Bruno oder über das göttliche Prinzip der Dinge: Ein Gespräch 3787317198, 9783787317196

Im "Bruno" bemüht sich Schelling um eine allgemeinverständliche Erläuterung der Grundgedanken seiner Identität

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Bruno oder über das göttliche Prinzip der Dinge: Ein Gespräch
 3787317198, 9783787317196

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FRIEDRICH WILHELM JOSEPH SCHELLING

Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge Ein Gespräch

Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von

manfred durner

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 564

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über . ISBN 3-7873-1719-8

© Felix Meiner Verlag 2005. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: Kusel, Hamburg. Druck: Strauss, Mörlenbach. Bindung: Litges & Dopf, Heppenheim. Einbandgestaltung: Jens Peter Mardersteig. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100% chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

INHALT

Einleitung. Von Manfred Durner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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friedrich wilhelm joseph schelling Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge Inhalts-Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge. Ein Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anmerkungen. Von Manfred Durner . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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EINLEITUNG

I. Der Dialog »Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge. Ein Gespräch« – eines der meistgelesenen Werke Schellings, das auch zahlreiche Übersetzungen erfuhr – erschien im Erstdruck 1802 im Verlag von Johann Friedrich Unger zu Berlin. Mit der Abfassung der Schrift dürfte Schelling in der zweiten Hälfte des Jahres 1801 begonnen haben. Ursprünglich war beabsichtigt, das Werk in der »Zeitschrift für spekulative Physik« zu veröffentlichen. Von dieser Zeitschrift hatte Schelling in den Jahren 1800 und 1801 insgesamt zwei Bände im Verlag von Johann Christian Gabler zu Jena und Leipzig herausgebracht.1 Band III sollte zur Ostermesse 1802 erscheinen2 und den Dialog »Bruno« enthalten.3 Dieser Plan wurde jedoch zunichte 1

Vgl. hierzu die Einleitung in: Zeitschrift für spekulative Physik. Band 1. Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Manfred Durner. Hamburg 2001 (PhB 524a). S. XXII–XXV. 2 Vgl. die Ankündigung Schellings im »Kritischen Journal der Philosophie«. Bd. I. Tübingen 1802. S. 131: »Die Zeitschrift für spekulative Physik betreffend mache ich bekannt, daß die verzögerte Fortsetzung derselben ihren Grund einzig darinn hat, daß der Verfasser mehrere Hefte zugleich erscheinen lassen will; so wie hiermit auch versichert wird, daß auf nächstkünftige Ostermesse der 3te und 4te Band derselben unfehlbar erscheinen wird. Jena im Dec. 1801. Schelling.« 3 Vgl. Schelling an Carl Joseph Windischmann am 7. 2. 1802: »Jetzt aber fängt der Druck des ersten Hefts vom dritten Bande an, worin ein speculatives Gespräch von mir kommt, das sich wohl bis in das zweite ausdehnen möchte.« (Aus Schelling Lebens. In Briefen. Hg. v. Gustav Leopold Plitt. Bd. I. Leipzig 1869. S. 355.) Vgl. auch Caroline Schlegel an A. W. Schlegel am 15. 2. 1802 (Caroline. Briefe aus der Frühromantik.

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gemacht durch einsetzende Streitigkeiten Schellings mit dem Verleger Gabler. Die ersten acht Bogen des »Bruno« waren bereits gedruckt, als Schelling die weitere Manuskript-Lieferung wegen ausstehender Honorare einstellte und sich entschloß, das Werk als eigenständiges Buch zu publizieren.4 Zur Realisierung dieses Vorhabens ließ Schelling durch Vermittlung August Wilhelm Schlegels und des Mediziners Christoph Wilhelm Hufeland bei Unger in Berlin anfragen, ob dieser gewillt wäre, das Werk zu verlegen und bis zur Ostermesse herauszubringen. Die Auflage sollte 1500 bis 1800 Exemplare betragen. Schellings Honorarforderung belief sich auf 200 bis 250 »sächsische Reichsthaler.«5 Bereits am 28. März 1802 teilte Hufeland Schelling mit, daß Unger gewillt sei, den Verlag des »Bruno« zu übernehmen.6 Am 12. April berichtete Schelling A. W. Schlegel, daß Nach Georg Waitz vermehrt herausgegeben von Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913. S. 301 f.). 4 Vgl. Schelling an A. W. Schlegel am 19. 3. 1802: »Die Unzuverlässigkeit meines Buchhändlers, der sich so gut wie insolvent erklärt hat, […] nebst seinem höchst unverschämten und pöbelhaften Betragen gegen mich, zwingt mich nach lange bewiesener Nachsicht, von dem philosophischen Gespräch, dessen ersten sieben Bogen hier folgen, in meiner Zeitschrift (soweit sie bei Gabler erscheint) nur eine bloße Probe erscheinen zu lassen, das Ganze aber, welches nach dem beiliegenden Druck gegen sechszehn Bogen betragen würde, besonders abzudrucken zu lassen.« (Plitt I, S. 357.) Vgl. auch Caroline Schlegel an A. W. Schlegel am 18. 3. 1802 (Caroline. Bd. 2. S. 323). – Bd. III der »Zeitschrift für spekulative Physik« kam nicht mehr auf den Markt. Vielmehr wurde das Periodikum unter dem veränderten Titel »Neue Zeitschrift für speculative Physik« im März 1802 von Friedrich Cotta in Tübingen übernommen und bis zum Oktober desselben Jahres weitergeführt. Insgesamt erschienen nur 3 Hefte. Zu Schellings Auseinandersetzung mit dem Verleger Gabler vgl. ausführlich den »Editorischen Bericht« zur »Zeitschrift für spekulative Physik« in AA I,8. S. 152–158. 5 Gleichzeitig liefen offensichtlich auch Verhandlungen mit Cotta über den Druck des »Bruno«. Vgl. Caroline Schlegel an A. W. Schlegel am 11. 3. 1802 (Caroline. Bd. 2. S. 318) und den bereits erwähnten Brief Schellings an A. W. Schlegel vom 19.3.1802 (Plitt I, S. 357 f.). 6 Vgl. Chr. W. Hufeland an Schelling am 28. 3. 1802 (BuD II, S. 394).

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»das ganze abgeschriebene Gespräch« an Unger geschickt worden sei. Gleichzeitig bat Schelling seinen Briefpartner, die Korrektur des 8. und 9. Druckbogens zu besorgen.7 Bereits vorher dürfte Schelling das Manuskript auch Johann Wolfgang von Goethe zur Lektüre überlassen haben. Denn dieser schrieb am 16. März 1802 an Friedrich Schiller: »Schelling hat ein Gespräch geschrieben: Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge. Was ich davon verstehe oder zu verstehen glaube, ist vortrefflich und trifft mit meinen innigsten Überzeugungen zusammen. Ob es uns andern aber möglich seyn wird dieser Composition durch alle ihre Theile zu folgen und sie sich wirklich als im Ganzen zu denken, daran muß ich noch zweifeln.«8 Auf den Markt gebracht wurde der Dialog dann im Sommer des Jahres. Indiz hierfür ist der Brief Schellings an seine Eltern vom 8. Juli 1802, in dem er anfragt, ob sein Bruder Karl Eberhard Schelling ihnen den »Bruno« zugeschickt habe. Er empfiehlt seinen Eltern die Lektüre dieses Buchs eindringlich, »da es am meisten geeignet ist, im Kurzen einen deutlichen und bestimm-

Zur Bedingung machte Unger, daß Schelling auch seine zukünftigen Schriften bei ihm veröffentliche. Diese Forderung hatte Schelling zweifelsohne nicht behagt. Am 4. 4. 1802 fragte er deshalb bei A. W. Schlegel an, ob er bei dem Berliner Buchhändler G. A. Reimer, in dessen Verlag dann die zweite Auflage des »Bruno« erschien, nicht »vortheilhaftere Bedingungen« erhalten könne (Plitt I, S. 361). Es kam dann aber doch noch zu einer Einigung mit Unger. 7 Vgl. Schelling an A. W. Schlegel am 12. 4. 1802 (Plitt I, S. 364). Bereits am 21. 12. 1801 hatte Schelling A. W. Schlegel gebeten, einige griechische Zitate in »das gehörige Metrum« zu übersetzen (vgl. Caroline Schlegel an A. W. Schlegel am 21. 12. 1801. In: Caroline. Bd. 2. S. 240.) Am 14. 1. 1802 übersandte A. W. Schlegel die Zitate (vgl. A. W. Schlegel an Caroline Schlegel am 14.1.1802. In: a. a. O. S. 268), die für den »Bruno« bestimmt waren (vgl. C. Schlegel an A. W. Schlegel am 15. 2. 1802. In: a. a. O. S. 301 f.). 8 Goethes Werke. Hg. im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen. Bd. IV,16. Weimar 1894. S. 55. Vgl. auch den Tagebucheintrag Goethes vom 15.3.1803, wonach er sich an diesem Tag mit Schellings »Bruno« beschäftigt hat. (Goethes Werke. Bd. III,3. Weimar 1889. S. 53.)

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ten Begriff meiner Philosophie zu geben, und dagegen gehegte Vorurtheile zu zerstreuen.«9 Aus dem Schreiben Schellings an A. W. Schlegel vom 4. April 1802 geht u. a. hervor, daß er gewillt war, weitere Arbeiten in Dialogform zu veröffentlichen. Bezüglich des »Bruno« ist dort zu lesen: »Es ist der erste Versuch, ich hoffe aber nun weiter auf dieser Bahn fortzugehen, und mir diese Form immer mehr zu eigen zu machen.«10 Dieses Vorhaben wurde dann jedoch nicht realisiert. Der für das zweite »Gespräch« vorgesehene Stoff ist in der 1804 publizierten Schrift »Philosophie und Religion« aufgegangen. In deren »Vorbericht« teilte Schelling der Leserschaft mit: »Das im Jahr 1802 erschienene Gespräch: Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge, ist seiner Anlage nach der Anfang einer Reihe von Gesprächen, deren Gegenstand auch in ihm zum voraus bezeichnet sind. Dem zweyten Gespräch in dieser Folge fehlte, schon seit längerer Zeit, zur öffentlichen Erscheinung nur die letzte Vollendung, welche ihm zu geben, äußere Umstände nicht zugelassen haben. Abgezogen von der symbolischen Form, die er in diesem ganz und durchaus erhalten hat, enthält die gegenwärtige Schrift den Stoff desselben.«11 9

Schelling an seine Eltern am 8. 7. 1802 (Plitt I, S. 373 f.). Vgl. auch Caroline Schlegel an A. W. Schlegel am 5. 7. 1802: »Schelling fragt an, ob Du den Bruno auf Velin von Meyer erhalten hast.« (Caroline. Bd. 2. S. 339) Da A. W. Schlegel die Schrift nicht bekommen hatte, schickt sie Schelling ihm im August des Jahres zu. Vgl. Schelling an A. W. Schlegel am 19. 8. 1802 (Plitt I, S. 385). 10 Schelling an A. W. Schlegel am 14.4.1802 (Plitt I, S. 362). 11 Schelling, F. W. J.: Philosophie und Religion. Tübingen 1804. S. III. (SW VI, S. 13.) Vgl. auch rückblickend Schelling an Hubert Beckers am 21. 10. 1835: »Dabei möchte aber hinzugefügt werden: Aus Bruno zu schließen sei darum unstatthaft, weil dieser, soviel Ihnen bekannt und aus der Vorrede zu Philosophie und Religion zu ersehen, der Anfang einer Folge von Gesprächen gewesen, die nachher nicht erschienen seien. Das zweite sei in Philosophie und Religion übergegangen, das dritte, welches in der beabsichtigten Steigerung den letzten Aufschluß habe geben sollen, sei nicht erschienen.« (Plitt III, S. 114.) In Dialogform er-

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Seit dem Jahre 1806 trug sich Schelling mit dem Gedanken einer Neuauflage des »Bruno«. Er schrieb diesbezüglich an die Witwe des Verlegers Unger, Friederike Unger, und bot ihr gleichzeitig eine weitere Schrift in Dialogform unter dem Titel »Die Neue Schule von Athen« an.12 Diese war dem Vorhaben zunächst zugetan, lehnte es aber dann doch ab, Schellings neue Schrift und eine weitere Auflage des »Bruno« herauszugeben.13 In der folgenden Zeit verhandelte Schelling mit Friedrich Cotta in Tübingen über das Projekt und ließ diesen wissen, daß er den Dialog »sehr verbessert« neu drucken zu lassen beabsichtige.14 schien übrigens auch Schellings Abhandlung »Ueber das absolute Identitäts-System und sein Verhältniß zu dem neuesten (Reinholdischen) Dualismus. Ein Gespräch zwischen dem Verfasser und einem Freund.« In: Kritisches Journal der Philosophie. Hg. v. F. W. J. Schelling u. G. W. F. Hegel. Bd. I. Stück 1. Tübingen 1802. S. 1–90 (SW V, S. 18–77). 12 Schellings Brief an Friederike Unger hat sich nicht erhalten. Der Sachverhalt ist jedoch zu erschließen aus dem Antwortschreiben von Ungers Witwe (BuD III, S. 304). Vgl. auch Schelling an C. J. Windischmann am 21. 2. 1806: »Zur Messe kommt eine neue Auflage von der Weltseele; vom Bruno, nebst der Zugabe eines neuen, kleineren Gesprächs.« (Plitt II, S. 80.) 13 Vgl. F. Unger an Schelling am 18. 3. 1806: »Es thut mir wahrhaft wehe, daß meine Antwort Ihren Erwartungen und Anerbieten nicht entsprechen darf: wenn die äußere und politische Lage es fordert, muß ich den Vorzug mit Sie in litterarischer Verbindung zu stehen, aufgeben. Es ist mir schlechterdings unmöglich noch etwas für Druckerei und Verlag anzunehmen«. (BuD II, 320.) 14 Schelling an Cotta am 15. 11. 1808: »Um doch endlich einmal wieder etwas drucken zu lassen, bin ich gesonnen, den Bruno jetzt in den Druck zu geben. Er ist seit geraumer Zeit vergriffen, und da ich vor jeder andern Arbeit die neue Auflage der Methodologie besorgen möchte, also nicht wissen kann, wann ich das 2te Gespräch, welches zugleich mit dem Bruno erscheinen sollte, ganz werde vollenden können: so habe ich mich entschlossen, lezteren, sehr verbessert, inzwischen allein erscheinen zu lassen, jedoch unter dem doppelten Titel, seinem ersten, und dem allgemeinen: Philosophische Gespräche. I. Bruno. – Hierdurch erlange ich den Vortheil, auch in der Folge einzelne Gespräche erscheinen zu lassen. Sind Sie nun, trefflicher Freund, auch auf diese Weise noch geneigt, den Bruno zu verlegen, so versteht es sich, daß er in keinem

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Tatsächlich erschien eine zweite, unveränderte Auflage des »Bruno« jedoch erst im Jahre 1842 im Verlag von Georg Andreas Reimer zu Berlin.15 Der zweite Dialog »Die Neue Schule von Athen« erblickte nie das Licht der Öffentlichkeit. Über die Entstehungsgeschichte eines 1834 im Verlag J. N. Enßlin zu Reutlingen erschienenen Nachdrucks des »Bruno«, der auffallend viele Druckfehler und Textverderbnisse enthält, ist nichts Näheres bekannt. Wahrscheinlich handelt es sich um einen sog. »Raubdruck«. Zu Schellings Lebzeiten abgedruckt wurde der Dialog »Bruno« ferner in dem 1818 erschienenen Band 9 (S. 1–156) der fragmentarisch gebliebenen Ausgabe von Schellings »Sämmtlichen Werken«, die der Verlag Zeipel und Palmblad in Upsala veranstaltete.16 II. Der Dialog »Bruno« erschien ein Jahr nach der Veröffentlichung von Schellings »Darstellung meines Systems der Philosophie«.17 Letztgenannte Abhandlung eröffnete eine neue Phase in Schellings denkerischer Entwicklung, die Epoche des sog. Identitätssystems (1801–1809).18 Mit ihr sollte die Dichotomie von Natur- und Transzendentalphilosophie und deren Prinzipien (Produktivität der Natur einerseits, Spontaneität des Ich andererseits), wie sie Schelling in seinen Schriften der vorhergehenden Jahre entwickelt hatte, aufgehoben und beide in andern als Ihrem Verlag erscheinen soll.« (Schelling und Cotta. Briefwechsel 1803–1849. Stuttgart 1965. S. 37.) 15 Mit Reimer hatte Schelling bereits 1802 verhandelt. Vgl. Anm. 6. 16 Zu dieser Ausgabe vgl. den Editorischen Bericht von Hartmut Buchner in: AA I,2. S. 10–14, 31–33. 17 Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. In: Zeitschrift für spekulative Physik. Hg. v. Dems. Bd. 2. H. 2. Jena u. Leipzig 1801 (SW IV, S. 105–212). 18 Rückblickend stellte Schelling fest, daß ihm im Jahre 1801 das »Licht in der Philosophie aufgegangen« sei. (Schelling an C. A. Eschenmayer am 30. 7. 1805 in: Plitt II, S. 60.)

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einem höchsten Prinzip ihre Einheit finden. Dieses wird 1801 bestimmt als »absolute Vernunft«, die weder subjektiv noch objektiv zu denken ist, sondern als bestimmungslose »absolute Indifferenz« das identische Wesen alles Seienden darstellt.19 Sie ist diese vernünftige Identität per definitionem aber nur in der Form des Verhältnisses zu sich selbst, und d. h. im Selbsterkennen. In diesem Akt setzt sich die absolute Vernunft formal als Subjekt und Objekt und erfaßt so ihr Wesen: absolute Identität von Subjektivem und Objektivem, Idealem und Realem.20 Als selbstaffirmatives Prinzip ist die absolute Vernunft nicht einfache Identität, sondern »Identität der Identität«, formallogisch ausgedrückt durch die Formel »A = A«.21 In seiner Setzung als Subjekt und Objekt erweist sich das absolute Prinzip als Ermöglichungsgrund von Differenz überhaupt; es umfaßt durch seine Form die Totalität alles Seienden und transzendiert doch in seinem Wesen alle Differenz. Mit einem Wort: es ist All-Einheit. Der philosophischen Erkenntnis erschließt sich das höchste Prinzip durch die von Schelling in der »Darstellung meines Systems der Philosophie« postulierte »intellektuelle Anschauung« oder »Vernunftanschauung«, die alle Entgegensetzung von Subjekt und Objekt, Wissendem und Gewußtem hinter sich läßt und damit zum wahren An-sich der Dinge, dem Indifferenzpunkt gelangt.22 Die in der Vernunftanschauung sich vollziehende Erkenntnis ist nach Schelling unmittelbar eins mit dem Sich-Erkennen des Absoluten selbst. Als solche vermittelt sie eine unverlierbare und unbezweifelbare Gewißheit. Diametral entgegengesetzt ist die Vernunftanschauung der analysieren19

Vgl. Schelling, F. W. J. Darstellung. §. 1. S. 1 f. (SW IV, S. 114 f.) Vgl. a. a. O. §§. 18–21. S. 11–13 (SW IV, S. 122 f.). 21 Vgl. a. a. O. §. 16. S. 10 f. (SW IV, S. 121). 22 Vgl. a. a. O. §. 1. S. 2 (SW IV, S. 114 f.). Durch die Abstraktion vom Anschauenden in der »Vernunftanschauung« wird eo ipso auch vom Angeschauten abstrahiert, die Vernunft erschließt sich in ihr daher weder als Denkendes noch Gedachtes, sondern als die absolute Einheit oder Indifferenz von Subjekt und Objekt. 20

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den, durch die Kategorien des endlichen Verstandes bestimmten Reflexion. Im Unterschied zur Erkenntnisart der empirischen Wissenschaften ist die Vorgehensweise der Philosophie synthetisch, d. h. sie konstruiert alle Seinsgestaltungen aus dem einen Prinzip der »absoluten Vernunft«, betrachtet alle Dinge in der Totalität und erblickt in jedem Einzelnen das Ganze. Alles, was ist, ist dem Wesen nach eins.23 Die Möglichkeit einer Unterscheidung überhaupt kann nur in der Form oder dem Sein des Absoluten, nämlich seiner Selbstaffirmation und der daraus resultierenden Setzung als Subjekt und Objekt, gründen.24 Dies ist die Grundaussage von Schellings Identitätsphilosophie. Jede Differenzierung darf demgemäß nicht als qualitative, sondern nur als quantitative vorgestellt werden: die eine Form der absoluten Identität entfaltet sich zu einer Pluralität von Formen, die durch eine je unterschiedliche Gewichtung des subjektiven und objektiven bzw. idealen und realen Moments ausgezeichnet sind.25 Schelling bezeichnet diese Formen in seiner »Darstellung« von 1801 als »quantitative Differenzen« oder »Potenzen«.26 Jede Potenz repräsentiert die absolute Identität auf unterschiedliche Weise. Aus dem Selbsterkennen des Absoluten folgen zwei Reihen von quantitativen Differenzen, bestimmt durch die jeweilige Dominanz des subjektiven oder 23

Vgl. a. a. O. §§.12–13. S. 7 f. (SW IV, S. 119.) Vgl. a. a. O. §. 21–23. S. 12–15 (SW IV, S. 123 f.). 25 Vgl. a. a. O. §. 23. S. 13–15 (SW IV, S. 123 f.). 26 Vgl. Schellings Erläuterung des Begriffs der »quantitativen Differenz« in seiner »Darstellung«: »Eine Differenz, die nicht dem Wesen nach gesetzt ist (ein solche statuiren wir überhaupt nicht), eine Differenz also, welche bloß auf der Verschiedenheit der Form beruht, und die man deßwegen auch differentia formalis nennen kann. Beispiel, die reine Idee des Dreiecks. In demselben ist weder ein gleichschenkliges noch ein ungleichschenkliges, noch gleichseitiges noch ungleichseitiges. Jede dieser Formen ist eine quantitative Differenz der Idee der Dreiecks. Nun kann aber eben die Idee des Dreiecks nur in der Totalität dieser Formen existiren, so daß es zwar immer im Einzelnen mit Differenz, im Ganzen aber mit Indifferenz gesetzt ist.« [Zusatz aus dem Handexemplar] (SW IV, S. 127. Anm.) 24

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objektiven Faktors, in denen die Unterscheidung von Natur (objektives Subjekt-Objekt) und Geist (subjektives Subjekt-Objekt) gründet.27 In Bezug auf das Ganze der absoluten Identität gleichen sich alle graduellen Unterschiede wieder aus, denn diese existiert nur als absolute Totalität, d. h. als Inbegriff aller Potenzen.28 In jeder Potenz spiegelt sich die trichotomische Grundstruktur des Seins der absoluten Identität wider; sie umfaßt in sich wiederum die Momente des Subjektiven, Objektiven und deren Indifferenz. Je nach dem sie bestimmenden Faktor sind alle Potenzen in Relation aufeinander entweder vorwiegend subjektiv oder objektiv.29 Mit anderen Worten: die absolute Vernunft ist in ihren Potenzen Identität in Totalität (Einheit in Vielheit) und jede einzelne Potenz Totalität in bestimmter Identität (Ganzheit im Einzelnen). Die Selbstaffirmation der absoluten Vernunft durch Setzung quantitativer Differenzen bedeutet kein Herausgehen des Absoluten aus sich selbst.30 Vielmehr sind die Potenzen zu denken als rein ideelle Bestimmungen der absoluten Identität, die actu gesetzt werden bzw. zur Erscheinung kommen in der raum-zeitlichen Welt. Was in der absoluten Totalität immer schon ist, erscheint so in der realen Welt als Prozeß der sukzessiven Selbstexplikation von der Materie bis zum menschlichen Geist. Die einzelnen Dinge in Raum und Zeit haben Realität nur insofern, als sich in ihnen die ewigen Archetypen ausdrücken. Ihre Endlichkeit resultiert daraus, daß diese Repräsentation immer nur partiell ist, letztlich also aus Privation. Im Hinblick auf die erfüllte Gegenwart der absoluten Totalität ist die raum-zeitliche Wirklichkeit als Nichtseiendes im Sinne des platonischen µη óν zu denken. Die endlichen Dinge haben ihren Grund nicht in sich selbst, sondern immer in einem anderen. Sie sind dem Gesetz der Kausalität unterworfen und zertrennt in Raum und Zeit.31 27 28 29 30 31

Vgl. a. a. O. §. 46. S. 29–31 (SW IV, S. 137 f.). Vgl. a. a. O. §§. 25–31 S. 15–19 (SW IV, S. 125–128). Vgl. a. a. O. §§. 41–44 S. 25–28 (SW IV, S. 133–135). Vgl. a. a. O. §. 14. S. 8 f. (SW IV, S. 119 f.) Vgl. a. a. O. §. 35–37 S. 22 ( SW IV, S. 130 f.).

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Die Welt der realen Endlichkeit bezeichnet so einerseits die Sphäre des in Wahrheit Nicht-Seienden, wird andererseits jedoch als Abbild der absoluten Totalität verstanden. Insofern nach Schellings Aussage die absolute Identität nur wirklich ist im Indifferenzieren der actu gesetzten quantitativen Potenzen, besteht zwischen der absoluten Totalität und ihrer Erscheinung notwendigerweise ein gegenseitiges Bedingungsverhältnis.32 Ein kontinuierlicher Übergang von der absoluten Totalität zum endlichen Sein, eine Selbstentäußerung des Absoluten, kann in dieser Konzeption dessen ungeachtet nicht zugestanden werden, da erstere als immer schon seiende Gegenwart, als ewiges Sein gedacht wird, von der jedes Werden auszuschließen ist. Eine befriedigende Antwort auf die Frage, wie Endliches zur Existenz kommt, d. h. wie die absolute Totalität erscheint, gibt Schelling in der »Darstellung« nicht. Er deutet jedoch einen Lösungsversuch an, der dann in dem vorliegenden Dialog »Bruno« näher ausgeführt wird.33 Die Form der »Darstellung meines Systems der Philosophie« orientiert sich an Baruch de Spinozas »Ethik«,34 d. h. sie verfährt »more geometrico« und entwickelt ihren Gedankengang in einer systematischen Abfolge von Definitionen, Axiomen, Lehrsätzen und Beweisen. Die Ausrichtung an Spinoza ist nach Schellings eigenen Worten dem Text nicht nur äußerlich. Vielmehr soll damit auch die innere Affinität des Identitätssystems mit Spinozas Grundgedanken der Einheit von Natur und Geist, Idealem und Realem in der Einen Substanz qua causa sui zum Ausdruck gebracht werden, obgleich Schelling das einende Prinzip von Anfang an nicht als Substanz, sondern als absolutes Subjekt, und d. h. als Prinzip der Freiheit denkt.35 32

Vgl. a. a. O. §. 31. S. 19 (SW IV, S. 128 f.). Vgl. auch die Anmerkung aus dem Handexemplar zu §. 29 (SW IV, S. 22 Anm.). 33 Vgl. unten S. 49ff. 34 Vgl. Spinoza, Benedictus (Baruch) de: Ethica, ordine geometrico demonstrata. In Ders.: Opera posthuma, Quorum series post Preafationem exhibetur. [Amsterdam] 1677. S. 1–264. 35 Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung. S. XII f.: »Die Weise der Dar-

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Im Gegensatz zur »geometrischen Methode« stellt die Schrift »Bruno« die Grundgedanken der Identitätsphilosophie nach dem Vorbild eines platonischen Dialogs dar.36 Und auch in diesem Fall ist die Darstellungsform nicht zufällig, sondern in der Sache selbst begründet. Bereits in seinen Tübinger Studienjahren (1790–1795) hatte sich Schelling intensiv mit der Philosophie Platons auseinandergesetzt.37 Von besonderem Interesse war für ihn der Dialog »Timaios«, zu dem Schelling 1794 einen Kommentar verfaßte,38 der die Ideen Platons nicht wie üblich stellung betreffend, so habe ich mir hierinn Spinoza zum Muster genommen, nicht nur, weil ich denjenigen, welchem ich, dem Inhalt und der Sache nach, durch dieses System am meisten mich anzunähern glaube, auch in Ansehung der Form zum Vorbild zu wählen den meisten Grund hatte, sondern auch weil diese Form zugleich die größte Kürze der Darstellung verstattet, und die Evidenz der Beweise am bestimmtesten beurtheilen läßt.« (SW IV, S. 113.) – Vgl. auch Schelling an Hegel am 4. 2. 1795: Ich bin indeßen Spinozist geworden! – Staune nicht. Du wirst bald hören, wie? – Spinoza’n war die Welt (das Objekt schlechthin, im Gegensaz gegen das Subjekt) – alles, mir ist es das Ich.« (AA III,1. S. 22.) 36 Neben der zentralen Bezugnahme auf Platon, insbesondere dessen »Timaios«, finden sich in der vorliegenden Schrift zahlreiche andere Bezüge auf die antike Philosophie, die in den erklärenden Anmerkungen soweit als möglich nachgewiesen werden. 37 Vgl. hierzu Franz, Michael: Schellings Tübinger Platon-Studien. Göttingen 1996; Gloyna, Tanja: Kosmos und System. Schellings Weg in die Philosophie. Stuttgart-Bad Cannstatt 2002. – Zur Rezeption des Platonismus in der Philosophie des deutschen Idealismus vgl. ferner Beierwaltes, Werner: Platonismus und Idealismus. Frankfurt a. M. 1972; Ders.: Identität und Differenz. ibd. 1980 sowie die Sammelbände: Platonismus im Idealismus. Die platonische Tradition in der klassischen deutschen Philosophie. Hg. v. Burkhard Mojsisch u. Orrin F. Summerell. Leipzig 2003; Das antike Denken in der Philosophie Schellings. Hg. v. Rainer Adolphi u. Jörg Jantzen. Stuttgart-Bad Cannstatt 2004. 38 Dieser Kommentar hat sich im Berliner Schelling-Nachlaß erhalten und wurde von H. Buchner publiziert. Vgl. F. W. J. Schelling. Timaeus (1794). Herausgegeben von Hartmut Buchner. Mit einem Beitrag von Hermann Krings: Genesis und Materie – Zur Bedeutung der TimaeusHandschrift für Schellings Naturphilosophie. Stuttgart-Bad Cannstatt

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als an sich seiende Substanzen interpretierte, sondern als Vernunftbegriffe im Sinne Kants. Platon hatte im »Timaios« unter Rückgriff auf mythische Vorstellungen eine kosmologische Theorie entwickelt, gemäß welcher der »Demiurg« die Welt im Hinblick auf das Reich der Ideen erschaffen hat.39 Diese Schöpfung erfolgt jedoch nicht »aus Nichts«, sondern es wird ein formloses, aber der Form empfängliches, vom Demiurgen unabhängiges Substrat (»Urmaterie«) vorausgesetzt. Mittels der »Weltseele«, der bewegenden Kraft zwischen Ideen- und Körperwelt, wird dieses Substrat geformt und geordnet.40 Die konkrete Materie bildet sich aus der Synthese des ungeformten Stoffs (πειρον) mit der bestimmenden Form (πéρας) zu einem gemeinschaftlichem Dritten (κοινóν).41 Die Genesis der Welt wird auf diese Weise von Platon als Abbilden eines Urbildes in einem vorausgesetzten Stoff und der Kosmos, insofern sich in ihm die Ideen widerspiegeln, als göttliches Kunstwerk verstanden.42 Mit dieser Weltsicht geht auch Schelling einig,43 der in seinem »System des transscendentalen Idealismus« von 1800 die 1994. Der editorische Bericht von H. Buchner gibt auch Auskunft über weitere Texte im frühen Nachlaß Schellings, in denen er sich mit Platon auseinandersetzt. Vgl. hierzu ferner Franz, M., a. a. O. S. 285–320; Gloyna, T., a. a. O. S. 19–143. 39 Vgl. Platon: Timaios. 27d–31b. 40 Vgl. a. a. O. 34a–37e. 41 Vgl. a. a. O. 48e–52d; vgl. auch Philebos. 27b-c, 30a. 42 Vgl. Timaios. 29a–30c. 43 In seinen 1802/03 gehaltenen Vorlesungen über »Philosophie der Kunst«, die aus dem Nachlaß veröffentlicht wurden, gibt Schelling dieser ästhetischen Sichtweise programmatischen Ausdruck: »Das Universum ist in Gott als absolutes Kunstwerk und in ewiger Schönheit gebildet.« (SW V, S. 385.) Vgl. ferner Ders.: Ueber das Verhältniß der Naturphilosophie zur Philosophie überhaupt (in: Kritisches Journal der Philosophie. Bd. I. Stück 3. Tübingen 1802. S. 1–25) S. 2: »Das Verhältniß der einzelnen Theile in dem geschloßnen und organischen Ganzen der Philosophie ist wie das der verschiednen Gestalten in einem vollkommen construirten poetischen Werk, wo jede, indem sie ein Glied des Ganzen ist, doch, als vollkommner Reflex desselben, wieder in sich absolut und unabhängig ist.« (SW V, S. 107.)

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Kunst als das »ewige Organon und Document der Philosophie«, die ästhetische Anschauung als Objektivation der »intellektuellen Anschauung« proklamiert hatte. Im künstlerischen Schaffen des Genies sind nach ihm bewußte und unbewußte Tätigkeit untrennbar verbunden; das Kunstwerk bringt die von der Philosophie thematisierte Einheit von Notwendigkeit und Freiheit, Subjekt und Objekt zur sichtbaren Darstellung.44 Ferner nimmt Schellings Identitätsphilosophie die platonische Unterscheidung zwischen Urbild und Abbild, dem wahren und unveränderlichen Sein und seiner dem Werden und Wandel unterworfenen Erscheinung auf. Im Widerstreit mit dem identitätsphilosophischen Denken Schellings liegt jedoch die Platons Kosmologie bestimmende Differenzierung von Idee und autonomer (Ur)Materie. Materie ist für Schelling vielmehr im Absoluten inbegriffen, und gerade der vorliegende Dialog soll zeigen, »daß die Natur nicht außer Gott, sondern in Gott sey«45. Mit anderen 44

Vgl. Schelling, F. W. J.: System des transscendentalen Idealismus. Tübingen 1800. S. 472, 475 (SW III, S. 625–627). 45 Vgl. Schelling, F. W. J.: Bruno. S. 179 (SW IV, S. 306 f.). Wenig später, nämlich 1804, bestritt Schelling aufgrund des dualistischen Ansatzes den Platonischen Ursprung des Dialogs »Timaios«. Vgl. Schelling, F. W. J.: Philosophie und Religion. Tübingen 1804. S. 31 f.: »Der roheste Versuch in der angegebenen Art ist wohl der, welcher der Gottheit eine Materie, einen regel- und ordnungslosen Stoff unterlegt, der durch die von ihr ausgehende Wirkung mit den Urbildern der Dinge geschwängert, diese gebiert und eine gesetzmäßige Verfassung erhält. Das Haupt und der Vater der wahren Philosophie wird als einer der Urheber dieser Lehre genannt – und sein Name dadurch entweiht. Denn eine genaue Untersuchung zeigt, daß jene ganze Vorstellung so wie die gewöhnliche der Platonischen Philosophie nur aus dem Timäus geschöpft ist, mit dem, wegen seiner Annäherung an moderne Begriffe, leichter war, sich vertraut zu machen als mit dem hohen sittlichen Geiste der ächtern Platonischen Werke, des Phädo, der Republik u. a., welcher jenen realistischen Vorstellungen über den Ursprung der Sinnenwelt gerade entgegengesetzt ist. In der That ist der Timäus nichts als eine Vermählung des Platonischen Intellectualismus mit den rohern, cosmogonischen Begriffen, welche vor ihm geherrscht hatten, und von denen die Philosophie auf immer geschieden zu haben, als das ewig denkwürdige Werk

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Worten: göttliches und natürliches Prinzip der Dinge – so der Untertitel der Schrift46 – sind im Wesen eins. Dies entspricht auch den grundlegenden Gedanken von Schellings Naturphilosophie der Jahre 1797 bis 1799.47 Das Beispiel der Verschmelzung von Grundgedanken einer monistischen Konzeption im Sinne Spinozas mit der Ideenlehre Platons in ihrer neuplatonischen Ausprägung bot sich Schelling in den Schriften des italienischen Renaissancephilosophen Giordano Bruno, der vorliegendem Dialog auch den Namen gab.48 Schelling wurde mit Brunos Denken bekannt durch den Auszug der Schrift »De la Causa, Principio e Uno« (1584), den Friedrich Heinrich Jacobi als Beilage zu seinem Buch »Ueber die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn« 1789 veröffentlichte.49 Jacobi sah in Bruno einen Vorläudes Sokrates und Plato gepriesen wird.« (SW VI, S. 36 f.) Vgl. auch Schelling Brief an Windischmann vom 1. 2. 1804: »Sie haben sich ein neues großes Verdienst durch die Uebersetzung des Timäos erworben. Ich freue mich recht, ihn deutsch zu lesen, da ich ihn so oft griechisch gelesen habe. / Aber was werden Sie denn sagen, wenn ich behaupte, daß der Timäos kein Werk des Plato ist? – Es raubt ihm nichts von seinem wahren Werth, wenn er diesen Namen nicht trägt, aber wir erlangen durch jene Kenntniß doch einen ganz neuen Gesichtspunkt der Beurtheilung, und ein neues Document für die Einsicht in den Unterschied des Antiken und Modernen.« (Plitt II, S. 8 f.) 46 Unter Anspielung auf eine Stelle im »Timaios« (vgl. unten S. 127). 47 Vgl. z. B. die programmatische Aussage in Schellings erster naturphilosophischer Schrift, den »Ideen zu einer Philosophie der Natur« aus dem Jahre 1797, S. LXIV: »Die Natur soll der sichtbare Geist, der Geist die unsichtbare Natur seyn. Hier also, in der absoluten Identität des Geistes in uns und der Natur außer uns, muß sich das Problem, wie eine Natur außer uns möglich seye, auflösen. Das letzte Ziel unserer weitern Nachforschung ist daher diese Idee der Natur […].« (AA I,5. S. 107; SW II, S. 56.) 48 Zu Giordano Bruno vgl. u. a. Beierwaltes, W.: Identität ohne Differenz? Zur Kosmologie und Theologie Giordano Brunos. In Ders.: Identität und Differenz. S. 176–203. 49 Vgl. Jacobi, Friedrich Heinrich: Ueber die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn. Neue vermehrte Ausgabe.

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fer Spinozas und schrieb: »Mein Hauptzweck bey diesem Auszuge ist, durch die Zusammenstellung des Bruno mit dem Spinoza, gleichsam die Summa der Philosophie des Εν και Παν in meinem Buche darzulegen. […] Schwerlich kann man einen reineren und schöneren Umriß des Pantheismus im weitesten Verstande geben, als ihn Bruno zog.«50 Schelling erkennt in den Ausführungen Brunos die Affinität mit seiner eigenen Problemstellung und wird durch diesen Denker auch mit der Gedankenwelt des Neuplatonismus konfrontiert.51 Bruno, bestimmt durch vorsokratische Naturphilosophie, die Emanationslehre Plotins und die »docta ignorantia« des Nikolaus Cusanus mit ihrem Prinzip der »coincidentia oppositorum«,52 sah die

Breslau 1789. Beilage I (= Auszug aus Jordan Bruno von Nola. Von der Ursache, dem Princip und dem Einen.). S. 261–306 (Werke, Bd. 1,1. S. 185–205). 50 Vgl. a. a. O. S. XI (Werke, Bd. 1,1. S. 152). Jacobis »Auszug« richtet den Focus daher v. a. auf jene Textstellen, welche in Richtung einer Gleichsetzung von Absolutem und Universum deuten. 51 Vgl. hierzu Beierwaltes, W.: Absolute Identität. Neuplatonische Implikationen in Schellings Bruno. In Ders.: Identität und Differenz. S. 204–240. Offen bleibt die Frage, ob Schelling sich nicht schon vorher, nämlich bereits seit 1798, mit der Philosophie Plotins auseinandergesetzt hat. Diese These vertritt Harald Holz in seinem Werk »Spekulation und Faktizität. Zum Freiheitsbegriff des mittleren und späten Schelling.« Bonn 1970. Vgl. auch Ders.: Die Beziehungen zwischen Schellings »Naturphilosophie« und dem Identitätssystem in den Jahren 1801/02. In: Philosophisches Jahrbuch. Jg. 78. Freiburg/München 1971. S. 260– 294. Gesichert ist jedenfalls, daß Schelling 1805 von Windischmann eine Zusammenstellung Plotinischer Texte zugeschickt bekam. Vgl. Schelling an Windischmann v. 5. 9. 1805 (Plitt II, S. 72 f.). – Von besonderer Bedeutung in dem hier zu besprechenden Kontext ist Plotins Unterscheidung des Absoluten als relationslose, überseiende, reine Einheit (το ν), aus der alles hervorgeht und in die alles zurückkehrt, und als Selbstbezüglichkeit (νος), d. h. als differenzierte Einheit, aus deren Selbsterkennen in Form der Ideen die Möglichkeit von Vielheit folgt. 52 Vgl. hierzu Beierwaltes, W.: Identität ohne Differenz? Zur Kosmologie und Theologie Giordano Brunos. In Ders.: Identität und Differenz. S. 176–203.

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Materie nicht als formlosen Stoff an,53 sondern als lebendige, intelligible Substanz, die in sukzessiver Entwicklung alle Formen aus sich selbst hervorbringt. Auf diese Weise wird die Einheit des göttlichen und natürlichen Prinzips garantiert. »Gott« denkt Bruno als kreativen Künstler, der das unendliche Universum mit der immanenten Kraft der Weltseele durchwaltet und nach Ordnung und Form bewirkt hat.54 Daher ist ihm, wie schon Platon, die Welt ein von harmonischer Schönheit geprägtes Kunstwerk.55 Alles ist beseelt und jedes Einzelne eine je spezifische Explikation des Ganzen.56 Brunos Denken liegt die Einsicht zugrunde, »daß der Substanz nach alles Eins sey.«57 Das gegensatzlose Eine drückt sich in Allem aus, stellt aber mehr als den Inbegriff der Einzeldinge dar.58 Es kommt, wie

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Vgl. Jacobi, F. H.: Auszug aus Jordan Bruno. S. 279–281 (Werke, Bd. 1,1. S. 193). 54 Die Weltseele bezeichnet Bruno als »die allgemeine Form des Weltalls« und fährt dann fort: »Alles ist von dieser Kraft erfüllt; sie erleuchtet das Universum; weiset die Natur an, wie sie ihre Werke verrichten soll; und verhält sich zu der Hervorbringung der natürlichen Dinge, wie die denkende Kraft des Menschen sich zu der Hervorbringung der Begriffe verhält.« (a. a. O. S. 263 f.; Werke, Bd. 1,1. S. 186.) 55 Gott ist in der Sichtweise Brunos »ein innerlicher Künstler, weil er von innen die Materie bildet und gestaltet«. Weiter heißt es dann: »Wie unendlich muß nicht dieser Künstler, der inwendige Allgegenwärtige, über uns erhaben seyn; Er, der nie ausschließend Stoff oder Gegenstände wählt, sondern unaufhörlich, und in Allem alles wirket.« (a. a. O. S. 264 f.; Werke, Bd. 1,1. S. 186 f.) 56 Die Welt in toto ist Bruno »ein durch und durch lebendiges Wesen« und kein Einzelding »so gering und klein, daß nicht Geist in ihm wohnte.« (a. a. O. S. 270; Werke, Bd. 1,1. S. 189.) 57 A. a. O. S. 288 (Werke, Bd. 1,1. S. 196). 58 Die absolute Einheit ist »alles, was seyn kann« und daher »nichts ins besondre.« (a. a. O. S. 290; Werke, Bd. 1,1. S. 198.) Mit anderen Worten: »es ist auf gleiche Weise das Gesammte und ein Jedes, Alles und Eins; also Grenze und dennoch keine Grenze; Form und dennoch keine Form; Materie und dennoch keine Materie; Seele und dennoch keine Seele.« (a. a. O. S. 296; Werke, Bd. 1,1. S. 200.) Alle Differenz und alles

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Bruno in deutlicher Anlehnung an Plotins Emanationsvorstellung schreibt, zur Erscheinung in der Entwicklung des Universums und bleibt doch »in sich Eins, unendlich, unbeweglich«.59 Der von Jacobi gebotene Auszug aus Brunos Schrift bringt so genau jene Themen zur Sprache, die auch im Mittelpunkt von Schellings identitätsphilosophischem Denken stehen: das Problem des Verhältnisses von Einem und Vielem, Unendlichem und Endlichem, Transzendentem und Immanentem. In der vorliegenden Schrift vertritt die Dialogfigur namens »Bruno« nicht die Position des historischen Giordano Bruno, sondern die Auffassung des Autors. Im Dialog »Bruno« klingt ferner Schellings Auseinandersetzung mit Johann Gottlieb Fichtes »Wissenschaftslehre« nach, wie sie im Briefwechsel der beiden Denker von 1794 bis 1802 dokumentiert ist.60 Der Dissens entzündete sich an Schellings Werden deutet Bruno als Modifikation der Einen Substanz, »welche in sich immer dieselbe bleibt.« (a. a. O. S. 299; Werke, Bd. 1,1. S. 202.) 59 A. a. O. S. 301 (Werke, Bd. 1,1. S. 203). 60 Von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die Schrift »Bruno« sind Fichtes Briefe an Schelling vom 31.5.1801 und 15.1.1802 sowie Schellings Brief an Fichte vom 3.10.1801. Teilweise finden sich fast wörtliche Formulierungen aus diesen Briefen in der vorliegenden Schrift. Vgl. hierzu unten S. XXIX. – Der Briefwechsel der beiden Denker ist vollständig publiziert in der Fichte-Gesamtausgabe (GA III,5). Weitere Ausgaben wurden von Walter Schulz (Fichte-Schelling Briefwechsel. Einleitung von Walter Schulz. Frankfurt a. M. 1968) und Hartmut Traub (Schelling-Fichte Briefwechsel. Kommentiert und herausgegeben von Hartmut Traub. Neuried 2001) besorgt. Zur Auseinandersetzung der beiden Denker vgl. außer den »Einleitungen« zu den genannten Ausgaben u. a. auch Lauth, Reinhard: Die Entstehung von Schellings Identitätsphilosophie in der Auseinandersetzung mit Fichtes Wissenschaftslehre (1795–1801). Freiburg/München 1975; Hennigfeld, Jochem: Schellings Identitätssystem von 1801 und Fichtes Wissenschaftslehre. In: Fichte-Studien. Bd. 12. Amsterdam/Atlanta 1997. S. 235–246; Danz, Christian: Die Duplizität des Absoluten in der Wissenschaftslehre von 1804 (zweiter Vortrag) – Fichtes Auseinandersetzung mit Schellings identitätsphilosophischer Schrift »Darstellung meines Systems« (1801). In: a. a. O. S. 335–350.

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Konzeption einer Naturphilosophie und deren Verhältnis zur Transzendentalphilosophie. Während für Fichte Natur in der Spontaneität des Ich gründet und daher immer auf das vorstellende Subjekt bezogen bleibt,61 versteht Schellings Naturphilosophie umgekehrt das Ich als höhere Potenz einer ursprünglichproduktiven Natur.62 Schließt Fichte jedes Zurückgehen hinter die ursprüngliche Tätigkeit des Ich aus, so ist in der Sicht Schellings das Ich Produkt der vorgängigen Produktivität der Natur. Schelling unternimmt zunächst den Versuch, seinen eigenen, neuen Ansatz mit der Position Fichtes zu vermitteln, indem er die Naturphilosophie als notwendige Ergänzung der Transzendentalphilosophie positioniert und die »Wissenschaftslehre« als Grunddisziplin von beiden ablöst und ihnen vorordnet.63 In der 61

Vgl. Fichte an Schelling am 15. 11. 1800: »Ueber Ihren Gegensatz der Transscendental- und der Natur-Philosophie bin ich mit Ihnen noch nicht einig. […] Die Sache kommt nach mir nicht zum Bewußtseyn hinzu, noch das Bewußtseyn zur Sache, sondern beide sind im Ich, dem ideal-realen, realidealen, unmittelbar vereinigt.« (GA III,4. S. 360.) 62 Vgl. Schelling an Fichte am 19. 11. 1800: »Der Gegensatz zwischen Transscendentalphilosophie und Naturphilosophie ist der Hauptpunkt. […] Der Grund liegt darin, daß eben jenes als ideal-real blos objective, ebendeßwegen zugleich producirende Ich, in diesem seinen Produciren selbst nichts anders, als Natur ist, von der das Ich der intellectuellen Anschauung, oder das des Selbstbewußtseyns nur die höhere Potenz ist.« (GA III,4. S. 362 f.) 63 Vgl. ebd.: »Was erstens Wissenschaftslehre betrifft, so sondre ich dieß gleich ab; diese steht völlig für sich, an ihr ist nichts zu ändern und nichts zu machen; diese ist vollendet, und muß es seyn ihrer Natur nach. Aber Wissenschaftslehre, (reine nämlich, so wie sie von Ihnen aufgestellt worden ist), ist noch nicht Philosophie selbst; für jene gilt, was Sie sagen, wenn ich Sie recht verstehe, nämlich, sie verfährt ganz bloß logisch, hat mit Realität gar nichts zu thun. Sie ist, so viel ich einsehe, der formelle Beweis des Idealismus, darum die Wissenschaft κατ ξοχν. Was ich indeß Philosophie nennen will, ist der materielle Beweis des Idealismus.« (GA III,4. S. 363.) – Vgl. auch Schellings Bestimmung der »Wissenschaftslehre« als »Philosophie über Philosophie« in der 1801 erschienenen Schrift »Anhang zu dem Aufsatz des Herrn Eschenmayer betreffend den wahren Begriff der Naturphilosophie, und die richtige

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Perspektive der Transzendentalphilosophie erscheint jede dingliche Realität als Setzung des Ich. Sie leitet die Möglichkeit von Natur überhaupt aus dem Vorstellungscharakter des Bewußtseins ab. Naturphilosophie hingegen rekonstruiert die Genesis des vorstellenden Ich aus der ursprünglichen Selbstkonstruktion der Natur.64 Dies ist möglich, weil Natur nicht als totes Objekt, sondern als unbewußte Intelligenz oder »Geist im Werden« aufgefaßt wird. Beide philosophische Disziplinen sind für Schelling zunächst gleich ursprünglich und stehen in einem gegenseitigen Bedingungsverhältnis. Im weiteren Verlauf seiner denkerischen Entwicklung erlangt die Naturphilosophie jedoch den Vorrang gegenüber der Transzendentalphilosophie.65 Dagegen hält Fichte unverbrüchlich an der Auffassung fest, daß die Unterscheidung philosophischer Teildisziplinen nur im Rahmen der »Wissenschaftslehre« selbst möglich und sinnvoll ist. Der Art, ihre Probleme aufzulösen.« In: Zeitschrift für spekulative Physik. Bd. II. Heft 1. Jena u. Leipzig 1801. S. 107–146. – S. 118 (SW IV, S. 85). 64 Zu diesem methodischen Ansatz Schellings bemerkt Fichte in seinem Schreiben an Schelling vom 31. 5. 1801: »Es kam mir zulezt ihre Aeusserung von der Möglichkeit einer Ableitung der Intelligenz aus der Natur vor. Ihnen zu sagen, was ich ohne Zweifel – jedem andern gesagt haben würde, – Sie an den greiflichen Zirkel in der Ableitung einer Natur aus der Intelligenz, und hinwiederum der Intelligenz aus der Natur, zu erinnern, und zu meinen, daß ein Mann wie Sie so etwas übersehen haben könnte, konnte mir nicht einfallen.« (GA III,5. S. 44.) 65 Vgl. Schelling, F. W. J.: Allgemeine Deduction des dynamischen Proceßes oder der Categorieen der Physik. In: Zeitschrift für spekulative Physik. Bd. I. Jena u. Leipzig 1800. H.1. S. 100–136; H. 2. S. 3–87. – §. 63. S. 82: »So können wir, nach dem wir Einmal auf diesem Punct angekommen sind, nach ganz entgegengesetzten Richtungen – von der Natur zu uns, von uns zu der Natur gehen, aber die wahre Richtung für den, dem Wissen über alles gilt, ist die, welche die Natur selbst genommen hat.« (AA I,8. S. 366; SW IV, S. 78). Vgl. auch Ders.: Anhang zu dem Aufsatz des Herrn Eschenmayer betreffend den wahren Begriff der Naturphilosophie, und die richtige Art, ihre Probleme aufzulösen. S. 116: »Es gibt einen Idealismus der Natur, und einen Idealismus des Ichs. Jener ist mir der ursprünglich, dieser der abgeleitete.« (SW IV, S. 84.)

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Gegensatz von Wissen und Sein wird nach ihm einzig und allein im Bewußtsein erzeugt und nur durch den Akt der Selbstkonstitution des Bewußtseins entsteht die Trennung von Subjekt und Objekt. Die jener Trennung zugrundeliegende ursprüngliche Einheit kommt als solche nicht zum Bewußtsein und ist daher für Fichte nicht Erkenntnisgegenstand.66 Gleich nach Erscheinen des zweiten Heftes von Band II der »Zeitschrift für spekulative Physik«, welches die »Darstellung meines Systems der Philosophie« enthielt, schickte Schelling dieses Fichte zu und äußerte dabei die Hoffnung, daß jener nach Lektüre der Abhandlung mit ihm übereinstimmen werde.67 Fichte reagierte jedoch harsch ablehnend. Er mokierte sich nicht nur über die von Schelling in der »Vorerinnerung« zur »Darstellung« getroffene Unterscheidung seines eigenen Idealismus von demjenigen Fichtes, der auf dem Reflexionsstandpunkt verharre,68 sondern stellte apodiktisch fest, daß Schellings Mißverständnis der »Wissenschaftslehre« fortdaure und dessen neues Identitätssystem »keine Evidenz hat, und durchaus keine erhalten kann.«69 Nicht nur die Ausrichtung der »Darstellung« am Vorbild Spinozas indiziert für Fichte Schellings Aufgabe der Po-

66

Vgl. Fichte an Schelling am 31. 5. 1801 (GA III,5. S. 45 f.). Vgl. Schelling an Fichte am 24. 5. 1801 (GA III,5. S. 39 f.). 68 Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. S. VI: »Nun könnte es aber sehr wohl seyn, daß der Idealismus z. B., welchen Fichte zuerst aufgestellt, und welchen er auch jetzt noch behauptet, eine ganz andre Bedeutung hätte, als jener; Fichte z. B. könnte den Idealismus in völlig subjectiver, ich dagegen in objectiver Bedeutung gedacht haben; Fichte könnte sich mit dem Idealismus auf dem Standpunct der Reflexion halten, ich dagegen hätte mich mit dem Princip des Idealismus auf den Standpunct der Production gestellt: um diese Entgegensetzung aufs verständlichste auszudrücken, so müßte der Idealismus in der subjectiven Bedeutung behaupten, daß Ich seye Alles; der in der objectiven Bedeutung umgekehrt: Alles seye = Ich und es existire nichts, als was = Ich seye, welches ohne Zweifel verschiedene Ansichten sind, obgleich man nicht läugnen wird, daß beide idealistisch sind.« (SW IV, S. 109.) 69 Fichte an Schelling am 31. 5. 1801 (GA III,5. S. 45). 67

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sition des kritischen Idealismus und damit einen Rückfall in den Dogmatismus. Die zentrale These der Abhandlung, daß das Absolute unter der Form der »quantitativen Differenz« existiere, stellt in Fichtes Augen den Grundirrtum in der Philosophie überhaupt dar, dem bereits Spinoza erlegen sei. Denn: »Das absolute wäre nicht das absolute, wenn es unter irgend einer Form existirte. Woher nun aber doch die Form […] unter der es erscheint, komme, wo eigentlich diese Form einheimisch sey – oder auch, wie denn das Eine erst zu einem Unendlichen, und dann zu einer Totalität des Mannigfaltigen werde, das ist die Frage, welche die bis zu Ende gekommene Spekulation zu lösen hat, und welche Sie, da Sie diese Form schon am absoluten, und mit ihm zugleich finden, nothwendig ignoriren müssen.«70 Folglich sei Schellings »absolute Identität« eine rein negative im Sinne von Nichtunterschiedenheit, aus der in Wahrheit nichts abgeleitet werden könne.71 Seinen eigenen, gegenüber der »Grundlage der Wissenschaftslehre« von 1794 nun gleichfalls revidierten Standpunkt,72 machte Fichte in seinem letzten Brief an Schelling vom 15. Januar 1802 mit folgenden Worten deutlich: »Aber es scheint mir an sich klar, daß das Absolute nur eine absolute, d. h. in Beziehung auf Mannigfaltigkeit, durchaus nur Eine, einfache, sich ewig gleiche, Aeusserung haben kann; und diese ist eben das absolute Wissen. Das absolute selbst aber ist kein Seyn, noch ist es ein Wissen, noch ist es Idendität, oder Indifferenz beider: sondern es ist eben – das absolute – und jedes zweite Wort ist vom Uebel.«73

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Fichte an Schelling am 8. 10. 1801 (GA III,5. S. 91). Abgeschickt an Schelling mit einem weiteren Brief am 15. 1. 1802 (GA III,5. S. 104–113). 71 Fichte an Schelling 15. 1. 1802 (GA III,5. S. 111 f.). 72 Ab 1801 wird in Fichtes Konzeption dem Ich ein an sich prädikatloses Absolutes als sein Ursprung voraus-gesetzt, als dessen »Bild« oder »Erscheinungsform« sich das Wissen versteht. Diese Unterscheidung wird nach Fichte jedoch nur vom Ich im Akt seiner Selbstreflexion getroffen. Vgl. hierzu die Darstellung der »Wissenschaftslehre« aus den Jahren 1801/02 (GA II,6. S. 107–324). 73 Fichte an Schelling am 15. 1. 1802 (GA III,5. S. 112 f.).

