Brutalismus in Österreich 1960-1980: Eine Architekturtopografie der Spätmoderne in neun Perspektiven [1 ed.] 9783205213369, 9783205213345

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Brutalismus in Österreich 1960-1980: Eine Architekturtopografie der Spätmoderne in neun Perspektiven [1 ed.]
 9783205213369, 9783205213345

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Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung durch : Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport Amt der Salzburger Landesregierung Amt der Steiermärkischen Landesregierung Amt der Oberösterreichischen Landesregierung Amt der Burgenländischen Landesregierung MA7, Kulturabteilung der Stadt Wien

Brutalismus in Österreich 1960 –1980 Eine Architektur­topografie der Spätmoderne in 9 Perspektiven herausgegeben von Johann Gallis und Albert Kirchengast

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Konzept und Redaktion : Johann Gallis, Albert Kirchengast, Mattersburg /Wien Lektorat : Julia Beenken, Köln Korrektorat : Sonja Pisarik, Philipp Rissel, Wien Gestaltung und Satz : Jasmin Maria Trabichler, Wien Schrift : Korpus Grotesk D, Binnenland Lithografie : Pixelstorm, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21336-9

Böhlau Verlag Wien Köln

8 Prolog Im Gespräch mit Nott Caviezel und Oliver Elser Johann Gallis, Albert Kirchengast

9 Intention Bemerkungen zur „offenen Form“ Albert Kirchengast

38 Vorarlberg Über das Geistige in der Architektur. Karl Sillaber, Hans Purin und die Kontemplation des „Puren“

126 Oberösterreich Aufbruch in die Bildungsgesellschaft! Karl Odorizzi und der Schulbau in Oberösterreich von 1945 bis 1975

Robert Fabach

Markus Stickler

56 Tirol Tirol erwacht! Drei Perspektiven auf ein Land im Aufbruch: Josef Lackner, Norbert Heltschl und Franz Kotek

152 Steiermark Beton für Individualisten. Günther Domenig, Eilfried Huth und die Werkgruppe Graz Anselm Wagner

210 Wien Der Tiger als Dirigent oder der Dirigent als Tiger. Ein Sittenbild der österreichischen Nachkriegsarchi­tek­ tur: Karl Schwanzer und der Kirchenbau Sonja Pisarik

234 Burgenland Modellfall Kultur­ zentrum. Herwig Udo Graf und Matthias Szauer „auf der Überholspur“

Elmar Kossel, Klaus Tragbar

146, 184, 258 Bildstrecken Akademie Linz Kirche St. Paul Wohnhaus Szauer Alexander Krischner

266 Anhang Biografien der Architekten Literaturauswahl Abbildungsnachweis Biografien der Autor:innen Bautenregister

188 Niederösterreich (G)raue Zeitgenossen. 84 Salzburg Das Kongresszentrum Brutalistische Infrastrukturbauten in Bad Gastein. Eine brutalistische Doris Grandits, Theresa Knosp Ikone von Gerhard Garstenauer Sabine Weigl

106 Kärnten Land der Bäder. Über den Ausbau der Schwimm­infrastruktur nach 1945 Lukas Vejnik

Johann Gallis, Albert Kirchengast

Intention Bemerkungen zur „offenen Form“

Prolog Im Gespräch mit Nott Caviezel und Oliver Elser

„Brutalismus“, was für ein Begriff! NC Wir sind uns ja einig, dass der Erfolg oder der Misserfolg des Brutalismus – zumindest aus Sicht der Denkmalpflege – ein Kommunikationsproblem ist. Ich glaube, dieses Buch hat eine wichtige Funktion, mit der Absicht, etwas Positives zu kommunizieren, letztlich den Erhalt der baulichen Zeugen einer bestimmten Zeit zu befördern. OE Das, was du „Kommunikationsproblem“ nennst, katapultiert uns gleich zu Beginn mitten hinein in die Debatte! Brutalismus, das klingt nach „Brutalität“, man sieht sich im Vorurteil bestätigt, das seien „brutale Bauten“. Die geschätzten Kolleg:innen vom Architekturzentrum in Nordrhein-Westfalen haben bei ihrer Kampagne zum Erhalt des Brutalismus daher vor einigen Jahren lieber von „big beautiful buildings“ gesprochen. Ich finde das zu defensiv, letztlich nicht ehrlich. Natürlich, man kann erklären, dass der Begriff „Brutalismus“ sehr wahrscheinlich aus dem Französischen kommt, wo „béton brut“ schlicht „Sichtbeton“ bedeutet. Aber so einfach ist es nicht. Dieser Beigeschmack von Brutalität ist kein Zufall. Reyner Banham, der britische Architekturhistoriker und Kritiker, der als Erster das Wort Brutalismus in die Diskussion eingebracht hat, meinte selber : „In the last resort what characterises the New Brutalism in architecture as in painting is precisely its brutality, its je-m’en-foutisme, its bloody-mindedness.“ Als wir am Deutschen Architekturmuseum gemeinsam mit der Wüstenrot Stiftung im Jahr 2015 das Forschungs- und Ausstellungsprojekt mit dem Hashtag #SOSBrutalismus begonnen haben, da war uns bewusst, dass hier Erklärungsbedarf, oder in Notts Worten „ein Kommunikationsproblem“, besteht, gleichzeitig wollten wir nichts abschwä­­­chen oder positiv überzeichnen. Auf die – sehr berechtigten – Vorbehalte gegen die inhärente „Brutalität“ des Brutalismus haben wir auf verschiedene Weisen reagiert. Der erste Schritt war eine Flasche „Veuve Clicquot Brut“. Wir haben den Champagner gleich am Eingang als allererstes Objekt platziert und von der Aufschrift des Etiketts ausgehend erzählt, dass der Architekt Le Corbusier den herben Sichtbeton seiner Unité d’Habitation (1947–1952) als „béton brut“ bezeichnet hat. Ich wollte das Thema eher spielerisch angehen, statt gegenüber den oftmals skeptischen Besuchern gleich in den Belehrungsmodus zu gehen.

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Es waren drei Kriterien, durch die der englische Architekturtheoretiker Reyner Banham dem Brutalismus im Dezember 1955 einen gedanklichen Rahmen gab.1 Sie können auch als Ausdruck eines neuen Humanismus gelesen werden; hier seien sie daher nochmals genannt und in diesem Sinn gedeutet. Zunächst die „Lesbarkeit des Plans“ : Banhams erste Maxime verweist auf die menschliche Spur in der professionellen Architektur-Darstellung und setzt diese mit dem menschlichen Handlungs- und Verständigungsraum in Verbindung. Mit der Verwendung „vorgefundener Materialien“ thematisiert er – neben der stofflichen Dimension – indirekt auch den Gebrauch der Dinge, die Interaktion, neuerlich also die Einschreibung des Menschen in den Kontext des Vorhandenen, in die konkrete Zeitlichkeit von Mensch – Objekt – Mensch. (Heute würde man darin wohl eine Form der Nachhaltigkeit erkennen wollen.) Nun noch die „zur Schau gestellte Struktur“, das dritte (ei­ gentlich zweite) Kriterium. Scheinbar bekannt aus der Klassischen Moderne, unterwandert es doch deren missverstehende Interpretation gerade an jenem Punkt, mit dem man sie am stärksten iden­ tifiziert : der funktionellen Allianz aus Konstruktion und Technik. Die „Purheit“, ja „Rohheit“ des Brutalismus setzt sich kritisch von solchen Abstraktionen ab. Bliebe die „Struktur“ des Bauwerks anschaulich eingebunden in den Raum der Nutzer:innen – wie es die Smithsons in ihrem Londoner Haus 1952 vorführten –, würden Konstruktion und Technik ihre dienende Rolle unmittelbar vor dem menschlichen Lebenshorizont spielen, sie würden weder zur stumpfen Abstraktion noch führten sie zur digitalen Unterforderung der Sinne; als raumwirksame Mittel blieben sie nicht nur praktisch, sondern auch sinnlich „überprüfbar“. Man kann an dieser Stelle bereits erkennen, wie aktuell die Fortsetzung dieser (avantgardistischen?) Position wäre. In der da-

Die Rezeptionsgeschichte ist also auch Folge der Begriffsgeschichte : Was schreibt Reyner Banham darüber? OE Im begrifflichen Fahrwasser von Reyner Banham den Brutalismus definieren zu wollen, das bringt uns in eine merkwürdige Situation. Seit 1953 wird über den Brutalismus diskutiert, im Jahr 1966 veröffentlicht Banham sein berühmtes Buch „The New Brutalism“. Doch Banhams Brutalismus unterscheidet sich stark von dem, was wir heute unter Brutalismus verstehen. In den 1950ern gilt beispielsweise ein Schulgebäude als brutalistisch, das wir heute auf den ersten Blick mit dem IIT-Campus von Mies van der Rohe verwechseln könnten, der bereits ab 1941 entstanden ist. Diese Schule, die Secondary Modern School in Hunstanton, Großbritannien (1949–1954), ist ein Werk von Alison Smithson und Peter Smithson, das diese beiden in einem Artikel selbst als erstes brutalistisches Gebäude definieren. Doch in der Hunstanton School sind lediglich die horizontalen Geschossplatten aus Sichtbeton. Ansonsten ist es ein Stahlbau, ausgefacht mit Ziegeln. Definitiv kein „Betonmonster“! Banham publiziert 1955 seinen kanonischen Text „The New Brutalism“ in der „Architectural Review“. Dort zeigt er die Schule sowie die Yale Art Gallery von Louis I. Kahn (1951–1953) : „the most truly Brutalist building in the New World“. Allerdings ist auch das Kahn-Gebäude beileibe nicht das, was wir heute eindeutig „brutalistisch“ nennen würden : kein skulptural durchgeformter Baukörper, kein expressives Muskelspiel von Konstruktion oder aufgesetzter Verkleidung, keine Überdimensionierung der Bauteile, nichts dergleichen. Für Banham ist der Brutalismus ein Neustart der radikalen Moderne nach dem Zweiten Weltkrieg, er spricht davon, dass der Brutalismus der überhaupt allererste Beitrag Großbritanniens zur Modernen Architektur sei. Dieser Neustart war aber eben formal nicht auf das festgelegt, was wir heute unter Brutalismus verstehen. Letztlich geht es ihm, wie auch den Smithsons, um eine härtere, rohere, trockenere Moderne (daher passt „brut“ im Sinne des Champagners ganz hervorragend), die sie als Gegenposition zu dem in ihren Augen populistischen, weichgespülten, allzu lieblichen Wiederaufbau in Großbritannien zu behaupten versuchen. Dem „New Empiricism“ des Wiederaufbaus setzten sie den „New Brutalism“ entgegen. Doch auch 1966, als Banham sein Brutalismusbuch herausbringt, verweigert er sich jenen Bauten, die heute als Kathedralen dieser Haltung gelten. Das Art & Architecture Building der Yale University (1958–1963), entworfen von Paul Rudolph, kommt darin nicht vor! Das hat einen Grund. Denn 1966 erklärt Banham den New Brutalism als gescheitert. Jetzt hätten diejenigen die Macht übernommen, die den Brutalismus in eine monumentale Richtung weitertreiben. Dazu

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maligen, allgemeinen Praxis war sie nicht präsent; bis vor wenigen Jahren taugte der „Brutalismus“ nicht einmal zu loser Identi­ fikation – was bei der Übersetzung des französischen „béton brut“ („Sichtbeton“) in einen alltagssprachlich fragwürdigen Begriff („brutal!“) eigentlich keiner näheren Erklärung bedarf. Eröffnet Banhams Beitrag zur „Architectural Review“ im Jahr 1955 also die Debatte, schließt er mit seinem Buch „The New Brutalism“ elf Jahre später dieses Fenster auch schon wieder, um dabei das Wort „New Brutalism“ auf einen Brief Hans Asplunds – Sohn Gunnar Asplunds – zurückzuführen.2 Dieser habe ihn in die Welt gesetzt, um das Ferienhaus eines Freundes, durchaus scherzhaft, zu beschreiben. Das vorangestellte „New“ wird Banham zum entscheidenden Fingerzeig, den Platz stilistischer Präfixe à la „Neo-“ zu besetzen. Jeglicher Versuch, den Brutalismus als Stil zu sortieren, sollte sich daher verbieten : Nicht um einen formalen Wiederaufguss, nicht um die kunstgeschichtliche Nobilitierung zur Stilform ginge es – es geht um eine Haltung, „an ethic, not an aesthetic“3. Auch darin bleibt er modern, versucht an die im „Bauwirtschaftsfunktionalismus“ verlorenen Ansprüche anzuknüpfen und setzt dabei doch das fruchtbare theoretische Konzept einer „offenen Form“ 4 – also den „Brutalismus“ – in die Welt der späten Moderne. Jedenfalls könnte man sein Vorgehen in der Nachschau so benennen, bei dem drei Maximen und eine Debatte die internationale Architekturproduktion langfristig stimulieren. Gespeist wird der Impuls noch von einem vielsagenden Blick nach Schweden. Der wäre wohl ebenso als „politisches“ Statement zu werten wie die Hinweise auf das ältere, gesellschaftsreformerische Versprechen der Arts and Crafts-Bewegung, die frisch erlebten Enttäuschungen des Wohlfahrtsstaates, den „Fall“ der Labour-Regierung oder die damals umgehende Anti-Kommunisten-Hetze. Bliebe da noch auf das „Resümee“ aus Banhams frühem Essay hinzuweisen, die rätselhafte Forderung nach einer „intuitiven Topologie“5. Gemeinsam mit der eingangs gezeigten Bildcollage von

zählt er auch Paul Rudolph. Banham schreibt : „The Johnsons, Johansens and Rudolphs of the American scene were quicker than I was to see that the Brutalists were really their allies, not mine, committed in the last resort to the classical tradition, not the technological.“ Gemeint sind hier außerdem Philip Johnson, dem kurz darauf eine geradezu faschistoide Haltung seiner Bauten vorgeworfen wurde (nicht zuletzt wegen seiner Nazi-Liaison in den 1930ern/1940ern) und John Johansen. Das bedeutet : Spätestens 1966 enden Banhams Definitionsversuche, was Brutalismus eigentlich bedeute. Da niemand anderes seine Rolle übernimmt, stattdessen aber weiterhin munter von Brutalismus gesprochen wird, muss man feststellen, dass wir uns, wenn wir über Brutalismus reden, eigentlich architekturtheoretisch auf ungesichertem Terrain fortbewegen. Am Anfang, 1953/1955, scheint klar zu sein, dass hier etwas Neues passiert, aber schon bald lassen sich das tatsächliche Baugeschehen und die Definitionsversuche nicht mehr miteinander zur Deckung bringen. Beschränkt sich der „frühe“ Brutalismus der 1950er-Jahre lediglich auf England? OE Keineswegs. Sofort wurde dieser Begriff auch außerhalb Londons aufgenommen. Schon 1955 wird in der „FAZ“ die Hochschule für Gestaltung Ulm von Max Bill (1950–1955) als „brutalistisch“ bezeichnet. Es ist also eine Art neues „Label“ für eine bestimmte Haltung, die aber an vielen Orten der Welt gleichzeitig entsteht. Niemand musste erst Banham gelesen haben, um brutalistisch zu entwerfen. Er und die Smithsons hatten die größte Medienmacht, aber letztlich haben sie etwas nur auf den Punkt gebracht, was an vielen Stellen längst vorbereitet war. Um es salopp zu sagen : Der Brutalismus wurde genauso in Baden-Württemberg erfunden. Was die Idee der Erfindung zugleich ad absurdum führt. Der Geruch von Beton lag damals einfach in der Luft, überall. NC Ich möchte an dieser Stelle einen kurzen Einschub machen : Die Schule der Smithsons, die Banham als frühen Bau des „New Brutalism“ nennt, hat mit béton brut zwar wenig zu tun, erfüllt aber andere Kriterien, die wir verwenden, um den Brutalismus zu charakterisieren : eine gewisse Materialgerechtigkeit, Ehrlichkeit – also „brut“ im Sinne von roh; das kann Glas, Stahl, Aluminium und viel anderes einbeziehen. Ich glaube, es kommt auf die Bandbreite an, auch in diesem Buch. Und da kommt mir spontan das Hallenbad in Neusiedl am See ins Gedächtnis, das ja über einem Betonsockel im Wesentlichen aus Holz und Glas errichtet wurde, was man anfänglich überhaupt nicht mit Brutalismus assoziiert hat …

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Le Corbusiers Ronchamp und einem Zitat aus dessen Frühphase bestätigte sich darin die Klammer zur Klassischen Moderne, aber auch die vorwärts drängende brutalistische Marschrichtung : „L ’architecture, c‘est, avec des matières brutes, établir des rapports émouvants“!6 Emotion! Beziehungen stiften! Lebendigkeit anregen! – all dies durch rohe, raue, räumliche Unmittelbarkeit, das wäre die Topologie des Brutalismus in einer Zeit der Krise. Dieses Buch geht den dezentralen Weg. Wenn es stimmt, dass der Brutalismus ein internationales Phänomen ist, vielleicht schon damals, als innerhalb einer kurzen Zeitspanne eine heftige Debatte in einem kleinen Zirkel Londoner Architekt:innen entbrannt war, stellt sich die Frage, wie er sich denn in der Fläche verteilte – wie er in den Regionen Fuß fasste. Anders herum: wie er sich dort, vor dem Hintergrund einer (zu guten Teilen) retroaktiven Begrifflichkeit und elitären Debatte, erst entwickelte. Waren Banham und die Smithsons der Einstieg, entfaltete sich regional und international, was wir heute das „Phänomen des Brutalismus“ nennen. Zwar erhebt diese Anthologie nicht den Anspruch, den Bruta­ lismus in Österreich flächendeckend aufzufächern, sie geht aber durchaus in die Fläche, will aufgreifen, was bislang so noch nicht Thema der hiesigen Architekturgeschichtsschreibung war : Neun Länderperspektiven, neun Texte, geschrieben für Lai:innen und Expert:innen, nehmen ein Bauwerk oder eine Bauwerksgruppe oder auch eine architektonische Typologie in den Fokus, entwickeln – anhand der konkreten Realität des Gebauten – je eine Erzählung über den architektonischen Dialog mit spezifischen gesellschaftspolitischen, kulturellen, politischen, sozialen, fachlichen oder auch bautechnischen Hintergründen. Der Brutalismus begleitet das Architekturschaffen dieser Jahre eben auch in Österreich wie ein Gespenst, liefert Elemente einer Ausdrucksweise, die sich lokal und individuell neu zusammensetzen, um die Aufgaben der Zeit gestalterisch zu bewältigen. Diese – mit wenigen Ausnahmen – peri-

Das entspricht auch Banham, der die Gestaltungsgrundsätze des Brutalismus ganz deutlich nennt, die Materialwahl dabei aber offenhält. OE Hier die Definition des Brutalismus, die Banham 1955 gibt: erstens die „memorability as an image“, die Erinnerbarkeit als Bild; zweitens die „clear exhibition of structure“, also das klare Herausstellen des Tragwerks; und drittens – und das ist eigentlich das berühmteste Kriterium  – die „valuation of materials as found“, die Wertschätzung der sozusagen „vorgefundenen“ Materialqualität, die man am besten mit der „ready made“- haften Anordnung der berühmten Waschbecken in der Hunstanton School illustrieren kann, ganz im Sinne von Marcel Duchamps‘ objets trouvés. Architektur und Kunst, da besteht ein enger Zusammenhang in der Londoner Szene Anfang der 1950er. Die Smithsons hatten ihre eigene Agenda. Sie gelten mit ihrem Haus in Soho, London, nicht nur als die Ersten, die in diesem Selbstverständnis bauen, sondern das auch so benennen, wenn sie in einem Beitrag für „A. D.“ im Jahr 1953 in ihrer Kürzest-Baubeschreibung erwähnen : „It was decided to have no finishes at all internally – the building being a combination of shelter and environment.“ Sie vergleichen ihr Haus mit dem GeorgianTownhouse und betonen die Qualität der Ausführung der sichtbaren Haustechnik genauso wie die „natürliche Spannung“ der Ziegel in „colour and texture“. OE Ja, die Smithsons haben eher wie Künstler gedacht, Banham erschien ihnen zunehmend als Ideologe. Sie waren Teil der Independent Group, haben an den legendären Ausstellungen Parallel of Life and Art (1953) und This Is Tomorrow (1956) teilgenommen. Ihre Hunstanton School wirkt „gebastelt“, der ganze Innenausbau gleicht Elementen einer Ausstellung, ist eine Ansammlung von objets trouvés : Der Stahl wird nicht zusammengeschweißt, sondern durch Muffen verbunden, Strom- und Wasserleitungen sind offen verlegt. Das Gebäude kehrt sein Funktionieren heraus. Von diesem Konzept gelangt man nicht zu dem, was wir heute unter Brutalismus verstehen – ab spätestens 1966 hängen wir, wie gesagt, architekturtheoretisch in der Luft. Auch die Smithsons selbst vollziehen den Kurswechsel : Ihre beiden Wohnriegel Robin Hood Gardens (1966  –1972) sind echte „Betonmonster“: monumental, skulptural und ziemlich formalistisch.

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phere Perspektive auf einen unscharf umrissenen Zeitraum, namentlich 1960–1980, liegt indes nicht in der Neugier des Blicks auf das Bauen abseits dominanter Zentren mit (akademischer) Deutungshoheit begründet. Solches Vorgehen legitimiert sich aus dem Thema des Buches selbst : Der Brutalismus entsteht erst mit den gebauten Antworten, seine „offene Form“ füllt sich erst im Konkreten, mithin in den Reformpotenzialen der Regionen. Im Fall von Österreich erweisen sich die neun Bundesländer freilich nur als Hilfskonstruktionen – auch wenn sich diese „politische Kon­ stellation“ in mancher Hinsicht dann doch als erhellend zeigt. Die Beiträge des Buchs geben darüber im Detail Auskunft; eingeleitet werden sie nebenan von einem Gespräch mit zwei Fachleuten aus der Denkmalpflege und der Architekturgeschichte. Einer dieser beiden, Oliver Elser, hat in seinem umfassenden Engagement für die Sache den Begriff eines „interregionalen“7 Architekturphänomens geprägt, denn weder ginge es beim Brutalismus um eine internationale noch um eine rein regionale Architekturtätigkeit. Die Teilnahme bekannter und weniger bekannter österreichischer Akteure – ausgebildet im Geist einer Moderne „internationalen Zuschnitts“, mit der man im Nachkriegsösterreich den Fortschritt erwartete, überlaufend da und dort ohne Scheu in die Postmoderne – an dieser interregionalen Ausrichtung wird ihr Werk aufwerten, es gerät mit übergeordneten Fragestellungen in Kontakt, was wiederum die tragende Rolle der Architektur unterstreicht : ob es um Themen wie die Erneuerung des Schulbaus oder die Wiederbelebung einer Kurstadt in den Alpen geht, die infrastrukturelle Ertüchtigung oder die Fortschreibung einer handwerklichen Ästhetik mit anderen Mitteln – ums Baden, Reisen, Lernen etc. Erst ex post ergeben sich aus dem vagen Rahmen innerhalb griffiger Aufgabenstellungen einige „nomenklatorische“ Probleme, die die Akteure ja nicht kümmern mussten. Interessanter sind womöglich auch die latenten Grundlagen. Das brutalis­tische Ausgangsversprechen, einer simplen Fortschrittserzählung „topolo-

Wieso lebt das Phänomen nach Ende der theoretischen Debatten weiter? OE Weil die Debatte nie die ganze Breite dessen erfasst hat, was ohnehin passiert ist. Der Brutalismus war nichts, was die Smithsons und Banham hätten steuern können. Er ist kein neues Rezept, sondern schlicht ein von Avantgarde-Hoffnungen überfrachtetes Erklärungsmodell für eine Neuorientierung nach dem Zweiten Weltkrieg : eine Haltung der Armut, der Direktheit. Wie hat sich die „brutalistische Sprache“ in den weiteren „Phasen“ verändert? Im Katalog „SOS Brutalismus“ aus dem Jahr 2017 sind ja auf über 500 Seiten weltweite Beispiele kartiert – war damit noch eine Haltung verbunden, war man Teil einer Ideologie oder eines politischen Systems oder geht es schon um die eigene „Handschrift“? OE Da würde ich nicht trennen, Architektur ist immer gleichzeitig Haltung, Ideologie, Handschrift – mit jeweils zeittypischer Gewichtung. Aber ihr habt recht : Der Brutalismus der ersten Phase war fast schon „anonym“, die Hunstanton School gleicht einem Industriebau. Wir haben uns beim Projekt SOS Brutalismus auf die zweite Phase konzentriert. Also eigentlich haben wir etwas kartiert, das Banham & Co vom Brutalismus ausgeschlossen haben. Eine neue Definition musste gefunden werden. Wir sprechen vom „Rhetorischen“, das diese Bauten auszeichnet. Sie entstanden nahezu zeitgleich auf der ganzen Welt in fast allen politischen Systemen auf ganz ähnliche, definitiv vergleichbare Weise, nur China fällt heraus. Die äußeren Umstände waren ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung weltweit und ein „Nation Building“ in den Teilen der Welt, die den Kolonialismus hinter sich lassen konnten. Weshalb steht dann – wie eingangs erwähnt – diese Bauweise so in Verruf, wenn sie so erfolgreich praktiziert wurde? OE Wir sollten uns das im Einzelfall ansehen. Es gibt beispielsweise massive Kritik an den Großuniversitäten, die mit den besten Absichten – Stichwort : „Wohlstand für alle“ / „Bildung für alle“ – ab Mitte der 1960er in Westdeutschland gebaut werden, ebenso kurze Zeit später an den Großsiedlungen. Das ist kein allein deutsches Phänomen. Die Smithsons erklären in einem erschütternden BBC-Porträt von 1970, das man sich auf

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gisch“ zu widerstehen, daher die Erfahrbarkeit von Raum und Form mit der Erfahrungsoffenheit des Menschen zu paaren, schwebt über diesen heterogenen Bauten. 1964 verweist der Architekturtheoretiker Jürgen Joedicke bereits auf die Gefahr, dieses Potenzial des Brutalismus als einer „der möglichen Alternativen heutiger Gestaltungsmöglich­keiten“8 zu versäumen. Joedicke – der die deutsche Übersetzung von Banhams Brutalismus-Buch als fünften Band in die Schriftenreihe „Dokumente der modernen Architektur“ aufnahm – sucht ihn als Spielart der Spätmoderne in drei Phasen zu erklären, ihn auszu­ differenzieren in den „Brutalismus im engeren Sinn“ – also den Zirkel um die Smithsons und Banham –, in eine internationale Entwicklung, die später ansetze, sowie in eine Klasse von Einzelgängern, deren Architektur entsprechende Merkmale aufweise.9 Für den Stuttgarter Architekturtheoretiker und Chronisten stellt der Brutalismus keinen revolutionären Bruch dar, eher schon eine evolutionäre Fortsetzung : Mies van der Rohe, Louis I. Kahn und Le Corbusier sind die Vorläufer; als Gewährsleute seiner reinsten Entfaltung (in Denken und Praxis) gelten ihm jedoch Alison und Peter Smithson, deren Arbeit „um eine Reihe von sich ergänzenden Begriffen wie Verantwortung, Wahrheit, Objektivität, Materialund Konstruktionsgerechtigkeit und Ablesbarkeit“10 kreise. Es vermag daher kaum zu erstaunen, dass der Brutalismus wieder in vieler Munde ist – im Guten wie im Schlechten. Heute, da das Bild-Zeitalter sich um die „Materialität“ der Dinge zu erweitern sucht, scheint es, als berge das Rohe und Kraftvolle nicht nur historisches Potenzial. Es ist dabei doch eigentümlich, dass es – neben schmucken Bildbänden – letztlich die Denkmalpflege übernommen hat, ihn als Teil des baulichen Gedächtnisses zu kanonisieren, in den „Bestand“ aufzunehmen. Was die problematische Stilisierung des Brutalismus zum Design-Objekt dagegen leistet, ist das Aufzeigen einer Schönheit, die diese Baukunst zu schaffen vermocht hat : Räume, die gegenüber der Gotik, der Romanik,

YouTube anschauen kann, dass sie damit rechnen, dass Robin Hood Gardens von den ersten Generationen der Bewohner abgelehnt werden wird. Sie rechnen mit Vandalismus. In Österreich spricht der zentrale Architekturhistoriker Friedrich Achleitner kaum vom Brutalismus; auch Architekten dieser Zeit wollen nicht unbedingt mit dem Begriff in Verbindung gebracht werden, höchstens mit „schalreinem Beton“. OE Wie Achleitner damals geurteilt hat, das hat bis heute einige Sprengkraft. Reden wir also über das Kulturzentrum Mattersburg (1976) : In der Diskussion um den Denkmalwert, so um 2014/2016, da hieß es, auch vonseiten des für den Teilabriss verantwortlichen Architekturbüros sinngemäß : „Was regt ihr euch eigentlich so auf, das war ja schon für Achleitner Mist!“ Also muss man hier den österreichischen Doyen der Architekturgeschichte zitieren, er schreibt in dem für ihn so typischen, wunderschön lakonischen Sound : „Es ist schade, daß man hier auf die Potenz der neueren österreichischen Architektur verzichtet und sich für eine Nachahmung des Sichtbeton-Brutalismus der frühen sechziger Jahre entschieden hat.“ Also zusammengefasst schreibt er  : Das Kulturzentrum Mattersburg kommt zu spät, es ist epigonal, eine billige Kopie. Wenn man dann aber in seinem Architekturführer wenige Seiten später den Artikel über das Pfarrzentrum in Oberwart (1969) von Günther Domenig und Eilfried Huth liest, ist er voll des Lobes; warnt aber implizit von den Verwässerern à la Mattersburg : „Es bleibt aber das Verdienst dieser Arbeit, ins Zentrum der Architekturdiskussion vorgestoßen zu sein, und man sollte sie nicht für die oberflächlichen Folgebauten und Mißverständnisse verantwortlich machen.“ Also : das Original ist Oberwart, die später entstehenden Folgebauten hingegen nur oberflächliche Missverständnisse – und dazu zählte für ihn offenkundig auch der Mattersburger Bau von Herwig Udo Graf. Die Pädagogische Akademie (1969) hin­ gegen, eben­­falls von Domenig/Huth, sieht er dann kritisch. Wie generell ist bei ihm die Tendenz zu spüren ist, mit Wiener Blick auf die Durchwachsenheit der baulichen Qualität in der Provinz zu schauen. Um ihm aber nicht unrecht zu tun, bei seinem im guten Sinn scharfen Urteil, so schätzt Achleitner eben die „konstruktive Moderne“ theoretisch höher ein – die arbeitsgruppe 4 oder die Architektur von

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den Stilepochen der Vergangenheit ihre fremdartige Eigenständigkeit behaupten. Das vorliegende Buch folgt einer Sichtweise, die von der konkreten Form in ihrem ebenso „konkreten“ Kontext ausgeht; der Brutalismus stellt sich dabei als evokatives wie als – auf eigene Weise – evoltives Modell dar. „Brutal“ war er nur insofern, als es zu einer bestimmten Zeit darum ging, mit herkömmlichen Seh- und Lebensgewohnheiten zu brechen. Es ging um ein Bauen für die „Masse“, teils „von oben“ verordnet, paradoxerweise aber zugleich auch gegen die „Versachlichung“ und „Glättung“, gegen die Perfektionierung unserer Lebensvollzüge gerichtet. Und das ist umso mehr noch in jenen Bauten zu spüren, die nicht zu den erstrangigen Objekten zählen. So besehen, hat der Begriff „brut“ direkt mit dem kulturkritischen Gehalt seiner Form zu tun : Der einfachen Anpassung an die konsumistische Widerstandslosigkeit gegenüber bleibt sie widerständig, verdeutlicht, dass das Geläufige nicht immer die bessere Option wäre. Wenn die Smithsons, neuerlich in weiser Voraussicht, zudem im Rückblick auf das „Land des Humanismus“, in den 1990er-Jahren von „Schnittstellen“ sprechen, die es in Zukunft vor allem zu entwerfen gelte, so erfüllen die in ganz Österreich verstreuten Bauten dieses Buchs die Aufgabe bestens. Alison und Peter Smithson entwickelten in ihren späten „Italienischen Gedanken“ die Vorstellung einer „konglomeraten Ordnung“ – zu gestalten gäbe es nur noch mögliche Zwischenräume, durch die es Stadt und Land, Landschaft, Bauwerk und Infrastruktur in eine gedeihliche Verbindung zu setzen gelte; den Entfaltungen der Natur entsprächen solche „physische Verknüpfungselemente“. Durch sie setzt sich der alte Brutalismus vielleicht auf neue, topologisch weit ins Land ausgreifende Weise fort – eine Gestaltungsweise, die „in den Ereignissen und Strukturen, die ihre Gegenstücke darstellen […] ein Gefühl für Zusammengehörigkeit erzeugen.“11 Albert Kirchengast

Traude und Wolfgang Windbrechtinger, die ja in Graz ausgebildet wurden –, als etwa Karl Schwanzers zum Ikonischen und Inszenatorischen neigende Auffassung, die er andernorts ebenfalls kritisiert. NC Natürlich ist in Österreich Achleitners Urteil, so wie es mannigfach in sein geschriebenes Werk eingeflossen ist, gewissermaßen „amtlich“. Alle schlagen im „Achleitner“ nach und betrachten seinen „Architekturführer“ gerne als einzige Wahrheit. Er ist eine mächtige, eine sehr gebildete, eine sehr intelligente Stimme und dem entsprechend ist natürlich ihre Wirkung. Wenn Achleitner in seinem Urteil dann die einen oder die anderen bevorzugt, dann wiederum andere als Epigonen, Nachzügler und Trittbrettfahrer oder verspätete Nachahmer bezeichnet, anderes als wenig gelungen, nicht originell etc. erachtet, dann ist das stets auch aus dem momentanen Blickwinkel des Schreibenden heraus zu verstehen. Die Sicht Achleitners auf den Brutalismus ist heute, mindestens teilweise, überholt; heute befinden wir uns Jahrzehnte von diesen Einschätzungen entfernt und betrachten die Sache noch einmal. Gleichzeitig erkennen wir die Schwierigkeit der kunst- oder architekturhistorischen Gliederung und Begrifflichkeit : Das sind ja alles nur Krücken oder Eselsleitern, die uns ein wenig helfen, Ordnung in die Unordnung zu bringen. Und da spielen die Epochenbegriffe und Stilbegriffe eine Rolle : Der Brutalismus, so breit wir ihn sehen mögen, ist nur eine der vielen Ingredienzen der Nachkriegsmoderne. Nehmen wir den Architekten Herman Hertzberger. Wenn ich einen Studenten frage : Wer ist Herman Hertzberger, wofür ist er bekannt geworden? Dann wird der eine vielleicht sagen, dass das doch der Strukturalist sei, mit dem Gebäude der Centraal Beheer in Apeldoorn (1968 –1972). Gleichzeitig kann man dasselbe Gebäude nehmen und sagen : Das ist auch Brutalismus. Und jetzt treffen mit Strukturalismus und Brutalismus zwei Begriffe aufeinander und vermischen sich, man gerät ins Schlingern oder verliert sich. Begriffe und Bezeichnungen sind in der Architekturgeschichte eben nur ordnende Hilfsmittel, die fallweise umschrieben und präzisiert werden müssen. Vor einigen Jahren, bei den Vorbereitungen zu einer Tagung, die sich dem „Strukturalismus“ widmen sollte, war man erst einmal mit der Frage konfrontiert, wovon er überhaupt handle. Das hat dann die „wissenschaftliche Gesellschaft“ mit der Kraft des Faktischen ihrer Debattenbeiträge besorgt – es scheint dennoch, als

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1 Reyner Banham: „The New Brutalism“, in: Architectural Review, Heft 708. London 1955, S. 354–361, S. 357. 2 Reyner Banham: The New Brutalism: Ethic or Aesthet-­­­­­­ ic? London 1966. 3 Ebd., S. 10. So lautet ja auch der vollständige Buchtitel. 4 In Heinrich Wölfflins „Kunstgeschichtlichen Grund­­­be­ griffen“ heißt es im Kapitel „Geschlossene Form und offene Form“ schon 1915: „Gemeint ist eine Darstellung, die mit mehr oder weniger tektonischen Mitteln das Bild zu einer in sich selbst begrenzten Erscheinung macht, die überall auf sich selbst zurückdeutet, wie umgekehrt der Stil der offenen Form überall über sich selbst hinausweist, unbegrenzt erscheinen will, obwohl eine heimliche Begrenzung immerfort da ist und eben den Charakter der Geschlossenheit im ästhetischen Sinne möglich macht.“ Nott Caviezel hat mich darauf aufmerksam gemacht. 5 Banham 1955, S. 361.

6 Ebd., S. 354. 7 Oliver Elser: „Just what is it that makes Brutalism today so appealing? Eine neue Definition aus inter­ nationaler Perspektive“, in: Oliver Elser, Philip Kurz, Peter Cachola Schmal (Hg.): SOS Brutalismus. Eine internationale Bestandsaufnahme (Kat. Frankfurt am Main, Deutsches Architek­­­tur­ museum). Zürich 2017, S. 15–19, S. 16. 8 Jürgen Joedicke: „Brutalismus in der Architektur“, in: Bauen + Wohnen, Heft 18, Zürich 1964, S. 421–425. 9 Ebd., S. 421. 10 Ebd. 11 Alison und Peter Smithson: Italienische Gedanken, weitergedacht, herausge­ geben von Karl Unglaub. Basel 2001, S. 22.

wäre der Strukturalismus griffiger, theoretisch belastbarer als der Brutalismus? OE In aller Kürze : ja. Diese Vorstellung von „Stilreinheit“ führt doch nur in Sackgassen. Ein Gebäude kann metabolistisch, strukturalistisch und brutalistisch zugleich sein. Ich denke da an das Yamanashi Press and Broadcasting Center von Kenzo Tange (1961–1966) und an viele Bauten des Wiederaufbaus in Skopje, die davon beeinflusst waren. Ist ja eigentlich auch klar, dass zu jeder Zeit einander überlagernde Diskurse stattfinden, die ihre Spuren hinterlassen. Wie wurde der Begriff Brutalismus eigentlich in der Schweiz verhandelt? Domenig und Huth haben dorthin geblickt, auf den plastischen Beton-Kirchenbau Walter Maria Förderers zum Beispiel. NC Ich meine, dass in der Schweiz, auf den ersten Brutalismus bezogen, weniger theoretisiert und mehr gebaut wurde. Eine Reihe von Exponenten, natürlich Förderer (zusammen mit Otto Zwimpfer), aber gleichzeitig auch Ernst Gisel, Otto Glaus oder das Atelier 5 sind mit ihren realisierten Bauten schon in den frühen 1960erJahren durchaus auf eine breite Zustimmung gestoßen. Sie wären in der Folge sonst gar nicht so erfolgreich gewesen. In der zeitgenössischen Fachpresse erscheint im Zusammenhang mit ihren Bauten zuweilen auch der Begriff Brutalismus, der aber in ziemlich undogmatischer Art verstanden wurde, vielleicht wegen der vorhandenen Vielfalt an architektonischen Ausdrucksweisen. Selbst Gebäude und Anlagen der Jurasüdfuß-Architekten, der sogenannten Solothurner Schule, mit Fritz Haller, Franz Füeg, Max Schlup und anderen, die auf Anhieb nicht unbedingt mit Brutalismus in Verbindung gebracht wurden, sind – auch ohne das Leitmotiv des Sichtbetons – in gewisser Weise „brutalistisch“. Wenn wir von der Schweiz reden, gibt es im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aber einen ganz wesentlichen Unterschied : Wir kennen den „Wiederaufbau“ nicht. Entsprechend war das erste Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg weniger eine Zeit, um aus der Not heraus Neues auszuprobieren. Trotzdem tauchen in der Schweiz die ersten brutalistischen Bauten bereits in den späten 1950er-Jahren auf. Sogar während des Krieges hat man auf kleinerem Feuer gebaut, und als der Krieg zu Ende war, baute man einfach weiter, beobachtete aber aufmerksam die internationalen Strömungen. P 01

OE Ich möchte an das anschließen, was du zum Wiederaufbau gesagt hast. Das, was wir heute Brutalismus nennen, ist keine WiederaufbauarchiP 01 Anzeige einer Baufirma in der „Architectural Review“, 1955

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tektur. Brutalismus im heute gängigen Verständnis setzte erst nach dem Wiederaufbau wirklich ein. Die „fetten Jahre“, die Boom-Jahre : Das ist Brutalismus. Bereits der Wiederaufbau war heftig umstritten, ich denke da zum Beispiel an Adornos Rede „Funktionalismus heute“ (1965) oder auch Mitscherlichs „Die Unwirtlichkeit der Städte“ (1965). Aber da hatte der Brutalismus, wie wir ihn heute verstehen, ja kaum begonnen. Blickt man nun auf die Architektur der 1950er-Jahre, hat diese noch etwas stark Synthetisierendes, es gibt eine Modernisierung, aber durchsetzt mit teilweise noch klassischen, traditionalistischen Tendenzen; in Westdeutschland gibt es die Diskussion über einen sogenannten „Neuen Reichskanzleistil“ (der Düsseldorfer Architektenstreit), aber in ganz Europa wird ähnlich gebaut, ob Ost oder West, ob aus Kriegszerstörungen herauswachsend oder nicht. Österreich hatte nicht nur Roland Rainer, sondern auch eine gemäßigte Moderne wie Erich Boltenstern. Dann, ab Mitte der 1960er-Jahre, passiert tatsächlich etwas Neues : Die Bauaufgaben werden immer größer, es werden neue Städte gebaut, neue Universitäten werden geplant. Nach der ersten Not des Wiederaufbaus öffnet sich Architekten die Möglichkeit, unfassbare Bauvolumina in die Hand zu nehmen. In diese Zeit fällt auch die Beschäftigung mit Fertigteilen : Der Universitätsbau in Deutschland war ein Nachdenken über ein Bauen mit Fertigteilen und es entstand eine Architektur, die wir heute meist als brutalistisch bezeichnen, hier insbesondere die Ruhr-Universität Bochum. Dieser Universitätsbrutalismus (und der Protest dagegen) ist in den USA in direktem Zusammenhang mit der Entstehung der Studierendenrevolte von 1968 zu sehen. Der für den wiederum nächstfolgenden Richtungswechsel in der Architektur so wichtige Architekt und Theoretiker Christopher Alexander wurde nach Buffalo berufen, um Strategien gegen den dortigen Betoncampus zu entwickeln.

Wie also stellt sich der Unterschied zwischen „Stil“ und „Epoche“ für dich dar? NC Wir kommen da auch zu einem denkmalpflegerischen Problem : Wenn wir von „Stil“ reden, dann reden wir implizit auch von einem Bild, von dem, was wir im ersten Anflug sehen. Natürlich ist Stil noch mehr. Aber eigentlich dominiert das Bild. Und wenn wir von „Epoche“ reden, dann, meine ich, steckt da sehr viel mehr drin als die alleinige Erscheinung, die wir wahrnehmen. Dieser oberflächlichen Wahrnehmung ist geschuldet, dass in der breiten Bevölkerung die Nachkriegsmoderne und besonders der Brutalismus als unschön und hässlich abqualifiziert wird. Niemand geht hin, schaut und fragt sich : Wie ist denn das gemacht? Niemand geht hin und berührt den rohen Beton oder beurteilt aus der Nähe, ob das Holz behandelt ist usw. Die breite Masse leitet den Stil, etwas vereinfacht gesagt, von der Erscheinung der Dinge ab. Damit entsteht für die Denkmalpflege eine Schwierigkeit, ist ihr doch aufgetragen, nicht nur die äußere Erscheinung der Denkmäler zu erhalten, also deren Bild, sondern ganzheitlich die Substanz. Im Gegensatz zum Stil, der auch eine gewisse Nähe zur Mode und zum Zeitgeschmack besitzt, bezeichnet und umfasst eine Epoche die Ganzheit eines kulturellen Zeitabschnitts, der durchaus von einer künstlerischen Vielfalt geprägt sein kann. Der Brutalismus ist ja eine Haltung, die vieles umfasst. In ihrem Ausdruck mehr ein Stil als eine Epoche, aber vielleicht ist diese Unterscheidung gar nicht so wichtig. Als ich gestern aus dem Hauptbahnhof Zürich gefahren bin, da sind mir wieder einmal die neuen Bauten von Esch Sintzel aufgefallen, rechts an den Gleisen. Körperhaft, mit plastischen Qualitäten der Raumbegrenzung; wenige Materialien, rohe Backsteinpfeiler, sparsam Sichtbeton, in den Fassadenaussparungen Metallrahmen und -brüstungen und Glas, alles ausdrucksstark austariert und raffiniert gefügt, und ich dachte mir, das ist eigentlich noch immer (oder wieder) Brutalismus, wenn wir von den genannten Definitionen ausgehen.

NC Wir haben vorhin vom Bemühen der Kunstgeschichte gesprochen, rückblickend Ordnung und Übersicht zu gewinnen. Und alle wissen, dass diese Ordnungen verschiebbar sind, dass sie neu gelesen werden können, dass plötzlich in der Abfolge der Epochen entdeckt wird, dass eigentlich die Übergangszeiten vielleicht die Interessantesten sind. Die übliche biologistische Metapher des „Keimens eines Stils“, mit einem Höhepunkt und einem Abflachen bis zum Sterben, um einer folgenden Epoche Platz zu machen, gerät da ins Wanken. Wo in der zurechtgelegten Ordnung sich das Tradierte mit dem Gegenwärtigen trifft bzw. wo sie sich überlappen, sind die interessanten Zeiten, denn da keimt etwas. Die lauten Paukenschläge sind da eher selten. Insofern ist es auch spannend, danach zu fragen, wie sich der Brutalismus entwickelt hat und ob es sich um einen Stil oder um eine Epoche handelt oder um etwas anderes.

… auf der Homepage von Esch Sintzel findet sich neben dieser Wohnüberbauung seines Büros ein Referenzbild des Economist Buildings (1962–1964) der Smithsons … OE Wir sind also noch mittendrin! Oder schon in der Renaissance! Ein Teammitglied unserer Brutalismusausstellung, Felix Torkar, promoviert gerade über „Neo-Brutalismus“. Er beschäftigt sich damit, dass in den vergangenen zehn Jahren so viele Bauten errichtet wurden, die

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für eine Art „Neue Armut“ stehen, für das Direkte, Rohe, Trockene im Sinne des Banham’schen Ur-Brutalismus. Es gibt etliche Beispiele von offenen Rohrleitungen, unbehandeltem Holz, unverputzten Ziegelwänden, rohen Rigips-Platten (selbst in der superchicen Fondazione Prada in Mailand), schalungsrauem Sichtbeton. Seit zwanzig Jahren ist das Werk von Lacaton & Vassal auf diese Weise „neo-brutalistisch“, nun zählt es zur Hipster-Distinktion, an einem Seekiefertisch vor einer unverputzten Betonsteinwand zu sitzen, als wäre man in einem evangelischen Gemeindezentrum von 1975. Historisch betrachtet würde ich aber sagen, dass in Deutschland und Österreich die letzten Gebäude des Brutalismus um 1980 fertiggestellt wurden. Aber in der Sowjetunion entstanden etliche Bauten, die heute in Coffeetable-Books gefeiert werden, erst in den späten 1980ern. Und jetzt diese Renaissance :  Wir befinden uns also in einer Art Zeitschleife. Die Postmoderne sieht das Bild ja als Oberfläche, während das starke Bild brutalistischer Bauten doch eher aus der Konstruktion, der Struktur, der Stofflichkeit stammt. Muss man daher nicht die Vorläuferschaft des Brutalismus für die Postmoderne, mit ihrer Wiederaufnahme der historischen Form, sein schlichtes „Aufgehen“ darin, kritisch sehen – oder folgt man da zu sehr den Vorgaben der „frühen Phase“?

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OE Diese Abgrenzung von „Image“ versus „Struktur“ halte ich für falsch. Auch wenn jetzt alle aufschreien, die der Moderne und Spätmoderne eine Art „Ehrlichkeit“ zugutehalten, die dann vom Bling-bling der Postmoderne abgelöst werde. „Wohlfahrtsstaat gleich Brutalismus, Postmoderne heißt hingegen Neoliberalismus“ – wenn es doch so einfach wäre! Welche Rolle bereits im Brutalismus die Dominanz von Images hat, kann man an einem berühmten Bildvergleich sehen, den nicht nur Robert Venturi und Denise Scott Brown in „Learning from Las Vegas“ hergestellt haben : Die Boston City Hall (1962–1968), nach den Aussagen ihrer Architekten Kallmann McKinnell & Knowles die Wiederkehr eines Renaissance-Palazzo, und das Kloster La Tourette (1953–1960) von Le Corbusier direkt miteinander zu konfrontieren zeigt nicht nur, dass da eine starke Verwandtschaft vorliegt, ein „Kunstwollen“ jenseits jeder funktionalen Ratio. Wir haben es in unserer Ausstellung das „La-Tourette-Syndrom“ genannt, eine Infizierung der Architektur ab 1960 mit der Wiederkehr von Tempelformen, die wiederum auf Le Corbusier zurückgehen. Das ist bereits die

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P 02 Doppelseite aus „Learning from Las Vegas“, 1972

postmoderne „presence of the past“! Und zugleich eine Antwort auf den Verlust der Monumentalität, den Sigfried Giedion bereits 1943 beklagt hat.

offenbar Achleitner. Man müsste davon wegkommen, dass „verspätet“ „minderwertig“ bedeutet. Das ist nämlich oft nicht der Fall, denn mit der Verspätung kann auch eine Verbesserung oder eine Weiterentwicklung einhergehen, die in den Anfängen gar nicht vorhanden bzw. nicht angelegt war. Und deshalb ist „verspätet“ für mich kein Qualitätskriterium. Ich möchte eine Lanze brechen dafür, dass Österreich und seine Bundesländer mit Blick auf den Brutalismus nicht einfach Provinz oder Peripherie sind, mit dem einzigen Bezug auf wenige große Geister, ein paar Zentren, die Ikonen und die Avantgarde, die einmal etwas vorgemacht haben.

Heißt das, es geht um „Familienähnlichkeiten“, bar jeden Hintergrunds, jeder Idee oder Theorie? OE Mir ist bewusst, dass meine Argumentation sich erstmal so anhört, als ginge es nur um formale Vergleiche. Ich sage aber nicht, dass der politische Hintergrund oder auch ökonomische, bautechnische und klimatische Erwägungen überhaupt keine Rolle gespielt hätten. Doch der Brutalismus lässt sich daraus nicht „ableiten“. Ganz generell halte ich nichts davon, in der Architektur die „Widerspiegelung“ von was auch immer zu sehen. Gerade der Brutalismus ist oftmals eher ein Gegen-die-Verhältnisse-Ankämpfen als ein Affirmativ-darin-Aufge­ hen. Aber ist das nicht der Glutkern jeder guten Architektur? Die Kraft all dieser Bauten liegt nicht nur in der Konstruktion, nicht nur im Material und dessen Verarbeitung. SOS Brutalismus war der Versuch, einen Fortsetzungsband zu Banhams Buch von 1966 zu schreiben, allerdings kommen wir eben mit der Banham’schen Brutalismus-Definition über das Jahr 1966 nicht hinaus. Als wir dann die „Rhetorik“ als weiteres Kriterium hinzugenommen haben, entdeckt man plötzlich bereits um 1965 ganz viel Postmoderne, all diese Bauten in der Form von Tempeln, Burgen und überdimensionalen Säulen. Aber dieses „Klassische“ ist ja, zumal in den USA, nie wirklich weg gewesen.

OE Ich möchte das noch zuspitzen und ein politisches Argument daraus machen : In dem Moment, in dem man sich gegen die Idee des Geniekults, des originären Genies – danach kommt nur mehr das Epigonale – richtet, verbreitert man den Bereich des Zulässigen. Indem man also Achleitner widerspricht, wird das vermeintlich „Späte“ und Provinzielle aufgewertet, die „gute Form“ oder auch „gelungene Gestaltung“ werden demokratisiert, sind nicht länger ein von ästhetischen Eliten beherrschtes Feld. Wobei : Friedrich Achleitner war wirklich das Gegenteil eines elitären Kunstrichters! Wir hacken hier ja nur deswegen so sehr auf seinem Mattersburg-Urteil herum, weil er sich als Einziger die Mühe gemacht hat, Baukultur jenseits der Zentren überhaupt wahrnehmen zu wollen. Ich denke, es fällt jedem schwer, die Werke der unmittelbaren Gegenwart angemessen beurteilen zu können, weil immer der Verdacht mitschwingt, dass da jemand versucht, allzu stromlinienförmig zu sein, sich allzu billig aus der Affäre zu ziehen.

NC Apropos „Zeitschleife“ : Die sogenannte „Stilverspätung“ ist ja ein Begriff, den man in der Kunstgeschichte gerne wählt, um etwas besser zu verorten. Ein Hobby der kunsthistorischen „Kennerschaft“, die man sich im Laufe eines Lebens aneignet, hilft natürlich auch bei der Betrachtung der Baukunst : Man schaut sich etwas an und ist in der Lage, etwas örtlich und zeitlich einzuordnen. Über die „Stilverspätung“ hinaus spielt ein nach wie vor aktuelles Kriterienpaar eine Rolle, das ich hier gerne ansprechen möchte : Zentrum und Peripherie bzw. Zentrum und Provinz. Was heißt das denn, wenn etwas als „provinziell“ bezeichnet wird? Sind „Provinz“ und „Peripherie“ das Gleiche? Ebenso wie der „Stilverspätung“ haftet auch der Peripherie und dem Provinziellen etwas Negatives an. Da gibt es den Heroen, der etwas erfindet, und dann kommen die Epigon:innen und Schüler:innen in seinem Umfeld und, noch später, springen dann auch noch die vom Zentrum weit entfernten Provinzler auf. Gemäß dieser Auffassung wäre also irgendwo der Brutalismus erfunden worden, und zwanzig Jahre später kommen dann auch noch die Österreicher – so sah es ja

Das waren jetzt zwei Argumentationen für den Brutalismus in Österreich, die man auch „historiografisch“ nennen kann : wider die „Stilverspätung“, wider das Elitäre. Aber gewinnt man mit solchen Argumenten das Publikum einer Ausstellung? OE Da muss man konkreter werden. Ein Beispiel : Wir hatten anfangs die Idee, in unsere Ausstellung ein Kapitel über „brutalistische Handläufe“ aufzunehmen. Es gibt so viele wunderbare massive Handläufe aus Holz in sorgsam geschalten Betontreppenhäusern, in einer enormen Handwerksqualität, die man danach in den 1980er-Jahren nicht mehr so ohne Weiteres findet, da kam dann stattdessen billige Katalogware zum Einsatz. Die handwerkliche Qualität, das war für uns immer ein zentrales Argument, um

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die Besucher:innen im DAM anzusprechen. An einer zentralen Stelle der Ausstellung sah man auf einem riesigen Foto zwei Bauarbeiter in Jeans und freiem Oberkörper, die jeweils mit einem gewaltigen Hammer eine frisch ausgeschalte Betonwand traktieren. Was machen die da? Paul Rudolph hat es „bush hammering“ genannt, man erzeugt eine raue Oberfläche, eine Art Kanneluren-Struktur. Vom Aufwand her ein totaler Wahnsinn! Wer das einmal gesehen hat, der sieht ein auf diese Weise handwerklich bearbeitetes Betonmonster mit ganz anderen Augen. Eine andere Strategie, das Publikum zu erreichen, war das „Prin­zip Weltreise“. Durch die geografische Gliederung erzeugt man Neugier darauf, was denn damals zum Beispiel in Neuseeland los war oder in einigen arabischen Ländern, zu denen viele Besucher:innen in einer Stadt wie Frankfurt eigene Erfahrungen beizusteuern haben. Die globale Gleichzeitigkeit des Brutalismus haben wir auch aufgegriffen, als SOS Brutalismus in Aalen zu sehen war, einer Kleinstadt östlich von Stuttgart, die damals über den Abriss ihres brutalistischen Rathauses diskutiert hat. Das Gebäude von 1975, entworfen 1968, erinnert stark an das Kagawa Prefectural Office von Kenzo Tange (1954 –1958). Wir haben das zum Thema gemacht und plötzlich wehte ein Hauch von Japan durch die schwäbische Provinz, was die Leute dort nicht als Vorwurf empfanden, 20 Jahre zu spät gewesen zu sein. Wir haben so viel darüber gesprochen, wie alles begann. Aber wie endete denn der Brutalismus? OE Zum einen gab es die Ölkrise, es musste nun alles in Dämmung eingepackt werden. Gut geschalter Beton ist außerdem ab 1970 einfach zu teuer geworden, weil die Arbeitskosten explodiert sind, darauf hat Gottfried Böhm hingewiesen, der in Westdeutschland fantastische expressionistisch-brutalistische Kirchen geschaffen hat. Außerdem war eine extreme Form der weiteren Industrialisierung des Bauens auf dem Vormarsch : Handwerk wird durch Industrieprodukte ersetzt. Die stadtzerstörenden Auswirkungen der Architektur der 1960erJahre traten immer stärker ins Bewusstsein, man bekam Angst vor der Ghettobildung in den Großsiedlungen. In Deutschland hat ja damals jede Kleinstadt ihre Wohnhochhäuser abgekriegt, deren Ansehen meist kurz darauf total ramponiert war. Vom Umsteuern der Architektur und Stadtplanung in den 1970ern – nicht zuletzt auch beeinflusst durch das Kulturerbejahr 1975 – wurde auch der Brutalismus hinweggefegt.

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Der Brutalismus – paradoxerweise – als Ausdruck architektonischen „Feinsinns“?

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P 03 Cover des Begleitbuchs zur offiziellen Wanderausstellung im Europäischen Denkmalschutzjahr 1975

OE Ja, absolut! Es gibt da ein schönes, also eigentlich ein schreckliches Beispiel für einen überformten brutalistischen Bau, an dem man sehr gut sieht, wie man sich in den 1980ern vor dem Brutalismus der 1960er regelrecht gefürchtet hat. Aber durch die Verdrängung, man ahnt es, wurde alles sehr viel schlimmer! Das Kunstgewerbemuseum von Rolf Gutbrod in Berlin wurde ab 1967 entworfen, es gibt eine tolle offene Treppenhalle mit Betonbalken, die kreuz und quer durch den Raum schießen. Als es dann 1985 endlich eröffnet hat, waren sämtliche Sichtbetonflächen grau überstrichen und auf die horizontalen Balken wurde polierter Granit draufgeklebt, damit sie nicht mehr so eine böse Betonoberfläche haben, jegliche Form von Materialität und Materialgerechtigkeit waren verschwunden. Das Museum ist Bau und Gegenbau in einem. Wir haben dort vorgeschlagen, das für unsere Ausstellung vorgesehene Budget lieber dazu zu verwenden, den Beton wieder freizulegen. Doch dann wurde alles abgesagt, weil das Geld für das Humboldtforum im wiederaufgebauten Preußenschloss gebraucht wurde.

ein herkömmlicher Begriff des Schönen an; schön sind Kirchen, Schlösser und alte Rathäuser. Dieses gemeinhin Schöne entzieht sich nun der Nachkriegsmoderne und mehr noch dem Brutalismus. Man müsste die Schönheit der Nachkriegsmoderne, die Schönheit des Brutalismus anders erklären, auf Dinge aufmerksam machen, die das Schöne als Begriff eben auch mitführt : beispielsweise die Materialien, teilweise kostbare, teilweise eben nicht kostbare, aber gut kombiniert und verarbeitet oder vorfabriziert, die von Oliver erwähnte handwerkliche Qualität. Heute sind wir in der ungemütlichen Lage, dass dieselbe In­ stitution Dinge, die sie vor 40 – 50 Jahren noch vehement bekämpft hat, unter Schutz stellen müsste und dies, bei allem Nachholbedarf, auch tut. Das ist offenbar der Lauf der Zeit; es war schon immer so, dass das Interesse für die uns am nächsten liegende Vergangenheit gering war. Aus einer gewissen zeitlichen Distanz heraus, vielleicht 20 oder 25 Jahre, denkt man die Dinge neu, man bewertet sie erneut und geht dann dementsprechend auch anders mit ihnen um. Unlängst hat in Weimar – meines Wissens – der erste, größere Kongress stattgefunden, der dem Thema Denkmalpflege der Postmoderne gewidmet war. Ja, es ist absolut an der Zeit, wenn nicht schon zu spät, die 1980er-Jahre und die 1990er-Jahre ins Auge zu fassen. Dass wir in der Denkmalpflege noch immer mit dem Brutalismus und den 1970er-Jahren und sogar den 1960er-Jahren kämpfen, ist eigentlich ein Armutszeugnis. Bei allem Respekt, aber diesbezüglich hat die Denkmalpflege die Sache etwas verschlafen.

Was macht es den Menschen dennoch so schwer, sich mit dem Brutalismus, wenn schon nicht zu identifizieren, so doch abzufinden als Teil der Baugeschichte? NC Wenn man die letzten 150 Jahre Denkmalpflege überblickt, wie sich ihre Grundsätze und Theorien gewandelt haben, dann kommt man irgendwann in die Nachkriegszeit, in die Boom-Jahre des Bauens, und dann kommt dieses wichtige Jahr für die europäische Denkmalpflege : 1975. Da wurde, eigentlich auf Kosten der Gegenwartsarchitektur und auf dem Buckel dieses Bestands, für eine traditionelle Auffassung von Denkmalpflege geworben, welche die jüngste Vergangenheit einfach ausblendete. Mit großem Erfolg : das bekannte Buchcover „Eine Zukunft für unsere Vergangenheit“, mit den zwei so vielsagenden Fotos; links die Nachkriegsmoderne, unwirtlich, dominant, eintönig, scheußlich, hässlich etc., rechts : eine gewachsene Altstadt mit Fachwerkhäusern … Mit diesem Beispiel will ich zeigen, dass es in der Denkmalpflege lange gebraucht hat, und wir stecken immer noch mitten in der Schwierigkeit, den gemeinhin gebräuchlichen Begriff des Schönen anders zu verstehen, in etwas anderes zu transportieren als das herkömmlich Schöne. Das herkömmlich Schöne, das hat die Denkmalpflege, seit es sie gibt, immer gepflegt und immer geschützt, und es hat lange gedauert, bis man auch die bescheideneren Gebäude beachtete, bis man auch den Schutz von Ensembles erwog, bis man, weg von den Städten, auf das Land gekommen ist, zur bäuerlichen Architektur. Auf der Straße draußen, wenn ich Leute heute frage, haftet der Denkmalpflege immer noch

Erschwert der Brutalismus denn der Denkmalpflege ihre Aufgabe, materiell, konstruktiv, handwerklich : Beton in Zeiten der Dämmung, in Zeiten der Schalen und Schichten? Zumindest in Österreich gibt es bis dato wenige Fälle, bei denen Beton wirklich restauriert wurde. Man tut so, als ginge das partout nicht, redet sich auf das „pure“ Erscheinungsbild aus. NC Wir sind heute in der Lage, Beton zu sanieren, ohne seine intendierten materiellen und ästhetischen Qualitäten wesentlich zu beeinträchtigen, und die Technologie und die Methoden werden noch weiterentwickelt werden. Jedenfalls darf ein in die Jahre gekommener Sichtbeton, dessen Oberfläche schadhaft ist, nicht von vornherein als Vorwand genommen werden, um ihn zu ersetzen oder ein Gebäude gar abzureißen. Man darf einem reparierten Beton die Reparatur auch ansehen. Wir leben ja schon lange im Reparaturzeitalter : Wir sind daran, so gut es noch geht, unse-

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ren Planeten zu reparieren, wir reparieren unsere Städte, unsere Häuser und Gegenstände. Die Denkmalpflege hat schon immer repariert. Ich glaube, wir müssen auch den Brutalismus auf der Grundlage der Reparatur instand setzen, erneuern, dort, wo es notwendig ist, versuchen, ihn als ganzheitlichen Zeugen und eben nicht nur als Bild zu erhalten.

deckt sich nicht immer, manchmal gar nicht mit dem „Interesse der Öffentlichkeit“. Wo trifft man sich da? Man müsste betonten, dass es die Öffentlichkeit ist bzw. ihr gesellschaftliches Anliegen, dass es ein Denkmalschutzgesetz und ein Amt für Denkmalschutz gibt, das mit der Umsetzung dieses Gesetzes betraut ist. Worin liegt dann die Schönheit des Brutalismus?

OE Ich möchte dieses wunderbare Plädoyer mit einer etwas anders gelagerten Perspektive konfrontieren. Wir sind ja mit dem Projekt SOS Brutalismus in die Rolle hineingewachsen, eine Art von aktivistischer Plattform zu sein. Abrisskandidaten werden uns angetragen, die Leute kommen zu uns, und sagen : „Wir wollen das hier bewahren : helft uns!“ Dabei stellt man fest, dass Denkmalschutz eigentlich ein viel zu kurzes Schwert ist, weil wir natürlich nicht den gesamten Bestand unter Denkmalschutz stellen können. Wir können uns die denkmalgerechte Bauwerkserhaltung in der ganzen Breite des Bestands gar nicht leisten, denn wir reden bei den an uns herangetragenen Bauten nicht über Spitzenwerke, noch nicht mal über die zweite Reihe, aber sie haben einen kulturellen Wert und es wäre natürlich auch eine fatale CO2- Bilanz, diese Bauten abzureißen. Man kann das nicht alles bei der Denkmalpflege abladen und sagen „Kümmert euch drum!“ Es muss einen Bewusstseinswandel bei den Architekt:innen geben, bei den Auftraggeber:innen, in der Öffentlichkeit. Sonntagsreden bringen nichts, solange nicht jeder Abriss auf den Prüfstand gestellt wird und die Beseitigung zum Ausnahmefall wird, statt der Regelfall zu sein. Wir müssen aufhören, die Verantwortung weiterzuschieben, bis am Ende immer irgendwie der Kapitalismus schuld ist, weil es heißt, dass der „internationale Kapitalmarkt“ leider, leider neue Büroflächen verlange und eine Umnutzung von Bausubstanz einfach zu teuer oder zu risikoreich sei.

OE Ich würde sagen, dass diejenigen Bauten, die einen wirklich im Herzen berühren, immer individuell sind. Bei diesen hat man das Gefühl, dass da jemand die Möglichkeiten, die die Zeit ihm gegeben hat, ins Maximum getrieben hat : als regional verankerte, bisweilen oppositionelle, heroisch-künstlerische Architektur, die den ausführenden Handwerker genauso feiert wie die Architektin oder den Architekten, denen es immer wieder gelungen ist, den Verhältnissen ein singuläres Werk abzutrotzen. NC Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass eine ganze Generation, vielleicht sogar zwei Generationen von Architekt:innen, die auch studiert haben, etwas gelernt haben, sich in der Praxis bewährten, Wünsche, Träume, Visionen hatten und diese dann auch umgesetzt haben – es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sie dabei das Beste gegeben haben: in einer bestimmten Zeit, aus einer bestimmten Konstellation heraus. Es ist das Mindeste, dass man diesen Generationen, auch wenn es unsere Eltern und Großeltern waren, den angemessenen Respekt zollt. Darin ist für mich auch Schönheit verborgen. Und da ist noch etwas, das man gerne unter den Tisch wischt: das Fremdartige. Im Fremden und Andersartigen, das mit nichts Bekanntem vergleichbar ist, sitzen zugleich Bedrohung und Faszination. Wieso gehen wir in den Urwald, um Urlaub zu machen? Wieso wollen wir fremde Länder, Kulturen, Sprachen kennenlernen? Weil das faszinierend ist. Der Brutalismus hat etwas Befremdliches an sich, weil er anders ist als alles, was da war und was da ist. Es ist eine Schönheit, mit der man vorerst nichts anfangen kann, weil man sie noch nicht ergründet hat. Im Fremdartigen des Brutalismus liegt Schönheit.

NC Man muss die Bemühungen um Baukultur dahingehend verstehen, dass es genau um diese Bestände geht, die du nennst : nicht allein um die Leuchttürme, Ikonen und klingenden Namen. Mit der „Erklärung von Davos“ und der „Stiftung für Baukultur“ gehen wir in die „Breite“ – ich bin sehr dafür, habe aber Angst, dass die Denkmalpflege, als nur ein Teil der Baukultur, unter die Räder kommen könnte. In Österreich sind es vielleicht 95 Prozent des Bestands, die nicht denkmalgeschützt sind; dann kommt vielleicht noch ein „minderer“ Schutz mit gewisser Wirkung hinzu, etwa die Schutzzonen in Wien. Somit ist der Großteil „vogelfrei“. Wir operieren ja gerne in der Denkmalpflege mit dem „Öffentlichen Interesse“– die Denkmalpflege steht tatsächlich im Öffentlichen Interesse und ist demokratisch verfügt : Es gibt ein Denkmalschutzgesetz. Dieses „Öffentliche Interesse“, ein unbestimmter Rechtsbegriff,

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Vorarlberg Über das Geistige in der Architektur. Karl Sillaber, Hans Purin und die Kontemplation des „Puren“

Robert Fabach

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sammenhang mit Vorarlberg besser des „matériau brut“, fand hier seine Umsetzung im „Unbehandelten, Sichtbaren, Ehrlichen“. Gleichsinnig daran war auch die Nähe zur bildenden Kunst, die Le Corbusier in der Formfindung, in Oberflächendetails, aber auch in der Sensibilität gegenüber dem Ort, dem „as it is“ demonstrierte – sowohl die Sichtbetonbauten der Schweiz von Künstlerarchitekten wie Walter FördePioniere rer als auch die Bauten der französischen Moderne waren Ziel von Reisen. Fein gekämmtes Lattenholz, Schindelfassaden und Der Diskurs, die Weitergabe und Verhandlung von Einfamilienhäuser in gediegen-modernistischen ProIdeen geschah damals vor allem in den gemeinsamen portionen sind die Bilder, die sich mit dem Begriff Zusammenkünften und Treffen der Vereinigung der „Vorarlberger Bauschule“ einstellen. Das Phänomen Bildenden Künstler Vorarlbergs, in der auch die ArchiBrutalismus scheint auf den ersten Blick fremd in Vortekten als eigene Sektion vertreten waren, die in regem arlberg. Doch wer die vielfach publizierten Narrative Austausch mit der bildenden Kunst stand. Dazu kam abstreift, dem fächert sich der Baubestand bei näherer später eine Handvoll kleiner, privater Galerien, die Betrachtung in ganz unterschiedliche Epochen auf, die ein feines, aber lebendiges Netzwerk zeitgenössischer sich in Abschnitten von etwa zehn bis fünfzehn Jahren Kunst mit regionalen und internationalen Beiträgen und über mehr als sechs Jahrzehnte spannen. Aus bildeten; in der Galerie Seebacher in Nüziders etwa dem Selbstverständnis ihrer Produzenten und aus dem fanden Ausstellungen von Joseph Beuys oder Oswald gemeinsamen kulturellen Kontext entstanden jeweils Oberhuber statt. Diese Nähe war nicht zufällig, beruheigenständige, aber zusammenhängende Antworten te auf gegenseitiger Wertschätzung und gemeinsamen auf die Fragen ihrer Zeit. Vorstellungen von gestalterischer Qualität. Die 1960er- und frühen 1970er-Jahre waren geDiese Netzwerke waren vor allem deshalb so präprägt vom Bauboom der Nachkriegszeit, der von einem gend, weil sie eine regelrechte Subkultur im streng Mangel an qualifizierten Planern, in eine „Sättigung“ konservativen gesellschaftlichen Umfeld bildeten. Der und einen zunehmenden Konkurrenzkampf überging. Zugang zu zeitgenössischer Kunst und Design, aber Es gab in der konservativen Grundstimmung des Lanauch zu Literatur und Musik war zu dieser Zeit stark des viel „Heimattümelndes“, das sich in den Städten eingegrenzt und abhängig von persönlichen Kontakten mit einer schnellen, modischen Moderne nach dem und Informationen. In den österreichischen MassenVorbild bundesdeutscher Stadtbilder mischte. Diese medien kamen diese kaum vor und so waren es wenige, Jahre werden als „Pionierzeit“ der Vorarlberger Baudafür aber umso wichtigere Quellen wie internationale kultur beschrieben und mit einer Handvoll ArchitekFachzeitschriften und Bücher, Veranstaltungen und ten verbunden, die hier im regionalen Kontext eine vor allem eben Reisen, die für geistigen Nachschub internationale Moderne auf sehr eigenständige Weise sorgten. Bedeutsam waren naturgemäß auch Studienrealisierten, aber auch einen hohen geistigen und/oder jahre in Graz oder Wien, die prägende Bezugspersonen handwerklichen Anspruch mit ihrem Bauen verbanden. zum Mittelpunkt hatten. Jakob Albrecht, Hans Purin, Diese Ansprüche beruhten auf einem gemeinsamen Gunter Wratzfeld oder Rudolf Wäger hatten neben kulturellen Umfeld aus internationaler bildender Kunst, anderen an der Akademie der bildenden Künste bei Architektur und einer gestalterischen Ideologie von Roland Rainer studiert, der zuvor kurz an der TH Graz sachlicher Nüchternheit, Funktionalität und Ehrlichkeit, lehrte. die – ohne direkte Bezugspunkte zum Brutalismus – Heinz Wäger, der Bruder von Siegfried und Rudolf vergleichbare Zugänge und analoge baukünstlerische Wäger, studierte in Ulm an der neu eröffneten HochResultate hervorbrachte. schule für Gestaltung ab 1958 Industriedesign (von Im französische Begriff „brut“ oder „béton brut“, dort gehen die Spuren weiter nach Skandinavien). Es der seinen Ausgang nahm von einer Moderne um Le eröffnete sich ihnen eine Welt  : „Wir fuhren per AutoCorbusier, findet sich eine analoge Verbindung von stopp hin, um die Architektur von Max Bill, die Möbel funktionaler Raumbildung und skulpturaler Form wie und die Arbeit in den Klassen zu sehen – es war eine in Vorarlberg. Die Idee des „béton brut“ oder, im Zu-

schon jetzt die Zeit des zweckmäßigen Schaffens Offenbarung“, erzählte Rudolf. „Heinz versorgte uns vor uns haben und endlich, daß dieser Geist in der auch mit Fachzeitschriften, die uns die neue ArchiMalerei im organischen direkten Zusammenhang tektur in Skandinavien oder der Schweiz und die Wermit dem schon begonnenen Neubau des neuen ke von Alvar Aalto, Frank Lloyd Wright und anderen geistigen Reiches steht, da dieser Geist die Seele erschlossen.“1 Franz Gassner (geb. 1941), einer der ist der Epoche des großen Geistigen.“3 bedeutendsten bildenden Künstler Vorarlbergs, und Heinz, Siegfried und Rudolf Wäger – Designer, Bauzugleich Bauherr, Mitstreiter und Seelenverwandter meister und Zimmermann – errichteten gemeinsam etaus der Frühzeit der zeitgenössischen Vorarlberger liche Häuser, und wenn man das vielleicht bekannteste, Baukunst, hat in mehreren Begegnungen immer wiedas Würfelhaus (1964) von Rudolf Wäger kennt, verder auf die Bedeutung des theoretischen Hauptwerks steht man, wie eindrucksvoll hier handwerkliche Praxis Wassily Kandinskys hingewiesen  : „Über das Geistige und internationale Paradigmen verflochten waren. Das in der Kunst“. Kandinsky beschreibt 1910 an zen­ Bemerkenswerte an dieser Verflechtung von Kunst und traler Stelle das „Prinzip der inneren Notwendigkeit“ Architektur ist eine daraus entstandene Kontinuität und erfasst damit ein übergreifendes Paradigma der technischer und gestalterischer Entwicklungen, die Moderne. Max Bill, selbst Architekt, Gestalter und oftmals in kleinen Schritten, seit den 1980er-Jahren bildender Künstler, hat maßgeblich zur Wiederauflage auch in zunehmender Breite, geschahen. Das mag an und Bekanntheit dieses Buches nach dem Krieg beider im „Ländle“ typischen, sozialen Kohärenz liegen, getragen und legte als Gründungsmitglied und Rektor sicherlich aber auch an einer hohen Wertschätzung der Hochschule für Gestaltung in Ulm (1951–1956) und Affinität zum Handwerk, dessen Ethos in der baudie Verbindungslinie zur Szene bildender Künstler und kulturellen Praxis spürbar ist. Carlo Baumschlager Architekten Vorarlbergs, die in der „HfG“ auch einen formulierte 1996 diese diskrete Differenz zur interihrer geistigen Bezugspunkte fanden. nationalen Architekturszene klar  : Wassily Kandinsky bildet für die hier besproche„Nicht jedes Detail, das wir zeichnen, muss eine nen Bauten eine Klammer zu den Ideen der frühen Sensation sein. Wir glauben eher daran, dass man Moderne und schafft mit seinem Manifest genau jene Details, die ihre Richtigkeit bewiesen haben, soimmanente Verbindung zur bildenden Kunst, die für lange verwenden kann[,] bis sich herausstellt, diese Pioniere der Moderne die damals gültige Idee dass es etwas Besseres und Sinnvolleres gibt. des „Echten“, „Unverfälschten“ und einer Logik der Das ist eigentlich das einzige Argument, irgend„inneren Notwendigkeit“ zum Ausdruck brachte. Das ein Detail zu ändern.“4 Prinzip der „inneren Notwendigkeit“ umreißt KanWiederholung und Entwicklung werden nicht als (bau-) dinsky eindrucksvoll und visionär zu Beginn und am „künstlerisches Plagiat“ und „Einfallslosigkeit“ diffaSchluss des Buches  : miert, sondern wurden vielmehr zu Qualitätsmerk„Jedes Kunstwerk ist Kind seiner Zeit, oft ist es malen für praktische Innovation. Mutter unserer Gefühle. So bringt jede Kulturperiode eine eigene Kunst zustande, die nicht Am Beispiel zweier Bauten mehr wiederholt werden kann. Eine Bestrebung, vergangene Kunstprinzipien zu beleben, kann Diese vielschichtigen Analogien sollen im Folgenden höchstens Kunstwerke zur Folge haben, die einem an zwei markanten Projekten untersucht werden, die totgeborenen Kinde gleichen.“2 jeweils an Beginn und Ende dieser Epoche Übergänge Kandinsky endet mit einer Vision für die Malerei, die beschreiben  : Der radikale Umbau der Klosterkirche aber in der damit assoziierten Baukunst zum gelebten Mehrerau von Hans Purin (1959 –1964) mit plastiLeitbild wurde  : schen Arbeiten der Bildhauer Herbert Albrecht und „Zum Schluss möchte ich bemerken, daß meiner Hans Arp sowie eine Hausgruppe von Karl Sillaber und Ansicht nach, wir der Zeit des bewussten, verMax Fohn (C4 Architekten) in Bregenz (1969 –1972), nünftigen Kompositionellen immer näher rücken, in denen sie am eigenen Haus Raum, Materialität und daß der Maler bald stolz sein wird, seine Werke konstruktiv erklären zu können (im Gegensatz zu den reinen Impressionisten, die darauf stolz waren, daß sie nichts erklären konnten), daß wir

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(1933 –2010) seine Arbeitshaltung. Als ausgebildeter die vegetative Schönheit des Gartens zu einer kraftMaurer und Zimmermann setzte er mit seiner Arbeit vollen, schon nachmodernen Gesamtskulptur verZeichen für eine neue Handwerkskultur und ein mobanden. dernes Bauen im regionalen Kontext. Sein Vater, Hans Es soll dabei nicht nur „funktionelle“ Architektur Purin sen. (1898 –1989), stammte aus dem Trentin beschrieben werden, sondern – in Form von textliund war Kunsterzieher am Knaben-Privatgymnasium chen Exkursen – auch ihre ideengeschichtlichen und Collegium Bernardi, das im Kloster untergebracht war. geistigen Hintergründe und Fundamente, die in diesen Purin wuchs mit seinen Eltern in einer Wohnung im programmatischen Bauten ganz praktisch zum AusKloster auf, in dem es auch eigene Werkstätten gab, druck kommen. So sind die Ordensregeln des Bernhard die auf den Knaben schon früh eine besondere Fasvon Clairvaux als Grundlage für die Umgestaltung der zination ausübten. Er absolvierte eine Maurerlehre, Klosterkirche Mehrerau keine losgelöste, kunsthistodanach die Bauhandwerkerschule in Bregenz, bevor rische Interpretation, sondern eine direkte Grundlage, er sich der Architektur zuwandte. Er studierte an der die vom Architekten Hans Purin bewusst recherchiert Akademie der bildenden Künste Wien bei Roland und zur Anwendung gebracht wurde. Ähnlich verhält Rainer, der ihn auch in sein Büro aufnahm, wo er – es sich mit dem Text von Norbert Heltschl, der von unter anderem – an dessen eigenem Haus in WienKarl Sillaber immer wieder als Mentor und Referenz Hietzing zeichnete. 1959 kehrte Purin Wien nach Abgenannt wurde und mit seinem Manifest die Prämissen schluss des Studiums den Rücken zu und kam zurück in der Arbeit von C4 zum Ausdruck bringt. Daraus nach Vorarlberg, gründete sein eigenes Atelier und erwachsene Begriffe wie „Selbstverständlichkeit“, baute sich ein Haus am Hang, radikal einfach, be„Logik“ und „Angemessenheit“ beschreiben bis zum scheiden und modern. heutigen Tage zentrale Qualitätsbegriffe in der BauDurch die Nähe zum Kloster entstand auch die kultur Vorarlbergs. Nähe zu einer Gruppe von jungen, gleichaltrigen Mönchen, insbesondere zu dem späteren Abt Kassian Heiliger Zorn  : „L' esprit brut“ Lauterer. Als Purin den Auftrag für die anstehende Saam Beispiel Hans Purin nierung der desolaten Klosterkirche erhielt, fand er in ihnen Verbündete für sein überaus radikales Konzept, Die Klosterkirche der Zisterzienserabtei Wettingenin dem er sich auf die ursprünglichen Ordensregeln Mehrerau in Bregenz ist in ihrer beschaulichen Lage des Bernhard von Clairvaux (1090 –1153), den Beam Bodensee zu einem vertrauten Bild geworden. gründer des Zisterzienserordens, bezog. Purin suchte Eingerückt in die Front des weitläufigen Innenhofs hierin jene Schlichtheit, die er auf seinen Reisen in den der Klosteranlage wirkt sie zwar ungewöhnlich, aber Beispielen der skandinavischen Spätmoderne und in dennoch in ihrem Grau bescheiden, still. Erst wenn den Zielsetzungen der Zisterzienser wiederfand. Der man den üppig ausgemalten, neuromanischen Vorerst 27 Jahre alte Architekt hatte alle Überzeugungsgängerbau und das zeitliche Umfeld des Umbaus von kraft und Vehemenz aufgeboten, um Bauherr:innen 1960 vergegenwärtigt, werden das ungeheure Wagwie Nutzer:innen zu gewinnen. nis und die schwindelerregende gestalterische EntDas übergreifende Ziel des Ordensgründers ist die schlossenheit deutlich. Deutlich wird aber auch die funktionelle Schönheit. Bei aller technischen Modernigestalterische Konsequenz, die Kraft und gesamthafte tät war die nüchterne Strenge dennoch ein GegenSchönheit dieses heute noch markanten Bauwerks. entwurf, ja fast eine Anklage an der DetailverliebtEs spiegelt ein vielschichtiges Zusammenspiel von heit und dem Gestaltungswillen der zeitgenössischen geistigem und kulturellem Aufbruch, von Fleiß und Architekten von Romanik und Gotik. Kirchen ohne Fügungen. Die Intensität dieses Sakralraumes, die pompösen Glockenturm und Wandgestaltung, ohne Dramaturgie seiner Wege, das Spiel des Lichts und Triforium und Tribüne, farblose Fenster und Wände seiner Materialität machen überdeutlich, wie weit die ohne Putz : „Keine Tugend ist für uns alle wichtiger als sehr persönliche Architektursprache Hans Purins und demütige Einfachheit“, lautet das Credo des heiligen seine sensible Raumgestaltung den launigen deutschen Bernhard. Ornamente und sonstigen Zierrat gibt es in Begriff „Brutalismus“ übersteigt. klassischen Zisterzienserklöstern nicht. Für Bernhard „Ich komme vom Handwerk“5, mit diesem Satz waren sie nicht nur unvereinbar mit dem Armutsideal, beschrieb der Vorarlberger Architekt Hans Purin

