Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht und Corporate Governance: Auswirkungen der Banken- und Versicherungsaufsicht auf den gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Ordnungsrahmen [1 ed.] 9783428535378, 9783428135370

Wer sorgt dafür, dass Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen das ihnen anvertraute Vermögen interessengerecht verw

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Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht und Corporate Governance: Auswirkungen der Banken- und Versicherungsaufsicht auf den gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Ordnungsrahmen [1 ed.]
 9783428535378, 9783428135370

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 58

Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht und Corporate Governance Auswirkungen der Banken- und Versicherungsaufsicht auf den gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Ordnungsrahmen

Von

Jan Ludwig

Duncker & Humblot · Berlin

JAN LUDWIG

Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht und Corporate Governance

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 58

Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht und Corporate Governance Auswirkungen der Banken- und Versicherungsaufsicht auf den gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Ordnungsrahmen

Von

Jan Ludwig

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13537-0 (Print) ISBN 978-3-428-53537-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-83537-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Samira

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2010 von der juristischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Die Veröffentlichung der Arbeit bildet den Abschluss eines Projekts, das bereits im Jahr 2005 begann. Damals konnte keiner ahnen, zu welchen Verwerfungen es im Banken- und Finanzsektor kommen würde. Auch die regulatorischen Maßnahmen, die sich an diese Krise anschlossen, waren nicht absehbar. Einerseits hat der aktuelle Bezug die Untersuchung interessanter gemacht. Andererseits hat es aber für viel Frustration und einige Verzögerungen gesorgt. Dass der Abschluss des Projekts trotz dieser Widrigkeiten gelungen ist, liegt vor allem an der Unterstützung und dem Zuspruch meiner Familie. Ihr gebührt mein Dank. Auch den folgenden Personen möchte ich für Ihren Beitrag an dieser Arbeit danken: Herrn Dr. Andreas Fleckner, der die Idee für das gewählte Thema hatte, Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, der Erstgutachter, der nie einen Zweifel aufkommen ließ, dass die Arbeit auch abgeschlossen werden würde sowie Herrn Professor Dr. Dr. Peter Sester für die Erstellung des Zweitgutachtens. Frankfurt, im März 2012

Jan Ludwig

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die staatliche Aufsicht im Gefüge der Corporate Governance . . . . . . . . 1. Die Zurückhaltung staatlicher Überwachung als Ausgangspunkt . . 2. Die Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen im Fokus einer besonderen staatlichen Aufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Die Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes. . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Sonderrecht der Banken und Versicherungen als Modifikation des allgemeinen Corporate Governance-Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das dieser Arbeit zugrunde liegende Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . a) Die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht als Element von Corporate Governance? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Modifikation des Ordnungsrahmens durch das materielle und formelle Wirtschaftsaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ein einheitlicher Rahmen der Banken- und Versicherungsaufsicht unter dem Aspekt der „Allfinanzaufsicht“ . . . . . . . . . . . d) Die „Ausstrahlungswirkung“ auf die allgemeine Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die notwendige Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . 1. Die börsennotierten Unternehmen im Fokus der Corporate Governance-Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Eigenkapitalmarktfähigkeit von Kapitalgesellschaften . . . . . b) Die Vertiefung der Prinzipal-Agenten-Konflikte bei Publikumsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausklammerung von öffentlichen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 3. Die Ausnahme der Börsenaufsicht aufgrund der Sonderstellung der Deutschen Börse AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der weitere Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Teil „Allgemeine“ Corporate Governance § 1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Corporate Governance – Ein ökonomischer Begriff? . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

II.

1. Die bereits vorhandenen Definitionen als Ausgangspunkt für eine Begriffsbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beschreibung der Konfliktlagen zwischen den Beteiligten eines Unternehmens aus unternehmenstheoretischen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Konfliktpotential zwischen den Anteilseignern und der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Prinzipal-Agenten-Theorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Kontrollrechte als Äquivalent der Übernahmen von Residualrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Opportunismusoptionen und strukturellen Informationsasymmetrien bei der Übertragung von Verfügungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die heterogenen Aktionärsinteressen als Ursachen für ein Kontrolldefizit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Corporate Governance als Programm für die Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Berücksichtigung von Interessen der übrigen Akteure . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bedeutung der Debatte um Shareholder Value und um das „Unternehmensinteresse“ für die vorliegende Arbeit . . . . . . . . . . a) Die Shareholder Value-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse. . . . . . . . . . . . . c) Die Konsequenzen für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . d) Die besondere Berücksichtigung von Regelungszielen der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Steuerungselemente innerhalb eines Corporate GovernanceSystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die interne Corporate Governance. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die externe Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Offenlegung von unternehmensbezogenen Informationen als „dritte Säule“ von Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unternehmenspublizität als Korrelat der Marktteilnahme . . . . . . aa) Die Funktionen der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Adressaten der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Offenlegung gegenüber Hoheitsträgern . . . . . . . . . . . . . . b) Die Durchsetzung und Kontrolle von Publizität. . . . . . . . . . . . . . . aa) Die interne Kontrolle der Abschlusspublizität . . . . . . . . . . . . bb) Die externe Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer und Hoheitsträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die möglichen Sanktionen bei der Verletzung von Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 5. „Voice“ und „Exit“ – Die Handlungsoptionen der Akteure in den Kontrollsystemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Attraktivität der einzelnen Handlungsoptionen bei der internen und externen Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Besonderheiten im Banken- und Versicherungswesen . . . . . 6. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Corporate Governance in der Wissenschaft und im weiteren Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Corporate Governance als Forschungsdisziplin und seine begriffliche Verwendung im deutschen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kongruenz von Regelungsgegenstand und -ziel – Spiegelt sich eine „gute“ Corporate Governance im Unternehmenserfolg wider?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die wachsende Bedeutung von Corporate Governance. . . . . . . . . . . . . . § 2 „Allgemeine“ Corporate Governance – Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht als gegebener Ordnungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Konkurrenzmodelle von Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das kapitalmarktrechtliche Corporate Governance-Modell in den USA 2. Das gesellschaftsrechtlich geprägte Corporate Governance-Modell in Kontinentaleuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pfadabhängigkeit oder Konvergenz? – Ein Zwischenfazit . . . . . . . . II. Exkurs: Die Konturierung der Funktionen und Regelungsbereiche des Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbandsrecht, Gesellschaftsrecht, Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Kapitalmarktrecht als „neues“ Rechtsgebiet. . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Kapitalmarktrecht als Marktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Wertpapier als Rechtsprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Teilnehmer der Kapitalmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Kapitalmärkte als Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das kapitalmarktrechtliche Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . c) Das Kapitalmarktrecht zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und deren Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Kapitalmarktrecht als Querschnittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Strukturmerkmale der Überwachung und Rechtsdurchsetzung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Grundlagen des Insider-Kontrollsystems nach dem Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Vorstand als Leitungsorgan und seine Binnenkontrollfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Kollegialprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4.

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bb) § 91 Abs. 2 AktG – Früherkennung, Überwachung oder Risikomanagement?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Aufsichtsrat im zweiteiligen Leitungssystem der deutschen AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die satzungsgemäß zugewiesenen Aufgaben des Aufsichtsrats. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Rechte des Aufsichtsrats im Kontext der Trennung von Geschäftsleitung und Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die effiziente Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats. . . . (1) Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats (2) Die Anforderungen an die fachliche Qualifikation für ein Aufsichtsratsmandat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einer Mandatierung von Bankenvertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Delegation von Überwachungskompetenzen an Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Hauptversammlung als „oberstes Organ“ einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Wirtschaftsprüfer als Bindeglied zwischen interner und externer Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Grundlagen des Outsiderkontrollsystems in Deutschland. . . . . . a) Die Eckpfeiler kapitalmarktrechtlicher Regelungen . . . . . . . . . . . b) Die institutionellen Anleger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Informationsintermediäre im Koordinatensystem von externer Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die staatliche Kontrolle im Gefüge der Corporate Governance . . . . a) Die handelsregisterrechtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Satzungskontrolle durch das Registergericht. . . . . . . . . . bb) Die Kontrolle der Abschlusspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Börsen- und Wertpapieraufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Überwachung der Primärmarktpublizität . . . . . . . . . . . . . bb) Die Überwachung der Sekundärmarktpublizität nach dem WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Enforcement-Verfahren an der Schnittstelle autonomer und heteronomer Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Überwachung von Informationsintermediären. . . . . . . . . . . . . Die Haftung als flankierende Maßnahme zur Verhaltenssteuerung und Interessenwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat nach dem Prinzip der Organ-Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die aktienrechtliche Binnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die kapitalmarktrechtliche Informationshaftung . . . . . . . . . . b) Die Haftung von Informationsintermediären . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Amtshaftung im Rahmen der Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis IV. Das Verhältnis von kapitalmarkt- und verbandsrechtlichen Vorschriften zur Steuerung der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Unverbindlichkeit“ als Merkmal einer marktliberalen Lösungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wahl der Regulierungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassender Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Teil Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen im System der Corporate Governance § 3 Die Banken- und Versicherungsaufsicht als Ausschnitt des Wirtschaftsaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Banken- und Versicherungsaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der gewerbsmäßige Betrieb von Versicherungs- und Bankgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sonderaufsicht über Hypothekenbanken und das Sparkassenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der organisatorische Rahmen der Banken- und Versicherungsaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff der Wirtschaftsaufsicht und seine Unterscheidung von der Staatsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Verhältnis von Wirtschaftsaufsicht zum Wirtschaftsaufsichtsrecht: formelle und materielle Kriterien der Wirtschaftsaufsicht . . . . . IV. Die Abgrenzung der branchenspezifischen und institutsbezogenen Banken- und Versicherungsaufsicht von der allgemeinen Wertpapieraufsicht als Marktaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Die Banken- und Versicherungsaufsicht im historischen Kontext . . . . . . I. Die Beaufsichtigung im Versicherungswesen – Der Weg von einem etatistischen Verständnis zur „materiellen Versicherungsaufsicht“ . . . . 1. Die frühen Entwicklungen in der Assekuranz vor der Entstehung des Versicherungsaufsichtsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Versicherungsaufsichtsgesetz von 1901 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entwicklung des Versicherungsaufsichtsrechts im 20. Jahrhundert unter Berücksichtigung der europäischen Harmonisierungsbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Versicherungsaufsichtsgesetz von der Weimarer Republik bis zur frühen Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der EG-rechtliche Einfluss auf das Versicherungsaufsichtsrecht zur Herstellung eines Versicherungsbinnenmarktes . . . . . . aa) Exkurs: Grundlagen des Gemeinsamen (Versicherungs-) Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis bb) Die Harmonisierung des Versicherungsbinnenmarkts durch drei Richtliniengenerationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entstehung der Bankenaufsicht als Reaktion auf die Bankenkrise der 1930er Jahre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die staatlichen Einwirkungen auf das Bankenwesen bis 1931 . . . . . a) Die frühe Regulierung des Münz- und Sparkassenwesens. . . . . . b) Der Weg zu bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen als Vorstufen des Gesetzes über das Kreditwesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entstehung der Bankenaufsicht nach dem Zusammenbruch der Danat-Bank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bankenaufsicht im Nachkriegsdeutschland im Überblick. . . . . . a) Die Entwicklungen der gesetzlichen Grundlagen bis zur 2. KWG-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die weitere Entwicklung des Bankenaufsichtsrechts unter europäischem Einfluss und maßgeblicher Impulse durch den „Basler Ausschuss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 5 Die Funktion und Legitimation der Wirtschaftsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Sonderstellung von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen als Legitimation für eine branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Sonderstellung von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der geringe „Eigenkapitalpuffer“ als Ursache für die Krisenanfälligkeit von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gläubigerstruktur, Massengeschäft und Informationsasymmetrien als besondere Merkmale des Bankenwesens. . . . . . c) Die Vertrauensanfälligkeit des Bankengewerbes . . . . . . . . . . . . . . d) Die besonderen Folgen im Falle von wirtschaftlichen Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die unmittelbaren Folgen von Krisensituationen . . . . . . . . . . bb) Die mittelbaren Folgen in Form von Kettenreaktionen . . . . (1) Die Gefahr durch den massiven Abzug von Einlagen (sog. „Runs“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die „Ansteckung“ im Interbankengeschäft . . . . . . . . . . . 2. Die Sonderstellung von Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . a) Die besondere Vertrauensanfälligkeit der Assekuranz. . . . . . . . . . b) Das Produkt „Versicherung“ als Massengeschäft und Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bedeutung von Versicherungen für sozialpolitische Belange 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis vom Funktions- zum Gläubigerschutz als Ziele des Wirtschaftsaufsichtsrechts für Banken und Versicherungen . . . . . . . 1. Die theoretisch-konzeptionellen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gefahren- und Schutztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis b) Die Struktur- und Funktionsschutztheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eine rechtssystematische Einordnung der Wirtschaftsaufsicht . . . . . a) Die Einordnung der Wirtschaftsaufsicht in die Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundrechtliche Abwehransprüche der beaufsichtigten Wirtschaftssubjekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Wirtschaftsverfassung im engeren Sinne. . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftsaufsichts- und Wirtschaftsverwaltungsrecht (Gewerbepolizei- und Wirtschaftslenkungsrecht) . . . . . . . . . . . . . aa) Gefahrenabwehr, Gewerbepolizeirecht und die „Entpolizeilichung“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die unterschiedlichen Regulierungsansätze – Wirtschaftslenkung im Bereich der Finanzdienstleistungsaufsicht . . . . c) Zusammenfassende Betrachtung unter Berücksichtigung der rechtssystematischen Stellung der Wirtschaftsaufsicht als Element des Wirtschaftsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Die Modifikation des Corporate Governance-Rahmens durch materielle Verhaltensanforderungen und hoheitliche Rechtsdurchsetzung im Wirtschaftsaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die interne Corporate Governance als Anknüpfungspunkt des Wirtschaftsaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsform- und Tätigkeitskontrolle im Wirtschaftsaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmungs- und rechtsträgerbezogene interne Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das materielle Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht als Modifikation des gesellschaftsrechtlichen Ordnungsrahmens. . . . . . . . . . . . . . . 1. Die interne Corporate Governance bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen durch aufsichtsrechtliche Anforderungen a) Die Beschränkung der Rechtsformwahl im Wirtschaftsaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Exkurs: Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und seine strukturellen Unterschiede zur VersicherungsAktiengesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Begrenzung des Gesellschaftszwecks nach dem „Verbot versicherungsfremder Geschäfte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Prinzip der Spartentrennung im Versicherungswesen, seine Aus- und Wechselwirkungen im Hinblick auf das Aufsichtsrecht sowie den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Kapitalausstattung von beaufsichtigten Unternehmen . . . . . aa) Die Sondervorschriften für das Gründungskapital . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis bb) Die Eigenmittelvorschriften für Kreditinstitute nach den Basel-II-Grundsätzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Prinzip der Solvabilitätsspanne bei Versicherungsunternehmen und die Solvency II-Richtlinie. . . . . . . . . . . . . . dd) Die Liquiditätsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Fazit und Ausblick auf Basel-III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Organisation der Unternehmensorgane und die Binnenstruktur der beaufsichtigten Unternehmen – insbesondere das Vier-Augen-Prinzip, Risikocontrolling und Outsourcing . . . . . . . aa) Das Vier-Augen-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Risikoerkennung und Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Bestandteile eines Risikomanagementsystems nach dem AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Risikomanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Auslegung von § 91 Abs. 2 AktG und die sog. „Ausstrahlwirkung“ des Aufsichtsrechts auf das allgemeine Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Das Vergütungssystem als ein Merkmal des Risikomanagements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Outsourcing von Unternehmensabteilungen . . . . . . . . . . f) Organkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die Qualifikation von Organmitgliedern und Inhabern bedeutender Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eignung und Zuverlässigkeit von Geschäftsleitungsmitgliedern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erhöhte Anforderungen an das Aufsichtsratsmandat. . . . . . . cc) Inhaber bedeutender Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Klumpenrisiken – Großkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere Publizitätspflichten bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bedeutung des materiellen Bilanzrechts für die Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sondervorschriften im Wirtschaftsaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . aa) In- und externe Rechnungslegung: Doppelfunktion der Unternehmenspublizität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das materielle Bilanzrecht von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Publizität als notwendige Ergänzung aufsichtsrechtlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das formelle Aufsichtsrecht – Das Handlungsinstrumentarium der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Konzessionspflicht als Rahmen für eine wirksame Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis a) Die Überwachung des Marktzugangs durch das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die formelle Prüfung der Gründungsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Missstandsaufsicht – Befugnisse der Aufsichtsbehörde zur laufenden Überwachung der Unternehmen und ihrer Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „allgemeine“ Missstandsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die aufsichtsrechtlichen Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Unterschiede zwischen den Generalklauseln der Banken- und Versicherungsaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auskunfts- und Informationsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die „besondere“ Missstandsaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Teilhaberechte an Organversammlungen . . . . . . . . . . . . bb) Die Eingriffe in Personalhoheit des Aufsichtsrats durch die Möglichkeit der Abberufung von Geschäftsleitern und zur Einsetzung von Sonderbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die besonderen Maßnahmen der Wirtschaftsaufsicht bei (drohender) Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das informelle Handeln der Aufsichtsbehörde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das behördliche Ermessen als Einschnitt in die unternehmerische Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Berücksichtigung der Verantwortung Privater . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Rechtsschutz gegen und die Haftung für aufsichtsbehördliches Fehlverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsschutzmöglichkeiten der Aufsichtssubjekte und die Haftung der Aufsichtsbehörden gegenüber diesen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Möglichkeiten des Rechtsschutzes zur Interessendurchsetzung von Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der (intendierte) Ausschluss der Staats- bzw. Amtshaftung. . . . . . . V. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das materielle Wirtschaftsaufsichtsrecht als Sondergesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Konzeption des Versicherungs- und Bankenaufsichtsrechts als Normativaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Publizitätssysteme und staatliche Überwachung . . . . . . . . . . . . . . b) Das Prinzip der Normativaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Zusammenspiel der Überwachungselemente bei der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht im Banken- und Versicherungswesen – Publizitätsaufsicht als Reflex . . . . . . . . . .

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Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

Einleitung „The directors of such companies1, however, being the managers rather of other people’s money than of their own, it cannot well be expected that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery watch over their own. Like the stewards of a rich man, they are apt to consider attention to small matters as not for their master’s honour, and very easily give themselves a dispensation from having it. Negligence and profusion, therefore, must always prevail, more or less, in the management of the affairs of such a company.“2 Adam Smith An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations

I. Einführung Die jüngste Bankenkrise3, die sich in ihrem Verlauf zu einer weltweiten Finanzkrise entwickelt hat, könnte den Warnungen Adam Smiths vor den 1

Gemeint sind „corporations“, also Kapitalgesellschaften. Smith, The Wealth of Nations, S. 700. 3 Bekannt geworden ist diese Bankenkrise auch unter dem Stichwort „Subprime“-Krise. Als Namensgeber dient der Ursprung dieser Fehlentwicklung, die in dem massiven Auftreten von Not leidenden Immobilienkrediten in den USA wurzelt. Überwiegend waren hiervon Hypothekendarlehen betroffen, die wegen der hohen Ausfallwahrscheinlichkeit zu nachrangigen („subprime“) Konditionen an wenig solvente Schuldner nur ausgereicht wurden. Durch den späteren Verkauf der Forderungen zur Refinanzierung kam es dazu, dass Banken weltweit diese Risiken zumindest mittelbar in ihre Portefeuilles transferierten. Oftmals wurden hierfür komplexe Konstruktionen mit der Inanspruchnahme von Zweckgesellschaften („special purpose vehicle“ – SPV) gewählt, um die Risiken nicht bilanziell darstellen zu müssen. Auch europäische Kreditinstitute als sog. „Sponsoren“ gründeten diese SPV zumeist auf steuerrechtlich vorteilhaftem Hoheitsgebiet, ohne jedoch eine Stimmrechtsmehrheit zu besitzen. Die Zweckgesellschaft kaufte die Subprime-Forderungen auf und finanzierte diese Geschäfte mit der Emission von kurzfristigen, forderungsgesicherten Wertpapieren („asset backed (commercial) papers“). Ursprünglich gedacht als Liquiditätspuffer für einen unterschiedlichen Fristenablauf von Aktiva und Passiva, stellten die Sponsoren unwiderrufliche Kreditfazilitäten mit einer Laufzeit von unter 2

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Einleitung

Nachlässigkeiten und dem Fehlverhalten von Managern kaum mehr an Aktualität oder Brisanz verleihen. Wie verheerend es sich auswirken kann, wenn fremdes Geld – unabhängig der Bereitstellung als Fremd- oder Eigenkapital – nicht interessengerecht verwaltet wird, wurde erneut eindrucksvoll vor Augen geführt. Infolge der tief greifenden Vertrauenskrise und aufgrund der Bedeutung der Kreditbranche für die gesamtwirtschaftliche Stabilität sind die nachhaltigen Konsequenzen für die Unternehmensfinanzierung und die volkswirtschaftliche Entwicklung insgesamt bisher noch nicht abschätzbar. Ohne eine voreilige Analyse der Ursachen vornehmen zu wollen, lässt sich konstatieren, dass vor allem das Eingehen von – im Bezug auf die Geschäftsvolumina – unverhältnismäßigen Risiken für die Schieflagen einer Vielzahl von Banken verantwortlich zu machen ist4. Als sich diese Risiken schließlich realisierten, konnten Liquiditätsengpässe allein durch das Einschreiten der Zentralbanken als „lenders of last resort“ und der Zusammenbruch einzelner Institute sogar nur durch Stützungsmaßnahmen von staatlicher Seite auf Eigenkapitalbasis verhindert werden. Jene, die eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte fordern, machen allein ein Marktversagen für die Krise verantwortlich, ohne jedoch zu beachten, dass die Kräfte des Marktes ohne einen Marktaustritt, der wegen der soeben beschriebenen staatlichen Intervention nicht zum Tragen kommt, nicht zur Entfaltung kommen können. Dieser reinigende Prozess, wodurch ineffizient wirtschaftende Teilnehmer im Normalfall aus dem Markt ausgeschieden werden, scheint für Unternehmen aus dem Finanzsektor unerwünscht. Auf diesem Weg wird Missmanagement im Nachhinein konsequenzlos gestellt; ein Marktversagen in Form des sog. „moral hazard“ begünstigt. Eine bewusste Inkaufnahme dieser Effekte verdeutlicht einmal mehr, dass den drohenden Konsequenzen von fallierenden Instituten und der davon ausgehenden Ansteckungsgefahr in der Abwägung ein weitaus größeres Übel beigemessen wird. In der rechtspolitischen Debatte um eine neue Finanzmarktarchitektur stehen eine Vielzahl von Faktoren wie etwa das Setzen falscher Anreize durch die Ausgestaltung von erfolgsabhängigen Vergütungssystemen, die Ineinem Jahr zur Verfügung. Dies wurde weder einzel- noch konzernbilanziell nicht abgebildet, da im ersten Fall eine Passivierung wegen einer nur geringen Eintrittswahrscheinlichkeit als (Eventual)-Verbindlichkeiten im zweiten Fall eine Konsolidierung nicht erforderlich war. Zudem bedurfte die Bereitstellung von kurzfristigen Kreditzusagen bedurfte keiner Hinterlegung mit haftendem Eigenkapital nach den alten Basel-I-Grundsätzen. Im Zuge der Finanzkrise wurde so z. B. als Extremfall bekannt, dass die IKB auf diesem Wege der Zweckgesellschaft „Rhineland Funding“ im Jahr 2007 11,9 Mrd. Euro – das entsprach etwa einem Viertel der gesamten Bilanzsumme – an kurzfristigen Liquidiätszusagen zur Verfügung stellen konnte. Vgl. insbesondere aus der bilanzrechtlichen Betrachtung Hoffmann/Lüdenbach, DB 2007, 2213. 4 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. August 2007, Nr. 178, S. 13.

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transparenz der Finanzmärkte und -innovationen, die Effizienz der Aufsichtsratstätigkeit, die mangelnde Haftung und Überwachung von Ratingagenturen und nicht zuletzt die Leistungsfähigkeit der Bankenaufsicht auf dem Prüfstand5. Ein möglicher Rückgriff auf unmittelbare staatliche Beteiligungen, wie es etwa das akute Krisenmanagement im Rahmen der Finanzmarktstabilisierung vorsieht, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich gerade die Risikosteuerung der Staatsbanken als besonders ineffizient erwiesen hat. Intention der vorliegenden Untersuchung ist es jedoch weder, die aktuelle Finanzmarktkrise aus rechtswissenschaftlicher Perspektive zu analysieren, noch, einen Beitrag für die rechtspolitische Diskussion um eine „Verstaatlichung“ des Finanzsektors zu leisten. Vielmehr versteht sie sich – wie schon der für diese Arbeit gewählte Titel anklingen lässt – als eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Überwachungsmechanismen für Unternehmen aus der Finanzbranche in Deutschland. Exakt mit diesem Thema, den Überwachungsmechanismen von Unternehmen im Allgemeinen, beschäftigt sich Corporate Governance. Obwohl sich an der von Adam Smith geäußerten grundsätzlichen Skepsis gegenüber Kapitalgesellschaften wegen des Siegeszuges dieser Gesellschaftsform(en) nicht mehr festhalten lässt, vermag das Eingangszitat auch jenes Problem zu umschreiben, das auch heute noch den Kern der modernen Corporate Governance-Forschung bildet: das Auseinanderfallen von wirtschaftlichem Eigentum und Geschäftsführung6. Hinter diesem Phänomen, das unternehmenstheoretisch mit dem sog. Prinzipal-Agenten-Konflikt7 umschrieben wird, verbergen sich mögliche Zielkonflikte, die sich aus den unterschiedlichen Interessenlagen von den Financiers einer Unternehmung und dessen 5 Das Bundesfinanzministerium hatte als Reaktion auf die aktuelle Krise vorerst die anstehenden (organisatorischen) Reformen der Finanzaufsicht gestoppt, um diese insgesamt auf ihre Leistungsfähigkeit hin zu überprüfen. Vgl. Der Spiegel vom 26. August 2007, Nr. 35, S. 61. Die derzeitigen und künftigen Reformen auf europäischer Ebene werden maßgeblich auf den Ergebnissen des Berichts der Hochrangigen Expertengruppe zur EU-Finanzaufsicht (sog. Larosière-Bericht, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/de_larosiere_report_de.pdf) beeinflusst. 6 Nach Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, folgen die Probleme klassischerweise aus der „separation of ownership from control“. Aufgrund des Prinzips der beidseitigen Vermögenstrennung sind die Aktionäre keine Eigentümer des Gesellschaftsvermögens im sachenrechtlichen Sinne, vgl. statt aller: Hefermehl/Semler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 3; vgl. aber die RegBegr. zum AktG 1965, BT-Drs. 4/171, die u. a. auf das „wirtschaftliche Eigentum der Aktionäre“ (S. 93); die Aktionäre als „wirtschaftliche Miteigentümer des Unternehmens“ (S. 94) verweisen. 7 Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, S. 305–360; Fama/Jensen, Journal of Law and Economics, Vol. 26 (1983), S. 327–349; dies., Journal of Law and Economics 1983, S. 301–325.

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Management ergeben können. Die Übertragung von Verfügungsbefugnissen an die Vermögensverwalter – so viele Vorteile sie auch haben mag – birgt Gefahren des Missbrauchs, des eigensüchtigen Verhaltens von Entscheidungsträgern sowie der Verschwendung. Als Konsequenzen drohen geringere Renditen, wirtschaftliche Schieflagen oder gar Insolvenzen. Im weitesten Sinne beschäftigt sich Corporate Governance mit der Eindämmung dieser Gefahrenpotentiale, indem Rahmenbedingungen für die effektive Leitung eines Unternehmens und dessen Überwachung geschaffen werden. Eine Verhaltenssteuerung erfolgt dabei im Schnittfeld von Markt und Recht, beispielsweise durch die Gesellschaftssatzung, gesetzliche Ge- und Verbote, Haftung und ihre Durchsetzung, Publizität und Abschlussprüfung sowie durch Einflussnahme von Investoren über die Kapitalmärkte. So bilden diese Mechanismen je nach der Prägung der einzelnen Rechtsordnungen ein mehr oder weniger geschlossenes System der Unternehmensüberwachung. Die Besonderheit der Corporate Governance bei Banken und Versicherungsunternehmen liegt in der branchenspezifischen Überwachung. Die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht tritt neben den allgemeinverbindlichen Rechtsrahmen der Unternehmensüberwachung. Einerseits schafft sie zusätzliche materielle Anforderungen, wie etwa die Eigenkapitalanforderungen künftig nach den Basel-III-Grundsätzen, und andererseits eine weitere Kontrollinstanz, weil staatliche Aufsichtsbehörden die Einhaltung der Vorschriften gewährleisten. Neben vereinzelt zuständigen Landesbehörden übt regelmäßig die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) diese Tätigkeit aus. Im Bereich der Bankenaufsicht kooperiert sie zudem eng mit der Bundesbank. Als diese Arbeit eingereicht wurde, war die Errichtung von europäischen Aufsichtsbehörden in Planung8. Mit Wirkung zum 1. Januar 2011 haben drei Aufsichtsbehörden schließlich ihre Tätigkeit aufgenommen: die European Banking Authority (EBA)9; die European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA)10 sowie die European Securities and Markets Authority (ESMA)11.

8 Vgl. FAZ vom 5. Juli 2010, S. 13: „Kompromiss über EU-Finanzaufsicht rückt näher“. 9 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/ EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331, S. 12. 10 Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/76/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331, S. 48 ff.

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Mit dem hier untersuchungsgegenständlichen Banken- und gleichermaßen dem Versicherungswesen finden wir somit zwei der am intensivsten regulierten Branchen vor, die, in Ergänzung zum bestehenden Ordnungsrahmen, einer zusätzlichen Regulierung12 durch das Wirtschaftsaufsichtsrecht unterliegen. Auffällige Parallelen in der Systematik erfordern eine Behandlung beider Zweige der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht. Zudem mag die Ausweitung der krisenbedingten Stützungsmaßnahmen auf Versicherungsunternehmen als Indiz für eine den Banken entsprechende Bedeutung für den Finanzsektor gelten. Nun bleibt zu fragen, wie und inwieweit die Corporate Governance von beaufsichtigten Unternehmen von den herkömmlichen Grundsätzen abweicht. Unerlässlich für das Gelingen dieser Untersuchungen ist dabei ein Blick auf die besonderen Regelungszwecke, die die aufsichtsrechtlichen Gesetze verfolgen. Nur wenn man jene Besonderheiten hinreichend berücksichtigt, ist eine Feststellung möglich, inwieweit sich das branchenspezifische Aufsichtsrecht mit den allgemeinen Corporate Governance-Regelungen als kompatibel erweist. Während sich nämlich die Literatur auf die Systematik des „klassischen“ Kanons der Corporate Governance konzentriert13, ist der Einfluss des branchenspezifischen Wirtschaftsaufsichtsrechts – soweit ersichtlich – bisher unerforscht geblieben14. Obwohl das Wirtschaftsverwaltungsrecht mitunter 11 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/ 2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331, S. 84 ff. 12 Zum Begriff der „Regulierung“ aus der Perspektive der Verwaltungswissenschaft, s. Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), GVwR I, § 19 Rn. 5 ff. 13 So beschränken sich beispielsweise die bei Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 29 ff., dems., in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 34 ff. bezeichneten sechs Bausteine von Corporate Governance auf: Vorstand und Aufsichtsrat, die Arbeitnehmer, die Banken, Börse und Kapitalmarkt, den Markt für Unternehmenskontrolle, Publizität und Wirtschaftsprüfung. 14 Nachdem diese Arbeit eingereicht worden ist, befasste sich der 68. Deutsche Juristentag mit dem Thema „Finanzmarktregulierung – Welche Regelungen empfehlen sich für den deutschen und europäischen Finanzsektor?“. Dem Teilaspekt der Corporate Governance von Banken widmete sich der Berichterstatter Martin F. Hellwig, siehe Hellwig/Höfling/Zimmer, in: Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentags, Band I, Gutachten E/F/G. Eine Zusammenfassung findet sich in der Beilage 3 der NJW 2010, Heft 22. Die Ergebnisse dieses Gutachtens konnten in diese Arbeit nicht mit einfließen; die zugrundeliegenden Aspekte sind aber aus Sicht des Verfassers ohnehin hinreichend berücksichtigt. Im Wesentlichen sieht Hellwig den Reformbedarf in drei Bereichen: (1.) eine verschärfte Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat, (2.) eine Neuordnung und Überwachung von Vergütungssystemen an langfristigen Kriterien und (3.) eine institutionalisierten Diskurs über die Risikostrategien

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tiefe Eingriffe in die Satzungsautonomie, die Organisationsstruktur und Leitung, sowie die Geschäftstätigkeit und Kapitalausstattung mit sich bringt, ist seiner Bedeutung für die Corporate Governance und der hier angestrebten Verknüpfung beider Materien miteinander bisher nur geringe Beachtung geschenkt worden. Ulrich Hübner hat sich in einem Festschriftenbeitrag der rechtswissenschaftlichen Fakultät im Rahmen des 600-jährigen Bestehens der Universität zu Köln aus dem Jahr 198815 dem Einfluss des Wirtschaftsaufsichtsrechts auf das Gesellschaftsrecht gewidmet, dessen Inhalt bisher – soweit ersichtlich – nur wenig aufgegriffen worden ist16. Auch wenn die Untersuchung vor Beginn der modernen Corporate Governance-Diskussion stattfand und die dortige Perspektive freilich eine andere war, wirken sich die Aspekte der „Fortschreibung des Gesellschaftsrechts durch das Wirtschaftsaufsichtsrecht“ auch auf das in dieser Arbeit gewählte Thema aus. Heute findet die gleiche Diskussion unter dem Stichwort „Ausstrahlungswirkung“ des Aufsichtsrechts statt17. Diese Arbeit hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Vorschriften der Banken- und Versicherungsaufsicht in das Gefüge der Corporate Governance einzuordnen und die Funktionsweisen von Selbstkontrolle und Staatsaufsicht gegenüber zu stellen. Aufgrund der vielzähligen, zunächst unabhängig nebeneinander stehenden Regelungsinstrumente und -ebenen, drängen sich Überschneidungen, Widersprüche, Konkurrenzfragen und nicht zuletzt Probleme der Überregulierung nachgerade auf. Besondere Beachtung wird auch der Kapitalmarkttauglichkeit dieser wirtschaftsaufsichtsrechtlichen Regelungswerke zu schenken sein, die, zumindest in ihren Grundzügen, nahezu unverändert seit ihrer einheitlichen Kodifizierung zu Beginn des vergangen Jahrhunderts eine über einhundert- bzw. siebzigjährige Tradition aufweisen.

eines Instituts. Zuletzt fordert Hellwig eine Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der Institute. Siehe dazu auch Kindler, NJW 2010, 2465 ff. 15 Hübner, in: Festschrift Universität Köln, S. 235 ff. 16 Ein Nachweis findet sich bei Schmidt, in: Prölls, VAG, 11. Auflage, Vorbem. Rn. 167: „Die interessanten Gedanken von Hübner über die ‚Fortschreibung von Gesellschafts- und Unternehmensrecht durch Wirtschaftsaufsichtsrecht‘ bedeuten allerdings, dass zwischen den genannten Rechtsgebieten auch in Zukunft Interdependenzen bestehen, die durch die Tendenz, die nationale Gesetzgebung zunehmend an den Zielen des Vertrages von Rom auszurichten, verstärkt werden.“ 17 So Fleischer, ZIP 2003, 1, 10.

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II. Die staatliche Aufsicht im Gefüge der Corporate Governance 1. Die Zurückhaltung staatlicher Überwachung als Ausgangspunkt Auf den ersten Blick erscheint es ungewöhnlich, staatliche Aufsicht als Leistungsdeterminante für die Corporate Governance-Problematik identifizieren zu wollen. Spätestens seit der Abkehr von dem aktienrechtlichen Konzessionssystem im Jahr 1870 zeichnet sich das Unternehmens- und Gesellschaftsrecht durch eine größtmögliche Zurückhaltung im Hinblick auf staatliche bzw. hoheitliche Kontrolle aus. Stattdessen überließ man mit der Einrichtung des obligatorischen Aufsichtsrats die Überwachung der Geschäftsleitung im Wesentlichen einer autonomen, verbandsinternen Kontrollinstanz18. Dennoch schien bereits der damalige Gesetzgeber diesen auf Eigenverantwortung basierenden Mechanismen in manchen Bereichen des Wirtschaftslebens nicht vollends zu vertrauen und errichtete so z. B. fast zeitgleich mit dem Rückzug aktienrechtlicher Kontrolle eine staatliche Aufsicht über das private Versicherungswesen19. Erst später wurde mit der Bankenaufsicht ein weiterer Gewerbezweig im finanziellen Sektor einer hoheitlichen Überwachung unterstellt, die nach vergleichbaren Grundprinzipien funktioniert. Zu einem vollständigen Verzicht staatlicher Kontrollmechanismen kam es jedoch auch außerhalb der Auswüchse des branchenspezifischen Wirtschaftsaufsichtsrechts nicht. So bewies der Gesetzgeber etwa mit der Normierung einer Pflichtrevision durch externe Abschlussprüfer, dass die Schaffung von heteronomen Kontrollinstrumenten zum Schutz von Anteilseignern und Gläubigern als Korrektiv vollständiger Autonomie im Aktienwesen erforderlich wurde. Grob gesagt findet staatliche Überwachung stets in jenen Bereichen Anwendung, in denen entweder eine Selbstregulierung für nicht ausreichend erachtet wird oder ein erhöhtes Schutzinteresse festzustellen ist20. Heute begegnet uns hoheitliche Aufsicht insbesondere in 18 Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 302, 313 f.; Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 401. Diese zweigliedrige Verwaltungsorganisation von Aktiengesellschaften ist im Rahmen anstehender Reformen in der Vergangenheit nie ernsthaft in Frage gestellt worden. 19 Zwar trat die einheitliche Grundlage für ein gesamtdeutsches Versicherungsaufsichtsrecht erst 1901 in Kraft. Die wesentlichen Inhalte standen jedoch schon länger fest. Dass die verzögerte Verabschiedung vor allem historischen Umständen geschuldet ist, nimmt der oben dargestellten Kausalität nur wenig an Aussagekraft. Einzelheiten s. unten § 4. 20 Zu dem Gedanken des Marktversagens s. unten § 1 II. Grundlegend hierzu Akerlof, S. 488. Vgl. auch Köndgens, AcP 206 (2006), 477, 511; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 15.

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Form von allgemeiner und besonderer Gewerbeaufsicht, der Wertpapier- und Börsenaufsicht, der Kartellaufsicht sowie der Wettbewerbsaufsicht21. 2. Die Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen im Fokus einer besonderen staatlichen Aufsicht Besonderheiten weist das Bankengewerbe vor allem in der Regelungsdichte der aufsichtsrechtlichen Vorschriften auf, die der Aufsichtsbehörde weitreichende Kompetenzen zur Verfügung stellen und mitunter tief greifende Einschnitte in die Struktur der im Finanzdienstleistungssektor tätigen Unternehmen mit sich bringen. Um die Stabilität des gesamten Wirtschaftszweigs und die Interessen der Bankkunden zu wahren, stellt das Gesetz über das Kreditwesen (KWG) vom allgemeinen Ordnungsrahmen abweichende Sonderbedingungen für Kreditinstitute auf. Insbesondere bezweckt die Bankenaufsicht, wirtschaftlichen Krisen einzelner Institute und einer Ansteckung des gesamten Sektors präventiv vorzubeugen. Die Einhaltung der Vorschriften wird von staatlicher Seite überwacht. Vergleichbare, wenn nicht sogar intensivere Eingriffsbefugnisse stehen der BaFin im Bereich der Versicherungsaufsicht zur Verfügung, um in einer ebenfalls volkswirtschaftlich sensiblen Branche die Belange der Versicherten sowie die Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens insgesamt zu wahren. Die seit 1901 im VAG verankerte „Materielle Versicherungsaufsicht“ beansprucht in ihren Wesenszügen noch heute nahezu unverändert Geltung. In jüngster Zeit lassen sich vereinzelte Stimmen in der Literatur und ebenso einige Gerichtsentscheidungen finden, die von einer „Ausstrahlwirkung“ wirtschaftsaufsichtlicher Grundsätze und Maßgaben auf die allgemeinen Vorschriften sprechen22. Vor allem die gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung eines Risikomanagementsystems gem. § 91 Abs. 2 AktG und das aufsichtsrechtliche Pendant in § 25a Abs. 1 KWG haben eine Debatte um die Reichweite dieser Vorgaben aufkeimen lassen. So wird in diesem Zusammenhang von einer „Gesamtintention des Gesetzgebers“ bei Schaffung der soeben zitierten Normen oder bei der Anwendbarkeit des § 25a KWG auf Versicherungsunternehmen gar von einem einheitlichen Anwendungsbereich von KWG und VAG gesprochen23. In den zugrunde liegenden und kritisierten24 Entscheidungen deutet das Landgericht Berlin eine Identität 21 Eine etwas veraltete Übersicht findet sich bei Fikentscher, Wirtschaftsrecht, § 24 IV2 b. 22 Fleischer, ZIP 2003, 1, 10; VG Frankfurt a. M. WM 2004, 2157; LG Berlin AG 2002, 682. 23 VG Frankfurt a. M. WM 2004, 2157, 2160 f. 24 Statt vieler Bürkle, WM 2005, 1496.

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des Regelungsgehalts von § 91 Abs. 2 AktG und § 25a Abs. 1 KWG lediglich an25, während das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. diesen Gedanken ausdrücklich formuliert und die spezialgesetzlichen Regelungen des Bankenaufsichtsrechts zur Auslegung des Pflichtenmaßstabes eines Vorstandsmitglieds in einem Versicherungsunternehmen heranzieht26. Zur Begründung führt das Gericht ins Feld, dass Tendenzen für eine einheitliche Beaufsichtigung von Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungssektor zu erkennen seien. Um die Problematik eines solchen Verständnisses nicht nur aus rechtssystematischer Sicht zu erörtern, werden auch die innerhalb dieser Arbeit erforschten Grundlagen der entsprechenden aufsichtsrechtlichen Gesetze herangezogen. Nachdem Sinn und Zweck, die Funktionsweisen des branchenspezifischen Wirtschaftsaufsichtsrechts sowie dessen Einfluss auf die Corporate Governance der beaufsichtigten Unternehmen unter Berücksichtigung der neuerlichen Konvergenzerscheinungen eingehend untersucht worden sind, wird die bereits geäußerte Kritik an dieser Rechtsprechung weiter untermauert.

III. Die Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes 1. Das Sonderrecht der Banken und Versicherungen als Modifikation des allgemeinen Corporate Governance-Rahmens In der Regel beschränkt sich die Rechtsordnung darauf, einen Selbstschutz der Beteiligten zu ermöglichen. Dabei ist es grundsätzlich der eigenen Initiative überlassen, die zugewiesenen Rechtspositionen zu behaupten und, nötigenfalls mit Hilfe der Gerichte, durchzusetzen27. Unserem marktwirtschaftlichen Selbstverständnis entsprechend vertraut der Staat grundsätzlich auf die Eigenverantwortlichkeit des Individuums. Lediglich für Bereiche, in denen sein Eingreifen mit Sanktionen zum unmittelbaren Schutz durch eine besondere Ungleichverteilung von Machtpositionen unabdingbar wird, behält er sich eine Reservefunktion vor. Droht demnach eine Beeinträchtigung von Allgemeinwohlinteressen oder eine unverhältnismäßige Gefährdung schützenswerter Rechtspositionen Einzelner, so können daraus staatliche Schutzpflichten erwachsen28. Dies gilt umso mehr, als die Macht25 LG Berlin AG 2002, 682, 683. Von einer Pflichtenidentität gehen auch Preußner, NZG 2004, 57, 59; ders., NZG 2004, 303, 305; Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657, 660; Witte/Hrubesch, BB 2004, 725, 730. 26 VG Frankfurt a. M. WM 2004, 2157, 2160 f. 27 Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 60. 28 Bereits die Begründung zum VAG 1901, abgedruckt in: Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 24: „Wollte man von der Annahme ausgehen, . . . dass es dem ver-

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positionen und Missbrauchsgefahren, wie etwa die Autonomie der Geschäftsleitung gem. § 76 Abs. 1 AktG, durch den Staat eingeräumt worden sind. Solche hoheitlichen Eingriffe in den Wirtschaftsverkehr sind jedoch mit Augenmaß zu führen, da die selbstregulierenden Kräfte des Marktes sowohl im Hinblick auf ihre Effizienz als auch auf die geringere Beeinträchtigung ökonomischer Freiheitsrechte grundsätzlich vorzugswürdig sind. Demzufolge gilt es sorgfältig zu prüfen, an welchen Stellen es zu einem Versagen der Marktkräfte kommt, so dass es einer Ergänzung von autonomen Überwachungsinstrumenten mit staatlicher, also heteronomer, Rechtsdurchsetzung bedarf. Mit einer pauschalen Ablehnung gegenüber wirtschaftsaufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnissen sollte man ebenso zurückhaltend umgehen wie beispielsweise mit Forderungen nach einer flächendeckenden behördlichen Aufsicht über die Publizität aller Aktiengesellschaften. Unter diesen Maßgaben setzt sich die vorliegende Arbeit nicht abstrakt mit den einzelnen Möglichkeiten staatlicher Einwirkungen auseinander, sondern legt den Fokus auf die einzelnen Elemente heteronomer Überwachung im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht und untersucht ihre Wirkung als Modifikation bzw. Substitution des allgemeinen Corporate Governance-Systems. Die Frage nach den Gründen für die (zusätzliche) Beaufsichtigung dieser Gewerbezweige ist dabei von ebenso großer Bedeutung wie ihre Regelungsdichte und Leistungsfähigkeit. Fragen der effizienten Geschäftsführung und wirksamen Mechanismen der Überwachung drängen sich in allen Geschäftszweigen und nicht nur im Kredit- und Versicherungssektor auf. Auch wenn der Begriff Corporate Governance vornehmlich mit dem gleichnamigen deutschen Kodex von 2002 assoziiert wird, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Inhalt des angesprochenen Ordnungsrahmens zuvörderst durch das Gesellschaftsstatut und die (zwingenden) Vorgaben des Gesellschaftsrechts geprägt wird29. Gleichermaßen tritt mit dem relativ jungen, aber dem steten Fluss sicherungssuchenden Publikum lediglich selbst überlassen werden könne, seine Interessen im Geschäftsverkehre mit den Versicherungsanstalten zu wahren und sich durch eigene Wachsamkeit vor Schaden zu schützen, und dass der freie Wettbewerb unter den Anstalten mit hinreichender Stärke in dem Sinne wirken werde, schwindelhafte Unternehmungen auszumerzen und unsolides Geschäftsgebahren auf die Dauer unmöglich zu machen, dann allerdings würde es einer besonderen staatlichen Überwachung des Versicherungsbetriebs nicht bedürfen und dann würde die Gesetzgebung sich darauf beschränken können, für den Beginn des Geschäftsbetriebs die Erfüllung bestimmter äußerer Erfordernisse, z. B. hinsichtlich der Verfassung einer Gesellschaft, des Vorhandenseins gewisser finanzieller Garantiemittel usw., in Form sogenannter Normativbestimmungen vorzuschreiben.“ 29 Hommelhoff/Hopt/v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. V.; Picot, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 1 Rn. 32; Sünner, AG 2000, 492.