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Der Vorwurf Fichtes, daß er die »Wissenschaftslehre« im Grunde nie verstanden habe, macht Schelling nicht betroffen.74 Er kontert, daß Fichtes Einwände ihrerseits ein »völliges Mißverstehen« seiner Konzeption bezeugten und polemisiert nicht nur gegen die »Annihilation der Natur« in dessen Denken,75 sondern v. a. auch gegen Fichtes ursprüngliche Bestimmung des Absoluten als »reine Agilität« oder Tathandlung: da »absolute Tätigkeit« im Grunde identisch mit »absoluter Ruhe« sei, könne dem Absoluten kein Handeln zugeschrieben werden;76 demgegenüber bezeichne der Begriff der »absoluten Identität« das wahre Wesen des Absoluten, nämlich daß es »höchste Indifferenz der Idealität und Realität ist, die höchste Durchsichtigkeit, Klarheit, das reinste Seyn, das wir anschauen.«77 Ein weiteres Argument Schellings gegen die Konzeption Fichtes hebt darauf ab, daß der im Horizont endlicher Subjektivität sich bewegenden »Wissenschaftslehre« das Absolute nur letzte und höchste Synthesis der Selbstreflexion endlicher Vernunft sei und als solches in die »Sphäre des Glaubens« verwiesen werde.78 Demgegenüber, so Schelling, sei dem Identitätssystem das Absolute nicht nur Resultat, sondern auch Ausgangspunkt des Denkens, sie erfasse ihr Prinzip nicht durch »stufenweises Aufsteigen von unten«, sondern unmittelbar in der »intellektuellen Anschauung«.79 Die Forderung nach Einheit von Prinzip und System sei in dieser Konzeption, im Gegensatz zur »Wissenschaftslehre«, 74

Vgl. Schelling an Fichte am 3. 10. 1801 (GA III,5. S. 89). Vgl. ebd. (GA III,5. S. 87). Für die »Wissenschaftslehre« ist die Natur qua Nicht-Ich lediglich Mittel zum Zweck, nämlich notwendige Bedingung, damit sich das Ich als praktisch strebend, d. h. als bestimmt zur Selbstbestimmung begreifen kann. 76 Fichtes Neuansatz in der »Wissenschaftslehre« war Schelling zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. 77 Schelling an Fichte am 3. 10. 1801 (GA III,5. S. 81). 78 Dabei spielt Schelling auf die im 3. Buch von Fichtes »Bestimmung des Menschen« (Berlin 1800) entwickelte Idee des Absoluten als »moralischer Weltordnung« an. Vgl. Schelling an Fichte am 3.10.1801 (GA III,5. S. 82 f.). 79 Schelling an Fichte 3. 10. 1801 (GA III,5. S. 83). 75

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XXIX

eingelöst und der Begriff der »absoluten Identität« bezeichne »das eigentliche Princip aller Speculation und des wahren Idealismus«.80 In dem Dialog »Bruno« vertritt der Gesprächspartner »Lucian« die Position Fichtes. Er formuliert einige wesentliche Einwürfe gegen die Identitätsphilosophie, wie sie bereits im Briefwechsel vorgebracht wurden: so z. B. das Argument, daß der Begriff der »absoluten Indifferenz« lediglich negativ im Sinne von Nichtunterschiedenheit sei und als solcher inhaltsleer bleibe;81 oder den Einwand, daß das Absolute nur als Prinzip des Wissens und in Bezug auf das Wissen erkannt werden könne, Schelling hingegen mit seiner Konzeption die Region des Bewußtseins »überfliege«.82 Auch in der Argumentation der Gesprächsfigur »Bruno«, die in dem Dialog die Position Schellings einnimmt, finden sich Hinweise auf den vorhergehenden Briefwechsel: u. a. die Zurückweisung einer Bestimmung des Absoluten als Tathandlung,83 die Kritik an Fichtes restriktivem Naturbegriff 84 sowie der Einwand, daß die »Wissenschaftslehre« als relativer Idealismus eine unüberbrückbare Differenz zwischen Erkennen und Absolutem festmache. Sie stelle den Inbegriff des »gemeinen Bewußtseins« dar und verfehle ihren Anspruch auf philosophische Erkenntnis.85 Konträr zum tatsächlichen Geschehen läßt sich »Lucian« in Schellings Dialog von den Einwänden »Brunos« überzeugen und stimmt diesem bei: »Es ist nichts gegen die Richtigkeit dieser Folgerungen einzuwenden.«86 Im Rückblick auf Schellings Auseinandersetzung mit Fichte in den unmittelbar vorangehenden Jahren kann die Schrift »Bruno« in zentralen Teilen auch als Fortsetzung dieser

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Schelling an Fichte am 3. 10. 1801 (GA III,5. S. 84). Vgl. Schelling, F. W. J.: Bruno. S. 39 ff. (unten S. 25 ff.) Vgl. a. a. O. S. 71 ff. (unten S. 43 ff.) Vgl. a. a. O. S. 171 (unten S. 96 f.). Vgl. a. a. O. S. 218 (unten S. 122). Vgl. unten S. 217 f. (unten S. 121). Vgl. ebd.

XXX

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Diskussion mit dem literarischen Mittel des Dialogs von Seiten Schellings gelesen werden. In seinem Brief an Fichte vom 3. Oktober 1801 verweist Schelling auf die kurz zuvor, nämlich im Juli dieses Jahres erschienene »Differenzschrift«87 Georg Wilhelm Friedrich Hegels. In diesem Werk unterzieht Hegel die philosophischen Konzeptionen von Fichte und Schelling einer kritischen Vergleichung und ergreift öffentlich Partei für Schellings Identitätssystem. Zwar wird von Hegel die »Wissenschaftslehre« als »gründlichste und tiefste Spekulation« anerkannt und zugestanden, daß sie in ihrem ersten Grundsatz (Ich = Ich) das spekulativer Philosophie zugrundeliegende Prinzip der Identität erfaßt habe.88 Insofern jedoch die »Wissenschaftslehre« ihr Prinzip ausschließlich unter der Form des Ich denke, d. h. als »subjektives Subjekt-Objekt« setze, alles Objektive hingegen nur als Medium der Selbstvermittlung des Ich begreife und die »wahre Identität«, die Synthesis des Gegensatzes von Ich und Nicht-Ich in ein bloßes Sollen verlege, bleibe sie, so Hegels Urteil, einseitig und defizient. Die Vereinigung aller Gegensätze sei der »Wissenschaftslehre« immer nur Postulat und die geforderte Einheit erweise sich daher als eine bloße Konstruktion des Verstandes. Das 87

Der volle Titel lautet: Differenz des Fichte’schen und Schelling’schen Systems der Philosophie in Beziehung auf Reinhold’s Beyträge zur leichtern Übersicht des Zustands der Philosophie zu Anfang des 19. Jahrhunderts, 1stes Heft. Jena 1801. – Zur »Differenzschrift« und der Beziehung zwischen Schelling und Hegel in Jena vgl. u. a. Henrich, Dieter / Düsing, Klaus (Hg.): Hegel in Jena. Die Entwicklung des Systems und die Zusammenarbeit mit Schelling. Bonn 1980 (= Hegel-Studien. Beiheft 20.); Düsing, K.: Absolute Identität und Formen der Endlichkeit. Interpretationen zu Schellings und Hegels erster absoluter Metaphysik. In: Schellings und Hegels erste absolute Metaphysik (1801–1802). Zusammenfassende Vorlesungsnachschriften von I. P. V. Troxler, herausgegeben eingeleitet und mit Interpretationen versehen von Klaus Düsing. Köln 1988. S. 99–188; Kondylis, Panajotis: Die Entstehung der Dialektik. Eine Analyse der geistigen Entwicklung von Hölderlin, Schelling und Hegel bis 1802. Stuttgart 1979. S. 530–712. 88 Vgl. Hegel, G. W. F.: Differenzschrift. S. 63 (GW Bd. 4. S. 34).

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System finde in sich keine Vollendung, sondern werde in einen endlosen Progreß verstrickt.89 Demgegenüber gesteht Hegel der Identitätsphilosophie Schellings zu, daß in ihr das Absolute nicht nur Ziel-, sondern auch Ausgangspunkt sei. Sie habe richtigerweise die Natur qua Objekt als eigenständiges und identisch strukturiertes Korrelat des Subjekts begriffen – Hegel spricht vom objektiven »SubjektObjekt« – und die beiden entgegengesetzten Pole im Begriff der absoluten Identität zur Einheit gebracht.90 In Schellings »Darstellung meines Systems der Philosophie« umfaßt der Begriff der absoluten Identität, wie oben dargelegt, zwei Aspekte: ihrem Wesen nach ist sie reine Indifferenz ohne jeden Gegensatz; ihrer Form nach jedoch Identität entgegengesetzter Bestimmungen.91 Die Setzung als Subjekt und Objekt im Akt des Selbsterkennens impliziert zugleich Differenz und unter dieser Perspektive definiert Hegel das Absolute der Identitätsphilosophie in der »Differenzschrift« als »Identität der Identität und Nichtidentität«, denn: »Entgegensetzen und Einsseyn ist zugleich in ihm.«92 Diese Bestimmung wiederum übernimmt Schelling im »Bruno«,93 ja sie erweist sich im Hinblick auf die Frage, »wie jenes Heraustreten aus dem Ewigen, mit dem das Bewußtseyn verknüpft ist«, eingesehen werden kann,94 als konstitutiv für diesen Text. Die Zusammenarbeit von Schelling und Hegel in Jena seit Januar 180195 hat sich so wohl auch aus89

Vgl. a. a. O. S. 44–47 (GW Bd. 4. S. 24–26). Vgl. a. a. O. S. 122 f. (GW Bd. 4. S. 63). 91 Vgl. oben S. XIII. – Im »Bruno« drückt Schelling diesen Sachverhalt so aus: »Das Absolute nun haben wir bestimmt als, dem Wesen nach, weder ideal noch real, weder als Denken noch als Seyn. In der Beziehung aber auf die Dinge ist es nothwendig das eine und andre mit gleicher Unendlichkeit, denn in Ansehung seiner, sagten wir, sey alles, was ist, indem es real ist, auch ideal, und indem ideal, auch real.« (S. 58; vgl. unten S. 36). 92 Hegel, G. W. F.: Differenzschrift. S. 125 (GW Bd. 4. S. 64). 93 Vgl. Schelling, F. W. J.: Bruno. S. 45 f., 156, 161 (unten S. 29, 89, 91). 94 Vgl. a. a. O. S. 81 (unten S. 49). 95 Hegel wirkte in Jena von 1801 bis 1807 als Privatdozent und gab 90

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gewirkt auf die weitere Ausarbeitung des Identitätssystems und Schellings Kritik an Fichtes »Wissenschaftslehre«. So sehr Hegel in seiner Erstlingsschrift die Position Schellings verteidigt, enthält sie doch bereits den Keim seiner Kritik an der Identitätsphilosophie, die dann 1807 in der »Phänomenologie des Geistes« deutlich zu Tage tritt. Im Unterschied zu Schelling denkt Hegel nämlich von Anfang an Differenz nicht als ideelle Bestimmung,96 sondern als »reelle Entgegensetzung« im Absoluten selbst.97 Dieses ist ihm wesentlich »Geist«, d. h. Prozeß einer Vermittlung mit sich selbst durch verschiedene Stufen der Entzweiung und Entfremdung hindurch. Die Mannigfaltigkeit und die Gegensätze des Endlichen sind in der Identität des Absoluten je schon enthalten, die Erscheinung muß daher als notwendiges Moment im Prozeß der Selbstbestimmung des Absoluten begriffen werden. Das Prinzip des Werdens gehört zum Wesen des absoluten Geistes, er ist »ein in seiner unendlichen Anschauung sich selbst Erzeugendes«.98 Die Entgegensetzungen von Unendlichem und Endlichem, Sein und Nichtsein, An sich und Erscheinung hebt das philosophische Denken nur dadurch auf, so heißt es bereits in der »Differenzschrift«, daß es »das Seyn in das Nichtseyn – als Werden, die Entzweyung in das Absolute – als seine Erscheinung, – das Endliche in das Unendliche – als Leben« setzt.99 Diese Aufgabe der Vermittlung vermag jedoch Schellings Identitätssystem nach Hegels Auffassung letztlich nicht zu leisten. Sein Absolutes qua gegensatzlose Indifferenz stellt sich ihm vielmehr als leere und fixe Einheit dar, die den Gegensatz nicht in, sondern außer sich hat. In der »Phänomenologie des Geistes« hat Hegel seine diesbezügliche Kritik in die bekannten Worte gefaßt: »Diß Eine in dieser Zeit zusammen mit Schelling das »Kritische Journal der Philosophie« (Tübingen 1802/03) heraus. 96 Vgl. oben S. XV. 97 Vgl. Hegel, G. W. F.: Differenzschrift. S. 127–130 (GW Bd. 4. S. 65 f.). 98 A. a. O. S. 149 (GW Bd. 4. S. 76). 99 A. a. O. S. 27 (GW Bd. 4. S. 16).

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Wissen, das im Absoluten Alles gleich ist, der unterscheidenden und erfüllten oder Erfüllung suchenden und fodernden Erkenntniß entgegenzusetzen, – oder sein Absolutes für die Nacht auszugeben, worin, wie man zu sagen pflegt, alle Kühe schwarz sind, ist die Naivität der Leere an Erkenntniß.«100 Der Unterschied zum Ansatz Schellings zeigt sich ferner in der stärkeren Gewichtung der reflektierenden Tätigkeit des Verstandes. Als »spekulatives Wissen« besteht philosophische Erkenntnis für Hegel von Beginn an in der Synthesis von Reflexion und intellektueller Anschauung.101 Die Reflexion mit ihrem antinomischen Charakter ist daher als positives Moment des absoluten Wissens selbst zu begreifen und ihm nicht als defizitäre Form der Erkenntnis entgegenzustellen. Mittels Aufhebung aller fixen und sich entgegengesetzten Reflexionsbestimmungen wandelt sich der Verstand selbst zur Vernunft; er wird von Hegel als integrativer Bestandteil der Selbstbewegung des spekulativen Begriffs, d. h. der Selbstvermittlung des Absoluten, vorgestellt.102 Für den Schelling des Identitätsystems hingegen besteht philosophische Erkenntnis in der »Darstellung des Besonderen im Allgemeinen« oder, umgekehrt formuliert, der »Ineinsbildung des Allgemeinen ins Besondere«. Das bedeutet: auf der Grundlage der Vernunftanschauung werden im Absoluten ideelle Bestimmungen als Ermöglichungsgrund von Einzeldingen (re)konstruiert bzw. wird das absolut-Eine in der Formgestalt seiner Potenzen gedacht.103 Die Formel von der »Identität der Identität und Nichtidentität« in Hegels »Differenzschrift« erläutert daher nicht nur in

100

Hegel, G. W. F. Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. Würzburg 1807. S. XIX (GW Bd. 9. S. 17). 101 Vgl. Hegel, G. W. F.: Differenzschrift. S. 50–53 (GW Bd. 4. S. 27 f.). 102 Vgl. Hegel, G. W. F.: Phänomenologie des Geistes. S. XXIII f. (GW Bd. 9. S. 19 f.) 103 Vgl. hierzu Schelling, F. W. J.: Ueber die Construction in der Philosophie. In: Kritisches Journal der Philosophie. Hg. v. F. W J. Schelling u. G. W. F. Hegel. Bd. I. Stück 3. Tübingen 1802. S. 26–61 (SW V, S. 125–151).

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originärer Weise Schellings Begriff der absoluten Identität qua Totalität, sondern bezeugt auch Hegels eigenständigen Ansatz in der Bestimmung des Absoluten und der Methodik der Philosophie. III. In dem Dialog »Bruno« treten insgesamt fünf Gesprächspartner auf, von denen einer, »Polyhymnio«, jedoch stummer Zuhörer bleibt.104 »Bruno« hingegen vertritt, wie schon erwähnt, die Position Schellings und »Lucian« den Standpunkt Fichtes. Unter den weiteren Teilnehmern repräsentiert »Anselmo« das System von Leibniz, während mit »Alexander« ein hylozoistischer Standpunkt zu Wort kommt, der u. a. den Ansichten des historischen Giordano Bruno entspricht. Der Hauptteil des Textes (S. 37–180 ED) läßt sich untergliedern in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt (S. 37–87 ED) hat zum Thema die allgemeinen Prinzipien einer Philosophie der Identität, der zweite (S. 87–130 ED) behandelt naturphilosophische Probleme, während der dritte (S. 130–180 ED) transzendentalphilosophische Fragestellungen erörtert.105 Hinzu kommen ein einleitendes Gespräch über die innere Einheit von Wahrheit und Schönheit und das daraus sich ergebende Verhältnis der Philosophie zur Kunst (S. 3–37 ED) sowie ein Schlußteil mit Erörterungen über die vier verschiedenen Hauptformen der Philosophie, ihr geschichtliches Auftreten und ihre Vereinigung in Schellings System der absoluten Identität. Den einleitenden Dialog über den Zusammenhang der Ideen von Wahrheit und Schönheit bestreiten die Gesprächsfiguren »Alexander« und »Anselmo«.106 Er setzt an bei der Unterschei104

Möglicherweise wurde die Figur des Polyhymnio eingeführt im Hinblick auf eine Weiterführung des Gesprächs in folgenden Dialogen (vgl. oben S. X). 105 Vgl. auch die Gliederung in der »Inhalts-Übersicht« von SW (unten S. 3–5). 106 Die abgebrochene »Darstellung meines Systems der Philosophie«

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dung des relativen, zeitlichen vom absoluten, ewigen Erkennen der Dinge. Während ersteres, bedingt durch die Wahrnehmung der Sinne und die Tätigkeit des Verstandes, der Welt der Erscheinung verhaftet bleibt und nur zu bedingten Wahrheiten führt, richtet sich die Vernunfterkenntnis auf die unwandelbaren Ideen oder ewigen Begriffe der Dinge und zeichnet sich durch den Anspruch unbedingter Gültigkeit aus. Die Ideen sind, wie schon Platon lehrte, das wahrhaft Seiende, die Urbilder, von denen der endliche Verstand nur vergängliche Abbilder erblickt. Inwiefern die Erscheinungen mit ihren ewigen Begriffen übereinstimmen, haben sie ihren Grund im göttlichen Prinzip (der »urbildlichen Natur«), sofern sie davon abweichen, sind sie hingegen dem natürlichen Prinzip (der »hervorbringenden Natur«) unterworfen. Die Identität eines Gegenstandes mit seiner Idee begründet aber auch seine Schönheit. Letztere ist daher in gleicher Weise Wesensmerkmal der Ideen und Ausdruck der »Substanz der Dinge selbst.«107 Da aber die Ideen die einzigen Objekte wahrhafter Erkenntnis sind, folgt hieraus die Identität von Wahrheit und Schönheit, und es gilt: »daß ein Kunstwerk einzig durch seine Wahrheit schön sey.«108 Die Einheit von Wahrheit und Schönheit in der Idee wird im Fortgang des Gesprächs auf die Übereinstimmung von Philosophie, welche die Wahrheit erkennt, mit der Kunst, welche in ihren Produktionen Schönheit hervorbringt, bezogen.109 Was im einzelnen Kunst-

hatte Schelling mit der Ankündigung geendet, in einer Fortsetzung den ideellen Teil der Identitätsphilosophie zu behandeln und dabei »Wahrheit und Schönheit« als »die beiden höchsten Ausdrücke der Indifferenz« aufzuweisen. (Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. S. 127; SW IV, S. 212.) 107 F. W. J. Schelling: Bruno. S. 20 (unten S. 16). 108 A. a. O. S. 21 (unten S. 16). – Vgl. Platon: Philebos. 64e–65a; Phaidros. 243e–257d. 109 Vgl. hierzu auch Schellings Ausführungen im »System des transscendentalen Idealismus« über den Zusammenhang von Philosophie und Kunst. Kunst wird in dieser Schrift deklariert als »das einzige wahre und ewige Organon zugleich und Document der Philosophie«, das

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werk zur sichtbaren Darstellung kommt, schaut die Philosophie als Idee an. Beide verhalten sich zueinander wiederum wie Urbild zu Abbild, Allgemeines zu Besonderem, Mysterien zu Mythologie. Im Gegensatz zum exoterischen Wesen der Kunst, ist dasjenige der Philosophie nach Schellings Ansicht notwendigerweise esoterisch. An diese Erörterungen über den Zusammenhang von Wahrheit und Philosophie, Schönheit und Kunst, schließt sich der Hauptteil der Schrift an, in dem »Bruno« und »Lucian« als Dialogpartner auftreten. Schelling in Gestalt des »Bruno« will nicht das ganze System seiner Philosophie darstellen, sondern lediglich seine wesentlichen Prinzipien. Ausgangspunkt ist die nähere Bestimmung des Begriffs des Absoluten, für den Schelling, dem Beispiel Spinozas folgend, in der vorliegenden Schrift auch den Terminus »Gott« in einem nicht-theistischen Sinne verwendet. Analog zu den Ausführungen der vorhergehenden »Darstellung meines Systems der Philosophie« wird die zweifache Perspektive des Absoluten als Wesen und Form hervorgehoben: seinem Wesen nach ist das Absolute totale Indifferenz und bezeichnet damit »die Idee dessen, worin alle Gegensätze nicht sowohl vereinigt als vielmehr eins, und nicht sowohl aufgehoben als vielmehr gar nicht getrennt sind.«110 Seiner Form nach jedoch ist es allumfassende Totalität, »worin die Einheit und der Gegensatz, das sich selbst Gleiche mit dem Ungleichen Eins ist.«111 Schelling gebraucht in der Schrift »Bruno« für diese drei Aspekte der Form des Absoluten vorwiegend die Begriffe »Ewiges« (Einheit der Einheit und des Gegensatzes), »Unendliches« (Einheit) und »Endliches« (Gegensatz). Diese Formstruktur des Absoluten reproduziert sich in allen seinen Erscheinungsformen. Die Identität von Unendlichem und Endlichem im Ewigen entspricht nach Schellings weiteren Darlegungen derjenigen von Begriff und Anschauung: ihre Einheit wird nun als »Idee«, »immer und fortwährend aufs neue beurkundet, was die Philosophie äußerlich nicht darstellen kann«. (S. 475; SW III, 627.) 110 Schelling, F. W. J.: Bruno. S. 38 (unten S. 25). 111 A. a. O. S. 40 (unten S. 26). Vgl. hierzu auch oben S. XXXI.

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»Urbild« und »ewiger Begriff« bezeichnet.112 Die Idee entspricht dem, was in der »Darstellung meines Systems der Philosophie« von Schelling unter dem Begriff »Potenz« gedacht wurde: durch quantitative Differenz von Subjektivität und Objektivität bestimmte Formen des Seins der absoluten Identität.113 Jede Potenz stellt auf ihre Weise die Einheit vom Allgemeinem und Besonderem, Idealem und Realem dar. Und wie sich in der genannten Schrift die graduellen Unterschiede der Potenzen wieder ausgleichen – die absolute Identität ist nur als Inbegriff aller Potenzen –, so wird im »Bruno« die Einheit der Ideen in der »Idee aller Ideen« oder der »höchsten Idee« postuliert.114 Diese verkörpert auch die eingangs thematisierte Einheit von Wahrheit und Schönheit und ist als solche Thema der Philosophie schlechthin. Das Reich der Ideen denkt Schelling als ein in sich vollendetes Ganzes, gegliedert nach dem Beispiel des Organismus: in jeder Idee spiegelt sich die Ganzheit aller Ideen. Es stellt sich nun die zentrale Frage, wie aus dem Reich ewiger Ideen oder Begriffe ein endliches Sein in Raum und Zeit abgeleitet werden kann. Schelling entwickelt in diesem Zusammenhang eine Theorie, die sich einer metaphorischen Ausdrucksweise bedient und deren Umriß sich bereits in der »Darstellung« andeutete.115 Die raum-zeitliche Endlichkeit hat demnach ihren Grund in einem Absonderungsakt des in der ewigen Idee inbegriffenen und präexistenten Endlichen, dem, sofern es selbst absolut ist, die Möglichkeit der Selbstbestimmung und der Lossagung von der Einheit verliehen ist. Die Welt der Erscheinung wird demgemäß hervorgebracht durch einen unergründlichen Akt des Sichselbstergreifens des absolut-Endlichen, das so »durch seinen eignen Willen aber ein leidender 112

Vgl. a. a. O. S. 15 f., 20 f. 53 (unten S. 13, 15 f., 33). Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 23. S. 13–15 (SW IV, S. 123 f.). 114 Vgl. Schelling, F. W. J.: Bruno. S. 200, 206 (unten S. 112, 115). 115 Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines System der Philosophie. [Zusatz aus dem Handexemplar] (SW IV, S. 126 Anm., 167.) 113

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und den Bedingungen der Zeit unterworfener Gott« ist.116 Die Sonderung erfolgt nicht im Hinblick auf das Absolute an sich – dieses bleibt, was es immer ist –, sondern lediglich in Ansehung auf das sich Absondernde selbst. Diese Theorie des »Abfalls« eines als ewig vorgestellten Endlichen aus seiner ursprünglichen Einheit mit dem Unendlichen, die inspiriert ist durch die christliche Lehre vom Sündenfall, Platons und Plotins Vorstellung einer Trennung der Seele von ihrem vorgeburtlichen Leben in der Ideenwelt und Fichtes Selbstsetzungsakt des Ich, wird von Schelling dann weiter ausgeführt in der Abhandlung über »Philosophie und Religion« aus dem Jahre 1804.117 Im Anschluß an die Darlegungen »Brunos« über den Begriff der absoluten Identität als Prinzip der Philosophie wirft »Lucian« die Frage auf, wie sich das so bestimmte Absolute zum endlichen Bewußtsein verhalte.118 Damit wird der bereits im Briefwechsel von Fichte erhobene Einwand aufgegriffen, Schelling habe mit seinem Identitätssystem das Terrain des kritischen Idealismus verlassen und in dogmatischer Weise eine bewußtseinstranszendente »absolute Identität« postuliert.119 Der Schellingsche »Bruno« begegnet diesem Argument mit der Unterscheidung zwischen reinem (absoluten) und abgeleiteten (empirischen) Bewußtsein, die Fichte ja selbst getroffen hatte. Das abgeleitete Bewußtsein ist immer relativ, als Subjekt im Gegensatzverhältnis zum Objekt. Beide Korrelata bedingen sich gegenseitig, keines kann Prinzip des anderen sein. Fichte hatte daher das absolute Bewußtsein (absolutes Ich) als Prinzip des Wissens gesetzt. Sein Irrtum besteht nach Schelling jedoch darin, das absolute Bewußtsein qua Prinzip ausschließlich in Beziehung auf das Wissen gefaßt und die Entgegensetzung von Subjekt und Objekt nur aus der Struktur des Vorstellungscharakters 116

Schelling, F. W. J.: Bruno. S. 71 (unten S. 43). Vgl. Schelling, F. W. J.: Philosophie und Religion. Tübingen 1804. S. 18–53 (= Abkunft der endlichen Dinge aus dem Absoluten und ihr Verhältniß zu ihm.); (SW VI, S. 28–50). 118 Vgl. Schelling, F. W. J.: Bruno. S. 71 (unten S. 43 ff.). 119 Vgl. oben S. XXVI f. 117

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endlichen Bewußtseins erklärt zu haben.120 Notwendig ist jedoch, so Schelling in Gestalt der Gesprächsfigur »Bruno«, das absolute Bewußtsein auch als ideal-reales Prinzip des Seins bzw. des Objekts zu begreifen, wie dies in der Identitätsphilosophie geschieht. Die absolute Identität existiert nur unter der Form ihrer Selbstanschauung, d. h. als absolutes Bewußtsein, und die Selbsterkenntnis des Absoluten fällt ineins mit der von der wahren Philosophie postulierten absoluten Erkenntnis. Daher stellt sich für »Bruno« (alias Schelling) überhaupt nicht die von »Lucian« (alias Fichte) aufgeworfene Frage, wie man vom Prinzip der absoluten Identität zum Bewußtsein komme. Zu untersuchen ist vielmehr, wie aus dem Prinzip der absoluten Identität die Trennung in Subjekt und Objekt, Wissen und Sein in der Erscheinungswelt abgeleitet werden kann. Diese Frage wiederum mündet in das generelle Thema der »Abkunft des Endlichen aus dem Ewigen«.121 Der Akt der Absonderung des absolut-Endlichen generiert einen Prozeß, in dem alles, was in der absoluten Totalität, dem »Reich der Ideen«, immer schon und vollkommen ist, dem Werden unterworfen wird und in Raum und Zeit zur Erscheinung kommt. Mit anderen Worten: die quantitativen Differenzen oder Potenzen der absoluten Identität werden sich in dem abgefallenen absolut-Endlichen selbst objektiv und treten als solche hervor. Es kommt, wie Schelling in vorliegender Schrift formuliert, zur »Körperwerdung der Ideen«,122 die nun Gegenstand einer langen Rede des »Bruno« wird und den naturphilosophischen Teil des Dialogs eröffnet. Die einzelnen Dinge setzen sich in diesem Akt der Absonderung zwar in ein Verhältnis des Gegensatzes zur ursprünglichen Einheit, behalten als Abbilder 120

Das »absolute Ich« ist nach Fichte in transzendentaler Reflexion als Erklärungsgrund zwar notwendig zu setzen, diese Setzung geschieht jedoch nur im und für das endliche Bewußtsein (vgl. Fichte, J. G.: Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre. Leipzig 1794. S. 270 (GA I,2. S. 410). 121 Schelling, F. W. J.: Bruno S. 81 (unten S. 49). 122 A. a. O. S. 87 (unten S. 52).

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aber dennoch deren Gepräge. Denn Realität hat alles Einzelseiende nur durch seine Teilhabe an der absoluten Totalität, es ist in seiner Differenziertheit zu verstehen als Explikation der ihm zugrundeliegenden Idealtypen. Die Welt der Erscheinung wird in diesem Kontext verstanden als das »auseinandergezogne Bild« der Innenstruktur des Absoluten.123 Im Prozeß seiner Selbstexplikation potenziert sich das abgesonderte Endliche von der Materie bis hinauf zu den Produktionen des Geistes (Wissen und Kunst), in denen es sich als das ergreift, was es seinem Wesen nach je schon ist: Subjekt-Objekt. Analog zu Schellings vorhergehenden Ausführungen in seiner »Darstellung meines Systems« realisiert sich der Naturprozeß in aufeinanderfolgenden Phasen, in denen jeweils relative Indifferenz qua einfache Einheit über relative Differenz oder Dualität sich stufenweise entfaltet zu relativer Identität als vermittelter Einheit. Die Gesetzlichkeit der Natur läßt sich verstehen aus »jener relativen Gleichheit und Entgegensetzung des Endlichen und Unendlichen« im Endlichen selbst.124 Die von Schelling in diesem Kontext gebotene Deduktion der Natur hat jedoch keineswegs die Rekonstruktion des realen naturhistorischen bzw. kosmologischen Geschehens zum Thema, vielmehr geht es ihr um den Aufweis der logogenetischen Struktur bzw. der Kategorien, welche das Entstehen der Natur in ihrer Mannigfaltigkeit und Geordnetheit zu denken erlauben. Naturphilosophie steht in Schellings Verständnis daher auch nicht in Konkurrenz zu den empirischen Naturwissenschaften. Die erste Stufe der Ableitung der Natur hat zum Inhalt die Bildung der Weltkörper und im Zusammenhang damit die Konstitution von Raum und Zeit überhaupt. Daran schließt sich die Deduktion der Bildung der anorganischen und organischen Natur an. Seine Vollendung findet der Naturprozeß in der Genese des Bewußtseins, mit dem das Ich als solches hervortritt. Nach Darlegung der generellen Konturen des Naturprozesses werden in dem Dialog spezielle Probleme der Bewegung und Anord123 124

Vgl. a. a. O. S. 95 (unten S. 56). A. a. O. S. 87 (unten S. 52).

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nung der Gestirne gemäß den Keplerschen Gesetzen, der Bildung organischer Wesen und des Bewußtseins erörtert. Die gebotene Konstruktion des Universums erfolgt im Rückgriff auf entsprechende Ausführungen Platons im »Timaios«.125 Die Gestirne in ihrer Ordnung, Zahl und Größe werden als die ersten Verkörperungen der Ideen verstanden, aus denen alle Mannigfaltigkeit sich entwickelt; die Bewegung der Planeten nach den drei Keplerschen Gesetzen wird hergeleitet aus den Gesetzen der Vernunft selbst. Dabei nimmt Schelling Bezug auf Hegels Dissertation über die Planetenbahnen.126 Den Raum versteht »Bruno« als das ruhende Abbild der Binnenverhältnisse der absoluten Identität, er wird in seiner Dreidimensionalität konstituiert durch die Vorherrschaft der Potenz des Endlichen. Die Zeit hingegen verkörpert die absolute Identität in ihrem Tätigsein und gründet in der Dominanz der Potenz des Unendlichen. Die Bewegung hingegen als die Synthese von Raum und Zeit versinnbildlicht die ewige, absolute Einheit selbst, ihr vollkommenster Ausdruck ist die Kreislinie. Alle Körper qua Masse stehen unter dem Gesetz der Schwere, diese Potenz127 ist Grund der Realität von Materie überhaupt. Die nächste Stufe des Naturprozesses wird bestimmt durch die Potenz »Licht«. Das Licht wirkt der Schwere entgegen, bewirkt neue Differenz und generiert die qualitativen Eigenschaften der Materie im »dynamischen Prozeß«, der sich gemäß dem Schema der Kategorien von Magnetismus, Elektrizität und Chemismus vollzieht. Innerhalb der anorganischen Natur verkörpert das Licht den Faktor des Subjektiven, Idealen oder Unendlichen und wird insofern von Schelling als Analogon des Geistes verstanden. Die Polarität von »Schwere« und »Licht« bedingt die Gestaltung der anorgani125

Vgl. Platon: Timaios. 38b–40d. Vgl. Hegel, G. W. F.: Dissertatio philosophica de orbitis planetarum. Jena 1801 (GW Bd. 5. S. 235–253). 127 Der Begriff »Potenz« bezeichnet in Schellings Identitätssystem nicht nur eine Bestimmung des Absoluten selbst, sondern auch das jeweils prägende Prinzip der verschiedenen Epochen des Natur- und Geschichtsprozesses. 126

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schen Natur in toto und wird wiederum auf einer dritten Ebene aufgehoben: der organischen Natur, die sich in das Pflanzenund das Tierreich differenziert und durch die Funktionen der Sensibilität, Irritabilität und Reproduktion strukturiert ist. Seine Vollendung findet der Naturprozeß schließlich im Menschen, in welchem das Bewußtsein hervortritt. Mit ihm nimmt die Geschichte des Geistes ihren Anfang, die nach dem gleichen Schema von Indifferenz, Polarität und Identität auf der Ebene der idealen Potenzen verläuft. Ausführlich dargelegt wurden die verschiedenen Stufen des Naturprozesses von Schelling in seiner »Darstellung meines Systems der Philosophie«, während der Dialog »Bruno« nur einen kurzgefaßten Abriß davon gibt und sich vorwiegend auf die Bildung der Weltkörper konzentriert. In Rede und Gegenrede zwischen »Bruno« und »Lucian« wird anschließend das Hervortreten des Bewußtseins erörtert, das mit der Differenzierung von Seele und Leib verbunden ist. Der Naturprozeß ist integriert in den umfassenderen Prozeß der Selbstvermittlung des von der ursprünglichen Einheit abgefallenen, zeitlosen absolut-Endlichen, das sich im Menschen als Identität von Subjektivem und Objektivem, Unendlichem und Endlichem begreift und damit als solche wirklich wird. Jede Stufe des Prozesses bringt eine höhere Form der Subjektivität hervor. Bewußtsein realisiert sich als gegenständliches Bewußtsein und als Selbstbewußtsein, oder, wie es im »Bruno« heißt, als endliches und unendliches Erkennen. Das endliche Erkennen richtet sich auf die einzelnen Dinge, das unendliche Erkennen hingegen reflektiert sich selbst und erzeugt den Begriff des Ich. Als auf Gegenstände bezogenes Bewußtsein ist das Ich selbst endlich, als sich setzendes Selbstbewußtsein jedoch unendlich, also endlich und unendlich zugleich. Diese Struktur zeichnet aber auch die gegenständliche Welt aus, insofern das Ich sich in ihr objektiv wird, denn »was wir in dem endlichen Erkennen oder den Dingen, und was wir im unendlichen Begriff des Erkennens setzen, ist Ein und Dasselbe, nur angesehn von verschiedenen Seiten, dort objektiv, hier subjektiv.«128 Sowohl das 128

Schelling, F. W. J.: Bruno. S. 144 (unten 82).

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objektive Erkennen der Dinge als auch das subjektive Selbsterkennen sind differente Formen des absoluten oder ewigen Erkennens.129 Damit wendet sich das Gespräch der Erörterung transzendentalphilosophischer Fragen im engeren Sinne zu, d. h. der Bestimmung des Verhältnisses von Anschauung und Denken und der Ableitung der logischen Formen des Verstandes. Auch dieser Teil des Dialogs wird von »Bruno« und »Lucian« bestritten. Wie in der Sphäre der Natur, spiegelt sich auch in der Sphäre des menschlichen Geistes die allem zugrundeliegende triadische Struktur des Absoluten wider. Die Anschauung wird ebenso wie das Denken konstituiert durch die Faktoren des Endlichen, Unendlichen und Ewigen. In der Anschauung sind sie der Form des Endlichen untergeordnet, während die Tätigkeit des Denkens die drei Momente unter der Form des Unendlichen synthetisiert. Das absolute Wissen schließlich bringt Anschauung und Denken zur Einheit und wird bestimmt durch die Dominanz der Form des Ewigen. Entsprechend dieser Strukturierung teilen sich ferner die logischen Formen in Urteil, Begriff und Schluß (dieser wiederum als hypothetischer, kategorischer und disjunktiver) ein, die Kategorien der Modalität in Wirklichkeit, Möglichkeit und Notwendigkeit, die Kategorien der Quantität in Vielheit, Einheit und Allheit, diejenigen der Relation in Substantialität, Kausalität und Wechselbestimmung usw. So zeigt sich eine identische Struktur »von dem Gerüste der körperlichen Dinge an bis herauf zur Form des Schlusses«.130 Die nach den Gesetzen des Verstandes erzeugte Erkenntnis bleibt jedoch der Welt der erscheinenden Dinge verhaftet, ist eine »durchaus untergeordnete Erkenntnißart«,131 welche die Gegensätze fixiert und die Trennung des göttlichen und natürlichen Prinzips der Dinge bedingt. Im Gegensatz zu dieser Reflexionserkenntnis steht das absolute Wissen der Vernunft, welche die Dinge in ih-

129 130 131

Vgl. a. a. O. S. 149 (unten S. 85). A. a. O. S. 160 (unten S. 91). A. a. O. S. 164 (unten S. 93).

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rer Wahrheit, und d. h. als Ideen anschaut.132 Die Vernunfterkenntnis transzendiert die Spaltung in Subjekt und Objekt, Begriff und Ding, Allgemeines und Besonderes, und ist als solche die der Philosophie allein angemessene Erkenntnisform: »[…] nimmer erblickt die Wahrheit an und für sich selbst, wer sie nicht im Ewigen anschaut.«133 Damit kehrt das Gespräch zu seinem Ausgangspunkt zurück: der Frage nach der wahren Erkenntnis. Seinen Abschluß findet der Dialog mit einer Betrachtung der vier Hauptrichtungen im geschichtlichen Auftreten der Philosophie im Hinblick auf die Frage nach dem Absoluten als dem AllEinen. »Alexander« beginnt mit der Darstellung jener Erscheinungsform der Philosophie, welche die Ungetrenntheit des göttlichen und natürlichen Prinzips in der Materie verortet. Gemeint ist damit ein spekulativer Materialismus, welcher nicht Materie als formlosen Stoff von der Form als ihrem gestaltenden Prinzip scheidet, sondern beide in ihrer Einheit erblickt. Schelling spielt in diesem Zusammenhang auf die vorsokratische Naturphilosophie an, hat aber auch die hylozoistisch geprägte Theorie eines Giordano Bruno im Blickpunkt. Bereits Platon trennte demnach Materie und Form, und diese Trennung setzte sich einerseits fort in der Reduktion des Materiebegriffs auf Körperlichkeit, andererseits in der Identifikation von Materie und anorganischer Natur. Ihren Höhepunkt fand diese Entwicklung schließlich in der Atomistik, wie sie beispielhaft die französischen Materialisten des 18. Jahrhunderts vertraten: in ihr wurde Materie in ihren verschiedenen Erscheinungsformen zurückgeführt auf Aggregation kleinster, toter Korpuskel. Der mit den »Augen der Vernunft«134 begabte Materialismus hingegen läßt die Form der Materie inhärieren und betrachtet sie als 132

In den 1803 erschienenen Vorlesungen über die Methode des academischen Studium (Tübingen 1803) heißt es explizit: »Die Philosophie ist also die Wissenschaft der Ideen oder der ewigen Urbilder der Dinge.« (S. 98; SW V, 255.) 133 Schelling, F. W. J.: Bruno. S. 176 (unten S. 99). 134 A. a. O. S. 187 (unten S. 105).

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ein beseeltes Ganzes. Denn nur so ist die Materie lebendiger Ausdruck des Absoluten als der Einheit von Wesen und Form. In der durch den »Abfall« des absolut-Endlichen bewirkten zeitlichen Erscheinung entwickelt sich die ursprünglich eine Form zu einer Vielzahl von Formen und gestaltet als »Weltseele« die sukzessive Entfaltung der Materie von der Bildung der Planeten bis hin zu den Produktionen des menschlichen Geistes. Den Kontrapunkt zum Materialismus stellt in Schellings Sicht der sog. »Intellektualismus« dar, dessen Grundzüge im Anschluß der Gesprächspartner »Anselmo« vorstellt. Ihre geschichtliche Ausprägung fand diese Denkbewegung in der Ideenlehre Platons, im Neuplatonismus und später in Leibniz’ Monadologie. Sie erblickt den Einheitspunkt alles Seins in der Idee bzw. der Monade und erklärt die materielle Welt zur bloßen Erscheinung bzw. Emanation eines rein geistigen Kosmos oder in der Gestalt der Monadologie zur beschränkten und verworrenen Vorstellung individuell und immateriell gedachter, dynamischer Kraftzentren. Wie dem spekulativen Materialismus, so lautet die Quintessenz der Ausführungen »Anselmos«, liegt auch dem »Intellektualsystem« der monistische Gedanke des Einen zugrunde, allerdings entwickelt in die entgegengesetzte Richtung. Aus dem Gegensatz von Materialismus und Intellektualismus ging schließlich nach Schellings Verständnis der Philosophiegeschichte jener von Realismus und Idealismus hervor, deren Charakteristika abschließend im Dialog zwischen »Bruno« und »Lucian« skizziert werden. Der Realismus kulminiert im Spinozismus, der Idealismus findet seinen höchsten Ausdruck in der »Wissenschaftslehre« Fichtes. Beide unterscheiden sich nur durch die »Art der Betrachtung« des Absoluten.135 Die Perspektive des Realismus richtet sich exklusiv auf dessen Wesen (absolute Indifferenz), der Idealismus reflektiert einseitig auf seine Form (Selbsterkennen). Als Resultat des Dialogs hatte sich jedoch ergeben, daß der Gegensatz von Wesen und Form im Absoluten selbst nur virtuell ist. Deshalb ist es auch verfehlt, das 135

A. a. O. S. 208 (unten S. 116).

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Absolute ausschließlich als ewige, unbewegte Substanz mit ihren unmittelbaren Attributen Denken und Ausdehnung (Sein) zu bestimmen und nicht in gleicher Weise als absolutes Subjekt zu denken. Dadurch wird verkannt, daß die Attribute der absoluten Einheit ja gerade durch ihre Form oder ihr Sein, das Selbsterkennen, bedingt sind. Der Idealismus hingegen ist auf diesen Aspekt der absoluten Identität fokussiert und denkt diese deshalb exklusiv als reine Spontaneität und d. h. als »absolute Ichheit.«136 Damit wird jedoch das absolute Prinzip selbst wieder nur subjektiv gefaßt, die grundsätzlich identische Struktur von Idealem und Realem, Subjekt und Objekt im Wissen verkannt, die geforderte absolute Einheit von der Erkenntnis ausgeschlossen und zur Sache des Glaubens und unendlichen Aufgabe für das Handeln erklärt. Schelling faßt so nochmals die wesentlichen Kritikpunkte an Fichtes Position zusammen, die im Verlauf des Gesprächs mehrmals zur Sprache kamen. Der absolute Idealismus im Sinne von Schellings Identitätsphilosophie wird in dem Dialog als Ideal-Realismus zur »Philosophie ohne allen Gegensatz« erhoben.137 Sie überwindet die Einseitigkeiten der vorhergehenden Systeme und stellt sich auf den Standpunkt der Einheit, von dem aus Form und Wesen des Absoluten identisch sind und die Welt als seine Selbstexplikation begriffen wird. Was im Absoluten immer schon und in seiner Einheit ist, entwickelt sich in der Welt als Naturprozeß, den Schelling in diesem Kontext als »Menschwerdung Gottes von Ewigkeit« interpretiert, und als Geschichtsprozeß, der unter dem Blickwinkel der Identitätsphilosophie seinen tieferen Sinn als »Gottwerdung des Menschen« offenbart, und d. h. als Rückkehr des abgefallenen Endlichen in seine ursprüngliche Einheit.138 Der Schellingsche »Bruno« zitiert gegen Ende des Gesprächs einen Satz aus Jacobis »Bruno«-Auszug, demgemäß das »eigentliche und tiefste Geheimnis der Kunst« nicht darin bestehe, den Einheitspunkt der Gegensätze aufzuzeigen, sondern aus 136 137 138

Vgl. a. a. O. S. 215 (unten S. 120). Vgl. a. a. O. S. 210 f. (unten S. 117). Vgl. a. a. O. S. 222 (unten S. 124).

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jenem seine Verschiedenheit zu entwickeln,139 und d. h. aus der Identität die Differenz, aus dem Ewigen das zeitliche Werden abzuleiten. Diese Aufgabe führt in das Zentrum von Schellings identitätsphilosophischem Denken und bezeichnet zugleich das Kernproblem, welches ihn 1809 zu einem neuen Aufbruch seines Philosophierens veranlaßte, dessen Leitthemen »Freiheit« und »Geschichte« bilden.140

Zur Gestaltung des Textes Der vorliegenden Studienausgabe liegt der 1802 bei Johann Friedrich Unger, Berlin, erschienene Erstdruck (ED) zugrunde. Der Text wurde kollationiert mit dem 1834 in Reutlingen von J. N. Enßlin publizierten Nachdruck (NDR), der unveränderten Zweitauflage, die 1842 von Georg Andreas Reimer in Berlin besorgt wurde (ZD) sowie dem Abdruck des Textes in Band 9 (S. 1–156) der Upsala-Ausgabe von Schellings »Sämmtlichen Werken« aus dem Jahre 1818 (NDU) und in Band IV (S. 213– 332) der von Schellings Sohn, Karl Friedrich August Schelling, veranstalteten Gesamtausgabe der Werke seines Vaters (SW). Ferner wurde für die Textgestaltung der Abdruck in Band 2 (S. 417–536) der dreibändigen Auswahl »Schellings Werke« von Otto Weiß (W) herangezogen, der 1907 in Leipzig erschien. W folgt im allgemeinen SW, bringt jedoch zuweilen interessante Konjekturvorschläge. Alle wichtigen Varianten sind im textkritischen Apparat verzeichnet. Gleichfalls im textkritischen Apparat wiedergegeben sind Korrekturen des Herausgebers im Text; ausgenommen offensichtliche Druckfehler, die stillschweigend korrigiert wurden. Orthographie und Interpunktion wurden behutsam moderni139

Vgl. a. a. O. S. 221 (unten S. 123). Vgl. Schelling, F. W. J.: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freyheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände. In: Philosophische Schriften. Erster Band. Landshut 1809. S. 394–511 (SW VII, S. 331–416). 140

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siert, gewisse Eigenheiten der Rechtschreibung jedoch, v. a. gemäß dem Prinzip der Lautstandswahrung, beibehalten (z. B. andern statt anderen, daurender statt dauernder, worein statt worin, seie statt sei, hiemit statt hiermit, im Stande statt imstande, Teil zu nehmen statt teilzunehmen, Foderung statt Forderung). Sowohl der Seitenumbruch von ED als auch derjenige von SW ist im laufenden Text durch einen Trennstrich vermerkt (| bzw. ¦). Die Seitenzahlen von ED werden am äußeren Seitenrand des edierten Textes recte wiedergegeben, diejenigen von SW kursiv. Die Ziffern am inneren Seitenrand des Textes beziehen sich auf die erklärenden Anmerkungen des Herausgebers im Anhang. Die Seitenzahlen in der von SW übernommenen Inhaltsübersicht verweisen auf die Seiten der vorliegenden Ausgabe. Die erklärenden Anmerkungen weisen die von Schelling direkt oder indirekt erwähnte und zitierte Literatur nach und geben Erläuterungen zu Personen und Sachbegriffen, sofern diese dem heutigen Leser nicht mehr bekannt und nicht in allgemein üblichen Informationsquellen nachzuweisen sind. Der Text der erklärenden Anmerkungen wurde gleichfalls modernisiert. Herausgeberrede ist, wie auch im textkritischen Apparat, in kursiver Schrift gesetzt. Grundsätzlich wird diejenige Ausgabe eines Werkes zitiert, von der bekannt ist, daß Schelling sie benutzt hat. Läßt sich dies nicht eindeutig feststellen, so wird die Originalausgabe herangezogen. Sofern vorhanden, werden ergänzend die Seitenzahlen historisch-kritischer Ausgaben angeführt. Bei Verweisen auf Schellings eigene Schriften sind grundsätzlich die Seitenzahlen von SW zusätzlich zur Seitenzahl des Originalwerkes angegeben. Falls das Werk bereits im Rahmen der historisch-kritischen Schelling-Ausgabe (AA) erschienen ist, wird auch die entsprechende Band- und Seitenzahl von AA angeführt.

BRUNO ODER ÜBER DAS GÖTTLICHE UND NATÜRLICHE PRINZIP DER DINGE. A Ein Gespräch. Herausgegeben von Schelling. Inhalts-Übersicht.1 A) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einssein der Wahrheit und der Schönheit. 1) Idee der Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterschied des ewigen und des zeitlichen Erkennens überhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Voraussetzungen des ewigen Erkennens. α) Das Unvollkommene bloß herkommend von der zeitlichen Betrachtung . . . . . . . . β) Unterschied zwischen der urbildlichen und der hervorbringenden Natur . . . . . Anwendung des Bisherigen auf die 2) Idee der Schönheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schluß: die höchste Einheit der Wahrheit und Schönheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Analoges Verhältnis der Philosophie und der Poesie. 1) Begriff des schönen Produkts (»dessen Seele ein ewiger Begriff«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Unterschied des Philosophen und des Dichters 3) Anwendung dieses Unterschieds auf den der Mysterien und der Mythologie . . . . . . . . . . . . B) Darstellung der Philosophie selbst (doch »nicht sowohl dieser selbst, als des Grund und Bodens, auf dem sie aufgeführt werden muß«). 1) Begriffsbestimmung der absoluten Identität . . . . 2) Anwendung dieser Begriffsbestimmung auf 1

In SW vom Herausgeber hinzugefügt.

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den Gegensatz des Idealen und Realen . . . . . . . . a) Einheit des Denkens und Anschauens. Diese b) = der Einheit des Endlichen und Unendlichen Nähere Bestimmung der Vereinigung des Realen und Idealen, des Endlichen und Unendlichen im höchsten Begriff. a) Der Begriff der Einen (höchsten) Idee (der Idee aller Ideen) ¦ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das ewige Sein der Dinge = die Ideen . . . . . . . c) Der Begriff der zeitlosen (unendlichen) Endlichkeit im Absoluten . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiefern die höchste Einheit auch Prinzip des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidung des absoluten und des begründeten (abgeleiteten) Bewußtseins . . . . . b) Die relative Einheit im Wissen eine andere relative Einheit im Sein fordernd, wovon keine Prinzip der anderen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Begriff des absoluten Idealismus . . . . . . . Wie das Endliche aus dem Ewigen heraustritt . . . Das sichtbare Universum. a) Das allgemeine Gerüste desselben. α) Deduktion der Weltkörper überhaupt . . . . . β) Die Dimensionen des Körperlichen . . . . . . γ) Die drei Stufen des Unorganischen, Organischen, Vernünftigen . . . . . . . . . . . . . b) Deduktion des Besonderen. α) Die Weltkörper aa) ihre Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ordnung, Zahl und Größe der Gestirne cc) Die Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . β) Die organischen Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . γ) Deduktion des Bewußtseins (»aus der Idee des Ewigen selbst«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Erkenntniswelt. a) Verhältnis zwischen Anschauung und Denken im Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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inhaltsübersicht Ableitung der geometrischen Wissenschaft. b) Deduktion der logischen Formen . . . . . . . . . . . Die Logik bloße Verstandeswissenschaft. c) Die höchste Erkenntnisart . . . . . . . . . . . . . . . . Rückkehr auf den Begriff der absoluten Erkenntnis und die Idee des Absoluten überhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung des Gegensatzes der reellen und ideellen Welt auf den des natürlichen und des göttlichen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Die (vier) Richtungen der Philosophie (der Materialismus und Intellektualismus, der Realismus und Idealismus) in ihrem Verhältnis zur absoluten (Identitäts-) Philosophie, wobei Rekapitulation der Hauptideen der letzteren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anselmo Willst du uns wiederholen, o Lucian, was du gestern,

als wir von der Einrichtung der Mysterien sprachen, über die Wahrheit und Schönheit behauptet? Lucian Meine Meinung war, daß in vielen Werken die höchste Wahrheit sein könne, ohne daß ihnen darum auch der Preis der Schönheit zuerkannt werden dürfte. Anselmo Du aber, Alexander, erklärtest dagegen, daß die Wahrheit allein alle Foderungen der Kunst erfülle, und daß einzig durch diese ein Werk wahrhaft schön werde. Alexander So behauptete ich. Anselmo Gefällt es euch, daß wir diese Rede wieder aufnehmen und den Streit jetzt entscheiden, der unentschieden blieb, als die Zeit Trennung gebot? Denn glücklich | hat uns, nicht offenbare Verabredung zwar, doch geheime Übereinstimmung wieder hier vereinigt. Lucian Willkommen jede Welle des Gesprächs, die in den Strom der Rede uns zurückführt. Alexander Immer tiefer in den Kern der Sache dringt gemeinsamer Rede Wetteifer, die leise beginnend, langsam fortschreitend, zuletzt tief anschwillt, die Teilnehmer fortreißt, alle mit Lust erfüllt. Anselmo Lag nicht der Ursprung des Streites in dem, was von uns über die Mysterien und die Mythologie, so wie über das Verhältnis der Philosophen und Dichter festgesetzt worden war? Lucian So war es. Anselmo Dünkt es euch nicht gut, daß, indem wir diesen ¦ Streit beilegen, die Rede zugleich in ihren Ursprung zurückkehre, damit wir nachher ungestört auf den gelegten sichern Grund weiter bauen? Alexander Vortrefflich.

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Anselmo Du also, Lucian, indem es dir möglich dünkt, daß ein 5

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Werk, ohne schön zu sein, der höchsten Wahrheit Vollendung | haben könne, scheinst etwas Wahrheit zu nennen, dem wir Philosophen vielleicht auch diesen Namen nicht zugestehn würden. Du aber, Alexander, indem du ein Werk nur durch seine Wahrheit schön sein lässest, bezweifelst, daß es einen Punkt geben könne, wo beide, gleich unbedingt, keine von der andern abhängig, oder ihr untergeordnet, jede für sich das Höchste, so schlechthin Eins und dasselbe sind, daß eine an die Stelle der andern gesetzt, und das Werk, welches jenen Punkt ausgedrückt hat, auf völlig gleiche Weise unter beiden Eigenschaften betrachtet werden kann. Haltet ihr es also nicht für nötig, daß wir vor allem übereinzukommen suchen, was Wahrheit, dann auch was Schönheit zu nennen sei, damit wir nicht entweder irgend etwas, was nur untergeordneter Weise dafür gehalten wird, der Schönheit gleichstellen, oder, indem wir diese Wahrheit, die es nicht an sich ist, als unvergleichbar mit der Schönheit setzen, das, was allein wahrhaft Wahrheit ist, zugleich mit aus den Augen verlieren? Lucian Ein würdiger Stoff und Gegenstand der Unterredung. | Anselmo Bist du es aber zufrieden, o Vortrefflicher, der du der Wahrheit vor der Schönheit den Preis zuerkannt hast, unbekümmert, daß sie wenige zählt, die ihr strenges Antlitz ertragen oder den Anblick der Ägide, so wende ich mich an dich. Alexander Sehr gern folg’ ich dir, o Freund, mich über die Idee der Wahrheit zu verständigen. Anselmo Die Wahrheit also über alles und selbst über die Schönheit setzend, o Freund, wirst du um so weniger anstehn können, ihr auch ferner die höchsten Eigenschaften beizulegen, und diesen ehrwürdigen Namen nicht wie es kommt auf alles anwenden lassen, was man insgemein darunter begreift. Alexander Gewiß. ¦ Anselmo Du wirst demnach die Eigenschaft der Wahrheit keiner Erkenntnis zugestehn, welche nur eine gegenwärtige oder überhaupt vergängliche Gewißheit mit sich führt. Alexander Keineswegs werde ich.