Schild, wie ein Wächter bewahrt es den großen, von sondern auch irrlichternde Ablenkung von der mönallen Einbauten befreiten Kirchenraum dahinter und chischen Kontemplation. Maß und Proportion sind führt den Weg hinein durch zwei Eingänge zu seinen Schlüssel zur völligen Übereinstimmung mit der geSeiten. Die ehemalige Rosette wandelt sich zum fiordneten Harmonie der Schöpfung. Das ist – neben der guralen Haupt der Portalfassade und im Inneren zur im Mittelalter verbreiteten Zahlenmystik – ein Grund enigmatischen Sonne, zum Lichtobjekt. dafür, warum die Maße der Zisterzienserkirchen in der Der Innenraum stellte den ursprünglichen ZentralRegel den musikalischen Proportionen von Oktave raum mit Vierung in den Vordergrund. Der grobe Rau(1: 8), Quinte (1: 5) und Quarte (1: 4) folgen.6 Darin putz verlieh der architektonischen Grundform plastigleicht der Kirchenumbau Mehrerau (1959 –1964) sche Wirkung und steigerte das Spiel des einfallenden auch Purins bekanntestem Werk, der Siedlung An der Lichts. Auf einem durchgehenden Steinboden sind die Halde. Ordnung und geistige Disziplin führen sowohl schwarz gebeizte Bestuhlung und das Chorgestühl die im Transzendenten als auch in seinem genauen Gegenvon Purin eigens entworfene, einzige Ausstattung, die teil, dem Zuhause-Sein, zu harmonisch ausbalanciermit der erneuerten und konstruktiv aussagekräftigen ten Systemen, die „brut“, aber niemals „brutal“ waren. Dachkonstruktion in subtiler räumlicher Spannung Darin sind sie auch Abbild seiner bescheidenen, aber korrespondiert. Die dunkle Holzkonstruktion des im beruflichen oft energischen Persönlichkeit, die sich Dachstuhls wird zum minimalistischen „Dekor“. Das im Geschaffenen auf höhere Ordnungen bezieht, aber Handwerk ersetzt die Kunst des Dekorateurs oder nie sich selbst, nie ein gestalterisches Ego als Bezugsder Deckenmalerei. Der Altar ist entsprechend dem punkt setzen wollte. vorkonziliaren Konzept am Ende des Chors so posiEine solche Form scheint ihre Substanz zu schüttioniert, dass er sowohl in der alten Liturgieform mit zen und ihr zugleich zum Ausdruck zu verhelfen. Bis Blick auf das Tabernakel oder auch zu den Mönchen heute haben die Mönche nur wenig verändert – bis bzw. zur Kirchengemeinde orientiert zur Messfeier auf eine Ausnahme. Hans Purin hat selbst geschildert, genutzt werden kann. dass er über den Einzug der mittelalterlichen AltarHerbert Albrecht (1927– 2021) war ein beispielaufbauten und Tafelbilder nicht glücklich war. hafter Vertreter jener Szene von Künstlern und Architekten, die durch ihre Ausbildung , durch biografische Der Umbau Verbindungen und auch durch ihre Arbeit einen Beitrag zu einem konstanten Diskurs lieferten. Er war der BruDie Fassade ist auf ihre Konstruktion reduziert und der des Architekten Jakob Albrecht.7 Der Auftrag für mit einem Rauputz versehen, die Fensterrosen über die Plastik an der Mehrerauer Kirche bedeutete für ihn dem Westportal und dem Querschiff sind auf rahmenden Beginn seiner Karriere, dem zahlreiche öffentliche lose und klare Verglasungen reduziert. Der Weg in Aufträge folgten; der Umbau der Klosterkirche Mehredie Kirche erfolgt über die beiden niedrig gehaltenen rau wurde auch für Hans Purin zum Startschuss für seine Türen links und rechts. Im Zentrum steht das drastiberufliche Karriere. Durch den Kirchenumbau wurde sche, überlebensgroße Schmerzensmotiv der Mahnung, unmittelbar jene Baugruppe um den charismatischen das auf der Innenseite zentral die Orgel vorsieht – Franz Bertel auf ihn aufmerksam, mit der er in der Bernhard von Clairvaux beschreibt in seinen Texten Folge die Siedlung auf der Halde in Bludenz realisieren den Vorrang des Hörens vor dem Sehsinn und stellt sollte und der mit seinem umfangreichen kunsthistoridamit Gesang und Musik in den Vordergrund. schen Wissen die von Purin angestoßene Ver­­geistigung Im Inneren wurde ebenfalls ein sehr grober Raudes Bauens maßgeblich fortsetzen sollte.8 putz aufgebracht, der mit dem von oben einfallenden Der Wohnbau erfüllt alle Kriterien für ein bruLicht ein sehr lebendiges Lichtspiel erlaubt. Hans Purin talistisches Bauwerk, tritt aber vordergründig nicht ließ die gesamte Innenausstattung entfernen, den geals solches auf. Dennoch erscheint die plastische samten Verputz und allen Baudekor abschlagen und Durcharbeitung minimalistisch, bleibt aber trotzdem schloss das mittige Portal. Der Umbau sah eine moin einem menschlichen Maßstab, der de:r Besucher:in numentale Portalplastik vor, die vom Bregenzerwälder Bildhauer Herbert Albrecht realisiert wurde. Diese bewegte Plastik war bereits 1959 in den ersten Skizzen Purins im heutigen Umriss fixiert. Wie ein muskulöses

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verkleidung. Sillaber und Fohn verbanden an ihrem den physischen und emotionalen Kontakt erlaubt. Wohnhaus nicht nur die Gestaltung einer skulpturalen Der Innenraum kennt die menschlichen Resonanzen, Gesamtform mit ausgewählten Oberflächen, sondern verliert sich aber nie im Gestus. Purin und Albrecht brachten diese auch in einen faszinierenden Einklang forderten mit ihrer Arbeit Demut ein. „Die Abteikirmit dem sie umgebenden Garten. che von Mehrerau überrascht den Besucher durch 1968 konnten die beiden Vorarlberger Vertreter eine fast schmucklose Nüchternheit, erweist sich aber der Architektengruppe C4 ein steiles Grundstück in durch ihre erhabene Schlichtheit als wahrer Raum Bregenz, hoch über dem Bodensee erwerben, um dort des Gebets“ 9, so beschreibt das Kloster selbst den zwei bemerkenswerte Hangbauten zu errichten : ein Kirchenbau 60 Jahre später. dreigeschossiges Terrassenhaus für den befreundeten Hans Purin sollte zeitlebens kein Bauwerk ähnliTragwerksplaner Robert Manahl und ein Doppelhaus cher Größe und künstlerischer Wucht gestalten – was für den eigenen Bedarf, das sich über dreieinhalb Geaber nie von ihm beklagt wurde. Seine Aufmerksamkeit schosse hangaufwärts entwickelt. Die beiden Hausgalt stets der Arbeit an der gedanklichen Klarheit seihälften, etwas asymmetrisch, sind in der Höhe um ner Lösungen, die er in jedem Maßstab mit derselben einen halben Meter versetzt und gliedern sich jeweils Hingabe suchte. Betrachtet man die Skizzen in seinem in einen fünf Meter breiten Wohnteil und sechseinhalb Nachlass über viele Projekte hinweg, so fällt auf, dass Meter breiten Schlaftrakt. Insgesamt entsteht so in der die Darstellungen zur Fassade der Klosterkirche denAnsicht ein tanzendes Quartett von Baukörpern, das selben Duktus, dieselbe Wichtigkeit, dasselbe Format mit seinen auskragenden Obergeschossen aus dem zu haben scheinen, wie die skizzenhaften ÜberlegunHang zu springen scheint. gen zu einem einfachen Stuhl oder Baudetail. Die großzügige Villa Manahl, unterhalb der Zufahrt, ragt mit breiten horizontalen Deckenplatten Haus aus Stein mit Garten auf sichtbaren Stützen und Trägern aus dem Gelände. Das Doppelhaus hingegen zeigt sich kompakt Ende der 1960er-Jahre legte sich auch in Vorarlberg und stemmt sich als wuchtiger und selbstbewusster die Suche nach dem Ort und nach formaler Identität, Betonkörper aus dem Hang. Die räumliche Staffeder Zweifel der Nachmoderne über die Eleganz einer lung und der lebhaft abgetreppte Betonsockel, die modernistischen Formensprache. Die Ästhetik des überhohen Dachbrüstungen, vor allem die polygonal Brutalismus zeigt sich retrospektiv als Phänomen einer ansteigende Deckenuntersicht im Inneren verleihen dieser Bruchlinien. Hans Purin entwickelt ausgefeildem Gebäude eine kraftvolle Präsenz. Diese beweist te Steildach-Typologien, Willi Ramersdorfer lässt auf es auch in den großformatigen Texturen, innen und endlos ausgebreitete Flachdachlandschaften innerhalb außen : große, rotfarbene Backsteine als Raumteiler, weniger Monate wuchtige Hotelbauten mit schweren, hellgraue Sichtbetondecken mit Brettschalung, masschwarzen Balkenköpfen folgen und die Wohnhochsive Eichenböden und ein dramatischer Rauputz an häuser und Schulbauten der Architektengruppe C4, den Innenwänden mit kieselgroßen Steinen ergeben von Guntram Mätzler oder Gunter Wratzfeld ersetzen eine anspruchsvolle, aber logische Materialvielfalt, die ihre feinen Linien und Bänderungen durch schwere im Zusammenspiel stimmig bleibt. Flanken aus skulptural ausladendem Sichtbeton. Beide Familien – Fohn und Sillaber – sind und Dem Vorarlberger Büro der Formation C4 mit Karl waren intensiv mit der bildenden Kunst verbunden. Sillaber und Max Fohn gelang dieser Übergang in überBeim Ehepaar Erika und Karl Sillaber kamen noch zwei zeugender Art und Weise. Durch die frühe und kontiweitere Leidenschaften hinzu, die einander ergänzten : nuierliche Beschäftigung mit dem Massivbau und der Die große Liebe zum Garten bei Karl und die Liebe zur Kombination unterschiedlichster Materialien setzen Fotografie der professionellen Fotografin Erika. Schon sich die gestalterischen Verschiebungen über diese bald nach dem Einzug wurden nicht nur Pflanzbeete kulturelle Bruchlinie hinweg. Auch hat die beständige und Blumenrabatte angelegt, sondern auch Wilder Beschäftigung mit großformatigen Bauaufgaben, vor Wein um die Häuser ausgesetzt, der alsbald die Fasallem mit dem Schulbau, ihr Lösungsrepertoire auf saden erobert hatte. Der Architekt trat gewissermaßen unterschiedliche Maßstäbe vorbereitet. Der Wechsel freimütig in den Hintergrund und ließ dem Gärtner, von Texturen an einer 50 Meter langen Schulfassade oder besser gesagt, der wildwuchernden Schönheit gelang ebenso, wie ein Möbeldetail an einer Wand-

ler anderer Architekten stattgefunden hat. Die epische ihren Raum. In den Fotoarchiven der Familie finden Eleganz modernistischer Bauten wurde im Vorarlberg sich daher auch ganze Kompendien von Gartenaufnahim Zeitraum 1968 –1972 abgelöst, lautlos taucht desmen, die von sehr viel Freude und Hingabe berichten. halb im Werk nahezu aller Architekten zu Beginn der Dahinter stand Überzeugung : Sillaber und Fohn sahen 1970er-Jahre ein formaler Wandel auf, nimmt Gestalt den Bewuchs als integralen Bestandteil der Architekan als Resultat veränderter Fragestellungen rund um tur, der beschattet und kühlt. Besonders spektakulär die Begriffsfelder Landschaft, Stadt und „Tradition“. ist, oder besser war die herbstliche Verwandlung der Der internationale Diskurs um Ort, Stadt, Region hält beiden Häuser, wenn sich das Grün der Blätter in ein auf vielen Ebenen Einzug in die Baukultur des Landes. intensives Rot wandelte.10 Das Haus für Robert Manahl verbleibt noch auf Die Häuser entwickeln sich über sechs bis sieben gestalterisch erprobtem Terrain, bei den eigenen verschiedene Niveaus, die den Tagesablauf widerspieWohnhäusern gingen die Architekten einen radikageln. Nach einer steilen Zufahrt beginnt der malerische leren Weg und erkundeten das räumliche Spiel mit Aufstieg ins Haus im offenen Garagengeschoss. Auf dem Hang, einer breiten Materialvielfalt und einem einem künstlerisch bemalten Treppenpodest richtet skulpturalen Gestus. Zeitgleich arbeiteten C4 an den sich der Blick hinauf in den Himmel, wird oben an Entwürfen zum Rathaus Bludenz und für die Hauptder Brüstung begrüßt von einem Blick über den See, schule Rheindorf in Lustenau. Deren Architekturspraquert und wendet sich mit weiteren Stufen zum Einche, die Unverfälschtheit, Ehrlichkeit in Material und gang. Innen verzweigt sich der Weg in den Essbereich Konstruktion anstrebte, aber zugleich um eine skulptumit Austritt auf eine umwachsene Terrasse und zu rale und sinnliche Ausarbeitung bemüht war, wurde in einer kleinen, aber luftig-hohen Küchennische. Eine der internationalen Architekturkritik als „Brutalismus“ offene Eichentreppe führt hoch auf ein bergseitiges bezeichnet. Der Begriff wird im Deutschen mit RückHalbgeschoss mit Keller und Heizungsraum. Wendet sichtslosigkeit konnotiert, aus diesen Gründen wurde man dort, erreicht man den eigentlichen Wohnraum und wird der Begriff kaum von den Architekten selbst mit Seeblick. Eine Tür durchbricht die Mittelwand und verwendet. Er beschreibt aber retrospektiv eine Halführt in den Schlafbereich. Dort mag man verweilen tung und Gestaltungstendenz der Moderne, die sich und mit Staunen, das Spiel des Lichts am Mauerwerk, bewusst von der oberflächlichen und ortlosen Eleam Eichenholz und an den Klinkerwänden beobachganz der 1950er- und 1960er-Jahre absetzt und den ten. Die Treppe hält aber noch ein weiteres HalbBetrachter in seiner ganzen Wahrnehmungsfähigkeit geschoss bereit und erklimmt eine kleine Plattform, herausfordert. Die Kirche von Fritz Wotruba in Wien auf der früher eine kleine Ruheliege stand und die 23 (1964 –1976), die Unité d'Habitation in Marseille verschiedentlich als Arbeits- oder Leseplatz genutzt (1952) oder das Kloster La Tourette (1959) von Le wurde. Hier schließt auch eine bergseitige Terrasse Corbusier, aber auch Bauten des Schweden Sigurd an, die den Blick erstmals von der unbeschreiblichen Lewerentz (1885 –1975) oder des Schweizer ArchiAussicht auf den See abwendet, hin in einen dicht tekten und Bildhauers Walter Förderer (1928 –2006) mit Pflanzen, Gartenwerkzeug und allerlei Gefäßen waren einige der aus Fachzeitschriften gewissenhaft überquellenden Wintergarten. Dieser ganz geschützte abonnierten Referenzen. Gemeinsam war all diesen Raum bietet einen intimen Außenbezug zum Hang. In Bauten eine Haltung und Architektursprache, die in diesem Gartenzimmer ist der Weg aber noch nicht zu großer Verbundenheit mit der bildenden Kunst und eiEnde, denn abermals führt eine Außentreppe hinauf nem künstlerischen Anspruch stand. Norbert Heltschl aufs Dach, das als letzte Möglichkeit Raum bietet für (1919 –2017), Tiroler Architekt, Lehrer und Mentor Aussicht, Vertiefung und Kontemplation. Karl Sillabers und früher Verfechter einer internationalen Moderne in Westösterreich, hat diese Ideen Wendepunkt in einem programmatischen Manifest zum Ausdruck gebracht : „Das Programm neuer Architektur ist also Obwohl zeitgleich vom Duo Sillaber und Fohn geplant, die Lösung aller architektonischen und menschlichen demonstrieren die beiden Gebäude – die Villa Manahl Probleme von fundamentalen Prinzipien her : und bergseits das Doppelhaus – die Weiterentwicklung einer Architektursprache, die just zu dieser Zeit nicht nur im Werk von C4, sondern auch in den Arbeiten vie-

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und Architekt auf demselben Grund. Man bewegt sich 1 Das Wesen des Raumes ist nicht bestimmt durch durchs Haus und erlebt einen Diskurs ohne Worte. Das das bloße Vorhandensein begrenzter Flächen, „brut“ der Architektur ist faktisch und verbindet sich sondern durch das geistige Prinzip dieser Bemit dem „brut“ der Kunst und der kraftvollen Wildheit grenzung. der Bepflanzung. 2 Die Gestaltung des Raumes bereits von der Struktur her ist die eigentliche Aufgabe der Architektur. Altstadtzauber : Kontrapunkt 3 Nicht das Gebäude ist das Kunstwerk, sondern der und Epilog Raum im weitesten Sinn, wie Landschaftsraum, Siedlungsraum usw. Architekturhistorisch wurde diese Epoche durch 4 Aller Kunst liegt ein Gesetz der Proportion zuFriedrich Achleitner12 gefasst und beschrieben. Sein grunde, als Zeichen der ordnenden Kraft des großes dokumentarisches Werk zur „Österreichischen Menschen. In der Proportion bekommt die geArchitektur im 20. Jahrhundert“ hat sie gewisserstaltlose Materie Gestalt : Zeugnis der Herrschaft maßen kanonisiert. Achleitner war dabei aber nicht des menschlichen Geistes. Die Proportion muss nur distanzierter Chronist, sondern vor allem in den darum das entscheidende Mittel der architekto1960er-Jahren auch aktiver Unterstützer und Mentor nischen Expression sein. dieser Bewegung. Ab 1964 begann er Vorarlberg zu 5 Die künstlerische Aussage ist eine Aussage der bereisen und pflegte mit den Proponenten einer Szene Einheit von Gestalt und Material. Daraus ergibt aus Architekten und Künstlern einen regelmäßigen sich wiederum die Notwendigkeit, Kunstwerke in Austausch. Zugleich hielt er in dieser Zeit Vorlesungen die Raumgestaltung von vornherein schöpferisch zur Theorie und Geschichte der Architektur an der miteinzubeziehen. Unsere Generation ist gezwunAkademie und band Vorarlberg regelmäßig in einen gen, sich die geistig-künstlerische Einheit wieder österreichischen Architekturdiskurs ein. Er war bebewusst zu schaffen. Denn in den großen Epochen eindruckt von der Stringenz, der gedanklichen Klarheit der Kulturgeschichte war dies – den Baumeistern und Strenge, die sich mit handwerklicher Logik und wohl nicht bewusste – Selbstverständlichkeit.“11 Präzision verband. Anspruch und Konsistenz dieser Das Haus von Robert Manahl wurde 1986 verkauft, Bauten setzten damit auch für ihn Maßstäbe, was später verändert. Die Wohnhäuser der Familien Fohn wiederum die kleine Gruppe an Vorarlberger Archiund Sillaber wurden hingegen bis 2008 bzw. bis zum tekten bestärkte. Tod von Max Fohn 2011 von den Architekten selbst Zugleich waren ihm diese Vorarlberger Archibewohnt und mit viel Hingabe gepflegt. Die exponierte tekten auch immer wieder Informanten und regionaLage und die im Alter beschwerlich gewordenen Treple Kommentatoren zur regionalen Architekturszene. pen hatten Karl und Erika Sillaber bewogen, Haus und Achleitner hatte die Recherchen und Erhebungen zu Garten in der Familie weiterzugeben und in der Stadt seinem „Architekturführer“ in Vorarlberg begonnen das ehemalige Büro in der Belruptstraße als Wohnung und zu Beginn noch strenge Kriterien zur Aufnahme auf einer Etage zu beziehen. in das Buch angewandt, da er anfangs noch von einem Reich bestückte Bilderwände in beiden Wohnuneinbändigen Werk für ganz Österreich ausging, einen gen sind Zeugnis persönlicher Verbundenheit mit der Gedanken, den er bald aufgeben sollte. „Kommerzielle“ Kunst und bilden zum anderen ein geistiges Biotop, das Architektur fiel der strengen Auswahl zum Opfer und ähnlich der Pflanzenwelt im Garten und an der Fassade geriet so insgesamt in den Hintergrund. Von den geeine beseelte Ergänzung zur Architektur geworden nannten Pionieren wurden diese Planer mit dem abwar. In der dichten Hängung von abstrakten Gemälden, schätzigen Titel der „Geschäftsarchitekten“ bedacht, Aquarellen und schnellen Architekturskizzen von viesie fielen mitunter zu Unrecht aus dem Sichtfeld der len Reisen spürt man die Verwandtschaft von Malerei Architekturgeschichte. Fehlstellen, die Achleitner und Architektur, die in oft verblüffend kongruenten bewusst waren und er später durchaus bereute, die Oberflächen und Farbigkeiten ineinandersinken. Wenn aber erst in den letzten Jahren schrittweise korrigiert der kräftig pastose Farbauftrag eines Ölgemäldes dem werden.13 Rauputz gleicht, wenn die Fladerung von Eichentüren Interessanterweise fallen darunter auch Bauten sich gestisch verdichtet wie die Schraffurlagen einer aus den frühen 1970er-Jahren, die Sichtbeton als geKohlezeichnung, dann stehen Handwerker, Künstler

„Weg mit dem unmodernen Schandfleck!“) mit der stalterisches Stilmittel anwenden. Innerstädtische WaInnovationseuphorie vieler Architekt:innen und Bau­ renhäuser, Wohnhochhäuser, Schulen, Verwaltungsmeister:innen. Die Initiative ging bei diesem Projekt bauten und auch Kirchen entstanden unter diesen von privaten Investoren und Bauträgern aus, einer Vorzeichen. Dabei sei nicht verhohlen, dass vor allem kleinen aber in Bregenz eingesessenen Personenin den 1970er-Jahren die Grenzen zur ersten Gruppe gruppe rund um einen lokalen Bauträger, der bereits von Architekten fließend verliefen. Der Unterschied über Jahre Restgrundstücke entlang einer Straßenlag vor allem in der städtebaulichen Integration und verbreiterung aufkaufte, die in den 1960er-Jahren Qualität, mit der auf historische Kontexte und Bedurch die Altstadt von Bregenz geschlagen worden standsbauten durch diese architektonisch anspruchswar : Der Krieg hatte nur wenig Spuren im kleinteiligen volle Gruppe reagiert wurde : von Sillaber und Fohn und sympathischen Gewebe der Altstadt hinterlasbei der Wohnanlage Amtstorstraße am Fuß der mitsen, weit drastischer waren die „Bereinigungen“ und telalterlichen Bregenzer Oberstadt in Form einer fein Modernisierungen zugunsten des Straßenverkehrs, gestaffelten Reihenhaussiedlung, bei Schulbauten oder der Bregenz sowohl in seiner Bausubstanz als auch auch dem Krankenhaus Bregenz als gut „eingesetzte“, in seinem Verhältnis zum Seeufer und zu seinen Orten aber rigide Sichtbetonstruktur. Daneben gibt es auch und Plätzen massiv deformiert hatte. eine Reihe von Wohnanlagen, zum Teil terrassenartig Und so machten sich die Brüder Kinz, die beiden und als Großbaukörper, die durch skulptural ausgeEntrepreneure, auf, um Lösungen für fortschrittliche prägte Fassadengestaltungen mit FertigbetonelemenWarenhäuser in ganz Europa zu besichtigen. Naturten Zeichen im Ortsbild verschiedener Vorarlberger gemäß auch in Deutschland unterwegs, stieß man auf Städte setzten. Durch ihre Patina und den Bewuchs das Stuttgarter Architekturbüro „Lamm, Weber, Dointegrierten sich diese Bauten gut und erreichen – im nath“, das ähnliche Projekte bereits realisiert hatte. Im Vergleich zu anderen auch aktuellen Wohnbauten – „Ländle“ wurde dann beauftragt, geplant und gebaut. den Status liebenswürdiger Landmarks. Es wurden Sichtbetonelemente vorgefertigt, die auch Dennoch waren das Material Sichtbeton und eine bei verschiedenen anderen Projekten desselben Bauselbstbewusste baukünstlerische Gestaltung oft Mitträgers zum Einsatz kamen. Die Straße durch das Zentel, um sich oft ganz bewusst und ohne vertieftere trum war noch eine Verkehrshölle – vor der Errichtung Reflexion von Maßstab und Form historischer Städte einer Stadtumfahrung durch einen Tunnel wälzte sich abzusetzen. Das gestalterische Selbstbewusstsein, die hier der gesamte Transitverkehr aus Süddeutschland skulpturale Eigenständigkeit und der rebellische Kon­ über die Schweiz nach Italien. Hier wollte man Abtrapunkt gegen Maßstab und Form historischer Bauten wehr und Schutz zum Ausdruck bringen und so schien und Städte versammelt sich hierbei erkennbarer in der Sichtbeton als taugliches Mittel zum Zweck. Neu war ungenauen Übertragung des englischen Worts „Bruauch, dass eine Hochgarage in den Obergeschossen talism“. Die Planer verstanden sich als kommerzielle ganz selbstverständlich den halben Gebäudekomplex Dienstleister und begriffen die Ideen der Moderne, füllte. Heute ist dieser Einschlag einer „neuen Stadt“ des Rationalismus als gestalterische Grundlage eines vertraut, dennoch sind die Fehlstellen und Brüche bis selbstbewussten Unternehmertums. Erst langsam, heute sichtbar. Die Störung und Zerstörung wurde Allwiederum im Lauf der 1970er-Jahre, wuchs das Betag und ist schließlich selbst „historisch“ geworden.14 wusstsein für die Bedeutung historischer Städte und Jeder Diskurs in Vorarlberg war – trotz einer geBauformen : 1972 wurde eine Landesraumplanung ins wissen Aufmerksamkeit für internationale FachzeitLeben gerufen; 1974 wurden erstmals strenge Regeln schriften und zeitgenössische Architekturentwick­ für den Bau von Hochhäusern eingeführt, die einen lungen  –  kein theoretischer, sondern ein „fak­­­­tischer“, fast zwanzigjährigen Boom an Wohnhochhäusern im ein gebauter. Umbrüche wurden nicht angekündigt, Land zum Stillstand brachte, der nicht selten einen nicht zu Manifesten verschriftlicht, sie fanden einfach völlig anderen Maßstab in den alten Stadtraum setzte. statt. Die Kultur und Gewohnheit des beständigen Das GWL,„Gemeinschaftliche Warenhaus LeutAustauschs hatte nicht nur in der Qualität, sondern bühel“, in Bregenz ist beispielsweise eine solche, bis heute im Stadtgefüge spürbare Intervention. An diesem Punkt trafen sich eine anhaltende Wiederaufbaustimmung der Politik („Weg mit dem alten Zeug!“,

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auch in der Häufigkeit, mit der reproduziert wurde – mit der manches auch abbrach – eine Bedeutung. Das begann mit den Interpretationen und Aneignungen einer internationalen Moderne, das hatte in der Suche nach dem „Unverfälschten“ und „Rohen“ seine Bezüge und Entwicklungen, das war auch in den Verflachungen und stereotypen Übernahmen von formalen „brutalistischen“ Formelementen erkennbar. Die beständige Umsetzung versetzte jedes „Argument“, jede „These“ und „Antithese“ mit dem Fundament einer Überprüfbarkeit. Darin zeigen die Beiträge Vorarlbergs eine spezifische Qualität. Rudolf Wäger, Baukünstler und Pionier der ersten Jahre, fasste dies treffend mit dem Satz zusammen : „Die anderen reden über Architektur, wir bauen.“15

1 Ritter, Arno (Hg.): konstantmodern. fünf positionen zur architektur, Atelier 5, Gerhard Garstenauer, Johann Georg Gsteu, Rudolf Wäger, Werner Wirsing. Wien 2009, S. 55. 2 Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst . München 1912, S. 3. 3 Ebd., S. 125. 4 Liesbeth Waechter-Böhm (Hg.): Carlo Baumschlager, Dietmar Eberle . WienNew York 1996, S. 25. 5 Carina Jielg: Hans Purin: Gründervater der Neuen Vorarlberger Bauschule, Portrait . Fernsehbeitrag 3:38 (Erstausstrahlung: 8 . 5 . 2010). 6 Die Mönche selbst hatten mit dem Kloster ein bewegtes Erbe übernommen. Die auf den Fundamenten einer romanischen Basilika (1125) erbaute Barockkirche wurde durch den Bregenzerwälder Baroc­kbaumeister Franz Anton Beer 1730 vollendet. Nach der Aufhebung der Benediktinerabtei 1806 durch die „aufgeklärte“ bayrische Regierung dienten die Klostergebäude ein halbes Jahrhundert lang als Fabrik, Kaserne und Druckerei. Die ehemalige barocke Klosterkirche wurde abgerissen, die Steine dienten als Baumaterial für die Hafenmole von Lindau. Ein findiger Bregenzer Händler verkaufte die Steine an die Stadt Lindau, die sie zur Befestigung der Hafenmole verwendete. Erst 1854 besiedelten die 1841 von den Liberalen aus Wettingen (Kanton Aargau) vertriebenen Zisterzienser die Mehrerau neu. 1856 –1859 wurde eine neuromanische Kirche errichtet, deren Innenausstattung und Bogenkonstruktionen von einem der Dekorateure König Ludwigs entworfen wurden und aus bemalten, im Lauf der Jahre feucht und schadhaft gewordenen Holzverkleidungen bestanden. Der damalige Abt war ein älterer, vorsichtiger Mann, der sich aber letztendlich überzeugen ließ. Die katholische Kirche war im Zuge starker Erneuerungsbewegungen und im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils für viele ein Ort der geistigen Zuflucht. Auch die Avantgarde der Bildenden Kunst fand in avancierten Persönlichkeiten und auch in Räumlichkeiten der Kirche Unterstützung. Dieser religiös unterlegte Diskurs um Kunst und Gesellschaft hatte gerade auch in Vorarlberg große Bedeutung, da alle offiziellen Einrichtungen von äußerst konservativen Restriktionen geprägt waren. 7 Jakob Albrecht (*1933) war ein ebenso wichtiger Vertreter der Pioniergeneration, der durch seine Provenienz aus dem Bregenzerwald ab 1959 den Holzbau in Vorarlberg vorantrieb, aber auch zu vielen urbanistischen Themen Stellung bezog. Er hatte von 1951–1955 bei Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert. Albrecht war

und Landschaft bewahren wollten – gegen nicht nur in Wien, sondern auch nach eine kommerzielle Moderne und nicht seiner Rückkehr nach Vorarlberg diesem selten gegen die Träger einer brutalis­ Kreis von Künstlern und Architekten tischen Architektursprache, die in ihrem verbunden, der in der Vereinigung Bil­d­ vordergründig aggressiv-domi­nanten ender Künstler Vorarlbergs einen Ort und Gestus zum Paradebeispiel des kommerRahmen hatte und für die Architekten ziellen Umwelt- und Altstadtzerstörers der 1960er- und 1970er-Jahre ein maß­ passte. gebli­cher Rahmen des Diskurses war. 8 Franz Bertel hatte ursprünglich auch bei 15 Otto Kapfinger : Baukunst in Vorarlberg seit 1980 . Bregenz 1998. Wotruba Bildhauerei studiert, aber abgebrochen und hat als Theoretiker und Lehrer an der Pädagogischen Akademie in Feldkirch mit seiner Architekturbegeisterung ganze Generationen von angehenden Lehrern sensibilisiert, die in den 1980er-Jahren zu einer wesentlichen Klientel für Wohnbauprojekte der Vorarlberger Baukünstler wurden. (Eigenes Interview mit Franz Bertel, 2004.) 9 https//ww.mehrerau.at/de/klosterkirche (Zugriff : 12 . 05 .  2022). 10 „War“ deshalb, weil der Versuch, den „Veitschi“ mit Efeu zu kombinieren, in einen biologischen Verdrängungskampf mündete, den der Efeu – zum großen Bedauern der Gärtner – bis zur völligen Tilgung des Weins für sich entschieden hat. 11 Norbert Heltschl: Neue Ideen in der Architektur, in: Der Weg zum Bauen und Wohnen 66, Sonderheft des Süd-WestVerlags . München 1966. Neuabdruck in: aut. architektur und tirol (Hg.): reprint, ein lesebuch zu architektur und tirol , Innsbruck 2005, S. 160. 12 Er hatte selbst Architektur bei Clemens Holzmeister an der Akademie studiert, hat sich aber bald der experimentellen Literatur der Wiener Gruppe zugewandt und schrieb seit 1960 regelmäßig Architekturkritiken für die „Abendzeitung“ und die „Presse“. 13 Monografien über Adelheid Gnaiger (1916 –1991), Werner Pfeifer (1919 –1972) oder Willi Ramersdorfer (1922 – 2010) erschienen 2014 und 2018. 14 Interessant ist die Genese der Bauaufgabe Altbausanierung, die in einer Gegenbewegung und gegen größten öffentlichen, medialen und politischen Widerstand zuerst vereinzelt, dann breiter als stadterhalterische Aufgabe durchgesetzt wurde. Es war eine Neo-68er-Protestgeneration, die Mitte der 1970er-Jahre, unter dem Eindruck eines internationalen Wandels in der Rezeption von Stadt und Ort, den Wert dieser Altbauten postulierte und zu originellen, später historisch präzisen Sanierungen wandelte. Dies vermischte sich Ende der 1970er-Jahre mit politisch und gesellschaftlich engagiertem Holzbau und Selbstbauprojekten, die mit Sanierungen alter Bauernhäuser und dem typisch postmodernen Topos des lang gestreckten Satteldachhauses Ort

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Hans Purin, Sitzmöbel vor rauem Putz in der Seitenkapelle der Abteikirche des Klosters Mehrerau, Bregenz, 1961–1964

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Hans Purin, Umbau der Abteikirche des Klosters Mehrerau, Mittelschiff, Bregenz, 1961–1964 Klosterkirche Mehrerau, historische Aufnahme, vor 1918

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Portalplastik von Herbert Albrecht, „Vision der apokalyptischen Frau“, Thema aus der Apokalypse des Johannes, Betonguss, 1961/ 62 Blick auf die Seitenfassade der Abteikirche mit historischem Turm Hans Purin, Skizzen für das neue Portal der Abteikirche vom 3 .12 . 1959

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C4 Architekten, Wohnhäuser SillaberFohn und Manahl, Lochau, 1968 –1970 Axonometrie Wohnhaus Sillaber-Fohn

V 09 Wohnhaus Sillaber, Zufahrt V 10 Terrasse V 11 „Gartenblick"

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V 12 C4 Architekten, Wohnhaus Sillaber, Lochau, 1968 –1970, Essbereich Erdgeschoss V 13 Wohnhaus Sillaber, Wohnraum Obergeschoss V 14 Guntram Mätzler, Gymnasium / PÄDAK Schillerstraße, Feldkirch, 1966 –1970

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Herbert Bereiter, Terrassensiedlung Schwarzach, 1966 –1968 Lamm Weber Donath Architekten, Baustelle GWL (Gemeinschaftliches Warenhaus Leutbühel), Bregenz, ca. 1973

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Tirol Tirol erwacht! Drei Perspektiven auf ein Land im Aufbruch: Josef Lackner, Norbert Heltschl und Franz Kotek

Elmar Kossel, Klaus Tragbar

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sich ziehen, die Olympischen Winterspiele, die gleich zweimal, 1964 und 1976, in Innsbruck stattfinden und für das Stadtwachstum genutzt werden, wie es etwa die großmaßstäblich dimensionierten Wohnbauten am Mariahilfpark von Josef Kotek oder die Terrassenhausanlagen von Norbert Heltschl dokumentieren. Zwar bildet die Landeshauptstadt Innsbruck den Schwerpunkt der Bautätigkeit, aber auch in den kleineren Ortschaften entstehen charakteristische, zeittypische Bauten und Siedlungen wie die Arzbergsiedlung in Telfs, an der neben dem lokalen Baumeister Anton Klieber die für die Nachkriegszeit in Tirol prägenden Architekten Norbert Heltschl, Josef Lackner und Horst Herbert Parson mitgewirkt haben. Eine große Tirol erwacht! Das „Heilige Land Tirol“, in dem Rolle in dem wenig industrialisierten Tirol spielen Bauein strenger Katholizismus mitunter sehr konservativ ten für den Tourismus, der die Architektur schon in gelebt wird, entschloss sich Ende der 1950er-Jahre, den 1920er-Jahren geprägt hat. Dazu gehören Bauten wenn auch etwas widerwillig, sich der Welt und dem wie das Sport- und Kulturzentrum in Seefeld von Ernst Neuen zu öffnen. Heiss, Hubert Prachensky und Michael Prachensky Mit dem Bau der Brennerautobahn – für die man (1973 –1975), das 1974 von der ARGE Kongressin der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst keinen haus3 fertiggestellte Kongresshaus in Innsbruck und Bedarf gesehen hatte, da es noch 1954 hieß  : „Tirol das Skigymnasium in Stams (1974 –1982) von Othmar braucht keine Autobahn, sondern Alpenstraßen“1 – Barth, bei dem Sport und Bildung in einem spektakusetzt in Tirol eine umfangreiche und vielgestaltige Baulären Bauwerk zusammenfließen. tätigkeit ein, die neben bedeutenden InfrastrukturproDer Blick auf die Baukultur jener Jahre offenjekten auch den städtebaulichen Ausbau Innsbrucks bart, dass im Panorama der Nachkriegsmoderne, und die Herausbildung charakteristischer Typologien neben sehr typischen Beispielen des Brutalismus mit beinhaltet. 1959 erfolgt der erste Spatenstich für den selbstbewussten Solitären aus schalungsrauem SichtBau der Europabrücke, am 5. April 1971 wird der Verbeton, auch formal etwas verhaltenere Tendenzen bekehr zwischen Österreich und Italien aufgenommen, stehen, die dem Fortschreiben einer Tiroler Moderne sodass Tirol nun an das europäische Verkehrsnetz der 1920er- und 1930er-Jahren zuzurechnen sind. angeschlossen ist. Damit war auch die Gefahr ge„Brutalismus“ und „Tiroler Moderne“ mögen zwei bannt, Tirol würde „umfahren“ und von dem gewinnSchlagworte sein, die auf den ersten Blick fast gar bringenden Transitverkehr zwischen Nord und Süd nichts miteinander gemeinsam haben, allerdings – und abgeschnitten werden.2 Ab Mitte der 1970er-Jahre das soll der vorliegende Beitrag zeigen – entspann sich erfolgte der Bau des Arlberg-Straßentunnels, der nun von den späten 1950er- bis etwa Mitte der 1970erdie Bundesländer Tirol und Vorarlberg in Ost-WestJahre ein Dialog zwischen diesen beiden Polen, die Richtung verband. Die ikonischen Lüftungsschächte Tradition und Fortschritt, Öffnung zur Welt und Arbei Albona in Vorarlberg oder Mainwasen auf der Titikulation von Eigenständigkeit ebenso berühren wie roler Seite von Hubert Prachensky und Ernst Heiss auch das Entwickeln von neuen Typologien. (1975) erscheinen wie „Kathedralen des Fortschritts“ Der Hauptfokus4 dieses Beitrags liegt auf dem in der Berglandschaft. Kirchenbau, der ausgehend von Josef Lackners wegDie Bautätigkeit in Tirol in den 1960er- und weisender Kirche St. Pius X. in Innsbruck Neu-Arzl 1970er-Jahren lässt sich generell als ein Ausbau des und den zugehörigen Entwürfen eine weitreichende Landes beschreiben. Ein Ausbau, der die gesellschaftEntwicklung weit über Tirol hinaus und ganz Österlichen Veränderungen in Österreich ebenso widerreich zeitigte. Mit der Einführung des Motivs der spiegelt wie gesamteuropäische Entwicklungen. Dazu „quadratischen Raumschale“ bildet dieser Bau nicht gehören beispielsweise Bildungsreformen, die neuartinur den Auftakt für den sogenannten „Quadratroman“5 ge Schulbauten wie die Hallenschule hervorbringen im Tiroler Kirchenbau, sondern es wurde erstmals und die Erweiterung der Universität Innsbruck nach

der Vorfertigung zu lösen suchte“,11 vielfach rezipiert ein zentrierter Kirchenbau realisiert, der auf einen wurde. Sichtbar wird dieser Einfluss beispielsweise Wettbewerbsentwurf Lackners von 1957 für eine Kiran den Kirchenbauten der arbeitsgruppe 4 (Wilhelm che in Innsbruck-Reichenau zurückgeht und der die Holzbauer, Friedrich Kurrent, Johannes Spalt und, bis Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils bereits 1953, Otto Leitner)12 mit der Pfarrkirche zum kostvorwegnimmt. Neben diesem Schwerpunkt des Aufbaren Blut in Salzburg Parsch (1953 –1956) und dem – satzes sollen zusätzlich die Hauptentwicklungslinien gemeinsam mit Johann Georg Gsteu entworfenen – aufgezeigt und die wichtigsten Protagonisten anhand Seelsorgezentrum in Steyr-Ennsleiten (1958 –1961) von ausgewählten Beispielen vorgestellt werden. oder dem Seelsorgezentrum Baumgartner Spitz in WienPenzing (14.) von Johann Georg Gsteu (1960 –1965). Brutalismus und Tiroler Die Betonung auf den Sakralbau mag aus heutiger Nachkriegsmoderne Sicht überraschen; tatsächlich war „der wichtigste Bauherr für diese junge Architektengeneration […] die Den heute in der Öffentlichkeit zum Schmähwort katholische Kirche – in den 60er-Jahren in Österreich gewordenen Begriff „Brutalismus“, abgeleitet vom einsamer Vorreiter hinsichtlich Architektur- und Baufranzösischen béton brut für Sichtbeton und (beherrenkultur“.13 Ein Umstand, der sich vielleicht mit wusst?) missverstanden als „Betonmonster“,6 hatte der italienischen Architekturlandschaft vergleichen Reyner Banham bereits 1955 zum New Brutalism lässt, wo in den 1950er- und 1960er-Jahren ebenfalls erweitert.7 Banham verstand darunter nicht mehr eine Reihe wegweisender Kirchenbauten entstanden. nur ausschließlich Sichtbetonbauten, sondern eine Deren Aufbruchsstimmung, Offenheit und RisikobeArchitektur, die ein einprägsames Bild von sich schuf, reitschaft hatte vor allem zwei Ursachen  : das Zweite die ihre Struktur klar zum Ausdruck brachte und die Vatikanische Konzil (1962 –1965), das grundlegende verwendeten Materialen bewusst einsetzte und sichtliturgische Reformen beschloss und dabei auch auf bar beließ8 – Eigenschaften, die in der vernakularen Gedanken der Christozentrischen Bewegung Johannes Architektur (nicht nur) Tirols mit ihren Fassaden aus van Ackens14 aus der Zwischenkriegszeit zurückgriff, rauem Kalkputz, sichtbar belassenem, unbehandelten und den Bund Neuland, der 1919 als christlich-deutHolz und klar ablesbaren Konstruktionsweisen, freilich scher Studentenbund gegründet worden war und sich auch ohne theoretischen Überbau, schon lange eine bereits im Vorfeld des Konzils für eine Reform des große Rolle gespielt hatten. Schon in der ZwischenKirchenbaus engagierte.15 Zu den Architekten, die im kriegszeit hatten die Architekten der Tiroler Moderne Kontext der Christozentrischen Bewegung genannt diese Eigenschaften aufgegriffen, auf neue Bauaufgawerden müssen, gehört Dominikus Böhm. Gemeinsam ben wie Sporthotels und Seilbahnstationen angewandt mit seinem Büropartner Martin Weber legte Böhm die und eine spezifische, in der lokalen Architektur verEntwürfe Lumen Christi und Circumstantes vor,16 die ankerte Form der Moderne entwickelt.9 beide in eine der zentralen Schriften der liturgischen So verwundert es nicht, dass zahlreiche Tiroler Bewegung, die „Christozentrische Kirchenkunst" van Architekten auch in der Nachkriegszeit an dieses Ackens, als architektonisch und liturgisch wegweisend architektonische Erbe anknüpften und dezidiert zeitaufgenommen wurden. Rudolf Schwarz, auch er ein genössische, in ihrer Haltung zur Materialehrlichkeit Mitarbeiter Böhms, war Mitglied der katholischen Jugleichwohl traditionell eingebundene Bauten entwargendbewegung Quickborn und baute unter der Leitung fen und sich damit auch gegen einen kommerziellen von Romano Guardini die Burg Rothenfels, vor allem „Tyrolian Look“ wandten, den Friedrich Achleitner in deren Kapelle, zu einem Zentrum der liturgischen seinem Artikel „Tradition statt Traditionalismus“ von Bewegung aus. Erwähnt sei auch Emil Steffann, wie 1966 über Josef Lackner noch so leidenschaftlich Schwarz ein Mitglied des Quickborn, der vor allem geißelte.10 für seine „Scheunenkirchen“ bekannt geworden ist. Großen Einfluss, nicht nur auf die Architektur in Zu den für den Kirchenbau wesentlichen ReforTirol, sondern auf die ganz Österreichs, übte auch Konmen des Zweiten Vatikanischen Konzils gehört dessen rad Wachsmann aus, der von 1956 bis 1960 Seminare an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg hielt und dessen „rational-strukturalistischer Ansatz, der Fragen der modularen Ordnung und

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Die Kirchenbauten von Josef Lackner

Eignung für die Liturgie und die tätige Teilnahme der oder  : Überlegungen für eine liturgische Gläubigen daran. Der Hochaltar muss so aufgestellt und architektonische Erneuerung werden, dass er von der Gemeinde als Mittelpunkt des im Kirchenbau Raumes empfunden wird; man muss ihn umschreiten können. Der Tabernakel kann vom Hochaltar getrennt 1957 reicht Josef Lackner beim Wettbewerb für eine an einer anderen, besonderen Stelle des Raumes stePfarrkirche in dem seit 1952 neu entstehenden Innshen. Es soll nur wenige Nebenaltäre geben. Für die brucker Stadtteil Reichenau27 einen Entwurf ein, der Lesung soll ein vom Altar getrennter, von der Geden traditionellen Kirchenbau auf den Kopf stellt – meinde gut sichtbarer Ambo aufgestellt werden. Der besser gesagt  : revolutioniert – und die Bestrebungen Altarraum soll durch eine Erhöhung betont werden, der liturgischen Bewegung noch vor dem Konzil in ohne aber die Einheit des Kirchenraums zu gefährein ebenso überzeugendes wie weg­­­weisendes archiden.17 Den „Neuländern“ ging es im Rahmen der liturtektonisches Konzept umsetzt. Lackner entwirft einen gischen Bewegung nicht alleine um die Erneuerung und quadratischen Baukörper, der im Erdgeschoss über Vertiefung der Liturgie durch eine stärkere Beteiligung die geöffneten Ecken betreten wird. Auf der Eingangsder Gemeinde, sondern auch um eine kulturpolitische ebene befindet sich umlaufend ein Kreuzweg, der zenNeuorientierung der katholischen Kirche und um die trale Bereich mit dem Taufbecken, den Beichtstühlen Integration zeitgenössischer Kunst und Architektur. und der Sakristei ist um drei Stufen abgesenkt. Vier Monsignore Otto Mauer,18 Domprediger in St. Steeinläufige, an den Innenseiten der Fassaden liegende phan, gründete 1954 die Galerie St. Stephan (ab 1964 Treppen führen den Besucher nach oben, auf eine – Galerie nächst St. Stephan) und formte sie zu einem sicher auch symbolisch zu verstehende – „höhere Zentrum der österreichischen und internationalen Ebene“, die Lackner schlicht „Versammlungsebene“28 Avantgarde.19 Mauer forderte, die Kirche müsse „die nennt und die der Besucher in der Mitte einer der größten Architekten, Maler und Bildhauer ihrer Zeit quadratischen Seiten betritt. Der eigentliche Raum beschäftigen“ 20. für die Liturgie sollte durch seine allseitig umlaufende, In den Christlichen Kunstblättern21 befassten transluzente Verglasung in ein milchig-weißes Licht sich Günter Rombold22 und der damalige Jesuitengetaucht sein, nur „jeweils in den beiden Raumachsen pater Herbert Muck23 mit den liturgischen und archisind je vier Felder als farbige Glasmosaike vorgesetektonischen Aspekten des modernen Kirchenbaus,24 hen“ .29 Den Altar positioniert Lackner im Zentrum des sodass „die junge Architektengeneration, der etwa Raumes, Chor und Kanzel ordnet er jeweils seitlich die arbeitsgruppe 4, Ottokar Uhl oder Johann Georg davon an, sodass sich eine liturgische Querachse erGsteu angehörten“,25 sowohl der aktuellen Reformgibt. Das flache Dach wird von vier winkelförmigen, diskussion folgen als auch eigene Entwürfe publizieaus den Ecken des Quadrats nach innen verschoberen konnte. Ein frühes Ergebnis dieser Bemühungen nen, freistehenden Stützen getragen. Das Bauwerk um einen zeitgemäßen Ausdruck sakraler Räume war sei, schreibt Lackner, „eine Betonkonstruktion, in all die von dem Neuländer Pfarrer Josef Ernst Mayer seinen Teilen roh bzw. schalrein belassen!“. Auch der vorangetriebene, radikale Neugestaltung der neoroBoden „weist die Struktur des Betons auf – nur der manischen Pfarrkirche Hetzendorf (auch RosenkranzAltar, die Kanzel und das Taufbecken sollen in wertkirche, Hubert Gangl und Eugen Felgel, 1908/09)26 in volleren Materialien entstehen.“30 Wien-Meidling (12.) durch Johann Georg Gsteu und Lichtführung und Positionierung der Stützen erFriedrich Achleitner 1957/58. Während das Äußere innern an Frank Lloyd Wrights Unity Temple (1908) der bei einem Luftangriff 1944 beschädigten Kirche und auch an die Pfarrkirche Nostra Signora della Miserekonstruiert wurde, entfernten Gsteu und Achleitner ricordia in Baranzate bei Mailand (Angelo Mangiarotti, im Inneren die gesamte Ausstattung und Symbolik und Bruno Morassutti und Aldo Favini, 1956 –1958), auch führten es auf seine reine bauliche Struktur zurück; wenn dieser Raum aufgrund seines eher traditionellen, lediglich das – wie die gesamte Purifizierung heftigst rechteckigen Grundrisses mit „x"-förmigen Längsumstrittene – Rosenkranztriptychon von Ernst Fuchs trägern in Sichtbeton abgeschlossen ist. Für Lackner akzentuiert das Innere. Indes, die Innovation im österstellte dieser Entwurf ein Bekenntnis dar zu einem reichischen Kirchenbau der Nachkriegszeit beginnt „Gotteshaus in unserer Zeit […]. Die Sammlung der in Tirol.

stellungen von einem zeitgemäßen Kirchenbau auf der Gläubigen um den zentral gelegenen Altar in einem gegenüberliegenden Seite des Inn, in dem ebenfalls Raum höchster Reinheit war der Leitgedanke dieser stark wachsenden Stadtteil Neu-Arzl umsetzen. In Planung.“ Seine Kirche sollte „nicht etwa ‚nett‘ oder dem 1958 ausgeschriebenen Wettbewerb34 für die ‚stimmungsvoll‘ sein, sondern in erster Linie wahr und Pfarrkirche St. Pius X. (1958 –1960),35 bei dem er unverfälscht“, wozu auch der verwendete béton brut sich unter anderem gegen Gsteu durchsetzen konnte, gehört.31 entwarf er einen wiederum quadratischen Baukörper In diesen Zusammenhang gehört eine Serie von mit rund 30 Meter Seitenlänge und, an der verkehrsEntwurfsskizzen, die wohl Ende der 1950er-Jahre reicheren Seite des trapezförmigen Grundstücks, entstanden sein dürfte und im Nachlass Lackners vereinen freistehenden, 30 Meter hohen Glockenturm. wahrt wird.32 Die Blätter zeigen eine aufschlussreiÜber einem verglasten Sockel erhebt sich ein che Variante eines quadratischen Kirchenraums. Die flacher, weiß verputzter Kubus mit nach oben abgequadratische Raumschachtel erscheint hier als eine schrägten Ecken. Die Ecken sind verglast und bilden unter einer Dachplatte „schwebende“ Konstruktion. zusammen mit den darüber angeordneten WasserspeiEin Lichtband scheidet die Deckenplatte von der Fasern ein markantes Motiv der Kirche. Über eine Freisade und akzentuiert damit die geschlossene Wandflätreppe mit seitlichen Wangen aus Sichtbeton gelangt che, die – im Entwurf gelb hervorgehoben – aufgrund man von Westen in den erhöhten Innenraum und steht ihrer Oberfläche an Sichtbeton denken lässt. Der in dem Altarbereich gegenüber. Betritt man die Kirche der Mitte gelegene Eingang wird durch eine doppelüber die in den Mitten der Süd- und Nordseite geleläufige Treppe erreicht. Die Dachplatte wird von einem genen Zugänge, quert man den umlaufenden Kreuzweg zarten Gestänge getragen – der Entwurf erinnert an im Sockel und steht dann vor dem erhöhten Altarbeden österreichischen Pavillon von Karl Schwanzer auf reich. Eine brüstungshohe, nach innen gerückte Mauer der Weltausstellung 1958 in Brüssel. Am Kirchturm umschließt den stützenfreien Kirchenraum, der von scheint Lackner mit verschiedenen Formsteinen oder einer Kassettendecke aus Sichtbeton überspannt wird. einer Kombination aus Bruchstein und Beton zu exDie Mauer verdeckt auch das umlaufende Fensterband perimentieren. Der gesamte Gestus des Entwurfs ist des Sockels, das gemeinsam mit den abgeschrägten repräsentativer und in seinem Detailreichtum auch Ecken für einen indirekten Lichteinfall sorgt. Mauern, zeittypischer als der Wettbewerb von 1957. Wände und Teile der Möblierung sind in Sichtbeton Neben diesen wegweisenden Sakralbauten entausgeführt, der Boden ist mit Granitwürfeln ausgelegt. warf Lackner zahlreiche Wohnanlagen und WohnhäuLediglich der Altarbereich aus weißem Marmor und ser, Betriebs- und Firmengebäude, Bildungseinrichtunder Betonchristus vor dem einzigen farbigen Fenster gen und vieles mehr. Seine Vorliebe für geometrisch bilden Akzente in dem betont schlichten Kirchenraum. bestimmte Entwürfe wird an kleinen Bauten wie dem Alle Materialien – Beton, Granit, Marmor und das Holz Bad Flora in Innsbruck (1969/70, zerstört 2018) für der Sitzbänke – sind in ihrer Natürlichkeit belassen; den Tiroler Künstler Paul Flora, für dessen Grundriss ihre Materialität ist erlebbar. Ursprünglich waren Lackner sieben Kreise so versetzt anordnete und mit auch seitlich des Altars Bänke angeordnet, sodass Lichtkuppeln aus Betonformsteinen versah, dass der der Altar auf drei Seiten von der Gemeinde und auf Eindruck einer Grotte entstand,33 ebenso deutlich der vierten, der Rückseite vom Laienchor umgeben wie an größeren Bauaufgaben wie dem Lichtstudio war; die seitlichen Bänke wurden später entfernt. An Bartenbach in Aldrans (1988). Den rund sieben Meder Außenseite der brüstungshohen Mauer befindet ter betragenden Niveauunterschied des Grundstücks sich im Sockel der Kreuzweg mit in die Wand eingenutzte Lackner für ein viergeschossiges, spiralförmig lassenen Skulpturen von Hans Ladner; auch sie sind angelegtes Bürogebäude mit mittigem Aufzugsschacht konsequent in Sichtbeton ausgeführt. und begleitender Wendeltreppe. Den zylindrischen Der Bau von St. Pius X. schlug hohe Wellen im Großraum prägen die um rund 40 Zentimeter verkonservativen Tirol. „Der Tiroler, gewohnt seine Glausetzten Sektoren und der nach oben sich weitende bensstätte barock vorzufinden, ist mit all den neuen Ausblick in die Tiroler Landschaft. Der Bau wurde 1988 mit dem Tiroler Landespreis ausgezeichnet. Ein Jahr nach seinem Entwurf für die Pfarrkirche in Innsbruck-Reichenau konnte Lackner seine Vor-

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erwähnt, aber nicht abgebildet. Erst 2010 würdigt Bezugnahmen nicht immer einverstanden.“36 Die aus Caroline Jäger-Klein in ihrer Darstellung der österreiBeton, nur in groben Umrissen geformte und auf Stahlchischen Architekturgeschichte den Expressionismus rohr montierte Christusfigur von Hans Ladner musste von St. Pius X., der gerade nicht der Forderung der auf Anordnung des Bischofs Paulus Rusch entfernt Zeit nach einer modularen Ordnung im Sinne Konrad werden, sie ruhte lange in einem Depot neben der Wachsmanns genüge.48 Sakristei.37 Bischof Rusch forderte auch einen Teppich Josef Lackner hat sich in seinem Œuvre noch auf dem Granitpflaster, um eine "sakrale Wirkung" zu mehrmals mit der Typologie quadratischer Kirchen erzielen.“38 Bis in die USA wurden diese Diskussionen und den liturgischen Anforderungen des Zweiten wahrgenommen. Als Ergebnis einer vom österreichiVatikanischen Konzils auseinandergesetzt. So etwa schen Außenministerium organisierten Pressereise, bei bei der Pfarrkirche St. Emmaus (1965 –1967).49 Wie der den Journalisten auch St. Pius X. gezeigt worden eine Großskulptur liegt der zeichenhafte Bau am – zur war, erschienen in zahlreichen US-amerikanischen TaBauzeit – Rand des Dorfes Völs im Inntal; die spitz geszeitungen Artikel, darunter auch in der „New York nach oben gezogenen Kanten des weiß verputzten Times“, über das „staid Tyrol split on modern church“39. Baues, eine überzeugende gestalterische Bearbeitung Der US-amerikanische Architekturkritiker George des konstruktiv notwendigen Hängedachs, scheinen E. Kidder Smith gehörte zu den ersten, die St. Pius X. die dahinterliegende Bergkette zu abstrahieren. „Ein würdigten und in einen größeren Kontext stellten.40 Er Hauch Folklore verbindet sich mit modernen Formen hob die Grundrisskonzeption und den umlaufenden zu einer modernen Kirche“,50 so die Rezeption der Kreuzweg hervor, wodurch das Kircheninnere zu einer 1970er-Jahre, die durchaus das Verknüpfen von orts„von der übrigen Welt gelösten, ‚erhabenen‘ Stätte der typischen Elementen, wie dem Zirbenholz und dem Andacht“41 werde. Lediglich die dreieckigen Fenster, weißen Rauputz mit modernen Architekturelementen das große über dem Altar und die kleineren an den erkannt hatte, wenn auch ein mokanter Unterton in abgeschnittenen Ecken, kritisierte er. In Österreich dieser Beschreibung mitzuschwingen scheint. An den hatte Friedrich Achleitner die Pfarrkirche St. Pius X. jeweils mittig in den Fassaden liegenden Tiefpunkten 1967 in einem Aufsatz zur österreichischen Nachdes Grabendachs ordnet Lackner zur Dachentwäskriegsarchitektur noch als „die erste Kirche, deren serung kleine erkerartig vorspringende halbe Pyrainteressanter Raumgedanke gleichzeitig die erste miden an; darüber befinden sich halbrunde Fenster. unabhängige Neuplanung ist“42 bezeichnet, nahm Mit ähnlichen, fast expressionistisch zu nennenden aber nur zwei Jahre später eine Neubewertung vor : Faltungen springen die Ecken des Baukörpers zurück; Die auf das Quadrat bezogenen Grundrisse seien mittig in den seitlichen Fassaden sind unter den halben der Auseinandersetzung der arbeitsgruppe 4 mit der Pyramiden dreieckige Doppelnischen angeordnet, die Wiener Moderne zu verdanken, die „Überwindung auch im Innenraum erlebbar sind. Im Grundriss variiert des historischen Kirchenbaus“43 reklamierte er für Lackner das quadratische Grundrisskonzept seiner Ottokar Uhl. Den Kirchen Lackners bescheinigte er vorherigen Entwürfe und verzichtet auf die Erhöhung zwar, diese gingen „in der räumlichen Ausschöpfung des Innenraums. Man betritt die Kirche ebenerdig von dieser Grundfigur am weitesten“, indes bestehe in den Osten und steht dem erhöhten Altarbereich gegenüber dem Quadrat aufgebauten Kirchenräumen „des über. Der Kirchenraum wird stützenfrei von einer Tiroler Lackners Bindung zu Wien“.44 Auch Sokratis unter dem Hängedach angeordneten HolzleimbinderDimitriou befeuerte diese auf Wien zentrierte Sichtkonstruktion überspannt. Der Altar besteht aus einer weise der österreichischen Architekturgeschichte und massiven, kräftigen Steinplatte; die Wände sind weiß machte St. Pius X. von einem Wettbewerbsbeitrag verputzt, das von oben einfallende, indirekte Licht der arbeitsgruppe 4 für St. Florian in Wien abhängig.45 schafft, je nach Sonnenstand, ganz unterschiedliche 1976 werden die drei Tiroler Kirchenbauten Lackners, Lichtstimmungen. St. Pius X., St. Emmaus und St. Norbert sowie die Am konsequentesten ist ihm die Umsetzung des Konzilsgedächtniskirche in der Wiener Secession ausquadratischen Grundrisses vielleicht in der Konzilsgegestellt.46 Im Katalog, den die Akademie der bildenden dächtniskirche in Wien-Hietzing (13.) (1965 –1968)51 Künste zu ihrem 100-jährigen Jubiläum herausbrachgelungen, indem er den ebenerdig und auf einer Ebene te, wird St. Pius X. zwar im Text als Beispiel für das angeordneten Kirchenraum von den vier Ecken aus „Setzen von kräftigen Zeichen“47 im Werk von Lackner

Kunststoff, dass die Wände wie durch Licht aufgelöst erschließt und so jegliche Achsenbildung im Inneren erscheinen und die monumentale Kassettendecke aus vermeidet. Der Altar steht im Zentrum des Raumes Sichtbeton darüber gleichsam zu schweben scheint. und empfängt direktes Licht von oben, seine Position Ein Effekt, der an die Materialität von Alabasterfensist auch durch die Boden- und Deckengestaltung betern frühchristlicher Kirchenbauten erinnert. Mit dem tont. Die Gemeinde versammelt sich auf drei Seiten Altar im Mittelpunkt des Raumes und durch Lichtum den Altar, an der vierten Seite ordnet Lackner die kuppeln zusätzlich akzentuiert wurde dieser klar Sängerempore an. Durch ein umlaufendes Lichtband und streng durchstrukturierte Bau nur von Lackners an den Außenwänden fällt Tageslicht in den Innenraum. Konzilsgedächtniskirche in Wien übertroffen. Viele St. Barbara in Wulfen (1968 –1971)52 hat zwar einen Details an Parsons Bau, wie etwa die Portale und die kreuzförmigen Grundriss, die Gemeinde ist jedoch wie geschweiften Stützen, verweisen mit ihrer soft-linein der Konzilsgedächtniskirche auf drei Seiten – hier Ästhetik bereits auf das Ende der Moderne. in den Kreuzarmen – um den Altar versammelt, der ebenfalls direkt von oben belichtet ist. Auch hier erNorbert Heltschl und schließt Lackner das Innere diagonal über zwei, hier der Sichtbeton Innenecken des Baukörpers. Der streng aus quadratischen Modulen aufgebaute Grundriss erinnert sowohl Der Architekt Norbert Heltschl (1919 –2017)55 kann an Konrad Wachsmann als auch an Santo Spirito in als einer der Pioniere des Brutalismus in Tirol betrachFlorenz von Filippo Brunelleschi. tet werden, der mit seinen Bauten aus schalungsrauem Bei der wiederum quadratischen Pfarrkirche Sichtbeton ab Ende der 1950er-Jahre den Anschluss St. Norbert in Innsbruck-Pradl (1969 –1971)53 führt Tirols an internationale Tendenzen vollzog. Lackner die Besucher:innen unter das markante Dach Trotz seines Studiums bei Paul Schmitthenner und über zwei Freitreppen in den im ersten Obergezeigt Heltschls Werk keinerlei Berührungspunkte mit schoss gelegenen Kirchenraum, der über zwei Ecken der Stuttgarter Schule oder dem Heimatschutzgedanbetreten wird. Der Altarbereich ist leicht erhöht und ken, sondern orientiert sich ganz im Gegenteil an der aus dem Zentrum verschoben; die Gemeinde nimmt Klassischen Moderne, so etwa nach eigener Aussage auf drei Seiten um ihn Platz. Belichtet wird der Kiran Frank Lloyd Wright, der Architektur des Bauhauses chenraum durch ein an den schrägen Außenwänden und besonders an Le Corbusier, dessen Modulor ihm umlaufendes Lichtband und durch die in der Kassetfür viele Planungen als Basis diente. Die Hinwendung tendecke angeordneten Oberlichter. zur Moderne und zu internationalen Tendenzen dürfDass Josef Lackners Kirche Pius X. die Initialte durch seine Assistentenzeit bei Friedrich Zotter zündung für eine ganze Reihe von Sakralbauten mit in entscheidender Weise gefördert worden sein, da quadratischem Grundriss im Tiroler Raum waren, dodieser den zeitgenössischen Strömungen gegenüber kumentiert auf eindrucksvolle Weise die 1968 –1972 sehr aufgeschlossen war und als Lehrer seine Schülererbaute Petrus Canisius Kirche von Horst Herbert schaft in dieser Hinsicht entscheidend geprägt hatte. Parson (1935 –2015).54 Der Bau kann als die konseSeine Laufbahn als Architekt begann Heltschl mit quenteste und klarste Umsetzung des quadratischen zunächst kleineren Projekten, bis ihm mit dem Bau Grundrisses nach Vorgaben des Zweiten Vatikanischen des Freibades Tivoli in Innsbruck 1958 –1961 große Konzils in der Nachfolge Lackners gelten. Der kubiBeachtung zuteil wurde.56 Der Architekt hatte sich sche Bau erhebt sich über einem Sockel aus Sichtbedabei in einem österreichweiten Wettbewerb durchton, der die Annexbauten aufnimmt. Die Erschließung setzen können. Als Markenzeichen in der weiträumierfolgt diagonal über die Ecken, sodass keine hierargen Anlage fungiert – wie bei den Kärntner Beispielen chisch strukturierte oder durch Achsen vorgebildeim Buch – der skulpturale Sprungturm, der aus zwei te Eingangssituation entsteht. Der Sichtbeton wird spitzwinkligen Betonpfeilern gebildet wird. Neben der im Sockelgeschoss durch symmetrische Einschnitte Kunst am Bau werden die Sichtbetonfassaden einmal gegliedert. Darüber erhebt sich die schwebende durch den Einsatz verschiedener Schalungstechniken Raumschachtel des Kirchenraumes, deren Fassade aus transluzentem gelblichem Kunststoff und einem weißen Metallgestänge sich bewusst von dem Beton absetzt. Im Innenraum bewirkt der durchlichtete

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Eingangsbereich führt und schließlich in die Eingangsbelebt, mithilfe derer ornamentale Reliefs erzeugt werhalle, die über Atrien großzügig belichtet wird. Im den, und zum anderen durch Waschbeton. Heltschl Inneren schließen sich links die Büros an, und auf arbeitet hier mit sehr großen Kieseln, was zu einem der rechten Seite gelangt man in die Kapelle. Der skulpturalen Oberflächeneffekt führt. rechteckige Kapellenraum erlaubt keinen Blick nach Ähnlich verfuhr er bei der Materialbehandlung bei außen, da der Raum nur von einem Lichtband unter seiner 1963 fertiggestellten Pfarrkirche in Landeckder Deckenplatte erhellt wird, das von den mächtiBruggen.57 Der Stadtteil wird durch die im Jahr 1900 gen Unterzügen in Sichtbeton unterbrochen wird. Das gegründete Textilfabrik und die zugehörigen Arbeiseitlich einfallende Licht bewirkt eine effektvolle Betersiedlungen geprägt, sodass als Patron der Kirche leuchtung des Wandreliefs an den Längswänden, das der Hl. Josef der Arbeiter gewählt wurde.58 Heltschl den einzigen „Schmuck“ des Kapellenraumes bildet. errichtete eine schlichte Kirche auf trapezförmigem Eine kreisrunde Öffnung im Dach akzentuiert zusätzGrundriss. Ein Höhenversprung am höchsten Punkt lich den Altarbereich. des Daches – das in seiner Form an ein Sheddach An der Fassade der Kapelle treten die „Sparrenerinnert und damit einen typologischen Bezug zum köpfe“ der Betonunterzüge prominent in Erscheinung, Fabrikbau aufnimmt – erlaubt, mit den sich seitlich die als Motiv auch an der Fassade des Hochkörpers anschließenden, vertikalen Fensterstreifen eine effektauftauchen, wo sie die durchgehenden Brüstungsvolle Belichtung des Innenraumes. 1963 wurde auf bänder der Balkone tragen. Als Motiv sind sowohl Bitten der Missionare von Mariannhill die Seelsorge die Sparrenköpfe als auch das kreisrunde Oberlicht der Pfarre auf diese übertragen. Die Missionsgemeinüber dem Altarbereich von Le Corbusiers Kloster schaft plante zu dieser Zeit bereits ein Schülerheim Sainte-Marie de la Tourette (1956 –1960) entliehen, und ein Seminar zu errichten,59 was noch im selben dessen Kargheit, Strenge und Konzentration Heltschl Jahr in Planung und Bau des Internats Abt Franz Pfanhier zitiert. Im Tiroler Kontext rekurriert das Motiv ner Mariannhill mündete, das 1967 von Heltschl ferder Sparrenköpfe allerdings auch auf die traditionelle tiggestellt wurde.60 Holzbauweise, deren vorkragende Balken ein bestimAufgrund seiner harmonischen Proportionen mendes Element sind. Ein mögliches weiteres Vorbild in Verbindung mit einer Betonung der Haptik des sowohl in typologischer Hinsicht als auch im Hinblick schalungsrauen Sichtbetons, den klaren Grundrissen auf das Adaptieren von Prinzipien des Holzbaus in Beund den hellen Innenräumen konnte das skulpturale ton mag darüber hinaus der Istituto Marchiondi, eine Internatsgebäude bis zu seiner völlig entstellenden Einrichtung für schwererziehbare Jungen, des italieniSanierung 1986 als ein Hauptwerk des Brutalismus schen Architekten Vittoriano Viganò von 1953 –1959 in Tirol betrachtet werden. Auch wenn bereits in der in Mailand gewesen sein.63 Im Gegensatz zur offenen kleinen Publikation, die nach Fertigstellung von MaEingangsfassade von Mariannhill, die mit geschossriannhill erschien, betont wurde : „Nicht jedem wird hoher Verglasung und den Balkonen ein Höchstmaß das Haus gefallen“,61 da Heltschl sich offenbar bean Licht in das Gebäude ließ, war die Rückseite fast wusst war, dass die Wahl des Sichtbetons nicht nur vollständig geschlossen. Neben den Fensterbändern auf Anerkennung stoßen würde, so ist das Gebäude dominiert der Sichtbeton, den die Balkenköpfe mit nach den „Verschönerungsmaßnahmen“ nun als Totalihrem Schattenspiel beleben. Das spektakulärste Moverlust für die Architekturgeschichte zu betrachten. tiv des Internatsgebäudes war der Dachgarten. DieFür Heltschl war die Wahl des Sichtbetons jedoch ser bildete eine Dachlandschaft mit Wasserbecken, weit mehr als eine ästhetische Entscheidung, da er Pflanztrögen und verschiedenen Aufenthaltszonen und zwar gestalterisch die größte Freiheit biete, ihm aber wurde von einer pergolaartigen Struktur aus einem auch der „Zwang der Unwiderruflichkeit“ innewohne. Betonrahmenwerk überfangen. Zudem bezeichnete er Mariannhill dezidiert als ein Von 1971–1975 realisierte Heltschl die Terras„fröhliches Gebäude“ und sah es als seine Aufgabe an, senhausanlage an der Höhenstraße Innsbruck-HötRäume zu schaffen, die „zur Arbeit anregen“ und „zur ting.64 Dieses erste Terrassenhaus nicht nur in Innsschöpferischen Entfaltung“ ermutigen.62 bruck, sondern in Westösterreich generell importiert Dem viergeschossigen Baukörper ist ein Flachbau einen Trend, der sich während der 1960er- und vorgelagert, der über eine imposante Rampe erschlos1970er-Jahre europaweit durchzusetzen begann. Prosen wird, die zu einem vorkragenden kastenförmigen

dessen Büropartner Peter Swienty. Das Trio konnte minent vertreten wurde diese Baugattung durch die den Wettbewerb für sich entscheiden und den neuen Terrassenhäuser und Wohnanlagen von Harry Glück Campus Sport 1975 fertigstellen.68 Das Gebäudeen(1925 – 2016), wie etwa den Wohnpark Alt-Erlaa in semble präsentiert sich konsequent in Sichtbeton, die Wien-Liesing (23.), mit dessen Planung Glück 1968 Spiel- und Schwimmhalle mit ihren markanten Betonbeginnt.65 Trotz zum Teil massiver Kritik von Fachbindern fungiert als Herzstück der Anlage mit hohem leuten an der Anlage und Problemen mit Vandalismus Wiedererkennungswert. und Sicherheitsaspekten, die besonders zu Beginn auftraten, ist die Bewohnerzufriedenheit in Alt-ErFranz Kotek und der laa heute sehr hoch.66 In Innsbruck meistert Heltschl großstädtische Maßstab mit seiner Anlage nicht nur das schwierige Terrain am Fuß der Nordkette, sondern versucht mit seinem Ein weiterer Protagonist, dem es maßgeblich zu verKonzept von gestapelten Einfamilienhäusern mit bedanken ist, dass internationale Tendenzen Eingang in grünten Terrassen eine Verbindung von Architektur die Innsbrucker Architekturlandschaft fanden, ist der und Natur zu erzielen. Die zehngeschossige WohnArchitekt Franz Kotek. Über das Leben und die Ausanlage ist nach Süden ausgerichtet und bietet einen bildung des 1909 in Condino (Trentino) geborenen reizvollen Fernblick über die Stadt und das Inntal. Das Architekten, der 1994 in Innsbruck verstarb, ist fast Gebäude mit seinen kantigen Brüstungsfeldern tritt zur nichts bekannt.69 Seine Wohnanlage Mariahilfpark von Straße hin zunächst nur dreigeschossig in Erscheinung. 1969 –1973 kann jedoch als eines der typischsten Dieser „Sockel“ nimmt den Maßstab der Bebauung brutalistischen Bauwerke gelten und etablierte dain der Höhenstraße auf und schirmt die darüber lierüber hinaus für den erweiterten Innenstadtbereich genden Terrassengeschosse zusätzlich vom Verkehr entlang des Inn einen wahrhaften Maßstabssprung. ab. Zwei Treppenhäuser gliedern die Anlage in drei Der Architekt erhielt den Direktauftrag für den Teile und setzen mit ihren expressiv geführten TrepWohnkomplex von der Gesellschaft Wohnungspenwangen in Verbindung mit Kunst am Bau einen eigentum (WE), da seine Frau mit dem Direktor Kurt vertikalen Akzent. Typologisch lehnte sich Heltschl Gattinger befreundet war.70 Die kammartige Bebauung an Terrassenhaussiedlungen mit „Treppengassen“ als besteht aus drei neungeschossigen und einem fünfvertikaler Erschließung an, die bereits seit dem Ende geschossigen Wohnhochhaus, der niedrigere Turm der 1950er-Jahre in der Schweiz realisiert worden leitet dabei zur deutlich kleinmaßstäblicheren hiswaren, so etwa die Terrassensiedlung in Burgahalde torischen Bebauung in Richtung Mariahilfkirche und in Klingnau von 1959 –1963, jedoch schließt er die Mariahilfzeile über. Straßenseitig wird das Ensemble Höttinger Anlage durch den Sockelbereich stärker mittels einer sockelartigen flachen Zeile, die Büros vom Straßenraum ab.67 Das gemeinschaftliche Dachund Geschäften vorbehalten ist, abgeschlossen. Die geschoss besitzt ein Schwimmbad sowie eine Sauna Eingangsbereiche sind mit großen Vordächern akzenund einen Kinderspielplatz, der allen Bewohner:innen tuiert, die auf der Unterseite orange gefasst und durch zur Verfügung steht. Für die Wohnungen entwickelte ein Kreisrelief zusätzlich betont sind, in das auch die Heltschl eine Reihe von Grundrisstypen, die sich durch Außenbeleuchtung integriert ist. Vorkragende Wandoffene Raumstrukturen besonders im Wohn- und Essscheiben strukturieren die Bereiche zusätzlich und gebereich auszeichnen, während die Schlaf- und Nebenben den Eingängen eine zusätzliche plastische Qualität. räume in der Regel recht übersichtlich dimensioniert Die mit den Schmalseiten zum Innufer orientiererscheinen. ten Wohnblöcke öffnen sich zu dem parkartigen GeAls Heltschl bereits am Terrassenhaus arbeitete, lände. Die Wohnbebauung Franz Koteks bildet mit erhielt er 1966 durch die Bundeshochbauverwaltung den Bauten der Universität jenseits der Brücke, wie die Einladung für den Wettbewerb für die Neubauten dem GEIWI-Turm und der Universitätsbibliothek, die des Campus Sport der Universität Innsbruck. Da dieebenfalls als kompakte Scheibenhochhäuser konzipiert ser weitere Auftrag die Kapazität seines Büros übersind, ein größeres Ensemble, das einen fast großstädstieg, wandte er sich auf Anraten des Bildhauers Hans Pontiller (1887–1970), den er von seiner Lehrtätigkeit an der HTL Innsbruck kannte, an dessen Sohn Peter Pontiller – einem Schüler Roland Rainers – und

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den hohen Wohnkomfort hingewiesen. Jede Wohnung tischen Maßstab ins Innsbrucker Stadtbild einführt. der insgesamt fünf verschiedenen Typen, die von der Die Fassaden der Wohntürme werden von den weit Einzimmerwohnung mit 30 Quadratmeter bis zu der umlaufenden Balkonen dominiert, deren Brüstungen an den Stirnseiten situierten Fünfzimmerwohnung mit aus vertikal geschalten Sichtbetonpanelen bestehen. 125 Quadratmeter reichen, besitzt eine geschosshohe Rhythmisch unterbrochen werden sie von PflanztröVerglasung zum großzügigen Balkon. gen, die ein horizontales Gegengewicht bilden. Kotek verwendete beim Bau der Anlage erstmals Resümee in Österreich die schwedische „Allbetonbauweise“, ein Bausystem aus Stahlbeton, das es durch ein Die Aufbruchsstimmung der 1960er- und 1970erSchottenwandsystem erlaubt, die Fassade als nichtJahre, ihr Mut und ihre Kraft zu Neuem, war besontragendes Element auszuführen.71 Die Fassaden sind ders während der nachfolgenden Jahrzehnte bis zur dabei geschosshoch durchfenstert, sodass auch ein Wiederentdeckung des Brutalismus75 nahezu vergroßflächiges Verputzen der Fassaden weitgehend entgessen, beziehungsweise musste – wie viele Bauten fällt. Zudem erlaubte dieses Konzept auch ein zügiges der Nachkriegsmoderne – restaurativen Strömungen Arbeiten im Inneren, da die Betonwände nur leicht weichen. Ein näherer Blick auf die „Betonmonster“ verspachtelt werden mussten. Bei der Gestaltung der des Brutalismus in Tirol zeigt freilich, dass die baugeschalten Fassade ließ Kotek viel Sorgfalt walten, da lichen Qualitäten der Architektur jener Jahre weder die Reliefwirkung mit 1:1-Modellen getestet wurde. ein reiner Import von internationalen Strömungen war, Gestalterisch orientiert sich Kotek bei den gerippder wenig mit dem baulichen Erbe gemein hatte, noch ten Strukturen an US-amerikanischen Beispielen, wie dass diese Architektur unsensibel oder gar ignorant etwa Paul Rudolphs Yale School of Art and Architecihrer Umgebung gegenüber auftritt. Vielmehr wird ture in New Haven/Connecticut von 1963. Rudolph deutlich, dass die gelungensten Beispiele immer im ließ dabei die Grate der Fassadenelemente von Hand Dialog mit der topografischen oder städtebaulichen abschlagen, um der Fassadenstruktur ein scharfkanSituation und dem baulichen Erbe der traditionellen tigeres und gleichzeitig lebendigeres Relief zu verleiTiroler Architektur stehen. Josef Lackner hatte nicht hen. Bei seinem Nachfolgeprojekt, dem Southeastern nur einen anderen, mutigeren Umgang mit der TraMassachusetts Technological Institute in Dartmouth/ dition gefordert und in seinen Entwürfen umgesetzt, Massachusetts (1962 –1972), wurden diese Struktusondern seine revolutionären Kirchenbauten waren ren durch spezielle Gussformen industriell gefertigt.72 auch die Initialzündung für entscheidende liturgische Zwar adaptierte Kotek dieses Grundprinzip, jedoch und bauliche Neuerungen im österreichischen Sakralging es ihm bei der Gestaltung der Fassade nicht um bau. Mit dem traditionellen weißen Rauputz und den eine gleichmäßige, gewissermaßen „kannelierte“ StrukZirbenholzdecken von St. Emmaus in Völs schrieb er tur, sondern um eine rhythmisch belebte Fassade, die bewusst das Erbe der Tiroler Moderne der 1920erer von barocken Balkenstrukturen aus dem Tiroler und 1930er-Jahre in zeitgemäßer Form fort. Franz Volkskunstmuseum in Innsbruck abgeleitet hatte.73 Die Kotek nutzte Holzkonstruktionen in abstrahierter WeiGrate in der Betonfassade sind daher in unregelmäßise für seine Fassadenfelder am Mariahilfpark, auch gen Abständen angeordnet, die Pflanztröge steuern Norbert Heltschl griff bei seinem Internat Mariannhill einen horizontalen Akzent bei und durch den Einsatz auf dieses Motiv zurück, und Horst Herbert Parson von Formsteinen mit runden Öffnungen wird ein zukombinierte für seine expressive Kapelle in der Axasätzliches Element ins Spiel gebracht. Diese, aus der mer Lizum traditionelle Lärchenschindeln mit zeitgeFernsicht wie verflochten und trotz ihrer Massivität mäßem béton brut. Und schließlich demonstrierten die leicht wirkende Fassadenstruktur erinnert an das Araambitionierten Infrastrukturprojekte der Zeit und die bella-Hochhaus in München, das von dem Architekten Etablierung eines fast großstädtischen Maßstabs im Toby Schmidbauer als Boardinghouse nach amerikaZentrum der Landeshauptstadt Innsbruck, dass sich nischem Vorbild zwischen 1966 und 1969 errichtet das „Heilige Land Tirol“ endgültig Europa zu öffnen worden war und als Inspiration für Koteks Bau gilt,74 begann. jedoch geht Kotek städtebaulich und konzeptionell deutlich über das Arabella-Hochhaus hinaus. Neben den ästhetischen Qualitäten des Baues sei auch auf

1 Wittfrida Mitterer: Gebaute Landschaft in Bewegung. Die Brenner-Autobahn. Ein Jahrhundertbauwerk wird 50. Brixen 2014, S. 37; vgl. Magdalena Pernold: Traumstraße oder Transithölle? (1950 –1980). Bielefeld 2016. 2 Vgl. Mitterer 2014, S. 37. 3 Der ARGE Kongresshaus gehörten die folgenden Architekten an: Heinz Marschalek, Georg Ladstätter, Norbert Gantar, Hubert Prachensky. Ernst Heiss und Peter Thurner. Die künstlerische Ausgestaltung erfolgte durch Markus Prachensky, Rudi Wach und Fritz Wotruba. 4 Naturgemäß kann der vorliegende Aufsatz nicht das komplette Panorama des Planens und Bauens in Tirol von den späten 1950er-Jahren bis Mitte der 1970er-Jahre abbilden. 5 Ralf Liptau, Thomas Erne: Licht. Material und Idee im Kirchenbau der Moderne. Kromsdorf-Weimar 2017, S. 112. 6 So der Untertitel der weltweiten Online-Initiative SOS Brutalismus, die inzwischen, Stand März 2022, über 2.000 Gebäude in einer Datenbank versammelt; vgl. www.sosbrutalism.org (Zugriff: 21.04.2022). 7 Vgl. Reyner Banham: The New Brutal­ ism, in: The Architectural Review 708, 1955, 12, S. 354 –361. Der Begriff geht zurück auf das schwedische nybrutalism, mit dem Hans Asplund die Villa Göth in Uppsala (Bengt Edman und Lennart Holm, 1950) beschrieb. Der zweigeschossige Bau ist in Ziegelsichtmauerwerk ausgeführt, die Fensterbänder im ersten Obergeschoss werden durch sichtbar belassene Stahlträger überspannt. Im Dezember 1953 verwendete Peter Smithson den Begriff New Brutalism zur Beschreibung eines Hauses in Soho, das seine Frau Alison und er entworfen hatten; vgl. P.D.S. [Peter Denham Smithson]: House in Soho, London, in: Architectural Design, 23.1953, 12, S. 342. 8 Auf die philosophischen und sozialen Aspekte des New Brutalism kann hier nicht eingegangen werden; vgl. Reyner Banham: The New Brutalism. Ethic or Aesthetic? London 1966. 9 Dazu jüngst zusammenfassend Lydia Constanze Krenz: Kontinuität statt Bruch, in: Klaus Tragbar (Hg.): Die Multiple Moderne/The Multiple Modernity (Innsbrucker Beiträge zur Baugeschichte 2). Berlin-München 2021, S. 125 –143. 10 Friedrich Achleitner: Tradition statt Traditionalismus. Das „Presse“-Profil der bildenden Kunst: Josef Lackner, in: Die Presse vom 7./8. Mai 1966, S. 8. 11 Architekturzentrum Wien (Hg.): Architektur in Österreich im 20. und 21. Jahrhundert (Kat. Architektur­ zentrum Wien). Zürich 2016, S. 171.