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gesetzlicher Reformen unterliegenden und sich dabei intensivierenden Kapitalmarktrecht eine zweite Regulierungsebene formaler Gesetzgebung hinzu, die maßgeblichen Einfluss auf die Corporate Governance eines Unternehmens ausübt, sofern sich das Unternehmen zwecks Finanzierung an die Kapitalmärkte wendet. Den in jüngster Zeit entstandenen untergesetzlichen inund externen Verhaltenskodices mangelt es hingegen an Rechtsverbindlichkeit. Daher sind sie grundsätzlich nur als Ergänzung des Zweiklangs von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht zu verstehen. Die OECD-Prinzipien sowie der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) bringen mit ihren Ausführungen zum Adressatenkreis zum Ausdruck, dass ihre Verhaltensprinzipien unabhängig von der jeweiligen Branchenzugehörigkeit Anwendung finden sollen30. Jedenfalls fehlen – soweit ersichtlich – solche einschränkenden Hinweise in den bekannten Kodices. Mit der Verhaltenssteuerung für bestimmte Gewerbezweige hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht unter Berücksichtigung der OECD-Prinzipien die Überarbeitung eines Katalogs von Corporate Governance-Maßnahmen herausgegeben, der naturgemäß auf Kreditinstitute zugeschnitten ist31. Die individuelle Anpassung von Corporate Governance-Grundsätzen in speziellen Bereichen ist – wie etwa die Diskussion um einen Public Corporate Governance Kodex sowie die Verlautbarung des Basler Ausschusses verdeutlichen – kein gänzlich unbekannter Ansatz. 2. Das dieser Arbeit zugrunde liegende Erkenntnisinteresse Eine Diskussion um das Verhältnis von autonomer zu heteronomer Problemlösung, die auch bei der Gegenüberstellung von Selbstkontrolle und Staatsaufsicht anklingt, ist in anderen Bereichen – wie es z. B. bei der Überwachung der Einhaltung von Rechnungslegungsvorschriften unter dem Stichwort „Enforcement“32 deutlich wird – bereits angestoßen worden. Aber nicht nur bei der Durchsetzung von rechtlichen Regelungen, sondern auch bei Schaffung derer selbst scheinen die herkömmlichen Grundsätze aufgebrochen zu werden, wie uns die verbreiterte Inanspruchnahme des sog. „soft law“ – also untergesetzliche, nicht hoheitliche Regulierung – veranschaulicht. Im Schnittfeld autonomer und heteronomer Standardsetzung 30 So z. B. die OECD-Grundsätze der Corporate Governance, 2004, Einleitung, die von „finanziellen und nicht finanziellen Unternehmen“ sprechen. 31 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Unternehmensführung in Banken, 2006; hierzu Mülbert, BKR 2006, 349; Burghof, BKR 2007, 610. 32 Vgl. hierzu den Unterabschnitt 1 im 11. Abschnitt des WpHG. Eingeführt durch das Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz – BilKoG) vom 15. Dezember 2004, BGBl. I, S. 3408. Instruktiv Hommelhoff/Mattheus, BB 2004, 93–100. Weitere Einzelheiten hierzu s. unten § 2 III. 4. c).

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wird deshalb auch dem DCGK Beachtung zu schenken sein. Ein ganz ähnliches Phänomen lässt sich bei den internationalen Rechnungslegungsstandards beobachten, die von einem privatrechtlich organisierten International Accounting Standards Board (IASB) geschaffen werden und auf EG-Ebene im Wege des „Endorsements“ in verbindliches Recht gegossen werden33. Darüber hinausgehend setzt sich diese Arbeit mit der systematischen Einordnung staatsseitiger Überwachungsmechanismen insgesamt, sowohl im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzung als auch auf die zusätzlich vorhandenen materiellrechtlichen Verhaltensmaßstäbe in das Gesamtgefüge der Unternehmenskontrolle auseinander. Eine Erforschung der Corporate Governance von branchenspezifisch beaufsichtigten Unternehmen bietet sich vor allem auch deshalb an, weil mit dem Wirtschaftsaufsichtsrecht und seiner Zuweisung von Eingriffsrechten in die unternehmerische Freiheit an die Aufsichtsbehörde die intensivste Form der hoheitlichen Einflussnahme zusätzlich zu dem bestehenden, primär auf Selbstkontrolle ausgerichteten Ordnungsrahmen hinzutritt. Aufgrund der angedeuteten Schnittmengen von Wirtschaftsaufsichtsrecht und dem allgemeinen Kanon von Corporate Governance mag es verwundern, dass der Beitrag der Banken- und Versicherungsaufsicht für die gute Unternehmensführung noch nicht tiefgreifend erörtert worden ist. Inwieweit das Aufsichtsrecht hierbei den allgemeinen Rechtsrahmen modifiziert oder gar substituiert, sollte ebenso Gegenstand der Untersuchung sein wie die Frage, ob die branchenübergreifenden Grundsätze für die effiziente Überwachung von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen nicht nutzbar gemacht werden können. Die bisher unterbliebene systematische Einordnung staatlicher Aufsicht in das Corporate Governance-Gefüge mag an den Besonderheiten der Kredit- und Versicherungsbranche, einer gewissen Selbstverständlichkeit für diese intensive Regulierung sowie an dem Um33

Vgl. hierzu Art. 3 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EU Nr. L 243 S. 1. Die auf dieser Grundlage erlassene Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 wurde jüngst geändert, um die Reaktion des IASB auf die aktuelle Finanzmarktkrise zu übernehmen. Mit diesen Modifikationen wurde es den Unternehmen ermöglicht, derzeit nicht handelbare Finanzinstrumente nicht mit dem Marktwert („fair view“), sondern mit den Anschaffungskosten bzw. dem niedrigeren beizulegenden Wert zu bilanzieren. Die entsprechenden Änderungen von IAS 39 und IFRS 7 wurden so mit der Verordnung (EG) Nr. 1004/2008 der Kommission vom 15. Oktober 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf International Accounting Standard (IAS) 39 und International Financial Reporting Standard (IFRS) 7, ABl. EU Nr. L 275 S. 37 im europäischen Recht verbindlich.

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stand liegen, dass das Aufsichtsrecht den Gesichtspunkten wirksamer Überwachung der Geschäftsleitung bereits genügend Beachtung schenkt34. a) Die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht als Element von Corporate Governance? Das eingangs beschriebene Kernproblem von Corporate Governance konzentriert sich auf das Verhältnis von Anteilseignern und Management. Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht bezwecken hingegen den Schutz der Einleger und Versicherungsnehmer als Gläubiger einerseits und die Funktionsfähigkeit dieser Branchen andererseits. Als Vorfrage gilt es demnach zu klären, ob und inwieweit das branchenspezifische Wirtschaftsaufsichtsrecht als Element der Corporate Governance gelten kann. Mit anderen Worten verbirgt sich dahinter die Frage, ob die verfolgten Schutzinteressen in Einklang mit dem Stakeholderbegriff zu bringen sind. Ansatzpunkt hierfür kann nur das kontinentaleuropäische Verständnis von Corporate Governance sein. Dieses verfolgt einen interessenpluralistischen Ansatz, innerhalb dessen auch der Schutz anderer Personen bzw. Personengruppen, die ebenso ein berechtigtes Interesse an den Unternehmensentscheidungen haben, Berücksichtigung findet35. Die kaum vergleichbare Regelungsintensität des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts bringt mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die bestehenden allgemeinverbindlichen Maßgaben als nicht ausreichend erachtet, den Schutz der Funktionsfähigkeit des Versicherungsbzw. des Bankengewerbes sowie der Kunden zu gewährleisten. b) Die Modifikation des Ordnungsrahmens durch das materielle und formelle Wirtschaftsaufsichtsrecht Wenn man das Wirtschaftsaufsichtsrecht als Element der Corporate Governance versteht, so ist in einem zweiten Schritt die Art und Weise ihrer Auswirkung auf den allgemeinen Ordnungsrahmen zu erforschen. Im Fokus dieser Betrachtung stehen die Substitution gesellschaftsrechtlicher Regelungen in materieller und die ergänzende Kontrollfunktion der Aufsichtsbehörde in formeller Hinsicht. Hierbei ist eine Typisierung der Aufsicht unter den Aspekten der Publizitäts- oder aber der Normativaufsicht vorzunehmen. 34

Hafke, in: Festschrift Hadding, S. 863, 867. Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 4; v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Handbuch, S. 4; Merkt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 718. 35

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c) Ein einheitlicher Rahmen der Banken- und Versicherungsaufsicht unter dem Aspekt der „Allfinanzaufsicht“ Unter dem Aspekt der „Allfinanzaufsicht“ ist sodann zu ermitteln, ob und inwieweit Überschneidungen, Konvergenzen oder Differenzen zwischen den beiden Aufsichtsbereichen im Versicherungs- und Kreditwesen auszumachen sind. Dies kann zu einer wechselseitigen Geltung von rechtlichen Maßstäben führen und eine Antwort auf künftige Entwicklungen geben, die durch die Integration von Finanzdienstleistungen in sog. Konglomeraten beeinflusst werden. d) Die „Ausstrahlungswirkung“ auf die allgemeine Corporate Governance Zuletzt kann die folgende Untersuchung beantworten, in welcher Weise das Wirtschaftsaufsichtsrecht Auswirkungen auf den allgemeinen Ordnungsrahmen von Corporate Governance hat. Besondere Berücksichtigung muss dabei die Ergänzung autonomer Überwachung durch die Tätigkeit der staatlichen Aufsichtsbehörde finden.

IV. Die notwendige Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes 1. Die börsennotierten Unternehmen im Fokus der Corporate Governance-Diskussion Offensichtlich konzentriert sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Grundsätzen einer guten Unternehmensführung auf börsennotierte Kapitalgesellschaften36. Dieser Eindruck wird durch die Empfehlungen der OECD-Grundsätze der Corporate Governance und des Deutschen Corporate Governance Kodex bestätigt, die „hauptsächlich für börsennotierte finanzielle und nichtfinanzielle Unternehmen“37 gelten bzw. sich „in erster Linie an börsennotierte Gesellschaften“38 richten39. 36 Corporate Governance-Fragen stellen sich jedoch nicht ausschließlich bei Kapitalgesellschaften, vgl. Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, Fn. 4. 37 OECD-Grundsätze der Corporate Governance, 2004, Einleitung. Zu den OECD-Grundsätzen vgl. Hommelhoff, in: ZGR 30 (2001), 238–267. 38 Deutscher Corporate Governance Kodex, Präambel. 39 Die soeben genannten Kodices empfehlen jedoch auch nicht-börsennotierten sowie staatlichen Gesellschaften, diese Grundsätze zu berücksichtigen, s. DCGK, Präambel; OECD-Grundsätze der Corporate Governance, 2004, Einleitung.

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a) Die Eigenkapitalmarktfähigkeit von Kapitalgesellschaften Von einer Börsennotierung spricht man, wenn ein Unternehmen seine in Wertpapiere verbrieften Eigenkapitalanteile zum Handel an Börsen zugelassen hat40. Für das deutsche Recht hatte dies bis zur Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea) zur Konsequenz, dass sich die Thematik auf Aktiengesellschaften (AG) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) beschränkte, da bisher nur diese fähig waren, Eigenkapitalanteile in Form fungibler Wertpapiere zu emittieren (vgl. §§ 32 ff. BörsG)41. Die offenbar synonyme Verwendung von Gesellschaftsrecht und Aktienrecht bei der Debatte um interne Corporate Governance-Systeme, die ganz im Gegensatz zu dem praktischen Befund der in Quantität dominierenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) steht42, lässt sich aus dieser Kapitalmarktfähigkeit der AG und der KGaA erklären. Diesen Befund sollte man zum Anlass nehmen, in der gebotenen Kürze auf die besondere Problem- und Gefährdungslage von börsennotierten Gesellschaften zurückzugreifen. b) Die Vertiefung der Prinzipal-Agenten-Konflikte bei Publikumsgesellschaften Typischerweise betreffen die oben beschriebenen Prinzipal-Agenten-Konflikte vertieft sog. Publikumsgesellschaften, also solche, die sich durch einen breiten Aktionärskreis auszeichnen. Gegenüber Gesellschaften mit einer überschaubaren Anzahl von Gesellschaftern bedeutet bereits diese Anonymisierung einen Verlust von Kontrollmöglichkeiten, auch wenn die Anteile nicht zum Handel an Börsen zugelassen sind43. Absprachen zwischen den 40 Vgl. § 3 Abs. 2 AktG. Selbstverständlich können auch andere Finanzinstrumente, die nicht Eigenkapitalanteile repräsentieren, zum Handel an Börsen zugelassen werden (vgl. § 2 Abs. 2b WpHG). Als Emittenten von fungiblen Fremdkapitalinstrumenten kommen auch andere Unternehmensformen in Frage. Den in diesem Punkt engen Anwendungsbereich der „börsennotierten“ Gesellschaften kritisiert auch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.19. Die Corporate Governance-Problematik kommt aber nicht in gleichem Maße zum Tragen, da es sich bei den Inhabern dieser Finanzinstrumente um Gläubiger und sog. „Festbetragsberechtigte“ handelt. 41 GmbH-Anteile sind wegen der notariellen Beurkundungspflicht der Übertragung nicht fungibel; vgl. § 15 Abs. 3 GmbHG. Eine Diskussion um die kapitalmarktfähige GmbH ist veraltet und soll hier nicht weiter aufgegriffen werden. Vgl. hierzu Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Einleitung Rn. 13g. 42 Im Jahr 2004 standen 452.957 Gesellschaften mbH lediglich 7.189 Aktiengesellschaften (einschließlich Kommanditgesellschaften auf Aktien) gegenüber; Quelle: www.destatis.de. 43 Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 333.

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einzelnen Anteilseignern werden erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht und die Auswahl der zur Kontrolle berufenen Aufsichtsratsmitglieder kann in Ermangelung von Großaktionären maßgeblich durch den zu kontrollierenden Vorstand beeinflusst werden44. Wendet sich ein solches Unternehmen zwecks Eigenkapitalfinanzierung den Kapitalmärkten zu, so verstärkt sich diese Konfliktsituation. Neben der weitergehenden Anonymisierung des Gesellschafterkreises nehmen die Aktionäre als Anleger oftmals ihre mitgliedschaftlichen (Stimm-)Rechte nicht mehr wahr, sondern fokussieren ihre Optionen auf Exit-Strategien. Den ökonomischen Hintergrund für die besondere Behandlung und Regulierung von börsennotierten Unternehmen bildet die Transaktionskostentheorie. Die mögliche einzelvertragliche Absicherung gegenüber Opportunismusoptionen aus Prinzipal-Agenten-Konflikten ist bei einem breiten Anlegerkreis zu kostspielig45. Für Kleinaktionäre bestehen nur geringe Anreize, sich an der Überwachung zu beteiligen (rationale Apathie). Vielmehr vertrauen sie regelmäßig darauf, dass diese mit Kosten verbundenen Aufgaben von anderen übernommen werden (free-rider-Problem)46. Letztlich führt dies dazu, dass bei einer solchen Aktionärsstruktur keine wirksame Kontrolle der Geschäftsleitung stattfindet. Auch der deutsche Gesetzgeber nimmt die unterschiedlichen Anforderungen an die materielle Unternehmensverfassung von kapitalmarktnahen und fernen Aktiengesellschaften zur Kenntnis, indem er neuerdings die Anwendbarkeit einiger aktienrechtlicher Vorschriften an das Tatbestandsmerkmal der Börsennotierung knüpft47. Als Leitbild des Aktiengesetzes stellte sich im Laufe der Zeit – entgegen seiner ursprünglichen Ausrichtung – immer mehr die große, börsennotierte Aktiengesellschaft dar. Die Änderungen durch das KonTraG und das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts48 dienen der Deregulierung und den Bedürfnissen kleinerer Aktiengesellschaften und ebnen zugleich den Weg, um den veränderten Rahmenbedingungen für kapitalmarktorientierte Unternehmen im 44

Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 333. Pellens/Fülbier, ZGR 29 (2000), 572, 579. 46 Vgl. Baums, ZIP 1995, 11; Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 651; Engert, ZIP 2006, 2105 f.; Schmolke, ZGR 36 (2007), 701, 707. 47 Vgl. Hefermehl/Semler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 8 f.; Semler/ Spindler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 178 ff. Mit dem KonTraG (BGBl. I 1998, S. 786) wurde in § 3 Abs. 2 AktG die Grundlage für eine Differenzierung des Aktienrechts geschaffen, die bereits mit dem Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts (BGBl. I 1994, S. 1961) begonnen hatte, Heider, in: MünchKommAktG, § 3 Rn. 41 f.; Begr. RegE zum KonTraG, BTDrucks. 13/9712, S. 12. 48 BGBl. I 1994, S. 1961. 45

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Wettbewerb um Risikokapital standhalten zu können. Diese Entwicklung hat zu dem Befund geführt, dass die Trennlinie vielmehr zwischen börsennotierten Unternehmen und kapitalmarktfernen Kapitalgesellschaften als zwischen der Aktiengesellschaft und der GmbH zu suchen ist49. 2. Die Ausklammerung von öffentlichen Unternehmen In keinem zweiten Gewerbezweig wird der Diskussion um Public Corporate Governance so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie im Bereich des Kreditwesens. Mit dem Verlust der Haftungsprivilegien öffentlich-rechtlicher Banken, die mit den Besonderheiten der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung einhergingen, verlieren diese Kreditinstitute auch die Vorteile, die sie bei der Bewertung durch Ratingagenturen und für die Aufnahme günstiger Kredite genießen konnten50. Bereits aufgrund der fehlenden Kapitalmarktfähigkeit dieser Unternehmen bleiben sie im Folgenden außerhalb der Betrachtung. Sofern die öffentliche Hand als Aktionär eines privatrechtlich organisierten Instituts auftritt, werden die damit auftretenden Besonderheiten entsprechend kenntlich gemacht. 3. Die Ausnahme der Börsenaufsicht aufgrund der Sonderstellung der Deutschen Börse AG Die Börsenaufsicht in Deutschland weist Besonderheiten auf, die auf die föderalen Zuständigkeiten sowie die Struktur und Rechtsnatur der Börsen zurückzuführen sind. Zum einen überwachen die Börsen in Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsautonomie den Börsenhandel sowie die Börsengeschäftsabwicklung durch ihre Handelsüberwachungsstellen (Markt- und Handelsaufsicht). Zum anderen unterliegen die Börsen ihrerseits der Aufsicht durch die Börsenaufsichtsbehörden der Länder (Rechtsaufsicht und Aufsicht über die Selbstverwaltung). Das 2. Finanzmarktförderungsgesetz weitete die Befugnisse der Länder aus, die nunmehr eine generelle Rechts-, Markt- und Handelsaufsicht ausüben51. Infolgedessen besteht die strikte Zweiteilung nicht mehr52. Die Handelsüberwachungsstellen unterliegen ei49 Begr. RegE zum Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, BT-Drucks. 12/6721, S. 5; Diehl, VersR 1998, 1465, 1466; Heider, in: MünchKommAktG, § 3 Rn. 43. 50 Kirschbaum, BKR 2006, 139, 141 f. 51 Begr. RegE zur Reform des BörsG durch das 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 59. 52 Vgl. noch Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, § 1 BörsG Rn. 40 ff.

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nerseits den Weisungen der Börsenaufsichtsbehörden, andererseits fungieren sie als Börsenorgane selbstständig und eigenverantwortlich53. Als dritte Säule der Börsenaufsicht unterliegen die Rechtsträger der Börsen einer Überwachung (vgl. §§ 3 Abs. 1 Satz 2, 4 ff. BörsG). Soweit privatrechtliche Organisationen als Träger betroffen sind, ist diese Säule der Börsenaufsicht strukturell vergleichbar mit den wirtschaftsaufsichtsrechtlichen Zweigen der Versicherungs- und Bankenaufsicht54. Hinsichtlich ihrer Ausdifferenzierung bleiben die Anforderungen des BörsG jedoch deutlich hinter den Maßgaben des KWG und des VAG zurück. Vor dem Hintergrund, dass hier allein börsennotierte Unternehmen untersucht werden, würde sich die Betrachtung de facto auf den einzig gelisteten Börsenträger, die Deutsche Börse AG, beschränken. Als einzelfallbezogenes Sonderrecht soll die Rechtsträgeraufsicht demnach nicht weiter untersucht werden.

V. Der weitere Gang der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden die Grundlagen der Corporate Governance untersucht, die branchenübergreifend Geltung beanspruchen. Zunächst setzt sich die Darstellung aus ökonomischer und rechtswissenschaftlicher Perspektive differenziert mit den Gründen auseinander, die eine Regulierung erforderlich machen und welche Mechanismen hierbei zum Tragen kommen [s. unten § 1]. Anschließend wird das Umfeld der Corporate Governance in Deutschland betrachtet, so wie es rechtstatsächlich für alle börsennotierten Unternehmen Anwendung findet [s. unten § 2]. Erst wenn das allgemeine Koordinatensystem abgesteckt ist, kann die Einordnung der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht in diesem Gefüge analysiert werden [s. unten Zweiter Teil]. Mit einer Begriffsklärung wird das Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht in den Rahmen des Wirtschafts(verwaltungs-)rechts und der Wirtschaftsverfassung eingebettet [s. unten § 3]. Um die verschiedenen Regulierungsansätze zur Überwachung der Unternehmen und ihrer Entscheidungsträger zu verstehen, lohnt sich ein Rückgriff auf die Geschichte in zweifacher Hinsicht [s. unten § 4]. Aus der Perspektive gesellschaftsrechtlicher Gesetzgebung bedeutete die Abkehr 53

Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 29. Vgl. zur Übertragung von Rechtsgrundsätzen des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts auf die Überwachung der Börsenträger, Hammen, AG 2001, 549, 566 f. 54

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vom Konzessionssystem im Aktienrecht im Zuge der allgemeinen Liberalisierung, dass zum Ausgleich staatlicher Defensive die Elemente verbandsinterner Kontrollmechanismen in einem System der Normativbestimmungen vermehrt in den Vordergrund traten. Die Errichtung eines obligatorischen Aufsichtsrats55, der Bedeutungszuwachs von Unternehmenspublizität56 sowie die relativ spät eingeführte Pflichtprüfung der Abschlussunterlagen durch eine externe unabhängige Prüfungsinstanz als Antwort auf Missstände der internen Überwachung57 führten zu dem heutigen Bild der Corporate Governance. Auf der anderen Seite zeigt eine historische Auseinandersetzung, diesmal mit den Wurzeln der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht, eine gegenläufige Entwicklung. Das Vordringen privater Anbieter von Versicherungs- und Bankdienstleistungen bei gleichzeitigem Rückzug der öffentlichen Hand aus diesem Sektor wurde durch hoheitliche Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen des Aufsichtsrechts begleitet. Der darauf folgende Abschnitt widmet sich den Funktionen und der Legitimation der Banken- und Versicherungsaufsicht [s. unten § 5]. Vor dem Hintergrund, dass staatliche Eingriffe in die freie Entfaltung grundrechtlich gesicherter Freiheiten stets einer Legitimation bedürfen, bedarf die intensive aufsichtsrechtliche Reglementierung von Banken und Versicherungen einer besonderen Rechtfertigung. Unter der Prämisse, dass unternehmerische Eigeninitiative regelmäßig als Problemlösungsmechanismus vorzuziehen ist, sind die Anforderungen an eine ökonomische Rechtfertigung freilich höher. Wie staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsverkehr im Allgemeinen58, werden auch die Regulierung und Beaufsichtigung des Bankensektors im Besonderen damit begründet, dass eine Selbstregulierung aufgrund von 55

Potthoff/Theisen, in: 40-Jahre Der Betrieb, S. 53, 58. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 92 ff. 57 Die Pflichtrevision durch sachverständige Prüfer wurde mit der Notverordnung „über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnesie“ vom 19. September 1931 in das Aktienrecht eingeführt. s. hierzu Erle, Bestätigungsvermerk, S. 1 ff.; Potthoff/Theisen, in: Festschrift 40-Jahre Der Betrieb, S. 53, 61 f. Diese und eine weitere Notverordnung stehen in engem Zusammenhang mit den Krisen der Danat-Bank und des Frankfurter Versicherungs AG, s. Semler, in: MünchKommAktG, Einl. Rn. 25. 58 Vgl. grundlegend zur Regulierungstheorie Breyer, Regulation and Its Reform, S. 15 ff.; Posner, Bell Journal of Economics and Management Science, Vol. 5 (1974), S. 335 ff. Zur Bankenregulierung Goodhart u. a. (Hrsg.), Financial, S. 2 ff.; Seifert, Privilegierung und Regulierung im Bankwesen, S. 36 ff. (mit Bezügen zum Wettbewerbsrecht bei Banken). Stein, Wirtschaftsaufsicht, spricht nicht ausdrücklich von „Marktversagen“, geht aber implizit davon aus, wenn er von der Aufsichtsfunktion des Schutzes „allgemeiner öffentlicher Interessen, insbesondere volkswirtschaftlicher Belange“ oder von Korrektur der „aufgetretenen Störung der Wirtschaftsfunktionen“ spricht, ebda. S. 187, 209. 56

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Einleitung

„Marktversagen“ nicht möglich sei. Sog. „externe Effekte“59 treten beispielsweise beim massenhaften Abzug von kurzfristigen Verbindlichkeiten (sog. Runs) auf, deren Folge in Form von Liquiditätsschwierigkeiten andere Kunden und vor allem weitere Kreditinstitute treffen. Gerade diese Fälle zeigen die Notwendigkeit von aufsichtsseitigen, staatlichen Interventionen. § 6 schließlich setzt sich einerseits mit den materiellen Vorgaben des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts und andererseits mit der Überwachungstätigkeit der BaFin auseinander. Hier wird zu zeigen sein, wie das branchenspezifische Aufsichtsrecht den allgemeinen Ordnungsrahmen von Corporate Governance modifiziert.

59 Negative „externe Effekte“ (bzw. „externalities“), also nachteilige Auswirkungen von Handlungen auf unbeteiligte Dritte ohne Möglichkeit der Kompensation, gelten als Unterfall des Marktversagens. Zu den auftretenden Verlusten und deren gesamtwirtschaftliche Auswirkungen vgl. Möschel, in: Festschrift Stimpel, S. 1065, 1073 ff.; Seifert, Privilegierung und Regulierung im Bankwesen, S. 55 ff. m. w. N.

Erster Teil

„Allgemeine“ Corporate Governance § 1 Grundlagen Um den Untersuchungsgegenstand näher bestimmen bzw. eingrenzen zu können, wird einführend versucht, den in vielfältiger Weise Verwendung findenden Begriff „Corporate Governance“1 zu konturieren und ihn in den aktuellen Kontext einzuordnen [s. unten I.]. Die angebotenen Definitionen von Corporate Governance sind fast ebenso umfangreich wie die Anzahl der Beiträge in der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zu diesem Themenkomplex insgesamt. Diese Arbeit hat sich dabei nicht zum Ziel gesetzt, die vorhandenen Definitionen um eine weitere zu ergänzen; vielmehr gilt es, den Rahmen für die weitere Untersuchung anhand einer griffigen Begriffsbestimmung abzustecken und so eine Grundlage zu schaffen, um die Einflechtung des Wirtschaftsaufsichtsrechts in dieses System erörtern zu können. Für die Darstellung der Diskussion um Corporate Governance ist eine Einbettung der Problematik in den ökonomischen Zusammenhang unerlässlich. In kaum einem anderen Forschungsgebiet sind die Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften so sehr für die juristische Debatte fruchtbar gemacht worden wie hier. Eine umfassende Darstellung der möglichen Konflikte und der Lösungsmechanismen wird daher nur unter Zuhilfenahme von betriebswirtschaftlichen Unternehmenstheorien2 zu beantworten sein. Nachdem veranschaulicht worden ist, warum es eine Kontrolle der Unternehmensleitung geben muss und in wessen Interesse diese Kontrolle zu erfolgen hat, gilt es zu klären, mit welchen Instrumenten das geleistet werden kann [s. unten II.]. An dieser Stelle wird bereits anklingen, dass neben Recht im materiellen Sinne auch tatsächliche Faktoren als Steuerungselemente von Corporate Governance zur Anwendung gelangen. 1

Der Begriff geht wohl zurück auf Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, Chapter 12, S. 298–325; in der deutschen Übersetzung mit „Beherrschung und Überwachung in der Kapitalgesellschaft“ überschrieben, ders., Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, S. 265–298. 2 Einen Überblick hierüber verschafft Pistor, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 161 ff.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

I. Corporate Governance – Ein ökonomischer Begriff? 1. Die bereits vorhandenen Definitionen als Ausgangspunkt für eine Begriffsbestimmung Um sich dem nahezu unüberschaubaren Angebot an Definitionen zu nähern, ist ein Rückgriff auf den Cadbury Report3, dem Vorläufer des Combined Codes4 und Archetypus der Code of Conduct-Bewegung5 in Europa lohnenswert, dessen Verständnis denkbar allgemein gehalten ist und von Corporate Governance als „the systems by which companies are directed or controlled“ spricht6. Wie bereits diese Kurzformel erkennen lässt, steht die Ausgestaltung der Leitungsbefugnisse innerhalb eines Unternehmens sowie die Überwachung derselben im Zentrum des Regelungsinteresses. Wenn man über die Ungenauigkeit des Cadbury Codes hinwegsieht, dessen Formulierung vermuten lässt, Subjekt der Kontrolle sei das Unternehmen selbst anstatt dessen Unternehmensleitung7, deutet die vorstehende Definition auf einen Konsens über den neuralgischen Punkt der Corporate Governance-Problematik hin: nämlich das mit Leitungsbefugnissen ausgestattete und weitgehend von den Gesellschaftern unabhängig und diskretionär agierende Management. Das Verständnis von Shleifer und Vishny weist diesbezüglich in eine vergleichbare Richtung: „Corporate govern3 Report of the Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance (Cadbury Report), benannt nach dem Chairman Adrian Cadbury. Herzstück des Reports ist ein „Code of Best Practice“ (Cadbury Code), der Verhaltensregeln für (börsennotierte) Unternehmen vorsieht. Um zum Handel an der Londoner Börse zugelassen zu werden, musste dieses Unternehmen in einem Jahresbericht angeben, ob es diesen Verhaltensregeln entspricht oder nicht. Anlass für die Einsetzung dieses Komitees waren u. a. die (Bilanz-)Skandale bei BCCI (Bank of Credit and Commerce International) und Maxwell, s. Cadbury Report, Vorwort. Hierzu Davies, ZGR 30 (2001), 268, 270. 4 Combined Code on Corporate Governance, 2003 überarbeitet 2006. Nunmehr ist dessen Beachtung durch das einzelne Unternehmen eine Börsenzulassungsvoraussetzung an der London Stock Exchange, s. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, S. 50; Hommelhoff, ZGR 30 (2001), 238, 244. 5 Hierunter ist der Versuch zu verstehen, Corporate Governance nicht durch formelle Gesetze und zwingendes Recht, sondern durch freiwillige Verhaltenskodizes zu regulieren. Vgl. zur Code of Conduct-Bewegung in Europa Davies, ZGR 30 (2001), 268, 270 ff.; Bachmann, WM 2002, 2137, 2137; Hopt, in: Hommelhoff/ Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 32 ff. Eine Übersicht über die weltweit existierenden Kodices hat das European Corporate Governance Institute auf seiner Webseite veröffentlicht (http://www.ecgi.org). 6 Cadbury Report, Ziffer 2.5. 7 So auch Hefermehl/Semler, in: MünchKommAktG, Vor § 76, Rn. 2, die richtigerweise Corporate Governance als die Funktionsweise der Leitungsorgane, ihr Zusammenwirken und die Überwachung ihres Verhaltens definieren.

§ 1 Grundlagen

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ance deals with the ways in which suppliers of finance to corporations assure themselves of getting a return on their investments. How do suppliers of finance get managers to return some of the profits to them? How do they make sure that managers do not steal the capital they supply or invest it in bad projects? How do suppliers of finance control managers?“8 Hierbei wird allerdings bereits eine Einschränkung deutlich: Die Kontrollsysteme der Interessenwahrung sollen nur einem bestimmten Kreis von Personen oder Personengruppen dienen – nämlich den „suppliers of finance“. Widmet man sich der Beantwortung der Frage, welche Konflikte sich als ursächlich für die Notwendigkeit eines solchen Ordnungssystems erweisen, gilt es vorab zu klären, wessen Interessen in den Schutzbereich von Corporate Governance einbezogen werden sollen. Einigkeit darüber, ob allein Anteilseignerinteressen oder aber auch die Interessen anderer Akteure mit solchen Maßnahmen gewahrt werden sollen, besteht nämlich nicht9. Die Kurzformel des Cadbury Codes liefert keinen Aufschluss über die beinahe klassische Debatte um die Shareholder- oder Stakeholderorienterung; der dort gewählte Erklärungsansatz erfolgt unabhängig vom Zweck des Leitungs- und Kontrollsystems und schweigt zu der aufgeworfenen Frage10. In der Praxis lässt sich jedoch beobachten, dass die Ausrichtung und demzufolge auch die Beschreibung der Corporate Governance-Prinzipien maßgeblich davon abhängen, welche Personengruppen in den Schutzbereich von Corporate Governance mit einbezogen werden sollen11. Nur andeutungsweise findet man Hinweise bei dem bereits zitierten Verständnis von Shleifer und Vishny, welche den Personenkreis auf die Financiers, also die 8

Shleifer/Vishny, Journal of Finance 52 (1997), S. 737. Vgl. hierzu die heftig umstrittene Debatte, welche Interessen der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Ausübung seines unternehmerischen Ermessens im Rahmen von eigenverantwortlichen Entscheidungen zu berücksichtigen hat. Im Zentrum steht dabei die Auslegung des Begriffs des „Unternehmensinteresses“ als Pflichtenmaßstab für die Verwaltung der Gesellschaft, vgl. BVerfGE 50, 290, 374; BGHZ 36, 296, 306; Semler/Spindler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 84 ff. m. w. N. Neuerdings setzt sich diese Diskussion unter dem Stichwort „Shareholder Value“ fort und fragt, ob eine Präferenz von Anteilseignerinteressen statthaft ist; vgl. Mülbert, ZGR 26 (1997), 129 ff. und weitergehend ders., in: Festschrift für Röhricht, S. 421, 424 ff.; zum Begriff der Shareholder Value grundlegend Rappaport, Shareholder Value. Zur Bedeutung für die vorliegende Arbeit, s. unten I. 3. c). 10 Obschon der Cadbury Code ganz in der Tradition großbritannischer Vorstellungen an anderer Stelle betont, dass die Geschäftsleitung nur den Anteilseignern, nicht aber den übrigen Akteuren verpflichtet sei und Rechenschaft schulde, vgl. Cadbury Report, Ziffer 3.4. Noch deutlicher der Final Report des Committee on Corporate Governance (Hampel Report), das unter der Leitung von Ronnie Hampel die Ergebnisse des Cadbury Reports evaluierte, Hampel Report, Ziffer 1.16. 11 Vgl. Roe, in: Hopt, Wymeersch, Comparative Corporate Governance, S. 165 ff. 9

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

Kapitalgeber des Unternehmens, beschränken wollen12. In deren Sinne ist nicht etwa jegliche Art von Investition gemeint, wie sie etwa auch in Gestalt einer Austauschbeziehung von Arbeitskraft gegen Entgelterwartung vorliegen kann, sondern lediglich in Form der Bereitstellung von Kapital13. 2. Die Beschreibung der Konfliktlagen zwischen den Beteiligten eines Unternehmens aus unternehmenstheoretischen Gesichtspunkten a) Das Konfliktpotential zwischen den Anteilseignern und der Geschäftsleitung Im Mittelpunkt der Corporate Governance-Diskussion steht – unabhängig von der konkreten Ausrichtung des jeweiligen Corporate Governance-Systems auch an anderen Interessen als denen der Anteilseigner – die betriebswirtschaftliche Analyse der eingangs angesprochenen Konflikte, die der Trennung von Verfügungsrechten und wirtschaftlichem Eigentum entstammen14. Gleichzeitig befasst sich die Forschung mit der Suche nach Mechanismen für die Eindämmung dieser Konflikte. Zwar ist der Begriff Corporate Governance an sich ein relativ moderner15, dennoch hat bereits das einleitende Zitat von Adam Smith aus dem 18. Jahrhundert veranschaulicht, dass die zugrunde liegende Problematik keine neue Erscheinung ist. Mit ihrer Veröffentlichung „The Modern Corporation and Private Property“ aus dem Jahr 1932, die als Geburtsstunde für die heutige Auseinandersetzung gilt, rückten der Jurist Adolf Augustus Berle und der Ökonom Gardiner Means die Konflikte im Zusammenhang mit der Steuerung des Managements erneut in den Mittelpunkt der Diskussion16.

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Shleifer/Vishny, Journal of Finance 52 (1997), S. 737. Das Verständnis von Shleifer und Vishny ist im Vergleich zu dem üblichen USamerikanischen Schrifttum ein weites, da es sich nicht auf die Interessen der Eigenkapitalgeber (shareholder) begrenzt, sondern auch die Bereitstellung von Fremdkapital erfasst. Dieser Einschätzung folgt auch Prigge, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/ Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 945. 14 Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 646, 648. Auch wenn sich daraus gerade kein Vorrang von Anteilseignerinteressen ergibt, Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 4. vgl. auch die Begr. RegE zum Aktiengesetz 1965, die mehrfach auf den Aktionär als „wirtschaftlichem Eigentümer“ abstellt [s. oben Einleitung, Fn. 6]. 15 Vgl. hierzu die Veröffentlichung von Oliver E. Williamson, Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, aus dem Jahr 1985, siehe Fn. 56. 16 Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property. 13

§ 1 Grundlagen

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aa) Die Prinzipal-Agenten-Theorie Hinter dem aus der Wirtschaftswissenschaft entstammenden Terminus des Prinzipal-Agenten-Situation verbirgt sich ein Konfliktpotential, das erst aufgrund der Struktur von Kapitalgesellschaften entstehen kann, in denen regelmäßig keine Personenidentität zwischen den Anteilseignern (Shareholder) und der Unternehmensleitung herrscht. Die Geschäftsführer agieren in diesem System als Vertreter (Agenten) und sind so mit der Wahrung der Vermögensinteressen ihrer Auftraggeber (Prinzipale), nämlich der Gesellschafter, betraut17. Im Rahmen ihrer Beauftragung gelten die Agenten dabei als treuhänderische Verwalter des Gesellschaftskapitals, das die Prinzipale zur Finanzierung der Unternehmung aufgebracht haben. Die Beziehung zwischen den Prinzipalen und ihren Agenten wird nach der ökonomischen „Lehre von den unvollständigen Verträgen“ als Vertragsverhältnis verstanden, in dem nicht sämtliche Leistungsbeziehungen hinreichend bestimmt werden können und daher eine „Renditeerwartung“ mit Unsicherheiten verbunden ist18. Um eine effiziente Überwachung der Agenten zur Verfolgung ihrer Interessen zu ermöglichen, müssen die Prinzipale ihrerseits Aufwendungen tätigen. Auf diese Weise entstehen Kosten mit der Delegierung von Kontrollrechten insbesondere in Gestalt von Überwachungs- und Informationskosten19. Je kleiner der Kreis der Unternehmensbeteiligten bzw. Prinzipale ist, desto einfacher und kostengünstiger lässt sich eine Vorsorge auf individueller bzw. einzelvertraglicher Basis treffen. Man denke hier etwa an Absprachen zwischen den beiden einzigen Gesellschaftern eines Unternehmens. Findet man hingegen einen breit gestreuten Aktionärskreis vor, so wie es bei börsennotierten Publikumsgesellschaften regelmäßig zu erwarten ist, verlangen die prohibitiv hohen Aufwendungen für eine individuelle Absicherung und eine Koordinierung der Kontrolle nach kostengünstigeren Kollektivmaßnahmen. Solche sind unter anderem in Form von zwingenden gesetzlichen ex-ante Entscheidungen vorstellbar. Aus der unternehmenstheoretischen Perspektive kann Corporate Governance daher als Mechanismus zur Reduktion der Kontrollkosten verstanden werden, insbesondere

17 Vgl. Hansmann/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, S. 21, die allgemein Agenten als jene Partei bezeichnen, die den Prinzipalen ein Leistungsversprechen gibt, und dieses Verhältnis auf die meisten Vertragsbeziehungen ausdehnen. 18 Zu diesem Ansatz („nexus of contracts“) grundlegend Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics Vol. 3 (1976), S. 310 f. 19 Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics Vol. 3 (1976), S. 305; Fama/ Jensen, Journal of Law and Economics, Vol. 26 (1983), S. 327. Einzelheiten zu der ungleichmäßigen Verteilung von Informationen zwischen den Akteuren siehe unten cc).

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

wenn die Absicherung in Einzelverträgen unwirtschaftlich ist und gesetzlich vorformulierte Standards diese Funktion übernehmen20. bb) Die Kontrollrechte als Äquivalent der Übernahmen von Residualrisiken Einen anderen Ansatz verfolgt die sog. „Property-Rights“-Theorie21. Im Gegensatz zu den Fremdkapitalgebern, denen in der Regel ein fester Zinsund Rückzahlungsanspruch als Gegenleistung für die Finanzierung zusteht, erhalten die Eigenkapitalgeber mit der Dividendenberechtigung die Aussicht auf eine (ungewisse) Rendite. Diese Ungewissheit ist mit einem besonderen Risiko für die Eigenkapitalgeber verbunden, das aus deren Stellung als sog. „Restbetragsberechtigte“ (residual claimants) resultiert22. Die Rendite der Restbetragsberechtigten ergibt sich aus der Differenz (dem „Restbetrag“) zwischen den wirtschaftlichen Erträgen des Unternehmens und den regelmäßig fixen Zahlungsansprüchen der übrigen Gläubiger23. So tragen sie das Letztrisiko (ultimate riskbearing). Dabei lässt sich dieses Phänomen auch in rechtliche Kategorien einordnen, in denen die Stellung als Restbetragsberechtigte im Liquidationsfall besonders deutlich hervortreten, da die Eigenkapitalgeber aufgrund insolvenzrechtlicher Vorschriften eine Befriedigung ihrer Ansprüche nur nachrangig, d.h. nach Erfüllung der Forderungen sämtlicher Gläubiger, und diese auch nur theoretisch erlangen können, denn erfahrungsgemäß verbleibt nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens kein solcher Restbetrag24. Somit droht ein Verlust der gesamten Investition. Die Gefahr, nur geringe bzw. keine Rendite für ihre Investition zu erhalten, oder gar ihre bereitgestellten Finanzierungsmittel zu verlieren, 20 Der Prinzipal-Agenten-Ansatz hat im Vertragsrecht wesentlich zur Rechtsfortbildung der Aufklärungspflichten und Kontrollrechte im Vorvertragsstadium beigetragen, vgl. Wiedemann, ZGR 35 (2006), 244; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht. 21 Grundlagen dieser Theorie finden sich bei Grossmann/Hart, Journal of Political Economy 94, 1986, S. 691–719; anschaulich (auch für Juristen) Hart, Columbia Law Review 89, 1990, S. 1751; vgl. zu den Begründungsmustern der übrigen ökonomischen Unternehmenstheorien ausführlich, jedoch auf den Aspekt der Arbeitnehmermitbestimmung fokussierend, Pistor, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 161–168. 22 Stützel, in: Festgabe Seuß, S. 393; Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 558. 23 Vgl. hierzu den in der anglo-amerikanischen Literatur verwendeten Begriff der „residual claims“ aus, der ebenso die Ansprüche (claims) auf den Rest (residual) beschreibt, der nach Befriedigung von den verbleibenden Ansprüchen verbleibt. Fama/Jensen, Journal of Law and Economics, Vol. 26 (1983), S. 327, 328 und passim; dies., Journal of Law and Economics, Vol. 26 (1983), S. 301, 303. 24 Anschaulich Kübler, in: Festschrift Zöllner, Band I, S. 321, 325.

§ 1 Grundlagen

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rechtfertigt demnach die Ausstattung mit Kontrollrechten und die Sicherung von Shareholder-Interessen25. cc) Die Opportunismusoptionen und strukturellen Informationsasymmetrien bei der Übertragung von Verfügungsrechten An dieser Stelle sei angemerkt, dass für die Delegation von Verfügungsrechten und für die eigenverantwortlich wahrgenommene Leitungskompetenz der Geschäftsführung (vgl. § 76 AktG für die Zuweisung der Leitungsaufgaben an den Vorstand einer AG26) gute, vor allem ökonomische Gründe sprechen27. Aus den Reihen der Shareholder können die Anforderungen an ein professionelles, hochqualifiziertes Management nur selten befriedigt werden. Sofern die Möglichkeit für die Gesellschafter, das Unternehmen selbst zu führen, überhaupt besteht, gibt es hierfür nur geringe Anreize. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kapitalbeteiligungen in den einzelnen Portefeuilles aus Gründen der Risikodiversifikation vielzählig und breit gestreut sind28. Die Trennung von Kontroll- und Residualrechten bringt also zunächst Vorteile mit sich, da eine Spezialisierung sowohl der Anleger im Sinne einer Portfoliobildung aber auch des Managements im Sinne einer optimierten Unternehmensleitung möglich ist29. Eine Übertragung von Leitungskompetenzen lässt jedoch Zielkonflikte aufgrund divergierender Interessen entstehen und birgt Missbrauchsgefahren30. So besteht 25

Schmidt, in: Jürgens (Hrsg.), Perspektiven, S. 39. Hammen, AG 2001, 549, 556 nennt dies den Gleichlauf von Mittelaufbringung und Einflussmöglichkeit als Prinzip des deutschen Unternehmensrechts. 26 So der wesentliche Regelungszweck von § 76 AktG, vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 1. Die hier normierte eigenverantwortliche Leitungskompetenz bedeutet, dass der Vorstand Leitungsentscheidungen nach eigenem Ermessen trifft, vgl. BGHZ 125, 239, 246 „Deutsche Bank“. 27 Die Verselbstständigung des Vorstandes als Unternehmensleiter bei gleichzeitiger Entmachtung der Hauptversammlung ist auf die Aktienrechtsreform 1937 zurückzuführen. Aber nicht primär ideologische („Führerprinzip“) sondern funktionale Hintergründe waren für diese Novellierung ausschlaggebend vgl. Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, S. 80; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 2 Rn. 5. Zu der Notwendigkeit eines weiten Ermessensspielraums siehe Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 846 ff.; Fleischer, in: Festschrift Wiedemann, S. 827, 829 f. 28 Beiner/Drobetz/Schmid/Zimmermann, S. 2. 29 Fama/Jensen, Journal of Law and Economics Vol. 26 (1983), S. 301, 306. 30 Die Verwendung von Ressourcen zur Schaffung von Unternehmensverbänden bei Außerachtlassung von Rentabilitätszielen ist ein mögliches Szenario („empire building“), Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 646. Vgl. auch die Beispiele für ver-

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

die Möglichkeit, dass das Management im Rahmen der ihm verliehenen Verfügungsrechte für die Aktionäre nachteilige oder gar verschwenderische Entscheidungen trifft. Zwar sind die Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft und den in ihrem Unternehmen zusammentreffenden Interessen rechtlich verpflichtet31, jedoch verfolgen sie regelmäßig auch opportunistische Ziele, die oftmals nicht in Einklang mit den Interessen der Aktionäre zu bringen sind32. Daneben ist aus Anreizgesichtspunkten regelmäßig das geringe Eigeninteresse an einer guten Unternehmensführung begrenzt, da die wesentlichen (Vermögens-)Effekte von unternehmerischen Entscheidungen (fast) ausschließlich die Prinzipale treffen und schlechte Unternehmensführung so nicht mit finanziellen Einbußen sanktioniert wird33. Ermöglicht wird der Missbrauch nicht allein durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen sondern auch durch die ungleichmäßige Verteilung von unternehmensbezogenen Informationen zwischen den Beteiligten34. Kennzeichnend für die Prinzipal-Agenten-Problematik ist also ein Informationsvorsprung der sog. Unternehmens-Insider gegenüber den Unterschwenderische Maßnahmen bei La Porta/Lope-de-Silianes/Shleifer/Vishny, Journal of Finance Vol. 57 (2002), S. 1147, 1148. 31 Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 14; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12. Hieran knüpft der Streit um die Reichweite des sog. Unternehmensinteresses an, dem die Geschäftsleitung gegenüber verpflichtet ist [siehe unten I. 3. b)]. Zu den weitreichenderen Treuepflichten aus der Perspektive eines treuhänderischen Handels der Geschäftsleitung für die Aktionäre in den USA insbesondere in Verbindung mit einem klägerfreundlichen und ausgeprägten Verfahrensrecht, vgl. Sullivan/ Conlon, Law and Society Review Vol. 31 (1997), S. 713; Miller, Columbia Business Law Review Vol. 51 (1998), S. 63 ff. und passim. Letzterer führt neben den vereinfachten Möglichkeiten einer Prozessstandschaft („derivative action“) vor allem die für Kläger risikoneutralen Erfolgshonorare der Anwälte („contingency fees“) als Vorteile an. Hierzu aus der deutschsprachigen Literatur Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1031 ff., Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 302 ff. m. w. N. auch im Hinblick auf die Neuregelung von Aktionärsklagen vor dem UMAG. 32 Statt vieler Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 646. Zu dem Konzept des „Opportunismus“ vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 93 ff., 144 ff.; Behrens, in: Festschrift Drobnig, S. 491, 493. 33 Fama/Jensen, Journal of Law and Economics, Vol. 26 (1983), S. 301 sehen hierin den Schwerpunkt der aus der Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht resultierenden Konflikte. Um diesem Problem entgegenzuwirken, den Managern einen „Anreiz“ für wohlfahrtsfördernde Entscheidungen im Sinne des Unternehmens zu liefern und zu einem (partiellen) Gleichlauf von Anteilseigner- und Managementinteressen zu erzielen, dienen z. B. Beteiligungsprogramme oder erfolgsabhängige Vergütungsmodelle, Pistor, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 161 f. 34 Grundlegend Fama/Laffer, Journal of Business Vol. 44 (1971), S. 289. Aus US-amerikanischer Sicht handelt es sich bei der ungleichmäßigen Verteilung von Informationen um den Kern des Problems, statt vieler Hansmann/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, S. 21 f.