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Anselmo Du wirst aus diesem Grunde niemals einer solchen Er-

kenntnis, welche nur durch die unmittelbaren Affektionen des | Leibes vermittelt ist, oder sich unmittelbar nur auf sie bezieht, Wahrheit zuschreiben. Alexander Unmöglich, da ich weiß, daß diese, zusamt dem Gegenstande, der sie erleidet, den Bedingungen der Zeit unterworfen sind. Anselmo Aus demselben Grunde wirst du keiner Erkenntnis Wahrheit zugestehn, die verworren, undeutlich, unangemessen der Sache, wie sie an sich, ist. Alexander Keine, denn eine jede ist bloß sinnlicher Art und durch Affektionen vermittelt. Anselmo Würdest du aber ferner, was überhaupt zwar eine bleibende, aber doch insofern nur untergeordnete Gewißheit hat, daß es nur für die menschliche oder irgend eine andre Betrachtungsweise, welche nicht die höchste ist, Gültigkeit hätte, mit dem erhabenen Namen der Wahrheit bezeichnen? Alexander Auch dieses nicht, wenn es eine solche gäbe1. Anselmo Du zweifelst, ob es eine solche gebe. Laß demnach sehn, was du jener von uns vergänglich genannten entgegenstellest, oder worein du die unvergängliche Gewißheit setzest. | Alexander Notwendig in diejenige Wahrheit, die nicht nur von einzelnen Dingen, sondern von allen, und nicht nur für eine bestimmte Zeit, sondern für alle Zeit gilt. Anselmo Solltest du wirklich die unvergängliche Gewißheit in das setzen, was zwar für alle Zeit, aber doch überhaupt in Beziehung auf Zeit Gültigkeit hat? Ist es nicht offenbar, daß die Wahrheit, die überhaupt für die Zeit und Dinge in der Zeit gilt, unvergänglich ist nur in Bezug auf das, was selbst nicht ewig ist, also nicht schlechthin und an sich betrachtet? Es ist aber undenkbar, daß, was überhaupt ¦ nur vom Endlichen, obgleich es allgemein davon gilt, einen höheren Wert habe als dieses selbst, und daß wir ihm eine mehr als relative Wahrheit zugestehn können, da es mit dem Endlichen zugleich steht und fällt. Denn wer der Menschen wird leugnen, daß einer jeden Wirkung ihre 1

gäbe] SW W: gebe

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Ursache vorausgehe, und daß diese Gewißheit, ohne an den Gegenständen geprüft zu werden, unmittelbar durch die bloße Beziehung des endlichen Erkennens auf den Begriff des Erkennens, unzweifelhaft sei? Wenn aber derselbe Satz außer | der Beziehung auf das an sich Endliche keine Bedeutung hat, so ist es auch unmöglich, daß ihm Wahrheit zukomme. Denn bist du nicht mit mir übereingekommen, daß, was nur für eine untergeordnete Betrachtungsweise Gewißheit hat, nicht im echten Sinne für wahr gehalten werden könne? Alexander Freilich. Anselmo Du wirst aber ferner nicht in Abrede sein können, daß die Erkenntnis des Endlichen und Zeitlichen, als solche, selbst nur im endlichen Erkennen, nicht aber im absoluten, statthabe. Würdest du dich aber mit einer Wahrheit begnügen, welche bloß für das Erkennen endlicher Wesen, und nicht schlechthin und auch in Ansehung Gottes und des höchsten Erkennens Wahrheit ist, oder geht nicht alles unser Bestreben darauf, die Dinge so zu erkennen, wie sie auch in jenem urbildlichen Verstande vorgebildet sind, von dem wir in dem unsrigen die bloßen Abbilder erblicken? Alexander Es ist schwer zu leugnen. Anselmo Dieses höchste Erkennen aber, kannst du es überhaupt unter Zeitbedingungen denken? | Alexander Unmöglich. Anselmo Oder auch nur als bestimmt durch Begriffe, die, obgleich an sich allgemein und unendlich, dennoch sich nur auf die Zeit und das Endliche beziehen? Alexander Als bestimmt durch solche Begriffe zwar nicht, aber wohl als bestimmend diese Begriffe. Anselmo Dies gilt uns hier gleichviel; denn wir im endlichen Erkennen erscheinen uns nicht als bestimmend jene Begriffe, sondern als ¦ durch sie bestimmt, und wenn als bestimmend, offenbar durch ein höheres Erkennen. Wir müssen daher auf jeden Fall es als einen ausgemachten Satz annehmen, daß derjenigen Erkenntnis, die sich überhaupt auf die Zeit oder das zeitliche Dasein der Dinge bezieht, gesetzt auch, daß sie nicht selbst zeitlich entstehe und für die unendliche Zeit so wie für alle Din-

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ge in der Zeit gelte, dennoch keine absolute Wahrheit zukomme, denn sie setzt ein höheres Erkennen voraus, welches von der Art ist, unabhängig von aller Zeit, und ohne allen Bezug auf die Zeit, an sich selbst, demnach schlechthin ewig zu sein. | Alexander Diese Folge ist unvermeidlich nach den ersten Voraussetzungen. Anselmo Wir werden also erst dann auf dem Gipfel der Wahrheit selbst angekommen sein, und die Dinge sowohl mit Wahrheit erkennen als darstellen, nachdem wir mit unsern Gedanken zu dem unzeitlichen Dasein der Dinge und den ewigen Begriffen derselben gelangt sind. Alexander Ich kann es nicht leugnen, obgleich du noch nicht gezeigt hast, wie wir dazu gelangen können. Anselmo Auch geht uns diese Frage hier nicht an, da wir uns bloß um die Idee der Wahrheit bekümmern, die wir darum tiefer zu stellen, oder von ihrer Höhe herabzusetzen, damit sie den meisten leichter zu erreichen sei, für unwürdig halten. – Aber ist es dir gefällig, daß wir auf diese Weise in unsern Untersuchungen fortgehen? Alexander Allerdings. Anselmo So laß uns weiter den Unterschied des ewigen und zeitlichen Erkennens betrachten. Hältst du es also für möglich, daß, was wir irrig, verkehrt, unvollkommen usw. nennen, alles dies wirklich an | sich, oder daß es solches vielmehr nur in Ansehung unserer Betrachtungsweise sei? Alexander Ich kann mir nicht denken, daß z. B. die Unvollkommenheit irgend eines menschlichen Werks nicht wirklich in Ansehung dieses Werkes stattfinde;1 noch, daß, was wir uns notwendig als irrig denken, nicht auch wirklich falsch sei. ¦ Anselmo Laß dir, o Freund, den Sinn der Frage nicht entgehen. Nicht davon rede ich, was das Werk sei, einzeln betrachtet, losgetrennt vom Ganzen. Daß also jener anstatt eines vollkommnen Werks etwas durchaus Verkehrtes, dieser statt wahrer keine andern als falsche Sätze hervorbringt, ist, wahrhaft betrachtet, weder Verkehrtheit noch Irrtum. Vielmehr, wenn jener, so 1

stattfinde;] SW W: stattfinde,

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beschaffen als er ist, etwas Vollkommnes und irgend etwas anders als das Widersinnige und Törichte hervorbringen könnte, so wäre dies vielmehr ein Irrtum und eine wirkliche Verkehrtheit der Natur zu nennen, welches beides unmöglich ist. Da nun keiner etwas anders hervorbringt, als was teils aus der Eigentümlichkeit seiner Natur, teils aus den Einwirkungen, welche auf ihn von au | ßen geschehen sind, notwendig folgt, so drückt jeder, der eine durch seinen Irrtum, der andere durch die Unvollkommenheit seines Werks, die höchste Wahrheit und die höchste Vollkommenheit des Ganzen aus, und bestätigt eben durch sein Beispiel, daß in der Natur keine Lüge möglich sei. Alexander Du scheinst dich in deinen eignen Reden zu fangen. Denn daß der Irrtum des einen Wahrheit, die Unvollkommenheit des andern Vollkommenheit sei, folgt freilich aus der zugestandenen Verkehrtheit ihrer Natur, – Anselmo Die wiederum an sich betrachtet keine Verkehrtheit ist. Denn nachdem z. B. jener von einem solchen Vater gezeugt, dieser durch solche Einwirkungen von außen bestimmt worden ist, so ist ihre jetzige Beschaffenheit ganz in der Regel und in der allgemeinen Ordnung der Dinge notwendig. Alexander Nach dieser Ansicht wirst du dich nur hüten müssen, einen Anfang der Unvollkommenheit zuzulassen. Anselmo Freilich, so wie es überhaupt unmöglich ist, einen Anfang des Zeit | lichen zu denken. Alle Unvollkommenheit findet nur in derjenigen Ansicht statt, für welche das Gesetz der Ursache und Wirkung selbst Prinzip, nicht für die höhere, die, da sie keinen Anfang des Endlichen zugibt, auch das Unvollkommene von Ewigkeit bei dem Vollkommenen, das heißt selbst als Vollkommenheit setzt. – Scheint es dir aber nicht, daß, was wir bisher mehr auf die Werke der Menschen ¦ eingeschränkt, auch auf die Werke der Natur und überhaupt alle Dinge ausgedehnt werden müsse, nämlich, daß an sich betrachtet nichts mangelhaft, unvollkommen und unharmonisch sei? Alexander Es scheint so. Anselmo Dagegen daß sie unvollkommen seien, nur für die bloß zeitliche Betrachtungsweise, oder war es nicht so? Alexander Auch dies.

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Anselmo Laß uns nun weiter gehen, und sage mir, ob nicht

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anzunehmen ist, daß der schaffenden Natur bei allen ihren Hervorbringungen, im Ganzen nicht nur, sondern auch im Einzelnen, ein Typus vorgeschrieben sei, nach welchem sie sowohl die Gattungen als die Individuen bildet?1 Alexander Offenbar ist dies, da wir | nicht nur die verschiedenen Gattungen der Tiere und Pflanzen näher oder entfernter eben dieselbe Grundform ausdrücken sehen, sondern auch in den Individuen der Gattung sich genau dieselbe Anlage wiederholt. Anselmo Wenn wir nun die Natur, sofern sie der lebendige Spiegel ist, worin alle Dinge vorgebildet sind, die urbildliche, die Natur aber, sofern sie jene Vorbilder in der Substanz ausprägt, die hervorbringende nennen, so sage mir, ob wir die urbildliche Natur oder die hervorbringende dem Gesetz der Zeit und des Mechanismus unterworfen denken müssen? Alexander Nicht die urbildliche, wie mir scheint, denn das Urbild jedes2 Geschöpfes muß gedacht werden als sich immer gleich und unwandelbar, ja sogar als ewig, sonach auf keine Weise der Zeit unterworfen und weder als entstanden noch als vergänglich. Anselmo So sind es also die Dinge in der hervorbringenden Natur, welche nicht freiwillig, sondern gezwungen dem Dienst der Eitelkeit unterworfen sind. Jene ewigen Urbilder aber der Dinge sind gleich | sam die unmittelbaren Söhne und Kinder Gottes, daher auch in einer heiligen Schrift gesagt wird, daß die Kreatur sich sehne und verlange nach der Herrlichkeit der Kinder Gottes, welche die Vortrefflichkeit jener ewigen Urbilder ist. Denn es ist notwendig, daß in der urbildlichen ¦ Natur oder in Gott alle Dinge, weil sie von den Bedingungen der Zeit befreit sind, auch viel herrlicher und vortrefflicher seien, als sie an sich selbst sind. Die Erde z. B., welche gemacht worden, ist nicht die wahre Erde, sondern ein Abbild der Erde, insofern sie nicht gemacht, und weder entstanden ist, noch jemals vergehen wird. In der Idee der Erde aber sind auch die Ideen aller in ihr enthal1 2

bildet?] SW W: bildet. jedes] W: jenes

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tenen oder auf ihr zum Dasein kommenden Dinge begriffen. Es ist also auch auf der Erde kein Mensch, kein Tier, kein Gewächs, kein Stein, dessen Bildnis nicht in der lebendigen Kunst und Weisheit der Natur weit herrlicher leuchtete als in dem toten Abdrucke der geschaffenen Welt. Da nun dieses vorgebildete Leben der Dinge weder jemals angefangen hat noch je aufhören wird, das nachgebildete dagegen unter dem Gesetz der Zeit, nicht frei | und bloß seiner eignen Natur gemäß, sondern unter dem Zwange der Bedingungen entsteht und wieder vergeht, so werden wir also zugeben müssen, daß, so wenig als in seinem ewigen Dasein irgend etwas unvollkommen und mangelhaft ist, so wenig auf zeitliche Art irgend eine Vollkommenheit, welche sie sei, entstehen könne, und daß vielmehr, zeitlich angesehen, notwendig alles unvollkommen und mangelhaft sei. Alexander Wir werden nicht umhin können, dies alles zu behaupten. Anselmo Nun sage mir, ob du die Schönheit für eine Vollkommenheit, den Mangel an Schönheit für eine Unvollkommenheit hältst? Alexander Freilich, und zwar halte ich dafür, daß die Schönheit, welche nur der äußere Ausdruck der organischen Vollkommenheit ist, die unbedingteste Vollkommenheit sei, die ein Ding haben könne, weil nämlich jede andre Vollkommenheit eines Dinges nach seiner Angemessenheit zu einem Zweck außer ihm geschätzt wird, die Schönheit aber bloß an sich selbst betrachtet, und ohne alle Beziehung auf ein äußeres Verhältnis, das ist, was sie ist. | Anselmo So wirst du mir also noch viel mehr zugeben, daß die Schönheit, weil sie nämlich unter allen Vollkommenheiten die größte ¦ Unabhängigkeit von Bedingungen fodert, auf keine zeitliche Weise entstehe, und daß hinwiederum auf zeitliche Weise nichts schön genannt werden könne. Alexander Nach dieser Ansicht würden wir uns in einem großen Irrtum befinden, indem wir einige Dinge der Natur oder Kunst schön zu nennen pflegen. Anselmo Auch leugne ich nicht das Dasein der Schönheit überhaupt, sondern das zeitliche Dasein. Überdies könnte ich dir das-

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selbe erwidern, was Sokrates beim Plato,1 daß derjenige, welcher nicht etwa unlängst eingeweiht ist in den Mysterien, wenn er die sinnliche Schönheit erblickt, welche von der Schönheit an und für sich selbst den gleichen Namen borgt, durch jene nicht so leicht angetrieben wird, diese sich vorzustellen; wer aber jüngst eingeweiht worden, und solcher nun ein göttliches Angesicht erblickt, wo die Schönheit oder vielmehr das unkörperliche Urbild nachgeahmt ist, erstaunt und zuerst erschrickt, indem eine der vorma | ligen ähnliche Furcht über ihn kommt, hernach aber sie als eine Gottheit anbetet. Diese, welche die Schönheit an und für sich selbst gesehen haben, sind auch gewohnt, ungestört von den Mängeln, welche der widerstrebenden Natur durch den Zwang der Ursachen aufgedrungen sind, in dem unvollkommnen Abdrucke das Urbild zu sehen, alles aber zu lieben, was sie an die vormalige Seligkeit des Anschauens erinnert. Das, was an jeder lebenden Gestalt dem Urbilde der Schönheit widerspricht, ist aus dem natürlichen Prinzip zu begreifen, niemals aber das, was ihm gemäß ist, denn dieses ist seiner Natur nach eher, der Grund davon aber liegt in der idealen Natur selbst und der Einheit, die wir zwischen der hervorbringenden und der urbildlichen Natur setzen müssen, welche auch daraus offenbar wird, daß die Schönheit allenthalben hervortritt, wo es der Naturlauf gestattet, sie selbst aber ist niemals entstanden, und überall, wo sie zu entstehen scheint (sie scheint es aber immer nur), kann sie nur entstehen, weil sie ist. Wenn du also ein Werk oder Ding schön nennest, | so ist nur dieses Werk entstanden, die Schönheit aber nicht, welche ihrer Natur nach, ¦ also mitten in der Zeit, ewig ist. Indem wir also unsre Schlüsse überrechnen, so findet sich, nicht nur daß die ewigen Begriffe vortrefflicher und schöner seien als die Dinge selbst, sondern vielmehr, daß sie auch allein schön, ja daß der ewige Begriff eines Dinges notwendig schön sei. Alexander Gegen diese Schlußfolge ist nichts einzuwenden. Denn notwendig ist, daß, wenn die Schönheit etwas Unzeitliches ist, jedes Ding nur durch seinen ewigen Begriff schön sei; 1

Zusatz in SW W: Phädrus, p. 251.

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notwendig, wenn die Schönheit nie entstehen kann, daß sie das Erste, Positive, die Substanz der Dinge selbst sei; notwendig, wenn das Entgegengesetzte der Schönheit bloße Verneinung und Einschränkung ist, daß diese nicht in jene Region dringen könne, wo nichts als Realität angetroffen wird, daß also auch die ewigen Begriffe aller Dinge allein und notwendig schön seien. Anselmo Sind wir aber nicht früher übereingekommen, daß eben diese ewigen | Begriffe der Dinge auch allein und absolut wahr, alle andern täuschend oder nur relativ wahr seien, und daß, die Dinge mit absoluter Wahrheit erkennen, so viel heiße als: sie in ihren ewigen Begriffen erkennen? Alexander Freilich sind wir übereingekommen. Anselmo Haben wir also nicht die höchste Einheit der Wahrheit und der Schönheit aufgezeigt? Alexander Ich kann nicht widersprechen, nachdem du mich in diese Schlußfolge verstrickt hast. Anselmo Du hattest also ganz recht, wenn du urteiltest, daß ein Kunstwerk einzig durch seine Wahrheit schön sei, denn ich glaube nicht, daß du unter Wahrheit irgend etwas Schlechteres oder Geringeres verstanden habest als die der intellektualen Urbilder der Dinge. Außer dieser aber haben wir noch eine untergeordnete und trügerische Wahrheit, die den Namen von jener leiht, ohne ihr der Sache nach gleich zu sein, und die teils in einer verworrnen und undeutlichen, immer aber in einer bloß zeitlichen Erkenntnis besteht. Diese Art der Wahrheit, welche sich | auch mit dem Unvollkommnen und Zeitlichen an den ¦ Gestalten, dem, was ihnen von außen aufgedrungen ist, nicht lebendig aus ihrem Begriff sich entwickelt hat, verträgt, kann nur Der1 zur Regel und Norm der Schönheit machen, welcher nie die unsterbliche2 und heilige Schönheit erblickte. Aus der Nachahmung dieser Wahrheit entstehen diejenigen Werke, an welchen wir nur die Kunst bewundern, mit der sie das Natürliche erreichen, ohne es mit dem Göttlichen verbinden zu können. Von dieser Wahrheit aber kann nicht einmal gesagt wer1 2

Der] SW W: der nie die unsterbliche] NDR SW W: nie unsterbliche

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den, wie Lucian getan hat, daß sie der Schönheit untergeordnet sei, sondern vielmehr, daß sie gar nichts mit ihr gemein habe. Jene einzig hohe Wahrheit aber ist der Schönheit nicht zufällig, noch ist es diese jener, und wie die Wahrheit, die nicht Schönheit ist, auch nicht Wahrheit, so kann hinwiederum die Schönheit, welche nicht Wahrheit ist, auch nicht Schönheit sein, wofür wir an den uns umgebenden Werken, wie mir dünkt, offenbare Beispiele haben. Denn sehen wir nicht die meisten zwischen zwei Extremen schwanken, und den einen, welcher die bloße | Wahrheit hervorbringen will, statt dieser der rohen Natürlichkeit hingegeben, und indem er ganz auf jene geheftet ist, dagegen dasjenige versäumen, was durch keine Erfahrung gegeben werden kann, den andern, dem es ganz an Wahrheit gebricht, einen leeren und schwächlichen Schein von Form, den die Unwissenden als Schönheit bewundern, hervorbringen? Allein, o Freunde, nachdem wir die höchste Einheit der Schönheit und Wahrheit bewiesen haben, so scheint mir auch die der Philosophie mit der Poesie bewiesen; denn wonach strebt jene als eben nach jener ewigen Wahrheit, die mit der Schönheit, diese aber nach jener ungebornen und unsterblichen Schönheit, welche mit der Wahrheit eins und dasselbe ist? Gefällt es dir aber, o Teurer, daß wir dieses Verhältnis weiter auseinandersetzen, um so zu unserm Anfang zurückzugelangen? Alexander Allerdings wünsche ich dies. Anselmo Die höchste Schönheit und Wahrheit aller Dinge also wird angeschaut in einer und derselben Idee. | Alexander So haben wir ausgemacht. ¦ Anselmo Diese Idee aber ist die des Ewigen. Alexander Nicht anders. Anselmo Wie nun in jener Idee Wahrheit und Schönheit eins sind, so notwendig auch eins in den Werken, welche jener Idee gleichen. Alexander Notwendig. Anselmo Was aber hältst du für das Hervorbringende solcher Werke? Alexander Es ist schwer zu sagen.

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Anselmo Ein jedes Werk ist notwendig endlich? Alexander Natürlich. Anselmo Das Endliche aber, sagten wir, sei vollkommen

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dadurch, daß es dem Unendlichen verknüpft werde. Alexander Richtig. Anselmo Wodurch nun glaubst du, daß das Endliche dem Unendlichen verknüpft werden könne? Alexander Offenbar nur1 durch ein solches, in Ansehung dessen es zuvor mit ihm eins ist. | Anselmo Also nur durch das Ewige selbst. Alexander Es ist klar. Anselmo Demnach kann auch ein Werk, welches die höchste Schönheit darstellt, nur durch das Ewige hervorgebracht sein? Alexander Es scheint. Anselmo Aber durch das Ewige schlechthin betrachtet, oder durch das Ewige, sofern es sich unmittelbar bezieht auf das hervorbringende Individuum? Alexander Das letzte. Anselmo Aber wodurch glaubst du, daß sich jenes auf dieses beziehe? Alexander Ich sehe es nicht sogleich ein. Anselmo Sagten wir nicht, daß alle Dinge in Gott nur durch ihre ewigen Begriffe seien? Alexander Allerdings. ¦ Anselmo Das Ewige demnach bezieht sich auf alle Dinge durch ihre ewigen Begriffe, auf das hervorbringende Individuum also durch den ewigen Begriff des Individuums, der in Gott, und mit der Seele ebenso eins ist, wie die Seele mit dem Leibe. | Alexander Diesen ewigen Begriff des Individuums also werden wir als das Hervorbringende eines Werks ansehn, worin die höchste Schönheit dargestellt ist. Anselmo Unstreitig. Diese Schönheit aber, welche in dem Werk dargestellt wird, ist selbst wieder das Ewige? Alexander Ohne Zweifel. Anselmo Aber das Ewige schlechthin betrachtet? 1

nur] SW W: nun

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Alexander Es scheint nicht, denn es wird nur durch das Ewige

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hervorgebracht, sofern es der ewige Begriff eines Individuums ist, und sich auf dieses unmittelbar bezieht. Anselmo Das Ewige in dem Hervorgebrachten wird also auch nicht an sich dargestellt, sondern sofern es sich bezieht auf einzelne Dinge, oder der Begriff solcher Dinge ist. Alexander Notwendig. Anselmo Welcher Dinge aber, solcher, die mit dem ewigen Begriff des Individuums verbunden sind, oder solcher, die nicht? Alexander Notwendig solcher, die mit ihm verbunden sind. | Anselmo Wird nicht dieser Begriff notwendig eine desto herrlichere Vollkommenheit haben, je näher ihm in Gott der Begriff aller andern Dinge verknüpft ist? Alexander Unstreitig. Anselmo Sehn wir daher nicht, daß, je vollkommner jener Begriff und gleichsam organischer, desto geschickter auch der Hervorbringende, andre Dinge als sich selbst darzustellen, ja sich ganz von seiner Individualität zu entfernen, dagegen je unvollkommner jener und einzelner, desto ungeschickter dieser, in noch so wechselnden Formen etwas anders als sich selbst zu offenbaren? Alexander Dies alles ist klar genug. Anselmo Erhellet aber nicht auch hieraus offenbar, daß das ¦ Hervorbringende nicht die Schönheit an und für sich selbst, sondern nur die Schönheit an Dingen, also immer nur die konkrete Schönheit darstelle? Alexander Offenbar. Anselmo Gleicht aber das Hervorbringende nicht auch hierin dem, dessen Ausfluß es ist? Denn hat auch jener, Gott nämlich, irgendwo in der fühlbaren Welt die Schönheit, wie sie in ihm selbst ist, enthüllt, und | gibt er nicht vielmehr den Ideen der Dinge, die in ihm sind, ein eignes und unabhängiges Leben dadurch, daß er sie als die Seelen einzelner Leiber existieren läßt?1 Ja, hat nicht eben deswegen auch jedes Werk, dessen Hervorbringendes der ewige Begriff des Individuums ist, ein gedop1

läßt?] so SW W ED NDU NDR ZD: läßt.

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peltes Leben, ein unabhängiges in ihm selbst, und ein anderes in dem Hervorbringenden? Alexander Notwendig. Anselmo Ein Werk also, das nicht in ihm selbst lebt und unabhängig von dem Hervorbringenden für sich fortdauert, werden wir auch für kein Werk halten, dessen Seele ein ewiger Begriff ist. Alexander Unmöglich. Anselmo Haben wir aber nicht ferner festgesetzt, daß jedes Ding in seinem ewigen Begriff schön sei?1 Das Hervorbringende also eines Werks, wie wir es angenommen haben, und das Hervorgebrachte selbst sind eins, beide nämlich schön. Das Schöne also bringt das Schöne, das Göttliche das Göttliche hervor. Alexander Dies ist einleuchtend. Anselmo Da nun das Schöne und | Göttliche in dem hervorbringenden Individuum sich unmittelbar nur auf dieses Individuum bezieht, ist es denkbar, daß insofern in ihm zugleich die Idee des Schönen und Göttlichen an und für sich selbst sei, oder ist diese nicht vielmehr notwendig in einem andern, in demselben nämlich, aber nicht als unmittelbarem Begriff des Individuums, sondern schlechthin betrachtet? Alexander Notwendig das letzte. Anselmo Ist es daher nicht ferner begreiflich, daß diejenigen, ¦ welche geschickt sind, schöne Werke hervorzubringen, die Idee der Schönheit und Wahrheit an und für sich selbst oft am wenigsten besitzen, eben weil sie von ihr besessen werden? Alexander Es ist natürlich. Anselmo Insofern nun der Hervorbringende das Göttliche nicht erkennt, als solcher erscheint er notwendig mehr wie ein Profaner als wie ein Eingeweihter. Obgleich er es aber nicht erkennt, übt er es doch von Natur aus, und offenbart, ohne es zu wissen, denen, die es verstehen, die verborgensten aller Geheimnisse, die Einheit des göttlichen und natürlichen Wesens und | das Innre jener allerseligsten Natur, in welcher kein Gegensatz ist; 1

sei?] so SW W ED NDU NDR ZD: sei.

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daher die Dichter schon im höchsten Altertum als die Ausleger der Götter und von ihnen getriebene und begeisterte Menschen verehrt worden sind. Was dünkt dir aber, werden wir nicht jede Erkenntnis, welche die Ideen nur an den Dingen, nicht an sich selbst zeigt, exoterisch, dagegen die, welche die Urbilder der Dinge an und für sich selbst, mit Recht eine esoterische nennen? Alexander Mit größtem Rechte, dünkt mir. Anselmo Der Hervorbringende aber wird nie die Schönheit an und für sich selbst, aber wohl schöne Dinge darstellen. Alexander So sagten wir. Anselmo Auch nicht an der Idee der Schönheit selbst, sondern nur an dem Vermögen, ihr so viel möglich ähnliche Dinge hervorzubringen, wird seine Kunst erkannt. Alexander Unstreitig. Anselmo Seine Kunst ist also notwendig exoterisch. Alexander Es versteht sich. Anselmo Der Philosoph aber bestrebt | sich, nicht das einzelne Wahre und Schöne, sondern die Wahrheit und Schönheit an und für sich selbst zu erkennen. Alexander So ist es. Anselmo Er übt also denselben Gottesdienst innerlich aus, den der Hervorbringende äußerlich übt, ohne es zu wissen. Alexander Offenbar. ¦ Anselmo Das Prinzip aber des Philosophierenden ist nicht der ewige Begriff, sofern er sich unmittelbar auf das Individuum bezieht, sondern derselbe schlechthin und an sich betrachtet. Alexander So werden wir schließen müssen. Anselmo Und die Philosophie ist notwendig ihrer Natur nach esoterisch, und braucht nicht geheim gehalten zu werden, sondern ist es vielmehr durch sich selbst. Alexander Dies ist klar. Anselmo Müssen wir aber nicht eben dieses als wesentlich ansehn zu dem Begriff der Mysterien, daß sie es nämlich mehr durch sich selbst als durch äußere Veranstaltungen seien? Alexander Hiervon scheinen uns selbst | die Alten schon das Beispiel gegeben zu haben.

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Anselmo Ganz gewiß, denn obgleich die ganze Hellas zu den

Mysterien gelangen konnte, und die Teilnahme an denselben für eine allgemeine Glückseligkeit gehalten wurde, so daß Sophokles eine seiner Personen so redend einführteB: O der Sterblichen Glücksel’ge die, so diese Weihung schauend erst Zum Hades wandeln! Denn ihr Teil ist’s, dort allein Noch leben, doch den Andern Unheil alles dort, und Aristophanes dem Chor seliger Abgeschiednen in den Fröschen die Worte in den Mund legt: Denn uns allein ist Sonne hier Und frohes Licht, so viele, Teilhaftig der Weihung einst, Nach heiliger Sitte Recht Mit Fremdlingen immer, und Mitbürgern gelebet,

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so hörten sie doch nicht auf, Geheimnisse zu sein, und als solche geehrt und streng beobachtet zu werden, woraus wir schließen müssen, daß in ihrer Natur etwas gewesen, welches, obgleich einer großen Menge mitgeteilt, doch nicht entweiht werden konnte. | ¦ Der Zweck aber aller Mysterien ist kein andrer, als den Menschen von allem dem, wovon sie sonst nur die Abbilder zu sehen gewohnt sind, die Urbilder zu zeigen, was gestern zuletzt Polyhymnio, welcher gegenwärtig war, mit vielen Gründen auseinandersetzte. Denn auf dem Rückwege zur Stadt, da wir von dem Inhalt der Mysterien uns besprachen, sagte er, daß wir vergebens entweder heiligere Lehren oder bedeutendere Symbole und Zeichen zu erfinden strebten, als in den alten gelehrt und vorgestellt worden seien. Und was die ersteren betrifft, sagte er, so haben in den Mysterien die Menschen zuerst gelernt, daß außer den Dingen, welche unaufhörlich verändert werden und vielgestaltig sich verwandeln, etwas Unwandelbares, Eingestaltiges und Unteilbares sei, und daß dasjenige, was dem Göttlichen und Unsterblichen am ähnlichsten, die Seele, das aber, was dem

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Vielgestaltigen, Teilbaren und immer Veränderlichen am meisten gleicht, der Körper sei. Die einzelnen Dinge nun hätten sich durch das, was an ihnen unterscheidbar und besonder wäre, von dem an und für sich selbst Glei | chen abgesondert, obwohl sie an dem, wodurch sie sich selbst gleich und individuell sind, einen Abdruck und gleichsam das Gepräge jenes schlechthin Unteilbaren mit in die Zeitlichkeit genommen. Da wir nun diese Ähnlichkeit der konkreten Dinge mit dem an sich selbst Gleichen bemerken, und wahrnehmen, daß sie sich zwar bestreben, jenem in der Einheit ähnlich zu sein, aber diese Ähnlichkeit nicht ganz erreichen, so müssen wir das Urbild des an und für sich selbst Gleichen, schlechthin Unteilbaren, auf eine unzeitliche Weise, gleichsam vor der Geburt, erkannt haben, welches sie durch einen dem jetzigen vorhergegangenen Zustand der Seele ausdrückten, worin sie der unmittelbaren Anschauung der Ideen und Urbilder der Dinge teilhaftig gewesen, und aus dem sie erst durch die Vereinigung mit dem Leibe und den Übergang in das zeitliche Dasein gerissen worden wäre. Die Mysterien seien deshalb vorgestellt worden als eine Anstalt, die, welche daran teilnehmen, durch Reinigung der Seele zur Wiedererinnerung an die vormals angeschauten Ideen des an sich Wahren, Schönen und Guten, und dadurch | zur höchsten Seligkeit zu bringen. Da nun in der ¦ Erkenntnis des Ewigen und Unveränderlichen die erhabene Philosophie bestehe, so sei die Lehre der Mysterien nichts anders als die erhabenste, heiligste und vortrefflichste, aus dem äußersten Altertum überlieferte Philosophie gewesen, so daß sich die Mysterien zu der Mythologie wirklich ebenso verhalten, wie wir glauben, daß sich die Philosophie zu der Poesie verhalte, und wir demnach mit gutem Grund beschlossen haben, daß die Mythologie zwar den Dichtern, die Einrichtung der Mysterien aber den Philosophen überlassen werden sollte. Allein nachdem wir die Rede bis zu diesem Punkt zurückgebracht, so möget ihr nun ferner urteilen, ob und auf welche Art ihr von demselben aus sie weiter führen wollet. Lucian Eine zu schöne Laufbahn des Gesprächs öffnet sich, als daß ihr stille stehen könntet. Alexander Auch mir erscheint es so.

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Anselmo So hört meinen Vorschlag. Es dünkt mir also, daß wir 36

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ferner über die Einrichtung der Mysterien und die Beschaffenheit der Mythologie reden, und zwar | schien mir das Schicklichste, daß, welcher bisher als Gast unsern Gesprächen gegenwärtig war, Bruno, davon rede, von welcher Art der Philosophie er glaube, daß sie in den Mysterien gelehrt werden müsse, und daß sie denjenigen Antrieb eines seligen und göttlichen Lebens enthalte, der von einer heiligen Lehre mit Recht gefodert werden kann; darauf aber Polyhymnio den Faden da aufnehme, wo ihn jener verlassen, und die Sinnbilder und Handlungen beschreibe, durch welche eine solche dargestellt werden könne; endlich, wie es kommt, einer von uns oder wir alle zusammen die Rede von der Mythologie und Poesie vollführen. Bruno Undankbar würde ich erscheinen, wenn ich, so oft und so reichlich bewirtet von euch, nicht hinwiederum, so gut ich vermag, euch von dem Meinigen mitteilen sollte. So wende ich mich also, indem ich nicht versagen will, was Pflicht gebietet, zuerst, nicht an die Gewalthaber irdischer Mysterien, sondern an die Vorsteher der ewigen Geheimnisse, die durch das Licht der Gestirne, den Umlauf der Sphären, den Tod und | die Wiederbelebung ¦ der Geschlechter auf der Erde gefeiert werden, und flehe jene an, erstens, daß sie mich gelangen lassen zu der Anschauung des Unverletzlichen, Einfachen, Gesunden und Seligen, hierauf, daß sie mich von den Übeln frei sein lassen, unter welchen mehr oder weniger im Leben wie in der Kunst, und im Handeln wie im Denken, die mehresten gleicherweise leiden, indem sie dem unerbittlichen Schicksal sich zu entziehen trachten, welches verordnet hat, daß die Welt nicht bloß aus Leben, sondern auch aus Tod, und hinwiederum nicht allein aus Leib, sondern auch aus Seele bestünde, und dem völlig gleichen Geschick das Universum wie der Mensch unterworfen wäre, aus Unsterblichem und Sterblichem, und weder bloß aus Endlichem noch aus Unendlichem gemischt zu sein. Dann aber rede ich euch an, bittend, daß ihr mir verzeihet, wenn ich euch nicht sowohl sage, welche Philosophie ich für die beste halte, in Mysterien gelehrt zu werden, als vielmehr von

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welcher ich wisse, daß sie die wahre sei;1 und auch diese nicht selbst, sondern nur den Grund und Boden darstelle, | auf welchem sie erbaut und aufgeführt werden müsse. Dann auch, daß ihr mir vergönnet, nicht für mich selbst in stetiger Rede, sondern, wie ihr wohl sonst pflegt, fragend oder auch antwortend, wie es sich trifft, die Gedanken meines Gemüts zu entwickeln, und mir besonders erlaubt, daß ich vorzüglich einen unter euch auswähle, der entweder von mir gefragt antworte, oder mich selbst fragend die Antwort empfange. Seid ihr aber, und ist dieser es zufrieden, so bitte ich unsern Lucian, daß er vorzüglich die Rede mit mir teile, auf welche Weise es ihm gefällt. Zum Grunde aber des Gesprächs zu legen, was sollte ich oder wir andern Vortrefflicheres, und worüber wir alle einiger sein könnten, erfinden, Anselmo, als wozu du uns geführet, die Idee dessen, worin alle Gegensätze nicht sowohl vereinigt als vielmehr eins, und nicht sowohl aufgehoben als vielmehr gar nicht getrennt sind?2 Vorerst also preise ich jenes als Erstes3, was allem vorangeht, darum weil abgesehn von ihm nur die zwei Fälle möglich sind: entweder die Einheit, welche den Gegensatz sich entgegenstehend hat, als ¦ Erstes zu setzen, | alsdann aber wird sie selbst mit einem Gegensatz gesetzt; oder die Gegensätze, alsdann aber werden diese ohne die Einheit gedacht, welches unmöglich ist, denn alles, was sich entgegengesetzt, ist es wahrhaft und auf reelle Weise nur dadurch, daß es in Einem und demselben gesetzt sein soll. Lucian Hüte dich, o Bester, (denn ich will deiner Aufforderung Folge leisten, und dich frühzeitig erinnern) dich nicht gleich anfangs in Widersprüche zu verwickeln. Denn der Einheit steht der Gegensatz notwendig entgegen, da sie also ohne den Gegensatz so wenig denkbar ist, als dieser ohne sie, so muß es auch unmöglich sein, die Einheit zu setzen, ohne sie mit einem Gegensatz zu setzen. 1 2 3

sei;] SW W: sei, sind?] so SW W ED NDU NDR ZD: sind. Erstes] so SW W ED NDU NDR ZD: erstes

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Bruno Nur Eines1, o Vortrefflicher, scheinst du übersehn zu

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haben: nämlich daß, da wir die Einheit aller Gegensätze zum Ersten machen, die Einheit selbst aber zusamt dem, was du den Gegensatz nennest, selbst wieder und zwar den höchsten Gegensatz bildet, wir, um jene Einheit zur höchsten zu machen, auch diesen Gegensatz, zusamt der Einheit, die ihm gegenübersteht, darin be | griffen denken, und jene Einheit als dasjenige bestimmen, worin die Einheit und der Gegensatz, das sich selbst Gleiche mit dem Ungleichen Eins ist. Lucian Sehr gut zwar scheinst du dich aus dieser Schlinge zu ziehen, indem du eine Einheit setzest, welche die Einheit und den Gegensatz selbst wieder verknüpfet. Wie magst du aber den Gegensatz in Ansehung dieser zugeben, ohne eben deswegen ihn auch in Ansehung jener zu setzen? Auf keine Weise also scheinst du zu einer reinen Einheit und einer solchen zu gelangen, die nicht durch Differenz getrübt wäre. Bruno Es scheint zwar, o Freund, daß du sowohl von der Einheit, welche der Differenz entgegen, als der höheren, worin jene selbst mit dieser Eins2 ist, sagst, daß sie getrübt sei, allein von welcher der beiden du dies meinst, so denke ich dich vom Gegenteil zu überführen. Denn wenn du sagst, daß in Ansehung jener höheren die Einheit und die Differenz sich entgegenstehen, jene also selbst mit einem Gegensatz behaftet seie, so leugne ich dir jenes, nämlich daß sie in Ansehung ihrer entgegengesetzt seien. Du | kannst also das Getrübtsein ¦ durch Differenz nur von derjenigen Einheit aussagen wollen, welche der Differenz und insofern sie ihr entgegengesetzt, nicht aber von derjenigen, die über ihr und in Ansehung welcher dieser Gegensatz selbst nicht da ist. Oder ist es nicht so? Lucian Ich will es indes zugeben. Bruno Du sagst also, daß die Einheit getrübt werde, insofern sie der Differenz entgegengesetzt ist? Lucian Allerdings.

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Eines] ZD: eines Eins] SW W: eins

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Bruno Aber wie entgegengesetzt: schlechthin oder nur bezie-

hungsweise? Lucian Was nennest du schlechthin und was nennest du beziehungsweise entgegengesetzt? Bruno Beziehungsweise entgegengesetzt nenne ich, was in irgend einem Dritten aufhören kann, entgegengesetzt zu sein, und Eins1 werden. Absolut aber, wovon dies nicht gedacht werden kann. Denke dir zwei Körper von entgegengesetzter Natur, die sich mischen können und dadurch einen dritten hervorbringen, so hast du ein Beispiel des ersten. Denke dir den Gegenstand und das | vom Spiegel zurückgeworfene Bild des Gegenstandes, so hast du ein Beispiel des andern. Denn kannst du dir ein Drittes denken, worin das Bild je in den Gegenstand, der Gegenstand in das Bild übergehn könnte, und sind sie nicht eben dadurch, daß das eine Gegenstand, das andre Bild ist, notwendig ewig und schlechthin getrennt? Lucian Freilich. Bruno Von welcher Art wirst du also den Gegensatz zwischen der Einheit und der Differenz setzen müssen? Lucian Notwendig von der letzten, nach deiner Meinung, da du sie nur in einem Höheren Eins2 sein lässest. Bruno Vortrefflich, aber diese Einheit hast du ja als aufgehoben gesetzt. Denn war es nicht so, daß du die Einheit nur getrübt werden ließest, sofern sie der Differenz entgegengesetzt war? Lucian So war es. Bruno Entgegengesetzt aber ist sie ihr nur, wenn die höhere ¦ Einheit als aufgehoben gedacht wird; du also konntest beide auch nur beziehungsweise entgegengesetzt denken. | Lucian Allerdings. Bruno Sofern sie bloß beziehungsweise entgegengesetzt sind, werden sie auch bloß beziehungsweise Eins3 sein können, und sich wechselseitig begrenzen und einschränken, wie die zwei Körper, die wir oben angenommen haben. 1 2 3

Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins

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Lucian Notwendig. Bruno Und nur sofern sie sich begrenzen und wechselseitig

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einschränken, wird die Einheit getrübt, worunter du doch wohl verstehst, daß sie der Differenz teilhaftig werde. Lucian Ganz richtig. Bruno Du setzest also, indem du die Einheit als getrübt setzest, notwendig ein Verhältnis der Ursache und Wirkung zwischen beiden, wie die, welche, philosophierend wie es kommt, hier die Einheit, dort die Mannigfaltigkeit setzen, und jene auf diese, diese auf jene einwirken, beide aber sich wechselseitig aneinander schmiegen lassen. Lucian Die Götter bewahren mich, daß ich dies im Ernste annehmen sollte. Bruno Du kannst also auch nicht im Ernst annehmen, daß wir die Einheit, wel | che wir dem Gegensatz entgegenstellen, notwendig als getrübt setzen. Lucian Freilich nicht. – Wie ist es aber, folgt nicht aus deiner Meinung, daß eben nur das, was sich absolut entgegengesetzt, auch absolut Eins1 sein könne, und umgekehrt? Bruno Freilich folgt es. Denke dir nur, was du bereits gedacht hast, und sage mir, ob du eine vollkommnere Einheit denken kannst, als zwischen dem Gegenstande und seinem Bilde, obgleich es schlechterdings unmöglich ist, daß beide je zusammenkommen in einem Dritten. Notwendig daher setzest du sie als vereinigt durch ein Höheres, worin das, wodurch das Bild Bild2, der Gegenstand Gegenstand3 ist, das Licht nämlich und der Körper, selbst wieder Eines4 sind. Setze nun ein solches Verhängnis und diese Ordnung der Welt, daß allgemein, wenn der ¦ Gegenstand ist, auch das Bild, und wenn das Bild, auch jener ist, so werden eben deswegen und aus diesem Grunde notwendig und überall beide beisammen5 sein, weil sie nirgends beisammen 1 2 3 4 5

Eins] SW W: eins Bild Bild] NDR: Bild Gegenstand Gegenstand] NDR: Gegenstand Eines] SW W: eines beisammen] ZD: zusammen

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sind. Denn was sich absolut und unendlich entgegen ist, kann | auch nur unendlich vereinigt sein. Was aber unendlich vereinigt ist, kann in nichts und niemals sich trennen; was also niemals und in nichts getrennt und schlechthin zusammengefügt ist, ist eben darum sich schlechthin entgegengesetzt. Von dem also, worin die Einheit und der Gegensatz selbst Eines1 sind, mußt du jene trennen und für sich, die Differenz aber ihr relativ entgegensetzen, um sie von dieser getrübt werden zu lassen; jenes aber ist dir unmöglich, denn sie ist nichts außer jener absoluten, und überhaupt nur an ihr, und alles, was von ihr ausgesagt wird, kann von ihr nur in Ansehung jener absoluten ausgesagt werden. In Ansehung dieser aber kann sie nicht getrübt gedacht werden durch Differenz, denn in Ansehung jener ist sie dieser überhaupt nicht entgegen. Es ist hier also nichts denn Durchsichtigkeit; denn daß in Ansehung der absoluten Einheit, welche, indem sie das Endliche auch das Unendliche, nicht vereinigt, sondern ungetrennt begreift, weder Finsternis sei noch Mischung, siehest du selbst ein, und hast es bereits zugestanden. Lucian Bist du aber gewiß, mit dem, was du Einheit der Einheit und des Gegen | satzes nennest, alle Gegensätze aufgehoben zu haben, und wie verhalten sich zu diesem die andern Gegensätze, welche ihr in der Philosophie zu machen pfleget? Bruno Wie sollte ich nicht des ersten gewiß sein, da eins von beiden notwendig ist: entweder daß die Gegensätze, welche sonst gemacht werden, unter das, was wir den Gegensatz nennen, oder unter das, was die Einheit und den Gegensatz, fallen müssen. Jedoch da du zu zweifeln scheinst, und damit ich dir zugleich auf das andre antworte, nenne uns denjenigen Gegensatz, welchen du für den höchsten hältst. Lucian Ich halte dafür, daß es keinen höheren geben könne, als den wir durch ideal und real ausdrücken, so wie mir dagegen die höchste Einheit in die Einheit des Ideal- und Realgrundes gesetzt werden zu müssen scheint. ¦ Bruno Wir werden damit noch nicht zufrieden sein können, 1

Eines] SW W: eines

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sondern dich noch bitten müssen, uns zu sagen, was du dir unter der Einheit dieses Ideal- und Realgrundes vorstellest. Lucian Die Einheit des Denkens und des Anschauens. | Bruno Ich werde dir über diese Bestimmung keinen Streit erregen, o Freund, und weder dich fragen, ob du jene Einheit nicht etwa selbst wieder als ideal oder real bestimmest (denn wie sollte das einem von beiden entgegengesetzt sein, was über beiden ist?1), noch jetzt untersuchen, ob nicht das, was du Anschauung genannt hast, selbst schon eine Einheit des Ideellen und Reellen sei. Denn dieses wollen wir jetzt alles dahingestellt sein lassen, und nur weiter erforschen, was du dir unter jener Einheit des Anschauens und Denkens selbst denkest. Denn indes scheinest du mir dadurch ganz dasselbe auszudrücken, was wir die Einheit des Gegensatzes und der Einheit, des Endlichen und Unendlichen genannt haben. Sage mir demnach, o Vortrefflicher, ob du die Anschauung nicht für völlig bestimmt in jedem einzelnen Falle hältst, und ob du nicht von der in jeder Rücksicht bestimmten Anschauung die Einheit mit dem Denken behauptet hast? Denn nur auf diese Weise kann ich mir sowohl einen Gegensatz als eine Einheit beider denken. Lucian So ist es auch wirklich. | Bruno Notwendig aber denkst du die Anschauung als bestimmt durch irgend etwas. Lucian Allerdings, und zwar durch eine andre Anschauung, diese wieder durch eine andre, und so fort ins Unendliche. Bruno Wie kannst du aber eine Anschauung als bestimmt setzen durch eine andre, wenn du nicht diese von jener und jene von dieser unterscheidbar setzest, also ohne durch die ganze Sphäre der Anschauung Differenz zu setzen, so daß jede eine besondre, keine der andern völlig gleich ist? Lucian Unmöglich anders, als wie du sagst. Bruno Denke dir dagegen einen Begriff, den der Pflanze, oder einer Figur, oder was du sonst willst, und sage mir, ob sich ¦ dieser Begriff ebenso verändert und bestimmt, wie sich deine Anschauungen verändern und bestimmen, wenn du mehrere 1

ist?] so SW W ED NDU NDR ZD: ist

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Pflanzen oder mehrere Figuren nacheinander betrachtest, oder ob nicht vielmehr dieser Begriff unveränderlich derselbe bleibt, und allen, noch so verschiedenen Pflanzen oder Figuren, auf eine völlig gleiche Weise angemessen, oder gegen alle indifferent ist? | Lucian Das letzte. Bruno Du hast also die Anschauungen als das, was notwendig der Differenz unterworfen, den Begriff aber als das, was indifferent, bestimmt. Lucian So ist es. Bruno Du hast dir ferner die Anschauung gedacht unter der Eigenschaft des Besondern, den Begriff aber unter der des Allgemeinen. Lucian Es ist klar, daß dies so sei. Bruno Welch’ eine hohe und vortreffliche Idee also hast du mit jener Einheit des Anschauens und des Denkens ausgesprochen.1 Denn was kann wohl Herrlicheres und Vortrefflicheres gedacht werden, als die Natur desjenigen, in welchem durch das Allgemeine auch das Besondere, durch den Begriff auch die Gegenstände gesetzt und bestimmt werden, so, daß in ihm selbst beides ungetrennt ist, und wie sehr hast du dich mit dieser Idee über die endliche Erkenntnis erschwungen, in welcher dies alles getrennt ist, und wie viel mehr noch über die vermeinte Erkenntnis eingebildeter Philosophen, welche erst die Einheit und dann die | Mannigfaltigkeit, beide aber einander schlechthin entgegensetzen. Laß uns daher fest an jener Idee halten, und ohne etwas anders einzumischen, oder etwas von der ersten Strenge nachzulassen, mit der wir sie gedacht haben, zwischen Denken und Anschauen eine solche Einheit setzen, daß, was in dem einen, notwendig auch in dem andern ausgedrückt, und beide nicht bloß in einem Dritten, sondern an sich und vor der Trennung Eins2, und nicht sowohl zugleich, als vielmehr auf völlig gleiche Weise die Eigenschaften alles anderen seien3, was 1 2 3

ausgesprochen.] SW W: ausgesprochen! Eins] SW W: eins seien] so SW W ED NDU NDR ZD: sein

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aus der Vortrefflichkeit jener Natur hervorgeht, die an sich nicht das eine1 oder das andre, auch nicht beides zugleich, sondern die Einheit ¦ davon ist. Siehest du aber nicht, daß in dem, was wir die Einheit des Anschauens und Denkens nennen, auch die des Endlichen und Unendlichen enthalten sei, und umgekehrt, daß wir also unter verschiednen Ausdrücken ein und eben dasselbe Prinzip zum höchsten gemacht haben?2 Lucian Ich glaube es ganz bestimmt zu sehn. Denn da jeder Begriff an sich eine Unendlichkeit mit sich führt, indem er einer | unendlichen Reihe von Dingen ebenso wie dem einzelnen angemessen ist, dagegen das Besondre, welches Gegenstand der Anschauung, notwendig auch ein Einzelnes und Endliches ist, so setzen wir mit der Einheit des Begriffs und der Anschauung notwendig auch die des Endlichen und Unendlichen. Jedoch da mir dieser Gegenstand der Betrachtung vorzüglich würdig scheint, so bitte ich dich, diese Untersuchung weiter zu verfolgen, und besonders die Art und Weise zu betrachten, auf welche in demselben Reelles und Ideelles, Endliches und Unendliches vereinigt sind. Bruno Mit Recht sagst du, daß jener Gegenstand der Betrachtung überhaupt vorzüglich würdig, ja du würdest viel richtiger sagen, daß er der einzige der philosophischen Betrachtung würdige ist, und auch allein sie beschäftigt;3 denn ist es nicht offenbar, daß die Neigung, das Unendliche in dem Endlichen und hinwiederum dieses in jenem zu setzen, in allen philosophischen Reden und Untersuchungen herrschend ist? Diese Form zu denken ist ewig wie das Wesen dessen, was sich in ihr ausdrückt, und hat | weder jetzt angefangen, noch wird sie jemals aufhören, sie ist, wie Sokrates bei Plato sagtC, die unsterbliche, nie alternde Eigenschaft jeder Untersuchung. Der Jüngling, der sie zuerst geschmeckt hat, erfreut sich, als ob er einen Schatz der Weisheit gefunden hätte, und von seiner Freude begeistert, greift er mit Lust jede Untersuchung an, jetzt alles, was ihm vorkommt, in 1

eine] so ZD SW W ED NDU NDR: Eine haben?] so SW W ED NDU NDR ZD: haben. 3 beschäftigt;] so SW W ED ND ND ZD: beschäftigt, U R 2

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die Einheit des Begriffs zusammenfassend, jetzt alles wieder auflösend und zerteilend in vieles. Diese Form ist eine Gabe der Götter an die Menschen, die zugleich mit dem reinsten Feuer des Himmels Prometheus auf die Erde brachte. Bei dieser Einrichtung der Dinge, da aus dem Unendlichen und dem Endlichen alles ist, was für ewig geachtet wird, alles aber, ¦ was wir wahrhaft unterscheiden, das eine oder das andre von beiden sein muß, ist notwendig, daß von allem Eine Idee, hinwiederum also alles in Einer1 Idee sei. Denn die Idee unterscheidet sich von dem Begriff, dem nur ein Teil ihres Wesens zukommt, dadurch, daß dieser2 bloße Unendlichkeit ist und eben deswegen unmittelbar auch der Vielheit entgegengesetzt, jene dage | gen, indem sie Vielheit und Einheit, Endliches und Unendliches vereinigt, auch gegen beide völlig gleich sich verhält. Da wir nun schon früher gelehrt worden sind, daß sich die Philosophie nur mit den ewigen Begriffen der Dinge zu beschäftigen habe, so wird die Idee3 aller Ideen der einzige Gegenstand aller Philosophie sein, diese aber ist keine andre als welche die Ungetrenntheit des Verschiedenen vom Einen, des Anschauens vom Denken ausgedrückt enthält. Die Natur dieser Einheit ist die der Schönheit und der Wahrheit selbst. Denn schön ist, worin das Allgemeine und das Besondre, die Gattung und das Individuum absolut Eins4 sind, wie in den Gestalten der Götter. Dasselbe ist aber auch allein wahr, und da wir diese Idee als das höchste Maß der Wahrheit betrachten, so werden wir auch für absolut wahr halten, nur5 was in Ansehung dieser Idee wahr ist, für bloß relative und trügerische Wahrheiten aber, welchen in Ansehung dieser Idee keine Wahrheit zukommt. Um so mehr also werden wir unsere Untersuchung auf die Art der Vereinigung des Endlichen mit dem Unendlichen in jenem Höchsten zu | richten haben. Vorerst also müssen wir uns erinnern, daß wir eine absolute 1 2 3 4 5

Einer] ZD: einer dieser] so SW W ED NDU NDR ZD: jener Idee] NDU: Idee Eins] SW W: eins halten, nur] SW W: halten nur,

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Ungetrenntheit beider gesetzt haben, so daß das Wesen zwar des Absoluten weder das eine noch das andre von beiden, eben deswegen aber absolut1 ist, alles aber, was ist, in Ansehung jenes Absoluten, indem es ideal unmittelbar auch real, und indem real unmittelbar auch ideal ist. Offenbar aber ist, daß dies in unserm Erkennen nicht der Fall sei, da vielmehr in demselben, das was ideal ist, der Begriff, als bloße Möglichkeit, das aber2 was real, oder das Ding, als Wirklichkeit erscheint;3 und geht dies nicht durch alle möglichen Begriffe hindurch, durch die wir jenen Gegensatz von ideal und real ausdrücken?4 Werden wir z. B. nicht sagen müssen, daß in demselben, worin das Ideelle ¦ von dem Reellen und dieses von jenem ungetrennt ist, auch die Vielheit mit der Einheit, die Grenze mit dem Unbegrenzten, und umgekehrt diese mit jenen, Eins5 und auf absolute Weise verknüpft seien6? Lucian So ist es wirklich. Bruno Ist nun aber nicht offenbar, daß die Einheit für das endliche Erkennen | die bloße unendliche Möglichkeit, die Vielheit dagegen die Wirklichkeit der Dinge enthält, und ferner, daß wir in der grenzenlosen Realität nur die unendliche Möglichkeit aller Wirklichkeit, in der Grenze dagegen die Wirklichkeit derselben erblicken, daß also die Negation hier zur Position, die Position dagegen zur Negation wird. Ebenso, daß, was für das Wesentliche in allen Dingen gehalten wird, die Substanz, für jenes Erkennen die bloße Möglichkeit eines Seins enthält, dasjenige dagegen, was das bloß Zufällige ist und das Akzidens genannt wird, die Wirklichkeit, daß also mit Einem7 Wort im endlichen Verstande, verglichen mit der höchsten ¦ Idee und der Art aller Dinge in dieser zu sein, alles umgekehrt und wie auf 1 2 3 4 5 6 7

aber absolut] NDR SW W: absolut demselben, das … aber] SW W: demselben, das, … aber, erscheint;] so SW W ED NDU NDR ZD: erscheint, ausdrücken?] so NDU ZD SW W ED NDR: ausdrücken. Eins] SW W: eins seien] so SW W ED NDU NDR ZD: sein Einem] so SW W ED NDU NDR ZD: einem

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den Kopf gestellt erscheint, ungefähr so wie Dinge, die man in einer Wasserfläche abgespiegelt sieht. Lucian Dies alles, was du sagst, ist schwer in Zweifel zu ziehn. Bruno Werden wir daher nicht weiter mit Grund schließen, daß, weil mit dem Gegensatz von Idealem und Realem, auch der der Möglichkeit und Wirklichkeit durch alle unsre Begriffe gesetzt ist, auch alle Be | griffe, die auf diesem Gegensatz beruhen, oder aus ihm hervorgehen, nicht minder als jener falsch, und in Ansehung der höchsten Idee ohne alle Bedeutung seien1? Lucian Es ist notwendig, diesen Schluß zu machen. Bruno Können wir es als eine Vollkommenheit, oder müssen wir es als eine Unvollkommenheit unserer Natur betrachten, daß wir uns etwas denken können, was nicht ist, daß wir also überhaupt einen Begriff des Nichtseins neben dem des Seins haben, oder urteilen können, sowohl, daß etwas nicht sei, als daß es sei?2 Lucian Unmöglich können wir dies, verglichen mit der höchsten Idee, für eine Vollkommenheit halten. Denn der Begriff des Nichtseins setzt ein Denken voraus, das nicht in der Anschauung ausgedrückt ist, welches im Absoluten unmöglich ist, weil in Ansehung seiner, was in dem einen, unmittelbar auch in dem andern ausgedrückt sein muß. Bruno Wir werden also in Bezug auf die höchste Idee einen Unterschied des Seins und des Nichtseins so wenig als den Begriff der Unmöglichkeit denken können. | Lucian Auch diesen nicht, weil er einen Widerspruch zwischen dem Begriff und der Anschauung setzt, welcher in Ansehung des Absoluten ebenso undenkbar ist. Bruno Wie aber, haben wir nicht festgesetzt, daß das Ideelle schon als Ideelles unbegrenzbar, also auch jeder Begriff an sich unendlich sei; und wie denkst du diese Unendlichkeit,3 als ein solche, die sich in der Zeit erzeugt und also ihrer Natur nach nie

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seien] so SW W ED NDU NDR ZD: sein sei?] so SW W ED NDU NDR ZD: sei. Unendlichkeit,] SW W: Unendlichkeit?