12 Vgl. Architekturzentrum Wien (Hg.): arbeitsgruppe 4. Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Johannes Spalt. 1950 –1970 (Kat. Architekturzentrum Wien). Salzburg 2010. 13 Maria Welzig: Architektur seit 1945, in: Wieland Schmied (Hg.): Geschichte der Bildenden Kunst in Österreich, Bd. 6, 20. Jahrhundert. MünchenLondon-New York 2002, S. 451– 488, S. 455; vgl. Maximiliane Buchner: Wiederaufbau aus dem Glauben. Transformation von Gemeinschafts­ idealen in Sakralräume Österreichs, in: architectura, 46.2016, 1, S. 105 –127. 14 Vgl. Johannes van Acken: Christozentrische Kirchenkunst. Ein Entwurf zum liturgischen Gesamtkunstwerk. Gladbeck 21923; bilanzierend Josef Andreas Jungmann: Liturgische Er­ neuerung. Rück­­­­blick und Ausblick (Entscheidung 29). Kevelaer 1962. 15 Vgl. Otto Weiß: Kulturkatholizismus. Katholiken auf dem Weg in die deutsche Kultur 1900 –1933. Regensburg 2014, S. 88 – 90. 16 Acken 1923, S. 112 –114, S. 115 f. 17 Zur Konstitution über die heilige Lit­ur­­­­­­ gie vom 4. Dezember 1963, einem der Kerndokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, vgl. die Zusammen­fassung in Theodor Klauser: Kleine abendländische Liturgiegeschichte. Bonn 1965, S. 153 –157; zur Instruktion zur ordnungsgemäßen Durchführung der Konstitution über die hl. Liturgie vgl. ebd., S. 157–159. 18 Für eine Auswahl der Schriften Mauers vgl. Günter Rombold (Hg.): Otto Mauer. Über Kunst und Künstler. Salzburg 1993; zu seiner Biografie vgl. Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 5, Herzberg 1993, Sp. 1042 f.; Bernhard A. Böhler: Monsignore Otto Mauer. Löscht den Geist nicht aus: Ein Leben für Kirche und Kunst. Wien 2003. 19 Zur Geschichte der Galerie nächst St. Stephan bis 1982 vgl. Robert Fleck: Avantgarde in Wien. Die Geschichte der Galerie nächst St. Stephan 1954 –1982. Kunst und Kunstbetrieb in Österreich, Bd. 1, Die Chronik. Wien 1982. 20 Az W 2016, S. 172. 21 Die vom Diözesan-Kunstverein Linz herausgegebenen Christlichen Kunstblätter erschienen von 1860 bis 1971, danach gingen sie in der evangelischen Kunstzeitschrift kunst und kirche auf, die damit zur ersten ökumenischen Kunstzeitschrift im deutschen Sprachraum wurde. 22 Günter Rombold war von 1958 bis 1971 Redakteur der Christlichen Kunstblätter, vgl. Günter Rombold: Kirchen für die Zukunft bauen. Wien 1969; Johannes Ebner: Die Christlichen Kunstblätter und ihre Redakteure (1860 bis 1970). Ein kurzer Überblick, in: Oberöster-

reichische Heimatblätter, 39.1985, 1, S. 43 – 48. 23 Vgl. Walter Zahner: Herbert Muck zum Gedenken. Ein Nachruf, in: Das Münster, 61. 2008, 2, S. 130  f. 24 Vgl. etwa das Themenheft der Christlichen Kunstblätter, 102.1964, 3, das sich unter dem Titel „konzil und kirchenbau“ ausführlich mit liturgischen und architektonischen Aspekten des modernen Kirchenbaus beschäftigt. 25 Kaiser, Platzer, Az W 2016, S. 172. 26 Vgl. ebd., S. 145. 27 Vgl. Architekturzentrum Wien, Sammlung. – Den Wettbewerb für die 1959/60 errichtete Landesgedächtnis und Pfarrkirche Hl. Paulus an der Reichenauerstraße/Hirschberggasse gewann der Innsbrucker Architekt Martin Eichberger mit dem Entwurf einer unregelmäßig polygonalen Saalkirche mit seitlichem schlankem Turm; vgl. Österreichische Bauzeitung, 37.1962, 46, Titelbild, 1431; Österreichische Kunsttopographie. Die sakralen Kunstdenkmäler der Stadt Innsbruck. Äußere Stadtteile, Bd. 52.2., Wien 1995, S. 137 –142; Tiroler Kunstkataster, Inv.-Nr. 74345. 28 Architekturforum Tirol (Hg.): Josef Lackner. Salzburg 2003, S. 13. 29 Ebd., S. 13. 30 Ebd. 31 Ebd. 32 Vgl. Architekturzentrum Wien, Sammlung. 33 Vgl. Christoph Hölz, Klaus Tragbar, Veronika Weiss (Hg.): Architekturführer Innsbruck. Innsbruck-Wien 2017, S. 167. 34 Jurymitglieder waren unter anderen der damalige Jesuitenpater Herbert Muck und Anton Schweighofer, der wie Lackner an der Akademie der Bildenden Künste bei Holzmeister studiert und 1954 diplomiert hatte. 35 Vgl. Architekturzentrum Wien, Sammlung; Josef Lackner: Der Kirchenbau in ‚Neu-Arzl’ bei Innsbruck, in: Christliche Kunstblätter, 99.1961, 1, unpaginierte Bildseiten; Herbert Muck: Gedanken zur Kirche in ‚Neu-Arzl’, in: ebd., S. 11 f.; ÖKT 52.2, S. 322 – 326 (irrig unter Ortsteil Mühlau); Moeller, Norbert: Moderner Kirchenbau im Raum Innsbruck seit 1945 (Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs N. F. 14). Innsbruck 1983, S. 69 –76; Eva Kreuzer-Eccel: Sakrales Bauen heute als Antwort auf Fragen der Zeit. Gedanken und Beispiele zum Thema aus dem Arbeitsbereich von drei aus Tirol gebürtigen Architekten. Othmar Barth,

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Josef Lackner, Raimund Abraham, in: Josef Nössing, Helmut Stampfer (Hg.): Kunst und Kirche in Tirol. Bozen 1987, S. 431– 447; Martin Kapferer, Silberberger (Hg.): Kirchenbau in der Diözese Innsbruck 1958 bis heute. Zwölf Beispiele. Innsbruck-Wien 2016, S. 35– 41. 36 Architekturforum 2003, S. 18. 37 Vgl. Moeller 1983, S. 71. 38 Vgl. ebd., S. 76. 39 Vgl. Architekturzentrum Wien, Sammlung. 40 George E. Kidder Smith: Neuer Kirchenbau in Europa. Stuttgart 1965, S. 16 –19; vgl. Wolfgang Jean Stock: Architekturführer Christliche Sakralbauten in Europa seit 1950. München 2004, S. 220 f. 41 Kidder Smith 1965, S. 16. 42 Friedrich Achleitner: Aufforderung zum Vertrauen. Architektur seit 1945, in: Otto Bleicha, Gerhard Fritsch (Hg.): Aufforderung zum Misstrauen. Literatur, Bildende Kunst, Musik in Österreich seit 1945. Salzburg 1967, S. 561– 584, S. 568. 43 Friedrich Achleitner: Bemerkungen zum Thema ‚Österreichische Architektur’, in: Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hg.): Österreichische Architektur 1960 bis 1970. Präsentiert durch Arbeiten von 15 österreichischen Architekten (Kat. La-Chaux-de-Fond). Wien 1969, unpaginiert. 44 Achleitner 1969. Konsequenterweise ist Lackner im Katalog mit der Konzilsgedächtniskirche in WienHietzing (13.) vertreten; vgl. auch die Anmerkung in: Monika Platzer: Josef Lackner – Living in a sheath, in: Taťána Petrasová, Marie Platovská (Hg.): Tvary, formy, ideje. Prag 2013, S. 145–157, S. 339  f., S. 145. 45 Vgl. Sokratis Dimitriou: Österreichs Architektur 1960 bis 1969, in: Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hg.): Österreichische Architektur 1960 bis 1970. Wien 1969, unpaginiert. 46 Vgl. Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hg.): Österreichische Architektur 1960 bis 1970. Präsentiert durch Arbeiten von 15 österreichischen Architekten (Kat. La-Chaux-de-Fond). Wien 1969, unpaginiert. 47 Sechs Architekten vom Schillerplatz. Johann Georg Gsteu, Hans Hollein, Wilhelm Holzbauer, Josef Lackner, Gustav Peichl, Johannes Spalt (Kat. Wien, Akademie der Bildenden Künste). Wien 1977, S. 11. 48 Vgl. Caroline Jäger-Klein (Hg.): Österreichische Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts. Wien 2010, S. 422 f. 49 Vgl. Architekturzentrum Wien, Sammlung; Peter Bode, Gustav Peichl: Architektur aus Österreich seit 1960. Salzburg-Wien 1980, S. 16, S. 50 f.;

Moeller 1983, S. 110 –116; Jäger-Klein 2010, S. 423; Kaiser, Platzer, Az W 2016, S. 180; Kapferer, Silberberger 2016, S. 75– 81. 50 Reinhard Gieselmann: Neue Kirchen. Stuttgart 1972, S. 98. 51 Vgl. Architekturzentrum Wien, Sammlung sowie den Aufsatz von Sonja Pisarik in diesem Band. 52 Vgl. Architekturzentrum Wien, Sammlung. 53 Vgl. ebd.; Moeller 1983, S. 124 –131; ÖKT 52.2, S. 145 –148. 54 Vgl. Universität Innsbruck, Forschungsinstitut Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, NL Horst Parson, Inv.Nr. 60 –2163 –1; Moeller 1983, S. 117 –124; Zur Biografie Parsons vgl. https://archiv-baukunst.uibk.ac.at/archive_showperson. php?id=60 (Zugriff: 21 . 04 . 2022). 55 http://www.architektenlexikon.at/ de/1425.htm (Zugriff: 21. 04 . 2022); Norbert Heltschl: Nobert Heltschl. Bauten und Projekte 1945–2001. Innsbruck 2002. 56 Heltschl 2002, S. 16 f., zur 1995 durch den Architekten erfolgte Sanierung des Schwimmbades vgl. S. 78 f. 57 Heltschl 2002, S. 22 f. 58 Kapferer, Silberberger 2016, S. 44–51; https://www.pfarren-landeck.at/index. php/pfarrkirche-bruggen/pfarrkirche-bruggen (Zugriff: 21. 04. 2022). 59 Michael Kain, Pfarre St. Josef Landeck Bruggen (Hg.): 50-jähriges Jubiläum Pfarre St. Josef Landeck Bruggen 1963 – 2013. Innsbruck 2013, S. 9. 60 Norbert Heltschl: Das Internat Abt Franz Pfanner der Missionare Mariannhill. Innsbruck 1968. 61 Heltschl 1968, S. 3. 62 Heltschl 2002, S. 36 f. 63 Vgl. Banham 1966, S. 153 –157; Franz Graf, Letizia Tedeschi (Hg.): L’Istituto Marchiondi Spagliardi di Vittoriano Viganò. Milano 2009; Martin Feiersinger, Werner Feiersinger: Italomodern. Architektur in Oberitalien 1945 –1976. Wien 2012, S. 52 f. 64 Heltschl 2002, S. 48 – 51. 65 Reinhard Seiß (Hg.): Harry Glück. Wohnbauten. Salzburg-Wien-Berlin 2014, S. 186 f. 66 Reinhard Seiß: Von der Sandkiste bis zum Weinstock. Im Gespräch mit Alt Erlaa-Bewohnerin Brigitte Sack über das Leben in einer Großsiedlung, in: Seiß 2014, S. 125 –129. 67 Lucius Burckhardt, Urs Beutler: Terrassenhäuser. Winterthur 1969, S. 30 – 33; Christof Riccabona, Michael Wachberger: Terrassenhäuser. Natürliche Terrassenbauformen. Freie Terrassenbauformen. Terrassen als städtebauliches Element. München 1974. 68 Elmar Kossel: Vom Fechten und Turnen zum Campus Sport. Eine kurze Geschichte des Hochschulsports an der

Universität Innsbruck, in: Klaus Tragbar (Hg.): Die Topographie des Wissens. Eine kleine Stadtbaugeschichte der Universität Innsbruck. Innsbruck 2019, S. 213 – 239; Heltschl 2002, S. 42 f. 69 Über Franz Kotek existiert weder eine vollständige Werkliste noch eine Monografie, auch ist nicht bekannt, wo er studierte. Zu einigen biografischen Eckdaten Koteks vgl. Alexa Baumgartner: Wohnbau der 1970er Jahre in Tirol, Teil 1. Von der Großwohnsiedlung und der Alternative als Ausnahme, in: aut. architektur und tirol (Hg.): Widerstand und Wandel. Über die 1970er Jahre in Tirol (Kat. Innsbruck, aut). Innsbruck 2020, S. 163 –167. Aus seiner Entnazifizierungsakte (Stadtarchiv Innsbruck, NS-Registrierungsakten Ko-Kr 121, 883) geht hervor, dass er mindestens seit 1933 in Innsbruck wohnhaft war. Ab Ende 1938 wurde Kotek als Anwärter auf die Mitgliedschaft in der NSDAP geführt. Der Eintritt in die Partei kam jedoch nie zustande, da Kotek im Dezember 1941 als „eingerückt zur Wehrmacht“ klassifiziert ist. Im April 1945 desertierte er mit gefälschten Papieren von der Ostfront. Sein Eintrittsgesuch in die NSDAP begründete er mit beruflichen Interessen, da er sich bei öffentlichen Aufträgen übergangen fühlte. 70 Baumgartner 2020, S. 163. 71 Fritz Silbernagel: Das „Zentrum Kreid“ als Beispiel der Neugestaltung des Stadt kerns, in: Tiroler Nachrichten Nr. 265 vom 17. November 1970, S. 3; dieses Betonsystem verwendete Kotek auch bei seinem Nachfolgeprojekt, dem Zen trum Kreid am Bozner Platz, das ab 1971 entstand. Benannt wurde das Zentrum, das aus einer Ladenpassage und einem Hochhausturm mit Wohnungen besteht, nach dem Vorgängerbau, dem Hotel Kreid. 72 Timothy M. Rohan: Desmond and Lord, Paul Rudolph. Southeastern Massachusetts Technological Institute (heute: Dartmouth Campus, University of Massachusetts), Dartmouth, Massachusetts, USA, in: Oliver Elser, Philip Kurz, Peter Cachola Schmal (Hg.): SOS Brutalismus. Eine internationale Bestandsaufnahme (Kat. Frankfurt am Main, Deutsches Architekturmuseum). Zürich 2017, S. 133 –135, S. 133. 73 Baumgartner 2020, S. 164. 74 Ebd. 75 Elser, Kurz, Cachola Schmal 2017; aut Architektur und Tirol 2020. Unter Leitung des Archivs für Bau.Kunst. Geschichte der Uni Innsbruck wird derzeit die Innsbrucker Nachkriegsmo derne gemeinsam mit anderen Partnern wissenschaftlich bearbeitet.

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Brennerautobahn, Nößlachbrücke, Fotografie von 1968 Josef Kotek, Mariahilfpark, Innsbruck, 1969 –1973

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Hubert Prachensky und Ernst Heiss, Arlbergtunnel, Lüftungsschacht Albona oberhalb von Stuben am Arlberg, 1975 Norbert Heltschl, Terrassenhaus Höhenstraße, Innsbruck, 1971–1975

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Josef Lackner, Pfarrkirche Hl. Paulus (Projekt), Lageplan mit Erläuterungen, Innsbruck-Reichenau, 1957 Schnittisometrie; deutlich erkennbar sind die Positionierung des Altars im Zentrum des Raumes und die Erschließung von der unteren Eingangsebene

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Josef Lackner, Projekt für eine Kirche, perspektivische Skizze, undatiert, Ende 1950er-Jahre; die Belichtung sollte auch über drei Oberlichter erfolgen Die Ansichtsskizze zeigt die schlanke Dachplatte mit dem darunter „schwebenden" Baukörper

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Josef Lackner, St. Pius X., InnsbruckNeu-Arzl, Schaubild, 1958 –1960 Grundriss; der Altar ist an einer Raumseite positioniert, die Gemeinde nahm an drei Seiten um ihn herum Platz Innenraum; der Gemeinderaum ist durch eine umlaufende Betonbrüstung von dem Kreuzweg getrennt

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Kreuzweg mit Skulpturen von Hans Ladner; der Boden ist gepflastert; Licht fällt durch die seitliche Verglasung und die dreieckigen Eckfenster ein Artikel aus der „New York Times“ vom 8. und 17. September 1961

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T 17 Josef Lackner, St. Emmaus, Gesamtansicht, Völs, 1965 –1967 Grundriss mit der skulpturalen Gliederung des Baukörpers Den Innenraum prägen einfache, schlichte und sichtbar belassene Materialien wie Holz und weißer Putz

T 17 Das von oben einfallende, indirekte Licht schafft, je nach Sonnenstand, ganz unterschiedliche Lichtstimmungen T 18 Josef Lackner, St. Norbert, Innsbruck-Pradl, 1969 –1971 T 19 Grundriss

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Horst Herbert Parson, St. Petrus Canisius, Rohbau, Innsbruck, 1968 –1972 Der Baukörper scheint über den massiven Betonsockeln zu schweben

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Mit dem zentral angeordneten, räumlich akzentuierten Altar entwirft Parson einen konsequent quadratischen Grundriss T 23 Grundriss T 24 Horst Herbert Parson, Kapelle, Axamer Lizum, 1964

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Norbert Heltschl, Freibad Tivoli, Innsbruck, 1958 –1961 Der Rohbau der Tribüne mit den sorgfältig geschalten Außenwänden Norbert Heltschl, Hl. Josef der Arbeiter, Landeck-Bruggen, 1963

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Der trapezförmige Grundriss führt den Blick auf den Altarbereich an der Schmalseite Eine Lichtfuge, die sich im Dach als Versprung artikuliert, belichtet indirekt den Altarbereich

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Norbert Heltschl, Internat Mariannhill, Landeck, 1963 –1967 Am Eingang befinden sich verschieden geschalte Sichtbetonoberflächen

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An der Rückseite wird die räumliche Struktur des Gebäudes deutlich Der Dachgarten kontrastiert mit der umgebenden Natur Die indirekte Lichtführung erlaubt die Konzentration auf den Altar

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Norbert Heltschl, Terrassenhaus Hötting, Innsbruck, 1971–1975, Grundriss und Perspektive des Eingangs mit einer Skulptur Marino Marinis Die Treppenanlage wird durch zeittypische Kunst am Bau belebt

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Norbert Heltschl, Peter Pontiller und Peter Swienty, Universität Innsbruck, Campus Sport, 1975 Franz Kotek, Wohnanlage Mariahilfpark, Rohbau, Innsbruck, 1969 –1973 Der Eingangsbereich bildet mit den unterschiedlichen Betonstrukturen und dem zeittypischen Vordach ein stim­ miges Ensemble

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Salzburg Das Kongresszentrum in Bad Gastein. Eine brutalistische Ikone von Gerhard Garstenauer

Sabine Weigl

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Seminaren besprochenen Themen wie „Vorfabrikation, modulare Koordination, Trennung der Elemente, (und eine) objektive Annäherung an die Lösung eines Problems“5 standen, so Garstenauer, „Pate“ für viele seiner Hallenkonstruktionen aus dieser Zeit. Diese intensive Auseinandersetzung mit der Industriearchitektur führte zu einem bemerkenswerten technischen und gestalterischen Niveau, das sich in den konstruktiven und materialspezifischen Gestaltungen seiner späteren Werke widerspiegelt. Garstenauer, der mit seinen Industriebauten eher an der Peripherie der Stadt Salzburg tätig war, errichtete 1971 das Wohnhochhaus in der Althofenstraße als Sichtbetonbau. Sonst zeichneten für das Salzburger Der Brutalismus in Salzburg ist untrennbar mit Baugeschehen der Nachkriegsjahre vor allem Archieinem Namen verbunden – Gerhard Garstenauer tekten verantwortlich, die nicht aus Salzburg stamm(1925 –2016).1 Dem Salzburger Architekten gelang ten und sich auch weniger mit skulptural-strukturaes, „die verhärteten Maßstäbe zu sprengen“2 und listischer Architektur auseinandersetzten. Clemens sich nicht von einem vorherrschenden „Salzburgbild“ Holzmeister prägte zunächst mit dem Festspielbeverunsichern zu lassen, so der Doyen der österreizirk und der Errichtung des Großen Festspielhauses chischen Architekturgeschichtsschreibung, Friedrich (1956 –1960) das städtebauliche Gefüge der Stadt Achleitner. Garstenauer selbst erkannte im Bauen in Salzburg. Die Holzmeister-Schüler der arbeitsgruppe der Altstadtnähe von Salzburg ganz allgemein sowie im 4 (Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Johannes Bauen für den Tourismus kein Betätigungsfeld für sich Spalt) sorgten mit der Stahlkonstruktion des Kolleg und beschrieb das konservative Salzburger ArchitekSt. Josef (1961–1964) für einen Höhepunkt in der turgeschehen der Nachkriegszeit als „fast ein System österreichischen Spielart des konstruktiven Funktionader Nötigung, dem besonders im Wohnbau üblichen lismus und zeigten darin auch eine Auseinandersetzung Heimatstil zu folgen“3. mit der Wiener Moderne.6 Wilhelm Holzbauer setzte Ohne dem Druck, Vorbildern entsprechen zu eigene künstlerische Akzente im Bildungshaus St. Virmüssen, wandte er sich daher zu Beginn seiner Kargil (1965, 1968 –1976) und näherte sich mit der Präriere vor allem dem Industriebau zu, von dem er sich, sentation der Materialechtheit des Sichtbetons und wie er sagte "größere gestalterische Freiheiten" verder Plastizität schon einigen der für die Definition von sprach.4 Zwischen 1957 und 1972 errichtete er so Brutalismus als geeignet erkannten Parametern an.7 zahlreiche Gebäude für die ÖFAG (Österreichische Brutalistische Bauten stellen somit im ArchitekFahrzeuggesellschaft) in Salzburg, Bad Ischl und Linz, turgeschehen der Stadt Salzburg eher die Ausnahme die Werkhalle Meingast in Salzburg, die Reparaturdar – die Hauptwerke des Brutalismus stehen in Bad werke für Mercedes Benz in Salzburg und Graz, die Gastein. Gerhard Garstenauer entwickelte dort ein Handschuhfabrik Hering in Knittelfeld, die ProdukArchitekturprogramm, das – wissend um die Traditionshalle Bleckmann in Salzburg sowie die Räumlichtion – ein Loslösen von der Vergangenheit und einen keiten für Ford und Lucav in Salzburg. Die Auftragradikalen Neubeginn symbolisiert. geber der gewerblichen bzw. industriellen Bauwerke ermöglichten Garstenauer sich auszuprobieren und Bad Gastein   : Rückblick und Materialien zu testen sowie neuartige Formen und Hintergrund einer einmaligen Konstruktionen zu kreieren. Bei den weitgespannten Entwicklung Hallenbauten orientierte er sich, vor allem was die Konstruktion und die Baugestalt betraf, an Mies van Bad Gastein liegt, städtebaulich einmalig, inmitten der Rohe. Überhaupt erregten die Ideen der Klassieiner hochalpinen Landschaft an einem Steilhang schen Moderne seit seinem Besuch der Kurse von mit Felsschlucht und Wasserfall im Gasteinertal. Die Konrad Wachsmann 1956 bis 1960 an der Salzburger über viele Jahrhunderte nur beschwerlich zu erreiSommerakademie sein Interesse. Gerade die in den

chende Gegend, die sogenannte „Provinzia Gastuna“ zu Salzburg, wurde 1297 durch die Bayernherzöge Otto III. und Stephan I. an das Erzbistum Salzburg verkauft.8 In der Folge gelangte das Alpental durch den Abbau von Gold und sein Badewesen zu Wohlstand und Bekanntheit. Bereits seit dem Mittelalter war den Bewohner:innen von Bad Gastein der Nutzen der Thermalquellen, die rund um den Graukogel aus dem Gestein entspringen, bekannt. Der urkundlichen Überlieferung nach fand hier seit der Mitte des 14. Jahrhunderts eine Art Heilbadbetrieb statt. Gebadet wurde zunächst in einfachen hölzernen Zubern und Badehütten, bevor gegen Ende des 15. Jahrhunderts vermehrt Badehäuser errichtet wurden. Einer der ersten prominenten Kurgäste war Kaiser Friedrich III., der sich entweder 1436 oder 1467 in Gastein zur Kur aufhielt.9 Die Kunde über die Heilkraft des Gasteiner Wassers verbreitete sich rasch in Europa und verhalf Gastein, das als „Wildbad“ bezeichnet wurde, zu einer ersten Blütezeit im 16. Jahrhundert. Der Kurbetrieb im heutigen Sinn setzte Ende des 18. Jahrhunderts mit der Errichtung des Badeschlosses 1791/ 92 ein. Mit der endgültigen Übernahme von Gastein durch Österreich 181610 kehrte die notwendige Ruhe für die Weiterentwicklung des aufstrebenden Tourismus ein. Als Folge des zunehmenden Gästeaufkommens wurden ab den 1820er-Jahren die ersten Hotelbauten als Unterkünfte für die Kurgäste in Gastein errichtet. Das auf Initiative Erzherzog Johanns (1782 –1859) im Jahr 1828 erbaute Haus Meran begründete schließlich Bad Gasteins Ruf als mondänen Kurort von Welt in den Alpen. Das Zentrum des Kurorts bildete der Straubingerplatz, der unmittelbar neben der mittelalterlichen Besiedlungszone um die Pfarrkirche an der östlichen Talseite liegt. Hier bezeugen das Badeschloss, errichtet unter der Bauleitung des Salzburger Hofbauverwalters Wolfgang Hagenauer, das Hotel Straubinger (1839 –1843) sowie das „k. k. Post und Telegraphenamt“ (1887/88), beide erbaut durch Angelo Comini (1839 –1916), nach Plänen von Josef Wessicken (1837 –1918), eindrucksvoll den wirtschaftlichen Aufschwung, den der Gasteiner Bädertourismus für den Ort mit sich brachte. Die Anordnung des Ensembles und die Gestaltung der Gründerzeitarchitektur entsprechen Camillo Sittes Vorstellungen eines geschlossenen Platzes und sorgen so für einen Ort des sozialen Austauschs im sonst immer dichter werdenden Baugefüge.11 Comini, der bedeutendste gründerzeitliche Baumeister Bad

Gasteins, und Wessicken, der auch Conservator der k. k. Centralcommission zur Erforschung und Erhaltung der Künste und historischer Denkmäler war, bildeten bei der Umgestaltung von Bad Gastein ein kongeniales Duo. 1841 wurde von Josef Wessicken zwischen dem Wasserfall und dem Hotel Weismayr eine 70 Meter lange „Wandelbahn“ errichtet, damit die zahlreichen Kurgäste auch bei schlechtem Wetter promenieren und die Aussicht auf das Tal genießen konnten. Ziemlich rasch wurde jedoch die Kapazitätsgrenze dieser Wandelhalle erreicht und es folgten diverse Erweiterungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Halle fungierte zunehmend als Veranstaltungsraum und der Ausblick auf die Landschaft blieb den vorbeiwandelnden Kurgästen aufgrund der Architektur verwehrt. Bad Gastein erreichte als Kurort des Adels und der wohlhabenden Bürger:innen seinen wirtschaftlichen Höhepunkt um 1900. Auch, da 1873 der Anschluss von Bad Gastein an das Bahnnetz erfolgte und ab 1909 die direkte Reise per Bahn von und nach Italien möglich wurde. Dutzende Hotelbauten wurden mit eigenen Thermalwasserleitungen als mächtige vierbis fünfgeschossige Baukörper in den Hang gesetzt. Zudem entstanden vermehrt Villen, die, ebenfalls mit städtischem Flair versehen, zur weiteren Verdichtung des Baugefüges beitrugen. Seine zeittypisch-historistische Formensprache führte zu einer einzigartigen eng und hoch verbauten städtischen Architektur innerhalb des Gasteiner Ortskerns vor einer eindrucksvollen Bergkulisse und führte zur Bezeichnung des Ortes als „Alpen-Manhattan“.12 Um 1911 endete mit der Errichtung des Grand Hotel de l’Europe, einem der modernsten Hotels der Österreich-Ungarischen Monarchie, der Aufwärtstrend. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Monarchie blieben die bisher meist adeligen Gäste aus. Man konzentrierte sich daher auf die Funktion des Heilbades und die Pflege von Kriegsverwundeten. Durch die Errichtung von Bauten für die Allgemeinheit, wie ein Kurbadehaus mit Thermal-Freibad sowie eine Sporthalle und ein Schießplatz, wurde versucht, eine neue Zielgruppe zu erreichen.13 In der Zwischenkriegszeit waren einige Bauprojekte geplant, die jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Situation im Land nicht durchgeführt wurden. In Folge des Zweiten Weltkriegs fungierte Bad Gastein aufgrund der hohen Bettenzahl

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Gerhard Garstenauer auf.14 In gemeinsamen Gesprä­ als Lazarettstadt. Beide Weltkriege führten dazu, dass chen zwischen Kerschbaumer und Garstenauer wurder einst so mondäne Kurort in der ersten Hälfte des den vor allem die veralteten Strukturen des Ortes 20. Jahrhunderts an Bedeutung verlor. mit seiner großflächigen Bausubstanz aus der Mo­ Die aufgezeigte Entwicklung von Bad Gastein ist narchie, den folglich überkommenen Kureinrichtungen außergewöhnlich für einen alpinen Ort in Österreich. und der Problematik der schmalen Gassen, des ParkUm 1900 wurden innerhalb von wenigen Jahrzehnten platzmangels und der immer älter werdenden Gäste aus wirtschaftlichen Gründen alte, vorhandene Strukthematisiert.15 Ziel war es, Bad Gastein umzugestalten turen abgebrochen und der Großteil des Ortsgebiets und den aktuellen Erfordernissen eines Urlaubsortes neu aufgebaut. Diese massiven Eingriffe führten zu anzupassen. Der Ort selbst, samt seiner Einrichtuneinem Bruch in der Kontinuität und zu einem Verlust gen, sollte dabei gänzlich neu konzipiert werden. Zu der historisch gewachsenen Kulturlandschaft. Gleichden Grundüberlegungen gehörte die Modernisierung zeitig bezeugt die Architektur der Belle Époque eine der vorhandenen Ressourcen, wie der Zugang zum aufsehenerregende Inszenierung von Urbanität inThermalwasser, aber auch die Erschließung des neuen mitten einer Gebirgslandschaft. Eine solche, extresporttouristischen Zweigs, des Skilaufs, der nun auch me Urbanisierung des Ortes wiederholte sich in der als Sport für die breite Bevölkerung zugänglich wurde. zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein weiteres Mal. Für den Gast der Zukunft sollte sich die Verbindung In den 1950er-Jahren reichten der Kurbetrieb und die von Erholung und Sport architektonisch im Stadtbild Sommersaison nicht mehr aus, um genügend illustre abzeichnen und ihm so seinen Aufenthalt möglichst Gäste anzuziehen. Als alpiner Ort war es auch für Bad komfortabel gestalten. Kerschbaumer wollte – neben Gastein an der Zeit, sich für den Winterbetrieb zu den Maßnahmen für den Fremdenverkehr – auch das rüsten. Hotels wurden mit Heizungen versehen, das Kongresswesen ausbauen, um die saisonal bedingt Skigebiet mit der Stubnerkogelbahn und diversen kleischwachen Perioden zu überbrücken. Er sah in den nen Liften erschlossen. 1958 fand in Bad Gastein Kongressen und deren internationalen Besucher:innen die Alpine Ski-Weltmeisterschaft statt, wodurch ein eine große Chance, Bad Gastein zu einem globalen erneuter wirtschaftlicher Aufschwung möglich wurOrt der Vernetzung zu machen. de. Um den beginnenden Aufwärtstrend zu nutzen, Gerhard Garstenauer und Anton Kerschbaumer setzte unter dem Bürgermeister Anton Kerschbaumer standen über Jahre durch Briefe und regelmäßige Tref(1930 –1975, Bürgermeister von 1964 –1974) eine fen in regem Austausch miteinander.16 Beiden war das architektonische Revitalisierung ein. Kerschbaumer, hohe Maß an Verantwortung für das weitreichende der zugleich Baumeister und Bautechniker war, erProjekt bewusst, erkannten sie doch in Bad Gastein kannte wohl nicht zuletzt aufgrund seiner Profession einen Kurort ersten Ranges, der vor dem endgültigen die kulturpolitische Macht, die Architektur ausüben Niedergang oder der ersehnten Rettung stehe. Auf kann. Mit gezielten Maßnahmen wollte Kerschbaumer Basis eines modernen Tourismuskonzepts umfasste die historische Bedeutung des Ortes wiederherstellen ihr Vorhaben eine Reihe von Gebäuden, die einander und vor allem eine jüngere, zahlungskräftige Generasynergetisch ergänzen sollten  : „Es hat damit begontion anziehen. Für die Umsetzung dieses Vorhabens nen, dass der Bürgermeister von Bad Gastein, Anton beauftragte er den Salzburger Architekten Gerhard Kerschbaumer, ein Kongresshaus bauen wollte. Ich Garstenauer. Gemeinsam setzten die beiden mit dem konnte ihn aber davon überzeugen, dass Bad Gastein, Ausbau von Kur- und von Sportangeboten infolge das um an seinen historischen Ruf anknüpfen zu können, größte alpine Tourismusprojekt der Nachkriegszeit in sein höchstes Gut herausstreichen müsse. Ich habe Österreich um. ihm daher empfohlen, zuerst die Bedeutung des Thermalwassers zu thematisieren und ihm vorgeschlagen, Das Tourismusprojekt von als Erstes ein attraktives Bad zu errichten“17, referiert Gerhard Garstenauer und Anton Garstenauer über die Wichtigkeit der Reihenfolge der Kerschbaumer in Bad Gastein Entstehung der Bauwerke. So kam es, dass die Errichtung des Felsenbades von 1967 bis 1968 den Im Herbst 1966 nahm Anton Kerschbaumer auf Auftakt des Erneuerungsprozesses bildete. Es sollte Empfehlung seines engen Freundes, des deutschen das Thermalwasser, also das Kapital von Bad GasArchitekten Kurt Ackermann, erstmals Kontakt mit

Widerstand auslösten. Die kristalline Form wurde aber tein, für eine jüngere Generation attraktiv machen letztlich zu einem Symbol für Bad Gastein.“ Der frühe und wies tatsächlich bereits im ersten Jahr des BeTod von Bürgermeister Anton Kerschbaumer 1975 bestehens eine hohe Besucheranzahl auf. Dem großen endete jedoch jäh die Zusammenarbeit zwischen dem Erfolg des Bades war es zu verdanken, dass daraufhin Architekten und dem Politiker, sodass das Konzept für ein Maßnahmenplan mit weiteren Einrichtungen von Sportgastein nie vollendet wurde. Das politische Klima Gerhard Garstenauer für Bad Gastein folgte. im Ort wechselte und „das führte zu einem steten Im Fokus stand schließlich die Aufwertung des Verfall jener Ideen, der sogar zu einer Bedrohung für Ortszentrums von Bad Gastein. „Eine weitere Idee die geschaffenen Bauwerke wurde“. 20 des damaligen Bürgermeisters war, ein Ortszentrum zu schaffen, das es bis dahin in Bad Gastein nicht Das Kongresshaus und die gegeben hat“ 18, erinnerte sich Garstenauer. Bürgerneue Ortsmitte meister Kerschbaumer übertrug Garstenauer diese Projektierung des neuen Ortszentrums für Bad Gastein Das Kongresswesen bildete neben der Nutzung des gemeinsam mit der Konzipierung eines eigenständigen Thermalwassers und der Erweiterung des SportanKur- und Kongresszentrums. Als einzigen möglichen gebots die dritte Säule im Tourismusprogramm von Platz dafür erkannten die beiden die Stelle der eheAnton Kerschbaumer und Gerhard Garstenauer. Als maligen Wandelhalle und des alten Kurkasinos.19 Hier zweite große Bauaufgabe nach dem Felsenbad ersollte ein Gebäude von internationaler Qualität entrichtete Garstenauer es am Steilhang des Talschlusses stehen. Nach der Planung von 1966 bis 1969 wurde mitten im Zentrum von Bad Gastein. Direkt neben das Kongresszentrum 1974 über der Schlucht von dem Wasserfall, weit über die Felsschlucht vorkraBad Gastein fertiggestellt. Der Ort bekam auf diese gend, staffelt sich die Anlage als Sichtbetonbau in die Weise einen großen, besonnten und zentralen Platz Tiefe. Sie erzeugt eine ausgedehnte Horizontale, die zur Begegnung und zum Verweilen, der dem Ort zuvor einen starken Kontrast zu den in die Höhe strebenden fehlte. Der kleine Bereich vor dem Hotel StraubinHotelbauten der Belle Époque bildet.21 „Mir ging es ger war durch das erhöhte Verkehrsaufkommen zur vor allem darum, der Vertikalstruktur der historischen Mitte des 20. Jahrhunderts kaum mehr als Zentrum Bauten etwas Horizontales entgegenzusetzen und so zu bezeichnen. einen Ort der Begegnung zu schaffen“22, beschrieb Einen weiteren Bestandteil des touristischen KonGarstenauer sein Vorhaben im Interview später. Er zepts bildete das ab 1965 geplante elfgeschossige erweiterte dafür zunächst die ehemals schmale HauptParkhaus im Zentrum des Ortes, hinter dem Haus straße, die durch Bad Gastein führte, zu einer breiten Austria, dem früheren Sitz der Gemeinde. Direkt an Plattform. Mit der Ausdehnung der Straßenebene verden Felsen gebaut, ermöglicht es den Besucher:innen lieh Garstenauer dem Ort ein Zentrum, das bis dahin auf einfachstem Weg den enormen Höhenunterschied fehlte und kreierte so einen gegliederten Hauptplatz im Ort zu überbrücken, da es sowohl von oben, etwas anstelle der vormals vorherrschenden Enge des Straunterhalb des Bahnhofs, als auch von unten, auf Ebene ßenzugs. Das nunmehrige Areal umfasst, zwischen des Ortszentrums, begangen bzw. befahren werden den Hotels Sponfeldner und Wiesmayr, eine Länge kann. Das Haus Austria selbst wurde von Garstenauer von 130 Meter und kragt an seiner weitesten Stelle ab 1969 zu einem multifunktionalen Gemeindezenim Mittelteil 14 Meter über die Gebäudekante der trum mit einem großen Sitzungssaal umgebaut, wo Hotels vor, wodurch eine Fläche mit fast 50 Meter kleinere Kongressveranstaltungen stattfinden konnten. Breite entstand.23 Neben den Erneuerungen im Ortsgebiet sollte der dritDer breit gelagerte Baukörper liegt großteils unte Schwerpunkt die Erweiterung des Sportangebotes terhalb des Straßenniveaus. Garstenauer errichtete sein. Garstenauer plante dafür sukzessive das neue das siebengeschossige „Tiefhaus“ mit einer Höhe von Skizentrum „Sportgastein“ und erzählt über den Ab30 Meter im Baukastensystem aus Stahlbetonfertigteilauf   : „Zunächst bauten wir einen Sessellift auf den len über einer Stützenebene in Ortbeton.24 Die robuste Kreuzkogel, wodurch die ersten langen Skiabfahrten in Sportgastein möglich wurden. Danach plante ich die sogenannten ‚Kugeln‘, jene Liftstationen, die anfänglich bei Naturschützern und Denkmalpflegern großen

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große Freifläche. Im Osten war ein Blumenmarkt und Stahlbeton-Konstruktion musste aufgrund der mögliein Kinderspielplatz und im Westen ein Terrassenchen Gefährdung der Thermalquellen von nur wenigen café mit windgeschützten Sitzplätzen situiert, wo die Punkten des Felshanges in die Höhe gezogen werden. Besucher:innen die Möglichkeit hatten bei SchönwetBereits vor der Planung stellte die Verwendung von ter der Kurmusik zu lauschen.26 Auf der Platzebene Fertigbauteilen für die Ausführung des Baues eine Beliegen, neben dem freien Bereich für Begegnungen dingung dar. „Der Bürgermeister hatte als Baumeister bzw. Veranstaltungen im Ostflügel des Gebäudes, ein eine enge Beziehung zur Baufirma Porr. Diese Firma Blumengeschäft und weitere Geschäftslokale sowie hat letztendlich das gesamte Kongresshaus und damit im westlichen Teil die Eingangshalle für Restaurant, auch das Ortszentrum vorfinanziert. Eine Bedingung das Casino sowie das Café Gastein und weitere Gewar jedoch, dass das Bauwerk in Fertigteilen errichschäftslokale. Im Norden des Areals liegt die Eingangstet werden müsse. Diese Vorgabe bedeutete für die halle zum Kongresszentrum. Die Außenwände sind Planung natürlich eine gewisse Einschränkung, war aus Glas und Holz gefertigt, nicht zuletzt deshalb, um aber andererseits auch eine große Herausforderung. den Blick auf das einzigartige Panorama des Tales zu Die Betonfertigteile wurden in der Nähe von Wien gewähren. Durch die Verglasung sollte auch der Ort vorfabriziert und von dort im Taktverfahren nach Bad mit der Kirche sichtbar bleiben. Gemäß Garstenauers Gastein transportiert. Das hatte den Vorteil, dass es Plänen war die Eingangshalle allen Besucher:innen während der ganzen Bauphase wenig Lärmbelästigung stets geöffnet – hier befand sich das Tourismusbügab“, so wiederum Garstenauer im Gespräch. Die ro. Überdacht und vor Wind und Wetter geschützt Betonfertigteilbauweise war zudem für die äußerst wie das historische Gebäude der Wandelhalle, erfuhr beengten Platzverhältnisse von Vorteil und ermögder Platz dadurch eine Erweiterung. Der öffentliche lichte eine relativ kurze Bauzeit und etappenweise Bereich hörte nicht an der Türschwelle auf, sondern Bauweise, was aufgrund der schwierigen Bedingungen, zog sich in das Gebäude hinein: Die Eingangshalle der langen Winter und der fremdenverkehrsbedingten fungierte als Bindeglied zwischen öffentlichem und Ruheperioden von Vorteil war. halböffentlichem Bereich. Unterstrichen wird das von Der monumentale Sichtbetonbau hebt sich durch Garstenauers Materialwahl  . Die Waschbetonplatten seine Materialität und ausgedehnte Anlage von der des Platzes wurden auf der gesamten Aussichtsterrasumgebenden Architektur und auch der Landschaft se sowie im Inneren der Eingangshalle verlegt. Damit deutlich ab. Mit einem Gesamtbauvolumen von rund werden diese Bereiche zu einer Einheit – die Grenze 125 X 50 X 30 Meter umgibt das Areal eine Kubatur zwischen außen und innen verschwindet. von etwa 65.000 Kubikmeter.25 Garstenauer kon­ Die Schwere der Betonelemente unterstreicht den struierte eine horizontal gegliederte Architektur mit plastischen Charakter der Außenerscheinung des Kontalseitig vier unterschiedlich ausgebildeten, weit vorgresszentrums und steht im Kontrast zur Leichtigkeit kragenden terrassierten Geschossen. Auf der Platzder verglasten Eingangshalle sowie der aufgesetzten ebene hingegen liegt ein eingeschossiger und zweiflüTrinkhalle, die den Bau akzentuiert. Verstärkt wird die geliger Baukörper, an dem Stiegenaufgänge zu einem Wechselwirkung durch die unterschiedliche LichtbreTerrassengeschoss führen. Mit dieser Positionierung chung der Materialien. Im Inneren der Eingangshalle formiert Garstenauer die zentrale Freifläche, die die liegen seitlich zwei Haupttreppen sowie nördlich vier Funktion eines Hauptplatzes erfüllen sollte. Um den Aufzüge zur vertikalen Erschließung des Gebäudes. Die Baukörper herum verlaufen begehbare Balkone, zu Treppenanlagen führen in die Untergeschosse, die Lifte denen sich die hinteren Räume des Kongresszentrums gehen sowohl hinunter wie auch hinauf zur Trinkhalle. öffnen. Den zeitgenössischen Besucher:innen war es Im Ost- und im Westflügel gibt es jeweils Nebenstiegen möglich, darauf entlangzuspazieren und die besondere und einen Lift. Die Waschbetonplatten des Bodens Aussicht auf das Tal zu genießen. werden vom schalreinen glatten Sichtbeton der Wände Die Trinkhalle war an die Absichten des Kurbeund der Stiegenanlage ergänzt. Die originalen opaken triebs angelehnt  : Hier bekamen die Gäste das Gas­ Handläufe aus Plexiglas folgen dem Knick der Treppen teiner Wasser serviert und konnten sich mit Blick ins und akzentuieren die Betonoberfläche. Im Kontrast Gasteiner Tal – wie schon zu Kaisers Zeiten – von den dazu stehen die Fensterrahmen aus Lärchenholz.27 Der Strapazen des Alltags ausrasten. Drei flache WasserMehrzwecksaal liegt im Zentrum der Saalebene und becken umgeben die Trinkhalle und unterteilen die

nauer dennoch von der Umsetzung überzeugt haben. bildet den Kern des Kongresszentrums. Die Decke beDie vier realisierten Netzwerk-Kuppeln haben einen steht aus Betonkassettenelementen, die mit Ortbeton Durchmesser von 12 Meter und sind ähnlich wie ein zu einer tragenden Konstruktion ergänzt wurden. Sie Netzrippengewölbe miteinander verbunden. Das Baubeinhalten die Beleuchtungskörper für den darunter kastensystem besteht aus einem Rohrnetz-Tragwerk liegenden Mehrzwecksaal. Der sogenannte „Gasteiner mit Rohrstäben aus Aluminium und beweglich eingeSaal“ grenzt sich mit Faltwänden zum umlaufenden hängten Dreiecksflächen aus Sonnenschutzglas. Nach Foyer ab; die Bestuhlung konnte je nach Nutzung verdemselben Prinzip konstruierte Gerhard Garstenauer ändert werden. Bemerkenswert sind die technischen die Liftstationen in Sportgastein von 1972. Details. Acht stufenlos verstellbare Hubpodien ermögEine davon, der sogenannte „Kristall“ auf dem lichen, dass der Fußboden je nach Notwendigkeit in Kreuzkogel, befindet sich auf 3000 Meter Höhe. In der Höhe variiert werden kann. Außerdem konnten dieser Höhe musste Garstenauer sich die zentrale auch die Wände bedarfsweise adaptiert werden. Im Frage stellen, wie man dort oben überhaupt bauen Süden fügen sich die Dolmetsch- und Technikkabikann   : „Ich konnte nicht erwarten, dass Arbeiter die nen an den Saal an. Im Osten befinden sich diverse schweren Lasten hinauftransportierten und habe Räumlichkeiten, unter anderem die Garderoben und daher relativ bald an einen Hubschraubertransport Waschräume. Im Westen sind die Räumlichkeiten des gedacht. Hubschrauber können bekanntlich auch nur Kongress-Restaurants inklusive der Küche situiert. gewisse Lasten tragen – deswegen kam ich sehr früh Alle Räume sind mit Wandelementen aus Lärchenauf Aluminium. Der Kristall und das Aluminium waren holz-Panelplatten mit waagrechter und senkrechter also die Basis des Entwurfs, das heißt Material und Strukturierung von der Saalebene abgetrennt. Die Konstruktion. Aus diesen beiden Elementen habe ich hölzerne Ausstattung erzeugt vor den glatten Sichtdann ein funktionelles bauliches Gebilde geformt“, so betonoberflächen der Baustruktur ein Gegenspiel die Überlegungen Garstenauers, die sich wohl auch zwischen der Klarheit und Strenge des Betons mit 1:1 auf das Kongresszentrum übertragen lassen. Die dem warmen Charakter des Holzes.28 Liftstationen sind – wie die sogenannte Trinkhalle Darüber befindet sich die Terrassenebene mit mit ihren vier verbundenen kugelförmigen Alumider sogenannten Trinkhalle in vier verbundenen kugelnium-Glas-Konstruktionen – in ihrer spektakulären förmigen Aluminium-Glas-Konstruktionen im Zentrum. Form bestimmt als direkte Resultate aus Garstenauers Garstenauer überlegte im Planungsprozess immer wieBeschäftigung mit den Hallenkonstruktionen der Inder, inwiefern er dem massiven Unterbau einen Aufdustriearchitektur zu verstehen. satz entgegensetzen konnte, um eine Auflockerung zu Das Kongresszentrum wurde in einer Fertigteilerzielen. Ihm war es wichtig, auf die streng kubische bauweise konzipiert. Wenige Grundelemente ziehen Betongliederung eine kreisrunde Gegenform als Zäsur sich durch den gesamten Komplex. Für den Brutaliszu applizieren. Zunächst drehten sich seine Überlemus war die Verwendung von rohen Materialien als gungen um die Entscheidung, ob er dies in kristallinen Gestaltungselemente und nicht rein als Werkstoffe Formen oder mit Kuppelelementen umsetzen sollte. für eine stabile Konstruktion charakteristisch. GarsBeide Motive sind an die umgebende alpine Landtenauer selbst spricht nicht über den Terminus „Bruschaft angelehnt und wirken aufgrund ihrer Form und talismus“, aber darüber, dass die Formfindung für ihn Materialität diametral zum Beton. Er entschied sich die wichtigste Fragestellung ist, wenn es um die Entfür ein System aus geodätischen Kuppeln,29 erkannte wicklung „qualifizierter Architektur“30 geht. In diesem in ihnen aber sowohl Vor- als auch Nachteile. Er empSinn entwickelte Garstenauer für den Baukörper ein fand sie als „abgedroschen“, wie man seinem Komtechnisches System aus vier plastischen Formelemenmentar auf der Konstruktionsskizze entnehmen kann, ten  : eine prismenförmige Stütze mit quadratischem schließlich entwickelte Richard Buckminster Fuller Querschnitt, einen „T“-Träger mit veränderbarem die Technologie der geodätischen Kuppeln bereits ab Schaft, eine Kassette, die wiederum aus auseinanden 1940er-Jahren und präsentierte unmittelbar zeitdergezogenen Doppel-„T“-Trägern zusammengesetzt gleich zu Garstenauers Planung des Kongresszentrums die „Biosphère“, den Pavillon der USA auf der Expo 67 in Montreal. Die einfache technische Umsetzung und die kostengünstigen Materialien dürften Garste-

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fügt sich mit einer unglaublichen Leichtigkeit an den wurde und ein bügelförmiges Brüstungselement.31 Alle Betonsockel und verleiht dem sonst so massiven Bau diese Teile wurden vielfach wiederholt eingesetzt und eine bemerkenswerte Eleganz. locker über einem quadratischen Raster von sieben bzw. 2,33 Meter zusammengefügt. Der KonstruktionsGarstenauers Formensprache – raster prägt das Gesamtbild des Kongresshauses und Bauen in der Gebirgslandschaft34 zieht sich wie das Gegenspiel von Stütze und Last durch die gesamte Kubatur – außen wie innen. So entDas Bauen in Gebirgsregionen war und ist durch das sprechen beispielsweise die Maße des Gasteiner Saals schwer zugängliche Gelände und die Witterung mit drei mal fünf Raster-Einheiten. Auf diese Weise konnhohen Windgeschwindigkeiten, hohen Niederschlagsten nicht nur die Ausstattungsmaßnahmen reduziert mengen, kalten Temperaturen und starken Temperaund die Kosten von etwaigen Dekorationsmaterialien turunterschieden eine große Herausforderung. Deneingespart werden, sondern auch ein eindrucksvolles noch gab es in den Alpen des 20. Jahrhunderts keine Materialbild erzeugt werden. Der graue Sichtbeton ist einheitliche Formensprache, sondern eine beachtliche mit seiner porenlosen und glatten Betonoberfläche Diversität in der technischen Ausführung, in der Mavon bemerkenswerter Qualität. Seine Schwere steht terialwahl und den formalen Aspekten. Bad Gastein im Einklang mit dem multifunktionalen Anspruch an nimmt in diesem Diskurs eine Sonderstellung ein. Bedas Gebäude. Im Inneren bilden die Säulen mit den reits um die Jahrhundertwende des 19. zum 20. JahrKassettendecken einen neutralen Grundraster, vor hunderts suchten die Architekten keine Anknüpfung an diesem eine jegliche Bespielung möglich erscheint. vorhandene baukulturelle Traditionen, sondern wählGarstenauer plante die Konstruktion des Konten die großstädtische Ringstraßenarchitektur für das gresshauses akribisch, er sah Architektur nicht als Bergdorf. So gesehen knüpft Garstenauer mit seiner „Willkürakt, sondern (als) ein(en) Akt der Sinnverwirkstädtischen Konzeption des Kongresszentrums an die lichung“. Für ihn stand „die Frage nach dem Sinn und Intention der Architektur der Jahrhundertwende an, dem Wesen der jeweiligen Bauaufgabe […] im Zentrum ohne jedoch der liegenden Ideologie zu folgen. Durch aller Überlegungen.“ 32 Der unverkleidete, rohe Werkdie qualitätsvolle Ausführung der Bauwerke in Bad stoff Beton steht im Vordergrund, die Komposition Gastein, vom Kongresszentrum über das Felsenbad, bleibt deutlich in Erinnerung. Mit der spezifischen bis zu den Aluminiumkuppeln der Seilbahnstationen Formensprache, wie etwa springende Bauteile, Übervon Sportgastein, werden die konstruktiven und lohöhungen, vorkragende Elemente, wird mit dem Kongistischen Fähigkeiten Gerhard Garstenauers – wie gresszentrum keine herkömmliche Vorstellung von Äsoben aufgezeigt – deutlich. thetik erzeugt, sondern vielmehr ein ästhetisches Bild Diese Bauten wurden aus der einzigartigen tovermittelt. Dabei bleiben die Ablesbarkeit sowie die pografischen Konstellation von Bad Gastein heraus Gediegenheit der Konstruktion gewahrt. Als Bau des entwickelt. Der Kurort ist mit seiner großstädtischen Brutalismus dokumentiert das Kongresshaus die AufKonzeption in einer unverwechselbaren Lage an einem bruchsphase der 1960er- und 1970er-Jahre in Bad Steilhang mit Felsschlucht und Wasserfall, umgeben Gastein,33 als öffentliche Bauaufgabe sollte es Zeugnis von einer hochalpinen Landschaft, ein städtebauliches des Zukunftsoptimismus sein. Heute ist es ein Zeugnis Unikat. Garstenauer erkannte hier kein gemeines „geder neuen Identität der Zweiten Republik, denn Konschnitztes“ Bergdorf mit ausgeprägten bäuerlichen gresszentren von dieser Größenordnung mit einem Traditionen, sondern einen Ort, der mit einer in die globalen Anspruch an Vernetzung gibt es in Österreich Höhe strebenden, großstädtischen Architektur der nur wenige. Als kraftvolle Betonarchitektur nimmt es Jahrhundertwende aufwartet und keinem gängigen mit seiner kompromisslosen Kombination aus Form, romantischen Klischee entspricht. Seine Bauten raMaterial und Lage österreichweit eine Sonderstellung gen nicht in die Höhe, sondern nehmen sich zurück ein. Denn Garstenauer setzte mit dem Kongresszentund fügen sich in die Schlucht ein. Die Geländelirum in Bad Gastein auch eine kompromisslose „Utonie bleibt lesbar. Mit der weiten horizontalen Ebene pie“ in die Realität um. Die futuristisch anmutenden auf dem Straßenniveau, die Friedrich Achleitner mit Netzwerkkuppeln der sogenannten Trinkhalle besitzen einem Spiegel eines Bergsees verglich, hat Garsteeine weitreichende Symbolkraft für den Versuch der nauer in Bad Gastein ein konstitutives Grundelement Erneuerung einer ganzen Region. Die Glaskonstruktion

Grundsätzlich stellte für Garstenauer alles Geder Gebirgslandschaft städtebaulich übersetzt.35 Das baute einen Eingriff in die Natur dar. Sein Ziel war so entwickelte neue Zentrum veränderte die bishees, mit seiner eigenen baukünstlerischen Gestaltung rige Ortsgestalt und das ursprünglich enge Ortsbild. einen spannungsvollen Ausgleich zwischen den beiGleichzeitig leitete Garstenauer die erwarteten Beden Polen zu generieren. Ein Vorhaben, das er mit sucherströme und erzielte ein neues Nutzungsgebiet dem Kongresszentrum in Bad Gastein perfektionierte. sowohl für Tourist:innen wie auch für Einheimische. Durch die expressive, brutalistische Formensprache Die „alpine Architektur“ ist laut Bruno Reichlin wirkt das Volumen des Kongresszentrums als Gegenein kulturelles Konstrukt, dessen Hypothese es ist, gewicht zu den Kräften des Gebirges, gleichzeitig bedass die alpine Architektur mit dem „Gebirge als kommt es aber auch durch die Assoziation mit einem Phänomen“ und den Empfindungen, die dieses Phäkünstlichen Felsengebilde ein mimetisches Element. nomen auslösen kann – wie etwa der Aufstieg, die Ähnlich verhält es sich im Aufbau der ehemaligen Gefahr, die Grenzerfahrung, die Weite, eine Natur Trinkhalle, wo sich dieses Spannungsfeld wiederholt. im Reinzustand oder Friede –, in direkter Verbindung Zum einen symbolisieren die Aluminium-Glaskugeln steht.36 So ist es interessant, dass nur, wer den Aufdie kristallinen Motive der Bergwelt, zum anderen stieg nach Bad Gastein auf sich nimmt, das ganze repräsentieren sie eine höchst technoide Ästhetik. Mit Gebäude des Kongresszentrums erfassen kann, wähgraduellen Übergängen von innen und außen vollzieht rend demjenigen, der vom Ort kommt, sich lediglich der Architekt immer wieder eine unmittelbare Verdie transparent angelegte Eingangshalle öffnet. Die bundenheit der Architektur mit der Natur. So wird der Auseinandersetzung mit Landschaft und Natur ist Baukörper zu einem in die Kulturlandschaft eingebetwesentlich für Garstenauers Architekturverständnis teten, städtebaulichen Element.40 Der Baukörper des und zieht sich konsequent durch die Planungen des Kongresszentrums geht vom menschlichen Maßstab Architekten  : Er untersuchte die Beschaffenheit aller aus stufenweise in den Maßstab der Natur über, die Grundstücke, auf denen er seine Architektur situierte, horizontale Anlage ist aber auch ein Gegengewicht genauestens. Sogar beim Skifahren hatte er oft seine zur hierarchischen Architektur der Belle Époque, die Kamera dabei, um die topografischen Bedingungen eingeschossige, transparente Eingangshalle auf der sorgfältig zu dokumentieren.37 Platzebene ist ein von allen Menschen begeh- und Das Bauen in der Gebirgslandschaft stellte für ihn nutzbarer Raum, eine „flache“ demokratische Archidaher eine besondere Aufgabe dar, da die Gebirgszüge tektur.41 In diesem Sinne dient das Kongresszentrum mit ihren Berggipfeln und Schluchten eine Vielfalt an nicht bloß seinem Zweck als Ort für Versammlungen freien Formen aufweisen und so eine Sonderstellung und Tagungen, sondern ist ein wesentlicher städtein der Landschaft einnehmen. Vor diesem Hintergrund baulicher und landschaftlicher Baustein.42 empfand er es als gewagt, mit seiner Architektur in Konkurrenz zur Natur treten zu wollen. Seiner AnWas war und was ist sicht nach gab es für einen Architekten mehrere Arten, um mit seinem Bauwerk „auf die Natur einzugehen“, Gerhard Garstenauer vertrat wie kaum ein anderer „sich von ihr abzusetzen“ und/oder „mit ihrem AnArchitekt seiner Zeit den Ansatz, dass jede bauliche gebot zu paktieren“.38 Diese Varianten finden sich in Maßnahme als Teil einer Gesamtbetrachtung der einem Spannungsfeld zwischen zwei Extremen, die des Entwicklung von Stadt und Land zu verstehen ist. „stillen Aufgehen in der Natur“ und die der „bewussten Er definierte seine Architektur als Teil einer damals Betonung des Gegensatzes“ wieder. Unter dem „stillen neuen und visionären ganzheitlichen Betrachtung von Aufgehen in der Natur“ verstand Garstenauer eine Politik, Ökonomie und Kultur. So formulierte er : „Mir affirmative Architektur, die die Natur berücksichtigte, wurde immer mehr bewusst, dass Architektur keine sich ihrer unterordnet oder angleicht, ohne dass sie Formspielerei sein konnte, vielmehr musste sie als jedoch in eine „sentimentale Naturschwärmerei“ abuniversaler, interdisziplinärer, tiefgreifender Prozess gleiten durfte. Konträr dazu wird – seiner Meinung betrachtet werden, der also nicht das Ergebnis von nach – der Natur mit der „bewussten Betonung des Gegensatzes“39 eine künstliche Formensprache entgegengesetzt, da er die Gefahr erkannte, dass die natürliche Ordnung sonst missachtet würde.

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Willkürakten, sondern nur ein Akt der ‚Sinnverwirklichung‘ sein konnte. Die Frage nach dem Sinn und dem Wesen der jeweiligen Aufgabe steht somit im Vordergrund aller Überlegungen. Auf diesem Wege wurde die Konstruktion zum konstituierenden Element der Gestaltung schlechthin.“43 Mit seinen Bauten prägte Garstenauer nicht nur die Architekturlandschaft des Gasteinertals wie kein anderer Architekt. Bereits zu ihren jeweiligen Eröffnungen hat Clemens Holzmeister den Gasteiner Bauwerken den höchsten Rang zugewiesen. So erfährt das Kongresszentrum, ein Hauptwerk im Œuvre Garstenauers, neben zeitnahen nationalen Auszeichnungen, wie dem Architekturpreis des Landes Salzburg 1975, bis heute hohe Anerkennung.44 Dennoch wurde es als Architektur von seiner zeitgenössischen Bevölkerung nicht angenommen.45 Der Brutalismus wird ja oft als Kritik am Establishment verstanden, als Sinnbild für eine gebaute Demokratie und als eine Utopie des sozialen Miteinanders. Mit dem Tod des Bürgermeisters ging jedoch nicht nur die Innovationskraft, sondern auch die allgemeine Wertschätzung und damit das von Kerschbaumer und Garstenauer angestrebte Miteinander verloren. Die Kritik an der Architektur nahm mit den über die Jahre immer schlechter werdenden Zuständen der Gebäude zu. Garstenauer selbst schrieb in einem „Memorandum“ 1991/1992 : „Der jetzige Zustand der Bauwerke hat jedenfalls einen Grad erreicht, der am Ende geradezu Verwüstung und Zerstörung bedeutet.“46 Das Kongresszentrum steht seit 2022 unter Denkmalschutz. Erst der Blick mit zeitlichem Abstand erkennt den enormen Wert des Gebäudes.

1 Der Nachlass des Salzburger Architekten Gerhard Garstenauer liegt seit 2010 im Salzburg Museum. Eine vollständige Aufarbeitung fand noch nicht statt. Mein besonderer Dank für den Zugang zu den Archivalien gilt Mag. Peter Husty und Mag. Jana Breuste. 2 Friedrich Achleitner: Architektur des 20. Jahrhunderts in Salzburg, in: bauforum 46, 7. Jg., Wien 1974, S. 27. 3 Architekturzentrum Wien (Hg.): Gerhard Garstenauer. Interventionen. Salzburg 2002, S. 16; Intuition und Disziplin. Gespräch mit Gerhard Garstenauer, in: Arno Ritter (Hg.): konstantmodern. fünf Positionen zur Architektur, Atelier 5, Gerhard Garstenauer, Johann Georg Gsteu, Rudolf Wäger, Werner Wirsing. Wien 2009, S. 47. 4 Ebd. 5 Architekturzentrum Wien 2002, S. 16. 6 Achleitner 1974, S. 27. 7 Das Standardwerk zum Brutalismus: Wüstenrot Stiftung (Hg.): Brutalismus. Beiträge des internationalen Symposiums in Berlin 2012. Zürich 2017 und Wüstenrot Stiftung (Hg.): SOS Brutalismus. Eine internationale Bestandsaufnahme. Zürich 2017 sowie das Gespräch mit Oliver Elser und Nott Caviezel in diesem Band. 8 Zur Geschichte von Bad Gastein und dem Gasteinertal siehe: Heinrich von Zimburg: Die Geschichte Gasteins und des Gasteiner Tales. Wien 1948; Sebastian Hinterseer: Gastein und seine Geschichte. Bad Gastein 1965; https:// www.sn.at/wiki/Geschichte_des_ Gasteinertales (Zugriff: 21. 04 . 2022) sowie zuletzt Judith Eiblmayr, Philipp Balga (Hg.): Bad Gastein: ab-an-aufgebaut. Wien 2021. 9 Hinterseer 1965, S. 75. 10 Ebd., S. 83. 11 Camillo Sitte, Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen, in: Camillo Sitte Gesamtausgabe, Schriften und Projekte, 3. Wien 2003 sowie zum Ensemble Straubinger Platz: Judith Eiblmayr, Philipp Balga 2021, S. 142. 12 Sokratis Dimitriou: Felsenbad ‚Gastein’ , in: bauforum 46, 7. Jg., Wien 1974, S. 36. 13 Eiblmayr, Balga 2021, S. 142. 14 Auch Kurt Ackermann und Gerhard Garstenauer kannten einander nicht persönlich. Ackermann war von Garstenauers bisherigem Œuvre be­ eindruckt und überzeugt, dass dieser den richtigen Partner für Kerschbaumer darstellte. Vgl. Gerhard Garstenauer im Gespräch mit Elisabeth Reichl am 13.04.2004, in: Elisabeth Reichl: Bäderbauten in außergewöhnlicher topo­grafischer Position: dargelegt an Bauten und Projekten im Gasteinertal

von Gerhard Garstenauer 1968  –1978, Dipl. Arbeit, Innsbruck 2004, S. 17–18, hier S. 17. 15 Ebd., S. 18. 16 Indizien dafür wurden im Nachlass von Gerhard Garstenauer im Archiv des Salzburg Museums gefunden. Ein Briefwechsel ist noch nicht aufgearbeitet. 17 Garstenauer gibt Auskunft über den Be­­­stand eines Maßnahmenplans, vgl. Elisabeth Reichl 2004, S. 18. Der Nachlass war dazu bisher nicht aufschlussreich. 18 Intuition und Disziplin 2009, S. 54. 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Vgl. Baubeschreibung und -programm in: Gerhard Garstenauer: Bauten und Projekte im Gasteinertal. Salzburg 1979, S. 6 bzw. Architekturzentrum Wien 2002, S. 102 –111. 22 Intuition und Disziplin 2009, S. 54. 23 Architekturzentrum Wien 2002, S. 102. 24 Ebd. 25 Franz Fuhrmann: Zur Architektur des Kur- und Kongreßzentrums Badgastein, in: gastein aktuell. Badgasteiner Kurzeitung, Festausgabe anläßlich der Eröffnung des neuen Kur- und Kongreßzentrums in Badgastein, Jg. 1974, Nr. 2, S. 14 –15, hier S. 14. 26 Architekturzentrum Wien 2002, S. 102. 27 Garstenauer fügte unter der Platzebene ein Installationsgeschoss ein, wo er klimatechnische Installationen und Lagerräume vorsah. Über die Stiegen gelangen die Besucher:innen in das Galeriegeschoss. Hier befindet sich die Galerie des Mehrzwecksaales, umgeben von einem Foyer mit den Garderoben. Im Norden sind die beiden Haupttreppen sowie die Aufzüge. Im Süden kann man über einen Verbindungsgang unter der Gasteiner Hauptstraße zum Haus Austria und zur Parkgarage gelangen, der jedoch nur geöffnet war, wenn ein Kongress in beiden Häusern stattfand. Im Osten liegen kleinere Kongressräume und mehrere Büroräume sowie Garderoben mit Waschräumen und Toilettenanlagen. Im Westen sind die Räumlichkeiten des ehemaligen Casinos sowie des Nachtlokals untergebracht. 28 Unter dem Mehrzwecksaal liegen die Geschosse, die nicht für den breiten Publikumsverkehr gedacht waren. Zum einen das Depotgeschoss, wo neben diversen Lagerflächen, Aufenthaltsräumen, dem Lastenaufzug, die Vorrichtung zum Heben und Senken des Fußbodens eingebaut wurde und zum anderen ein eigenes Aggregatgeschoss, das die Klima- und Heizzentrale des Gebäudes beherbergte. 29 Geodätische Kuppeln sind sphärische Kuppeln, deren Konstruktion von einer Gitterschale aus Dreiecken gebildet wird. 30 Intuition und Disziplin 2009, S. 48.

31 Architekturzentrum Wien 2002, S. 102. 32 Intuition und Disziplin 2009, S. 48. 33 In Österreich kann der Brutalismus als architektonisches Symbol des politischen Programmes des Wohlfahrtsstaates bis in die 1970er-Jahre gesehen werden. Die Regierungen ließen das Bildungssystem ausbauen und arbeiteten sowohl Sport- und Freizeitangebote als auch landesweite Kulturprogramme für die breite Bevölkerung, unabhängig jeglichen sozialen Status, aus. Oft finden sich die politischen Ideologien der 1960er/1970er-Jahre in den Baukonzepten wieder. 34 Zum Bauen in der alpinen Landschaft: Neues Bauen in den Alpen. Architekturpreis 1995. Basel 1996; Neues Bauen in den Alpen. Architekturpreis 1999. Basel 2000. 35 Friedrich Achleitner: Gerhard Garstenauer, Architekt. Planer. Konstrukteur. Lehrer. Kritischer Bürger, in: Architek­ turzentrum Wien 2002, S. 9 –14, hier S. 13. 36 Bruno Reichlin: Die Moderne baut in den Bergen, in: Neues Bauen in den Alpen 1996, S. 85 –130, hier S. 86. 37 Anekdote erzählt von Mag. Peter Husty, Salzburg Museum. 38 Zum Umgang Gerhard Garstenauers mit der Natur siehe: Gerhard Garstenauer: Das Bad in der Gebirgslandschaft, in: Architekturzentrum Wien 2002, S. 86. 39 Garstenauer 2002, S. 86. 40 Achleitner 1974, S. 40. 41 Sonja Pisarik über das Kongresszentrum in Bad Gastein im Video zur Ausstellung SOS Brutalismus. Rettet die Betonmonster!, Architekturzentrum Wien https://www.azw.at/de/termin/sos-brutalismus / (Zugriff: 21. 04 . 2022). 42 Achleitner 1974, S. 40. 43 Architekturzentrum Wien 2002, S. 16. 44 Das Kongresszentrum wurde als eines von zehn österreichischen Objekten in der Ausstellung „SOS Brutalismus. Rettet die Betonmonster!“ im Wiener Az W vom 03.05.2018 bis 06.08.2018 gezeigt. 45 Achleitner 2000, S. 215. 46 Architekturzentrum Wien 2002, S. 264.

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Inserat der Firma PORR, „gastein aktuell Bad Gasteiner Kurzeitung", 1974

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Hubert Sattler, Kosmorama: „Das Wildbad Gastein mit seinem herrlichen Wasserfall", um 1844 Bad Gastein, historische Ansichtskarte, um 1900 Gerhard Garstenauer, Konstruktionsskizzen der geodätischen Kuppeln des Kur- und Kongresszentrums, o. J.

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Gerhard Garstenauer, Skizzen der Konstruktion des Kur- und Kongress­zentrums in steiler Hanglage, o. J. Fotografien Gerhard Garstenauers während des Baues der Betonstützen, 1970er -Jahre

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Gerhard Garstenauer, Bergstation, Gletscherbahn Schareck, Sport-Gastein, 1973 Gerhard Garstenauer, Bebauungsstudie für Sportgastein, „Hotel in der Landschaft", o. J.