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nehmens-Outsidern35. Die „Neue Institutionenökonomik“ beschäftigt sich (erstmals) mit dem Phänomen der sog. asymmetrischen Informationen36. In der Weiterentwicklung aus der neoklassischen Wirtschaftstheorie, die von einer vollkommenen Rationalität der Akteure bei gleichzeitiger Möglichkeit zur (kostenlosen) Nutzung aller erforderlichen Informationen ausgeht und so das Problem der Informationsverteilung und -beschaffung nicht kennt37, identifizierte die „Neue Institutionenökonomik“ die Beschaffung von Informationen als Kostenfaktor38. Um die Leistung der Agenten überwachen zu können, müssen sich die Prinzipale die notwendigen Informationen einholen. Ein solches „Monitoring“39 ist mit Aufwendungen verbunden, die mit der Komplexität der Aufgabe und dem Umfang der eingeräumten Entscheidungsspielräume der Agenten wachsen40. Nach dem US-amerikani35 Auch Hoshi, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 848, 849 f. macht Probleme der (unvollständigen) Informationen als Kernfrage von Corporate Governance aus, dehnt diese in seinem Verständnis aber über das Verhältnis der Prinzipal-Agenten-Situation zwischen Anteilseignern und Management aus. Wenn man die ursprüngliche Definition von „insiders“ als Angehörige des Managements und „outsiders“ als Investoren ohne Zugehörigkeit zur Geschäftsleitung (so Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics Vol. 3 (1976), S. 305, dort Fn. 1) im Sinne von La Porta/Lopes-de-Silianes/Shleifer/Vishny, Journal of Finance Vol. 57 (2002), S. 1147; Hansmann/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, S. 21 erweitert, und auch Großaktionäre zu den „insiders“ rechnet, zeichnet sich die Grundlage für ausgeprägte Minderheitenrechte ab, so wie sie z. B. im deutschen Aktienrecht Niederschlag gefunden haben. 36 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht. Grundlegend zur Neuen Institutionenökonomik Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik. 37 Zur Neoklassik und dem Ansatz eines „homo oeconomicus“, „rational choice“ und seiner Kritik, vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217 f. In vereinfachter Form dargestellt, lassen sich drei Grundannahmen ausmachen, auf denen der „rational choice“-Ansatz im Wesentlichen beruht: erstens verfügt ein rational handelnder Akteur über klare Präferenzen. Zweitens richtet er sein Verhalten frei von altruistischen Motiven danach aus, seine Eigeninteressen zu verfolgen und drittens trifft er seine Entscheidungen unter Verfügbarkeit aller Informationen und der für ihn günstigsten Option. Da es als Denkmodell naturgemäß eine gewisse Realitätsferne aufweist, versucht der verhaltensökonomische Ansatz („behavioral finance“) irrationale Verhaltensweisen (z. B. dem auf Kapitalmärkten zu beobachtenden Herdenverhalten) zu integrieren, vgl. Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 58 ff.). Mit diesen Anpassungen geht ein Verlust der Einfachheit dieses Modells einher. Der Ansatz der rationalen Wahl sowie sein Konkurrenzmodell der Verhaltensökonomie (so Shiller, The Financial Review Vol. 41 (2006), S. 1 ff.) werden immer mehr als Einflussfaktor auf die rechtswissenschaftliche Teildisziplin der Rechtssetzungswissenschaft verstanden, um die Realfolgen von Regulierung zu prognostizieren, vgl. Eidenmüller, ZGR 36 (2007), 484, 493; Fleischer, ZGR 36 (2007), 500, 503 f. 38 Eine anschauliche Zusammenfassung der unterschiedlichen ökonomischen Theorien findet sich bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 208 ff. 39 Monitoring bedeutet die Überwachung der Agenten durch die Prinzipale während der Laufzeit ihrer Austauschbeziehung, Kamp/Ricke, BKR 2003, 527, 530.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

schen Verständnis bilden diese Informationsasymmetrien sowie die damit verbundenen Agency-Kosten das Kernproblem von Corporate Governance. Diese Analyse korrespondiert auch mit dem Lösungsansatz des dortigen Kapitalmarktrechts, das – von der sog. „Disclosure Philosophy“ getragen – diese Ungleichverteilung von Informationen mit Offenlegungsverpflichtungen auszugleichen versucht41. dd) Die heterogenen Aktionärsinteressen als Ursachen für ein Kontrolldefizit Unterschiedliche und mitunter disparate Interessen verschiedener Gruppierungen von Shareholdern erschweren eine Kontrolle der Unternehmensleitung. So können beispielsweise aus der in Deutschland oftmals typischen Aktionärsstruktur, gekennzeichnet durch einen oder mehrere Großanleger, weitere Konflikte zwischen den Minderheits- und Mehrheitsgesellschaftern entstehen, die mittelbar auch das Anteilseigner-Management-Verhältnis beeinflussen42. Großaktionärsinteressen müssen nicht zwangsläufig mit den Interessen eines auf Gewinnmaximierung ausgerichteten (Klein-)Anlegers übereinstimmen. Aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse kann die erste Gruppe von Shareholdern einen gewichtigen Einfluss auf die Entscheidungen der Geschäftsleitung nehmen43. Da auch die Interessen innerhalb des 40 Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics Vol. 3 (1976), S. 305–360 geben einen Überblick über die Kosten, die im Zusammenhang mit fremdorganschaftlich geführten Gesellschaften entstehen (sog. Agency Kosten, „agency costs“). Diese drücken sich in Abschlägen auf Aktienkurse und Geschäftsleitergehälter aus, mit denen die Gesellschafter den Gefahren der rationalen Eigensucht der Geschäftsleiter entgegensteuern. Vgl. auch Hansmann/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, S. 22 m. w. N. 41 Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 4. Einzelheiten hierzu siehe unten § 2 I. 1. 42 Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 38; ders., in: Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1015; Hefermehl/Semler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 4.; Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 53; Schmolke, ZGR 36 (2007), 701, 709; Semler/Spindler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 137. Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 16 erblickt in dem Zuwachs institutioneller Investoren sogar eine Veränderung des Privatanlegers vom „Shareholder“ zum „Stakeholder“, da Sonderinteressen dies Investoren erheblichen Einfluss auf Marktentscheide haben. Selbstverständlich ist das Verhältnis zwischen Mehrheits- und Minderheitseignern nicht nur ein deutsches Phänomen. Hansmann/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, S. 17, 22 bezeichnen diesen als weitern Prinzipal-Agenten-Konflikt, wonach sich die Rolle des Prinzipale auf die kontrollierenden Gesellschafter übertragen lässt und die Minderheitsgesellschafter als Agenten gelten. Auch Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, gingen von diesem Unternehmenstypus aus. 43 Busse von Colbe, ZGR 26 (1997), 271, 272; Hopt, in: Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1016 „manchmal ist [das Leitungsorgan] nur noch die Marionette des

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Kreises der Kleinanleger unterschiedlicher Natur sein können und sich ein homogenes Aktionärsinteresse nicht herleiten lässt44, wird die laufende Kontrolle der Geschäftsführung in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt und erfordert so eine strikte Kompetenzverteilung zwischen Aktionären, die in der Hauptversammlung als Organ verfasst sind, und der Verwaltung eines Unternehmens45. Der in Deutschland thematisierte Anlegerschutz ist daher maßgeblich von einem Minderheitenschutz motiviert, wie es etwa die ausgeprägten aktienrechtlichen Vorschriften verdeutlichen: z. B. durch bestimmte Quoren, §§ 179 Abs. 2 S. 1, 182 Abs. 1 S. 1 oder den Treupflichten der Aktionäre untereinander46. ee) Corporate Governance als Programm für die Konfliktlösung Zur Vermeidung von Konflikten, die unmittelbar oder mittelbar aus der Trennung von wirtschaftlichem Eigentum und Verfügungsmacht resultieren, muss ein Ordnungsrahmen geschaffen werden, der die Rechte und Pflichten der Beteiligten unabhängig von ihrer Begründung oder Herleitung festlegt. Aus unternehmenstheoretischer Sicht gilt es, die durch Delegation von Kontrollrechten entstehenden Agency Kosten mit der Aufstellung von Bedingungen, etwa im Wege gesellschaftsrechtsrechtlicher Sorgfalts-, Treue- oder Offenlegungspflichten, zu reduzieren47. Diese Einfluss- und Überwachungsmöglichkeiten der Aktionäre gegenüber der Geschäftsleitung korrespondieren mit der Übernahme von Residualrisiken im Sinne der „PropertyRights“-Theorie48. Welche Möglichkeiten den Akteuren zur Wahrung ihrer Interessen im Wege von in- und externen Corporate Governance-Mechanismen zur Verfügung stehen, werden im zweiten Abschnitt dieses Kapitels [s. unten II.] ausführlich dargestellt. Mehrheitsaktionärs bzw. der Muttergesellschaft“. In Zusammenhang mit dieser Problematik stehen die weitreichenden Instrumente zum Minderheitenschutz im Aktienrecht. Diese können sich aber auch ins Gegenteil verkehren und „räuberische Aktionäre“ begünstigen, hierzu: Lutter, in: Festschrift 40-Jahre Der Betrieb, S. 193 ff. 44 Beispiele für unterschiedliche Aktionärsinteressen finden sich u. a. bei Hefermehl/Semler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 3; ebenso Ekkenga, Anlegerschutz, S. 28. 45 Hefermehl/Semler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 4 f. 46 Merkt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 718 mit Verweis auf die Group of German Experts on Corporate Law, Stellungnahme zum Konsultationspapier der High Level Group of Experts on Corporate Law, Antwort auf Frage 1a, ZIP 2002, S. 1310, die von „Minderheits- und Anlegerschutz“ sprechen. 47 Hopt, in: GroßkommAktG, § 93 Rn. 15; Pistor, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 161. 48 Schmidt, in: Jürgens (Hrsg.), Perspektiven, S. 39; Schmidt/Weiß, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 115.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

Auch aus der Perspektive der Unternehmen als Kapitalnachfrager besteht ein Interesse an einer „optimalen Führung und Überwachung“, um das Vertrauen der Anleger zu gewinnen49. Betrachtet man nämlich die Aktie als Finanzierungsinstrument, so lässt sich fragen, was getan und dem Aktionär geboten werden muss, damit das Unternehmen die benötigten Einlagen von den Geldgebern erhält50. Wenn eine gute Corporate Governance die Risiken der Anleger zu reduzieren vermag, verringert sich die Forderung nach Risikoaufschlägen und senkt so im Gegenschluss die Kosten bei der Eigenkapitalfinanzierung51. Anliegen des DCGK war es daher auch, die Grundsätze der deutschen Corporate Governance insbesondere den ausländischen Investoren nahe zu bringen52, um so die Attraktivität der Unternehmen am Finanzstandort Deutschland im Wettbewerb um das Risikokapital zu verdeutlichen53. b) Die Berücksichtigung von Interessen der übrigen Akteure Eine strenge Agency-Perspektive, wonach die Corporate Governance-Problematik allein auf das Verhältnis zwischen Anteilseignern und Management reduziert wird, ist freilich – vor allem nach dem kontinentaleuropäischen Verständnis54 – eine verkürzte. Neben den Shareholdern lassen sich noch weitere Interessengruppen ausmachen, die von den Entscheidungen 49

Peltzer/v. Werder, AG 2001, 1 f. In Anlehnung an Würdinger, Aktien- und Konzernrecht, S. 13, der diese Aussage jedoch im Hinblick darauf traf, dass man den Aktionär nicht als Eigentümer sehen dürfe, dem man aufgrund dieses Verhältnisses gewisse Rechte zugestehen müsse. 51 Spindler, AG 1998, 53, 58. 52 Vgl. Präambel des DCGK, „Der Kodex soll das deutsche Corporate Governance System transparent und nachvollziehbar machen. Er will das Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften fördern.“ 53 Claussen/Bröcker, DB 2002, 1199, 1200. 54 Vgl. Peltzer/v. Werder, AG 2001, S. 1, 2, 6; Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 648 („dritte Dimension“); eine weitere Sonderrolle nimmt das Corporate Governance System in Japan ein, vgl. hierzu Hoshi, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/ Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 848 ff. Jener verwendet ebenfalls eine weite Definition von Corporate Governance: „Corporate Governance can be defined as the way the management of a firm is influenced by many stakeholders, including owners/shareholders, creditors, managers, employees, suppliers, customers, local residents, and the governement.“, ebda., S. 848. Siehe aber auch Hansmann/ Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, S. 22 als Vertreter der US-amerikanischen Literatur, die Konflikte zwischen dem Unternehmen selbst und den Kunden, Fremdkapitalgebern und Arbeitnehmern auch als Prinzipal-Agenten-Konflikte verstehen. 50

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des Managements abhängen und demzufolge berechtigterweise Interessen geltend machen können55. Damit der Zweck von Corporate Governance nicht jegliche Konturenschärfe zu verlieren droht und der Kreis der Bezugsgruppen nicht ausufert, ist für die Einbeziehung dieser Personen jedoch Voraussetzung, dass sie eine Investition leisten, die zum Unternehmenserfolg beiträgt56. Durch ihre Beziehung zum Unternehmen sind die verschiedenen Akteure – um mit der wirtschaftswissenschaftlichen Terminologie zu sprechen – aufgrund „unvollständiger Verträge“ Wohlfahrtsverlusten durch Ausübung von Opportunismusoptionen ausgesetzt57. Da für diese Personen etwas auf dem Spiel steht („to have something at stake“), sie im Rahmen ihrer Investition etwas zu verlieren selbstverständlich aber auch etwas zu gewinnen haben, werden sie im Sinne der englischen Wortbedeutung als Stakeholder bezeichnet. Zu dieser Gruppe gehören zunächst die Anteilseigner als Shareholder und Stakeholder zugleich, deren aus dem PrinzipalAgenten-Konflikt entstammenden besonderen Risiken zuvor dargestellt worden sind58. Aber auch andere Akteure, wie etwa Fremdkapitalgeber, Arbeitnehmer, das Management selbst, der Staat, Lieferanten, sowie Kunden leisten in der Regel einen bestimmten oder bestimmbaren Beitrag für den Unternehmenserfolg und sind im Gegenzug von Unternehmensentscheidungen und dem Gedeihen des Unternehmens betroffen59. Die Größe des Risikos einer jeden „Investition“ hängt davon ab, inwieweit die Beiträge der jeweiligen Beteiligten „spezifisch“ und auf das Unternehmen ausgerichtet sind60. Je individueller die Leistung auf einen Nachfrager zugeschnitten wird, desto schwie55

Zur Debatte um „Shareholder Value“ und die Auslegung des Begriffs „Unternehmensinteresse“, an dessen Auslegung festgemacht wird, wessen Interessen die Unternehmensleitung bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen hat, siehe unten 3. 56 Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 648, der ansonsten die Gefahr sieht, die Geschäftsleitung könne sich beim Versuch, schlechte Leistungen zu rechtfertigen, auf die Berücksichtigung von Stakeholderinteressen verweisen; ebenso: Hopt, ZGR 29 (2000), 779, 799. 57 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 9; zu der Theorie der unvollständigen Verträge siehe oben aa). 58 Um bei der Gegenüberstellung auf umständliche Formulierungen zu verzichten, wird im Weiteren der Begriff Stakeholder als Gegenstück zu dem Begriff Shareholder verstanden und nur solche Stakeholder darunter gefasst, die nicht zugleich Shareholder sind. Sofern beide Gruppen unter einen Oberbegriff gefasst werden, findet „Stakeholder im weiteren Sinne“ Verwendung. 59 Aufzählung im Sinne von v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 9; Hoshi, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 848; Schmidt/Weiß, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 111. 60 Vgl. zum Konzept der spezifischen Investitionen grundlegend Williamson, Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus.

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riger erweist sich eine Abwanderung mit diesem Angebot. An einem Beispiel lässt sich dies verdeutlichen: Einem Arbeitnehmer, der seine Arbeitskraft im Wege von Fortbildungen und speziellem Know-how auf ein Unternehmen ausrichtet, wird ein späterer Arbeitsplatzwechsel zu einem anderen Arbeitgeber unverhältnismäßig schwer fallen. Seine Investition „Arbeitskraft“ und die Rendite in Form des Lohnes stehen in besonderer Abhängigkeit zu den unternehmerischen Entscheidungen des Managements. Aber auch die Unternehmen auf der Gegenseite haben ein gesteigertes Interesse daran, qualifizierte Arbeitnehmer für sich zu gewinnen und zu binden, so dass ein Arbeitsplatzwechsel mit unerwünschten Konsequenzen für den Arbeitgeber verbunden sein kann61. Mit weitreichenden Folgen für das Unternehmen und seine Stakeholder ist beispielsweise auch die Kündigung von wesentlichen Kreditlinien durch Banken verbunden, die geeignet sind, bereits bestehende finanzielle Schwierigkeiten zu verstärken oder gar eine Zahlungsunfähigkeit herbeizuführen. Solche, mitunter umkehrbare Abhängigkeitsverhältnisse zwischen dem Unternehmen und den verschiedenen Stakeholdergruppen charakterisieren eine beliebige Zahl von denkbaren Fallkonstellationen im Umfeld einer Kapitalgesellschaft, die es rechtfertigen, die Betroffenen im Rahmen von Corporate Governance zu berücksichtigen. In gewissem Umfang lassen sich die oben entwickelten Grundsätze zur Prinzipal-Agenten-Theorie62 auf alle Rechtsverhältnisse, in denen das Wohlergehen einer Vertragspartei von den Handlungen seines Vertragspartners abhängt, und somit auch auf die Beziehungen der Stakeholder zum Unternehmen im weiteren Sinne übertragen63. Je mehr die Fremdkapitalgeber vergleichbaren Residualrisiken ausgesetzt werden, verstärkt sich die Berechtigung, in das Koordinatensystem von Corporate Governance einbezogen zu werden64. c) Zwischenfazit Die vorstehende Darstellung hat gezeigt, dass nicht nur aus Perspektive der Stakeholder berechtigte Interessen an der Unternehmensführung beste61 Schon Hegel, Phänomenologie des Geistes, Herrschaft und Knechtschaft, S. 123 ff. erkannte diese Umkehrbarkeit von Abhängigkeitsverhältnissen, wie etwa jene zwischen Dienern und ihren Herren. 62 Siehe oben 2. a) aa). 63 Hoshi, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 848, 853 ff.; dies ist freilich nicht unumstritten, daher kritisch: Wiedemann, ZGR 35 (2006), 240, 244 f. 64 Zu den besonderen Risiken für Versicherungsnehmer und Einleger bei den überwiegend auf Fremdkapitalisierung basierten Finanzierungsstruktur von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten, siehe unten Teil 2.

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hen, sondern auch das Unternehmen selbst seine Strategien an den Bedürfnissen aller Bezugsgruppen ausrichten muss. Die Grundlage für langfristig erfolgreiches Wirtschaften liegt darin, nicht nur die Eigenkapitalgeber sondern auch die übrigen wirtschaftlichen Leistungsträger zufrieden zu stellen65. Mit der Frage, ob die Berücksichtigung dieser Interessen dem Marktentscheid überlassen oder zum Gegenstand eines zwingenden Rahmens von Corporate Governance werden soll, setzt sich der folgende Abschnitt im Kontext der ökonomisch geprägten Diskussion um eine Präferierung der Shareholder Value auseinander. 3. Die Bedeutung der Debatte um Shareholder Value und um das „Unternehmensinteresse“ für die vorliegende Arbeit Mit der Herleitung von berechtigten Interessen dieser Stakeholder ist aber noch nicht die Frage beantwortet, welche Instrumente zur ihrer Sicherung zum Tragen kommen sollen. Zu denken ist dabei an eine Gewährleistung im Rahmen von Teilhaberechten oder Einflussmöglichkeiten auf die Unternehmensorganisation, -leitung bzw. -kontrolle als Gegenleistung für das übernommene Risiko der übrigen Stakeholder oder aber eine Wahrung ihrer Interessen durch ein Spiel der Marktkräfte66. Auch im angloamerikanischen Rechtskreis, dessen Corporate Governance bekanntermaßen überwiegend oder ausschließlich an Shareholderinteressen ausgerichtet ist, finden die Interessen von Stakeholdern als solche Anerkennung, die aber im Gegensatz zu den kontinentaleuropäischen Systemen regelmäßig nicht durch Corporate Governance i. e. S., also durch die Einräumung von Überwachungsrechten, gesichert werden67.

65 Vgl. hierzu OECD Principles of Corporate Governance, Teil 2, IV; These 8 der „Berliner Thesen zur Corporate Governance“ (= AG 2001, S. 6, 14, DB 2000, S. 1573, 1581). Rappaport, Shareholder Value, S. 13; Bea/Haas, Strategisches Management, S. 85, i. d. S. auch Schmidt/Weiß, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 114. Wie die vorstehenden Quellen zeigen, erkennen auch die Vertreter eines Shareholder Value-Ansatzes die Befriedigung aller Anspruchsgruppen als notwendige Voraussetzung für den Unternehmenserfolg an. Die Wahrung von Stakeholderinteressen wird als eigenes Ziel formuliert und – so die Theorie – zur Erreichung von Unternehmenswertmaximierung erreicht; vgl. Busse von Colbe, ZGR 26 (1997), 271, 272 und sogleich mehr. 66 von der Crone/Beyeler/Dédeyan, ZSR 2003, S. 409, 456. 67 Schmidt, in: Jürgens (Hrsg.), Perspektiven, S. 34. Hier exemplarisch den gesetzlichen, bilanziellen Gläubigerschutz in Deutschland und die Vertragspraxis der sog. Financial Covenants in den USA, vgl. Hopt, in: Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1018 f. Mehr zu den Corporate Governance Systemen in Kapitel 2.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

a) Die Shareholder Value-Theorie Die den Wirtschaftswissenschaften entstammende Shareholder ValueTheorie geht davon aus, dass die Unternehmensleitung, auch wenn sie formal nur ihren Aktionären gegenüber verpflichtet ist, die Interessen aller Stakeholder zwangsläufig berücksichtigen muss, um einen langfristigen Unternehmenserfolg zu erzielen68. Sollte dies zutreffen, könnte eine rechtliche Verpflichtung der Unternehmensleitung an den Stakeholderinteressen unterbleiben und im Gegenzug wäre eine bevorzugte oder alleinige Ausrichtung der Unternehmensziele an den Bedürfnissen ihrer Anteilseigner statthaft. Diese These belegt mit betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen, dass Wohlfahrtsgewinne für alle Interessengruppen zu erwarten sind, wenn eine Maximierung des Unternehmenswertes als Ziel definiert wird69. Langfristig gesehen drohe einem Unternehmen die Verdrängung vom Markt – so die Theorie –, wenn es ihm nicht gelingt, die Bedürfnisse seiner Akteure zu befriedigen. Die Interessen der Stakeholder würden somit reflexartig gewahrt. Dem halten Vertreter eines Stakeholder-Ansatzes entgegen, dass die Machtpositionen der Stakeholder in diesem System nur schwach ausgebildet sind und so ihre Interessen nicht in hinreichendem Maße über Marktmechanismen gewährleistet werden können. Insbesondere sei eine Benachteiligung der übrigen Stakeholder wie z. B. der Arbeitnehmer zu befürchten, wenn die Erreichung kurzfristiger Unternehmenswertmaximierung angestrebt wird, und das mit negativen Konsequenzen für einen langfristigen Erfolg einhergeht70. Insbesondere die bestehenden Informationsasymmetrien können zu einem Marktversagen führen. b) Die Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse Der deutsche Gesetzgeber ist offensichtlich von dem Gedanken geleitet, dass es zu einem Marktversagen kommen würde und dass Selbstregulierungskräfte des Marktes die Stakeholderinteressen nicht hinreichend berücksichtigen können. Denn deshalb hat er sich für eine Regulierung durch zwingende Vorschriften entschieden71. Die in Deutschland vorherrschende inte68

Busse von Colbe, ZGR 26 (1997), 271, 272 f., 290; Mülbert, ZGR 26 (1997), 129 ff.; ders., in: Festschrift für Röhricht, 2005, S. 421, 424 ff. 69 Busse von Colbe, ZGR 26 (1997) 271, 273. 70 Von dieser Befürchtung geht wohl auch der DCGK aus, wenn er mehrfach auf den langfristigen Erfolg als Unternehmensmaxime rekurriert, z. B. Ziffer 4.2.3 u. 5.4.7. 71 Hackethal/Schmidt/Tyrell, Corporate Governance Vol. 13 (2005), S. 398. Als Beispiel für eine solche Regelung kann § 76 Abs. 1 AktG gelten, vgl. Begr. RegE zum AktG 1965, abgedr. bei Kropff, § 76, S. 97 f.; Hopt, in: Hopt/Kanda/Roe/

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ressenpluralistische Sichtweise lässt sich in seinen Wurzeln bereits auf die Vorstellung Walter Rathenaus72 vom „Unternehmen an sich“ zurückführen und setzt sich in der Auslegung des Begriffes „Unternehmensinteresse“ fort. Dieses dient zur Begrenzung der in §§ 76, 116 AktG angelegten Ermessenspielräume von Vorstand und Aufsichtsrat73. Strittig ist dabei, ob die Verwaltung zum Handeln im Sinne der Aktionäre oder aber zum Ausgleich der übrigen Bezugsgruppen verpflichtet ist. Die h. M. lässt zumindest eine vornehmliche Ausrichtung an Aktionärsinteressen zu, lehnt aber eine ausschließliche Berücksichtigung dieser ab74. Vielmehr ließen sich das Recht und zugleich die Pflicht des Vorstandes ableiten, die unterschiedlichen Interessen gegeneinander abzuwägen (praktische Konkordanz)75. Eine im Vordringen befindliche Meinung, die sich maßgeblich auf die dargestellten ökonomischen Erkenntnisse stützt, spricht sich jedoch zumindest für eine vorrangige Behandlung der Shareholderinteressen aus76. Obwohl diese Gründe für ein Umdenken ernsthaft berücksichtigt werden müssen77 und auch der Gesetzgeber seine jüngeren Aktivitäten mit dem Konzept wertorientierter Unternehmensführung immer mehr in Verbindung gebracht hat78, sind weiterhin die normativen Vorgaben des geltenden Rechts zu beachten. De lege lata wird die Geschäftsleitung verpflichtet, den Stakeholderinteressen eine gewichtige Abwägungsrelevanz beizumessen. Deshalb räumt auch die Gegenansicht ein, Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 237; Semler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 53. Unter anderem wird die Vorschrift des § 70 Abs. 1 AktG 1937 bemüht, die eine Gemeinwohlklausel i. S. eines vorrangigen Interesses der Allgemeinheit enthielt, aber seit der Aktienrechtsnovelle von 1965 nicht mehr Bestandteil des geltenden Aktienrechts ist (vgl. nur Rittner, AG 1973, 113). Seine Fortgeltung wird jedoch weiterhin vereinzelt behauptet, siehe Mertens, in: KölnKommAktG, § 76 Rn. 16; ders., NJW 1970, 1718, 1719. 72 Rathenau, Aktienwesen. 73 Semler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 26. 74 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 13, 15 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 1a. 75 Hopt, ZGR 22 (1993), 534, 536; ders., ZGR 31 (2002), 333, 360; Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 64. 76 Mülbert, ZGR 26 (1997), 129 ff.; Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 135. Semler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 68. Als nachteilig wird die Möglichkeit der Geschäftsleitung verstanden, ihren Ermessensspielraum zum Wohle der Stakeholder (missbräuchlich) auszuweiten, vgl. Kübler, in: Festschrift Zöllner, Band I, S. 321, 334. 77 Vgl. die Argumente bei Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 133 ff. 78 Vgl. zur vereinfachten Möglichkeit des Rückerwerbs eigener Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG) Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 13 und zur Einräumung von Aktienoptionen für die Leitungsebene (§ 192 Abs. 2 Nr. 5 AktG) Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 23. Zum Einzug des Shareholder Value-Gedankens mit dem KonTraG allgemein, siehe Semler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 64.

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dass sich hier ein Streit akademischer Natur entfachen ließe, die praktische Relevanz dieses Streits aber aufgrund der Vielzahl von der Geschäftsleitung zu beachtenden interessenpluralistischen Vorschriften entfiele79. c) Die Konsequenzen für die weitere Untersuchung Hier soll daher kein weiterer Beitrag zur Debatte um Shareholder Value oder eine stake- bzw. shareholderorientierte Ausrichtung der Corporate Governance entstehen. In dem vorstehenden Abschnitt wurde gezeigt, dass die Wahrung von Stakeholderinteressen sehr wohl einen berechtigten Bestandteil einer guten Unternehmensführung darstellt. Auch wenn die Zuordnung von Entscheidungs- und Überwachungsrechten auch an Stakeholdergruppen eine deutsche bzw. kontinentaleuropäische Besonderheit geblieben ist und von den meisten ökonomischen Theorien mit Skepsis betrachtet wird80, drängt sich eine Ausklammerung der Beteiligung jener nicht zwingend auf. Vielmehr könnte die Verleihung einer aktiven Rolle auch Garant für den Unternehmenserfolg sein81. Offensichtlich gehen die Normgeber in stakeholderorientierten Systemen von dieser Prämisse aus. Abstrakt von den tatsächlichen Gegebenheiten lassen sich die Fragen nach Share- oder Stakeholderorientierung aus rechtswissenschaftlicher Sicht nicht beantworten. Zu enge Grenzen steckt das historisch gewachsene, geltende Recht. In § 2 dieser Arbeit, der sich mit den unterschiedlichen existierenden Corporate Governance-Systemen und -Prinzipen auseinandersetzt, werden die nationalen Besonderheiten aufgezeigt, die sich aufgrund historischer und kultureller Umstände entwickelt haben. Vieles davon – und so auch die Stakeholderorientierung in Deutschland und im übrigen Kontinentaleuropa – muss bei einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung als gegeben hingenommen werden82. In Deutschland ist Corporate Governance, sei es durch das Aktienrecht selbst, den bilanzrechtlich flankierten Gläubigerschutz oder aber durch das Mitbestimmungsrecht83, zweifellos stakeholderorientiert. In wel79 Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 137 bezugnehmend auf Hopt, ZGR 29 (2000), 779, 799; ders., in: Doralt, Kalss, Corporate Governance, S. 4, 5. 80 Vgl. die Übersicht bei Schmidt/Weiß, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 117; siehe auch die Analyse für den Teilaspekt der Mitbestimmung Pistor, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 161 ff. 81 Schmidt/Weiß, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 118. 82 Vgl. auch die Gedanken an eine Systemhaftigkeit von Corporate Governance Systemen, die unter anderem in Abhängigkeit zu den unterschiedlichen existierenden Finanzsystemen stehen, Schmidt, in: Jürgens (Hrsg.), Perspektiven, S. 31 und passim. 83 Grundlagen für die Arbeitnehmermitbestimmung bilden das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September

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chem Umfang sie einen interessenpluralistischen Ansatz de lege lata verfolgt, welche Ursachen hierfür verantwortlich gemacht werden können und welche Tendenzen sich in der jüngeren Gesetzgebung ausmachen lassen, die möglicherweise eine Annäherung an das als Alternativmodell beschriebene US-amerikanische Corporate Governance-Modell bedeuten, wird Gegenstand von § 2 sein. Nicht außer Acht gelassen wird jedoch das Zusammenwachsen der globalen Finanzmärkte, das eine (Neu-)Justierung deutscher Corporate Governance-Grundsätze an den Bedürfnissen von Investoren zur Folge hat, um im Wettbewerb um Unternehmenskapital Schritthalten zu können. Die in jüngster Zeit zu beobachtender Konvergenzerscheinungen geben hiervon ein gutes Zeugnis84. d) Die besondere Berücksichtigung von Regelungszielen der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht Ebenso lässt der hier gewählte Untersuchungsansatz, den Beitrag des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts für die gute Unternehmensführung zu erforschen, eine solche Diskussion nur in geringem Umfang zu. Mit dem Wirtschaftsaufsichtsrecht widmet man sich vielmehr einer Materie, die sich ihrem Regelungszweck gemäß nicht primär an Zielen von Corporate Governance im herkömmlichen Sinne, sondern am Schutz der Verbraucher bzw. der Funktionsfähigkeit des beaufsichtigten Gewerbezweiges orientiert85. „Tatsächlich“, so der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, „haben Banken nicht nur ihren Anteilseignern, sondern zusätzlich auch ihren Einlegern gegenüber Verantwortung“86. Demgegenüber kritisiert Peter O. Mülbert aus einer strengen Shareholderperspektive, die Funktionen von Corporate Governance auf Einleger- bzw. Gläubigerinteressen zu erweitern 2001, BGBl. I S. 2518; das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG) vom 4. Mai 1976, BGBl. I S. 1153 sowie das Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbG) vom 18. Mai 2004, BGBl. I, S. 974. 84 Hierzu aus der neueren Literatur siehe Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1; Merkt, AG 2003, 126; Fleischer, ZIP 2006, 451. 85 Einzelheiten hierzu siehe unten § 2 I. 3., III. 1. b), § 4. Die Gewichtung dieser beiden Ziele ist, vor allem vor dem Hintergrund einer durch Individualschutz möglicherweise begründeten Staatshaftung, umstritten, vgl. hierzu die Untersuchung von Niethammer, Ziele der Bankenaufsicht. Auch Merkt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 726 deutet an, dass sich der Kreis der Schutzinteressen im Rahmen staatlicher Aufsicht erweitert. Zwischen den aufsichtsrechtlichen Zielen des Markt- bzw. Funktionenschutzes und den auch im Aktienrecht anerkannten öffentlichen Schutzinteressen bestünde aber eine gewisse Kongruenz. 86 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Unternehmensführung in Banken, Rn. 8.

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und die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht in das Koordinatensystem von guter Unternehmensführung einzuordnen87. Diese Interessen seien allenfalls als Reflex zu berücksichtigen. Ebenso wird die eigenständige Stakeholderposition von Aufsichtsbehörden, so wie sie der Basler Ausschuss betont, angegriffen88. Sicherlich muss man das Bestehen selbstständiger Interessen einer Behörde nach einem modernen Staatsverständnis verneinen. Jedoch ist zu beachten, dass sich sehr wohl ein öffentliches Interesse an der Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes identifizieren lässt. Sofern man die dahingehende Formulierung des Basler Ausschusses nicht in diesem Sinne interpretiert, ist sie schlichtweg nicht haltbar. Dem Staat hingegen kommt als Träger gesamtwirtschaftlicher Interessen innerhalb eines weiten Verständnisses von Corporate Governance die Stellung als Stakeholder zu. Ob und inwieweit die staatliche Beaufsichtigung und deren normative Anforderungen Auswirkungen auf die gute Unternehmensführung der Finanzdienstleistungsunternehmen im Allgemeinen und auf das Verhältnis zu den Bezugsgruppen im Besonderen, wie etwa die bedeutsame Einbeziehung von den Eigenkapitalgebern, hat, bedarf allerdings einer näheren Untersuchung89.

II. Die Steuerungselemente innerhalb eines Corporate Governance-Systems Um die oben beschriebenen Konflikte zu vermeiden bzw. um sie zu lösen und die verschiedenen Interessen in Einklang zu bringen, kommen in einem System der Unternehmenskontrolle und überwachung verschiedene Bausteine zum Tragen90. Durch das Zusammenspiel einzelner Regulierungselemente, die sich entweder auf das Innenverhältnis des Unternehmens – man spricht in diesem Zusammenhang von interner Corporate Governance bzw. 87

Mülbert, BKR 2006, 349, 355. Mülbert, BKR 2006, 349, 359; Kirschbaum, BKR 2006, 139, 140; Große/ Boos, WM 2006, 1177, 1179, 1182 f. die ausdrücklich davon sprechen, dass Corporate Governance nicht zu den Aufgaben der Bankenaufsicht gehört. Siehe auch Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 6 Rn. 48; Dreher, WM 1995, 509, 510, welche die Setzung von eigenen Aufsichtsstandards durch die Behörde selbst verneinen, a. A. Hohlfeld, in: Festschrift Lorenz, S. 295, 298. 89 Siehe hierzu ausführlich Teil 2. Den Einfluss der Wirtschaftsaufsicht auf das Beziehungsgefüge zwischen Unternehmen, seinen Leitungs- und Aufsichtsorganen, und den Anteilseignern bzw. übrigen Bezugsgruppen als Gegenstand von Corporate Governance aufgrund der besonderen Zielsetzung des Aufsichtsrechts per se zu verneinen, wird den strukturellen Einwirkungsbereichen der normativen Vorgaben jedenfalls nicht gerecht. 90 Vgl. Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 34; ders., in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 29–34. 88

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auch Insider-Kontrollsystem – oder aber auf das Verhältnis des Unternehmens zu den Marktteilnehmern – sog. externe Corporate Governance bzw. Outsider-Kontrollsystem – beziehen können, entsteht ein Ordnungsrahmen, der auf die innere Struktur des Unternehmens im Hinblick auf Organisation und Machtverteilung, die Rechte und Pflichten der Entscheidungsträger und die Überwachungsmöglichkeiten und letztlich auch auf die Beziehung der Stakeholdergruppen zueinander einwirkt91. Um das Zusammenspiel der Steuerungselemente zu verstehen, ist eine Darstellung der Funktionsweisen von Insider- und Outsiderkontrollsystemen notwendig [s. unten 1. und 2.]. Eine besondere Rolle nimmt die Offenlegung von Unternehmensdaten ein und beansprucht eine eigenständige Funktion innerhalb der Kontrollsysteme [s. unten 3.]. Eine weitere Unterteilung lässt sich dahingehend vornehmen, ob die Überwachung der Unternehmensleitung durch das Wirken von Marktkräften – also faktisch – oder aber durch Regulierung im Sinne von materiellrechtlichen Regeln erfolgt. Naturgemäß kommt diesen tatsächlichen Elementen bei Outsider-Kontrollsystemen eine besondere Bedeutung zu. Nicht zu verkennen ist dabei allerdings, dass auch die faktischen Elemente von Corporate Governance vielfach eines rechtlichen Ordnungsrahmens bedürfen, um ihre Wirksamkeit überhaupt entfalten zu können. Die Lösungsansätze „Recht“ und „Markt“ stehen demnach nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Wie in allen Bereichen sind staatliche Markteingriffe (z. B. in Form von Rechtsetzung) gerechtfertigt, aber dann auch geboten, wenn der Markt aufgrund eines Versagens nicht in der Lage ist, effizientere Lösungen hervorzubringen92. Unter der Annahme, dass Marktmechanismen grundsätzlich gegenüber staatlichen Eingriffen vorzugswürdig sind, da sie die unternehmerische Eigeninitiative am Besten berücksichtigen93, erfordert dies eine besonders kritische Auseinandersetzung mit der Intensität hoheitlicher Regulierung. An dieser Stelle steht nicht nur die klassische Diskussion um materielle Ge- und Verbote gegenüber schonenderen, marktverträglichen Offenlegungsvorschriften94, sondern auch die Frage nach der richtigen Re91

Hopt, ZGR 29 (2000), 779, 782, Hopt/Prigge, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. V.; Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 646 ff. 92 Vgl. zu den typischen Formen des Marktversagens in Gestalt der öffentlichen Güter, natürlicher Monopole, externer Effekte, asymmetrischer Informationen und dem Phänomen des „moral hazard“ Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Vosskuhle (Hrsg.), GVwR I, § 19 Rn. 17; Kluth, ZHR 162 (1998), 657, 661 dort Fn. 16. 93 Kritisch Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), GVwR I, § 19 Rn. 21. 94 Vgl. hierzu Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 36.

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gulierungsebene – etwa durch die zwingenden Vorschriften von formellem Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht oder aber die flexiblere Lösung durch untergesetzliche Verhaltensvorschriften95. Flexibilität in diesem Zusammenhang drückt sich in zweifacher Hinsicht aus: Zum einen bedeutet es für den jeweiligen Normgeber, rascher auf Veränderungen der tatsächlichen Rahmenbedingungen reagieren zu können und zum anderen die Möglichkeit der Rechtsunterworfenen, dem entsprechenden Verhaltensmaßstab zu folgen oder aber nicht, wobei den Adressaten offen zu legen ist, aus welchen Gründen er davon absieht96. Die Wirksamkeit beider Kontrollsysteme hängt nicht allein deshalb maßgeblich von der Ausgestaltung ihrer rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Unter anderem sind die fortwährenden Novellierungen des Aktien- und Finanzmarktrechts sowie die Schaffung von untergesetzlichen Kodices Ausdruck eines ständigen Reformbestrebens der entsprechend zuständigen Normgeber, um auf den sich vollziehenden Wandel der Unternehmens- und Marktstrukturen zu reagieren, die Finanzstandorte zu stärken und so bestmöglichen Voraussetzungen für die Bereitstellung von (Risiko-)Kapital zu gestalten97. 1. Die interne Corporate Governance Grob skizziert zählen solche Instrumente zur internen Corporate Governance, die die Kompetenzen zwischen den Akteuren innerhalb des Unternehmens zuordnen98. Einem klassisch verbandsrechtlichen Ansatz folgend ist die interne Corporate Governance demnach auf das Beziehungsgeflecht und Zusammenwirken der Unternehmensorgane gerichtet. Zu den Beteiligten zählen auf der einen Seite die Aktionäre, die über das Organ der Hauptversammlung verfasst sind und auf der anderen Seite die Verwaltung der Gesellschaft, auf welche die Aufgaben der Unternehmensleitung bzw. Überwachung von den Aktionären übertragen worden sind. Einer Zweiteilung der Verwaltung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat (two-tier-System) in 95

Man beobachte in diesem Zusammenhang eine immer mehr voranschreitende Differenzierung des Aktienrechts für kapitalmarktnahe bzw. börsennotierte und kapitalmarktferne Aktiengesellschaften durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts und das KonTraG. 96 Zur Wirkungsweise der Kodices und dem Prinzips „Comply or disclose“, vgl. Körner, NZG 2004, 1148, unten § 2 IV. 1. 97 Begr. RegE zum 4. Finanzmarkförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 62; Begr. RegE zum Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts – UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 10; DCGK, Präambel. 98 Hopt, ZGR 29 (2000), 779, 782; Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 647 („Unternehmensverfassung“).

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der deutschen Aktiengesellschaft steht das one-tier-System gegenüber, in welchem nur ein Verwaltungsorgan (board) die Aufgaben der Leitung und Überwachung ausübt99. Die Verteilung von Informations-, Entscheidungsund Überwachungsrechten soll die beschriebenen Opportunismusoptionen100 der Beteiligten beschränken und ihnen die Gelegenheit zur Wahrnehmung ihrer Interessen geben (checks and balances). Aus dieser Sicht geht es um diejenigen rechtlichen Organisationsregeln, die bestmöglich sicherstellen, dass sämtliche Organe einer Gesellschaft dem Unternehmensinteresse zur Durchsetzung verhelfen101. Gegenüber dem notwendigerweise weiten Ermessenspielraum der Geschäftsleitung, der nur so die erwünschte unternehmerische Initiative und Risikobereitschaft ermöglicht, stellt die Kontrolle derselben ein Korrektiv dar, um den Missbrauch der Befugnisse sowie verschwenderisches Verhalten zu verhindern. Die Grundlage für ein Insider-Kontrollsystem bildet die in der Gesellschaftssatzung verankerte innere Struktur der Gesellschaft, charakterisiert durch die Regelung von Rechten und Pflichten ihrer Organe102. Die Aktionäre als wirtschaftliche Eigentümer üben die Satzungshoheit aus und haben ihre Entscheidungsbefugnisse aus Zweckmäßigkeitsgründen auf die für sie handelnden „Agenten“ ex ante übertragen. Wie weit der Kreis der „Unternehmensinternen“ darüber hinaus gezogen wird, hängt ganz von der Verteilung der Überwachungs- und Entscheidungsrechte ab. Sicherlich sind die Grundsätze der Arbeitnehmermitbestimmung in Deutschland, die dazu führt, dass Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat entsendet werden und diese unmittelbar dort Aufgaben der Interessenvertretung wahrnehmen, im internationalen Vergleich als Ausnahme zu sehen. Weitere Charakteristika des deutschen Aktienrechts sind die engen Grenzen für die Privatautonomie der Satzungsgeber, die in Gestalt der Satzungsstrenge (vgl. § 23 Abs. 5 AktG) nur einen geringen Spielraum für eine individuelle Ausgestaltung der verbandsrechtlichen Verfassung belässt103. Für die Bedeutung des Corporate Governance-Systems in Deutschland spielt das zwingende, also nicht zur Disposition der Beteiligten stehende Aktienrecht bzw. -gesetz daher 99 Einzelheiten hierzu und zu den unterschiedlichen Corporate Governance Modellen in der Praxis, siehe unten § 2. 100 Siehe oben 2. a) cc). 101 Claussen/Bröcker, DB 2002, 1199. 102 Schwarz/Holland, ZIP 2002, 1661, 1664; Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 30; Feddersen/Hommelhoff/Schneider, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 1. 103 Vgl. hierzu Hommelhoff/Schwab, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 53; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 9 Rn. 19 ff. Zum Prinzip der Satzungsstrenge und dem nur geringen Gestaltungsspielraum von Satzungen im deutschen Aktienrecht, siehe unten § 2 IV.