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vollendet sein kann, oder als eine schlechthin gegenwärtige, in sich vollendete Unendlichkeit? Lucian Das letzte, wenn der Begriff seiner Natur nach unendlich ist. Bruno Ist es daher nicht begreiflich, daß die Unerfahrnen sich darüber, als ob sie den höchsten Fund getan hätten, freuen, wenn sie gewahr werden, daß sie um ihres Begriffs vom Dreieck: es sei ein durch drei Linien eingeschlossner Raum, als eines unendlichen inne zu werden, der Anschauung aller Dreiecke, die je gewesen sind, oder sein werden, oder auch nur der Anschauung aller verschiedenen Arten von Dreiecken, des gleichseitigen und ungleichseitigen, des gleichschenk | ligen und ungleichschenkligen usw., nicht bedürfen, und dessen ungeachtet gewiß sein können, daß jener alle möglichen Dreiecke, die waren, jetzt sind oder künftig sein werden, ohne Unterschied der Arten, in sich befasse, und allen auf gleiche Weise angemessen sei. In dem Begriffe aber, an und für sich, ist, wie wir wissen, zwar die unendliche Möglichkeit aller der Dinge enthalten, die ihm in der unendlichen Zeit entsprechen, aber doch nur als Möglichkeit, so daß er, obgleich ihm eine von der Zeit völlig unabhängige Natur zukommt, deswegen doch nicht für absolut gehalten werden kann. ¦ Lucian So verhält es sich wirklich. Bruno Das Absolute nun haben wir bestimmt als, dem Wesen nach, weder ideal noch real, weder als Denken, noch als Sein. In der Beziehung aber auf die Dinge ist es notwendig das eine und andre mit gleicher Unendlichkeit, denn in Ansehung seiner, sagten wir, sei alles, was ist, indem es real ist, auch ideal, und indem ideal, auch real. Lucian Ganz richtig. Bruno Die unendliche Idealität nun | werden wir als ein unendliches Denken bestimmen können, diesem aber das entgegensetzen, was du Anschauen genannt hast. Lucian Hiemit bin ich ganz einverstanden. Bruno Werden wir nun in dem unendlichen Denken nicht die Begriffe aller Dinge, und da jeder Begriff seiner Natur nach unendlich ist, diese Begriffe, als schlechthin und ohne alle

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Beziehung auf Zeit, unendlich setzen müssen? Lucian Wir müssen wohl. Bruno Das unendliche Denken also, im Gegensatz gegen das Anschauen, werden wir als die sich immer gleiche, ohne alle Beziehung auf Zeit unendliche Möglichkeit aller Dinge betrachten. Lucian Notwendig. Bruno Da aber im Absoluten das Denken mit dem Anschauen schlechthin Eins1, so werden auch die Dinge nicht bloß durch ihre Begriffe als unendlich, sondern durch ihre Ideen als ewig, mithin ohne alle Beziehung, selbst die der Entgegensetzung, auf Zeit, und mit absoluter Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit, in ihm, als der höch | sten Einheit des Denkens und Anschauens, ausgedrückt sein. Denn da du dem Anschauen zu dem Denken dasselbe Verhältnis gibst, welches andre dem Sein oder der Realität geben, so liegt, das Anschauen als das unendliche Reale betrachtet, in ihm für das unendliche Denken die Möglichkeit aller Dinge, nur daß, wegen der absoluten Einheit beider, unmittelbar mit jener auch die ihr gleiche Wirklichkeit gesetzt, und also, da die Begriffe unendlich sind, zwischen den Begriff aber und die Anschauung nichts tritt, was sie trennte, außer den Begriffen ¦ auch die Anschauungen der Dinge, diese aber, jenen völlig angemessen, mithin unendlich ausgedrückt sein müssen in den Ideen. Lucian Haben wir aber nicht früher selbst festgesetzt, daß eine jede Anschauung bestimmt sei durch eine andre Anschauung, welche wieder durch eine andre bestimmt ist, und so ferner ins Unendliche? Bruno Ganz richtig, denn da wir das Endliche als Anschauen gesetzt haben, so konnten wir eine Verknüpfung durch Ursache nur zwischen den Anschauungen setzen. Lucian Wie aber kannst du mit jenem | ewigen Sein der Dinge in ihren Ideen diese unendliche Bestimmtheit der Dinge durcheinander reimen, die sich nur auf das zeitliche Dasein zu beziehen scheint? 1

Eins] SW W: eins

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Bruno Wir wollen sehn. Den Begriff also hast du als unendlich,

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die Anschauung als endlich, beide aber als Eins1 in der Idee und völlig ungetrennt gesetzt, oder war es nicht so? Lucian So war es. Bruno Die Idee aber als das einzige an sich Reale? Lucian Auch dies. Bruno In Ansehung der Idee sonach, mithin wahrhaft, ist weder das Unendliche noch das Endliche etwas für sich, und unabhängig von unserm Unterscheiden. Da nun keines an sich, jedes aber nur durch sein Entgegengesetztes das ist, was es ist, so können wir auch keines dem andern nachsetzen, oder um des andern willen aufgeben. Lucian Unmöglich. Bruno Notwendig also ist, daß, wenn das Unendliche ist, auch das Endliche bei ihm, von ihm ungetrennt seie, in dem, was wir als ewig gesetzt haben. | Lucian Offenbar, denn sonst müßten wir das Unendliche allein setzen; dieses aber ist als Unendliches selbst nur in der Entgegensetzung gegen das Endliche. Bruno Das Endliche aber, sagtest du, sei als dieses notwendig immer ein Bestimmtes, und als dieses Bestimmte bestimmt durch ein andres Endliches, welches wiederum durch ein andres, und so fort ins Unendliche. ¦ Lucian Richtig. Bruno Dieses ins Unendliche Endliche ist aber in der Idee mit dem an und für sich selbst Unendlichen als Eins2 gesetzt, und ihm unmittelbar verknüpft. Lucian So nahmen wir an. Bruno Jenes an und für sich selbst Unendliche aber ist der Begriff? Lucian Ich gebe es zu. Bruno Dem Begriff nun kann überhaupt keine Endlichkeit gleich, oder angemessen sein, als eine unendliche. Lucian Dies ist klar. 1 2

Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins

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Bruno Aber eine unendliche der Zeit nach? | Lucian Unmöglich, wie mir scheint; denn das, was unabhängig 63

von aller Zeit unendlich ist, schöpft keine Zeit, auch unendliche, aus, und keine Unendlichkeit, die sich auf diese bezieht, kann jenem gleich oder angemessen werden. Bruno Also eine Endlichkeit, die zeitlos unendlich ist? Lucian Es folgt wohl. Bruno Zeitlos unendlich aber ist nur der Begriff? Lucian Dies ist angenommen. Bruno Eine zeitlos unendliche Endlichkeit ist also die, welche an und für sich selbst oder ihrem Wesen nach unendlich ist. Lucian Auch das. Bruno Eine Endlichkeit aber, die ihrem Wesen nach unendlich ist, kann nie und auf keine Weise aufhören endlich zu sein. Lucian Nimmermehr. Bruno Unendlich ferner nicht durch die Zeit, sondern an und für sich selbst, kann sie auch durch Hinwegnahme der Zeit nicht aufhören, unendlich endlich zu sein. | Lucian Auch dieses nicht. Bruno Also ebensowenig aufhören, an sich endlich zu sein, darum weil sie im Absoluten, und in ihm zeitlos gegenwärtig ist. Lucian Ebensowenig. Jedoch, obwohl mir dies nicht ganz ¦ uneinleuchtend scheint, bitte ich dich dennoch, es weiter auseinanderzusetzen, da es zu den dunkelsten Dingen gehört, und die nicht gleich auf den ersten Blick gefaßt werden. Bruno Das unendliche Denken also haben wir nur durch unsre Unterscheidung abgesondert von der Idee, in der es mit dem Endlichen ohne Vermittlung Eins1 ist. Der Möglichkeit nach nun, im unendlichen Denken, ist alles Eins2 ohne Unterschied der Zeit und der Dinge, der Wirklichkeit nach aber ist es nicht Eins3, sondern Vieles4, und notwendig und unendlich end1 2 3 4

Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins Vieles] SW W: vieles

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lich1. Nicht minder aber als das an und für sich selbst Unendliche, übertrifft auch das an und für sich selbst Endliche alle Zeit, und so wenig es durch Zeit Unendlichkeit gewinnen könnte, da diese durch seinen Begriff von ihm ausgeschlossen ist, ebensowenig kann es durch | Verneinung der Zeit seine Endlichkeit verlieren. Um also ein unendliches Endliches in und bei dem Absoluten zu denken, bedarf es keiner Zeit, obgleich es notwendig ist, daß es, abgesondert gedacht von ihm, in eine unendliche Zeit ausgedehnt werde. Es wird aber in der unendlichen Zeit nicht unendlicher endlich, als es seiner Natur nach in dem Augenblicke sein würde, wenn es in Ansehung des Absoluten auch nur in dem Augenblicke wäre. Doch dieses kannst du auf folgende Art der Anschauung näher bringen. Jedes Endliche als solches hat den Grund seines Daseins nicht in sich selbst, sondern notwendig außer sich; es ist also eine Wirklichkeit, von der die Möglichkeit in einem andern ¦ liegt. Hinwiederum enthält es von unendlich vielem anderm nur die Möglichkeit, ohne die Wirklichkeit, und ist eben dadurch notwendig und ins Unendliche unvollkommen. Dies ist aber in Ansehung des Absoluten durchaus undenkbar. Denn in demselben, sofern wir auf2 die Form sehen, die dem Wesen selbst gleich ist, ist das Reelle dem Ideellen zwar, dem Begriff nach, not | wendig und ewig entgegengesetzt, wie Gegenbild dem Vorbild, und jenes zwar, dem Begriff nach, ist notwendig endlich, reell aber, oder der Sache nach, diesem absolut gleich. Betrachtest du also das Endliche bloß seinem Begriff nach, so ist es notwendig und ins Unendliche einzeln, und indem es selbst eine Wirklichkeit ist, wovon die Möglichkeit in einem andern liegt, enthält es selbst wieder3 die unendliche Möglichkeit anderer Einzelner, welche aus demselben Grunde wieder die unendliche Möglichkeit anderer Einzelner enthalten usf. ins Unendliche. Reell aber, also in der absoluten Einheit mit dem Unendlichen erblickt, ist

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unendlich endlich] NDR: unendlich auf] NDR: auch liegt, … wieder] NDR läßt aus: enthält es selbst

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erstens der unendlichen Möglichkeit anderer Einzelner1, die es enthält, unmittelbar die Wirklichkeit verknüpft, hernach ist aus gleichem Grunde ihm selbst, als wirklich, unmittelbar seine Möglichkeit verbunden; alles also, sofern es in Gott ist, ist selbst absolut, außer aller Zeit, und hat ein ewiges Leben. Das Einzelne nun ist eben dadurch Einzelnes, und sondert sich ab dadurch, daß es nur die Möglichkeit von andern ohne die Wirklichkeit, oder selbst eine Wirklichkeit ent | hält, von der die Möglichkeit nicht in ihm ist. Welches Endliche du aber setzen mögest, und mit welcher Differenz der Möglichkeit und Wirklichkeit, so ist, ebenso wie mit der unendlichen Möglichkeit des ganzen Leibes, die jeder Teil eines organischen Leibes enthält, in Ansehung desselben, ohne Zeitverhältnis, unmittelbar auch die Wirklichkeit gesetzt ist, und wie umgekehrt kein einzelner organischer Teil seine Möglichkeit vor sich oder außer sich, sondern unmittelbar mit sich in den andern hat, ebenso auch jenem, sofern es im Absoluten ist, weder die Wirklichkeit von seiner Möglichkeit, noch diese von jener getrennt. Was also von allen bekannten und sichtbaren2 Dingen der Art des Endlichen, im Unendlichen zu sein, am nächsten kommt, ist die Art, wie das Einzelne im organischen Leibe zum Ganzen verbunden ist, denn so wenig dieser einzelne organische Teil im organischen Leib als einzelner gesetzt ist, ebensowenig auch im Absoluten das Einzelne als Einzelnes, und gleich wie ein organischer Teil dadurch, daß er, reell betrachtet, nicht einzeln ist, nicht aufhört, ideell oder für sich selbst einzeln zu sein, ebenso auch das | Endliche, sofern es im Absoluten ist. Das Verhältnis von Endlichem zu Endlichem in diesem ist daher nicht das der Ursache und Wirkung, sondern das, welches der Teil eines organischen Leibes zu den3 andern Einzelnen4 hat; nur daß jene Verknüpfung des Endlichen mit dem Unendlichen im Absoluten unendlich vollkommner ist als die in einem organischen Leib, denn ein jeder solcher enthält 1 2 3 4

Einzelner] so NDU NDR ZD SW W ED: einzelner sichtbaren] ZD: unsichtbaren den] so ED NDU NDR ZD SW W: dem Einzelnen] so SW W ED NDU NDR ZD: einzelnen

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noch eine Möglichkeit, von der die Wirklichkeit außer ihm ist, und zu der er sich wie ¦ die Ursache zur Wirkung verhält; auch er ist nur Abbild eines Urbilds im Absoluten, in welchem jeder Möglichkeit ihre Wirklichkeit, und eben deswegen auch jeder Wirklichkeit ihre Möglichkeit verknüpft ist. Eben darum nun, weil das wahre Universum von einer unendlichen Fülle, nichts in ihm außer dem andern, getrennt, alles absolut Eins1 und ineinander ist, dehnt es sich in dem Abbild notwendig in eine grenzenlose Zeit aus, so wie jene Einheit des Möglichen und Wirklichen, die im organischen Leib ohne Zeit ist, auseinandergezogen im Reflex zu ihrem Werden eine Zeit erforderte, die weder einen Anfang noch ein | Ende haben könnte. So ist also kein Endliches an sich außer dem Absoluten,2 und nur für sich selbst einzeln, denn im Absoluten ist, was im Endlichen ideal ohne Zeit,3 auch real, und wenn jenes Verhältnis von Möglichkeit, das von Ursache und Wirkung ist, so setzt es sich selbst dieses Verhältnis, und wenn dieses nicht ohne Zeit, so setzt es sich selbst seine Zeit, und zwar das, wovon es nur die Wirklichkeit ohne die Möglichkeit, als Vergangenheit, das, wovon es die Möglichkeit ohne die Wirklichkeit enthält, als Zukunft;4 das Setzende seiner Zeit also ist sein Begriff, oder die durch Beziehung auf ein einzelnes Reales bestimmte Möglichkeit, die es enthält, und deren Bestimmtheit sowohl das Vergangene ausschließt, als das, was zukünftig ist. Im Absoluten also sind im Gegenteil Sein und Nichtsein unmittelbar zusammengeknüpft. Denn auch die nicht existierenden Dinge und die Begriffe dieser Dinge sind in dem Ewigen nicht anders als wie die existierenden Dinge und die Begriffe dieser Dinge, nämlich auf eine ewige Weise enthalten. Hinwiederum sind auch die existierenden Dinge und die Begriffe dieser Dinge im | Absoluten doch auf keine andre Weise, als auch die nicht existierenden 1

Eins] SW W: eins Absoluten,] so NDU SW W ED NDR ZD: Absoluten; 3 ideal ohne Zeit,]so SW W ED ND ZD: ideal ohne Zeit ND : ideal, R U ohne Zeit 4 Zukunft;] so SW W ED ND ND ZD: Zukunft, U R 2

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Dinge und ihre Begriffe, nämlich in ihren Ideen. Alle andre Existenz aber ist Schein. Der Begriff keines Einzelnen ist in Gott getrennt vom Begriff aller Dinge, die sind, waren oder sein werden, denn diese Unterschiede haben in Ansehung seiner selbst keine Bedeutung. Die unendliche Möglichkeit z. B. im Begriff eines Menschen ist in ihm vereint nicht nur mit der unendlichen Wirklichkeit aller andern, sondern auch alles dessen, ¦ was aus ihr selbst als wirklich hervorgeht, deswegen das in ihm vorgebildete Leben des Einzelnen rein und unverworren, und viel seliger ist als sein eignes Leben, denn auch das, was im Einzelnen unrein und verworren erscheint, dient doch in dem ewigen Wesen angeschaut zur Herrlichkeit und Göttlichkeit des Ganzen. Wir werden also, o Freund, wenn wir von jener Einheit, die du selbst aufgestellt hast, den wahren und höchsten Sinn einsehen, dieselbe auf keine Weise wahrhaft im endlichen Erkennen anzutreffen meinen, sondern vielmehr weit darüber erhaben glau | ben müssen. Wir werden in dem Wesen jenes Einen, welches von allen Entgegengesetzten weder das eine noch das andre ist, den ewigen und unsichtbaren Vater aller Dinge erkennen, der, indem er selbst nie aus seiner Ewigkeit heraustritt, Unendliches und Endliches begreift in einem und demselben Akt göttlichen Erkennens: und das Unendliche zwar ist der Geist, welcher die Einheit aller Dinge ist, das Endliche aber an sich zwar gleich dem Unendlichen, durch seinen eignen Willen aber ein leidender und den Bedingungen der Zeit unterworfener Gott. Wie nun diese Drei Eins1 sein können in Einem Wesen, und auch das Endliche als Endliches gleichwohl ohne Zeit bei dem Unendlichen sei, glaube ich gezeigt zu haben. Lucian Du hast uns, o Freund, tief in die Natur des Unbegreiflichen geführt;2 allein wie du von da zu dem Bewußtsein zurückkehrest, nachdem du es weit überflogen, verlangt mich zu sehn.

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Drei Eins] SW W: drei eins geführt;] so SW W ED NDU NDR ZD: geführt,

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Bruno Obwohl ich nicht weiß, o Bester, ob du mir aus jenem 72

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Überfliegen, wie du es nennst, des Bewußtseins einen | Vorwurf machst oder nicht, will ich doch sagen, daß ich es für keinen halte, denn erstlich sage mir, ob ich etwas anderes getan habe, als die Idee, welche du als Prinzip aufgestellt hattest, in ihrem höchsten Sinn zu nehmen? Lucian Etwas anderes nun zwar nicht, dieses aber so, daß jene Einheit aufhört, Prinzip des Wissens zu sein, und eben dadurch auch, wie mir scheint, Prinzip der Philosophie, welche die Wissenschaft des Wissens ist. Bruno Über dieses zwar möchte ich mit dir wohl einig sein, ¦ ich fürchte aber, daß du nicht unter dem Wissen irgend ein untergeordnetes Wissen verstehest, das eben deswegen auch ein untergeordnetes Prinzip fodert. Laß uns daher vor allem wissen, wo du das Wissen suchest.1 Lucian Das Wissen also setze ich eben in jene Einheit des Denkens und des Anschauens selbst, von der wir ausgegangen sind. Bruno Und hinwiederum bestimmest2 diese Einheit als Prinzip des Wissens? Lucian So ist es. | Bruno Laß uns nun zusehn, o Freund, wie du dir diese Einheit denkst, insofern sie Prinzip des Wissens und insofern sie das Wissen selbst ist. Sage mir daher vorerst, ich bitte, willst du, daß Ideelles und Reelles im Prinzip des Wissens ebenso Eines3 seien, wie wir bestimmt haben, daß sie es im Absoluten sind, oder ob du diese Einheit, sofern sie in jenem ist, von anderer Art denkest? Von derselben? So sind wir nicht verschieden, und du wirst alsdann eben das vom Prinzip des Wissens behaupten, was wir vom Absoluten, allein dann möchtest du wohl mit mir, aber nicht mit dir selbst einig sein. Denn ist dir im Prinzip des Wissens dieselbe absolute Einheit ausgedrückt, welche uns im Abso-

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suchest.] so SW W ED NDU NDR ZD: suchest? bestimmest] ZD: bestimmest du Eines] SW W: eines

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luten, so wirst du mit dem Wissen selbst das Wissen, und das Bewußtsein überfliegen. Lucian Du übersiehst, daß wir die Einheit zwar, sofern sie Prinzip des Wissens ist, als absolut, aber als absolut eben nur in ihrer Beziehung auf das Wissen selbst wissen, und als Prinzip des Wissens erkennen. Bruno Ich weiß nicht, ob ich dich | verstehe. – Das Wissen als Einheit des Denkens und Anschauens ist Bewußtsein. Das Prinzip aber des Bewußtseins ist dieselbe Einheit, nur rein oder absolut gedacht; sie ist das absolute Bewußtsein, jenes dagegen ist das abgeleitete oder begründete Bewußtsein. Ist nun deine Meinung diese, daß wir keinen Grund haben, im Philosophieren über das im begründeten Bewußtsein gegebene reine Bewußtsein hinauszugehen1, oder dieses überhaupt anders als in Bezug auf das Bewußtsein, dessen Prinzip es ist, zu betrachten? ¦ Lucian Gar sehr aber ist dies meine Meinung. Bruno Du behauptest also notwendig auch, daß die Einheit im begründeten Bewußtsein eine andre sei als im absoluten. Lucian Ebenso notwendig, als es ist, daß überhaupt die Einheit im Prinzip eine andre sei als in dem, wovon es Prinzip ist. Bruno Die Einheit aber im absoluten Bewußtsein ist dieselbe, wie die im Absoluten schlechthin betrachtet. | Lucian Richtig. Bruno Die Einheit aber im Absoluten dachten wir absolut? Lucian Allerdings. Bruno Die im Wissen also als nicht absolut. Lucian Freilich. Bruno Sonach als relativ. Lucian Du hast ganz recht. Bruno Wenn aber relativ, so notwendig auch beide, Ideelles und Reelles, als unterscheidbar. Lucian Notwendig.

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begründeten Bewußtsein … hinauszugehen] NDR läßt aus: gegebene reine Bewußtsein

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Bruno Beide aber haben wir im Absoluten als ununterscheid-

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bar, völlig indifferent gedacht. Lucian So haben wir. Bruno Wenn aber ununterscheidbar, schlechthin Eins1, so wird keine Bestimmung möglich sein, durch die das eine, das Ideelle z. B., als Ideelles gesetzt wird, ohne daß durch dieselbe Bestimmung auch das andre, das Reelle, als Reelles gesetzt wird, und umgekehrt. Lucian Es ist nicht zu leugnen. Bruno Es wird also nie weder ein | reines Ideelles, noch ein2 reines Reelles gesetzt sein? Lucian Nimmermehr. Bruno Sondern immer nur eine relative Einheit beider? Lucian Unstreitig. Bruno Wie also beide Eins3 sind im Ewigen, so wird auch das eine nur an dem andern, das Reelle nur am Ideellen, das Ideelle aber am Reellen sich trennen von der absoluten Einheit. Wo dies ¦ nicht ist, da ist auch weder das eine noch das andre, sondern es ist die absolute Einheit beider gesetzt. Bist du damit nun einverstanden? Lucian In alle Wege. Bruno So wirst du also auch die Unvermeidlichkeit davon einsehn, daß, sobald überhaupt eine relative Einheit gesetzt wird, z. B. also, daß das Reelle sich absondre an dem Ideellen, unmittelbar und notwendig auch ihre entgegengesetzte, das Ideelle also, als abgesondert durch die Beziehung aufs Reelle, gesetzt wird, daß also, so wie nur überhaupt von der absoluten Einheit abgesehen wird, jene höchste Einheit | auch notwendig in zwei Punkte getrennt erscheinen müsse, den einen, wo durch das Reelle das Ideelle, den andern, wo durch das Ideelle das Reelle als solches gesetzt wird. Lucian Dies alles ist unleugbar; auch läßt es sich unmittelbar nachweisen, daß, so wie überhaupt ein Bewußtsein gesetzt wird, 1 2 3

Eins] SW W: eins weder … ein] NDR läßt aus: ein reines Ideelles, noch Eins] SW W: eins

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auch nur das meiner selbst, jene von dir bestimmte Trennung notwendig ist. Bruno Das Wissen ist aber eine relative Einheit? Lucian So nahmen wir an. Bruno Es steht ihr also eine andre gegenüber. Lucian Auch dieses gebe ich zu. Bruno Wie nennst du das, was dem Wissen entgegensteht, das also, was ich nicht1 weiß? Lucian Das Sein. Bruno Das Sein also ist eine relative Einheit, wie das Wissen. Lucian Es folgt wohl. Bruno So wenig also wie das Wissen eine reine Idealität, so wenig das Sein eine reine Realität. | Lucian Richtig. Bruno Keine aber von beiden Einheiten ist etwas an sich, denn jede ist nur durch die andre. Lucian Es scheint. Bruno Es ist offenbar; denn du kannst so wenig ein Wissen setzen, ohne unmittelbar zugleich ein Sein, als ein Sein, ohne unmittelbar zugleich ein Wissen. ¦ Lucian Dies ist offenbar. Bruno Keine von beiden Einheiten kann also das Prinzip der andern sein. Lucian Keine. Bruno Das Wissen, sofern es relative Einheit ist, so wenig des Seins, als das Sein, sofern es relative Einheit ist, des Wissens. Lucian Zugestanden. Bruno Du kannst also auch keine dieser Bestimmtheiten in die andre auflösen; denn die eine steht und fällt mit der andern, so daß, die eine hinwegnehmend, du auch die andre aufhebst. Lucian Freilich, auch ist jenes nicht meine Meinung. | Bruno Du willst vielmehr beide auflösen in das absolute Bewußtsein.2

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was ich nicht] so SW ED NDR: was nicht nicht NDU ZD: was nicht Bewußtsein.] NDR: Bewußtsein?

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Lucian Getroffen. Bruno Absolutes Bewußtsein aber ist die Einheit nur, sofern du

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sie als Prinzip der bestimmten relativen Einheit betrachtest, welche Wissen ist. Lucian Allerdings. Bruno Es ist aber kein Grund, die absolute Einheit vorzugsweise als Prinzip der einen von beiden relativen Einheiten zu betrachten, z. B. des Wissens, und in der auf diese Weise betrachteten Einheit die relativen Gegensätze aufzuheben, denn sie ist gleiches Prinzip beider, und entweder betrachtest du sie, auch in der Beziehung auf das Wissen, an sich, so ist kein Grund, sie überhaupt auf diese Beziehung einzuschränken, oder du betrachtest sie nicht an sich, so ist gleicher Grund, sie in der Beziehung auf die entgegenstehende relative Einheit zu betrachten, welche ebenso reell und von gleicher Ursprünglichkeit ist mit dieser. Warum also machst du jene Einheit, anstatt sie nur in der Beziehung auf das Wissen zu erkennen, nicht vielmehr allgemein, allgegenwärtig, allum | fassend, und verbreitest sie über alles? Erst dann werde ich glauben, daß du sie wahrhaft an sich erkennest und die intellektuelle Anschauung von ihr habest, wenn du sie auch von der Beziehung auf das Bewußtsein befreit haben wirst. In den Dingen siehest du nichts als ¦ die verschobenen Bilder jener absoluten Einheit, und selbst im Wissen, sofern es eine relative Einheit ist, siehst du nichts anders als ein nur nach anderer Richtung verzognes Bild jenes absoluten Erkennens, in welchem so wenig das Sein durch das Denken als das Denken durch das Sein bestimmt ist. Lucian Hierüber möchten wir uns nun wohl verstehen, o Freund, denn auch wir haben die Philosophie an das Bewußtsein zurückgewiesen nur der Einsicht wegen, daß jene Gegensätze des Wissens und Seins, oder wie wir sie sonst ausdrücken wollen, außerhalb des Bewußtseins keine Wahrheit haben, daß, abgesehn vom Bewußtsein, so wenig ein Sein als solches, als ein Wissen als solches seie. Da nun auf der Verschiebung oder relativen Trennung und Wiederherstellung jener Einheit, wie du selbst sagst, | alles dasjenige beruht, was insgemein für reell gehalten wird, jene Trennung aber selbst nur ideell und im

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Bewußtsein gemacht wird:1 so siehest du, warum diese Lehre Idealismus ist, nicht weil sie das Reelle von dem Ideellen bestimmt, sondern weil sie den Gegensatz beider selbst bloß ideell sein läßt. Bruno Dieses sehe ich allerdings ein. Lucian Allein, o Freund, daß jene Trennung in Ansehung der höchsten Idee ohne Wahrheit sei, darüber sind wir zwar einig, allein eben wie jenes Heraustreten aus dem Ewigen, mit dem das Bewußtsein verknüpft ist, selbst nicht nur als möglich, sondern als notwendig eingesehn werden könne, dieses hast du noch keinesweges dargetan, sondern völlig unberührt gelassen. Bruno Mit Recht foderst du, daß ich hiervon rede. Denn du zwar, indem du die absolute Einheit ursprünglich schon in der Beziehung auf die relative Einheit des Wissens erkannt wissen willst, entgehst jener Frage, welche nur ein besondrer Fall der allgemeinen Untersuchung der Abkunft des Endlichen aus dem Ewigen ist. Deine Meinung also scheint diese zu sein, o Bester, | daß ich von dem Standpunkte des Ewigen selbst aus, und ohne daß ich außer der höchsten Idee etwas andres voraussetze, zu dem Ursprung des wirklichen Bewußtseins und der mit ihr zugleich gesetzten Absonderung und Trennung ¦ gelange. Denn auch diese Trennung, zusamt dem, was mit ihr gesetzt wird, ist wieder begriffen in jener Idee, und wie das Einzelne auch die Kreise seines Daseins erweitere, hält und faßt sie dennoch jene Ewigkeit, und keiner überschreitet den ehernen Ring, der um alle gelegt ist. So erinnre dich dann, daß wir in jener höchsten Einheit, die wir als den heiligen Abgrund betrachten, aus dem alles hervorgeht und in den alles zurückkehrt, in Ansehung welcher das Wesen auch die Form, die Form auch das Wesen ist, vorerst zwar die absolute Unendlichkeit setzen, dieser aber nicht entgegen, sondern schlechthin angemessen, genügend, weder selbst begrenzt noch jene begrenzend, das zeitlos gegenwärtige und unendliche Endliche, beide als Ein Ding, selbst nur im Erscheinenden unterscheidbar und unterschieden, der Sache nach völlig 1

wird:] SW W: wird,

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Eins, doch dem Begriff nach ewig verschieden, wie | Denken und Sein, ideal und real. In dieser absoluten Einheit aber, weil in ihr, wie gezeigt, alles vollkommen und selbst absolut ist, ist nichts von dem andern unterscheidbar, denn die Dinge unterscheiden sich nur durch ihre Unvollkommenheiten und die Schranken, welche ihnen durch die Differenz des Wesens und der Form gesetzt sind; in jener allervollkommensten Natur aber ist die Form dem Wesen jederzeit gleich, weil das Endliche, welchem allein eine relative Verschiedenheit beider zukommt, in ihm selbst nicht als endlich, sondern unendlich enthalten ist, ohne allen Unterschied beider. Weil aber das Endliche, obschon reeller Weise dem Unendlichen völlig gleich, doch ideell nicht aufhört, endlich zu sein, so ist in jener Einheit gleichwohl auch wieder die Differenz aller Formen, nur in ihr selbst ungetrennt von der Indifferenz, insofern in Ansehung ihrer selbst nicht unterscheidbar, jedoch so enthalten, daß für sich selbst jedes aus ihr sich ein eignes Leben nehmen, und, ideell zwar, in ein unterschiednes Dasein übergehn kann. Auf diese Weise schläft wie in einem unendlich fruchtbaren Keim das | Universum mit dem Überfluß seiner Gestalten, dem Reichtum des Lebens und der Fülle seiner, der Zeit nach endlosen, hier aber schlechthin gegenwärtigen, Entwicklungen, in jener ¦ ewigen Einheit, Vergangenheit und Zukunft, beide endlos für das Endliche, hier beisammen, ungetrennt, unter einer gemeinschaftlichen Hülle. Wie nun das Endliche in jener absoluten Ewigkeit, die wir mit andern auch Vernunftewigkeit nennen können, begriffen sei, ohne daß es für sich selbst aufhöre, endlich zu sein, habe ich früher genug begreiflich gemacht, o Freund. Ist also das Endliche, obwohl für sich selbst endlich, gleichwohl bei dem Unendlichen, so ist es auch als Endliches, mithin nicht zwar in Ansehung des Unendlichen, aber für sich selbst relative Differenz des Idealen und Realen, und setzt mit dieser Differenz erstens sich selbst und seine Zeit, hernach auch die Wirklichkeit aller Dinge, deren Möglichkeit in seinem eignen Begriff enthalten ist. Doch dieses wirst du noch unmittelbarer einsehn aus dem, was du selbst zuvor zugegeben, nämlich daß die Einheit des

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Den | kens und Anschauens allgegenwärtig sei, allgemein, woraus folgt, daß kein Ding oder Wesen sein könne ohne diese Untrennbarkeit, und keines als dieses bestimmte ohne bestimmte Gleichheit des Denkens und Anschauens, und nachdem du dieses als Differenz, jenes aber als Indifferenz bestimmt hast, keines, an dem nicht als Ausdruck des Anschauens Differenz, als Ausdruck des Denkens Indifferenz angetroffen würde, und jenem zwar, das was wir Leib, diesem aber, das1 was wir Seele nennen, entspräche. So sind also alle in jener zeitlosen Endlichkeit, die bei dem Unendlichen ist, von Ewigkeit begriffenen Dinge unmittelbar durch ihr Sein in den Ideen auch belebt, und mehr oder weniger des Zustandes fähig gemacht, durch welchen sie sich für sich selbst, aber nicht für das Ewige lossagen von jener und zu dem zeitlichen Dasein gelangen. Du wirst also nicht glauben, daß die einzelnen Dinge, die vielfältigen Gestalten der lebenden Wesen, oder was du sonst unterscheidest, wirklich so getrennt, als du sie erblickest, im Universum an und für sich selbst | enthalten seien, vielmehr, daß sie bloß für dich sich absondern, ihnen selbst aber und jedem Wesen die Einheit in dem Maße sich aufschließe, in welchem es sich selbst von ihr abgesondert hat:2 z. B. der Stein, den du siehest, ist in der absoluten Gleichheit mit allen Dingen, für ihn ¦ auch sondert sich nichts ab oder tritt hervor aus der verschlossnen Nacht; dagegen dem Tier, dessen Leben in ihm selbst ist, öffnet sich mehr oder weniger, je mehr oder weniger individuell sein Leben ist, das All, und schüttet endlich vor dem Menschen alle seine Schätze aus. Nimm jene relative Gleichheit hinweg, und du siehst alles wieder zusammengehn in Eins. Scheint es dir aber nicht, daß eben diese Betrachtung uns davon überzeugen könne, wie das Dasein aller Wesen aus Einem und demselben Grund eingesehn werden könne, daß also nur Eine Formel sei für die Erkenntnis aller Dinge, nämlich, daß jedes Ding mit dem relativen Gegensatz des Endlichen und 1 2

zwar, das … aber, das] ZD SW W: zwar das, … aber das, hat:] SW W: hat;

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Unendlichen sich absondere von der Allheit, in dem aber, wodurch es beide vereint, das Gepräge und | gleichsam ein Abbild des Ewigen an sich trage, denn weil die Einheit des Endlichen und Unendlichen, Reellen und Ideellen, in ihrer Vollkommenheit die ewige Form, und als Form zugleich das Wesen des Absoluten ist, so nimmt das Ding, wo es in ihm zu jener relativen Einheit kommt, einen Schein desjenigen mit sich, in welchem die Idee auch die Substanz, die Form das schlechthin Reelle ist. Die Gesetze sonach alles Endlichen lassen sich ganz allgemein aus jener relativen Gleichheit und Entgegensetzung des Endlichen und Unendlichen einsehn, welche zwar, wo sie lebendig ist, Wissen heißt, in ihrem Ausdruck aber an den Dingen der Art nach dieselbe ist, welche im Wissen. Doch dieses sage ich im Allgemeinen, und wenn es jemand ohne die Anwendung auf das Einzelne nicht allzu klar fände, würde es mich wenig verwundern. Von dem sichtbaren Universum nun und der Körperwerdung der Ideen, scheint es mir, daß also gedacht werden müsse. In dem, was du das Anschauen genannt hast, ist an sich keine Differenz, sondern | nur, sofern es dem Denken entgegengesetzt ist. An und für sich nun aller Form und Gestalt ledig, ist es aller empfänglich, vom unendlichen Denken mit allen Formen und Verschiedenheiten der Dinge von Ewigkeit befruchtet, ihm aber unendlich angemessen, mit ¦ ihm zur absoluten Einheit verknüpft, in der alle Mannigfaltigkeit sich vertilgt, und, weil sie alles enthält, eben deswegen nichts Unterscheidbares enthalten sein kann. Nur also in Ansehung des1 einzelnen Dings selbst, nicht aber in Ansehung dessen, worin das Denken und Anschauen, wie du sagst, Eins2 ist, sondert sich Anschauen und Denken ab zum Gegensatz (denn nur in jenem ist das Anschauen nicht genügend dem Denken); indem es sich aber absondert, zieht es das, worin beide Eins3 sind, die Idee, mit in die Zeitlich-

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Ansehung des] NDR: Ansehung dessen, des Eins] SW W. eins Eins] SW W: eins

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keit, welche dann als das Reale erscheint und, anstatt daß sie dort das Erste, hier das Dritte ist. Weder aber das Denken ist an sich der Zeitlichkeit unterworfen, noch das Anschauen, sondern jedes nur durch seine relative Trennung und Vereinigung von und mit dem andern. Denn wie uns schon von | den Alten überliefert worden ist, so ist das, was in Ansehung aller Dinge der Differenz empfänglich, das mütterliche Prinzip, der Begriff aber, oder das unendliche Denken, das väterliche, das Dritte aber, was aus beiden hervorgegangen ist, ist entstanden und hat die Art eines Entstandenen, der Natur aber beider gleich teilhaftig und in sich wieder Denken und Sein auf vergängliche Weise verknüpfend, ahmt es die absolute Realität täuschend nach, aus der es seinen Ursprung genommen; für sich selbst aber ist es notwendig einzeln, einzeln indes und dieses Bestimmte nur durch den relativen Gegensatz des Reellen und Ideellen, deren keines für sich, jedes aber durch das andre sterblich gemacht, auch das Ding selbst oder das Reale der Zeitlichkeit überliefert. Das Entstandene also ist notwendig und ins Unendliche endlich, aber es ist dies nur in Beziehung. Denn wahrhaft für sich existiert nie das Endliche, sondern nur die Einheit des Endlichen mit dem Unendlichen. Jenes Endliche also für sich betrachtet, ist mit dem, wodurch es reell ist, wiederum | diese Einheit selbst, mit dem aber, was an ihr Form ist, die relative Einheit des Endlichen und Unendlichen. Je vollkommner nun ein Ding ist, desto mehr bestrebt es sich, schon in dem, was an ihm endlich ist, das Unendliche darzustellen, um auf diese Weise ¦ das an sich Endliche dem an und für sich Unendlichen so viel möglich gleich zu machen. Je mehr nun das Endliche an einem Wesen von der Natur des Unendlichen hat, desto mehr nimmt es auch von der Unvergänglichkeit des Ganzen an, desto daurender1 und bleibender, in sich vollendeter erscheint es, und unbedürftiger dessen, was außer ihm ist. Von dieser Art sind die Gestirne und alle Weltkörper, deren Ideen von allen, die in Gott sind, die vollkommensten sind, weil 1

daurender] NDR ZD SW W: dauernder

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sie am meisten jenes Sein des Endlichen bei dem Unendlichen in Gott ausdrücken. Verstehe aber unter Weltkörper die erste Einheit eines jeden selbst, aus welcher erst diese Mannigfaltigkeit und Getrenntheit der einzelnen Dinge auf ihm auf gleiche Weise hervorgegangen ist, wie aus der absoluten | Einheit die unendliche Mannigfaltigkeit aller Dinge. Da also jeder Weltkörper das ganze1 Universum in sich darzustellen, nicht nur bestrebt ist, sondern es wirklich darstellt, so sind auch alle zwar unendlicher Verwandlungen gleich einem organischen Leibe fähig, an sich selbst aber unverderblich und unvergänglich, frei ferner, unabhängig wie die Ideen der Dinge, losgelassen, sich genügend, mit Einem Wort selige Tiere und, verglichen mit sterblichen Menschen, unsterbliche Götter. Um aber die Art zu begreifen, wie sie dies seien, merke folgendes. Die Idee eines jeden ist absolut, befreit von der Zeit, wahrhaft vollkommen. Das aber, was in der Erscheinung das Endliche an ihnen mit dem Unendlichen vereint, und jene abgeleitete Realität hervorbringt, von der wir schon früher gesprochen, ist das unmittelbare Abbild der Idee selbst, welches, so wenig wie diese der Differenz fähig, auf ewig gleiche Weise das Allgemeine in das Besondre, das Besondre in das Allgemeine setzt. An sich zwar ist es Einheit schlechthin, nicht entstanden noch bedingt, in der Bezieh | ung aber auf Gegensatz bringt es Einheit hervor. Der Gegensatz nun, wie du weißt, ist der des Endlichen und Unendlichen. Und das Endliche selbst zwar verhält sich zu dem Unendlichen wieder wie Differenz zur Indifferenz. ¦ Dem Endlichen aber für sich kommt keine Realität zu, vielmehr hat es zu der Substanz ein solches Verhältnis, daß es erst mit seinem Quadrat vervielfacht ihr gleich kommt. Was ich aber unter seinem Quadrat verstehe, wirst du zwar zum Teil schon aus dem Vorhergehenden erraten können, und wird dir auch nachher noch deutlicher werden. 1

ganze] NDU: Ganze

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Dem nämlich, was wir an den Dingen das Endliche genannt haben, ist das Unendliche entgegengesetzt. Dieses nun, sofern es sich unmittelbar auf jenes Endliche bezieht, ist auch nur das Unendliche dieses Endlichen1: nicht die unendliche Einheit alles Endlichen, sondern die relative Einheit dieses Endlichen, oder der Begriff, der sich unmittelbar nur auf dieses, als die Seele desselben, bezieht. | Diese relative Einheit, welcher als2 dem Allgemeinen in einem jeden Ding das Endliche als das Besondre verknüpft wird durch das, worin Einheit und Gegensatz ungetrennt sind, ist es, wodurch das Ding sich absondert von der Allheit der Dinge, und in seiner Absonderung beharrend, ewig dasselbe, von andern verschiedene, nur sich selbst gleiche, ist. Die erste Bedingung aber, unter welcher das an und für sich Unendliche das Unendliche dieses Endlichen, mit Ausschluß alles andern, sein kann, ist, daß dieses Endliche selbst schlechthin endlich, nicht unendlich, sei. Nicht nur aber ist das Unendliche hier in der Beziehung auf das Endliche gesetzt, sondern auch das, was beide verknüpft, und von dem wir angenommen haben, daß es ein Abbild des Ewigen sei. Das aber, was aus der Beziehung des Endlichen, Unendlichen und Ewigen auf das Endliche entspringt, wenn jene beide zwar absolut gleich werden, ist der Raum, das ewig ruhige, nie bewegte Bild der Ewigkeit. Der Begriff aber, der sich unmittelbar auf das Endliche bezieht, ist an dem Ding aus | gedrückt durch die erste Dimension, oder die reine Länge. Denn daß die Linie in der Ausdehnung dem Begriff im Denken entspreche, wirst du auch daraus erkennen, erstens, daß sie für sich betrachtet unendlich, und in sich keinen Grund der Endlichkeit ¦ enthält, ferner auch daraus, daß sie der höchste und reinste Absonderungsakt von der Allheit des Raumes, die Seele aller Figuren ist, weshalb die Geometer, unfähig sie aus der Allheit abzuleiten

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Endlichen] NDR: Unendlichen als] W: aus

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oder entstehn zu lassen, sie fodern, gleichsam um anzuzeigen, daß sie vielmehr eine Handlung sei als ein Sein. Jener Akt nun der Absonderung ist gleichsam das Trübende der allgemeinen Einheit, und mit ihm schlägt alles sich als Besonderes nieder aus dem, worin nichts unterscheidbar; denn da die Einheit in ihm eine relative und der Besonderheit entgegengesetzt wird, so kann in derselben auch nicht die absolute, sondern nur die relative Gleichheit von Subjekt und Objekt gesetzt werden. Der Ausdruck nun davon an dem Dinge ist dasjenige an ihm, wodurch es mit sich selbst Eins1 ist und ebenso zusammenhängt, wie wir sehen, daß wegen der relativen | Gleichheit der Natur das Eisen sich an den Magnet, und jedes Ding an das hängt, was ihm am nächsten verwandt oder seiner Natur am ähnlichsten ist. Allein weil die relative Einheit nicht existieren kann als in der Beziehung auf ein einzelnes Endliches oder die Differenz, so ist mit der ersten Dimension notwendig die zweite vereinigt. Du siehest also, daß so, wie die absolute Einheit des Gegensatzes und der Einheit das Ewige ist, so das, wo die Einheit und der Gegensatz, und das, worin beide vereinigt, unterschieden werden, das Entstandene ist. Das auseinandergezogne Bild also der innern Verhältnisse des Absoluten ist das Gerüste der drei Dimensionen, deren absolute Gleichheit der Raum ist. Doch dieses wird durch die Folge noch klarer werden. Der Begriff also, sagten wir, sofern er sich unmittelbar nur auf dieses bestimmte Endliche bezieht, sei auch selbst endlich und nur die Seele dieses Einzelnen. An sich aber ist er unendlich. Zu dem unendlichen Begriff nun verhält sich das Endliche wie die Wurzel zu ihrem Quadrat. Sofern er nun | als unendlich außer dem Dinge liegt, insofern, da dieses die Zeit nicht in sich selbst hat, ist es der Zeit notwendig unterworfen. ¦ Denn von dem unendlichen Denken ist ein stets bewegtes, ewig frisches, harmonisch fließendes Bild die Zeit, und jene relative Gleichheit eines Dings ist selbst der Ausdruck der Zeit 1

Eins] SW W: eins

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an ihm. Wo also jene lebendig, unendlich, tätig wird und als solche hervortritt, ist sie die Zeit selbst, und in uns zwar das, was wir das Selbstbewußtsein nennen. An dem Ding aber, sofern ihm nicht der unendliche Begriff absolut verbunden ist, ist von jener lebendigen Linie nur der tote Ausdruck, der Akt selbst aber, der sich an ihm durch die Einheit, die es mit sich selbst hat, ausdrückt, bleibt im Unendlichen verborgen. Durch diese Art der Einheit also, sich selbst gleich und auf diese Weise Subjekt und Objekt von sich selbst zu sein, ist das Ding, wie es der Zeit, auch dem Geradlinigen untergeordnet. Es ist nun aber bloß für sich selbst oder ideell einzeln, und außer dem unendlichen Begriff, reell aber nur durch das, wodurch | es jenem verbunden und in die Allheit der Dinge aufgenommen wird. Sofern es nun bloß die relative Gleichheit mit sich selbst behauptet, wird ihm das Allgemeine und das Besondere nicht anders als wie die Linie dem Winkel, mithin zum Dreieck verbunden. Sofern es aber dem unendlichen Begriff der Dinge verknüpft wird, welches sich zu dem Endlichen an ihm wie das Quadrat zu seiner Wurzel verhält, kann ihm jener nur als das Quadrat von ihm verknüpft werden. Verknüpft werden indes kann es ihm nur durch das, worin das Allgemeine und Besondre absolut Eines1 sind, und welches für sich selbst, wie du weißt, keiner Differenz fähig ist; das Ding also, da es als ein solches nur durch den Gegensatz des Allgemeinen und des Besondern existiert, ist jenem Einen, welches ohne Gegensatz, nicht gleich, oder es selbst, sondern, abgesondert von ihm, vielmehr im Differenzverhältnis mit ihm. Daher jenes in Ansehung des Dings nicht als das, was existiert, erscheint, sondern als das, was Grund von Existenz ist. Wird aber das Quadrat mit dem, wo | von es das Quadrat ist, vervielfacht, so entsteht der Würfel, welcher das sinnliche Abbild der ¦ Idee oder der absoluten Einheit des Gegensatzes und der Einheit selbst ist. 1

Eines] SW W: eines

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Doch dieses wirst du auch auf folgende Weise weiter begreifen. Das erscheinende Reale kann ebenso wie das wahre nur ein solches sein, welches Unendliches und Endliches verknüpft. Denn sowohl die Einheit für sich als die Differenz für sich sind bloß ideelle Bestimmungen, und nur so viel ist reell an den Dingen, als an ihnen von der Einheit jener beiden ausgedrückt ist. Da nun jene an den Dingen durch die erste, diese durch die zweite Dimension dargestellt wird, so muß die Einheit beider sich durch dasjenige am vollkommensten ausdrücken, worin die beiden ersten sich auslöschen, welches die Dicke oder die Tiefe ist. Jenes Prinzip nun, zu welchem die Dinge zwar im Differenzverhältnis erscheinen, und welches die Seele oder den Ausdruck des unendlichen Denkens an ihnen dem Leibe verknüpft, ist die Schwere; unterworfen jedoch sind sie ihr nur insofern, als die Zeit | nicht in sie selbst fällt und in ihnen lebendig wird. Insofern dies aber ist, sind sie selbstständig, lebendig, frei, selbst absolut wie die Weltkörper. Die Schwere indes (denn dieses ist nötig vorauszuwissen), welche unaufhörlich die Differenz in die allgemeine Indifferenz aufnimmt, ist an sich unteilbar, daher, wie auch ein sinnliches Ding geteilt werde, doch die Schwere nicht geteilt und an sich weder vermehrt noch vermindert wird; von einer solchen Natur ferner, daß sie die Indifferenz des Raums und der Zeit ist, kann sie keinem von beiden entgegengesetzt sein, und mit zunehmendem Raum (welcher Ausdruck der Differenz) weder abnehmen, noch mit abnehmendem zunehmen. Je mehr auch ein Ding sich absondert von der Allheit, desto weniger Verlangen zwar oder Bestreben ist in ihm, ideell betrachtet, zur Einheit aller zurückzukehren, die Schwere aber ändert sich dadurch nicht, und ist, unbewegt, gleich gegen alle. Was nun die Dinge für das bloß Geradlinige und den endlichen Begriff bestimmt, ist der unorganische Anteil, was ihnen aber | Gestalt gibt, oder sie für das Urteil und die Aufnahme des Besondern ins ¦ Allgemeine bestimmt, der organische, das aber, wodurch sie die absolute Einheit des Allgemeinen und Besondern ausdrücken, der vernünftige.

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Daher, was wir an einem jeden Dinge zu seiner Wirklichkeit erfodern, durch drei Stufen oder Potenzen ausgedrückt werden kann, so daß jegliches Ding das Universum nach seiner Weise darstellt. Das Dritte aber an den einzelnen Dingen sei an sich das Erste, haben wir zuvor festgesetzt; für sich höchste Reinheit, ungetrübte Klarheit, getrübt an den Dingen durch das, was wir bisher Einheit und Gegensatz genannt haben, was wir aber, wenn es lebendig ist, Selbstbewußtsein und Empfindung nennen können. Die reale Dimension jedoch ist allein die Vernunft, welche das unmittelbarste Abbild des Ewigen ist, der absolute Raum aber nur in der Beziehung auf Differenz. Die relative Einheit und der Gegensatz aber, indem sie, wie schon gesagt, bloße Formbestimmungen sind, machen die reine Einheit eben dadurch, daß sie sie trüben, den Raum er | füllend1. Jedoch bisher habe ich das Meiste von den unvollkommneren Dingen geredet, die den unendlichen Begriff außer sich haben, jetzt aber wende dich zur Betrachtung der vollkommneren, welche andre zwar Weltkörper nennen, wir aber sinnige und verständige Tiere nennen wollen. Denn offenbar ist, daß ihnen ihre Zeit eingeboren und der unendliche Begriff als die Seele zugegeben sei, welche ihre Bewegungen lenkt und ordnet. In dem nämlich, was an ihnen endlich ist, das Unendliche darstellend, drücken sie die Idee als Idee aus, und leben auch, nicht wie dem Begriff unterworfene Dinge ein abhängiges und bedingtes, sondern ein absolutes und göttliches Leben. Wie aber in dem Endlichen, was bei dem an und für sich selbst Unendlichen von Ewigkeit ist, Unzähliges2 von unendlicher Fülle enthalten sein könne, welches selbst wieder die Einheit ist, worin die Macht unzähliger Dinge sich verbündet, wird dir nicht unbegreiflich sein nach dem, was wir zuvor auch festgesetzt haben. Nach demselben Gesetz aber, nach welchem Eines 1

erfüllend] so NDU NDR SW W ED: er- [Wort unvollständig gedruckt] ZD: erfüllen 2 Unzähliges] so SW W ED ND ND ZD: unzähliges U R

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sich absondert | von der höchsten Einheit, teilt ¦ es auch, selbst wieder unendlich vieler Dinge genesen, die Vollkommenheit der ersten Einheit, und atmet in unzählige Wesen aus, was es sich selbst von oben genommen. Auf diese Weise hat alles, was ist, eine Einheit, aus der es seinen Ursprung gewonnen, und von der es getrennt ist durch die relative Entgegensetzung des Endlichen und Unendlichen in ihm selbst, indes auch jene Einheit wieder aus einer höhern entsprossen ist, welche die Indifferenz aller Dinge enthält, die in ihr begriffen sind. Entweder hat nun ein Ding das Sein in sich selbst und ist sich selbst die Substanz, welches nur dann möglich ist, wenn das Endliche in ihm dem Unendlichen gleich ist, so daß es, in seiner Absonderung zwar, gleichwohl das Universum in sich darstellen kann, oder es ist nicht selbst die Substanz, so ist es beständig gezwungen da zu sein, wo es allein sein kann, und zu der Einheit zurückzukehren, aus der es genommen ist. Die reine Differenz nun an einem Ding oder das rein Endliche ist das, wodurch | überhaupt der Schein einer Idee in den Raum fällt, von der wahren Idee aber ein solcher Teil, daß er erst dreimal mit sich selbst vervielfacht ihr gleichkommt, und da ferner die Größe jener Differenz auch die Größe der Entfernung eines Dings im Raum von dem Abbilde seiner Einheit bestimmt, so hat auch diese zu dem wahren, in den Raum fallenden1 Abbilde dasselbe Verhältnis, welches die reine Differenz zu der Idee selbst hat. Die Entfernung aber ist entweder reell oder bloß ideell; ideell aber immer, wo ein Ding nicht sich selbst die Substanz ist, denn auch die mannigfaltigen Dinge, welche du zu einem Ganzen, wie die Erde, verbunden siehst, sind gegen sie als die Einheit, doch jedes aus einer bestimmten Entfernung schwer, welches denn die Größe ihres besondern Schwerseins bestimmt. Die Zeit nun, die lebendige Einheit, wird, wie du weißt, in der Schwere der Differenz verbunden, aus der Verbindung aber der 1

wahren, in den Raum fallenden] NDR: wahren den Raum fallenden SW W: wahren den Raum füllenden

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Einheit mit der Differenz entspringt das Maß der Zeit, die Bewegung; wo also ein Ding nicht die Substanz in sich selbst hat, | bewegt es sich ¦ notwendig gegen das, worin ihm das Sein ist, dieses aber so, daß die Zeit der Bewegung nicht der Entfernung (welche der sinnliche Ausdruck der Differenz), sondern dem Quadrat der Entfernung gleich sei, daher umgekehrt, indem es sich gegen das bewegt, in welchem es ist, die Zeiten sich vermindern, und die Räume ihren Quadraten gleich werden. Das Vollkommnere nun betreffend, welches das Sein und das Leben in ihm selbst hat, so hört die Differenz, oder was an ihm rein endlich ist, nicht auf, dem Unendlichen dem Begriff nach entgegengesetzt zu sein, obgleich es reell und in Ansehung der Substanz ihm absolut gleich ist. Sofern es nun ideell entgegengesetzt dem Unendlichen, verhält sich dieses zu ihm als sein Quadrat, und insofern auch bestimmt es jenem, von dem es das Endliche ist, die Linie seiner Entfernung von dem Abbilde der Einheit. Reell aber oder in Ansehung dessen, welches sich selbst das Leben, ist das Endliche dem Unendlichen in ihm auf solche Weise verbunden, daß dieses zu jenem sich nicht mehr als sein | Quadrat, sondern wie völlig Gleiches zu völlig Gleichem verhält. Hinwiederum kann jenes nur dadurch sich selbst die Substanz sein, daß die Linie seiner Entfernung in ihm lebendig wird, lebendig aber wird sie nur dadurch, daß die Differenz oder das rein Endliche an ihm dem unendlichen Begriff gleich wird, welcher, da er die Zeit ist, der Entfernung vereint, diese zum Umlauf macht. Auf diese Weise sind den Sphären ihre Zeiten eingepflanzt worden, sie selbst aber durch ihre himmlische Natur angewiesen, durch kreisende Bewegungen das Sinnbild des Alls zu sein, das sich ausbreitend in alle Naturen, doch stets zurückkehrt wieder in seine Einheit. Denn das, wodurch sie sich absondern und entfernen von dem Abbild ihrer Einheit, und das, wodurch sie aufgenommen werden in den unendlichen Begriff, ist in ihnen nicht getrennt, wie in den irdischen Dingen, oder in streitende Kräfte geson-

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dert, sondern harmonisch verknüpft, und wie sie allein wahrhaft unsterblich sind, genießen sie allein auch | in dem abgesonderten Dasein die Seligkeit des Universums. In ihrem Umlauf selbst aber, welcher die Vertilgung alles ¦ Gegensatzes und die reine Einheit, die absolute Selbstständigkeit selbst ist, atmen sie den göttlichen Frieden der wahren Welt und die Herrlichkeit der ersten Beweger. Merke also, o Freund, den Sinn der Gesetze, die ein göttlicher Verstand uns enthüllt zu haben scheint.D Ein Wesen, welches selbstständig, gottgleich, ist nicht der Zeit untergeordnet, sondern zwingt diese, ihm unterwürfig zu sein, und macht sie sich selbst untertan. Das Endliche ferner an sich dem Unendlichen gleichsetzend, mäßigt es die gewaltige Zeit, so daß sie, nicht mehr mit dem, wovon sie das Quadrat ist, sondern mit sich selbst vervielfacht, der wahren Idee gleich wird. Aus dieser Mäßigung der Zeit entspringt das himmlische Maß der Zeit, jene Bewegung, in welcher Raum und Zeit selbst als die völlig gleichen Größen gesetzt werden, die, sich selbst vervielfacht, jenes Wesen göttlicher Art erzeugen. | Den Umlauf selbst also denke als schlechthin ganz, einfach, nicht als zusammengesetzt, sondern als absolute Einheit, von der jenes, wodurch ein Ding in der Einheit ist, und welches insgemein Schwere genannt wird, und das, wodurch es in sich selbst ist, und welches als das Entgegengesetzte der Schwere angesehen wird, die völlig gleichen Formen sind, beide dasselbe Ganze, Ein Ding; denn weder kann ein Ding, indem es in der Einheit ist, von ihr entfernt in sich selbst sein, noch, indem es in sich selbst ist, in der Einheit sein als dadurch, daß das Endliche in ihm dem Unendlichen absolut verknüpft wird; einmal aber auf solche Weise verknüpft, können diese nie und auf keine Weise sich trennen, und, was wir an dem Bewegten auch unterscheiden, ist nie das eine oder das andre, sondern immer und notwendig die Einheit selbst des Endlichen und Unendlichen. Keine der Sphären also wird durch etwas anders als ihre eigne angeborne Vortrefflichkeit, welche darin besteht, daß sie das, wodurch sie abgesondert ist, zur absoluten Einheit selbst, und hinwiederum die Einheit selbst zu dem, wodurch sie abge-