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Eröffnung des Felsenbads in Bad Gastein, 1968 Historische Postkarte, 1960er-Jahre Gerhard Garstenauer, Entwurfsskizzen, Felsenbad Bad Gastein, 1966 –1968 „Vorausplan“, 1968

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Gerhard Garstenauer, Kur- und Kongresszentrum Bad Gastein, Trinkhalle auf der Terrassenebene, 1972

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Querschnitt, 1971 Nordansicht, 1969

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k. k. Post- und Telegraphenamt am Straubingerplatz, Bad Gastein, nach 1904 Grand Hotels (Hotel Weismayr, Hotel de l'Europe und Badehaus Moser) von Bad Gastein, um 1910

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Gerhard Garstenauer, Kongresszentrum Bad Gastein, Grundrisse, 1966 –1974

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Gerhard Garstenauer, Kongresszentrum S 23 Bad Gastein, Stiegenaufgang mit S 24 bauzeitlichen Sitzmöbeln, um 1974 Innenansicht des Cafés S 25 Innenansicht der Trinkhalle S 26

Außenansicht der umlaufenden Terrassen Gesamtansicht im städtebaulichen Verband Dachterrasse Tragwerk

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Kärnten Land der Bäder. Über den Ausbau der Schwimminfrastruktur nach 1945

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rung, zur Ankurbelung des Tourismus in der Region beitragen soll – und bricht bei dieser Gelegenheit eine Lanze für die außergewöhnliche Standortwahl. Da Klein-St. Paul abseits der Badezentren liegt, sei der Beschluss des Gemeinderats, an dieser Stelle ein modernes Freibad zu errichten, wirtschaftlich überlegt gewesen und habe weitestgehend den Interessen breiter Bevölkerungskreise entsprochen, so Simas Argumentation.3 Die Abwesenheit natürlicher Bademöglichkeiten durch Freibäder auszugleichen, spiegelt sich ab den späten 1950er-Jahren in zahlreichen Realisierungen wider. Gemeinden in entlegenen Regionen wie Paternion, Eisenkappel-Vellach oder Dellach im Drautal Dichtgedrängt steht das Publikum am Beckenwurden mit Bädern ausgestattet, die zum Teil – ähnlich rand. In der ersten Reihe Kinder in kurzen Hosen und wie das spektakuläre Terrassenbad – an prominenten Hemden, die ihre Schuhspitzen über der Wasserfläche Plätzen landeten und starke Bezüge zur umliegenden schweben lassen. Dazwischen Erwachsene in FestLandschaft aufbauen. Zunehmende Freizeit konnte tagskleidung. Dahinter eine steil abfallende, ausgeohne Verzögerung – vor der Haustür – verbracht franste Linie aus Baumwipfeln. Vom Dreimeterbrett werden. Ein nicht unwesentlicher Nebeneffekt der setzt ein Springer zu einem Köpfler an. Ein flüchtiger kurzen Wege zu den Orten der Erholung  : die geringere Moment vom Eröffnungsspringen im Terrassenbad Abhängigkeit vom Automobil. Klein-St. Paul, eingefangen auf einem Pressefoto vom 27. Juni 1965.1 Anfänge am Seeufer Auf mehreren Ebenen breitet sich hier seit Mitte der 1960er-Jahre eine Miniaturlandschaft über dem Die Voraussetzungen für eine öffentliche Badekultur Ort aus  : Für das Sonnendeck mit Blick ins Tal mussten in Österreichs südlichstem Bundesland sind von Natur die Flächen von Schwimmbecken und Liegewiesen aus günstig. Mit über tausend stehenden Gewässern aufwendig aus dem Hang geschält werden; ebenso die verfügt Kärnten, das sich in der Tourismuswerbung Zufahrt und der Parkplatz. Von den halb im Hang verund in Reiseführern als Alternative zum maritimen Süsenkten Kabinen gelangen die Badegäste über Freitrepden darstellt, über eine vielfältige Seenlandschaft auf pen auf die versteckte Entspannungsplattform. Das verhältnismäßig kleinem Gebiet. Bei einem flüchtigen höher gelegene Sportbecken mit Sprungturm ist mit Blick auf die topografische Karte treten, neben den dem tieferliegenden Becken über eine Stiegenskulptur Gebirgszügen der Hohen Tauern und Karawanken, zuverbunden, die sich um eine zackenförmige Betonstele nächst die lang gestreckten Formen des Wörthersees, wickelt. Ein auskragendes Zwischenpodest ragt über Millstätter Sees, Ossiacher Sees und Weißensees in die Wasserfläche des Nichtschwimmerbereichs hinaus. Erscheinung. Erst bei näherem Hinsehen tauchen die Nach einer halben Drehung am Zwischenpodest fällt vielen kleineren linsenförmigen Wasserflächen wie der der Blick in den ersten Jahren des Betriebs durch Faaker See, der Längsee oder der Klopeiner See auf.4 ein Sichtfenster ins Innere des Wettkampfbeckens. Ansätze für deren Rahmung durch hochwertige, Im Verlauf eines wolkenlosen Sommertages wandert gleichzeitig in ihrem Materialeinsatz zurückhaltende der Schatten des archaisch anmutenden Betonzackens Bauten gehen zumindest bis auf die Badehäuser des mit Reliefstruktur und kreisrunden Aussparungen über späten 19. Jahrhunderts zurück. Die Inbetriebnahme die Wasserfläche wie über das Ziffernblatt einer überder Bahnstrecke entlang des Wörthersees im Jahr dimensionalen Sonnenuhr.2 1864 machte Krumpendorf, Pörtschach und Velden In seiner Rede zur Inbetriebnahme des neuen zu beliebten Sommerfrische-Destinationen. ZahlreiSchwimmzentrums in der Görtschitztaler Gemeinde che Hotels und Villen mit Seezugang hefteten sich betont Hans Sima, Kärntner Landeshauptmann seit in den folgenden Jahrzehnten an die Uferkante. Bis April desselben Jahres, dass die weitläufige Anlage, heute gut erhalten geblieben ist das von Josef Viktor neben der Erholungsfunktion für die lokale Bevölke-

der Gewässer, und es besteht auch nicht immer Fuchs geplante Badehaus Werzer. Die verspielt filigradie Möglichkeit, den Urlaub, geschweige denn die ne Holzkonstruktion mit ihren überdachten Veranden sonstige Freizeit am Meer zu verbringen.“8 und Verbindungsstegen ist ein minimaler Eingriff in der Pörtschacher Bucht. Adolf Bucher  : Bäderbau Eine weitere frühe Badeinfrastruktur an einem als Spezialität Kärntner See ist das 1925 von Arnold Heymann geplante Millstätter Strandbad. Als ausdrucksstarken Gut dokumentiert ist der Bäderbau-Boom der jungen Akzent setzten Rudolf Christof und Walter Benedikt Zweiten Republik in dem ab 1967 im Zwei-Monats1930 einen eleganten Sprungturm mit Rutsche in die Rhythmus erscheinenden „bäder journal“. Unter dem Mitte der einstigen Promenade mit den charakterisTitel „Kärnten – Land der Bäder“ zieht das Fachmatischen Markisen. Der Architekturkritiker Friedrich gazin Ende der 1960er-Jahre Zwischenbilanz über Achleitner sah in dem Turm ein „Wahrzeichen“ für die Kärntner Realisierungen seit 1945. Bis zu diedas Kärntner Seengebiet.5 Die hölzernen Badehäuser sem Zeitpunkt konnten demnach 102 Strandbäder, der Wörtherseearchitektur und die expressive Sprung50 Schwimmbäder und 13 Hallenbäder neu errichtet und Rutschvorrichtung am Ufer des Millstätter Sees oder ausgebaut werden.9 Anfang der 1970er-Jahre können als Vorboten für spätere Entwicklungen auf befindet sich der Bäderbau in ganz Österreich (noch) diesen Gebieten gesehen werden.6 im Aufwind. In einem „bäder journal“-Artikel wird für Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstand die kommenden Jahre der Bau eines Hallenbades in rund um den Wörthersee die nächste Generation insgesamt 768 Gemeinden prognostiziert. Ein Archivon Strandbädern. Darunter das zeitlose Sachlichtekt, der auf die Bäderbauwelle nach 1945 verhältniskeit ausstrahlende Maiernigg Bad in der Ostbucht mit mäßig früh aufsprang und sich in Kärnten bereits in seinen kammförmig angelegten Umkleidekabinen mit den 1960er-Jahren zum Spezialisten für diese sich Natursteinfassade und Laubengängen, eine halboffezunehmend verfeinernde Aufgabe weiterentwickelte, ne Sichtbetonstruktur am Reifnitzer Strand oder das war Adolf Bucher. auf einem Raster basierende, feingliedrige Badehaus Nach dem Studium in Wien und Graz sammelte in der Loretto-Bucht der Architekten Felix OrsiniBucher erste Arbeitserfahrungen im St. Gallener ArchiRosenberg und Karl Hack. Doch, abgesehen von Austekturbüro Kopf. Charakteristisch für seine späteren nahmen wie dem Thermalbad in Bad Kleinkirchheim Entwürfe sind – neben ambitioniert gestalteten Sprungaus den 1930er-Jahren oder dem Freibad in Bleitürmen aus Sichtbeton – die polygonalen Beckenzuburg aus den späten 1920er-Jahren von Ignaz Glawar, schnitte mit abgetreppten Brücken übers Wasser. Das nahm auch in Kärnten der Bau von Freibädern erst ab Innsbrucker Tivoli-Freibad von Norbert Heltschl aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Fahrt auf. dem Jahr 1961 und das Gänsehäufelbad von Max Das Bleiburger Bad lobte Achleitner dann wiederum Fellerer und Eugen Wörle aus dem Jahr 1948 dürfals „[e]ine der wenigen klassischen Badeanlagen, wie ten ebenso Einfluss auf die Realisierungen von Adolf sie als sympathischer und bescheidener Typ überall Bucher gehabt haben, wie die Schwimmbäder von von Baumeistern nach der Jahrhundertwende bis in Friedrich Florian Grünberger in Wattens und Gloggnitz die dreißiger Jahre gebaut wurden“ und von welchen oder die Zürcher Bäder Letzigraben aus den späten er hoffte, dass sie „als Beispiele einer noch nicht kon1940er-Jahren von Max Frisch, Tiefenbrunnen von sumorientierten Badekultur erhalten bleiben“.7 Nur um Otto Dürr, Willy Roost und Josef Schütz oder jenes in die Wasserqualität vieler natürlicher stehender und Allenmoos von Max Ernst Haefeli, Werner M. Moser fließender Gewässer war es in den sogenannten Wirtund Gustav Ammann aus den späten 1930er-Jahren – schaftswunderjahren alles andere als gut bestellt. Der Projekte, die er durch seinen Arbeitsaufenthalt in der im Bereich des Bäderbaus einflussreiche Architekt Schweiz gekannt haben dürfte. Die eingesetzten EntFriedrich Florian Grünberger weist in einem Komwurfselemente und die Stationen seiner Biografie nach mentar aus dem Jahr 1968 auf diesen Umstand hin  : 1945 legen es zumindest nahe.10 „Zu den schönsten Erfahrungen gehört das Baden in natürlichen Gewässern wie Seen, Flüssen und im Meer. Die weitgehende Industrialisierung führt jedoch in vielen Fällen zu einer Verschmutzung

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Neben dem Terrassenbad in Klein-St. Paul konnte Buchers späteres Klagenfurter Büro zwischen 1956 und 1971 sieben weitere Freibäder sowie vier Kombinationen aus Hallen- und Freibad realisieren. Der Sichtbeton spielt dabei keine geringe Rolle. Aber nicht nur beim Bäderbau setzte Bucher auf dieses Material, sondern auch für Projekte wie die Hauptschule in Kühnsdorf (1968) oder das ehemalige Haus der Begegnung in Klagenfurt (1971). Es entstanden durchwegs Räume, die eine grundsätzliche Beweglichkeit voraussetzen, jedenfalls könnte man sie so charakterisieren. Anders gesagt  : Um sich in ihnen treiben zu lassen, braucht es ein gewisses Maß an Eigenengagement. Das Freibad in Paternion, mit seiner markant geknickten Brücke über das Schwimmbecken, dem Sprungturm, mit der in die Luft gezeichneten Aufstiegshilfe und den schlichten Kabinenanlagen, ist ein gutes Beispiel dafür.11

Ein Stadionbad für das Lavanttal Ein Höhepunkt dieser intensiven Auseinandersetzung ist das gemeinsam mit Hermann Schmidhofer für Wolfsberg entworfene, 1966 für den Schwimmbetrieb freigegebene Stadionbad. Es war, laut einem Bericht der „Neuen Zeit“, zu diesem Zeitpunkt die größte Baustelle im Bezirk Wolfsberg. Auch bei diesem Projekt herrschte sanfter Optimismus vor, dass sich durch das große Format ein Anstieg der Besucherzahlen und damit ein touristischer Mehrwert einstellen würde.12 Als Starthilfe wurde zur Eröffnung mit dem „Turnier der Nationen“ ein internationaler Schwimmwettbewerb ausgetragen, der in der Medienlandschaft einen breiten Widerhall erfuhr. „Die Presse“ vom 27. Juni 1966 berichtete von 107 Schwimmer:innen aus zehn Nationen, die an der größten Schwimmveranstaltung in Österreich seit den Europameisterschaften 1951 in Wien teilnahmen. In der „Kärntner Tageszeitung“ vom 26. Juni ist abwechselnd von der größten Freischwimmanlage und der schnellsten Schwimmbahn Österreichs die Rede. Das zweitägige Großereignis wurde live im Fernsehen übertragen und bestand auch diese Premiere mit Auszeichnung, wie die „Kleine Zeitung" am 28. Juni rekapituliert. Eines der kolportierten Bilder desselben Artikels zeigt die Fortsetzung eines Sprungs vom 10-MeterTurm unter der Wasseroberfläche. Aufgenommen wurde das Foto durch ein in die Beckenwand eingelassenes Sichtfenster.13 Nicht nur in diesem Feature

äußert sich der Hang zum Ikonischen. Weitläufige Liegewiesen breiten sich um den zentralen Badebezirk mit seinen dicht zusammengerückten Becken aus; Umkleiden, Kassen, Personalräume, Vereinslokale und das Buffet sind am äußersten Rand des Grundstücks in einem horizontalen Riegel mit Akzenten aneinandergereiht. Die baulichen Eingriffe moderieren geschickt die Übergänge vom Eingang bis zum Beckenrand. Die Barriere zum Straßenraum löst sich nach innen in eine offene Struktur aus aufgeständerten Stegen und breiten Freitreppen auf. Der Terrassenbereich auf der Galerie wird zusätzlich über eine breite Rampe erschlossen. Drei scharfkantige Betonhalme wachsen weit über den Eingangsbereich hinaus und erinnern an die Gemeinden Wolfsberg, St. Stefan und Frantschach, die sich Anfang der 1960er-Jahre für die Finanzierung des Großprojekts zusammengetan hatten. Das markanteste vertikale Element ist – wie bei vergleichbaren Projekten der Zeit – der Sprungturm. In Wolfsberg sind die Plattformen entlang eines stark geneigten Stehers aufgefächert. Dem Kräfteverlauf folgend, verjüngt sich der Querschnitt nach oben hin leicht. Den Abschluss bildet eine maßgeschneiderte Uhr, die mit schwarzen Zeigern auf weißem Grund unaufdringlich an den Badeschluss erinnert. Die Eleganz der – scheinbar selbst zum Sprung ansetzenden – Konstruktion liegt nicht zuletzt in der Möglichkeit des synchronen Absprungs von allen zur Verfügung stehenden Plattformen begründet, während die auf den Turm einwirkenden Kräfte in einem Punkt zusammenlaufen. Als zweiter Hochpunkt für all jene, die den geneigten Sprungturm nicht verwenden können, findet sich im Stadionbad ein zeittypischer Grashügel, von dessen Gipfel die Schwimmwettbewerbe aus der Ferne beobachtet werden können. Solcherart gestaltete Hügel finden sich sonst vor allem in Großwohnsiedlungen. Die bekannteste künstliche Erhebung dieser Art in der jüngeren Architekturgeschichte lag zwischen den beiden Wohnscheiben der Robin Hood Gardens14 des britischen Architektenpaars Alison und Peter Smithson. Einen guten Ausblick in die umliegende Berglandschaft haben die Badegäste in Wolfsberg durch die gelungene Standortwahl und die Großzügigkeit dieses Freiraums aber auch von den Niederungen der Liegewiese.15 Im Vergleich zum ebenfalls von Adolf Bucher geplanten Terrassenbad in Klein St.-Paul geht der Entwurf für das Wolfsberger Stadionbad, im Sinn der

Mölltal – mündete. Im Nordwesten des Bundeslandes sollte damit der verhältnismäßig hohen Abwanderungsrate entgegengewirkt werden.17 Das lag auch dem Landeshauptmann am Herzen, wie die Historikerin Petra Mayrhofer in ihrer Hans-Sima-Biografie mithilfe eines unveröffentlichten Interviews von Hugo Portisch belegt  : „Retrospektiv bewertete Hans Sima als Schwerpunkte seines Engagements in Sachen Fremdenverkehr – er fungierte auch als Fremdenverkehrsreferent – die Modernisierung des Sommertourismus einerseits und den Ausbau des Wintertourismus durch den Ausbau der Seilbahnen und Liftanlagen, der Zufahrtsstraßen zu Skigebieten, und von Hallenbädern andererseits.“18 Prototypisch dafür ist die bereits vor Simas Zeit einsetzende Entwicklung der Gemeinde Mallnitz, deren Schneesicherheit aufgrund ihrer hohen Lage und der Anbindung an die Tauernbahn günstige Voraussetzungen bot. Mit der 1966 fertiggestellten Seilbahn auf den Ankogel und ihren ausdrucksstarken Stationsbauten des Büros Baurecht, Esterl, Riedmann19 wurde in der Oberkärntner Gemeinde eine ingenieurtechnische Höchstleistung mit architektonischem Blickfang eingefädelt. Ein Erfolg, der sich zu Buche schlägt, denn bereits im ersten Dezember des Betriebs berichtet die „Kärntner Tageszeitung“ von den 5.000 zusätzlichen Nächtigungen.20 Aufbruch in die Wintersaison In der Mittelstation der Ankogel-Seilbahn bündeln sich nicht nur die Antriebskräfte, sie nimmt auch In der kalten Jahreszeit sollte sich den Planungen zueine leichte Richtungsänderung zwischen dem ersten folge ein Teil der Wolfsberger Liegewiese in ein Eishound zweiten Teilstück auf, was ihrer Wirkung eine ckeyfeld verwandeln lassen. Neben Ansätzen der fläzusätzliche Dynamik verleiht. Die Zufahrt mit Skiern chendeckenden Versorgung mit „Erholungsorten“ zur erfolgt über eine herausgestreckte Rampe. Der aussommerlichen Erfrischung wuchs der Wunsch nach Inkragende Teil des zweistöckigen geknickten Sichtbefrastrukturen zur ganzjährigen Nutzung der Landschaft tonriegels stützt sich über eine zarte Stahlkonstruktion für Freizeitzwecke. Mit dem Ausschöpfen touristischer auf kleinstmöglicher Fläche ab. Statisch bilden die Potenziale war die Hoffnung auf eine Erhöhung der Bauten eine Einheit mit der Seilbahnanlage.21 Einen Wirtschaftsleistung verbunden. Vor allem während undogmatischen Weg wählten die Architekten bei der der Wintermonate hatten die Gebirgsketten im SüAuswahl der verwendeten Materialien im Inneren. Als den der Republik – durch die Skibrille betrachtet – Kontrast zur Sichtbetonoptik finden sich in den Warreichlich Aufholbedarf. tebereichen Ablagen aus Rundhölzern sowie Türen Der touristische Schwerpunkt lag, aufgrund der aus grob gefügten Brettern, handgefertigten Nägeln geografischen Lage und wegen der beliebten Badeund schmiedeeisernen Türdrückern als Ausdruck einer seen, auf der Sommersaison. Nur fünf Prozent der Nachkriegsmoderne mit regionalistischem Anstrich.22 Übernachtungen entfielen Mitte der 1960er-Jahre Drei Kilometer von der Talstation entfernt, wurauf den Wintertourismus, während es in Tirol dreißig de zeitgleich im Zentrum der Gemeinde das MallProzent waren. Bemühungen um einen Ausbau der zweiten Saison prägten die Bautätigkeit im Fremdenverkehrssektor, was in Entwicklungsprogramme für die einzelnen Regionen – von der Koralpe bis ins obere

Reduktion auf das Wesentliche, noch einen Schritt weiter  : Rechteckig zugeschnittene, eng aneinander geschobene Becken, schalreiner Beton in allen Bereichen, breite Sonnenterrassen mit Betongittern, die darauf warten, von Kletterpflanzen eingenommen zu werden, lang gestreckte, abgefaste Balken als Sitzgelegenheit für das Publikum, überbreite Laubengänge, weitläufige Liegewiesen, bauplastisch akzentuierte Kabinenanlagen – all das macht das Lavanttaler Schwimmsportzentrum unter freiem Himmel zu einem bemerkenswerten Beispiel des mitteleuropäischen Bäderbaus der 1960er-Jahre. Wie so oft wurde die Schmucklosigkeit zur indirekten Aufforderung für Überformungen und Übermalungen, der Raumreichtum eine Einladung zum Abtreten von Flächen. Folglich sind vom Stadionbad, wie es sich auf den historischen Fotos präsentiert, nur größere und kleinere Fragmente im Originalzustand erhalten geblieben. Als eines von sechs österreichischen Freibädern wurde die Anlage in den zweiten Band des 1970 von Dietrich Fabian herausgegebenen „Handbuchs für Bäderbau und Badewesen“ aufgenommen. Die Publikation dokumentiert internationale Entwicklungen auf dem Gebiet des Bäderbaus, was den Wert des Wolfsberger Stadionbads unterstreicht.16

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schen Olympischen Gesellschaft, der zu diesem Zeitnitzer Hallenbad eröffnet. Mit der Richtung Süden punkt bereits weit fortgeschritten war. In Österreich orientierten, funktionalistischen Schwimmhalle holt erweiterte das 1970 verabschiedete Sportförderungsder Architekt Kurt Miessler die Landschaft und die gesetz29 des Bundes den Spielraum für kommende Sonne ins Innere. Typologisch erinnert es mit seiner Projekte. Die Förderung von Freibädern mit touristidem Kräfteverlauf folgenden Rahmenkonstruktion schem Potenzial wurde in Kärnten schon ab 1963 auf an das Hallenbad in Kapfenberg aus dem Jahr 1952 Basis des Fremdenverkehrsgesetzes möglich, was auch von Ferdinand Schuster. Ein bemerkenswertes Detail in dem eingangs zitierten Artikel zur Eröffnung des stellen die geplanten Ausgänge auf die Liegewiese dar. Terrassenbades Klein-St. Paul erwähnt wird. Damit Das Buffet ist als Dreh- und Angelpunkt geschickt stand auf Landesebene ein zusätzliches Instrument zur zwischen die einzelnen Funktionsbereiche gesetzt.23 Verfügung, um Gemeinden beim Bau zu unterstützen. Mit Seilbahn und Schwimmbad war Mallnitz nach Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit stellten Kredite damaliger Auffassung, innerhalb von nur drei Jahren, aus dem Europäischen Wiederaufbau-Programm30 dar, fit für den Winter gemacht worden. Der annähernd die aus den Unterstützungsleistungen des Marshallnahtlose Übergang von der Skipiste ins Schwimmplans hervorgingen. becken24 war damit geebnet. Wolfgang Mayer resümiert in einem Beitrag zum Kärntner Bäderförderungsplan, dass im Jahr 1972 Rahmenbedingungen „[…] mit den etwa 100 bereits bestehenden Frei- und Hallenbädern das Auslangen fast gefunden wäre.“31 Zeitgleich mit der Einweihung der neuen WintersportSeit 1967 seien weitere acht Hallenbäder, 26 Freiausrüstung für die Gemeinde Mallnitz wird 1966 vom bäder, 23 Strandbäder, neun Kuranstalten und acht Österreichischen Institut für Schul- und SportstättenHotelbäder mit Zuschüssen bedacht worden. Mayer bau (ÖISS) eine Erhebung der öffentlichen Sportanstellt in seinem Beitrag auch die Möglichkeit von Hallagen auf dem gesamten Bundesgebiet durchgeführt, lenbädern in den Städten Wolfsberg, Hermagor und mit dem Ziel der „[…] gleichmäßige[n] und ausreich­ Völkermarkt in den Raum.32 ende[n] Versorgung der Bevölkerung mit funktionell In den darauffolgenden Jahren werden derartige einwandfreien und sportgerechten, in Bau, Betrieb und Anlagen in Klagenfurt und St. Veit an der Glan auch Erhaltung ökonomisch gestalteten Übungsstätten für tatsächlich gebaut.33 Der Wettbewerbsbeitrag für das Spiel, Sport und Erholung.“25 Neben Bädern konnten Klagenfurter Hallenbad, das nach der Fertigstellung auf Basis der Erhebungen des ÖISS vor allem Turnsäle 1972 zu den größten Schwimmsportzentren in Ösund Sportplätze an Schulstandorten realisiert werden. terreich gehörte, wurde von der Jury unter anderem Der Sportstättenplan beschäftigte sich in vier aufgrund des „optimalen Nutzeffekts bei sparsamsten Phasen mit der Bestandsaufnahme, Bedarfsfeststel­ Mitteln“ ausgewählt.34 Der in seiner Außenerscheilung, Leitplanerstellung sowie mit Fragen des Finanznung zurückhaltend gegliederte, asymmetrische Baubedarfs. Statt einiger weniger Großprojekte, forderte körper wird von einem wellenförmig gestuften Dach das Programm viele kleinere, den jeweiligen Siedlungsgeprägt, das über den Beckenenden leicht ansteigt. größen angepasste Anlagen. Etwa fünfzehn Jahre sollSprunggeräte und Buffet bekommen darunter ausreite die Durchführung dauern.26 Zwei kurze Sätze zum chend Licht und Luft. Zur benachbarten Wiesenfläche Sportstättenplan, veröffentlicht in der vom Stadtbauöffnet sich die Anlage über ein langes Fensterband. amt Wien herausgegebenen Zeitschrift „Der Aufbau“, Weißzement und Waschbeton prägen die schlichte bringen die Herausforderungen für die Architektur Außenerscheinung. Im Inneren treffen Fertigteile und auf den Punkt: Kunst am Bau – in Form von strukturierten Betonre„Alle Sportbauten sind in erster Linie nach dem liefplatten von Valentin Oman und einer farbenfrohen Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit und einEmailwand von Giselbert Hoke – aufeinander.35 Nicht wandfreien Funktion zu planen. Überlegungen in nur in den größeren Städten wie Klagenfurt, St. Veit architektonischer Hinsicht sind sicherlich notan der Glan und Spittal an der Drau oder in Winwendig, aber bei den gegenständlichen Bauten tersportorten wie Mallnitz und Heiligenblut, auch in zweitrangig.“27 Kurorten wie Bad Bleiberg oder Bad Kleinkirchheim In seinen Grundzügen ähnelte der Österreichische entstanden vermehrt Bäder zur Aufrechterhaltung des Sportstättenplan dem „Goldenen Plan“28 der Deut-

nach Bedarf – überdacht, beheizt und um zusätzliche Schwimmbetriebs über das gesamte Jahr; mit zum Teil Außenpools erweitert werden sollte.40 Der Konjunkbeachtlichen Ausmaßen. turabschwung der frühen 1970er-Jahre dürfte eine Rolle gespielt haben, dass der Badespaß nicht nur Verlängerung der Badezeiten in Kärnten in den folgenden Jahren einen Dämpfer bekam.41 Adolf Bucher stellt 1974, als nächste Stufe in der Heute zeigen sich die Freibäder der 1960er-Jahre Entwicklung des österreichischen Bäderbaus, in einem als Teil des Inventars einer auf Arbeitszeitverkürzung Interview mit dem „bäder journal“ das sogenannte eingestellten Gesellschaft. Die bekannten Kärntner „Hallenfreibad“ in Aussicht. Durch die ganzjährige Seen erweitern sie um künstliche Gewässer. In der Nutzung, Erhöhung der Frequenz und Reduktion der Versorgung entlegener Regionen mit Bädern kann Errichtungskosten würde es – nach Meinung des dazudem der politische Wille gelesen werden, Standmaligen Experten – eine besonders wirtschaftliche ortnachteile – so gut es ging – auszugleichen. Ihre Form der Bädertechnik darstellen.36 Erste Erfahrungen Situierung inszeniert dabei nicht nur den direkten Bemit der Kombination aus Schwimmhalle und Außenzug zur pittoresken Landschaft, sondern ermöglicht becken konnte Bucher 1965 mit der Erweiterung ein neues Verhältnis zum eigenen Körper. In einer Zeit des Freibades im Kurort Bad Kleinkirchheim um eine von Zukunftsgläubigkeit und Fantasien ewigen WachsSchwimmhalle sammeln. Beckenkontur, Sprungturmtums sind sie frühe Oasen der Ruhe und des Ausstruktur, Übergang und Absprungblöcke des Bassins gleichs, auch wenn ihr Formenrepertoire von Dynamik unter freiem Himmel sind auch hier mit Sorgfalt aufund modernistischer Weltläufigkeit spricht. Auf den einander abgestimmt und erinnern an das Freibad in Liegewiesen und in den Schwimmbecken sind – auf Paternion. Wie im Terrassenbad und im Stadionbad eigentümliche Weise – die Ansätze einer am soziagibt es auch hier ein Sichtfenster in der Poolwand mit len Zusammenhalt orientierten Baupolitik des Wohleinem vorgelagerten Stiegenabgang. Den beheizten Infahrtsstaates der Nachkriegszeit zu entdecken, deren nenbereich des später hinzugekommenen Hallenbades Erhaltung eine zeitlose Aufgabe in der Stadt und auf prägten eine schlichte Holzverschalung an der Decke dem Land darstellen sollte. und unverkleidete Betonstützen.37 Die Erweiterung um eine zweite Schwimmhalle nach Entwürfen von Othmar Egger, nur drei Jahre später, veranschaulicht den Auftrieb, in dem sich der Bäderbau in den Wintersportregionen befand.38 Eine echte Hallen-Freibad-Synthese gelingt Adolf Bucher allerdings erst Anfang der 1970er-Jahre im äußersten Westen von Kärnten in Kötschach-Mauthen. Presseberichte von der Eröffnung legen nahe, dass die Standortwahl „mitten im Paradies“39 nicht frei von Konflikten in der Gemeinde abgelaufen ist. Die Badeanlage für den ganzjährigen Betrieb legt sich – ähnlich wie das Terrassenbad in Klein-St. Paul – weitestgehend in den Hang. Eine eigene Schleuse vermittelt zwischen Innen- und Außenbecken. Die im Interview erwähnten Becken unter schiebund faltbaren Dächern, wie er sie sich wohl auch für Kärnten wünschte, kamen im Süden von Österreich jedoch in den folgenden Jahren nicht mehr zur Ausführung. Ebenso wenig wie das Modell einer erweiterbaren Struktur, wie sie Friedrich Florian Grünberger in seinem Europabad-Konzept vorgelegt hat  : In einer ersten Stufe schlug Grünberger die Errichtung eines Freibades vor, das in den folgenden Schritten – je

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1 Vgl. N.N.: Kärntens modernstes Schwimmbad wurde in Klein-St. Paul durch LH Sima eröffnet, in: Neue Zeit, 29. Juni 1965, S. 9. Die Neue Zeit erschien ab Herbst 1945 zunächst als Wochenzeitung und später als Tageszeitung der Sozialistischen Partei Kärntens. 1965 erfolgte die Umbenennung in Kärntner Tageszeitung (KTZ), die letzte Ausgabe der KTZ erschien 2014. 2 Beobachtungen zur Atmosphäre vor Ort gehen auf eine Besichtigung im Zuge des Buchprojekts „Land der Moderne – Architektur in Kärnten 1945–1979“ zurück. Informationen zum Bauablauf finden sich ebenfalls im Artikel zur Eröffnung in der „Neuen Zeit“ vom 29. Juni 1965. Auf der Titelseite der 1966 vom Landesverband Kärnten der Zentralvereinigung der Architekten herausgegebenen Schriftenreihe „Bauen in Kärnten“ ist das Klein.-St. Pauler Terrassenbad ebenfalls abgebildet. Planungsdetails stammen aus dem, 2021 in den Bestand des „Bauarchiv Kärnten“ aufgenommenen, Nachlass des Architekten Adolf Bucher. 3 Vgl. N.N.: Kärntens modernstes Schwimmbad wurde in Klein-St. Paul durch LH Sima eröffnet, in: Neue Zeit, 29. Juni 1965, S. 9. 4 Vgl. Kärntner Landesregierung: Das ist Kärnten. Geschichte – Kultur – Landschaft. Klagenfurt 1978, S. 130. 5 Nach einer behutsamen Sanierung durch Hohengasser Wirnsberger Architekten ist der für einige Jahre gesperrte unter Denkmalschutz stehende Sprungturm seit 2019 wieder in Betrieb. 6 Für einen Überblick zu Badehäusern und Schwimmbädern des frühen 20. Jahrhunderts, vgl. Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer in drei Bänden, Bd. II. Salzburg-Wien 1983. Für Details zum Thema WörtherseeArchitektur: http://www.woertherseearchitektur.at (Zugriff: 21. 04 . 2022) 7 Vgl. ebd., S. 27. 8 Friedrich Grünberger: Die allgemeine Bädersituation, in: Der Aufbau. Fachschrift Planen, Bauen und Wohnen, herausgegeben vom Stadtbauamt Wien, Ausgabe 8/9, 1968, S. 277. Auf die Problematik der zunehmenden Umweltverschmutzung weist auch der Leitartikel der Februarausgabe des „bäder journals“ im Jahr 1972 hin. Vgl. Erwin H. Aglas: Vision um den Bäderbau, in: bäder journal: Sport und Freizeit; Bäder planen, bauen und betreuen, Nr. 4/72, S. 1. 9 Vgl. A. Knapp, in: bäder journal: Sport und Freizeit; Bäder planen, bauen und betreuen, Nr. 6/69, S. 20. 10 Informationen zu Biografie und Werk gehen auf eine von Adolf Bucher selbst zusammengestellte – 2002 an das Ar­­chi­

tektur Haus Kärnten übergebene – Dokumentensammlung mit Werkliste und Angaben zum beruflichen Werdegang zurück. 11 Vgl. Bauarchiv Kärnten: Nachlass Adolf Bucher. https://www.bauarchivkaernten.at/sammlung/adolf-bucher/ (Zugriff: 21. 04 . 2022). 12 Vgl. N.N.: Das Stadionbad Wolfsberg – Drei Gemeinden setzen sich ein gemeinsames Ziel, in: Neue Zeit, 27. Mai 1965, S. 7. 13 Vgl. dazu folgende Artikel: N.N.: Sechs neue Schwimmrekorde in Wolfsberg, in: Die Presse, 27. Juni 1966, S. 9.; Fernsehpremiere mit Auszeichnung bestanden, in: Kleine Zeitung, 28. Juni 1966; Beim „Schwimmfest der Nationen“ in Wolfsberg 3 Österreichische Rekorde, in: Kärntner Tageszeitung, 26. Juni 1966, S. 3 f. 14 Vgl. Jessie Brennan: Regenerate! Conversations, Drawings, Archives & Photographs from Robin Hood Gardens. o. O. 2015, S. 11. 15 Informationen zum Stadionbad Wolfsberg basieren auf Planungsunterlagen aus dem Nachlass Adolf Bucher im Bauarchiv Kärnten sowie einer Besichtigung vor Ort im Sommer 2021. 16 Vgl. Dietrich Fabian: Bäderbau. Handbuch für Bäderbau und Badewesen. Band II. München 1970. S. 36 –39. 17 Vgl. Stadtbauamt Wien: Fremdenverkehr, in: Der Aufbau. Fachschrift für Planen, Bauen und Wohnen, Kärnten Nr. 8/9, 1966, S. 381–384. 18 Petra Mayrhofer: Hans Sima: Ein politisches Leben. Kärntner Landes­ hauptmann 1965 –1974. Wien 2015, S. 103. 19 Das Klagenfurter Architektentrio Otto Baurecht, Martin Esterl und Ludwig Riedmann plante abseits der Piste funk­­­­tionalistische Verwaltungsscheiben wie die Hauptverwaltung des regionalen Stromversorgungsunternehmens KELAG oder das Amtshochhaus der Kärntner Landesregierung am Klagenfurter Arnulfplatz. Später arbeitete das Büro gemeinsam mit Ernst Hildebrand und Ewald Kaplaner am Bau des Hauptgebäudes der Universität Klagenfurt. Im Bereich des Schulbaus setzte Ferdinand Brunner mit Hallenschulentwürfen für die HAK in Spittal an der Drau (gemeinsam mit Rudolf Nitsch) und der Hauptschule in Kötschach-Mauthen wichtige Akzente in Sichtbeton. 20 N.N.: Mallnitz: Hallenschwimmbad, Ankogelbahn, Urlaubsparadies für jedermann, in: Kärntner Tageszeitung, 30. Jänner 1968, S. 12. 21 Für Details zum statischen System vgl. H. Kainbacher (Mitverfasser): Der Bau der Ankogelbahn, in: Österreichische Ingenieur-Zeitschrift, Sonder-

abdruck aus Heft 9, Jahrgang 112, S. 348 –350. 22 Vgl. Lukas Vejnik: Land der Moderne – Architektur in Kärnten 1945 –1979. Klagenfurt 2020, S. 222 – 227. 23 Vgl. Kurt Miessler: Einreichplan Hallenbad Mallnitz – Erdgeschoss. Gemeinde Mallnitz, Bauakt, 1965. 24 In abgewandelter Form findet sich die­­­­ser Slogan in zahlreichen Zeitungsartikeln der Zeit wieder. So auch in: N.N.: Wintersport und Badefreuden zu gleicher Zeit, in: Kleine Zeitung, 21. Dezember 1965; Von der Piste in die Therme, in: Kärntner Tageszeitung, 9. November 1966. 25 Walter Künzel: Der „Österreichische Sportstättenplan“. Richtwerte, Bedarfsfeststellung und Fehlbestandsermittlung, in: Der Aufbau, 8/9, 1968, S. 278. Walter Künzel war Geschäftsführer des ÖISS. 26 Vgl. bäder journal: Sport und Freizeit; Bäder planen, bauen und betreuen, Nr. 6/70, Linz, S. 7. 27 Künzel 1968, S. 278. 28 Für Details zum „Goldenen Plan“ vgl. Fabian 1970, S. 7. 29 Der direkte Verweis auf den Sportstättenplan findet sich in § 13. (1) unter folgendem Wortlaut: „Der Bund ist berechtigt, sich an der Schaffung ausreichender Übungsstätten für den Breitenund Leistungssport zu beteiligen, sofern der Bedarf auf Grund gesamtösterreichischer Erhebungen durch Vereinbarungen des Bundes, der Länder und Sportorganisationen festgestellt wird (Österreichischer Sportstättenplan).“ Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich (1970): 2. Bundesgesetz vom 12. Dezember 1969, betreffend Förderungen des Sportes aus Bundesmitteln (Bundes-Sportförder­ungs­gesetz), ausgegeben am 5. Jänner 1970, Wien: Verlagspostamt 1030, S. 333. 30 Die ERP-Fonds sind eine „[s]eit 1962 existierende Förderungseinrichtung des Bundes zur Verwaltung und Verwendung der so genannten Counterpart-Mittel aus dem Marshall-Plan zur Realisierung wirtschaftlicher Investitionsvorhaben und strukturverbessernder Maßnahmen.“ ERP-Fonds, AEIOU, in: Austria-Forum, das Wissensnetz, https://austria-forum. org/af, AEIOU/ERP-Fonds, 25. März 2016, (Zugriff: 21. 04 . 2022). 31 Wolfgang Mayer: Der Kärntner Bäderförderungsplan, in: bäder journal: Sport und Freizeit; Bäder planen, bauen und betreuen, Nr. 4/72, S. 6. 32 Vgl. ebd. 33 Trotz der Forderung nach einer ökonomischen Bauweise gelangen dem Villacher Büro Bauer mit dem Hallenbad in der Landeshauptstadt sowie Oswald Lindenbauer und Winfried Pichorner

in St. Veit Lösungen mit großzügigem Raumangebot und einer differenzierten Feinabstimmung von Ein- und Ausblicken. Damit schließen sie an ein zentrales Thema der Freibäder an. 34 Vgl. N.N.: Villacher Architekt baut das Klagenfurter Hallenbad, in: Kärntner Tageszeitung, 10. Oktober 1968, S. 6. 35 Für eine ausführliche Beschreibung des Klagenfurter Hallenbades, vgl. Lukas Vejnik: Trockenzeit im Hallenbad, in: Die Brücke, August/September 2021, S. 32 – 33. 36 Vgl. N.N.: Richtlinien beim Bäderbau – Interview mit Architekt Dipl.-Ing. Adolf Bucher, in: bäder journal: Sport und Freizeit; Bäder planen, bauen und betreuen, Nr. 3 / 74, S. 37 ff, S. 20. Dass sich Bucher über die technischen Details hinaus mit dem Bäderbau und dessen Geschichte auseinandersetzte, belegt ein weiterer Beitrag auf Seite 4 im „bäder journal“ Nr. 1/69, der über einen Vortrag des Architekten bei einer einschlägigen Tagung berichtet. Darin werden Bäder als Kulturbauten interpretiert und in Ansätzen historisch eingeordnet. Die Geschichte des Hallenbades verfolgt Bucher darin bis ins antike Mohenjo Daro im heutigen Pakistan zurück. 37 Drei Jahre später entsteht in der Mölltaler Gemeinde Obervellach eine typologisch ähnliche Anlage. Vgl. bäder journal 6/69, S. 23. 38 Ernst Primosch: 2. Hallenbad Kleinkirchheim: Ab September Baubeginn, in: Kärntner Tageszeitung, 24. August 1968, S. 6. 39 Vgl. N.N.: Kötschach-Mauthen: Badkrieg beendet, in: Kärntner Tageszeitung, 17. April 1968, S. 6. 40 Für eine Zusammenfassung zum Europabad vgl. Friedrich Grünberger: Die Zukunft des Europabades, in: bäder journal: Sport und Freizeit; Bäder planen, bauen und betreuen, Nr. 1/ 74, S. 7. 41 Vgl. N.N.: Der Bäderbau – im gedämpften Auftrieb, in: bäder journal: Sport und Freizeit; Bäder planen, bauen und betreuen, Nr. 1/ 74, S. 1.

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Zeitungsartikel „Neue Zeit“, 29. Juni 1965

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K 02 Adolf Bucher, Terrassenbad Klein St. Paul, Cover von „Bauen in Kärnten“, Reihe der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs, Landes­ verband Kärnten, 1965 / 66 K 03 Modell Gesamtanlage K 04 Modell Detailausschnitt Betonstele mit Treppenlauf

K 05 Grundriss der Beckenanlagen, 1963 K 06 Grundriss Erdgeschoss, Kabinen­anlagen und Espresso, 1963 K 07 Grundriss Obergeschoss, Kabinen­ anlagen, 1963 K 08 Terrassenanlage mit Schwimmbecken, 1965

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Strandbad Maiernigg, Klagenfurt am Wörthersee Ansicht vom Ufer Wandelgang im Obergeschoss

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Außenanlage mit schattiger Liegewiese Hinweisschild Freibad Paternion Adolf Bucher, Freibad Paternion, 1959 Gesamtanlage des Freibades mit Espresso

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Adolf Bucher und Hermann Schmidhofer, Stadionbad Wolfsberg, Sichtbetonwand Kabinentrakt, 1966 Freitreppe Kabinentrakt

K 18 Eingangsbereich K 19 Terrasse im Obergeschoss K 20 Liegewiese mit Schwimmbecken und Sprungturm K 21 Broschüre der Stadt Wolfsberg

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Adolf Bucher und Hermann Schmidhofer, Stadionbad Wolfsberg, Ansichten, August 1963 Grundriss Beckenanlage

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Otto Baurecht, Martin Esterl und Ludwig Riedmann, Ankogel Seilbahn Mittelstation, Mallnitz, 1966 Wartehalle

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Adolf Bucher, Hallenbad Bad Kleinkirchheim, 1965 Schwimmhalle

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Adolf Bucher, Thermalfreibad Bad Kleinkirchheim, Sichtfenster in der Beckenwand, 1964 Artikel über Adolf Bucher im „bäder journal“, Nr. 4, 1972

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Oberösterreich Aufbruch in die Bildungsgesellschaft! Karl Odorizzi und der Schulbau in Oberösterreich von 1945 bis 1975

Markus Stickler

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durch pädagogische Diskurse, internationale Vorbilder aus dem skandinavischen, angloamerikanischen, deutschen und schweizerischen Raum sowie einzelne österreichische Pionierleistungen, vollzogen sich in den 1960er- und 1970er-Jahren neuerlich umwälzende Entwicklungen. Im Zuge dieser zweiten Schulbauoffensive kam es diesmal auch zu einer breitenwirksamen Transformation der Raumorganisationsformen, wodurch der Typus „Gangschule“ von Konzepten wie der „Freiluft-“, „Atrium-“ und vor allem der „Hallenschule“ abgelöst wurde.6 Nicht zuletzt auch die gesetzliche Weiterentwicklung des österreichischen Schulsystems mit dem „Schulgesetzwerk“ aus dem Jahr 1962 und die damit einhergehenden Neuerungen7 bewirkten Nach End e des Zweiten Weltkriegs stellte die einen ungebrochenen Bedarf an neuem Schulraum und Errichtung von Schulen, neben der Beseitigung der spiegeln die gesellschaftliche Bedeutung der Bildung akuten Wohnungsnot, eine der wichtigsten Bauaufin der Nachkriegszeit wider. Dort liest man über ihre gaben in Oberösterreich dar. Dies erklärt sich zum durchaus pathetische Rolle : einen durch die demografische Entwicklung des Lan„Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an des. Bedingt durch die Einbürgerung von Vertriebenen der Erziehung der Anlagen der Jugend nach den und Flüchtlingen und die allgemeine kriegsbedingte sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie Migration war sie von einem starken Bevölkerungsnach den Werten des Wahren, Guten und Schöwachstum in den Jahren nach 1945 geprägt.1 Die nen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und Folgen der eingeschränkten Schulbautätigkeit der ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigten sich nun mitzuwirken. […] Die jungen Menschen sollen zu besonders drastisch : Zu Beginn der 1950er-Jahre gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und stammte ein Großteil der Schulen aus dem 19. Jahrverantwortungsbewussten Gliedern der Gesellhundert und entsprach hinsichtlich der funktionellen, schaft und Bürgern der demokratischen und bunpädagogischen, bautechnischen sowie hygienischen desstaatlichen Republik Österreich herangebildet Anforderungen nicht den Standards der Nachkriegswerden.“8 gesellschaft.2 Diese Hintergründe, aber auch neue In weiterer Folge entwickelten sich – analog zu archiAnsätze in der Pädagogik und der wirtschaftliche tektonischen Tendenzen in anderen Bauaufgaben, beiAufschwung Oberösterreichs führten zu einer ersten spielsweise dem Wohnbau, und ganz im Trend des „Schulbauwelle“ in den 1950er-Jahren.3 Architektointernationalen Architekturdiskurses – spätestens um nisch manifestierte sich die erhöhte Schulbautätig1970 Aspekte wie „Verdichtung“, „Verflechtung“ und keit in der – oft als zeittypisch angesehenen – Form „Flexibilität“ zu wesentlichen Fragen des Schulbaus einer „moderaten Moderne“4, die an Tendenzen der in Österreich, die teilweise zu experimentellen Anfortschrittlichen Architekturproduktion der Zwischensätzen führten.9 Wie der Text des Schulorganisationskriegszeit anknüpfte. Moderne Konstruktionsweisen gesetzes aus dem Jahr 1962 auch zeigt, stellen den und eine gesteigerte Aufmerksamkeit für Aspekte der gesellschaftspolitischen Hintergrund und Motor dieser Raum- und Nutzungsqualität – allen voran BelichDynamik die vielfältigen Demokratisierungsprozesse tung und Belüftung – hielten Einzug in den Schulbau der österreichischen Nachkriegsgesellschaft dar. Nach und prägten die architektonische Formensprache. den autoritären Systemen des „Ständestaates“ der Das typologische Raumkonzept der überkommenen Zwischenkriegszeit sowie des nationalsozialistischen „Gangschule“, bei dem die Klassenräume entlang von Regimes, ging die wirtschaftliche und politische Oriausschließlich der Erschließung dienenden Gängen entierung an den westlichen Besatzungsmächten mit aneinandergereiht werden, blieb dabei zunächst im einer gesellschaftlich-kulturellen Entwicklung einher, Wesentlichen unangetastet. die in den Aufbau des demokratischen WohlfahrtsDer „Aufbruch in die Bildungsgesellschaft“5 sollte staates mündete.10 In diesem Zusammenhang müssen damit aber lange noch nicht zu Ende sein. Angetrieben

haben.19 Darüber hinaus war Zotter vor allem in der öffentliche Bauaufgaben wie der Schulbau, angesichts Zwischenkriegszeit aktiver Unterstützer einer poliihrer Auswirkungen auf die Erziehung und Persönlichtisch „links“ einzuordnenden Moderne.20 Odorizzis keitsbildung der Nachkriegsjugend, als eine der proErinnerungen folgend, wurde die Studienzeit auch minentesten architektonischen Tätigkeitsbereiche des durch die produktive Zusammenarbeit mit anderen noch jungen Wohlfahrtsstaates angesehen werden.11 Studierenden – darunter beispielsweise Günther DoDie Bedeutung von Architektur als „Symbol des menig (1934 –2012), Eilfried Huth (geb. 1930) und politischen Programmes“12 wurde von den EntscheiFriedrich St. Florian (geb. 1932) – im Studentenheim dungsträgern bereits früh erkannt.13 Damit verfügt 21 geprägt. Nach seinem Hochschulabschluss fand Karl die Entwicklung des österreichischen Schulbaus über Odorizzi durch Vermittlung von Studienkollegen eine jene Dynamik der nationalen Identitätsstiftung, die Anstellung in Düsseldorf, welche ihm die Beteiligung in der jüngeren Forschung als wichtiger Aspekt des an diversen Wettbewerbsprojekten ermöglichte.22 architekturhistorischen Begriffs des Brutalismus anErste Erfolge in Österreich erlaubten ihm um 1960 gesehen wird.14 Auch formal-ästhetisch zeigen sich in schließlich die Gründung seines eigenen Architekturder näheren Betrachtung einige Charakteristika der büros in Wels.23 Bald darauf konnte Karl Odorizzi mit brutalistischen Architektur. Die Entwicklung des oberder Pfarranlage St. Stefan in Wels (1962 –1967) eines österreichischen Schulbaus vom Ende der 1950erseiner ersten Hauptwerke realisieren. Die Zeltkirche Jahre bis zur Mitte der 1970er-Jahre kann dabei als über quadratischem Grundriss spiegelt beispielhaft die paradigmatisch angesehen und daher stellvertretend architektonischen Konsequenzen der liturgischen Refür die gesamtösterreichische untersucht werden – formbewegung der Katholischen Kirche rund um das eine Entwicklung, die ab Mitte der 1960er-Jahre in Zweite Vatikanische Konzil (1962 –1965) wider und quantitativer15 und qualitativer Hinsicht von kaum besticht durch die formale wie ästhetische Qualität einem anderen Architekten so geprägt wurde wie von des raumprägenden Einsatzes von Sichtbetonflächen Karl Odorizzi.16 Sein Beitrag zur oberösterreichischen mit ausfachenden Ziegelwänden. Nachkriegsarchitektur soll anhand seines letzten reaDie direkte Begegnung mit der avantgardistischen, lisierten Schulbaus, dem Schulzentrum Harter Plateau internationalen Architekturdiskussion erlaubte Odorizin Leonding (1971–1975), betrachtet werden. zi die Teilnahme an der Sommerakademie in Salzburg in der Architekturklasse Jacob Berend (Jaap) Bakemas Karl Odorizzi im Netzwerk der 1966. Während Konrad Wachsmanns Lehrtätigkeit an internationalen Nachkriegsarchitektur der Sommerakademie in den 1950er-Jahren bereits Niederschlag in der österreichischen ArchitekturgeUm die nachfolgenden Bauten besser verstehen zu schichtsschreibung gefunden hat,24 wurde Bakemas können, lohnt es sich, einen Blick auf Karl Odorizzis Einfluss auf die Architekturproduktion bislang noch Ausbildung und die vielfältigen Verbindungen zu Aknicht eingehend untersucht. Der niederländische Arteuren und Institutionen der (inter)nationalen Archichitekt Jacob Bakema (1914 –1981) war als Mitglied tekturproduktion seiner Zeit zu werfen. Der 1931 des 1953 gegründeten Team X zusammen mit anderen geborene Architekt verbrachte seine Kindheit und Beteiligten – wie Alison und Peter Smithson, Aldo van Jugend in Strengberg (Niederösterreich), GrieskirEyck und Georges Candilis – einer der Hauptvertreter chen und Wels. Nach der Schulzeit an der HTL Linz jener inhaltlichen Kritik an den städtebaulichen und in den Jahren 1947–1952 absolvierte er zwischen architektonischen Konzepten des Congrès Interna1952 und 1956 das Architekturstudium an der Techtionaux d’Architecture Moderne (CIAM)25, welche nischen Hochschule in Graz.17 Unter seinen Lehrenden letzten Endes zur Auflösung des CIAM beim Kongress an der Hochschule hebt er Friedrich Zotter als prägenin Otterloo 1959 führte.26 Die Mitglieder von Team de Persönlichkeit hervor.18 Zotter (1894–1961), der X wendeten sich insbesondere gegen die in der 1933 in seinem eigenen Schaffen als Architekt tendenziell verabschiedeten „Charta von Athen“ geforderten Aufeine gemäßigte, zurückhaltende Moderne vertreten gliederung der Städte in funktional streng getrennte hat, scheint vor allem durch seinen persönlichen Umgang mit den Studierenden und durch die Betonung der ethischen Verantwortung des Architekten gegenüber der Gesellschaft einen Eindruck hinterlassen zu

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Neben diesem theoretischen Input stand Karl Bereiche. Sie zielten stattdessen auf eine stärkere Odorizzi seit den 1960er-Jahren durch seine VerIntegration und Verflechtung von urbanen Räumen ab. bindungen zu Gruppen wie Haus-Rucker-Co und Coop Diese Verschiebung kann vor allem in städtebaulicher Himmelb(l)au im Kontakt mit Exponenten einer jüngeHinsicht als das Ende der Klassischen Moderne anren Generation, die vor allem in den 1970er-Jahren gesehen werden und bahnte den Weg für vielfältige mit experimentellen sowie performativen Aktionen neue Entwicklungen, vom Brutalismus der Smithsons an der Schnittstelle zwischen Architektur, Kunst, über den niederländisch geprägten Strukturalismus27 Performance und Alltagskultur agierten.34 Wie gut bis hin zu den Megastrukturen des Metabolismus28 in Odorizzi in das Netzwerk der Architekturszene der Japan. Bei Bakema ging diese theoretische Neuaus1960er- und 1970er-Jahre eingebettet war, zeigt richtung insbesondere mit der Forderung nach einer auch seine rege Teilnahme an internationalen StuDemokratisierung von Architektur und Städtebau als dienreisen35, wobei vor allem die USA-Reisen 1971 Organisation dynamischer, materieller sowie immateund 1976 gut dokumentiert sind. So führte ihn die rieller Prozesse einher.29 Reise vom 24. April bis zum 2. Mai 1971 – zusammen Es sind diese Aspekte, welche auch Bakemas mit Kollegen wie Josef Krawina und Laurids Ortner – Lehrtätigkeit an der Internationalen Sommerakademie nach New York, Washington, Chicago und Zeeland, in Salzburg zwischen 1965 und 1969 beziehungswo unter anderem auch eine Gesamtschule besichtigt weise in den Jahren 1973 und 1975 prägten. Unter wurde.36 Im Zuge einer weiteren Reise vom 14. bis dem Schlagwort „Architekturbanismus“30 widmeten zum 28. Oktober 1976 nach Chicago, Las Vegas, San sich die Seminare einer verstärkten Verschränkung Francisco, Los Angeles, San Diego, New Orleans und der Planung einzelner Bauten mit städtebaulichen New York wurden unter anderem Objekte von Mies Problemen. Bereits die erste von Bakema geleitete van der Rohe, Frank Lloyd Wright, Richard Neutra Lehrveranstaltung im Sommer 1965 stellte unter sowie Rudolph Michael Schindler besucht.37 Neben dem Titel „Städtebauliche Architektur“ die urbane Odorizzi nahmen, unter anderen, Johann Georg Gsteu, Struktur Salzburgs und ihres Wachstums in den theHelmut Markgraf und Manfred Nehrer daran teil. matischen Mittelpunkt.31 Die von den SeminarteilnehNicht zuletzt sei auch auf Odorizzis Beteiligung mern – darunter beispielsweise Günther Feuerstein, an der österreichischen Architekturproduktion auf Walter Hutter und Helmut Werthgarner – erarbeiteten institutioneller Ebene verwiesen : Er war Gründungsstädtebaulichen Studien behandelten einige Themen, mitglied und im wissenschaftlichen Beirat des 1970 die in der internationalen Architekturdiskussion der ins Leben gerufenen Österreichischen Zentrum für 1960er- und 1970er-Jahre und auch im Werk von Karl Architekturforschung (ÖZA). Dieses, auf Betreiben Odorizzi mannigfaltigen Niederschlag finden sollten. von Karl Schwanzer gegründete, interdisziplinär ausNeben der bereits erwähnten Aufhebung der Trennung gerichtete Forschungsinstitut sollte durch systemavon verschiedenen Funktionen im Stadtraum und der tische Forschungsprojekte wissenschaftliche GrundBetonung des demokratischen Charakters von Archilagen für die architektonische sowie städtebauliche tektur, sind dies insbesondere Aspekte der Flexibilität Praxis erarbeiten und als Bindeglied zwischen den und Partizipation, der Verdichtung und Verflechtung Hochschulen und der Bauwirtschaft fungieren.38 Dasowie des dynamischen In-Beziehung-Tretens mit neben war Odorizzi langjähriger Präsident der Zentraldem umgebenden Raum.32 Einige Ideen der Seminare vereinigung österreichischer Architekten.39 Vor allem Bakemas finden sich dabei sozusagen wortwörtlich aber ist seine universitäre Lehrtätigkeit von Bedeutung. in Odorizzis Schaffen sowie seinen Publikationen.33 So veranstaltete er von 1976 bis 1984 als Professor Ein wichtiges Beispiel für die Anwendung der Ideen an der Technischen Fakultät der Leopold-Franzensaus dem Bakema-Seminar im Bereich des EinfamilienUniversität Innsbruck Lehrveranstaltungen zum Thema hausbaus ist sein Arzthaus Puffer in Bad Schaller„Entwerfen und Konstruieren mit glasfaserverstärkten bach aus den Jahren 1967 bis 1969. Die Trennung Chemiewerkstoffen“40, einem Bereich, in dem Odorizzi der konstruktiven sowie funktionalen Grundstruktur eindeutig eine Pionierstellung einnimmt.41 Dieses, hier (konstruktives Gerüst, Erschließung, Sanitärraume) nur in groben Zügen skizzierte, vielfältig verwobene von einem individuellen und veränderbaren Ausbau Netzwerk aus Handelnden, Institutionen und Diskurverdeutlicht exemplarisch die strukturalistischen Ansen der 1950er- bis 1970er-Jahre stellt den Kontext sätze der Architekturklasse Bakemas.

geführt. Die Grundrisse der Volks- sowie Hauptschule für seine im Folgenden thematisierte architektonische sind im Wesentlichen spiegelbildlich angeordnet : Die Arbeit an der „Typologie Schulbau“ dar. Eingangsbereiche mit Zentralgarderoben führen direkt in den erweiterten Hallenraum, der sich rund um die Halle – Atrium – Freiluftklasse : Das zentral angeordneten Stiegen in einen zweigeschosSchulzentrum Harter Plateau im sigen, von oben natürlich belichteten Freiraum öffnet. Spiegel der Typologien Durch die Anordnung eines als Bindeglied fungierenden Gemeinschaftsraumes zwischen den jeweiligen Im Jahr 1971 wurde von der Stadtgemeinde Leonzentralen Hallen, entsteht eine enge Verflechtung ding ein Architekturwettbewerb für die Planung eines der beiden Schultypen, sowie die Möglichkeit einer Schulzentrums im Stadtteil Hart ausgerufen. Der Begemeinsamen Nutzung der Allgemeinflächen. Da der griff „Schulzentrum“ beschreibt dabei den besonders westlich situierte dritte Baukörper die Sonderschule, aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten angestrebten die Polytechnische Schule und den Kindergarten beZusammenschluss mehrerer Schultypen in einer zuherbergt, weicht dieser hinsichtlich der inneren Orsammenhängenden Anlage, beziehungsweise unter ganisation von der Haupt- und Volksschule ab. Die einem Dach.42 Der für Leonding geforderte Neubau im Erdgeschoss angesiedelte Sonderschule und die einer zwölfklassigen Volksschule, einer sechszehn­ im Obergeschoss situierte Polytechnische Schule folklassigen Hauptschule, einer vierklassigen Polytechnigen dabei im Grunde ebenfalls einer abgewandelten schen Schule sowie einer fünfklassigen Sonderschule, Form der Hallenschule, während der Kindergarten als eines Kindergartens und der entsprechenden Turneigenständige, nur auf das Erdgeschoss beschränkte säle inklusive eines Lehrschwimmbeckens, stellte den Nutzungseinheit formuliert wurde. Trotz der Größe ersten großen Wettbewerb für ein Schulzentrum auf der Gesamtanlage behalten die Räumlichkeiten durch Landesebene dar.43 Karl Odorizzi wurde für seinen ihre Verdichtung und Konzentration sowie die klare Entwurf mit dem Ersten Preis ausgezeichnet und in Grundrissorganisation ein hohes Maß an Übersichtweiterer Folge mit der Ausführung des Projektes belichkeit und Aufenthaltsqualität. auftragt. Im Protokoll der Jury liest man : Vorläufer dieser Typologie wurden schon in den „Der Projektverfasser versucht, durch eine kon1920er- und 1930er-Jahren entwickelt. Sie beinhalzentrierte Verbauung, die sich abzeichnenden päteten bereits den Verzicht auf ausschließlich als Verdagogischen Entwicklungen zu berücksichtigen. kehrsflächen genutzte Gänge zugunsten einer ErschlieDie einzelnen Schulanlagen sind durch die Anlage ßung mittels zentraler Hallenbereiche, die darüber der Baukörper funktionell gut situiert, ohne jehinaus als Gemeinschafts- und Kommunikationsräume doch die wünschenswerten Verbindungen unterdienen sollten. Als einer der wichtigsten Vordenker richtsbetrieblich zu erschweren. Hervorzuheben im deutschsprachigen Raum kann der Architekt Franz sind die Überlegungen des Projektanten über die Schuster (1892 –1972) angesehen werden, der mit Folgenutzungsmöglichkeiten der einzelnen Einseiner Volksschule im Stadtteil Niederursel in Frankheiten.“44 furt am Main aus dem Jahr 1927 einen frühen Beitrag Das Schulzentrum Harter Plateau ist eine „pädagozur Entwicklung der Hallenschule vorgelegt hat.46 Das gische Großmaschine“45, die durch die Addition der infolge als „Schustertyp“ verbreitete Konzept basiert verschiedenen Schultypen und ihre Verknüpfung zu auf dem Prinzip, Klassenräume durch ein mittig aneiner kompakten Anlage geprägt wird. Die bereits geordnetes Stiegenhaus zu erschließen und so vollim Wettbewerbsprojekt angelegte Disposition des ständig auf Gänge zu verzichten. Auch in OberösterKomplexes sieht im Wesentlichen die Aneinanderreich gibt es Vorläufer aus der Zwischenkriegszeit : reihung von drei zweigeschossigen Hallenschulen mit So weist Julius Schultes Hauptschule in Ebensee von dazwischenliegenden Innenhöfen sowie die Anlage 1927 ebenfalls bereits in Richtung Hallenschule und nach außen hin begrenzenden Verbindungsbauten im trägt, durch die an drei Seiten umlaufenden TerrasNorden und Süden vor. Die Turnhalle mit Schwimmbesen im dritten Obergeschoss, Ansätze der Diskussion cken, zunächst als schlichter rechteckiger Baukörper im Norden des Schulgebäudes geplant, wurde im Verlauf des Projektes weiterentwickelt und schlussendlich als die Gesamtanlage akzentuierender Rundbau aus-

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ton orientieren sich an der vorhandenen Topografie rund um die Thematik des „Freilichtunterrichts“.47 Als und finden ihr Zentrum in der offenen Halle, die durch wichtiger Beitrag zur Entwicklung der Hallenschule faltbare Wandelemente mit dem Turn- beziehungsmuss auch Hans Steineders Mädchen-Hauptschule weise Mehrzweckraum zu einem zusammenhängenden der Schulschwestern in Vöcklabruck aus den Jahren Gemeinschaftsraum erweitert werden kann. 1934/35 gewertet werden, bei der jeweils vier KlasZurück nach Leonding : Neben den großzügigen senräume von einer zentralen, kreuzförmigen Halle Hallenräumen verfügt Odorizzis Schulzentrum Harter aus erschlossen werden.48 Zum Durchbruch gelangte Plateau im Bereich der Bindeglieder zwischen den das Konzept jedoch erst Ende der 1950er-Jahre und Schultypen über insgesamt vier allseitig umschlosentwickelte sich in der Folge zu einem Leitgedanken sene Innenhöfe, die der Belichtung der umliegenden des österreichischen Schulbaudiskurses. Die Vorteile Räumlichkeiten dienen, darüber hinaus jedoch eine der Hallenschule liegen zum einen im Verzicht auf Nutzung für den Pausenaufenthalt und Freiluftunterausschließlich als Verkehrswege genutzte Gangflächen richt ermöglichen. Weitere Freiflächen finden sich in und damit in einer funktionalen und räumlichen Verden großzügigen Terrassen im Obergeschoss, beidichtung. Zum anderen wurden die zentralen Hallen spielsweise im Bereich der nördlichen und südlichen von Beginn an als Gemeinschafts- und KommunikaVerbindungsbauten. In gewissem Sinne werden damit tionsräume verstanden und übernahmen damit eine Aspekte der Atrium- beziehungsweise Freiluftschuwichtige Funktion im demokratisierten Verständnis 53 le aufgegriffen, Elemente, die Odorizzi bereits bei von Schule. früheren Schulprojekten ausgetestet hat. Während Eine besondere Bedeutung in der Entwicklung der Entwurf für eine fünfklassige Pavillon-Volksschule und Verbreitung der Hallenschule kommt neben Vorin Wallern/Trattnach (zusammen mit Hans Karl) aus bildern aus dem angloamerikanischen sowie skandiden frühen 1960er-Jahren nicht ausgeführt worden navischen Raum dabei dem gebürtigen Gmundner war, realisierte Odorizzi mit der Volks- und HauptViktor Hufnagl (1922 –2007) zu.49 Dieser realisierte schule in Natternbach (Wettbewerb 1965, Ausführung mit der Hauptschule Strobl am Wolfgangsee (Ent1968 –1971) eine gut organisierte Atriumschule. Die wurf 1955, erster Abschnitt 1957–1959, zweiter einzelnen der Topografie folgenden Baukörper sind bei Abschnitt 1964 –1967) die erste Hallenschule Ösdiesem Typus um einen zentralen Innenhof gelagert, terreichs nach 1945. In weiterer Folge schuf Hufnagl der – zusammen mit der Mehrzweckhalle – auch einer mit der Volksschule und Sonderschule in Bad Ischl außerschulischen Nutzung, beispielsweise für Thea(zusammen mit Heinz Karbus, Entwurf 1958, Ausfühterabende oder Blasmusikkonzerte dem Fremdenverrung 1959 –1963) sowie der Hauptschule in Altmünskehrsort Natternbach zur Verfügung steht.54 Trotz der ter (Entwurf 1959 –1962, Ausführung 1963 –1967) Ausführung in Betonfertigteilen ist eine Veränderung weitere Beispiele, welche die Bedeutung des Hallender inneren Raumstruktur ausschließlich im Bereich schultypus stärkten und die Grundlage für die weitere um das Atrium möglich.55 Dennoch wird durch die Entwicklung bildeten.50 Zeitgenössische Publikationen Gliederung der Anlage rund um das Atrium und den begleiteten und kommentierten den Schulbaudiskurs bewussten Einsatz von Fensterflächen – beispielsmit regem Interesse, wobei Parolen wie : „Fort mit dem weise auch bei den innenliegenden Zwischenwänden – leidigen Gangschlauch!“51 den Aufbruch in Richtung ein hohes Maß an räumlicher Transparenz und eine neuer Typologien und Raumorganisationsformen einanregende Verschränkung von Innen- und Außenraum drücklich veranschaulichen. erzielt. Das Konzept der Hallenschule nimmt in Karl Odorizzis Werk eine bedeutende Stellung ein, könSchulzentrum und Gesamtschule. nen doch im Grunde beinahe alle seine realisierten Tendenzen um 1970 Schulbauten diesem Typus zugeordnet werden.52 Als Beispiel sei seine sechsklassige Volksschule in NieKarl Odorizzis Schulbau am Harter Plateau, mit seiderthalheim bei Wels (Wettbewerb 1965, Ausführung nem hohen Maß an organisatorischer und räumlicher 1966 –1969) angeführt, die durch ihre überschaubare Kompaktheit und Verdichtung, stellt um 1970 ein exGröße und Klassenanzahl das räumliche Konzept beemplarisches Bauwerk der Entwicklung in Richtung sonders anschaulich macht. Die ein- bis zweigeschosSchulzentrum dar. Neben wirtschaftlichen Gründen – sigen, gestaffelten Baukörper in schalreinem Sichtbe-

in Völkermarkt von Herbert Thurner und Ottokar Uhl geringerer Raumbedarf, organisatorische sowie bedar (Entwurf 1969, Ausführung 1970 –1974). Der triebswirtschaftliche Synergien – spielen hierbei auch ebenerdige Flachbau weist bis auf die Stützenkonstpädagogische Entwicklungen, allen voran das Konzept ruktion, das Dach, die Umfassungsmauern sowie verder Gesamtschule, eine wichtige Rolle. Das durch das einzelte Funktionsräume (Fachklassen mit technischer „Schulgesetzwerk“ von 1962 kodifizierte Schulsystem Einrichtung, Turnsäle, Innenhöfe) ausschließlich verÖsterreichs liegt dem Leondinger Bau programmaänderbare Raumstrukturen auf, um eine größtmöglitisch zugrunde und sieht im Wesentlichen eine Aufche Anpassungsfähigkeit angesichts organisatorischer gliederung in verschiedene, spezialisierte Schultypen sowie pädagogischer Entwicklungen zu erzielen. Vorvor : Hauptschule, Polytechnische Schule, Gymnasium, bilder solcher Konzepte wurden in zeitgenössischen Realgymnasium etc. Diese Organisation verlangt nach Fachpublikationen intensiv diskutiert.62 Eine ähnliche einer frühen Entscheidung über die Wahl des BildungsHerangehensweise einer von Beginn an mitbedachten weges und lässt einen Wechsel zwischen den parallel Formulierung von Nutzungsvarianten weist das nahezu verlaufenden Schultypen nur äußerst eingeschränkt zeitgleich entstandene Bundesschulzentrum in Traun zu. Aus einer Kritik dieses Systems wurde in den von Gerhard Fritz Müller sowie Helmut Eisenmenger späten 1960er-Jahren in Österreich das Konzept (Wettbewerb 1971, Ausführung 1972 –1974) auf. Die der Gesamtschule verstärkt rezipiert, als eine Form überaus verdichtete und kompakte Anlage, welche zur „die eine optimale Durchlässigkeit (Wahlfreiheit der Entstehungszeit ein Realgymnasium, ein wirtschaftsBildungswege und -ziele) bei maximaler, dem individukundliches Realgymnasium für Mädchen sowie eine ellen Begabungsprofil entsprechender Leistungs- und Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule Neigungsdifferenzierung“56 erlaubt. Das erklärte Ziel : beherbergt hat, ging dabei in unterrichtsorganisatoDie Schaffung einer weitgehenden Chancengleichheit rischer Hinsicht bereits einen Schritt weiter und sah im Bildungssystem, unabhängig vom sozialen Status zum Teil die Abschaffung von Stammklassen zugunsten und vom Bildungsgrad des familiären Umfelds.57 Obeiner Gliederung der Raumstrukturen in spezifische wohl – oder vermutlich gerade weil – die zukünftige Fachbereiche, im sogenannten „Department-System“63 bildungspolitische Entwicklung schwer abschätzbar vor. Trotz der vielfältigen Bemühungen wurde letzten war, konzipierte Odorizzi das Schulzentrum Harter Endes jedoch bereits sehr früh erkannt, dass die gePlateau bereits im Hinblick auf eine integrierte Geplante Flexibilität und Veränderbarkeit in der Praxis samtschule, indem er mögliche Folgenutzungen in nur selten tatsächlich genutzt wurde.64 der architektonischen Konzeption berücksichtigte.58 Die wesentlichste Voraussetzung für die angeDurch eine maximale Flexibilität der Raumorganisation führten vielfältigen Bestrebungen nach innerer Fleschuf er – analog zur pädagogischen Aufhebung der xibilität der Schulbauten stellt die jeweils gewählte Trennung zwischen den Schultypen – die Möglichkeit Konstruktion dar. Wie bei den meisten der angeführder schrittweisen Auflösung der Raumaufteilung und ten Vergleichsbeispiele beruht auch das Schulzen­ die Herstellung von „open spaces“59, die nur noch trum Harter Plateau in Leonding auf einer moduladurch mobile Elemente in einzelne Funktionsbereiche ren Stahlbeton-Fertigteilkonstruktion. Odorizzi hat gegliedert werden sollten. die inhärente Ästhetik dieses Systems aus Stützen, Mit diesem Bestreben stand er um 1970 keinesAusfachungen und rasterartigen Kassettendecken bewegs alleine dar. Das von Viktor Hufnagl und Fritz wusst als Elemente der architektonischen Gestaltung Gerhard Mayr geplante Bundesschulzentrum Wörgl eingesetzt. In den Innen- sowie Hofräumen wurde die (Entwurf 1969, Ausführung 1970 –1973) stellt in konstruktive Dualität durch die differenzierte Farbmehrerlei Hinsicht ein Vergleichsbeispiel zum Schulgebung von tragenden Konstruktionsteilen (rot) und bau in Leonding dar. In der Gestaltung äußert sich die ausfachenden Elementen (weiss) zusätzlich unterKombination von aneinandergereihten Hallenschulen strichen. Insgesamt leistet der bewusste Einsatz von mit Atrien beziehungsweise Terrassen bei Hufnagl und kräftigen Farbtönen und unterschiedlichen MaterialMayr im Zentralbau einer „kreuzförmigen Stufenpyraqualitäten einen wichtigen Beitrag für die künstlerimide“60. Eine der radikalsten Ausformulierungen einer inneren Flexibilität stellt die ebenso wie das Bundesschulzentrum in Wörgl aus dem Forschungsprojekt „Vorfertigung im Schulbau“61 hervorgegangene Schule

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Teilnahme am Bakema-Seminar der Internationalen sche Wirkung sowie die konstruktive Lesbarkeit des Sommerakademie dar.69 Von besonderer Bedeutung Schulzentrums in Leonding. Blassgrüne Metallgeländer ist dabei das von Odorizzi verfolgte strukturalistische und dunkelblaue Wandverkleidungen im Bereich der Konzept der „Raum-Zeit“70. Dieses geht grundsätzSanitärräume ergänzen das anregende Farbkonzept lich davon aus, dass Räume im Lauf der Zeit notwenim Schulbau. Wandelemente in kräftigem Gelb sowie digen Veränderungen unterworfen werden und dass Sichtbetonoberflächen in den Innenräumen prägen dieser Faktor in der Architektur zu berücksichtigen die Sporthalle mit Lehrschwimmbecken. Technische sei. Karl Odorizzi reagierte auf dieses Konzept mit Einrichtungen, wie Be- und Entlüftungsrohre, wereinem System, das sich in eine primäre, meist modular den durch ihre spielerische Gestaltung künstlerisch aufgebaute Tragkonstruktion sowie einen sekundären überhöht. Es sind diese stofflichen und sinnlichen AsAusbau gliedert. Letzterer sollte dabei maximal flexibel pekte, die dem Schulzentrum Harter Plateau seine gestaltet werden, damit die Struktur „eine schnelle „rhetorische“ Qualität verleihen.65 Ein interessantes abwechslungsreiche Anpassung durch Addition und Detail stellen die an verschiedenen Stellen der GeWegnahme, durch Vervielfältigung oder Teilung der meinschaftsflächen positionierten, flexibel nutzbaren Elemente an die wechselnden Anforderungen einer Raumeinheiten, bestehend aus einem grünen Stahldynamischen Gesellschaft erlaubt“71. Eine frühe Marohrtraggerüst und einhängbaren Kunststoffelementen, nifestation dieser Überlegungen stellt das von Ododar. Als Raum im Raum funktionieren sie strukturell rizzi zusammen mit Karl Grünwald geplante Eingangsanalog zum Schulgebäude wie ein Mikrokosmos im bauwerk für die Welser Messe aus dem Jahr 1958 Makrokosmos.66 dar, dessen modulares Stahlrohrgerüst mit variablen Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die MaPlug-in-Elementen immer wieder verändert und neu terialität des Schulbaus ursprünglich gänzlich anders zusammengesetzt werden konnte. angelegt war. Wie aus der Niederschrift der BauverKunststoffe zählten für Odorizzi zu den vielverhandlung vom 1. März 1973 hervorgeht, sollte die sprechendsten Materialien hinsichtlich der baulichen Außenhaut des Schulzentrums mit glasfaserverstärkRealisierung von dynamischen Raum-Zeit-Strukturen. ten Kunststoffelementen verkleidet werden.67 Der Durch ihre nahezu unbegrenzten GestaltungsmögVergleich des Ansichtsplans der westlichen Fassade lichkeiten, den Aspekt der Vorfertigung, ihr geringes vom 17. April 1972 lässt die ursprüngliche GestalMaterialgewicht sowie die effiziente Montage und tung mit ihren abgerundeten und organischen Details Austauschbarkeit hatten sie für den Architekten das noch erkennen, während jener vom 5. Oktober 1974 Potenzial hinsichtlich einer entscheidenden Weiterbereits die letztendlich ausgeführte Konstruktion mit entwicklung der Architektur inne.72 Im Schulbau sind Betonfertigteilen zeigt. Obwohl letzten Endes nicht Odorizzis Vorstellungen hinsichtlich des Einsatzes von realisiert, ist der geplante Einsatz von glasfaserver„glasfaserverstärkten Kunststoffen“ (GFK) nur Entwurf stärktem Kunststoff als Baumaterial paradigmatisch geblieben. Das Projekt für das Schulzentrum Steinerfür das Werk Karl Odorizzis. Kein anderer Architekt kirchen von 1966 – dem Jahr der Teilnahme am Babeziehungsweise keine andere Architektin der österkema-Seminar in Salzburg – zeugt jedoch anschaulich reichischen Nachkriegsarchitektur hat in Theorie und vom Glauben an die konstruktiven, bautechnischen Praxis vergleichbare Pionierarbeit mit diesem Werksowie pädagogischen Möglichkeiten ihres Einsatzes. stoff geleistet.68 Das Konzept sieht eine Infrastruktur aus Stahlbeton-Fertigteilen vor, in welches die Raumstrukturen Theorie und Praxis des Bauens in Form von vorgefertigten Polyesther-Kapseln rund mit Kunststoffen um räumliche Fixpunkte – Kommunikationsknoten oder Nassräume –, eingehängt werden können.73 Karl Odorizzis intensive Beschäftigung mit der AnwenDie leichtgewichtigen Wandelemente mit integrierter dung von Kunststoffen in der Architektur – nicht nur Möblierung sollten eine rasche und unkomplizierte für Ausstattungselemente, sondern auch für tragende Erweiterung beziehungsweise Veränderung der Raumund raumbildende Bauteile –, die er in den 1970erorganisation sowie der Raumqualitäten ermöglichen Jahren auch in seiner Lehrtätigkeit an der Universität und damit auch als Anregung für pädagogischen ExInnsbruck fortführte, setzte bereits in den 1960erperimente dienen.74 Odorizzis Beitrag für den WettJahren ein und stellte auch die Motivation für die

Vorstellung eines für Veränderungen offenen Bildungsbewerb für die Österreichische Botschaft in Brasília baus zusätzliches Potenzial verliehen hätte. (1966, zusammen mit Herbert Murauer) sowie sein Kaum ein Begriff der Architekturgeschichte beProjekt für das Haus Weiss in Wels-Pernau (1968) ziehungsweise Architekturtheorie hat in der jüngeren zeigen ähnliche Ansätze. Vergangenheit so eine Breitenwirksamkeit entfaltet Zum großen Verdienst Odorizzis kann gezählt wie jener des Brutalismus. Dabei hat sich der Bewerden, dass er die Anwendung von Kunststoffen griff, unterstützt durch die komplexen Dynamiken nicht nur in theoretischen Überlegungen erforscht, der Sozialen Medien, zum Teil von der fachlichen sondern auch in der Praxis ausgetestet hat. Neben Diskussion entkoppelt und ein popkulturelles Eigender Gestaltung von kleineren Geschäftslokalen sind leben gewonnen. In dieser Interpretation brutalisin dieser Hinsicht vor allem das Haus des Huhnes tischer Architektur werden vor allem spektakuläre, (1965 –1967) in Marchtrenk sowie das Geschäftshaus skulpturale Sichtbetonbauten beziehungsweise „BeKoch in Grieskirchen (1968 –1969) von besondetonmonster“ rezipiert und in verschiedensten Medien – rer Bedeutung. Das sogenannte „Haus des Huhnes“ Publikationen, Fotografie, Grafik, Merchandise etc. – beherbergt eine Geflügelzuchtanlage, deren Außenverbreitet. Die architekturhistorische Forschung hat haut zur Gänze aus in Mauthausen vorgefertigten indes herausgearbeitet, dass Brutalismus keinen einGFK-Elementen besteht.75 Diese ermöglichen durch heitlichen „Stil“ zu bezeichnen vermag.81 Vielmehr ihr geringes Gewicht nicht nur eine für die betriebist er ein Phänomen, das sich vor dem Hintergrund lichen Abläufe regelmäßig erforderliche Demontage, internationaler Modernisierungsbewegungen in spezisondern verfügen über wirksame Eigenschaften hinfischen regionalen Kontexten jeweils neu manifestiert sichtlich Wärmedämmung und Hygiene.76 Der Bau, der hat.82 Die Ästhetik vieler brutalistischer Bauten wird nach Achleitner reinen „Gerät-Charakter“77 aufweist, dabei von einer Sensibilität hinsichtlich der stofflichen wurde von Odorizzis damaligem Auto, einem Citroën Qualitäten der Baumaterialien und einer hervorgeDS 19, inspiriert.78 kehrten konstruktiven Ehrlichkeit bestimmt : so auch Neben dem Haus des Huhnes als reinem Indus­ beim Schulzentrum Harter Plateau in Leonding. Karl trie- beziehungsweise Landwirtschaftsbau konnte Karl Odorizzi gelang es dort, die inhärenten ästhetischen Odorizzi 1968/69 mit seinem Geschäftshaus in GriesQualitäten des rationalisierten Fertigteil-Systems kirchen einen Bau inmitten einer belebten Innenstadtsowie der Ausstattung hervorzukehren und formal zone realisieren. Den Abschluss nach außen – Odorizzi nutzbar zu machen. In Kombination mit der farbliselbst vermeidet bezeichnenderweise das Wort Faschen Gestaltung verleihen sie dem Schulbau bis heute sade – bilden wiederum vorgefertigte GFK-Elemenseine einladende und anregende Raumwirkung. Der te, die von vier Personen in nur einem Tag montiert schlussendlich nicht realisierte Einsatz von glasfaserwerden konnten.79 Odorizzis Konzept der „Raum-Zeit“ verstärkten Kunststoffelementen an der Außenhaut entsprechend waren die Fassadenelemente sowie das des Schulzentrums hätte das Formen- und MateEingangsportal ursprünglich so konzipiert, dass sie rialrepertoire der Architektur noch um wesentliche wie Schubladen ausgezogen werden können, um den Nuancen erweitert. Nichtsdestotrotz stellt es in der Geschäftsraum nach Bedarf spontan zu erweitern.80 Entwicklungsgeschichte des österreichischen SchulSowohl die unrealisierten als auch die ausgeführten baus eines der wichtigsten Beispiele der Synthese der Projekte Odorizzis im Zusammenhang mit dem Einverschiedenen Typologien, wie Hallen-, Atrium oder satz von Kunststoff in der Architektur zeugen von Freiluftschule, um 1970 dar. Als architektonischer den materiellen, optischen und haptischen Qualitäten Ausdruck der Bestrebungen zu Demokratisierung dieser Baustoffe. Durch ihre Materialeigenschaften des Schulsystems sowie der Gesellschaft kann das sind sie nahezu unbegrenzt formbar und können verSchulzentrum Harter Plateau als paradigmatisches, schiedenste Oberflächentexturen erhalten, wodurch identitätsstiftendes Bauwerk des österreichischen sie dem Baustoff Beton im Grunde sehr ähnlich sind. Wohlfahrtsstaates aufgefasst werden. In Kombination mit dem Potenzial zur Präfabrikation und der wirtschaftlichen Montage wird klar, dass die ursprünglich geplante Verwendung von glasfaserverstärkten GFK-Elementen für die Außenhaut des Schulzentrums Harter Plateau in Leonding Karl Odorizzis

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1 Siegfried Haider: Geschichte Oberösterreichs. Wien 1987, S. 430– 431; Harry Slapnicka: Oberösterreich – zweigeteiltes Land: 1945 –1955. Linz 1986, S. 88–101. 2 Schulbau und Fürsorge des Landes Oberösterreich, hg. v. der Oberösterreichischen Landesregierung. Linz 1960, S. 1–2. 3 Nach Angaben der Oberösterreichischen Landesregierung wurden zwischen 1950 und 1960 insgesamt 413 Schulbauten begonnen beziehungsweise vollendet, davon 207 Neubauten und 206 Erweiterungen bestehender Schulen. Vgl. ebd., S. 3. 4 Zum Begriff der „moderaten Moderne“ und seiner Bedeutung für die Baukultur der frühen Nachkriegszeit siehe: Judith Eiblmayr, Iris Meder (Hg.): Moderat Modern. Erich Boltenstern und die Baukultur nach 1945. Salzburg 2005. 5 Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau (Hg.): Schulbau in Österreich von 1945 bis heute. Horn 1982, S. 9. 6 Ebd., S. 33 – 36; Karl Odorizzi: Architektur denken, bauen, erleben. Wien 2007, S. 73. 7 Unter anderem die Verlängerung der Schulpflicht auf neun Jahre, die Einführung des Polytechnischen Lehrgangs als selbstständige Schulart sowie die Reduzierung der Schüler:innenzahl in den Klassen. Siehe auch: Michaela Feuerstein-Prasser, Felicitas HeimannJelinek: Schulgeschichte Österreichs im 20. Jahrhundert, in: Reinhard Buchberger u. a. (Hg.): Tafelkratzer, Tintenpatzer. Schulgeschichten aus Wien. Wien 2016, S. 160 –189. 8 BGBl. Nr. 242 / 1962, Schulorganisationsgesetz, § 2. 9 Friedrich Achleitners Blick auf Österreichs Architektur nach 1945, hg. v. Kunstuniversität Linz. Basel 2015, S. 220 – 221; Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau 1982, S. 35 – 39; Odorizzi 2007, S. 73. 10 Hinsichtlich der Rolle der Besatzungsmächte sowie die kultur- sowie gesellschaftspolitischen Auswirkungen des Kalten Krieges auf die österreichische Architekturgeschichte siehe: Monika Platzer und Architekturzentrum Wien (Hg.): Kalter Krieg und Architektur. Beiträge zur Demokratisierung Österreichs nach 1945. Zürich 2019. 11 Sabine Weigl: Brutalismus in Österreich – Definition, Rezeption und Bewertung, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege (ÖZKD) 2018, Heft 3/4, S. 37. 12 Ebd., S. 46. 13 Vgl. Oberösterreichische Landesregierung 1960, S. 2 oder Bauverwaltung Landeshauptstadt Linz 1962.