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eine herausragende Rolle. Weitere Besonderheiten, wie etwa der Einfluss von (Groß)Banken auf die Unternehmensüberwachung werden in § 2 vertieft. Die Übertragung von Entscheidungsrechten an die Unternehmensorgane wird durch ein internes Haftungsregime flankiert, welches bei pflichtwidrigem Verhalten und Verletzung von Sorgfaltspflichten eine persönliche Haftung nach sich zieht und so ein negatives Anreizsystem ex post bildet. Auch dabei muss der Geschäftsleitung ein Ermessenspielraum für unternehmerische Entscheidungen (sog. business judgement104) verbleiben, die frei von der gerichtlichen Überprüfung ist, denn sonst droht die Lähmung von erwünschtem Initiativverhalten und dem für die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens erforderlichen Maß an Risikobereitschaft105. Die Konsequenzen eines Haftungsanspruches werden regelmäßig durch sog. „D&O-Versicherungen“ (Directors’ and Officers’ Liability) abgefedert, die in Fällen von berechtigten Ersatzansprüchen gegenüber Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern für Vermögensschaden einstehen106. Um nicht die Tauglichkeit als Anreizsystem und verhaltenslenkendes Präventivmittel gänzlich zu verlieren, wird u. a. ein angemessener Selbstbehalt für die Organmitglieder gefordert107. Demgegenüber bilden Beteiligungsprogramme als Vergütungsbestandteile positive Anreizsysteme für die obere Leitungsebene, um die Entlohnung an die wirtschaftlichen Erfolge des Unterneh104 Zur „business judgement rule“ im US-amerikanischen Recht vgl. statt aller Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 852 ff., Block/Barton/Radin, The Business Judgement Rule, S. 1 ff., 1379 ff. und passim. Zur Interpretation des § 93 Abs. 2 AktG vor dem Hintergrund dieser Grundsätze, BGHZ 135, 244, 253 f. = NJW 1997, 1926 (ARAG/Garmenbeck). Nach Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG durch Art. 1 Nr. 1 UMAG gilt diese Rechtsprechung als kodifiziert, Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14, Rn. 74 f.; Fleischer, ZIP 2004, 685; ders., in: Festschrift Wiedemann, S. 827 ff.; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 163. 105 Vgl. zur Rolle der Haftung im System der Corporate Governance Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 36 f. 106 Zur Haftpflichtversicherung für Vorstände und Aufsichtsräte siehe Kästner, AG 2000, 113, 115; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 297 ff.; Schillinger, VersR 2005, 1484–1492; Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland; Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 91 ff.; Hopt, in: GroßkommAktG, § 93 Rn. 518 f. 107 Vgl. Ziffer 3.8 DCGK; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 75. Gestritten wird darüber, was unter einem „angemessenen Selbstbehalt“ zu verstehen ist. Die Forderungen variieren zwischen 25% und 100% eines Jahresfestgehaltes, siehe hierzu Baumann, VersR 2006, 455, 463 f.; Dreher/ Görner, ZIP 2003, 2321, 2327; Mutter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 22 Rn. 114. Darüber hinaus wird die verhaltenssteuernde Wirkung durch den Ausschluss von Vorsatztaten und Prämienanpassungen gewährleistet. Typische Versicherungsbedingungen finden sich abgedruckt bei Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 339 ff., 348 ff. Hierzu Lutter, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 1 Rn. 18.

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mens zu koppeln und die Interessen von Management und Aktionären zur Deckung zu bringen108. Diese Programme haben bereits eine längere Tradition im amerikanischen Rechtskreis und sind dort als Corporate Governance-Instrumente etabliert109. Deren Ausgestaltung ist denkbar vielfältig, z. B. in Form von „echten“ Aktien oder Aktienoptionen bzw. auch als „virtuelle“ Programme (sog. Stock Appreciation Rights oder Phantom Stocks)110. Unabhängig davon greifen die meisten großen deutschen Unternehmen auf diese Form als Vergütungsbestandteil zurück111. Freilich sind Beteiligungsprogramme nicht gänzlich aus Anreizgesichtspunkten unproblematisch und daher auch nicht ohne Kritik geblieben112. Insbesondere könnte es dazu führen, dass das Management durch eine eigennützige Ausrichtung an einem kurzfristigen Unternehmenserfolg Kurssteigerungen erzielt, die möglicherweise dem langfristigen Unternehmenserfolg abträglich sind. Erfolgsabhängige Vergütungsmodelle und ihre falsche Anreizwirkung werden wegen der Orientierung an Messgrößen wie etwa dem Ertrag oder der Eigenkapitalrendite als mitursächlich für die aktuelle Finanzmarktkrise gesehen. In diesen Modellen wurde nicht hinreichend berücksichtigt, dass mit den Renditechancen nun entsprechende Risiken einhergingen. Die langfristig nachteiligen Konsequenzen für den Fall, dass die Risiken sich realisieren, wurden im Übrigen durch das stützende Einschreiten von Regierungen konterkariert. Auch wenn die Ausgestaltung dieser Instrumente vor allem im Hinblick auf die Orientierung an nachhaltigen Kriterien überprüft wer108

Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 647. Rechtsvergleichend und instruktiv Baums, Festschrift für Claussen, S. 4–48; den Shareholder Value-Gedanken von Aktienoptionen betont Busse von Colbe, ZGR 26 (1997), 271, 288. 110 Hierbei handelt es sich um schuldrechtliche Vereinbarungen, deren Wert sich an der Entwicklung der zugrunde liegenden Aktien orientiert, siehe Baums, in: Festschrift Claussen, S. 3, 6; Feddersen, ZHR 161 (1997), 269, 285 f.; Holzborn, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 51 Rn. 13.; Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 522; Wiese/Schäfer, DStR 1999, 2084, 2091, dort Fn. 85. 111 Achleitner/Wichels, in: Achleitner/Wollmert, Stock Options, S. 2 f., 17; Claussen, WM 1997, S. 1825, 1826 gibt einen – mittlerweile freilich veralteten – Überblick über die Aktienoptionsprogramme deutscher Großunternehmen. 112 Bürgers, NJW 2004, 3022. Der BGH hat „echte“ Aktienoptionsprogramme zugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern für unzulässig erklärt, BGH, NJW 2004, 1109 = NZG 2004, 376. Aktienoptionen als isolierte Bezugsrechte für Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. April 1998 (BGBl. I, S. 786) in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 und § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG ausdrücklich anerkannt. Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt in Ziffer 4.2.3 die Gewährung von Aktienoptionen ausdrücklich nur für Vorstandsmitglieder; aber spricht ansonsten auch für eine erfolgsorientierte, variable Vergütung von Aufsichtsräten (vgl. Ziffer 5.4.7). 109

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den muss, ergänzen diese Instrumente grundsätzlich das bestehende Gefüge aus zwingenden Ge- und Verboten, Haftung und Markt. 2. Die externe Corporate Governance Externe Corporate Governance hingegen erfolgt durch die regulierende Wirkung von Marktkräften. Insbesondere haben unternehmensexterne und -interne Akteure über den Markt für Unternehmenskontrolle (Übernahmen), die Arbeitsmärkte sowie Kapitalmärkte weitreichende Möglichkeiten, Einfluss auf das Verhalten des Unternehmens und seiner Leitung auszuüben113. Das Management wird im Gegensatz zu internen Corporate GovernanceMechanismen nicht durch zwingende Ge- und Verbote gesteuert; vielmehr unterliegt sein Verhalten einer Bewertung durch die Marktteilnehmer. Die Anleger reagieren auf unternehmerische Entscheidungen mit Investition oder Deinvestition. Der Wert der Unternehmensanteile verteuert resp. verbilligt sich als Konsequenz des Prinzips von Angebot und Nachfrage, so dass im Idealfall Kursauf- oder -abschläge den Unternehmenserfolg widerspiegeln. Hierfür müssen die Marktteilnehmer in die Lage versetzt werden, eine realistische Bewertung der Geschäftspolitik vornehmen zu können. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die ausreichende Versorgung mit Kapitalmarktinformationen und ggf. eine Bündelung des Informationsangebotes. Neben der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens kommt es für die Bewertung vor allem darauf an, wie sehr es dem Management gelingt, für die Befriedigung und den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zu sorgen. Besteht zudem ein funktionierender Markt für Unternehmenskontrolle114, so kann dies zu einem wirksamen Kontrollmechanismus führen, indem feindliche Übernahmen durch Kursrückgänge als „Bestrafung“ für ineffizientes oder opportunistisches Managerverhalten erleichtert werden und der neue (Mehrheits-)eigner die Auswechslung des Managements verlangen bzw. herbeiführen kann115. Aus ökonomischer Perspektive wird die Geschäftsleitung dafür „bestraft“, wenn sie es nicht schafft, das Renditepotential des Unternehmens umfänglich auszuschöpfen116. Hierdurch entsteht ein Anreizsystem, welches die Opportunismusoptionen der Geschäfts113

Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 32; ders., ZGR 29 (2000), 779, 782. 114 Grundlegend Manne, Journal of Political Economy Vol. 73 (1965), S. 110 ff.; daran anschließend Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, S. 5 ff. 115 Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 647; Hopt, ZGR 29 (2000), 779, 787 f.; Busse von Colbe, ZGR 26 (1997), 271, 290; Behrens, in: Festschrift für Drobnig, S. 491, 500. 116 Miller, Columbia Business Law Review Vol. 51 (1998), S. 52; siehe auch Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 109.

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leitung beschränkt und dazu dient, ihre Sorgfalt bei der Wahrnehmung fiduziarischer Pflichten zu erhöhen. Grundsätzlich entfaltet dieser Mechanismus seine Wirkung zwar erst ex post, vermag aber aufgrund des „Drohszenarios“ eines Austausches des Managements bereits im Vorfeld deren Verhalten zu steuern117. Selbst wenn es nicht zu einem feindlichen Übernahmeangebot kommt, haben Kursrückgänge die unerwünschte Folge, dass eine Kapitalisierung des Unternehmens nur noch unter hohen Kosten möglich ist118. Unabdingbare Voraussetzung ist jedoch die Funktionsfähigkeit dieser Märkte, die von ökonomischen Parametern wie etwa einem liquiden Markt oder dem Umfang von bestehenden Informationsasymmetrien abhängen119. Sollte dies den Marktteilnehmern nicht gelingen, bleiben diese Mechanismen ineffizient, wenn nicht gänzlich wirkungslos. Bisher war der Markt für Unternehmensübernahmen in Deutschland nur schwach bis gar nicht ausgeprägt, so dass dieses Element von Corporate Governance in Deutschland weitestgehend keine Wirkung entfalten konnte. Mit dem Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz (WpÜG) vom 20. Dezember 2001120 hat der Gesetzgeber die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für einen solchen Markt geschaffen und so den damals weitestgehend Singularerscheinungen gebliebenen Übernahmen von Krupp/Thyssen und Mannesmann/Vodafone Rechnung getragen. Sog. „Feindliche Übernahmen“ sind auch seit dem Inkrafttreten des WpÜG in Deutschland die Ausnahme geblieben. U. a. scheiterte der Versuch von Merck KGaA zur Übernahme der Schering AG durch das Einspringen der Bayer AG als „Weißer Ritter“121. Die Bedeutung von rechtlichen Rahmenbedingungen, um ein Umfeld für die Wirksamkeit und Effizienz der beschriebenen Marktmechanismen zu fördern oder sogar deren Grundlage überhaupt zu schaffen, ist damit deutlich herausgestellt worden. Nicht allein aus diesem Grund verbietet es sich, externe Corporate Governance mit rein tatsächlichen oder ausschließlich ökonomischen Faktoren zu umschreiben.

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Klemm/Reinhardt, NZG 2007, 281. Vgl. Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11 „Die negative Marktbewertung eines Unternehmens schädigt sein Ansehen und verschlechtert seine Finanzierungsmöglichkeiten nachhaltig.“ Ebenso deutlich Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 II 3: „der Aktienkurs bestimmt die Bedingungen, zu denen das Unternehmen neues Eigenkapital aufnehmen kann.“ 119 Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensführung, S. 39. 120 BGBl. I, S. 3822. 121 Ebenso scheiterte die erste Übernahme Macquarie/techem. Vgl. hierzu Klemm/Reinhardt, NZG 2007, 281. 118

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3. Die Offenlegung von unternehmensbezogenen Informationen als „dritte Säule“ von Corporate Governance Die besondere Bedeutung der Offenlegung von unternehmensbezogenen Daten rechtfertigt es, diese Instrumente als einen eigenständigen Baustein im Gefüge der Corporate Governance zu qualifizieren122. In unterschiedlicher Intensität und Ausprägung übernimmt die Unternehmenspublizität in allen real existierenden Systemen eine herausragende Rolle, den Markt mit bewertungsrelevanten Informationen zu versorgen. Die ungleichförmige Verteilung von Informationen wird – mit unterschiedlicher Gewichtung – als ein wesentliches Problem innerhalb eines jeden Corporate GovernanceSystems identifiziert123. a) Unternehmenspublizität als Korrelat der Marktteilnahme Grundlegende Erkenntnisse für die Funktionsdogmatik einer übergreifenden Unternehmenspublizität belegen, dass ein Verständnis von Publizität allein als Korrelat der Haftungsbeschränkung124 zu eng greift. Vielmehr muss die Marktteilnahme von Unternehmen als Legitimation für die Offenlegung verstanden werden und sich dementsprechend „das Maß der Publizität nach dem Maß der Marktbeanspruchung“125 richten. Da Selbstverpflichtungen zur Bereitstellung von Informationen regelmäßig nicht zu erzielen sind und die marktendogene Informationsversorgung daher unzulänglich ist126, müssen zwingende gesetzliche Vorschriften 122 Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 36; ders., ZGR 29 (2000), 779, 792.; ders., in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 33 f. 123 Spindler, AG 1998, 53, 60 f.; siehe oben § 1 II. 2. a) cc) sowie unten § 2 I. 124 Siehe hierzu ausführlich Hommelhoff, in: Festschrift Müller, S. 449, 451 ff. m. w. N. 125 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 484 f. 126 Pellens/Fülbier, ZGR 29 (2000), 572, 577. Der sog. Agency-Cost-Ansatz geht davon aus, dass die Geschäftsleitung selbst einen Anreiz an der Senkung von Agency-Kosten habe, die sie mit der freiwilligen Veröffentlichung von Unternehmensdaten reduzieren könnte; vgl. Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics Vol. 3 (1976), S. 305; Fama/Jensen, Journal of Law and Economics, Vol. 26 (1983), S. 301; dies., Journal of Law and Economics 1983, S. 327. Diesem Ansatz lässt sich jedoch entgegenhalten, dass es aufgrund des Phänomens des Marktversagens zu einer Unterversorgung der Markteilnehmer mit Informationen kommt. Dies rechtfertigt die Normierung von staatlichen Offenlegungspflichten. Vgl. zu den einzelnen ökonomischen Ansätzen eingehend Merkt, Unternehmenspublizität, S. 207 ff. Als ein Beispiel mag hier ebenfalls der Verzicht von Emittenten herhalten, Prognosen im Rahmen der Prospektpublizität zur Vermeidung von Haftungsrisiken zu veröffentlichen. Vgl. Erwägungsgrund 8, sowie Anhang 1 Ziffer 13 der Prospektverord-

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zur Herstellung des Transparenzniveaus geschaffen werden127. Publizität begegnet uns dabei in den verschiedensten Formen: als handelsregisterrechtliche Publizität, als (periodische) Bilanz- oder Finanzpublizität, kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität und Beteiligungstransparenz. Gemeinsam ist diesen Offenlegungspflichten, dass sie gegenüber zwingenden, materiellen Rechtsvorschriften einen weniger intensiven Markteingriff darstellen. Die Bewertung des Geschäftsgebarens wird nicht durch eine Entscheidung des Gesetzgebers z. B. in Form eines Ge- oder Verbots antezipiert, sondern ermöglicht es den Adressaten von Publizität, auf Grundlage aller ihnen zur Verfügung stehenden Informationen ein Urteil über die Maßnahmen des Managements zu fällen. Im Sinne des Pareto-Kriteriums128 fließen die Ressourcen den Unternehmungen zu, welche die „besten“ Entscheidungen treffen. Bestehen jedoch Informationsasymmetrien etwa durch zu hohe Informationskosten kommt es zum Marktversagen. In der Theorie des von George A. Akerlof beschriebenen „Zitronenmarkts“ (Market for lemons)129 nung (Verordnung (EG) 809/2004) sowie die Einschätzung von Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 49. 127 Diese These ist in der ökonomischen Literatur freilich nicht unumstritten. Die an anderer Stelle bereits zitierte Agency-Theorie sowie die Signal-Theorie gehen davon aus, dass die Geschäftsführung als Inhaber eines Informationsvorsprungs ein Eigeninteresse an einem Ausgleich der Informationsasymmetrien hat, um Agency Costs in Form von Kursabschlägen zu vermeiden. Dies gelte grundsätzlich auch für die Versorgung mit schlechten Nachrichten; vgl. Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics Vol. 3 (1976), S. 305; Fama/Jensen, Journal of Law and Economics, Vol. 26 (1983), S. 327–349; dies., Journal of Law and Economics 1983, S. 301–325; Spence, Quarterly Journal of Economics Vol. 87 (1973), 355. Die Markteffizienz-Theorie geht sogar noch einen Schritt weiter und negiert die Notwendigkeit zur Schaffung von Offenlegungspflichten für Unternehmensdaten, da die entsprechenden Informationen in einem informationseffizienten Markt bereits eingepreist wären (hierzu: Fama, Journal of Finance Vol. 25 (1970), 383; Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 205 f.). Überzeugend für die Notwendigkeit marktendogener Publizität sprechen jedoch Marktversagens-Theorien, die entweder auf eine Über- oder Unterproduktion von Informationen abstellen (beispielhafte Ursachen hierfür finden sich bei Fox, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 703, dort Fn. 4). Gestützt wird diese These durch empirische Erkenntnisse, dass schlechte Nachrichten später oder gar nicht an den Markt weitergeleitet werden, da diese wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen (sog. Propriety-Kosten), Merkt, Unternehmenspublizität, S. 220. Weitergehende Gedanken von Merkt, ebda., S. 221 ff. den evolutionstheoretischen Ansatz von Pfadabhängigkeit auf staatliche Offenlegungsvorschriften zu übertragen und die ökonomische Legitimation dieser in Frage zu stellen, finden seiner Einschätzung gemäß ihre Grenzen in der Qualität des Normgebungsverfahrens. 128 Vgl. hierzu Sohmen, Allokationstheorie, S. 30 f. 129 Grundlegend Akerlof, S. 488. Sein Beispiel bezog sich auf den Markt für Gebrauchtwagen, die im US-amerikanischen umgangssprachlich als „lemons“ bezeichnet werden.

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beruht dieses Marktversagen darin, dass der Marktteilnehmer ohne hinreichende Entscheidungsgrundlage zu einer richtigen Beurteilung nicht imstande ist und trotz eines qualitativ unterschiedlichen Angebots nur dann bereit ist, einen Durchschnittspreis zu zahlen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass sich die Anbieter hochwertiger und gleichzeitig kostenintensiverer Anlagen vom Markt zurückziehen und der Markt so letztlich zum Erliegen kommt130. Um ein solches Bedürfnis nach unternehmensbezogenen Informationen zu befriedigen und die Informationsasymmetrien durch unrichtige oder unvollständige Angaben zu beseitigen, verzichtet kein Staat auf die hoheitliche Regulierung von zwingenden Offenlegungsvorschriften131. aa) Die Funktionen der Offenlegung So selbstverständlich es auch klingen mag, dient Unternehmenspublizität im Rahmen ihrer Informationsfunktion zunächst der Kenntniserlangung von Daten. Die alleinige Verfügbarkeit von Informationen stellt jedoch keinen Selbstzweck dar, sondern bildet die Grundlage für eine spätere Verwertung. Unmittelbar daran schließt sich die Verhaltens- bzw. Entscheidungsvorbereitungsfunktion an. Zum einen können die Adressaten der Offenlegung auf Grundlage der gewonnen Informationen die verfügbaren Entscheidungsoptionen [s. unten 4.] – etwa in Form der Ausübung ihrer Rechte oder aber der Aufgabe ihrer Investition – wahrnehmen132. Zum anderen sorgen Veröffentlichungspflichten auch dafür, dass relevante Daten gesammelt und der Geschäftsleitung zur Verfügung gestellt werden und so deren Sensibilität für die Entwicklung ihres Unternehmens im Marktumfeld bzw. deren Selbstdisziplin erhöhen133. Der Unternehmensüberwachung dienen neben dieser Selbststeuerung oder Selbstkontrolle vor allem die Elemente der Fremdsteuerung, ausgeübt durch die Adressaten der Offenlegung. Die Inanspruchnahme von internen und externen Corporate Governance-Mechanismen wird durch Publizität effizienter gestaltet, wenn nicht sogar erst ermöglicht134. 130

Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 111; Kamp/Ricke, BKR 2003, 527, 529. Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 444 ff. Zu den ökonomischen Grundlagen des Verhältnisses von marktendogener und -exogener Informationsversorgung siehe Fn. 126. 132 Aus Perspektive der ökonomischen Theorie bilden Informationen die Grundlage für „rational choice“, Eidenmüller, JZ 2005, 216 ff., 217; Korobkin/Ulen, California Law Review Vol. 88 (2000), S. 1064 ff. Das Informationsmodell des Wirtschafts- insbesondere des Kapitalmarktrechts basiert auf diesem Prinzip, siehe unten § 2 II. 2. b). 133 Fox, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 713; Lowenstein, Columbia Law Review Vol. 96 (1996), S. 1342. 131

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Die Aktionäre können mit der Ausübung ihrer Mitwirkungsrechte nur nach einer entsprechenden Unterrichtung sinnvoll Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens nehmen. Gleiches gilt auch für die Entscheidung, von einer Investition abzusehen135. Zudem erhöht die Transparenz von Managementverhalten die Durchsetzbarkeit von Haftungsansprüchen mit der Konsequenz einer disziplinierenden Wirkung auf die Treuepflichten der Geschäftsleitung. Aber vor allem für die Funktion von Outsider-Kontrollsystemen, wie etwa dem Markt für Unternehmensübernahmen oder der mittelbaren Steuerungswirkung durch Kapitalkosten, haben zwingende Offenlegungsvorschriften deshalb eine herausragende Bedeutung, weil den unternehmensexternen Adressaten keine verbandsrechtlich vermittelten Auskunftsansprüche zur Verfügung stehen. Ebenso können sich Kontrahenten für Geschäftsbeziehungen über die Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners informieren und so eine Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit der Transaktion treffen. Auf diese Weise kommt es zu einer Fremdkontrolle der Geschäftsleitung durch ein „Monitoring“136 seitens der Fremdkapitalgeber, die einen entsprechenden Risikoaufschlag fordern, wenn das Management nicht in der Lage ist, für eine ausreichende Bonität des Unternehmens zu sorgen. bb) Die Adressaten der Offenlegung Der Definition des Adressatenkreises kommt entscheidende Bedeutung für die Reichweite der Kontrollfunktion von Publizität zu137. Umfang und Inhalt der Offenlegung müssen sich an den Informationsbedürfnissen der Adressaten ausrichten. Anhand des Beispiels der Rechnungslegungs- bzw. Finanzpublizität ist zu beobachten, dass diese sich vom reinen Gläubiger- zu einem allgemeinen Kapitalgeberschutz entwickelt hat und so – dem auch im Bereich der kapitalmarktrechtlichen Publizität etablierten – Dualismus von Individual- und Funktionsschutz dient138. Mag über den Umfang der Abschlusspublizität, vor allem in Hinblick auf die Berücksichtigung von Informationsinteressen der Eigenkapitalgeber, seit langem gestritten werden139, 134 Fox, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 708 ff. 135 Richter, Aktienamt, S. 18. Zur Umklammerung von „Voice“- und „Exit“-Optionen durch Hauptversammlungspublizität Merkt, Unternehmenspublizität, S. 440 f. 136 Zum Begriff des „Monitorings“ siehe oben Fn. 39. 137 Grundlegend zu dem „Grundsatz der Adressatenorientierung“ Merkt, Unternehmenspublizität, S. 448 ff. 138 Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 85; Hopt, 141 (1977), 389; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.388; mehr dazu siehe unten § 2 II. c). 139 Siehe hierzu Schön, ZHR 161 (1997), 133.

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so können auch die ablehnenden Stimmen spätestens seit Verabschiedung der IAS-Verordnung140 nicht die Augen vor dem rechtstatsächlichen Befund verschließen, dass Elemente internationaler, eigenkapitalgeberorientierter Rechnungslegung auch in den deutschen Rechtsraum Einzug erhalten haben. Die exponierte Bedeutung des materiellen Bilanzrechts inklusive seiner Änderungen im Laufe der Zeit sowie der Besonderheiten für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen erfordern eine gesonderte Betrachtung [s. unten § 6 II. 2.]. In anderen Bereichen der Unternehmenspublizität, wie etwa im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Ad-hoc-Pflichten, tritt die Berücksichtigung des Marktes bzw. seiner Teilnehmer deutlich zutage. Die Selbstbefreiung von einer Veröffentlichungspflicht gem. § 15 Abs. 3 WpHG ist so z. B. nur gestattet, wenn „Interessen der Emittenten die Interessen des Kapitalmarktes an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen“141. Zu den abwägungsrelevanten Kriterien gegenüber dem Verbandsinteresse zählen demnach allein die Informationsbedürfnisse der Kapitalmarktteilnehmer (Anleger), an welche die Ad-hoc-Publizität ausdrücklich adressiert ist. Dieser umfassende Ansatz, die Gesamtheit der Marktteilnehmer als Adressaten der Offenlegung zu verstehen, knüpft an den funktionsdogmatischen Ansatz der Publizität als Korrelat der Marktteilnahme an142. cc) Die Offenlegung gegenüber Hoheitsträgern Der Informationsanspruch des Staates hingegen ist anders zu bewerten. Dieser lässt sich mit Ausnahme seines fiskalischen Handelns nicht als Marktteilnehmer kategorisieren und kann daher nicht als Adressat von Unternehmenspublizität gelten143. Die Erfüllung von Informationsbedürfnissen staatlicher Einrichtungen zur Wahrung gesetzlich normierter, gesamtwirtschaftlicher Aufgaben folgt nicht dem Selbstverständnis von Unternehmenspublizität, sondern aus einem eigenen, qua hoheitlichen Rechtsbefehls durchsetzbaren Informationsanspruch. Mag auch der Staat zwecks Befriedigung dieser Informationsbedürfnisse auf solche Daten zurückgreifen, die 140

Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EU Nr. L 243, S. 1. Hierzu Pellens/Fülbier/Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 49 ff. 141 § 6 Satz 1 WpAIV. 142 Abermals Merkt, Unternehmenspublizität, S. 448 und passim. 143 Str. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 335 f., 414 f.; a. A. wohl Schwark, Anlegerschutz, S. 209 f. der zum einen konstatiert, dass staatliche Informationsbeschaffung eine eigenständige Bedeutung neben zivilrechtlicher Publizität besitzt, zum anderen aber den Staat zu den Adressaten von Unternehmenspublizität zählt, Schwark, ebda., S. 179. So auch Kubin, in: Festschrift Coenenberg, S. 525, 529.

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im Wege der Unternehmenspublizität zur Verfügung gestellt werden, ist eine Ausrichtung dieser Offenlegungspflichten an hoheitlichen Interessen verfehlt144. Vielmehr muss sich die Offenlegung gegenüber staatlichen Einrichtungen allein dem gesetzlich vorgegebenen Programm unterordnen. So dient die interne Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen gegenüber der Bundesanstalt (vgl. § 55a VAG) allein den Zwecken des Versicherungsaufsichtsrechts [s. unten § 5]. Gleiches gilt für die Auskunfts- und Prüfungsrechte der Aufsichtsbehörde, um die relevanten Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu beschaffen. Sie stehen den Marktteilnehmern nicht zur Verfügung. Dennoch hat die Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörde nach dem Vorbild der SEC Einfluss auf die materielle Bilanzierung der beaufsichtigten Wirtschaftssubjekte und so auch unmittelbar auf die Unternehmenspublizität gegenüber den Marktteilnehmern ausgeübt, der jedoch aufgrund der Branchenspezifität keine allgemeine Bedeutung erlangen kann145. b) Die Durchsetzung und Kontrolle von Publizität Das Dilemma der Kontrollfunktion von Publizität liegt darin, dass die zu Kontrollierenden die Informationen selbst liefern, sie also durch opportunes Verhalten im eigenen Interesse filtern können146. Um eine Grundlage für die Investitionsentscheidung bilden zu können, müssen die zur Verfügung gestellten Informationen verlässlich sein147. Daher hängt deren Qualität auch maßgeblich von ihrer Prüfung durch unternehmensinterne und -externe Instanzen ab. Das Bedürfnis nach einem „Qualitätssiegel“ entspricht dem ökonomischen Begründungsmuster der Signal-Theorie, die davon ausgeht, dass solide Unternehmen ein Eigeninteresse an der unabhängigen Verifizierung der Offenlegung ihrer Informationen haben148. Aus Sicht der Adressaten bürgen entsprechende Prüfungs- und Kontrollinstrumente für die Glaubhaftigkeit der veröffentlichten Angaben149. Intensität und Ausgestaltung der in- und externen Kontrollmechanismen stehen in Abhängigkeit zu den verschiedenen Formen von Publizität. Nicht zu verwechseln ist, dass sich die 144 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 413 beschreibt die Informationsbeschaffung mittels publizierter Unternehmensdaten daher als Akzidentalie. 145 Richter, Aktienamt, S. 86 f. 146 Semler, ZfhF 1958, 453, 454. 147 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 401. 148 Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics Vol. 3 (1976), S. 305, 338. Ein solches Signal ist jedoch nur dann glaubwürdig, wenn das Signalisieren guter Qualität für „gute“ Marktteilnehmer billig und für „schlechte“ (zu) teuer ist; so Kamp/Ricke, BKR 2003, 527, 529. 149 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 470 f.

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Kontrollfunktion in diesem Zusammenhang auf die Überwachung der Offenlegungsvorschriften bezieht, während die Publizität selbst – wie gezeigt – kontrollierend im Hinblick auf die Geschäftsleitung wirkt150. Die Überwachung der Publizität stellt nur einen, wenn auch wesentlichen Bereich der Unternehmenskontrolle dar. Dabei wirkt sie nur mittelbar im Hinblick auf die Disziplinierung der Geschäftsleitung. Die unmittelbare Kontrolle erfolgt durch die Verwertung der Informationen durch die Beteiligten. Aufgrund der herausragenden Bedeutung von Publizität für die Corporate Governance werden die verschiedenen Kontrollinstanzen an dieser Stelle überblicksartig dargestellt. Später erfolgt eine detaillierte Betrachtung der Publizitätsüberwachung im Kontext der allgemeinen Überwachungsaufgaben von internen, staatlichen und sonstigen externen Überwachungseinrichtungen [s. unten § 2 III. 3.]. aa) Die interne Kontrolle der Abschlusspublizität Mit der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Unternehmen verfolgen die Gesellschafter primär eine Vermögensmehrung, die sich in Form von Dividenden und Wertsteigerungen der Anteile ausdrücken. Herausragende Bedeutung im Gesamtgefüge der Unternehmenspublizität kommt daher der periodischen Offenlegung von Finanzkennzahlen in Jahres- und Zwischenabschlüssen zu. Für die unternehmensinterne Überwachung der Bilanzpublizität sieht das aktienrechtliche Kompetenzgefüge zunächst eine Trennung von Aufstellung und Billigung der Jahresabschlüsse zwischen Vorstand und Aufsichtsrat vor151. Damit der Aufsichtsrat seine Kontrollfunktion, vor allem auch im Hinblick auf die Überwachung der Bilanzvorschriften, wirksam ausüben kann, werden u. a. die Bedeutung von Prüfungsausschüssen und die Anforderungen an die Professionalität sowie die besondere Sachkunde seiner Mitglieder betont152. Die Wirksamkeit dieser aktienrechtlich vorgegebenen 150 So zur registergerichtlichen Kontrolle, aber sicherlich verallgemeinerungsfähig, Merkt, Unternehmenspublizität, S. 467. 151 Vgl. § 164 Abs. 1 S. 1 HGB, § 171 AktG. Aber zur gemeinsamen Feststellung gem. § 172 vor allem die bilanzpolitischen Entscheidungen betreffend, siehe Kropff, in: MünchKommAktG, § 172 Rn. 13. 152 IDW, Fortentwicklung der Unternehmensüberwachung in Deutschland, IDW Fachnachrichten 6/2000, S. 230; Dörner/Öses, DB 1995, 1085, 1087. Die Bildung eines Prüfungsausschuss (sog. „Audit Committee), so wie ihn Ziffer 5.3.2 des DCGK empfiehlt, und die Besetzung mit bilanzkundigen Vertretern dienen dieser Forderung. Zu beachten ist allerdings, dass die originäre Zuständigkeit des Aufsichtsrats als Gremium gem. § 171 AktG nicht an diesen Ausschuss delegiert werden kann (vgl. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG). Vgl. hierzu Scheffler, ZGR 32 (2003), 236, 245 ff.

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internen Kontrolle kann durch das kapitalmarktrechtliche Instrument der Adhoc-Publizität weiter beeinträchtigt werden, indem eine Vorabveröffentlichung der noch nicht gebilligten Kennzahlen den Aufsichtsrat faktisch unter Druck setzen würde, ein positives Votum abzugeben. Durch die Hintertür würde so das aktienrechtlich vorgesehene Kompetenzgefüge ausgehebelt153. bb) Die externe Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer und Hoheitsträger Eine wesentliche Bedeutung für die Publizität an der Schnittstelle von interner und externer Corporate Governance übernimmt die aktienrechtliche Pflichtprüfung154. Der Abschlussprüfer unterstützt zum einen die Tätigkeit des Aufsichtsrats bei dessen Aufgabe, überprüft zum anderen davon unabhängig die zu veröffentlichenden Informationen auch selbstständig und unabhängig. Die Hilfsfunktion des Abschlussprüfers für die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats zur Billigung der Jahresabschlüsse nimmt gegenüber der öffentlichen Funktion im Rahmen der obligatorischen Fremdkontrolle nur eine untergeordnete Rolle ein155. Öffentlichen Charakter erhält die Pflichtrevision bereits durch die Adressierung von Publizität an die Marktteilnehmer und wird durch den Befund bestärkt, dass die Aufgabe von einem unabhängigen Berufsstand zwar nicht in staatlicher aber dennoch in Fremdkontrolle ausgeübt wird156. Die Schaffung der Pflichtrevision verdeutlicht, dass der Gesetzgeber trotz Abkehr vom aktienrechtlichen Konzessionssystem die Überwachung der Unternehmen nicht vollständig einer Binnenkontrolle überlässt. Neben der branchenabhängigen Aufsicht sowie der auf kapitalmarktorientierte Unternehmen begrenzten Wertpapieraufsicht erfolgt eine allgemeine 153

Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 143 ff.; Harbath, ZIP 2005, 1889, 1905; Schneider, BB 2005, 897, 899; BaFin, Emittentenleitfaden in der Fassung vom 15. Juli, S. 46, 55, die einen Aufschub bei Gremienvorbehalten „regelmäßig“ für zulässig erachtet. In der Entwurfsfassung vom 22. Dezember 2004 aber noch auf S. 39 „Die rein abstrakt bestehende Möglichkeit, dass Gremien diese Billigung verweigern könnten, ist nicht ausreichend. Es müssen begründete Zweifel an der Billigung vorliegen.“ Eingehend schon zum Streit vor dem AnSVG Lutter, in: Festschrift Zöllner, Band I, S. 363, 364 ff.; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 152. 154 „Dritte Säule“ der Corporate Governance, Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, 639, 640 m. w. N.; Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 648. Eine ausführliche Darstellung über die geschichtliche Entwicklung der obligatorischen Pflichtprüfung findet man bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 470 ff. 155 Grundlegend Schulze-Osterloh, ZGR 5 (1976), 411 ff.; ders., in: Baumbach/ Hueck, GmbH-Gesetz, § 41 Rn. 98; Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 318, Rn. 2; Potthoff/Theisen, in: 40-Jahre Der Betrieb, S. 53, 58. 156 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 402 f.; Schulze-Osterloh, ZGR 5 (1976), 411.

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externe Kontrolle von offengelegten Unternehmensdaten im Rahmen der Überprüfung durch die Registergerichte. Ergänzt wird das registergerichtliche Überwachungssystem durch eine behördliche Überwachung nur, sofern es aus besonderen Gründen angezeigt scheint. Abermals finden wir ausgeprägte Vorschriften für Banken und Versicherungen, die eine Beaufsichtigung der Offenlegungspflichten beinhalten. Anders als die Aufgaben der Pflichtrevision beschränkt sich die staatsseitige Überwachung grundsätzlich auf rein formelle Gesichtspunkte, nämlich ob die Pflichten eingehalten werden. Jedoch erfährt dieser Grundsatz mit Einführung des sog. „Enforcement-Verfahrens“ neuerdings eine erhebliche Einschränkung157. Von den genannten Ausnahmen abgesehen wird eine flächendeckende Zusatzkontrolle, so wie sie vereinzelte Stimmen in den 1970er Jahren beispielsweise in Form eines Aktienamtes forderten158, aus Gründen der Überregulierung abgelehnt159. Für das Verständnis ist eine Auseinandersetzung mit den Einzelheiten und den verschiedenen Formen autonomer und heteronomer Überwachungsmechanismen im Gefüge des deutschen Corporate GovernanceSystems erforderlich [s. unten § 2]. c) Die möglichen Sanktionen bei der Verletzung von Offenlegungspflichten Will man eine effiziente Kontrolle von Offenlegungsvorschriften gewährleisten, so gilt auch hier als allgemeines Prinzip der Rechtsdurchsetzung von normativen Maßgaben, dass geeignete Sanktionen angedroht und im Zweifelsfall auch angewendet werden können. Die Formen von möglichen Sanktionen für die Verletzung von Offenlegungsvorschriften sind ebenso facettenreich wie die verschiedenen Formen von Unternehmenspublizität insgesamt, so dass hier ein grober Umriss genügt. Zivilrechtliche Haftungssanktionen für fehlerhafte, unvollständige oder irreführende Informationen übernehmen eine wesentliche Rolle zur Durchsetzung von Offenlegungsverpflichtungen. Um sich nicht späteren Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sehen, müssen sich die Sorgfaltsmaßstäbe der Informationsverantwortlichen bei der Publizität zwangsläufig erhöhen160. Das Risiko der Haftung für die Register- und Rechnungslegungs157

Einzelheiten hierzu siehe unten § 2 III. 4. c). So die Forderung von Richter, Aktienamt. 159 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 478 f., insbesondere Fn. 500.; Claussen, AG 1979, 169. 160 Siehe zum Grundsatz des „caveat emptor“ und grundlegend zu seinen effizienzbedingten Ausnahmen im Kapitalmarktrecht Assmann, Prospekthaftung, S. 22 ff. 158

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publizität sowie für die kapitalmarktrechtliche Publizität wirkt dabei sowohl general- als auch spezialpräventiv161. Aus diesem Grund wird beispielsweise die Prospekthaftung als wesentliche Institution zur Verhinderung informationsbedingten Marktversagens verstanden162. Auch für weitere Bereiche kapitalmarktrechtlicher Publizität besteht neben der allgemeinen zivilrechtlichen eine spezialgesetzlich angeordnete Informationshaftung163. Primär dienen diese Ansprüche dem Vermögensschutz der ersatzberechtigten Anleger. Der so gewährleistete Individualschutz strahlt jedoch Wirkung auf die Qualität der offengelegten Unternehmensdaten insgesamt aus, so dass diese Maßnahmen die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte im Sinne eines Reflexes fördern164. Wenn fehlerhafte Kapitalmarktinformationen zu einer fehlerhaften Preisbildung am Markt führen165, dient die Haftungsandrohung mittelbar der Verbesserung der Informationseffizienz und zugleich der Funktionsfähigkeit der Märkte166. Um eine solche Allokationsfunktion der Haftungsnormen herzuleiten, muss der einzelne Kapitalanleger bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Allgemein- oder Gruppeninteresse instrumentalisiert werden. In Ergänzung zu dieser Haftung können sich Konsequenzen einer unterlassenen Veröffentlichung auch in Form eines Rechtsverlusts ergeben. So ordnet beispielsweise die kapitalmarktrechtliche Beteiligungspublizität das Ruhen gesellschaftsrechtlicher Teilhaberechte bei einer Verletzung der Offenlegungsvorschriften an (vgl. § 28 WpHG)167. Sanktionen des Strafrechts bilden nur den äußersten Rahmen für betrügerische Handlungen im Zusammenhang mit vorsätzlichen Fehlinformationen168. Die Vorschriften des Wirtschaftsstrafrechts bieten aufgrund hoher Eingangsvoraussetzungen und Beweisschwierigkeiten nur lückenhaften Schutz für die Verletzung von Publizitätspflichten und dürfen daher allenfalls als Ergänzungen verstanden werden169. Als repressive Mittel sind sie 161

Einzelheiten bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 480 ff. Grundlegend Assmann, Prospekthaftung, S. 3 und passim; ders., in: Assmann/ Schütze, Handbuch, § 6 Rn. 40. 163 Vgl. §§ 37b und c WpHG; § 44 f. BörsG; § 13 VerkaufsprospektG; § 127 InvG. 164 Vgl. zum grundsätzlich unmittelbar wirkenden Individualschutz der Schadensersatzansprüche bei fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen Sethe, in: Assmann/Schneider, WpHG, §§ 37b, 37c Rn. 9 ff. 165 So für Ad-hoc-Mitteilungen Sethe, in: Assmann/Schneider, WpHG, §§ 37b, 37c Rn. 12. 166 Assmann, Prospekthaftung, S. 24 ff.; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG, Rn. 1. 167 Schneider, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 28 Rn. 2. 168 Vgl. zu den „antifraud“-Regeln der US-amerikanischen securities regulation, Assmann, Prospekthaftung, S. 97, 99. 162

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

ohnehin nur bedingt geeignet, eine Steuerungswirkung zu entfalten und so den Bedürfnissen eines informationssensiblen Kapitalmarktes hinreichend gerecht zu werden. Im Sinne einer ultima ratio gelten die Strafandrohungen des Kapitalmarkt-Strafrechts als notwendige Ergänzung der ausdifferenzierten Haftungsmaßstäbe zur Stabilisierung der Verhaltensnormen. 4. Zwischenzusammenfassung Klassischerweise besteht der rechtliche Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens demnach aus zwei Elementen: zum einen aus den Regelungen bezüglich des Binnenverhältnisses der unmittelbar am Unternehmen Beteiligten, und zum anderen aus den Rahmenbedingungen für das Verhältnis des Unternehmens zu den (unternehmensexternen) Marktteilnehmern. Die zweitgenannte Gruppe von rechtlichen Regelungen verdeutlicht die Schnittmenge mit den faktischen Elementen von Corporate Governance: sie bilden regelmäßig die Grundlage für das Wirken der Marktkräfte. Umklammert wird dies durch zwingende Offenlegungsvorschriften, damit die Akteure informierte Transaktionsentscheidungen treffen und die ihnen zustehenden Rechte auch wirkungsvoll ausüben können. Insgesamt lässt sich ein Zusammenspiel der einzelnen Elemente beobachten, deren konkrete Abstimmung von den Rahmenbedingungen abhängig ist. Bereits hier sind Wertungswidersprüche – wie beispielsweise bei dem Einfluss der Ad-hoc-Publizität auf die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrats – angeklungen. Um das stete Ziel, die Corporate Governance auch von Seiten des Gesetzgebers zu verbessern, gilt es, das beschriebene Zusammenspiel auszudifferenzieren. An dieser Stelle schließt sich aus rechtssystematischer Sicht die Diskussion um die (richtige) Regelungsebene und das Verhältnis von Gesellschaftsrecht zum Kapitalmarktrecht in der Diskussion um die Corporate Governance an170. 5. „Voice“ und „Exit“ – Die Handlungsoptionen der Akteure in den Kontrollsystemen Die Interessenwahrnehmung in lungsoptionen der Shareholder und flussnahme auf das Unternehmen tauschbeziehung unter Nutzung 169

beiden Systemen erfolgt durch HandStakeholder entweder in Form von Einoder aber durch Beendigung der Ausder Marktkräfte (sog. „Voice“- oder

Hild, Grenzen einer strafrechtlichen Regulierung des Kapitalmarkts, S. 189. Kritisch zur Tauglichkeit des Kapitalmarktstrafrechts für den Anlegerschutz, Park, NStZ 2007, 369, 376 f. 170 So der Titel des Beitrags von Merkt, AG 2003, S. 126–136.

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„Exit“-Optionen)171. Als Reaktion auf institutionellen Rückgang bei einer Unternehmung, können die Betroffenen entweder diesem widersprechen oder abwandern. Bildhaft wird diese Abwanderung auch als „Wall Street Rule“ bezeichnet oder mit dem Begriff Abstimmung mit den Füßen, also durch Verkauf der Unternehmensbeteiligung, umschrieben172. a) Die Attraktivität der einzelnen Handlungsoptionen bei der internen und externen Corporate Governance In internen Corporate Governance-Systemen stehen regelmäßig beide Optionen parallel zur Verfügung, während externe Kontrollsysteme als Alternative zum stillschweigenden Aufrechterhalten der Austauschbeziehung naturgemäß überwiegend die Handlungsalternative der Abwanderung bereithalten173. Beispielsweise kann ein Aktionär sein Stimmrecht auf der Hauptversammlung wahrnehmen oder aber durch den Verkauf der Anteile das Verhältnis zum Unternehmen auflösen. Das Verhältnis, in dem Voiceund Exit-Optionen wahrgenommen werden, bestimmt sich durch ihre Attraktivität, die unter anderem durch Faktoren wie etwa die Verfassung der Märkte oder die Ausgestaltung der mitgliedschaftlichen Rechte beeinflusst wird. Grundsätzlich stellt Exit die kostengünstigere Alternative der Handlungsmöglichkeiten dar, weil Voice-Optionen vielfach nur im Kollektiv wahrgenommen werden können und so einen hohen Koordinationsbedarf aufweisen174. Es wird deutlich, dass die Aktionäre eine Doppelrolle im Corporate Governance-System einnehmen: zum einen sind sie verbandsinterne Mitglieder und zum anderen Anleger-Gesellschafter175. Während im deutschen Corporate Governance-System die Möglichkeiten zum Widerspruch bisher attraktiver ausgestaltet sind, haben die Exit-Optionen parallel zur Stärkung von Outsider-Kontrollsystemen an Bedeutung gewonnen – der Gesetzgeber hat beispielsweise durch das KonTraG sowie das TransPuG zum Ausdruck gebracht, die Marktkräfte als Kontrollinstanz im Rahmen von 171 Schmidt, in: Jürgens (Hrsg.), Perspektiven, S. 31 ff.; Kalss, Anlegerinteressen, S. 339; Nagel, NZG 2007, 166, 167; ursprünglich gehen diese Begriffe von Handlungsalternativen auf Albert Hirschmann, Abwanderung und Widerspruch, im Original „Exit, Voice und Loyalty – Responses to Decline in Firms, Organizations, and States“ zurück. 172 Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 39. 173 Man kann daher eine Korrelation zwischen Stake- bzw. Shareholderorientierung eins Corporate Governance Systems und der Inanspruchnahme von internen oder externen Kontrollsystemen beobachten. 174 Kalss, Anlegerinteressen, S. 343 ff. 175 Siehe zu dieser Konzeption die Habilitationsschrift von Mülbert, Aktiengesellschaft; ders., in: GroßkommAktG, vor §§ 118–147, Rn. 201.