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sondert ist, | zu machen weiß, von ihrer Einheit weder entfernt noch ihr verbunden. Wenn nun das von sich selbst Bewegte auf eine solche völlig gleiche ¦ Weise die Differenz an sich in die Indifferenz aufnehmen, und hinwiederum die Indifferenz in seine Differenz setzen könnte, entstünde diejenige Figur, welche der vollkommenste Ausdruck der Vernunft, der Einheit des Allgemeinen und des Besondern ist, die Kreislinie. Wäre diese Form allgemein, so würden jene himmlischen Tiere in gleichen Zeiten völlig gleiche Bogen beschreiben, und jene Differenz des Raumes und der Zeit, welche du in der Bewegung des Einzelnen gegen seine Einheit, im Fall, gesehen hast, wäre völlig vertilgt. Allein dann wären alle gleich vollkommen; die ungeborne Schönheit aber, die sich in ihnen enthüllt, wollte allgemein, daß an dem, wodurch sie sichtbar würde, eine Spur des Besondern zurückbliebe, damit auf diese Weise auch die sinnlicheren Augen sie erblickten, welche sie an besondern Dingen erkennend entzückt werden, die unsinnlichen aber zurückschließend von dieser in der Dif | ferenz selbst ausgedrückten und unvertilgbaren Einheit, zu der Anschauung der absoluten Schönheit und ihres Wesens an und für sich selbst gelangten. Deswegen auch, indem sie ihr Angesicht an dem Himmel für sinnliche Augen entschleierte, wollte sie, daß jene absolute Gleichheit, welche die Bewegungen der Sphären lenkt, in zwei Punkte getrennt erschiene, in deren jedem zwar dieselbe Einheit der Differenz und der Indifferenz ausgedrückt sei, in dem einen aber die Differenz der Indifferenz, in dem andern die Indifferenz der Differenz gleich werde, die wahre Einheit also, zwar der Sache, jedoch nicht dem Schein nach, gegenwärtig sei. Auf diese Weise geschieht es erstens, daß die Sphären in Linien sich bewegen, welche in sich selbst zwar zurückkehren, wie die Kreislinie, aber nicht wie diese sich um Einen Mittelpunkt, sondern um zwei getrennte Brennpunkte beschreiben, die sich wechselseitig das Gleichgewicht halten, und deren einen zwar das leuchtende Abbild der Einheit füllt, aus der sie genommen sind, der andre aber die Idee eines jeden ausdrückt, sofern

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er sich | selbst das All und absolut und selbstständig ist, damit so in der Differenz selbst die Einheit und das eigne Verhängnis einer jeden erkannt werde, als besonderes Wesen absolut, und als absolut ein Besonderes zu sein. ¦ Allein weil die Differenz nur für die Erscheinung, wahrhaft aber oder an sich keine sein sollte, so sind jene himmlischen Geschöpfe durch eine wahrhaft göttliche Kunst gelehrt worden, den Lauf ihrer Bewegungen jetzt zu mäßigen und anzuhalten, jetzt ihrem einwohnenden Triebe freier zu folgen, und, damit auf diese Art Zeiten und Räume wieder gleich würden, und die Entfernung, welche nur durch ihre Gleichheit mit der eingebornen Zeit lebendig ist, nicht aufhörte lebendig zu sein, in der größeren Entfernung in derselben Zeit einen kleineren Bogen zurückzulegen, in welcher in der geringeren der größere Bogen zurückgelegt wird. Durch diese mehr als sterbliche Klugheit, welche in der Differenz selbst die Gleichheit bewahrt, geschieht es, daß die Gestirne, deren Bahnen in dem Schein zwar aufgehobne Kreislinien sind, doch wahrhaft und der Idee nach Zirkelbahnen beschreiben1. | Dies alles aber, o Freund, was ich bisher von der Ordnung der himmlischen Bewegungen erwähnt habe, der Würde des Gegenstandes gemäß auseinanderzusetzen, würde uns weiter führen als jenes selbst, um dessen willen diese Untersuchung angestellt ist. Doch von jenen Dingen können wir auch in der Folge reden. Aber keine sterbliche Rede ist fähig, jene himmlische Weisheit würdig zu preisen, oder die Tiefe des Verstandes auszumessen, welche in jenen Bewegungen angeschaut wird. Willst du aber, daß ich sage, o Freund, nach welchen Gesetzen die Ordnung, Zahl, Größe und die übrigen erkennbaren Eigenschaften der Gestirne bestimmt seien, so sage ich, daß, was die Ordnung betrifft, dieselbe Materie zwar sei im Ganzen, nur mannigfaltig verwandelt, innerhalb desselben aber zwei verschiedne Gegenden, die eine, welche von jenen Sphären bewohnt wird, denen die Zeit vollkommner als den übrigen ver1

beschreiben] so NDU ZD ED NDR SW W: beschrieben

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mählt ist, und deren Einheit der absoluten am meisten gleichkommt, die andre, worin jene leben, welche die Zeit minder vollkom | men in sich selbst haben und weniger selbstständig sind. Und da jedes Ding, dem die Zeit lebendig verknüpft ist, auch den äußeren Ausdruck davon trägt, welcher die Linie und in Verbindung ¦ mit der Materie der Zusammenhang und die Festigkeit ist, so ist unter jenen auch, den vollkommneren, erstens jedem einzelnen das Gepräge der Zeit, die Linie, eingepflanzt, welche wir seine Achse nennen, und deren äußerste Punkte durch Süd und Nord bezeichnet werden; dann aber ist es auch dem Ganzen so aufgedrückt, daß alle zusammen eine gemeinschaftliche Linie bilden, und nach der Stelle, die sie in dieser einnehmen, einen größern oder geringern Grad des Zusammenhangs und der Einheit mit sich selbst zeigen, die äußersten Punkte aber des Ganzen sich wieder wie Süd und Nord verhalten. Jene Sphären also, die im Ganzen die Verbindung von Süd und Nord darstellen, sind aus festerem und daurenderem1 Stoff gebaut, unter sich aber so angeordnet, daß innerhalb jener Verbindung alle Gegenden des Himmels sich verbünden, jede Verbindung aber durch drei Gestirne dargestellt | sei, wovon das erste, welches am wenigsten von dem Abbilde der Einheit entfernt ist, der einen, das dritte oder entfernteste der entgegengesetzten angehöre, das mittlere aber die Indifferenz beider in dieser Verbindung darstelle, so daß keines vor dem andern wesentlich verschieden ist, die Zahl aller Gestirne aber, welche innerhalb dieser Verbindung sind, der Zwölfzahl gleichkommen möchte. Diesen nun sind die vollkommensten Bewegungen verliehen. Wie aber diese im Ganzen genommen die Verbindung von Süd und Nord darstellen, so jene, welche die zweite Gegend bewohnen, die von Ost und West, jedoch so, daß innerhalb dieser Entgegensetzung selbst wieder alle Gegenden des Himmels, von

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deren jeder an einem jeden körperlichen Dinge notwendig ein Ausdruck ist, sich verschlingen und verbinden. Diese nun, weil sie eine Art der Einheit in sich tragen, welche am wenigsten absolut ist, eben weil sie sich von der absoluten am wenigsten absondert, weichen eben deswegen mehr oder weniger von der vollkommensten Bewegung ab. Das Gesetz aber ihrer | Anzahl zu finden, welche in großen Verhältnissen zunimmt, möchte allen unmöglich sein. Nach welcher Ordnung nun ferner unter denen, welche das vollkommnere Leben in sich selbst haben, die Entfernungen zunehmen, ¦ könnte einer, der weiter nachdächte, schon aus dem zuvor von uns Verhandelten begreifen, noch mehr aber, wenn er die Geheimnisse des Dreiecks erkannt hätte. Die Massen aber und Dichtigkeiten betreffend, so hat es jener himmlischen Kunst gefallen, daß im Ganzen genommen die größten Massen die Mitte einnehmen, die dichtesten aber der Einheit aller, oder dem Abbilde der Einheit die nächsten seien, im Einzelnen aber auch je unter drei Gestirnen, die von Einer1 Ordnung sind, auf das, welches am meisten durch Dichtigkeit ausgezeichnet ist, ein solches, welches durch die größere Masse, und auf dieses eines der Art folge, welches unter diesen am meisten in seinem Lauf von der Kreislinie abweicht. Im Allgemeinen aber, was das letzte betrifft, so ist folgendes Gesetz. Die Dinge im Universum überhaupt sind | mehr oder weniger vollkommen, je mehr oder weniger ihnen die Zeit einverleibt ist. Einverleibt aber ist sie allen, die sich vor den andern auszeichnen. Denn an dem einzelnen Ding zwar, sagten wir, sei der Ausdruck der Zeit die Linie oder die reine Länge, das also, welches die Länge an sich am vollkommensten ausdrückt, hat von allen bloß körperlichen und einzelnen Dingen auch die Zeit vollkommner in sich als die andern. Ist ihm aber die Zeit als Zeit lebendig, tätig verknüpft, so muß auch in seinem Begriff mehr oder weniger die Möglichkeit andrer Dinge enthalten sein. 1

Einer] ZD: einer

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Daher wir sehen, daß jener Stein, welchen die Alten zwar den Stein des Herakles, die späteren aber Magnet genannt haben, obgleich er einzeln scheint, doch eine Kenntnis und Gefühl andrer Dinge habe, die er bewegt und entweder an sich zieht oder von sich zurückstößt, ferner daß ihm auch der Wechsel der Jahreszeiten nicht fremd sei, gleich dem Zugvogel, der den Flug nach einem andern Himmelsstrich lenkt, und daß auch er ein Zeiger der Zeit sei, und, gleich den Gestirnen, nur unvollkommner und unterlie | gend der Einheit, die außer ihm ist, seine Jahre und Tage habe. Wenn ihm aber die Zeit nicht vollkommner einverleibt ist, so liegt der Grund davon in ¦ der Unvollkommenheit seines Leibes oder desjenigen, was an ihm reine Differenz ist. Je mehr also erstens einem Dinge die Zeit verbunden ist, desto weniger bedarf es der Einheit außer sich, denn es ist sich selbst die Einheit, desto weniger aber kann es auch zu denen gehören, welche der Schwere am meisten unterworfen, und welche die dichtesten sind. Hinwiederum werden eben deswegen die dichtesten die Zeit unvollkommner in sich selbst haben, die aber, welche am wenigsten von der Zeit in sich tragen, sind auch am wenigsten individuell, und abgesondert von der Einheit, desto weniger also auch der Schwere unterworfen, welche von Seiten des Dings ein Differenzverhältnis fodert. Wende dieses auf die Gestirne an;1 so wirst du begreifen, warum diejenigen, denen die Zeit am vollkommensten eingepflanzt ist, welche also die vortrefflichsten sind, und die Gleichheit, die in ihnen ist, auch in ihren Bewegungen am vollkommensten ausdrücken, | zu den weniger dichten gehören, hinwiederum auch, warum die dichtesten, da sie die Zeit unvollkommen in sich selbst haben, von der schönsten Art der Bewegung mehr abweichen als jene; endlich warum diejenigen, welche am wenigsten von dem Ausdrucke der Zeit, Form und Gestalt, an sich tragen, und die am meisten von der schönsten Bewegung abweichen, auch die am wenigsten dichten seien,

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an;] SW W: an,

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nicht weil sie der Einheit weniger bedürfen, sondern weil sie am wenigsten sich von ihr abgesondert haben. Und hierin liegt denn das Geheimnis der Verschiedenheiten, welche an den himmlischen Dingen in Ansehung der Vollkommenheit wahrgenommen werden, mit der sie die schönste Figur in ihren Bewegungen nachahmen. Nachdem nun auf diese Weise alles nach Maß und Zahl aufs Schönste geordnet und einer jeden Sphäre eine doppelte Einheit verliehen war: die erste, wodurch sie sich selbst absolut, und jener vollkommensten Vereinigung des Endlichen mit dem Unendlichen in Gott, deren Idee wir das absolute Tier nennen können, am ähnlichsten, so | nach organisch, frei und lebendig wäre, die andre, wodurch sie im Absoluten, und mit dem, was an ihr Differenz, aufgenommen wäre ¦ in die Einheit; nachdem es ferner der himmlischen Weisheit gefallen hatte, daß die Gleichheit beider Einheiten nur in der Differenz erhalten würde:1 so wurde mit dieser Differenz zugleich auch die Trennung beschlossen, in Dinge, welche als Differenz nur der Aufnahme in die Indifferenz fähig, und wegen der unvollkommnen Art, die Zeit in sich zu haben, völlig der Schwere unterworfen, als tot und unbelebt erschienen, und in solche, in welchen die Differenz selbst Indifferenz wäre, und die, die Zeit und das Leben vollkommner in sich selbst habend, lebendig und organisch wären, und jene Einheit der Sphären, wodurch sie sich selbst das All, und frei und vernünftig sind, am vollkommensten von allen einzelnen Wesen ausdrückten. Auf diese Weise sind die himmlischen Sphären, indem von ihrer Einheit sich trennte, was bestimmt war, in einem Anderen2 zu leben, zugleich mit lebenden Wesen aller Art und von jeder Vollkommenheit, die | in der ersten Einheit enthalten war, bevölkert worden, dies aber durch denselben Ratschluß, welcher ihre Bahnen mehr oder weniger abweichend machte von der Kreislinie.

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würde:] so SW W ED NDU NDR ZD: würde, Anderen] SW W: anderen

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Je vollkommner nun eine Sphäre die Einheit, durch welche sie organisch, und diejenige, durch welche sie unorganisch, vereinigte, desto mehr notwendig näherte sie sich dem Urbilde der Bewegung. In der Mitte aber aller, an dem Abbild ihrer Einheit, entzündete sich das unsterbliche Licht, welches die Idee aller Dinge ist. Denn da die Idee, welche die Form ist, der Substanz gleich, ja sie selbst ist, so mußte an dem, worin alle Dinge des Universums der Substanz nach Eines sind, auch die Idee aller ausgedrückt sein. Damit also jene Einheit des Wesens mit der Form offenbar würde, schuf die himmlische Kunst jenes Gestirn so, daß es ganz Masse und ganz Licht wäre, der Herd der Welt, oder wie andere sagen, die heilige Wache des Zeus; da es aber selbst aus einer höheren Einheit genommen und insofern ein Einzelnes ist, so drückte sie, was an ihm noch Differenz ist, | durch dunkle Stellen aus, welche sie über seinen Lichtglanz zerstreute. Weil aber das Licht, als die Idee, zugleich die Indifferenz des Raumes und der Zeit ist, so wurde weiter verordnet, daß es erstens ¦ den Raum nach allen Richtungen beschreibe, ohne ihn zu erfüllen, und alle Dinge erleuchte, darauf, daß es die Fackel und der Zeiger der Zeit, und das Maß sowohl der Jahre als der Tage sei. Denn die Sonne, außerdem, daß sie die Indifferenz aller Dinge ist, die in ihrem Universum enthalten sind, strebt noch überdies beständig, mit dem, was an den andern Sphären, die sich um sie bewegen, reine Differenz ist, zusammenzuhangen, ihre eigne relative Einheit durch sie fortzusetzen, durch sie selbst fortzuwachsen und mit Einem1 Wort auf solche Weise mit ihnen Eins2 zu werden, wie ein Ding mit sich selbst Eines3 ist. Allein je vollkommner einem Dinge die Zeit eingeboren ist, desto mehr sich selbst gleich ist es, daher wir sehen, daß die Erde auch an dem, was an ihr tot ist, das Gepräge der lebendigen Zeit ausdrüc | kend, die Differenz durch die Einheit des Begriffs und 1 2 3

Einem] so SW W ED NDU NDR ZD: einem Eins] SW W: eins Eines] SW W: eines

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die Linie vereinigt, welche der Ausdruck ihres Selbstbewußtseins ist, und die in der Erscheinung zwar sich als die Achse darstellt, deren äußerste Punkte wir durch Süd und Nord bezeichnet haben. Auf diese Weise das Besondere in sich dem Allgemeinen verknüpfend, strebt sie der Sonne entgegen, welche jenes als Besonderes zu setzen, und mit dem Ausdruck der Zeit, den sie an sich selbst hat, zu verbinden trachtet. Da nun die Erde und jede andre Sphäre die relative Gleichheit mit sich selbst, welche darin besteht, daß die Differenz an ihr dem Begriff vereinigt sei, in der Richtung der Länge setzt, so strebt die Sonne, indem sie dem Besondern einer jeden ihren Begriff zu verbinden sucht, eine gleiche relative Einheit in der Richtung der Breite hervorzubringen. Dadurch aber, daß jede Sphäre diesem Streben durch ihr eignes Leben sich widersetzt, sind erstens Tag und Nacht gemacht (denn jenes Streben der Sonne macht jede Sphäre sich um sich selbst bewegen), das Jahr aber von dem Tage getrennt und ver | hindert worden, daß nicht die eingeborne und lebendige Zeit einer jeden, mit der, welcher sie unterworfen ist, Eins1 und gleich gesetzt würde. Denn wenn die Sonne mit einer Sphäre auf solche Weise Eins2 ¦ würde, wie ein Ding mit sich selbst Eins3 ist, so würde jene in derselben Zeit, in welcher sie sich Einmal um sich selbst bewegt, auch ihren Umlauf um die Sonne machen, das Jahr also würde dem Tage gleich sein, die eine Hälfte der Erde aber weder das Angesicht der Sonne sehen, noch das heitere Licht, gleichwie wir bemerken, daß jene niedreren4 Sphären, die wir Monde nennen, denen, mit welchen sie zusammenhangen, immer dieselbe Seite zukehren und Eine Zeit haben der Bewegung um sich selbst und des Umlaufs um diese.

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Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins niedreren] NDU W: niederen SW: niederern

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Die Differenz aber der Erde, welche nur durch die Verbindung mit dem Begriff und der Seele der Erde belebt ist, der relativen Einheit der Sonne verbunden, würde den völligen Tod leiden. Auf diese Weise also, wie wir es beschrieben haben, ist das Universum mit sich selbst verflochten, und strebt immer mehr, sich selbst | ähnlich, und Ein Leib und Eine Seele zu werden. Gleichwie aber in einem Tier die Seele sich in vielgestaltige Glieder absondert, deren jedes aus ihm seine besondre Seele nimmt, und alles Einzelne, obgleich zum Ganzen verbunden, doch für sich selbst lebt, so ist auch im Universum, damit es in der Vielheit Eins und in der Unendlichkeit endlich wäre, jedem seine besondre Zeit gegeben, das Ganze aber so abgebildet aus Gott, daß es die Zeit absolut in sich selbst habe, selbst also in keiner Zeit, und ein so eingerichtetes Tier sei, daß es nicht sterben könne. Die ewige Idee nun aller körperlichen Dinge, o Freund, nannten wir das Licht. Wo nun an einem Dinge das Endliche dem Unendlichen gleich wird, ist an ihm auch die Idee oder jenes absolute Erkennen ausgedrückt, in welchem kein Gegensatz ist des Denkens und Seins. Die Form ferner an einem solchen ist die Substanz, die Substanz die Form, beide untrennbar. Je mehr aber ein Ding einzeln ist und in seiner Einzelnheit beharret, desto mehr trennt es sich von dem ewigen Begriff aller | Dinge, welcher in dem Licht außer ihm fällt, wie der unendliche in der Zeit, es selbst aber gehört dem an, was nicht ist, sondern Grund von Existenz ist, der uralten Nacht, der Mutter aller Dinge. ¦ Das Licht nun, das mit sinnlichen Augen gesehen wird, ist nicht die Indifferenz des Denkens und Seins selbst, schlechthin betrachtet, sondern sofern sie sich bezieht auf eine Differenz, wie die der Erde oder einer andern Sphäre; je nachdem nun ein irdischer Körper sich absondert von der Allheit der Erde, ist er notwendig undurchsichtig, je geringer aber der Grad der Absonderung, desto durchsichtiger notwendig.

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Die Grade aber des Belebtseins betreffend, so sage ich, daß ein Ding in dem Verhältnis, als es die Zeit und das Licht in ihm selbst hat, auch belebt sei. Die Form nun als Form ist nicht die Seele des Dings, sondern je vollkommner sie ist, desto mehr der Substanz gleich; die Seele aber ist der Begriff des Dings, welcher, endlich zwar betrachtet, bestimmt ist, auch nur die Seele des einzelnen existierenden Dings zu sein. | Es fällt also auch in die Seele jedes Dings von dem Universum nur so viel, als das Ding von ihm dargestellt hat. Das bloß körperliche Ding nun, wie wir wissen, ist notwendig und ins Unendliche ein einzelnes. Das organische Wesen dagegen, an welchem das Licht und die Form die Substanz selbst wird, enthält in seinem Begriff die Möglichkeit unendlich vieler Dinge außer dem einzelnen, es sei nun die Möglichkeit seiner selbst in unendlichen Zeugungen durch die Fortpflanzung, oder die Möglichkeit andrer Dinge, die von ihm verschieden sind und die es mit sich durch Bewegung verbindet, oder endlich die Möglichkeit andrer Dinge, die von ihm verschieden zugleich, und doch in ihm sind, indem ihm selbst die Idee einverleibt ist, welche in der Beziehung zwar auf eine Differenz das Anschauende ist. Allein weil die organischen Wesen zwar den unendlichen Begriff und das Leben in sich selbst, die Differenz aber, welche jenem jederzeit angemessen wäre, und die Bedingung des Lebens sich von außen nehmen sollten, so sind sie dadurch erstens abhängig | gemacht, bedürftig, dann auch der Krankheit fähig, dem Alter unterworfen und sterblich, so daß sie auf keine Weise der Vortrefflichkeit der himmlischen Dinge gleichkommen. ¦ Die Einheit aber, wodurch die Erde sich selbst die Substanz ist, mehr oder weniger unvollkommen in sich tragend, verhalten sich die organischen Wesen zu jener Einheit als zu ihrem Grunde, ohne sie selbst zu sein, und sind in ihren Handlungen zwar vernünftig, nicht aber durch die in ihnen1 selbst, sondern 1

in ihnen] so NDU SW W ED NDR ZD: ihnen

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durch die in dem Universum wohnende Vernunft, welche sich an ihnen als ihre Schwerkraft äußert. Da sie aber einzeln sind, und notwendig unvollkommen durch den Gegensatz des Ideellen und Reellen, der Seele und des Leibes, so sind alle ihre Handlungen auf die Einheit gerichtet, nicht aber durch sie selbst, sondern durch das göttliche Prinzip, welches sie lenkt. Dieses aber hat ihnen eine solche Einheit mit allen Dingen gegeben, die zu ihrem Dasein gehören, daß sie sich in diesen Dingen fühlen, und auf alle Weise sie mit sich eins zu machen streben. Einen | Strahl auch der lebendigen Kunst, welche alle Dinge baut, verlieh es ihnen, und lehrte sie durch mehr oder weniger zusammengesetzte Handlungen die Indifferenz des Denkens und Seins, die sie nicht in sich haben, außer sich, in Werken zu erreichen, welche darum zweckmäßig erscheinen, weil dem Begriff, welcher sie beseelt, mehr oder weniger der Begriff andrer Dinge verbunden ist. Auch einen Teil pflanzte es ihnen ein der himmlischen Musik, die im ganzen Universum, im Licht und in den Sphären ist, und lehrte die, welche bestimmt waren, den Äther zu bewohnen, in ihrem Gesang sich vergessend, zurückzukehren in die Einheit. Andere hat die Einheit freier gelassen, und ihnen verstattet, mehr von ihr in sich selbst als außer sich zu haben, gleichwie auch eine fruchtbare und vielbegabte Mutter allen ihren Kindern sich selbst eingebiert, dem einen aber mehr, dem andern weniger, und nur Einem sich ganz mitteilt. In jedem aber das, was in ihr selbst ist, mit Differenz setzend, hat sie das, was in ihr ununterscheidbar ist, unterscheidbar gemacht, denn jede besondre Eigenschaft le | bender Wesen entsteht dadurch, daß keines die ganze Indifferenz der Einheit in sich trägt, welche, da sie der Inbegriff aller Formen ist, selbst keiner besondern gleichen kann. Allein das Wesen, welches die Substanz nicht vollkommen in sich ¦ selbst hat, kann auch nicht vollkommen sich absondern von der Einheit, und ist nur in ihr. Von dem bloß körperlichen Dinge zwar wissen wir, daß von dem Begriff an ihm nur ein toter Ausdruck, der lebendige Begriff aber außer ihm in dem Unendlichen sei, und daß es nur ein äußeres Leben im Absolu-

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ten habe. Jeder leidenden Art zu sein aber entspricht in dem Universum eine tätige, und jedes Tier hat außerdem, daß es eine besondere Art zu sein ist, auch noch Teil an dem lebendigen Begriff und ein inneres Sein im Absoluten; nur aber teilhabend und auch an dem, was an ihm endlich ist, das Unendliche unvollkommner ausdrückend, ist es nicht das anschauende Prinzip selbst, sondern im Differenzverhältnis mit ihm. Indem aber eine Seele von der Natur des an und für sich selbst Unendlichen ist, | der Leib aber endlich zwar, jedoch, im Endlichen unendlich, das Universum darstellt, wird jene in Gott verborgene absolute Gleichheit des Unendlichen, welches das Vorbild, mit dem unendlich Endlichen, welches das Gegenbild, offenbar an einem zeitlichen Wesen. Jenes also, in Ansehung dessen Seele und Leib, Denken und Sein absolut Eins1 sind, wird das Wesen des schlechthin Ewigen, Unteilbaren, in welchem die Idee auch die Substanz ist, an sich tragen, die Seele aber, an sich zwar das unendliche Erkennen, als die Seele aber dieses Existierenden die unendliche Möglichkeit sein alles dessen, wovon in diesem die Wirklichkeit ausgedrückt ist. Dieses nun, welches wir als den Leib bestimmt haben, obwohl es nicht ein endliches Sein, sondern ein unendlich-endliches ist und die Allheit in sich darstellt, ist doch ideell notwendig einzeln, notwendig also auch bestimmbar im Gegensatz gegen andre Dinge, die ein endliches oder unendliches Sein ausdrücken, und von denen in dem Begriff des Leibes entweder die Möglichkeit ohne die Wirklichkeit oder die Wirklichkeit ohne die Möglichkeit enthalten ist. | Wird also das unendliche Denken, welches, mit dem Sein gleichwerdend, sich als unendliches Erkennen am Endlichen darstellt, gedacht als die Seele des Leibes, sofern er notwendig einzeln ist, so erscheint es auch notwendig nur in der Endlichkeit unendlich, und als einzelner ¦ Begriff, obgleich von der vollkommensten Art, des unendlichen Erkennens; dagegen an sich betrachtet, ist es nicht die Seele dieses Dings, sondern der

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Eins] SW W: eins

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unendliche Begriff der Seele selbst, und das, was allen Seelen gemein ist. Unmittelbar also, indem du das unendliche Erkennen, die lebendige und unsterbliche Idee aller Dinge, als existierend setzest, setzest du, weil dies ohne Beziehung auf ein einzelnes Ding nicht geschehen kann, auch wieder den Gegensatz von Differenz und Indifferenz, und gleichsam eine doppelte Seele, die, welche von dem unendlichen Erkennen die Wirklichkeit, und die, welche die unendliche Möglichkeit enthält. Wenn ich nun, o Freund, fähig sein werde zu beweisen, daß mit jener Trennung zugleich auch, nicht zwar in Ansehung des Absoluten, wohl aber wie alles andre, was | zur abgebildeten Welt gehört, in Ansehung seiner selbst und für sich selbst, das Bewußtsein, für dasselbe aber zugleich auch das zeitliche Sein der Dinge und die gesamte Erscheinungswelt gesetzt sei, so werde ich zu dem von dir vorgesteckten Ziel gelangt sein, und den Ursprung des Bewußtseins aus der Idee des Ewigen selbst und seiner inneren Einheit abgeleitet haben, ohne einigen Übergang vom Unendlichen zum Endlichen zuzugeben oder anzunehmen. Allein zuvor laß uns noch das Bleibende festhalten, und jenes, das wir als unbeweglich setzen müssen, indem wir das Bewegliche und Wandelbare setzen, denn nicht müde wird die Seele, immer zu der Betrachtung des Vortrefflichsten zurückzukehren; hernach auch uns erinnern, wie allem, was aus jener Einheit hervorzugehn, oder von ihr sich loszureißen scheint, in ihr zwar die Möglichkeit für sich zu sein vorher bestimmt sei, die Wirklichkeit aber des abgesonderten Daseins nur in ihm selbst liege, und selbst bloß ideell, als ideell aber nur in dem Maße stattfinde, als ein Ding | durch seine Art im Absoluten zu sein, fähig gemacht ist, sich selbst die Einheit zu sein. Weder also ein Ding kann durch Dauer bestimmt werden, als insofern es das Objekt einer Seele ist, welche endlich und deren Existenz durch Dauer bestimmt ist, noch kann hinwiederum die Existenz der Seele als Dauer bestimmt sein, als insofern sie bestimmt ist, der ¦ Begriff eines einzelnen existierenden Dings zu sein. Weshalb die Seele so wenig als der Leib etwas an

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sich1 denn sowohl jene als dieser sind jedes nur an dem andern zeitlich; an sich ist nur die Einheit beider in dem nicht der Dauer Unterworfenen, in der allerseligsten Natur, worin die Möglichkeit nicht von der Wirklichkeit, das Denken nicht vom Sein getrennt ist, das Urbild also, welches unerschaffen und wahrhaft unvergänglich ist. Denn weder die Seele, die sich unmittelbar auf den Leib bezieht, ist unsterblich, da es dieser nicht ist, und ihr Dasein überhaupt nur durch Dauer bestimmbar und dadurch bestimmt ist, sofern dieser dauert, noch selbst die Seele der Seele, die zu dieser sich ebenso, wie diese zu dem Leibe, verhält. | Die Seele ferner, da sie nur durch den relativen Gegensatz mit dem Leibe, also überhaupt nicht an sich ist, erscheint nur durch diesen Gegensatz, mithin nur, sofern sie der Begriff eines einzelnen Seins ist, zum Dasein bestimmt, dieses aber nicht durch eine Verknüpfung mit dem Dinge, sondern durch ihre eigne Endlichkeit, kraft welcher die Möglichkeit, die in Gott ihrer Wirklichkeit, und hinwiederum die Wirklichkeit, die in ihm ihrer Möglichkeit verknüpft ist, in Ansehung ihrer selbst außer ihr liegt. Denn die Begriffe, welche unmittelbare Begriffe endlicher Dinge sind, verhalten sich wie diese selbst, und sind dem unendlichen Begriff ebenso wie diese entgegengesetzt, und nur, sofern sie in der Endlichkeit unendlich sind, ihm angemessen. Wie also das Ding sich seine Zeit setzt, indem es eine Wirklichkeit enthält, von der die Möglichkeit, oder eine Möglichkeit, von der die Wirklichkeit außer ihm selbst ist, ebenso auch der Begriff, sofern er schlechthin endlich ist. Und wie in Ansehung der Dinge, ebenso ist auch in Ansehung der unmittelbaren Begriffe der Dinge jene unendliche Einheit, in der jede Möglichkeit ihre Wirk | lichkeit, jede Wirklichkeit ihre Möglichkeit unmittelbar mit und in sich hat, auseinander gezogen im Reflex, ein Verhältnis der Ursache und Wirkung, so daß jeder Begriff zum Dasein bestimmt scheint durch einen andern Begriff, in welchem seine unmittelbare Möglichkeit angeschaut wird, die1

sich,] SW W: sich;

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ser wieder durch einen andern gleicher Art, und so fort ins Unendliche. ¦ Da sonach die endlichen Begriffe die endlichen Dinge selbst und mit ihnen absolut Eines1 sind, so kann auch der Gegensatz des Endlichen und Unendlichen allgemein als der Gegensatz der endlichen Begriffe und des unendlichen Begriffs aller Begriffe ausgedrückt werden, so daß jene zu diesem selbst wie das Reelle zum Ideellen sich verhalten, die Differenz also des Ideellen und Reellen selbst eine Differenz in der Sphäre der Begriffe sei. Nur aber der von seinem unendlichen Begriff getrennte und in dieser Trennung betrachtete Begriff erscheint zum Dasein bestimmt, seine Idee aber, oder er selbst dem Unendlichen verknüpft, ist in der ewigen Gemeinschaft mit Gott. In den endlichen | Begriff aber, sofern er getrennt wird, fällt von dem, was in Gott ewig, ohne Zeit, ist, nur, was zugleich mit ihm sich absondert von der Allheit, und dies wiederum ist bestimmt durch die Möglichkeit andrer Dinge, die ihm selbst in Gott verknüpft ist. Das Gesetz aber, nach welchem auch nur für sich selbst die Seele sich absondert, und zum Dasein bestimmt scheint, würde, weil jede Seele ein Teil ist des unendlichen organischen Leibs, der in der Idee ist, wenn wir es erkennten, einen fernen Blick wenigstens verstatten in die Harmonie jener glanzvollen Welt, die wir hier nur wie durch einen Spiegel erkennen. Allein ein solches Gesetz zu finden, ist ebenso schwer, als es für alle auszusprechen unmöglich. Die allgemeinsten Gesetze aber, nach welchen die absolute Welt in dem endlichen Erkennen sich entwirft, zu finden, ist ein hohes Ziel des Denkens. Laß uns daher, Freund, jetzt von dem Punkt aus weiter schließend, den wir zuvor bezeichnet haben, wo nämlich durch Beziehung des unendlichen Erkennens auf ein | einzelnes Ding unmittelbar und notwendig der relative Gegensatz des Endlichen und Unendlichen im Erkennen selbst gesetzt ist, jenes Ziel zu erreichen streben. Dann auch werden wir zu dem Ersten, 1

Eines] SW W: eines

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und dem Ursprung aller Dinge, am sichersten zurückkehren, wenn wir gezeigt haben, daß alle Gegensätze, wodurch ¦ endliche Dinge bestimmt und unterschieden sind, durch jene Eine Trennung gesetzt seien1, welche selbst nur innerhalb des Ewigen, und nicht in Ansehung des Absoluten, sondern nur in Ansehung des von ihm für sich selbst Abgesonderten gemacht ist. Allein damit wir unserer Sache gewiß seien, ist es dir gefällig, daß wir nochmals kurz wiederholen, worüber wir übereingekommen sind? Lucian In alle Wege. Bruno Das unendliche Erkennen also könne nur als die Seele eines Dings existieren, welches das Endliche unendlich, also das Universum in sich darstellt? Lucian So ist es; denn jeder Begriff, sagten wir, existiere nur dadurch, daß er der Begriff eines existierenden Dinges sei. | Bruno Jenes Ding aber ist notwendig wieder ein Einzelnes, und insofern es als solches existiert, der Zeit und der Dauer unterworfen. Lucian Freilich. Bruno Die Seele also, deren unmittelbares Objekt es ist, nicht minder? Lucian Ebenso. Bruno Die Seele also, welche der Begriff dieses Dings (von dieser aber reden wir ferner allein), ist wiederum nur ein Teil der unendlichen Möglichkeit, die in Gott ohne Zeit wirklich ist; in die einzelne Seele fällt aber nur die Wirklichkeit von dem, wovon in ihr selbst die Möglichkeit enthalten ist. Lucian Notwendig. Bruno Nahmen wir aber nicht an, daß die Seele das unendliche Erkennen selbst sei? Lucian Allerdings, wir setzen dies aber, insofern wir sie an sich betrachten; insofern aber als die Seele dieses Dings, setzen wir sie notwendig endlich und der Dauer unterworfen. Bruno Wir haben also notwendig eine gedoppelte Ansicht der Seele? | 1

seien] so ZD SW W ED NDU NDR: sein

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Lucian Natürlich, denn setzen wir sie bloß als sich beziehend ¦ 138

auf dieses, dessen Begriff sie ist, so setzen wir sie nicht als unendliches Erkennen, und bloß als unendlich, so setzen wir sie nicht als Begriff eines existierenden Dinges, mithin selbst nicht als existierend. Wir setzen also notwendig die Seele zugleich als endlich und unendlich. Bruno Das unendliche Erkennen also existiert oder erscheint nur unter der Form der Differenz und Indifferenz. Lucian So ist es. Bruno Wir setzen aber beide als notwendig vereinigt: die Seele, insofern sie mit dem Leib Eins1, ja er selbst ist, und die Seele, insofern sie das unendliche Erkennen ist? Lucian Vereinigt durch den ewigen Begriff, worin Endliches und Unendliches sich gleich sind. Bruno Nur diese Idee ist in Gott, der Gegensatz aber von Differenz und Indifferenz nur in der Seele selbst, sofern sie existiert. Lucian Auch dies verhält sich so. Bruno Sagtest du aber nicht, die Seele, in der einen Rücksicht betrachtet, sei mit dem Leib Eins2, ja der Leib selbst? | Lucian So sagte ich. Bruno Welches Verhältnis also wirst du der als unendlich betrachteten zu der als endlich betrachteten Seele geben? Lucian Notwendig wiederum das der Seele zu dem Leib. Bruno Wir haben nun also den Gegensatz zwischen Seele und Leib in die Seele selbst versetzt. Lucian Es scheint so. Bruno Der Seele also, insofern sie endlich ist, werden wir alle Verhältnisse zuschreiben müssen, welche dem Leib notwendig zugeschrieben werden. Lucian Wir können nicht anders. Bruno Die Seele aber, insofern sie sich auf den Leib bezieht, bestimmten wir als die Möglichkeit, wovon in dem Leib die Wirklichkeit ausgedrückt wäre. Lucian Ganz richtig. 1 2

Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins

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Bruno Müssen wir daher nicht, da wir die Seele, als un ¦ mittel-

baren Begriff des Leibes, und den Leib selbst1 als Ein Ding gesetzt haben, jene, insofern sie sich unmittelbar auf den Leib bezieht, der Seele, insofern sie unendlich ist, als Wirklichkeit der | Möglichkeit, diese aber jener wie Möglichkeit der Wirklichkeit entgegensetzen? Lucian Ohne Frage. Bruno Jene Möglichkeit aber setzen wir notwendig als schlechthin unendlich, diese Wirklichkeit dagegen als endlich? Lucian Wie anders? Bruno Du wirst es also auch zufrieden sein, wenn wir jene den unendlichen Begriff des Erkennens, diese aber, da sie ein Denken in Bezug auf ein Sein ist, das Erkennen selbst, und zwar das objektiv existierende Erkennen nennen. Lucian Warum nicht? Bruno Dieses objektive Erkennen aber, da es als endlich2 dem Leib gleich, der Verknüpfung durch Ursache und Wirkung unterworfen, ist notwendig ins Unendliche ein bestimmtes, einzelnes. Lucian Unleugbar. Bruno Wodurch aber denkst du es bestimmt? Durch etwas außer ihm, oder durch sich selbst? Lucian Notwendig das letzte. Bruno Du setzest also eine Verknüpfung durch Ursache und Wirkung in ihm | selbst, und eine solche, daß jedes einzelne Erkennen bestimmt sei durch ein andres Einzelnes3, dieses wieder durch ein andres, und so fort ins Unendliche. Lucian So verhält es sich. Bruno Du setzest eben deswegen jedes Erkennen in dieser Reihe verschieden von dem, wodurch es bestimmt wird, also4 notwendig different ins Unendliche. 1

Seele, … selbst] so SW W ED NDU NDR: Seele, … selbst, ZD: Seele … selbst 2 endlich] SW W: endlich, 3 Einzelnes] so SW W ED ND ND ZD: einzelnes U R 4 also] SW W: als

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Lucian Es ist nicht anders. Bruno Jenen unendlichen Begriff des Erkennens denkst du als

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sich selbst gleich, unwandelbar, unabhängig von Zeitlichkeit, unbestimmt durch eine solche Verknüpfung, als wir eben angenommen haben. Lucian Notwendig. ¦ Bruno Du setzest also zwischen dem objektiven Erkennen und dem unendlichen Erkennen jetzt ganz dasselbe Verhältnis als zuvor zwischen Anschauen und Denken. Lucian Es scheint so. Bruno Du hast aber die Einheit des Ideellen und Reellen in eben diese Einheit des Denkens und des Anschauens gesetzt. Lucian Allerdings. Bruno Du siehest also, daß du für | jene Einheit den Ausdruck von einem einzelnen Punkt hergenommen hast, als ob sie auf diesen eingeschränkt wäre. Jedoch desto mehr muß es uns angelegen sein, diesen Punkt zu bestimmen, um seine Würde erkennen zu lernen. Du setzest also, wenn du die Einheit des Anschauens und Denkens setzest, notwendig das objektive Erkennen mit dem unendlichen Begriff des Erkennens gleich? Lucian So setze ich. Bruno Das objektive Erkennen aber ist endlich nur, sofern es auf den Leib als sein unmittelbares Objekt bezogen wird, unendlich also, insofern es auf den Begriff des Erkennens? Lucian Es folgt wohl. Bruno Aber dieser ist gleichfalls unendlich? Lucian Richtig. Bruno Das Bezogene also, und das, worauf bezogen wird, sind Eins1 und ununterscheidbar.2 Lucian Notwendig. Bruno Das Unendliche kommt also zu dem Unendlichen, und wie denkst du nun, daß dieses zu sich selber Kommen des Unend | lichen sich ausspreche, oder welcher Ausdruck dafür sei? Lucian Ich. 1 2

Eins] SW W: eins ununterscheidbar.] NDU; ununterscheidbar?

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Bruno Du hast den Begriff genannt, mit dem als einem Zauber-

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schlag die Welt sich öffnet. Lucian Gewiß, er ist Ausdruck der höchsten Absonderung des Endlichen vom Endlichen. Bruno Welche weitern Bestimmungen aber dieses Begriffs pflegt ihr zu geben? ¦ Lucian Was wir Ich nennen, ist nur jene Einheit des Idealen mit dem Realen, des Endlichen mit dem Unendlichen; diese selbst aber wieder ist nur sein eignes Tun. Das Handeln, wodurch es entsteht, ist zugleich es selbst, es ist folglich nichts unabhängig von diesem Handeln und außer demselben, sondern nur für sich selbst und durch sich selbst. Ebenso auch die an sich ewigen Dinge gelangen in das objektive und zeitliche Erkennen, worin sie durch Zeit bestimmt werden, bloß dadurch, daß das unendliche Denken sich im Endlichen Objekt wird. Bruno Dieses Objektivwerden des un | endlichen Denkens aber ist gerade das, was wir eben die Einheit des Endlichen und Unendlichen genannt haben? Lucian Notwendig, denn was wir in dem endlichen Erkennen oder den Dingen, und was wir im unendlichen Begriff des Erkennens setzen, ist Ein und Dasselbe, nur angesehn von verschiedenen Seiten, dort objektiv, hier subjektiv. Bruno Auf diesem zugleich subjektiv- und objektiv-, unendlich- und endlich-Sein beruht das Ich. Lucian Freilich. Bruno So sind also auch die endlichen und erscheinenden Dinge für das Ich nur durch das Ich; denn du sagst, sie gelangen in das zeitliche Erkennen nur durch jenes Objektivwerden des Unendlichen im Endlichen. Lucian Auch ist dies eben meine Meinung. Bruno Du siehst, wie genau wir übereinstimmen. Die höchste Absonderung also des Endlichen von dem ihm Gleichen ist die, wo das Endliche in die Einheit und gleichsam die unmittelbare Gemeinschaft mit | dem Unendlichen tritt. Da es aber ein Endliches ist, so kann dieses, das Unendliche, die schrankenlose Möglichkeit, die in seinem Denken enthalten ist, in jenem auch nur auf endliche Weise wirklich machen, und was in ihm

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unendlich vorgebildet ist, in jenem nur endlich zurückstrahlen. So sondert sich, was im Ewigen Möglichkeit und Wirklichkeit in absoluter Einheit ist, im Objektiven des Ich als Wirklichkeit, im ¦ Subjektiven als Möglichkeit ab, in dem Ich selbst aber, welches die Einheit des Subjektiven und Objektiven ist, wird es als Notwendigkeit reflektiert, welche das bleibende Bild der göttlichen Harmonie der Dinge und gleichsam der unbewegliche Widerschein der Einheit ist, aus der sie alle genommen sind. – Bist du nun auch hiermit einverstanden? Lucian Vollkommen. Bruno Muß nicht eben darum an allen endlich erkannten Dingen der Ausdruck des Unendlichen, aus welchem, und des Endlichen, in welchem sie reflektiert werden, und des Dritten, worin diese Eins1 sind, erkannt werden? – Denn von dem, was im Abso | luten das Erste ist, sagten wir schon früher, daß es im Abgebildeten notwendig zum Dritten werde. – Lucian Unstreitig folgt, was du geschlossen hast. Bruno Die Bestimmungen also und die Gesetze der endlichen Dinge können unmittelbar eingesehen werden, ohne daß wir aus der Natur des Wissens herausgehen. Denn bist du nicht auch hierin meiner Meinung, daß wir das objektive Erkennen nicht für sich ein Wissen nennen können, so wenig als das, was wir ihm entgegengesetzt haben? Lucian Vielmehr ist das Wissen nur in der Einheit beider. Bruno Notwendig, denn mit allem Wissen ist, außerdem daß es ein wirkliches Erkennen ist, auch noch der Begriff dieses Wissens verbunden; wer weiß, weiß unmittelbar auch, daß er weiß, und dieses Wissen seines Wissens und das Wissen um dieses Wissen seines Wissens ist Eins2 und unmittelbar verbunden mit dem ersten Wissen, aller Rückgang ins Unendliche ist aufgehoben, denn der mit dem Wissen verbundene Begriff | des Wissens, der Prinzip des Bewußtseins ist, ist das an und für sich Unendliche selbst. 1 2

Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins

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Jedoch hier gilt es, um diese verwickelten Verhältnisse von innen heraus zu entwickeln, jedes für sich zu betrachten. Das Wissen also, sagtest du, bestehe in der Einheit des objektiven Erkennens mit dem unendlichen Begriff desselben. Das objektive Erkennen aber hast du zuvor dem Anschauen gleichgesetzt, und behauptet, daß es notwendig endlich, auf zeitliche Weise bestimmt und im Gegensatz gegen das ¦ Denken different sei. Allein du möchtest kaum ein bloßes Endliches oder reine Differenz setzen können, und wo du es also setzest, geschieht es bloß im Gegensatz gegen ein andres. Dieses aus Endlichem und Unendlichem verschlungene Wesen aber ganz zu entwirren, ist nur dem möglich, welcher einsieht, daß und wie in Allem Alles enthalten und auch in dem Einzelnen die Fülle des Ganzen niedergelegt ist. Die Anschauung also ist Endliches, Unendliches und Ewiges, nur im Ganzen untergeordnet dem Endlichen. Das Endliche nun an ihr ist das, was der Empfindung angehört; das Unendliche aber, was an ihr | Ausdruck des Selbstbewußtseins ist. Jenes im Gegensatz mit diesem ist notwendig Differenz, dieses im Gegensatz mit jenem Indifferenz, jenes real, dieses ideal; das, worin das Ideale und Reale, die Indifferenz und die Differenz Eins1 sind, ist, was in ihr die Natur des schlechthin Realen oder des Ewigen nachahmt. Glaubst du nun, daß du dieses Ewige in der Anschauung dem Denken entgegensetzen könnest, wie du doch getan hast? Lucian Freilich sehe ich nicht, wie es möglich ist. Bruno Die Anschauung hast du bestimmt als Differenz, das Denken als Indifferenz? Lucian Allerdings. Bruno Die Anschauung aber in der Anschauung ist weder Differenz noch Indifferenz, sondern das, worin beide Eins2 sind. Wie geschah es also, daß du sie dem Denken entgegen, und in der Einheit des Idealen und Realen als das Reale setzen konntest? 1 2

Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins

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Lucian Ich bitte dich, mir dies zu erklären. Bruno Du wolltest die Einheit des | Idealen und Realen ein- 149

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schränken auf einen bestimmten Punkt, wie ich dir eben erst bewiesen hatte, und das Reale zu einem wahren Gegensatz des Idealen machen, indes dieser Gegensatz ewig nur ideell ist, und das, was du als das Reale bestimmest, selbst wieder aus einer Einheit des Idealen und Realen besteht, so daß, was an ihm das wahre Reale ist, diese Einheit selbst, das aber, was an ihm auf dem Gegensatz des Idealen und Realen beruht, nur ideelle Bestimmung des Realen ist. Du findest ¦ also nirgends ein reines Reales im Gegensatz gegen ein Ideales; was aber das Anschauen insbesondere betrifft, so magst du, um zu finden, daß du mit einer jeden Anschauung, welche sie sei, eine Einheit des Denkens und des Seins setzest, nur dich selbst fragen, was du eigentlich anschauest, wenn du sagst, daß du ein Dreieck, oder einen Zirkel, oder eine Pflanze anschauest? Ohne Zweifel den Begriff des Dreiecks, den Begriff des Zirkels, den Begriff der Pflanze, und du schaust nie etwas Anderes an als Begriffe. Daß du also das, was an sich ein Begriff oder eine Art des Denkens ist, eine Anschauung | nennest, davon liegt der Grund darin, daß du ein Denken in ein Sein setzest; das aber, wodurch du es setzest, kann nicht wieder weder ein Denken noch ein Sein, sondern nur das sein, worin sie überall nicht unterschieden sind. Die absolute Gleichheit nun des Denkens und des Seins in der Anschauung ist der Grund von der Evidenz der geometrischen Anschauung. Das Anschauende aber in allem Anschaun ist das, was keines Gegensatzes von Allgemeinem und Besonderem fähig ist, an sich die absolute Vernunft, und abgesehen von dem, was durch den Reflex im Endlichen hinzukommt, ungetrübte Einheit, höchste Klarheit und Vollkommenheit. Das aber, was im Reflex hinzukommt, ist, wie bereits gezeigt worden, der relative Gegensatz des Unendlichen, welches die Einheit an ihr ist, und des Endlichen, welches die Differenz; jenes zwar ist der Ausdruck des Begriffs an ihr, dieses des Urteils, jenes das Setzende der ersten, dieses der ersten und zweiten Dimension.

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Was nun in der Anschauung undurchsichtig, empirisch, nicht reiner Raum, reine | Gleichheit des Denkens und Seins ist, ist das, was an ihr durch jenen relativen Gegensatz bestimmt ist. Der Grund aber, daß in der Anschauung Endliches, Unendliches und Ewiges dem Endlichen untergeordnet sind, liegt allein in dem unmittelbaren Verhältnis der Seele zu dem Leibe als einzelnem Dinge. Denn da Leib und Seele Ein1 Ding, beide nur aneinander und durcheinander abgesondert sind von der Allheit, so daß es in Bezug auf den ¦ unendlichen Begriff völlig gleichgültig ist, den Leib als das endliche Sein oder als den Begriff des endlichen Seins zu bestimmen, im Begriff des Leibes aber notwendig der Begriff andrer Dinge enthalten ist: so ist auch dieser Begriff, d.h. die Seele selbst, sofern sie der Begriff jenes einzelnen existierenden Dings ist, bestimmt durch den Begriff andrer Dinge. Auf diese Weise ist das Untrennbare aus Endlichem, Unendlichem und Ewigem in der Seele dem Endlichen untergeordnet, und dieses Anschauen, welches der Zeit unterworfen, notwendig einzeln und von sich selbst verschieden ist, hast du dem Denken entgegengesetzt. Da | aber das Anschauen, so bestimmt, nicht das wahre Anschauen ist, sondern ein verworrner Schein desselben, so folgt auch, daß jene Einheit des Denkens und Anschauens, so wie sie von dir bestimmt und als höchste gesetzt worden ist, einzelner und untergeordneter Art und aus bloßer Erfahrung aufgegriffen sei. Du wirst also diese Enge, in der du dich zuvor festgehalten, indem du die höchste Einheit auf das Bewußtsein eingeschränkt hattest, verlassen, und dich mit mir in den freien Ozean des Absoluten begeben, wo wir uns sowohl lebendiger bewegen, als die unendliche Tiefe und Höhe der Vernunft unmittelbarer erkennen werden. Auf welche Art nun die Drei-Einigkeit des Endlichen, Unendlichen und Ewigen, wie im Anschauen dem Endlichen, so im Denken dem Unendlichen, in der Vernunft aber dem Ewigen untergeordnet sei, ist noch übrig zu sagen.

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Ein] ZD: ein

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Von dem Universum also fällt zu jeder Zeit in die Anschauung nur ein Teil; der Begriff der Seele aber, welcher der Seele unmittelbar, lebendig verknüpft ist, ist der unendliche Begriff aller Dinge. Die Abson | derung des objektiven Erkennens von diesem Begriff setzt die Zeit. Das Beziehen aber des endlichen Erkennens auf das unendliche bringt das Wissen hervor, nicht ein absolut zeitloses Erkennen, sondern ein Erkennen für alle Zeit. Durch jene Beziehung wird notwendig die Anschauung mit dem, was in ihr endlich, unendlich und ewig ist, zugleich unendlich und zu einer unendlichen Möglichkeit von Erkenntnis. Das Unendliche aber unendlich gesetzt, ist, was wir Begriff nennen, das ¦ Endliche aber unter das Unendliche aufgenommen, erzeugt das Urteil, so wie das Ewige unendlich gesetzt, den Schluß. Unendlichkeit aber hat in dieser Sphäre alles, obgleich eine bloße Verstandesunendlichkeit. Der Begriff ist unendlich, das Urteil ist unendlich, der Schluß ist unendlich. Denn sie gelten von allen Objekten1, und für alle Zeit. Jedes derselben aber muß besonders betrachtet werden. Das Unendliche nun an der Anschauung, das im Begriff aufs neue unendlich gesetzt wird, ist der Ausdruck des unendlichen Begriffs der Seele, der mit der Seele selbst Eins2 ist; das Endliche der Ausdruck | der Seele, sofern sie der unmittelbare Begriff des Leibes und mit ihm Eines3 ist; das Ewige aber dessen, worin jene beiden Eines sind. Der unendliche Begriff der Seele nun enthält, wie wir wissen, die unendliche Möglichkeit aller Anschauungen, die Seele, deren unmittelbares Objekt der Leib ist, die unendlich-endliche Wirklichkeit, das aber, worin beide Eins4 sind, die unendliche Notwendigkeit. Da nun der Begriff das unendlich gesetzte Unendliche ist, so ist er die als5 unendlich gesetzte, unendliche Möglichkeit der für 1

Ozean des Absoluten … Objekten] In NDR ist der Zwischentext ausgelassen: Ozean des Absoluten Objekten Vgl. Fußnote 1 S. 88. 2 Eins] SW W: eins 3 Eines] SW W: eines 4 Eins] SW W: eins 5 als] ZD SW W: als

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sich differenten Anschauungen; das Urteil aber, da es das Endliche unendlich setzt, ist das unendlich Bestimmende der Wirklichkeit, der Schluß aber, da er das Ewige, der Notwendigkeit. Der Begriff selbst alsdann ist wiederum Begriff, also unendliche Möglichkeit nicht nur des Unendlichen, des Endlichen und des Ewigen, sondern auch des dem Unendlichen, Endlichen und Ewigen untergeordneten Unendlichen, Endlichen und Ewigen, so daß diese ersten drei, mit sich selbst vervielfacht und von sich selbst durchdrungen, die Zahl | der Begriffe bestimmen. Hierin liegt ein schwer zu entwickelndes Gewebe1 und eine bestimmte Artikulation; willst du aber mit mir versuchen, es zu entwirren,2 so hoffe ich, daß wir zum Ziel kommen werden. Die Unendlichkeit des Begriffs also ist eine bloße Unendlichkeit der Reflexion, das Schema der Reflexion aber die Linie, welche den Dingen zwar, an denen sie ausgedrückt ist, die Zeit einpflanzt, lebendig aber und tätig gesetzt, wie im objektiven Erkennen, die Zeit selbst ist. ¦ Das Unendliche also, Endliche und Ewige dem Unendlichen untergeordnet, durch welche Art von Begriffen glaubst du, daß sie ausgedrückt seien? Lucian Notwendig durch Zeitbegriffe, und zwar scheint mir dies so bestimmt zu sein:3 Die bloße unendliche Möglichkeit einer Zeit enthält die reine Einheit selbst, die unendlich-endliche Wirklichkeit der Zeit die Differenz oder die Vielheit; die ganze Wirklichkeit der Zeit bestimmt durch die unendliche Möglichkeit ist die Allheit. Bruno Vortrefflich, so daß ich kaum | dich aufmerksam zu machen brauche, daß der erste unter diesen Begriffen der quantitativen Indifferenz oder dem Begriffe selbst, der zweite aber, weil er ein Setzen der Indifferenz in die Differenz, eine Aufnahme des 1

Hierin liegt ein schwer zu entwickelndes Gewebe] NDR: Hierin ist ein schwerer Begriff Anschließend bringt NDR den einige Absätze vorher ausgelassenen Text und fährt dann fort mit: zu entwickelndes Gewebe Vgl. Fußnote 1 S. 87. 2 entwirren,] so SW W ED ND ZD: entwirren: U 3 sein:] so SW W ED ND ND ZD: sein. U R

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Verschiednen unter das Eine voraussetzt, dem Urteil entspricht, der dritte aber, welcher Totalität, zu den beiden ersten ebenso sich verhält wie zum Begriff und Urteil der Schluß. Da nun die Einheit auch nicht Einheit ist, die Vielheit nicht Vielheit, ohne daß jene in diese gesetzt, diese in jene aufgenommen wird: so ist das, worin sie Eins sind, und was in der Reflexion als Drittes erscheint, notwendig das Erste. Nimmst du das Relative hinweg, das im Reflex hinzugekommen, so hast du die höchsten Begriffe der Vernunft: absolute Einheit, absoluten Gegensatz, und absolute Einheit der Einheit und des Gegensatzes, welche in der Totalität ist. Das Unendliche nun, das Endliche und das Ewige dem Endlichen untergeordnet, erzeugen mit ihm folgende Begriffe: | Die unendliche Möglichkeit aller Wirklichkeit für die Reflexion enthält die grenzenlose Realität; die Wirklichkeit des Wirklichen, das, was absolute Nichtrealität, bloße Grenze ist, die Wirklichkeit des Wirklichen durch die ganze Möglichkeit bestimmt, ist in dem, worin das Grenzenlose und die Grenze schlechthin Eines1 sind, und welches absolut betrachtet wieder das Erste, und in der Anschauung der absolute Raum ist. Es ist aber offenbar, daß, so wie durch die Zeitbegriffe die Dinge2 am meisten ¦ für den Begriff bestimmt waren, so durch die Raumbegriffe am meisten für das Urteil. Das Unendliche und Endliche aber dem Ewigen verbunden, muß jedes Zwillingsbegriffe erzeugen, weil in der Natur des Ewigen an und für sich schon die des Endlichen und Unendlichen vereinigt ist, jenes aber so, daß je der eine von beiden Begriffen notwendig an der Natur des Endlichen, der andre des Unendlichen teilnehme. Im Unendlichen also drückt sich die Form des Ewigen durch zwei Begriffe aus, wovon der erste im Reflex selbst wieder Möglichkeit, der andre Wirklichkeit ist, beide ver | bunden aber, wie sie sind, die Notwendigkeit erzeugen. Diese Begriffe nennen wir Substanz und Akzidens. In der Endlichkeit aber oder Wirklichkeit spiegelt sich das Ewige durch 1 2

Eines] SW W : eines die Dinge] NDU: Dinge

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die Begriffe der Ursache und der Wirkung, wovon jene im Reflex die bloße Möglichkeit der Wirkung, diese aber die Wirklichkeit, beide verbunden die Notwendigkeit sind. Zwischen die Möglichkeit aber und Wirklichkeit tritt in dem Reflex die Zeit, und nur vermöge dieses Begriffs dauern die Dinge. In der Notwendigkeit endlich drückt sich das Ewige durch den Begriff der allgemeinen Wechselbestimmung der Dinge durcheinander aus, und dieses ist die höchste Totalität, welche sich in der Reflexion erkennen läßt. So wie es uns nun klar geworden ist, daß das Unendliche, Endliche und Ewige, dem Endlichen oder der Differenz untergeordnet, als Raum, dem Unendlichen oder der relativen Einheit, als Zeit erscheine, so ist es offenbar, daß dieselbe Einheit angeschaut unter der Form des Ewigen die Vernunft selbst sei, und sich als Vernunft im Begriff ausdrücke. | Woraus auch die Einheit und die Verschiedenheit der drei Wissenschaften der Arithmetik, der Geometrie und der Philosophie leicht eingesehen werden möchte. Den Organismus nun der reflektierten Vernunft im Urteil, welcher, mit dem zuvor bestimmten Unterschied des Urteils vom Begriff, derselbe wie im Begriff ist, weiter zu entwickeln, wäre unnötige Arbeit. Von dem Schluß aber, welcher das Ewige unendlich setzt, reicht ¦ es hin zu bemerken, daß, da in jedem für sich schon Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit beisammen sind, alle weitere Verschiedenheit in Ansehung desselben sich darauf beschränke, daß die Einheit dieser drei, die in allen Schlüssen sind, entweder unter der Form des Unendlichen, oder des Endlichen, oder des Ewigen ausgesprochen werde. Die unendliche Form nun ist die kategorische, die endliche die hypothetische, die am meisten von der Natur des Ewigen hat, die disjunktive. In jedem Schluß aber ist bei aller Verschiedenheit der Obersatz in Bezug auf den Untersatz stets kategorisch oder unendlich, der Untersatz hypothetisch und end | lich, der Schlußsatz aber disjunktiv und jenes sowohl als dieses in sich vereinigend. Lucian O bewundernswürdige Form des Verstandes! Welche

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Lust ist es, deine Verhältnisse zu ergründen, und den gleichen Abdruck des Ewigen von dem Gerüste der körperlichen Dinge an bis herauf zur Form des Schlusses zu erkennen. In deine Betrachtung versenkt sich der Forscher, nachdem er in dir das Abbild des Herrlichsten und Seligsten erkannt hat. In diesem Widerschein bewegen sich die Gestirne und laufen ihre vorgeschriebne Bahn, in ihm sind alle Dinge das, als was sie erscheinen, und dieses notwendig. Der Grund aber dieser Notwendigkeit liegt in ihrer wahren Natur, wovon das Geheimnis bei niemand ist als bei Gott, und unter den Menschen bei dem, der ihn erkennt. Bruno Zur Erkenntnis aber der Prinzipien der Dinge, welche in Gott sind und den Dingen ihre Erscheinung bestimmen, ist es über alles wichtig zu wissen, was dem Reflex angehört, damit nicht, wie es denen geschieht, die aufs Geratewohl philosophieren, einiges von dem, was zur Erscheinung | gehört, wie es kommt, verworfen, anderes aber als wahr aufgenommen werde, wodurch jene die Philosophie zugleich und das göttliche Wesen verunstalten. Denn außer dem Absoluten, dessen Natur sie nicht rein erkannt, nehmen sie auch vieles an, was sie brauchen, um das, was sie ihre Philosophie nennen, zu Stande bringen zu können, ohne Sonderung und Scheidung dessen, was bloß für die Erscheinung, und was in Ansehung Gottes wahr ist. Einige sogar gehen noch tiefer als zur ¦ Erscheinung, und nehmen einen Stoff an, dem sie die Form des Außereinander und der unendlichen Mannigfaltigkeit zuschreiben. Absolut aber oder in Ansehung der göttlichen Natur ist nichts außer ihr selbst und dem, wodurch sie vollkommen ist, der absoluten Einheit der Einheit und des Gegensatzes, also zwar der Gegensatz wie die Einheit, aber dieser absolut gleich, ohne Zeit, so daß nirgends eine Trennung, nirgends ein Reflex in Ansehung ihrer selbst ist. Andre aber bestimmen auch die Erscheinungswelt so, als ob sie der göttlichen Natur entgegengesetzt wäre, da sie doch in An | sehung dieser überhaupt nichts ist. Denn was wir die Erscheinungswelt nennen, ist nicht jenes Endliche, welches auf eine völlig unsinnliche Weise dem Unendlichen in der Idee ver-

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knüpft ist, sondern der bloße Widerschein desselben, so wie es in der Idee ist. Da nun außer den erkennbaren Dingen auch die Idee dessen, welches bestimmt war, das Universum im sichtbaren Abbild zu erkennen, in dem Universum an und für sich auf ewige Weise enthalten ist, so ist die Idee zwar vor der Erscheinungswelt, aber ohne ihr der Zeit nach voranzugehen, wie vor den einzelnen erleuchteten Dingen, nicht der Zeit, sondern der Natur nach, das allgemeine Licht, welches, obgleich von unzähligen Dingen zurückgeworfen und von jedem gemäß seiner eignen Natur reflektiert, doch selbst nicht mannigfaltig wird, und in seiner Klarheit ungetrübt alle diese Reflexe in sich versammelt. Die wahre Welt aber ist nicht die, welche das Einzelne im Reflex sich bildet, und wovon es die Idee aus dem nimmt, was über ihm ist, sondern der unbewegliche und harmonische Feuerhimmel, der über allen schwebt und alle umschließt. | Wie nun das Endliche, Unendliche und Ewige dem Endlichen in der Anschauung, dem Unendlichen in dem Denken untergeordnet sei, o Freund, ist uns bisher gelungen zu zeigen. Es entstehen aber in der Beziehung des objektiven Erkennens auf das unendliche alle jene Begriffe, durch welche die Dinge allgemein und notwendig bestimmt sind, und die daher den Gegenständen voranzugehen scheinen. Kaum aber, vermute ich, wirst du glauben, daß die Dinge unabhängig von diesen Begriffen also bestimmt seien.1 ¦ Lucian Nimmermehr glaube ich das. Bruno Da sie aber von diesen Bestimmungen nicht getrennt werden können, so sind sie überhaupt nichts, unabhängig von jenen Begriffen. Lucian Schlechthin nichts. Bruno Wie nanntest du aber jene Einheit des objektiven Erkennens mit dem unendlichen Begriff desselben? Lucian Wissen. Bruno Jene Dinge also werden auch nichts, unabhängig von diesem Wissen, sein.