14 Oliver Elser: Just what is it that makes brutalism today so appealing? A new definition from an international perspective, in: Oliver Elser u. a. (Hg.): SOS Brutalism. A Global Survey. Zürich 2017, S. 16. 15 Von Odorizzi zwischen 1960 und 1975 realisierte Schulbauten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Doppelhauptschule Grieskirchen (1962– 1967), Volksschule Thalheim bei Wels (mit Hans Karl, 1964 – 1966), Volksschule Niederthalheim (1965 –1969), Hauptschule Pichl bei Wels (1965 –1970), Volksschule Ottnang, Bruck­­mühl (1965–1967), Volks- und Haupt­schule Natternbach (1965 –1971), Schulzentrum Harter Plateau, Leonding (1971–1975), Schulzentrum Marchtrenk (1971– 1974), Volks- und Hauptschule Molln (1971–1974). 16 Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Bd. I. Salzburg 1980, S. 12 –13; Günther Feuerstein: bauen für generationen. Notizen zu Karl Odorizzi, in: Odorizzi 2007, S. 6; Friedrich Achleitner: Karl Odorizzi. Laudatio, in: Friedrich Achleitner: wie entwirft man einen architekten? Portraits von Aalto bis Zumthor, hg. v. Eva Guttmann, Gabriele Kaiser, Claudia Mazanek für diachron. Graz-Wien-Zürich 2015, S. 180; Peter Riepl: Ein Pionier des neuen Bauens, in: Odorizzi 2007, S. 257. 17 Landeskulturpreis für Architektur 1980. Haus Fried in Gmunden: Arch. Dipl.-Ing. Karl Odorizzi, hg. v. Karl Odorizzi. Wels 1980, unpaginiert. 18 Gabriele Kaiser und Peter Arlt, Interview mit Karl Odorizzi, November 2012 (https://www.dorftv.at/video/6153) (Zugriff: 21. 04 . 2022). 19 Vgl. den Bericht von Ernst Hiesmayr, ebenfalls Student von Zotter von 1945–1948; in: Ernst Hiesmayr: Analytische Bausteine. Wien 1999, S. 8. 20 Beispielsweise war Zotter unter anderem Gründungsmitglied und Vizepräsident der 1923 gegründeten Grazer Sezession, pflegte eine freundschaftliche sowie berufliche Partnerschaft mit Herbert Eichholzer und beteiligte sich an der 1938 gegründeten und bereits nach drei Ausgaben wieder von den Nationalsozialisten eingestellten Avantgarde-Zeitschrift Plan; siehe auch: Markus Hutz: Ernst Hiesmayr – Architekt einer dialektischen Moderne. Bauten und Projekte zwischen 1948 und 1958. Masterarbeit Universität Wien, Wien 2020, S. 23–26. 21 Gabriele Kaiser und Peter Arlt, Interview mit Karl Odorizzi, November 2012 (https://www.dorftv.at/video/6153) (Zugriff: 21. 04 . 2022). 22 Ebd. sowie Odorizzi 2007, S. 12–14.

23 Bezüglich des konkreten Zeitpunktes variieren die Angaben zwischen 1958 (Odorizzi 2007, S. 350) und 1960 (Landeskulturpreis für Architektur 1980, biographische Daten, unpaginiert). 24 Siehe beispielsweise: Platzer 2019, S. 158. 25 Unter dem Begriff CIAM versteht man eine Reihe von internationalen Kongressen zu Themen der Architektur und des Städtebaus, welche in den Jahren von 1928 bis 1959 stattgefunden und die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts geprägt haben. 26 Agnes Nyilas: Beyond Utopia. Japanese Metabolism Architecture and the Birth of Mythopia. New York-London 2018, S. 6; Jaap Bakema and the open society, hg. v. Dirk van den Heuvel. Amsterdam 2018, S. 16 –18; Kenneth Frampton: Die Architektur der Moderne. Eine kritische Baugeschichte. München 2010, S. 235 – 243. 27 Der Begriff „Strukturalismus“ bezeichnet grundsätzlich ein methodisch-philoso­ phisches Modell, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Sprachwissen­ schaften entstanden ist und im Anschluss in vielen wissenschaftlichen Disziplinen Anwendung gefunden hat. Im Bereich der Architektur stellt der Strukturalismus keine einheitliche Strömung dar, sondern vereint seit den 1950er-Jahren eine Vielzahl an theoretischen Konzepten. Eine dabei immer wiederkehrende Vorstellung ist die Gliederung von Architektur und Städtebau in eine mehr oder weniger fixierte Grundstruktur und deren flexibler Ausbau. 28 Metabolismus ist eine Architektur­ strömung, die sich um 1960 in Japan entwickelt hat. Architektur und Städtebau wurden dabei in Anlehnung an Prozesse der Natur als dynamische Organismen verstanden. Der Metabolismus steht damit in einem engen Verhältnis zum sich zeitgleich entwickelnden Strukturalismus. 29 van den Heuvel 2018, S. 19. 30 Jacob Berend Bakema: Lernen – Lehren – Leben, in: Ina Stegen: Das schönste Atelier der Welt. 25 Jahre Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst, Salzburg. Salzburg 1978, S. 72. 31 Salzburger Studienprojekte. Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg: Erarbeitet im Seminar 1965 Städtebauliche Architektur, J. B. Bakema, hg. v. der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, Landesgruppe Salzburg. Salzburg 1966. 32 Ebd. und Stegen 1978, S. 92. 33 Beispielsweise das zusammen mit Herbert Murauer 1967, also ein Jahr

nach der gemeinsamen Teilnahme an der Sommerakademie in Salzburg, erarbeitete Konzept Wachsendes Haus, siehe: Zentralvereinigung der Architekten Österreichs 1966, S. 1 und http://www.gat.st/news/herbert-murauer-maler-grafiker-architekt (Zugriff: 21. 04 . 2022). Darüber hinaus spiegeln sich die im Bakema-Seminar 1965 geprägten Formulierungen vom „Wohnen unter den Bäumen“ sowie „Wohnen über den Bäumen“ in der Beschreibung Odorizzis zu einem seiner Einfamilienhäuser in Gmunden wider, vgl. Zentralvereinigung der Architekten Österreichs 1966, S. 8 und Odorizzi 2007, S. 60. 34 Siehe: Christiane Feuerstein und Angelika Fitz: Wann begann temporär? Frühe Stadtinterventionen und sanfte Stadterneuerung in Wien. Wien u. a. 2009. Wolf D. Prix und Helmut Swiczinsky (ab 1968 Coop Himmelb(l)au) konnten sich dabei übrigens durch eine vorübergehende Anstellung bei Odorizzi ihrer Wehrpflicht beim Österreichischen Bundesheer entziehen. Vgl. Gabriele Kaiser und Peter Arlt, Interview mit Karl Odorizzi, November 2012 (https:// www.dorftv.at/video/6153) (Zugriff: 21. 04 . 2022). 35 Laut eigenen Angaben unternahm Odorizzi Studienreisen nach Italien, Holland, Belgien, Frankreich, Deutschland, Dänemark, Finnland, Schweden, Tschechien, Jugoslawien, Afrika, Griechenland, England, Japan, China, Korea, Tunesien, Marokko, Mexiko, Irland sowie in die Slowakei, Türkei und Schweiz. Siehe Odorizzi 2007, S. 350. 36 Architektur Aktuell 1971, 23, S. 23 –36. 37 Architektur Aktuell 1976, 54, S. 43– 49 sowie Architektur Aktuell 1976, 56, S. 35 – 39. 38 Österreichisches Zentrum für Architekturforschung, Mitteilungen, 1970. 39 Odorizzi 2007, S. 350. 40 Als Chemiewerkstoffe werden unter anderem Kunststoffe bezeichnet. Spätestens ab den 1960er-Jahren fand eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Anwendung dieser Werkstoffe in der Architektur statt und wurde auch in der Forschung und in Publikationen thematisiert, z. B. Architektur Aktuell 1971, 26. Karl Odorizzi hat sich in seiner Praxis vor allem mit dem Einsatz von glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) beschäftigt. 41 Feuerstein 2007, S. 7. 42 Manfred Nehrer, Michael Wachberger: Architektonische Entwicklung des Schulbaues in Österreich von 1945 bis heute, in: Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau 1982, S. 37. 43 Architektur Aktuell 1972, 27, S. 15. 44 Zitat aus dem Juryprotokoll, ebd. 45 Kunstuniversität Linz 2015, S. 307.

46 Viktor Hufnagl: Bauten – Projekte – Erfahrungen – Erkenntnisse – Gedanken – Theorie. Wien 2001, S. 88. 47 Achleitner 1980, S. 42. 48 Ebd., S. 25. 49 Hufnagl 2001, S. 11. 50 Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des Schulbaus in Oberösterreich nach 1945 war der langjährige Landeshauptmann-Stellvertreter und Gemeinde- sowie Schulbaureferent Ludwig Bernaschek (1899 –1970), unter dem sich eine „vorbildliche Wettbewerbstätigkeit mit einer großen Breitenwirkung“ entfalten konnte. Siehe: Achleitner 1980, S. 12. 51 Zitat von Wilhelm Hubatsch, erstem Vorstand des 1963 gegründeten Institutes für Schulbau an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, in: der bau, 1/1962, S. 22. 52 Achleitner 1980, S. 13. 53 Das Konzept der Atrium- und Freiluftschule ähnelt jenem der Hallenschule, wobei der zentrale Kommunikationsraum hierbei in der Regel von einem Innenhof, meist in Kombination mit einer Pausenhalle gebildet wird, siehe: Nehrer, Wachberger 1982, S. 33 –35. 54 Ebd., S. 62. 55 Odorizzi 2007, S. 86. 56 Vorfertigung im Schulbau, Heft 7. Pädagogische Aspekte, bauliche Konsequenzen. Zusammengestellt von der Studiengemeinschaft „Vorfertigung im Schulbau“, Wien 1971, S. 10. 57 Hufnagl 2001, S. 82. 58 Architektur Aktuell 1972, 27, S. 15; Architektur Aktuell 1978, 67, S. 44 – 47. 59 Odorizzi 2007, S. 162. 60 Nehrer, Wachberger 1982, S. 142. 61 Die Studiengemeinschaft „Vorfertigung im Schulbau“ wurde 1968 im Auftrag des Bundesministeriums für Bauten und Technik gegründet und setzte sich aus den Architekten Viktor Hufnagl, Ferdinand Kitt, Franz Kiener, Fritz Gerhard Mayr, Herbert Thurner und Ottokar Uhl zusammen. Als Ergebnis des Forschungsauftrages wurden drei Modellschulen realisiert sowie eine 10-bändige Publikation zusammengestellt. 62 Siehe beispielsweise Mitteilungsblatt des Österreichischen Institutes für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS) 1970, 70, S. 36 ff oder 1972, 2, S. 1. 63 Vorfertigung im Schulbau 1971, S. 29 und Architektur Aktuell 1972, 27, S. 48. 64 Ebd., S. 41; Achleitner 1980, S. 67. 65 „Rhetorik“ stellt in der jüngeren Forschung einen der Schlüsselaspekte des Begriffs Brutalismus dar. Siehe: Elser u. a. 2017, S. 18. 66 Odorizzi 2007, S. 166. 67 Stadtgemeinde Leonding, Bauakt, Schulanlage Harter-Plateau, Niederschrift Bauverhandlung, 1. März 1973.

68 Feuerstein 2007, S. 7; Achleitner 1980, S. 54. 69 Karl Odorizzi: Raumoptimierung durch Konstruktion. Gedanken und Bauten 1960–1975. o. O. 1976, unpaginiert. 70 Vgl. ebd.; Gabriele Kaiser und Peter Arlt, Interview mit Karl Odorizzi, November 2012 (https://www.dorftv.at/ video/6153) (Zugriff: 21. 04 . 2022). 71 Odorizzi 2007, S. 105. 72 Ebd., S. 104 – 105; Odorizzi 1976, unpaginiert. 73 Odorizzi 2007, S. 111; Österreichische Bauchronik: Sonderfolge Schulbau in Oberösterreich 1969, S. 49. 74 Ebd., S. 47. 75 Gabriele Kaiser und Peter Arlt, Interview mit Karl Odorizzi, November 2012 (https://www.dorftv.at/video/6153) (Zugriff: 21. 04 . 2022). 76 Odorizzi 2007, S. 106. 77 Achleitner 1980, S. 72. 78 Ebd., S. 122 –124; Karl Odorizzi 1976, unpaginiert. 79 Ebd. 80 Jörg H. Gleiter: Brutalismus als Symptom, in: Wüstenrot Stiftung (Hg.): Brutalismus. Beiträge des internationalen Symposiums in Berlin 2012. Zürich 2017, S. 117. 81 Elser u. a. 2017.

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OÖ 01 - Auszug aus der Broschüre „Karl OÖ 02 Odorizzi Raumoptimierung durch Konstruktion, Gedanken und Bauten, 1960  –1975", 1975

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OÖ 03 Innenraum einer Kindergartengruppe, um 1960; Aspekte wie Belichtung und Belüftung halten Einzug in Bildungs-­ bauten OÖ 04 Wilhelm Hubatsch, prototypisches Modell eines Schulbaus um 1960; Beginn der architektonischen Ausdifferenzierung verschiedener Typologien

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Karl Odorizzi, Schulzentrum Harter Plateau, Leonding, 1971–1975 Modell Grundriss Erdgeschoss; räumliche Verdichtung und Verflechtung zu einer „pädagogischen Großmaschine"

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Karl Odorizzi, Schulzentrum Harter Plateau, Blick in die Halle; Farbe und Oberflächenqualitäten als wesentliche Bestandteile der Raumwirkung, Leonding, 1971–1975 OÖ 09 Gangbereich in der Sporthalle OÖ 10 Flexible Raumeinheit OÖ 11 Ansicht Westfassade

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Helmut Eisenmenger und Gerhard Fritz Müller, Bundesschulzentrum Traun, Grundriss Erdgeschoss; Auflösung der Klassenstruktur mit Stammklassen zugunsten der Herausbildung fachlich differenzierter räumlicher Schwer-­ punkte, 1972 –1974

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OÖ 13 Julius Schulte, Hauptschule Ebensee, 1927 OÖ 14 Hans Steineder, Mädchen-Hauptschule der Schulschwestern Vöcklabruck, Attnang-Puchheim, Grundriss, 1934 –1935 OÖ 15 Viktor Hufnagl, Hauptschule Altmünster, Blick in die zentrale Halle, 1963 –1969

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Karl Odorizzi, Volksschule Niederthalheim, Oberösterreich, Ansicht, 1966 –1969 Blick in die zentrale Halle Karl Odorizzi, Volksschule Natternbach, Oberösterreich, Grundriss Erdgeschoss, 1968 –1971

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Karl Odorizzi und Karl Grünwald, Eingangsbauwerk Messe Wels, Oberösterreich, 1958 Karl Odorizzi, Projekt Schulzentrum Steinerkirchen, 1966 Karl Odorizzi, Entwurf Haus Weiss, Grundriss, Wels, 1968 Eines der bekanntesten „Megastrukturen“ der österreichischen Architektur­geschichte: „Studie Ragnitz“ von Günther Domenig und Eilfried Huth, 1965

OÖ 23 Karl Odorizzi, Geflügelzuchtanlage „Haus des Huhnes“, Marchtrenk, 1965 –1967; der im Vordergrund sichtbare Citroen DS 19 diente als Inspirationsquelle für Gestaltung und Konstruktion des Gebäudes OÖ 24 Karl Odorizzi, Schuhhaus Koch, Grieskirchen, Montage der GFK Fassadenelemente, 1968 –1969 OÖ 25 Karl Odorizzi, „Little -Shop“, Wels, 1970 OÖ 26 Odorizzis Schuhhaus Koch wurde zu seiner Entstehungszeit auch in inter nationalen Fachpublikationen wie der italienischen „domus" (495 /1971) rezipiert

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Franz Riepl und Othmar Sackmauer, Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz Linz, 1970 –1975 (Bauabschnitt I)

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Steiermark Beton für Individualisten. Günther Domenig, Eilfried Huth und die Werkgruppe Graz

Anselm Wagner

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Architektur nur von Wohlfahrtsstaaten bevorzugt wurde – man denke nur an die große Bedeutung des Brutalismus für den Kirchenbau. Aber auch beim Bau einer Kirche (altgriech. ekklesia = Volksversammlung) geht es um die Verwirklichung einer Gemeinschaftsidee, auch wenn sie der individuellen Gestaltung des Architekten größeren Spielraum lässt als etwa der soziale Wohnbau. Spezifisch für den Brutalismus ist oft Zwischen Wohlfahrtsstaat gerade dieses Spannungsverhältnis zwischen Dienst und 68er-Bewegung am Kollektiv und individueller Künstlergeste. Schließlich „[…] verstanden es viele Entwerfer“, so Oliver Wäre der Brutalismus eine Partei, dann wohl eine links Elser, „die wohlfahrtsstaatlichen Aufträge subversiv der Mitte. Brutalistische Architektur werde „häufig zu unterwandern, um baukünstlerisch eigenwillige mit den sozialistischen Utopien der Nachkriegszeit in Werke zu schaffen“.6 Verbindung gebracht“,1 so Catherine Croft im Hinblick Die Studentenproteste von 1968 – die in Öster­ auf Großbritannien. Diese Feststellung trifft auch auf reich vergleichsweise milde ausfielen – führten zwar andere Länder zu. Oliver Elser, Mitherausgeber des mittelfristig zu einem Linksruck in vielen europäischen Grundlagenwerks „SOS Brutalismus“, fasst die dazu Ländern, nagten aber auch an der paternalistischen passende Beobachtung zusammen, dass viele Autor:inIdee des Wohlfahrtsstaates, der zur Bevormundung nen vermuten, dass „das Ende des Brutalismus mit dem seiner Bürger:innen neigt und lediglich die BedürfNiedergang des Wohlfahrtsstaates […] und dem Benisbefriedigung der Durchschnittsbevölkerung zum ginn des Neoliberalismus“2 zusammenfalle. Tatsächlich Ziel hat. Nach weitgehender Deckung der Primärbeverleihen unzählige Bauten des Brutalismus der Kraft dürfnisse in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten des Kollektivs plastischen Ausdruck : Seien es Parlawuchs eine neue Generation heran, die sich zusehends mente, Rathäuser, Universitäten, Schulen, Kirchen, ausdifferenzierte, verstärkt ihre individuellen Wünsoziale Wohnbauten oder die in dieser Zeit als neuer sche entdeckte, auf persönliche Freiheit, Flexibilität Typus entwickelten Kultur- und Gemeindezentren – und Kreativität setzte und mit den Autoritäten auch stets geht es um eine ins Monumentale übersetzte gleich alle staatlichen Institutionen hinterfragte. Mit Manifestation der Stärke großer Körperschaften, sei dieser „Künstlerkritik“ legte die 68er-Generation, wie es ein Staat, eine Kommune oder eine religiöse GeÈve Chiapello und Luc Boltanski gezeigt haben, nicht meinschaft. Dabei bedient man sich in der Regel einer nur die Grundlage für die Postmoderne, sondern paraexpressiv-skulpturalen Großform, deren Nähe zum doxerweise auch für den Neoliberalismus, der den Barock dem Brutalismus immer wieder vorgeworfen Wohlfahrtsstaat im Namen der Freiheit zu Grabe trug.7 wird und der auch in der wertneutralen Definition von Elser durchklingt, brutalistische Bauten seien Anti-Wien „heroisch“ und „rhetorisch“.3 Das trifft vor allem auf bekannte Ikonen des Brutalismus wie der Boston City Die politischen Rahmenbedingungen sind für den Hall, dem Barbican Centre in London oder dem MinisBrutalismus in der Steiermark, also während der terium für Straßenbau in Tbilissi zu und deckt sich mit 1960er- und 1970er-Jahre, ziemlich eindeutig. Wie der zeitgleichen Vorliebe für Megastrukturen, die dem die meisten österreichischen Bundesländer war und ist angesichts brutalistischer Bauten ebenfalls oft erhodie Steiermark konservativ geprägt. Die ÖVP stellte benen Vorwurf des „Monströsen“ besondere Nahrung in der gesamten zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geben. So wurde die Bostoner City Hall seinerzeit als den Landeshauptmann,8 die SPÖ dominierte nur in Symbol der „Herrschaft der Bürger“4 und als Impuls für der Großstadt Graz und den obersteirischen Indusdie „Wiedergeburt des Selbstvertrauens“5 der Stadt triegebieten. Ab den späten 1950er-Jahren, besongefeiert, während die – traditionell staatsskeptische – ders aber ab 1970, als im Bund mit Bruno Kreisky amerikanische Öffentlichkeit darin ein Symbol für die erstmals ein SPÖ-Kanzler regierte, der Österreich übermächtige, den Einzelnen in seiner individuellen einen tiefgreifenden Reformschub verpasste und den Entfaltung behindernden Bürokratie erblickte. FreiWohlfahrtsstaat massiv ausbaute, verstand sich die lich bedeutet das natürlich nicht, dass brutalistische

Revolution ins Land holte und den steirischen AntiSteiermark als Modellregion einer bürgerlichen AlterWien-Reflex begründete, besonderen Wert. native, die aber keineswegs rückwärtsgewandt, sondern in Richtung Demokratisierung, Bürgerbeteiligung, Gebirge aus Individualisten : die Verbesserung des Umweltschutzes oder Förderung Terrassenhaussiedlung der avantgardistischer Kunst agierte. So wurden mit ÖVPWerkgruppe Graz Unterstützung 1959 das Forum Stadtpark und durch den ÖVP-Landesrat Hanns Koren 1963 die Drei-LänDie skizzierten kulturpolitischen Rahmenbedingungen der-Biennale „trigon“ und 1968 der „steirische herbst“ zeigen sich in aller Deutlichkeit am größten und bedeuals erstes Avantgardefestival Europas gegründet.9 Das tendsten brutalistischen Baukomplex der Steiermark, 1972 vom ÖVP-Landeshauptmann Friedrich Niederl der Terrassenhaussiedlung in Graz. Bezeichnenderins Leben gerufene „Modell Steiermark“ beschäftigte weise geht diese mit ursprünglich 552 Eigentumssich als gesellschaftspolitischer Think Tank mit den wohnungen größte Wohnanlage des Landes nicht auf brennenden Zukunftsfragen und band viele Vertredie Initiative einer Gebietskörperschaft oder einer ter:innen der 68er-Generation mit ein.10 Wohnbaugenossenschaft, sondern auf die PrivatAus dem „Modell Steiermark“ ging ein zwischen initiative einer Architektengruppe, der Werkgruppe 1980 und 1992 realisiertes ehrgeiziges WohnbauGraz, zurück.14 1959 als Arbeitsgemeinschaft der TH programm hervor, das der avantgardistischen ArchiGraz-Absolventen Eugen Gross (*1933), Friedrich tektur der „Grazer Schule“ zu internationaler Geltung Groß-Rannsbach (1931–2018), Werner Hollomey verhalf.11 All das darf aber nicht darüber hinwegtäu(*1929) und Hermann Pichler (*1933) gegründet, schen, dass die katholische Soziallehre, ein christlinahm die Werkgruppe 1962/63 an einem städtebauches Menschen- und Gesellschaftsbild und klassische lichen Wettbewerb für eine Wohnanlage in Innsbruck/ bürgerliche Werte wie Eigenverantwortung, Schutz Völs teil, der den jungen Architekten „nur“ eine lobendes Privateigentums und der Vorrang der individuellen de Anerkennung einbrachte. Enttäuscht, aber nicht Freiheit für die ÖVP verbindlich blieben; Haltungen, in entmutigt machten sie sich auf die Suche nach einem denen man sich durch die Opposition zu den im Bund anderen Baugrund für ihr Projekt und stießen auf eine mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialisten (die aufgelassene, mit Bombenschutt gefüllte Lehmgrusich erst 1991 in Sozialdemokraten umbenannten) be im Grazer Bezirk St. Peter. Dafür entwickelten eher noch gestärkt sah, erteilte man doch „eine klare sie 1965/66 auf eigene Faust ein Vorprojekt, holten Absage an zwangsbeglückende Ideologien“12, wie es als weitere Partner die Architekten Peter Trummer im damaligen Programm der Landes-ÖVP mit klarer (1928 –1998) und Walter Laggner (1923 –1997) ins Abgrenzung von Wien hieß. Die steirische ÖVP-PoliBoot, kümmerten sich um die Finanzierung durch den tik dieser Jahrzehnte wurde von einem aufgeklärtWiederaufbaufonds und organisierten die Wiener Geliberalen Konservativismus bestimmt (der nicht mit meinnützige Wohnbauvereinigung als Bauträger. Zudem neoliberalen Konservativismus der Ära Schüssel gleich schafften es die Architekten, dass ihr Projekt der 2000er-Jahre verwechselt werden darf), dessen als erstes Demonstrativbauvorhaben Österreichs nach Reformagenda vor allem vor allem mündige, selbstdeutschem Vorbild eine vom Bautenministerium fibestimmte Bürger:innen im Blick hatte. Auch die auf nanzierte wissenschaftliche Begleitung erhielt. Nach den ersten Blick vielleicht verwunderliche Förderung sechsjähriger Vorbereitungszeit konnte die Anlage der Avantgarde durch eine konservative Partei besitzt 1972 begonnen und 1978 fertiggestellt werden. unter diesen Vorzeichen ihre Folgerichtigkeit, können Ausgangspunkt für den Entwurf war die Überdoch schöpferische, auf Innovation und Selbstverlegung, dem mittelständischen Wunsch nach dem wirklichung zielende Avantgarde-Künstler:innen als Eigenheim im Grünen eine verdichtete, innerstädtiUnternehmer:innen ihrer selbst auch ein Leitmotiv sche Alternative entgegenzusetzen.15 Adressat:innen liberaler Bürgerlichkeit abgeben,13 besonders, was dieses Experiments waren urban eingestellte, für neue wirtschaftliche Selbstentfaltung und technische InWohnformen offene Lehrer:innen, Beamt:innen und novationen betrifft. Auf Letzteres legte die Steiermark als Technologiestandort und Sitz zweier technischer Hochschulen (Graz und Leoben) schon seit den Zeiten Erzherzog Johanns (1782–1859), der die industrielle

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des ‚Haus[es] im Haus‘“17 auf eine übergeordnete Freiberufler:innen, die sich eine Eigentumswohnung monumentale Großform, die den Gebäudekomplex zuleisten konnten – also der liberale Flügel der klassisammenhält, und entwickelt auch keinen besonderen schen ÖVP-Klientel (tatsächlich entwickelte sich die Ehrgeiz in der Entwicklung skulpturaler Details, die für Terrassenhaussiedlung zu einer Keimzelle der Grazer den internationalen Brutalismus sonst so typisch sind. Grünen). Vielmehr entsteht die skulpturale Form des Gebäudes Über einem Garagengeschoss, dessen Dach den (und damit die Berechtigung, hier von Brutalismus verkehrsfreien Innenhof bildet, erheben sich vier zu sprechen) allein aus den einzelnen individuellen gegeneinander versetzt angeordnete HochhauszeiWohnungsboxen. Nur die Stiegenhaustürme stellen ein len. Drei von ihnen bestehen aus jeweils drei Blöcken überindividuelles Element dar, das aber durch die imund die vierte aus zwei, wobei offene Stiegenhausmer wieder wechselnde Treppenführung den Rapport türme die Blöcke wie Scharniere miteinander verbinund damit die ornamentale Wirkung verweigert. Der den. Während die unteren drei bzw. vier Geschosse Terrassenhaussiedlung fehlt jegliche Monumentalität, abgetreppt sind, sodass jede Wohnung über eine und der gegenüber brutalistischer Architektur regelbegrünte Terrasse verfügt, steigen darüber drei bis mäßig erhobene Vorwurf der „Monstrosität“ kommt neun weitere Geschosse in die Höhe, die bis auf die auch ihren erbittertsten Gegnern:innen nicht in den oberste Dachterrassenwohnung keine Terrassen beSinn. Dass das geplante Gemeinschaftszentrum mit sitzen. Dazwischen verläuft ein öffentlicher Korridor, Geschäftslokalen und Cafés wegen mangelnden Inteder die Gemeinschaftsräume erschließt und mit den resses nicht realisiert wurde und die Gemeinschaftsoffenen Treppenhaustürmen verbunden ist. Dafür räume in der vierten Ebene auf nur geringe Akzeptanz standen strukturalistische Überlegungen Pate : Erstießen, ist ein Problem vieler ähnlicher Projekte der schließung, Deckenplatten und tragende Wände der Zeit, macht aber einmal mehr deutlich, dass die priin Schottenbauweise mit einem Achsabstand von vate Nutzung der Terrassenhaussiedlung einen weit sieben Metern errichteten Sichtbeton-Primärstrukhöheren Stellenwert genießt als die kollektive. tur erlaubten eine flexible Sekundärstruktur in Form Der spezifische, für die Architektur der „Grazer des Wohnraumes. Wesentlich war den Planern dabei, Schule“ typische individualistische Ansatz wird deutjedem der künftigen Eigentümer:innen größtmögliches lich, wenn man die Terrassenhaussiedlung mit zwei Mitspracherecht einzuräumen. Die Wohnungsweranderen prominenten Terrassenhaus-Wohnkomplexen ber:innen konnten in diesem ersten großangelegten vergleicht, die zeitgleich entstanden sind : dem WohnPartizipationsprojekt der Steiermark, das zusammen park Alt-Erlaa in Wien von Harry Glück, Requat & mit Eilfried Huths Eschensiedlung in Deutschlandsberg Reinthaller & Partner und Kurt Hlawniczka (entworfen für die legendären Wohnbauten des „Modell Steier1968, erbaut 1973 –1985) und dem Alexandra and mark“ vorbildlich wurde,16 aus 24 unterschiedlichen Ainsworth Estate in London von Neave Brown (entWohnungstypen wählen, die sich aus vier Grundtypen worfen 1967 –1969, erbaut 1972 –1979). In Wien wie zusammensetzten (Terrassenwohnung, Maisonette, in London handelt es sich um Mietwohnungen und ist Atelier und Dachterrassenwohnung), und die Position nicht der geringste Versuch unternommen worden, im der Innen- und Außenwände bestimmen, die innen äußeren Erscheinungsbild irgendeine Form von Indiviin Gipskarton und außen als Mehrschichtplatten mit dualität anklingen zu lassen, dafür ist in Wien – auch Eternitverkleidung ausgeführt wurden. Dadurch entwenn man die fast sechsmal so hohen Zahl an Wohnunstand ein sehr abwechslungsreiches Bild von untergen berücksichtigt – der Anteil von (genutzten) Geschiedlich in Höhe und Tiefe gestaffelten Boxen, das meinschaftseinrichtungen wesentlich höher als in Graz. auf den ersten Blick individuell und fast „natürlich“ Andererseits geht der Grazer Individualismus nicht so gewachsen erscheint (in Wahrheit aber von den Arweit wie bei der anarchischen „kreativen Partizipachitekten sorgfältig orchestriert wurde) und mit der tion“18 von Lucien Kroll, bei der auch die Materialausgiebigen Bepflanzung den Eindruck eines begrünwahl den künftigen Nutzern:innen überlassen wurde – ten Betongebirges mit auf- und absteigenden Felsen man denke an Krolls Studentenwohnheim der kathound schroffen Klüften macht, das im Sockelbereich lischen Universität Leuven in Brüssel (1969 –1978), in sanften Hängen zur „Talsohle“ (dem ebenfalls teileinem Resultat der Studentenproteste vom Mai 1968, weise begrünten Innenhof) ausläuft. Bezeichnenderdas nach Krolls Eigendefinition „die Diversität der weise verzichtet dieses individualistische „Prinzip

einzuschränken“.23 Ein zur Raute verzogenes, gleichIndividuen und nicht die Autorität der Institutionen“19 sam unter Spannung gesetztes Quadrat bildet den zum Ausdruck bringen sollte. Für die Werkgruppe Graz Grundriss,24 über den diagonal ein organisch geformtes, ermöglichte die Orientierung am Strukturalismus, wie molluskenhaftes Rippengewölbe gelegt ist. Die Einihn das Team X und sein Wortführer Aldo van Eyck gänge liegen an den Ecken, Gaupen im Gewölbeansatz vertraten, einen Ausgleich zwischen Gemeinschaft und die „wie Knorpel einer Wirbelsäule aufgereihten“ und Individuum herzustellen; Eugen Gross nennt als Bullaugenfenster, die später den „Nozzles“ des GraInspirationsquelle van Eycks aus vielen kleinen Raumzer Kunsthauses von Peter Cook und Colin Fournier zellen clusterartig zusammengesetztes Waisenhaus in als Vorbild dienen werden, im Gewölbescheitel.25 Als Amsterdam (1957 –1960). Konkret bezieht sich Gross Technik für den höhlenartigen Bau wurde Spritzbeton auf van Eycks „Konzeption des ‚IN-BETWEEN‘“ als gewählt; ein Verfahren, das in Österreich bis dahin Ausgleich der Gegensätze und die „Ästhetik der Zahl“ nur im Tunnelbau angewandt worden war. Die Idee, als strukturelle Analogie des Ganzen und seiner Teile.20 dieses Verfahren auf Gebäude anzuwenden, übernahm Domenig von dem Schweizer Architektenpaar Claude Künstler-Architektur : Günther Costy und Pascal Häusermann,26 die damit seit 1959 Domenigs Mehrzweckhalle arbeiteten. Dabei kam als Trägermaterial gebogenes der Schulschwestern Streckmetall mit einem dazwischen gespannten Drahtgewebe und Karton zur Anwendung. Die Materialwahl Nimmt sich die Handschrift der Architekten bei der war zunächst eine Notlösung, weil die Baubehörde die Terrassenhaussiedlung St. Peter vergleichsweise zuursprünglich geplante, aber ebenfalls schon organisch rück, um die Bewohner:innen mit ihren Bedürfnissen konzipierte Holzkonstruktion wegen Brandgefahr abin den Mittelpunkt zu rücken, stellt die zur selben Zeit lehnte.27 Innen und außen wurde eine Thermoputzentstandene Mehrzweckhalle der Schulschwestern schicht und außen zusätzlich eine Kunststoffschicht in Graz-Eggenberg von Günther Domenig (1934– aufgebracht. 1989 musste Domenig die Betonhaut aus 2012) den entgegengesetzten, expressiven Pol des bauphysikalischen Gründen mit Zinkblech verkleiden, Spektrums der individualistischen „Grazer Schule“ sodass die äußere Form seither wesentlich schärfer dar, deren international bekanntester und wichtigskonturiert ist als dies ursprünglich der Fall war.28 Der ter Vertreter Domenig ist. Das einzigartige Gebäude, trotz des Verputzes rohe und plastische Charakter des das erratisch in der österreichischen ArchitekturlandBaues kommt aber im original erhaltenen Innenraum schaft steht, hier keine Vorläufer hat und auch – wenn noch voll zur Geltung. man von Eilfried Huths (*1930) Lüftungsbauten des Mit der urbanistisch-strukturalistischen ersten Plabutschtunnels und seinem nicht realisierten Haus „Grazer Schule“ hat die Mehrzweckhalle nichts zu tun, Keckstein21 absieht – ohne Nachfolge geblieben ist, vielmehr bilden eine urwüchsige Körperlichkeit und wurde 1973 zur Zeit der noch bestehenden PartnerErdgebundenheit das zentrale Motiv. Das sich in den schaft Domenigs mit Eilfried Huth in Auftrag gegeben Innenhof duckende Gebäude scheint wie ein Felsen und konzipiert und 1974 –1977 von Domenig und aus dem Boden gewachsen und hat zugleich etwas seinem damaligen Mitarbeiter Volker Giencke ausAnimalisches  : „A kind of crouching creature“ sieht geführt.22 Peter Blundell Jones darin;29 „kriecht es aus den HofDie Aufgabe bestand darin, in den quadratischen mauern […]?“, fragt Christian Hunziker30 und Friedrich Innenhof einer Klosterschule bei Bewahrung eines Achleitner stellt eine „doppelte Wirkung von Höhle Teils der Grünflächen eine Halle mit Erd- und Untergeund Schale als Ablagerung von Lebensprozessen“31 schoss für den täglichen Mensabetreib der Internatsfest. Von den Schüler:innen wird die Halle liebevoll zöglinge zu planen, die aber auch für Schulversammals „Drache“32 bezeichnet. Domenig selbst führt den lungen und Kulturveranstaltungen nutzbar sein sollte. versteinerten Reptilienkörper nicht allein auf eine inAuf die Flexibilität erfordernde Funktion hätte damals dividuelle, sondern eine kollektive Geste zurück, da jeder andere mit einer möglichst neutralen, leichten den Handwerkern „Spielraum für schöpferische Entund womöglich veränderbaren Hülle geantwortet. Domenig und Giencke bauten dagegen einen „speziell gestalteten und bewußt und persönlich geformten Körper […], ohne die gewünschte vielfältige Nutzung

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Wirtschaft eine fast ebenso so große Bedeutung wie faltungsmöglichkeiten“ geblieben sei und dem „ArbeiBeton. Ein frühes anschauliches Beispiel dafür bietet ter die Arbeit wieder Freude gemacht [habe], weil die 1949 –1954 nach Plänen von Karl Lebwohl und er eigenständig eingreifen und gestalten konnte und Kurt Weber-Mzell errichtete Pfarrkiche St. Josef in sich möglicherweise im Gefühlsbereich durch die Lust Leoben-Donawitz, dem Zentrum der steirischen Stahlan der Gestaltung eine Überschneidung der Begriffe industrie, deren Innenraum von mächtigen unverkleiArbeit und Hobby ergab“.33 Das erinnert an die marxisdeten (!) Stahlträgern in Parabelform gebildet wird.42 tische Position der 1960 gegründeten französischen So viel regelrecht „brutaler“ Einsatz eines IndustrieGruppe AUA (Atelier d’Urbanisme et d’Architecture), materials in einem Kirchenraum wäre zu dieser Zeit an welche die „Spuren der Bauarbeiter“ zeigen wollte, um keinem anderen Ort in Österreich denkbar gewesen. „etwas von den Herstellungsbedingungen zu erzählen“.34 Historisch betrachtet lassen sich für den BrutalisLetztlich geht dies auf Le Corbusiers Stilisierung des mus in der Steiermark grob drei Phasen unterscheiden : Zementarbeiters als Künstler zurück, der „mit seiner eine proto-brutalistische Phase, in der Elemente des Maurerkelle wie ein Bildhauer mit seinem Meissel zu Brutalismus vorbereitet werden (dazu zählen etwa wirken hatte“35 – eine Bemerkung, die anlässlich der auch die sichtbaren Stahlbinder von St. Josef) und Beschreibung der Unité d’Habitation im Marseille und die von Mitte der 1950er-Jahre bis Mitte der 1960erder erstmaligen Propagierung des „béton brut“ fällt. Jahre reicht; die eigentliche brutalistische Phase von Es darf bezweifelt werden, ob den Arbeitern bei Mitte der 1960er-Jahre bis Ende der 1970er-Jahre; der Eggenberger Mehrzweckhalle ein größerer Geund eine post-brutalistische Phase, in der das brutastaltungsspielraum blieb; „die Partizipation [bestand] listische Erbe in transformierter Weise in der zweiten darin […], das Auslegen der Natursteine des Fußbo„Grazer Schule“ der letzten beiden Jahrzehnte des dens den Arbeitern zu überlassen, sie konnten hier Jahrhunderts fortlebt. Im Folgenden sollen diese drei also nach eigenen Vorstellungen verschiedene Muster Phasen anhand einiger ausgewählter Bauwerke kurz entwerfen“36. Wichtiger ist hier wohl Domenigs Becharakterisiert werden. kenntnis zur künstlerischen Aussage von Architektur, die nicht nur seiner eigenen künstlerischen SelbstKirchenbauten des steirischen verwirklichung dienen sollte (auch wenn diese für Proto-Brutalismus ihn persönlich im Mittelpunkt gestanden sein mag), sondern jene Qualität ausmache, die man als BeDie Schlüsselfigur für den steirischen Proto-Bruwohner an der Gegenwartsarchitektur vermisse und talismus, der vor allem den Kirchenbau betrifft, ist sich „deshalb in alten Städten und Häusern so wohl“37 Ferdinand Schuster (1920 –1972), der für die steirifühle. In Eggenberg sei es u. a. darum gegangen, „das sche Architektur eine ähnliche Rolle spielt wie Alison Gefühl für bestimmte Linienführung in der Architekund Peter Smithson für Großbritannien. Ausgehend tur wieder in Erinnerung zu bringen“.38 Dieses – hier von der reduzierten Formensprache Mies van der mit brutalistischen Mitteln umgesetzte – Verständnis Rohes, die er ohne den in den 1950er-Jahren vervon Architektur als subjektive, emotionale und ausbreiteten Hang zum Dekorativen weiterentwickelt, drucksstarke Gestaltung wird zum zentralen Inhalt der verbindet Schuster einen hohen ethischen und sozweiten „Grazer Schule“, die, nachdem sie den Bruzialen Anspruch mit einer lakonischen, elementaren talismus hinter sich gelassen hat, in den 1980er- und Behandlung von Raum, Material und Struktur. Schus1990er-Jahren international Furore macht.39 ter, der ab 1949 in Kapfenberg lebt, prägt das Erscheinungsbild der obersteirischen Industriestadt vor Stilfragen allem im Wohn- und Kirchenbau wesentlich mit und engagiert sich auch als SPÖ-Gemeinderat und BauDefiniert man Brutalismus mit dem britischen Archireferent.43 Als Professor für Baukunst und Entwerfen tekturhistoriker Marcus Whiffen als „style of mass, an der TH Graz (1964 –1972) übt er einen großen weight, roughness, and solidity“40, dann scheint er Einfluss auf die zweite Generation der „Grazer Schule“ für die Kultur der Steiermark, der man gerne eine aus. Sein Werk bietet sowohl Anknüpfungspunkte zum gewisse Robustheit nachsagt,41 wie geschaffen. Dabei „New Brutalism“ der Smithsons als auch – wenngleich besitzt Stahl als Baustoff aufgrund der großen Bein geringerem Maße – zum „béton brut“ Le Corbudeutung der Stahlindustrie als Motor der steirischen

ihrer Größe dünn genug sind, um die fragile Eleganz siers. Für Letzteres liefert der kleine Glockenturm aus eines Kartenhauses zu vermitteln. Insofern weist Sichtbeton am Mahnmal des Friedhofs Kapfenbergder Bau noch nicht die für den Brutalismus typische St. Martin (1954 –1955) das früheste Beispiel, dessen Schwere und Massivität auf. Schalungsstruktur als Ausdrucksträger dient.44 Beim kreuzförmigen Zentralbau der Pfarrkirche KapfenbergDie „klassische“ Phase des Walfersam (1957–1962) – der „erste[n] Kirche der Brutalismus Steiermark, die die Ideen des Zweiten Vatikanischen Konzils vorwegnimmt“45 – realisiert Schuster erstmals Der Anstoß für die „klassische“ Phase kommt aus der einen Sichtbeton-Skelettbau, dessen nördliche und Schweiz durch das Vorbild des Bildhauer-Architekten südliche Außenwände zwar komplett mit BetonschalWalter Förderer. Ihn entdecken die seit 1963 zusamsteinen und farbigen Glasfenstern ausgefacht sind, die menarbeitenden Eilfried Huth und Günther Domenig aber mehr als Struktur denn als Muster wirken und die auf der Suche nach einem neuen plastischen Ausdruck lapidare Schlichtheit der Gesamterscheinung unterin der Architektur. „Als Domenig eine Abbildung einer streichen. Freilich, mit dem späteren Brutalismus als Kirche von Förderer sah, meinte er, ‚so müssen wir einem „style of mass, weight, roughness, and solidity“ bauen‘“51, erinnert sich Huth. Zur selben Zeit geht hat dieses noch in der Tradition der Klassischen MoWolfgang Kapfhammer (1938 – 2021) nach Beendiderne stehende Gebäude mit seinen als dünne Haut gung seines Studiums an der TH Graz nach Basel, um interpretierten Wänden noch nichts zu tun. bei Hermann Baur zu arbeiten,52 der damals gerade mit Als – stilistische wie ideologische – Antipoden der Planung von Nôtre-Dame de la Prévoté in Moutier, von Schusters minimalistisch-strengen Sakralbauten einer der bedeutendsten brutalistischen Kirchen der können die barock-„neoexpressionistischen“46 ProjekSchweiz, beschäftigt ist, und der wiederum von seinem te des Wiener Architekten Robert Kramreiter gelten, ehemaligen Mitarbeiter Förderer Ideen aufnimmt.53 der schon während des Ständestaates ein gefragter Den Anlass, die Schweizer Inspirationen in der Kirchenbaumeister ist, dann in Spanien unter Franco Steiermark umzusetzen, bietet einmal mehr die kathoseine Karriere fortsetzt und in der Steiermark zwei lische Kirche : Kapfhammer beteiligt sich zusammen Pfarrkirchen entwirft, angesichts deren „starke[r] mit Gerhard Frisee und Gerhard Lojen an einem Ende Gestik“ bereits Friedrich Achleitner versucht war, 1963 ausgelobten Ideenwettbewerb für die Pädagovon Kramreiter als „Vorläufer der ‚Grazer Schule‘“ gische Akademie der Diözese Graz-Seckau am Nordzu sprechen.47 Bei den Pfarrkirchen Laßnitzhöhe rand des Schlossparks von Eggenberg, an dem neben (1962 –1963) und Graz-Thondorf (1962 –1964) zehn weiteren Architektenteams54 auch das Duo Huth/ nutzt Kramreiter die skulpturalen und dekorativen Domenig teilnimmt. Die Anfang April 1964 tagenMöglichkeiten des (noch herkömmlich verputzten) de Jury unter dem Vorsitz von Karl Raimund Lorenz Stahlbetons auf effektvolle Weise. Bei der in Form vergibt an Huth/Domenig den Ersten und an Frisee/ eines Fisches gestalteten Thondorfer Kirche, deren Kapfhammer/Lojen den Zweiten Preis :55 Beides sind Portal das Fischmaul bildet,48 denkt man unwillkürlich vom Schweizer Brutalismus geprägte Entwürfe. Für an Domenigs Mensa der Schulschwestern. Weitere die zwischen 1965 und 1969 erfolgte Realisierung plastische Akzente, die hier aber funktional begründet bitten Huth und Domenig Förderer sogar für Berasind, setzt die Werkgruppe mit der (2013 abgebrochetungsgespräche nach Graz.56 Die an den Individualisnen) Sichtbeton-Außentreppe des Studentenhauses mus der späteren Terrassenhaussiedlung erinnernde Hafnerriegel in Graz (1960 –1963)49 oder Ferdinand Idee, anstelle eines zentralen Schulgebäudes einen Schuster mit der zeitgleichen Filtergruppe am FernCluster aus vielen niedrigen kubischen Zellen zu entheizkraftwerk Graz-Süd. werfen, die gegeneinander versetzt angeordnet sind Den Abschluss dieser Phase markiert die Pfarrund, mit Terrassen und Freitreppen verbunden, eine kirche Wagna (1961–1964) von Friedrich Moser eigene skulpturale Landschaft bilden, die nahtlos in (*1926), einem der bedeutendsten, vergleichsweidie kubischen, wie die Gebäudemauern in sägeraue se wenig bekannten modernen Kirchenbauten des Landes. Moser, der sich an Le Corbusier orientiert,50 bildet die schrägen Wände und das weit vorkragende Flachdach aus riesigen Sichtbetonplatten, die trotz

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in Graz von Wolfgang Kapfhammer und Johannes Schalungsbretter gegossenen Betonskulpturen von Wegan geplant,67 die von Kramreiter begründete baBarna von Sartory übergehen,57 verdankt sich aber rock-skulpturale Tradition in Richtung der expresnicht nur dem Schweizer Vorbild, sondern auch ganz sionistischen zweiten „Grazer Schule“ fort, wähentscheidend den Vorgaben des Wettbewerbs : Zum rend Ferdinand Schuster mit der Totenhalle Veitsch einen soll Rücksicht auf den angrenzenden Schloss(1964 – 1967)68 dem kubisch-plastischen Brutalismus park genommen, Abstand zum gegenüberliegenden Le Corbusiers am nächsten kommt, beim Skelettbau Gebäude der Schulschwestern gehalten und sollen des Pfarrzentrums Leoben-Hinterberg (1965 –1967)69 insgesamt sechs Gebäude mit maximal vier Geschoshingegen eine strukturell-tektonische Linie weiterversen geplant werden.58 Zum anderen verfasst der Relifolgt, der sich auch Friedrich Moser mit der Pfarrkirgionspädagoge Georg Hansemann ein Memorandum che Lieboch (1965 –1967)70 und August Kremnitzer über „Das Bildungs- und Erziehungsbild der Schule mit der Aufbahrungshalle Weizberg (1979 –1980)71 in christlicher Schau“, das den Wettbewerbsunterverpflichtet fühlen. lagen beigelegt ist und in dem die Konsequenzen des Im Wohnbau variiert die Werkgruppe ihr Konzept christlichen Menschenbildes für den Architekten mit der Terrassenhaussiedlung beim etwas städtischer der „Absage an das Kollektiv und die Hinwendung zum konzipierten Grazer Wohn-, Büro- und Geschäftshaus Personalen“ formuliert ist. Denn: „Für ein Kollektiv Cortolezis (1973 –1975),72 während sie sich bei der baut man eine Kaserne, für eine Person baut man Wohnanlage Göss-Steigtal in Leoben (1973 –1981) ein Haus.“59 Die unverwechselbare Individualität des einer Skelettbauweise zur Ermöglichung flexibler Einzelnen spielt Hansemann gegen den sozialistisch Grundrisse bedient.73 Ein strukturalistisches Wohnkonnotierten Kollektiv-Begriff aus. Auch der Bau der bauprojekt mit offenen skulpturalen Treppenanlagen, Kapelle „muß ein Raum sein, wo nicht nur eine Gedas kurz nach Baubeginn der Terrassenhaussiedlung meinschaft die Eucharistiefeier vollzieht, sondern auch fertiggestellt wird, ist die Wohnanlage Kroisbach in der Einzelne mit Gott allein sein kann“.60 Folgerichtig Graz (1966 –1973) von Team A und Ignaz E. Holub.74 schließen die Juroren all jene Projekte aus, an denen Ebenfalls von Holub stammt das „Y"-förmige, siebeneine „harte Abriegelung durch langgestreckte Baublögeschossige Wohnhochhaus Rosenhaingasse in Graz cke“ oder eine „starre Gesamtform des Gebäudes“,61 (1967–1970),75 dessen (hier funktional begründete) sprich: die übliche spätmoderne Form von öffentlichen monumentale Zeichenhaftigkeit, die uns im internaBauten, auffällt. tionalen Brutalismus ständig begegnet, eher eine AusKapfhammer und Frisee kommen 1966 mit der in nahme im steirischen Wohnbau darstellt. der Grundidee ähnlich clusterartig gegliederten LandIn diese Richtung gehen aber einige originelle wirtschaftlichen Fachschule Stainz zum Zug (diesmal Infrastrukturbauten wie die an den jugoslawischen werden Huth und Domenig auf Platz zwei verwiesen).62 Brutalismus erinnernde Markthalle am Hofbauerplatz Das entgegensetzte, nicht zufällig dem Wiener Diskurs in Graz-Algersdorf (1969 –1972) des Brückenbauentstammende Konzept verkörpern Hauptschule und ingenieurs Franz Forstlechner, die lediglich aus vier Gymnasium von Weiz (1965 –1968, 1976 –1978), mit „W“-förmigen Stahlbetonstützen besteht, zwischen denen Viktor Hufnagl seinen auf der übergreifenden die höhenversetzte Holzdächer eingespannt sind.76 Großform beruhenden Hallenschultypus zur Reife Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch bringt.63 Zwischen diesen beiden Typen spannen sich Eilfried Huths an riesige Dickhäuter erinnernden Lüfdie brutalistischen Schulbauten des Landes auf, wotungsbauten des Plabutschtunnels in Raach bei Graz bei zum ersten Typus das Schulzentrum Kapfenberg(1977–1987), welche in ihrer Kombination aus OrtWalfersam (1967–1979) von der Werkgruppe und und Spritzbeton offensichtliche Nachkommen des Ferdinand Schuster64 und das Bundesschulzentrum „Drachens“ im Hof der Eggenberger Schulschwestern Feldbach (1972 –1980) vom Team A,65 zum zweiten darstellen und die aus der Tunnelbauweise entlehnte Typus das Bundesschulzentrum Deutschlandsberg Technik an ihren Ursprungsort zurückbringen.77 (1973 –78) des Wiener Architektenteams Manfred Eine Art Pop-Brutalismus, der mit der Ende der Nehrer, Reinhard Medek, Otto Nobis und Raoul 1960er-Jahre in Mode gekommenen Raumfahrts-ÄsLevaulx-Vrécourt gehört.66 thetik spielt, begegnet uns in der von Christine und Beim Sakralbau setzen die Pfarrzentren Kroisbach Walther Kordon entworfenen neuen Werkstätte des (1969 –1974) und Liebenau (1971–1976), beide

eigenständigen, betont individualistischen Weg in Grazer WIFI-Geländes (1974 –1977), die über eine Richtung eines „konstruktive[n] Expressionismus“88 Gangway mit der alten Werkstätte verbunden ist,78 und bzw. Dekonstruktivismus, der den Technik-Optimisder Hypobank Graz-Straßgang (1974 –1975) von Emil mus und die oppositionelle Haltung zur GeschichBernard, deren von einem kettenartigen Fensterband te, die den Brutalismus als spätmoderne Strömung durchschnittener Betonkörper auf einem eingezogekennzeichnet, fortsetzt. Hinzu kommt, dass führende nen Sockel am Hang liegt.79 Vertreter der „Grazer Schule“ wie Günther Domenig Auffällig ist das nahezu völlige Fehlen von brutaund Eilfried Huth über ein brutalistisches Frühwerk listischen Kulturbauten – vor allem, wenn man an die verfügen, aus dem sich ihre spätere, wohl eigenstänProminenz dieses Typs im benachbarten Burgenland digere Handschrift organisch herausentwickelt. Es denkt. Die einzige nennenswerte Ausnahme stellt die sind vor allem Werke der Künstler-Architekten, die Koralmhalle in Deutschlandsberg (1972 –1981) von Elemente des Brutalismus über sein Ende hinaus (und der Werkgruppe dar, eine Sichtbeton-Skelettkonstrukvor seiner Wiederentdeckung durch die Phänomenotion mit Klinkerausfachungen und zwei symmetrischen logen) tradieren. Domenigs und Huths Studienkollege Treppenhäusern an der Stirnseite, deren skulpturale Raimund Abraham, der gewissermaßen als Botschafter Wirkung ins Ornamentale hinüberreicht.80 Buchstäbder „Grazer Schule“ in den USA wirkt, übersetzt mit liche Ornamente kommen im steirischen Brutalismus dem Wohn- und Geschäftshaus in der Grazer Josefeher selten vor, wie bei den mit kubistischen BetonHuber-Gasse (1991–1993) den brutalistischen Hang fertigteilen verkleideten Verwaltungsbauten von Hans zu zeichenhafter Archaik in die filigrane Ästhetik der Ilgerl, Boris Peneff und Wolfgang Walch (z. B. Öster1990er-Jahre.89 Andere, wie Michael Szyszkowitz reichische Gesundheitskasse Graz, 1975 –1980)81 und Karla Kowalski, die den skulptural-expressiven oder beim Unfallkrankenhaus Graz-Eggenberg (1975– Flügel der zweiten „Grazer Schule“ vertreten, knüpfen 1980) von Karl Schwanzer und Gerhard Krampf.82 etwa bei der Hauswirtschaftsschule Schloss GroßlobStärker aus der Konstruktion entwickelt wirken die ming (1979 –1981)90 oder beim Institutsgebäude für zwischen Betonpfeilern konvex geschwungenen FensBiochemie und Biotechnologie der TU Graz (1985– terstürze des Kindergartens Salvator in Graz-Geidorf 91 1991) an die plastisch-ornamentale Verwendung (1966 –1969) von Karl Raimund Lorenz.83 von brutalistischen Sichtbetonbauten an, übersetzen Eine steirische Besonderheit bildet der „Stahlderen Massivität und Schwere aber in spielerische, Brutalismus“, der leider bis heute nur auf wenig Vermanchmal verspielte Leichtigkeit. Damit wird von der ständnis stößt. Markantestes Beispiel ist das sich einst „Grazer Schule“ des ausgehenden Jahrhunderts das wie ein großer kreuzförmiger Pilz über die Stadt erhebrutalistische Erbe im Hegelschen Sinne aufgehoben: bende Forschungs- und Rechenzentrum der VOESTseiner Gültigkeit beraubt und zugleich bewahrt. Alpine AG in Leoben (1969 –1973) von Eilfried Huth und Günther Domenig, dessen in Alcodur-Stahl und Resümee Korralpin-Blech ausgeführte Fassade84 seit 2009 hinter einer Wärmedämmung verschwunden ist.85 Mehr Vertritt der steirische Brutalismus einen bürgerlichÜberlebenschancen hat das von Eilfried Huth stamindividualistischen Sonderweg, der von seiner soziamende Lehrlingszentrum der Handelskammer in Graz listisch-wohlfahrtsstaatlichen Hauptlinie abzweigt? (1970 –1973),86 während das im Sinne einer radikaVieles deutet darauf hin, vor allem, wenn man Hauptlen Liturgiereform als Stahlskelett-Mehrzweckhalle werke des steirischen Brutalismus wie die Pädagogivon Ferdinand Schuster geplante Seelsorgezentrum sche Akademie Eggenberg von Domenig/Huth oder St. Paul in der Grazer Eisteichsiedlung (1968 –1970) die Terrassenhaussiedlung der Werkgruppe betrachtet. schrittweise in einen konventionellen Kirchenraum Die darin erkennbare Absage an die kollektivistische rückverwandelt worden ist.87 Großform, die sich bei so großen Baukomplexen durchaus angeboten hätte, spricht hier eine deutliPost-Brutalismus che Sprache und konnte einerseits auf die katholische Anders als die Wiener Architekturszene vollzieht die zweite „Grazer Schule“ in den 1970er-Jahren keine Wende zur Postmoderne, sondern entwickelt einen

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Gesellschaftslehre (PÄDAK), andererseits auf ein den bürgerlichen Mittelstand adressierendes Partizipationskonzept (Terrassenhaussiedlung) zurückgeführt werden. Der Unterschied dieser von Vertretern der „Grazer Schule“ entworfenen Bauten zu jenen, die beispielsweise von Wiener Architekturbüros in der Steiermark gebaut wurden, wie die Schulzentren in Weiz und Deutschlandsberg von Hufnagl bzw. Nehrer/ Medek, ist daher kein bloß stilistischer, sondern beruht auf einer anderen Grundhaltung, welche auch mit den jeweiligen Auftraggebern und Bauaufgaben zusammenhängt. Das Rechenzentrum der VOEST-Alpine in Leoben von Domenig/Huth, das fortschrittsoptimistische Monument des größten Staatsbetriebs des Landes, könnte etwa auch in Bratislava stehen, wo mit Stefan Svetkos Gebäude des Slowakischen Rundfunks (1967–1983) ein enger Seelenverwandter steht. Es geht daher weniger (oder nicht allein) um die persönliche Weltanschauung der einzelnen Architekten als um die spezifische „Agency“92 eines architektonischen Projekts und das Netzwerk von Akteuren, Bedingungen und Prozessen, in dem es entsteht. In der Steiermark bevorzugen die herrschenden Bedingungen die individualistische, meist weniger monumentale Lösung, sodass das Leobener Beispiel zu den absoluten Ausnahmen zählt (und das, wie seine nachmalige Zerstörung zeigt, in der Öffentlichkeit auch nicht verstanden wird). Brutalismus dient in der Steiermark vor allem der individuellen Selbstverwirklichung, sei es des Nutzers, des Auftraggebers oder des KünstlerArchitekten. Für das Kollektiv und seine monumentale Überhöhung bleiben da nur wenig Raum.93

1 Catherine Croft: Großbritannien. Eine Einführung, in: Oliver Elser, Philip Kurz, Peter Cachola Schmal (Hg.): SOS Brutalismus. Eine internationale Bestandsaufnahme, Ausst.-Kat. Deutsches Architekturmuseum Frankfurt am Main. Zürich 2017, S. 406–411, hier S. 408. 2 Oliver Elser: Just what is it that makes Brutalism today so appealing? Eine neue Definition aus internationaler Perspektive, in: ebd., S. 15–19, hier S. 19. 3 Ebd., S. 18. Zum rhetorischen Charakter des Barock vgl. Giulio Carlo Argan: La ‚Rettorica‘ e l’arte barocca, in: Enrico Castelli (Hg.): Retorica e Barocco. Atti del III Congresso Internationale die Studi Umanistici, Venezia, 15–18 giugno 1954. Rom 1955, S. 9–14. 4 Wolf von Eckardt: Boston Builds Challenge to Dulles Terminal, in: The Washington Post, 02.04.1967; Mark Pasnik, Michael Kubo, Chris Grimley: Kallmann McKinnell & Knowles, Campbell, Aldrich & Nulty. Boston City Hall, Boston, Massachusetts, USA, in: Elser, Kurz, Cachola Schmal 2017, S. 128 –131, hier S. 131. 5 Harold D. Hodgkinson: Miracle in Boston, in: Proceedings of the Massachusetts Historical Society 84, 1972, S. 71– 81, zit. n. ebd. 6 Elser 2017, S. 17 f. 7 Vgl. Luc Boltanski, Ève Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz 2000, bes. S. 213–260 [Le nouvel ésprit du capitalisme, Paris 1999]. 8 Vgl. Stefan Karner: Die Steiermark im 20. Jahrhundert. Politik – Wirtschaft – Gesellschaft – Kultur. Graz-Wien-Köln 2000, S. 595–598, S. 600. 9 Vgl. ebd., S. 470 ff. 10 Vgl. ebd., S. 413 f., S. 419. 11 Vgl. Andrea Jany: Experiment Wohnbau. Die partizipative Architektur des Modell Steiermark, architektur + analyse Bd. 7. Berlin 2019. Zur Definition der „Grazer Schule“ vgl. Anselm Wagner: Wie die „Grazer Schule“ zweimal erfunden worden ist, in: Anselm Wagner, Antje Senarclens de Grancy (Hg.): Was bleibt von der „Grazer Schule“? ArchitekturUtopien seit den 1960ern revisited, architektur + analyse Bd. 1. Berlin 2012, S. 55–73. 12 Franz Hasiba: Modell Steiermark. Krainers Vermächtnis für die Zukunft, in: Steirische ÖVP. Profil einer Partei. Graz 1972, S. 63; Karner 2000, S. 419. 13 Vgl. Boltanski, Chiapello 2000, S. 215 ff.; Ulrich Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt am Main 2007. 14 Zur Baugeschichte vgl. Eva Guttmann, Gabriele Kaiser, HDA Graz (Hg.): Werkgruppe Graz 1959–1989.

Architektur am Wendepunkt der späten Moderne. Zürich 2013, S. 107–109; Jany 2019, S. 35– 45. 15 Bei einer Befragung der Terrassen­ hausbewohner:innen gaben 60 % an, ein Einfamilien- oder Reihenhaus als Wohnideal zu haben; vgl. Jany 2019, S. 45. Wie sehr die Terrassenhaussiedlung die ÖVP-Klientel adressierte, zeigte sich u. a. darin, dass der damals für den Wohnbau zuständige ÖVP-Landeshauptmannstellvertreter Friedrich Niederl sich „mit Nachdruck“ für den Bau der Terrassenhaussiedlung einsetzte und dafür Mittel aus der Wohnbauförderung 1968 zur Verfügung stellte (vgl. Kleine Zeitung, 20.04.1971, S. 20) und der im Februar 1972 erfolgte Baubeschluss seitens des Steiermärkischen Wohnbauförderbeirates laut ÖVP-Pressedienst „gegen den ,härtesten Widerstand´ der sozialistischen Vertreter durchgesetzt worden“ sei (vgl. Kleine Zeitung, 29. 02 .1972, S. 26) 16 Vgl. ebd., S. 53– 64. 17 Ebd., S. 33. 18 Vittorio M. Lampugnani: Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 1983, S. 164. 19 N.N.: Catholic University of Louvain Atelier Lucien Kroll (07.01.2022), online: https://www.northernarchitecture.us/ reconstructing-architecture/catholicuniversity-of-louvain-atelier-lucienkroll.html (Zugriff: 21.04.2022). 20 Eugen Gross: Wie beeinflusste der Strukturalismus die „Grazer Schule“?, in: Wagner, Senarclens de Grancy 2012, S. 214 –225, hier S. 218 f.; Francis Strauven: Aldo van Eyck – Shaping the New Reality From the In-between to the Aesthetics of Number, in: Study Centre Mellon Lectures 12 (24.05.2007), S. 15 f., online: https:// www.taak.me/wp-content/uploads/15/ in-betweenness_Aldo-van-Eyck.pdf (Zugriff: 21. 04 . 2022). Generell prägte strukturalistisches Denken die mehr urbanistisch orientierte erste „Grazer Schule“ der 1960er-Jahre, wie etwa an Bernhard Hafners Ausstellung „Struktureller Städtebau“ (1966), der „Überbauung Ragnitz“ von Günther Domenig und Eilfried Huth (1967) und dem Ausstellungsprojekt „Spina“ des Team A Graz (1969) zu erkennen ist; vgl. Gross 2012, S. 219 – 223. Zur Unterscheidung von erster und zweiter „Grazer Schule“ vgl. Wagner 2012. 21 Vgl. Juliane Zach (Hg.): Eilfried Huth. Varietät als Prinzip. Berlin 1996, S. 133. 22 Vgl. Gudrun Pleyer: Günther Domenig. Bauten und Projekte, Diss. Universität Graz 1987, S. 145. 23 Günther Domenig: Gedanken zur Architektur, in: Steirische Berichte 1, 1982, S. 23 – 25; Pleyer 1987, ebd., S. 150.

24 Vgl. Raffaele Raja: Architekturen der Sehnsucht und Erinnerung der Zukunft, in: Günther Domenig: Werkbuch. Salzburg-Wien 1991, S. 7– 42, hier S. 23. 25 Anselm Wagner: A Familiar Alien. Das Kunsthaus Graz, Archigram und die „Grazer Schule“ 1962 –2003, in: Barbara Steiner, Sophia Walk, Anna Lena von Helldorf, Katia Huemer (Hg.): Kunst Haus Graz. Berlin 2021, S. 261–279, hier S. 273. 26 Vgl. Pleyer 1987, S. 154. 27 Vgl. Domenig 1991, S. 70. 28 Vgl. Raja 1991, S. 25. 29 Peter Blundell Jones: Dialogues in Time. New Graz Architecture. Graz 1998, S. 57. 30 Christian Hunziker: „Hängt es oder steht es denn wohl?“, in: Steirische Berichte 15, 1, 1982, S. 21–22, zit. n. Pleyer 1987, S. 149. 31 Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer in drei Bänden, Kärnten, Steiermark, Burgenland, Bd. II. Salzburg-Wien 1983, S. 366. 32 Raja 1991, S. 25. 33 Domenig 1982; Pleyer 1987, S. 151. 34 Westeuropa. Jenseits von Großbritannien: Der Proto-Brutalismus und die Situation in Frankreich. Ein Interview mit Jean-Louis Cohen, in: Elser, Kurz, Cachola Schmal 2017, S. 335–339, hier S. 336. 35 Le Corbusier: L’Unité d’Habitation in Marseille (1952), in: Le Corbusier: Œuvre complète vol. 5, 1946 –1952, hg. v. Willi Boesiger. Zürich 51966, S. 192 –193, hier S. 193. 36 Pleyer 1987, S. 154. 37 Günther Domenig: Gedanken zur Architektur, in: Steirische Berichte 1, 1982; Pleyer 1987, S. 150. 38 Ebd., S. 151. 39 Vgl. Anselm Wagner: Die Grazer Schule und das Modell Steiermark, in: Anselm Wagner, Sophia Walk (Hg.): Architekturführer Graz. Berlin 2019, S. 212 – 217. 40 Marcus Whiffen: American Architecture Since 1780. A Guide to the Styles. Cambridge/MA 21992, S. 284. 41 Vgl. Anselm Wagner: Das „eiserne“ Graz. Auf den Spuren des Genius Loci, in: Wagner, Walk 2019, S. 8–15. 42 Vgl. Candidus Cortolezis (Hg.): Kirchliches Bauen – kirchliche Kunst in der Steiermark seit 1945, Ausst.-Kat. Neue Galerie Graz. Graz 1981, S. 51; Achleitner 1983, S. 254.

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43 Vgl. Daniel Gethmann: Ferdinand Schuster (1920 –1972): Das architektonische Werk. Bauten, Schriften, Analysen. Zürich 2020, S. 401  f. 44 Ebd., S. 166 –169. 45 Cortolezis 1981, S. 52. 46 Ebd., S. 53. 47 Achleitner 1983, S. 354. 48 Vgl. Protokoll der Bauverhandlung vom 22.01.1962, Magistrat Graz, Baurechtsamt, Zl. A17–2836/1–1961, 3; Diözesanarchiv Graz-Seckau, Pfarrakten Graz-St. Christoph, Bauakten, Schachtel 1, Mappe Thondorf B 68/I. 49 Vgl. Guttmann, Kaiser, HDA Graz 2013, S. 54 – 65; Kickenweitz, Petra: Bekenntnis zur qualitätvollen Architektur endet beim Hafnerriegel (23.07.2013), online: https://www.gat. st/news/bekenntnis-zu-qualitaetvollerbaukultur-endet-beim-hafnerriegel (Zugriff: 21. 04 . 2022). 50 Vgl. Achleitner 1983, S. 322. 51 Eilfried Huth im Gespräch mit Gudrun Pleyer, 29.09.1986; Pleyer 1987, S. 7. 52 Vgl. Wolfgang Kapfhammer, Johannes Wegan, Gert Koßdorff (Hg.): 30 Jahre Architektur, 1966 –1996. Graz 1996, S. 6. 53 Vgl. Fabrizio Brentini: Für eine Einheit von Architektur und Kunst. Zum hundertsten Geburtstag von Hermann Baur (1894 –1980), in: Basler Stadtbuch 115, 1994, S. 163 –167, hier S. 166. 54 Vgl. Ideenwettbewerb – Vorprüfung, 02.03.1964, Diözesanarchiv GrazSeckau, Nachlass Kanzler Reinisch, Schachtel 1, PÄDAK Eggenberg, Mappe 1, Folder: Ideenwettbewerb für die Architekten 1963 /64. 55 Vgl. Ideenwettbewerb Pädagogische Akademie Graz-Eggenberg, Niederschrift, Jurysitzung vom 1. / 2. April 1964, S. 11, Diözesanarchiv GrazSeckau, Nachlass Kanzler Reinisch, Schachtel 1, PÄDAK Eggenberg, Mappe 1, Folder: Ideenwettbewerb für die Architekten 1963 /64. 56 Vgl. Zach 1996, S. 88. Förderer stellt im November 1965 zusammen mit weiteren Schweizer Kollegen im Forum Stadtpark in Graz aus und hält einen Vortrag; vgl. Pleyer 1987, S. 50. 57 Vgl. Zach 1996, S. 88. 58 Vgl. Ideenwettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Neubau einer Pädagogischen Akademie der Diözese Graz-Seckau in Graz-Eggenberg, undatiert [ca. Oktober 1963], S. 7 f., S. 11–15, Diözesanarchiv Graz-Seckau, Nachlass Kanzler Reinisch, Schachtel 1, PÄDAK Eggenberg, Mappe 1, Folder: Ideenwettbewerb für die Architekten 1963/64.

59 Georg Hansemann: Das Bildungsund Erziehungsideal der Schule in christlicher Schau, undatiert [1963], 2, Diözesanarchiv Graz-Seckau, Nachlass Kanzler Reinisch, Schachtel 1, PÄDAK Eggenberg, Mappe 1, Folder: Ideenwettbewerb für die Architekten 1963 / 64. 60 Ebd., S. 4. 61 Ideenwettbewerb Pädagogische Akademie Graz-Eggenberg, Niederschrift, Jurysitzung vom 1./2. April 1964, S. 3, S. 5, Diözesanarchiv GrazSeckau, Nachlass Kanzler Reinisch, Schachtel 1, PÄDAK Eggenberg, Mappe 1, Folder: Ideenwettbewerb für die Architekten 1963 / 64. 62 Vgl. Zach 1996, S. 133; Kapfhammer, Wegan, Koßdorff 1996, S. 9–11. 63 Vgl. Achleitner 1993, S. 325 – 327. 64 Vgl. Guttmann, Kaiser, HDA Graz 2013, S. 142 –151. 65 Vgl. Team A Graz: Werkbericht 1966– 2010. Architektur und Umweltplanung. Bergheim-Salzburg o. J. [2010], S. 16 f. 66 Vgl. Achleitner 1983, S. 160. 67 Vgl. Kapfhammer, Wegan, Koßdorff 1996, S. 54–62; Wagner, Walk 2019, S. 388  f. 68 Vgl. Gethmann 2020, S. 240–247. 69 Ebd., S. 256–261. 70 Vgl. Achleitner 1983, S. 271. 71 Ebd., S. 325. 72 Vgl. Anselm Wagner, Sophia Walk, (Hg.): SOS Grazer Schule, Graz 2021, S. 5. 73 Vgl. Guttmann, Kaiser, HDA Graz 2013, S. 210 –215. 74 Vgl. Wagner, Walk 2021, S. 26. 75 Ebd., S. 6. 76 Vgl. Wagner, Walk 2019, S. 366 f. (hier noch fälschlicherweise Gustav Madritsch zugeschrieben). 77 Vgl. Wagner, Walk 2021, S. 33. 78 Vgl. ebd., S. 5. 79 Vgl. ebd., S. 36. 80 Vgl. Guttmann, Kaiser, HDA Graz 2013, S. 204 –209. 81 Vgl. Wagner, Walk 2021, S. 12. 82 Vgl. ebd., S. 34. 83 Vgl. ebd., S. 7. 84 Vgl. Pleyer 1987, S. 130. 85 Vgl. Thomas Wolkinger: Die Demontage eines Denkmals, in: Der Falter Steiermark, 37 (09. 09 . 2009), online: https://www.gat.st/en/news/diedemontage-eines-denkmals (Zugriff: 21. 04 . 2022). 86 Vgl. Wagner, Walk 2019, S. 410. Das Gebäude wurde zwar noch während der Partnerschaft von Domenig und Huth entworfen, geht aber allein auf Huth und seinen Mitarbeiter Armin Royer zurück; vgl. Zach 1996, S. 28 f. 87 Vgl. Gethmann 2020, S. 280 –287. 88 Marie-Hélène Contal: Zentrale Lehrwerkstätte, in: Michael Szyszkowitz, Renate Ilsinger (Hg.): Architektur_Graz.

Positionen im Stadtraum. Mit Schwerpunkt ab 1990. Graz 32009, C16. 89 Vgl. Wagner, Walk 2021, S. 10. 90 Vgl. Achleitner 1983, S. 198 f. 91 Vgl. Wagner, Walk 2021, S. 16. 92 Vgl. Ana Garcia Varas: Die Debatte über Agency in der Architekturtheorie, in: dies. ,  Christophe Barlieb, Lidia Gasperonio (Hg.): Media Agency. Neue Ansätze zur Medialität in der Architektur. Bielefeld 2020, S. 36 – 51. 93 Für die wertvolle Unterstützung bei der Recherche zu diesem Text und die Beschaffung des Bildmaterials danke ich Jakob Bock, Daniel Gethmann, Waltraud Indrist, Elisabeth Strametz, Mihael Vecchiet, Viktoriya Yeretska (alle Institut für Architekturtheorie, Kunstund Kulturwissenschaften der TU Graz), Bernhard Reismann (Archiv der TU Graz), Andreas Trummer (Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz), Heidrun Boshof, Claudia Glößl (beide Diözesanarchiv Graz-Seckau), Andrea Jany (Institut für Wohnbauforschung, Graz) und Eugen Gross.