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Corporate Governance einzubeziehen176. Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Moto-Meter-Beschluss zur sog. „übertragenden Auflösung“ – aber wohl verallgemeinerungsfähig – anerkannt, dass mitgliedschaftliche Rechte wie etwa das Stimmrecht nicht mehr die vorzüglichsten Rechte des Kleinaktionärs seien, insbesondere wenn alternative Kapitalanlagen zur Verfügung stehen177. Vereinzelt wird diese Entscheidung so interpretiert, dass bei dieser Aufweichung korporativer Privilegien gar Ansätze der Portfolio-Theorie zum Ausdruck kämen178. Es ist zu konstatieren, dass weiterhin ein erheblicher Nachholbedarf bei der Stärkung von „Exit“-Optionen besteht. Bestehende Defizite sind vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Kapitalmärkte durch institutionelle Anleger sowie die Arbeitsmärkte wegen des Kündigungsschutzes durch hohe Insider/Outsider-Hürden auszeichnen179. Auch die Intention des UMAG180 mit seinen Schwerpunkten der Innenhaftung und des Anfechtungsrechts weist (wieder) auf eine Stärkung der verbandsrechtlich vermittelten Aktionärsrechte hin181. Jedenfalls bleibt es festzuhalten, dass Voice-Optionen an Attraktivität verlieren, je flexibler und effizienter die Kapitalmärkte funktionieren. b) Die Besonderheiten im Banken- und Versicherungswesen Für Versicherungsnehmer und Einlagekunden ergibt sich eine Sonderkonstellation aufgrund des Phänomens „Massengeschäft“182. Wie im Verbrau176 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11; Begr. RegE zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 10, 21. 177 BVerfG, 1 BvR 68/95 vom 23. August 2000 = ZIP 2000, S. 1670 ff. „Die herrschaftsrechtliche Seite des Aktieneigentums ist für Kleinaktionäre ohnehin begrenzt, da sie auf die Unternehmenspolitik regelmäßig keinen relevanten Einfluss nehmen können. Das Aktieneigentum ermöglicht ihnen durch die Kapitalanlage eine Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht. Die große Verkehrsfähigkeit der Aktie erlaubt es den Kleinaktionären, sich mit ihrem Kapital nicht auf längere Sicht zu binden und es gegebenenfalls nach freiem Belieben neu zu investieren. Werden Minderheitsaktionäre durch die ‚übertragende Auflösung‘ aus der Aktiengesellschaft gedrängt, so beeinträchtigt dies zwar auch die mit jeder Mitgliedschaft verbundene, bei Minderheitsaktionären aber nur begrenzt bedeutsame Leitungs- und Herrschaftskomponente. Im Vordergrund steht aber die Vermögenskomponente der Anlage, nämlich die Auswahlentscheidung des Aktieneigentümers hinsichtlich seiner Kapitalanlage.“ 178 Fleischer, ZGR 31 (2002), 757, 764; ders., ZIP 2006, S. 451, 454. 179 Siehe zu den Hürden im Rahmen des „Exit“ ausführlich Kalss, Anlegerinteressen, S. 455 ff. und zum Beschränkten Wirkungsgrad ebda., S. 370 ff. 180 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005, BGBl. I, S. 2802. 181 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 10 ff.; zum Referentenentwurf siehe Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249 ff. 182 Vgl. hierzu § 5 I.

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cherrecht insgesamt hat der einzelne Kunde keine oder nur begrenzte Verhandlungsmacht, um Voice-Optionen in Anspruch nehmen zu können. Eine mögliche Abwanderung als singuläres Ereignis bleibt für die Unternehmen ebenso ohne nennenswerte Konsequenz und erzielt somit keine disziplinierenden Effekte. Zu gering ist die Bedeutung der einzelnen Verträge für das gesamte Geschäftsvolumen. Unterstützung erhält diese These aus informationsökonomischen Gesichtspunkten, wonach einzelvertragliche Regelungen zum Ausgleich der Informationsasymmetrien aus Kostengründen verhindert werden. Stellvertretend übernimmt die Aufsichtsbehörde die Wahrung von Verbraucherinteressen in institutionalisierter Form durch ein weitreichendes Instrumentarium an Handlungsoptionen. Kommt es indes zu massenhaften Abwanderungen bei Kreditinstituten durch Kündigung kurzfristiger Kredite (sog. „Runs“), wird das grundsätzlich anstatt eines, dem Ausleseprozess förderlichen Ereignisses sogar als höchst unerwünscht erachtet183. Die Aufsichtsbehörde hat dabei eine Aufgabe des Interessensausgleichs zu übernehmen, um einerseits die Funktionsfähigkeit der beaufsichtigten Gewerbezweige aufrecht zu erhalten und andererseits die Handlungsoptionen der Kunden zu stärken, die im extremen Fall auch zum (verfahrensförmigen) Marktaustritt eines Anbieters führen können184. 6. Zusammenfassung und Ausblick Corporate Governance-Systeme innerhalb einer Rechtsordnung beruhen auf einem Zusammenspiel unterschiedlicher Regelungsebenen, die sowohl in- als auch externe Elemente enthalten und ohne Offenlegungsvorschriften nicht auskommen185. Nachdem hier nur beispielhaft und andeutungsweise auf konkrete Ausgestaltungen des deutschen Corporate Governance-Systems zur Veranschaulichung der Funktionsweisen verwiesen werden konnte, widmet sich § 2 dem geltenden System und dem Verhältnis von in- und externen Kontrollmechanismen. Um eine Erklärung für nationale Besonderheiten aber auch deren allmähliche Annäherung finden zu können, ist es unerlässlich, einen Vergleich mit dem Konkurrenzmodell in den Vereinigten Staaten anzustellen. Das kontinentaleuropäisch-deutsche Corporate Governance-System auf der einen und das angloamerikanische auf der anderen Seite erweisen sich als weitestgehend konsistent und bieten sich aufgrund ihrer zunächst konträren Regelungsschwerpunkte zur Veranschaulichung unterschiedlicher Konzeptionen an.

183 184 185

Einzelheiten dazu siehe unten § 4. Vgl. Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 111. Wymeersch, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 88.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

III. Corporate Governance in der Wissenschaft und im weiteren Sprachgebrauch 1. Corporate Governance als Forschungsdisziplin und seine begriffliche Verwendung im deutschen Sprachgebrauch Neben der dargestellten Wortbedeutung von Corporate Governance hat sich hieraus auch die Bezeichnung für ein interdisziplinäres Forschungsfeld, ja sogar eine wissenschaftliche Teildisziplin entwickelt186. Juristen, Ökonomen, Sozialwissenschaftler und Politologen beteiligen sich an der Diskussion, die ihren Ursprung im Bereich der Betriebswissenschaften findet und sich dort mit der effizienten Ausgestaltung von Unternehmensführung auseinandersetzt187. Die Erforschung von Bedingungen für eine optimale Unternehmensführung geht über juristische Fragestellungen hinaus, so dass die Erarbeitung solcher Effizienzkriterien jenseits der Untersuchung von rechtlichen Rahmenbedingungen, seien diese in Gesetzesform gegossen oder in paragesetzlichen Kodizes enthalten, den Ökonomen überantwortet werden muss. Die vorliegende Arbeit widmet sich also vornehmlich den normierten Bereichen, ohne jedoch zu verkennen, dass auch das Recht vor den faktisch wirkenden Kräften und den Befunden einer ökonomischen Analyse nicht Halt machen kann188. Beide Perspektiven weisen große Schnittmengen auf und stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis189. Im rechtsvergleichenden Kontext hat sich der Begriff „Comparative Corporate Governance“ eingebürgert, in dessen Rahmen sich die Debatte um die Ausrichtung und Optimierung eines Corporate Governance-Systems des Blickes über den Tellerrand hinaus bedient, um die gemeinsamen und unterschiedlichen Kriterien einer „Good Corporate Governance“ in den zahlreichen Jurisdiktionen herauszuarbeiten190. Unter dem Stichwort „Globalisierung der Finanzmärkte“ erstreckt sich der Wettbewerb u. a. auf die vor186

Lutter, ZGR 30 (2001), 224. Grundmann/Mülbert, ZGR 30 (2001), 215; Hommelhoff/Hopt/v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, Vorwort S. V. 188 Darauf weist bereits der Untertitel der mittlerweile in der dritten Auflage erschienenen Dissertation von Horst Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip – Möglichkeiten und Grenzen der Ökonomischen Analyse des Rechts, hin. Das Standardwerk mit grundsätzlichen Erkenntnissen für die ökonomische Analyse des Rechts stammt von Richard A. Posner, The Economic Analysis of Law, 1. Auflage 1973, nunmehr 7. Auflage, 2007. 189 So aber im Ansatz Lutter, ZGR 30 (2001), 224, 225, wenn er sagt, betriebswirtschaftliche Fragestellungen optimaler Unternehmensführung „meint Corporate Governance nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie“. 190 Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 29; Hopt, in: Hopt, Wymeersch, Comparative Corporate Governance, Preface. 187

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handenen Systeme der Unternehmensführung. Große Finanzinvestoren wie etwa der kalifornische Pensionsfond CalPERS haben auf der Suche nach weltweiten Anlagemöglichkeiten Kriterien aufgestellt, die für ein Investment vorausgesetzt werden, und mit der Veröffentlichung dieses Anforderungskatalogs die Diskussion um eine gute Unternehmensführung vorangetrieben191. Zentraler Gegenstand der vergleichenden Corporate Governance-Forschung ist die Gegenüberstellung von Shareholder- und Stakeholder-Systemen sowie die Organisation der Leitungsorgane entweder im one-tier- bzw. board-System oder dem two-tier- bzw. Aufsichtsratsmodell192. Wesentliche Erkenntnisse für die Ursachen der unterschiedlichen Entwicklung von Corporate Governance im angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Raum sind dieser Bewegung geschuldet. Bereits mehrfach ist eine hier favorisierte Übersetzung von Corporate Governance als „ gute Unternehmensführung“ angeklungen193. Die in der Literatur zu findenden Vorschläge, das Problem mit „Unternehmensverfassung“ zu umschreiben, greifen zu kurz und berücksichtigen vor allem das Wirken von externen Corporate Governance-Mechanismen bereits bei der Etikettierung nicht hinreichend194. Vergleichbare Argumente sprechen gegen den Terminus „angemessene Unternehmensüberwachung“195. Daneben weist der Begriff wie schon die Definition des Cadbury Codes sprachliche Ungenauigkeiten im Hinblick auf das Subjekt der Überwachung auf196. Die Definition „Gute Unternehmensführung“ hingegen verdeutlicht, dass die Organisation, Struktur und Verhaltensanforderungen der Leitungs- bzw. Führungsebene unabhängig von ihrer tatsächlichen Ausgestaltung als inoder externes Kontrollsystem maßgeblicher Gegenstand der Untersuchung ist. 191 CalPERS (California Public Employees’ Retirement System), International Corporate Governance, German Market Principles, 1999. 192 Siehe die Beiträge von Paul Davies und Marcus Lutter im Rahmen des Symposiums zum 60. Geburtstag von Klaus J. Hopt, ZGR 30 (2001), 224 ff.; 267 ff. 193 Vgl. Lange, NZG 2004, 265, 266; Lutter, ZGR 30 (2001), 224, 225. 194 Nachweise für die Verwendung des Begriffs „Unternehmensverfassung“ finden sich aber u. a. bei: Schewe, Unternehmensverfassung; Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 52 mit Verweis auf den Aktionsplan für Finanzdienstleistungen (FSAP), KOM (1999) 232 endg.; Semler/Spindler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 52; auch v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 4, obwohl er konstatiert, dass mit diesem Begriff primär die Binnenstruktur einer Gesellschaft verbunden wird und dem Umstand nicht gerecht wird, dass die Beziehung von der Gesellschaft zum (Kapital-)Markt ebenso unter den Begriff Corporate Governance gefasst wird. 195 So Feddersen/Hommelhoff/Schneider, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 1. 196 Siehe oben § 1 I. 1.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

In Anbetracht der über die rechtliche Verpflichtung der Geschäftsleiter hinausgehenden „Benimmregeln“197, die u. a. durch die Implementierung der verschiedenen, unternehmensinternen und -externen Kodices an Bedeutung gewonnen haben, muss die Wortbedeutung in einem weiteren Sinne verstanden werden. Neben die zwingend zu beachtenden Vorschriften treten Sollenssätze, die von unabhängigen Einrichtungen formuliert worden sind und so einen Katalog von wünschenswerten Verhaltensmaßstäben bilden. Jenes „soft law“, das außerhalb formalisierter Gesetzgebungsverfahren entsteht, wird als Antwort auf die notwendige Deregulierung, Flexibilisierung und Anpassungsfähig- und -geschwindigkeit eingesetzt198. Gute Corporate Governance erfordert also mehr als bloß ausreichende Organisationsregeln, sie will darüber hinaus Qualitätsstandards setzen199. Das Stichwort gute Unternehmensführung, findet seinen Platz in der gesellschaftsrechtlichen Kommentarliteratur zu den §§ 76, 93, 116 AktG200. An dieser Stelle sind die diskretionären Entscheidungsspielräume der „Agenten“ normiert, deren missbräuchliches Ausnutzen bei fehlenden oder ineffizienten Kontrollmechanismen droht. Mit der Aufstellung von Sorgfaltspflichten bilden diese Vorschriften die Grundlage für eine Haftung der Verantwortlichen gegenüber der Gesellschaft. Die Einbeziehung der Vorschriften zum Aufsichtsrat in diesen Kontext verdeutlicht abermals die in Deutschland unumgängliche und offensichtlich unumstößliche Zweiteilung der Verwaltung von Aktiengesellschaften201. Auf die Besonderheiten des sog. „two-tier-Systems“ und dessen Über- oder Unterlegenheit gegenüber der monistischen board-Struktur des angloamerikanischen Gesellschaftsrechts wird später einzugehen sein202.

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In Anlehnung an die wörtliche Übersetzung der Codes of Conduct. Siehe die Forderungen von Merkt, Gutachten für den 64. DJT, S. G 60 f., der als Antwort auf die Veränderung auf den Finanzmärkten dem Regelungsgeber ein hohes Maß an Innovationsfähigkeit abverlangt und den verstärkten Einsatz von nichtstaatlicher Regulierung fordert. 199 Lutter, ZGR 30 (2001), 224, 236; Peltzer/v. Werder, AG 2001, 1; Seibt, AG 2002, 249, 250. 200 Vgl. Semler/Spindler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 219 ff.; Hüffer, AktG, § 76, Rn. 15aff.; Kort, in: GroßkommAktG, vor § 76 Rn. 35 ff. 201 Die Vorschriften über die Europäische Aktiengesellschaft erlauben auch eine monistische Führungstruktur in Anlehnung an das angloamerikanische board-System. Eine praktische Relevanz von Abschnitt 4, Unterabschnitt 2 des SEEG ist in Deutschland in mitbestimmten Unternehmen nicht zu erwarten, siehe unten § 2 I. 2. 202 Siehe unten § 2 III. 1. b). 198

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2. Die Kongruenz von Regelungsgegenstand und -ziel – Spiegelt sich eine „gute“ Corporate Governance im Unternehmenserfolg wider? Als Gemeinsamkeit weisen alle Interpretationsversuche auf, dass sie sich nicht darauf beschränken, mit Corporate Governance die Problemlagen und Verhaltensmaßstäbe im Zusammenhang mit der Unternehmensleitung zu umschreiben, sondern vielmehr auch versuchen, eine optimale und effiziente Ausgestaltung des Systems zu finden. Insofern verdeutlicht die Übersetzung „gute Unternehmensführung“, dass der Gegenstand auch zugleich Ziel der Regelungen sein soll: mit einer „Good“ Corporate Governance ist idealerweise ein Beitrag zur Wertschöpfung verbunden, der sich im Unternehmenserfolg widerspiegelt203. Lassen sich die Opportunismusoptionen der Akteure wirksam beschränken, so steigt die Bereitschaft für Investitionen. Im Gegenzug verringern sich die Forderungen nach entsprechenden Risikoaufschlägen, was die Unternehmensfinanzierung erleichtert und vergünstigt. Dem Anleger ist dabei ein attraktives Angebot zu machen, wobei dem Investor eine angemessene Renditechance für die Bereitstellung von Kapital und der Übernahme des Residualrisikos gegenüber gestellt werden muss. Maßgeblich für den Handel – und dies gilt auch für den Handel mit Wertpapieren bzw. Unternehmensbeteiligungen – ist die Qualität des angebotenen Produkts. Diese verbessert sich, je attraktiver die Sicherungsfunktionen ausgestaltet sind und der Raum für verschwenderische Entscheidungen begrenzt wird, so dass der Investor bereit ist, einen angemessenen Preis zu zahlen. Kapitalaufbringungskosten verringern sich im Gleichschritt mit der Reduktion von Risikoaufschlägen. Überdies versuchen empirische Studien zu belegen, dass eine Verknüpfung zwischen der Qualität der Unternehmensüberwachung und des Anlegerschutzes einerseits sowie der Entwicklung der Finanzmärkte andererseits besteht204. Sich in vielen Punkten widersprechende Untersuchungen beantworten die Frage allerdings nicht einheitlich, ob eine gute Corporate Governance tatsächlich mit dem Erfolg des Unternehmens korrespondiert – etwa indem eine Kausalität zwischen der Einhaltung von Sollenssätzen in paragesetzlichen Verhaltenskodices und den Kursentwicklungen der betroffenen Unternehmen nachgewiesen wird205. Vielfach werden die Ergebnisse der sog. 203 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 11; Hefermehl/ Semler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 2. 204 La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer/Vishny, Journal of Financial Economics, Vol. 58 (2000), S. 3; dies., Journal of Finance, Vol. 57 (2002), S. 1147; Shleifer/ Vishny, Journal of Finance 52 (1997), 73. 205 Vgl. Nowak/Rott/Mahr, ZGR 34 (2005), 252 und die Studie von McKinsey & Company, Investor Opinion Survey on Corporate Governance, S. 2 ff., abrufbar

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

McKinzey-Studie bemüht, um das Bedürfnis für eine gute Corporate Governance zu rechtfertigen, die m. E. mit zweifelhaften Methoden, zu dem Ergebnis kommt, dass Finanzinvestoren bereit wären für deutsche Unternehmen mit guter Corporate Governance durchschnittlich 13% mehr zu investieren als vergleichbare Unternehmen mit einer schlechten206. Die methodologischen Schwächen dieser Studie beruhen schon auf der subjektiven Herangehensweise – so wurden 200 institutionelle Investoren in einem Fragebogen hinsichtlich ihrer Anlagepräferenzen befragt. Vielfach wird zudem die Studie von Paul A. Gompers, Joy L. Ishii und Andrew Metrick207 zitiert. Zwar greift diese auf empirisch nachweisbare Daten zurück, muss aber dahingehend kritisiert werden, dass es ihr an einer Übertragbarkeit auf den deutschen Kapitalmarkt fehlt. Eine neuere Studie, die insbesondere die Auswirkungen der Kodex-Konformität auf den Aktienkurs untersucht, zweifelt an, ob der Markt eine Bewertung der jeweiligen Corporate Governance vornimmt oder dazu überhaupt in der Lage ist208. In dieser Ereignisstudie kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass „die Befolgung der Kodex-Empfehlung für den Börsenkurs irrelevant“ sei209. Hiermit liegen erste empirisch nachweisbare Daten für den deutschen Kapitalmarkt und die Auswirkungen der Kodex-Konformität vor, die ein Vertrauen in die Kurs- und Marktreaktion als Reaktion auf eine Abweichung enttäuschen210. Diese vermögen jedoch keine grundsätzliche Aussage für die Auswirkungen einer guten Unternehmensführung auf den Unternehmenserfolg zu treffen. Nach dem bisher Gesagten ist deutlich geworden, dass Corporate Governance viel weniger auf die Befolgung von Kodices beschränkt ist als die allgemeine Wahrnehmung vermuten lässt. Legt man indes die empirischen Daten zahlreicher US-amerikanischer Studien zugrunde, die eine Verknüpfung von Anlegerschutzniveau als Folge guter Corporate Governance und Entwicklung der Wirtschaft als kumuliertes Ergebnis von Unternehmenserfolgen aufzeigen211, so stellt die Diskussion um gute Unternehmensführung mehr als nur eine Modeerscheinung dar. Ungeachtet der Rückschlüsse aus volkswirtschaftlicher Perspektive belegen neuere Untersuchungen eine solche Korrelation von guter Corporate Governance und Unternehmenserfolg bzw. höheren Gewinnen212. unter http://www.mckinsey.de/_downloads/presse/global_investor_opinion_survey_ 2002.pdf. 206 Vgl. Strenger, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 700. Kritisch auch Nowak/Rott/Mahr, ZGR 34 (2005), 252, 262. 207 Gompers/Ishi/Metrick, Quarterly Journal of Economics 2003 (118), S. 107–155. 208 Nowak/Rott/Mahr, ZGR 34 (2005), 252. 209 Nowak/Rott/Mahr, ZGR 34 (2005), 252. 210 Vgl. zur dieser Erwartung Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.56. 211 Shleifer/Vishny, Journal of Finance Vol. 52 (1997), S. 737; La Porta/Lopezde-Silanes/Shleifer/Vishny, Journal of Financial Economics, Vol. 58 (2000), S. 3. Dazu Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 27 f.

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Ist nun das Ziel von Corporate Governance als Mechanismus des Interessenausgleichs herausgearbeitet, so stellt sich im Anschluss die Frage, wie sich dieses Ziel bestmöglich erreichen lässt. Auf der einen Seite verursachen Governance-Regelungen nicht unerhebliche Kosten, z. B. für einen Aufsichtsrat, eine Compliance-Einrichtung oder eine Risikomanagementabteilung, andererseits sollen sie jedoch Wohlfahrtsgewinne schaffen213. Auftrag an diejenigen Entscheidungsträger, die den Ordnungsrahmen der Corporate Governance setzen, muss es daher sein, die Balance zwischen Aufwand und Nutzen zu finden. Daher wird die gesamte Diskussion von den Schlagworten „Effizienz“, „Flexibilität“ und „Deregulierung“ begleitet. Als effizient erweisen sich die Regelungen nur, wenn sie sich den Gegebenheiten und Bedürfnissen der zusammenwachsenden Märkte anpassen können. Auf zwingende gesetzliche Verhaltensanforderungen kann verzichtet werden, wenn der Markt eigenständig bessere Lösungen bereithält. Auch die Banken- und Versicherungsaufsicht muss einer Überprüfung ihrer Effizienz und Anpassungsfähigkeit standhalten können, wenn sie als taugliche Instrumente für eine gute Unternehmensführung gelten wollen.

IV. Die wachsende Bedeutung von Corporate Governance Die Corporate Governance-Diskussion hat in den vergangenen Jahren wieder an Bedeutung gewonnen. Unter den zahlreichen Ursachen lassen sich hierbei als prominente Beispiele die Bilanzskandale in den Vereinigten Staaten, die vermehrte Zuwendung zu den Kapitalmärkten zur Altersabsicherung, die Entstehung von Kodices sowie die damit einhergehende Rezeption in der wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Behandlung aufführen. In der öffentlichen Wahrnehmung hat vor allem der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) und seine aktienrechtliche Verankerung in § 161 AktG eine bedeutende Rolle eingenommen. Aber auch die fortwährenden Novellen der finanzmarktrechtlichen Gesetzgebung, vornehmlich durch Impulse der Europäischen Gemeinschaften angestoßen, und die zahllosen Aktienrechtsreformen spiegeln die geänderten und sich ändernden Anforderungen an den Wandel der Zeit wider. Unter Berücksichtigung der Konkurrenz zwischen den internationalen Finanzmärkten, grenzüberschreitend tätigen Finanzinvestoren und den wertvollen Erkenntnissen rechtsvergleichender For212 Bebchuk/Cohen, Journal of Financial Economics 78 (2005), S. 409, 428; Aggarwal/Williamson, S. 24. 213 Vgl. nur den Ansatz zur Ermittlung der Agency-Kosten bei einem heterogen besetzten Aufsichtsrat in einem mitbestimmten Unternehmen Pistor, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch. S. 157.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

schung im Bereich der Corporate Governance versucht der Gesetzgeber, den Finanzstandort Deutschland wettbewerbsfähig zu gestalten.

§ 2 „Allgemeine“ Corporate Governance – Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht als gegebener Ordnungsrahmen Will man den Beitrag des Wirtschaftsaufsichtsrechts für das Gefüge guter Unternehmensführung ermitteln, gilt es zunächst die Eckpfeiler des allgemeinverbindlichen, nicht nur auf spezielle Branchen anwendbaren Ordnungsrahmens herauszuarbeiten. Dieses Kapitel möchte sich daher mit der Funktion des Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrechts als „gegebener“ Kanon rechtlicher Rahmenbedingungen für die Corporate Governance auseinandersetzen. Im Detail werden die Strukturmerkmale der internen und externen Corporate Governance untersucht, so wie sie dem in Deutschland verbindlichen System der Unternehmensführung und -kontrolle rechtstatsächlich für alle börsennotierten Unternehmen, also auch kapitalmarktorientierten Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen prägenden Charakter verleihen [s. unten III.]. Lohnenswert für das Verständnis der Diskussion, ob Corporate Governance effizienter durch gesellschafts- oder kapitalmarktrechtliche Vorschriften zu gestalten sei, erweist sich – trotz der unbestreitbar nationalen Prägung eines Corporate Governance-Systems – die Gegenüberstellung real existierender Konkurrenzmodelle anhand der Beispiele der USA und Kontinentaleuropa [s. unten I.]. Um diese Erkenntnisse für die deutsche Rechtsordnung fruchtbar machen zu können, muss zunächst eine Trennlinie zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht gezogen werden. Im Rahmen eines Exkurses [s. unten II.] soll der Versuch unternommen werden, die notwendige Konturenschärfe herzustellen, um abschließend [s. unten IV.] die Frage beantworten zu können, mit welchen Mitteln eine wirkungsvolle und effiziente Corporate Governance zu gestalten ist.

I. Die gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Konkurrenzmodelle von Corporate Governance Die zu beobachtenden unterschiedlichen Herangehensweisen an die Corporate Governance beruhen vielfach auf den national bzw. historisch gefärbten Besonderheiten214. Um ein Verständnis für die Diskussion um Cor214 Vgl. zu den weltweit unterschiedlichen Corporate Governance Systemen Prigge, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Govern-

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porate Governance und seine Prinzipien zu ermöglichen, ist es zwingend notwendig, sich die Besonderheiten der verschiedenen Modelle in der Praxis zu vergegenwärtigen. Aufgrund prägnanter Unterschiede und einer vergleichsweise hohen Konsistenz bietet sich eine Gegenüberstellung des USamerikanischen Corporate Governance-Systems [s. unten 1.] mit dem kontinentaleuropäisch-deutschen System [s. unten 2.] an. 1. Das kapitalmarktrechtliche Corporate Governance-Modell in den USA Auf der einen Seite des Atlantiks steht das sog. US-amerikanische oder kapitalmarktrechtliche Corporate Governance-Modell. Den Charakter dieses Modells prägt die Ausrichtung überwiegend an den Vermögensinteressen der Anleger bzw. Aktionäre bei weitestgehender Ausklammerung anderer Interessengruppen wie etwa Fremdkapitalgeber und Arbeitnehmer215. Seine Bezeichnung erhält es durch eine Dominanz kapitalmarktrechtlicher Vorschriften bei nur geringer gesellschaftsrechtlicher Regelungsdichte. Obwohl dieses Verhältnis seinen Ursprung einer verfassungsrechtlichen Zufälligkeit, nämlich der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für das Kapitalmarktrecht (securities regulation) auf der einen und die der Bundesstaaten für das Gesellschaftsrecht auf der anderen Seite, verdankt, würde ein monokausaler Begründungsansatz zur Erklärung dieses Phänomens zu kurz greifen. Zu dem verfassungsrechtlichen Kompetenzgefüge treten historische Umstände sowie eine traditionell eigenkapitalorientierte Unternehmensfinanzierung hinzu, die zur eindimensionalen Ausrichtung an die Interessen der Eigenkapitalgeber geführt haben216. Das schlanke Gesellschaftsrecht (corporation codes) der Bundesstaaten, die zwingende Vorgaben nur in geringem Umfang enthalten, stellt im Zeichen der Privatautonomie – ganz im Gegensatz zu § 23 Abs. 5 AktG – ance, S. 945; Bessler/Kaen/Sherman, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 570. In engem Zusammenhang dazu steht die vor allem in den Vereinigten Staaten heftig geführte path-dependency-Debatte (Pfadabhängigkeit) von der Abhängigkeit der jeweiligen historischen und kulturellen Rahmenbedingungen und die Frage nach der Effizienz solcher „pfadabhängigen“ Regelungen, Semler/Spindler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 220, m. w. N.; Roe, in: Hopt, Wymeersch, Comparative Corporate Governance, S. 165 ff.; ausführlich Hopt, ZGR 29 (2000), 779, 798 ff. 215 Ausführlich dazu Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 554 ff.; Romano, The Genius of American Corporate Law, S. 128 ff.; Stith, Georgetown Law Journal 79 (1991), S. 1581, 1612 ff.; Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 3. 216 Merkt, AG 2003, 126, 127; Semler/Spindler, in: MünchKommAktG, vor § 76 Rn. 220.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

Spielräume hinsichtlich der Gestaltung von individuell ausgehandelten Satzungen zur Verfügung217. Dabei hat das föderalistische System zu einem Wettbewerb der Bundesstaaten im Bereich des Gesellschaftsrechts geführt, aus dem bisweilen eine kryptische Ausgestaltung der gesetzlichen Anforderungen an das Gesellschaftsstatut resultiert218. Hervorzuheben ist hierbei der Bundesstaat Delaware, dessen Minimalanforderungen an dort ansässige Unternehmen dazu geführt haben, dass etwa die Hälfte der Fortune 500 Unternehmen in Delaware registriert sind (sog. „Delaware-Effekt“)219. Umstritten in der US-amerikanischen Literatur ist die Bewertung dieses Phänomens als schädliche Deregulierung („race to the bottom“) oder aber als förderlicher Wettbewerb um das attraktivste Gesellschaftsstatut („race to the top“)220. Die „interstate commerce“-Klausel der amerikanischen Verfassung ermächtigt den Bundesgesetzgeber zum Erlass von Vorschriften den staatenübergreifenden Handel betreffend und so auch über den grenzüberschreitenden Wertpapierhandel221. Vor allem ist von dieser Kompetenz im Anschluss an den Börsenkrach im Jahr 1929 mit dem Securities Act (SA) von 1933 und dem Securities Exchange Act (SEA) von 1934 Gebrauch gemacht worden222. Für diese Entwicklung zeichnete sich unter anderem der Wettlauf der Bundesstaaten um die meisten Inkorporationen mit der Deregulierung 217 Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 3; Romano, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 168; Schneider, DB 2000, 2413, 2415. 218 Vgl. Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 96 ff.; Romano, The Genius of American Corporate Law, S. 112 ff.; dies., in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 168 ff., welche die Eignung des Wettbewerbs von „standard contract terms for corporate governance“ für Prinzipal-Agenten-Konflikte ausdrücklich betont. 219 Merkt, ZfRV 37 (1996), 1; ders., RabelsZ 59 (1994), 545, 549 ff.; Romano, The Genius of American Corporate Law, S. 6 f.; Kamar, Columbia Law Review 98 (1998), S. 1908, 1909; Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 112 f. 220 Ebenso findet der Begriff „race for laxity“ Verwendung. Die klassischen Quellen sind Cary, Yale Law Journal Vol. 83 (1974), S. 663 („race to the bottom“) und Winter, Journal of Legal Studies Vol. 6 (1977), S. 251 („race to the top“). Aktuelle Nachweise zu dieser Debatte bei Jones, Wake Forest Law Review Vol. 41 (2006), S. 879, 883 f.; Romano, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 170 f. Siehe hierzu auch aus der deutschsprachigen Literatur Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 18 ff.; Hopt, in: Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1021; Hirte, ZGR Sonderheft 13, 61, 71 f.; Assmann, Prospekthaftung, S. 96 m. w. N., ebda. Fn. 17. 221 Artikel I, Abschnitt 8, Ziffer 3 US-Verfassung. 222 Pellens/Fülbier/Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 858; ausführlich zur Geschichte des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts und dem Kampf der Philosophien Merkt, Unternehmenspublizität, S. 114 ff.; Assmann, Prospekthaftung, S. 97 ff.

§ 2 Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht als Ordnungsrahmen

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ihres Gesellschaftsrechts verantwortlich223. Noch heute bilden der SA und der SEA die Grundlage für den effizienten und gut funktionierenden Finanzmarkt in den Vereinigten Staaten224. Diese beiden zentralen kapitalmarktrechtlichen Gesetze werden vom Geist der Disclosure Philosophy getragen, die von einem Lösungsansatz für die Prinzipal-Agenten-Problematik ausgeht, opportunistischem Verhalten der Geschäftsleitung mit der Offenlegung von entscheidungserheblichen Informationen entgegenzuwirken225. Nicht nur der primäre Effekt der Information, sondern auch die Abschreckung davor, ein bestimmtes Verhalten offen legen zu müssen, umschließen die Funktionen der Publizität226. Der spätere Supreme Court Richter Louis D. Brandeis hat diese Konzeption mit den anschaulichen und vielzitierten Worten, „Sunlight is said to be the best of desinfectants; electric light the most efficient policeman“, umschrieben227. Diese Ausrichtung der kapitalmarktrechtlichen Gesetzgebung in den 1930ern war umstritten und umkämpft, der Sieg der Disclosure Philosophy nicht selbstverständlich, obwohl das vor dem Hintergrund des heute erfolgreichen Kapitalmarkts verwunderlich erscheinen mag. Alternativ stand ein System nach dem Vorbild der einzelstaatlichen Blue Sky Laws zur Diskussion, nach welchem die öffentliche Handelbarkeit von Wertpapieren von einer behördlichen Zulassung abhängig gemacht werden sollte. Aufgabe der Aufsichtsbehörde sollte es sein, die Genehmigung von einer umfassenden inhaltlichen (Bonitäts-)Prüfung der Emittenten bzw. der einzureichenden Unterlagen abhängig zu machen (sog. „merit approach“)228. Dem Marktentscheid vorweggenommen war eine Bewertung durch eine staatliche Einrichtung, die zu dem fatalen Ergebnis führte, dass nur noch in Ausnahmefällen eine solche Genehmigung erteilt wurde229. Deren Tätigkeit beschränkte sich also nicht auf eine Überwachung der Offenlegungsvorschriften, sondern fokussierte auf eine weiter223 Zur Entwicklung des US-amerikanischen Gesellschaftsrecht Merkt, ZfRV 1996, 1, 5 ff. 224 Diese Einschätzung u. a. bei Luttermann, in: MünchKommAktG, Das Bilanzrecht der Aktiengesellschaft, Rn. 11. 225 Merkt, AG 2003, 126, 127; Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 4. 226 Hopt, ZHR 140 (1976), 201, 205. 227 Brandeis, Other People’s Money and How the Bankers Use it, S. 92. 228 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 532; Merkt, Gutachten zum 64. DJT, S. G 31; Assmann, Prospekthaftung, S. 96 ff. 229 Vgl. die Zahlen zum Blue Sky Law in Kansas Mulvey, Canadian Law Times Vol. 36 (1917), S. 37 f. Die nach den Vorbildern von Nevada und Kansas sowie der Bestätigung ihrer Verfassungsmäßigkeit durch den Supreme Court folgende Welle von Blue Sky Laws konnte den Börsencrash von 1929 nicht verhindern. Diese Regeln wurden von den Emittenten missachtet und Wertpapiere ohne Genehmigung öffentlich angeboten, vgl. Seligman, Washington University Journal of Law and Policy Vol. 6 (2001), S. 205, 207.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

gehende materielle Prüfung, was letztlich zu einer unmittelbaren Kontrolle der Unternehmen und ihrer Geschäftstätigkeit selbst führte. Dieses Konzept der Aufsicht über den Wertpapierhandel vermochte schließlich nicht, sich bei der Schaffung des Bundeskapitalmarktrechts durchzusetzen230. Ungeachtet dessen hängt die Funktionsfähigkeit des disclosure-Ansatzes in besonderem Maße von der Qualität der zur Verfügung gestellten Informationen ab231. Zur Durchsetzung der Primär- und Sekundärmarktpublizität musste in Ermangelung geeigneter Haftungsregeln im common law232 und effizienter Kontrollmechanismen eine staatliche Einrichtung geschaffen werden. Aus diesem Grund wurde gleichzeitig mit der Einführung des Bundeskapitalmarktrechts die Securities Exchange Commission (SEC) errichtet und mit weitreichenden – vor allem im internationalen Vergleich mit den Wertpapieraufsichtsbehörden – Aufsichtsbefugnissen ausgestattet, die auch eine „quasilegislatorische“ Tätigkeit mit einschließen233. Sofern Wertpapiere öffentlich angeboten oder gehandelt werden sollen, bedarf es einer Registrierung. Diese dient als Anknüpfungspunkt für die behördliche Überwachung der Vorgaben aus dem SA 1933 und des SEA 1934, deren Regelungsgegenstände sich grob skizziert in Regelungen bezüglich des sog. Primärmarkts einerseits und die Folgepflichten für den Sekundärmarkt andererseits aufteilen234. Beide Gesetze statuieren in Ergänzung mit den Konkretisierungsvorschriften der SEC umfangreiche Pflichten im Hinblick auf die Erstellung eines Prospekts bei der (Erst)Emission von Wertpapieren, die Veröffentlichung von periodischen Zwischenberichten und die Ad-hoc-Publizität von wesentlichen unternehmensbezogenen Informationen235. Die SEC prüft die Einhaltung dieser verschiedenen Offenlegungsverpflichtungen nicht anhand inhaltlicher sondern lediglich formeller Kriterien, wie etwa Vollständigkeit der Veröffentlichung sowie die ordnungsgemäße Bereitstel230

Assmann, Prospekthaftung, S. 99 f. Die Wertpapiergesetze der Einzelstaaten zur Regelung des „intra-state commerce“ beanspruchen noch heute Geltung und sind neben dem Bundesrecht zu beachten, siehe Pellens/Fülbier/Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 850; Loss/Seligman, Securities Regulation, S. 9 ff.; siehe zur Beschränkung des Anwendungsbereichs der Blue Sky Laws durch den National Securities Markets Improvement Act für sog. „covered securities“, vgl. Loss/Seligman, Securities Regulation, S. 60 ff.; Jones, Wake Forest Law Review Vol. 41 (2006), S. 879, 890 insbes. dort Fn. 68. 231 Spindler, AG 1998, S. 53, 58. 232 Ausführlich dazu Assmann, Prospekthaftung, S. 119 ff. 233 Assmann, Prospekthaftung, S. 101; vgl. Hackethal/Schmidt/Tyrell, Corporate Governance Vol. 13 (2005), S. 400; Pellens/Fülbier/Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 58 ff.; Hopt, ZHR 140 (1976), 201, 206. 234 Hopt, ZHR 140 (1976), 201, 203 f. 235 Zur Konzeption des „Integrated Disclosure Systems“ siehe Pellens/Fülbier/ Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 850 ff.

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lung236. Die Beurteilung von Qualität und Preis der Wertpapiere überlässt sie den Marktteilnehmern und übt so die klassische Form der Publizitätsaufsicht aus237. Im Rahmen einer „full and fair dislosure“238 soll die Entscheidung für Kapitalanlagen transparenter und die Kapitalmarkteffizienz gesteigert werden239. Aufgrund der vorrangigen Inanspruchnahme von Eigenkapitalfinanzierung im Gegensatz zur europäischen Praxis konnte und kann sich der Regelungsbedarf auf die Beziehung zwischen den Eigenkapitalgebern, also den wirtschaftlichen Eigentümern der Unternehmen, und der Geschäftsführung konzentrieren. Um die Interessen der Shareholder zu wahren, genügen die Regelungen eines eindimensional angelegten Kapitalmarktrechts. Da als Kernproblem der Prinzipal-Agenten-Problematik eine ungleiche Verteilung von Informationen identifiziert wird [s. oben § 1], erklärt sich der Lösungsansatz, diese Asymmetrien mit zwingenden Offenlegungsvorschriften auszugleichen, nahezu von selbst. Sofern dem Markt diejenigen Daten zur Verfügung gestellt werden, die für eine (De-)Investitionsentscheidung von Bedeutung sind, besteht lediglich gesellschaftsrechtlicher Regelungsbedarf für jenen Bereich, in dem sich opportunistisches Verhalten des Managements nicht durch Marktkräfte eindämmen lässt. Soweit die (Kapital-)Märkte für eine effiziente Bewertung Sorge tragen können, ist die Anwendung kollektiver Regulierung im Vorfeld nicht notwendig. Zwingende ex ante Regelungen können sich auf die Bereiche beschränken, in denen sich Opportunismusoptionen nicht über den Marktentscheid durchsetzen lassen240. Flankiert werden diese Regelungen durch ein strenges Börsenzulassungsrecht, so dass vieles der klassischen gesellschaftsrechtlichen Materie – zumindest nach dem deutschen Verständnis – im Mantel des Kapitalmarktrechts verbindlich wird241. Vertieft wird diese funktionale Substitution, bekannt geworden unter dem Stichwort „federal corporation law“242, durch 236 Pellens/Fülbier/Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 59; Hopt, ZHR 140 (1976), 201, 205. 237 Merkt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 718. 238 So in der Präämbel des SA 1933, „An Act to provide full and fair disclosure of the character of securities sold in interstate and foreign commerce and through the mails, and to prevent frauds in the sale thereof, and for other purposes.“, hierzu Merkt, Gutachten für den 64. DJT, G 30 f.; ders., Unternehmenspublizität, S. 114 ff. 239 Pellens/Fülbier/Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 58. 240 Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 3 f.; Spindler, AG 1998, 53, 65; Merkt, AG 2003, 126, 129; ders., in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch. S. 717. 241 Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1; Fleischer, ZIP 2006, 451, 451, der von einer „Lückenbüßerfunktion“ der securities regulation im Hinblick auf die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Gesellschaftsrecht spricht. 242 So Fleischer, Harvard Law Review Vol. 78 (1965), 1146.

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die jüngere Kapitalmarktgesetzgebung in Form des Sarbanes Oxley Act von 2002 (SOA) als Antwort auf die Bilanzskandale, der sich ebenso auf die „interstate-commerce“-Klausel stützt und wesentliche verbandsrechtliche Vorgaben enthält243. Trotz teilweise erheblicher Kritik an der Einmischung des Bundesgesetzgebers in gesellschaftsrechtliche Regelungsmaterie wird dieser Gegenpol zur Dominanz des einzelstaatlichen Rechts vor allem in Delaware auch begrüßt244. 2. Das gesellschaftsrechtlich geprägte Corporate Governance-Modell in Kontinentaleuropa Dem kapitalmarkrechtlichen, US-amerikanischen Corporate GovernanceModell steht ein kontinentaleuropäisches Konkurrenzmodell gegenüber, das sich bekanntermaßen an den Interessen aller Stakeholder orientiert und dessen Regelungen fest im Gesellschaftsrecht verankert sind245. Beispielhaft für diesen interessenpluralen Ansatz ist das System guter Unternehmensführung in Deutschland, das gerade keine eindeutige Präferenz für die Bedürfnisse der Anteilseigner enthält. Auch hier sind die Ursachen für diese Entwicklung in den historischen und wirtschaftlichen Umständen zu finden. Gegenüber dem Trennbankensystem in den Vereinigten Staaten nach dem Glass-Steagall-Act führte das Universalbankensystem zu einer Abhängigkeit der Unternehmen von den Großbanken bei der Finanzierung246. Die überwiegende Versorgung mit Fremdkapital und der Einfluss der Financiers aufgrund großer Volumina haben naturgemäß zu einer Berücksichtigung ihrer Interessen geführt. Eigenkapitalfinanzierung hingegen spielte seit jeher nur eine untergeordnete Rolle. Auch bei der Gesetzgebung fand und findet der Schutz von Gläubigerinteressen in einem gesellschaftsrechtlich verankerten 243 Fleischer, ZIP 2006, 451, 453; ders., WM 2004, 1057, 1060 mit Hinweis auf das Kreditverbot an Verwaltungsmitglieder gem. § 402 SOA. Übersichtlich zu den Skandalen, ihren Gründen und dem SOA, Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 39 ff.; Coffee, Cornell Law Review Vol. 89 (2004), 269 ff. 244 Siehe Jones, Journal of Corporation Law 29 (2004), 625 ff. 245 Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 4; Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 557 f.; Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 647. 246 Zum Einfluss der Universalbanken auf die Corporate Governance in Deutschland, vgl. Hommelhoff, in: Festschrift Zöllner, Band I, S. 235 ff.; Mülbert, in: Hopt/ Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 447 ff.; Wenger/Kaserer, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 500 ff.; Hopt, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 234 ff. Bisher fehlt es an gesicherten Erkenntnissen, welche die Auswirkung von Beteiligungen, Aufsichtsratsmandaten und Vollmachtsstimmrecht der Kreditinstitute im Universalbankensystem auf die Effizienz der Unternehmensüberwachung belegen könnten, Hopt, ebda., S. 260 f.

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Kapitalerhaltungssystem Berücksichtigung. Die deutsche Rechtsordnung ist durch gesetzliche Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsgrundsätze gekennzeichnet, deren Einhaltung durch bilanzrechtliche Vorschriften flankiert wird. Dabei fällt auf, dass die Interessen der Gläubiger im Bilanzrecht des Handelsgesetzbuchs sogar Vorrang vor den Eigenkapitalgeberinteressen genießen. Obwohl die vertragliche Absicherung von Forderungen (Schutzklauseln, sog. „covenants“) mittlerweile auch außerhalb des common-lawRechtskreises üblich geworden ist, sind die Fremdkapitalgeber und übrigen Gläubiger nicht auf dieses Kautelarsystem angewiesen247. Diese Fremdkapitalgeberorientierung vermag aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass auch die Interessen der Aktionäre in Form der Anleger in den Genuss gesetzlichen Schutzes gelangen. Nicht ohne Grund verweist die Begründung zum Aktiengesetz 1965 an vielen Stellen auf die Bedeutung „wirtschaftlichen Eigentums“ der Aktionäre248. Deren Interessen werden vornehmlich im Rahmen der durch die Satzung vorgegebenen mitgliedschaftlichen Rechte gewahrt. Der Aktionär gilt als Mitgesellschafter, dessen Status sich durch Mitverwaltungs- und Teilhaberechte auszeichnet249. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Voice-Optionen schafft der Gesetzgeber mit der Gestaltungsschranke des § 23 Abs. 5 AktG als zentralem Steuerungsinstrument, wonach die privatautonome Gestaltung nur innerhalb der engen gesetzlichen Grenzen ermöglicht wird. Das Prinzip der Satzungsstrenge, so die allgemeine Begründung, diene vor allem dem Schutz der Kapitalanleger und der Funktionsfähigkeit der Märkte, indem die Aktie, in diesem Sinne als Handelsprodukt, standardisiert wird250. Der Erwerber einer Unternehmensbeteiligung weiß im Voraus, welche Stimm-, Dividenden-, und Bezugsrechte ihm zustehen. Dies verhindert zwar eine den Anforderungen des jeweiligen Unternehmens entsprechende Individualisierung oder Anpassung der Satzung, erspart dem Anleger aber einen Mehraufwand an Informationsbeschaffung251. Bei dieser Begründung wird der Zweck der aktienrechtlichen Satzungsstrenge deutlich, die im Gegensatz 247 Merkt, AG 2003, S. 126, 132. Hopt, in Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1021 weist auf die auffällige funktionale Substitution der (deutschen) Bilanzregeln durch die (amerikanischen) Vertragsregeln der financial covenants hin. Zu Problemen im Zusammenhang mit den Eigenkapitalersatzvorschriften siehe Diem, BKR 2002, 1034. Siehe auch Klausel 26 des Mustervertrages der Loan Market Association (LMA) des „Senior Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement“ (für Leveraged Finanzierungen) vom Dezember 2005. 248 Siehe oben Einleitung, Fn. 3; dazu Fleischer, ZIP 2006, 451, 452. 249 Fleischer, ZIP 2006, 451, 452; Luttermann, in: MünchKommAktG, Das Bilanzrecht der Aktiengesellschaft Rn. 30 f. 250 Statt aller Röhricht, in GroßkommAktG, § 23 Rn. 167. 251 Pentz, in: MünchKommAktG, § 23 Rn. 150; Hüffer, AktG, § 23 Rn. 34; kritisch: Hirte, ZGR Sonderheft 13, 61, 71 ff.