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seien] so ZD SW W ED NDU NDR: sein

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Lucian Durchaus nichts. Sie entste | hen nur durch das Wissen 164

und sind selbst dieses Wissen. Bruno Vortrefflich. Du siehst, wie wir in allen Punkten übereinstimmen. Die gesamte Erscheinungswelt ist also auch rein bloß aus dem Wissen für sich betrachtet zu begreifen. Lucian So verhält es sich. Bruno Aus welchem Wissen aber, aus einem solchen, welches an sich reell oder selbst bloß erscheinend ist? Lucian Notwendig das letzte, wenn nämlich überhaupt das Entgegensetzen des endlichen Erkennens und des unendlichen, und das Gleichsetzen desselben zur Erscheinung gehört. Bruno Könntest du nach dem Bisherigen daran zweifeln? – In dieser ganzen Sphäre also des Wissens, die wir zuletzt beschrieben haben, und die durch Beziehung des Endlichen, Unendlichen und Ewigen im Erkennen auf das Unendliche entsteht, waltet eine durchaus untergeordnete Erkenntnisart, welche wir die der Reflexion oder des Verstandes nennen werden. Lucian Ich bin es zufrieden. | Bruno Werden wir auch die Erkenntnis durch Schlüsse für eine wahre Erkenntnis der Vernunft, und nicht vielmehr für eine bloße durch Verstand halten müssen? Lucian Das letzte wahrscheinlich. Bruno Es ist nicht anders. Denn wenn du im Begriff zwar die Indifferenz, im Urteil die Differenz, im Schluß aber die Einheit ¦ beider setzest, so ist doch diese Einheit eine dem Verstande untergeordnete; denn die Vernunft zwar ist in allem, in der Anschauung aber der Anschauung, im Verstande dem Verstande untergeordnet, und wenn in der Vernunft Verstand und Anschauung absolut Eines1 sind, so hast du in dem Schluß zwar im Obersatz das, was dem Verstande, in dem Untersatz das, was der Anschauung entspricht, dort das Allgemeine, hier das Besondere, diese aber auseinandergezogen für den Verstand und im Schlußsatz auch nur vereinigt für den Verstand. Der unseligste Mißgriff also ist es, diese dem Verstand untergeordnete Vernunft für die Vernunft selbst zu halten. 1

Eines] SW W: eines

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Lucian Ohne Zweifel. | 166 Bruno Die Lehre aber, welche durch diese Unterordnung des

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Ganzen der Vernunft unter den Verstand entsteht, haben die vor uns Logik genannt. Die Logik also, wenn wir diesem Gebrauch folgen, werden wir als eine bloße Verstandeswissenschaft ansehen müssen? Lucian Notwendig. Bruno Welche Hoffnung also zur Philosophie für den, welcher sie in der Logik sucht? Lucian Keine. Bruno Die Wissenschaft aber vom Ewigen, welche durch diese Erkenntnisart erreicht werden kann, wird Verstandeserkenntnis sein und bleiben? Lucian So müssen wir denken. Bruno Wie in den drei Formen der Schlüsse das Absolute der Form nach auseinanderfällt in ein Unendliches, Endliches und Ewiges des Verstandes, so der Materie nach in den Schlüssen der dem Verstande dienstbaren Vernunft in Seele, Welt und Gott, welche drei alle voneinander getrennt, jedes geschieden, die höchste Ausein|anderziehung des im Absoluten schlechthin Einen für den Verstand vorstellen. Von Allen also, welche in dieser Art der Erkenntnis die Philosophie suchen, das Sein aber des Absoluten auf diesem Wege oder überhaupt beweisen wollen, werden wir urteilen, daß sie noch nicht die Schwelle der Philosophie begrüßt haben. ¦ Lucian Wie billig. Bruno Da uns ferner das, was ein großer Teil der Philosophen vor uns, fast alle aber, die sich jetzt so nennen, für die Vernunft ausgegeben haben, noch unter die Sphäre des Verstandes fällt, so werden wir für die höchste Erkenntnisart eine von jenen unerreichte Stelle haben, und sie als diejenige bestimmen, durch welche Endliches und Unendliches im Ewigen, nicht aber das Ewige im Endlichen oder Unendlichen erblickt wird. Lucian Vollendet scheint mir dieser Beweis. Bruno Was meinest du also ferner, genügt es dieser höchsten Erkenntnisart, das Endliche nur überhaupt als ideell zu erblicken, da das Ideelle nichts anders als das Unendliche selbst

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ist, oder besteht sie nicht | vielmehr darin, außer dem Ewigen nichts, und das Endliche für sich so wenig im ideellen als reellen Sinne zuzugeben? Lucian Es folgt wohl. Bruno Wird also nach unsrer Meinung ein Idealismus, der es nur in Ansehung des Endlichen ist, überall den Namen der Philosophie verdienen? Lucian Es scheint nicht. Bruno Kann aber überhaupt irgend eine Erkenntnis für absolut wahr geachtet werden, als eine solche, welche die Dinge bestimmt, so wie sie in jener höchsten Indifferenz des Ideellen und Reellen bestimmt sind? Lucian Unmöglich. Bruno Alles nun an den Dingen, Freund, was wir reell nennen, ist es durch die Teilnahme am absoluten Wesen, keines aber der Abbilder stellt es in der völligen Indifferenz dar, außer dem Einen, worin alles zu der gleichen Einheit des Denkens und Seins, wie im Absoluten, gelangt: der Vernunft, welche sich selbst erkennend, jene Indifferenz, die in ihr ist, allgemein, absolut setzend als den Stoff und die Form aller Dinge, allein unmittelbar alles Göttliche | erkennt. Nimmermehr aber wird zur Anschauung seiner unbeweglichen Einheit gelangen, wer sich nicht von dem Widerschein abwenden kann. ¦ Denn jener König und Vater aller Dinge lebt in ewiger Seligkeit außer allem Widerstreit, sicher unerreichbar in seiner Einheit, wie in einer unzugänglichen Burg. Das Innere aber einer solchen Natur, welche an sich weder Denken noch Sein, aber die Einheit davon ist, einigermaßen zu fühlen, vermöchte nur der, welcher mehr oder weniger an ihr teilnähme. Dieses innere Geheimnis jedoch ihres Wesens, nichts in ihr selbst weder von einem Denken noch einem Sein zu enthalten, aber die Einheit davon zu sein, die über beiden ist, ohne von beiden getrübt zu sein, offenbart sich an der Natur der endlichen Dinge; denn im Reflex tritt die Form auseinander in Ideelles und Reelles, nicht als wäre dieses in jenem zuvor gewesen, sondern damit es als das, was die bloße Einheit davon ist, ohne es selbst zu sein, erkannt würde.

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Das Ewige demnach erkennen, heißt, in den Dingen Sein und Denken nur durch | sein Wesen vereinigt erblicken, nicht aber, es sei der Begriff als die Wirkung des Dings oder das Ding als Wirkung des Begriffs zu setzen. Dieses ist die weiteste Entfernung von der Wahrheit. Denn Ding und Begriff sind nicht durch Verknüpfung von Ursache und Wirkung, sondern durch das Absolute Eins1, wahrhaft betrachtet aber nur die verschiedenen Ansichten Eines und desselben; denn nichts existiert, was nicht im Ewigen endlich und unendlich ausgedrückt wäre. Die Natur indes jenes Ewigen an und für sich selbst durch sterbliche Worte auszudrücken ist schwer, da die Sprache von den Abbildern hergenommen und durch den Verstand geschaffen ist. Denn wenn wir das, was keinen Gegensatz über sich oder in sich, allen aber unter sich hat, mit Recht zwar das Eine zu nennen schienen, das da ist: so schließt doch eben dieses Sein keinen Gegensatz in sich gegen das, was in jeder andern Beziehung als das Formelle des Seins bestimmt wird, das Erkennen; denn zur Natur des Absoluten gehört auch, daß die Form in ihm das Wesen, das Wesen die Form sei; da es nun in der Vernunft, als abso | luter Erkenntnis, der Form nach ist, so ist es auch dem Wesen nach ausgedrückt in ihr, es bleibt also in Ansehung des Absoluten kein Sein zurück, das einem Erkennen entgegengesetzt werden ¦ könnte; wollten wir aber hinwiederum das Absolute als absolutes Erkennen bestimmen, so könnten wir dies abermals nicht in dem Sinn, daß wir dieses absolute Erkennen dem Sein entgegensetzten, denn absolut betrachtet ist das wahre Sein nur in der Idee, hinwiederum aber ist die Idee auch die Substanz und das Sein selbst. Als Indifferenz aber des Erkennens und Seins ist das Absolute wieder nur in der Beziehung auf die Vernunft bestimmbar, weil allein in dieser Erkennen und Sein als Entgegengesetzte vorkommen können. Am weitesten jedoch würde sich von der Idee des Absoluten entfernen, wer seine Natur, um sie nicht als Sein zu bestimmen, durch den Begriff der Tätigkeit bestimmen wollte. 1

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Denn aller Gegensatz von Tätigkeit und Sein ist selbst nur in der abgebildeten Welt, indem, abgesehen von dem schlechthin und an | und für sich Ewigen, die innere Einheit seines Wesens nur entweder im Endlichen oder im Unendlichen, in beiden aber notwendig auf gleiche Weise erblickt wird, damit so im Reflex wieder aus der Vereinigung beider, der endlichen und der unendlichen1 Welt, die Einheit als Universum geboren werde. Weder aber kann das Absolute im Endlichen, noch kann es im Unendlichen reflektiert werden, ohne in jedem die ganze Vollkommenheit seines Wesens auszudrücken, und die Einheit zwar des Endlichen und Unendlichen, im Endlichen reflektiert, erscheint als Sein, im Unendlichen aber als Tätigkeit, dieselbe aber ist im Absoluten weder als das eine noch als das andre, und weder unter der Form der Endlichkeit noch der Unendlichkeit, sondern der Ewigkeit. Denn im Absoluten ist alles absolut;2 wenn also die Vollkommenheit seines Wesens im Realen als unendliches Sein, im Idealen als unendliches Erkennen erscheint, so ist im Absoluten das Sein wie das Erkennen absolut, und indem jedes absolut ist, hat auch keines einen Gegensatz außer sich in dem andern, sondern das absolute Erkennen ist das abso | lute Wesen, das absolute Wesen das absolute Erkennen. Indem ferner die Unbegrenztheit des ewigen Wesens auf gleiche Weise im Endlichen und im Unendlichen reflektiert wird, so müssen beide ¦ Welten, in welchen sich die Erscheinung trennt und entfaltet, da sie Eine sind, auch dasselbe enthalten, dasselbe also, was im Endlichen oder im Sein, muß auch im Unendlichen oder in der Tätigkeit ausgedrückt sein. Was du also in der realen oder natürlichen Welt als Schwere, in der idealen als Anschauung ausgedrückt siehst, oder was an den Dingen vermöge der Trennung des Allgemeinen und Besondern als relative Einheit und relativer Gegensatz bestimmt, im Denken aber als Begriff und als Urteil bestimmend erscheint, ist ein und dasselbe; weder ist das Ideale als solches Ursache einer 1 2

der endlichen und der unendlichen] NDU: der unendlichen absolut; ] so ZD ED NDU NDR SW W: absolut,

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Bestimmung im Realen, noch dieses Ursache einer Bestimmung im Idealen; keines auch hat einen Wert vor dem andern, noch ist das eine aus dem andern begreiflich, da keinem die Würde eines Prinzips zukommt, sondern beide, Er | kennen wie Sein, sind nur verschiedne Reflexe aus einem und demselben Absoluten. Wahrhaft daher oder an sich ist die Einheit, die dem Gegensatz des Allgemeinen und des Besondern an den Dingen und demselben Gegensatz im Erkennen zu Grunde liegt, weder Sein noch Erkennen, beide im Gegensatz gedacht. Wo es aber in jedem für sich, es sei im Realen oder im Idealen, zur absoluten Gleichheit der Entgegengesetzten kommt, ist auch unmittelbar, im Realen und Idealen selbst, die Indifferenz des Erkennens und Seins, der Form und des Wesens ausgedrückt. Im Idealen zwar oder im Denken reflektiert, erscheint jene ewige Einheit des Endlichen und Unendlichen ausgedehnt in die anfang- und endlose Zeit, im Realen oder im Endlichen stellt sie sich, unmittelbar und notwendig, vollendet als Einheit dar, und ist Raum; obgleich aber nur im Realen, erscheint sie doch als höchste Einheit des Erkennens und Seins. Denn der Raum, wenn er einerseits zwar als höchste Klarheit und Ruhe auch als das höchste Sein erscheint, das, in sich selbst gegründet und vollendet, | nicht aus sich herausgeht oder handelt, ist doch andererseits zugleich absolutes Anschauen, höchste Idealität, und insofern, je nachdem auf das Subjektive oder Objektive gesehen wird, ¦ deren Gegensatz selbst in Ansehung seiner völlig vertilgt ist, höchste Indifferenz von Tätigkeit und Sein. Sonst aber verhalten sich Tätigkeit und Sein in allen Dingen wie Seele und Leib; daher auch das absolute Erkennen, obgleich es ewig bei Gott und Gott selbst ist, doch nicht wie Tätigkeit gedacht werden kann. Denn von ihm sind Seele und Leib, Tätigkeit also und Sein, selbst die Formen, die nicht in ihm, sondern unter ihm sind,1 und wie das Wesen des Absoluten im Sein reflektiert der unendliche Leib, so ist dasselbe im Denken oder in der Tätigkeit reflektiert, als unendliches Erkennen, die un1

sind,] SW W: sind;

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endliche Seele der Welt; im Absoluten aber kann sich weder die Tätigkeit wie Tätigkeit noch das Sein wie Sein verhalten. Wer daher den Ausdruck fände für eine Tätigkeit, die so ruhig wie die tiefste Ruhe, für eine Ruhe, die so tätig wie die höchste Tätigkeit, würde sich einigermaßen in Be | griffen der Natur des Vollkommensten annähern. So wenig aber genügt es, das Endliche, Unendliche und Ewige im Realen, als es im Idealen erkennen, und nimmer erblickt die Wahrheit an und für sich selbst, wer sie nicht im Ewigen anschaut. Die Trennung aber der beiden Welten, jener, welche das ganze Wesen des Absoluten im Endlichen, und jener, welche es im Unendlichen ausdrückt, ist auch die des göttlichen von dem natürlichen Prinzip der Dinge. Denn dieses zwar erscheint als leidend, jenes aber als tätig. Weshalb die Materien z. B. wegen ihrer leidenden und empfänglichen Natur dem natürlichen Prinzip anzugehören, das Licht aber wegen seiner schaffenden und tätigen göttlicher Art scheint. Selbst aber das Einzelne, welches in der dem Endlichen unterworfnen Welt oder auch in der dem Unendlichen durch seine Art zu sein am unmittelbarsten die Natur des Absoluten ausdrückt, kann so wenig wie dieses bloß als Sein oder bloß als Tätigkeit begriffen werden. | Wo nur Seele und Leib gleichgesetzt sind an einem Ding, ist an ihm ein Abdruck der Idee, und wie diese im Absoluten auch das Sein ¦ und das Wesen selbst ist, so ist in jenem, dem Abbild, die Form auch die Substanz, die Substanz die Form. Von dieser Art ist unter den realen Dingen der Organismus, unter den idealen das, was durch Kunst hervorgebracht und schön ist, indem jener das Licht oder die im Endlichen, dieses aber das Licht jenes Lichtes oder die im Unendlichen ausgedrückte ewige Idee, als das göttliche Prinzip, dem Stoffe, als dem natürlichen, verbindet. Nur jener, weil er notwendig als ein einzelnes Ding erscheint, hat zu der absoluten Einheit noch immer das Verhältnis, welches auch die Körper, indem sie schwer sind, das Verhältnis nämlich der Differenz. In seiner Form also ist Tätigkeit und Sein zwar immer gleichgesetzt (so daß das Han-

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delnde auch das Bestehende, und hinwiederum das Bestehende auch das Handelnde ist), aber, sofern er einzeln ist, ist die Gleichheit nicht durch ihn selbst, sondern bewirkt durch die Einheit, zu der er sich, für sich | selbst, wie zu seinem Grunde verhält. Weshalb auch jene beiden in ihm noch nicht zur höchsten Ruhe in der höchsten Tätigkeit, sondern nur zur Wirksamkeit, als einem Mittleren oder Gemeinschaftlichen aus Bestehen und aus Handeln, vereinigt erscheinen. Die Welt aber, in welcher Sein durch Tätigkeit, Endliches durch Unendliches gesetzt scheint, wird der Natur, wo dieses vielmehr in jenem und durch jenes ist, entgegengesetzt, und als die Welt und gleichsam als die durch Freiheit gebaute Stadt Gottes betrachtet. Durch diese Entgegensetzung haben die Menschen gelernt, die Natur außer Gott, Gott aber außer der Natur zu sehn, und, indem sie jene der heiligen Notwendigkeit entzogen, sie der unheiligen, welche sie mechanisch nennen, untergeordnet, die ideale Welt aber eben dadurch zum Schauplatz einer gesetzlosen Freiheit gemacht. Zugleich, indem sie jene als ein bloß leidendes Sein bestimmten, glaubten sie sich das Recht erworben zu haben, Gott, den sie über die Natur erheben, als reine Tätigkeit, lautere Aktuosität zu bestimmen, als ob nicht der | eine dieser Begriffe mit dem andern stünde und fiele, keiner aber Wahrheit für sich hätte. Sagt man ihnen aber, daß die Natur nicht außer Gott, sondern ¦ in Gott sei, so verstehen sie darunter diese eben durch die Trennung von Gott getötete Natur, als ob diese überhaupt etwas an sich, oder überhaupt etwas anderes als ihr selbst gemachtes Geschöpf wäre. So wenig aber als der natürliche Teil der Welt ist auch der freie etwas, getrennt von dem, worin beide nicht sowohl Eines1 als vielmehr überhaupt nicht gesondert sind. Unmöglich aber ist, daß sie in dem, worin beide Eines2 sind, durch das seien,

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Eines] SW W: eines Eines] SW W: eines

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wodurch sie außer ihm sind, der eine also durch Notwendigkeit, der andre durch Freiheit. Die höchste Macht also oder der wahre Gott ist der, außer welchem nicht die Natur ist, so wie die wahre Natur die, außer der nicht Gott ist. Jene heilige Einheit nun, worin Gott ungetrennt mit der Natur ist, und die im Leben zwar als Schicksal erprobt wird, in unmittelbarer, übersinnlicher Anschauung zu er | kennen, ist die Weihe zur höchsten Seligkeit, die allein in der Betrachtung des Allervollkommensten gefunden wird. Das Versprechen nun, das ich euch getan, im Allgemeinen, so viel ich vermöchte, den Grund der wahren Philosophie zu enthüllen, glaube ich erfüllt und in verschiedenen Gestalten immer das Eine aufgezeigt zu haben, welches Gegenstand der Philosophie ist. Wie aber auf diesem Grunde weiter gebaut und der göttliche Keim der Philosophie zur höchsten Entwickelung gebracht werden könne, und welche Form ihr einer solchen Lehre zukommend glaubt, mögt ihr selbst ferner erforschen. Anselmo Gar sehr aber, o Vortrefflicher, scheint es mir, daß wir uns um die Formen zu bekümmern haben; denn obwohl überhaupt, nicht im Allgemeinen nur das Höchste zu erkennen, sondern es in dauernden und bleibenden Zügen gleich der Natur und mit unveränderlicher Festigkeit und Klarheit darzustellen, das ist, was die Kunst zur Kunst, die Wissenschaft zur Wissenschaft erhebt und von der Liebhaberei unterscheidet, | so ist doch insbesondere die Materie des Edelsten und Herrlichsten, wovon die Philosophie ist, solange sie der Form und Gestalt entbehrt, der Verderblichkeit nicht entzogen, und vielleicht ¦ haben die unvollkommneren Formen vergehen, der edle Stoff aber, der an sie gebunden war, nachdem er von ihnen befreit worden, mit unedlem versetzt, verflüchtigt und zuletzt völlig unkenntlich gemacht werden müssen, um zu dauernderen und weniger wandelbaren Formen aufzufodern. Niemals aber scheint der Stoff der Philosophie dem Wechsel unterworfener gewesen zu sein, als eben zu dieser Zeit unter uns, wo zugleich mit der regsten Unruhe nach dem Unvergäng-

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lichen gestrebt wird. Denn indes er einigen in dem Untrennbarsten und Einfachsten gefunden wird, ist er bei jenen in Wasser übergegangen, bei diesen aber in dürren Sand, andern aber wird er immer dünner, durchsichtiger und gleichsam luftähnlicher. Weswegen es wenig zu verwundern, wenn die meisten die Philosophie nur meteorischer Erscheinungen fähig halten, und auch die größeren Formen, in denen sie sich geoffen | bart hat, das Schicksal der Kometen bei dem Volk teilen, das sie nicht zu den bleibenden und ewigen Werken der Natur, sondern zu den vergänglichen Erscheinungen feuriger Dünste zählt. Daher es ferner von den meisten fast angenommen ist, daß es verschiedene Philosophien geben könne, ja beinahe daß von allen, die überhaupt sich bestreben zu philosophieren, ein jeder notwendig seine besondere Philosophie habe. Übermächtig aber drückt alle die Zeit, sie sind in einen und denselben Ring geschmiedet und gehen nur so weit als die Kette reicht; die sich aber am weitesten entfernen wollen, fallen in der Regel am tiefsten zurück. Genau betrachtet leiden sie alle unter demselben Übel, daß sie nur Eine1 Erkenntnisart kennen, die, welche von der Wirkung auf die Ursache schließt. Nachdem sie nun bloß die dem Verstande dienstbare Vernunft gerichtet, und damit von der Vernunft selbst bewiesen zu haben glauben, daß sie nur in unvermeidliche Fehlschlüsse und eitle Widersprüche verwickele, so sind sie berechtigt, | aus ihrer Scheu vor der Vernunft die Philosophie selbst zu machen. Wollen sie aber diese Schranken überschreiten, so fürchten sie sich doch vor nichts so sehr als dem ¦ Absoluten, so wie vor der kategorischen und apodiktischen Erkenntnis. Sie können keinen Schritt tun, ohne vom Endlichen auszugehn und von diesem aus fortzuschließen, wie es kommt, ob sie zu etwas gelangen mögen, das schlechthin und durch sich selbst wäre. Was sie aber auch als Absolutes setzen, setzen sie notwendig und immer mit einem Gegensatz, damit es nicht zum Absoluten werde. Zwischen jenem aber und dem Entgegengesetzten gibt es wiederum kein anderes als das Verhältnis 1

Eine] so SW W ED NDU NDR ZD: eine

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der Ursache und der Wirkung, und unter allen Formen wiederholt sich doch Ein Beginnen, Ein Streben, nicht die Einheit dessen zuzugeben, was sie im Verstande getrennt haben, und die angeborne und unüberwindliche Entzweiung ihrer Natur zur Philosophie selbst zu machen. Doch dieses gilt von dem Pöbel der jetzt Philosophierenden. Selbst aber das Bessere, was dieses Zeitalter getragen hat, und was | noch für das Höchste gilt, hat sich in der Darstellung und dem Verständnis der meisten in eine bloße Negativität verwandelt. Sie würden das Endliche vollkommen durch die Form erklären, verweigerte nicht das Ewige hartnäckig den Stoff. Ihre Philosophie besteht in dem Beweis, daß, was allerdings nichts ist, die Sinnenwelt, wirklich Nichts1 sei, und diese nur dem Nichts gegenüber kategorische Philosophie nennen sie Idealismus. Die großen und wahren Formen aber sind mehr oder weniger verschwunden. Der Stoff der Philosophie ist von der Natur des Unzerlegbarsten, und in jeder Form ist nur so viel Wahres und Rechtes, als sie von2 dieser Unzerlegbarkeit in sich hat. Gleichwie aber der eine3 Schwerpunkt der Erde doch von vier verschiedenen Seiten angesehen werden kann, und der eine4 Urstoff durch vier Metalle, gleich edel, gleich untrennbar, sich darstellt, so hat auch jenes Unzerlegbare der Vernunft vorzüglich in vier Formen sich ausgesprochen, welche gleichsam die vier Weltgegenden der Philosophie bezeichnen; denn der Westwelt zwar scheint das zu ge | hören, was die Unsrigen Materialismus genannt haben, dem Orient aber das, was Intellektualismus, südlich aber können wir den Realismus nennen, nördlich den Idealismus. Das Eine5 Metall aber der Philosophie, welches in allen dasselbe ist, in seiner Reinheit und Gediegenheit zu erkennen, ist das Ziel des höchsten Strebens. Wichtig ¦ aber 1 2 3 4 5

Nichts] SW W: nichts von] so NDU ZD SW W ED NDR: vor eine] SW W: Eine eine] SW W: Eine Eine] so SW W ED NDU NDR ZD: eine

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scheint mir, diese besondern Formen und ihre Schicksale zu kennen, dem, der sich über sie erheben will, angenehm dem, der sich über sie erhoben hat. Deswegen, gefällt es euch, so ist meine Meinung, daß Alexander zwar die Geschichte jener Philosophie, welche das ewige und göttliche Prinzip in der Materie erkennt, ich dagegen das Wesen jener Lehre der Intellektualwelt eröffne, Lucian aber und du, Bruno, die Gegensätze des Idealismus und Realismus in Betrachtung ziehet. Denn so scheint sich mir das Gebäude unseres Gesprächs am vollkommensten zu wölben, wenn wir zeigen, wie die eine Idee, welche wir gelehrt worden sind, in der Philosophie vor allen vorauszusetzen und zu suchen, allen Formen, und den noch so | verschiedenen Äußerungen der sich in Philosophie gestaltenden Vernunft zu Grunde gelegen habe. Alexander Die Schicksale also jener LehreE betreffend, o Freunde, die von der Materie den Namen hat, so kann ich mich kurz fassen zu zeigen, daß sie keine andern sind, als welche im Lauf der Zeit jede andre spekulative Lehre nicht minder erfahren hat, und daß auch jene nur in dem Untergang der Philosophie selbst den ihrigen gefunden. Denn was uns über den Sinn jener Lehre von den Alten überliefert worden, ist hinreichend, uns zu belehren, daß sie die Keime der höchsten Spekulation mehr oder weniger entwickelt in sich getragen. Die wahre Idee aber der Materie ist frühzeitig verloren gegangen, und zu jeder Zeit nur wenigen bekannt gewesen. Sie ist die Einheit des göttlichen und natürlichen Prinzips selbst, schlechthin einfach also, unwandelbar, ewig. Die Nachfolgenden aber und schon Plato haben unter Materie das bloße Subjekt der natürlichen und veränderlichen Dinge verstanden, dieses jedoch ist schlechthin nichts, | was zum Prinzip gemacht werden könnte; das Eine aber, das über allen Gegensatz erhoben, und an welchem erst, was an den Dingen natürlich, und was göttlich ist, sich unterscheidet und entgegengesetzt wird, ist das, was die Urheber dieser Lehre die Materie genannt haben. Noch spätere Zeitalter haben Materie mit Körper verwechselt und ¦ das, was seiner Natur nach verderblich und vergäng-

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lich ist, mit dem Unverderblichen und Unvergänglichen vermischt. Nachdem es einmal so weit gekommen, war es leicht, auch noch die rohe unorganische Masse für die wahre ursprüngliche Materie zu nehmen. Die Idee aber der Materie liegt nicht da, wo sich Organisches und Unorganisches schon getrennt haben, sondern in dem, worin sie beisammen und Eines1 sind. Welcher Punkt aber eben deswegen nicht mit sinnlichen Augen, sondern nur mit Augen der Vernunft zu erblicken ist. Die Art aber, wie aus dieser Einheit alle Dinge hervorgegangen sind, ist auf folgende Weise vorzustellen. Die Materie ist an sich ohne alle Man | nigfaltigkeit. Sie enthält alle Dinge, aber eben deswegen ohne alle Unterscheidbarkeit, ungetrennt, gleichsam als eine unendliche, in sich verschlossne Möglichkeit. Das nun, wodurch alle Dinge Eins2 sind, ist eben die Materie selbst, das aber, wodurch verschieden, und wodurch sie jedes sich von den andern absondern, ist die Form. Die Formen aber alle sind vergänglich, nicht ewig; ewig aber und gleich unvergänglich mit der Materie selbst ist die Form aller Formen, die notwendige und erste Form, die, weil sie die Form aller Formen ist, wiederum keiner besondern ähnlich oder gleich, schlechthin einfach, unendlich, unwandelbar und eben dadurch der Materie gleich sein muß. Es ist aber von ihr keine Form ausgeschlossen, so daß sie unendlich fruchtbar an Formen, die Materie aber für sich selbst arm ist; daher die Alten, indem sie aus Reichtum und Armut Eros erzeugt, durch diesen aber die Welt gebildet sein ließen, damit eben jenes Verhältnis der Materie zu der ursprünglichen Form angedeutet zu haben scheinen. Für diese also liegt in der Materie die unendliche Möglichkeit aller Formen und Ge | stalten, diese aber, die in ihrer Armut vortrefflich, ist allen gleich genügend, und indem in Ansehung des Vollkommensten Möglichkeit und Wirklichkeit ohne Zeit

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Eines] SW W: eines Eins] SW W: eins

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Eins1 sind, so sind auch alle jene Formen von Ewigkeit in ihr ausgedrückt und in Ansehung ihrer zu jeder Zeit, oder vielmehr ohne alle Zeit wirklich. ¦ Durch die Form aller Formen also kann das Absolute alles sein, durch das Wesen ist es alles. Die endlichen Dinge als solche sind zwar zu jeder Zeit, was sie in diesem Augenblick sein können, nicht aber was sie ihrem Wesen nach sein könnten. Denn das Wesen ist in allen jederzeit unendlich, deswegen sind die endlichen Dinge diejenigen, in welchen Form und Wesen verschieden, jene endlich, dieses unendlich ist. Das aber, worin Wesen und Form schlechthin Eins2 sind, ist immer3 was es sein kann, jederzeit und auf Einmal4, ohne Unterschied der Zeit, ein solches aber kann nur Eines sein. Durch dieselbe Verschiedenheit auch wird das Dasein der einzelnen Dinge ein zeitliches, denn da sie mit einem Teil ihrer Natur unendlich, mit dem andern endlich sind, so enthält jener zwar die unendliche Mög | lichkeit alles dessen, was in ihrer Substanz der Potenz nach liegt, dieser aber von jener Möglichkeit notwendig und immer nur einen Teil, damit Form und Wesen verschieden seien; das Endliche an ihnen ist also nur in der Unendlichkeit jenem, dem Wesen, angemessen. Diese unendliche Endlichkeit aber ist die Zeit, von der das Unendliche des Dings die Möglichkeit und das Prinzip, das Endliche die Wirklichkeit enthält. Auf diese Weise geht das Absolute, da es für sich selbst eine absolute Einheit, schlechthin einfach, ohne alle Vielheit ist, in der Erscheinung zwar über in eine absolute Einheit der Vielheit, in eine beschlossne Totalität, was wir Universum nennen. So ist die Allheit Einheit, die Einheit Allheit, beide nicht verschieden, sondern dasselbe. Damit aber nicht jene Form aller Formen, welche wir zwar allerdings mit andern das Leben und die Seele der Welt nennen 1 2 3 4

Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins immer] SW W: immer, Einmal] SW W: einmal

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könnten, von jemand als Seele, die der Materie als dem Leib entgegengesetzt ist, gedacht werde, so muß wohl bemerkt werden, daß die Materie nicht der Leib ist, sondern das, woran der Leib und die Seele existieren. | Denn der Leib ist notwendig sterblich und vergänglich, das Wesen aber unsterblich und unvergänglich. Jene Form aber der Formen, absolut betrachtet, ist nicht der Materie entgegengesetzt, sondern Eins1 mit ihr, in der Beziehung aber auf das Einzelne setzt sie, weil dieses nie ganz ¦ ist, was es sein kann, notwendig und immer einen Gegensatz, welcher der des Unendlichen und Endlichen ist, und dieser selbst ist der der Seele und des Leibes. Seele und Leib also sind selbst begriffen in jener Form aller Formen, diese aber, welche, weil sie einfach ist, alles, und, weil sie alles ist, eben deswegen nichts insbesondre sein kann, ist mit dem Wesen schlechthin Eins. Die Seele also als solche ist der Materie notwendig untergeordnet, dem Leib aber entgegengesetzt unter jener. Auf diese Art demnach, wie es auseinandergesetzt ist, sind alle Formen der Materie eingeboren, Form aber und Materie in allen Dingen notwendig Ein Ding. Welches einige, nachdem sie gesehen, wie in allen Dingen Materie und Form sich suchen, bildlich so ausgedrückt haben:2 die Materie be | gehre auf ähnliche Weise, wie das Weib des Mannes begehrt, der Form, und sei ihr brünstig zugetan; einige aber, weil absolut zwar betrachtet Materie und Form gänzlich ununterscheidbar sind, die Materie aber, sofern sie in dem Endlichen ausgedrückt und Leib wird, der Differenz empfänglich erscheint, im Unendlichen aber, oder sofern sie Seele wird, als Einheit, haben nach dem Vorgang der Pythagoräer, welche die Monas den Vater, die Dyas aber die Mutter der Zahlen genannt haben, die Form den Vater, die Materie aber die Mutter der Dinge genannt. Der Punkt aber, wo Materie und Form völlig Eins3, Seele und Leib aber in dieser Form selbst ununterscheidbar sind, liegt über aller Erscheinung. 1 2 3

Eins] SW W: eins haben:] so SW W ED NDU NDR ZD: haben, Eins] SW W: eins

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Nachdem wir einmal zu der Erkenntnis gelangt sind, wie an der Materie Seele und Leib sich trennen können, so begreifen wir ferner, daß es mit dem Fortgang dieser Entgegensetzung keine Grenze hat; zu welcher Vortrefflichkeit aber in derselben die Seele und der Leib gelangen mögen, so geschieht doch diese Entwicklung nur innerhalb des alles umschließenden und ewigen Prinzips der Materie. | Es ist Ein Licht, das in allem leuchtet, und Eine Schwerkraft, welche dort die Körper den Raum erfüllen lehrt, dort den Hervorbringungen des Denkens Bestand und Wesen gibt. Jenes ist der Tag, diese die Nacht der Materie. So unendlich ihr Tag ist, so unendlich ¦ auch ihre Nacht. In diesem allgemeinen Leben entsteht keine Form äußerlich, sondern durch innre, lebendige und von ihrem Werk ungetrennte Kunst. Es ist Ein Verhängnis aller Dinge, Ein Leben, Ein Tod; nichts schreitet vor dem andern heraus, es ist nur Eine Welt, Eine Pflanze, von der alles, was ist, nur Blätter, Blüten und Früchte, jedes verschieden nicht dem Wesen, sondern der Stufe nach, Ein Universum, in Ansehung desselben aber alles herrlich, wahrhaft göttlich und schön, es selbst aber unerzeugt an sich, gleich ewig mit der Einheit selbst, eingeboren, unverwelklich. Da es zu jeder Zeit ganz, vollkommen,1 die Wirklichkeit in ihm der Möglichkeit angemessen, nirgends ein Mangel, ein Gebrechen, so ist nichts vorhanden, wodurch es aus seiner unsterblichen Ruhe gerissen werden könnte. Es lebt ein unveränderliches, | sich immer gleiches Sein. Alle Tätigkeit und Bewegung ist nur eine Betrachtungsweise des Einzelnen und, als solche, nur Fortsetzung jenes absoluten Seins, unmittelbar hervorquellend2 aus seiner tiefsten Ruhe. So wenig es sich bewegen kann, denn aller Raum und alle Zeit, worin es sich bewegen sollte, ist in ihm, es selbst aber in keiner Zeit begriffen und keinem Raum, ebensowenig kann es seine innerliche Gestalt wandeln:3 denn auch alle Verwandlung, 1 2 3

ganz, vollkommen] NDU: ganz vollkommen hervorquellend] NDR SW: hervorquillend wandeln:] SW W: wandeln;

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Veredlung und Verunedlung der Formen ist bloß in der Betrachtung des Einzelnen; könnten wir es aber im Ganzen erblicken, so würde es dem entzückten, trunkenen Auge ein stets,1 unveränderlich heitres, sich selbst gleiches Antlitz zeigen. Von jenem Wechsel aber, der bei dem Unvergänglichen ist, kann man weder sagen, daß er angefangen, noch daß er nicht angefangen habe. Denn er ist abhängig vom Ewigen, nicht der Zeit, sondern der Natur nach. Er ist also auch nicht endlich der Zeit, sondern dem Begriff nach, das heißt: er ist ewig endlich. Dieser ewigen Endlichkeit aber kann niemals eine Zeit angemessen sein, so | wenig eine solche, die angefangen, als die nicht angefangen hat. Die Zeit aber, die alles getötet hat, und jenes besondre Alter der Welt, das die Menschen gelehrt hat, das Endliche von dem Unendlichen, den Leib von der Seele, das Natürliche von dem Göttlichen ¦ zu trennen, beide aber in zwei ganz verschiedene Welten zu verbannen, hat auch jene Lehre in das allgemeine Grab der Natur und den Tod aller Wissenschaften verschlungen. Nachdem nun vorerst die Materie getötet, das rohe Bild an die Stelle des Wesens gesetzt war, so ging es von selbst weiter bis zu der Meinung, daß alle Formen der Materie äußerlich aufgedrückt seien2: da sie bloß äußerlich wären3 und außer ihnen nichts Unvergängliches, so mußten sie auch unveränderlich bestimmt sein; auf diese Weise wurde die innre Einheit und Verwandtschaft aller Dinge vernichtet, die Welt in eine unendliche Menge fixierter Verschiedenheiten zersplittert, bis sich von hieraus die allgemeine Vorstellung bildete, nach welcher das lebendige Ganze einem Behältnis oder einem Wohngemach gleicht, worein die Dinge | gestellt sind, ohne aneinander Teil zu nehmen und ohne daß eins in dem andern lebte oder wirkte. Indem jene Anfänge der Materie tot waren, war der Tod als Prinzip, das Leben aber als Abgeleitetes beschlossen.

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stets,] NDU: stets seien] so ZD SW W ED NDU NDR: sein wären] so ZD SW W ED NDU NDR: waren

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Nachdem die Materie diesem Tode sich gefügt hatte, so blieb, um den letzten Zeugen ihres Lebens zu verbannen, nichts übrig, als jenen allgemeinen Geist der Natur, die Form aller Formen, das Licht, zu einem gleichen körperlichen Wesen zu machen und mechanisch, wie alles, zu trennen; da auf diese Weise das Leben in allen Organen des Ganzen erloschen, und auch die lebendigen Erscheinungen der Körper untereinander auf tote Bewegungen zurückgeführt waren, so war nun der höchste und letzte Gipfel übrig, nämlich der Versuch, diese bis in ihr Innerstes erstorbene Natur mechanisch ins Leben zurückzurufen, welches Bestreben in den nachfolgenden Zeiten Materialismus hieß, und wenn der Wahnsinn desselben nicht so viel vermochte, die, welche ihn erkannten, zur ersten Quelle zurückzuleiten, wenn er vielmehr nur dazu diente, den Tod | der Materie noch weiter zu bestätigen und außer allen Zweifel zu setzen, so hat er stattdessen eine Roheit der Vorstellung von der Natur und ihrem Wesen hervorgebracht, in Bezug auf welche jene, sonst roh genannte1, Völker ehrwürdig werden, welche die Sonne, die Gestirne, das Licht, oder Tiere oder einzelne Naturkörper anbeteten. ¦ Weil aber das Leben aus den Gedanken der Menschen so wenig je ganz entfliehn kann, als aus dem Universum selbst, und nur seine Formen verwandelt, so flüchtete es sich unmittelbar aus der Natur in eine dem Schein nach verschiedene Welt, und so erhob sich aus dem Untergange jener Philosophie unmittelbar das neue Leben jener uralten Lehre der Intellektualwelt. Anselmo Nicht mit Unrecht, o Freund,F rühmst du das hohe Alter jener Lehre, daß alle Dinge im Universum nur durch Mitteilung und Verursachung solcher Naturen, die vollkommner und vortrefflicher als sie selbst sind, ihr Dasein erhalten. Und mit Grund möchte jemand, der bedächte, daß die Kenntnis der ewigen Dinge nur bei den Göttern sei, zu der Meinung gelangen, | daß sie aus jenen Zeiten stamme, wo die Sterblichen mit den Göttern Umgang pflogen, auch war sie in ihrem Ursprung 1

genannte] SW W: genannten

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und da, woher sie zuerst geflossen, weder getrennt von der Verehrung der Götter noch einem heiligen und ihrer Erkenntnis gemäßen Leben. Dreifach also, o Freunde, ist der Wesen Stufe. Die erste ist die der erscheinenden, welche nicht an sich, wahrhaft, und unabhängig von den Einheiten sind, welche die zweite Stufe einnehmen. Jede derselben aber ist nur ein lebendiger Spiegel der urbildlichen Welt. Diese jedoch ist das einzige Reale. Alles wahrhafte Sein also ist in den ewigen Begriffen allein, oder in den Ideen der Dinge. Wahrhaft absolut aber ist nur ein solches Urbild, welches nicht bloß Vorbild ist, und den Gegensatz außer sich in einem andern hat, oder hervorbringt, sondern welches Vorbild zugleich und Gegenbild auf solche Weise in sich vereinet, daß jedes aus ihm abgebildete Wesen unmittelbar aus ihm, nur mit eingeschränkter Vollkommenheit, die Einheit und den Gegensatz, und von | dem Vorbilde die Seele, von dem Gegenbild aber den Leib nehme. Dieses jedoch, da es notwendig endlich, ist in dem, worin es von Ewigkeit bei dem Vorbild ist, ohne Nachteil der Endlichkeit auf unendliche Weise ausgedrückt. Die Idee also, oder die absolute Einheit ist das Unveränderliche, ¦ keiner Dauer Unterworfene1, die Substanz schlechthin betrachtet, von der, was insgemein Substanz genannt wird, als ein bloßer Widerschein angesehen werden muß. Die Einheiten aber sind das von den Ideen Abgeleitete:2 denn wird auf die Substanz zwar in ihnen gesehn, auf diese aber, wie sie an sich ist, so sind sie die Ideen selbst; auf das aber an ihnen, wodurch sie individuiert, oder abgesondert sind von der Einheit, und die Substanz, sofern sie an diesem das Reale ist, so bleibt diese zwar auch im Schein, wie die körperliche Substanz, die, so vielfach sich ihre Form wandelt, selbst nicht verändert, und weder vermehrt noch vermindert wird, der Natur des Unveränderlichen getreu; jenes aber, das Individuierende, ist | notwendig wandelbar, ohne Bleiben und sterblich. 1 2

Unterworfene] so SW W ED NDU NDR ZD: unterworfene Abgeleitete: ] SW W: Abgeleitete;

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Wenn also in der Idee eine unendliche Einheit ist der vorbildlichen und realen Welt, so entsteht die abgebildete Einheit aus ihr, wenn ein Begriff aus der unendlichen Fülle der gegenbildlichen Welt sich ein Einzelnes nimmt, worauf er sich bezieht, in welchem Fall er zu diesem sich wie die Seele zum Leib verhält. Je größer nun jener Teil der gegenbildlichen Welt, und je mehr in ihm das Universum angeschaut wird, je mehr also das Gegenbild, welches endlich ist, der Natur des Vorbilds gleichkommt, desto mehr nähert sich auch die Einheit der Vollkommenheit der Idee oder der Substanz. Was sich aber wie das Gegenbild verhält, hat immer und notwendig eine bestimmbare Natur, das aber, welchem es entspricht, eine bestimmende. Da nun in der Idee aller Ideen beide schlechthin Eines1 sind, sie selbst aber das Leben des Lebens, das Tun alles Tuns ist (denn nur weil sie das Tun selbst ist, kann von ihr nicht gesagt werden, daß sie handle), so kann jenes | zwar an ihr als das Wollen, dieses aber als das Denken betrachtet werden. So daß, indem an jedem Ding einiges bestimmbar, anderes bestimmend ist, jenes der Ausdruck des göttlichen Wollens, dieses des göttlichen Verstandes ist. Wille jedoch und Verstand ist, das eine wie das andere, nur sofern es sich an den geschaffenen Dingen offenbaret, ¦ nicht aber an sich selbst. Was aber das Bestimmende mit dem Bestimmbaren vereinigt, ist die Nachahmung der absoluten Substanz selbst, oder der Idee. Wo nun das Vorbildliche und wo das Gegenbildliche anfange oder aufhöre, ist unmöglich zu sagen. Denn da jedes mit dem andern in der Idee unendlich verknüpft ist, so kann es auch in nichts getrennt sein, und ist notwendig und ins Unendliche beisammen. Was also in der einen Rücksicht Bestimmbares ist, ist in sich selbst wieder eine der urbildlichen ähnliche Einheit, und was an dieser wieder als das Bestimmbare erscheint, ist für sich betrachtet eine aus Bestimmbarem und Bestimmendem gemischte Einheit. Denn so unendlich die Wirklichkeit in der gegenbild1

Eines] SW W: eines

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lichen, ist die Möglichkeit in der vor | bildlichen Welt, und immer höhere und höhere Beziehungen entstehn der Möglichkeit in jener auf die Wirklichkeit in dieser. Je mehr demnach das Bestimmbare an einem Wesen von der Natur des Bestimmenden hat, welches unendlich, desto höher ist die Einheit der Möglichkeit und der Wirklichkeit, die in ihm ausgedrückt ist. Daher daß die organischen Leiber, und unter diesen der, welcher am meisten organisch ist, von allem Bestimmbaren das Vollkommenste seien1, keines Beweises bedarf. Indem nun die Seele unmittelbar bloß die Einheit des Leibes ist, welcher notwendig einzeln, seiner Natur nach endlich, sind auch ihre Vorstellungen notwendig undeutlich, verworren, unangemessen. Denn insofern erscheint ihr die Substanz nicht an sich, sondern in der Beziehung auf den Gegensatz des Bestimmenden und Bestimmbaren, nicht als das, worin beide absolut Eins2 sind, sondern als das, was sie auf endliche Weise zusammenknüpft. Die Idee selbst aber, oder die Substanz der Seele und des Leibes kommt in jener Beziehung der Seele auf den Leib in ein | äußeres Verhältnis zur absoluten Substanz, und ist selbst durch jene bestimmt, den Leib vorerst und die Seele, dann aber auch andre Dinge, welche mit dem Begriff des Leibes verbunden sind, der Zeit und Dauer zu unterwerfen, sie selbst aber, die absolute Substanz, nur als das, was Grund ¦ von Sein ist, zu erkennen (dieses aber ist das Entgegengesetzteste3 der vollkommnen Erkenntnis), und jenes sowohl außer sich selbst, in andern Dingen, als in sich selbst. Denn wie sie selbst in der Beziehung auf die bestimmte Einheit des Leibes und der Seele nur ein Abbild ist der wahren Einheit, so wird es ihr auf gleiche Weise auch alles, was an andern Dingen das Reale ist. Dies also ist die Art, wie die Erscheinungswelt entsteht aus den Einheiten. 1 2 3

teste

seien] so SW W ED NDU NDR ZD: sein Eins] SW W: eins Entgegengesetzteste]so ZD SW W ED NDU NDR: entgegengesetz-

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Jede Einheit aber an sich betrachtet, abgesehen von dem Gegensatz der Seele und des Leibes, ist das Vollkommne und die absolute Substanz selbst, denn diese, welche nicht beziehungsweise, sondern schlechthin und an sich unteilbar ist, ist in Ansehung jeder Einheit das gleiche Absolute, worin Möglichkeit und Wirklichkeit Eins1, und, in | dem sie, durch ihre Natur selbst verhindert an der Quantität Teil zu nehmen, durch ihren Begriff Eine ist, ist jede der Einheiten eine vollkommne Welt, sich selbst genügend, und so viel es Einheiten gibt, so viel auch Welten, diese aber, da jede gleich ganz, jede absolut an sich, sind wiederum nicht voneinander unterschieden, sondern Eine Welt. Betrachten wir nun jenes An-sich in der Einheit, so sehen wir, daß nichts von außen in sie gelangen kann, denn insofern ist sie die absolute Einheit selbst, die alles in sich enthält und aus sich hervordrängt, und die nie eingeteilt wird, wie auch die Formen sich sondern. Das Produktive also in einer jeden Einheit ist die Vollkommenheit aller Dinge selbst, das aber, wodurch das Ewige, das in dieser ist, jener sich in ein Zeitliches verwandelt, ist das beschränkende und individuierende Prinzip in ihr. Denn das An-sich einer jeden stellt, immer gleich, das Universum vor, das Besondre aber reflektiert von jener absoluten Einheit so viel in sich, als an ihm durch die relative Entgegensetzung der Seele und des | Leibes von ihr ausgedrückt ist, und da die Art dieser Entgegensetzung die größere oder geringere Vollkommenheit der Seele und des Leibes bestimmt, so stellt jede zeitlich angesehn das Universum gemäß ihrer Entwicklungsstufe vor, und in jeder ist davon so viel, als sie durch das individuierende Prinzip in sich gesetzt hat. Jede aber bestimmt ¦ sich auf dieselbe Weise ihr Leiden und Tun, indem sie aus der Gemeinschaft mit dem Ewigen tritt, in welchem die Ideen aller Dinge sind, ohne wechselseitig voneinander zu leiden, jede vollkommen, gleich absolut. Keine Substanz also kann als Substanz die Einwirkung einer andern erfahren oder selbst auf sie wirken;2 denn als solche ist 1 2

Eins] SW W: eins wirken;] SW W: wirken,

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jede unteilbar, ganz, absolut, das Eine selbst. Das Verhältnis von Seele und Leib ist nicht ein Verhältnis von Verschiednen zu Verschiednen, sondern von Einheit zu Einheit, wovon jede, an sich betrachtet, wieder in sich das Universum, gemäß ihrer besondern Natur, darstellend, mit der andern nicht durch Verknüpfung von Ursache und Wirkung, sondern durch die in dem Ewigen bestimmte Harmonie übereinkommt. Der | Körper aber als solcher wird von dem Körper bewegt, denn er selbst gehört nur zum Schein, in der wahren Welt aber ist kein Übergang; denn das An-sich ist die Einheit, welche wahrhaft betrachtet der Einwirkung so wenig fähig als bedürftig ist, sondern1 sich immer gleich, stets Unendliches aus Unendlichem schafft. Das Eine aber, was schlechthin ist, ist die Substanz aller Substanzen, welche Gott genannt wird. Die Einheit seiner Vollkommenheit ist der allgemeine Ort aller Einheiten, und verhält sich zu ihnen, wie sich im Reiche des Scheins sein Ebenbild, der unendliche Raum, zu den Körpern verhält, der unberührt von den Schranken des Einzelnen, durch alle hindurchgeht. Nur sofern die Vorstellungen der Einheiten unvollständig, eingeschränkt, verworren sind, stellen sie das Universum außer Gott, und zu ihm, als zu seinem Grunde sich verhaltend, sofern aber adäquat, in Gott vor. Gott also ist die Idee aller Ideen, das Erkennen alles Erkennens, das Licht alles Lichtes. Aus ihm kommt alles und zu ihm geht alles. Denn erstens die | Erscheinungswelt ist nur in den Einheiten und nicht von ihnen getrennt, denn nur sofern sie den getrübten Schein der Einheit erblicken, ist ihnen2 das Universum sinnlich, bestehend aus abgesonderten Dingen, die vergänglich und unaufhörlich wandelbar sind. Die Einheiten selbst aber sind wieder abgesondert von ¦ Gott nur in Bezug auf die Erscheinungswelt, an sich aber in Gott und Eins3 mit ihm. Dieses aber, o Freunde, was von jener Lehre nur die hauptsächlichsten Punkte begreift, habe ich hinreichend gehalten zu 1 2 3

sondern] ZD: sondern, ist ihnen] NDR SW W: ist in ihnen Eins] SW W: eins

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beweisen, daß auch diese Form der Philosophie auf das Eine zurückführe, welches als dasjenige bestimmt worden ist, worin ohne Gegensatz alles sei, und in dem allein die Vollkommenheit und Wahrheit aller Dinge angeschaut werde. Bruno Es ist noch übrig, nach eurem Willen, o Freunde, die Gegensätze des Realismus und Idealismus zu betrachten. Allein schon naht die Zeit, die uns abruft. Laß uns also streben, o Lucian, in dem Wenigsten das Meiste zu begreifen, und, dünkt es dir fördernd, der Untersuchung die Frage | zum Grunde legen: welchem Realismus der Idealismus, welchem Idealismus der Realismus entgegengesetzt sein müßte?1 Lucian Vor allem also scheint es nötig, überhaupt zu sagen, wie sich Idealismus und Realismus unterscheiden können. Nicht aber durch den Gegenstand, wenn beide die höchste Erkenntnisart bezwecken, denn dieser ist notwendig nur Einer. Sind sie aber überhaupt nicht spekulativer Art, entweder der eine2 von beiden, oder beide, so ist im ersten Fall keine Vergleichung möglich, im andern lohnt es sich der Mühe nicht, ihre Verschiedenheit zu untersuchen. Das Eine aber aller Philosophie ist das Absolute. Bruno Dieses also muß in Beiden auf gleiche Weise Gegenstand der höchsten Erkenntnisart sein.3 Lucian Notwendig. Bruno Meinst du also, daß sie sich durch die Art der Betrachtung unterscheiden? Lucian Ich denke. Bruno Wie aber? Ist in dem Absoluten eine Verschiedenheit oder Doppelheit, | oder ist es nicht vielmehr notwendig und schlechthin Eines4? Lucian Nicht eine Doppelheit in ihm selbst, sondern nur in ¦ der Betrachtung. Denn indem zwar das Reale an ihm betrachtet wird, entstehet Realismus, indem das Ideale, Idealismus. In ihm 1 2 3 4

müßte?] SW W: müßte. eine] so SW W ED NDU NDR ZD: Eine sein.] NDU: sein? Eines] SW W: eines

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ein gespräch

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selbst aber ist das Reale auch das Ideale, und umgekehrt das Ideale das Reale. Bruno Es scheint nötig, daß du bestimmest, was du das Reale und was du das Ideale nennest; denn diese Worte, wie wir wissen, sind gar sehr verschiedenen Bedeutungen unterworfen. Lucian Unter dem Realen also laß uns in dieser Untersuchung überhaupt das Wesen, unter dem Idealen die Form verstehen. Bruno Der Realismus entstünde also durch die Reflexion auf das Wesen, der Idealismus aber durch das Festhalten der Form des Absoluten.1 Lucian So ist es. Bruno Wie aber, sagten wir nicht, im Absoluten sei Form und Wesen notwendig Eins2? | Lucian So notwendig, als im Endlichen das Wesen von der Form unterschieden wird. Bruno Wie aber Eins3? Lucian Nicht durch Verbindung, sondern so, daß jedes für sich dasselbe ist, jedes nämlich für sich das ganze Absolute. Bruno Realismus also und Idealismus, indem der eine das Absolute dem Wesen, der andre der Form nach betrachtet, betrachteten notwendig und ohne Widerspruch in beiden nur Ein Ding (wenn überhaupt ein Ding), – Einen Gegenstand. Lucian Offenbar. Bruno Wie würde man aber eine solche Einheit, die nicht auf einem Zugleich-, sondern auf einem völligen Gleichsein beruhet, am besten bezeichnen? Lucian Wir haben sie früher schon, wie mir dünkt, nicht unschicklich, als Indifferenz bezeichnet und dadurch eben jene Gleichgültigkeit für die Betrachtung ausgedrückt. Bruno Wenn aber Idealismus und Realismus die höchsten Gegensätze der Philosophie sind, beruht nicht auf der Einsicht dieser ¦ Indifferenz die Einsicht der Philosophie | ohne allen Gegensatz, der Philosophie schlechthin? 1 2 3

Absoluten.] NDU: Absoluten? Eins] SW W: eins Eins] SW W: eins

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Lucian Ohne Zweifel. Bruno Laß uns weiter forschen nach diesem höchsten aller

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Geheimnisse. Haben wir nicht früher schon festgesetzt, das Absolute selbst sei von allem Entgegengesetzten weder das eine noch das andre, lautre Identität, und überhaupt nichts als es selbst, nämlich durchaus absolut?1 Lucian Allerdings. Bruno Von der Form aber kamen wir überein, sie sei die des einen und anderen, der Idealität nämlich und der Realität, des Subjektiven und Objektiven, beides aber mit gleicher Unendlichkeit. Lucian So ist es. Bruno Jede Einheit aber des Subjektiven und Objektiven, tätig gedacht, ist ein Erkennen. Lucian Versteht sich. Bruno Ein Erkennen also, das gleich unendlich ideal und real ist, ist ein absolutes Erkennen. Lucian Ganz gewiß. Bruno Ein absolutes Erkennen ferner | ist kein Denken im Gegensatz gegen ein Sein, es hält vielmehr Denken und Sein selbst schon vereinigt in sich und auf absolute Weise. Lucian Unstreitig. Bruno Es hat also auch Denken und Sein unter sich, nicht über sich. Lucian Es ist notwendig höher als diese beiden, sofern sie Entgegengesetzte sind. Bruno Dieses Erkennen aber ist mit dem Wesen des Ewigen im Verhältnis der absoluten Indifferenz. Lucian Notwendig, da es die Form ist. Bruno Da es aber Denken und Sein unter sich hat, so werden wir unmöglich Denken oder Sein zu unmittelbaren Attributen des Absoluten selbst, dem Wesen nach, machen können. ¦ Lucian Unmöglich. Bruno Werden wir also einen solchen Realismus für vollendet von Seiten der Form ansehen können, der Denken und Ausdeh1

absolut?] so NDU ED NDR ZD SW W: absolut.