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Werkgruppe Graz, Terrassenhaussiedlung, Strukturmodell II, Fotomontage, um 1965, Graz-St. Peter, 1972 –1978 Ansicht des südwestlichen Blocks Richtung Norden, Fotografie, um 1975 / 76

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Ansicht von Nordosten, Fotografie, um 1975 / 76 Schema-Schnitt, undatiert Blick Richtung Osten, 1977/ 78

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Werkgruppe Graz, Terrassenhaussiedlung, ST 09 Grundriss Wohnungstyp „m“, undatiert Graz-St. Peter, 1972 –1978, Grundriss ST 10 Grundriss Wohnungstyp „o“, undatiert ST 11 Grundriss Wohnungstyp „r“, undatiert Wohnungstyp „a“, undatiert Grundriss Wohnungstyp „c“, undatiert Grundriss der Fußgängerebene über der Tiefgarage, undatiert

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Luftbild Georgigasse Richtung Süden, Graz-Eggenberg, nach 1989; links Kloster und Schule der Schulschwestern mit dem Mehrzwecksaal von Günther Domenig mit Eilfried Huth und Volker Giencke, 1974 –1977; rechts die Pädagogische Akademie der Diözese Graz-Seckau von Eilfried Huth und Günther Domenig, 1964 –1969

ST 13 Mehrzwecksaal der Schulschwestern, Rohbau von innen ST 14 Draufsicht Richtung Süden ST 15 Baustellenfoto ST 16 Detail der Außenhaut

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Ferdinand Schuster mit Susanne Ebner, katholisches Pfarrzentrum Zur heiligen Familie, Ansicht von Nordwesten, Kapfenberg-Walfersam, 1957–1962 Altarbereich Richtung Norden

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Robert Kramreiter, Katholische Pfarrkirche St. Christoph, Modellfoto Südansicht (mit nicht ausgeführtem Glockenturm), Graz-Thondorf, 1962 –1964 Ferdinand Schuster mit Jenö Molnar, Fernheizkraftwerk Graz-Süd, Ansicht von Nordosten auf die Filtergruppe, 1960 –1963

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Friedrich Moser, katholische Pfarrkirche Christus der Auferstandene, Ansicht von Nordwesten, Wagna, 1961–1964 Ansicht von Südosten

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Altarwand Richtung Nordosten Innenraum mit Blick nach Norden Einreichplan, Ansichten Überarbeiteter Einreichplan, Grundriss und Schnitte

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ST 27 ST 28

Hans Ilgerl, Boris Peneff und Wolfgang Walch, Eisstadion Graz-Liebenau, Ansicht von Nordwesten, 1961–1966 Karl Lebwohl, Werkstätte des Wirtschaftsförderungsinstituts, Ansicht von Westen, Graz, 1964 –1967

ST 29 ST 30 ST 31

Eilfried Huth und Günther Domenig, Pädagogische Akademie der Diözese Graz-Seckau, Hofansicht Richtung Westen, 1964 –1969 Wolfgang Kapfhammer und Gerhard Frisee, Landwirtschaftliche Fachschule Stainz, axonometrischer Lageplan, 1966 –1970 Ansicht von Südwesten

ST 30

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Viktor Hufnagl, Hauptschule Weiz, Ansicht von Süden, 1965 –1968 Werkgruppe Graz und Ferdinand Schuster, Schulzentrum KapfenbergWalfersam, Ansicht von Westen, 1967–1979

ST 34 ST 35 ST 36 ST 37

Team A, Bundesschulzentrum Feldbach, Modell, 1972 –1980 Zentrale Erschließungshalle Ansicht von Norden August Kremnitzer, Hauptschule Vorau, Ansicht von Osten, 1970 –1975

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Ferdinand Schuster, Totenhalle Veitsch, Ansicht von Westen, St. Barbara im Mürztal, 1964 –1967 Betonstiege im Inneren Ferdinand Schuster mit Jenö Molnar und Hans Wallner, katholisches Pfarrzentrum Hl. Schutzengel, Ansicht von Süden, Leoben-Hinterberg, 1965 –1967

ST 41 ST 42

Altarbereich bei der Kirchweihe am 10 . 09.1967 Friedrich Moser, katholische Pfarrkirche Hl. Franz Xaver, Ansicht von Südwesten, Lieboch, 1965 –1967

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ST 43 Werkgruppe Graz, Wohnanlage Göss Steigtal, Leoben, 1973 –1981 ST 44 Klaus Kada, Kaufhaus Kada, Leibnitz, 1972 –1973 ST 45 Eilfried Huth mit Herbert Altenbacher, Lüftungsbauten des Plabutschtunnels, Raach bei Graz, 1977–1987

ST 46 ST 47 ST 48 ST 49

Eilfried Huth mit Herbert Altenbacher, Forschungs- und Rechenzentrum der VOEST-Alpine AG, Ansicht von Südwesten, Leoben, 1969 –1973 Fassadendetail Stahlskelett Eilfried Huth mit Armin Royer, Lehrlingszentrum der Handelskammer, Draufsicht von Osten, Graz, 1970 –1973

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Ferdinand Schuster mit Jenö Molnar und Helmut Satzinger, katholisches Seelsorgezentrum St. Paul, Ansicht von Süden, Graz-Waltendorf, 1968 –1970 Innenraum, Blick Richtung Osten Michael Szyszkowitz und Karla Kowalski, Um- und Anbau Schloss, Hauswirtschaftsschule und Internat Großlobming, Ansicht von Nordwesten, Lobmingtal, 1979 –1981

ST 53 Michael Szyszkowitz und Karla Kowalski, Institutsgebäude für Bio­ chemie und Biotechnologie der TU Graz, Ansicht des Westflügels von Osten, 1985 –1991 ST 54 Hauswirtschaftsschule und Internat Großlobming, Detail der Eingangshalle ST 55 Günther Domenig und Hermann Krauss mit Peter Hellweger, Wasserkraftwerk Unzmarkt-Frauenburg, Ansicht von Süden, 1987–1989

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Ferdinand Schuster, katholisches Seelsorgezentrum St. Paul, Eisteichsiedlung Graz-Waltendorf, 1968 –1970

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Niederösterreich (G)raue Zeitgenossen. Brutalistische Infrastrukturbauten

Doris Grandits, Theresa Knosp

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WIFI-Gebäude in St. Pölten (1965 –1972). Das expressive und auch heute noch futuristisch anmutende Lehr- und Werkstättengebäude, das seit 2014 unter Denkmalschutz steht, gilt heute als ArchitekturikoEin Streifzug ne. Für den 1999 abgebrochenen 17-stöckigen Internatsturm kam die Wertschätzung jedoch zu spät. Niederösterreichs Architekturlandschaft lässt sich Mit den Schulbauten in Schwadorf (1969 –1975) schwer zusammenfassen, da sie, nicht zuletzt aufund Felix­dorf (1972 –1974) nach den Plänen von grund der Größe und geografischen Unterschiede Matthias Szauer und Gottfried Fickl, der Volksschule des Landes,1 viele verschiedene Facetten aufweist. in Horn (1976 –1979) von Gerhard Linder und Johann Bautypologische Schwerpunkte sind schon in der BeHaidl oder dem ehemaligen Kindergarten in Wördern nennung der niederösterreichischen Viertel erkenn(1964 –1968) von Anton Schweighofer wurden weibar; die Bezeichnungen Wald-, Wein-, Most- und tere hervorzuhebende Bildungsbauten in NiederösIndustrieviertel stellten bereits in der Monarchie terreich errichtet. Auch im Bereich des Sakralbaus eine Veranschaulichung der vorrangigen Nutzungen entstanden einige Bauwerke von bekannten, aber auch dar. Die Charakterisierung des Baugeschehens erweniger bekannten Architekt:innen. Erwähnenswert weist sich jedoch als wesentlich komplexer. Nachscheinen hier vor allem die Kirche in Möllersdorf dem die Architektur in Niederösterreich lange Zeit (1965 –1967) von Carl Auböck, jene in Böhlerwerk von der Landwirtschaft und bäuerlichen Tradition (1968 –1972) von Rainer Bergmann, Johann (Hans) geprägt war, folgte spätestens mit der Ernennung Hoffmanns Kirche in Jetzelsdorf (1975 –1976), die St. Pöltens zur Landeshauptstadt und der Errichtung Kirche in Winzendorf (1969 –1971) von Karl Mang des neuen Regierungsviertels ab den 1990er-Jahren und Eva Mang-Frimmel sowie die Kirche samt Pfarrgewissermaßen ein Startschuss für eine zu beobachzentrum in Krems (1976 –1980) von Josef Patzelt. tende Trendwende. Während Paul Katzberger NieAuch kleinere Friedhofsbauten wie die Kapelle in derösterreich 1997 etwa noch als „dezentrale, stille Guntramsdorf (1973) von Hans Podivin oder die Weite mit kaum sichtbaren Tendenzen“2 bezeichnete, Aufbahrungshalle in Orth an der Donau (1970) von charakterisierte Walter Zschokke das Baugeschehen Richard Gach zeigen verschiedene architektonische zehn Jahre später bereits als „lebendige zeitgenösAusformulierungen von Sakralräumen im Spektrum sische Architekturlandschaft, deren ansprechende der Sichtbetonbauten. Unter den größeren als bruZahl aktiver Knotenpunkte den Vergleich mit ähnlich talistisch zu betrachtenden Wohnbauten in Niederstrukturierten Regionen nicht zu scheuen braucht“.3 In österreich ist auf die Wohnhausanlage in Purkersdorf verschiedenen Gegenden wurden sowohl unter priva(1972 –1976) von Herbert Prader, Franz Fehringer ter als auch öffentlicher Bauherrschaft ambitionierte und Erich Ott zu verweisen. Vereinzelt entstanden Projekte umgesetzt, bei denen nun nicht mehr vorderauch unter privater Bauherrschaft derartige Wohngründig lokale Akteur:innen zur Planung herangezogen bauten, wie beispielsweise das Haus und Atelier Korab wurden, sondern zunehmend auch Wettbewerbe unter in Sonndorf (1975) von Helmut Christen und Eduard Teilnahme renommierter Architekt:innen stattfanden. Zeleny. Große Namen zeichneten auch für mehrere Die in diesem Beitrag zu betrachtende Zeitspanne, in brutalistische Freizeitbauten verantwortlich, so etwa der die heute als „brutalistisch“ bezeichneten SichtRoland Rainer für das Parkbad Ternitz (1958 –1963), betonbauten entstanden, liegt allerdings deutlich vor Fehringer und Prader für das Schwimmbad in Aschdiesem architektonischen Kurswechsel. Umso spanbach-Markt (1960 –1962) oder Robert Johann Krapnender ist es, die zwischen den 1960er- und 1980erfenbauer für den Aussichtsturm Waitzendorf (1980). Jahren entstandenen „kraftvollen, brachialen Bauten“4 Im Bereich der Geschäfts- und Verwaltungsbauten zu untersuchen. traten, ähnlich wie im benachbarten Burgenland,5 auch Um das heterogene Phänomen des Brutalismus in in Niederösterreich wiederholt Banken als Bauherren der niederösterreichischen Architekturgeschichte vermoderner Sichtbetonbauwerke auf. So entstanden orten zu können, bedarf es eingangs eines Überblicks nach Plänen von Jiri Mesricky eine Filiale der Raiffin den verschiedenen Bauaufgaben : Das zweifellos eisenkasse in Herzogenburg (1976) oder das CA-Verbekannteste unter den brutalistischen Bauwerken Niewaltungsgebäude in Wiener Neustadt (1976 –1978) derösterreichs ist Karl Schwanzers oft thematisiertes

Abwasserversorgung, Energieversorgung etc.) und von Carl Appel.6 Im Sektor der in Niederösterreich soziale Infrastrukturbauten (Schulen, Universitäten, eine wichtige Rolle spielenden Industriebauten sind Krankenhäuser etc.) subsumiert, wobei dieser Beitrag ebenfalls einige solcher Betonbauten zu finden, wobei exemplarisch Verkehrs- und Sicherheitsinfrastrukturhier wohl funktionale Aspekte eine übergeordnete bauten der Bahnhöfe und Feuerwachen thematisiert. Rolle spielen und die Gestaltung nur bedingt als exBahnhofsgebäude spiegeln, so Mihály Kubinszky, „den pressiver Entwurfsgedanke zu werten ist. Fortschritt der Gesellschaft, der Eisenbahn und der Anhand dieser exemplarischen Auflistung lässt Architektur“ wider, indem sie auf „Sitten, Gepflogensich aufzeigen, dass in Niederösterreich durchaus heiten und Methoden, welche einerseits mit der Eisennamhafte Planer:innen qualitätsvolle Gebäude realibahntechnik, andererseits mit dem gesellschaftlichen sierten. Es wird jedoch deutlich, dass sich hier kein roLeben zusammenhängen“, hindeuten.11 Die Bauaufgater Faden, keine geografischen Zentren und auch keine be der Feuerwache kann hingegen als Synthese zwizentralen Schlüsselfiguren manifestierten. Während schen funktionalen und gestalterischen Anforderungen sich im benachbarten Burgenland oder in Salzburg verstanden werden. Im Zuge von Veränderungen des Persönlichkeiten etablieren konnten, deren Schaffen Zuständigkeitsgebiets, etwa durch Stadterweiterunsich in den 1970er- und 1980er-Jahren an internagen oder Gemeindezusammenlegungen, wurden immer tionalen Tendenzen orientierte und sich durch klare wieder neue Feuerwachen erforderlich. In der Restilistische Präferenzen sowie eine starke architekgel folgten die Raumprogramme der Gebäude einem tonische Haltung auszeichnete, ist ein vergleichbares klaren Schema, wobei sie in gestalterischer Hinsicht Phänomen in Niederösterreich nicht erkennbar. Dieser mit expressiver Formensprache oft auch Akzente im Umstand mag zum einen Hintergründe in den oftmals Stadtraum setzten.12 Die ästhetischen Qualitäten von politisch langzeitig stabilen Verhältnissen haben,7 zum technischen Bauten werden laut Martina Griesseranderen vielleicht aber auch darin begründet sein, dass, Stermscheg, Sebastian Hackenschmidt und Stefan wie Zschokke es schildert, Architektur lange primär Oláh jedoch oftmals unterschätzt, da es sich häufig im städtischen Bereich ein Thema war und neue geum eine „sprechende Architektur“ handle, bei welcher stalterische Entwicklungen in ländlichen Gebieten nur die Botschaften über technische Symbole vermittelt verzögert – oder gar keine – Umsetzung fanden.8 Zuwerden.13 „Nicht selten“ seien technische Bauwerke dem hält er fest, reiche die architektonische „Strahljedoch „die Prestigeprojekte einer modernen oder sich kraft einer Stadt“ etwa so weit, wie der „geografische modernisierenden Gesellschaft“.14 Bereich, aus dem jene Architekten ausgesucht werden, die mit der Errichtung wesentlicher öffentlicher und Eine Schutzburg aus Beton : privater Bauwerke beauftragt werden.“9 In NiederDie Feuerwache Stockerau österreich wurde, so scheint es, lange Zeit die Philosophie verfolgt, die Auftragsprojekte unter den an1976 wurde von der im südlichen Weinviertel liegen­ sässigen Architekten möglichst breit zu streuen, womit den Stadtgemeinde Stockerau ein geladener Wettvermieden wurde, dass einzelne Personen aufgrund bewerb für ein neues Gebäude der Freiwilligen Feueinseitiger Auftragsvergabe zu dominanten Playern 15 erwehr unter acht österreichischen Architekten wurden.10 Im Blickpunkt der vorliegenden Untersuausgeschrieben.16 Aus dem Wettbewerb ging der aus chung sollen folglich weder berühmte Planer:innen Klosterneuburg stammende Architekt Bernd Neubauer noch prominente Bauaufgaben stehen; untersucht als Sieger hervor, der das Projekt an der Johann wird vielmehr die oftmals wenig betrachtete ArchiSchidla-Gasse 6 unter Mitarbeit von Herbert Beier tekturtypologie der Infrastrukturbauten. im Zeitraum von zwei Jahren umsetzte.17 Neubauer plante das Gebäude funktional getrennt über „L"-förEin unkonventioneller Fokus migem Grundriss mit einem Verwaltungstrakt in OstWest-Richtung und einem Garagentrakt in Nord-SüdUnter dem Begriff „Infrastrukturbauten“ werden VerRichtung.18 Der Garagentrakt schließt südlich an den kehrsinfrastrukturbauten (Bahnhöfe, Flughäfen, Straßenverkehr, Brücken etc.), weiters Sicherheitsinfrastrukturbauten (Feuerwachen, Polizeistationen, Justiz- und Vollzugsanstalten), technische (Wasser- und

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Haupttrakt an und bildet durch einen Rücksprung auf seiner Längsseite mit acht Toren den Zufahrtsbereich der Fahrzeuge auf die Straße. Durch die Anordnung der beiden Baukörper ergibt sich im hinteren Bereich des Bauplatzes der große Übungshof. Als visuelles Gegengewicht der horizontal organisierten Anlage fungiert der Schlauchturm am hofseitigen Verwaltungstrakt. Gestalterisch entschied sich der Architekt für ein klar strukturiertes Bauvolumen in Sichtbeton, aus dessen grob gegliedertem Fassadensystem sich orange gefasste Tür-, Tor- und Fensterelemente kontrastreich abheben. Im Gebäudevolumen des Verwaltungstrakts tritt das erste Obergeschoss am stärksten in Erscheinung. Durch die Betonträger und deren horizontale Schalungsstöße einerseits und durch das dominante farbige Fensterband andererseits erfährt das erste Obergeschoss optisch eine horizontale Akzentuierung. Der kubische Schlauchturm verleiht der Anlage Fernwirkung, die durch die aktuell am Turmdach montierten Mobilfunk-Sendeanlagen noch gesteigert wird. Im oberen Bereich ist der Turmkörper von einer Art Beton-Manschette umfasst, in der sich bewusst überdimensionierte, orange Belüftungsgitter befinden. Von Norden her betrachtet lässt die Höhenstaffelung der Bauteile sowie deren plastische Ausformulierung das Bauwerk beinahe als skulpturales Element erscheinen. Die Konstruktionsweise des Hauptgebäudes ist an der Fassade abzulesen. Der Verwaltungstrakt wurde mit einem Stützenraster von 3,60 X 3,60 Meter errichtet.19 Die Träger der Geschossplatten ragen über die Fassadenebene hervor; auf ihnen liegen die Parapete respektive die Attikaelemente auf. Die skulpturale Wirkung der Betonfassade wird durch längliche Vertiefungen in den Fassadenplatten gesteigert, die der Oberfläche durch das Spiel mit Licht und Schatten zusätzliche Struktur verleihen. Beim Garagentrakt wird eine entsprechende Konstruktionsweise angewendet : Hier treten sowohl die Stützen als auch die Träger aus der Fassade hervor, wobei die Träger als Gestaltungsmittel im Bereich der Fassade vergrößert ausgeführt sind und somit einen optischen Fokus auf den konstruktiven Knotenpunkt des Auflagers legen. In den Innenräumen lässt sich die Entstehungszeit anhand des orangen Mobiliars erahnen. Die Ursprünge der gestalterischen Konzeption für Stockerau sind in Neubauers architektonischem Werdegang zu begründen. Bereits während seines Architekturstudiums an der Technischen Hochschule Wien

sowie in den auf seinen Abschluss folgenden Jahren war Neubauer im Büro von Georg Lippert beschäftigt, wo er etwa an Projekten wie dem Dr. Adolf SchärfStudentenheim (1963 –1964) oder dem IBM-Zentrum an der Oberen Donaustraße (1967 –1969) in Wien beteiligt war. Im Zuge der Mitarbeit an diesen ersten großen Projekten kam Neubauer mit der Umsetzung von Sichtbetonoberflächen und den – wie er es schildert – dazugehörigen Diskussionen über gestalterische Entscheidungen in Berührung.20 1972 wechselte er in das Büro von Gottfried Fickl in Wien.21 Über Fickl, den Neubauer als „immens beeindruckende Persönlichkeit“, als „Ur-Viech“ und „Elementarereignis“ beschreibt, kam er schließlich mit den brutalistischen Bauten des Burgendlands in Berührung. Mit der Bauaufsicht beim Projekt der Volksschule in Felixdorf, die von Fickl und Szauer geplant wurde, sowie der Mitarbeit bei den Seeappartements in Purbach (1971–1973) war Neubauer an der Realisierung zweier brutalistischer Projekte beteiligt.22 Fickls Credo, das die zeitgeistigen Bauten charakterisierte, lautete „keine Angst vor Dimensionen“, was sich auf das Verständnis des gesamten Bauwerks als skulpturales Gestaltungselement bezieht. Die Dimension einschließlich der Details, die beim Zeichnen eines Plans als ausgewogen empfunden wird, müsse schließlich in derselben Proportion umgesetzt werden : „Das Haus, das musst du spüren“.23 Neubauers Gestaltung der Stockerauer Feuerwache kann durchaus als Umsetzung dieser Gestaltungsprinzipien Fickls betrachtet werden. Über zwei Jahrzehnte hinweg galt das Gebäude als eines der modernsten Feuerwehrhäuser Österreichs. Immer wieder kamen Planer:innen und interessierte Kolleg:innen nach Stockerau, um die Architektur des Hauses zu besichtigen und die Funktionsabläufe nachzuvollziehen.24 Diese positive Rezeption ist nicht zuletzt der ausgesprochen guten Planungszusammenarbeit des Architekten mit den künftigen Nutzer:innen, den Feuerwehrleuten vor Ort, zu verdanken. Gemeinsam wurde ein innovatives Konzept für die Raumabfolge und somit für die optimale Nutzung des Gebäudes geschaffen, das Neubauer in seinem Entwurf umsetzen konnte.25 In einer Projektmappe zum Bauabschluss hielt Neubauer fest : „Anläßlich zahlreicher Besuche durch einschlägige Fachleute der Feuerwehr konnte die vorbildliche Funktion und Gestaltungsqualität bestätigt werden. Das Gebäude kann als spezifisches Beispiel zur Optimierung der Funktion auf dem Fachgebiet der Feuerwehr angesehen werden.“26 Heute,

wurde zwischen 1968 und 1999 in fünf Bauabschnit44 Jahre nach seiner Eröffnung, ist das Feuerwehrten errichtet, wobei die ersten vier von der Werkgebäude nicht nur weitgehend unverändert in Betrieb, gruppe Graz umgesetzt wurden.33 Der dreigeschossige die Nutzer:innen sind darüber hinaus auch nach wie Bau der ersten Bauphase erstreckt sich „L"-förmig mit vor von der Konzeption überzeugt : „Das Haus beeinem Verwaltungstrakt entlang der Keplerstraße und steht zu 90 % in der Form, in der es errichtet wurde. einer Wagenhalle samt Mannschaftsräumen, die auf Würden wir es heute neu errichten, würden wir es den Lendplatz ausgerichtet sind. Architektonisch wurwahrscheinlich genau so noch einmal bauen“,27 so der de neben den beiden auskragenden Obergeschossen Feuerwehrkommandant in Stockerau, Wilfried Kargl. oberhalb der Garage insbesondere die MeldezentraDie gestalterische Intention eines Architekten le, die sich am Eck des Gebäudevolumens befindet, konnte Neubauer zufolge bei öffentlichen Bauten plastisch hervorgehoben. Am Ende der Wagenhalle oftmals viel unmittelbarer als bei privaten Aufträgen stellte der Schlauchturm einen optischen Kontrapunkt umgesetzt werden. So war er beim Entwurf der Feuerdes Baues dar. Bei einer nachträglichen Aufstockung wehr in Stockerau an keinerlei formale Vorgaben aus des Bauteils wurde auch der bestehende Baukörper dem Wettbewerb gebunden und konnte, wie er selbst von einem Glaskubus ummantelt und somit das Erschildert, nach seinem „persönlichen Geschmack“ scheinungsbild stark verändert. Zusätzlich wurde die entscheiden. Gerade deshalb erscheint es umso beAnlage um eine Halle in Leichtbauweise sowie einen merkenswerter, dass ohne Gestaltungsvorgaben im weiteren Komplex, der durch eine Brückenverbindung Wettbewerb gleich mehrere eingereichte Projekte eine im Obergeschoss mit dem Mannschaftstrakt verbunähnliche Formensprache aufwiesen. Obwohl sich die den ist, erweitert.34 Pläne der Konkurrenzbeiträge nicht erhalten haben,28 Im Unterschied zur Feuerwache in Stockerau belässt sich anhand des Juryprotokolls festhalten, dass steht jene in Graz aus verschiedenen Gebäudeteilen, beispielsweise der Entwurf von Herbert Lentsch ein die ein weitaus breiteres Raumprogramm abdecken Bauvolumen mit „starker Gliederung der Fassade“29 und die unterschiedlichen Bauphasen anhand des vorsah. Auch beim Beitrag von Anton Lenhardt war inhomogenen Gebäudekomplexes ablesen lassen. In eine für den Brutalismus typische gestalterische Inder gewachsenen Struktur kann keine direkte Vorszenierung der Konstruktion vorgesehen. Diese Entbildwirkung für den Stockerauer Entwurf gesehen wurfsparallelen legen die Vermutung nahe, dass der werden, jedoch war in raumkonzeptioneller Hinsicht Brutalismus, der in Niederösterreich kein breit aufdas Nachvollziehen der Funktionsabläufe durchaus tretendes Phänomen, sondern vielmehr eine schmale, von Interesse für Neubauers Entwurf.35 Als Sichtbezeitgeistige Entwurfsschiene darstellt, für eine dertonbau spielt der Hauptgebäudeteil der Werkgruppe artige Bauaufgabe durchaus als geeignet angesehen Graz, wenn auch in einer ganz anderen Formensprache worden war. „Eine Feuerwehr ist ein Gebäude, das ein ausgeführt, ästhetisch eine gewisse Vorläuferrolle. bisschen Schutz und Trutz symbolisieren soll“, gewisAbseits der bewusst von Neubauer rezipierten sermaßen eine „Schutzburg aus Beton“, so Neubauer.30 Referenzbauten lassen sich interessanterweise auch an internationalen Beispielen Ähnlichkeiten mit der Von Referenz und Präferenz Feuerwache in Stockerau aufzeigen. So weist die Hauptfeuerwache Augsburg von Willi Pröll und Erwin Im Zuge seines Entwurfes für Stockerau beschäftigte C. Müller (1972 –1975), die Neubauer nach eigener sich Neubauer mit einer Reihe von FeuerwehrgebäuAussage nicht kannte, in der Gesamtkomposition und den.31 Von Auftraggeberseite wurden zwei Referenzder Formensprache deutliche Parallelen zum Bau in bauten ausgewählt, die gemeinsam mit dem ArchitekStockerau auf.36 In beiden Fällen sind der Verwaltungsten besichtigt wurden : die Hauptfeuerwache in Graz und der Einsatzbereich „L"-förmig als separate Trak(1968 –1999) sowie das Gebäude der Freiwilligen te um einen großen Übungshof angeordnet und das Feuerwehr in Mürzzuschlag (1962 –1963).32 Auch Erscheinungsbild wird von der rasterartigen Struktur wenn diese beiden Feuerwachen in ihrer architekaus verschiedenen Sichtbetonelementen geprägt.37 tonischen Konzeption per se nicht als Vorläufer für Stockerau angesehen werden können, ist insbesondere ein kurzer Blick auf das Bauwerk in Graz lohnenswert: Der Gebäudekomplex der Grazer Hauptfeuerwache

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Das Gebäudevolumen bei Neubauer ist stärker gegliedert; durch Vor- und Rücksprünge der Geschosse sowie unterschiedliche Trakthöhen wird insgesamt ein belebteres, skulpturaleres Erscheinungsbild erreicht als in Augsburg. In der Strukturierung der Oberflächen wiederum ist die Feuerwache Augsburg kleinteiliger und filigraner ausgeführt. Die reliefartige Gestaltung der Oberfläche in Stockerau passiert in der Fassadenebene, während in Augsburg horizontale Beschattungs- und Brüstungselemente als Gestaltungsmittel von der Fassade abrücken und eine Ebene weiter nach vorne treten. Gemeinsam ist beiden Fassaden in jedem Fall die Strukturierung mittels verschiedener Betonelemente sowie die dadurch erzeugte horizontale Wirkung, die durch die Fensterbänder nochmals verstärkt wird. Andere Vergleichsbeispiele stellen die Feuerwachen in Bremerhaven (1983)38, in Marl (1983) oder die Bethnal Green Fire Station des GLC’s Department of Architecture and Civic Design (1967–1968) in London dar. Sie zeigen, dass die Bauaufgabe bei vergleichbaren architektonischen Prinzipien – nämlich dem Heranziehen von Sichtbeton und der bewussten Inszenierung konstruktiver Elemente – dennoch unterschiedliche gestalterische Möglichkeiten zulässt.39 Dass unter dieser Kategorie von Bauwerken wiederholt Gebäude in Sichtbeton entstehen, kann wiederum mit dem damaligen Zeitgeist begründet werden. Zudem lässt sich aus der Reihe an vergleichbaren Bauten der Schluss ziehen, dass die Typologie der Infrastrukturbauten eine geeignete Bühne für die Anwendung dieser architektonischen Formensprache bietet, da sich hier in besonderem Maße Funktion und Ästhetik miteinander verbinden lassen : Gestaltung sowie Dimensionierung erfolgen nicht zum reinen Selbstzweck, sondern lassen sich mit funktionalen Aspekten verschränken. So wird beispielsweise aus den Lüftungsgittern am Schlauchturm in Stockerau die den Turm charakterisierende Manschette oder aus der kubisch zergliederten Dachlandschaft der Feuerwache Augsburg eine Reihe von Übungsboxen. Der multifunktionale Turm erfüllt ebenso praktische Zwecke – die Lagerung und Trocknung der Schläuche – und ermöglicht zugleich auch verschiedenste Übungs- und Trainingssituationen. Gleichsam kann er zu einem skulptural aufgefassten Element des Gebäudevolumens wie auch zu einer die Umgebung prägenden Landmark und somit zum Ausdruck der Funktionsästhetik der brutalistischen Feuerwachen werden.

Die Gestaltung hat auf die Gegeben­ heiten zu antworten : Die ehemalige Feuerwache in Schwadorf Kurz nach Fertigstellung der Feuerwache in Stockerau entstand im 50 Kilometer entfernten Schwadorf ebenfalls eine Wache in Sichtbeton für die Freiwillige Feuerwehr (1976 –1979).40 Die in Schwechat ansässigen Architekten Josef Hums und Alois Seliger erhielten einen direkten Planungsauftrag.41 Das verhältnismäßig kleine, als „Feuerwehrdepot“42 eingereichte Gebäude an der Oberen Umfahrungsstraße 18 sprach eine ganz andere Architektursprache als die bisher betrachteten Beispiele. Das Feuerwehrhaus, das 2016 zu einem Appartementkomplex umgebaut und dabei bis zur Unkenntlichkeit verändert wurde, setzte sich ursprünglich aus vier zueinander parallel verschobenen Garagenboxen, einem Verwaltungs- bzw. Aufenthaltsbauteil sowie einem rückwärtig gelegenen, schlanken Schlauchturm zusammen. Sheddächer, die auf den vier Garagenboxen in die eine und auf dem Verwaltungsteil in die andere Richtung geneigt waren, bildeten als markante Dachform das Hauptcharakteristikum des Entwurfs. Die straßenseitige Hauptfassade war durch die zueinander versetzten Volumina der Garagen abgetreppt, an der Gebäuderückseite war der Bau durch einen flach gedeckten Bereich, in dem Werkstatt-, Garderoben- und Schlauchräume untergebracht waren, mit einer geraden Gebäudekante abgeschlossen. Die Sichtbetonoberflächen an den Seitenflächen der Sheddächer sowie an den Fassaden des Aufenthaltstrakts kontrastierten mit weiß-roten Garagentoren und rot gefassten Fenster- und Türrahmen. Josef Hums war bereits während seines Studiums als Karl Schwanzers Assistent an der TH Wien angestellt sowie in dessen Büro tätig.43 Während dieser Zeit bei Schwanzer war er in die Realisierungen des WIFI-Gebäudes in St. Pölten, des BMW-Verwaltungsgebäudes in München (1968 –1973) und des Unfallkrankenhauses in Graz (1974 –1981) maßgeblich eingebunden.44 1972 gründete Hums sein eigenes Büro in Schwechat, das er zwischen 1974 und 1982 gemeinsam mit Alois Seliger führte. Das Büro brachte neben der Feuerwache in Schwadorf mit dem Kindergarten in Gramatneusiedl (1974) und dem Stadion in Schwechat (1980) noch zwei weitere Bauten in Sichtbetonbauweise hervor.45 Wenngleich Hums’ Entwürfe in ihrer Formensprache deutlich reduzierter ausfielen als jene von Schwanzer, so ist dennoch augenschein-

„Vorbildliche Bauwerke“ des Landes Niederösterreich lich, dass sein Baustil stark von Schwanzer geprägt nichts änderte.53 Der Umstand, dass brutalistische wurde.46 Als charakteristisch gestaltete, prägnant geBauten oft keinen Anklang in der Bevölkerung fanformte Baukörper mit roher Oberfläche stellen diese den und bald auch von Bauherr:innen nicht mehr geBauten wichtige Meilensteine in Hums’ Schaffen dar. wünscht waren, bewog Hums zu einer WeiterentwickDass in seinem Œuvre dennoch nur punktuell als brulung seiner Entwurfsprinzipien, wobei er den Einsatz talistisch anzusehende Bauten zu finden sind, ist durch von klaren Formen weiterhin beibehielt.54 seine architektonische Haltung zu begründen : „Die Gestaltung ist mit der Sprache vergleichbar“, schilDie Kraft der Geometrie in Beton derte Hums seine Arbeit. „Ein Mensch, der sich in bannen : Der Bahnhof Stockerau jeder Situation am lautesten äußert, wird fallweise unangenehm auffallen. Die Gestaltung hat daher auf Die meisten Bahnhofsbauten in Niederösterreich die Gegebenheiten zu antworten. Die Stärke des Ausstammen noch aus dem 19. Jahrhundert, der Errichdrucks ist individuell auf die Aufgabe abzustimmen.“47 tungszeit der Bahnstrecken.55 In Stockerau wurde So entschieden sich Hums und Seliger bei der Aus1981 eines der wenigen neuen Empfangsgebäude erführung des Stadions und der Feuerwache für eine öffnet, wobei sich das expressive Aufnahmegebäude expressive Gestaltung in Sichtbeton. am Bahnhofplatz 4 nur wenige Straßen südlich der Zentrale Aspekte, welche Hums’ Entwürfe allgeFeuerwache von Neubauer befindet. Der Vorgängermein bestimmen, sind Klarheit der Form bei gleichzeibau stammte aus den 1840er-Jahren, als Stockerau tiger Umsetzung eines bestimmenden Entwurfsmotivs. an die Nordwestbahn angeschlossen wurde.56 AufWährend die Grundrissorganisation der Feuerwache grund seines schlechten Zustandes musste dieser abin Schwadorf naturgemäß eine Optimierung der Abgebrochen und ein neues, den Betriebserfordernissen läufe zum Ziel hatte, löste sich die Außenerscheinung und öffentlichen Interessen gerecht werdendes Gevon der schlichten Zweckmäßigkeit eines Nutzbaus bäude errichtet werden.57 Als der Neubau Ende der und verlieh dem Gebäude durch die Inszenierung der 1970er-Jahre geplant wurde, war das Ziel der BundesDachlandschaft einen starken Ausdruck. Die Volumina bahndirektion für das Verkehrsgebäude, so Theresia blieben in sich jedoch klar gegliedert und die OberfläHauenfels und Elke Krasny, „die Kraft der Geometrie in chen unstrukturiert. Einer Baubeschreibung von Hums Beton zu bannen“.58 Der Entwurf ist keiner konkreten für die Schwadorfer Feuerwache ist zu entnehmen, Person zugeschrieben, laut Unterlagen im Bauakt trat dass die tragenden Wände entgegen der Ausführung die Bundesbahndirektion Wien als Planerin auf.59 ursprünglich aus 30 Zentimeter dickem HohlblockDas Bauwerk ist über einem rechteckigen, lang mauerwerk mit Stahlbetondecken geplant waren.48 Aus gestreckten Grundriss entlang der Bahngleise angewelchen Gründen letztlich eine Betonkonstruktion gelegt, wobei mehrere Vor- und Rücksprünge an den wählt wurde, geht aus den Unterlagen nicht hervor.49 beiden Längsseiten das Gebäudevolumen strukturieEin Aspekt, der bei der Änderung in der Umsetzung ren. Dem an sich eingeschossigen Baukörper ist im eine Rolle gespielt haben dürfte, ist die unmittelbamittleren Bereich ein Obergeschoss aufgesetzt und re Nachbarschaft zur im Jahr davor fertiggestellten sämtliche Dächer wurden als Flachdachkonstruktion Hauptschule (1969 –1975, heute Europa-Mittelschuausgeführt. Im vorderen Teil des Bahnhofs befindet le) samt Hallenbad von Fickl und Szauer. Eine gestalsich der Stiegenabgang zum Personentunnel, der zu terische Annäherung an dieses brutalistische Gebäude den Gleisen führt. dürfte auch von der Gemeinde gewünscht worden Mit der Errichtung von Gebäuden aus vorgefertigsein.50 Wie die Niederösterreichischen Nachrichten ten Bauteilen wurde bis in die 1980er-Jahre versucht, berichteten, „unternahm man beim Feuerwehrdepot eine rasche, dauerhafte und ästhetische Bauweise in Schwadorf den Versuch, nicht nur auf die Funktion für Großbauten und sozialstaatliche Bauaufgaben zu zu schauen, sondern dem Bau auch Ensemblewirkung schaffen.60 So wurde der Bahnhof, im Unterschied zukommen zu lassen. Er fügt sich nun harmonisch in zur Feuerwache in Stockerau, bereits überwiegend in das Gesamtbild des Ortes ein (Europaschule, Bad)“.51 Von der Bevölkerung wurde dieses Ensemble jedoch als Fremdkörper empfunden,52 woran auch die Auszeichnung der Feuerwache im Rahmen der Aktion

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Gesamterscheinungsbild der Stationsanlage beitragen. Betonfertigteilbauweise errichtet. Im Gegensatz zur Sowohl Bahnhöfe als auch Feuerwachen werden häufig horizontal gegliederten Fassade der Feuerwache finals sich überwiegend horizontal erstreckende Bauden sich bei der Fassade des Aufnahmegebäudes einikörper konzipiert, was in ihrer Funktion begründet ge Gestaltungsmittel, die den breit gelagerten, flachen liegt. Bei den Feuerwachen zeigt sich jedoch durch Baukörper vertikal auflockern.61 Die vorproduzierten den Kontrapunkt des Schlauchturms bei allen EntWandscheiben der Fassaden wurden so geschalt, dass würfen ein zusätzliches vertikales Charakteristikum. sich in den Oberflächen ein geometrisches Relief aus Der Turm kann wiederum als archetypisches Symbol senkrechten Elementen ergibt, welches der Fassafür Macht und Ordnung gelesen werden und stellt de Struktur verleiht. Die wahrscheinlich auffälligste hierbei eine Parallele zu anderen Bauaufgaben, von Parallele zur Feuerwache besteht in der GegenüberKirch- bis hin zu Rathaus- oder Uhrtürmen, dar. Die stellung von Sichtbeton und einem kontrastierenden bei größeren Bahnhöfen oft zur Orientierung und Farbton in der Gestaltung. Was bei der Feuerwache Signalwirkung errichteten Uhrtürme wurden bei den in Orange ausgeführt wurde, erhält hier einen kräftig kleinen niederösterreichischen Stationsbauten nicht roten Anstrich. Die farbigen Fensterrahmen und Türen eingeplant. Hier erfolgt die optische Auflockerung der sowie die Treppengeländer der Außenstiegen oder die Horizontalität lediglich über die Staffelung des VoluAttikaverblechungen geben dem Gebäude eine schon mens. Die Kombination der rauen, grauen Oberfläche von Weitem sichtbare Signalwirkung.62 Als größtes mit einer als Kontrapunkt gesetzten Signalfarbe, meist und weitgehend erhaltenes Aufnahmegebäude der rot und orange, scheint die Mode der Zeit gewesen zu 1970er- und 1980er-Jahre in Niederösterreich kann sein. Ihre unterschiedlich gestalteten Oberflächen und der Bahnhof in Stockerau als wichtiges Beispiel des prägnanten Farbdetails verleihen den Gebäuden der Brutalismus angesehen werden. Bahnhöfe – ebenso den Feuerwachen – bis heute eine Das rund fünf Jahre früher entstandene Aufnahspezifische Ästhetik, die sie aus der Masse hervorhebt. megebäude am Bahnhof in Bruck an der Leitha weist eine formale Verwandtschaft mit jenem in Stockerau Unterm Strich auf. 1977 eröffnet,63 zeigt der Bahnhofsbau mit seinen Vor- und Rücksprüngen der Fassade und dem gestafAus der Gegenüberstellung verschiedener Feuerwafelten Baukörper eine vergleichbare Ästhetik. Die Faschen aus dem Zeitraum der 1960er- bis 1980er-Jahre sadenflächen zwischen den konstruktiven Elementen geht hervor, dass diese funktional und „modern“ gesind mit Waschbetonplatten verkleidet.64 Beim Hauptplanten Bauten gestalterisch Teil eines länderübergreieingang, der im zweigeschossigen Teil im südlichen fenden Trends waren – nämlich technische InfrastrukBereich des Gebäudes liegt, kragen die Träger des turbauten dem wehrhaften Charakter entsprechend Obergeschosses über die Gebäudeflucht hervor und brutalistisch zu gestalten. Durch eine Verschränkung tragen ein Vordach. Im Gegensatz zu Stockerau wird von Zweckmäßigkeit, massiver Erscheinung und arin Bruck dieses System an der rückwärtigen Fassade chitektonischer Prägnanz bietet der Brutalismus die auch zur Überdachung des Gleisbereichs angewandt. Möglichkeit, eine spezifische Funktionsästhetik umzuAuch im Umland von Wien ist mit der Schnellbahnsetzen. So entstanden nicht nur Feuerwachen, sondern station in Atzgersdorf ein Verkehrsbau zu finden, bei auch Bahnhöfe, die sich durch ihre Fertigteilbauweise dem sich Analogien zum Bahnhof in Stockerau aufeinerseits moderner Produktionsmethoden bedienen, zeigen lassen.65 Durch das abfallende Gelände ist in andererseits aber mit verhältnismäßig geringem bauAtzgersdorf nur im nördlichen Teil unterhalb der Gleise lichen Gestaltungsaufwand eine zeitgeistige Ästhetik eine Wartehalle samt Nebenräumen untergebracht. widerspiegeln. Über die gesamte Stationslänge wird die Fassade auf In Niederösterreich zeigt sich, dass die heute als Straßenebene durch massive Betonwände gebildet, brutalistisch bezeichnete Architektur nur punktuell im Gleisbereich des ersten Obergeschosses fungieren eingesetzt wurde. Einige der Bauten stammen von in Strukturplatten aus Beton als Begrenzung zum Außenanderen Bundesländern ansässigen Architekten, die für raum. Wie beim Stockerauer Bahnhof besitzen auch diese Formensprache bereits andernorts Beachtung hier die Fassadenplatten eine Oberflächenstruktur aus erfuhren, das Bundesland selbst brachte keine einvertikalem Betonrelief, die in Kombination mit den zelnen Schlüsselfiguren hervor. Die hier behandelten orangen Fenstern und Dachelementen erheblich zum

Definition war zur Entstehungszeit nicht gegeben. niederösterreichischen Architekten stammten in ihrer Vielmehr entwickelte sich aus den verschiedenen architektonischen Laufbahn jedoch aus dem Umfeld architektonischen Lösungen eine Art Vokabular aus ebensolcher prominenter Akteure : über Josef Hums architektonischen Elementen, welches sich in unterkamen Einflüsse von Karl Schwanzer nach Schwadorf; schiedlichen Nuancen, an verschiedenen Bautypen Bernd Neubauer wurde bei seinem Entwurf zur Feuerund Orten anwenden ließ. Das so entstandene Reperwache für Stockerau maßgeblich von Gottfried Fickl toire ist über die Bauaufgaben hinweg zu verfolgen und und Matthias Szauer und deren Schaffen im Burgenetablierte sich über einen gewissen Zeitraum – unabland geprägt. Wenn Paul Katzberger schreibt, dass in hängig von einzelnen Planer:innen und Landesgrenzen. Niederösterreich „kaum jemand […] in einem Diskurs Um diese architektonische Entwicklung zu beschreiben, mit anderen des Landes“66 steht, dann trifft das nicht wurde erst rückwirkend eine Begrifflichkeit angewandt, zwingend auf den Brutalismus zu – denn, wie hier darwelche den heterogenen Entstehungskontext der (Begestellt, fand durchaus ein Austausch mit anderen ton-)Bauten zu erfassen versucht. Es mag an dieser Bundesländern statt. schwer nachzuzeichnenden Entwicklung liegen, dass Zugleich wird an den betrachteten Bahnhofsgeder Brutalismus seinen Weg in den Mainstream der bäuden deutlich, dass brutalistische Entwürfe nicht Architekturgeschichtsschreibung in Niederösterreich zwangsläufig von in dieser formalen Richtung geprägbislang nicht gefunden hat. Eine vertiefte Auseinanten Architekt:innen stammen müssen, sondern diese dersetzung mit der zeitgenössischen Fachpresse verBauweise vielmehr als zeittypische Mode auch von deutlicht zudem, dass heute dem Brutalismus zugegroßen Institutionen wie der Bundesbahndirektion schriebene, in Niederösterreich entstandene Gebäude herangezogen wurde, um moderne Nutzbauten zu selbst bauzeitlich eher spärlich publiziert wurden. Groerrichten.67 ße Projekte, wie etwa Schwanzers WIFI oder einzelne Zur Errichtung von öffentlichen Bauten wurden Sakralbauten, wurden zwar thematisiert, viele andere Wettbewerbe ausgeschrieben, wie etwa beim WIFI Bauten fanden wenig bis überhaupt keine Erwähnung. in St. Pölten, der Volksschule in Felixdorf oder der Die Auswahl der präsentierten Objekte veranFeuerwehr in Stockerau. Dass die jeweiligen brutalistischaulicht schließlich den unterschiedlichen Umgang schen Entwürfe letztlich ausgewählt wurden, kann also mit brutalistischen Gebäuden in Niederösterreich : durchaus als Bekenntnis zu einer derartigen ArchiWährend die Feuerwehr in Stockerau noch beinahe tektursprache verstanden werden. Zudem wurden die vollständig in ihrer Ursprungsform erhalten ist, wurde besprochenen Beispiele wiederholt in Nachbarschaft der Bahnhof Stockerau als Verkehrsinfrastrukturbau zu anderen brutalistischen Bauten errichtet. So entden aktuellen Gegebenheiten und Nutzungserforderstanden in Stockerau mit der Feuerwache und dem nissen angepasst. Die Feuerwehr in Schwadorf hinAufnahmegebäude des Bahnhofs sowie in Schwadorf gegen wurde, nach Änderung der Nutzung, massiv mit der Feuerwache und der Hauptschule jeweils zwei überformt, sodass sich die Entwurfsgedanken Hums’ brutalistische (Infrastruktur-)Bauten in einer Gemeinund Seligers heute nicht mehr erkennen lassen. Dass de, bei denen, wie am Beispiel Schwadorf aufgezeigt, die Feuerwehrleute in Stockerau auch heute nichts Korrelationen zu beobachten sind. Eine aufgeschlosam Gebäude ändern würden – außer eventuell die sene Haltung der Gemeinden gegenüber den neuen orangen Innentüren zu ersetzen68 – zeugt nicht nur Architekturformen dürfte damals für die Entstehung von der Qualität, sondern auch von der Wertschätzung der Bauwerke nicht unwesentlich gewesen sein und gegenüber dem Bau.69 Die hier punktuell beforschspricht für einen gewissen Fortschrittsglauben der Zeit ten Bauwerke70 stehen sinnbildlich dafür, dass gerade auch auf kommunaler Ebene. unter bisher wenig beachteten Bauaufgaben wie jenen Das Bundesland Niederösterreich zeigt sich als der Infrastrukturbauten durchaus Gebäude zu finden eine Art Schmelztiegel, in welchem nationale und insind, deren Qualitäten erkannt und deren Mehrwert ternationale zeitgenössische Entwicklungen punktuell ihrer Erhaltung erst bewusst gemacht werden müssen.71 verarbeitet wurden. Das Phänomen des Brutalismus lässt sich dabei nicht zu einem Stil zusammenfassen, welcher durch Protagonist:innen etabliert wurde oder als Bewegung klar absteckbar wäre – eine stilistische Zusammengehörigkeit oder gar eine begriffliche

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1 Von den nördlichen Kalkalpen bis hin zum Wiener Becken weist Niederösterreich schon alleine topografisch eine große Vielfalt auf. Zudem zeugt die über Jahrhunderte entstandene Kulturlandschaft von einer regen landwirtschaftlichen Nutzung und kulturellen Geschichte. Genauso unterschiedlich gestaltet sich auch die Architektur des Landes. Traditionelle Dorf- und Siedlungsstrukturen, verschiedene Gewerbeund Industriezonen, landwirtschaftliche Betriebe oder die hohe Dichte an Einfamilienhäusern, um nur einige Aspekte zu nennen, prägen das architektonische Bild. 2 Paul Katzberger: „Gibt es ein Leben in der Wüste?“. ORTE – Zum Beginn, in: Walter Zschokke: Architektur in Niederösterreich 1986 –1997. BaselBoston-Berlin 1997, S. 8. 3 Walter Zschokke, Marcus Nitschke (Hg.): Architektur in Niederösterreich 1997–2007, Bd. 2.1. Wien 2007, S. 9. 4 Vgl. Isabella Marboe: Vergessene Alternativen. Bernhard Dankinger über Strukturalismus und Brutalismus, Wien 2019, in: https://www.architekturaktuell.at/news/vergessene-alternativen (Zugriff: 21.04.2022). 5 Vgl. Johann Gallis, Albert Kirchengast: Kleinstädtisch urban. Frankfurt am Main 2020, in: https://www.moderne-regional. de/tag/herwig-udo-graf / (Zugriff: 21.04.2022). 6 Basierend auf den Rechercheergebnissen des Forschungsprojektes AFNÖ (Architekturführer Niederösterreich), sämtliche Informationen wurden der digitalen Projektdatenbank entnommen, TU Wien 2022. 7 Zschokke 1997, S. 228. 8 Ebd., S. 228. 9 Zschokke, Nitschke 2007, S. 9. 10 Gespräch mit Bernd Neubauer, 17. Dezember 2021 in Klosterneuburg. 11 Mihály Kubinszky: Bahnhöfe in Österreich. Architektur und Geschichte. Wien 1986, S. 7. 12 Vgl. Barbara Feller, Maria Welzig: Vom Nutzen der Architektur. Service Bauten Wien. Wien 2006, S. 49. 13 Vgl. Martina Griesser-Stermscheg, Sebastian Hackenschmidt, Stefan Oláh (Hg.): Bunt, sozial, brutal. Architektur der 1970er-Jahre in Österreich. Salzburg 2019, S. 13. 14 Ebd., S. 13. 15 Vgl. Gemeinderatsbeschluss vom 3. November 1975, Bauakt am Bauamt Stockerau. 16 Interessanterweise waren alle der Teilnehmer in Wien oder Korneuburg ansässig: Friedrich Göbl, Hans Krebitz, Anton Lenhardt, Erich Majores und Bernd Neubauer aus Wien und Friedrich Kuchler, Alfred Bastl und Herbert

Lentsch aus Korneuburg. Vgl. Wettbewerbsunterlagen, Raumprogramm der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Stockerau, erstellt im Juli 1974, Bauakt am Bauamt Stockerau und Gespräch mit Bernd Neubauer, 17. Dezember 2021 in Klosterneuburg. Siehe auch: Theresia Hauenfels, Elke Krasny, Andrea Nussbaum: Architekturlandschaft Niederösterreich, Weinviertel . Wien-New York 2013, S. 76. 17 Vgl. Architektur aktuell, 1979, Heft 71, S. 40. Siehe auch: Walter Laggner (Hg.): Zeitgenössische Baukunst in Österreich, Band II. Graz 1982, S. 284. 18 Aufgrund der immer größer werdenden Einsatzfahrzeuge reichte die Kapazität jedoch im Laufe der Zeit nicht mehr aus, weshalb der Bestandsbau 2003 an der Ostseite durch eine neue Einstellund Lagerhalle zu einem „U"-förmigen Volumen erweitert wurde. 19 Vgl. Bauakt am Bauamt Stockerau. Siehe auch: Architektur aktuell, 1979, Heft 71, S. 40. 20 Gespräch mit Bernd Neubauer, 17. Dezember 2021 in Klosterneuburg. 21 Die offizielle Anstellung erfolgte aus administrativen Gründen jedoch über das Büro von Matthias Szauer in Eisenstadt. Vgl. Gespräch mit Bernd Neubauer, 17. Dezember 2021 in Klosterneuburg. 22 Ebd. 23 Gottfried Fickl, zitiert nach Bernd Neubauer, ebd. 24 Gespräch mit Feuerwehrkommandant Wilfried Kargl, 13. Jänner 2022 in Stockerau. Siehe auch: Hauenfels, Krasny, Nussbaum 2013, S. 76. 25 Gespräch mit Feuerwehrkommandant Wilfried Kargl, ebd. 26 Bernd Neubauer: Projekt-Übersichtsmappe anlässlich des Projektabschlusses des Feuerwehrbaus, Oktober 1979, Bauakt am Bauamt Stockerau. 27 Gespräch mit Feuerwehrkommandant Wilfried Kargl, 13. Jänner 2022 in Stockerau. 28 Diese waren weder im Stadtarchiv Stockerau noch auf der Bauabteilung oder im Archiv der Feuerwehr Stockerau auffindbar. 29 Juryprotokoll, Prämierung der Wettbewerbsbeiträge, 29. Juni 1976, Bauakt am Bauamt Stockerau. 30 Gespräch mit Bernd Neubauer, 17. Dezember 2021 in Klosterneuburg. 31 Neben der Feuerwache Amstetten (Rudolf Münch, 1976) besuchte er die 1973 eröffnete Feuerwehr- und Zivilschutzschule Steiermark in Lebring-St. Margarethen, die zur Errichtungszeit als Vorzeigeprojekt im deutschsprachigen Raum angesehen wurde. Als Ausbildungszentrum für den gesamten Katastrophenschutz

stellte die Anlage wohl keine direkte Referenz für die Funktionsabläufe oder Raumkonzeption in Stockerau dar, jedoch lässt sich durch den Einsatz von Sichtbeton im Bereich der Garagen und des Schlauchturms eine gewisse gestalterische Verwandtschaft erkennen. Vgl. Gespräch mit Bernd Neubauer, 17. Dezember 2021 in Klosterneuburg. Siehe auch: Freiwillige Feuerwehr Lebring-St. Margarethen: https:// fflebring.at/geschichte /  (Zugriff: 21.04.2022). 32 Aktennotiz vom 5. Juni 1978, Bauakt am Bauamt Stockerau sowie mündliche Mitteilung Bernd Neubauers im Gespräch am 17. Dezember 2021 in Klosterneuburg. Siehe auch: Freiwillige Feuerwehr der Stadt Mürzzuschlag: https://www.ff-muerzzuschlag.at/index. php?option=com_content&view=article&id=80&Itemid=72 (Zugriff: 21.04.2022). 33 Vgl. Werkgruppe Graz: http://www. werkgruppe-graz.at/1400/00/proj/034Feuerwache.html (Zugriff: 21.04.2022). 34 Vgl. Eva Guttmann, Gabriele Kaiser, Haus der Architektur Graz (Hg.): Werkgruppe Graz 1959–1989. Architecture at the Turn of Late Modernism. ZürichGraz 2013, S. 160–167. 35 Gespräch mit Bernd Neubauer, 17. Dezember 2021 in Klosterneuburg. 36 Die als Berufsfeuerwehr organisierte Bayerische Wache ist jedoch um ein Vielfaches größer: Der umbaute Raum in Augsburg umfasst 47.000 m3, jener in Stockerau lediglich 9.039 m3. Vgl. Planunterlagen, Hochbauamt der Stadt Augsburg, Referat für Stadtentwicklung, Planen und Bauen, und Bauakt am Bauamt Stockerau. 37 Dem viergeschossigen Verwaltungstrakt im Südosten sowie dem ursprünglich zweigeschossigen Alarmdiensttrakt im Nordwesten sind zudem mehrere kubische Elemente aufgesetzt, welche von den Einsatzkräften als sogenannte Übungsboxen zu Trainingszwecken für das Anleitern genutzt werden. Sie verleihen dem Gebäude mit geometrisch durchbrochenen Betonscheiben jedoch auch architektonisch einen besonderen Charakter. 38 Die Rettungswache wurde 2018 durch einen Neubau ersetzt. 39 Interessant ist, dass sich Neubauer bei der Planung für Stockerau zwar mit den Referenzbauten in Österreich auseinandersetzte, die Projekte in Deutschland und England, die formal viel näher mit seinem Entwurf verwandt sind, jedoch nicht kannte. 40 Vgl. Laggner 1982, Band III, S. 131. 41 Vgl. Anton Eder, Feuerwehr Schwadorf (Hg.): Schwadorfer Feuerwehr-Chronik 1875–1979. Schwadorf 1979, S. 22.

42 Vgl. Bauakt am Bauamt Schwadorf. 43 Gespräch mit Ulrike Hums, 1. Februar 2022 an der TU Wien sowie schriftliche Korrespondenz mit Ulrike und Wilma Hums vom 20. Jänner 2022. Wilma Hums war seit 1967 mit Josef Hums verheiratet und ebenfalls seit 1972 in seinem Büro tätig. Josef Hums verstarb im Dezember 2018 im Alter von 77 Jahren, sein Büropartner Alois Seliger bereits im Jahr 1990. Ulrike Hums, die Tochter von Josef und Wilma Hums, übernahm das Büro im Jahr 2001. Da Josef Hums’ Vater bereits früh verstarb, nahm Schwanzer für ihn nicht nur die Rolle eines großen Lehrers in beruflicher Hinsicht ein, sondern auch die eines väterlichen Vorbilds. Zu Hums’ Vita siehe auch.: Reinhard Müller: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich: Josef Hums, Graz 2008, in: http://agso.uni-graz.at/ marienthal/00/feedback.htm (Zugriff: 21.04.2022). 44 Nachdem Hums 1972 sein eigenes Büro gegründet hatte, war er noch bis zur Fertigstellung des UKH Graz als Konsulent für Schwanzer tätigt. 45 Das Stadion ist heute weitgehend unverändert in Betrieb, der Kindergarten hingegen ist durch den angebrachten Vollwärmeschutz und Verputz nicht wiederzuerkennen. 46 Gespräch mit Ulrike Hums, 1. Februar 2022 an der TU Wien sowie schriftliche Korrespondenz mit Ulrike und Wilma Hums vom 20. Jänner 2022. 47 Josef Hums: Sie ham a Haus baut, Interview in: Ganz Schwechat, Nachrichten der Stadtgemeinde Schwechat, Nr. 5/2004, Schwechat 2014, S. 14. 48 Die Baubeschreibung wurde auf den 22. Juni 1976 datiert, siehe Bauakt am Bauamt Schwadorf. 49 Im Bauakt haben sich neben einigen Entwurfsplänen (die mitunter eine expressive Variante über fächerförmigem Grundriss zeigen) lediglich ein unvollständiger Plansatz der Einreichung, jedoch keine Ausführungspläne erhalten. 50 Gespräch mit Ulrike Hums, 1. Februar 2022 an der TU Wien, schriftliche Korres­pondenz mit Ulrike und Wilma Hums vom 20. Jänner 2022 sowie Informationen von Christian Rumpel, technischer Zeichner im Büro Hums und Seliger. 51 N.N.: FF-Haus ein „vorbildliches Bauwerk“, in: NÖN, Woche Nr. 48/1982, St. Pölten 1982, S. 12. 52 Gespräch mit Ulrike Hums, 1. Februar 2022 an der TU Wien sowie schriftliche Korrespondenz mit Ulrike und Wilma Hums vom 20. Jänner 2022, sowie Informationen von Christian Rumpel. 53 Im Jahr 1982 wurden unter 15 teil-

nehmenden Gemeinden drei Projekte ausgezeichnet: die Feuerwache in Schwadorf, das Hallenbad in Raabs an der Thaya sowie die OstarrichiGedenkstätte in Neuhofen an der Ybbs. Vgl. NÖN 1982, S. 12. 54 Die Feuerwehr in Schwadorf markiert den Anfang einer Reihe von Feuerwachen, die Hums in den folgenden Jahren in Niederösterreich plante und umsetzte. Die Freiwilligen Feuerwachen in Schwechat-Rannersdorf (Brauhausstraße 18, 1987, gemeinsam mit Alois Seliger), die Zentrale und das Depot der Freiwilligen Feuerwehr Gramatneusiedl (Adaptierung eines Bestandsgebäudes, Hauptplatz 7, 1986) und das Feuerwehrhaus in Reisenberg (Reaktorstraße 3, 1994) sind bereits einem anderen Stil verpflichtet. 55 Viele der kleineren Bahnhöfe wurden solide gebaut, grundsätzlich gut unterhalten und aufgrund des geringen strategischen Interesses im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört. Die repräsentativen Aufnahmegebäude sind der k.k. Bahnhofsarchitektur zuzuschreiben, bei der eine späthistoristische Formensprache mit Elementen, die an den Heimatstil erinnern, kombiniert wurde. Beispielhaft können hier etwa die Bahnhöfe in Rosenburg, Payerbach, Satzendorf oder Deutsch Wagram für diesen Typus genannt werden. Siehe hierzu grundlegend: Kubinszky 1986. 56 Vgl. ebd., S. 93. 57 Verhandlungsschrift zur Errichtung eines neuen Aufnahmegebäudes samt Mittelstellwerk durch die ÖBB vom 13. Jänner 1978, Bauakt am Bauamt Stockerau. 58 Hauenfels, Krasny, Nussbaum 2013, S. 71. 59 Bei neu entstandenen Bahnhofsbauten der 1960er-, 1970er- und 1980erJahre verhielt es sich bei der Planung und Umsetzung ähnlich wie Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Bauten wurden ohne explizite Nennung der Architekt:innen von der Bundesbahndirektion entworfen. Die am Bauamt aufliegenden Einreichpläne für Stockerau sind allesamt mit der Unterschrift „Rupp“ versehen. Zudem dürften bei der Erstellung der Pläne auch weitere Personen mitgearbeitet haben, wie zusätzliche Unterschriften von „Schunder“ und „Bauer“ belegen. Vgl. Planstempel der Einreichpläne, Bauakt am Bauamt Stockerau. 60 Vgl. Marboe 2019. 61 Die Stützen des Betonskelettbaus sind vor die Fassadenflucht gestellt und steigern ihre vertikale Erscheinung dadurch, dass sie die Dachkante nach oben hin überragen. Im Bereich der

Geschossdecken sind die Stützen mit jeweils zwei blockartigen Vorsprüngen versehen, die eine Assoziation zu abstrahierten Kapitellen erwecken. An den Schmalseiten im Westen und Osten lässt sich die Konstruktion des Gebäudes besonders deutlich ablesen, denn hier treten nicht nur die Stützen, sondern auch die Träger aus der Fassade hervor und zeigen das System des Auflagers offen. 62 2011 wurde der Bahnhof umfassend saniert, wobei insbesondere die Barrierefreiheit im Fokus stand und der Bau aus den 1980er-Jahren im Wesentlichen unverändert bestehen blieb. 63 Vgl. Kubinszky 1986, S. 103. Das Aufnahmegebäude besteht heute noch, wurde jedoch für den Personenverkehr durch einen rund 100 Meter entfernt liegenden Neubau abgelöst. 64 Diese Fassadengestaltung wurde auch schon bei früheren Bahnhofsgebäuden der ÖBB angewandt, wie beispielsweise beim Bahnhofsgebäude in Vöcklamarkt. 65 Das 1979 entstandene Aufnahmegebäude löste den nördlich gelegenen und um 1840 von Wilhelm Flattich errichteten Bau als Bahnhofsgebäude ab. Das ehemalige Aufnahmegebäude wurde für Wohnzwecke umgenutzt. Flattich war als Hochbaudirektor und Architekt der Südbahngesellschaft als Spezialist für Bahnhofsneubauten weit über die Grenzen von Österreich bekannt. Neben dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Südbahnhof in Wien realisierte er den heute ebenfalls zerstörten Hauptbahnhof in Graz sowie den Südbahnhof in Triest. Ebenso zeichnete er für Hochbauten diverser Bahnlinien, so auch der Südbahn, verantwortlich. Vgl. Architekturzentrum Wien: Architektenlexikon Wien 1770–1945, http://www. architektenlexikon.at/de/1058.htm (Zugriff: 21.04.2022). 66 Katzberger 1997, S. 8.

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67 Dass diese Ästhetik heute nur sehr bedingt öffentlichen Anklang findet, ist oft mit dem schlechten Erhaltungszustand und den dadurch entstandenen Schadensbildern an den Betonoberflächen zu begründen. Die Vorbehalte gegenüber brutalistischen Bauten sind darüber hinaus bauphysikalischen Problemen geschuldet, welche die Gebäude in ihrer Nutzbarkeit oft massiv einschränken. Bautechnisch sind heute folglich innovative Lösungen erforderlich, um die skulpturale Form der Baukörper zu erhalten, was zusätzlichen baulichen und monetären Aufwand bedeutet. 68 Gespräch mit Feuerwehrkommandant Wilfried Kargl, 13. Jänner 2022 in Stockerau. 69 Leider hatten aber nicht alle brutalistische Bauten ein solches Glück. In Anbetracht der Verluste, die in Niederösterreich im Bereich des Brutalismus – in prominentester Form mit dem Teilabriss des WIFI – bereits zu beklagen sind, sollte ein breiteres Bewusstsein für die noch bestehenden Gebäude und deren architektonischen Wert geschaffen werden. Erfreulicherweise erlebt die Architektur des Brutalismus seit einigen Jahren zumindest bei einem architekturaffinen Publikum eine gesteigerte Wahrnehmung und Wertschätzung, die jedoch bisweilen noch nicht bis zur breiten Öffentlichkeit vorgedrungen ist. Initiativen wie #SOSBRUTALISMUS haben diesen Nachholbedarf erkannt und tragen mit ihrer Arbeit maßgeblich zu einer gesteigerten allgemeinen Wahrnehmung und so letztlich zur Rettung dieser Gebäude bei. Siehe hierzu: Oliver Elser, Philip Kurz, Peter Cachola Schmal (Hg.): SOS Brutalism. A Global Survey. Zürich 2017 oder: https://www.sosbrutalism.org / (Zugriff: 21.04.2022). 70 Um den Wert brutalistischer Bauten innerhalb der architektonischen Entwicklung zu erkennen, bedarf es einer vertieften wissenschaftlichen Aufarbeitung und einer alle Bautypologien umfassenden Grundlagenforschung. Die aktuelle Forschung im Rahmen des Projektes AFNÖ leistet in Niederösterreich einen Beitrag dazu. 71 Wenn also das Österreichische Bundesdenkmalamt im Jahr 2008 die Feuerwache in Stockerau noch als „nicht denkmalwürdig“ einstufte, stellt sich abschließend die Frage, ob im Zuge der steigenden Wertschätzung der Gebäude dieser Zeit und Architektursprache heute nicht eine Neubewertung des weitgehend original erhaltenen Baues stattfinden sollte. Vgl. Korrespondenz zwischen Bundesdenkmalamt und Gemeinde Stockerau, Juli/August 2008, Bauakt am Bauamt Stockerau.

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Matthias Szauer und Gottfried Fickl, Volksschule Felixdorf, Baustellenaufnahme von Bernd Neubauer, um 1974 Matthias Szauer und Gottfried Fickl, Hauptschule und Hallenbad Schwadorf, Modellfoto, 1969

NÖ 03 Bernd Neubauer, Feuerwache Stockerau, Axonometrie, 1976 NÖ 04 Ansicht aus Südwesten, Aufnahme des Architekten nach Fertigstellung 1978 NÖ 05 - Wettbewerbspläne aus Grundriss, NÖ 06 Ansichten und Schnitten, 1976

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NÖ 08 NÖ 07 Bernd Neubauer, Feuerwache Stockerau, Einreichplan, Süd- und Nordansicht, 1976 NÖ 08 - Mitteilungsblatt der Stadtgemeinde NÖ 09 Stockerau, Beitrag zur Eröffnung der Feuerwache, Dezember 1978 NÖ 10 - Werkgruppe Graz, Hauptfeuerwache NÖ 11 Graz, Schlauchturm und Garagentrakt mit Kommandozentrale; Aufnahmen von Bernd Neubauer während einer Besichtigung 1976

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Willi Pröll und Erwin C. Müller, Feuerwache Augsburg, Einsatztrakt mit Übungsbalkonen und Übungsbox zum Anleitern, Aufnahme 2021 Josef Hums und Alois Seliger, Feuerwache Schwadorf, Broschüre der Feuerwehr anlässlich der Eröffnung, 1979

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Josef Hums und Alois Seliger, Feuerwache Schwadorf, Grundriss, 1976 Einreichplan, Schnitt durch die vier Garagenboxen und den Aufenthaltsraum, 1976 Einreichplan, Ansicht Südost, 1976

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Einreichplan, Ansicht Nordwest mit Schlauchturm und auffälligen Wasserspeiern, 1976 Einreichplan, Ansicht Südwest, Staffelung des Baukörpers durch die parallel zueinander verschobenen Garagen­boxen, 1976

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NÖ 19 NÖ 19 - Mitteilungsblatt der Stadtgemeinde NÖ 22 Stockerau, Beitrag zum Neubau des Bahnhofs, April 1977

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NÖ 23 Bundesbahndirektion Wien, Bahnhof Stockerau, Einreichplan, Ostansicht, 1977 NÖ 24 Einreichplan, Nordansicht, 1977; die Fassade wird durch die hervor tretenden Stützen gegliedert NÖ 25 Einreichplan, Grundriss Erdgeschoss, 1977

NÖ 26 - Fassade des Aufnahmegebäudes NÖ 27 mit reliefierter Oberfläche und Konstruktion als Gestaltungsmittel, Aufnahmen 2022

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Wien Der Tiger als Dirigent1 oder der Dirigent als Tiger. Ein Sittenbild der österreichischen Nachkriegsarchitektur: Karl Schwanzer und der Kirchenbau

Sonja Pisarik

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te überhaupt langes Schweigen. 1998 konstatierten Elke Krasny und Christian Rapp, dass es „kaum einen österreichischen Architekten dieses Jahrhunderts [gab], dessen Bedeutung und Einfluß zu Lebzeiten in so einem krassen Mißverhältnis zu seiner posthumen Rezeption steht. Seit etwa 20 Jahren ist so gut wie nichts mehr über Schwanzer publiziert worden“6. Das Wegsperren des Nachlasses verhinderte allerdings Anders als das Burgenland mit Matthias Szauer auch, dass ihn dasselbe Schicksal ereilte wie manch und Herwig Udo Graf oder Salzburg mit Gerhard andere Architektenarchive nach 1945, die en gros Garstenauer verfügt Wien über keine Architektenper"entrümpelt" wurden und damit für die Nachwelt versönlichkeit, die man in besonderem Maße mit brutalistiloren gingen. Schwanzers Nachlass überlebte weitgescher Architektur assoziieren würde. Bis auf die Wotrubahend vollständig und ungeöffnet bis zum Jahr 2008, als Kirche – ein Sonderfall innerhalb des Kanons brutalistimit einer Vorsortierung begonnen wurde. Zehn Jahre scher Architektur, da mehr Skulptur als Architektur –3 später ging er in die Sammlung des Wien Museum ein, gibt es in Österreichs Hauptstadt auch keinen brutaliswo er nun bis Ende 2023 inventarisiert und endlich – tischen Bau, der sich in ähnlich markanter Weise in das nach fast 50 Jahren – der Öffentlichkeit zugänglich Stadtbild einschreibt wie der Typus Kulturzentrum im gemacht werden soll. Auf dem Plakat zur Ausstellung Burgenland oder das Kongresszentrum in Bad Gastein. „SOS Brutalismus. Rettet die Betonmonster“7 im Jahr Der Versuch einer Annäherung an den Wiener 2018 stand Schwanzers WIFI-Internatsturm stellverBrutalismus führt zunächst über einen höchst erfolgtretend für die vielen verlorenen Bauten des Brutalisreichen Architekten, dessen brutalistisches Hauptwerk mus. Seither sind immerhin fünf Publikationen8 zu Karl aber in Niederösterreich steht : Karl Schwanzer. Das Schwanzer erschienen. Es handelt sich aber – so die kraftvolle bauliche Ensemble des WIFI in St. Pölten Kuratorin und Architekturhistorikerin Monika Platzer – (1965 –1972) ist heute leider nicht mehr vollständig. „fast ausschließlich um Auftragsarbeiten aus dem UmEs bezog seine Spannung aus dem Kontrast zwischen feld der Familie mit Schwerpunkt auf Fotografien“9. dem horizontal-betonten Institutsgebäude mit bis zu 1918 in Wien geboren und schon früh am Bauen 17,5 Meter langen, stützenlosen Fensterbändern und und Planen interessiert, begann Karl Schwanzer 1937 dem vertikal in die Höhe strebenden Internatsturm. ein Architekturstudium an der Technischen Hoch1999 wurde der expressive, bauplastisch gestaltete schule in Wien, das er 1942 mit einer Dissertation Turm jedoch abgerissen. Auch Schwanzers eigenes abschloss. Sein Thema war das Bauen „im befreiten Haus in der Hawelgasse in Wien 18, aus dem Jahr 1961, Oberschlesien“10. Darin entwarf er ein neues Stadtwurde noch 2014 dem Erdboden gleichgemacht – bild, ganz dem social engineering verpflichtet, mit dass es ebenfalls nicht unter Denkmalschutz stand, dem das NS-Regime den eroberten Lebensraum für ist ein großes Versäumnis.4 eine homogene Volksgemeinschaft gestalten wollte. Schwanzer operierte mit Begriffen wie „Sauberkeit“, Erfolgreiche Anfänge „Klarheit“, „Zweckmäßigkeit“ und „Schönheit“, die in nationalsozialistischen Architekturdiskursen zwischen Nach dem überraschenden Freitod des Architekten ästhetischem Anspruch, technokratischer Planung und 1975 war sein Nachlass 33 Jahre lang in 200 Alumirassistisch-ideologischer Aufladung changierten.11 niumkisten „schockgefroren“5. So beschrieb es sein Wie bei so vielen Architekten dieser Generation haSohn Martin Schwanzer im Rahmen eines Symposiums ben spätere Veröffentlichungen zum Werk Schwanzers anlässlich des 95. Geburtstages von Karl Schwanzer nicht hinterfragt, in welchem Verhältnis seine Tätigkeit im Jahr 2013. Dies verhinderte eingehende Forschunnach 1945 zum Denken und Gestus der vom Nationalgen, die eine posthume Rezeption des Architekten sozialismus befeuerten, urbanistischen und architekhätten fördern können. Die Publikationen, die sich tonischen Macht- und Machbarkeitsfantasien stand.12 Schwanzers Werk noch zu dessen Lebzeiten gewidmet Karl Schwanzer stellte sich nach dem Zweiten hatten, waren überwiegend im Eigenverlag erschieWeltkrieg rasch in den Dienst von Export und nanen; eine unabhängige Perspektive – wertschätzend, tionaler Selbstverständigung. Schon der Austrofaaber kritisch – fehlte; nach Schwanzers Tod herrsch„Genauso wie der Bildhauer unter Verwendung negativer Form das Bildwerk schafft, macht die Betontechnologie unserer Epoche es fast unbegrenzt möglich, Plastik und Bauwerk in einer Einheit zu schaffen.“2 Karl Schwanzer

se, seine neue Bestimmung als Museum des 20. Jahrschismus hatte für seine Auslandswerbung Moderne hunderts – heute „Belvedere 21“. Er gilt ebenso als und Konservatismus vereint : konkret bei Oswald Schlüsselwerk in Schwanzers Œuvre wie das kurz Haerdtls Weltausstellungspavillons.13 In diese „Schudanach in Angriff genommene Philips-Haus an der le“ trat Schwanzer im wörtlichen Sinn ein, denn er Triester Straße. Die im Entwurfsverlauf vollzogene wurde gleich nach Kriegsende als Assistent von Oswald Drehung des gesamten Baukörpers um 90 Grad verhalf Haerdtl an der Akademie für angewandte Kunst (heute dem Bau zu seiner bis heute markanten Stellung als Universität für Angewandte Kunst) tätig. In seinem „Ortstafel“16; oder vielmehr übernahm der 1964 fertig 1947 parallel dazu eröffneten eigenen Büro in der gestellte Bürobau eines Erzeugers von Haushalts- und Seilerstätte 16 wehte – so die Erzählungen – bereits Elektrogeräten, darin sinnfällig für die Ambitionen der eine frische internationale Brise, als allenthalben noch Wirtschaftswundergesellschaft, die Rolle eines Stadtüberdeutlich die Folgen von Kriegszerstörung, Vertors. Es signalisierte den sich von Süden nähernden treibung und faschistischer Selbstprovinzialisierung Autofahrer:innen, dass sie im Begriff waren, in einer zu spüren waren. Neben den Entwürfen für zahlreiche modernen Metropole anzukommen. Die Drehung hatte österreichische Messebeteiligungen ab 1950, unter allerdings für die Nutzer:innen des Baues auch seinen anderem in Chicago, Brüssel, Paris, Toronto, Mailand Preis, denn die nun nach Süden ausgerichteten Büround Stockholm, zeichnete Karl Schwanzer auch für räume kämpften mit beträchtlicher Hitzeentwicklung. die aufwendige Gewerbeausstellung am Messegelände Wiederum spielte die Statik eine besondere Rolle und in Wien 1951 verantwortlich, in der die unterschiedwiederum verstand sich Karl Schwanzer auf die grolichen Gewerbe nicht bloß präsentiert, sondern auch ße Geste. Das 20er-Haus und das Philips-Haus sind vor Ort ausgeführt wurden. Damit empfahl er sich dem vermutlich jene zwei Schwanzer-Bauten, die man bis offiziellen Österreich für größere Aufgaben. heute als Wiener:in kennt – auch wenn der Name Den 1956 ausgeschriebenen Wettbewerb für des Architekten den meisten nicht mehr geläufig ist. den Österreichpavillon auf der ersten Weltausstellung Für mehrere Jahrzehnte fiel Karl Schwanzer fast nach dem Krieg gewann er mit seinem Entwurf eines aus dem Kanon der österreichischen Architekturge„schwebenden“ Bauwerks auf vier Stahlstützen. Diese schichte heraus. Die geringe posthume Beachtung trugen ein quadratisches, von transluzenten Kunststeht in scharfem Kontrast zu der Präsenz, die er zu stoffpaneelen umschlossenes Obergeschoss. Die geLebzeiten durch sein Talent der Selbstvermarktung erbaute Brückenmetapher verlieh dem Selbstverständnis zielt hatte. Er war ein Medienvirtuose und man könnte Österreichs als neutraler Kleinstaat architektonischen ihn als ersten österreichischen „Stararchitekten“ nach Ausdruck.14 Die Vorstellung war nur insofern neu, als dem Krieg bezeichnen. Früh war er auch internatiosie unter den geopolitischen Bedingungen des Kalten nal tätig, dachte „groß“ und scheute keine noch so Krieges die spezifische Bedeutung einer Vermittlung unorthodoxe Idee, um Aufträge zu lukrieren. Er sah zwischen den konkurrierenden Blöcken erhielt; die sich selbst als Exponent jener neuen Eliten, die eine den Westen mit dem Osten Europas verbindende moderne Gesellschaft benötigte. In einem Leserbrief Brücke hatte aber auch schon zum Mythenbestand an die „Presse“ bedauerte er den Zug zum Mittelmaß, des Habsburgerreiches gehört. Niemand Geringerer den die österreichische Politik fördere und warnte als Gio Ponti, Mitbegründer der Zeitschrift „domus“, vor der „Abwanderung mancher hochbegabter Wiserging sich in Lobeshymnen : „Auf der Weltausstellung senschaftler, Künstler“17. Die Diagnose teilten auch in Brüssel, in dem bewegten Wirrwarr der Pavillons, andere Beobachter von Wissenschaft und Kunst im habe ich den kleinen und doch so großen Pavillon Öspostfaschistischen Österreich, bezeichnenderweise terreichs bewundert, geliebt und verehrt, wie man nur sprach Schwanzer aber nicht die faschistische und etwas verehren kann, von dem das Heil kommt […].“15 nationalsozialistische Vertreibung an, die das provinDie nach allen Seiten auskragende Konstruktion, zielle Klima wesentlich erzeugt hatte. Der Diskurs, die besonders in der Nacht ihre Wirkung entfaltete, in den sich der Architekt hier einbrachte, wechselte bot darunter viel Platz für großformatige Skulpturen, ungewiss zwischen kulturkonservativem Jammer und Aufenthaltsbereiche und die beiden offen geführten Stiegenaufgänge. Nach der erfolgreichen Aufstellung als österreichischer Pavillon für die EXPO in Brüssel 1958 fand der Bau 1962 in Wien, in modifizierter Wei-

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der Forderung nach meritokratischen Strukturen auf liberaldemokratischer Basis. Wenn er der Kulturpolitik den Mut zum Risiko empfahl, jene zu unterstützen, „die kraft ihrer Begabung oder dem inneren Zwang ihres Schöpfungsauftrages vielleicht nicht immer die bequemsten Mitbürger sind“,18 dachte er wohl nicht zuletzt an sich selbst.