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zum verbandsbezogenen Gesellschaftsrecht kapitalmarktrechtliche oder anlegerschützende Bezüge aufweist252. Das Anlageprodukt „Aktie“ weist so eine standardisierte Rezeptur auf. Zu beobachten ist bereits eine Akzentverschiebung des Anlegerschutzes gegenüber dem US-amerikanischen Corporate Governance-Modell dahingehend, dass hier der Gesetzgeber den Schutz der Minderheitsaktionäre in den Fokus rückt253. Hintergrund bildet die für Deutschland typische heterogene Aktionärstruktur mit einem oder mehreren Großanleger(n) auf der einen und eine Vielzahl von Kleinanlegern auf der anderen Seite254. Es sind also verstärkt Konflikte der einzelnen Shareholdergruppen untereinander und ihre Einflussmöglichkeiten auf die Verwaltung des Unternehmens als die Prinzipal-Agenten-Problematik nach USamerikanischem Verständnis mit ihrem Kernproblem von asymmetrischer Informationsverteilung zwischen Geschäftsleitung und Anteilseignern, die das Aktiengesetz im Auge hat. Auch die Wahrung von Interessen der übrigen Stakeholder neben den Gläubigern überantwortet der Gesetzgeber nicht allein dem Marktentscheid255. Die Tauglichkeit der Märkte, beispielsweise Arbeitnehmerinteressen allein den Kräften des Arbeitsmarktes zu überlassen, wird stattdessen mit großem Argwohn betrachtet. Denknotwendigerweise kann ein System, das den Ausgleich einer Vielzahl von mitunter gegensätzlichen Interessen anstrebt, nicht auf das freie Spiel des Wettbewerbs vertrauen256. Vielmehr müssen zwingende ex ante Regelungen, fest in das Regelungsgefüge des Verbandsrechts eingebettet, einen Großteil der Funktionen zur Beschränkung von Opportunismusoptionen übernehmen. Nach den Grundlagen, die das Verhältnis zwischen der Verwaltung (Vorstand und Aufsichtsrat) und der Aktionäre regelt, dient die obligatorische Zweiteilung der Verwaltungsorganisation von Aktiengesellschaften als zentrales Steuerungselement257. Da die Anteilseigner die Aufgaben der Unternehmensleitung dem Vorstand und die der Überwachung dem Aufsichtsrat ex ante übertragen haben, können die Aktionäre nur noch Grundsatzentscheidungen über das Organ der Hauptversammlung treffen. Im Vordergrund der unternehmensinternen Kon252 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 78 ff.; Hirte, ZGR Sonderheft 13, 61, 77 ff.; Spindler, AG 1998, 53 ff. 253 Merkt, AG, 2003, 126, 127; Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 651. 254 Hopt, in: Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1015 f.; ders., in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 38; Hefermehl/Semler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 4. Semler/Spindler, in: MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 137. 255 Zur Frage nach der Substituierbarkeit kollektiver ex ante Entscheidungen durch den Marktentscheid zur Wahrung von Stakeholderinteressen, siehe Hirte, ZGR Sonderheft 13, 61, 74 ff.; Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 9 ff. 256 Merkt, AG 2003, 126, 127; Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 9. 257 System der „checks und balances“, vgl. Teichmann, ZGR 30 (2001), 645, 646.

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trolle steht die Kompetenzverteilung innerhalb der Verwaltung. Wesentliche Aufgaben im Rahmen interner Corporate Governance übernimmt der Aufsichtsrat und fungiert als Gremium des Interessensausgleichs zwischen den Stakeholdergruppen258. Auch wenn diese Zweiteilung im deutschen Aktienrecht ein Sonderweg geblieben ist, stand das sog. two-tier System in keiner Aktienrechtsreform jemals ernsthaft zur Debatte259. Umso größer ist die Innovationsleistung der SE-Verordnung zu bewerten, indem sie den Gründergesellschaftern einer „Europäischen Aktiengesellschaft“ nunmehr ein Wahlrecht zwischen beiden Systemen gewährt260. Die praktische Relevanz dieser Option für Unternehmen in Deutschland bleibt zweifelnd abzuwarten. Vor allem ist zu vermuten, dass die Regelungen zur Mitbestimmung, die zu einer Besetzung des eingliedrigen Verwaltungsorgans (auch) mit Vertretern der Arbeitnehmerschaft führen würden, eine weite Verbreitung des one-tierSystems verhindern261. Man würde dem geltenden System jedoch nicht gerecht, wenn die kapitalmarktrechtlichen Zusammenhänge, vor allem in Anbetracht ihres Anwachsens in der jüngeren Zeit, ausgeblendet blieben. Hierbei ist nicht allein auf die steigende Anzahl von Normwerken im Rahmen der Finanzmarktgesetzgebung abzustellen, sondern auch die gesellschaftsrechtlichen Kodifizierungen selbst weisen zunehmend kapitalmarktrechtliche Funktionsbezüge auf. Bisher wurden diese Bezüge, mit Ausnahme der §§ 20 ff. AktG, die 258 Hopt, in: Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1023; Schmitz, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 235. Zum Sonderproblem der Vertretung von Großgläubigerinteressen der Universalbanken, siehe unten § 2 II. 1. b), dazu Roth/Wörle, ZGR 33 (2004), 565, 598. 259 Vgl. die Einschätzung Hopt, in: Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1022. Es ist zu beobachten, dass die Vertreter innerhalb eines Rechtskreises von der Überlegenheit des eigenen Leitungssystems überzeugt sind, siehe Lutter, ZGR 30 (2001), 224, 226; Davies, ZGR 30 (2001), 268, 292 f. und passim; Theisen, in: Hopt/Kanda/Roe/ Wymeersch/Prigge, S. 260; Hampel Report, Summary Nr. 10. Bisher fehlt es jedoch an empirischen, ökonomischen Nachweisen, welche das belegen könnten (vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 18, 312). Vgl. aber die jüngste Studie von Jungmann, ECFR 2006, 426 ff., die nach umfangreicher Analyse empirischer Daten die Effektivität beider Systeme belegt und keinen „Sieger“ kürt. Mit der Änderung der Leitungsstruktur in der AG beschäftigte sich u. a. der 34. Deutsche Juristentag und votierte ablehnend. Im Vorfeld der Aktienrechtsreform 1965 machte sich vor allem Rudolf Wiethölter für eine einheitliche Verwaltungsspitze stark, siehe Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, S. 305 ff. 260 Fleischer, NZG 2004, 1129, 1132; ders., AcP 204 (2004), 502, 521 f. 261 Wagner, EWS 2005, 545, 551, aufgrund einer drohenden „Überparität“, schon frühzeitig (zum SEBG-Entwurf) die Praxisuntauglichkeit erkennend, Hoffmann-Becking, ZGR 33 (2004), 355, 382. Mitunter wird sogar die Verfassungsmäßigkeit von § 35 SEBG angezweifelt, vgl. Kämmerer/Veil, ZIP 2005, 369 ff. Die Umstrukturierung der Allianz AG in eine dualistische SE gibt beredtes Zeugnis hierüber.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

bereits im Rahmen der Aktienrechtsreform 1965 eingeführt wurden, vernachlässigt262. Durch die Anpassung eines vormals einheitlichen Aktienrechts, insbesondere mit der Beschränkung mancher Anwendungsbereiche auf „börsennotierte Aktiengesellschaften“ hat sich ein System von „Stammregelungen mit Differenzierungen“ entwickelt263. Viel weitreichender sind jedoch die Entwicklungen im Kapitalmarktrecht. Vor allem erweist sich der europäische Gesetzgeber, nachdem er in zwölf gesellschaftsrechtlichen Richtlinien maßgeblich in den 1970er und 1980er Jahren große Bemühungen zur Harmonisierung des Verbandsrechts aufgewendet hat, als treibende Kraft, um der Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarkts entsprechende funktions- und anlegerschützende Maßnahmen beiseite zu stellen264. Im Rahmen des „Aktionsplans für Finanzdienstleistungen“ (Financial Service Action Plan – FSAP)265, der die konzeptionelle Grundlage für die Finanzmarktgesetzgebung bildete, sind zahlreiche Richtlinien vor allem im Bereich der Marktregulierung ergangen266. Konsequenzen für das System der Corporate Governance ergeben sich durch eine Ausweitung der Publizitätspflichten, wie sie beispielsweise durch die Implementierung ausländischer Regelungsvorbilder zum Ausdruck kommt267. Im Einzelnen besteht jedoch erheblicher Abstimmungsbedarf zwischen den gesellschaftsund kapitalmarktrechtlichen Regelungen. 3. Pfadabhängigkeit oder Konvergenz? – Ein Zwischenfazit Historische Ursache und daher nicht ohne weiteres auf die Situation in Deutschland übertragbar, ist die Verfassungslage in den USA. Während den einzelnen Bundesstaaten die Gesetzgebungskompetenz für das Gesellschaftsrecht obliegt, kann der Zentralstaat aufgrund der „interstate com262

Fleischer, ZIP 2006, 451, 452. Der Begriff stammt aus dem schweizerischen Aktienrecht, vgl. Bundesamt für Justiz, Schlussbericht der Groupe de réflexion „Gesellschaftsrecht“ vom 24. September 1993, S. 27; hierzu: Kläy, SZW 1994, 135, 137. 264 Siehe hierzu Foelsch, BKR 2007, 94. 265 Vgl. KOM (1999) 232 endg. vom 11. Mai 1999. Die Kommission hat in einem Fortschrittsbericht vom 5. Januar 2006 die zehn zuvor veröffentlichten Zwischenberichte festgestellt, dass 98% des FSAP umgesetzt worden sind, siehe SEK (2006) 17. 266 Abgelöst wurde der Aktionsplan durch ein Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005 bis 2010, siehe KOM (2005) 629 endg. vom 1. Dezember 2005 abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/ 2005/com2005_0629de01.pdf; siehe hierzu Foelsch, BKR 2007, 94, 101. Zu erwarten ist eine Konsolidierung der geltenden Rechtslage mit einem Fokus auf der Harmonisierung der aufsichtsrechtlichen Praxis. 267 Zur Konzeption der „legal transplants“ vgl. Fleischer, NZG 2004, 1129 ff. 263

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merce clause“ die Regelungen für den einzelstaatenübergreifenden Wertpapierhandel und so das Kapitalmarktrecht gestalten. Diese Kompetenznorm ist skandal- und probleminduziert umfangreich in Anspruch genommen worden und stellt zunächst eine US-amerikanische Besonderheit dar. Obwohl das Problem unterschiedlicher legislativer Zuständigkeiten in Deutschland aufgrund der umfassenden Bundesgesetzgebungskompetenz für das Wirtschaftsrecht (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) so nicht existiert, gewinnt die Diskussion allenfalls an Bedeutung vor dem Hintergrund, dass die EG ihre Kompetenzen in der Finanzmarktgesetzgebung vermehrt wahrgenommen hat. Die US-amerikanische Streitfrage lässt sich auf das Verhältnis der Mitgliedstaaten und der EG in Anbetracht der Regelungsintensität gesellschaftsrechtlicher Richtlinien in der Vergangenheit nicht ohne weiteres übernehmen268. Wenn man nun eine Annäherung beider Modelle zueinander betrachtet, die sich in der Tendenz wohl eher in der Fokussierung der europäischen Vorschriften auf kapitalmarktrechtliche Gesetzgebung auszeichnet269, wird umso deutlicher, dass es weniger die verfassungsrechtlichen Hintergründe sein können, die eine antipodische Betrachtung hervorrufen. Letztlich erweisen sich die konzeptionellen und inhaltlichen Gegensätze, geprägt durch eine den Marktentscheid präferierende, shareholderorientierte Ausrichtung im kapitalmarktrechtlichen System dort und eine interessenpluralistische Orientierung im gesellschaftsrechtlichen System mit kollektiven ex ante Entscheidungen hier als Grund für die Konkurrenz beider Modelle270. Dass die Unterschiede in der inhaltlichen Ausgestaltung nicht unüberwindbar sind, zeigen die jüngsten Erfahrungen inhaltlicher Annäherung beider Systeme. Etwa weist die Bildung von Ausschüssen in der Besetzung mit „unabhängigen“ und nichtgeschäftsführenden Direktoren innerhalb des board-Systems eine vergleichbare Zweiteilung mit der Verwaltungsorganisation einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht auf. Von einer Erosion des deutschen Systems zu sprechen, würde – trotz eines Anwachsens kapitalmarktrechtlicher Regelung – der Konsistenz seiner Regeln nicht gerecht. Auch in Anbetracht einiger Konvergenzerscheinungen hat sich an der Abhängigkeit des jeweiligen Corporate Governance-Modells von der Ausrichtung an den Interessen nichts geändert271. Im Rahmen dieser Erkenntnis schließt sich demnach zwingender Klärungsbedarf in zweifacher Hinsicht an. Zum einen legt die Gegenüberstel268 Vgl. aber die Gedanken zur strukturellen Vergleichbarkeit des föderalen Systems der Vereinigten Staaten mit der EG, Kersting, NZG 2003, 9, 10. 269 Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 5 ff., der sogar von „Auflösungserscheinungen“ des kontinentaleuropäisch-deutschen Modells spricht, ebda., S. 6. 270 Vgl. Hackethal/Schmidt/Tyrell, Corporate Governance Vol. 13 (2005), S. 398. 271 Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 7.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

lung von gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Lösungsansätzen eine trennscharfe Konturierung dieser beiden Rechtsgebiete nahe [s. unten II.]. An diese Abgrenzung schließen sich unmittelbar Detailbetrachtungen an, mit welchen unterschiedlichen Instrumenten diese beiden „Philosophien“ eine gute Unternehmensführung gewährleisten wollen [s. unten III.].

II. Exkurs: Die Konturierung der Funktionen und Regelungsbereiche des Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrechts Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass der allgemeinverbindliche und branchenunabhängige Ordnungsrahmen von kapitalmarktorientierten Unternehmen wesentlich durch das Aktien- und das Kapitalmarktrecht geprägt ist. Das Kapitalmarktrecht ist ein vergleichbar junges Rechtsgebiet und lässt eine trennscharfe Konturierung bisher vermissen. Die von rechtstheoretischen Erkenntnissen zu beantwortende Identitätsfrage „Was ist Kapitalmarktrecht?“ stellt sich daher zurecht272. Eine eindeutige Antwort ist bisher nicht gefunden, obwohl sich Klaus J. Hopt schon im Jahr 1976 in einer zweiteiligen Abhandlung auf die Suche nach einer Verklammerung von Aktien- und Börsenrecht durch ein eigenständige Geltung beanspruchendes Kapitalmarktrecht gemacht hat273. Vieles dieser grundlegenden dogmatischen Erkenntnisse hat trotz der rasanten Entwicklung im Kapitalmarktrecht seine Gültigkeit behalten oder hat sich vielmehr noch durch ihre Kodifizierung perpetuiert274. Eine erschöpfende Auseinandersetzung mit dieser Abgrenzung böte sicherlich ausreichenden Inhalt für eine eigenständige Untersuchung, so dass sich die vorliegende Arbeit darauf konzentrieren muss, die wesentlichen systematischen Grundsätze mit Relevanz für die Gegenüberstellung von gesellschafts- bzw. aktienrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Lösungsansätzen für die Corporate Governance-Problematik zu erörtern. Bei dem folgenden Exkurs werden die als gesichert geltenden Erkenntnisse für das Verbandsrecht des Aktiengesetzes kurz zusammengefasst [s. unten 1.] und daraufhin das Kapitalmarktrecht unter funktionalen Gesichtspunkten diesem 272

So Fleischer, ZIP 2006, 451, 458. Hopt, ZHR 140 (1976), 201 ff.; ders., ZHR 141 (1977), 389 ff.; Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 1 Rn. 4 betont, dass mit der Zunahme der kapitalmarktrechtlichen Regelungsdichte und der Entwicklung der Wissenschaft die Konturierung des Regelungsgebiets immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Vgl. aber noch die Einschätzungen in der 2. Auflage. 274 Als ein Beispiel mögen die Regelungen des Insiderrechts gelten, die heute fester Bestandteil des Wertpapierhandelsrechts (vgl. § 14 WpHG) sind und bereits in den 1970ern gefordert worden sind, vgl. Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 432 ff. 273

§ 2 Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht als Ordnungsrahmen

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gegenübergestellt [s. unten 2.]. Nur als Randnotiz sei vorab vermerkt, dass nicht das äußere Erscheinungsbild einer Norm über die Zuordnung als gesellschafts- oder kapitalmarktrechtlich entscheidet sondern ihr materieller Regelungsgehalt. So wird die Beteiligungstransparenz der §§ 20 ff. AktG aufgrund ihrer funktionalen Bezüge nach einhelliger Meinung als kapitalmarktrechtlich ausgeflaggte Vorschriften verstanden275. 1. Verbandsrecht, Gesellschaftsrecht, Aktienrecht Gesellschaftsrecht ist in erster Linie Innen- und Verbandsrecht, das die Struktur-, Organisations- und Verhaltensnormen im Verband enthält276. Aus juristischer Sicht versteht man unter einem Verband eine Organisation, die auf Grundlage eines Vertrags der Mitglieder (Satzung) verfasst und einem eigenständigen Verbandszweck zu dienen bestimmt ist277. Zu den Regelungen dieses Innenverhältnisses tritt der Verband in Rechtsbeziehung zu Dritten, sofern er eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Sowohl diese Außenrechtsbezüge, manifestiert durch Vorschriften über den Gläubigerschutz und der Publizität, die sich auch an außenstehende Marktteilnehmer richtet, als auch die als kapitalmarktbezogenen Teile des Gesellschaftsrechts gehen über den Bereich des Innenrechts hinaus278. Im Kern bleibt Gesellschaftsrecht das Organisationsrecht von Personengemeinschaften und umfasst daher auch sämtliche Regelungsbereiche für alle Formen von Personen- und Kapitalgesellschaften279. Aufgrund der hier vorgenommenen Beschränkung auf eigenkapitalmarktfähige Unternehmen [s. oben Einleitung IV. 1.] können die Begriffe Aktien- und Gesellschaftsrecht synonyme Verwendung finden. 2. Das Kapitalmarktrecht als „neues“ Rechtsgebiet Als Einstieg für die Konturierung kann die Definition von Kapitalmarktrecht als „die Gesamtheit der Grundsätze und Normen [. . .], die sich mit dem öffentlichen Vertrieb und Umlauf von . . . fungiblen Kapitalmarktpapieren befassen, um den Individualschutz der Kapitalanleger und Funktionsschutz von Kapitalmarkt und Wirtschaft zu gewährleisten“280 erste Anhalts275 276

Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 79; Fleischer, ZIP 2006, 451, 452. Schwark, in: Festschrift Stimpel, S. 1087, 1090; Hopt, ZHR 141 (1977), 389,

390. 277 Grunewald, Gesellschaftsrecht, Einf. Rn. 1; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, S. 1; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 1 I; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 7 I 1. 278 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 3 IV. 279 Schwark, in: Festschrift Stimpel, S. 1087, 1091.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

punkte liefern. Hier („öffentlicher“ Vertrieb und Umlauf) kommt bereits zum Ausdruck, dass der Markt und die Ausgestaltung seines Umfeldes für die Austauschbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern von Kapital im Vordergrund stehen [s. unten a)]. Überdies formuliert die Definition die wesentlichen Schutzzwecke des Kapitalmarktrechts [s. unten c)]. Die Erkenntnisse werden um eine Betrachtung der Funktionsweise als Informationsrecht [s. unten b)] und seine rechtssystematische Stellung als Querschnitt von wirtschaftsrechtlichen Regelungsbereichen ergänzt. a) Das Kapitalmarktrecht als Marktrecht Ausgehend vom Charakter des Aktienrechts als „Innenrecht“ werden Bezüge zu den außenstehenden Teilnehmern der Kapitalmärkte über die normativen Anforderungen an das standardisierte Produkt der Aktie vermittelt, indem sie zunächst die Rechtspositionen des Aktionärs verkörpert281. Kapitalmarktrecht hingegen stellt zuvörderst und unmittelbar „Außenrecht“ dar, das die Beziehungen der (Kapital-)Marktteilnehmern – auf der einen Seite die Anbieter von Anlageprodukten und auf der anderen Seite die Investoren als Nachfrager – regelt. Diese grundsätzliche Ausrichtung bedarf jedoch der Ergänzung, dass der Kapitalanleger je nach Art des Wertpapiers ebenso die Stellung eines Aktionärs inne hält und somit eine Doppelrolle einnimmt282. Dieser Umstand allein lässt die Rechtfertigung einer eigenständigen rechtlichen Kategorisierung der Kapitalanleger nicht entfallen, zu unterschiedlich sind die Interessenschwerpunkte von Beteiligung unter unternehmerischen oder rein finanziellen Gesichtspunkten283. Als subjektives Abgrenzungskriterium eignet es sich jedoch nicht. Vor Schaffung eigenständiger kapitalmarktrechtlicher Normen sorgte das Börsenrecht als Recht der Börsen im Sinne von organisierten Handelsplätzen und veranstaltungen für die Regelung von Rechtsverhältnissen zwischen Anbieter, Produkt und Investorenpublikum284. Aus diesem für einen Markt typischen Beziehungsgeflecht entstehen auch weiterhin Erkenntnisse für die Funktion und rechtsmetho280 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431; vgl. auch Assmann, in: GroßkommAktG, Einl. Rn. 361. 281 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 390 f. 282 Kalss, Anlegerinteressen, S. 11: deutlich wird, „. . . dass der Aktionär oder sonstige Anleger in zwei Ordnungen, nämlich in der des Kapitalmarkts und in jener des Verbands handelt.“ 283 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 428. 284 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 1 Rn. 5 ff.; Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 394. Aus verschiedenen Aspekten blieb das Börsenrecht lückenhaft und weit hinter dem uns heute begegnenden Kapitalmarktrecht zurück, Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 397.

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dischen Besonderheiten des Kapitalmarktrechts. Es schafft zunächst die Interaktionsvoraussetzungen für einen martklichen Austausch zwischen den Beteiligten, der von verfahrensmäßigen Schutz- und Verhaltenspflichten begleitet werden muss, um Funktionsstörungen zu vermeiden285. Eine präzise Definition des Begriffes „Kapitalmarkt“ erscheint wegen der unterschiedlichen Konstitution der vorhandenen Märkte und seiner wirtschaftswissenschaftlichen Prägung schwierig, seine Konturierung jedoch nicht nur für den Normgeber als Kontrollkategorie unersetzlich286. Geht man von einer allgemeinen Beschreibung von Märkten aus, kennzeichnen sich diese durch ihre Teilnehmer, die bestimmte Produkte über dafür vorgesehene Einrichtungen austauschen und so in Beziehung zueinander treten. aa) Das Wertpapier als Rechtsprodukt Die Besonderheiten des Kapitalmarktes zeichnen sich zunächst also durch Kaufgegenstände in Form von umlauffähigen, verbrieften Rechten287 aus und lassen sich von anderen Teilbereichen der Finanzmärkte wie etwa dem Geld- oder Devisenmarkt sowie von den Gütermärkten abgrenzen. Die Kapitalmarkfähigkeit von fungiblen Wertpapieren, unabhängig von dem Recht, das sie verkörpern, erweist sich zudem als tauglich zur Abgrenzung von einem verbandsrechtlichen Konzept, das allein mitgliedschaftliche Rechte im Auge hat288. Dennoch ergeben sich gewisse Unschärfen bei der Abgrenzung von Kapital- und Finanzmärkten. Viele der als Kapitalmarktrecht bezeichneten Normen beziehen sich auf den gesamten Finanzmarkt, so dass auch der Begriff des Finanzmarktrechts vorzugswürdig erscheint289. Einen umfassenden konzeptionellen Ansatz verfolgt etwa das WpHG, dessen wesent285

Fleischer, ZIP 2006, 451, 458. Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch, 2. Auflage, § 1 Rn. 3; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.124; Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 217. Problematisch erweist sich insbesondere die Abgrenzung von „Kapitalmarkt“ zu „Geldmarkt“, wofür u. a. Kriterien der Fristigkeit von Anlagen herangezogen werden (vgl. Lipfert, Der Geldmarkt, S. 11). Jedoch besteht weder Einigkeit über die Grenzziehung zwischen „kurz-“ und „langfristigen“ Vermögensanlagen noch über die Behandlung von Mischprodukten, so dass sich diese Differenzierungskriterien als ungeeignet erweisen. Vgl. Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 1.24 m. w. N. 287 Siehe aber zum Funktionsverlust des Verkörperungselements (sog. „Entmaterialisierung“) Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 1 III. 288 Vgl. hierzu die vielfach zitierte Begründung zur Aktienrechtsreform von 1965, die mehrfach auf den Aktionär als „wirtschaftlichen Eigentümer“ abstellte und dessen Funktion als Kapitalanleger und Finanzier nicht sah, vgl. Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 1 Rn. 7. 289 Merkt/Rossbach, JuS 2003, 215, 224; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.124. 286

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liche Regelungen an den denkbar weit gefassten Begriff des Finanzinstruments anknüpfen (vgl. § 2 Abs. 2b WpHG)290. Wesentliche Gruppe und den Grundtypus der Finanzinstrumente stellen auch weiterhin die klassischen Wertpapiere in Form von Aktien, Schuldverschreibungen sowie Genuss- und Optionsscheinen dar, aber auch sonstige Geldmarktinstrumente und Derivate fallen hierunter. Kapitalmarktrechtliche Vorschriften nehmen durch die Herstellung und Sicherung der Verkehrsfähigkeit und der Schaffung von Informationspflichten291 Einfluss auf die Gestaltung des Kapitalanlageproduktes und greifen mitunter in die Verbandsorganisation ein292. Diese Maßgaben wirken sich vor allem auf das standardisierte Rechtsprodukt der „Aktie“ aus und dienen so dem Schutz der Anleger als Teilnehmer der Kapitalmärkte. bb) Die Teilnehmer der Kapitalmärkte Als Teilnehmer der Kapitalmärkte stehen sich die Emittenten als Anbieter von Kapitalmarktprodukten einerseits und der Anleger als Anbieter von Kapital andererseits gegenüber. Zwischen diesen werden Finanzintermediäre, wie etwa Wertpapierhandelsunternehmen, vermittelnd tätig. Kapitalmarktrechtliche Vorschriften richten sich daher an die drei genannten Personengruppen. Ein teilnehmerbezogenes Wesensmerkmal ist beispielsweise das öffentliche, d.h. sich an einen unbestimmten Kreis von Nachfragern richtende, Angebot. Den Anwendungsbereich kapitalmarktrechtlicher Vorschriften eröffnet u. a. der Vertrieb von Finanzinstrumenten im sog. Primärmarkt293. Da es sich bei den nachfragenden Kapitalmarktteilnehmern keineswegs um eine homogene Personengruppe handelt, hängt die mit einem solchen Angebot üblicherweise verbundene Prospektpflicht davon ab, ob es sich an private oder ausschließlich institutionelle Anleger richtet294. In gewissem Umfang gilt eine solche abgestufte Transparenz auch für die Folgepflichten in den verschiedenen Segmenten des Sekundärmarktes, die in Abhängigkeit zu dem 290 So z. B. das Insiderrecht, das Ad-hoc-Recht und die Vorschriften zur Regelpublizität, Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 40h. Siehe aber auch die Ausnahmen von Directors’ Dealings gem. § 15a WpHG, hierzu Sethe, in: Assmann/ Schneider, WpHG, § 15a Rn. 21. 291 Näheres zum Kapitalmarktrecht als Informationsrecht siehe unten b). 292 Assmann, in: Festschrift Kübler, S. 328. 293 Vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG i. V. m. § 2 Nr. 4 WpPG. Siehe zum Begriff des Primärmarktes Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.174 ff. 294 Vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG i. V. m. § 2 Nr. 6 WpPG. Ein Angebot, dass sich ausschließlich an sog. „qualifizierte Anleger“ (QIBs – „qualified institutional buyers“) richtet, wird von der Prospektpflicht ausgenommen. Noch als Frage formuliert, ob private und institutionelle Anleger des gleichen Schutzes bedürfen, Schneider, AG 2001, 269, 272.

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typischerweise beteiligten Publikum steht. Das Kapitalmarktrecht sieht den Anleger zunächst in der Rolle des Käufers bzw. Verkäufers von Kapitalanlagen und weniger als Partei von kapitalanlagerechtlichen Dauerschuldverhältnissen, beschränkt sich aber nicht auf eine Regelung des Zusammenwirkens der Marktteilnehmer auf Anleger- und Nachfragerseite295. cc) Die Kapitalmärkte als Einrichtung Hier bewegen wir uns auf eine Schnittmenge von teilnehmerbezogenen Merkmalen und der Einrichtung von Märkten zu. Statt eines homogenen Kapitalmarktes stehen sich eine Vielzahl von Kapitalmärkten gegenüber, die sich durch die Höhe des Organisationsgrades voneinander unterscheiden296. Das Schutzniveau auf den Teilmärkten ist den Bedürfnissen der jeweiligen Teilnehmer angepasst und sinkt mit der Regelungsdichte je nach erwartungsgemäß steigendem Professionalisierungsgrad der Partizipanten. Neben den organisierten, in der Regel börslichen Märkten, deren Charakter u. a. durch staatliche Überwachung, standardisierte Handelsprodukte und ein hohes Niveau an Transparenzpflichten geprägt wird, bestehen zudem Handelsmöglichkeiten auf weniger regulierten, außerbörslichen Märkten, wie etwa dem Freiverkehr oder dem sog. „grauen Kapitalmarkt“297. Konsequenterweise hängt der Anwendungsbereich von einigen kapitalmarktrechtlichen Folgepflichten im Sekundärmarkt von der Zulassung bzw. der Finanzinstrumente an organisierten Märkten ab. Die damit verbundene gesetzgeberische Wertung hat freilich rechtspolitische Diskussionen zur Folge, wie sie sich anschaulich anhand der Veröffentlichungspflicht von Directors’ Dealings sowie den Forderungen nach seiner Ausdehnung auf den Freiverkehr exemplifizieren lassen298. Die Börsen haben zudem eigene Marktsegmente innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens geschaffen, mit denen zusätzliche Folgepflichten der Emittenten einhergehen299. Bisher sieht die Börsenordnung der Frank295

Kalss, Anlegerinteressen, S. 9. Merkt/Rosbach, JuS 2003, 217, 219. 297 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.182 ff.; Assmann, in: Assmann/ Schütze, Handbuch, § 1 Rn. 8 ff. 298 Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1225; Zimmer, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 15a WpHG Rn. 13; Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 26; zur rechtspolitischen Diskussion um die Einbeziehung außerbörslicher Transaktionen in den Regelungsbereich des Kapitalmarktrecht im Allgemeinen vgl. Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 2 Rn. 2. 299 So z. B. der „Prime Standard“ und der „General Standard“ der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB), vgl. hierzu Abschnitte XIII und XIV der Börsenordnung der FWB. 296

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furter Wertpapierbörse (FWB) für Werte im „Prime Standard“ des amtlichen Markts eine Veröffentlichung von Ad-hoc-Meldungen zusätzlich in englischer Sprache und eine Zwischenberichtspublizität vor, deren Charakter als additive Pflichten jedoch mit der Reformierung des WpHG teilweise als überholt gelten muss300. Die Zugehörigkeit zu einem dieser Marktsegmente301 gehört ebenso zu einem Qualitätsmerkmal wie die Aufnahme in einen Auswahlindex302. Eine solche Aufnahme in einen der acht Leitindizes der Deutschen Börse AG erfolgt nicht aufgrund einer Entscheidung durch die Zulassungsstelle FWB, sondern beruht auf einem von der Deutsche Börse AG und seinen Organen privatrechtlich getroffenen Entschluss303. Unabhängig von der gesetzlichen oder privatrechtlichen Regelung bildet die Einrichtung eine wesentliche Determinante für den Kapitalmarkt. b) Das kapitalmarktrechtliche Informationsmodell Die beschriebenen Funktionsstörungen können vor allem durch Informationsasymmetrien oder aber bereits durch die Vermutung solcher entstehen, da die beschriebenen Märkte von einer besonderen Vertrauenssensibilität ihrer Teilnehmer geprägt sind304. Die Voraussetzung für die Markteffizienz ist also ein Informationsmodell, das sich an den Interessen der Anleger orientiert und die Grundlage für eine Bewertung der angebotenen Produkte schafft305. Alternativ zur Verhaltenssteuerung durch inhaltliche Regulierung werden stattdessen die Inhalte durch Informationsverpflichtungen offen gelegt, über deren Qualität die Marktteilnehmer im Wege einer individuellen Entscheidung befinden können306. Hintergrund des Informationsmodells im 300 Es bleibt abzuwarten, ob die FWB auf die neuen Anforderungen des FRUG reagiert und ihre Börsenordnung um zusätzliche Pflichten erweitert. 301 Siehe die Begründung zu § 41 BörsG, Begr. RegE zum 4. Finanzmarkförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 80 „In den vergangenen Jahren sind an verschiedenen Börsen Handelssegmente mit Publizitätsanforderungen entstanden, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Der Handel in einem solchen Segment gilt als besonderes Qualitätsmerkmal“. 302 Gebhardt, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003 zu Heft 14/2003, S. 16; siehe zu den Auswahlkriterien den Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, März 2007. 303 Gebhardt, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003 zu Heft 14/2003, S. 16. 304 Vgl. zur Bedeutung der Marktintegrität Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 28; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 29. 305 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 399; Kalss, Anlegerinteressen, S. 251 ff.; Hirte, ZGR Sonderheft 13, 61, 72. Kritisch zur Leistungsfähigkeit des Informationsmodells siehe Stürner, Markt und Wettbewerb, S. 89 ff. Zum Informationsmodell im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht siehe Merkt, ECFR 2004, 3, 13 ff.

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Effektengeschäft bildet die Beschaffenheit der Wertpapiere als Handelsgegenstand, deren Wert maßgeblich von den Rechten, die sie verkörpern, und letztlich von der Solvabilität ihrer Emittenten abhängt307. Durch einen Ausgleich der Informationsasymmetrien, der im Regelfall nicht durch die Teilnehmer selbst im Wege einzelvertraglicher Absicherung zu erzielen ist, kann hinreichender Anlegerschutz gewährleistet werden. Nur so lassen sich Marktversagen verhindern und ein effizienter, wettbewerbsfähiger Kapitalmarkt verwirklichen308. Konsequenterweise knüpft das deutsche Kapitalmarktrecht nicht nur bei den Vertriebsmittlern sondern bei den Effekten selbst und jenen an, die sie in den Verkehr bringen309. Die unterschiedliche Regelungsdichte in den geregelten und ungeregelten Marktsegmenten zeichnet sich durch ein unterschiedliches Maß an Informationsversorgung aus310. Eine Überregulierung der Märkte kann vor allem wegen der mit einer Bereitstellung von Informationen verbundenen Kosten zu Ineffizienzen führen311. Nicht unproblematisch ist daher die nunmehr obligatorische quartalsweise Veröffentlichung von Zwischenberichten für sämtliche regulierten Märkte zu sehen (vgl. § 37x WpHG). Bis zum Inkrafttreten des Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetz bestanden diese Pflichten nur aufgrund zusätzlicher Vereinbarungen und unterlagen somit der Disposition der Marktteilnehmer (vgl. §§ 60 ff. BörsO FWB)312. Sofern 306 Die Funktion des Informationsmodells als Substitution von kollektiven ex ante Entscheidungen lässt sich am Beispiel der Finanztermingeschäfte veranschaulichen. Bis zur Börsengesetznovelle von 1989 waren diese Geschäfte Vollkaufleuten und anderen fachkundigen Personen vorbehalten. Mit der Aufhebung dieser Beschränkung und der Möglichkeit für Privatleute, Termingeschäfte abzuschließen, wurden die Informationspflichten zu deren Schutz erweitert (vgl. § 53 BörsG a. F., heute § 37d WpHG). Siehe hierzu Begr. RegE zur Änderung des BörsG, BTDrucks. 11/4177, S. 10; Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 106, Rn. 7; Kleinschmidt, Das Informationsmodell bei Börsentermingeschäften; Zimmer, ZHR 162 (1998), 685. 307 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 412, 414. 308 Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 1 Rn. 63; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.10. 309 Siehe Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, F 23; vgl. zu den verschiedenen Regelungsphilosophien des Kapitalmarktrechts, Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 411 ff. Im Einzelnen werden repressive Maßnahmen gegen Aktien- und Börsenschwindel, Anforderungen an die Vertriebsmittler, Publizitätssysteme, materielle (staatsseitige) Inhaltskontrollen sowie Einwirkungen auf die Marktstrukturen aufgezählt, die in Reinform nur selten zu finden sind. 310 Sethe, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15a Rn. 23. 311 Lenenbach, Rn. 1.20. Eine Übersicht zu den Kosten aufgrund unterschiedlicher Zulassungsfolgepflichten findet man bei Mitental/Anders, DStR 2003, 1893, 1898. 312 Vgl. Merkt, Gutachten für den 64. DJT, S. G 100 u. G 139 These 15.

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ein Emittent auf die quartalsweise Offenlegung aus welchen Gründen auch immer verzichten will, muss er damit Einbußen hinsichtlich gewisser Qualitätsmerkmale („Segmentzugehörigkeit“) oder der Aufnahme in Indizes hinnehmen313. Mit der Übernahme (freiwilliger) Offenlegungsverpflichtungen kann demnach eine positive Signalwirkung gegenüber dem Markt verbunden sein. Einer vormals flexiblen Wahlmöglichkeit in diesem Sinne bleibt der Zugang nunmehr versperrt. Durch den Ausbau von Publizitätsvorschriften nach dem Vorbild der USamerikanischen Disclosure Philosophy hat sich das Kapitalmarktrecht in der Vergangenheit stetig intensiviert. Die Gewährleistung einer optimalen Ressourcenallokation von Kapital, nämlich den Zufluss von Finanzmitteln dorthin, wo das Verhältnis von Rendite und Risiko am Besten in Einklang gebracht wird, als Funktionsschutzziel314 ist untrennbar mit Publizität verbunden315. Dem Anleger soll es durch ein „möglichst dichtes Informationsumfeld“ ermöglicht werden, die für ihn adäquate Anlageentscheidung zu treffen („informierte Transaktionsentscheidung“)316. Die Bereitschaft von Investoren, ihr Kapital für die Finanzierung von Unternehmungen zur Verfügung zu stellen, hängt maßgeblich vom Vertrauen in die Stabilität der Märkte ab. Das erforderliche Maß an Integrität lässt sich nicht allein durch eine Erhöhung des Transparenzniveaus gewährleisten, sondern verlangt nach einem umfänglichen Schutz der Anleger vor marktmissbräuchlichem Verhalten317. Diesbezüglich stößt das kapitalmarktrechtliche Informationsmodell an seine Grenzen und bedarf ergänzender Vorschriften mit normativen Vorgaben inhaltlicher Natur, wie sie etwa Gegenstand der Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbote sind318. Kapitalmarktrecht und das 313 So verweigerte z. B. die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG die Veröffentlichung von Quartalszahlen, woraufhin ihr die Aufnahme in den Prime Standard der FWB untersagt wurde, siehe hierzu und zur Vereinbarkeit der BörsO mit §§ 40, 42 BörsG Mitental/Anders, DStR 2003, 1893, 1899; Ganzer/Borsch, BKR 2003, 484. Jüngst wurde die in der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse für den Prime Standard begründete Pflicht zur Veröffentlichung von Quartalsberichten vom VGH Kassel mit höherrangigem Recht für vereinbar erklärt, siehe VGHKassel, WM 2007, 1264 ff. 314 Siehe dazu sogleich mehr. 315 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 325 f.; Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 414 ff.; Hirte, ZGR Sonderheft 13, 61, 72. 316 Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 27. 317 Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 28; vgl. die Studien von Shleifer/ Vishny, Journal of Finance 52 (1997), S. 737; La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer/ Vishny, Journal of Financial Economics, Vol. 58 (2000), S. 3, die eine Korrelation von Anlegerschutzniveau und volkswirtschaftlichem Entwicklungsgrad belegen. 318 §§ 14, 20a WpHG. Begr. RegE zum 2. Finanzmarktförderungsgesetz, BTDrucks. 12/6679, S. 33; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 14 Rn. 10; Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG; § 20a Rn. 17 ff.

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Regelungsprinzip der Offenlegung weisen dennoch große Schnittmengen auf, haben jedoch keine kongruenten Regelungsbereiche oder -techniken, so dass sie nicht als synonyme Begriffe missverstanden werden dürfen. c) Das Kapitalmarktrecht zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und deren Teilnehmer Will man das Kapitalmarktrecht in das Koordinatensystem von Corporate Governance einordnen, so gilt hier wie auch im Allgemeinen, dass die Frage nach den gesetzlich intendierten Zielen gestellt werden muss. Nur vordergründig scheint sich im Sinne der Markdefinition der Fokus des Kapitalmarktrechts auf die Beziehung der Teilnehmer, also der Investoren als Kapitalgeber und den kapitalsuchenden Unternehmen zu beschränken. Obwohl das beschriebene Informationsgefälle auf den ersten Blick ein reiner Konflikt zwischen Anbietern und Nachfragern zu sein scheint, der eine Regelung der Kapitalmärkte allein aus der Perspektive des Individual- und Anlegerschutzes nahe legt, dürfen die Bezüge zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte nicht außer Acht gelassen werden319. Denn Gesamt- bzw. volkswirtschaftliche Interessen an einem effizienten Kapitalmarkt, der rationale Marktentscheidungen ermöglicht und so für die optimale Allokation der Ressource „Kapital“ sorgt320, sind von mindestens gleicher Bedeutung wie der Schutz der Anleger vor Schäden und Übervorteilung. Kommt es zu einem Rückzug von Angebot und Nachfrage, betrifft dieses Marktversagen ebenso öffentliche Interessen, die es rechtfertigen, mit staatlichen Mitteln entgegenzuwirken321. Gemeinhin wird im Zusammenhang mit kapitalmarktrechtlichen Regelungen von einem Funktionsdualismus, mit dem Funktionsschutz auf der einen und dem Anlegerschutz auf der anderen Seite, gesprochen322. Mit der Erweiterung des Schutzbereichs auf den Anleger – im Gegensatz zum Fokus 319

Siehe hierzu Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 1 Rn. 23 ff. Sog. allokative Funktionsfähigkeit, siehe Merkt/Rosbach, JuS 2003, 217, 220; Assmann, Prospekthaftung, S. 24; ders., in: Assmann/Schütze, Handbuch, 2. Auflage § 1 Rn. 22 ff.; Hirte, ZGR Sonderheft 13, 61, 73; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 II 2. Neben der allokativen Funktionsfähigkeit stehen die operationale, also die transaktionskostenminimierende Effizienz, sowie die institutionelle Funktionsfähigkeit, also die Schaffung von Einrichtungen als Grundlage für ein Funktionieren der Märkte, als untergeordnete Teilziele des Funktionsschutzes, hierzu Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 87 ff. 321 So für gesellschaftsrechtliche Regelungen als Instrumentarium staatlicher Wirtschafts- und Verteilungspolitik Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 2 III 5c. 322 Hierzu Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 334 ff.; Ekkenga, Anlegerschutz, S. 30 ff. 320

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des Aktienrechts auf seine verbandsrechtliche Stellung als Aktionär – erweitert sich der Schutzbereich im Sinne einer Corporate Governance auf den Zeitpunkt vor der Investitionsentscheidung323. Über die Ausgestaltung des Anlegerschutzes als Individualschutz oder als überindividueller, also kollektiver, Schutz einer Gruppe von Individuen vermag dies jedoch ebenso wenig Auskunft zu geben wie über das Verhältnis von Funktions- und Anlegerschutz. Der überindividuelle Anlegerschutz ist wesentlicher Aspekt des Funktionsschutzes. Wenn das Vertrauen der Anleger enttäuscht wird, kommt es zu Abwanderungen, die dem Markt die notwendige Liquidität entziehen324. Die überwiegend fehlende Ausgestaltung von kapitalmarktrechtlichen Vorschriften als drittgerichtete Schutzgesetze im deliktsrechtlichen Sinne belegen, dass die überwiegende Ansicht vom Vorrang des Funktionsschutzes vor dem Schutz der Individualinteressen ausgeht325. Auch in dieser Hinsicht handelt es sich bei dem Kapitalmarktrecht um „genuines Wirtschaftsrecht“, das Belange der Gesamtwirtschaft in seinen Fokus nimmt326. Das WpÜG sowie die ihm zugrunde liegende Wertpapierübernahmerichtlinie weisen jedoch auch Bezüge zum Schutz der Arbeitnehmer auf (vgl. z. B. §§ 10 Abs. 5 Satz 2, 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 WpÜG). Regelungstechnisch bedient man sich dabei weitestgehend der Mechanismen von Information und Transparenz und verzichtet auf materiellrechtliche Sicherungsmechanismen327. Der Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerschutz verleiht dem Wertpapierübernahmegesetz jedoch keinen eigenständigen Charakter, der von dem dargestellten Dualismus von Funktions- und Anlegerschutz abweicht. Vielmehr handelt es sich um arbeitsrechtliche Vorschriften, die nur funktional im Zusammenhang mit dem Pflicht- bzw. Übernahmeangebot geregelt worden sind328.

323

Pellens/Fülbier, ZGR 29 (2000), 572, 579. Bruski, Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rn. 85. 325 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.10; Hopt, in: Festschrift Heinsius, S. 289, 303 f.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 II 4; beispielhaft für das Recht der Ad-hoc-Publizität, siehe Bericht des Finanzausschusses zum 2. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 12/7918, S. 96, 102; Zimmer, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 15 WpHG, Rn. 8; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 30 f.; a. A. Gehrt, Ad-hoc-Publizität, S. 195 ff.; v. Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 53 f. 326 Schwark, in: Festschrift Stimpel, S. 1087, 1091. Zur Einordnung der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht in den Kontext des Wirtschaftsrechts, s. unten § 4. 327 Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 386. 328 Für eine dogmatisch vorzugswürdige Verankerung des § 10 Abs. 5 Satz 2 WpÜG im BetrVG Wackerbarth, in: MünchKommAktG, § 10 WpüG Rn. 74. 324

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d) Das Kapitalmarktrecht als Querschnittsrecht Auch wenn die Kernelemente des Kapitalmarktrechts seit der Schaffung des WpHG im Rahmen des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes in einer einheitlichen Kodifikation enthalten sind329, steht daneben eine Vielzahl weiterer kapitalmarktrechtlicher Gesetze. In funktionaler Betrachtung weist auch das Kapitalmarktrecht zahlreiche Facetten auf, dessen Phänomen sich unter dem Begriff des „Querschnittsrechts“ zusammenfassen lässt. Kapitalmarktrechtlich heißt auch, aber nicht primär, sondern nur soweit es um Aufsicht geht, öffentlich-rechtlich.330 Neben diesen aufsichtsrechtlichen Geund Verboten für die Marktteilnehmer, dem Kapitalmarkt-Privatrecht, Kapitalmarkt-Strafrecht hat auch das Kapitalmarkt-Bilanzrecht eine eigenständige Bedeutung erlangt331. Inhaltlich erhält es prägenden Charakter durch den Leitgedanken der Publizität. Durch die Offenlegung wesentlicher Informationen erhöht sich die Transparenz der Kapitalmärkte, die für ein Vertrauen der Marktteilnehmer und letztlich für die allokative Funktionsfähigkeit unerlässlich ist332. Im Rahmen der Wertpapieraufsicht wird die Einhaltung dieser Maßgaben von öffentlicher Seite überwacht. Die Banken- und Versicherungsaufsicht ist trotz einheitlicher Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) seit dem FinDAG von dieser allgemeinen Aufsicht für alle börsennotierten Unternehmen zu trennen. 3. Zusammenfassung Das Kapitalmarktrecht fokussiert auf Rahmenbedingungen, die einen störungsfreien Marktaustausch ermöglichen und fördern. Da die Funktionsfähigkeit von Märkten im Allgemeinen sowie von Kapitalmärkten im Besonderen von der Qualität der gehandelten Waren abhängt, nimmt die Marktregulierung mittelbar Einfluss auf die Standardisierung der Rechtsprodukte. Viele der produktbezogenen Verhaltensanforderungen des Kapitalmarktrechts sind an die Emittenten der Finanzinstrumente adressiert und greifen bisweilen in deren Unternehmensstruktur ein. Hierbei kommt es zu Interdependenzen und Ingerenzen mit dem Verbandsrecht, das die im Kapi329 Das WpHG wird auch „Grundgesetz des Kapitalmarktrechts“ bezeichnet, Hopt, ZHR 159 (1995), 135; Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 1 WpHG Rn. 2; Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bank- und Börsenrecht Rn. VI-11; vgl. auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.1. 330 Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 290. 331 Schneider, AG 2001, 269, 271 f. 332 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 III 2b cc.