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nung als die unmittelbaren Eigenschaften des Absoluten ansieht, wie man denjenigen zu verstehen pflegt, der sonst für den vollendetsten gehalten wird? Lucian Nimmermehr werden wir dies können. | Bruno Diejenigen aber, welche, auf welche Weise es sei, das Denken als solches zum Prinzip machen und ihm das Sein schlechthin entgegensetzen, werden wir ganz und gar zu den Unmündigen in der Philosophie rechnen. Lucian Wohl gesprochen. Bruno Ist es aber nicht notwendig, daß wir das absolute Erkennen als ein solches beschreiben, in welchem das Denken unmittelbar auch ein Setzen des Seins, so wie das Setzen des Seins auch ein Denken ist, anstatt daß dieses im endlichen Erkennen vielmehr als ein Nichtsetzen des Denkens, so wie das Denken als ein Nichtsetzen1 des Seins, erscheint?2 Lucian Unvermeidlich, so scheint es. Bruno Setzen wir aber nicht eben damit zugleich, weil in Ansehung desselben kein Gegensatz von Denken und Sein ist, jenes absolute Erkennen schlechthin identisch, einfach, lauter, ohne alle Entzweiung? Lucian Getroffen. Bruno Denken und Sein ist also nur der Potenz, nicht aber der Tat nach in ihm. Das, woraus etwas abgeschieden wird, | braucht nicht das Abgeschiedne zu enthalten, sondern kann schlechthin einfach sein. Jenes Erkennen macht, eben weil es absolut ist, in der Beziehung auf die Endlichkeit oder überhaupt die Erscheinung, die Trennung in Denken und Sein notwendig, anders kann es sich, als absolut, an endlichen Dingen nicht ausdrücken; jene beiden werden aber erst mit der Trennung gesetzt, und sind vor ihr und in jenem auf keine Weise vorhanden. ¦ Lucian Dies alles ist so beschaffen, daß ich ihm beipflichten muß.

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Nichtsetzen] NDR SW W: Nichtsein erscheint?] ED NDU NDR ZD SW W: erscheint.

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Bruno Denken und Sein aber können im Endlichen als solchem

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nie mehr auf absolute Weise, also immer nur relativ vereinigt sein? Lucian Notwendige Folge, so scheint es, wenn die Endlichkeit der Form nach auf dem Gegensatz des Denkens und Seins beruht. Bruno Ist nicht aber notwendig auch im Endlichen ein Punkt, wo beide, wenn sie nicht absolut ungetrennt, doch absolut vereinigt sind, da nämlich, wo das im Unendlichen ausgedrückte Wesen des Absoluten vollkommen durch das im Endlichen oder im Sein dargestellt ist? | Lucian Wir haben einen solchen Punkt abgeleitet. Er ist notwendig da, wo das unendliche Erkennen sich als Subjektives auf ein Objektives bezieht, das die ganze unendliche Möglichkeit von jenem in sich als Wirklichkeit darstellt. Es ist der Einschlagpunkt des Unendlichen in das Endliche. Bruno Notwendig aber ist die Beziehung des unendlichen Erkennens auf das Objektive, der Unendlichkeit unerachtet, welche dieses im Endlichen ausdrückt, die Beziehung auf ein Einzelnes. Die Einheit des Denkens mit dem Sein ist also nur in der Idee und in einer intellektuellen Anschauung absolut, in der Tat aber oder in der Wirklichkeit immer nur relativ. Lucian Dies ist einleuchtend. Bruno Da wir nun jene bestimmte Einheit des Denkens und des Seins überhaupt Ichheit genannt haben, so werden wir dieselbe, sofern sie intellektuell angeschaut wird, absolute Ichheit, sofern sie aber relativ ist, relative Ichheit nennen können. Lucian Ohne Bedenken. Bruno In der relativen Ichheit nun werden die Objekte zwar durch die Bezie | hung des objektiv gesetzten Erkennens auf den unendlichen Begriff desselben, aber nur für ihre Endlichkeit und in ihrer Endlichkeit, unendlich gesetzt und bestimmt:1 der Gegensatz von Endlichem und Unendlichem ist nur relativ aufgehoben, es entstehen relative Wahrheiten, zwar unendliches, aber nur relatives Wissen. 1

bestimmt:] NDR SW W: bestimmt,

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Lucian Auch hierüber sind wir übereingekommen. ¦ Bruno In der absoluten Ichheit aber, oder in der intellektuellen IV,326

Anschauung werden die Dinge nicht für die Erscheinung, obzwar unendlich, sondern dem ewigen Charakter nach, oder wie sie an sich sind, bestimmt. Es entsteht absolutes Wissen. Lucian So muß es sein. Bruno Insofern die Objekte nur durch das relative Wissen unendlich bestimmt werden, sind sie auch nur durch dieses Wissen und für dieses Wissen. Lucian Freilich. Bruno Und wollen wir Idealität im gemeinen Sinn nur als das Entgegengesetzte der sinnlichen Realität, Idealismus aber für nichts weiter als eine Lehre ansehen, die die | Realität der Sinnenwelt leugnet, so ist den so bestimmten Dingen gegenüber alle Philosophie notwendig Idealismus und dem Realismus, in gleich gemeinem Sinn, ebenso notwendig entgegensetzt. Lucian Notwendig. Bruno Auf diesem Standpunkt der bloßen relativen Einheit von Subjekt und Objekt erscheint die absolute Einheit beider als etwas von ihr schlechthin Unabhängiges, unerreichbar durch Wissen. Nur im Handeln wird sie ihrer im relativen Wissen erhaltnen Natur gemäß, nämlich als eine von diesem Wissen schlechthin unabhängige, objektiv, denn das Objektive in dem, was geschehen soll, erscheint als etwas, das schlechthin kein Wissen ist, weil dieses (nach der Voraussetzung) bedingt, jenes aber unbedingt ist. Hiermit ist das Differenzverhältnis des Absoluten mit dem Wissen und Erkennen festgemacht. Vom relativen Wissen aus wird also das Urreale in die Ethik, die Spekulation aber in Ansehung desselben an die Pflicht verwiesen. Hier erscheint die Einheit des Denkens mit dem Sein erst kategorisch und absolut, aber, weil die absolute Harmonie der Wirk | lichkeit mit der Möglichkeit in der Zeit nie möglich ist, nicht absolut gesetzt, sondern absolut gefodert, für das Handeln also als Gebot und unendliche Aufgabe, für das Denken aber als Glaube, welcher das Ende aller Spekulation ist. Lucian Es ist nichts gegen die Richtigkeit dieser Folgerungen einzuwenden. ¦

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Bruno Nachdem die absolute Einheit des Denkens und Seins

einmal nur als Foderung existiert, so ist sie auch überall, wo sie ist, in der Natur z. B., nur durch das Sollen und für das Sollen. Dieses ist der Urstoff nicht nur alles Handelns, sondern auch alles Seins. Nur für die Ethik hat die Natur eine spekulative Bedeutung, denn sie ist überhaupt nur Organ, nur Mittel;1 nicht um ihrer eignen Göttlichkeit willen, schön ohne Zweck außer sich und an sich selbst, sondern für sich betrachtet tot, bloßer Gegenstand und Stoff eines Handelns, das außer ihr liegt und nicht aus ihr selbst stammt. Lucian Es folgt wie du sagst. Bruno Wird nicht eine Philosophie, die auf ein solches Wissen gegründet ist, voll | kommen den Inbegriff des gemeinen Bewußtseins darstellen und ihm ganz angemessen sein, ohne, eben deswegen,2 im mindesten Philosophie zu sein? Lucian Ganz gewiß. Bruno Jener Idealismus, welcher, nachdem er die absolute Einheit verloren, statt des absoluten Indifferenzpunkts den relativen der Unterordnung des Seins unter das Denken, des Endlichen und Ewigen unter das Unendliche, zum Prinzip macht, wird notwendig dem Realismus entgegengesetzt sein? Lucian Unfehlbar, wenn dieser sich auf das Wesen des Absoluten gründet, diesem aber nur das absolute Erkennen gleichgesetzt werden kann. Bruno Ein solcher hat eben deswegen auch nicht das Ideale an sich, sondern nur das erscheinende Ideale zum Prinzip? Lucian Notwendig, denn sonst würde er sich außer allem Gegensatz mit Realismus erblicken. Bruno Das reine Subjekt-Objekt aber, jenes absolute Erkennen, das absolute Ich, die Form aller Formen, ist der dem Absoluten | eingeborne Sohn, gleich ewig mit ihm, nicht verschieden von seinem Wesen, sondern Eins3. Wer also diesen besitzt, besitzt

1 2 3

Mittel; ] ZD SW W: Mittel: ohne, eben deswegen,] SW W: ohne – eben deswegen – Eins] SW W: eins

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auch den Vater, nur durch ihn gelangt man zu jenem, und die Lehre, die aus ihm ist, ist dieselbe, welche aus jenem. ¦ Jene Indifferenz also im Absoluten, daß nämlich in Ansehung seiner die Idee die Substanz, das Reale schlechthin, die Form auch das Wesen, das Wesen die Form ist, eins von dem andern untrennbar, jedes des andern völlig gleichendes Ebenbild nicht nur, sondern das andere selbst – diese Indifferenz erkennen, heißt den absoluten Schwerpunkt und gleichsam jenes Urmetall der Wahrheit erkennen, dessen Stoff alles einzelne Wahre legiert, und ohne welchen nichts wahr ist. Dieser Schwerpunkt ist derselbe im Idealismus und Realismus, und wenn beide sich entgegengesetzt sind, fehlt es nur an der Erkenntnis oder vollkommnen Darstellung desselben in dem einen oder in beiden. Was aber die Form der Wissenschaft betrifft, und die Foderung, den gedrunge | nen Keim jenes Prinzips zur höchsten Entwicklung, und bis zur vollkommnen Harmonie mit der Gestalt des Universums auszubilden, von der die Philosophie der getreue Abdruck sein soll, so können wir zu diesem Zweck keine vortrefflichere Regel weder uns selbst noch andern vorschreiben, die wir beständig vor Augen haben, als welche ein Philosoph vor uns in den Worten hinterlassen hatG: Um in die tiefsten Geheimnisse der Natur einzudringen, muß man nicht müde werden, den entgegengesetzten und widerstreitenden äußersten Enden der Dinge nachzuforschen:1 den Punkt der Vereinigung zu finden, ist nicht das Größte, sondern aus demselben auch sein Entgegengesetztes zu entwickeln, dieses ist das eigentliche und tiefste Geheimnis der Kunst. Diesem folgend werden wir erst in der absoluten Gleichheit des Wesens und der Form die Art erkennen, wie sowohl Endliches als Unendliches aus ihrem Innren hervorquillt, und das eine notwendig und ewig bei dem andern ist, und wie jener einfache Strahl, der vom Absoluten ausgeht und | es selbst ist, in Differenz und Indifferenz, Endliches und Unendliches getrennt erscheine, begreifen, die Art aber der Trennung und der Einheit 1

nachzuforschen:] NDR SW W: nachzuforschen;

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für jeden Punkt des Universums genau bestimmen, und dieses bis dahin verfolgen, wo jener absolute Einheitspunkt in die zwei relativen getrennt erscheint, und in dem einen1 den Quellpunkt der reellen und natürlichen, in dem andern der ideellen und der göttlichen Welt erkennen, und mit jener zwar die Menschwerdung Gottes von Ewigkeit, ¦ mit dieser die notwendige Gottwerdung des Menschen feiern, und indem wir auf dieser geistigen Leiter frei und ohne Widerstand auf und ab uns bewegen, jetzt herabsteigend die Einheit des göttlichen und natürlichen Prinzips getrennt, jetzt hinaufsteigend und alles wieder auflösend in das Eine, die Natur in Gott, Gott aber in der Natur sehen. Dann, nachdem wir zu dieser Höhe gelangt sind und das harmonische Licht jenes wundervollen2 Erkennens angeschaut, dieses aber zugleich als das Reale des göttlichen Wesens erkannt haben, wird es uns verstat | tet sein, die Schönheit in ihrem höchsten Glanze zu sehen, ohne von ihrem Anblick geblendet zu werden, und in der seligen Gemeinschaft mit allen Göttern zu leben. Dann werden wir die königliche Seele des Jupiter begreifen; sein ist die Macht; unter ihm aber ist das formende und das formlose Prinzip, welches in der Tiefe des Abgrunds ein unterirdischer Gott wieder zusammenknüpft: er aber wohnt in unnahbarem Äther. Auch die Schicksale des Universums werden uns nicht verborgen bleiben, die Zurückziehung des göttlichen Prinzips von der Welt, und wie die mit der Form vermählte Materie der starren Notwendigkeit überliefert worden:3 noch werden uns die Vorstellungen von den Schicksalen und dem Tode eines Gottes dunkel sein, die in allen Mysterien gegeben werden, die Leiden des Osiris und der Tod des Adonis. Vor allem aber werden unsre Augen auf die oberen Götter gerichtet sein, und jenes seligsten Seins Teilnahme durch Anschaun erlangend, werden wir wahrhaft, wie die Alten sich ausdrückten, vollendet werden, indem wir, nicht nur als der Sterblichkeit Entflohene, sondern als solche, die die Weihe un | sterblicher Güter empfan1 2 3

einen] so SW W ED NDU NDR ZD: Einen wundervollen] so NDU ZD SW W ED NDR: Wundervollen worden:] SW W: worden,

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ein gespräch 169

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gen haben, in dem herrlichen Kreise leben. Jedoch, o Freunde, schon mahnt uns die sinkende Nacht und das Licht einsam funkelnder Sterne. Lasset uns also von hinnen gehen.

ANMERKUNGEN.

A Über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge). Zur

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vorläufigen Erläuterung diene die Stelle des Plato (in Tim. p. 385): ∆ωο αιτιας ειδη χρη διοριζεσθαι, το µεν αναγκαιον, το δε θειον, και το µενθειον εν πασι ζητειν κτησευς νεκα εωδαιµονος βιοω καθ σον µυν  φωσις ενδεχεται. B S. 22. so daß Sophokles etc.) In einem Fragment, welches Plutarch aufbewahrt hat, und das sich Opp. Soph. ed. Brunk. T. IV, p. 686 findet. C S. 32. Sokrates bei Plato etc.) In der Stelle des Phileb. p. 217. D S. 62. Merke also, o Freund, den Sinn der Gesetze, die ein göttlicher Verstand uns enthüllt zu haben scheint.) Hierunter werden die Keplerischen Gesetze verstanden. Um den spekulativen Sinn derselben zu ahnden1, muß man sie von den spätern empirischen und mechanischen Entstellungen zuvor befreit und in ihrer Reinheit erkannt haben. Hierüber kön | nen wir uns mit Überzeugung auf die frühern Bemühungen eines Freunds berufen: das Positive der hier ausgedrückten Ansicht dieser Gesetze ist dem allgemeinen Schema der Konstruktion, welches in dieser Unterredung herrschend ist, gemäß; denn nach demselben verhalten sich die drei Keplerischen Gesetze überhaupt wie Indifferenz, Differenz und das, worin beide zur Einheit rekonstruiert sind, Totalität; sie drücken auf diese Weise den ganzen Vernunft-Organismus vollkommen aus, und bilden ein in sich geschlossenes System. Dieses mag zum Verstehen der Reden des Bruno der vorläufige Leitstern für diejenigen sein, welche nicht fernere anderwärts zu gebende Erläuterungen erwarten wollen.

1

ahnden] ZD: ahnen

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anmerkungen von schelling

E S. 104. Die Schicksale also jener Lehre etc.) Für Kenner

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bedarf es vielleicht nicht der Erinnerung, daß die folgende Darstellung sich der besondern Art, wie Jordanus Brunus die Lehre vom Universum dargestellt hat, vorzüglich nach dem geistreichen Auszug, welcher von seinem Werk: Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen, als Anhang zu den Briefen über die Lehre des Spinoza von Jacobi, gegeben worden ist, am meisten annähere. Ausgenommen, daß Brunus die Seele und die Form eines Dings für ¦ identisch erklärt (a. a.O. S. 269.), wodurch es ihm unmöglich wird, den höchsten Punkt der Indifferenz zwischen Materie und Form mit durchgängiger Klarheit zu gewinnen, Alexander dagegen die Seele selbst als | den Einen Gegensatz in der Form behauptet, sonach der Form unterordnet, können folgende Stellen des Brunus als Belege und Parallelen seiner Darstellung betrachtet werden: »Wir müssen von der zufälligen Form die notwendige, ewige und erste Form unterscheiden, welche aller Formen Form und Quelle ist.« »Diese erste allgemeine Form und jene erste allgemeine Materie, wie sind sie vereinigt, unzertrennlich, verschieden und dennoch nur Ein Wesen? Dieses Rätsel müssen wir aufzulösen suchen.« S. 282, 283. »Die vollkommne Möglichkeit des Daseins der Dinge kann vor ihrem wirklichen Dasein nicht vorhergehen, und ebensowenig nach demselben überbleiben. Wenn es eine vollkommne Möglichkeit wirklich zu sein ohne wirkliches Dasein gäbe, so erschafften die Dinge sich selbst und wären da, ehe sie waren. Das erste und vollkommenste Prinzip fasset alles Dasein in sich, kann alles sein, und ist alles. Tätige Kraft und Potenz, Möglichkeit und Wirklichkeit sind also in ihm ein unzertrenntes und unzertrennliches Eins. Nicht so die andern Dinge, welche sein und nicht sein, so oder anders bestimmt werden können. Jeder Mensch ist in jedem Augenblick, was er in diesem Augenblick sein,1 aber nicht alles, was er überhaupt und der Substanz 1

sein,] so NDU ZD SW W ED NDR: sein;

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anmerkungen von schelling 183 184

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nach sein kann. Was alles ist, was es sein kann, ist nur ein Einziges, welches in seinem Dasein alles andre Dasein begreift.« S. 284. | »Das Universum, die unerzeugte Natur, ist ebenfalls alles, was sie sein kann, in der Tat und auf Einmal, weil sie alle Materie nebst der ewigen, unveränderlichen Form ihrer wechselnden Gestalten in sich faßt: aber in ihren Entwicklungen von Moment zu Moment, ihren besondern Teilen, Beschaffenheiten, einzelnen Wesen, überhaupt ihrer Äußerlichkeit, ist sie schon nicht mehr was sie ist und sein kann, sondern nur ein Schatten von dem Bilde des ersten Prinzips, in welchem tätige Kraft und Potenz, Möglichkeit und Wirklichkeit Eins und dasselbe sind.« S. 285 f. »Wir haben kein Auge weder für die Höhe dieses Lichtes noch für die Tiefe dieses Abgrundes; worüber die heiligen Bücher, indem sie die beiden äußersten Enden zusammenfassen, mit Erhabenheit sagen: Tenebrae non obscurabuntur a te. Nox sicut Dies illuminabitur. Sicut tenebrae ejus, ita et lumen ejus.« S. 287. »Man hüte sich, die Materie der zweiten Gattung, welche das Subjekt allein der natürlichen und veränderlichen Dinge ist, mit derjenigen zu vermischen, welche sinnliche und übersinnliche Welt miteinander gemein haben.« S. 287. »Diese Materie, welche den unkörperlichen wie den körperlichen Dingen zum Grunde liegt, ist ein mannigfaltiges Wesen, insofern es die Menge der Formen in sich schließt, in sich betrachtet aber schlechterdings einfach und unteilbar. Weil sie alles ist, kann sie nichts insbesondere sein. Ich gestehe, daß es nicht für jeden | leicht zu fassen ist, wie Etwas alle Eigenschaften und keine ¦ besitzen, das formelle Wesen von allem sein, und doch selbst keine Form haben könne1; doch ist dem Weltweisen der Satz bekannt: non potest esse idem, totum et aliquid.« S. 290. F S. 110. Nicht mit Unrecht, o Freund etc.) Anselmo, indem er sich einerseits an den Leibnizischen Intellektualismus an1

könne;] so SW W ED NDU NDR ZD: können;

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anmerkungen von schelling

schließt, scheint auf der andern Seite durch die erste Beschränktheit desselben, welche in dem Ausgehen von dem Begriff der Monas liegt, in seiner Darstellung gleichfalls beengt; zugleich aber könnte jedoch die Frage entstehn, ob jene Lehre hier nicht wirklich zu einem höhern Sinn umgedeutet worden, und ob in den Verwicklungen und der Unform, welche jene erste Einschränkung notwendig macht, je eine Äußerung der wahren Philosophie mit der Klarheit, wie mehrere in der Rede des Anselmo, z. B. daß nur inadäquate Vorstellung die Dinge außer Gott sehen lasse u. dgl., durchgebrochen sei. Diese Frage ist um so natürlicher, je allgemeiner bis in unsre Zeit, selbst von denen, welche sich zu Leibniz bekennen, oder die Philosophie zu ihm zurückführen wollen, seine Lehre, nicht ohne seine Schuld, in Hauptpunkten, wie die der vorherbestimmten Harmonie (welche auf die Verbindung des Leibes mit der Seele bezogen wird), dem Verhältnis der Monaden zu Gott usf., ganz unverstanden geblieben ist; gleichwohl möchte sich in der Rede des Anselmo nichts finden, das nicht mit einzelnen Stellen aus Leibniz wirklich belegt | werden könnte, ohne daß man nötig hätte, zu der Berufung auf den Geist des Intellektualsystems seine Zuflucht zu nehmen. Das Sein z. B. der Einheiten in Gott betreffend, und daß für die adäquate oder Vernunftvorstellung alles in Gott seie, kann man sich auf mehrere Äußerungen beziehen, die teils in den Nouveaux essais selbst, teils in einer Zugabe zu denselben, über das Theorem des Malebranche, daß wir alle Dinge in Gott sehen, befindlich sind. G S. 123. welche ein Philosoph vor uns in den Worten hinterlassen hat etc.) Auch dieser ist Jordanus Brunus, dessen hier (aus dem schon erwähnten Auszug S. 303.) angeführte Worte allerdings als das Symbolum der wahren Philosophie betrachtet werden können.

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ANMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

1 Nach Homer der Schrecken erregende Schutzschild des Zeus, der

auch von Apollon und Athene getragen wurde. 2 Vgl. hierzu und zum folgenden, neben der Platonischen Unterscheidung von πιστµη und δóξα, auch Leibniz’ Differenzierung ewiger und notwendiger Vernunftwahrheiten (verités de raison) von zeitlichen und kontingenten Tatsachenwahrheiten (verités de fait) in Ders.: Nouveaux essais sur l’entendement humain par l’auteur du systeme préetablie. In: Oeuvres philosophique latines & françoises du feu Mr. de Leibnitz. Hg. v. Rudolph Erich Raspe. Amsterdam u. Leipzig 1765. S. 326 (Philosophische Schriften, Bd. 5. S 343). 3 Vgl. hierzu Leibniz’ Bestimmung des göttlichen Verstandes als Inbegriff der ewigen Wahrheiten in Ders.: Principia philosophiae, Seu Theses in gratiam Principis Eugenii &c. (= Monadologie.) In: Opera omnia. Hg. v. L. Dutens. Tom. II. P. I. Genf 1768. S. 20–31. – S. 25. (Philosophische Schriften, Bd. 6. S. 614.) – Vgl. auch Kants Unterscheidung von diskursivem Verstand (intellectus ectypus) und intuitivem Verstand (intellectus archetypus) in Ders.: Kritik der Urteilskraft, 2. Aufl. Berlin 1793. §. 77. B 346–352 (Werke, Bd. 5, S. 405–409). 4 Vgl. Anm. 145. 5 Vgl. hierzu auch Platons kosmologische Theorie im Timaios (oben S. XVII f.). 6 Vgl. Römerbrief 8,19–22. 7 Vgl. Kant, I.: Kritik der Urteilskraft, S. 62: »Schönheit ist Form der Zweckmäßigkeit eines Gegenstandes, sofern sie, ohne Vorstellung eines Zwecks, an ihm wahrgenommen wird.« (Werke, Bd. 5, S. 236.) 8 Vgl. zu diesem Abschnitt Platon: Phaidros. 243e–257d. 9 Vgl. hierzu auch Plotin: Enneaden. I, 6, 6, 14–33. 10 Vgl. Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. Tübingen 1800. S. 18–21, 477 f. (SW III, S. 349, 351, 629.) 11 Vgl. hierzu Plotins Vorstellung der Emanation (κλαµψις) alles Seienden aus dem Ur-Einen in Ders.: Enneaden. V 1, 6–7; VI 9, 9, 3. 12 Vgl. Platon: Phaidros. 243e–257b. 13 Eine Anspielung auf die antiken Mysterienkulte, von denen auch im folgenden die Rede ist.

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anmerkungen des herausgebers

14 Zum Begriffspaar exoterisch – esoterisch vgl. auch Schelling,

F. W. J.: Philosophische Briefe über Dogmatismus und Kritizismus. 10. Brief. In: Philosophisches Journal. Bd. 2. H. 3. Neu-Strelitz 1794. S. 239 (AA I,3. S. 112; SW I, S. 341); Allgemeine Übersicht der neuesten philosophischen Literatur. In: a. a.O. Bd. 7. H. 2. Jena u. Leipzig 1797. S. 130 f. (AA I,4. S. 145; SW I, S. 418); Über das Wesen der philosophischen Kritik überhaupt, und ihr Verhältnis zum gegenwärtigen Zustand der Philosophie insbesondere. In: Kritisches Journal der Philosophie. Bd. 1. St. 1. Tübingen 1802. S. XVIII (SW V, S. 13). 15 Aristophanes: Ranae. 450–455: »τòν µéτερον τρóπον / τòν καλλιχορẃτατον / παíζοντες, ν λβιαι / Μοραι ξωνáγοωσιν. / µóνοις γàρ µν λιος / καì φéγγος !λαρóν στιν, / "σοι µεµωµεθ$ε%- / σεβ& τε διγοµεν / τρóπον περì τοùς ξéνοως / καì τοùς 'διẃτας.« – »Denn uns allein bescheint der Tag / Und heitre Sonnenhelle, / Nur uns, die Geweihten, die / Immerdar frommen Brauch / Geübt an den Fremden / Und Bürgern der Stadt!« (Aristophanes: Sämtliche Komödien. Übertragen von Ludwig Seeger. Einleitung zur Geschichte und zum Nachleben der griechischen Komödie nebst Übertragungen von Fragmenten der alten und mittleren Komödie von Otto Weinreich. Zürich u. München o. J. S. 536.) 16 Vgl. Platon: Phaidon. 78b–79b. 17 Zu Platons Anamnesislehre vgl. Ders.: Phaidros. 249b–253c; Phaidon. 72e–76e; Menon. 80d–86c. 18 Vgl. Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. S. 433 f. (SW III, S. 600.) 19 Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Differenz des Fichte’schen und Schelling’schen Systems der Philosophie in Beziehung auf Reinhold’s Beiträge zur leichtern Übersicht des Zustands der Philosophie zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, 1stes Heft. Jena 1801. S. 125: »Das Absolute selbst aber ist darum die Identität der Identität und Nichtidentität; Entgegensetzen und Einssein ist zugleich in ihm.« (GW Bd. 4. S. 64.) 20 In seinem Brief vom 15. 1. 1802 erhebt Fichte den Vorwurf, daß Schelling in der Identitätsphilosophie die Gegensatzbegriffe von Wissen und Sein rein formal »in eine negative Identität d.i. NichtVerschiedenheit des Wissens u. Seins, in einen Indifferenz-Punkt usw.« synthetisiere und fährt dann fort: »Aber sehen Sie vor der Hand z.B. das absoluteste Sein, das Sie aufstellen mögen, nur darauf an, so finden Sie in ihm das deutliche Merkmal einer Zusammensetzung, die begreiflich nicht ohne Scheidung vorgegangen sein kann […].« (GA Bd. III,5. S. 111 f.)

anmerkungen des herausgebers

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21 Vgl. Schelling an Fichte am 3. 10. 1801: »Da diese absolute Iden-

tität des Denkens und Anschauens das höchste Prinzip ist, so ist sie, wirklich als absolute Indifferenz gedacht, notwendig zugleich das höchste Sein; anstatt daß das endliche und bedingte Sein (z. B. der einzelnen körperlichen Dinge) immer eine bestimmte Differenz des Denkens und Anschauens ausdrückt. Hier trüben sich Ideelles und Reelles wechselseitig. Die ungetrübte Indifferenz beider ist nur im Absoluten.« (GA Bd. III,5. S. 81.) 22 Vgl. hierzu auch Hegels Darstellung der Philosophie von Christoph Gottfried Bardili (1761–1805) und Karl Leonhard Reinhold (1758–1823) in Ders.: Differenzschrift. S. 153 ff. (GW Bd. 4. S. 77 ff.) 23 Vgl. Fichte an Schelling am 31. 5. 1801: »[…] auch muß die Identität des Ideal- und Real-Grundes, = der Identität des Anschauens und Denkens aufgestellt werden.« (GA Bd. III,5. S. 46.) 24 Vgl. Schelling an Fichte am 3. 10. 1801: »Die Identität des Idealund Realgrundes ist = der Identität des Denkens und Anschauens. Sie drücken mit dieser Identität die höchste spekulative Idee aus, die Idee des Absoluten, dessen Anschauen im Denken, dessen Denken im Anschauen ist.« (GA Bd. III,5. S. 80 f.) 25 Eine Anspielung auf Reinhold und Bardili. Vgl. Hegel, G. W. F.: Differenzschrift. S. 171 ff. (GW Bd. 4. S. 87 ff.) 26 Diese Paraphrase aus Platons Philebos findet sich, zum Teil wörtlich, bereits in Schellings Timaios Kommentar aus dem Jahre 1794 (vgl. F. W. J. Schelling: »Timaeus« (1794). Herausgegeben von Hartmut Buchner. Mit einem Beitrag von Hermann Krings: Genesis und Materie – Zur Bedeutung der Timaeus-Handschrift für Schellings Naturphilosophie. Stuttgart-Bad Cannstatt 1994. S. 146). Zu weiteren Parallelen zwischen dem Dialog Bruno und Texten aus Schellings Tübinger Studienzeit vgl. Franz, Michael: Schellings Tübinger Platon-Studien. Göttingen 1996. S. 262–269. 27 Vgl. oben S. 23. 28 Zur spekulativen Bedeutung der Begriffe Unbegrenztes ((πειρον) und Grenze (πéρας) vgl. Platon: Philebos. 23c–27c. 29 Vgl. Schelling, F. W. J.: Vom Ich als Prinzip der Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen Wissen. Tübingen 1795. S. 178 f. (AA I,2. S. 163; SW I, S. 323.) 30 Vgl. Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. S. 261: »Der Grundcharakter der Organisation ist, daß sie aus dem Mechanismus gleichsam hinweggenommen, nicht nur als Ursache, oder Wirkung, sondern, weil sie beides zugleich von sich selbst ist, durch sich

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selbst besteht […] also, daß sie mit sich selbst in Wechselwirkung, Produzierendes und Produkt zugleich sei, welcher Begriff Prinzip aller organischen Naturlehre ist.« (SW III, S. 495.) – Schelling knüpft an Kants Bestimmung des Organismus durch den Begriff der inneren Zweckmäßigkeit an. Vgl. Kant, I.: Kritik der Urteilskraft §. 65–66. S. 289–296 (Werke, Bd. 5. S. 372–377). 31 Vgl. Spinoza, B. de: Ethica, ordine geometrico demonstrata. Pars II. Propositio VIII. In Ders.: Opera posthuma, Quorum series post Praefationem exhibetur. o. O. 1677. S. 46 f. (Opera. Bd. 2. S. 90 f.) 32 Vgl. Platon: Timaios. 28c; 37c. 33 Vgl. Philipperbrief 2,6–8. 34 Vgl. Fichte, Johann Gottlieb: Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie, als Einladungsschrift zu seinen Vorlesungen über diese Wissenschaft. Weimar 1794. S. 19 (GA Bd. I,2. S. 119.); Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. S. 26, 33, 37, 58 (SW III. S. 354, 358, 361, 373); Hegel, G. W. F.: Differenzschrift. S. 68. (GW Bd. 4. S. 36.) 35 Vgl. oben S. 29 f. 36 Vgl. Schelling an Fichte am 3. 10. 1801: »Dieses Absolute, behaupte ich in meiner Darstellung, existiert unter der Form der quantitativen Differenz (dies ist die Anschauung, die immer eine bestimmte ist) im Einzelnen und der quantitativen Indifferenz (dies ist das Denken) im Ganzen. (Als Einheit aufgefaßt, ist es also absolute Gleichheit des Denkens und Anschauens. In dem Denken ist so viel als in dem Anschauen und umgekehrt; eins dem andern adäquat.) Sie sagen etwas Ähnliches mit dem, was Ihre letzte Synthesis ist, – dem, was zugleich unbegreiflicher Realgrund der Getrenntheit des Einzelnen und Idealgrund der Einheit Aller ist. Sie erheben sich also allerdings zu diesem Sein, welches nicht Realität – nicht Wirklichkeit – sondern über allen Gegensatz von Ideellem und Reellem erhaben, die absolute Identität davon ist. Aber dieses Sein ist Ihnen die letzte Synthesis. Ich dächte aber, wenn sie wirklich zugleich die höchste ist, so ist sie eben darum das Absolute, das Unbedingte selbst, also unfehlbar zugleich das Erste, von dem ausgegangen werden muß. / Entweder müssen Sie nie aus dem Sehen, wie Sie sich ausdrücken, das heißt eben aus der Subjektivität heraus, und eines jeden Ich, wie Sie einmal in der Wissenschaftslehre sagen, muß die absolute Substanz sein und bleiben, oder gehn Sie einmal heraus, auf Einen auch unbegreiflichen Realgrund, so gilt jenes ganze Zurückweisen an die Subjektivität nur vorläufig, bis das wahre Prinzip gefunden ist […].« (GA Bd. III,5. S. 81 f.)

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37 Vgl. Fichte an Schelling am 31. 5. 1801. (GA Bd. III,5. S. 46 f.) 38 Vgl. hierzu auch Schellings Ausführungen in seinem Aufsatz

Anhang zu dem Aufsatz des Herrn Eschenmayer betreffend den wahren Begriff der Naturphilosophie und die richtige Art ihre Probleme aufzulösen von 1801, nach denen die Naturphilosophie nicht nur die intellektuelle Anschauung im Sinne der Wissenschaftslehre voraussetzt, sondern darüber hinaus einen Akt der Abstraktion »von dem Anschauenden in dieser Anschauung, eine Abstraktion welche mir das rein Objektive dieses Akts zurückläßt, welches an sich bloß Subjekt-Objekt, keineswegs aber = Ich ist«. (Zeitschrift für spekulative Physik. Bd. 2. H. 1. Jena u. Leipzig 1801. S. 122; SW IV, S. 634 f.) In der Identitätsphilosophie wird dieser Ansatz erweitert und eine Vernunftanschauung postuliert, die von allen Entgegensetzungen absieht und sich auf den Standpunkt des wahren An sich, der Indifferenz von Subjekt und Objekt stellt. (Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 1. In: Zeitschrift für spekulative Physik. Bd. 2. H. 2. Jena u. Leipzig 1801. S. 1 f.; SW IV, S. 114 f.) 39 Vgl. hierzu auch die weiteren Ausführungen in Schelling, F. W. J.: Philosophie und Religion. Tübingen 1804. S. 18–53 (= Abkunft der endlichen Dinge aus dem Absoluten und ihr Verhältnis zu ihm). (SW VI, S. 28–50.) 40 Vgl. oben S. 33 f. Vgl. auch Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 25 (SW IV, S. 125). 41 Diese Gedanken entwickelt Schelling in der Schrift Philosophie und Religion weiter zur Lehre vom Abfall, mit der die Entstehung des Endlichen als Endliches erklärt werden soll: Die Möglichkeit des »Abfalls« bzw. der Absonderung gründet im Absoluten selbst, insofern mit der Idee des Endlichen die Möglichkeit des Für-sich-selbst-Seins gegeben ist. Die Wirklichkeit der Absonderung aber wird gedacht als nicht ableitbarer Akt der Selbstsetzung des abgesonderten Endlichen, dessen höchster Ausdruck das Ich ist. Vgl. auch schon Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 95. Zusatz aus dem Handexemplar (SW IV, S. 63). 42 Vgl. Schelling an Fichte am 3. 10. 1801: »Sie geben dem Realgrund der Getrenntheit des Einzelnen den Beisatz: unbegreiflich. Unbegreiflich ist er freilich für die von unten aufsteigende Verstandesreflexion, die sich mit dem Gegensatz des Endlichen (Ihre Getrenntheit) und Unendlichen (Ihre Einheit Aller) in unauflösliche Widersprüche verwickelt (Kants Antinomien), nicht aber für die Vernunft, welche die absolute Identität, das untrennbare Beisammensein des Endlichen mit dem

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Unendlichen, als das Erste setzt und von dem Ewigen ausgeht, welches weder endlich noch unendlich, sondern beides gleich ewig ist. Diese Vernunftewigkeit ist das eigentliche Prinzip aller Spekulation und des wahren Idealismus, das Vernichtende der Kausalreihe des Endlichen, der sie dem Wesen nach (natura) in jedem Augenblick der Zeit ebenso vorangeht, als sie ihr ursprünglich voranging, so wie sie umgekehrt niemals auf eine andere Weise vor ihr war, als sie noch jetzt und immer ist, nämlich der Natur nach.« (GA Bd. III,5. S. 84.) 43 Vgl. oben S. 39–42. 44 Vgl. Spinoza, B. de: Ethica. Pars II. Propositio VII. In: Opera posthuma. S. 45 f.: »Ordo, et connexio idearum idem est, ac ordo, et connexio rerum.« (Opera. S. 89 f.) – Übersetzung nach: Spinoza: Werke. Hg. v. Konrad Blumenstock. Darmstadt 1980. S. 169: »Die Ordnung und Verknüpfung der Vorstellungen ist dieselbe, wie die Ordnung und Verknüpfung der Dinge.« 45 Vgl. Platon: Timaios. 50c–d. 46 Vgl. Platon: Timaios. 40b–d; Aristoteles: Metaphysik. 1074b. 47 Zur Konstruktion der drei Dimensionen des Raumes vgl. auch Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. S. 176 ff. (SW III, S. 444 ff.); Allgemeine Deduktion des dynamischen Prozesses. In: Zeitschrift für spekulative Physik. Bd. 1. Jena u. Leipzig 1800. §. 11 ff. S. 109 ff. (AA I,8. S. 303 ff; SW IV, S. 9 ff.) 48 Vgl. Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. S. 300 (SW III, S. 519). 49 Vgl. Platon: Timaios. 37d–e. 50 Vgl. hierzu auch Schellings Bestimmung der Zeit als objektiv gewordener innerer Sinn in Ders.: System des transzendentalen Idealismus. S. 214–216. (SW III, 466 f.) 51 Vgl. hierzu die Schematisierung der Grundkategorien des dynamischen Prozesses – Magnetismus, Elektrizität und Galvanismus – durch die Symbole von Linie, Winkel und Dreieck in Schelling, F. W. J.: Allgemeine Deduktion. §. 59 (AA I,8 S. 361; SW IV, S. 73); Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 114. (SW IV, 187 f.) 52 Die Unterscheidung von Grund der Existenz und Existenz führt Schelling erstmals in seiner Darstellung meines Systems der Philosophie von 1801 ein (vgl. §. 93 Anm. S. 59. [SW IV, S. 163 Anm.]). Konstitutiv wird diese Begrifflichkeit dann für die Bestimmung des Absoluten in Schellings Freiheitsschrift von 1809 (vgl. Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände. In Schelling, F. W. J.: Philosophische

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Schriften. Erster Band. Landshut 1809. S. 394–511. – S. 429. [SW VII, S. 357.] 53 Nach Schellings Ausführungen in seinen vorhergehenden Schriften ist die Potenz der Schwere die grundlegende Kategorie der ersten Stufe des Naturprozesses, nämlich des Prozesses der Konstitution von Materie überhaupt in Raum und Zeit. Die Potenz der Schwere wird actu gesetzt in der Kohäsion und dem spezifischen Gewicht; erstere bedingt die wesentliche Einheit aller Körper, letzteres ihre Besonderheit oder Individualität (vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 54 ff. (SW IV, 146 ff.) Gemäß den Darlegungen der Allgemeinen Deduktion spiegelt sich im Phänomen der »Schwere« der Körper die ursprünglich-synthetisierende Kraft der ersten Dimension des Konstruktionsprozesses der Natur wider (Allgemeine Deduktion. §. 39; AA I,8. S. 330–333; SW IV, S. 38–41). 54 Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Dissertatio philosophica de orbitis planetarum. Jena 1801. S. 19 f. (GW Bd. 5. S. 245 f.) 55 Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 50 Erl. 1., §. 58 Anm. (SW IV, S. 140, 149). 56 Vgl. oben S. 52 f. 57 Vgl. Platon: Timaios. 30b–c. 58 Vgl. hierzu Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch oder Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre mit kurzen Nachrichten von der Geschichte der Erfindungen und Beschreibungen der Werkzeuge begleitet in alphabetischer Ordnung. Teil 2. Leipzig 1789. Artikel: Fall der Körper. S. 117: »Mithin gelten von dem freien Falle der Körper alle Gesetze der gleichförmig beschleunigten Bewegung […]. Die Geschwindigkeit an jeder Stelle verhält sich wie die vom Anfange des Falls verflossene Zeit; die zurückgelegten Räume verhalten sich, wie die Quadratzahlen der Zeiten, ingleichen, wie die Quadratzahlen der Geschwindigkeiten; die Teile des Raums, die in einer Sekunde nach der andern durchlaufen werden, wachsen wie die ungeraden Zahlen, 1, 3, 5, 7, usf.; und der Körper fällt in einer gegebnen Zeit nur halb so tief, als ihn in eben der Zeit seine zuletzt erlangte Geschwindigkeit führen würde.« – Vgl. auch Schelling, F. W. J.: Fernere Darstellungen aus dem System der Philosophie. 2. Teil. In: Neue Zeitschrift für spekulative Physik. Hg. v. F. W. J. Schelling. Bd. I. St. 2. Tübingen 1802. S. 3–180. – S. 69 f. (SW IV, S. 435–437.) 59 Vgl. Platon: Nomoi. 897e–898b. Vgl. auch Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. S. 252: »Die Kreislinie ist die ur-

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sprüngliche Synthesis der Endlichkeit und der Unendlichkeit«. (SW III, S. 490.) 60 Vgl. Anm. 58. 61 Vgl. hierzu das 1. Keplersche Gesetz, nach dem »die Planeten nicht in Kreisen, sondern in Ellipsen laufen, in deren einem Brennpunkte die Sonne steht«. (Gehler, J. S. T.: Physikalisches Wörterbuch. Artikel: Keplerische Regeln. Teil 2. 1789. S. 751.) 62 Vgl. das 2. Keplersche Gesetz, gemäß dem – in der zeitgenössischen Formulierung – beim »elliptischen Laufe der Planeten die Sektoren oder Flächenräume, welche die aus der Sonne nach dem Planeten gezogne Linie durchläuft, […] sich wie die Zeiten verhalten, in denen sie durchlaufen werden«, sowie das 3. Keplersche Gesetz, das besagt, »daß sich bei Körpern, welche um einerlei Hauptkörper laufen, die Quadratzahlen der Umlaufzeiten wie die Würfel der mittleren Entfernungen vom Hauptkörper verhalten«. (Gehler, J. S. T., a. a. O. S. 752.) 63 Vgl. zum folgenden ausführlich Schelling, F. W. J.: Fernere Darstellungen. S. 117 ff. (SW IV, S. 468 ff.) 64 Vgl. Platon: Timaios. 40b. 65 Eine Anspielung auf die zwölf Tierkreiszeichen. Vgl. zu den beiden vorhergehenden Abschnitten auch Gehler, J. S. T.: Physikalisches Wörterbuch. Artikel: Ekliptik. Teil 1. 1787. S. 690–695. 66 So in der Stellung von Mars, Jupiter und Saturn. 67 Vgl. Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch. Artikel: Magnet. Teil 3. Leipzig 1790. S. 92–127. – S. 115: »Die Kenntnis des natürlichen Magnets ist sehr alt. Schon in dem Gedichte von den Steinen (λíθικα), das den Namen des Orpheus führt, vermutlich aber von Onomakrit, einem Athenienser aus den Zeiten des Pisistratus herrührt, wird er unter dem Namen Μαγντης erwähnt, den er von der Stadt Magnesia in Lydien, wo man ihn vielleicht zuerst fand, erhalten haben soll. Theophrast und Plato geben ihm den Namen Ηρακλεα λíθος; welcher sich daraus erklärt, weil nach dem Zeugnis eines ältern Schriftstellers beim Eusthatius die Stadt Magnesia in Lydien auch Heraclea hieß.« – Zu Platon vgl. Ion. 533d. 68 Vgl. hierzu auch Schelling, F. W. J.: Fernere Darstellungen. S. 164 f. (SW IV, S. 498 f.) 69 Nämlich auf Fixsterne, Planeten und Kometen. 70 Zu zeitgenössischen Vorstellungen über mögliche Lebensformen auf anderen Planeten vgl. Gehler, J. S. T.: Physikalisches Wörterbuch. Artikel: Planeten. Bd. 3. Leipzig 1790. S. 515 f. 71 So der Neupythagoräer Philolaos von Kroton (ca. 450 v. Chr.).

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Vgl.: Die Vorsokratischen Philosophen. Einführung, Texte und Kommentare von Geoffrey S. Kirk, John E. Raven und Malcolm Schofield. Ins Deutsche übersetzt von Karlheinz Hülser. Stuttgart–Weimar 1994. S. 375 f.:»Φιλóλαος π+ρ ν µéσυ περì τò κéντρον "περ στíαν το+ παντòς καλε καì ∆ιòς ο2κον καì µητéρα θε3ν βυµóν τε καì σωνοχ4ν καì µéτρον φúσευς.« (»Philolaos plaziert das Feuer in der Mitte des Weltalls um dessen Zentrum herum und nennt es ›Herd des Alls‹, ›Haus des Zeus‹, ›Mütter der Götter‹, ›Postament (Altar), Zusammenhalt und Maß des Natur‹.«) 72 Vgl. Aristoteles: De Caelo. Libri Quattuor. B. 13. 293b: »5τι δ$ο6 γε Πωθαγóρειοι καì διà τò µáλιστα προσκειν φωλáττεσθαι τò κωριẃτατον το+ παντòς 8 τò δè µéσον ε2ναι τοιο+τον 8  ∆ιòς φωλακ4ν 9νοµáζοωσι τò ταúτην 5χον τ4ν χẃραν π+ρ :σπερ τò µéσον ;πλ3ς λεγóµενον, καì τò το+ µεγéθοως µéσον καì το+ πρáγµατος ν µéσον καì τ&ς φúσευς.« (»Die Pythagoreer haben aber noch einen weiteren Grund; es müsse, meinen sie, auch deshalb so sein, weil das Wichtigste des Ganzen am meisten behütet werden sollte, und das sei die Mitte. Sie nennen sie bzw. das Feuer, welches diesen Platz innehat, die Wache des Zeus, so als ob das Wort ›Mitte‹ nur eine einzige Bedeutung hätte und die Mitte des Ausgedehnten zugleich die Mitte der Sache und der Natur wäre.« Übersetzung nach: Die Vorsokratischen Philosophen. S. 375.) 73 Schelling spielt auf die sog. Sonnenflecken an, die erstmals von Galilei entdeckt wurden. Vgl. Gehler, J. S. T.: Physikalisches Wörterbuch. Artikel: Sonnenflecken. Bd. 4. Leipzig 1791. S. 82–98. 74 Vgl. Schelling, F. W. J.: Allgemeine Deduktion. §. 43. (AA I,8. S. 337–339; SW IV, 45 f.) 75 Gemäß der Darstellung meines Systems der Philosophie steht die zweite Stufe des Naturprozesses unter der Herrschaft der Potenz des Lichts. Diese Stufe ist charakterisiert durch die Herausbildung der qualitativen Eigenschaften der Materie, die sich wiederum realisiert nach dem Schema der Kategorien von Magnetismus, Elektrizität und Chemismus. Das Licht wirkt der Schwere entgegen und verkörpert innerhalb der anorganischen Natur das Moment des Subjektiven bzw. Idealen. Insofern sieht Schelling in ihm ein Analogon des Geistes. Die Potenz des Lichts vermittelt ferner den Übergang zum Bereich der organischen Welt. Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 62 ff. (SW IV, S. 151 ff.) 76 Vgl. oben S. 57. 77 Vgl. hierzu Schellings Interpretation des sog. Kunsttriebs der

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Tiere in Ders.: Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie. Jena u. Leipzig 1799. S. 197–215 (AA I,7. S. 196–207; SW III, S. 180–191). 78 Schelling spielt wohl auf die pythagoreische Zahlen- und Musikspekulation (vgl. Aristoteles: De caelo. B9, 290b12) und Keplers Hypothese einer Analogie zwischen Tonharmonien und Planetenbahnen (Kepler, Johannes: Harmonices mundi libri V. Linz 1619; Gesammelte Werke. Bd. VI. München 1940) an. Vgl. ferner den Hinweis auf die Sphärenmusik bei Platon (Politeia. 617b–c). 79 Vgl. hierzu und zum folgenden auch Jacobi, Friedrich Heinrich: Ueber die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn. Neue vermehrte Ausgabe. Breslau 1789. S. 196–201 (Werke. 1,1. S. 106 f.). 80 Vgl. Anm. 41. 81 Vgl. 1. Korintherbrief 13,12. 82 Vgl. oben S. 75 f. 83 Vgl. oben S. 74. 84 Vgl. hierzu auch Aristoteles’ Unterscheidung des individuellen, mit dem Körper verbundenen und endlichen νο+ς παθητικóς vom allgemeinen, ewigen und göttlichen νο+ς ποιητικóς in der Bestimmung der Geistseele des Menschen (De anima. 430a). 85 Vgl. oben S. 30 ff. 86 Vgl. hierzu Fichtes Bestimmung der Tathandlung, durch welche das Ich sich selbst setzt. (In Ders.: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, als Handschrift für seine Zuhörer. Jena u. Leipzig 1794. §. 1; GA Bd. I,2. S. 255–264.) 87 Vgl. hierzu Kants Kategorien der Modalität in Ders.: Kritik der reinen Vernunft. 2. verb. Aufl. Riga 1787. B 106, 264–288. (Werke, Bd. 3, S. 93, 184–198.) – Vgl. auch Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. S. 312 f. (SW III, S. 526 f.) 88 Vgl. oben S. 52 f. 89 Vgl. Spinoza, B. de: Ethica. Pars II. Propositio XXI. Scholium. In Ders.: Opera. Bd. 2. S. 109: »[…] simulac enim quis aliquid scit, eo ipso scit, se id scire, et simul scit, se scire, quod scit, et sic in infinitum.« (»Denn sobald Jemand etwas weiß, weiß er eben dadurch, daß er dieses wisse, und zugleich weiß er, daß er das wisse, daß er weiß, und so ins Unendliche fort.«) – Vgl. auch Fichte, J. G.: Die Bestimmung des Menschen. Frankfurt u. Leipzig 1800. S. 78: »Sonach wäre das unmittelbare Bewußtsein deiner selbst und deiner Bestimmungen die ausschließende Bedingung alles andern Bewußtseins, und du weißt etwas, nur inwiefern du weißt – daß du dieses etwas weißt: – es kann in dem letz-

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tern nichts vorkommen, was nicht in dem erstern liegt.« (GA Bd. I,6. S. 216) 90 Vgl. oben S. 31. 91 Vgl. hierzu auch Schellings Ausführungen zum Begriff der quantitativen Differenz in seiner Darstellung meines Systems der Philosophie, inbesondere §. 45. (SW IV, S. 136 f.) 92 Vgl. hierzu auch Schelling, F. W. J.: Fernere Darstellungen. S. 10 (SW IV, 345). 93 Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 1. (SW IV, 114 f.) 94 Vgl. Anm. 87. 95 Vgl. Kant, I.: Kritik der reinen Vernunft. B 154–156 (Werke, Bd. 3, S. 121 f.) – Vgl. auch Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. S. 248 f. (SW III, S. 487 f.) 96 Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 30–31 (SW IV, S. 126–129). – Vgl. auch Anm. 91. 97 Vgl. Anm. 19. 98 Vgl. Schelling, F. W. J., a. a.O. §. 30 Anm. [Zusatz aus dem Handexemplar]: »Das Absolute ist also als Absolutes nur dadurch gesetzt, daß es im Einzelnen zwar mit quantitativer Differenz, im Ganzen aber mit Indifferenz gesetzt wird. Diese Differenz im Einzelnen aber und Indifferenz im Ganzen ist eben Totalität. Also ist das Absolute nur unter der Form der Totalität, und dieser Satz ›quantitative Differenz im Einzelnen und Indifferenz im Ganzen‹ eben das, was Identität des Endlichen und Unendlichen.« (SW IV, S. 127.) 99 Vgl. auch Schelling, F. W. J.: System des transzendentalen Idealismus. S. 232 f. (SW III, 477 f.) 100 Vgl. Kant, I.: Kritik der reinen Vernunft. B 361. (Werke, Bd. 3, S. 240 f.) 101 Zu den drei Schlußformen vgl. Kant, I., ebd. Vgl. auch B 95 (Werke, Bd. 3, S. 87). 102 Wohl eine Anspielung auf Reinhold und Bardili. Vgl. Hegel, G. W. F.: Differenzschrift. S. 171–179 (GW Bd. 4. S. 87–90). 103 Vgl. oben S. 26, 89. 104 Vgl. oben S. 38. 105 Vgl. oben S. 44 f. 106 Wiederum eine polemische Anspielung auf Reinhold und Bardili. Bardili, dem sich Reinhold anschloß, veröffentlichte 1800 seine Schrift mit dem Titel: Grundriß der Ersten Logik, gereiniget von den Irrtümern bisheriger Logiken überhaupt, der Kantischen insbesondere;

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Keine Kritik sondern eine Medicina mentis, brauchbar hauptsächlich für Deutschlands Kritische Philosophie. Vgl. hierzu auch Hegel, G. W. F., a. a.O. S. 159 ff. (GW Bd. 4. S. 81 ff.) 107 Vgl. Kant, I.: Kritik der reinen Vernunft. B 709–714 (Werke, Bd. 3, S. 449–452). – Nach Kant sind die Ideen von Seele, Welt und Gott regulative Prinzipien der bloß spekulativen Vernunft. 108 Vgl. Platon: Timaios. 28,c, 41a; Ders.: 2. Brief. 312e–313a; 6. Brief. 323d. 109 Vgl. hierzu Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 18, 30. [Zusatz aus dem Handexemplar] (SW IV, S. 122, 126 Anm.) 110 Vgl. z. B. Fichte, Johann Gottlieb: System der Sittenlehre nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre. Jena u. Leipzig 1798. S. I–XVIII. (GA Bd. I,5. S. 21–30.) – Vgl. auch Schelling Brief an Fichte v. 3. 10. 1801: »Sie wollen nun aber schlechterdings, daß dieses höchste Sein, was nicht mehr Realität, im Gegensatz gegen Idealität ist, als reine Agilität, absolute Tätigkeit, gedacht werde. Allein es kann Ihnen unmöglich entgehen, daß absolute Tätigkeit = absolute Ruhe (= Sein), daß also von dem wahren Absoluten so wenig ein Handeln prädiziert werden kann, als von dem absoluten Raum, seinem Universalbild […] von dem man nur sagen kann, daß er ist, nimmermehr aber, daß er tätig sei.« (GA Bd. III,5. S. 81.) 111 Vgl. Anm. 126. 112 Vgl. unten S. 127. 113 Vgl. hierzu Schellings Ausführungen im System des transzendentalen Idealismus, nach denen die Kunst »das einzig wahre und ewige Organon der Philosophie ist«, d.h. in ihr wird die intellektuelle Anschauung des Ich objektiv und sie bringt so die in der Philosophie thematisierte Einheit von Idealem und Realem, Bewußtem und Unbewußtem zur sichtbaren Darstellung. (System des transzendentalen Idealismus.« S. 452 ff; SW III, S. 612 ff.) Ebenso manifestiert sich im Bereich der Außenwelt, d.h. der Natur, jene Vereinigung von Bewußtem und Unbewußtem, von Freiheit und Notwendigkeit im Organismus, der durch das Wirken blinder Naturkräfte hervorgebracht und doch in sich zweckmäßig ist (S. 445–451; SW III, S. 607–611). 114 Zum biblischen Topos Stadt Gottes vgl. u. a. Psalm 48,2,9; Hebräerbrief 12,22; Offenbarung 21. 115 Vgl. hierzu die scholastische Bestimmung Gottes als actus purus im Anschluß an Aristoteles (Metaphysik. 1072 a) und auch Fichtes Auffassung des Absoluten als reiner Tätigkeit (vgl. oben S. 96 f.).