„Karl der Große“ 19 Um der Bedeutung von Karl Schwanzer für die österreichische Architektur Rechnung zu tragen, genügt nicht alleine die Beschäftigung mit seiner Bautätigkeit. Kaum ein Jahr nach dem großen Erfolg des EXPO-Pavillons, der den Grand Prix der Architektur erhalten hatte, wurde er 1959 an das Institut für Gebäudelehre und Entwerfen der Technischen Hochschule Wien berufen, der heutigen Technische Universität. Mit dem neuen Professor zog auch ein neuer Wind in die verstaubten Räumlichkeiten ein. Seine erste Amtshandlung nach der Antrittsvorlesung war es, die alte Einrichtung zu entsorgen und das Institut auf eigene Kosten umzubauen.20 Schwere dunkle Eichenmöbel ließ er durch ein helles, großzügiges Ambiente ersetzen; die Räume wurden mit Möbeln von Arne Jacobsen und Marcel Breuer ausgestattet, dazu kamen Bilder und Plastiken von Wotruba-Schülern. Nicht nur im Interieur drückte sich ein Wille zur Erneuerung aus, auch inhaltlich stand Schwanzer für eine Umorientierung. Es ging ihm darum, das Architekturstudium zu öffnen, durch Kunstprojekte, Exkursionen, Theorieseminare und Gruppenarbeiten, durch Didaktiken und Inhalte, die bis dahin im Curriculum kaum eine Rolle gespielt hatten. Den Studierenden bei Schwanzer galt die zweite Architekturschule dieser Zeit – die Meisterklasse von Roland Rainer an der Akademie für bildenden Künste – als zu seriös, zu normal und „zu wenig spektakulär“ 21, wie dies einer der namhaften Schüler aus Schwanzers Kaderschmiede, Laurids Ortner, beschreibt. Exkursionen führten in europäische Metropolen wie Paris und Berlin, legendär aber ist die von Karl Schwanzer organisierte erste USA-Exkursion 1964 nach New York, Chicago und Philadelphia. Um den Studierenden die Teilnahme zu ermöglichen, überzeugte er Unternehmen, kleine Rechercheaufträge gegen bezahlte Flugtickets zu vergeben. Die Reise, die unter anderem ein Treffen mit so illustren Personen wie Philip Johnson und Louis I. Kahn ermöglichte,22 lockte auch eine Reihe von Pro-

fessorenkollegen und Assistenten, die am Ende gar die Hälfte der Teilnehmer ausmachten. Die Chance, nicht nur nach Amerika zu kommen, sondern dort auch noch auf die großen Architekten zu treffen, wollte man sich offenbar nicht entgehen lassen.23 Internationalität und Kreativität, das waren – neben einer gehörigen Portion Wagemut – die Ingredienzien guter Architektur, wie Karl Schwanzer sowohl den Studierenden als auch seinen Bauherren in teils abenteuerlicher Weise stets zu vermitteln suchte. Die Studierenden, unter ihnen bedeutende österreichische Architekten wie Adolf Krischanitz, Rüdiger Lainer, Laurids Ortner, Boris Podrecca oder Wolf D. Prix, nahmen die unorthodoxen Lehrmethoden mehr als dankbar an. Schwanzer stand in seiner Lehre für den Optimismus neuer Möglichkeiten und Experimente, der die 1960er-Jahre allgemein charakterisierte. Unter der Leitung von seiner langjährigen Mitarbeiterin Leonie Manhardt erschien 1973 im büroeigenen „modulverlag“ das Buch „Architektur aus Leidenschaft“ 24, in dem neben Karl Schwanzer eine Reihe von Zeitgenossen, Mitarbeitern und ehemaligen Studenten zu Wort kam. Laurids Ortner beschreibt darin lebhaft, wie positiv Schwanzers Lehre hervorstach, und nennt ihn einprägsam den „Tiger als Dirigent“ : „In der grauen Suppe [der TH] ein Goldauge. Hereingetropft wie aus Knorr’s guten Zeiten. Frisch und bekömmlich, Guckloch mit Ausblick auf bessere Suppentöpfe. Das Institut Schwanzer. Die Frischzelle im lauen Geschlabber tat gut. Das ungleiche Gespann Schwanzer-Feuerstein löste alte Krämpfe und setzte Neues in Gang : gibt es eine junge Architektur in Österreich, so entstand sie in breiter Basis hier.“ 25 Wenn Laurids Ortner vom Gespann „SchwanzerFeuerstein“ spricht, so verweist er auf die tragende Rolle, die Günther Feuerstein am Institut von Karl Schwanzer spielte. Von 1961 bis 1968 veranstaltete er wegweisende Klubseminare zu Theoriefragen. Unter den Studierenden befanden sich einige, die später zu den international erfolgreichsten Architekt:innen Österreichs avancierten. Jahrzehnte bevor „Design Build“26 in der Architekturausbildung modern wurde, organisierte Feuerstein mit seinen Student:innen in den Sommermonaten experimentelles Bauen. Naturgemäß wurde das „wilde“ Treiben am Institut für Gebäudelehre und Entwerfen mit einigem Argwohn beobachtet. Auch die Neueinführung von Gruppenarbeiten, die Schwanzer angeregt hatte, sorgte für

„Probleme verfolgen einen Tag und Nacht. DauKopfschütteln. Mehrere Studierende, die gemeinsam ernd will man verbessern, erneuern, bilden und an einem Entwurf arbeiteten und dafür ein Zeugnis formen. Das Denken als Voraussetzung der Geerhielten? Das missfiel manchen Studienkolleg:innen staltung ist ein permanenter Prozeß. Mit der Löund Professoren. Genau solche Reformakzente in der sung eines Problems ist man verkettet bis zur Architekturausbildung sorgten aber für AufbruchsSelbstaufgabe. Man vergißt alles um sich herum, stimmung am Institut. Karl Schwanzer und Günther vergißt zu essen, zu schlafen, zu lieben. Arbeiten Feuerstein wurden mit ihren Lehrformaten und Inhalist dann keine Fron mehr, sondern Freude am Geten zu Katalysatoren für das Neue und Visionäre in der lingen, Lust und Glück. Man kann nicht aufhören Architektur. Sie bereiteten den fruchtbaren Boden für […] erwartet man doch im nächsten Augenblick experimentell arbeitende Gruppen wie Haus-Ruckerden zündenden Funken zur Lösung, und diese Co, Coop Himmelb(l)au, ZÜND-UP, Salz der Erde Lösung will man so schnell wie möglich realisiert oder Missing Link. Als Feuerstein neben Walter Pichler sehen.“ 29 auch Otto Muehl – vom Rektorat nicht genehmigt – zu Martin Schwanzer, der jüngere der beiden Söhne, vereiner Aktion im Rahmen einer seiner Vorlesungen einglich die zuweilen rastlose Suche nach der besten lud, gab das 1968 den Ausschlag für seine Entlassung. Lösung mit der „naturwissenschaftlichen ForschungsIn seinem Atelier für „Entwurf, Planung, Forschung“ im tätigkeit in einem Labor“ 30. Gewonnen hatte man erst, 4. Bezirk etablierte er danach ein außeruniversitäres wenn die Entwürfe nicht mehr in verschwenderischer Gesprächsforum für Studierende und Architekt:innen. Kreativität in den „goldenen Papierkörben“ 31 landeten, Karl Schwanzer selbst war aufgrund seiner sondern durch immer obsessivere Überarbeitungen häufigen Abwesenheiten am Institut nicht so greifzum Schlusspunkt, der von Karl Schwanzer approbierbar wie Feuerstein, nahm sich aber für die Schlussten Fassung, gelangten. „Das Nichtaufhörenkönnen inkorrekturen, für die er seitenlange handschriftliche nerhalb einer Entwicklungsphase eines Entwurfes kann Gutachten verfasste, umso mehr Zeit.27 Schwanzers bis zur manischen Besessenheit ausarten. Nicht immer Enthusiasmus und Neugierde erlaubten Projekte im zur Freude der betroffenen unmittelbaren Umgebung Spannungsfeld von Architektur, Kunst und Revolution. des Architekten“ 32, so die Selbsterkenntnis in seinem Einen Höhepunkt bildete seine spontane Beteiligung Buch „Architektur aus Leidenschaft“. Wenngleich der an der groß aufgezogenen Schlusspräsentation der ständige Wechsel zwischen Tiger und Dirigent dem Gruppe ZÜND-UP 1969, die als multimediale Show Architekten wie seinen Mitarbeiter:innen einiges abin der Tiefgarage Am Hof in der Wiener Innenstadt verlangte, beeindruckt doch Schwanzers Gespür : für organisiert war. „40 Mitglieder der beiden Motorraddas, was bereits in der Luft lag ebenso wie für das, clubs ‚Harley Davidson‘ und ,Norton‘ [waren] eingewas es überhaupt erst zu entdecken galt. Einer der laden, um die Faszination für Motor und Fahrzeug, bekanntesten britischen Pop Art-Künstler, Peter Blake, aber auch das ambivalente Verhältnis dazu vor Augen erkannte in Schwanzers Werk den raschen Vorstoß zu führen“ 28, so Timo Huber, Mitglied der Gruppe aus einer Position der nachholenden Entwicklung zur ZÜND-UP. In seinem Privatarchiv haben sich Fotos Innovation auf internationalem Niveau : erhalten, die einen begeisterten Karl Schwanzer im „[…] um 1950 war er ein oder zwei Jahre hinter eleganten Anzug als Sozius auf einer Harley zeigen – der Mies’schen Tradition zurück; in den 60er-Jahein Ritt auf der Maschine rund um den Platz Am Hof : ren beschäftigte er sich mit Systembauten und der Dirigent als Tiger. massiven Vorfabrikationen in so abenteuerlicher Viele von Schwanzers Mitarbeiter:innen beschreiWeise, daß die meisten seiner Zeitgenossen wahrben ihn als so charismatisch wie schwierig. Er kam scheinlich den Atem anhielten, und nun, in den nur selten in sein Atelier. Wenn er aber kam, lande70er-Jahren, wird Karl Schwanzer der ,Superten bisweilen die Entwürfe von mehreren Tagen im bildhauer‘ – was die , Archigrammler‘ und , AusPapierkorb und die Arbeit musste von vorne begonnen gefreakten von Cape Kennedy‘ schon lange sein werden. Solange die Aufgabe nicht zu seiner vollsten wollten, – aber er hat das Rennen gemacht. Was, Zufriedenheit gelöst war, konnte der Architekt nicht ruhen. Schwanzer beschrieb sich als Getriebenen eines – nicht zuletzt auch für seine Mitarbeiter:innen – anstrengenden und nervenaufreibenden Prozesses :

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tektur-Moderne Ausdruck. Das führte dazu, dass es um Himmels Willen, wird er als nächstes tun? „kaum eine architektonische Tendenz gab, die nicht Weltraumflüge?“ 33 in der Kirche baulich verwirklicht worden wäre“ 37. Weltraumflüge wurden es keine, aber im Jahr seiAuch international war der Sakralbau ein wichtiges nes ersten Triumphes in Brüssel, 1958, knüpfte Karl Betätigungsfeld moderner Architekten, man denke Schwanzer mit einem Kirchenbau an eine Architekturnur an Le Corbusiers katholische Wallfahrtskapelle strömung an, die sich gerade erst formierte, in den Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp – ein Wendepunkt 1960er-Jahren jedoch weltweit Bedeutung erlangen in der Kirchenarchitektur. Bereits kurz nach der Fersollte : den Brutalismus. Er wählte dabei eine Formentigstellung im Jahr 1955 pilgerten junge Architekten sprache, die nicht den landläufigen Vorstellungen vom nach Ronchamp, das bis heute ein Wallfahrtsort für brutalistischen Bauen entspricht. Sie stellt jedoch Architekturinteressierte geblieben ist. einen Bezug zu jenem Gebäude her, das zeitgenösEin Zeitungsfoto 38 aus der „heroischen Phase sisch als die erste brutalistische Architektur gehandelt des österreichischen Kirchenbaus“ 39 belegt die Ofwurde. Aber der Reihe nach. fenheit ihrer Protagonisten und symbolisiert sie in ver­ dichteter Form : Es zeigt Erzbischof-Koadjutor Franz Der Kirchenbauboom Jachym, der am 10. September 1956 das Bauamt der Erzdiözese Wien übernommen hatte und diesem Nach 1950 erlebte der während der NS-Zeit zum in den folgenden Jahren seinen Stempel aufdrücken Erliegen gekommene christliche Sakralbau eine neue konnte. Jachym begutachtet auf der Abbildung zwei Blüte. Kardinal Franz König, der die Wiener Erzdiözese der eingereichten Entwürfe für den geplanten Neubau von 1956 bis 1985 leitete und an der Konzeption der Kirche St. Florian in Wien-Margareten. Rechts und Durchführung des Zweiten Vatikanischen Konzils ist das mit dem Dritten Preis bedachte Modell der wesentlich beteiligt war, spielte bei der politischen arbeitsgruppe 4 zu sehen – ein über einem griechiÖffnung der katholischen Kirche in Österreich eine schen Kreuz entwickelter Zentralraum, der sich nur ebenso große Rolle wie Erzbischof-Koadjutor Franz über ein zartes Kreuzsymbol am Dach als Kirche zu Jachym.34 Da in der frühen Phase des Wiederaufbaus verstehen gibt. Links das nicht prämierte Projekt des vor allem die Wohnraumbeschaffung im Mittelpunkt Architekten Georg Lippert, ein im städtebaulichen stand, waren die ersten nach dem Krieg gebauten Verbund sehr dominant wirkender Bau, den Jachym Kirchen sogenannte „Barackenkirchen“ in den Außenlaut Bildunterschrift als „zu konservativ“ abgelehnt bezirken. Ab Mitte der 1950er-Jahre begann aber habe. Johannes Spalt, Mitglied der arbeitsgruppe 4, eine umfangreiche kirchliche Bautätigkeit. Bereits die mit ihrem Frühwerk – der Pfarrkirche Salzburgin der Zwischenkriegszeit war über das SelbstverParsch – auch im Kirchenbau wegweisend war, bringt ständnis und die Rolle von Laien im Gottesdienst disspäter in seinen „Impulsen zum Kirchenbau“ auf den kutiert worden. Die liturgischen Reformen, die ihren Punkt, wie Architektur durch die liturgischen NeuHöhepunkt mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil erungen gefordert war : Man wünschte eine aktive (1962 –1965) fanden,35 schlugen sich nun auch in Beteiligung der Gläubigen am Gottesdienst und der formalen Behandlung von Kirchenräumen nieder. Kirchenbauten, die sich vom Prunk früherer Zeiten Insgesamt über 150 größere Sakralbauten, die in emanzipieren sollten : Österreich zwischen 1945 und 1965 errichtet wurden, „Die Kirche ist ein Teil unserer Behausung, sie ist verhalfen der katholischen Kirche zu ihrer Rolle als nicht mehr herausgestellt, sie ist nicht abseits. […] wichtige Auftraggeberin. Auch in Wien wurden mehr Die Kirche, die gleichzeitig immer SeelsorgezentKirchen gebaut als je zuvor. Die verstärkte sakrale rum ist, ist frei von sakralen, sentimentalen StimBautätigkeit sollte das historische Kirchendefizit in mungselementen, sie ist mit den Mitteln unserer Wien verringern. Unterversorgt waren vor allem die Zeit entworfen und geplant. […]“ 40 Vororte außerhalb des Gürtels, die im 19. JahrhunDie Kirche dachte als Auftraggeberin vor allem in dert ein rasantes Wachstum erlebt hatten.36 Die erste den 1950er-Jahren allerdings teils moderner als viele Phase des nachholenden Kirchenbaus knüpfte noch Gläubige, die den partiellen Verzicht auf die seit Jahran bauliche Traditionen und Vorkriegskonzepte an, hunderten festgelegten Insignien des Kirchenbaus als danach aber verliehen die Bauten zunehmend den Mangel erlebten. Die neuen Sakralbauten atmeten Ambitionen einer sich neu konstituierenden Archi-

über den modernen Kirchenbau. Die „Christlichen aber keineswegs alle einen neuen Geist. „Die Presse“ Kunstblätter“ beobachteten nicht nur die Entwickbeklagte 1960 den Widerspruch zwischen der „Hochlungen in Österreich, sondern nahmen regen Anteil an konjunktur in Neubauten“ und ihrem „Provinzialismus“ : den neu entstehenden Kirchenbauten in ganz Europa. „Nahe Neunkirchen erblickt man auf einem Hügel Diese Veröffentlichungen versorgten eine junge österdie Kapelle von Wartmannstetten : der Innenraum reichische Architektengeneration, der die wichtigsten ein kaum begreifliches Sammelsurium, großes Kirchenbauer ihrer Zeit angehörten (arbeitsgruppe 4, Restaurantfenster, vergitterter Barockbalkon à la Johann Georg Gsteu, Josef Lackner, Ottokar Uhl u. a.), Don Juan, blauer Kunstgummibelag, Lärchenholzmit Wissen über die spannendsten internationalen stufen, Natursteinaltar à la Kriegerdenkmal und Entwicklungen und präsentierten darüber hinaus deren ein Riesenfresko ganz in Tomatenrot […]. Über Arbeiten einer interessierten Öffentlichkeit. Geschmacksurteile lässt sich gewiß streiten, es Ab den 1960er-Jahren zeigte sich, dass gerableibt aber im ganzen doch ein gewiß nicht poside die skulpturale Interpretation der Architektur im tiver Eindruck.“ 41 Kirchenbau großen Anklang fand. Räume, die emoHoffnungszeichen erblickte man hingegen in Salzburg : tionalisieren, gleichzeitig aber von ornamentalem „Im gleichen Nachkriegsjahr wurden dort zwei Prunk Abstand nehmen, schienen passend – und Kirchen vollendet : die teure, pseudoromanische damit erlebte der in dieser Zeit aufkommende BruBasilika von Sankt Elisabeth mit ihrer an ein Estalismus eine Hochblüte auch innerhalb der Kirchenpresso erinnernden Innendekoration und die mit architektur. Interessant ist dabei die unterschiedliche wesentlich geringeren Mitteln aus einem neunHerangehensweise an die Form 48 – auf der einen Seite hundertjährigen Bauernhaus umgemodelte Kirche die sehr plastische, wie sie der Schweizer Bildhauer in Parsch, klar, modern, fromm und erhebend.“ 42 und Architekt Walter Maria Förderer vertrat. Seine Die Bilanz des kirchlichen Baubooms nahm sich auch insgesamt zwölf Kirchen, von denen Saint-Nicolas in Mitte der 1960er-Jahre weiterhin durchwachsen aus – Hérémence (1967–1971) wohl die bekannteste ist, zumindest aus Perspektive eines Förderers von ambicharakterisieren sich durch eine kühne Architektur tionierter Architektur wie Günter Rombold. Als He­ mit polygonalen Grundrissen, verschachtelten Volurausgeber der „Christlichen Kunstblätter“ hatte er eine mina und einer dramatischen Lichtführung im Inneren. gewichtige Stimme. In der kirchlichen Bautätigkeit Auch Gottfried Böhms Kirchen in Deutschland sind erkannte er eine große „Leistung vom Seelsorglichen nach denselben Prinzipien gebaut – herausragend der her“, doch so wie einige Jahre zuvor „Die Presse“ bein Zeltform erbaute Mariendom in Velbert-Neviges klagte auch er „das künstlerische Unvermögen“ 43, das (1965 –1968) mit seiner beeindruckenden Dachaus vielen Bauten spreche. Obwohl eine Reihe weglandschaft. Einer verwandten Architektursprache, weisender Kirchenbauten erst danach entstand, darf wenn auch etwas weniger plastisch, bedienen sich man daher nicht übersehen, dass sich der Versuch in Österreich Günther Domenig und Eilfried Huth eines Dialoges zwischen Kirche und Kunst/Architekin der Osterkirche im burgenländischen Oberwart tur auf eine kleine Gruppe reformfreudiger Personen (1967–1969) oder Fritz Wotruba und Fritz G. Mayr beschränkte. Friedrich Achleitner bezeichnete sie als in der eingangs erwähnten Kirche Zur Heiligsten Drei„Randfiguren“ 44. Dazu zählten neben Monsignore Otto faltigkeit in Wien-Mauer (1974 –1976). Mauer, Domprediger zu St. Stephan und Gründer der Der Wiener Sakralbau der 1960er- und frühen Galerie St. Stephan 45, auch andere Mitglieder der Neu1970er-Jahre, der einige brutalistische Kirchen herlandbewegung 46, wie der Pfarrer der Rosenkranzkirche vorgebracht hat, zeigt ganz klar, dass hier weniger die in Wien-Hetzendorf, Joseph Ernst Mayer, der Initiator skulpturale Ausprägung als eine Tendenz zu kubischen der Studentenkapellen Karl Strobl und der spätere Bauten auf einfachen geometrischen Grundrissen vorChefredakteur bzw. Herausgeber „Der Presse“, Otto herrschte. In diesem Zusammenhang kristallisierte sich Schulmeister 47. Der publizistisch tätige Jesuitenpain dieser Zeit auch ein Wiener Spezifikum im Sakralbau ter Herbert Muck und der bereits erwähnte Günter heraus : der quadratische Zentralbau mit einem mittig Rombold unterstützten ebenfalls die Bemühungen um eine zeitgemäße Kunst- und Architektursprache. Ab Mitte der 1950er-Jahre brachte Rombolds vierteljährlich erscheinende Zeitschrift regelmäßig Berichte

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orientierten Altar.49 Diese Anlage fügt sich ausgezeichnet zur Forderung nach einer stärkeren Einbindung der Kirchgänger:innen in den Ablauf der Messe. Sie begegnet uns in einer ganzen Reihe von Kirchenbauten – am eindrücklichsten vielleicht in der Konzilsgedächtniskirche in Wien 13, erbaut von Josef Lackner in den Jahren 1966 –1968. Auch Karl Schwanzer reiht sich in die Riege von Architekten ein, die im Rahmen des Kirchenbooms gestalterisch neue Wege gingen. Er entwarf in Wien drei Sakralbauten. Eine dieser Kirchen werden wir nun genauer betrachten und fragen, wodurch sie sich als ein frühes Werk des Brutalismus in Österreich zeigt.

Brutalismus ohne Beton? Im Jahr 1958 beteiligte sich Schwanzer an dem Wettbewerb für die Christkönigskirche in Wien-Pötzleinsdorf. Die zunehmende Besiedelung am Schafberg nach dem Zweiten Weltkrieg hatte den Bau einer neuen Kirche notwendig gemacht. Als Grundstück bot die Gemeinde Wien den westlichen Vorderteil des Pötzleinsdorfer Schlossparks, der im 18. Jahrhundert von Philippina von Herberstein angelegt und von ihrem Nachfolger Johann Heinrich Geymüller in die Form eines Englischen Landschaftsgartens gebracht worden war. Nach dessen Konkurs gelangten Schloss und Park in unterschiedliche Hände – zuletzt schließlich an den Möbelfabrikanten Max Schmid, der beides der Gemeinde Wien vermachte. Auflage war jedoch, den Besitz für öffentliche Zwecke zu nützen. Die Stadt Wien machte 1935 den Park für die Bevölkerung zugänglich, 1950 wurde das Schloss durch Roland Rainer zum Jugendgästehaus umgebaut.50 Ein Teil des Grundstücks musste für die Endstation der Straßenbahn abgetreten werden,51 an dessen Kehrtwende der markante, von der zurückversetzten Kirche deutlich getrennte Glockenturm steht. Zwischen Kirche und Kirchturm bildet sich ein weiträumiger Vorplatz. Unterschiedliche Modellfotos zeigen allesamt die in loser Folge entlang der Schafberggasse angelegten Bauteile Pfarrsaal, Kindergarten und Pfarrhaus. Auch der Turm scheint bereits in den ersten Entwürfen vom Kirchenbau getrennt situiert gewesen zu sein; letzterer wandelte sein Aussehen jedoch. Im Heft 3/1959 der Zeitschrift „der aufbau“ sind die Modelle der drei ersten Preise des Wettbewerbs abgebildet 52 : Erich Boltenstern als Drittplatzierter entwarf eine ähnliche Anlage der Baukörper wie Schwanzer, allerdings mit

einem Rundbau als Kirche. Der Zweitplatzierte Georg Lippert konzentrierte das Raumprogramm in zwei länglichen Baukörpern. In Karl Schwanzers Modell sind Pfarrsaal, Kindergarten und Pfarrhaus zwar bereits entlang der Schafberggasse angeordnet, aber im Vergleich zur Realisierung deutlich als Einzelbauten ausgewiesen, die nicht in einer Flucht liegen. Die Kirche besitzt im Entwurf bereits ihre heutige Form, jedoch war die Fassade im Modell noch mit einem leicht vorspringenden Mittelteil versehen und besaß noch nicht den hohen Grad an Durchfensterung. In den Jahren 1961 bis 1963 realisiert, steht der Stahlbetonbau der Kirche auf einer Terrasse. Diese Gestaltung und der Abstand vom Verkehrstrubel betonen die Rolle der Kirche als ein aus dem Alltagsgetriebe hervorgehobener Mittelpunkt des sozialen Lebens. Zu diesem Eindruck trägt auch die Platzierung an einer Stelle bei, an der die Straßen in Richtung Innenstadt zusammenlaufen. Die flache, sich in die Breite entwickelnde Kirche und der hoch aufragende, sehr schlanke Glockenturm fügen sich zu einer spannungsreichen Komposition, deren Wirkung durch die ungewöhnliche Fassade zusätzlich verstärkt wird. Komplett verglast, wird diese durch senkrechte Lamellen aus schwarzem Eisen akzentuiert, die sich zum mittig gelegenen Eingang hin verbreitern. Schmales Klinkermauerwerk rahmt die Glasfassade an den Seiten und massive Sichtbetonstützen trennen die beiden Nebeneingänge vom Mittelteil der Fassade, auf der ein ebenso massives Sichtbetonband den Abschluss zum Flachdach hin bildet. Der Kirchenraum ist als Halle auf trapezförmigem Grundriss angelegt und verjüngt sich zum Altarraum hin. Auffallend ist die durchgängige Verwendung von unverputztem Klinkermauerwerk im Inneren, akzentuiert durch die massiven Sichtbetonstützen, die das Dach tragen und den Kirchenraum optisch vom Presbyterium abtrennen. Das Dach ist über dem Altarraum erhöht und mit Fenstern versehen, die für eine Belichtung von oben sorgen. Die Lichtführung erinnert an andere Kirchen aus der Zeit wie etwa jene in Salzburg-Parsch (arbeitsgruppe 4, 1953 –1956), in der, durch den Umbau eines alten Hofes in eine Kirche, ein deutlich niedrigerer Kirchenraum in einen lichtdurchfluteten, höheren Altarraum übergeht. Aus einem quaderförmigen Granitblock gefertigt, orientiert sich der schlichte Altar der Pötzleinsdorfer Kirche bereits an den liturgischen Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und wendet sich dem Volk zu.

„Wesentlich ist die Beziehungsaufnahme des KirVerglichen mit etwas späteren Kirchenbauten, etwa chengebäudes zu den Bewohnern, den Menschen von Josef Lackner, bleiben der Altar und mit ihm das der Umgebung, die ihre Wohnschachteln satt hagesamte Presbyterium – durch eine Stufe noch zuben und hungrig nach anderen Erlebnisbereichen sätzlich verstärkt – dennoch deutlich vom übrigen als die ihrer beengten, vertypisierten öden Umwelt Kirchenraum getrennt. Friedrich Achleitner äußert sind. […] Die Kirche als baulicher Kontrast zur sich kurz nach der Kirchweihe in der „Presse“ sehr sterilen Öde der Fertigteilbauten wird auch im kritisch. Das Problem des Baues fasst er als „Wände geistigen Sinne begehrenswert.“ 57 und kein Raum“. Den größten Defekt sieht er in einer Hier entfallen nun auch jene Punkte, die Friedrich Anordnung, die nach Art eines Theaters zwischen BühAchleitner an der Pötzleinsdorfer Kirche kritisiert hatne und Zuschauerraum trennt : te : Es gibt keinen Kirchturm mehr und das Raumpro„Die den abgesonderten Altarbereich flankierengramm setzt die liturgischen Neuerungen konsequent den, als Proszenium hereindrängenden Seitenwänum, indem es den Altar unterhalb einer Lichtkuppel de verschwinden nicht mit dem Licht [wie es im in der Mitte des Zentralraumes platziert. Theater der Fall wäre], die Zweiteilung ,BühneKehren wir aber noch einmal zurück zu Karl Zuschauerraum‘ bleibt bestehen. Zudem hält sich Schwanzers Christkönigskirche und lösen uns von durch die konische Raumform der größere Teil Achleitners Einschätzung. Schwanzers Entwurf sah der Gemeinde relativ weit vom Altar entfernt auf. vor, dass der Raum – abgesehen von Altar, Ambo und Dieser empfindet also, in unserem Beispiel durch Taufbecken – schmucklos bleiben und durch seine ruzwei Stützen verstärkt, besonders stark die Wirhige Atmosphäre wirken sollte. Doch das erschien den kung des Portals.“ 53 Pötzleinsdorfern:innen zu kahl. Der Bildhauer Franz An der Gestaltung der Fassade kritisiert Achleitner Barwig schuf daher für die Altarwand eine Christuswiederum die „für den kleinen Raum unverhältnisstatue aus hellem Lindenholz. Statt kahler Ziegelmauer mäßig große Schau- oder Eingangsfront“, die „etwas also ein Bezugspunkt, auf den das Auge beim Einungemein Abweisendes [hat], wahrscheinlich durch treten automatisch fällt. Diese fast unvermeidliche die klingenartigen Stahllamellen, die auch über die TüKonzentration auf ein bestimmtes Objekt innerhalb ren hinweglaufen“. 54 Als positiv bewertet er hingegen der Kirche wollte der Architekt wohl vermeiden. Ihm die „wohltuende Beschränkung in den Materialien“. ging es um einen puren Raum, der durch kein „Zuviel“ Als versöhnlichen Abschluss seines Textes betont gestört wird, in dem jede:r Kirchgänger:in innere Ruhe Achleitner „trotz der vielen Einwände“ die „gestaltefinden und sich auf sich selbst konzentrieren kann. rische und bauliche Disziplin“, mit der sich die Kirche Aber auch mit dem Kreuz entfaltet der Raum eine von der „überwiegenden Produktion des heutigen Kirganz eigene Wirkung. Die Fensterwand der Kapelle chenbaues“ abhebe.55 Er gesteht Schwanzer auch zu, wurde von Arnulf Rainer in intensivem Blau gestaltet. dass die Bauaufgabe „an dieser Stelle sicher schwer Abgesehen von Schwanzer realisierten damals zu bewältigen war“ 56. Tatsächlich war der Architekt auch andere Architekt:innen in Österreich Kirchenhier mit einem neu entstandenen, städtebaulich noch bauten, bei deren Gestaltung Klinkermauerwerk eine undefinierten Platz konfrontiert. Während manch spägroße Rolle spielte. Die bekannteste ist vermutlich terer Kirchenbau auf das deutliche Insigne in Form die katholische Pfarrkirche St. Theresia in Linz. Mit eines hohen Kirchturms verzichtete, könnte der Turm einer Bauzeit von 1959 –1962 wurde sie knapp vor an dieser Stelle als Mittel gedient haben, die unüberder Pötzleinsdorfer Kirche fertig. Der deutsche Kirsichtliche Straßensituation zu klären und den Blick auf chenbaumeister Rudolf Schwarz 58 bediente sich hier den Sakralbau zu lenken. eines Betonskeletts, das mit Ziegeln ausgefacht ist, In seiner rund zehn Jahre später samt Pfarrzenteiner großzügigen Fensterrasterung und einer Betonrum in Wien-Donaustadt erbauten Pfarrkirche Auferrippendecke. Auch in Linz steht der Glockenturm ein stehung Christi (geweiht 1972) greift Karl Schwanzer gutes Stück abgesetzt von der Kirche. Die beiden erneut auf Klinkermauerwerk zurück. Die kreisförBauten unterscheiden sich allerdings deutlich dadurch, migen, ineinander übergreifenden Baukörper setzen einen willkommenen Kontrapunkt innerhalb der durch eine Vielzahl von länglichen Plattenbauten dominierten Siedlung. Schwanzer findet dafür deutliche Worte :

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eines „New Brutalism“. Wie bei Schwanzers Kirche kamen unverputztes Klinkermauerwerk und viel Glas zum Einsatz. In Hunstanton übernehmen Stahlrahmen das statische System, diese sind mit Glas oder Ziegelsteinen ausgefacht. Beiden gemeinsam ist also die nicht vordergründige Verwendung von Sichtbeton. Während rohes, unverputztes Ziegelmauerwerk in England auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblicken kann, wird eine Ziegelmauer in der österreichischen Architektur des 20. Jahrhunderts fast immer verputzt. Umso mehr sticht der Bau von Karl Schwanzer heraus. Allerdings Ein englisches Vorbild? ist die Secondary Modern School um einiges „roher“ als die Christkönigskirche. Nicht nur Material- und Die Pötzleinsdorfer Kirche nimmt innerhalb der daKonstruktionsehrlichkeit charakterisieren das frühere mals so zahlreichen Kirchenneubauten in Österreich Vergleichsbeispiel aus England. Auch „der Prozess eine Sonderstellung ein und wirkt auf den ersten Blick des Fügens als Erklärung des Bauvorganges“ oder weniger brutalistisch als andere in etwa zeitgleich oder „in den Worten der Smithsons das ,what is going on‘“ etwas später entstandene Kirchen. Man denke nur an wi­rd gezeigt.61 So bekommt etwa das Waschen eine die bereits mehrfach erwähnte Kirche Zur Heiligsten narrative Dimension, die sich in der Konstruktion der Dreifaltigkeit am Mauerberg in Wien-Liesing – besser Waschbecken widerspiegelt : Sie sind freigestellt; Zubekannt unter dem Namen Wotruba-Kirche. Das ikobzw. Ableitung sind nicht, wie sonst üblich, verborgen. nische Bauwerk besteht aus 152 Betonblöcken, die – Bis zu dem Moment, in dem das Wasser durch den einer überdimensionalen Skulptur gleich – übereinanAbflussschlauch in die Abflussrinne verschwindet, ist dergestapelt sind. Sehr schnell hatten sich der Bilddie gesamte Geschichte des Waschvorgangs inszeniert hauer Fritz Wotruba und der Architekt Fritz G. Mayr, und sichtbar gemacht. So weit geht Karl Schwanzer der die Vision des Künstlers zur Realisierung bringen in der Pötzleinsdorfer Kirche nicht. Die für den Brumusste, auf eine glatte, strukturlose Sichtbetonobertalismus konstitutive Material- und Konstruktionsgefläche geeinigt, die dem Bau sein unverwechselbares rechtigkeit ist jedoch eindeutig verwirklicht. Nach der Aussehen gibt. Die Verwendung von Beton stellt die Fertigstellung entzündete sich genau daran einige KriKirche automatisch in die Reihe brutalistischer Bautik. Offenbar hatte die Pfarrgemeinde erwartet, dass ten, die in der Zeit weltweit entstanden.60 Eine solche dem Gebäude noch ein „richtiges“ Dach aufgesetzt Einordnung fällt bei der Christkönigskirche von Karl und die Wände verputzt werden würden.62 Schwanzer schon schwerer – es fehlt, plakativ gesagt, Aus den Quadern seiner ersten Kirche in Pötzder massive Einsatz von Sichtbeton. leinsdorf waren in der zweiten Kirche in Wien-LeoZwar kennzeichnet der Baustoff Beton unmisspoldau Zylinder geworden. Mit dieser Formensprache verständlich das statische System der Kirche und befasste sich Schwanzer zeitgleich auch andernorts, wird am Glockenturm sichtbar, er tritt aber daneben nämlich beim BMW-Verwaltungsgebäude in München, eher in den Hintergrund. Vorherrschende Baustoffe das zu seinem bekanntesten Bau werden sollte.63 Dort sind an der Fassade Glas und Eisenlamellen und im kulminierten die Talente des Architekten : Tiger, DiriInneren unverputztes Klinkermauerwerk. Eines der gent, Medienvirtuose und Regisseur64 gaben alles, um Hauptmerkmale des Brutalismus – die „Materialden Auftrag an Land zu ziehen. „Think big“ wurde mit gerechtigkeit“ – erfüllt der Bau unzweifelhaft. Aber großer Geste umgesetzt. Die brutalistische Formenmüsste nicht mehr béton brut – mehr rauer Beton – sprache, die sich in der früheren Pötzleinsdorfer Kirche sichtbar sein, wenn es um eine Einordnung in den Bruzart andeutete und im Wirtschaftsförderungsinstitut talismus geht? Nicht, wenn man die Secondary Mo(WIFI) in St. Pölten zur vollen Blüte gelangte, tauschdern School (1949 –1954) in Hunstanton, erbaut von te Schwanzer in München gegen eine zeichenhafte, Alison und Peter Smithson, als Referenz heranzieht. technisch ausgereifte, äußerst dynamische Architektur, Bereits rund um ihre Entstehungszeit bezeichneten die international und bis heute Aufsehen erregt. viele Kommentatoren die Schule als erstes Beispiel dass bei Schwarz Kirche und Glockenturm außen weiß verputzt sind, während Schwanzer die Baumaterialien auch nach außen sprechen lässt.59 Manch andere der zahlreichen Kirchen, die im Atelier Schwarz entworfen wurden, lassen das Klinkermauerwerk ebenfalls nach außen sichtbar, sind aber dafür im Innenraum weiß verputzt. In Deutschland gab es – im Unterschied zu Österreich – bereits eine lange Tradition der Verwendung von unverputztem Klinkermauerwerk, der Schwarz in seinen Kirchenbauten folgte.

1 So der Titel von Laurids Ortners Beitrag über Karl Schwanzer in: Karl Schwanzer: Architektur aus Leidenschaft. WienMünchen 1973, S. 20. 2 Karl Schwanzer: Architektur und Sichtbeton, in: modul 5, 1972, S. 2. 3 Fritz Wotruba, Fritz G. Mayr, Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit (1974–1976), Ottillingerplatz 1, 1230 Wien. 4 Eine Besonderheit des Hauses war die sehr unterschiedliche Behandlung von „béton brut“: glatt neben rau, geschlossen neben porig. Gerade wegen der Materialsichtigkeit war es durchaus dem Brutalismus zuzurechnen, siehe das Gutachten von DOCOMOMO aus dem Jahr 2015: https://www. docomomo.at/cms/wp-content/ uploads/2019/02/2015_wien_haus_ schwanzer.pdf (Zugriff: 21.04.2022). 5 Im StudienVerlag erschien zum 100. Geburtstag ein auf diese Tagung zurückgehendes Buch: DOCOMOMO Austria (Hg.): Karl Schwanzer und die Verbindung zur internationalen Avantgarde. Innsbruck-Wien-Bozen 2018, S. 120. 6 Elke Krasny, Christian Rapp: Erinne­ rungen an einen Impresario. Zur Person Karl Schwanzer (1918–1975), in: architektur aktuell, Nr. 222, November 1998, S. 81. 7 Die Ausstellung wurde von Oliver Elser für das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt kuratiert und von 03 . 05.– 06 . 08 . 2018 im Architekturzentrum Wien gezeigt – ergänzt um einen Österreichschwerpunkt mit dem Titel „Brutal schön! 10 Highlights aus Österreich“ (Kuratorin: Sonja Pisarik). 8 Caroline Schwanzer, Mirko Pogoreutz (Hg.): Leidenschaftlich modern. Karl Schwanzer und seine Architektur – Eine Anthologie in Fotografien. Basel 2021; Franz J. Gangelmayer: Karl Schwanzer. Die frühen Jahre eines Architekten von Weltruf. Salzburg 2020; Stefan Oláh, Ulrike Matzer: Karl Schwanzer – Spuren. Eine Bestandsaufnahme = Karl Schwanzer – Traces. A Pictorial Inventory. Basel 2019; Martin Schwanzer, Max Gruber, Benjamin Swiczinsky (Hg.): Schwanzer. Architekt aus Leidenschaft, Ein Comic nach einer Idee von Martin Schwanzer und Mirko Pogoreutz. Basel 2019; DOCOMOMO Austria 2018. 9 Monika Platzer: Politisches über zwei „unpolitische Architekten“. Roland Rainer und Karl Schwanzer im Nationalsozialismus, in: kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, Bd. 49, 2021, Heft 3, S. 75. 10 Karl Schwanzer: Neues Bauen im befreiten Oberschlesien. Der Ring in Sohrau, Entschandelung und Gestaltung, Wien, Techn. Hochsch., Diss., Breslau 1942.

11 Platzer 2021, S. 75; Hier erwähnenswert auch die Forschungen zu Roland Rainer, die in eine Ausstellung im Architekturzentrum Wien mündeten: Ingrid Holzschuh, Monika Platzer, Waltraud Indrist (Kuratorinnen): Roland Rainer. (Un)umstritten. Neue Erkenntnisse zum Werk (1936 –1963), 20.10 . 2018 – 07.01. 2019 und das begleitende Symposium „Roland Rainer im Kontext“, 20.10.2018. Außerdem David Kuchenbuch: Geordnete Ge­ meinschaft. Architekten als Sozialingenieure – Deutschland und Schweden im 20. Jahrhundert. Bielefeld 2010. 12 Auch nicht die vom Sohn Martin Schwanzer in Auftrag gegebene Studie: Gangelmayer 2020. 13 Ulrike Felber, Elke Krasny, Christian Rapp (Hg.): Smart Exports. Österreich auf den Weltausstellungen 1851–2000, Wien 2000. S. 116 ff. und S. 130 ff. 14 Schwanzer, Pogoreutz 2021, S. 156. 15 Gio Ponti, in: Charakter und Kultur Europas – Zeitschrift der Fondation Européenne de la Culture, 1. Jg., 1960, Nr. 2/3, S. 56 f. 16 Schwanzer, Gruber, Swiczinsky 2019. 17 Karl Schwanzer reagiert in seinem Artikel „Bildung neuer Eliten ist nötig“ in: Die Presse, 30.06.1960, S. 6 auf den kurz zuvor erschienenen Artikel „Der Ruf nach den Besten“ von Milan Dubrovic, in: Die Presse, 19.06.1960, S. 1–2. 18 Ebd. 19 So wurde er von seinen Studierenden genannt, siehe Schwanzer, Pogoreutz 2021, S. 444. 20 Krasny, Rapp 1998, S. 79. 21 Ebd., S. 77. 22 DOCOMOMO Austria 2018, S. 110. 23 Krasny, Rapp 1998, S. 78. 24 Schwanzer 1973. 25 Ebd., S. 20 f. 26 „Design Build“ ist in den letzten Jahren als probate Methode, das Architekturstudium aus der Abstraktion zu heben und den Studierenden das Kennenlernen des gesamten Prozesses eines Bau­projekts zu ermöglichen, immer wichtiger geworden. 27 Krasny, Rapp 1998, S. 76. 28 Timo Huber im Gespräch mit Mirko Pogoreutz, Der Höhepunkt war Schwanzers Ritt auf einer Harley Davidson, in: Schwanzer, Pogoreutz 2021, S. 450. 29 Schwanzer 1973, S. 5. 30 Elke Krasny, Architekturzentrum Wien (Hg.): Architektur beginnt im Kopf. The Making of Architecture. Wien 2008, S. 107. Das Buch erschien anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Architekturzentrum Wien (16.10.2008– 02.02.2009). 31 Ebd.

32 Schwanzer 1973, S. 7. 33 Ebd., S. 17. 34 Siehe dazu Jens Wietschorke: Kirchenräume in Wien. Architektur in der Kulturanalyse. Wien 2019, S. 117 ff. 35 Andreas Zeese: Einheit in der Vielfalt – Wiener Kirchenbau in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Ann Katrin Bäumler, Andreas Zeese: Wiener Kirchenbau nach 1945. Von Rudolf Schwarz bis Heinz Tesar. Wien 2007, S. 25. Der Reader erschien anlässlich der Ausstellung „Heilige Zeiten. Wiener Kirchenbau nach 1945 – Von Rudolf Schwarz bis Heinz Tesar“, 13.12.2007– 14.01.2008 im Architekturzentrum Wien. 36 Zeese 2007, S. 31. 37 Friedrich Achleitner: Der „Aufbau“ und die Aufbrüche 1945–1975, in: Annette Becker, Dietmar Steiner, Wilfried Wang (Hg.): Architektur im 20. Jahrhundert, Österreich. München 1995, S. 45. 38 Zeitungsausschnitt im Architektur­ zentrum Wien, 1957, Quelle unbekannt. 39 Wolfgang Jean Stock (Hg.): Europäischer Kirchenbau 1950–2000. München-Berlin-London-New York 2002, S. 86. 40 Johannes Spalt: Johannes Spalt. WienKöln-Weimar 1993, S. 57. 41 K.R.: 59 neue Kirchen und kaum ein Hauch von neuem Geist, in: Die Presse, 02.03.1960, S. 6. 42 Ebd. 43 Günter Rombold: Zur Situation des österreichischen Kirchenbaues, in: Christliche Kunstblätter, Kirchenbau in Österreich, Vierte Folge, 2, 1965, S. 27. 44 Friedrich Achleitner: Künstlerische Vielfalt und typologische Strenge. Kirchenbau in Österreich zwischen 1950 und 2000, in: Stock 2002, S. 84. 45 Später wollte sich die Kirche von den Aktivitäten der Galerie distanzieren, weshalb sie zu Beginn der Sechzigerjahre in „Galerie nächst St. Stephan“ umgetauft wurde. 46 Eine reformerische katholische Jugendbewegung, die in ihren Anfangsjahren antisemitisch ausgerichtet war. 47 Letzterer ist diesbezüglich eine merkwürdige Figur, denn das Bemühen um eine kulturpolitische Neuorientierung der Kirche – und zwar in Richtung moderner Kunst und Architektur – lässt sich nicht so ohne Weiteres mit einer Person in Zusammenhang bringen, die bereits 1938 bei der in Österreich noch illegalen Hitlerjugend war, dem nationalsozialistischen Flügel der Neulandbewegung angehörte und erst im Jahr 2009 als CIA-Zuträger enttarnt wurde.

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48 Siehe dazu u. a. Rombold 1965, S. 27 f. 49 Zeese 2007, S. 33. 50 https://austria-forum.org/af/AustriaWiki/ Schloss_P%C3%B6tzleinsdorf (Zugriff: 21.04.2022). 51 Wolfgang J. Bandion: Steinerne Zeugen des Glaubens. Die heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien 1989, S. 363. 52 der aufbau, Heft 3, 1959, S. 134. 53 Friedrich Achleitner: Wände und kein Raum. Neues Bauen kritisch betrachtet: Kirche in Pötzleinsdorf, in: Die Presse, 04./ 05.04.1964, S. 8. 54 Ebd. 55 Ebd. 56 Ebd. 57 Schwanzer 1973, S. 156. 58 Nach seinem Tod wurde die Kirche von seiner Frau Maria, ebenfalls Architektin und zehn Jahre lang in seinem Atelier tätig, vollendet. Zur Rolle von Maria Schwarz siehe auch: Annette Krapp: Die Architektin Maria Schwarz. Ein Leben für den Kirchenbau, Regensburg 2015. 59 In Wien baute Karl Schwanzer übrigens noch eine dritte Kirche: Die 1974/75 geplante evangelische Thomaskirche in der Per-Albin-Hansson-Siedlung in Wien 10 wurde erst posthum errichtet und bis 1977 fertiggestellt. Die Ausführung übernahm Schwanzers langjähriger Mitarbeiter Gerhard Krampf. Auch hier griff er auf Klinkermauerwerk zurück – offensichtlich sein bevorzugtes Material für Sakralbauten. 60 Siehe dazu z. B. Elser, Kurz, Cachola Schmal 2017. 61 Laurent Stalder: Vor dem New Brutalism. Die Schule in Hunstanton von Alison und Peter Smithson, in: Wüstenrot Stiftung (Hg.): Brutalismus. Beiträge des internationalen Symposiums in Berlin 2012. Zürich 2017, S. 134. 62 Schwanzer, Gruber, Swiczinsky 2019, S. 58. 63 Die vier runden Geschosse des Baues wurden mit Blick auf die Produkte des Auftraggebers scherzhaft als Vierzylinder bezeichnet. 64 Diese und noch mehr Bezeichnungen für seine Person finden sich in zahlreichen Publikationen.

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Karl Schwanzer, WIFI Institutsgebäude W 04 mit Internatsturm, Außenansicht, St. Pölten, Niederösterreich, 1965 –1972 Karl Schwanzer, Haus Schwanzer (2014 zerstört), Außenansicht, Wien 18, W 05 1960 –1962 Innenansicht mit Treppe W 06

Architekt Karl Mang reiste 1958 zur Weltausstellung nach Brüssel und fotografierte dort unter anderem auch den Österreichischen Pavillon von Karl Schwanzer Karl Schwanzer, Österreichischer Pavillon der Weltausstellung, Nachtaufnahme, Brüssel, 1958 Karl Schwanzer, „Philips-Haus“, Außenansicht, Wien 10, 1962 –1964

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Ceno und Herta Kosak, Kirche Zum Guten Hirten, Außenansicht, Wien 13, 1962 –1965; als das Architektenpaar das Modell für die Kirche vorstellte, war lt. Chronik der Kongregation „wegen der ungewöhnlichen Gestaltung nie­mand hellauf begeistert“. Die Kirche aus schalreinem Beton überrascht durch ihre sehr breite Form und die asymmetrische Gestaltung – sie wurde daher als Gottesburg, Pilgerzelt oder auch Schiff bezeichnet. Das Dunkel des zeltartig zum Chor ansteigenden Kirchenraums wird auch durch die Glasfenster kaum erhellt, nur an der Stirnwand gibt es zwei größere Fenster. Zusätzlich gibt es schießschartenartige Luken, die dem Dunkel einen beein druckenden Lichteffekt verleihen W 08 Hannes Lintl, Heilig-Kreuz-Kirche, Modellfoto, Wien 21, 1971–1975; eher bekannt für seine Großbauten in Wien und zahlreiche Bauten im Nahen Osten schuf Hannes Lintl mit der als Oktogon angelegten Heilig-KreuzKirche einen Raum mit ganz besonderer Lichtstimmung. Die Kirche erhebt sich auf vier Kastenpfeilern über einem künstlich errichteten Graben und zeigt nach außen eine gerippte Betonfassade. Vier dem Oktogonalbau vorgesetzte Eingänge, von denen einer in das Pfarr und Ordenshaus führt, und der zentrale Altar weisen auf die Kreuzform hin. Lichtkuppeln verstärken die Kreuzform noch zusätzlich

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Johann Pleyer, Oblatenkloster St. Paul, Einreichplan, Wien 13, 1970 –1972; Johann Pleyer war Schüler von Roland Rainer an der Akademie der bildenden Künste in Wien und hatte sich erst ein Jahr zuvor als Architekt selbstständig gemacht. Im Einreichplan sind die beiden massiven Betonsäulen, die das Stiegenhaus und den Aufzug aufnehmen, zu erkennen. Das filigrane Muster der Fenster im Obergeschoss, das den wichtigsten Raum des Klosters nach außen hin kennzeichnet – die Hauskapelle – ist hier hingegen noch nicht sichtbar. Der in einem Brief der Provinzprokur der Oblaten an Johann Pleyer kommunizierten Forderung, auf keinen Fall ein Flachdach vorzusehen, kam der Architekt nicht nach

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W 12 Le Corbusier, Kapelle Notre-Dame du-Haut, Außenansicht, Ronchamp, Frankreich, 1950 –1955 W 13 Erzbischof Koadjutor Franz Jachym begutachtet zwei der eingereichten Entwürfe für den geplanten Neubau der Kirche St. Florian in Wien W 14

Günther Domenig, Eilfried Huth, Osterkirche, Perspektivische Innenansicht, Oberwart, 1966 –1969 arbeitsgruppe 4 (Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Johannes Spalt), Kirche Parsch, Außenansicht, Salzburg, 1953 –1956 Perspektivische Innenansicht

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W 15 Fritz Wotruba und Fritz G. Mayr, Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit, Baustellen foto, Wien 23, 1974 –1976 W 16 Grundriss W 17 Außenansicht W 18 Josef Lackner, Konzilsgedächtniskirche, Wien 13, 1967–1968; die Eingänge sowie der Sockel und das ursprünglich nicht geplante Hauptportal Richtung Lainzer Straße setzen sich durch glatte Ortbetonoberflächen von den LecaBetonsteinen ab

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Grundriss und Schnitt Josef Lackner gibt auf der Baustelle Anweisungen für das Versetzen der Betonsteine Innenansicht mit Lichtkuppel über dem mittig gelegenen Altar Der quadratische Zentralbau auf einem Raster von drei mal drei Metern wurde als erste Kirche aus bis zu 26 Tonnen schweren Fertigteilen errichtet

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Karl Schwanzer, Christkönigskirche, Gesamtanlage mit abgesetztem Kirchturm und Vorplatz, Wien 18, 1960 –1964

W 24 Kirchenraum mit Blick zum Eingang W 25 Blick zum Presbyterium mit dem ur sprünglich nicht vorgesehenen Kreuz W 26 Grundriss

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Karl Schwanzer, Pfarrzentrum Leopoldau mit Kirche Auferstehung Christi, Außenansicht, Wien 22, 1969 –1972 Grundriss Rudolf Schwarz, Pfarrkirche zur Hl. Theresia, Innenansicht, Linz, 1959 –1962 Außenansicht Alison und Peter Smithson, Secondary School, Außenansicht, Hunstanton, Großbritannien, 1949 –1954

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Innenansicht mit Waschgelegenheiten Karl Schwanzer, BMW Verwaltungsgebäude und BMW Museum, München, Deutschland, 1968 –1973 ; um den Vorstand von Form und Konstruktion des Verwaltungsgebäudes zu überzeugen, ließ Schwanzer ein Funktionsmodell eines Etagensegments im Maßstab 1:1 in den Bavaria Filmstudios auf eigene Kosten nachbauen und engagierte Schauspieler:innen, die Büroangestellte mimten – mit Erfolg

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Burgenland Modellfall Kulturzentrum. Herwig Udo Graf und Matthias Szauer „auf der Überholspur“

Johann Gallis, Albert Kirchengast

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Vorherrschaft“ der arbeitsgruppe 4 mit Johannes Spalt und Friedrich Kurrent, setzt sich die Grazer Planungsgruppe von Günther Domenig und Eilfried Huth durch. Zwei expressive Baukörper aus schalreinem Beton stapeln sich um eine monumentale Treppenanlage in die Höhe und machen auf oberster Ebene der alten Kirche den Hof. Auf einem senffarbenen Teppich und Fiberglasmöbeln soll die „religiöse Gemeinde“ den monumentalen Zentralraum im Gottesdienst beleben, heißt es über den „Sinn der Baugestalt“ im bauzeitlichen Folder.7 Diese Betonung der „Kirchengemeinschaft“ Zwei Auftakte in Beton weist bereits Huths partizipative Interessen aus, das „Höhlengleichnis“ – in einer Höhle soll man sich nämlich Zu den Fixpunkten der hiesigen Architekturgeschichtseinfinden – auf die plastische Formensprache Domeschreibung zählt der Kirchenbau von Oberwart. Gleich nigs, einem gestalterischen Gestus, den beide etwas „in mehrfacher Hinsicht als Schlüsselbau in der österfrüher schon bei der Grazer Pädagogischen Akademie reichischen Architektur nach 1945“1 bezeichnet ihn erprobt haben. Verbleibt dort alles im 90-Grad-Winkel Friedrich Achleitner. Er lässt sich in seinem „Archider Moderne, werden in Oberwart die Ecken auf 45 tekturführer“ sogar zum durchaus poetischen Bild Grad abgewinkelt. Das Oktogon beherrscht die Baueines „Donnerschlags von Oberwart“2 hinreißen. Wer idee, ist der latente Grundbaustein, Walter Förderers und was hat diesen Paukenschlag ausgelöst und in Betonplastik und Franz Füegs Lichträume verbinden welchem Zusammenhang steht er mit dem regionalen sich zu einem überzeugenden Ausdruck, unterstützt Architekturschaffen im Burgenland? Der innovative von dynamisierenden Y-Stützen und hoch, in „FelsKirchenbau im Nachkriegsösterreich, in vielen Belanspalten“ liegenden Lichtkörpern, durch deren zeittygen anderen Bauaufgaben programmatisch wie archipische Kunststoffschalen ein zeitlos-diffuses, beinahe tektonisch voraus, wird auf Initiative des Oberwarter magisches Licht sickert. Stadtpfarrers Ladislaus Triber um ein richtungsweiAusschlaggebend für den Gewinn des Wettbesendes Projekt bereichert.3 Die „radikalsten Wiener werbs dürfte die städtebauliche Anlage gewesen sein.8 und Grazer Tendenzen“4 treten hier von September Die stattliche Barockkirche bleibt den Passant:innen in 1965 bis Februar 1966 in den Wettstreit miteinander. Sichtbeziehung erhalten, die komplexe, vom StraßenNicht nur das Teilnehmerfeld, auch die Jury ist promiraum zum Bestandsbau sich erstreckende Freitreppe nent besetzt : Zu nennen wären vor allem der Wiener formt einen Platz zwischen den Betonvolumina und Architekt und Hochschullehrer Karl Schwanzer – daübt sich in der Vermittlung von Alltag und Festtag, mals bereits einer der international beachteten Köpfe Einkauf und Hochamt.9 Die flankierenden Neubauten der österreichischen Architektur –, sein Pendant aus wirken aus dieser Perspektive durchaus wie ein soGraz, Ferdinand Schuster, dessen Werk heute langsam lides Rahmenwerk, mit gutem Recht lässt sich – bei wiederentdeckt wird 5 sowie Alfred Schmeller, burgenaller Kluft zwischen Barock und Brutalismus – von ländischer Landeskonservator und späterer Direktor einer eigenwilligen Interpretation der älteren Bauform des 20er-Hauses.6 Als staunende Augenpaare sind sprechen. Doch trotz des Rangs, der dem Seelsorgeniemand Geringerer als Bundeskanzler Josef Klaus zentrum als Wendepunkt österreichischer Kirchenund Bischof Stephan László zugegen, wie historische baukunst der Nachkriegsmoderne zukommt – seiner Fotografien dokumentieren. Raumauffassung, seiner Plastizität wegen –, stellt es In der sanften Hanglage des aus zwei Dörfern zur eine architektonische wie personelle Sonderleistung südburgenländischen Bezirkshauptstadt zusammengeinnerhalb des bald blühenden Burgenland-Brutaliswachsenen Oberwart sollte ein römisch-katholisches mus dar.10 Als dessen Initialzündung kann nämlich der Seelsorgezentrum, also eine Kirche nebst Unterkirche wenige Monate zuvor abgehaltene Wettbewerb für ein und Gemeinschaftszentrum errichtet werden. Gegen neues Landeskonservatorium in Eisenstadt gelten.11 In die formal etwas steife Tendenz Ottokar Uhls, der der Rezeption verblieb er lange Zeit im Schatten des zu den Impulsgebern einer neuen Liturgie und ihres Oberwarter Ereignisses. architektonischen Raumes gehört, die „konstruktive

der Technischen Hochschule Wien. Seine StudienAm 9. Dezember 1965 tagt das Preisgericht für arbeit für ein Café-Restaurant am Türkenschanzpark, den Neubau der „Haydn-Landesmusikschule“ – nicht im Rahmen von Karl Schwanzers Übung „Entwerfen ein Monument, sondern die Musik selbst soll den be2“ im Studienjahr 1961/62, zeigte eine klassisch-morühmten burgenländischen Komponisten lebendig erdernistische Gestaltungsweise, die den beharrenden halten, brauchte aber doch ein Haus. Die Reihung Tendenzen an der Hochschule entgegenstand und der Siegerprojekte des geladenen Verfahrens stellt Schwanzer als einflussreichen Lehrer in Methodik und die Architekturlandschaft des Burgenlands auf den Thematik ausweist. Reisen führten Graf nach SkanKopf : Den ersten Rang nimmt nominell das Projekt von dinavien, wo er im Sommer 1962 im Büro des finniGottfried Fickl ein; der zweite Preis geht an Julius schen Architekten Aarne Ehojoki tätig war, um sich Kappel12, den dritten Platz belegt Friedrich Mostböck. so eine größere Rundreise mit zwei Studienkollegen Hinter Fickl und Kappel verbergen sich nun aber die zu finanzieren.19 In einem der zweiten Staatsprüfung jungen, noch nicht zeichnungsberechtigten, lediglich beigelegten Lebenslauf erklärte Graf, dass ihn „die als Mitarbeiter angeführten Architekten Matthias Architektur des Nordens“20 besonders beeindruckt Szauer und Herwig Udo Graf.13 Szauer ist gerade einhabe. Seine Innenraumgestaltungen, insbesondere mal 30 Jahre alt, Graf zählt nur 25; beide sind frisch der Umgang mit Holz, wird dies noch lange nach Aufvon der Hochschule abgegangen und bekunden ihr nahme der „brutalistischen Spur“ erlebbar machen.21 Interesse, sich beruflich in ihrer Heimat zu betätigen.14 Beiden Architekten, Szauer wie Graf, wird das BeGraf sucht den Kontakt zu Kappel mit Bürositz in herrschen der damals erlernten „Logik“ funktionaler Mattersburg, dessen bauliches Selbstverständnis einer Grundrissplanungen sowie die Bewältigung größerer „moderaten Moderne“ zuzurechnen ist. Er war nach Baumassen noch bei ihren zentralen Sichtbetonbauten der Kriegsgefangenschaft, Ende der 1940er-Jahre, behilflich sein. vor allem aber schon in der Zwischenkriegszeit in der Zurück nach Eisenstadt, zu einer WettbewerbsRegion tätig. Dem ebenfalls aus Mattersburg stammenaufgabe in ebenfalls komplexer Topografie – diesmal den Graf, für dessen Familie Kappel bereits kleinere sogar mit Bachlauf. Die Jury ist ähnlich prominent Planungen durchgeführt hatte ermöglicht diese Allianz besetzt wie in Oberwart : In der Landeshauptstadt die Teilnahme am Wettstreit für das Konservatorium.15 fungiert Roland Rainer als Vorsitzender, die beamteten Erst 1970 eröffnet er sein eigenes Büro, das er dann Architekten der Hochbauabteilung des Landes, Franz bis 2012 in seiner Heimatstadt führen wird. Szauer Pauer und Franz Vogl, spielen eine Rolle.22 Letzterer wiederum arbeitet schon kurz nach Studienende ist ein Verfechter des burgenländischen Wettbewerbsmit dem Wiener Architekten Fickl zusammen. Eine wesens; als Leiter der Hochbauabteilung wird er das Partnerschaft, die noch nach Szauers Bürogründung öffentliche Baugeschehen zwischen 1954 und 1990 1968 und bis zu Fickls Tod im Jahr 1997 aktiv bleibt. mitgestalten und so auch den Brutalismus indirekt Früh gelingt ihm, die Entscheidungsträger im Land stützen.23 Das Siegerprojekt für das Konservatorium auf sich aufmerksam zu machen und zunächst dem zeigt sich nun als flacher, „U“-förmiger Betonbau; älteren Büropartner die Teilnahme an Wettbewerben, teilweise auf Stützen gesetzt, um den Bachlauf zu eben auch für das Landeskonservatorium, zu sichern. überbrücken, wird er von einem überhöhten Saalbau In diesen Konstellationen können die beiden jungen mit aufragendem, seitlichem Kamin dominiert. In der Burgenländer an beinahe allen, in der Region damals grundrisslichen Organisation finden sich mittig zwei zahlreichen Ausschreibungen der öffentlichen Hand Patios : Nüchtern reihen sich Schicht an Schicht, Saalteilnehmen.16 Das Fundament ihres späteren Erfolgs trakt, Klassentrakt und der Flügel des Übungstrakts ist gelegt.17 mit seinen kleinen, abgeschrägten Raumzellen. So beDer aus Nikitsch im Mittelburgenland stammende merkenswert klar der Grundriss das Raumprogramm Szauer studierte an der Wiener Akademie als einer übersetzt,24 so sehr wird im Lauf der Ausführung, vom der letzten Schüler aus der Meisterklasse Clemens Wettbewerbseintrag 1965 bis zur Eröffnung 1971, Holzmeister. Nach Praktika in Schweden und Norwean der spätmodernen Formensprache gedreht. Einige gen führten ihn Reisen nach Mexiko, Kanada und in die USA, wo er das House Fallingwater besuchte, mit Walter Gropius, Ludwig Mies van Rohe oder Louis I. Kahn in Kontakt trat.18 Graf dagegen war Abgänger

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prozesses“ als österreichisches „Schlusslicht“ – was Elemente – etwa die Überdachung des Eingangsbeeiner einfachen Fortschrittsmotorik folgt und den reichs oder die Treppe in den Hof – erweisen sich steten Hinweis auf stetige Erfolge erlaubt.29 Die Moschlussendlich als bauplastisch stärker artikuliert.25 dernisierungsschübe erfolgen in architektonisch ganz Ein Aviso? Hinsichtlich der Planungsgeschichte kann unterschiedlich artikulierten Phasen und vollziehen man durchaus vom ersten „sanften“ Bau im hiesigen sich über Jahrzehnte. In der Zwischenkriegszeit galt Brutalismus sprechen, bei dem ja die sich scheinbar es zunächst eine Hauptstadt für das neu geschaffene verselbstständigende Bauplastik zum Markenzeichen Bundesland zu gründen und mit öffentlichen Instiwerden wird.26 tutionen auszustatten. Abseits solch zentraler BauWar Oberwart der Schauplatz eines österreichaufgaben lassen die 1930er-Jahre nur eine bescheiweit ausstrahlenden Ereignisses im Kirchenbau, fand dene Bautätigkeit zu, auch wenn es in den Dörfern in Eisenstadt nicht nur eine Generationenablöse in an Schulen, Verwaltungsbauten, Einrichtungen des der burgenländischen Architekturszene statt : Auf Gesundheitswesen etc. mangelt, nicht zu sprechen unterschiedliche Weise begannen die beiden dort von einer zentralen Nord-Süd-Verbindung im Straauftretenden, jungen Architekten die international doßenbau, die als weiteres zentrales Projekt erst lange minante Architektursprache des Brutalismus für sich nach 1955 fertig wird. zu adoptieren wie zu domestizieren. Die Inauguration In der unmittelbaren Nachkriegszeit liegt das der späteren Protagonisten und das Aufkeimen des Land in der sowjetischen Besatzungszone, hier greift neuen „Burgenlandstils“, der das Baugeschehen von der Marshallplan kaum, der Wiederaufbau startet in 1965 bis 1980 prägen wird, ist vollzogen.27 Wei­tere bescheidenen Dimensionen. Es dauert noch, bis die Schulbauten wie jene Szauers von Großwarasdorf und Lebensverhältnisse sich in rasanter Weise verändern Purbach oder Grafs von Mönchhof und Strem, das und das Land der Kleinbäuer:innen sich zum Land Oberwarter Krankenhaus und viele Leichenhallen – der Pendler:innen und Arbeiter:innen wandelt. 1964 eine Sonderaufgabe des 1969 reformierten Bestatschlägt dieser Strukturwandel sich auch im Wechsel tungswesens – säumen den Weg zum „Kulturzentrum“, der politischen Führung nieder. Erstmals in der Zweijenem Typus, bei dem der hiesige Brutalismus seinen ten Republik drehen sich die Mehrheitsverhältnisse in Höhepunkt erreichen wird.28 In einer besonderen „Laeinem Bundesland, die SPÖ gelangt an die Spitze. „Für borsituation“ sind die beiden Architekten zur Stelle, ein schöneres Burgenland!“ – dieser Slogan unter dem um für dieses Prestigeprojekt der burgenländischen ersten „roten“ Landeshauptmann Hans Bögl basiert Sozialdemokratie eine adäquate Form zu definieren. auf Strukturerhebungen, die zu einem ganzheitlich-erFür das Verständnis dieser österreichweit einmaligen folgsversprechenden Entwicklungskonzept verbunden Typologie eines multifunktionalen Ortes kultureller Zuwerden sollen. Auf den Punkt bringt es dessen Nachsammenkünfte auf dem Land erweist sich die Kenntfolger Theodor Kery, ebenfalls SPÖ, der von 1966 bis nis der gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen 1987 das Land „absolut“ regiert und eine progressive daher als unumgänglich. Modernität in Worten wie Taten für sich reklamiert : „Mit Kery für das moderne Burgenland!“ Er wird zur Politik als Symbolbau Symbolfigur im Land „auf der Überholspur“, wie er das Bundesland bezeichnet und durch die Werbelinie Als jüngstes und östlichstes Bundesland hat das seiner grundlegend reformierten Partei unterstrichen Burgenland seit seiner Angliederung an Österreich wird.30 Die Bauwirtschaft wird zum Mittel und Träger im Jahre 1921 mit einer historischen Hypothek zu dieser Bestrebungen, die Landesausgaben steigen exkämpfen. Durch die Grenzziehung wird die agrarisch pansiv von 351 Millionen auf 2 Milliarden im Jahr geprägte Region von ihren historisch gewachsenen, 1974 und bringen sie zum Florieren.31 Matthias Szauer urbanen Zentren, die nun in Ungarn liegen, getrennt. ist mittlerweile zum „Stararchitekten“ avanciert – so Als jahrzehntelang verfolgtes politisches Narrativ kann nennt ihn jedenfalls eine sozialistische Lokalzeitung.32 daher der Versuch gedeutet werden, diesen Rückstand Sein Werk wird 1976 in der Landesgalerie ausgestellt, zu beheben, die Infrastruktur und die Lebensverhältein Prospekt begleitet das Ereignis, für den Landesnisse der Menschen dem üblichen österreichischen hauptmann Kery das Begleitwort verfasst. Darin Standard anzugleichen. Die Politik bedient sich hierfür kehrt er den Zusammenhang zwischen Architektur gerne der verheißungsvollen Erzählung eines „Aufhol-

tisches Konzept. Es regelt auf 19 Schreibmaschinenund Fortschritt explizit hervor : „[…] zwischen den seiten den Betrieb solcher Zentren bis ins kleinste neuen Bauten und dem Aufschwung des Landes herrDetail – bis hin zu der notwendigen technischen Geschen enge Wechselbeziehungen.“33 In der auffällig räteausstattung, zum Personal und zur Finanzierung. gleichartig gestalteten Broschüre, mit der Graf sein Der zu vermittelnde Kulturbegriff ist breit : Es geht Werk im Jahr 1978 bewirbt, betont Kery die Rolle des um ein Anliegen, „dessen Berechtigung weniger von Symbolwerts der Architektur, fehlten doch „Vorbildoben stammt, sondern aus den Anforderungen unserer bauten“ für solche „Anlangen“. Die Rede ist wohl von mobilen, individualisierten und verwalteten [sic!] Geden Kulturzentren, die nun eindeutig zur wichtigen sellschaft“. Die Architektur ist in seinem Papier nur als Bauaufgabe auf der „Suche nach neuen, adäquaten abstraktes Funktionsprogramm mit QuadratmeteranFormen“34 im Burgenland werden. gaben präsent. Als deren zentrale Funktionseinheiten Pendelt man nun also beruflich aus dem kleinen weist Grau jene Bereiche aus, die beim ersten tatLand an der Grenze in die urbanen Zentren Wien sächlich errichteten Kulturzentrum fünf Jahre später und Graz aus, um dort sein Geld zu verdienen, ist die in der Grundkonzeption beinahe ident zu finden sein beachtliche Künstlerszene eine Folge einer Fluchtwerden : einen „Lernbereich, Kommunikations- und bewegung Prominenter ins Land. Sie werden von der Geselligkeitsbereich, Darbietungsbereich, TätigkeitsKulturpolitik durchaus dazu eingeladen; auch private bereich, Lesezentrum und einen Verwaltungsbereich“. Initiativen stützen sie, so etwa das bekannte „BildMit dem Typus der angloamerikanischen Community hauersymposium“ von St. Margarethen bereits seit Center wägt er kritisch ein typologisches Vorbild ab,40 1959.35 Doch das Landestheater gastiert noch als eine formal-bausprachliche Vorentscheidung fällt damobile Wanderbühne in Gasthäusern und Turnsämit nicht : diese Bauaufgabe findet in verschiedenen len,36 da die Kulturpolitik vorerst auf einzelne SonZeiten, in verschiedenen politischen Systemen, für derbauten – beispielsweise auf das Landesmuseum – verschiedene Gruppen – ob religiös oder säkular – zu fokussiert, das ab 1965 nach Plänen von Gunther unterschiedlichem Ausdruck.41 Hinsichtlich der StandWawrik und Hans Puchhammer errichtet wird.37 Das ortfrage wird er hingegen konkreter : Die Kulturanlagen erwähnte Haydn-Konservatorium zählt ebenfalls zu sollen in zentrale Orte mit rund 5.000 Einwohner:indiesen Prestigeprojekten, während es für die breite nen eingegliedert werden, die Einzugsbereiche die Kultur, für die Volkskultur und Erwachsenenbildung zehnfache Bevölkerungszahl aufweisen – eine Vorgabe, an einem zufriedenstellenden räumlichen Angebot die im Burgenland den Bezirksvororten entspräche. weiterhin mangelt. Bereits am 30. April 1971 findet die „politische In diesem Spannungsfeld rückt ein Mann schlagTaufe“ der Kulturzentren statt, die später einfach als artig ins Rampenlicht der späten 1960er-Jahre. Er ist „KUZ“ bekannt werden. Mader, noch als Privatperson, der geistige Vater der Kulturzentren : Der Mattersburtrifft Kulturlandesrat Fred Sinowatz und den Leiter der ger Rechtsanwalt Gerald Mader arbeitet zunächst im Kulturabteilung Johann Jandrasists zu einem DreierHintergrund, als Anwalt der burgenländischen SPÖ gespräch. In Maders eigenen Worten : „In der Kulturund als begeisterter Erwachsenenbildner, der 1969 abteilung wurde ein Akt ,Kulturzentrum‘ angelegt und die burgenländischen Volkshochschulen gründet.38 ich begann an die Möglichkeit einer Realisierung dieser Hinter Mader wiederum steht eine andere PersönlichIdee zu glauben.“42 Sogleich wird die Raumplanungskeit : Herbert Grau. Auch Grau war wesentlich an der stelle damit befasst, ein konkretes Standortkonzept Etablierung der Erwachsenenbildung im Nachkriegsfür Graus Programm zu entwickeln, Matthias Szauer österreich beteiligt.39 Mader und Grau treffen einander mit dem Entwurf eines architektonischen Prototyps im Frühjahr 1971 in St. Wolfgang bei einem einschläbeauftragt. Seine planerischen Grundlagen sollen die gigen Seminar und sprechen über die Situation der Basis späterer Architektenwettbewerbe bilden.43 Sein ländlichen Bildungsarbeit im Burgenland. Hier entsteht Vorprojekt wird Teil eines partizipativen Prozesses die Idee, durch regionale „Integrierte Kultur-, Bildungswerden, in dem nicht nur Partner überzeugt, sondern und Freizeitzentren“ (KBFZ), zunächst im Burgenland – die graue Programmatik in Räume übersetzt und um lound vielleicht sogar darüber hinaus – Institutionen der Kulturvermittlung auf dem Land zu etablieren. Aus einem Defizit könnte ein österreichweiter „Modellfall“ werden. In wenigen Wochen erstellt Grau ein theore-

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Der Sichtbeton taucht als markantes Gliederungselement auch bei der eindrucksvollen Außenanlage auf – bei den Bauten selbst wird diese Materialdominante um vorgehängte Waschbetonplatten und MahagoniFenster ergänzt.50 Der Sichtbeton als zentrales „Thema“ des Projekts hat Programm. Bereits 1969 schreibt Graf in der Zeitschrift „Peisonia“, in seinem einzigen architektonischen „Bekenntnis“ : „In einer Epoche gigantischer technischer Errungenschaften baut man bei uns heute oft noch so, als befänden wir uns in Großmutters Zeiten. Der Stil des Jahres 1969 muß naturgemäß ein anderer sein als etwa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. […] Das heißt nun nicht, daß der moderne Architekt sich unbedingt einem nüchternen Stil verschreiben muss. Die Anwendung originärer und unkonventioneller Formen, beispielsweise des Abgehen vom rechten Winkel und eine Zuwendung zu plastischeren Formen kann durchaus die geforderte Zweckmäßigkeit ergänzen und sie im modernen baukünstlerischen Sinn auflockern.“51 Dieses Zitat ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussKUZ Mattersburg : der Bau reich : Mit der Abkehr von historischen, das „vormozum Programm derne“ Bundesland prägenden anonymen Dorftexturen und Bauformen geht eine fortschrittsgläubige Haltung Die nordburgenländische  Bezirkshauptstadt Matterseinher, die zwar die „Funktion“ als Leitbegriff der einburg zeigt sich auf Anfrage des Vereins als erste daran schlägigen internationalen Moderne beibehält, um sich interessiert, an dem „kulturpolitischen Experiment“ doch darüber hinwegsetzen zu wollen. Das Zauberteilzunehmen;46 mit rund 5.500 47 Einwohner:innen wort, auf das sich Graf beruft, lautet : „plastisch“. passt die sozialistisch dominierte Kleinstadt in Graus Die bauplastische Beherrschung und Durchbildung Schema. Da auf dem sanft ansteigenden Hangareal der Bauaufgabe KUZ wird dabei um gestaltwirksame östlich des Stadtzentrums, in unmittelbarer Nähe Applikationen ergänzt, die ihren Ursprung eher im zu einem monumentalen Viadukt aus dem 19. JahrAusdruckswillen des Architekten haben als in konsthundert, zu Stadion und Freibad, ein neuer Kultur-, ruktiver oder funktionaler Notwendigkeit. Man könnte Bildungs- und Freizeitbezirk entstehen soll, fügt sich auch sagen : Sie werden zum Signet der hiesigen Spielder Plan für das erste Kulturzentrum auch dahinart des Brutalismus. gehend bestens ins Programm. Bereits im Sommer Dass sich diese „plastische Durchbildung“ keines1972 wird ein Architektenwettbewerb für das zu den wegs auf die Objekte selbst beschränkt und weit über größten Bauprojekten des Landes zählende Vorhaben sie hinausgeht, hat bereits die vielschichtige Einbetausgeschrieben, am 16. November findet die Jurytung des KUZ Mattersburg in die Topografie gezeigt. sitzung statt.48 Graf und Szauer belegen ex aequo den Es zeichnet sich durch in die Landschaft übergehende, zweiten Rang, der Mattersburger Architekt erhält den diese gleichsam strukturierende Treppen, skulpturale Zuschlag, 1973 beginnen die Bauarbeiten.49 Blumentröge und Stützmauern, die zum Außenraum Auf mehreren Terrassen, pittoresk über dem Wulvermittelnde und in diesen übergehende Bauplastik katal gelagert, entstehen um einen zentralen Platz eine aus. Den Höhepunkt bildet die dem KUZ im SüdwesHauptschule, eine Sporthalle und das westlich die ten vorgelagerte Freiluftarena : Die zylindrischen Bauhalbkreisförmige Formation abschießende Kulturformen der Fassade tauchen als Brunnenanlage oder zentrum. Erschlossen und gleichzeitig städtebaulich die Sitzstufen rahmende Blumentröge wieder auf, das zusammengefasst werden die Baukörper durch eine Gebäude fließt regelrecht in das durchgrünte Geländifferenziert in die Topografie gesetzte Treppenanlage. kale Bedürfnisse ergänzt werden soll. Man kann nicht verleugnen, dass die heute noch erhaltenen Ansichten aus dem verlorenen Plankonvolut etwas Nüchternes, an den zurückhaltenden, frühen Schulbauten Orientiertes, jedoch nichts „Brutalistisches“ an sich haben.44 Im November 1971 wird Mader – als Nachfolger von Fred Sinowatz – zum Kulturlandesrat ernannt. Es obliegt nun ihm selbst, die „Utopie“ KUZ in die gebaute Realität zu überführen.45 Wenige Monate später wird der „Verein zur Planung, Errichtung und Erhaltung von Kultur- und Bildungszentrum im Burgenland“ gegründet. Er soll in Kooperation mit der Kulturabteilung des Landes die administrative Abwicklung und Sicherung des Betriebs der KUZ gewährleisten. Mader denkt über die Parteigrenzen hinweg, sichert durch ein Proporzsystem innerhalb des Vorstands – sein Stellvertreter wird der ÖVP-Landesrat Rudolf Grohotolsky – dessen Überparteilichkeit und verankert so das sozialistische Leitprojekt breit in der burgenländischen Kulturpolitik.

ander verschobenen Baukörper, in deren Schnittstelle de über. Diese Haltung der Landschaft gegenüber ist Foyer und Saal liegen. Über ein System von Faltwäncharakteristisch für Grafs Frühwerk und wird auch den können sie mit den Studios auf einer Ebene zum von Landeshauptmann Kery wohlwollend zur Kenntnis „differenzierten Großraum“ 56 für rund 1.000 Besugenommen, als er 1978 feststellt : „Wenn man seine cher:innen zusammengeschaltet werden. Zum NordBauten auf für ihn persönliche typische Merkmale osten – von wo aus das KUZ durch besagte, von der betrachtet, wird sein Bestreben auffallen, Architektur Wulka aufsteigende Treppenanlage erschlossen wird – nicht unbedingt mit Anspruch in die Landschaft zu richtet sich der Saaltrakt mit seriell gereihten, fixen setzen, sondern er unternimmt stets den Versuch, den Mahagoni-Elementen, die den Blick in die Landschaft Ansprüchen der Landschaft zu genügen.“52 Auch aus lenken. Im Südwesten aber könnten Foyer und Saal diesem Grund ist das Bauwerk selbst – bei aller Mardurch das Öffnen von Mahagoni-Schiebetüren in den kanz – nur schwer beschreibbar. Graf widmet jedem Arenahof erweitert werden. Trakt eine eigene „Fassadenfigur“. Von der Wulka komLiest man in Graus Grundlagenschrift nach, zeigt mend, sticht vor allem der talseitige, gestaffelte Körsich die mustergültige Umsetzung seiner Ideen : „Die per mit der Horizontalität feingliedriger Fensterbänder Eingangshalle ist die Drehscheibe“, meinte er 1971; und darüber liegenden Lamellen ins Auge – dahinter weiters : „in luftzugsfreien Ecken stehen bequeme Sitzragt der Saal mit wulstiger Attika auf und schließt am garnituren […] ein Buffet gibt fallweise Erfrischungen Westende die Gesamtanlage mit einem freistehenden und kleine Speisen aus.“57 Diese trocken beschriebene Campanile, einem Lüftungsschacht, ab. Der ruhig im Geselligkeit hat Graf in ein Bauwerk, der Betreiber in Gelände liegende Südtrakt verbindet das KUZ mit der ein Kulturzentrum mit Strahlkraft übersetzt. Das in Hauptschule. Die beiden Fassaden zum südwestlichen Farbfotografien überlieferte, legere Kulturleben spielt Arena-Hof fallen dagegen durch ihre Komposition und sich vor der orange verfliesten Kaminskulptur ab, vor Maßstäblichkeit auf : Hier, im Gebäude-Eck, sitzt das ebenso orangen Vorhangbahnen zur Abtrennung der plastische Wasserspiel, strukturieren der auskragende in den Raumhöhen gut abgestuften Bereiche, vor Regieraum, ein Treppenturm mit Wasserspeier sowie orangen Netzvorhängen an den Fenstern, auf orange die Laderampe zum Bühneneingang die Fassade wie bezogenen Lounge-Garnituren, unter mit Holz vereine einzige, große Bauplastik. Der dominante Saalkleideten Decken : All dies sorgt für eine von außen bau zeigt sich also allseits von verschiedenen Raumunerwartete Wohnlichkeit. Das KUZ stellt sich als öfgruppen umzingelt – er „wächst“ sozusagen aus dem fentlicher Bau dar, dessen Inneres sich durch Attribute additiven Gebäudevolumen hervor. Das „Wachsen“ einer gehobenen, zeitgenössischen Wohnkultur in eine aber bleibt nicht auf das Bauwerk selbst beschränkt, Wohnlandschaft verwandelt, deren Möbel zudem in sondern charakterisiert das Wesen dieser „architekverschiedenen Aufstellungsvarianten – von Bällen bis tonischen Topografie“. Tagungen – die unterschiedlichsten Nutzungen beför11. 637 Kubikmeter umbauter Raum53 lautet die dern. In der seriellen Addition der Elemente, beispielsbeeindruckende Zahl eines Pilotprojekts, für das „es weise der Vorhänge und Lampen, entfaltet sich erst kein Vorbild gibt“ 54. Das pralle Raumprogramm entihre intensive Wirkung, wobei Zutaten der Pop-Kultur hält einen mithin für Rundfunk- und Fernsehaufzeichverhindern, dass es bieder wird. Grüne Pulte bei Kassa, nungen ausgestatteten, technisch hochgerüsteten wie Garderobe und Buffet, die modularen Ausstattungsteilbaren Mehrzwecksaal, der ca. 550 Personen fasst, elemente an der Decke und den Wänden des Saals einen Vortragssaal für ca. 80 Gäste, zwei Ausstelerfüllen den Anspruch einer Kultur nach der Mondlungsräume, drei Studios für die Erwachsenenbildung, landung. Diese Botschaft unterstreicht konsequent Künstlergarderoben, Werkstätten, ein Fotolabor, eine das warme Orange als Leitfarbe : Vom Aschenbecher Sauna mit Tauchbecken und einen Fitnessbereich. Im bis zum Logo auf diversen Drucksorten bestimmt es Obergeschoss sind das Institut für politische Bildung55, das „Design“ wie der Sichtbeton das Äußere. das Zentralbüro der Kulturzentren sowie zehn GästeEin Artikel in der sozialistischen Wochenzeitung zimmer untergebracht. Direkt unter den Erwachsenen„BF“ wird die dahinter stehende kultur­­­politische Hal­­ bildungsräumen befindet sich – mit eigenem „Gruppenverschluss“, wie es heißt – das Jugendzentrum mit Diskothek. Die Erfüllung all dieser Bedürfnisse erleichtert die Winkelform der beiden parallel zuein-

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Monate später wird das KUZ Güssing von Matthias tung, wenige Wochen vor der Eröffnung am 22. Mai Szauer mit einem für den Burgenland-Brutalimus tek1976, in Worte fassen : „[…] die Kulturzentren [sollen] tonisch beachtlichen Innenraum fertiggestellt; 1982 vor allem Stätten der evolutionären Kul­turerziehung in Oberschützen ein Bau mit Spritzputz-Fassade und sein, sollen durch ein erhöhtes Kulturangebot zu Kul­­ „Kupferhaube“ inmitten eines kleinräumigen Ortszentturteilnahme motivieren, vor allem die Menschen von rums nach den Plänen von Graf. In Eisenstadt, wenige der ‚Zuschau- und Zuhörkultur’ zur ‚Mitmachkultur’ Wochen zuvor beim zweiten KUZ Szauers, als Teil des hinführen.“ 58 Durchaus hat das auch eine andere, Hotel- und Geschäftskomplexes „Bundesländerhof“, ernstere Seite, wenn von einem Veranstaltungs­ zeigen sich die Auflösungserscheinungen deutlich im programm höheren Niveaus die Rede ist. ORF-Rearchitektonischen Ausdruck, der historisierend-postdakteur Günter Unger etabliert in diesem Sinn das moderne Anklänge aufweist – das vielfältige RaumFormat „Literatur am Kamin“. Die Gäste­liste – Liprogramm wird zum reinen Saalbau herabgestuft.67 teraten wie Schauspieler – ist beachtlich und reicht So progressiv, dynamisch und prägend die 1970ervon Axel Corti bis Peter Turrini.59 Zum Gelingen traJahre im Burgenland waren, ist spätestens 1983 eine gen mithin die exzellenten Verbindungen des ersten generelle „Katerstimmung“ angesagt, die architektoniGeschäftsführers der Kulturzentren, Hellmut Andics, sche, gesellschaftliche und politische Situation ändert in die Wiener Kulturszene bei. Ein Haus für alle sollte sich grundlegend, die Fortschrittsgläubigkeit ist auch es sein – auch das Programm macht’s möglich : Am im Burgenland verflogen. Die Gründe liegen in der Abend konnte man einen Liedermacher aus der BRD angehenden Postmoderne mit einer deutlich andehören, bald darauf fand sich am selben Ort eine Tagung ren Formensprache, die sich im Burgenland dennoch des Raiffeisen-Verbands ein. Die durchaus offen in aus der brutalistischen Architektur herauszuschälen der Presse geäußerte Sorge, die lokale Kulturszene scheint, aber auch in personellen und kulturpolitiwürde die neuen Räumlichkeiten nicht annehmen oder schen Ereignissen. 1982 ist zudem das öffentliche aber eine verordnete Kultur Einzug halten, erwies sich Bauprogramm so gut wie beendet, der Landstrich angesichts der allein im ersten Jahr durchgeführten flächendeckend mit öffentlicher Infrastruktur ausgeVielzahl und Breite von Veranstaltungen sowie des stattet. Für die nachkommende Generation bedeutet bald hohen Bekanntheitsgrads als unbegründet.60 dies eine Zäsur : Längere Zeit werden wenige bis gar Bereits die Eröffnung wird sich als das kulturpolikeine großen öffentliche Bauaufgaben vergeben. Ein tische Ereignis des Burgenlands der 1970er-Jahre Umstand, der selbst den Büros von Szauer und Graf erweisen,61 der Mattersburger Bürgermeister Anton einschneidende Neuausrichtungen abverlangt. 1984 Wessely noch Jahre später betonen, seine Stadt habe tritt schließlich Mader aufgrund von Unstimmigkeimit dem KUZ „etwas Einmaliges für Österreich erhalten mit Kery – selbst mit einer Reihe von Skandalen ten“62. Die Kunde macht vor Bundesgrenzen keinen konfrontiert – zurück.68 In diesem Klima besucht Halt : Delegationen aus Portugal, Estland, der BRD Friedrich Achleitner das Bundesland, um es für seine etc.63 begutachten das Mattersburger „Modell“ . Die Bestandsaufnahme der österreichischen Architektur Kul­tur als „Notwendigkeit des Leben[s]“, der „Abbau des 20. Jahrhunderts in Augenschein zu nehmen. Er von Schwellenängsten“, sogar die Schaffung „geistiverhehlt darin – aus Wiener Wahrnehmung – nicht ge[r] Kristallisationspunkte“, wie man in der tagesseine dezidierte Abneigung gegenüber den Zeugnisaktuellen Presse liest,64 scheint gelungen.65 In anderen, sen des burgenländischen Brutalismus, deutet die in Sinowatz’ Worten : Kulturpolitik ist die Fortsetzung Bautätigkeit Szauers und Grafs lediglich als „Kopfder Sozialpolitik.66 an-Kopf-Rennen“, als „Abwandlung und Steigerung“ einer „importierten Sichtbeton-Architektur“.69 Seine Nachklänge und Distanzierungen Einschätzung (die leise zu Differenzierungen mahnt) wird den Bauten im Lauf der kommenden Jahrzehnte Mattersburg war nur der Auftakt. Innerhalb eines Zeitzum Verhängnis, da sie von verschiedensten Akteur:inraums von zehn Jahren, von 1972 bis 1982, werden nen immer wieder verkürzt zitiert wird. insgesamt fünf Kulturzentren errichtet. Im Jahr 1977 Für die Folgegenerationen wird die Dominanz folgt der Jennersdorfer Sonderbau des Grazer Archizweier Architekten sowie die Identifikation der Lantekten Karl Hütter – es handelt sich um den hofseidespolitik mit ihren Bauten deren „Überleben“ gleitigen Anbau zu einem prominenten Gasthof. Wenige

chermaßen erschweren. Davon betroffen sind nahezu sämtliche Zeugnisse des burgenländischen Brutalismus. Das Eisenstädter Konservatorium wird 2006 zum „Dämmopfer“,70 acht Jahre später werden dem KUZ Mattersburg die im Lauf der Jahre notwendig gewordenen Wartungs- und Sanierungsmaßnahmen zum Verhängnis.71 Trotz unerwarteten wie heftigen Protests bleibt die Rettung aus. Dennoch wird das KUZ zum Ausgangspunkt einer auch international geführten Debatte über den Umgang mit Bauten des Brutalismus in Österreich. Erneut avanciert es – allerdings auf ganz andere Weise – zum „Modell für Österreich“, bevor es im Jahr 2019 bis auf einige Fassadenabschnitte abgerissen wird. Heute kann der „Burgenländische Brutalismus“ – eine Zuschreibung, die sich übrigens erst im Zuge der Mattersburger Auseinandersetzung etabliert hat – zumindest in der Fachwelt als „rehabilitiert“ gelten;72 obschon viele der Bauten bereits zerstört sind, steht eine ganze Reihe noch erhaltener Objekte mittlerweile unter Denkmalschutz. Was nun aber charakterisiert den zum Fachterminus gewordenen „Burgenländischen Brutalismus“? Es handelt sich um eine zeitlich umgrenzte Phase burgenländischen Bauens mit starkem Rückhalt in der Landespolitik. Das macht ihn zunächst zu einem kulturpolitischen Phänomen : Der schalreine Beton begleitet die Architekturkultur der Landespolitik. Darüber hinaus füllt er mit seinem gesellschaftlichen Auftrag mehr als eine architektonische Lücke zwischen der erlahmenden Spätmoderne und der auch im Burgenland umgreifenden Postmoderne. Weniger theoretisch begründet, denn als Resultat einer – aus Sicht des damaligen Modernisierungswillens notwendigen – Suche nach der neuen, landesweiten kulturellen Identität, zu deren Botschafter und Raumgeber die Architektur werden sollte, greifen Graf und Szauer auf ihre Könnerschaft in der Behandlung großer Kubaturen zurück, wie auch auf ein nunmehr formal gesteigertes Vokabular von Sichtbetonelementen. Wer etwa die Baustellenfotografien aus der Zeit betrachtet – schon damals mit großer medialer Aufmerksamkeit bedacht –, erstaunt vor dem kaum vorstellbaren Aufwand, der Präzision und zugleich urtümlichen Handwerklichkeit, mit der man sich den Betonschalungen zuwendet. Der Einsatz bauplastischer Applikationen wird zum Markenzeichen, Funktionsteile wie Kamine, Wasserspeier, Brunnen werden überhöht, vereinzelt entstehen sogar „freie“ Plastiken. Zugleich entstehen Bauwerke als monumentale Bauplastiken in der Landschaft, was mit

dem Ersatz fehlender, zeitgemäßer Stadträume und der Suche nach einem eigenen, flächendeckenden Idiom eng zusammenhängt. Das heißt nicht, dass der Innenraum nicht ein zentrales Thema wäre; im Fall des KUZ Mattersburg geht die geschickte Erfüllung eines komplexen Funktionsprogramms mit der „modernen“ Befreiung zu neuen Typologien einher. Das Fehlen der raumwirksamen Primärkonstruktion ist allerdings eine weitere Eigenheit des burgenländischen Brutalismus – es werden eben Innenräume geschaffen, die die „Teilnahme“ aktivieren und gerade nicht auf „rohe“ Distanz gehen. Was als Defizit erscheinen könnte, wird zum Markenzeichen dieser Bauten, die sie sich nicht aus der Kraft der Konstruktion alleine, sondern aus dem komplementären Zusammenspiel der rauen, zugleich nuancierten Hülle mit dem „wohnlichen“ Inneren begründen.