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talmarktprodukt „Aktie“ verbrieften mitgliedschaftlichen Rechte des Gesellschafter-Aktionärs festlegt. Die Verschiebung der Regelungsperspektive im Kapitalmarktrecht vom Aktionär zum Anleger bestätigt diesen Befund. Dabei werden die vermeintlich eng gezogenen Grenzen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht überschritten. Von Bedeutung für die Corporate Governance und ihrer Rechtsdurchsetzung ist die Methodik ihrer Gewährleistung. In den Vordergrund der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ist die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Kapitalmarktrechts gerückt, die sich durch verfahrensmäßig gewährleistete Schutzgarantien und eine Prozeduralisierung der Verhaltenspflichten auszeichnet333. Durch die prozedurale Ausgestaltung des Kapitalmarktrechts können Anleger ihre Rechte effizienter wahrnehmen und der Aufsichtsbehörde wird es erleichtert, die Einhaltung kapitalmarktrechtlicher Verhaltensanforderungen zu überwachen334. Deutlich tritt dies sowohl bei Investitionsentscheidungen im Rahmen von Primärmarktemissionen als auch bei Deinvestitionsentscheidungen im Übernahmeverfahren nach dem WpÜG zutage. Um eine ausreichende Informationsgrundlage zu bieten, müssen die Wertpapierprospekte bzw. Angebotsunterlagen frühzeitig veröffentlicht werden und unterliegen einer Billigung durch die BaFin im förmlichen Verwaltungsverfahren. Eine solche Verdichtung des Kontrollsystems bildet die Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit von Individualentscheidungen sowie für die Durchsetzbarkeit von Haftungsansprüchen [s. unten III. 5.].

III. Die Strukturmerkmale der Überwachung und Rechtsdurchsetzung de lege lata Sind bisher die Gemeinsamkeiten und Gegensätze der verschiedenen Regulierungsansätze gegenübergestellt worden, wird nunmehr das Zusammenspiel der Regulierungsebenen durchleuchtet. Eine herausragende Rolle für die Wirksamkeit der Überwachung nehmen Fragen der inneren Organisation, der Kompetenzverteilung und der Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung ein. Hier gilt es insbesondere die Eckpfeiler des deutschen Corporate Governance-Systems mit seinem Schwerpunkt auf internen Steuerungsele333 Fleischer, ZIP 2006, 451, 458. Merkt, ZGR 36 (2007), 532, 535 stellt fest, dass die zunehmend erschwerte inhaltliche Kontrolle – nicht nur im Unternehmensrecht – einer Überprüfung des formellen Entscheidungsverfahrens weichen muss. Siehe auch die Untersuchung zur Prozeduralisierung des Gesellschaftsrechts, Binder, ZGR 36 (2007), 745. 334 Weber, Kapitalmarktrecht, S. 13 ff.; Fleischer, NZG 2002, 545, 546 f. für das WpÜG.

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menten [s. unten 1.] und der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats darzustellen. Die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen der externen Corporate Governance unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von institutionellen Anlegern und Ratingagenturen [s. unten 3.] folgen nach einer Skizzierung des Abschlussprüfers als Bindeglied zwischen in- und externer Corporate Governance. Aufgrund des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes soll ein weiteres Augenmerk auf der Funktion staatlicher Kontrollmechanismen innerhalb dieses Überwachungsmodells gelegt werden [s. unten 4.]. 1. Die Grundlagen des Insider-Kontrollsystems nach dem Aktiengesetz Ausgangspunkt für eine Überwachung der Unternehmensleitung bildet das geltende deutsche Aktienrecht, das seinerseits einen Kontrollmehrklang zur Überwachung der Geschäftsleitung vorsieht335. Trotz seiner Satzungsstrenge belässt es einen Spielraum für die tatsächliche Ausgestaltung der Leitungs- und Überwachungstätigkeit. Mit Verbesserungsmöglichkeiten und Empfehlungen für die effiziente Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat innerhalb der gesetzlichen Grenzen beschäftigen sich vor allem die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex336. Schwerpunkt der Unternehmensleitung und -überwachung ist mit der Aktienrechtsreform 1937 auf die Verwaltung (Vorstand und Aufsichtsrat) übergegangen337. Entgegen des verbreiteten Alternativsystems mit einem eingliedrigen Verwaltungsrat oder „board“ sind Unternehmensleitung (Vorstand) und Überwachung (Aufsichtsrat) innerhalb der Verwaltung zunächst formal voneinander getrennt. Die Allmacht der Hauptversammlung und ihres Vorgängers, der Generalversammlung ist nicht zuletzt aus Praktikabilitätserwägungen immer mehr zurückgedrängt worden und ihr Einfluss auf die laufende Geschäftstätigkeit sowie die unmittelbare Überwachung der Geschäftsleitung entfallen338. Es bleibt bei einer prinzipiellen Zuständigkeit der Hauptversammlung für Grundsatzentscheidungen, wie etwa Satzungsänderungen, die Feststellung des Jahresabschlusses, die Bestellung der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat sowie die Entlastung der Verwaltungs335 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11. Zum Aktienrecht als „sedes materiae der deutschen Corporate Governance“ siehe Sünner, AG 2000, 492. 336 Die Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat wird in Abschnitt 3 mit der systematischen Stellung vor den speziellen Anforderungen an das jeweilige Organ hervorgehoben. 337 Vgl. hierzu Fleischer, ZIP 2003, 1, 3. 338 Oetker, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 263.

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mitglieder (vgl. § 119 Abs. 1 AktG). Die Beschränkung dieser Allmacht gilt gleichermaßen für die Überwachungskompetenzen der Aktionäre, auch wenn die Holzmüller-Entscheidungen des Bundesgerichtshofes339 die Rechte der Hauptversammlung bestärkt hat. Gegenstück der Zurückdrängung von unmittelbaren Leitungs- und Kontrollrechten der Residualberechtigten bei der Leitung und Überwachung bildet eine ausgeweitete Haftung der verantwortlichen Entscheidungsträger. Deren Effizienz hängt vor allem von der Ausgestaltung ihrer Durchsetzungsmöglichkeiten ab. a) Der Vorstand als Leitungsorgan und seine Binnenkontrollfunktion Wie die Ausführungen oben [s. § 1] gezeigt haben, zeichnen sich vor allem die Opportunismusoptionen der Geschäftsleitung für die Corporate Governance-Problematik verantwortlich340. Obwohl es demnach primär das Führungsorgan sein muss, das zum Gegenstand der Überwachung wird, können auch innerhalb Vorstandes selbst Mechanismen zur Selbstkontrolle aktiviert werden. Insbesondere durch ein kollegial organisiertes Gremium [s. unten aa)] und interne Frühwarn- und Überwachungssysteme hinsichtlich der Entwicklung im Unternehmen [s. unten bb)] ist ein wirksamer Schutz – zumindest vor gröbstem Fehlverhalten – möglich. aa) Das Kollegialprinzip Auf der ersten Ebene findet eine Binnenkontrolle durch den Vorstand selbst statt, der regelmäßig als Kollegialorgan organisiert ist341. Zwar gestattet § 76 Abs. 2 AktG eine monokratische Ausgestaltung, jedoch bezeugen die Sollvorschrift des § 76 Abs. 2 Satz 2 AktG, die mitbestimmungsrechtlich begründete Stellung des Arbeitsdirektors und letztlich die Praxis die Vorzüge einer mehrgliedrigen Organisation bzw. dessen Notwendigkeit342. Überdies binden die §§ 116, 93 AktG den Aufsichtsrat bei der Bestimmung der Größe des Geschäftsleitungsorgans, sofern die Satzung ihm diese Aufgabe vermittelt343. Mit anderen Worten muss die Anzahl der Mit339

BGHZ 83, 122. Siehe insbes. § 1 II. 2. a) cc). 341 Zur inhaltlichen Abgrenzung von Kontrolle durch den Vorstand und Überwachung durch den Aufsichtsrat siehe Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 186 ff. Begrifflich haben „Aufsicht“, „Überwachung“ und „Kontrolle“ den gleichen Bedeutungsinhalt, siehe Roth/Wörle, ZGR 33 (2004), 565, 567 dort Fn. 9. 342 Groß, Kollegialprinzip, S. 100. 343 Vgl. Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 197; Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 79. 340

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glieder den Bedürfnissen des jeweiligen Unternehmens angepasst sein. Auch die Vorstandsmitglieder selbst tragen eine Mitverantwortung für die Organisation des Geschäftsleitungsorgans und können unter Umständen sogar haftbar gemacht werden, wenn sie organisatorischen, d.h. auch zahlenmäßigen Missständen nicht entgegenwirken344. Als Begründung für einen Mehrpersonenvorstand wird neben den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung die Präventivwirkung gegenüber Missbrauchsgefahren ins Feld geführt. Gerade gegenüber kriminellen Machenschaften einzelner Mitglieder erweist sich dies als wirkungsvolles Mittel. Auch der DCGK erkennt das Problem eines Einpersonenvorstandes und empfiehlt in seiner Ziffer 4.2.1 eine mehrgliedrige Organisation345, welche Vorbeugung in Form von Mehrheitserfordernissen bei der Beschlussfassung, als Ausfluss gemeinschaftlicher Geschäftsführung und des Gleichberechtigungsgrundsatzes (§ 77 Abs. 1 AktG), ermöglicht346. Prinzipien der Gesamtverantwortung dürfen jedoch nicht über die Maßen beansprucht werden. Vielmehr ist die Zuweisung von Ressortzuständigkeiten im Rahmen der obligatorischen Geschäftsordnung erforderlich, um effizientes Handeln der Geschäftsleitung zu ermöglichen347. Ein mehrgliedrig organisierter Vorstand kann somit nur einen Baustein im Gefüge gute Unternehmensführung bilden. Etwa kollusivem Handeln der Vorstandsmitglieder zum Nachteil der Gesellschaft vermag es nicht entgegenzuwirken. bb) § 91 Abs. 2 AktG – Früherkennung, Überwachung oder Risikomanagement? Eine weitere Binnenkontrolle erfolgt durch das, dem Vorstand nach- bzw. zugeordnete und von diesem zwingend einzurichtende interne Überwachungssystem zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen (vgl. § 91 Abs. 2 AktG)348. Schon vor der ausdrücklichen Normierung durch das KonTraG zählte die Organisation geeigneter Früherkennungssysteme zu den 344

Mertens, in: KölnKommAktG, § 76 Rn. 92. Vgl. hierzu Strieder, DCGK, S. 90, der ausdrücklich auf das Vieraugenprinzip des § 33 Abs. 1 Nr. 4 KWG verweist. 346 Zur Zulässigkeit von Vetorechten siehe OLG Karlsruhe, AG 2001, 93, 94; Mertens, in: KölnKommAktG, § 77 Rn. 11; a. A. Bezzenberger, ZGR 25 (1996), 661, 667; offen hingegen BGHZ 89, 48, 58. In mitbestimmten Aktiengesellschaften ist das aufgrund der Stellung des Arbeitsdirektors nach § 33 MitBestG nicht zulässig, vgl. Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 77 Rn. 19; Peltzer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 233. Zu Besonderheiten bei zweigliedrigen Vorständen, vgl. Priester, AG 1984, 253 ff. 347 Siehe zu den Möglichkeiten funktionaler oder divisionaler Organisationsstruktur Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 3.7. 345

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Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (vgl. §§ 76, 93 AktG) und zur gängigen Praxis349. Seit Einführung des § 91 Abs. 2 AktG wird die Errichtung des Überwachungssystems von einer Prüfung des externen Wirtschaftsprüfers (§ 317 Abs. 4 HGB) sowie des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder (§ 321 Abs. 4 HGB) flankiert. Die Kontroll- und Überwachungsfunktion des Vorstandes erstreckt sich auf das gesamte Geschehen im Unternehmen und bezweckt so eine Sicherstellung dahingehend, dass ihre Vorgaben von den nachgeordneten Einheiten wirklich ausgeführt werden350. Beurteilungsgrundlage bilden aber nicht allein die eigenen Entscheidungsvorgaben, sondern in erster Linie auch die normativen Maßstäbe, also Gesetz und Satzung351. In ihrem Umfang unterscheidet sich die Rechtsqualität der Kontrolle von Vorstand und Aufsichtsrat zwar352, weist aber zumindest im Hinblick auf die Einhaltung der Normativbestimmungen Schnittmengen auf. Ein internes Überwachungssystem übt – vergleichbar mit der Sammlung veröffentlichungspflichtiger Unternehmensdaten – Signal-Effekte auf die Geschäftsleitung aus353. So werden finanzielle Fehlentwicklungen beispielsweise zuerst bei der dem Finanzvorstand zugeordneten Buchhaltungsabteilung erkannt. Über den Umfang der organisatorischen Anforderungen an die Überwachungseinrichtungen – insbesondere, ob sich die Verpflichtung des § 91 Abs. 2 AktG auch auf die Einrichtung eines Risikomanagementsystems nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erstreckt – ist Gegenstand der aktuellen Diskussion354. Über den beschriebenen Konsens der Bestandteile „Früherkennung“ und „Überwachung“ hinaus besteht Uneinigkeit. In einem Urteil, das die Organisationspflichten einer Versicherungsaktiengesellschaft im Hinblick auf Risikomanagement zum Gegenstand hatte, bezog das VG 348 Hüffer, AktG, § 91 Rn. 6 ff.; Kort, in: GroßkommAktG, § 91 Rn. 20 ff.; Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 111 Rn. 204 ff.; Hefermehl/Spindler, MünchKommAktG, § 91 Rn. 14 ff. 349 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 91 Rn. 1; Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 251; Bürkle, WM 2005, 1496, 1499; LG Berlin, AG 2002, 682. 350 Hommelhoff, Konzernleitung, S. 189. 351 Sog. Compliance; vgl. Krieger, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 3 Rn. 5. 352 Hommelhoff, Konzernleitung, S. 190. Mehr zum Umfang der Überwachungspflichten des Aufsichtsrats, siehe unten b). 353 Siehe oben § 1 sowie Fox, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 713; Lowenstein, Columbia Law Review Vol. 96 (1996), S. 1342. 354 Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 111 Rn. 222 f.; Kort, in: GroßkommAktG, § 91 Rn. 55; Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 91 Rn. 23; Zimmer/Sonneborn, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 1 Rn. 158, 176.

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Frankfurt a. M.355 in seine Erwägungen zur Auslegung des § 91 Abs. AktG bankenaufsichtsrechtliche Maßstäbe in Gestalt des § 25a Abs. 1 KWG ein. Unter Berücksichtigung einer (möglichen) „Ausstrahlwirkung“ oder „Schrittmacherrolle“ des Wirtschaftsaufsichtsrechts356 und vor dem Hintergrund der detaillierten Verwaltungspraxis für das Risikomanagement bei Kreditinstituten bietet sich eine ausführliche Betrachtung dieser Thematik im Kontext wirtschaftsaufsichtsrechtlicher Strukturnormen und aufsichtsbehördlicher Befugnisse im zweiten Teil an [s. unten § 6 II. 1. e)]. Nach einer systematischen Einordnung des Wirtschaftsaufsichtsrechts und seiner Besonderheiten fällt die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen ungleich leichter. b) Der Aufsichtsrat im zweiteiligen Leitungssystem der deutschen AG Nicht nur seiner Bezeichnung gemäß sondern auch nach seinen ihm zugewiesenen Kompetenzen übernimmt der Aufsichtsrat wesentliche Aufgaben der Aufsicht im zweiteiligen Leitungssystem der deutschen Aktiengesellschaft. Seine obligatorische Errichtung als unternehmensinternes Kontrollorgan muss als Reaktion auf den Wandel vom Konzessionssystem zum sog. Normativsystem und den Erfahrungen mit Schwindelgründungen verstanden werden357. Obwohl das Aktienrecht formell eine strikte Trennung zwischen Unternehmensleitung und -überwachung vorzusehen scheint, wird dieses Prinzip in rechtlicher und erst recht in faktischer Hinsicht aufgeweicht, wenn nicht sogar durchbrochen. aa) Die satzungsgemäß zugewiesenen Aufgaben des Aufsichtsrats Die Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat nach den Maßgaben des § 111 Abs. 1 AktG, dessen Rechte und Pflichten satzungsgemäß von den Aktionären übertragen worden sind, rangiert auf der zweiten Ebene des Kontrollmehrklangs. Die Überwachungsaufgabe i. e. S. umfasst Aufsicht und Rat358. Grundlage seiner Aufsichtsfunktion ist die Einhaltung von normativen Vorgaben aus Gesetz und Satzung in den Grenzen des Unternehmensgegenstandes zu überwachen359. Sie beschränkt sich jedoch 355

VG Frankfurt a. M. WM 2004, 2157. So die Formulierung bei Fleischer, ZIP 2003, 1, 10. 357 Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 401. 358 Hopt, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 228; Roth/Wörle, ZGR 33 (2004), 565, 567; Spindler, AG 1998, 53, 55. 359 Semler/Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 78; zu den Überwachungsaufgaben im Einzelnen vgl. Lutter, ZHR 159, 287, 290 ff. 356

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nicht auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle, sondern berücksichtigt gleichermaßen Gesichtspunkte der Ordnungs-, Zweckmäßig- und Wirtschaftlichkeit360, wie es z. B. bei der Prüfung des internen Überwachungssystems zum Ausdruck kommt361. Es handelt sich bei der Aufsichtstätigkeit um eine zukunftsgerichtete, die unerwünschtes bzw. fehlerhaftes Verhalten der Geschäftsleitung möglichst verhindert362. Dabei zählt die Prüfung der Abschlussunterlagen zu den zentralen Aufgaben des Aufsichtsrats und stellt einen Schwerpunkt seiner Überwachungstätigkeit dar, auch wenn es sich dabei um eine vergangenheitsbezogene Kontrolle handelt363. Neben dieser Mitwirkung an unternehmerischen Entscheidungen übt der Aufsichtsrat seit jeher die Funktion einer beratenden Überwachung aus364. bb) Die Rechte des Aufsichtsrats im Kontext der Trennung von Geschäftsleitung und Überwachung Zur Erfüllung der Überwachungspflicht steht dem Aufsichtsrat ein breit gefächertes Handlungsinstrumentarium zur Verfügung. Begrifflich stellen zwar die Ernennung und Entlassung der Vorstandsmitglieder keine Überwachungstätigkeit im engeren Sinne dar, bilden aber eine spezialgesetzliche Ausformung aufsichtseitiger Befugnisse365. Die Abberufung eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder aus wichtigen Gründen als ultima ratio belegt das anschaulich366. Wesentliche Unterschiede zu der internen Kontrollfunktion des Vorstandes [s. oben a)] ergeben sich aus dem Gegenstand der 360 BGH NJW 1980, 1629; Mertens, in: KölnKommAktG, § 111 Rn. 11; Hopt/ Roth, in: GroßKommAktG, § 111 Rn. 301 ff.; Semler, in: MünchKommAktG, § 111 Rn. 247; Hüffer, AktG, § 111 Rn. 6; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 71 ff. 361 Während sich die Prüfung des Aufsichtsrats auf Gesichtspunkte unternehmerischer Zweckmäßigkeit erstreckt, beschränkt sich die Systemprüfung durch den Wirtschaftsprüfer auf die Maßgaben der „Eignung“ und „Funktion“, vgl. Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 317 Rn. 10. 362 BGHZ 114, 127, 130; Lutter, ZHR 159, 287, 290 f.; Lutter/Kremer, ZGR 21 (1992), 87, 88 f.; Oetker, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 265. 363 Kropff, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 1, 10. „Eine Überwachung der Geschäftsleitung ohne Prüfung der Rechnungslegung ist nicht denkbar“, Hüffer, AktG, § 171 Rn. 1. 364 BGHZ 114, 127; Lutter, ZHR 159, 287, 289 f.; Lutter/Kremer, ZGR 21 (1995), 87 ff.; Semler, in: MünchKommAktG, § 111 Rn. 246 ff.; § 114 Rn. 22. 365 In diesem Sinne Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 111 Rn. 67; Roth/Wörle, ZGR 33 (2004), 565, 566; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 100 ff. Beachte aber die entscheidende Rolle des Vorstandes bei Personalentscheidungen in der Praxis, vgl. hierzu Peltzer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 226 f. 366 Beachte die Grenzen des § 84 Abs. 3 AktG.

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Überwachung und dem Handlungsspielraum des Aufsichtsrats. Insbesondere stehen diesem keine Befugnisse zur Geschäftsführung zu (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG), so dass die Rechte proaktiver Einwirkungen oder gar Weisungskompetenzen begrenzt sind367. Hierzu ist allein die Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit berechtigt (vgl. §§ 83 Abs. 2, 119 AktG). Die satzungsmäßig gestatteten Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Geschäfte begründen kein Initiativrecht des Aufsichtsrats und vermögen die Grundsätze der Trennung von Leitung und Überwachung ebenso wenig wie die ihm zugewiesene Beratungsfunktion zu verschieben. Vor dem Hintergrund der weit reichenden Informationspflichten des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat (vgl. § 90 AktG) und den entsprechenden Informationsrechten des Aufsichtsrats368 wird diese Konturenschärfe jedoch weiter verwischt, so dass man durchaus von einer „partiellen Mit-Geschäftsführung“ sprechen kann369. Hier lässt sich eine Annäherung an das vor allem im angloamerikanischen Raum vorherrschende one-tier- oder boardSystem beobachten, dass neben der Hauptversammlung nur noch ein weiteres Organ kennt, das Leitung und Überwachung zugleich ausführt370. Da die laufende Geschäftsführung regelmäßig von externen Angestellten (Executives oder Officers) und nicht von board-Mitgliedern ausgeübt wird371, nähert sich dieses System der im deutschen Aktienrecht vorgegebenen Trennlinie. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man die Tendenz zu einer funktionalen Zweiteilung des boards in leitende und eher kontrollierende (non-executive bzw. independent outside directors) Mitglieder berücksichtigt372. Von einer Konvergenz beider Systeme geht neben dem Schrifttum373 auch die Regierungskommission Corporate Governance aus und stellt fest, dass es an gesicherten empirischen Erkenntnissen von der Überlegenheit des einen oder des anderen Systems fehlt374. Der Ausbau von den beschrie367

Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 111 Rn. 80 f. stellen klar, dass in § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG keine strikte Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle angelegt ist, sondern vielmehr betont, dass Weisungen des Aufsichtsrats entgegen der Möglichkeit des § 246 Abs. 3 HGB 1897 nicht mehr statthaft sind. 368 Um ihre Überwachungsaufgabe effektiv wahrnehmen zu können, verdichten sich die Informationsrechte des Aufsichtsrats zu einer Verpflichtung, die erforderlichen Informationen einzuholen Semler, in: MünchKommAktG, § 111 Rn. 267. 369 Kort, in: GroßkommAktG, vor § 76 Rn. 3. 370 Baums, ZIP 1995, 11, 14 f.; Theisen, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 262. 371 Wiesner, in: MünchHdbAG, 2. Auflage, § 19 Rn. 4. 372 Rechtsvergleichender Befund bei Buxbaum, in: Feddersen/Hommelhoff/ Schneider, Corporate Governance, S. 65 ff.; Hopt, ZGR 29 (2000), 779, 784 f. 373 Böckli, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 201; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 111 Rn. 91 ff. m. w. N. 374 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 18, 312; siehe dazu oben Fn. 253 und die Studie von Jungmann, ECFR 2006, 426 ff.,

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benen Mitverwaltungsrechten und -pflichten des Aufsichtsrats lässt eine Machtverschiebung erkennen, die das Aktiengesetz grundsätzlich in die eine sowie in die andere Richtung gestattet. cc) Die effiziente Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats Neben der strukturellen Trennung der Überwachungstätigkeit im two-tierSystem werden vor allem organisatorische und personelle Kriterien diskutiert, die sich auf die Effizienz der Kontrolle durch den Aufsichtsrat auswirken. Die deutsche Besonderheit der Arbeitnehmermitbestimmung schwingt bei der Diskussion um die Größe des Aufsichtsrats, Unabhängigkeit der Mitglieder sowie der fachlichen Qualifikation seiner Mitglieder mit. Außerdem ist die Praxis der Aufsichtsratstreffen – praeter legem – von im Vorfeld separat stattfindenden Besprechungen der Anteilseigner- und der Arbeitnehmervertreter gekennzeichnet375. (1) Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats Notwendige Voraussetzung für die effiziente Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats ist die hinreichende Unabhängigkeit seiner Mitglieder. Dieser Frage widmen sich auch die Reformbestrebungen hinsichtlich der Unternehmensüberwachung376. Nur mit dem erforderlichen Maß an Objektivität und der Freiheit von Sachzwängen kann die satzungsgemäße Überwachungstätigkeit gewährleistet werden. Das Aktiengesetz selbst schweigt mit wenigen Ausnahmen über die Notwendigkeit und den Inhalt der Anforderungen an die Unabhängigkeit. Nur die §§ 100 Abs. 2 und 105 Abs. 1 AktG deuten Mindestbedingungen an, mit denen eine Überwachungstätigkeit unvereinbar ist. Für Kapitalanlagegesellschaften sieht der neue § 6 Abs. 2a InvG vor, dass mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats unabhängig von den Aktionären, den verbundenen Unternehmen sowie seinen Geschäftspartnern sein muss377. Der DCGK nahm zunächst keinen Bezug auf die individuellen Andie nach umfangreicher Analyse empirischer Daten keine Überlegenheit des einen oder des anderen Systems feststellen kann. 375 Semler, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 274; Theisen, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 262. 376 Lieder, NZG 2005, 569, 570 f.; Roth/Wörle, ZGR 33 (2004), 565. Vgl. ebenso den Bericht der High Level Group of Experts on Corporate Law vom 4. November 2002, S. 61 f. 377 Vgl. Reg. Begr. zum Gesetzes zur Änderung des Investmentgesetzes und zur Anpassung anderer Vorschriften (Investmentänderungsgesetz), BT-Drucks. 16/5576, S. 144 f.

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forderungen eines jeden Mitglieds, sondern empfahl lediglich die Besetzung mit „einer ausreichenden Anzahl unabhängiger“ Mitglieder (Ziffer 5.4.2 Satz 1 DCGK). Bis dato enthielt er keine Anhaltspunkte, was unter „Unabhängigkeit“ zu verstehen sei. Erst seit der Änderung vom 2. Juni 2006 nimmt sich der DCGK dieser Frage detailliert an und definiert eine Mitgliedschaft als unabhängig, „wenn [das Aufsichtsratsmitglied] in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand steht, die einen Interessenkonflikt begründet“ (Ziffer 5.4.2 Satz 2). Diese Neufassung geht zwar auf eine Empfehlung der EU-Kommission zurück, weicht aber inhaltlich von ihr ab378. Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, wie vorzugehen ist, wenn zwar die Maßgaben des DCGK nicht aber die Maßgaber der Empfehlung eingehalten werden379. Systematische Erwägungen sprechen eindeutig dafür, dass nur der DCGK selbst maßgeblich sein. Denn bei der Empfehlung der EU-Kommission handelt es sich um eine unverbindliche Erklärung, die sich gerade nicht in eine Normenhierarchie einordnen lässt. Aufgrund der Konsequenzen für eine fehlerhafte Konformitätserklärung gem. § 161 AktG380.wären die entstehenden Unsicherheiten überdies nicht zumutbar. Es bleibt also bei den Anforderungen des Kodex, der die Unabhängigkeit im Allgemeinen unter familiären bzw. verwandtschaftlichen und vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten beurteilt381. Mit besonderem Argwohn wird die gängige Praxis beobachtet, dass Vorstandsmitglieder nach Beendigung ihrer dortigen Tätigkeit die Position des Aufsichtsratsvorsitzes übernehmen382. Der DCGK hält einen solchen Wechsel der effizienten Kontrolle für abträglich und empfiehlt den Unternehmen auf diese Praxis „als Regelfall“ zu verzichten383. Gemäß den Forderungen 378 Empfehlung der Kommission zu den Aufgaben von nichtgeschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsrats-mitgliedern/börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats vom 15. Februar 2005, ABl. EU Nr. L 52, S. 51, Ziffer 13 und Anhang II Nr. 1; hierzu Hopt, ZIP 2005, 461, 467. Kritisch zu den Vorgaben der Kommission BDI/bankenverband/DAI/DIHK/GDV, NZG 2005, 1052; Habersack, ZHR 168 (2004), 373, 375 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 33 (2004), 355, 359 f.; Lieder, NZG 2005, 569, 570. 379 Hüffer, ZIP 2006, 637, 641. 380 Zu den Konsequenzen – insbesondere zu Haftungsfragen – bei einer fehlerhaften Erklärung gem. § 161 AktG vgl. Kiethe, NZG 2003, 559; Bachmann, WM 2002, 2137. 381 Vgl. hierzu auch die Reg. Begr. zum Gesetzes zur Änderung des Investmentgesetzes und zur Anpassung anderer Vorschriften (Investmentänderungsgesetz), BTDrucks. 16/5576, S. 145, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit bei 30% der Gesamteinkünfte über einen Zeitraum von vier Jahren versteht. 382 Lange, NZG 2004, 265; zur internationalen Kritik Schwarz/Holland, ZIP 2002, 1661, 1670.

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nach einer „ausreichenden Anzahl“ an unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern soll der Aufsichtsrat nicht mit mehr als zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern besetzt sein384. Dass er dies nur als besonders vorsichtige Empfehlung ausspricht, gibt bestes Zeugnis, dass die durchaus berechtigten Bedenken im Spannungsfeld zu den Forderungen nach einer Professionalisierung des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder stehen385. Oftmals wird es nur ausgewiesenen Kennern der Branche und des Unternehmens möglich sein, die Überwachungstätigkeit, insbesondere den Vorsitz im Aufsichtsrat, effizient auszufüllen. Ehemalige Vorstandsmitglieder – das gilt insbesondere für die hochkomplexe Tätigkeit im Versicherungs- und Kreditgewerbe – verfügen über dieses erforderliche Spezialwissen386. Überzogen dürfte indes die Empfehlung der Kommission sein, die Unabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds erst fünf Jahre nach Beendigung der Vorstandstätigkeit anzunehmen387. (2) Die Anforderungen an die fachliche Qualifikation für ein Aufsichtsratsmandat Von ähnlichem Gewicht für die effiziente Überwachung sind die Anforderungen an die fachliche Eignung der Aufsichtsratsmitglieder388. Mit Ausnahme von Ziffer 5.4.1 DCGK enthalten die rechtlichen Rahmenbedingungen allgemeiner Corporate Governance keine solchen Maßstäbe, so dass dem Wahlorgan überlassen ist, die Eignung der Bewerber zu überprüfen389. Insbesondere ist der Nachweis einer individuellen Sachkunde nach hM keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied390. § 100 AktG stellt allein auf das Vorliegen bestimmter persönlicher und nicht etwa sachlicher Eigenschaften ab, lässt aber in Abs. 4 zu, dass 383 Ziffer 5.4.4. DCGK, neu eingefügt am 2. Juni 2005, vgl. hierzu Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 111 Rn. 189, § 107 Rn. 471 ff. 384 Ziffer 5.4.2. Satz 3 DCGK. 385 Lutter, ZHR 159, 287, 307 ff.; vgl. zur analogen Debatte über die Professionalisierung des Board in den USA Kraakman, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 129 ff. 386 Claussen/Bröcker, AG 2000, 481, 490; Lange, NZG 2004, 265, 266; Schiessl, AG 2002, 593, 598. 387 Empfehlung der EU-Kommission (siehe oben Fn. 379); Anhang II Nr. 1a. 388 Siehe hierzu Hopt, ECGI Law Working Paper 05/2002, S. 460. 389 Oetker, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 270. 390 Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 100 Rn. 20; Hüffer, AktG, § 100 Rn. 2; Mertens, in: KölnKommAktG, § 100 Rn. 9; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 2; Dreher, in: Festschrift Boujong, S. 71, 73, a. A. Semler, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 76 ff. Zur Verpflichtung, sich diese Fähigkeiten anzueignen und zur Auswirkungen der Haftung sogleich mehr.

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die Satzung weitere Anforderungen – wie etwa an besondere Sachkenntnisse oder Fähigkeiten – stellt391. Einzig § 6 Abs. 3 InvG liefert einen gesetzlichen Anhaltspunkt an die sachliche Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern, indem gefordert wird, dass sie „ihrer Persönlichkeit und ihrer Sachkunde nach die Wahrung der Interessen der Anleger gewährleisten“392. Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Anteilinhaber einer Investmentgesellschaft keinen Einfluss auf die Besetzung des Aufsichtsrats haben393. Aus der möglichen Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern resultieren jedoch verobjektivierbare Mindestanforderungen. So knüpft der Bundesgerichtshof an das Gebot der persönlichen und eigenverantwortlichen Amtsausübung eines jeden Aufsichtsratsmitglieds an, dass es „diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen muss, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können“394. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass sich das entsprechende Mitglied die Fähigkeiten erst im Laufe der Amtszeit aneignet395. Wenn es dieser Verpflichtung allerdings nicht nachkommt, kann es zu einer Abberufung aus wichtigem Grund führen (§ 103 Abs. 3 AktG)396. Nur so kann die Aufgabe der Aufsicht und der Beratung von den Aufsichtsratsmitgliedern wirkungsvoll ausgeübt werden. Entgegen der Wertung des § 6 Abs. 4 InvG gelten diese verobjektivierten Mindestanforderungen auch für die Vertreter der Arbeitnehmer und für alle Mitglieder einheitlich397. Die Haftungsmaßstäbe für Sorgfaltspflichtverletzungen oder Übernahmeverschulden einzelner Mitglieder, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ebenso intensivieren, strahlen mittelbare Wirkung auf die Qualifikationsanforderungen an die Kandidaten aus. Das so erhöhte Haftungsrisiko von Bewerbern um ein Aufsichtsratsmandat wirkt disziplinierend auf die Qualität der Träger398. Wenn die Sachkunde auch keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Bestellung zum Aufsichtsrat darstellt, so 391 Siehe Semler, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 63 ff.; Dreher, in: Festschrift Boujong, S. 71, 74. 392 Vgl. Hopt/Roth, in. GroßkommAktG, § 100 Rn. 21 mit Verweis auf die Vorgängervorschrift des § 4 KAGG abgelöst durch Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen (Investmentmodernisierungsgesetz) vom 15. Dezember 2003, BGBl. I, S. 2676. 393 Baur, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 18 Rn. 237. 394 BGHZ 85, 293, 295 f. „Hertie“. 395 A. A. Semler, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 85; ders., in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 2 Rn. 79. 396 Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 100 Rn. 27. 397 Dreher, in: Festschrift Boujong, S. 75; Semler, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 75.

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wird die drohende Haftung aus § 116 AktG für die Einhaltung funktionsund nicht nur haftungsspezifischer Anforderungen Sorge tragen399. Diese Wirkung wird allerdings erneut durch den in der Praxis üblichen Abschluss einer D&O Versicherung abgefedert400. Zwar tragen die Haftpflichtversicherungen zur tatsächlichen Geltendmachung von Ansprüchen bei, beschränken aber die Anreizwirkung für die sorgfältige Überwachungstätigkeit. Allerdings dürfte dies die einzige Alternative zu einem Berufsaufsichtsrat darstellen, da bei einer uneingeschränkten Haftung wohl noch kaum Kandidaten für die Übernahme eines Aufsichtsratsmandats bereit erklären würden. Besondere Maßstäbe gelten für den Aufsichtsratsvorsitzenden und die Ausschussmitglieder in Anbetracht ihrer besonderen Aufgaben. So ist es allgemeiner Konsens, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses imstande sein müssen, Jahres- und Konzernabschlüsse sowie die Lageberichte zu beurteilen und kritisch zu hinterfragen401. Abweichend von den Grundsätzen für eine schlichte Aufsichtsratsmitgliedschaft wirken hier aber nicht nur erhöhte haftungsrechtliche Anforderungen disziplinierend. Vielmehr gilt der zugrunde liegende Aufsichtsratsbeschluss als fehlerhaft und muss widerrufen werden, sofern eine Person diese erforderlichen Sonderkenntnisse nicht aufweist402. (3) Die Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einer Mandatierung von Bankenvertretern Das deutsche Universalbankensystem wird als wesentlicher Baustein innerhalb des Gefüges guter Unternehmensführung gesehen403. Die Auswirkung dieser Systementscheidung gegenüber einem Trennbankensystem404 398 Beachte auch die erhöhten Sorgfaltsmaßstäbe bei höherer Qualifikation eines Aufsichtsratsmitglieds, LG Hamburg ZIP 1981, 194, 197, hierzu Dreher, in: Festschrift Boujong, S. 77 f. 399 Zur Unterscheidung von funktionsspezifischen und haftungsspezifischen Anforderungen vgl. Semler, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 77 ff.; kritisch dazu Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 100 Rn. 30. 400 Oetker, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 271. 401 Zu den Anforderungen an Mitglieder des audit committees in den USA und die Vorgaben der NYSE (Listing Requirements Section 303 A Nr. 7) und der NASDAQ (Marketplace Rule 4350) zur „financial literacy“, Altmeppen, ZGR 33 (2004), 390, 398, 403 ff.; Hommelhoff, ZGR 30 (2001), 238, 255. 402 Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 100 Rn. 116. 403 Hopt, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 244; ders., in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 31 f.; ausführlich Mülbert, Gutachten für den 61. DJT, Gutachten E. 404 Das Trennbankensystem wurde in den USA unter dem Glass-Steagall Act von 1993 bis zum Erlass des Gramm-Leach-Bliley Act im Jahr 1999 praktiziert und sah

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äußert sich an vielen Stellen der Corporate Governance. Konflikte der Kombination von Kreditvergabe, Eigenkapitalbeteiligung und Stimmrechtsvollmachten kommen jedoch am stärksten bei der Mandatierung von Aufsichtsratsvertretern zum Ausdruck. Bei der Diskussion um eine effiziente Überwachungstätigkeit steht der Einfluss von Banken durch die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern unter kritischer Beobachtung, die oftmals außer Verhältnis zur kapitalmäßigen Beteiligung steht405. Unter Berücksichtigung der Vollmachtstimmrechte (vgl. § 135 AktG), die Banken für ihre Depotkunden wahrnehmen und deshalb auch unpräzise „Depotstimmrechte“ genannt werden, kommt es zur sog. „Einflusskumulation“406. Enge Verflechtungen und die Dominanz von Kreditinstituten, die aufgrund intensiver Kreditbeziehungen zum Unternehmen besondere Eigeninteressen vertreten, werden nicht per se als abträglich für die Effizienz der Kontrolle angesehen407. Die Offenlegungspflicht der Kreditinstitute über die Frage, ob sie Organmitglieder oder Mitarbeiter in den Aufsichtsrat des entsprechenden Unternehmens entsenden (vgl. § 128 Abs. 2 Satz 5 AktG), bringt zum Ausdruck, dass es letztlich den vollmachtgebenden Aktionären überlassen werden soll, über mögliche Interessenskonflikte zu entscheiden408. Materiell begleitet wird dieses Transparenzerfordernis durch die Einführung des § 135 Abs. 1 Satz 3 AktG im Rahmen des KonTraG. Ein übertragenes Stimmrecht von einem Kreditinstitut, das selbst mit mehr als 5% an dem Unternehmen beteiligt ist, darf nur noch dann wahrgenommen werden, wenn eine ausdrückliche Einzelweisung vorliegt. Einen Wettbewerb um Vollmachtstimmrechte hat der Gesetzgeber trotz einiger Reformvoreine strikte Trennung von Kredit- und Investmentgeschäft vor, vgl. Hoffmann, WM 2000, 1773; Steiner, Die Bank 2003, 8, 10 mit Hinweis auf immer noch bestehende Hindernisse für die Gründung von Universalbanken, ebda. S. 12. Im Zuge der aktuellen Bankenkrise wurden die reinen Investmentbanken in Universalbanken umstrukturiert. Zwar müssen diese nun eine strengere Aufsicht der US-amerikanischen Notenbank in Kauf nehmen, ihnen ist im Gegenzug aber gestattet, sich mit Fremdkapital aus Einlagen zu kapitalisieren. Unter dem Dodd-Frank-Act wurde den Einlageinstituten der Eigenhandel mit Wertpapieren weitesgehend untersagt, ohne dass es zu der Wiedereinführung eines strikten Trennbankensystems kam. Dies gilt als Kompromiss zur sog. Volcker Rule, vgl. Spindler/Brandt/Raapke, RIW 2010, 746, 748 f. 405 Vgl. die empirischen Daten bei Hopt, ZGR 29 (2000), 779, 804.; dazu Roth/ Wörle, ZGR 33 (2004), 565, 597 ff. 406 Baums, AG 1996, 11; Götz, AG 1995, 337, 346; Kubis, in: MünchKommAktG, § 128 Rn. 2; Schröer, in: MünchKommAktG, § 135 Rn. 15; vgl. auch BMF (Hrsg.), Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft, S. 75 ff.; 101 ff., 116 ff. 407 Mülbert, Gutachten für den 61. DJT, S. E 116 kommt zu dem Befund, dass die „Bankenmacht“ in Deutschland nicht zu einer abträglichen Kontrolle und Unternehmensentwicklung geführt hat. 408 Schröer, in: MünchKommAktG, § 135 Rn. 16.

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schläge bisher ebenso wenig ermöglicht wie er die „Bankenmacht“ durch eine Beteiligungsgrenze beschränkt hat409. Die Begrenzung der Aufsichtsratsmandate (vgl. § 100 Abs. 2 AktG) zur Verhinderung einer gesellschaftspolitisch unerwünschten Machtkonzentration in einem kleinen Personenkreis410 betrifft zwar vor allem Bankenvertreter, bleibt aber hinter den anderen Vorschlägen weit zurück. Die Begrenzung der aufgeführten Einflussmöglichkeiten von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen zählt nicht zu den gesetzlichen Zwecken des branchenspezifischen Wirtschaftsaufsichtsrechts. Demgemäß enthalten das KWG sowie das VAG keine Vorschriften, welche die Position von (Universal-)Banken und Versicherungsunternehmen im Corporate Governance-Gefüge anderer Unternehmen unmittelbar beschränken. Mittelbare Konsequenzen für die kapitalmäßige Beteiligung an anderen Unternehmen resultieren allein aus den Vorgaben für die Eigenkapitalausstattung und Liquidität411. Wenn zudem von Banken verlangt wird, die Strukturen und Prozesse ihrer Kunden zu kennen (know-your-customer), können sie aufgrund ihrer Funktion als Kreditgeber zum mitgestaltenden Faktor von Unternehmensstrukturen werden. Hier geht es also nicht um die Frage nach Corporate Governance bei sondern durch Banken und Versicherungsunternehmen als institutionelle Investoren412. Eine Problemlösung diesbezüglich zählt nicht zu den Regelungsgegenständen des Aufsichtsrechts und wird daher hier nicht weiter vertieft. dd) Die Delegation von Überwachungskompetenzen an Ausschüsse In zunehmendem Maße lässt sich eine Verschiebung der Aufsichtsratsbefugnisse auf spezialisierte Ausschüsse beobachten, deren Einrichtungen Ausdruck der Organisationsautonomie des Aufsichtsrats sind413. Grundsätzlich ist eine solche Entwicklung im Zeichen einer Professionalisierung zu 409 Vgl. hierzu Baums, AG 1996, 11; Schröer, in: MünchKommAktG, § 135 Rn. 17, 20; Zöllner, in: Festschrift für Peltzer, S. 661, 674. Siehe auch die Ergebnisse der Bankenstrukturkommission aus dem Jahr 1979, BMF (Hrsg.), Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft, S. 83 ff. 410 Ausschussbericht zum AktG 1965, abgedr. bei Kropff, § 100, S. 136. 411 Schmolke, ZGR 36 (2007), 701, 737 f. Eine quantitative Begrenzung des Anteilsbesitzes von Kreditinstituten an nichtfinanziellen Unternehmen hat sich nicht durchsetzten können. Vgl. aber, BMF (Hrsg.), Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft, S. 282 f. 412 Hafke, in: Festschrift Hadding, S. 863, 873. 413 Gach, in: MünchKommAktG, § 25 MitbestG Rn. 8; Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 107 Rn. 228 f.; Semler, in: MünchKommAktG, § 107 Rn. 231; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 80.

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begrüßen. Insbesondere können Ausschüsse ihre Tätigkeit flexibler, effizienter und diskreter erfüllen414. Jedoch müssen die satzungsmäßigen Kompetenzverteilungen („checks and balances“) hinreichend Berücksichtigung finden. Die Shareholder können den Aufsichtsrat aber nicht dazu verpflichten, Ausschüsse einzurichten. Die satzungsmäßige Verpflichtung stellt nach hM einen unzulässigen Eingriff in die Organisationsautonomie des Aufsichtsrats dar415. Allenfalls bei großen Gesellschaften – und auch nur dann in Ausnahmefällen – kann man diese Verpflichtung bei der inneren Organisation aus Haftungsgesichtspunkten herleiten416. Ausdrücklich wird vom DCGK die Einrichtung eines Prüfungsausschusses („audit committee“) gefordert, welcher der zweckmäßigen Erfüllung der Überwachungstätigkeit im Rahmen der internen Abschlussprüfung dient417. Art. 41 der Abschlussprüferrichtline418 geht darüber hinaus und schreibt die Einsetzung eines Prüfungsausschusses für Unternehmen „von öffentlichem Interesse“ – zu denen börsennotierte Unternehmen definitionsgemäß zählen (vgl. Art. 2 Nr. 13 der RL) – zwingend vor. Dies perpetuiert in weiten Teilen die gängige Praxis und zählt nach Umsetzung mehr als nur zum europäischen Acqui Communautaire der Corporate Governance419. Darüber hinaus empfiehlt die Kommission die Einrichtung eines Nominierungs- und eines Vergütungsausschusses420. Nicht zuletzt wegen internationaler Standards kommen die Unternehmen dieser Empfehlung regelmäßig nach. Mit der Aufgabenübertragung an Ausschüsse kann ein größeres Maß an Unabhängigkeit gewährleistet werden. Insbesondere trifft dies auf mitbestimmte Unternehmen zu, für deren Ausschüsse kein äquivalentes Erfordernis (quasi)paritätischer Besetzung gilt. Sofern das Vollgremium diese Delegation als endgültige und nicht nur als beratende Funktion betrachtet, ver414 Vor allem auf letzteren Aspekt legt Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 3.185 besonderes Augenmerk. 415 BGHZ 83, 106, 115; Hüffer, AktG, § 107 Rn. 16; Mertens, in: KölnKommAktG, § 107 Rn. 90; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 81. 416 Mertens, in: KölnKommAktG, § 107 Rn. 100; Semler, in: MünchKommAktG, § 107 Rn. 286; Krieger, ZGR 14 (1985), 338, 361 f. Eine solche Pflicht besteht jedoch nicht als Regelfall, siehe Hopt/Kort, in: GroßkommAktG, § 107 Rn. 359, aber mit Verweis auf die gängige Praxis. A. A. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 620. 417 Hierzu Hommelhoff, ZGR 30 (2001), 238, 256. 418 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 157/87. 419 So noch Leyens, JZ 2007, 1061, 1063. 420 Empfehlung der Kommission (siehe oben Fn. 372); Anh. I, Nr. 2.1 ff.