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116 Zum Begriff des Schicksals vgl. ausführlich Schelling, F. W. J.:

System des transzendentalen Idealismus. S. 424 ff. (SW III, S. 594 ff.) 117 Vgl. Gehler, J. S. T.: Physikalisches Wörterbuch. Artikel: Meteore, Lufterscheinungen. Teil 3. Leipzig 1790. S. 200 f.: »So nennt man alle im Luftkreise sich ereignenden Naturbegebenheiten oder Erscheinungen, welche sonst von den meisten Physikern in luftige, wässerichte, feurige und glänzende eingeteilt werden. / Luftige Meteore sind die Winde. Wässerichte werden durch die Dünste veranlasset, und sind der Tau, Reif, Nebel, das Naßniedergehen, die Wolken, der Regen, Schnee, das Glatteis, der Hagel, die Wasserhose. Zu den feurigen (richtiger zu den elektrischen und phosphorischen) Meteoren rechnet man den Blitz und Donner, das Wetterleuchten, das Nordlicht, die Feuerkugeln, Sternschnuppen, Irrwische und Irrlichter; zu den glänzenden oder optischen den Regenbogen, die Höfe, Nebensonnen und Nebenmonden.« 118 Vgl. Kant, I.: Kritik der reinen Vernunft. B 95–101. (Werke, Bd. 3, S. 86–90.) 119 Vgl. hierzu auch Hegel, G. W. F.: Differenzschrift. S. 20 ff. (GW Bd. 4. S. 12 ff.) 120 Vgl. hierzu Schelling, F. W. J.: Die vier edlen Metalle. In: Neue Zeitschrift für spekulative Physik. Bd. 1. St. 3. S. 92–109 (SW IV. S. 509–523). 121 Eine Anspielung auf den Titel der Abhandlung von Franz Baader: Über das pythagoräische Quadrat in der Natur oder die vier Weltgegenden. Tübingen 1798. 122 Die Zuordnung der genannten Hauptformen von Philosophie zu den vier Himmelsrichtungen hatte Schelling bereits in einer Vorlesung vorgenommen, die er im Sommersemester 1801 an der Universität Jena hielt. Vgl. hierzu die Nachschrift dieser Vorlesung aus der Feder von Ignaz Paul Troxler (1780–1866), die veröffentlicht wurde in: Schellings und Hegels erste absolute Metaphysik (1801–1802). Zusammenfassende Vorlesungsnachschriften von I. P. V. Troxler, herausgegeben, eingeleitet und mit Interpretationen versehen von Klaus Düsing. Köln 1988. Vgl. S. 33–41. 123 Schelling spielt hier auf die ionischen Naturphilosophen an, die nach seiner Interpretation einen spekulativen Materialismus vertraten. Vgl. Troxler, I. P. V., a. a.O. S. 35: »Der spekulative Materialismus muß erstens die Materie rein und nicht in ihren modis setzen, zweitens nichts außer der Materie setzen und drittens die Materie als den Grund aller Tätigkeit denken. In dieser echt philosophischen Ansicht existiert kein Gegensatz, das Prinzip ist absolut, eins. Denn mit dem Sein ist not-

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anmerkungen des herausgebers

wendig Denken verbunden, welches nur im gemeinen Bewußtsein getrennt erscheint. Dieses System ist also ganz von jener Empirie verschieden, wo man vom Einzelnen ausgeht, nach der Ursache fragt, für diese eine Erscheinung erkennt und so, ohne an ein Ziel zu kommen, in einer ungeendeten Kette ins Unendliche getrieben wird. / Die Materie ist die Allheit, Ewigkeit, außer dem Universum besteht kein andres Sein, alles ist nur in ihm.« In späterer Zeit wird diese Art von Materialismus nach Schelling von Giordano Bruno vertreten, auf den in der Anmerkung des Verfassers zu diesem Abschnitt ausdrücklich Bezug genommen wird (vgl. unten S. 128 f.). 124 Vgl. Platon: Timaios. 47e–53c. 125 Vgl. auch Schelling, F. W. J.: Ideen zu einer Philosophie der Natur. Leipzig 1797. S. XXV: »Plato noch stellt die Materie als ein selbstständiges Wesen Gott gegenüber.« (AA I,5. S. 76; SW II, S. 20.) 126 Vgl. Auszug aus Jordan Bruno von Nola. Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen. In: Jacobi, Friedrich Heinrich: Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn. Neue vermehrte Ausgabe. Breslau 1789. Beilage I: S. 261–306. – S. 281 f.: »Da nun aber, diesem zufolge, alle natürliche Formen aus der Materie hervorgehen und in dieselbe zurückkehren; so scheint wirklich nichts beständig, ewig, und des Namens eines Prinzips würdig zu sein, als allein die Materie. Die Formen können ohne die Materie, die sie aus ihrem Schoße hervorgehen läßt, und wieder darin aufnimmt, nicht bestehen; dahingegen die Materie immer dieselbige, und immer eben fruchtbar bleibt. Darum sind nicht wenige, nachdem sie dem Grunde der natürlichen Formen lange nachgedacht hatten, zuletzt auf den Gedanken geraten, es wären diese Formen bloße Zufälligkeiten, Beschaffenheiten und Umstände der Materie. Der Materie allein müsse folglich Realität, Vollkommenheit und wirkliches Vermögen zugeschrieben werden; keinesweges aber solchen Dingen, welche deutlich zu erkennen geben, daß sie weder Substanz, noch Natur, sondern nur Dinge der Substanz und der Natur sind. […] Wirklich muß man in diesen Irrtum geraten, wenn man nur eine zufällige Form, eine Form der zweiten Gattung, und nicht jene notwendige, ewige und erste, welche aller Formen Form und Quelle ist, erkennt, die wir mit den Pythagoräern das Leben und die Seele der Welt genannt haben.« (Jacobi, Friedrich Heinrich: Werke, Bd. 1,1. S. 193 f.) 127 Vgl. Platon: Symposion. 203a-d. 128 Vgl. entsprechende Vorstellungen in der orphischen Kosmologie und in Hesiods Theogonie. (Die Vorsokratischen Philosophen. S. 29 f., 38.) – Vgl. auch Aristoteles: Metaphysik. 984b 23–31.

anmerkungen des herausgebers

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129 Vgl. oben S. 38–42. 130 Vgl. Auszug aus Jordan Bruno von Nola. S. 263 f. »Was die wir-

kende Ursache betrifft, so weiß ich von keinem andern allgemein und wirklich tätigen, das ist physisch wirksamen Wesen, als jenem allgemeinen Verstande, der ersten und vornehmsten Kraft der Weltseele, welche sich als die allgemeine Form des Weltalls zu erkennen gibt.« (Jacobi, F. H.: Werke, Bd. 1,1. S. 186.) 131 Vgl. oben S. 96. 132 Vgl. Aristoteles: Physik. 8.192a 20–23. 133 Vgl. Plutarch: Moralia. 1012D–E: »ο! µèν γàρ ο%δèν < γéνεσιν =ριθµο+ δηλο+σθαι νοµíζοωσι τ> µíξει τ&ς =µερíστοω καì µεριστ&ς ο%σíας =µερíστον µèν γàρ ε2ναι τò ?ν µεριστòν δè τò πλ&θος, κ δè το´úτυν γíγνεσθαι τòν =ριθµòν το+ @νòς Aρíζοντος τò πλ&θος καì τ> =πειρíB πéρας πιτιθéντος, Cν καí δωáδα καλο+σιν =óριστον Dκαì Ζαρáτας A Πωθαγóροω διδáσκαλος ταúτην µèν κáλει το+ =ριθµο+ µητéρα τò δ$?ν πατéρα διò καì βελτíονας ε2ναι τ3ν =πιθµ3ν "σοι τ> µονáδι προσεοíκασιF« – (»Die einen nämlich glauben, daß nichts außer der Entstehung der Zahl durch die Vermischung des unteilbaren und teilbaren Wesens gekennzeichnet wird: Unteilbar ist die Eins, teilbar ist das Viele; aus diesen entsteht die Zahl, wenn das Viele durch das Eine begrenzt wird, und wenn eine Grenze in das Unbegrenzte gesetzt wird, welche man auch unbegrenzte Zweiheit nennt (Zaratas, der Lehrer des Pythagoras, nannte diese auch die Mutter der Zahl, und die Eins den Vater, aus diesem Grunde sind auch die unter den Zahlen besser, welche der Monade ähnlich sind.«) – Vgl. auch: Diogenes Laertius: Vitae philosophorum. VIII,24. 134 Vgl. Platon: Timaios. 50c–e: »ν δG οHν τI παρóντι χρ4 γéνη διανοηθ&ναι τριττá, τò µèν γιγνóµενον, τò δ$ν J γíγνεται, τò δ$ "θεν =φοµοιοúµενον φúεται τò γιγνóµενον. καì δ4 καì προσεικáσαι πρéπει τò µèν δεχóµενον µητρí, τò δ$"θεν πατρí, τ4ν δè µεταξù τοúτυν φúσιν κγóνK, νο&σαí τε Lς ο%κ Mν (λλυς, κτωπẃµατος 5σεσθαι µéλλοντος 'δεν ποικíλοω πáσας ποικιλíας, το+τ$ α%τò ν J @κτωποúµενον νíσταται γéνοιτ$ Mν παρεσκεωασµéνον εH, πλ4ν (µορφον Nν κεíνυν ;πασ3ν τ3ν 'δε3ν "σας µéλλοι δéχεσθαí ποθεν.« (»Für jetzt also haben wir drei Gattungen in Betracht zu ziehen, das Werdende, das, worin es wird, und das, dessen nachgebildetes Erzeugnis es ist, und dürfen denn auch die aufnehmende Gattung passend mit der Mutter, und die erzeugende mit dem Vater, die zwischen beiden stehende aber mit dem Kinde vergleichen, müssen endlich auch bedenken, daß, wenn ein Gepräge alle nur überhaupt möglichen Mannigfaltigkeiten zeigen soll,

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anmerkungen des herausgebers

die Masse selbst, in welcher es abgedrückt werden soll, nicht wohl auf andere Weise hiezu vorbereitet sein kann, als wenn sie selber keine von allen jenen Gestalten an sich trägt, welche sie irgendwoher aufnehmen soll.«) 135 Vgl. Auszug aus Jordan Bruno von Nola. S. 301: »Wie der Künstler seine Materie jedem Maße, jeder Gestalt und Absicht unterwirft, die Dinge seiner Kunst aber nie die Materie selbst, sondern nur Dinge von und aus dieser Materie werden, so ist alles, was zu den Verschiedenheiten der Geschlechter, Arten und Eigenschaften gehört, was durch Geburt, Auflösung, Wechsel und Wandel zum Dasein gelangt, kein wahrhaftes Wesen, und sein Dasein kein eigentliches Dasein, sondern es gehört nur zu den Beschaffenheiten und dem Zustande des Wesens, welches in sich Eins, unendlich, unbeweglich, Subjekt, Materie, Leben, Seele, überhaupt das allein Wahre und Gute ist.« (Jacobi, F. H.: Werke, Bd. 1,1. S. 203.) 136 Vgl. a. a.O. S. 294 f.: »So ist das Universum Eins, unendlich, unbewegt. Es gibt nur Eine absolute Möglichkeit, nur Eine Wirklichkeit und Tat. Form oder Seele ist nur Eins; nur Eins Materie oder Körper. Eins das Ding; Eins das Wesen. Eins das Größte und Beste, zu dessen Wesen es gehört, nicht gefaßt werden zu können, und weder Ende, noch Grenze, noch irgeneine letzte Bestimmung zu haben; es ist also unendlich und unermeßlich; folglich auch unbeweglich. Seinen Ort kann es nicht verändern, weil außer ihm kein Ort vorhanden ist. Es wird nicht erzeugt, weil alles Dasein sein eigenes Dasein ist. Es kann nicht untergehen, weil nichts ist, worin es übergehen könnte. Es kann weder wachsen noch abnehmen, weil sich das Unendliche, zu dem keine Verhältnisse passen, so wenig vermindern als vermehren läßt. Es ist keinem Wechsel unterworfen, weder von außen, da ihm nichts äußerlich ist, noch von innen, weil es alles, was es sein kann, zugleich und auf Einmal ist.« (Jacobi, F. H.: Werke, Bd. 1,1. S. 200.) Vgl. auch S. 299 f. (Jacobi, F. H.: Werke, Bd. 1,1. S. 202.) – Vgl. ferner Troxler, I. P. V.: Vorlesungsnachschrift. S. 36–39: »Könnte das einzelne Individuum, das itzt im Ansehen [eines] andern Einzelnen nichts als Bewegung und Wandel sieht, das nichts als das Bild der Materie sieht, weil sie sich ihm jeden Augenblicke entzieht, könnte es mit einem Blick das All übersehen, würde es ein Sein und Ruhe erblicken. Da ist kein Entstehen und Vergehen, nur das Einzelne scheint dem unterworfen. Es ist auch nichts an sich Verschiednes; Geist und Körper sind sozusagen in eins verwachsen, ein Übergehen vom einen ins andre durch Mitteldinge wie Licht und Zurückkehren in sich selbst – in Identität. […] Bewegung und Ruhe bestehen nur fürs Einzel-

anmerkungen des herausgebers

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ne und sind nur Kontinuation des Absoluten, das immer ein Sein bleibt.« 137 Vgl. hierzu auch Troxler, I. P. V., a. a.O. S. 32: »Der Dualismus entstand, da man vom Einzelnen aufstieg und durch Abstraktion endlich auf Form und Stoff gelangte. Da ist aber eine ewige Kluft, die z. B. der Kantianismus nie füllt. Reinhold kömmt auch wirklich nicht weiter, sein reines Bewußtsein hat nicht weniger diese zwei Gegensätze als sein Vorstellungsvermögen. Näher als diese kam noch Cartesius. Durch seinen Schluß: cogito, ergo sum setzte er sich der äußern Natur entgegen, er verirrte sich, da er, statt das Denken als absolute Identität zu setzen, sich nach einem Verbindungsmittel in Gott umsah, welchen er also bloß zu etwas Akzidentellem machte. Statt die zwei Sätze: Denken und Sein durch Analyse entstehen zu lassen aus einem obern Absoluten, knüpft er sie durch ein drittes Untergeordnetes zusammen. Es ist nur nach dem Gesetz der Kausalität geschehen, welches wohl als oberstes Prinzip der Empirie, aber nicht der Philosophie gelten kann.« 138 Vgl. Troxler, I. P. V., a. a.O. S. 33 f.: »Bei dem Materialismus hat man aber wohl den zu unterscheiden, der auf das allgemeine Sein und der auf ein bedingtes geht. Für letztern ist die ganze Natur nur ein Mechanismus, nur eine Wohnstube mit Gerätschaft. Man geht darin von einem bedingten Sein auf ein andres und so ins Unendliche. Naturphilosophie ist da ein leerer Name, denn alle Bewegung beruht nur auf dem Stoße, und eine setzt die andre voraus – es entspringt keine aus dem ruhigen Sein; und in der lebenden Natur ist alles nur Evolution! – Die Atomistik ist ihr erstes Kind, sie setzt die Zersetzbarkeit der Materie voraus.« 139 Schelling charakterisiert hier und im folgenden die von Descartes und Newton inaugurierte neuzeitliche Naturwissenschaft. 140 Vgl. zu dieser Begrifflichkeit Schelling, F. W. J.: Allgemeine Übersicht der neuesten philosophischen Literatur. In: Philosophisches Journal. Bd. 6. Jena u. Leipzig 1797. S. 187 f. (AA I,4. S. 114; SW I, 387.) 141 Schelling spielt auf Newtons Emissionstheorie des Lichtes an, die letzteres als aus kleinsten Teilchen bestehend ansah, die von den leuchtenden Körpern ausgestrahlt werden. 142 Gedacht ist an die französischen Materialisten wie Julien Offray de Lamettrie (1709–1751) oder Dietrich v. Holbach (1723–1789), die das Phänomen des Lebens rein mechanisch erklärten. 143 Vgl. hierzu auch Hegels Kritik des Fichteschen Naturbegriffs in Ders.: Differenzschrift. S. 97–104. (GW Bd. 4. S. 50–54.) 144 Schelling charakterisiert im folgenden den sog. Intellektua-

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anmerkungen des herausgebers

lismus, den er v.a. in Platons Ideenlehre und Leibniz’ Monadologie verwirklicht sieht. Dieser besteht in dem Grundsatz, daß die materiellen Dinge der Außenwelt »nicht wirklich an sich selbst« sind, sondern »geworden durch die Vorstellungsweise geistiger Naturen.« Das vorstellende Wesen aber ist »sich selbst Quell’ und Ursprung seines Daseins.« (Schelling, F. W. J.: Ideen zu einer Philosophie der Natur. Leipzig 1797. S. XLV; AA I,5. S. 92; SW II, S. 38.) So ist für Platon die Ideenwelt das wahrhaft Seiende, für Leibniz das Universum der vorstellenden Monaden. Die Welt der Ideen ist wiederum geeint in der Idee aller Ideen, die Pluralität der Monaden findet ihren Zusammenhang in der von Gott als der Substanz aller Substanzen garantierten prästabilierten Harmonie. Spekulativer Materialismus und Intellektualismus sind in Schellings Verständnis nicht wesentlich verschieden, sondern differente Ausprägungen eines monistischen Grundgedankens: »So ist der Materialist spekulativ und konsequent. So ist auch seine Verschiedenheit vom Intellektualisten nur anscheinend. Seine Philosophie ist dieselbe in andrer Gestalt. Von dieser letztern ist Plato der Schöpfer, nach ihm Leibniz.« (Troxler, I. P. V.: Vorlesungsnachschrift. S. 36 f.) – Vgl. auch Einleitung S. XLIV f. 145 Leibniz definiert die Monade als lebendigen Spiegel des ganzen Universums. Vgl. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Principes De la Nature & de la Grace, fondés en Raison. In Ders.: Opera omnia. Tom. II. P. I. Genf 1768. S. 32–39. – S. 33, 36 (Philosophische Schriften, Bd. 6. S. 599, 603). – Zu Schellings Leibniz-Interpretation vgl. auch Troxler, I. P. V.: Vorlesungsnachschrift. S. 37 f. 146 Vgl. Auszug aus Jordan Bruno von Nola. S. 278.: »Nachdem aber mein Gesichtskreis sich erweitert hatte, und ich nun anfing, der Sache reiflicher nachzudenken, schien es mir dennoch notwendig, zwei Arten der Substanz anzunehmen, wovon die eine Form, die andere Materie wäre. Denn eben so wie eine höchste Kraft angenommen werden muß, woraus das wirksame Vermögen aller anderen Kräfte fließet, so muß auch ein entsprechendes Subjekt, welches eben so viel leiden, als jenes wirken kann, schlechterdings angenommen werden. Das Vermögen des Einen ist, zu bestimmen, das Vermögen des Andern, sich bestimmen zu lassen.« (Jacobi, F. H.: Werke, Bd. 1,1. S. 192.) 147 Vgl. Schlegel, Friedrich: Ideen. In: Athenaeum. Hg. v. August Wilhelm Schlegel u. Friedrich Schlegel. Bd. 3. Berlin 1800. S. 6: »Jeder Begriff von Gott ist ein leeres Geschwätz. Aber die Idee der Gottheit ist die Idee aller Ideen.« (Kritische Friedrich Schlegel-Ausgabe. Hg. v. Ernst Behler. Bd. I,2. München / Paderborn/Wien 1967. S. 257.) Vgl. auch die Rede von der Form aller Formen bei Giordano Bruno (Anm. 126) und

anmerkungen des herausgebers

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Nikolaus von Kues (De docta ignorantia. 148. Hamburg 2002. S. 72–75). 148 Vgl. Leibniz, G. W.: Principia philosophiae. (= Monadologie.) S. 21. (Philosophische Schriften, Bd. 6. S. 607 f.) 149 Zur Vorstellung der prästabilierten Harmonie vgl. z. B. Leibniz, G. W.: Nouveaux essais. S. 407 (Philosophische Schriften, Bd. 5. S. 421 f.). 150 Vgl. unten S. 129 f. 151 Vgl. Anm. 144. 152 Zu Schellings Interpretation der geschichtlichen Erscheinungsformen von Realismus und Idealismus vgl. auch Troxler, I. P. V.: Vorlesungsnachschrift. S. 38–41. – Den Realismus versteht Schelling als Weiterentwicklung des spekulativen Materialismus, den Idealismus hingegen als die höhere Form des Intellektualismus. Ersterer wird hauptsächlich repräsentiert durch den Spinozismus, letzterer durch die Wissenschaftslehre Fichtes. Beide sind, wie schon Materialismus und Intellektualismus, in ihrem Wesen eins und unterscheiden sich lediglich durch die Betrachtungsweise ihres »Gegenstandes«, des Absoluten. Der Realismus bestimmt das Absolute ausschließlich als ewige, unbewegte Substanz; er unterschlägt das Moment der Spontaneität oder Tätigkeit. Letzteres hingegen charakterisiert die Perspektive des Idealismus, der das Absolutes als reines Selbstbewußtsein und Selbstbestimmen versteht. Das absolute Ich als Identität von Subjekt und Objekt bleibt in einem Idealismus Fichtescher Provenienz jedoch Produkt endlicher Reflexion und eine Forderung des Sollens. Die absolute Identität wird von ihm selbst wieder einseitig subjektiv gefaßt (vgl. oben S. 73–81). Demgegenüber will Schelling mit seinem Identitätssystem eine Philosophie konstituieren, welche die partiellen Wahrheiten der vorhergehenden Systeme überwindet und alle Entgegensetzungen aufhebt. – Vgl. auch Einleitung S. XLV f. 153 Zur Unterscheidung von Wesen und Form des Absoluten vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. § 18 f. (SW IV, S. 122.) 154 Vgl. oben S. 96. – Vgl. auch Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 1 (SW IV, S. 114 f.). 155 Vgl. Schelling, F. W. J.: Darstellung meines Systems der Philosophie. §. 25 (SW IV, S. 125). 156 Vgl. oben S. 85. 157 Vgl. oben S. 96. 158 Vgl. Spinoza, B. de: Ethica. Pars II. Propositio VII. Scholium. (Opera, Bd. 2. S. 90 f.)

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anmerkungen des herausgebers

159 Wiederum eine Anspielung auf die Philosophie Reinholds,

nach der das Denken als solches dem Stoff entgegengesetzt bleibt (vgl. Anm. 22). 160 Zum Terminus intellektuelle Anschauung bei Fichte vgl. z. B. Ders.: »Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre für Leser, die schon ein philosophisches System haben.« In: Philosophisches Journal. Bd. 5. H. 4. Jena und Leipzig 1797. S. 319–378. Vgl. bes. S. 334–343 (GA Bd. I,4. S. 216–221); Das System der Sittenlehre nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre. Jena u. Leipzig 1798. S. 11 (GA Bd. I,5. S. 38). – Zu Schellings identitätsphilosophischem Begriff der intellektuellen Anschauung vgl. Anm. 38. 161 Vgl. oben S. 81 f. 162 Vgl. ebd. 163 Vgl. Schelling an Fichte am 3. 10. 1801: »Die Notwendigkeit, vom Sehen auszugehen, bannt Sie mit Ihrer Philosophie in eine durch und durch bedingte Reihe, in der vom Absoluten nichts mehr anzutreffen ist. Das Bewußtsein oder Gefühl, das Sie selbst davon haben mußten, zwang Sie schon, in der Bestimmung des Menschen das Spekulative, weil Sie es nämlich in Ihrem Wissen wirklich nicht finden konnten, in die Sphäre des Glaubens überzutragen, von dem meines Erachtens in der Philosophie so wenig die Rede sein kann, als in der Geometrie. Sie erklärten in derselben Schrift, fast mit so viel Worten: das eigentlich UrReale, d.h. doch wohl das wahrhaft Spekulative, sei im Wissen nirgends aufzuzeigen. Ist dies nicht Beweises genug, daß Ihr Wissen nicht das absolute, sondern irgendwie noch bedingtes Wissen ist, welches die Philosophie, wenn es in ihr herrschend sein müßte, zu einer Wissenschaft, wie jede andere herabsetzen würde.« (GA Bd. III,5. S. 82 f.) – Vgl. auch Troxler, I. P. V.: Vorlesungsnachschrift. S. 40 f. 164 Vgl. hierzu Fichtes Bestimmung der Welt als versinnlichtes Materiale der Pflicht (Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung. In: Philosophisches Journal. Bd. 8. Jena u. Leipzig 1798. S. 1–20. – S. 13; Appellation an das Publikum. Jena u. Leipzig 1799. S. 46 f. (GA Bd. I,5. S. 353, 430)). – Vgl. auch Schelling an Fichte am 3. 10. 1801: »In welche kleine Region des Bewußtseins Ihnen die Natur nach Ihrem Begriff davon fallen müsse, ist mir zur Genüge bekannt. Sie hat Ihnen durchaus keine spekulative, sondern nur teleologische Bedeutung. Sollten Sie aber wirklich z.B. der Meinung sein, daß das Licht nur ist, damit die Vernunftwesen, indem sie miteinander sprechen, sich auch sehen, und die Luft, damit sie, indem sie einander hören, mit einander sprechen können?« (GA Bd. III,5. S. 87.) Schelling bezieht sich auf eine

anmerkungen des herausgebers

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Stelle in Fichtes Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre. Jena u. Leipzig 1796/97 (GA Bd. I,3. S. 377). 165 Vgl. Joh. 5,19–22; 1. Johannesbrief 2,23. 166 Vgl. oben S. 103. 167 Vgl. Platon: Philebos. 30c. 168 Nach der ägyptischen Mythologie wurde Osiris von dem Gott Seth getötet und zerstückelt und dann durch die Göttin Isis wieder zum Leben erweckt. Gleichfalls als sterbender und wieder auferstehender Gott wurde Adonis in orientalischen Mysterienkulten verehrt. 169 Vgl. z. B. Platon Phaidon. 69c. 170 Schelling zitiert mit leichten Abänderungen nach Platonis philosophi quae exstant. Cum Marsilii Ficini interpretatione. Accedit varietas lectionis. Studiis societatis Bipontinae. Vol. 9. Zweibrücken 1786. S. 385. – Vgl. Timaios. 68e–69a. (»Demnach muß man zwei Arten von Ursachen unterscheiden, die notwendige und die göttliche; die göttliche aber muß man, um zu einem glückseligen Leben zu gelangen, in allen Dinge suchen, soweit unsere Natur es gestattet«.) Dieser Satz findet sich bereits als Motto in Schellings Studienheft mit dem Titel Vorstellungsarten der alten Welt aus dem Jahre 1792 (vgl. den Editorischen Bericht von H. Buchner in: F. W. J. Schelling Timaeus (1794). S. 15). 171 Vgl. In Sophoclis Tragoedias Septem Scholiastes Graeci. Hg. v. Richard Franz Philipp Brunck. (= Operum Tomus IV.) Straßburg 1789. S. 686: »Ως τρισóλβιοι / κενοι βροτ3ν, οP τα+τα δερχθéντες τéλη / µóλυσ$ς QΑιδοω τοσδε γàρ µóνοις κε / ξ>ν 5στι, τος δ$(λλοισι πáντ$κε κακá. / Felices nimis, / initia quotquot ista quum conspexerint / eunt ad Orcum. namque eos solos manet / ibi vita; reliquos, miserias praeter, nihil.« – Vgl. auch: Tragicorum Graecorum Fragmenta. Vol. 4. (= Sophocles) Hg. v. Stefan Radt. Göttingen 1977. Fragment 837 (753). S. 553. 172 Vgl. Platon: Philebos. 15d–e. 173 Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Dissertatio philosophica de orbitis planetarum. Jena 1801. (GW Bd. 5. S. 232–253.) – Zu Schellings Interpretation der Keplerischen Gesetze vgl. auch Ders.: Fernere Darstellungen. Teil 2. S. 63–90 (SW IV, S. 431–450). 174 Vgl. Jacobi, Friedrich Heinrich: Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn. Neue vermehrte Ausgabe. Breslau 1789. S. 261–306: Beilage I: Auszug aus Jordan Bruno von Nola. Von der Ursache, dem Prinzip und den Einen. (Werke, Bd. 1,1. S. 185–205.) – Giordano Brunos Abhandlung erschien 1548 unter dem Titel: De la causa, principio e uno.

152

anmerkungen des herausgebers

175 A. a.O. S. 269: »Wenn alles belebt, und die Seele eines jeden

Dinges seine Form ist […].« (Werke, Bd. 1,1. S. 189.) 176 A. a.O. S. 282: »Wirklich muß man in diesen Irrtum geraten, wenn man nur eine zufällige Form, eine Form der zweiten Gattung, und nicht jene notwendige, ewige und erste, welche aller Formen Form und Quelle ist, erkennt […]. Aber diese erste allgemeine Form, und jene erste allgemeine Materie: wie sind sie vereinigt, unzertrennlich; verschieden – und dennoch nur Ein Wesen? Dieses Rätsel müssen wir aufzulösen versuchen.« (Werke, Bd. 1,1. S. 194.) 177 waren] Auszug.: wären 178 ist] Auszug.: ist 179 alles.] Schelling läßt den folgenden Satz aus: Wenn es nicht Alles sein könnte, so wär’ es auch nicht alles. 180 ihm] Auszug.: sind in ihm also 181 sein] Auszug.: sein kann 182 alles] Auszug.: alles 183 alles] Auszug.: alles 184 Auszug. S. 284 f. (Werke, Bd. 1,1. S. 195). 185 Äußerlichkeit] Auszug.: Äußerlichkeit 186 Auszug. S. 285 f. (Werke, Bd. 1,1. S. 195 f.) 187 Auszug. S. 286 f.– Vgl. Psalm 137,12: »denn auch Finsternis nicht finster ist bei dir, und die Nacht leuchtet wie der Tag, Finsternis ist wie das Licht.« (Werke, Bd. 1,1. S. 196.) 188 sich] Auszug.: sich nur 189 Dinge] Auszug.: allein der natürlichen und veränderlichen Dinge 190 Auszug. S. 287 (Werke, Bd. 1,1. S. 196). 191 Auszug.: Sie ist alles, was sie sein kann, in der Tat und auf einmal; und weil sie alles ist, kann sie nichts insbesondre sein. 192 Auszug. S. 290. (Übersetzung: »Dasselbe kann nicht zugleich das Ganze und ein Einzelnes sein.«) (Werke, Bd. 1,1. S. 197 f.) 193 Vgl. Leibniz, G. W.: Nouveaux essais. S. 65 f. (Philosophische Schriften, Bd. 5. S. 99.); Ders.: Remarques sur le sentiment du P. Malebranche qui porte, que nous voyons tout en Dieu; concernans l’examen que Mr. Locke en a fait. In a. a.O. S. 499–504. (Philosophische Schriften, Bd. 6. S. 574–578.) 194 Schellings Seitenangabe ist falsch. Vgl. Auszug. S. 305 (Werke, Bd. 1,1. S. 205).

ABKÜRZUNGEN

Schelling AA

BuD ED NDR NDU

Plitt SW W

ZD

Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hg. v. Hans Michael Baumgartner, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen, Hermann Krings und Hermann Zeltner. Stuttgart-Bad Cannstatt 1976ff. F. W. J. Schelling. Briefe und Dokumente. Hg. v. Horst Fuhrmans. 2 Bde. Bonn 1962/1973. Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge. Ein Gespräch. Herausgegeben von Schelling. Berlin 1802. Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge. Ein Gespräch. Herausgegeben von Schelling. Reutlingen 1834. Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge. Ein Gespräch. In: Fr. W. J. Schellings sämmtliche Werke. Bd. 9. Uppsala 1818. S. 1–156. Aus Schellings Leben. In Briefen. Hg. v. Gustav Leopold Plitt. 3 Bde. Leipzig 1869/70. Friedrich Wilhelm Joseph von Schellings sämmtliche Werke. Hg. v. Karl Friedrich August Schelling. Stuttgart u. Augsburg 1856 ff. Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge. Ein Gespräch. 1802. Zweite unveränderte Auflage 1842. In: Schellings Werke. Auswahl in drei Bänden. Herausgegeben von Otto Weiß. Leipzig 1907. Bd. 2. S. 417–536. Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge. Ein Gespräch. Herausgegeben von F. W. J. v. Schelling. 2. unveränd. Aufl. Berlin 1842.

Fichte GA

J. G. Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hg. v. Reinhard Lauth, Erich Fuchs und Hans Gliwitzky. Stuttgart-Bad Cannstatt 1962 ff.

154

abkürzungen Hegel

GW

Gesammelte Werke. Hg. im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Hamburg 1968ff.

Jacobi Werke

Werke. Gesamtausgabe herausgegeben v. Klaus Hammacher und Walter Jaeschke. Hamburg 1998ff.

Kant Werke

Gesammelte Schriften. Hg. v. d. Königl. Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1. Abteilung: Werke. Berlin 1902 ff.

Leibniz Philosophische Schriften

Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz. Hg. v. Carl Immanuel Gerhardt. 7 Bde. Berlin 1875ff.

Spinoza Opera

Opera. Hg. im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften v. Carl Gebhardt. 5 Bde. Heidelberg 1925ff.

AUSGABEN

Einzelausgaben Schelling, F. W: J.: Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge. Ein Gespräch. Herausgegeben von Schelling. Berlin 1802 (Johann Friedrich Unger). Nachdruck Reutlingen 1834 (J. N. Enßlin). Zweite, unveränderte Auflage Berlin 1842 (G. Reimer). München 1928 (Rupprecht-Presse). Limitierte Ausgabe von 150 numerierten Exemplaren auf Bütten gedruckt. Leipzig 1928 (Meiner PhB 208). Mit Einleitung und Registern herausgegeben von Christian Hermann. Neuauflage Hamburg 1954. Leipzig 1989 (Reclam). Herausgegeben mit einem Nachwort von Steffen Dietzsch.

Abdruck in Werke-Ausgaben In: Fr. W. J. Schellings sämmtliche Werke. Bd. 9. Upsala 1818 (Zeipel und Palmblad). S. 1–156. In: Friedrich Wilhelm Joseph von Schellings sämmtliche Werke. Bd. IV. Stuttgart und Augsburg 1859 (Cotta). S. 213–332. In: F. W: J. Schelling, Werke. Auswahl in drei Bänden. Herausgegeben von Otto Weiß. Bd. 2. Leipzig 1907 (Fritz Eckhardt). S. 417–536. In: Schellings Werke. Nach der Originalausgabe in neuer Anordnung herausgegeben von Manfred Schröter. Bd. 3. München 1927 (C. H. Beck). S. 109–228. Nachdruck München 1965. In: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Hans Michael Baumgartner et al. Bd. I,12. Stuttgart-Bad Cannstatt (frommann-holzboog): in Planung.

156

ausgaben Übersetzungen Italienische Übersetzungen

Bruno, ossia un discorso sul principio divino e naturale delle cose. Dialogo di Federico Schelling, voltato in Italiano dalla Marchese Florenzi Waddington. Aggiuntavi una prefazione di Terenzio Mamiani. Mailand 1844 (Paolo Andrea Molina). 2. Auflage Florenz 1859 (Felice Le Monnier). Bruno o il divino e il naturale principio delle cose. Traduzione, prefazione, note di Aldo Valori. Turin 1906 (Bocca). Bruno, o Del principio divino e naturale delle cose: un dialogo. Herausgegeben von Enrico Guglielminetti. Neapel 1994 (Edizioni scientifiche italiane). Bruno: ovvero sul principio divino e naturale delle cose: un dialogo. Herausgegeben von Carlo Tatsciore. Florenz 2000 (L. S. Olschki).

Französische Übersetzungen Bruno ou du principe divin et naturel des choses. Par F. W. J. de Schelling. Traduit de l’Allemand par C. Husson. Paris 1845 (Ladrange). Bruno ou du principe divin et naturel des choses. Paris 1870 (Baillière). Bruno ou principe divin et naturel des choses; trad. C. Husson. Paris 1905 (Baillière). Bruno ou Du principe divin et naturel des choses. Herausgegeben von Jacques Rivelaygue. Paris 1987 (L’Herne).

Spanische Übersetzungen Bruno, ó del principio divino y natural de las cosas. Madrid 1881 (R. Angulo). Bruno. Herausgegeben von Hilario R. de Sanz. Buenos Aires 1957 (Editorial Losada). Bruno o el principio divino y natural de las cosas. Herausgegeben von F. Pereña. Barcelona 1985 (Orbis). Bruno o Sobre el principio divino y natural de las cosas; traducción e introducción, F. Pereña. Barcelona 2002 (Folio).

ausgaben

157

Englische Übersetzung Bruno or On the Natural and the Divine Principle of Things. 1802. Edited and translated with an introduction by Michael G. Vater. Albany 1984 (State University of New York Press).

Russische Übersetzung Bruno ili o boˇzestvennom i estestvennom naˇcalˇe veˇsˇcej. Sankt-Petersburg ˇ 1908 (Izdanie D. E. Zukovskago).

Polnische Übersetzung Filozofia sztuki; O stosunku sztuk plastycznych do przydrody. Bruno, czyli o boskiej i naturalnej zasadzie rzeczy rozmowa / Friedrich Wil. helm Joseph Schelling; przelo zyla, wst˛epem i przypisami opatrzyla Krystyna Krzemieniowa; przeklad przejrzal Zbigniew Kuderowicz. Warschau 1983 (Pa´nstwowe wydawnictwo naukowe).

Rumänische Übersetzung Bruno sau despre principiul divin, si principiul natural al lucrurilor. Traducere, cuvînt introductiv, si note de Vasile Musca. Bukarest 1995 (Humanitas). Japanische Übersetzungen Bruno. Übersetzt und herausgegeben von E. Hattori und S. Inoue. Tokyo 1955 (Iwanami Shoten). Neudruck 2003. Bruno. Übersetzt von Y. Kayano. In: Sekai no Meicho. Bd. XLIII: Fichte/ Schelling. Herausgegeben von T. Iwasaki. S. 249–390. Tokyo 1980 (Chuoh Koronsha).

SACHREGISTER

Abbild 10, 13, 22, 42, 52, 54f., 5961, 63, 65f., 69, 91f., 95f., 99, 113 – sinnliches 57 Absolutes 34–37, 39–42, 44–46, 56, 68, 73–75, 78, 83, 86, 94–99, 102, 106, 114, 116–118, 121–123 – Natur des ~n 91, 96, 99 – Wesen des ~n 34, 52, 99 – Eigenschaften des ~n 119 Absonderung, Absonderungsakt 49, 55 f., 60, 71, 82, 87 Achse 65, 70 Aktuosität, lautere 100 Akzidens 34, 89 Allgemeines 31, 33, 52, 54 f., 57f., 63, 70, 85, 93, 97f., 101 Anschauen 30–32, 36f., 44, 51–53, 72, 81, 84–86, 98 – Seligkeit des ~s 15 Anschauung 23f., 30–33, 35–38, 40, 63, 84–89, 92f., 95, 97, 101 – geometrische 85 – intellektuelle 48, 120 f. – Sphäre der 30 Arithmetik 90 Ausdruck 14, 32, 51f., 56–58, 61, 63, 65–67, 70, 73, 81–85, 87, 99, 112 Äther 124 Attribut 118

Begriff, ewiger 11, 15 f., 18–21, 33, 71, 79, 111 Besonderheit, Besonderes 31–33, 54–58, 63f., 70, 85, 93, 97 f., 114 Bestimmung, ideelle 58, 85 Beweger, erste 62 Bewegung 59, 61–64, 67–70, 72, 108, 110 – kreisende 61 – vollkommenste 65f. Bewußtsein 43–46, 48 f., 75, 86 – absolutes 45, 47 f., – abgeleitetes 45 – gemeines 122 – reines 45 – wirkliches 49 – Prinzip des ~s 45, 83 – Ursprung des ~s 49, 75 Bild, Bildnis 14, 27f., 48, 55 f., 83, 109, 129 Dasein 10 f., 13 f., 23, 37, 40, 49–51, 62, 73, 75–77, 106, 110, 128f. – ewiges 14 Dauer 75f., 78, 113 Denken 24, 30 f., 35–37, 44, 48, 50–53, 55, 71, 73f., 76 f., 80–82, 84–86, 92, 95 f., 98, 108, 112, 118–122 – unendliches 36f., 39, 52f., 56, 58, 74, 82 Differenz 26–31, 41, 50–52, 54,

160

sachregister

56–61, 63f., 68–73, 75, 77, 79, 84f., 88, 93, 99, 107, 123 f. – reine 60, 67, 69, 84 – relative 50 Differenzverhältnis 57f., 67, 74, 121 Dimension 55–57, 59, 85 Dinge, unendliche Bestimmtheit der 37 Drei-Einigkeit 86 Dreieck 36, 57, 66, 85, Drittes 27 f., 31, 53, 59, 83, 89 Dyas 107 Einheit 20, 23, 25–32, 34, 42–49, 51, 54–69, 72f., 75f., 81–86, 88f., 92f., 95, 97, 100 f., 103–105, 107f., 111–115, 117 f., 120–124, 127, 130 – absolute 29, 37, 40, 44, 46, 48–50, 52, 54, 56–58, 62, 66, 83, 89, 91, 99, 106, 111, 114, 121f. – allgemeine 55 – ewige 50, 98 – innere 75, 97, 109 – relative 46–49, 52f., 55f., 59, 69f., 90, 97, 120f. – der Einheit und des Gegensatzes 29f., 56f., 89, 91 – der Schönheit und Wahrheit 17 – des Begriffs und der Anschauung 32 – des Denkens und Anschauens 30–32, 37, 44f., 50, 81, 86 – des Endlichen und Unendlichen 30, 32, 52f., 62, 82, 98 – des Ideellen und Reellen 30, 52, 81 Eins, Eines 8, 27–29, 31, 33 f.,

37–39, 42–44, 46, 51 f., 56 f., 69–71, 74, 76, 79, 81, 83 f., 89, 93–97, 100 f., 104–107, 112f., 115–117, 122, 124, 129 Einschränkung 16, 130 Einzelnes 13, 32, 40f., 43, 49, 52, 56, 63, 66, 69, 71, 78, 80, 84, 92, 99, 107–109, 112, 115, 120 Einzelnheit 71 Empfindung 59, 84 Endliches 9f., 18, 24, 29 f., 32 f., 37–39, 41–43, 49–62, 68, 71, 74–76, 78 f., 82–95, 97, 99 f., 102 f., 106f., 109, 117, 120, 122 f. – an sich 10, 40 – unendlich 40, 49 – Anfang des ~n 12 Endlichkeit 38–40, 74, 76, 97, 111, 119f. – zeitlose 39, 51 – ewige 109 – unendliche 106 – Grund der 55 Entgegensetzung 37, 65, 100, 108, 114 – des Endlichen und Unendlichen 38, 52, 60 Entwicklung 101, 108, 123, 129 Entzweiung 103 Erde 13 f., 24, 33, 60, 69–72, 103 Erfahrung 17, 86 Erkennen 10 f., 34, 74 f., 78–81, 93, 96–98, 118–121, 124 – absolutes 10, 48, 71, 96–98, 118 f., 122 – ewiges 11 – endliches 10, 34, 43, 77, 82, 87, 93 – göttliches 43

sachregister – – – – –

höchstes 10 objektives 80–84, 87f., 92 zeitliches 11, 82 allen Erkennens 115 unendlicher Begriff des ~s 80f. – Begriff des ~s 10 Erkenntnis 8–10, 21, 23, 31, 51, 91, 93–96, 108, 111, 113, 123 – apodiktische 102 – kategorische 102 Erkenntnisart 93f., 103, 116 Erscheinung, Erscheinendes 49, 54, 64, 70, 91, 93, 97, 102, 106f., 110, 119, 121 Erscheinungswelt 75, 91–93, 113, 115 Erstes 16, 53, 59, 83, 89 Ethik 121f. Ewiges, Ewigkeit 9, 11f., 18, 23, 42f., 46, 49–52, 55f., 59, 74f., 78, 83f., 86–97, 99, 103, 106, 109, 111, 114f., 118, 122, 124 Existenz 43, 75 – Grund von 57, 71 exoterisch 21 Figur 30f., 55, 63, 68 Form 13, 17, 19, 32f., 40, 49 f., 52f., 59, 62f., 67, 69, 71–73, 79, 90f., 94–99, 101–109, 111, 114, 117f., 120, 123f., 128f. – ewige 52, 105, 128f. – hypothetische 90 – disjunktive 90 – kategorische 90 – ursprüngliche 105 – aller Formen 105–107, 110, 122, 128 Freiheit 100f.

161

Ganzes 11–13, 41, 43, 53, 60, 62, 64f., 71, 84, 94, 109 f. Gattung 13, 33, 129 Gegenbild 40, 112 Gegensatz 21, 25–30, 34f., 37, 48f., 52, 54–57, 59, 62, 71, 73, 75f., 78 f., 84f., 91, 96–98, 102, 104, 107, 111, 113 f., 116–120, 122, 128 – absoluter 89 – relativer 48, 51, 53, 76f., 85f., 97 Gegenstand 10, 27f., 31–33, 92, 116f., 122 Gemeinschaftliches 100 Geometrie, Geometer 55, 90 Gesetz 12 f., 52, 59, 62, 64, 66, 77, 83 Gesetze, Keplerische 127 Gestalt 15 f., 50–52, 58, 67, 101, 105, 108, 123, 129 Gestirne 24, 53, 64–67, 69, 91, 110 Gewißheit 8–10 Gleichheit 50–52, 56 f., 64, 67f., 70, 86, 100, 123 – absolute 51, 56, 63, 74, 85, 98 Gott, Gottheit 10, 13, 15, 18f., 21, 28, 33, 41, 43, 53f., 68, 71, 74, 76–79, 91, 94, 98, 100 f., 110f., 115, 124, 130 Göttliches, Göttlichkeit 16, 20, 22, 43, 95, 109, 122 Grenze 34, 89, 108 Handeln, Handlung 24, 56, 72f., 82, 99 f., 121 f. Harmonie 77, 83, 115, 121, 123, 130

162

sachregister

Ich, Ichheit 82, 120 – absolute(s) 120–122 Ideales 29f., 34–36, 42, 50, 82, 84f., 97–99, 116f., 122 – erscheinendes 122 Idealität 36, 47, 98, 118, 121 Idealismus 49, 103f., 116 f., 121, 123 Idee 13, 17, 19–21, 23, 31, 33, 37–39, 43f., 49, 51–54, 57, 59f., 62–64, 68f., 71, 74f., 77, 79, 91f., 96, 99, 104f., 111–114, 120, 122f. – höchste 34f., 49 – aller Ideen 33, 112, 115 – Körperwerdung der ~n 52 Ideelles, ideell 30, 32–35, 40, 44–46, 48–50, 52f., 57f., 60 f., 73, 75, 77, 81, 94f., 124 Identität 118 Indifferenz 50f., 54, 60, 63, 65, 68f., 71, 73, 75, 79, 84, 88, 93–96, 98, 117, 123, 127f. – allgemeine 58 – absolute 18 – quantitative 88 Indifferenzpunkt 122 Individuum 13, 18–21, 33 Intellektualwelt 104, 110

66, 68, 70, 72f., 101, 106, 108–111 – eigenes und unabhängiges 19 – vorgebildetes 14, 43 – des Lebens 112 Leib 18f., 23 f., 41, 51, 58, 67, 73–76, 79–81, 86f., 98 f., 107–109, 111–115, 130 – organischer 41 f., 54, 77, 113 – Affektionen des ~es 9 Licht 24, 28, 69–73, 92, 99, 108, 110, 124, 129 – Licht des ~s 99, 115 Linie 36, 55, 57, 61, 63, 65f., 70, 88 Logik 94

kategorisch 90, 102, 121 Körper 23, 27f., 71, 99, 104, 108, 110, 115 Kreislinie 63f., 66, 68 Kunst 14, 16, 21, 24, 64, 66, 69, 73, 99, 101, 108, 123 Kunstwerk 16

Magnet 56, 67 Mannigfaltigkeit 28, 31, 52, 54, 91, 105 Materialismus 103, 110 Materie 64 f., 99, 101, 104f., 107–110, 124, 128f. – Idee der 105 Mechanismus 13 Mensch 12, 14, 21f., 33, 43, 51, 54, 91, 100, 110, 124, 128 Menschwerdung 124 Möglichkeit 34–37, 39–42, 50, 66, 72, 74–80, 82 f., 90, 105 f., 108, 113 f., 121, 128 f. – unendliche 34, 36 f., 40f., 43, 74 f., 78, 87–89, 105f., 120 – unmittelbare 76 Monade, Monas 107, 130 Mysterien 15, 21–24, 124 Mythologie 23 f.

Länge 55, 66, 70 Leben 20, 24, 41, 43, 50f., 59, 61,

Natur 12–15, 22, 27, 32f., 35 f., 53, 56, 61, 76, 91 f., 95,

sachregister 100–103, 109f., 112, 114f., 121–124, 129 – allervollkommenste 50 – getötete 100 – ideale 15 – urbildliche 13, 15 – hervorbringende 13, 15 – allgemeiner Geist der 110 Negation 34 Negativität 103 Nichts, Nichtsein 35, 42, 103 Notwendigkeit 83, 88–91, 100 f., 124 Objekt, Objektives 56f., 75, 78, 81–83, 87, 98, 118, 120–122 Ordnung 12, 28, 64, 66 Organismus, Organisches 14, 90, 99, 105, 127 Philosoph 8, 17, 21, 23, 31, 94, 123 Philosophie 21, 23f., 29, 33, 48, 90f., 94f., 101–104, 110, 116 f., 119, 121–123, 130 – wahre 101, 130 – göttlicher Keim der 101 – Prinzip der 44 – Weltgegenden der 103 Poesie 17, 23f. Potenz 59, 106, 119, 128f. Prinzip 12, 21, 32, 44f., 47 f., 53, 58, 83, 91, 98, 104, 106, 108 f., 114, 119, 122–124, 128 f. – anschauendes 74 – beschränkendes 114 – göttliches 73, 99, 104, 124, 127 – natürliches 15, 99, 104, 124, 127

163

Punkt 46, 63, 65, 70, 81, 85, 105, 120, 124, 128 Quadrat 54, 56 f., 61f. Quantität 114 Raum 36, 55 f., 58, 60–64, 69, 86, 90, 108 – absoluter 59, 89 – unendlicher 115 Reales 29f., 34–38, 42, 50, 53, 58, 82, 84 f., 97–99, 111, 113, 116f., 123 f. Realität 16, 34, 37, 47, 53f., 89, 118, 121 Realismus 103 f., 116–118, 121–123 Reelles, reell 30, 32, 34, 40, 44–46, 48–50, 52 f., 57f., 60 f., 73, 77, 81, 93, 95, 124 Reflex 42, 76, 85, 89–92, 95, 97f. Reflexion 88–90, 93, 117 – Schema der 88 Relatives 89 Schein 17, 43, 52, 60, 63f., 86, 110 f., 115 Schicksal 24, 101 f., 104, 124 Schluß 15, 87–91, 93f. Schönheit 8, 14–21, 33, 63, 124 – absolute 63 – sinnliche 15 – Urbild der 15 – Mangel an 14 Schwere, Schwersein 58, 60, 62, 67f., 97 Schwerkraft 73, 108 Seele 18–20, 22–24, 51, 55 f., 58f., 71–80, 86f., 94, 98f.,

164

sachregister

106–109, 111–115, 124, 128, 130 – Begriff der 75 Sein 35–37, 42, 47f., 50 f., 53 f., 56, 60f., 71, 73–76, 80, 85 f., 94–100, 108, 111, 113, 118–122, 124, 130 Selbstbewußtsein 57, 59, 70, 84 Sinnenwelt 103, 121 Sonne 69f., 110 Spekulation 104, 121 Sphäre 24, 30, 61–65, 68–71, 73, 77, 87, 93f. Spiegel 27, 77, 110 Spiegel, lebendiger 13 Sterblichkeit 124 Subjekt, Subjektives 56f., 83, 98, 104, 118, 120–122, 129 Substanz 13, 16, 34, 52, 54, 60 f., 69, 71–74, 89, 96, 99, 106, 111–114, 123, 128 – absolute 112–114 – Substanz aller ~en 115 Tätigkeit 96–100, 108 Tier 13f., 51, 54, 59, 63, 71, 74, 110 – absolutes 68 Tod 24, 108–110, 124 Totalität 89f., 106, 127 Trennung 31, 47–49, 68, 75, 77 f., 91, 97, 99f., 119, 123 – relative 48, 53 Tun 82, 112, 114 Unbegrenztheit, Unbegrenztes 34, 97 Unendliches 18, 24, 29f., 32f., 37f., 40, 43, 50, 52–55, 57–62,

68, 71–75, 77, 79–94, 97, 99f., 106f., 109, 112, 115, 120, 122 f. Unendlichkeit 32 f., 35, 39f., 49, 51, 71, 88, 97, 106, 118, 120 – in sich vollendete 36 Ungetrenntheit, Untrennbarkeit 33, 51, 102 Universum 24, 42, 50f., 54, 59f., 62, 66, 69, 71–74, 78, 87, 92, 97, 106, 108, 110, 112, 114f., 123f., 128f. – sichtbares 52 Unorganisches 105 Unvollkommenheit 11f., 14, 35, 50, 67 Unzeitliches, Unzeitlichkeit 11, 15 Urbild 13, 15, 21 f., 42, 69, 76, 111 – ewiges 13 – intellektuale ~er der Dinge 16 Urmetall 123 Urreales 121 Ursache 10, 12, 15, 28, 37, 42, 76, 80, 90, 96–98, 102f., 115 Ursprung, Ursprünglichkeit 48f., 53, 60, 77, 110 Urteil 58, 85, 87–90, 93, 97 Vereinigung 23, 33, 53, 68, 97, 123 Vergangenes, Vergangenheit 42, 50 Verknüpfung 76, 80 f., 96, 115 Vermittlung 39 Vernunft 59, 63, 73, 86, 89f., 93–96, 102, 104 f., 127 – absolute 85 – reflektierte 90 Vernunftewigkeit 50

sachregister Verschiedenheit 50, 52, 68, 90, 106, 109, 116 Verstand 64, 90, 93f., 96, 102f., 112 – endlicher 34 – urbildlicher 10 – göttlicher 62, 112 Vielheit 33f., 71, 88f., 106 Vollkommenheit 12, 14, 19, 35, 52, 60, 68, 85, 97, 111f., 114–116 Vorbild 13, 40, 111f. Wahrheit 8–12, 16f., 33, 48f., 96, 99, 116, 123 – absolute 11, 16 – relative 9, 16, 33, 120 – Idee der 8, 11, 20 Wechselbestimmung 90 Welt 14, 19, 24, 28, 62, 69, 75, 77, 82, 92, 94, 97, 99f., 105f., 108–115, 124, 129 – absolute 77 – ideale 97, 100 – reale 97, 112 – vollkommene 114 Weltkörper 53f., 58f. Werden 42 Wesen 20, 32–34, 36, 39f., 43, 49–53, 60, 62f., 68, 73, 91, 95–99, 104, 106–112, 117f., 122–124, 128f. – absolutes 64, 95, 97 – endliches 10

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– ewiges 43, 97 – organisches 72 Widerschein 83, 91 f., 95, 111 Wiedererinnerung 23 Winkel 57 Wirklichkeit 34 f., 37, 39–43, 50, 59, 74–80, 83, 87–90, 105 f., 108, 112–114, 120 f., 128f. – des Wirklichen 89 Wirkung 9, 12, 28, 42, 76, 80, 90, 96, 102 f., 115 Wissen 44f., 47–49, 52, 83 f., 87, 92f., 120–122 – absolutes 121 – relatives 120f. – Prinzip des ~s 44f. – des Wissens 83 – Wissenschaft des ~s 44 Wissenschaft 44, 90, 94, 101, 109, 123 Zahl 64 f., 68, 88, 107 Zeit 9–11, 13, 15, 35–38, 40–42, 50, 54, 56–59, 61–72, 76–78, 82, 86–88, 90–92, 101 f., 104–106, 108f., 113, 121 – endlose 98 – unendliche 10, 36, 38, 40 – Bedingungen der 9 f., 13, 43 – Gesetz der 13 f. Zeitliches, Zeitlichkeit 10, 12, 16, 23, 52 f., 81, 114 Zufälliges 34 Zukunft 42, 50