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1 Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Bd. II. Salzburg-Wien 1983, S. 478. 2 Ebd., S. 445. 3 Triber wird auch eine Rolle bei den Kulturzentren spielen, er ist von 1978 –1991 deren Geschäftsführer. 4 Achleitner 1983, S. 478. 5 Sabine Weigl: Zweck und Raum. Die Sakral­bauten Ferdinand Schusters mit Fokus auf das Seelsorgezentrum St. Paul in Graz, Dipl.-Arbeit, Univer­sität Wien 2009; Daniel Gethmann (Hg.): Ferdinand Schuster (1920 –1972): Das architektonische Werk: Bauten, Schriften, Analysen. Zürich 2020. 6 Weitere Mitglieder der Jury sind Prof. Dr. Herbert Muck S. J., der Architekt Gottfried Nobl und Baudirektor Johann Braunschmidt. Eine wichtige Rolle im Hintergrund hat der in der Hochbauabteilung des Landes tätige beamtete Architekt Nikolaus Gneisz, der sich ehrenamtlich im Kirchenbaurat engagiert. 7 Röm. kath. Stadtpfarre Oberwart (Hg.): Oberwart, Osterkirche. Oberwart o. J. 8 Monika Kus: Günther Domenig – die Osterkirche in Oberwart (1966 –1969), Dipl.-Arbeit, Universität Wien 2007; Albert Kirchengast, Norbert Lehner (Hg.): Archaische Moderne. Elf Bauten im Burgenland 1960 –2010. Zürich 2014. 9 Nach dem Wettbewerb wurde die Bevölkerung befragt, eine große Mehrheit, 212 von 364 Einwohner:innen, sprach sich für die Realisierung des Projektes von Domenig-Huth aus. 10 Die im Burgenland ausgeführten brutalistischen Sakralbauten wird in Zukunft der in Wiener Neustadt tätige Architekt Josef Patzelt prägen. Er ist bereits seit den 1950er-Jahren im Kirchenbau in der Region tätig und wendet sich in den 1960er-Jahren ebenfalls dem Sichtbetonbau zu. 11 Johann Gallis: Bauen für das moderne Burgenland. Das Frühwerk der Architekten Matthias Szauer und Herwig Udo Graf, Masterarbeit, Universität Wien 2020. 12 Offiziell wird auch noch der Wiener Architekt Dr. Günther Suske als Einreicher genannt, bei dem Graf angestellt war. Erst 1966 wechselte Graf ganz zu Kappel. (Archiv Graf, Zeugnis von Architekt Dr. Günther Suske, 08 .  03 .1968) 13 Architekturzentrum Wien, Sammlung, Vorlass Siegfried Jakob, Akt Joseph Haydn-Musikschule, Preisgerichtsprotokoll 09 .12 .1965; N.N.: Landesmusikschule: Ein Haydn Denkmal aus dem Geist von heute, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 09. 07.1970, S. 16 –17. 14 Fickl ist in Wien gemeinsam mit August Kremnitzer tätig. Szauer, da jünger, wird vorerst nach außen als Mitarbeiter

geführt. In dieser Dreierkonstellation beteiligen sie sich an zahlreichen, auch österreichweit ausgeschriebenen, Wettbewerben. Ende der 1960er-Jahre geht Kremnitzer in seine Heimat, in die Steiermark, zurück. 15 Kappel gestaltet in den 1950er-Jahren für die Familie Graf in deren privatem Wohnhaus, Josef Hyrtl Gasse 12, Mattersburg, den Stiegenaufgang, das Speisezimmer und das Garteneingangstor. 16 Vgl. Gallis 2020, S. 19, 27. 17 Szauers Büro wird mit zeitweise bis zu 20 Mitarbeitern zum größten und meistbeschäftigten des Burgenlands. Umso bemerkenswerter ist, mit welch kleiner Anzahl, nämlich mit maximal fünf, Graf sein breites Schaffen realisieren kann. Zentral für Graf ist sein Mitarbeiter Helmut Herschel: Zwischen Graf und seinem ehemaligen Studienkollegen an der TH herrscht ein optimales Zusammenspiel. (Vgl. Gallis 2020, S. 32, 34, 35) 18 Matthias Szauer, Sepp Laubner, Günter Unger: 50 Jahre Künstlergruppe Burgenland. Eisenstadt 2005, S. 44; Gottfried Pröll: Einleitungstext, in: N.N.: Matthias Szauer – Architektur, Ausstellungskatalog der Landesgalerie im Schloß Esterhazy. Eisenstadt 1976; Archiv Helmut Prinke, Lebenslauf Matthias Szauer, 2002. 19 Architekturzentrum Wien, Sammlung, Vorlass Herwig Udo Graf, Cafe-Restaurant im Türkenschanzpark. 20 Archiv TU Wien, Herwig Udo Graf, Lebenslauf, beigelegt im Protokoll zur 2. Staatsprüfung, Nr. 2194. 21 Trotz der Zuwendung zum Bauen mit Sichtbeton blieb Graf auch anderen Architekturformen und Tendenzen gegenüber offen. 22 Architekturzentrum Wien, Sammlung, Vorlass Siegfried Jakob, Akt Joseph Haydn-Musikschule, Preisgerichtsprotokoll 09 .12 .1965. 23 Gespräch Nikolaus Gneisz 2019; N.N.: Ruhestand, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 03 .10 .1990, S. 14. 24 Landesarchiv Burgenland, Planrolle mit den Wettbewerbsbeiträgen für die Joseph Haydn-Musikschule. 25 Grafs zweitgereihter Beitrag zeigt hingegen mit viel Holz, Spaltklinker und Pultdach skandinavische Einflüsse. 26 Die Schulen in Zurndorf (1965 – 1968) und Lockenhaus (1966 – 1970) von Fickl und Szauer zeigen sich dagegen noch als verputzte Baukörper – bei dem Konservatorium ähnlicher Fenstergestaltung mit markanten horizontalen Lamellen, ähnlichem funktionalen Grundriss und um Atrien gruppierten Trakten. In Lockenhaus steht am Vorplatz bereits eine Skulptur überein-

andergestapelter, tischähnlicher Elemente – eine Komposition aus Szauers Händen. Bei der Schule von Zurndorf zeigt sich hingegen bereits ein bauplastisch stark in Sichtbeton artikulierter Vorbau beim Haupteingang. 27 1971 siedelt sich im Südburgenland der aus Tirol stammende Architekt Heinrich Wolfgang Gimbel an. Dieser entwickelt sich ebenfalls in den 1970er-Jahren zu einem wichtigen Player im Architekturgeschehen des Landes. Der Einfluss Gimbels wird sich allerdings vor allem auf den Süden des Bundeslandes beschränken. 28 Für das gehobene Wohnen hat Szauer mit einem eignen Wohnhaus in Kleinhöflein einen paradigmatischen Bau geschaffen; mit der Sauerbrunner Sparkasse gelingt Graf ein sich ins historische Ortsbild sanft eingliederndes Bauwerk. 29 Dem Burgenland gewidmete Architekturzeitschriften begleiten diesen Prozess: Der Aufbau, Nr. 8 / 9, Burgenland, 1965; Bauforum 57/ 58, Burgenland, 1976. 30 Vgl. Günter Unger: Burgenland. Zeitreise in einem ungewöhnlichen Land, Wien 1994; Michael Floiger, Oswald Gruber, Hugo Huber: Geschichte des Burgenlandes. Lehrbuch für die Oberstufe. Festgabe an die Schüler der höheren Schulen anlässlich des Jubiläums 75 Jahre Burgenland, Eisenstadt 1996; Walter Feymann: Theodor Kery, in: Burgenland. Geschichte, Kultur und Wirtschaft in Biografien, 1993; Johann Gallis, Albert Kirchengast, Stefan Tenhalter: Die Nachkriegsmoderne im Burgenland, Bericht einer Bestandsaufnahme, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege, Heft 3 / 4, Wien 2020. 31 N.N.: Schulbau kurbelt Wirtschaft an, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 08.04.1971, S. 4.; Walter Feyman: Abschied vom Armenhaus. Die Wende zu einer konzeptiven Landespolitik und das neue burgenländische Selbstbild in der Ära Kery, in: SPÖ Burgenland (Hg.): Aufbruch an der Grenze. Eisenstadt 1989, S. 238. 32 Gleich bei mehreren Beiträgen im Zeitraum 1975 –1982 wird Matthias Szauer in der „BF“ als „Stararchitekt“ bezeichnet. Innerhalb der „BF“ prägt diesen Status Szauers maßgeblich der spätere ORF Journalist Ewald Pichler (1943 – 2002) in seinen Kolumnen, die einen einzigartigen Einblick in das gesellschaftliche Leben des Bundeslandes der 1970er-Jahre geben. 33 Vgl. N.N. 1976. 34 Herwig Udo Graf: Architekt Herwig Udo Graf. 10 Jahre freischaffende Tätigkeit, 1968 –1978. Mattersburg 1978. 35 Vgl. Unger 1994, S. 139.

36 Walter Reiss: Kulturzentren im Burgenland. Bilanz eines Experiments, Österreich Bild, ORF Landesstudio Burgenland, 1989. 37 Fred Sinowatz: Kulturpolitik im Burgenland der zweiten Republik, in: Burgenländische Kulturoffensive (Hg.): 60 Jahre Burgenland, Kulturpolitische Perspektiven. Eisenstadt 1981, S. 39. 38 Walter Göring, Gerald Mader: Standort und Perspektiven, in: Das politische Profil. Mattersburg 1982. 39 Herbert Grau (1916 –1973) studierte an der Universität Wien Germanistik und Anglistik. Nach 1945 trat er in den Dienst der Stadt Linz und war 1947 maßgeblich an der Gründung der Volkshochschule Linz beteiligt, die er bis zu seinem Tod leitete. Ebenso war Grau an der Gründung des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) mitbeteiligt. Als UNESCO-Experte war er von September 1964 bis Mai 1965 in Griechenland tätig. Quelle: Knowledgebase Erwachsenenbildung – Historiografie (adulteducation.at). 40 Herbert Grau: Integrierte Kultur-, Bildungs-, und Freizeitzentren, Linz 1971. 41 Gerade in den unmittelbaren Nachbarländern des ehemaligen „Ostblocks“ finden sich sogenannte „Kulturhäuser“. 42 Pannonia, Magazin für europäische Zusammenarbeit, Sondernummer, Burgenländische Kulturzentren, 1976, S. 4, 8. 43 Von Szauer wurden drei Typen ausgearbeitet, ein kleines Kulturzentrum, ein mittleres Kulturzentrum und ein großes Kulturzentrum. Matthias Szauer: Die Burgenländischen Kulturzentren, in: Edmund Zimmermann (Hg.): Kultur ist ein weites Feld, Festschrift für Johann Jandrasits. Eisenstadt 1988, S. 273. 44 Das nach den Typenstudien neu erstellte Vorprojekt von Szauer wurde bei der ersten Öffentlichen Diskussion im Mai 1972 in Mattersburg im Zuge der „Prozessplanung“ vorgestellt. N.N.: Kommt Kulturzentrum Mattersburg?, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 01. 06 .1972, S. 18; Szauer 1988, S. 273. 45 Für deren Realisierung ist selbst nach Ablöse von Sinowatz durch Mader in der „eigenen“ Partei noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten. Erst als Mader ohne Information der Landespartei von Finanzminister Hannes Androsch Förderzusagen erhält, bekommt Mader die volle Zustimmung der burgenländischen SPÖ. (Gespräch Gerald Mader 2017) 46 N.N.: Kulturzentrum für Mattersburg, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 05 . 05 .1972, S. 16. 47 Volkszählung 1971, 5417. Hans Paul (Hg.): 50 Jahre Stadtgemeinde Mattersburg. Mattersburg 1976, S. 299. 48 Neben den beamteten Architekten Vogl und Pauer sitzen bei diesem Verfahren

die freischaffenden Architekten Josef Patzelt aus Wiener Neustadt und Hans Puchhammer aus Wien in der Jury. Architekturzentrum Wien, Vorlass Siegfried Jakob, Akt Hauptschule Mattersburg, Preisgerichtsprotokoll 16 .11.1972. Die Planung für das Kulturzentrum wird bei einem separaten, geladenen Wettbewerb im ersten Halbjahr 1973 vergeben, bei dem Grafs Projekt der erste Preis zuerkannt wird. Hier treten auch Hans Puchhammer und Gunther Wawrik an und erhalten den zweiten Preis. Pannonia 1976, S. 4; Österreichische Gesellschaft für Architektur: Hans Puchhammer, Bauen kann Architektur sein. Salzburg 2004, S. 148. 49 Pannonia 1976, S. 4. 50 Ein ursprünglich geplantes Hallenbad und ein sternförmiges Restaurant kommen nicht zur Ausführung. 51 Herwig Udo Graf: Planen, Bauen, Wohnen, in: Peisonia, parteiunabhängige Zeitschrift für Burgenland, 1969, S. 4. 52 Graf 1978, unpaginiert. 53 Verein zur Planung und Errichtung von Kultur- und Bildungszentren im Burgenland (Hg.): Die burgenländischen Kulturzentren. Eisenstadt 1983. 54 Pannonia 1976, S. 11. 55 Im Jahr 1991 wir das Institut geschlos­ sen, die Räumlichkeiten werden ab 1994 vom Literaturhaus Mattersburg genutzt. 56 Mattersburger Rundschau, Nr. 12, 1976. 57 Grau 1971, S. 5. 58 N.N.: Kulturzentrum Mattersburg wird eröffnet, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 19.05.1976, S. 25. 59 N.N.: Peter Turrini liest in Mattersburg, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 05. 01.1977, S. 31; N.N.: Kulturzentrum Mattersburg Februar Programm, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 01. 02 .1978, S. 34. 60 Vgl. Berichterstattung im Jahr 1976 in der sozialistischen Wochenzeitung „BF“. 61 Beispielsweise berichten sowohl der Österreichische Rundfunk (ORF), in Fernseh- und Radiobeiträgen, wie auch die „Austria Wochenschau“ von der Eröffnung am 22 . 05.1976. 62 Vgl. Verein zur Planung und Errichtung von Kultur- und Bildungszentren im Burgenland 1983. 63 N.N.: Kulturminister Estlands im Burgenland, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 26 . 05 .1976, S. 13; N.N.: Politiker aus Portugal in Mattersburg, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 22 . 12 .1976, S. 16; N.N.: Hessen Delegation im Burgenland, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 15 . 06 .1977, S. 19. 64 N.N.: Die Kulturzentren – ein Modell für Österreich, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 26 . 09.1979, S. 35. 65 Auch in architektonischer Hinsicht

wird das Kulturzentrum Mattersburg als „Burgenländische Spezialität“ bezeichnet, wie Beiträge in architektonischen Leitmedien, etwa in „Architektur aktuell“, „Planen, Bauen, Wohnen“ oder im „Bauforum“ zeigen. 1982 wird das Kulturzentrum mit der benachbarten Schule in die bis heute als Standardwerk geltende Publikation „Schulbau in Österreich“ von Manfred Nehrer und Michael Wachberger aufgenommen. 66 N.N.: Das Kulturzentrum Mattersburg wurde eröffnet, in: BF, Die Zeitung für das Burgenland, 26. 05.1976, S. 2–3. 67 Vgl. Verein zur Planung, Errichtung und Erhaltung von Kultur- und Bildungszentren im Burgenland 1983; Gallis 2020. 68 Vgl. Feymann 1993, S. 159. 69 Achleitner 1983, S. 445. Dem KUZ Mattersburg widmet er nur einen kurzen, allgemeinen Absatz: „Kulturbauten sind ästhetische Multiplikatoren besonderer Art und als solche sollten sie auch besonders strengen Kriterien unterliegen. Es ist schade, daß man hier auf die Potenz der neueren österreichischen Architektur verzichtet und sich für eine Nachahmung des Sichtbeton-Brutalismus der frühen sechziger Jahre entschieden hat.“ Achleitner 1983, S. 469. 70 Das Bundesdenkmalamt gab 2002 einem Antrag des Landes Burgenland statt, das aufgrund der damaligen Rechtslage automatisch unter Denkmalschutz stehende Konservatorium aus dem Denkmalschutz zu entlassen. 71 Die nach fast 40 Jahren Nutzung selbstverständlich notwendigen baulichen Wartungs- und Sanierungsmaßnahmen wurden dazu benutzt, das Gebäude als „abbruchreif“ darzustellen und für den Abriss freizugeben. Drei Jahre zuvor wurde eine durch die Firma PEWA Bau projektierte Sanierung, die sich bereits in der Ausschreibungsphase befand, gestoppt. 72 Architekturzentrum Wien, Dauerausstellung „Hot Questions, Cold Storage“, seit 03.02.2022.

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B 01 - Günther Domenig und Eilfried Huth, B 04 Osterkirche Oberwart, 1966 –1969, bauzeitliche Dias von Nikolaus Gneisz; als beamteter Architekt in der Hochbauabteilung der burgenländischen Landesregierung engagierte Gneisz sich ehrenamtlich im Bauausschuss des Kirchenneubaus, war Mitglied der Jury und dokumentierte ihn – vom Wettbewerb bis zur Kirchenweihe – in hun derten Farbdias

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Günther Domenig und Eilfried Huth, Osterkirche Oberwart, 1966 –1969, Ansichtskarte, um 1970 Ansichtskarte des Innenraums, um 1970 „Matthias Szauer – Architektur", Ausstellungskatalog, Landesgalerie Eisenstadt, 1976

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Matthias Szauer mit Landeshauptmann Theodor Kery und Landesrat Gerald Mader bei der Ausstellungseröffnung „Architekt Herwig Udo Graf, 10 Jahre freischaffende Tätigkeit, 1968 –1978", Broschüre, Mattersburg, 1978 Herwig Udo Graf überreicht Landeshauptmann Kery die ersten Exemplare seiner Werkbroschüre, 1978

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Matthias Szauer und Gottfried Fickl, Joseph Haydn-Konservatorium, Eisenstadt, 1965 –1971 Haupteingang Matthias Szauer und Gottfried Fickl, Landeskrankenhaus Oberwart, das größte Bauvorhaben des Landes nach 1945, 1971–1993

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Herwig Udo Graf, Sauerbrunner Sparkasse, Mattersburg, 1970 –1972 Herwig Udo Graf, „Bedürfnisanstalt“ Mattersburg, das erste Objekt Grafs in Sichtbeton, 1968 –1969 Herwig Udo Graf, Leichenhalle Kaisersdorf-Weingraben, 1972 –1974 Herwig Udo Graf, Volksschule Mönchhof, 1969 –1972

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Herbert Grau, Konzept „Integrierte Kultur-, Bildungs- und Freizeitzentren", 1971 Herwig Udo Graf, Kulturzentrum Mattersburg, Perspektive von Mitarbeiter Helmut Herschel, 1973 –1976

B 20 Bundesminister Fred Sinowatz bei der Baustelle Kulturzentrum Mattersburg; zweiter von rechts: Architekt Herwig Udo Graf B 21 Funktionsplan

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Herwig Udo Graf, Kulturzentrum Mattersburg, offizieller Prospekt, 1976 Blick vom Bahndamm auf die Gesamtanlage im Bau Arena im Bau, Winter 1975 / 76

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Bau der Kaminwand sowie weitere Innenausbauarbeiten Detail der plastischen Formen, die in die Landschaft übergehen Montage der Beleuchtungskörper im Foyer

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Luftaufnahme der Mattersburger Gesamt-­ anlage: Sporthalle (links), Hauptschule (Mitte) und Kulturzentrum (rechts) Kulturzentrum Mattersburg, Blick vom Betonblock „Kulturzentrum Mattersburg“ auf den Haupteingang Detail des Wasserspeiers an der östlichen Stirnseite des großen Saales Blick von Süden auf die Arena

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Foyer während der Eröffnungswoche Kaminwand während eines Faschingsfestes, 1977 Foyer mit Ballbestuhlung Großer Saal Besuch einer internationalen Delegation; der Architekt Herwig Udo Graf führt durch den Komplex Ansichtskarte, 1970er-Jahre

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Matthias Szauer, Kulturzentrum Güssing, 1973 –1977 B 40 Foyer im Bau B 41 Bauplastische Applikation im Eingangs bereich

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Karl Hütter, Kulturzentrum Jennersdorf, Ansicht, 1974 –1977 Herwig Udo Graf, Kulturzentrum Oberschützen, 1977–1982 Großer Saal Matthias Szauer, Kulturzentrum Eisenstadt, 1979 –1982, um 1980

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Matthias Szauer, Wohnhaus Szauer Kleinhöflein / Burgenland, 1971

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Anhang

K

Biografien der Architekten 267

Literaturauswahl 271

Abbildungsnachweis 272

Biografien der Autor:innen 274

Bautenregister 276

1918 1947–1950 1951–1956   ab 1956 2003

ST 1934 1944 –1948 1948 –1953 1953 –1959 1959 –1960 1960 –1964 1964/65 1965 –1975 1971/72 1972/73 1974 –1998 1977/78 1980 –2000 1998 –2006 2003 –2012 2012

S 1925 1947–1952 ab 1954 1956 1973 –1978 1975 1980 1995 2005 2015 2016

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Bucher, Adolf geboren in Maria Rain/Kärnten Architekturstudium Technische Hochschule Graz (davor Technische Hochschule Wien) Mitarbeit im Architekturbüro Kopf, St. Gallen (u. a. Kirche und Pfarrhaus Glattbrugg Zürich) Architekturbüro in Klagenfurt verstorben in Klagenfurt

Domenig, Günther geboren in Klagenfurt Humanistisches Gymnasium Klagenfurt Höhere Technische Lehranstalt Villach Architekturstudium Technische Hochschule Graz Mitarbeit Architekturbüro Hannes Lintl, Wien Mitarbeit Architekturbüro Artur Perotti, Wien und Linz Mitarbeit Architekturbüro Eilfried Huth, Leoben Büropartnerschaft mit Eilfried Huth, Graz und München Gastprofessur Gesamthochschule Kassel Gastprofessur Technische Hochschule Graz Architekturbüros in Klagenfurt, Graz und Wien Gastprofessur Akademie der Schönen Künste Istanbul Professur für Gebäudelehre, Technische Universität Graz Büropartnerschaft mit Hermann Eisenköck und Herfried Peyker (Architektur Consult ZT GmbH) Büropartnerschaft mit Gerhard Wallner verstorben in Graz

Garstenauer, Gerhard geboren in Fusch an der Großglocknerstraße Architekturstudium Technische Hochschule Wien und Meisterschule Siegfried Theiss freischaffender Architekt in Salzburg Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg bei Konrad Wachsmann Lehrauftrag Universität Innsbruck Architekturpreis des Landes Salzburg für das Kongresszentrum Bad Gastein Habilitation in Graz Goldenes Ehrenzeichen des Landes Salzburg Ring der Stadt Salzburg Wappenmedaille der Stadt Salzburg verstorben in Salzburg

B 1940 1946 –1958 1958 –1964 ab 1958 1962 1963 –1966 seit 1965 1966 –1970 ab 1970 ab 1973 1991 seit 2012

T

Graf, Herwig Udo geboren in Wiener Neustadt/Niederösterreich Volksschule und Gymnasium in Mattersburg Architekturstudium Technische Hochschule Wien (u. a. bei Prof. Karl Schwanzer, Prof. Karl Kuspsky, Prof. Erich Boltenstern, Prof. Hermann Eisenmenger und Prof. Rudolf Wurzer) Studienreisen nach Finnland, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Schweiz Ferialpraxis bei Architekt Aarne Ehojoki, Turku/Finnland Mitarbeiter bei Architekt Günther Suske, Wien zahlreiche Wettbewerbsteilnahmen, Nennungen und Preise Mitarbeiter bei Architekt Julius Kappel, Mattersburg Architekturbüro in Mattersburg Bauberatungskonsulent der burgenländischen Handelskammer Großes Ehrenzeichen des Landes Burgenland Ruhestand

Heltschl, Norbert

1919 geboren in Imst/Tirol (Sohn des britischen Besatzungsoffiziers Norman Tattersal) Beginn einer Maurerlehre, motiviert durch 1935/36 seinen Adoptivvater Johann Heltschl Abbruch der Lehre, Staatsgewerbeschule 1937 Innsbruck Matura, Beginn des Architekturstudiums in 1941 Stuttgart; Einzug zur Luftwaffe Schwere Verletzungen bei Stalingrad, 1943 Fortsetzung des Architekturstudiums in Stuttgart 1945 Abschluss des Studiums bei Prof. Paul Schmitthenner (Diplomarbeit: „Das Rathaus einer neuen Stadt“) Nostrifizierung des Diploms, Technische 1945 Hochschule Graz 1945 –1947 Assistent bei Prof. Friedrich Zotter, Technische Hochschule Graz (bis 1948 Meisterschule Prof. Hubert Hoffmann) Professor an der Bundesgewerbeschule/HTL 1947– 80 Innsbruck Architekturbüro in Innsbruck ab 1952 1993 Pensionierung als Architekt 1995 – 2000 städtebauliche Projekte mit Sohn Thomas Heltschl verstorben in Innsbruck 2017





1941 1947–1955 1955 –1960 1960 –1962 1960 –1966 1960 –1972 1972 2004 2018

1944 1950 –1962 1963 –1969

Hums, Josef

ST

geboren in Wien Volksschule und Realgymnasium in Gramatneusiedl und Bruck a. d. Leitha Höhere Technische Lehranstalt (HTL) Wien Mitarbeit im Büro von Heinrich und Kurt Vana Architekturstudium Technische Hochschule Wien Anstellung im Büro von Prof. Karl Schwanzer (u. a. Unfallkrankenhaus Graz, WIFI St. Pölten, BMW-Verwaltungsgebäude München) Architekturbüro in Schwechat (von 1974–1982 mit Alois Seliger) Übernahme des Büros durch seine Tochter Ulrike Hums verstorben in Mödling

Huth, Eilfried

1930 geboren in Pengalengan/Java, Indonesien 1936 –1938 Übersiedelung nach Österreich, Volksschule in Klosterneuburg 1938 –1940 Volksschule Deutschlandsberg 1940 –1945 Nationalpolitische Schule Sponheim, St. Paul im Lavanttal 1945 –1950 Lichtenfelsgymnasium Graz 1950 –1956 Architekturstudium Technische Hochschule Graz 1956 –1960 Mitarbeit Architekturbüro Emmerich Donau, Leoben 1960 Gründung eines eigenen Büros in Leoben 1965 –1974/75 Büropartnerschaft mit Günther Domenig, Graz und München 1971/72 Gastprofessur Gesamthochschule Kassel Architekturbüro in Graz 1975 1984/85 Gastprofessur Hochschule der Künste Berlin 1985 – 2002 Professur Hochschule der Künste Berlin

T 1931 1946 –1949 1949 –1952 1953 ab 1961 1977 1979 1979 1991 1991, 1994 1993 –1995 1998 2000

Lackner, Josef geboren in Wörgl/Tirol Staatsgewerbeschule Innsbruck Architekturstudium Akademie der bildenden Künste Wien, Meisterklasse Prof. Clemens Holzmeister Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg bei Hans Hofmann; freiberuflich tätig in Düsseldorf, Freiburg und München Architekturbüro in Innsbruck Würdigungspreis für Bildende Kunst Professur für Entwerfen, Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur, Universität Innsbruck Österreichischer Holzbaupreis Architekturpreis des Landes Salzburg Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen Dekan Universität Innsbruck Ehrenzeichen des Landes Tirol verstorben in Innsbruck

T

Neubauer, Bernd

geboren in Klosterneuburg/Niederösterreich Volksschule und Realgymnasium in Klosterneuburg Architekturstudium Technische Hochschule Wien; Ferialpraktika bei Prof. Georg Lippert (u. a. Adolf-Schärf Studentenheim in Wien 20, Projekt ITT in Wien 2) 1970 –1972 Anstellung im Büro von Prof. Georg Lippert 1972 –1974 Mitarbeit im Büro von Gottfried Fickl, Wien (u. a. Volksschule Felixdorf, Seeappartements Purbach) Architekturbüro als „Ein-Mann-Betrieb“ 1975 1990er-Jahre Schwerpunktsetzung auf Bauaufsicht, Sachverständigen- und Gutachtertätigkeit Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter 1999 Sachverständiger für Kalkulation, Vergabe und Verdingungswesen; Bauabwicklung und Bauabrechnung Gründung der NHN ZT-GmbH in Klosterneuburg 2010 Niederlegung der Geschäftsführung der NHN 2017

OÖ 1931 1947–1952 1948/49 1952 –1954 1952 –1956 seit 1955 1956 –1958 seit 1958 1966 1969 –1980 1971 1976 –1986 1980

Odorizzi, Karl geboren in Strengberg/Oberösterreich Höhere Technische Lehranstalt (HTL) Linz Studium der Graphik und Malerei bei Prof. Rudolf Hoflehner, Kunstgewerbeschule Linz Studium von Gesang und Dramaturgie, Grazer Konservatorium Architekturstudium Technische Hochschule Graz (Bühnengestaltung bei Prof. Kurt Weber) zahlreiche Wettbewerbsteilnahmen, Nennungen und Preise Praxis in Deutschland Architekturbüro in Wels Mitglied der Zentralvereinigung der Architekten Oberösterreichs Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg bei Jacob Berend (Jaap) Bakema Präsident der Zentralvereinigung österreichischer Architekten (OÖ) Gründungsmitglied und wissenschaftlicher Beirat des Österreichischen Zentrums für Architekturforschung (ÖZA) Lehrauftrag für Gestalten und Konstruieren mit verstärkten Kunststoffen, Leopold-FranzensUniversität Innsbruck Landeskulturpreis für Architektur, Oberösterreich

268 269

1931 1946 –1949 1949 –1952 1953 ab 1961 1977 1979 1979 1991 1991, 1994 1993 –1995 1998 2000

V

Parson, Horst Herbert geboren in Wörgl/Tirol Staatsgewerbeschule Innsbruck Architekturstudium Akademie der bildenden Künste Wien, Meisterklasse Prof. Clemens Holzmeister Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg bei Hans Hofmann; Freiberuflich tätig in Düsseldorf, Freiburg und München Architekturbüro in Innsbruck Würdigungspreis für Bildende Kunst Professor für Entwerfen, Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur, Universität Innsbruck Österreichischer Holzbaupreis Architekturpreis des Landes Salzburg Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen Dekan Universität Innsbruck Ehrenzeichen des Landes Tirol verstorben in Innsbruck

Purin, Hans

1933 geboren in Bregenz; Sohn von Trientiner Einwanderern, Vater Kunstmaler und Zeichenlehrer; Gymnasium Bregenz-Mehrerau, Maurerlehre und Bauhandwerkerschule 1956 –1959 Architekturstudium Akademie der bildenden Künste Wien, Meisterklasse Prof. Roland Rainer 1959 Rückkehr nach Vorarlberg, Gründung eines Ateliers 1961 –1983 Architekturbüro in Kennelbach (ab 1984 in Bregenz) 1969 Österreichischer Bauherrenpreis (Siedlung Halde) 1984 Befugnisstreit (Klage der Österr. Architekten kammer gegen Hans Purin und 13 Vorarlberger Baukünstler; Wortführer; nach einer Welle breiter Solidarität im Vergleich beigelegt) 1991 Internationaler Kunstpreis Land Vorarlberg (gemeinsam mit den Vorarlberger Baukünstlern) 2007 Ehrenmitglied der ZV der Architekten Vorarlbergs 2010 verstorben in Bregenz

W 1918 1937–1940 1940/41 1941–1945 1942 1945 1946 –1951 ab 1947 1948 1958 1958 1959 1959 –1975 1964/65 1965/66 1967 1969 1972 1975 1975

V 1932 1947 1953 –1958 1957 1960 –1979 1962 1967 1979–2011 2007

Schwanzer, Karl geboren in Wien Architekturstudium Technische Hochschule Wien Bauamt Rybnik, Oberschlesien, Planungsarchitekt im Entwurfsbüro Bauverwaltung der Luftwaffe (kurzer Truppendienst, krankheitsbedingt Überstellung zum zivilen Baudienst der Luftwaffe) Promotion zum „Dr. techn.“ bei Prof. Karl Holey, Technische Hochschule Wien Technischer Leiter „Allbau“-Bauwerkstätten GmbH Bayern Assistent von Prof. Oswald Haerdtl, Akademie für angewandte Kunst Wien Architekturbüro in der Seilerstätte 16 Gründungsmitglied CIAM Austria Gründung des Österreichischen Instituts für Formgebung (ÖIF), erster Präsident Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und Grand Prix für Architektur auf der Weltausstellung Brüssel Preis der Stadt Wien für Architektur Professor für Gebäudelehre I und Entwerfen II, Technische Hochschule Wien Gastprofessur Technische Hochschule Darmstadt Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur, Technische Hochschule Wien Gastprofessur Technische Hochschule Budapest; Gründung Atelier München Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich Gastprofessur Universität Riad/Saudi-Arabien verstorben in Wien Großer Österreichischer Staatspreis für Architektur (posthum verliehen)

Sillaber, Karl geboren in Bludenz/Vorarlberg in eine Familie von Eisenbahnern Staatsgewerbeschule Innsbruck (Tiefbau) Architekturstudium Technische Hochschule Graz (u. a. bei Prof. Friedrich Zotter und Prof. Roland Rainer Wohn- und Arbeits-­ gemeinschaft mit Max Fohn Wettbewerbsgewinn und Realisierung Volksschule Bludenz-Obdorf mit Max Fohn Architektengemeinschaft C4 mit Max Fohn, Helmut Pfanner und Friedrich Wengler Gründungsmitglied Kunstverein Form + Farbe Bauherrenpreis der ZV der Architekten (Volksschule Nüziders) Architektengemeinschaft C4 Fohn/Sillaber bis zum Tod von Max Fohn 2011 Ehrenmitglied der ZV der Architekten Vorarlbergs

B 1935 1959 1959 –1963 seit 1959 1961–1963 1963 seit 1963 1963 –1968 ab 1968 1968 –1997 seit 2018 2022

ST



1933 1939 –1943 1945 1945 –1952 1952 –1958 1957 1958/59 1959/60 1960/61 1965 1971 1974 –1980 1982 1982 –1986 1987 1989 –1999



Szauer, Matthias



Groß-Rannsbach, Friedrich

geboren in Nikitsch/Burgenland Reifeprüfung an der Bundesgewerbeschule in Krems Architekturstudium Akademie der bildenden Künste Wien, Meisterklasse Prof. Clemens Holzmeister Studienreisen nach Schweden, Norwegen, Frankreich, Finnland, Schweiz, Griechenland, Türkei, Mexiko, USA, Kanada, Deutschland, Italien, Jugoslawien, England Praxis in Schweden und Norwegen Mitarbeiter bei Architekt Lois Holk Hrebicek, Wien zahlreiche Wettbewerbsteilnahmen, Nennungen und Preise Mitarbeiter bei Architekt Gottfried Fickl, Wien Architekturbüro in Eisenstadt projektweise Zusammenarbeit mit Gottfried Fickl Ruhestand verstorben in Großhöflein

1931 1948 –1952 1952 –1959 1957 1960 –1963 1971 1976 –1980 1982 1987 2018

geboren in Graz Höhere Technische Bundesanstalt für Bau, Kunst und Design Ortweinschule, Graz Architekturstudium Technische Hochschule Graz Architekturstudium Kunstakademie München Assistent von Prof. Hubert Hoffmann, Institut für Städtebau und Ländliches Siedlungswesen, Technische Hochschule Graz Promotion zum „Dr. techn.“ („Der Industriepark. Entwicklung, Gliederung, Standortbezüge und Richtwerte der Dimensionierung“) Lehrauftrag für Baudurchführung, Technische Universität Graz Gründung der Planconsult Austria mit Wolfgang Kapfhammer, Gert Koßdorff, Johannes Wegan und Pablo Golger Gründung des eigenen Büros verstorben in Graz



Hollomey, Werner

1929 1939 –1945 1945 –1947 1947–1952 1952/53 1953 –1972 1953 –1959 1974 –1997 1977 –1978 1979 –1981 1983 –1987 1987 –1989 ab 1987

geboren in Schladming/Steiermark Gymnasium Bischofshofen Gymnasium Graz Architekturstudium Technische Hochschule Graz Praktika in Salzburg und bei Max Fellerer in Wien Assistent Institut für Baukunst, Prof. Friedrich Zotter und Prof. Ferdinand Schuster, Technische Hochschule Graz Architekturbüro in Graz Professur für Hochbau und Entwerfen, Technische Universität Graz Dekan der Fakultät für Architektur Rektor Technische Universität Graz Präsident Urania Steiermark Dekan der Fakultät für Architektur Büropartnerschaft mit Ralf Hollomey



Pichler, Hermann

1933 1949 –1953 1953 –1959 1959 –1960 1987

geboren in Straßburg/Kärnten Höhere Technische Bundeslehranstalt Villach Architekturstudium Technische Hochschule Graz Praktikum bei Hannes Lintl, Wien Gründung des eigenen Büros

Werkgruppe Graz 1959 –1989 Gross, Eugen geboren in Bielitz-Biala/Schlesien Volksschule Bielitz-Biala Flucht nach Wien Realgymnasium Salzburg Architekturstudium Technische Hochschule Graz Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg bei Konrad Wachsmann Praktikum Abteilung Raumplanung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung Mitarbeit in Architekturbüros in Erlangen und Nürnberg Assistent von Prof. Hubert Hoffmann, Institut für Städtebau und Ländliches Siedlungswesen, Technische Hochschule Graz Befugnis als Architekt Gastprofessur Washington University, St. Louis, Missouri Lehrauftrag für Raumplanung, Technische Universität Graz Gründung der Planconsult Austria mit Wolfgang Kapfhammer, Gert Koßdorff, Johannes Wegan und Pablo Golger Vorsitz Sektion Architekten der Ingenieur­kammer für Steiermark und Kärnten Gründung des eigenen Büros Lehrer Höhere Technische Bundesanstalt für Bau, Kunst und Design Ortweinschule, Graz

270 271

A D

rchitekturgeschichte

enkmalpflege

Achleitner, Friedrich: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer in drei Bänden. Salzburg-Wien 1980 –2010. Aigner, Silvie (Hg.): Emanzipation und Konfrontation K08, Architektur aus Kärnten seit 1945 und Kunst im öffentlichen Raum heute (Band 2). Wien 2008. aut Architektur und Tirol (Hg.): Widerstand und Wandel. Über die 1970er Jahre in Tirol. Innsbruck 2020. Bäumler, Ann Katrin, Zeese, Andreas: Wiener Kirchenbau nach 1945. Von Rudolf Schwarz bis Heinz Tesar. Wien 2007. Blundell Jones, Peter: Dialogues in Time. New Graz Architecture. Graz 1998. Buttlar, Adrian von, Heuer, Christoph (Hg.): denkmal! moderne. Architektur der 60er Jahre. Wiederentdeckung einer Epoche. Berlin 2007. Forty, Adrian: Concrete and Culture. A Material History. London 2012. Griesser-Stermscheg, Martina, Hackenschmidt, Sebastian, Oláh, Stefan (Hg.): Bunt, sozial, brutal. Architektur der 1970er-Jahre in Österreich. Salzburg 2019. Hassler, Uta (Hg.): Was der Architekt vom Stahlbeton wissen sollte. Ein Leitfaden für Denkmalpfleger und Architekten. Institut für Denkmalpflege und Bauforschung IDB ETH Zürich. Zürich 2010. Österreichischer Fachzeitschriften-Verlag (Hg.): Neue Architektur in Österreich 1945 –1970. Wien 1969. Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau (Hg.): Schulbau in Österreich von 1945 bis heute. Horn 1982. Rombold, Günter: Kirchen für die Zukunft bauen. Wien 1969. Vejnik, Lukas (Hg.): Land der Moderne: Architektur in Kärnten 1945 –1979. Klagenfurt 2020. Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Denk-mal an Beton! Material, Technologie, Denkmalpflege, Restau­rierung, Berichte zu Forschung und Praxis der Denkmalpflege in Deutschland 16. Petersberg 2008. Wagner, Anselm, Walk, Sophia (Hg.): Architekturführer Graz. Berlin 2019. Wagner, Anselm, Walk, Sophia (Hg.): SOS Grazer Schule. Graz 2021.

B

rutalismus

M

onografien

Banham, Reyner: The New Brutalism. Architekturforum Tirol (Hg.): Josef Ethic or Aesthetic? London 1966. Lackner. Salzburg 2003. Brutalismus in der Architektur, Architekturzentrum Wien (Hg.): Gerhard bauen + wohnen, Heft 11, Zürich 1964. Garstenauer. Interventionen. Salzburg Calder, Barnabas: Raw Concrete. The 2002. Beauty of Brutalism. London 2016. Domenig, Günther: Werkbuch. SalzburgDenkinger, Bernhard: Die vergessenen Wien 1991. Alternativen. Strukturalismus und Eiblmayr, Judith, Balga, Philipp (Hg.): brutalistische Erfahrung in der ArchiBad Gastein: ab | an | aufgebaut. Wien tektur. Berlin 2019. 2021. Elser, Oliver, Kurz, Philip, Cachola Schmal, Garstenauer, Gerhard: Bauten und ProjekPeter (Hg.): SOS Brutalismus. Eine te im Gasteinertal. Salzburg 1979. internationale Bestandsaufnahme Graf, Herwig Udo: 10 Jahre freischaffende (Kat. Frankfurt am Main, Deutsches Tätigkeit, 1968 –1978. Mattersburg Architekturmuseum). Zürich 2017. 1978 (im Eigenverlag). Hackelsberger, Christoph: Beton: Stein Guttmann, Eva, Kaiser, Gabriele, Haus der der Weisen? Nachdenken über einen Architektur Graz (Hg.): Werkgruppe Graz Baustoff. Bauwelt Fundamente 79. 1959 –1989, Architecture at the Turn Braunschweig -Wiesbaden 1988. of Late Modernism. Zürich -Graz 2013. Heltschl, Norbert: Norbert Heltschl. Hnilica, Sonja: Der Glaube an das Große in der Architektur der Moderne: Bauten und Projekte 1945 –2001. Innsbruck 2002. Großstrukturen der 1960er und 1970er Holzschuh, Ingrid (Hg.): C4 Architekten: Jahre. Zürich 2018. Neues Bauen in Vorarlberg und Tirol Kitnick, Alex, Foster, Hal (Hg.): „New 1960-1979. Basel 2021. Brutalism“, Themenheft „October“, N.N.: Matthias Szauer – Architektur, Heft 136. Cambridge/MA 2011. Ausstellungskatalog der Landesgalerie McLeod, Virginia: Atlas of Brutalist im Schloß Esterhazy. Eisenstadt 1976 Architecture. New York-London 2018. Odorizzi, Karl: Raumoptimierung durch Reicher, Christa, Tietz, Jürgen, Utku, Konstruktion. Gedanken und Bauten Yasemin (Hg.): Big Beautiful Buildings. Die Nachkriegsmoderne im europäischen 1960 –1975. o. O. 1976. Diskurs. Dortmund 2019. Odorizzi, Karl: Architektur denken, bauen, Valena, Thomas, Avermaete, Tom, erleben. Wien 2007. Vrachliotis, Georg (Hg.): Structuralism Ritter, Arno (Hg.): konstantmodern. fünf Reloaded. Rule-Based Design in Archipositionen zur architektur, Atelier 5, tecture and Urbanism. Berlin 2011. Gerhard Garstenauer, Johann Georg Weigl, Sabine: „Brutalismus in Österreich – Gsteu, Rudolf Wäger, Werner Wirsing. Definition, Rezeption und Bewertung“, Wien 2009. in: Österreichische Zeitschrift für Kunst Schwanzer, Caroline, Pogoreutz, Mirko und Denkmalpflege (ÖZKD), Heft 3/4. (Hg.): Leidenschaftlich modern. Karl Wien 2018, S. 37– 47. Schwanzer und seine Architektur – Wüstenrot Stiftung (Hg.): Brutalismus. Eine Anthologie in Fotografien. Basel Beiträge des internationalen Sympo2021. siums in Berlin 2012. Zürich 2017. Schwanzer, Karl: Architektur aus Leidenschaft. Wien-München 1973. Zach, Juliane (Hg.): Eilfried Huth, Architekt. Varietät als Prinzip. Berlin 1996.

A

bbildungsnachweis

Architektur aus Leidenschaft, Schwanzer, Karl . Wien-München 1973 W  26 / S. 150 W  28 / S. 152 Architekturführer Innsbruck, hg. von Hölz, Christoph, Tragbar, Klaus, Weiss, Veronika . Innsbruck-Wien 2017  T  23 / S. 182 Architekturzentrum Wien • Fotografie Friedrich Achleitner OÖ 15, W 07, W 13, W 29, W 30, B 41 • Fotografie feilfoto W 21, W 22 • Fotografie Fritz G. Mayr W 15 • Fotografie Wolfgang Pfaundler T 30, T 31, T 32, T 33, T 34 • Fotografie Herbert Schwingenschlögl W 08 • Fotografie Margherita Spiluttini W 02, W 03, W 06, W 10, W 17, W 18 • Nachlass arbeitsgruppe 4 W 11, W 14 • Nachlass Günther Domenig W 12 • Nachlass Norbert Heltschl T 35, T 36 • Nachlass Josef Lackner T 05, T 06, T 07, T 08, T 09, T 13, W 19, W 20 • Nachlass Karl Mang W 04 • Nachlass Fritz G. Mayr W 16 • Nachlass Johann Pleyer W 09 • Nachlass Hans Purin V 01, V 02, V 03, V 04, V 05, V 06 • Nachlass Hans Steineder OÖ 14 • Nachlass Matthias Szauer B 12, B 13, NÖ 02 • Vorlass C4 Architekten V 07, V 08 • Vorlass Herwig Udo Graf B 14, B 16, B 17, B 20, B 25, B 26, B 27, B 30, B 31, B 32, B 35, B 36, B 43, B 44 • Vorlass Eilfried Huth OÖ 22 Archiv Helmut Eisenmenger OÖ 12 Archiv Felsentherme Bad Gastein • Wiener Presse Bilddienst VOTAVA S 09 Archiv Johann Gallis S 10, B 05, B 06, B 07, B 09, B 22, B 23, B 28, B 38 • Teilnachlass Dr. Gerald Mader B 18 Archiv Gerhard Garstenauer jun., Fotografie Gerhard Garstenauer S 06

Archiv Gasteiner Museum S 03 Archiv der Gemeinde Schwadorf, Bauakt Feuerwehrhaus NÖ 14, NÖ 15, NÖ 16, NÖ 17, NÖ  18 Archiv der Gemeinde Stockerau, Bauakt Feuerwehrhaus und Bauakt Bahnhof NÖ 05, NÖ 06, NÖ 07, NÖ 23, NÖ 24, NÖ 25 Archiv Heinrich Wolfgang Gimbel B 40 Archiv Nikolaus Gneisz B 01, B 02, B 03, B 04 Archiv Herwig Udo Graf B 10, B 15, B 37 Archiv Joseph Haydn-Konservatorium, Eisenstadt B 11 Archiv Bernd Neubauer NÖ 03 • Fotografie Bernd Neubauer NÖ 01, NÖ 04, NÖ 10, NÖ 11 Archiv Sonja Sieber   B 33, B 34 Archiv Karl Odorizzi OÖ 05, OÖ 06, OÖ 07, OÖ 08, OÖ 09, OÖ 10, OÖ 16, OÖ 17, OÖ 18, OÖ 19, OÖ 20, OÖ 21, OÖ 23, OÖ 24, OÖ 25 Archiv Stadtgemeinde Mattersburg B 29 Archiv Matthias Szauer B 39, B 45 Archiv der Terrassenhaussiedlung ST 01, ST 02, ST 03, ST 04, ST 06, ST 07, ST 08, ST 09, ST 10, ST 11 • Fotografie Walter Kuschel ST 05 Archiv der TU Graz ST 30 • Diasammlung Dreibholz, Fotografie Wolfdieter Dreibholz ST 34, ST 35, ST 36, ST 48, ST 49, ST 54 • Diasammlung Institut für Architektur und Landschaft ST 42, ST 45, ST 52 • Diasammlung Institut für Architektur­ theorie, Kunst- und Kulturwissen­ schaften ST 27, ST 32, ST 44 • Diasammlung Institut für Gebäudelehre ST 12, ST 13, ST 14, ST 15, ST 16 • Diasammlung Institut für Stadt- und Bau­geschichte ST 31 • Fotografie Eugen Gross ST 33, ST 43 • Fotografie Eilfried Huth ST 46 • Nachlass Dietrich Ecker, Fotografie Dietrich Ecker ST 28, ST 29, ST 37, ST 47, ST 53 • Nachlass Peter Hellweger ST 55

Archiv Zentralvereinigung der Architek tInnen Österreichs, Landesverband Kärnten K 02 bäder journal, Nr. 4, 1972 K  29 / S. 46 K  30 / S. 47 Bauarchiv Kärnten • Nachlass Adolf Bucher K 05, K 06, K 07, K 13, K 21, K 22, K 23 • Fotografie Hans-Jörg Abuja K 16, K 17, K 28 Bauten und Projekte im Gasteinertal, hg. von Garstenauer, Gerhard . Salzburg 1979 S  18 / S. 45 S  19 / S. 46  Bezirk Mattersburg, Kultureller Wegwei ser, Paul, Hans. Mattersburg 1977 B  21 / S. 79 Bibliothek Deutsches Architektur museum DAM P 03 Brutalismus. Beiträge des internationalen Symposiums in Berlin 2012, hg. v. d. Wüstenrot Stiftung . Zürich 2017 P  01 / S.135 Die Bau- und Werkkunst, November 1930 OÖ  13 / S. 35 Diözesanarchiv Graz-Seckau • Pfarrakten Graz-St. Christoph, Bauakten  ST 19 • Pfarrakten Wagna, Bauakten ST 21, ST 22, ST 23, ST 24, ST 25, ST 26 domus, Nr. 495, 1971 OÖ 26 Fotografie Wolfgang Glock https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Poetzleinsdorfer_Kirche_02. JPG#filelinks W 25 Fotografie Doris Grandits und Theresa Knosp, 2022 NÖ 26, NÖ 27 Fotografie Peter Gugerell https://www.austriasites.com/vienna/ assets/img/sehenswuerdigkeiten/ bezirk22/wien22_pfarrkirche_ auferstehung_christi01_peter_ gugerell_gemeinfrei.jpg W 27 Fotografie Xavier de Jauréguiberry W 31 Fotografie Alexander Krischner Bildstrecken 1-  3 Fotografie John Maltby W 32

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Fotografie Werner Prünner B 24 Fotografie Klaus Tragbar T 16, T 17, T 22, T 39 Fotografie Nikolaus Walter V 09, V 10, V 11, V 12, V 13 Fotografie Günter Richard Wett T 03 Gastein Aktuell, Bad Gasteiner Kurzei tung, 2, 1974, Festausgabe anlässlich der Eröffnung des neuen Kur- und Kongresszentrums, unpaginiert S 01 Institut für Architekturtheorie, Kunst und Kulturwissenschaften, TU Graz • Fotografie Stefan Amsüss ST 20 • Fotografie Karin Ritter ST 17, ST 18, ST 39, ST 40, ST 41, ST 50, ST 51 • Nachlass Ferdinand Schuster ST 38 Kirchenbau in der Diözese Innsbruck 1958 bis heute. Zwölf Beispiele, hg. v. Kapferer, Martin, Silberberger, Rudolf . Innsbruck-Wien 2016 T 27/S. 46 T  28 / S. 44 T  29 / S. 48 Lackner, Josef 1931–2000, hg. v. Architekturforum Tirol . Salzburg 2003 T 10 / S. 22 (rechts oben) T  11 / S. 21 T  12 / S. 23 T  14 / S. 57 T  15 / S. 54 (links) T  19 / S. 100 (rechts) Learning from Las Vegas. The Forgotten Symbolism of Architectural Form, Venturi, Robert, Scott Brown, Denise und Izenour, Steven . Cambridge / MA London 1972 P  02 / S. 146 f. LMK Rudolfinum • Nachlass Hans-Jörg Abuja K 03, K 04, K 08, K 09, K 10, K 11, K 12, K 14, K 15, K 18, K 19, K 20, K 24, K 25, K 26, K 27 Mattersburger Bezirksrundschau, Mattersburg, Nr. 1, 1976 B  19 / S. 3 Neue Zeit, 29. Juni 1965 K  01 / S. 9 Pannonia, Magazin für europäische Zusammenarbeit, Sondernummer, Burgenländische Kulturzentren . Eisenstadt 1976 B  42 / S. 22 Raumoptimierung durch Konstruktion, Gedanken und Bauten 1960 –1975, Odorizzi, Karl. Wels 1975 OÖ 01, OÖ 02 Salzburg Museum S 02, S 04, S 05, S 07, S 08, S 11, S 12, S 13, S 14, S 15, S 16, S 17 • Fotografie Franz Wolfsbauer S 20, S 21, S 22, S 23, S 24, S 25, S 26

Der Schulbau in Österreich, Hubatsch, Wilhelm . Wien 1962 OÖ 03, OÖ 04 Schöner Wohnen, Nr. 2, 1977 B 08 Schwadorfer Feuerwehr-Chronik 1875 –1979, hg. v. Eder, Anton . Schwadorf 1979 (Cover) NÖ 13 Stadt Augsburg, Amt für Brand- und Katastrophenschutz NÖ 12 Stadtarchiv Innsbruck T 01/ Inv.-Nr. Div-3949_1 T  02 / Inv.-Nr. Ph-12418_4 T  04 / Inv.-Nr. Ph-G-13178 T  18 / Inv.-Nr. Ph-7470  T  20 / Inv.-Nr. Ph-8560  T 21/ Inv.-Nr. Ph-13476_1 T  25 / Inv.-Nr. Ph-4245 T  26 / Inv.-Nr. Ph-Dig-139-094 T  38 / Inv.-Nr. Ph-9161 Stadtgemeinde Leonding, Bauakt OÖ 11 Universität Innsbruck, Forschungsinstitut Archiv für Bau.Kunst.Geschichte • Nachlass Horst Parson, Werkmappe 2 T 24 Univer­sitätssportanlagen Innsbruck, hg. v. Institut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck . Innsbruck 1977 T  37 / S. 2 Unsere Stadt. Mitteilungsblatt der Stadtgemeinde Stockerau • Nr. 37,  April 1977 NÖ 19, NÖ 20, NÖ 21, NÖ 22 / S. 1, S. 4, S. 5, S. 6 • Nr. 45, Dezember 1978 NÖ  08, NÖ  09/ S. 4 – 5 Vorarlberger Landesbibliothek • Fotografie Helmut Klapper (1973) V 14, V 15 • Fotografie Rudolf Zündel (Vorarlberger Nachrichten) V 16 Wien Museum, Karl Schwanzer Archiv • Fotografie Atelier P. Grünzweig W 23, W 24 • Fotografie Foto Penz St. Pölten W 01 • Fotografie Sigrid Neubert W 33 • Fotografie Maria Wölfl W 05

Die Herausgeber haben sich bemüht, alle Bildrechte zu klären. Sollten darüber hinaus Rechtsansprüche bestehen, ersuchen sie um Kontaktaufnahme, um diese entsprechend abzugelten.

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Nott aviezel studierte in Freiburg/ CH Kunst- und Architekturgeschichte, Geschichte des Mittelalters und Historische Grundwissenschaften. Nach einer dreijährigen Diplomassistenz am dortigen Lehrstuhl für Kunstgeschichte und einer Zusatzausbildung als Grabungsleiter über­nahm er 1983 –1986 die Co-Leitung des Nationalen Forschungsprogramms 16 „Methoden zur Erhaltung von Kulturgütern“. 1987–1995 war er Direktor der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte; ab 1995 eigene Forschungsprojekte, Lehrstuhlvertretungen und Lehraufträge an den Universitäten Bern und Lausanne. Von 2002 –2011 leitete er als Chefredaktor die Fachzeitschrift für Architektur und Städtebau „werk, bauen + wohnen“. Seit 2005 Mitglied, von 2009 –2018 Präsident der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD). 2012 wurde er als Ordentlicher Professor an den Lehrstuhl für „Denkmalpflege und Bauen im Bestand“ der TU Wien berufen; seit 2021 im Ruhestand.

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Oliver lser studierte Architektur in Berlin. Seit 1995 ist er als Architekturkritiker und -journalist für Zeitungen und Zeitschriften tätig („Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Texte zur Kunst“, „Frankfurter Rundschau“, „Der Standard“ u. a.), zunächst in Berlin, danach in Wien. Seit 2007 ist er Kurator am Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main. 2012 /13 war er Vertretungsprofessor für Szenografie an der Fachhochschule Mainz und 2021 Vertretungsprofessor für Architekturtheorie am KIT, Karlsruhe. Im Jahr 2017 zählte er zu den Gründungsmitgliedern des Center for Critical Studies in Architecture (CCSA). Am DAM hat er u. a. Ausstellungen zum Brutalismus, über Gottfried Böhms Wallfahrtskirche in Neviges, zur Postmoderne und zur Gründung des DAM, über Architekturmodelle im 20. Jahrhundert und zu Simon Ungers kuratiert. 2016 war er Kurator von „Making Heimat“, dem Deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale von Venedig.

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Robert abach wurde in der Steiermark Albert irchengast ist Architekturgeboren und arbeitet als Architekt, Publitheoretiker. Er hat Architektur an der TU zist und Architekturhistoriker. Nach dem Graz studiert und war zehn Jahre in ForStudium der Architektur an der Hochschung und Lehre an der ETH Zürich tätig. schule für Angewandte Kunst in Wien Promotion über den Landschafts­bezug erfolgte 1998 der Umzug nach Vorarlberg im Werk Mies van der Rohes („Das unund infolge die Gründung des Architektur- vollständige Haus“, Birkhäuser 2019). Mit büros raumhochrosen in Bregenz. Dazu Christophe Girot gibt er die Publikationskamen der Aufbau des Architekturarchivs reihe „Landscript“ heraus. Er war u. a. Vorarlberg und eine Dozententätigkeit an Fellow an der Havard GSD, dem CCA der Universität Liechtenstein; Projektent­ in Montreal und dem IWM. 2018 –2021 wicklungen, Publikationstätigkeit, For­ Senior Researcher am KHI in Florenz, MaxPlanck-Institut. 2019/20 Gastprofessor schung und Lehre. Ein Forschungs- und Ausstellungsprojekt führte ihn im Jahr an der TU Wien. Derzeit unterrichtet er 2019 nach Paris. Er lebt seit 2020 in Wien. an mehreren europäischen Hochschulen, u. a. als Dozent für Landschaftstheorie an der ETH Zürich und für Bauen im Bestand an der TU Wien. Zahlreiche Publikationen, zuletzt: „Landscape Analogue. About IdeaJohann allis hat Kunstgeschichte lism and Material Culture“ (jovis 2022). an der Universität Wien mit Schwerpunkt Architektur nach 1945 studiert. Freie Tätigkeit u. a. für die Österreichische Gesellschaft für Architektur (ÖGFA), das Architekturzentrum Wien (Az W) und das Theresa nosp studierte KunstBundesdenkmalamt (BDA). Seit 2019 geschichte an der Universität Wien sowie Vorstandsmitglied von DOCOMOMO Architektur an der TU Wien, wo sie seit Austria. Seit 2022 Lektor an der Universi- 2015 am Institut für Kunstgeschichte, tät Wien und an der TU Wien. Beiträge in Bauforschung und Denkmalpflege in Fornationalen wie internationalen Publikaschung und Lehre tätig ist. Zwischen 2018 tionen zu Bauten des Brutalismus und und 2019 war sie am Architekturzentrum der Nachkriegsmoderne im Burgenland. Wien (Az W) für die Inventarisierung des Laufendes Dissertationsstudium an der TU Nachlasses von Roland Rainer zuständig, Wien zum Thema: „Bauen auf dem Land. woraus sich eine umfassende ForschungsDas Werk der Architekten Julius Kappel arbeit zur Wiener Stadthalle ergab. Seit und Rudolf Hutter“. 2019 ist sie als Co-Projektleiterin und Herausgeberin im Forschungsprojekt AFNÖ tätig, welches die Erstellung eines Grundlagenwerks zur Architektur des 20. Doris Jahrhunderts in Niederösterreich auf Basis randits hat mehrere Jahre des Nachlasses von Friedrich Achleitner in Architekturbüros gearbeitet und war zum Ziel hat. während ihres Architekturstudiums als Studienassistentin im Forschungsbereich für Denkmalpflege und Bauen im Bestand tätig, wo sie nach ihrem Abschluss 2016 Alexander eine Stelle als Universitätsassistentin rischner wurde in Graz antrat. Ihre Forschungsschwerpunkte umgeboren und beschäftigt sich seit seiner fassen Theorie und Praxis der DenkmalJugend mit analoger und digitaler Fotopflege, die Architektur der Nachkriegsgrafie. Während seiner dreijährigen Ausbilzeit sowie Architekturdokumentation dung zum Berufsfotografen spezialisierte und -vermittlung. Seit 2019 ist sie als er sich auf Großformatfotografie, DunkelCo-Projektleiterin und Herausgeberin im kammerprozesse und professionelle DigiForschungsprojekt AFNÖ tätig, welches talisierung. Neben seinem Studium der die Erstellung eines Grundlagenwerks Ar­­chitektur arbeitet er als selbstständiger zur Architektur des 20. Jahrhunderts in Fotograf in den Bereichen Architektur und Niederösterreich auf Basis des Nachlasses Werbung. von Friedrich Achleitner zum Ziel hat. Seit 2020 ist sie freischaffend im Bereich der denkmalpflegerischen Beratung tätig.

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Elmar ossel hat Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Europäische Ethnologie an der Philipps-Universität Marburg und der Humboldt-Universität zu Berlin studiert; Magister Artium 2001. Dissertation an der Freien Universität zu Berlin 2008 zu „Hermann Henselmann und die Moderne: Eine Studie zur Modernerezeption in der Architektur der DDR“. 2009 –2012 wissenschaftlicher Assistent und Postdoc-Stipendiat am Kunsthistorischen Institut in Florenz, Max-Planck-Institut. Seit 2017 Redakteur der „architectura – Zeitschrift für die Geschichte der Baukunst/Journal of the History of Architecture“. Seit 2019 Senior Scientist am Arbeitsbereich Baugeschichte und Denkmalpflege der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck; gemeinsam mit Klaus Tragbar Projektleitung „Die Appropriationsstrategien Italiens in Südtirol und dem Trentino nach dem Ersten Weltkrieg“; Habilitationsprojekt: „Italien und die wandernde Hauptstadt. Torino – Firenze – Roma“.

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Sonja isarik studierte Kunstgeschich­te und Kulturmanagement in Wien. Forschungsaufenthalte führten sie für längere Zeit nach Buenos Aires und Montevideo. Seit 2003 ist sie im Architekturzentrum Wien (Az W) als Ausstellungskuratorin und Mitarbeiterin der Sammlung tätig. Ausstellungen/ Publikationen u. a.: „Der unbekannte Loos: Walter“ (2006), „x-projekte der arbeitsgruppe 4. Holzbauer, Kurrent, Spalt. 1950 –1970 (2009)“, „Am Ende: Architektur. Zeitreisen 1959 –2019“ (2016), „Brutal schön! 10 Highlights aus Österreich“ (2018), „Vorarlberg – Ein Generationendialog“ (2019). Zahlreiche Artikel zu architekturrelevanten Themen in österreichischen Medien.

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Markus tickler ist Kunsthistoriker und Mitarbeiter des Landeskonservatorates für Oberösterreich des Bundesdenkmalamtes (BDA). Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die Architekturgeschichte Österreichs im 20. Jahrhundert und zeitgenös­ sische Kunst; Masterarbeit an der Universität Wien zu „Ernst Hiesmayr – Architekt einer dialektischen Moderne. Bauten und Projekte zwischen 1948 und 1958“. Zu seinen Veröffentlichungen zählt: „The Inflicted Voice. The Relationship between Sound and Power in Lawrence Abu Hamdan’s The Freedom Of Speech Itself“ („all-over“, #10). Zusammen mit Anne Glassner kuratierte er 2017 die Ausstellung Hacking History.

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Klaus ragbar hat an der TH Darmstadt Architektur studiert, wo er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Baugeschichte war; Promotion mit einer Arbeit zum mittelalterlichen Wohnbau in der Toskana. Lehrtätigkeit in Darmstadt und Mainz, Vertretungsprofessur an der FH Frankfurt am Main und Professor an der Hochschule Augsburg. Seit 2013 Professor für Baukunst, Baugeschichte und Denkmalpflege an der Universität Innsbruck und Leiter des Instituts für Architekturtheorie und Baugeschichte. Geschäftsführer der Deutschen Burgenvereinigung (1998 –2001); Mitglied im Vorstand der Koldewey-Gesellschaft (2000 –2016); Gründungsmitglied und Mitglied im Vorstand der Gesellschaft für Bautechnikgeschichte (2013–2019). Forschungen zur mittelalterlichen Baugeschichte und zur Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts, insbesondere zur Architektur im Faschismus und zur historischen Stadt in der Moderne. Bauforschung an St. Peter in Salzburg und am Baptisterium in Aquileia. Mitarbeit am interdisziplinären Forschungsvorhaben des Kunsthisstorischen Institutes in Florenz „Die Kirchen von Siena. Der Dom S. Maria Assunta“ (1990 – 2006); DFG-Forschungsstipendium (2001/02). Seit 2015 Herausgeber der „architectura – Zeitschrift für Geschichte der Baukunst“.

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Lukas ejnik hat an der TU Wien Architektur studiert. Herausgeber von „Land der Moderne: Architektur in Kärnten 1945 –1979“ (Ritter Verlag 2020). Anlassbezogen veröffentlicht er Texte zu kulturund baupolitischen The­men. Lehrtätigkeit am Institut für Kulturanalyse der Universität Klagenfurt und der TU Wien. 2019 Architekturstipendium des Landes Kärnten für die Arbeit „Architektur.Kultur.Landschaft Nachkriegsmoderne im Alpen-Adria-Raum“.

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Anselm agner studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Klassische Archäologie an den Universitäten von Salzburg und München. 1992–1996 war er Mitbegründer und Geschäftsführer der Galerie 5020 in Salzburg. 1996–2008 nahm er Lehraufträge und Assistenzen an verschiedenen Universitäten in Salzburg, Linz, Graz und Wien wahr. Daneben arbeitete er als Kunstkritiker für diverse Tageszeitungen und als Redakteur der Kunstzeitschriften „frame“ und „spike“ (beide Wien). Er war Research Fellow am Clark Art Institute Williamstown/MA, Gastprofessor an der TU Wien, der TU Graz und der University of Minnesota, Minneapolis. Seit 2010 ist er Professor für Architekturtheorie und Vorstand des Instituts für Architekturtheorie, Kunstund Kulturwissenschaften der TU Graz. Wagner ist Studiendekan der Doctoral School Architektur, Leiter mehrerer FWF-Forschungsprojekte, Herausgeber der Buchreihe „architektur und analyse“ (seit 2012 bei jovis, Berlin) und war 2011–2020 Mitglied der Grazer AltstadtSachverständigenkommission. Wagners Forschungsgebiete sind die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts mit dem Schwerpunkt „Grazer Schule“, kritische Architekturtheorie und kulturwissenschaftliche Architekturforschung. Jüngste Publikationen: „Architekturführer Graz“ (2019, mit Sophia Walk), „SOS Grazer Schule“ (2021, mit Sophia Walk), „Alte Sachlichkeit. Der Ausstellungspavillon im Salzburger Zwerglgarten und sein Architekt Karl Mayr“ (2022).

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Sabine eigl ist Kunsthistorikerin. Sie studierte bis 2010 Kunstgeschichte an den Universitäten Wien und Hamburg und hat über den Kirchenbau des steirischen Architekten Ferdinand Schuster diplomiert. Von 2005 bis 2012 arbeitete sie freiberuflich in der Kunstvermittlung und im Umfeld der Denkmalpflege. Seit 2012 ist sie im Bundesdenkmalamt (BDA) tätig. Seit 2015 Mitarbeiterin in der Abteilung Inventarisation und Denkmalforschung im Bundesdenkmalamt. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Architektur nach 1945 und dem Verfassen von Amtssachverständigengutachten. Seit 2022 lehrt sie an der Technischen Universität Wien.

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autenregister

Alexandra and Ainsworth Estate London 155 Ankogelbahn Mallnitz 110, 111, 122 Arabella-Hochhaus München 65 Arzbergsiedlung Telfs 57 Arzthaus Puffer Bad Schallerbach 129 Aufbahrungshalle Orth an der Donau 189 Aufbahrungshalle Weizberg 159 Aussichtsturm (Europawarte) Waitzendorf 189 Bad Flora (Grottenbad) Innsbruck 60 Badehaus Werzer Pörtschach 108 Bahnhof Bruck an der Leitha 195 Bildungshaus St. Virgil Salzburg 85 BMW-Vierzylinder (Verwaltungsgebäude) München 193, 219, 232 Boston City Hall 26, 153 Bundesschulzentrum Deutschlandsberg 159, 161 Feldbach 159, 176 Traun 132, 140 Wörgl 132 CA-Verwaltungsgebäude (Creditanstalt Wiener Neustadt) 189 Campus Sport Universität Innsbruck 64, 82 Centraal Beheer Apeldoorn 20 Dr. Adolf Schärf-Studentenheim Wien-Brigittenau 191 Economist Building London 25 Europabrücke Brenner Autobahn, Wipptal 57 Felsenbad Bad Gastein 87, 88, 91, 98 Fernheizkraftwerk Graz-Süd 158, 170 Feuerwache Augsburg (Hauptfeuerwache) 192, 193, 202 Bethnal Green-London 193 Bremerhaven 93 Graz-Lend (Zentralfeuerwache) 192, 202 Marl 193 Mürzzuschlag (Freiwillige Feuerwehr) 192 Schwadorf 193, 194, 196, 202, 204 Stockerau 190 –193, 196, 200, 202 Freibad Aschbach-Markt 189 Bleiburg 108 Klein St. Paul (Terrassenbad) 107, 109, 111, 112, 116, 115 Paternion 107, 109, 112, 118 Friedhofskapelle Guntramsdorf 189 Gebäude des Slowakischen Rundfunks Bratislava 161 GEIWI-Turm Universität Innsbruck 64 Gemeinschaftliches Warenhaus Leutbühel (GWL) Bregenz 46, 54 Geschäftshaus Koch Grieskirchen 134, 144 Gewerbeausstellung Wien 1951 212 Gymnasium Völkermarkt 132

Hallenbad Bad Bleiberg 111 Heiligenblut 111 Klagenfurt 111 Mallnitz 110, 111 Spittal an der Drau 111 St. Veit 111 Hallen- und Freibad Bad Kleinkirchheim 108, 111, 112, 124 Kötschach-Mauthen 112, 124 Hauptschule und Hallenbad Schwadorf 189, 194, 196, 200 Hauptschule Altmünster 131, 142 Ebensee 130, 142 Großwarasdorf 237 Kühnsdorf 109 Mattersburg 239, 240, 252, 254 Purbach 237 Strobl am Wolfgangsee 131 Weiz (Mittelschule) 159, 161, 176 Haus der Begegnung Klagenfurt 109 Haus des Huhnes Marchtrenk 134, 144 Haus (Wohnhaus) Manahl und Fohn-Sillaber Lochau 40, 41, 43 – 45, 52, 54 Purin Kennelbach 41 Szauer Kleinhöflein 258 Weiss Wels-Pernau 134, 144 Hochschule für Gestaltung Ulm 12, 39, 40 House in Soho London 14 Hypobank Graz-Straßgang 160 IBM-Zentrum Wien-Leopoldstadt 191 IIT-Campus Chicago 10 Institutsgebäude für Biochemie TU Graz 160, 182 Internat Mariannhill Landeck 63, 65, 80 Joseph Haydn-Konservatorium Eisenstadt 236, 238, 249 Kagawa Prefectural Office 30 Kaufhaus Kada 180 Kindergarten Gramatneusiedl 193 Wördern 189 Kirche Heilig-Kreuz-Kirche Wien-Floridsdorf 224 St. Josef Leoben-Donawitz 157 St. Paul in der Eisteichsiedlung (Seelsorgezentrum) Graz-Waltendorf 160, 184 Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit (Wotruba-Kirche) Wien-Liesing 44, 211, 216, 219, 228 Zum Guten Hirten Wien-Hietzing 224 Klosterkirche Wettingen-Mehrerau 40, 41, 42, 43, 49, 50 Kolleg St. Josef Salzburg-Aigen 85 Kongresshaus Innsbruck 57 Kongresszentrum Bad Gastein 84, 88 – 93, 95, 96, 100, 102, 104 Konzilsgedächtniskirche Lainz-Speising Wien-Hietzing 61, 62, 217, 228

Koralmhalle Deutschlandsberg 160 Krankenhaus Bregenz 46 Kulturzentrum (KUZ) Eisenstadt 211, 241, 256 Güssing 211, 241, 256 Jennersdorf 211, 241, 256 Mattersburg 18, 211, 239, 240, 241, 242, 250, 252, 254 Oberschützen 211, 241, 256 Kunstgewerbemuseum Berlin 32 Landeskrankenhaus Oberwart 248, 237 Landesmuseum Burgenland Eisenstadt 238 Landwirtschaftliche Fachschule Stainz 174, 159 Lehrlingszentrum der Handelskammer Graz 160, 180 Lichtstudio Bartenbach Aldrans 60 Little -Shop Wels 144 Lüftungsschächte Arlbergtunnel 57, 68 Lüftungsbauten Plabutschtunnel 156, 159, 180 Mahnmal Friedhof Kapfenberg 158 Mariahilfpark Innsbruck 57, 64, 65, 68, 82 Mariendom Nevigeser 216 Mädchen-Hauptschule Vöcklabruck 131, 142 Mehrzwecksaal der Grazer Schul­ schwestern Graz-Eggenberg 156 – 159, 168 Nostra Signora della Misericordia Baranzate 59 Notre-Dame-du-Haut Ronchamp 13, 215, 226 Oblatenkloster St. Paul Wien-Hietzing 224 Osterkirche Oberwart (Pfarrzentrum) 18, 216, 226, 235, 236, 245, 246 Österreichische Botschaft Brasilia 134 Österreichische Gesundheitskasse Graz 160 Österreich-Pavillon Weltausstellung Brüssel 1958 60, 212, 222 Parkbad Ternitz 189 Pavillon-Volksschule Wallern-Trattnach 131 Pädagogische Akademie Graz-Eggenberg 18, 158 –160, 168, 174 Pfarranlage St. Stefan Wels 128 Pfarrkirche Böhlerwerk 189 Donaustadt Wien-Donaustadt 218, 232 Heiliger Paulus Innsbruck-Reichenau (Projekt) 58, 60, 70, 71 Hetzendorf (Rosenkranzkirche) Wien-Meidling 59, 216 Kapfenberg-Walfersam 158, 170 Krems 189 Landeck-Bruggen (Hl. Josef der Arbeiter) 63, 78 Laßnitzhöhe 158

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Lieboch 159, 178 Möllersdorf 189 Petrus Canisius Innsbruck 62, 76 Pötzleinsdorf Wien-Währing (Christkönigskirche) 217, 218, 219, 230 Salzburg-Parsch 58, 215 – 217, 226 St. Barbara Wulfen 62 St. Emmaus Völs im Inntal 61, 65, 74 St. Florian Wien-Margareten 61, 215, 226 St. Norbert Innsbruck-Pradl 61, 62, 74 St. Pius X. Innsbruck-Neu-Arzl 57, 60, 61, 72 St. Theresia Linz 218, 232 Thondorf 158, 170 Winzendorf 189 Pfarrzentrum Kroisbach 159 Leoben-Hinterberg 159, 178 Liebenau 159 Philipshaus Wien-Favoriten 212, 222 Portalbau Welser Messe 133, 144 Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz 146 Raiffeisenkasse Herzogenburg 189 Rechenzentrum der VOEST-Alpine Leoben 160, 161, 180 Robin Hood Gardens London 14, 18, 109 Sainte-Marie de la Tourette Éveux 26, 44, 63 Schnellbahnstation (Bahnhof) Atzgersdorf 195 Schulzentrum Harter Plateau Leoding 128, 130 – 134, 138, 140 Kapfenberg-Walfersam 159, 176 Steinerkirchen an der Traun 133, 144 Secondary Modern School Hunstanton Norfolk 10, 14, 16, 219, 232 Seeappartements Purbach 191 Seelsorgezentrum Baumgarten Wien-Floridsdorf 58 Steyr-Ennsleiten 58 Seilbahnstationen Sportgastein 88, 90, 91, 98 Siedlung Halde Bludenz 42 Skigymnasium Stams 57 Southeastern Massachusetts Technolo­ gical Institute (SMTI) North Dartmouth 65 Stadion Schwechat 193 Sporthalle Mattersburg 239, 252, 254 Sprungturm Millstatt 108 Stadionbad Wolfsberg 109, 110, 120, 122 Stadtutopie Graz-Ragnitz 144 Städtisches Waisenhaus Amsterdam 156 Strandbad Loretto Klagenfurt 108 Maiernigg 108, 118 Studentenhaus Hafnerriegel 158 Studentenwohnheim Universität Leuven 155 Terrassenhausanlage Höhenstraße Innsbruck-Hötting 63, 64, 68, 82

Terrassenhaussiedlung Graz-St. Peter 154 –156, 158 –161, 164, 166 Totenhalle Veitsch 159, 178 Unfallkrankenhaus Graz-Eggenberg 160, 193 Unité d’Habitation 8, 44, 157 Volksschule Felixdorf 189, 191, 196, 200 Frankfurt am Main-Niederursel 130 Horn 189 Mönchhof 237, 248 Niederthalheim 131, 142 Strem 237 Volks- und Hauptschule Natternbach 131, 142 Volks- und Sonderschule Bad Ischl 131 WIFI St. Pölten 189, 193, 196, 211, 219, 222 WIFI-Werkstätten Graz-Geidorf 159 Wohnhausanlage Amtstorstraße Bregenz 46 Göss-Steigtal 159, 180 Kroisbach 159 Purkersdorf 189 Wohnhochhaus Althofenstraße Salzburg 85 Rosenhaingasse Graz 159 Wohnpark Alt-Erlaa 64, 155 Würfelhaus Götzis 40 Yale School of Art an Architecture (Art & Architecture Building) New Haven 65 Yale University Art Gallery New Haven 10 Yamanashi Press and Broadcasting Center Kōfu 23

Zum Gebrauch der Abbildungen Die farbigen Archivseiten illustrieren die einzelnen Texte und dienen zugleich als „Klammer“: Durch hier wiederkeh­rende ­Protagonist:innen, Themen, Bauten etc. wird der topografische Zuammenhang im Buch unterstrichen. Die Abbildungen werden in den Essays nicht referenziert, ihre Reihenfolge korrespondiert allerdings mit der Erwähnung im Text. Dank Wir möchten uns bei den Autor:innen bedanken, ohne deren Beiträge diese Anthologie nicht möglich gewesen wäre. Den Leihgeber:innen des zahlreichen Archiv­materials sind wir ebenfalls zu Dank verpflichtet; allen voran dem Architektur­ zentrum Wien, das seine Vor- und Nachlässe für uns geöffnet hat. Das reich bebilderte Buch kann so den Blick in die Vergangenheit ebenso lenken wie es die unmittelbare Begegnung mit heute vielfach veränderten oder bereits verlorenen Bauten erlaubt. Herzlichen Dank an den Fotografen Alexander Krischner für drei wunderbare, für dieses Buch entstandene Fotostrecken. Bei Sonja Pisarik möchten wir uns für ihre vielfältige Unterstützung bedanken, insbeson­dere für die gründliche Durchsicht der Druckfahnen. Jasmin Trabichler hat die Buchwerdung grafisch begleitet: Herzlichen Dank für die intensive Zusammenarbeit!