitsprinzip 117 Geldbuße 228 Gemeinsame Verfassungskommission 36 Gemeinschaftstreue 203 f. gemischtes Abkommen 111 f., 129, 192 Gesamtschuldverhältnis 238 gesamtstaatliche Verantwortung 46 f. Geschäftsführung ohne Auftrag 238 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union 30 Gesetzgebungskompetenz – konkurrierende 155 f., 160 f. – kraft Natur der Sache 65 f. – kraft Sachzusammenhangs 65 f. – Rahmengesetzgebung 155 f., 158, 160 ff., 169, 195 f., 202 f.

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Gestaltungsrecht 210 Haftung 228 Handlungsfähigkeit 70, 191 Harmonisierungsverbot 266 Hoheitsrecht 31, 73, 80, 178 Hoheitsrechtsübertragung 33 ff., 71, 73, 75, 77 f., 80 f., 176 ff. Horizontalverhältnis 200 informale Absprache 135 Informationspflicht 179 Inkongruenz, sachliche 147, 152 Juniorprofessururteil 156 Justiziabilität 160, 255 Klagebefugnis 251 f. Klagerecht 251 f., 262 f., 277 Klageübermittlung 253 Kommissionsbericht 139 Kompetenzausübungsschranke 273 Kompetenzkombination 148 Kompetenzverteilung 151 f. Kompromissfindung 122 Konventsverfahren 275 kooperativer Föderalismus 135, 220 Länderbeobachter 84 Länderbeteiligungsverfahren 30 Ländervertreter 52 ff., 57 ff., 86, 88 ff., 107, 109 f., 121, 124 ff., 179, 190 f. Landesblindheit 22, 230, 275 Letztentscheidungsrecht 42, 45 ff., 58, 87, 99, 104, 122 Lindauer Abkommen 111 ff., 129, 192 Lösungsansätze 195 maßgebliche Berücksichtigung 44 f., 90 f., 96, 98 f., 181

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Sachregister

Mehrheitsentscheidung 130 Nichtigkeitsklage 251 Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch 240 Öffnungsklausel 195 f. Osterweiterung 74 Paketlösung 117, 122, 124, 131 Parlamentsklage 252 Passivlegitimation 228 Pauschalbetrag 228, 233, 238 f. Plan-UVP-Richtlinie 100, 102, 123 Rechtssetzung 28, 70, 176 Rechtsstaatsprinzip 133, 135 Rechtsumsetzung 61, 138 Regressanspruch 228, 232 f. Richtlinienumsetzung 195 f., 202, 204, 207, 209, 216, 219 Richtlinienumsetzungskompetenz 207, 209 f. Säulenarchitektur 131 Schwerpunkt 43 f., 93 ff., 106 ff. Selbstverwaltung, regionale 275 Staatshaftung, gemeinschaftsrechtliche 228, 232 f., 235, 238 Staatszielbestimmung 209 ständiges Gremium 183, 185, 187 ff. Stellungnahme 40 ff., 46 ff., 85 ff., 90 ff., 103, 120 f., 123, 132, 181, 183 ff., 190 ff., 247 ff., 253 f., 257 f., 260, 262 Stellungnahmerecht 40, 48, 247, 253 Subsidiaritätsklage 255 Subsidiaritätskontrolle 247, 254 Subsidiaritätsprinzip 132, 246 ff., 251, 253 ff., 276 Treuegedanke 203

Umsetzungsdefizit 139 Umsetzungsfrist 196, 203, 207 Umsetzungsquote 140 ff., 145, 147, 149 Umsetzungsverpflichtung 214 ff., 221 f., 224 f., 227, 231 f., 237 Umweltverträglichkeitsprüfung 166 ff., 198 f. unmittelbare Wirkung 197, 199, 201 f., 204, 208, 212 Unterrichtung 83, 85 f., 179 Unterrichtungspflicht 38 unterstützende Maßnahmen 268 UVP-Richtlinie 152, 163, 166, 168, 172, 198 ff. Verfahrensdauer 227 Verfassungsgewohnheitsrecht 133 f. Verhältnismäßigkeitsprinzip 273 Verhandlungsführung 91, 107, 109 f., 121 f., 124, 126 f., 131, 183 ff., 190 f. Verhandlungspaket 120 Verhandlungsregime 115 Vertrag – über eine Verfassung für Europa 130, 132, 244, 261, 276 – von Maastricht 30 – von Nizza 79 ff. Vertragsverletzungsverfahren 144 f., 229 f. Verwaltung 235 Vollstreckungsmöglichkeiten 226 Weisungssitzungen 49 Wiederholungsgesetzgebung 171 Zentralisationsdruck 175 Zugriffsrecht 211 f. Zuständigkeit – ausschließliche 267 – geteilte 267

Sachregister Zuständigkeitsverflechtung 26, 138, 145 Zustimmung 51 f., 104 ff., 189 Zustimmungserfordernis 31, 34, 73, 82, 137, 177 f. Zwangsgeld 166, 206 f., 228 f., 232 f., 235, 238 ff., 242

323

Zweidrittelmehrheit 32, 34 f., 71 f., 75, 78, 102, 176 Zweistufigkeit 163, 169, 196, 202 f., 205, 207, 210 f.