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schieben sich aber die aktienrechtlich vorgesehenen Kontrollmechanismen421. Der Gesetzgeber setzt daher der Delegationsbefugnis in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG gewisse Grenzen422. Zu Wertungswidersprüchen kann es unter Umständen bei kapitalmarktrechtlichen Bezügen insbesondere im Bereich des Ad-hoc-Rechts kommen. Die bereits angesprochene Problematik für das aktienrechtliche Kompetenzgefüge durch eine (zu) frühe Meldung gegenüber dem Kapitalmarkt423 kann sich dadurch verschärfen, wenn sich ein Ausschuss mit einer Frage befasst hat. Insbesondere durch einen repräsentativ besetzten Ausschuss wird eine Prognose über das Entscheidungsverhalten des Vollgremiums beeinflusst, die den Literaturstimmen zufolge für die Berechtigung zum Aufschub der Ad-hoc-Mitteilung maßgeblich sein soll424. Ebenso berücksichtigt der für die Praxis relevante Emittentleitfaden zwar Gremienvorbehalte aus Gesichtspunkten einer guten Corporate Governance „regelmäßig“ als berechtigtes Suspensivinteresse der Unternehmen, hält aber eine frühere Veröffentlichung nach einer Entscheidungsfindung im entsprechenden Ausschuss für möglich425. Wenn für die endgültige Befassung jedoch ein Delegationsverbot besteht – wie etwa für die Billigung von Jahresabschlüssen gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 171 AktG – darf diese verbandsrechtliche Wertung nicht durch eine vorzeitige Ad-hoc-Meldung unmittelbar nach der Ausschusssitzung konterkariert werden. c) Die Hauptversammlung als „oberstes Organ“ einer Aktiengesellschaft Wie schon die systematische Stellung der Vorschriften über die Hauptversammlung zeigt, sieht die materielle Verfassung einer Aktiengesellschaft 421 Theisen, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 262. Rechtlich ist die Aufgabenübertragung an einen Ausschuss jederzeit widerrufbar, BGHZ 89, 45, 55 f.; OLG Köln WM 1981, 413, 416; Mertens, in: KölnKommAktG, § 197 Rn. 125. 422 Siehe zur Delegationsbefugnis für die Erteilung des Prüfungsauftrags Altmeppen, ZGR 33 (2004), 390, 405 m.w.N; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 316; Hüffer, AktG, § 124 Rn. 13; Werner, in: GroßkommAktG, § 124 Rn. 71; a. A. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 3184; Hommelhoff, BB 1998, 1567, 2570; Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 257. Zu den gesetzlichen und weiteren ungeschriebenen Delegationsverboten siehe Hopt/Kort, in: GroßkommAktG, § 107 Rn. 376 ff. 423 Vgl. oben II. 3. b). 424 So soll das Suspensivinteresse gem. § 15 Abs. 3 WpHG entfallen, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrats „wahrscheinlich“, „zu erwarten“ oder „sicher“ ist, siehe Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905; Möllers, WM 2005, 1393, 1400; Schneider, BB 2005, 897, 899; Veith, NZG 2005, 254, 256. 425 BaFin, Emittentenleitfaden i. d. F. vom 15. Juli 2005, S. 46, 55, so auch Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 145.

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nur eine begrenzte Mitwirkung der Aktionäre an der Führung und der unmittelbaren Überwachung der Geschäfte vor426. Gerade in Publikumsgesellschaften wäre die Übernahme dieser Verantwortung nicht zuletzt aufgrund hoher Kontrollkosten wegen der nur geringen Beteiligung bei Hauptversammlungen und den heterogenen Aktionärsinteressen nicht zweckdienlich und könnte nicht effizient ausgeübt werden427. Regelmäßig lässt sich eine rationale Zurückhaltung von Kleinaktionären bei der Ausübung von Kontrollrechten ausmachen, so dass es an einem Anreiz fehlt, den Einfluss tatsächlich wahrzunehmen428. Die bestehende Hauptversammlungskompetenz, wie sie im Rahmen von § 119 AktG für die mittelbare und langfristige Lenkung der Aktiengesellschaft durch die Aktionäre vorgesehen ist, verbietet es aber, die Beschränkung der Verwaltungsrechte als Entmachtung der wirtschaftlichen Eigentümer oder Aufgabe der Aktionärsdemokratie zu bewerten429. Neben diesen geschriebenen Grundsatzkompetenzen kann sich das Recht des Vorstands zur Einberufung einer Hauptversammlung bei Grundsatzentscheidungen zu einer Pflicht verdichten („Holzmüller“-Doktrin)430. Die jüngsten Bestrebungen zur Verbesserung der Stimmrechtsausübung431 und bereits zuvor zur Stärkung der Aktionärsrechte durch das KonTraG, TransPuG und UMAG haben an der grundsätzlichen Kompetenzverteilung zwischen Verwaltung und Hauptversammlung nichts geändert. Sie dienen und dienten allein der Steigerung der Funktionsfähigkeit des Aktionärsorgans innerhalb des gesteckten Zuständigkeitsrahmens. 426 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 V; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 3.218; Kort, in: GroßkommAktG, vor § 76 Rn. 11 zu der Beibehaltung dieses Grundsatzes auch nach dem KonTraG. 427 Vgl. bereits die Begr. RegE zum AktG 1965, abgedr. bei Kropff, § 76, S. 96: „Die Aktionäre haben im Allgemeinen weder die Zeit noch die Übersicht, um Geschäftsführungsfragen unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte entscheiden zu können.“. Siehe auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S. 656; Kubis, MünchKommAktG, § 118 Rn. 16. 428 Zur sog. „rationalen Apathie“ und dem „free-rider“-Problem, siehe oben Einleitung, IV. 1. 429 So z. B. Hefermehl/Semler, in: MünchKommAktG, vor § 76 Rn. 19. Aufgrund der satzungsfesten Zuordnung der Kompetenzen zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung ist eine Bezeichnung der Hauptversammlung als „primus inter pares“ gegenüber dem Begriff „oberstes Organ“ vorzugswürdig. 430 BGHZ 83, 122 („Holzmüller“); 159, 30, 36 ff. („Gelatine“); dazu ausführlich Fleischer, NJW 2004, 2335. In der Gelatine-Entscheidung ist der BGH von der dogmatischen Herleitung der ungeschriebenen Zuständigkeit aus § 119 Abs. 2 AktG abgewichen und leitet diese nun aus einer Gesamtanalogie der Einzelkompetenzen bei Strukturveränderungen ab, hierzu Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 119 Rn. 25 ff. 431 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (Aktionärsrechte-Richtlinie) vom 14. Juli 2007, Abl. EU Nr. L 184, S. 17.

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2. Der Wirtschaftsprüfer als Bindeglied zwischen interner und externer Corporate Governance Eine besondere Funktion im System der Corporate Governance allgemein und der Bilanzpublizität im Besonderen nehmen unabhängige Abschlussprüfer ein, die als „Hilfsperson für den Aufsichtsrat“ fungieren432. Die Abschlussprüfung stellt ein Bindeglied zwischen interner und externer Corporate Governance433 und „wohl die stärkste Sicherung für die Einhaltung der Publizitätsvorschriften“434 dar. Dies gilt umso mehr, da den Publizitätsadressaten mit Ausnahme der Aktionäre keine rechtlichen Mittel zur Verfügung stehen, die Einhaltung der Offenlegung durchzusetzen435. Im Rahmen des Prüfungsberichts sowie der Berichterstattung werden die internen Kontrollgremien (Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss) einerseits und im Rahmen des Bestätigungsvermerks die Öffentlichkeit andererseits mit Informationen der Abschlussprüfer versorgt436. Grundsätzlich beinhaltet die Abschlussprüfung eine Gesetzes-, Satzungs- und Ordnungsmäßigkeitsprüfung437 aber kein Gütesiegel für die Bonität des Unternehmens. Dieses Defizit läuft dem gestiegenen Interesse an der Veröffentlichung von Finanzkennzahlen zuwider438. Als „Erwartungslücke“ wird die Divergenz zwischen den öffentlichen Erwartungen an den testierten Abschluss und dem, was der Abschlussprüfer seinem gesetzlichen Auftrag nach leisten muss, definiert439. Zur Schließung dieser Lücke befassen sich die Normgeber mit der Stärkung der Rolle von Wirtschaftsprüfern, insbesondere mit den Anforderungen an deren Unabhängigkeit440 nicht erst seit den Skandalen um En432 Potthoff/Theisen, in: 40-Jahre Der Betrieb, S. 53, 58; Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 401, mit Verweis darauf, dass die Wirtschaftsprüfer nach vorzugwürdiger Ansicht außerhalb der Aktiengesellschaft stehen und die Bezeichnung „Hilfsorgan“ daher unangemessen sei. A. A. BGHZ 16, 17, 25; missverständlich Kropff, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 13 ff. („auch“ Hilfsorgan). 433 Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, vor § 316 Rn. 6 f. Hauptverantwortlich für die Binnenkontrolle bleiben aber die Aktionäre und der Aufsichtsrat, Hopt, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 37; Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 639. Auch Schruff, in: Kapitalmarkorientierte Unternehmensüberwachung, S. 151 betont, dass dem Abschlussprüfer „keine originäre Funktion bei der Unternehmensüberwachung“ zukäme. 434 So bereits Quassowski, Publizität im Aktienrecht, 424. 435 Richter, Aktienamt, S. 199. 436 Schruff, in: Kapitalmarktorientierte Unternehmensüberwachung, S. 150. 437 BGHZ 16, 17, 22. 438 Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 316 Rn. 7 f. 439 Dörner/Oses, DB 1995, 1085, 1089; Claussen, AG 1996, 481, 488; Biener, in: Festschrift Havermann, S. 39. 440 Die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer wird als Kernproblem und Beeinträchtigung der Corporate Governance gesehen. Insbesondere die Inhabilität, also

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ron und Worldcom441. Erst jüngst hat der europäische Gesetzgeber mit Verabschiedung der Abschlussprüfungsrichtline442 neue Maßstäbe für die Qualität der Abschlussprüfungen aufgestellt und auf die Erfahrungen mit den Bilanzskandalen in den USA reagiert443. Mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)444 hat der deutsche Gesetzgeber diesen Maßgaben bereits vorgegriffen und mit ausdrücklichen Verweisen auf den Sarbanes Oxley Act sowie die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes445 den veränderten Umständen Rechnung getragen, die sich durch einen enormen Vertrauensverlust in die Unternehmenspublizität und dem Bedürfniss nach adäquaten Durchsetzungsmechanismen für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung kennzeichnen446. Zudem ist ein Paradigmenwechsel bei der Abschlussprüfung in materieller Hinsicht dahingehend zu beobachten, dass sich die Kontrolle unter rein finanziellen Gesichtspunkten zu einem umfassenden „business audit“ entwickelt447. Von Bedeutung für das Verhältnis von autonomer zu heteronomer Unternehmensüberwachung ist die bereits eingangs angeklungene Frage nach der Stellung des Wirtschaftsprüfers als unternehmensinterne oder -externe Kontrollinstanz. Richtigerweise wird man die heteronome Kontrolle des Wirtdie die Unvereinbarkeit von Unternehmensberatung und -prüfung, ist zum Gegenstand der Reformen geworden, vgl. Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 319 Rn. 4; Dörner, DB 1998, 1, 6 f. 441 Vgl. bereits die Zielsetzung des Gesetzes zur Kontrolle von Transparenz im Unternehmensbereich – KonTraG zur Stärkung der Unabhängigkeit von Wirtschaftsprüfern und Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfungen und zur Schließung der Erwartungslücke, Begr. RegE, BT-Drucks. 13/7912, S. 11; hierzu Hommelhoff/ Mattheus, AG 1998, 249, 257. Zur Enron-Krise vgl. Luttermann, in: MünchKommAktG, Das Bilanzrecht der Aktiengesellschaft, Rn. 11; Lüdenbach/Hoffmann, DB 2002, 1169 ff.; Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 39 ff.; Coffee, Cornell Law Review Vol. 89 (2004), 269 ff. 442 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 157/87. 443 Diese Richtlinie hebt die 8. EG-Richtlinie (Abschlussprüferrichtlinie vom 10. April 1984, ABl. EU Nr. L 126/20) auf und regelt die Abschlussprüfung neu und umfassend, vgl. hierzu Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, vor § 316 Rn. 4. 444 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung vom 4. Dezember 2004, BGBl. I, S. 3166. 445 BGHZ 153, 32. 446 Wolf, DStR 2004, 244. 447 Vgl. z. B. die Prüfung, ob der Pflicht zur Errichtung eines Früherkennungssystems gem. § 91 Abs. 2 AktG hinreichend genüge getan ist. Siehe auch Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 411 ff.

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schaftsprüfers mit der Einführung der Pflichtprüfung als öffentliche, wenn auch nicht staatliche, Funktion umschreiben müssen448. Diskussionen um die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer werden umso mehr verständlich, als dass nur eine hinreichende Objektivität dem Gütesiegel einer externen Überprüfung die notwendige Aussagekraft für die Adressaten der Offenlegung zu verleihen vermag. Verwischen hingegen die Grenzen zwischen Aufstellung und Prüfung der Jahresabschlüsse entfällt ein wesentliches Moment an Kontrolle. 3. Die Grundlagen des Outsiderkontrollsystems in Deutschland Die marktlichen Funktionen und Wirkungsweisen – insbesondere jene des Marktes für Übernahmen und Unternehmenskontrolle – sind bereits an anderer Stelle ebenso umfassend erörtert worden [s. oben § 1 II. 2.] wie die Konturen des Kapitalmarktrechts [s. oben § 2 II.]. Nach einer überblicksartigen Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen [s. unten a)] wird hier auf die tatsächlichen Besonderheiten einzugehen sein, die das Umfeld deutscher Outsider-Kontrolle prägen [s. unten b) und c)]. a) Die Eckpfeiler kapitalmarktrechtlicher Regelungen Die wesentlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Kapitalmärkte bilden das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Börsengesetz (BörsG) sowie das WpÜG. Sie statuieren öffentlich-rechtliche Pflichten von Marktteilnehmern, deren Einhaltung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden überwacht wird. Im Bereich der Unternehmenstransparenz ergänzen sie die bestehenden aktienrechtlichen Publizitätserfordernisse durch zusätzliche periodische oder anlassbezogene Berichtspflichten, enthalten zudem Reglementierungen des Insiderrechts und Verbote von Markpreismanipulationen und sorgen für die verfahrensförmige Abwicklung von öffentlichen Übernahmen. Nach seiner Grundkonzeption will das Kapitalmarktrecht unternehmerische Entscheidungen nicht präjudizieren, sondern im Rahmen seines Informationsmodells eine Grundlage dafür schaffen, um die Bewertung dem individuellen Marktentscheid überlassen zu können449. Die normativen Vorgaben schaffen die Voraussetzung für einen effizienten, liquiden, funktionsfähigen und wohlinformierten Markt, damit seine Kräfte ihre Wirksamkeit entfalten können. Ein weniger rechtliches als faktisches Korrektiv zum rechtlichen Leitbild des individuellen Informationsmodells stellt die Kollek448

Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 402 f.; Schulze-Osterloh, ZGR 5 (1976), 411. Grundmann, DStR 2004, 232, 233. Ausführlich zum kapitalmarktrechtlichen Informationsmodell, siehe oben § 2 II. 2. b). 449

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tivierung von (institutionellen) Marktteilnehmern sowie die Bündelung und Verarbeitung der Informationen durch professionelle Intermediäre dar. b) Die institutionellen Anleger Vor allem durch die Liberalisierung der Kapitalmärkte haben die Großinvestoren, deren aktive Einflussnahme auf die Corporate Governance im angloamerikanischen Rechtsraum bereits etabliert ist, Einzug in das deutsche Gefüge der Unternehmensüberwachung erhalten. In Ermangelung einer allgemeingültigen Definition des Begriffs muss man sich an einem praktischen Befund orientieren, der – zweifelsohne nicht abschließend – ein Bild von Investmentfonds, Banken, Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds sowie neuerdings Hedgefonds als institutionelle Anleger zeichnet450. Einen Teilbereich dieses Phänomens – im Bezug auf den Einfluss von Großinstituten im Universalbankensystem – ist bereits im Zusammenhang mit der Mandatierung von Aufsichtsratsmitgliedern erörtert worden [s. oben III. cc) (2)]. An dieser Stelle soll das erweiterte Spannungsfeld zwischen der erwünschten Partizipation zur Kontrolle des Managements und dem notwendigen Schutz vor dessen Schattenseiten dargestellt werden. Ob es tatsächlich zu einer aktiven Rolle der institutionellen Investoren kommt („Voice“), oder ob es bei einer „Abstimmung mit den Füßen“ bleibt („Exit“), muss kritisch beurteilt werden451. Grundsätzlich erhofft man sich durch die aktive Ausübung der Voice-Optionen ein Überwinden der Kollektivhandlungsprobleme in Form der „rationalen Apathie“ und des „free rider“-Problems452. Für Aktionäre mit größerem Beteiligungsbesitz erhöhen sich grundsätzlich die Anreize für eine aktive Beteiligung, da sich die Kontrollkosten für die Bündelung von individuellen Interessen verringern und Aufwendungen für die Inanspruchnahme mit einem größeren Anteil an der Rendite korrelieren. Nachteilige Effekte einer aktivistischen Rolle sind mögliche Interessenkonflikte der Investoren und die Gefahr, dass Renditeziele auf kurzfristige Erfolge zu Lasten von Kleinaktionärsinteressen ausgerichtet werden453. Vor allem die geringe Präsenz bei Hauptversammlungen begünstigt, dass qualifizierte Minderheiten ihre eigenen Interessen durch „Zufallsmehrheiten“ durchsetzen 450 Schmolke, ZGR 36 (2007), 701, 704 f., der eine Trennlinie zwischen „traditionellen“ institutionellen Anlegern und Hedgefonds zieht. 451 Schmolke, ZGR 36 (2007), 701, 713 f. kommt zu dem Befund, dass institutionelle Investoren auch in Deutschland „Exit“-Optionen präferieren. Vgl. auch die Sollvorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 2 InvG bezüglich der Wahrnehmung von Stimmrechten durch die Anlagegesellschaft. 452 Siehe oben Einleitung, IV. 1. 453 Kahan/Rock, Univ. of Pennsylvania Law Review Vol. 155 (2007), S. 1066 ff.

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können454. Eine aktive Beteiligung von institutionellen Anlegern vermag dies zu verhindern. Überdies hat die Tätigkeit von Hedge-Fonds positive Effekte auf die Markteffizienz und -liquidität455. Der tatsächliche Befund zeugt jedoch von einer weitestgehenden Zurückhaltung von traditionellen institutionellen Anlegern bei der aktiven Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte. Als mitursächlich für den fehlenden Aktivismus institutioneller Investoren wird vor allem das kapitalmarktrechtliche Regulierungsumfeld identifiziert. Aktienrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Treuepflichten von Großaktionären456 sowie investmentrechtliche Anforderungen werden durch die Offenlegung von Meldeschwellen und Pflichtangebote beim Kontrollerwerb aus Gesichtspunkten des Anlegerschutzes ergänzt457. Tatsächlich zeigt auch die Beteiligung von Hedgefonds an der Unternehmenskontrolle, die aufgrund ihrer auf aktive Einflussnahme ausgerichteten Anlagestrategie eine andere Rolle einnehmen und sich überdies einer geringeren Regulierung ausgesetzt sehen, kein wesentlich anderes Bild458. Vielmehr ist das vergleichsweise offene Auftreten des TCI Fund bei der gescheiterten Übernahme der Londoner Börse durch die Deutsche Börse AG bisher die Ausnahme geblieben459.

454

Schneider, AG 1990., 317, 322. Kumpan, ZHR 170 (2006), 39, 52. 456 Grundlegend BGHZ 103, 184 („Linotype“), bestätigt u. a. durch BGHZ 127, 107, 111; BGHZ 129, 136, 142 („Girmes“). Vgl. auch Lutter, ZHR 162 (1998), 164. Die Geltung mitgliedschaftlicher Treuepflichten bezieht sich umfassend auf alle Aktionäre nicht nur auf das Verhältnis von Groß- zu Kleinaktionären (Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 121). Treuwidriges Verhalten kann zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Aktionär bzw. zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung führen, vgl. Hüffer, AktG, § 53a Rn. 21 f. 457 Vgl. §§ 21 ff. WpHG, § 35 Abs. 1 WpÜG. Für Kapitalanlagegesellschaften bestehen Diversifikationsgebote, vgl. §§ 60 Abs. 1, 64 Abs. 2 Satz 1 InvG. Auch die Zurechnung von Stimmrechten auch bei abgestimmten Verhalten („acting in concert“) gem. §§ 22 WpHG, 30 WpÜG und Strategien zu deren Vermeidung kann „dem Unhabhängigkeitsstreben des Managements in die Hände spielen“, Engert, ZIP 2005, 2105, 2111. 458 Kahan/Rock, Univ. of Pennsylvania Law Review Vol. 155 (2007), S. 1046 mit Verweis auf J.P. Morgan, Global Mergers and Acquisitions Review 2006, S. 89. 459 Kritisch zu diesem Vorgang aufgrund der Interessenkonflikte des Fonds, den Kurs der London Stock Exchange (LSE) Aktie zu drücken, um mit gezielten Leerverkäufen zu spekulieren (siehe FAZ vom 11. Mai 2005, S. 22), siehe Engert, ZIP 2006, 2105, 2107 f. 455

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c) Die Informationsintermediäre im Koordinatensystem von externer Corporate Governance Heute übernehmen weitere externe Einrichtungen, wie etwa Ratingagenturen460 und Aktienanalysten als Informationsintermediäre eine gewichtige und stetig anwachsende Rolle im Gefüge der Corporate Governance461. Ratings enthalten standardisierte Einschätzungen über die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung von Zahlungsversprechen aus Fremdkapitalmarktpapieren oder Darlehen, während Aktienanalysen die zukünftige Entwicklung von Eigenkapitalanteilen bewerten462. Neben den internen Verfahren der Banken übernehmen spezialisierte Anbieter die Durchführung der Bonitätsanalysen (externes Rating). Durch die Ergebnisse aus Ratingverfahren senken sich die Informationsbeschaffungskosten der Anleger und gleichzeitig die Kapitalkosten der Nachfrager, indem die Kapitalmarktnehmer standardisierte Informationen über die zunehmende Zahl von Kapitalmarktprodukten erhalten463. Dies erklärt auch den Anreiz für Emittenten, die Aufträge für eine solche Prüfung selbst zu erteilen, birgt aber gleichzeitig den Vorwurf der Parteilichkeit464. Ebenso ist für Banken das externe Rating zur Ermittlung der Bonität ihrer Kreditkunden (Darlehensrating) vor dem Hintergrund des Kreditrisiko-Standardansatzes (KSA) nach den neuen Eigenkapitalvorschriften von Bedeutung (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 SolvV)465. In Anbetracht der zunehmenden Verantwortung von Informationsintermediären für die Funk460 Der Ratingmarkt wird dominiert von den Anbietern Standard & Poor’s, Moody’s Investors Service und Fitch Ratings. Neueste Daten, die für die Kennzeichnung des Marktes durch ein Oligopol sprechen bei Blaurock, ZGR 36 (2007), 603, 606. 461 Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 133; Hopt, ECGI Law Working Paper 05/2002, S. 478. Die Stellung von Intermediären wird auch als „Gatekeeper“ bezeichnet, vgl. Kraakman, Journal of Law, Economics, and Organization Vol. 53 (1986), S. 53. Vor allem hatte er die Haftung von emissionsbegleitenden Banken im Blick. Vergleichbare Rollen nehmen aber auch Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Ratingagenturen ein. 462 Ebenroth/Daum, WM Sonderbeilage Nr. 5/1992, S. 2; v. Randow, ZBB 1995, 140; Peters, Haftung und Regulierung von Ratingagenturen, S. 28; Reidenbach, S. 28 ordnet daher die Aktienanalyse der Sichtweise einer „Shareholder Value“ und das Rating einer „Stakeholder Value“-Perspektive zu. 463 v. Randow, ZBB 1995, 140, 142 f. 464 Zu Problemen des „auftragslosen Ratings“ siehe v. Randow, ZBB 1996, 85. 465 Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 2001, 346, 347 f.; Berger, in: MünchKommBGB, vor § 488 Rn. 49; Hennrichs, in: Festschrift Hadding, S. 875, 876; Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2. Auflage, Überblick Basel II, Rn. 18; Paetzmann, DB 2001, 493, erwartet jedoch, dass die Banken trotz größerer Aufwendungen die Vorteile eines internen Ratings (IRB-Ansatz) bevorzugen werden. Die Unterlegung von externen Ratings beim Standard-Ansatz könnte allerdings für kleinere Institute von Bedeutung sein.

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tionsfähigkeit der Kapitalmärkte und die Corporate Governance wird eine Überwachung dieser Intermediäre kontrovers diskutiert. Mit wachsender Marktmacht von Ratingagenturen und Aktienanalysten sowie der Unüberschaubarkeit ihrer Neutralität und Unabhängigkeit bleibt mit den Worten Juvenals zu fragen: „Sed quis custodiet ipsos custodes?“466 4. Die staatliche Kontrolle im Gefüge der Corporate Governance Die Rolle des Staates im Rahmen der Corporate Governance ist – wie die bisherige Darstellung bereits vermuten lässt – grundsätzlich zurückhaltend und beschränkt sich primär auf den Bereich der Rechtssetzung. Seit der Abkehr vom Konzessionssystem findet staatliche Überwachung mit Ausnahme branchenspezifischer Aufsicht nur durch das (elektronische) Handelsregister statt. Grundsätzlich beinhaltet deren Tätigkeit nur die Überprüfung anhand formaler Kriterien. Wo auch immer staatliche Überwachungsmechanismen die unternehmensinternen Kontrollen ergänzen, bedarf es einer besonderen Legitimation. Aus Effizienzgesichtspunkten sind heteronome Lösungsmodelle grundsätzlich gegenüber Selbstregulierung unterlegen und sollten nur dann zum Einsatz gelangen, wenn sich diese als ineffizient erweisen und ein Marktversagen droht. Unter der daraus folgenden Prämisse, dass marktschonende, die Autonomie der Teilnehmer berücksichtigende Maßnahmen grundsätzlich vorzugswürdig sind, steigen die Anforderungen an eine Rechtfertigung staatsseitiger Einwirkung mit der Intensität der Ingerenzrechte. Vor diesem Hintergrund gilt für das System der guten Unternehmensführung in Deutschland der Grundsatz, dass sich hoheitliche Aufsicht auf einen liberalen Ansatz der Überwachung von Offenlegungsvorschriften beschränkt. Während die registergerichtliche Kontrolle [s. unten a)] branchenübergreifende Anwendung findet, ist die behördliche Überwachung vornehmlich sektorspezifisch467. Die Vorschriften des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts können insoweit als repräsentativ gelten und werden im Zweiten Teil auch vor dem Hintergrund eingehend untersucht, ob sie eine Ausnahme vom oben beschriebenen Grundsatz der Publizitätsaufsicht darstellen. Im Rahmen der „allgemeinen“ Corporate Governance unterliegen alle kapitalmarktorientierten Unternehmen der Wertpapieraufsicht durch die BaFin und der Handelsüberwachung durch die Börsen [s. unten b)]. Neben den weitestgehend nach formalen Kriterien erfolgenden Zweigen der Publizitätsaufsicht stellt 466

„Wer wacht über die Wächter selbst?“. So der römische Satiredichter Juvenal im 1. Jahrhundert n. Chr, Juv. sat. VI, 347–348. Zur staatlichen Kontrolle von Ratingagenturen siehe unten 4. d); zur Haftung siehe unten 5. b). 467 Schwark, Anlegerschutz, S. 208, 245 ff.

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das neu eingeführte Enforcement-Verfahren an der Schnittstelle zwischen privater und hoheitlicher Überwachung eine Möglichkeit zur inhaltlichen Richtigkeit der Abschlüsse von börsennotierten Unternehmen dar [s. unten c)]. Innerhalb des Informationsmodells verschiebt insbesondere der beschriebene Bedeutungs- und Machtzuwachs von Informationsintermediären die Überwachungsfunktion des Individuums auf kollektivierte Marktteilnehmer. Diese übernehmen dabei mittelbar Corporate Governance-Funktionen, so dass eine Diskussion um staatliche Überwachung von Ratingagenturen und Aktienanalysten selbst entfacht ist [s. unten d)]. a) Die handelsregisterrechtliche Kontrolle Eine gerichtliche Publizitätsüberwachung findet nur durch das (elektronische) Handelsregister statt und beschränkt sich weitestgehend auf die Überprüfung formaler Kriterien. Neben der Firmenpublizität sind es vor allem die Kontrolle der Gründungssatzungen und ihrer Änderungen [s. unten aa)] sowie die Abschlusspublizität der Kapitalgesellschaften und GmbH & Co. KG [s. unten bb)]. Mit Schaffung des elektronischen Handelsregisters blieb die Zuständigkeit der Amtsgerichte für die Registerführung unangetastet468. Demgegenüber wird nunmehr der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers die rechtzeitige und vollständige Einreichung der Abschlussunterlagen prüfen und Beanstandungen dem Bundesamt für Justiz melden, damit es ein Ordnungsgeldverfahren einleiten kann (vgl. § 329 Abs 4 HGB)469. aa) Die Satzungskontrolle durch das Registergericht Die Gründungsprüfung des Registergerichts gem. § 38 AktG stützt sich jedoch nicht nur auf die Einhaltung der formellen Gründungsvorschriften, sondern betrifft nach hM470 – wenn auch in eingeschränktem Umfang – ebenso die Vereinbarkeit der Satzung mit den materiellrechtlichen Anforderungen (ordnungsgemäße Errichtung)471. Gerechtfertigt werden diese Kon468

Noack, NZG 2006, 801; Schlotter, DB 2007, 1. Vgl. aber noch zu den Bestrebungen, die Registerführung bei den Industrie- und Handelskammern einzurichten, Entw. des Bundesrats zu einem Registerführungsgesetz vom 2. Dezember 2005, BRDrucks. 865/05 und BR-Drucks. 325/03. 469 Vgl. Schreiben des Bundesministerium der Justiz (BMJ) 3822/3 – 33 5556/2007 vom 16. Mai 2007, BB 2007, 1616. Der Betreiber ist die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. 470 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 8 Rn. 8; Wiedemann, in: GroßkommAktG, § 181 Rn. 21; Hüffer, AktG, § 38 Rn. 2. 471 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 11 Rn. 27; Pentz, in: MünchKommAktG, § 38 Rn. 17.

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trollrechte mit Argumenten des Verkehrsschutzes, der die Versorgung der Marktteilnehmer mit verlässlichen Informationen verlangt472. Eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der einzutragenden Gesellschaft ist allerdings nicht Gegenstand des Registerverfahrens473. § 38 Abs. 3 AktG wurde 1998 mit dem Handelsrechtsreformgesetz474 eingeführt und schränkt eine weitergehende materielle Überprüfung der Satzung, die über die Nichtigkeitsgründe für Beschlüsse der Hauptversammlung hinausgehen, ein475. Grund für die Statuierung unbeachtlicher Mängel war eine unerwünschte Verzögerung der Eintragung durch zu umfangreiche Prüfungen476. Obwohl mit der Novellierung nicht die Notwendigkeit der registergerichtlichen Kontrolle insgesamt in Frage gestellt wurde, hat der Gesetzgeber damit dem Beschleunigungsprinzip einen Vorrang gegenüber dem Verkehrsschutz eingeräumt. Da sich die materielle Prüfung nunmehr auf eintragungs- bzw. veröffentlichungspflichtige Angaben beschränkt, hat sich das Handelsregister weiter zu einer Prüfungsinstanz von Publizität entwickelt. Von einer (reinen) Publizitätsaufsicht zu sprechen wäre verfehlt, weil die Eintragung aufgrund ihrer Auswirkung für Dritte weiterhin von der Erfüllung materieller Normativbestimmungen abhängig gemacht wird. Ein Ermessensspielraum verbleibt den Gerichten im Registerverfahren insoweit nicht, wenn die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen477. Sofern das wirksame Entstehen der Gesellschaft nicht beeinträchtigt ist, kann die Überprüfung einzelner Satzungsinhalte im Eintragungsverfahren ausgeklammert und einer späteren gerichtlichen Kontrolle „auf Initiative der Beteiligten – nämlich dann ‚wenn es darauf ankommt‘ vorbehalten“ bleiben478. Im Zeichen der „Deregulierung“ verlagert es mögliche Streitigkeiten auf Verfahren vor den ordentlichen Gerichten479. Abgesehen von dem erforderlichen Initiativ472 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 8 Rn. 1; vgl. auch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 468. Unterstützung erhält diese Auffassung durch ökonomische Begründungsmuster, wonach eine optimale Allokation durch eine Verminderung von Transaktionskosten nur zu erzielen ist, wenn die Inhalte des Registers „wahr und rechtsbeständig“ sind, Meier-Schatz, ZSR 108 (1989), 433, 448. 473 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 11 Rn. 27. 474 Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG) vom 22. Juni 1998, BGBl. I, S. 1474. 475 Begr. RegE zum HRefG, BT-Drucks. 13/8444, S. 76 f.; Hüffer, AktG, § 38 Rn. 1, 11 f. 476 Begr. RegE zum HRefG, BT-Drucks. 13/8444, S. 74 mit Verweis auf S. 76. 477 Pentz, in: MünchKommAktG, § 38 Rn. 8; Röhricht, in: GroßkommAktG, § 38 Rn. 1. Bei Sachgründungen, die mit besonderen Risiken für die zeichnenden Aktionäre und die Gläubiger verbunden sind, sind die Handlungsspielräume des Registergerichts größer angelegt. Bereits die Auffassung des Gerichts, vgl. § 38 Abs. 2 Satz 2 AktG. 478 Begr. RegE zum HRefG, BT-Drucks. 13/8444, S. 74 mit Verweis auf S. 77.

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recht der (potentiellen) Kläger und deren Prozessrisiko müssen die beabsichtigten Vorteile dieses Rückzugs staatlicher Kontrolle allerdings kritisch beurteilt werden. Trotz eines Verzichts auf einen staatlichen Paternalismus dürfte die gerichtliche Entscheidung in der Regel nur suspendiert sein und der Gewinn dieser Reform erscheint fragwürdig. bb) Die Kontrolle der Abschlusspublizität Mit Errichtung des elektronischen Handelsregisters ist die Überwachung der Abschlusspublizität gem. § 325 HGB von den Registergerichten auf den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers und das Bundesamt für Justiz übergegangen480. Schwerpunktmäßig dient diese Form der Überwachungstätigkeit einer Überprüfung der formellen Offenlegungspflichten, wie etwa die Vollständigkeit und fristgemäße Einreichung der Abschlüsse (vgl. 329 HGB)481. Die vormalige Sicherung der Bilanzpublizität durch die Rechtspfleger beim zuständigen Registergericht blieb einer erheblichen Kritik ausgesetzt und regte eine fast vergessene Diskussion um die Schaffung eines Aktienamtes zur Überwachung der Unternehmenspublizität an482. Mit dem Übergang der Kompetenz auf das Bundesamt hat sich an diesen inhaltlichen Defiziten nichts geändert. Flankiert wird die Offenlegungspflicht durch ein reformiertes Ordnungsgeldverfahren gem. § 335 HGB, welches das Zwangsgeldverfahren ablöst und als Justizverwaltungsverfahren öffentlich-rechtlichen Charakter trägt483. Vormals hing die Einleitung des Verfahrens von einem Antrag ab, der von einer Privatperson zu stellen war (Antragsverfahren). Mit den Änderungen durch das EHUG ist der Gesetzgeber – nicht zuletzt vor einem EG-rechtlichen Hintergrund484 – den vielfach geäußerten Forderungen nachgekommen,485 die Sanktionierung nicht vom zu479

Kritisch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 2.14. Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10. November 2006, BGBl. I, S. 2553. Zur Rechtslage vor dem EHUG siehe Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 325 Rn. 4. 481 Hierzu Schlotter, BB 2007, 1, 4; Zimmer, in: GroßkommHGB, § 329 Rn. 1 f. 482 Kritisch zur Effizienz dieser Kontrolle Richter, Aktienamt, S. 201 ff. 483 Vgl. Begr. RegE zum EHUG, Vgl. BT-Drucks. 16/960, S. 50; vgl. zur Stufenfolge der Ahndungsmöglichkeiten Richter, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 3 Rn. 15. 484 EuGH, Rs. 97/97, „Daihatsu“, Slg. 1997-I, 6843, ausführlich dazu Merkt, Unternehmenspublizität, S. 318 ff. 485 Zum Vollzugsdefizit als deutsches Problem siehe Merkt, Unternehmenspublizität, S. 488; Schulze-Osterloh, ZIP 1997, 2157, 2158; Luttermann, EuZW 1998, 264, 268; Noack, NZG 2006, 801, 805, dort Fn. 54 mit empirischen Nachweisen darüber, dass sich 75% aller Gesellschaften der Abschlusspublizität verweigern. Ebenso Theile/Nitsche, WPg 2006, 1141. 480

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fälligen Tätigwerden Privater abhängig zu machen, sondern Verstöße von Amts wegen zu verfolgen (Amtsverfahren)486. Bisher liegen noch keine Daten vor, die belegen können, ob es dem Betreiber trotz der enormen Datenmenge gelingt, eine wirksame Kontrolle der eingereichten Unterlagen zu gewährleisten487. Darüber hinaus kann das registerführende Bundesamt gegenüber materiellen Verstößen erst bei offensichtlicher Nichtigkeit des Jahresabschlusses korrigierend eingreifen488. Eine weitergehende inhaltliche Kontrolle durch die Prüfstelle bzw. die BaFin einschließlich der Möglichkeiten zur Beanstandung sieht nur das Enforcement-Verfahren für kapitalmarktorientierte Unternehmen vor [s. unten c)]. Ungeachtet des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes übernimmt die Registerprüfung von Jahresabschlüssen eine wesentliche Funktion bei der Überwachung, ob den Veröffentlichungspflichten nachgekommen worden ist. b) Die Börsen- und Wertpapieraufsicht Um Missständen einer autonomen Unternehmenskontrolle entgegenzuwirken, kommt im Rahmen der behördlichen Aufsicht über den Wertpapierhandel eine staatliche Kontrolle zum Tragen, die sonst im deutschen Aktienrecht seit der Abkehr vom Konzessionssystem im 19. Jahrhundert mit äußerster Zurückhaltung zu beobachten ist489. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, welche im Rahmen der Wertpapieraufsicht nicht das Verhalten der Unternehmen selbst sondern die Publizität seines Geschäftsgebarens (Publizitätsaufsicht) überwacht, soll nach dem Vorbild der USamerikanischen Securities and Exchange Commission (SEC) die Einhaltung 486

Ausführlich zum Ordnungsgeldverfahren nach geltendem Recht Noack, NZG 2006, 801, 805 f.; Schlauß, DB 2007, 2191; Schlotter, BB 2007, 1, 4 f. mit Hinweis auf die noch milde Rechtsfolge des HGB im Rechtsvergleich zu Großbritannien. Mit Einführung des § 335a a. F. HGB mit dem Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG) vom 24. Februar 2002, BGBl. I, S. 154 trat eine Verschärfung der Höhe des Ordnungsgeldes ein, vgl. hierzu Marx/Dallmann, BB 2004, 929 ff. Trotz Ausdehnung des Antragsrechts für Jedermann blieb es jedoch bei einem Antragsverfahren, vgl. Kuntze-Kaufhold, BB 2006, 428, 429; Hommelhoff, in: Festschrift Müller, S. 449, 457 f. mit persönlichen Erfahrungen von der Ausschusssitzung im Bundestag; Zimmer, in: GroßkommHGB, § 325a Rn. 62. 487 Schlotter, BB 2007, 1, 4; positiver hinsichtlich der Kapazitäten des Bundesamtes für Justiz von dem dort tätigen Referenten, siehe Schlauß, DB 2007, 2191, 2194. 488 Vgl. zur alten Rechtslage mit erheblicher Kritik Richter, Aktienamt, S. 255. 489 Vgl. zu diesem Ansatz Merkt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 716, 719, 723.

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der kapitalmarktrechtlichen Transparenzvorschriften sichern490. Entsprechend der These, das Maß an Publizität dem Maß der Markbeanspruchung anzupassen491, nimmt also auch die Intensität externer Überwachung mit dem Aufsuchen der Kapitalmärkte zu. Dabei wird die Wertpapieraufsicht als vertrauensstabiliserendes Element zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte sowie des Anlegerschutzes verstanden. Aufgrund der komplexen rechtlichen Struktur und Rechtsnatur der Börsen492 sowie ihrer Beaufsichtigung493 sind die Kompetenzen zwischen der zentral organisierten BaFin, den Börsenaufsichtsbehörden der Bundesländer und den einzelnen Geschäftsführungen bzw. Zulassungsstellen der Börsen aufgeteilt. Insbesondere die Umsetzung der Prospektrichtlinie, die ihrerseits in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 die Zuständigkeit einer „zentralen Verwaltungsbehörde“ verlangt, wird daher als unzureichend erachtet494. Dennoch sorgen insbesondere die Zulassungsstellen der Börsen für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Wertpapiergeschäfte an organisierten Märkten. aa) Die Überwachung der Primärmarktpublizität Seit Erlass des Gesetzes über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz – WpPG)495, unterliegen Wertpapiere, sofern sie öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden, einer Billigung durch die BaFin (vgl. § 11 WpPG). Die vormals zuständigen Zulassungsstellen der Börsen496 490 Merkt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 719. Diese Aussage verkennt nicht, dass die Kontrollbefugnisse der Bafin im Bereich der Wertpapieraufsicht nicht annähernd so weitreichend sind, wie jene des US-amerikanischen Pendants, ausdrücklich Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 322 f. Anders verhält es sich freilich mit dem Handlungsinstrumentarium der Versicherungs- und Bankenaufsicht. Hieran knüpft sich eine (veraltete) Diskussion um die Errichtung eines Aktienamtes Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 526 ff.; Merkt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch, S. 716; Richter, Aktienamt, S. 245 ff. 491 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 452. 492 Zur Rechtsnatur der Börsen siehe Hopt/Baum, WM-Sonderbeilage Nr. 4/1997 zu Heft 34/1997, S. 17 f.; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 16 ff. 493 Einzelheiten zur Dreiteilung der Kapitalmarktaufsicht etwa bei Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 BörsG Rn. 1 ff.; Beck in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 1 BörsG Rn. 31 ff.; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 24 ff. 494 Groß, Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rn. 2; vgl. aber die RegBegr. zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 25, 29. 495 Vom 22. Juni 2005, BGBl. I, S. 1698. 496 Vgl. § 6 Abs. 1 VerkProspG a. F.; § 30 Abs. 4 Satz 1 BörsG a. F.

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sind an die Entscheidung der BaFin gebunden497. § 21 WpPG normiert einen verwaltungsrechtlichen Maßnahmenkatalog, auf den die BaFin zum Schutz des Anlegerpublikums zurückgreifen kann. Die ausdrückliche Festlegung des Prüfungsmaßstabes bei der Prospektprüfung auf rein formale Gesichtspunkte in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG hat den bisherigen Meinungsstreit über den Umfang dieses Maßstabes498 gegenstandslos werden lassen499. Die BaFin prüft allein unter den Gesichtspunkten der Vollständigkeit im Sinne der Prospektverordnung, der Konsistenz bzw. Widersprüchlichkeit sowie der Verständlichkeit500. Eine Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit oder gar der Bonität des zuzulassenden Finanzinstruments erfolgt nicht501. Da Erst- oder auch Sekundäremissionen bei Kapitalerhöhungen in der Regel zeitkritische Transaktionen darstellen, sind die Emittenten und deren Berater an einer Zusammenarbeit mit der BaFin interessiert und lassen es regelmäßig nicht auf verwaltungsrechtliche Maßnahmen ankommen. Allein der Neubeginn der Billigungsfrist gem. § 13 Abs. 2 Satz 2 WpPG könnte ein Scheitern einer prospektpflichtigen Emission hervorrufen. Disziplinierend wirkt hier also ein Zusammenspiel zwischen marktlichen Reaktionen und staatlichen Eingriffsbefugnissen. Trotz begrenzter personeller Ressourcen und der nachträglichen Erlangung von Informationen kann nicht davon gesprochen werden, dass die Marktaufsicht ein stumpfes Schwert sei502. bb) Die Überwachung der Sekundärmarktpublizität nach dem WpHG Neben einem verwaltungsrechtlichen Instrumentarium, das sich seit dem Transparenzrichtlinien-Umsetzungsgesetz503 auch auf die Überwachung von 497 Groß, Kapitalmarktrecht, § 30 BörsG Rn. 18. Die Zulassungsstelle prüft jedoch weiterhin die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen. 498 Vgl. Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 30 BörsG Rn. 23; v. Rosen, in: Assmann/Schütze, Handbuch, 2. Auflage, § 2 Rn. 156; Schwark, NJW 1987, 2043. 499 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rn. 8; Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 51 ff. 500 So ausdrücklich Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BTDrucks. 15/4999, S. 25, 34. Anders wohl Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498, 507; Crüwell, AG 2005, 243, 250 f. die von einer Zunahme der Prüfung über formale Gesichtspunkte hinaus sprechen. 501 So schon zur alten Rechtslage BGHZ, 123, 126, 130; LG Frankfurt am Main WM 2004, 2155, 2156; v. Rosen, in: Assmann/Schütze, 2. Auflage, § 2 Rn. 176; rechtsvergleichend Gruson, WM 1995, 89, 93. 502 Kritisch aber Stürner, Markt und Wettbewerb, S. 12. 503 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Trans-

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Jahres- und Halbjahresfinanzberichten erstreckt, stehen der BaFin gem. § 40 WpHG i. V. m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die Rechte als Verwaltungsbehörde im Ordnungswidrigkeitsverfahren zu, um bei (möglichen) Verstößen gegen die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungsvorschriften eingreifen zu können504. Analog zu einer wirksamen staatlichen Überwachung stellt das Verwaltungsrecht den entsprechenden Behörden umfangreiche Eingriffsbefugnisse zur Seite. Sofern ein Unternehmen der Wertpapier- bzw. der Börsenaufsicht unterliegt, können die zuständigen Hoheitsträger die erforderlichen Maßnahmen ergreifen (vgl. § 4 WpHG, § 3 Abs. 4 BörsG)505. Obwohl bei Verletzung von wertpapierhandelsrechtlichen Vorschriften die Sanktionen als Ordnungswidrigkeiten im Vordergrund stehen, können die BaFin sowie die Zulassungsstellen der Börsen im Wege der Ersatzvornahme auf Kosten der Veröffentlichungspflichtigen eine schnelle Information des Marktes erzielen506. Sollten das zivilrechtliche Haftungsrisiko, der gesellschaftsrechtliche Verlust von Teilhaberechten (vgl. § 28 WpHG) und die drohenden ordungswidrigkeitsrechtlichen Maßnahmen jeweils in Ansehung eines Imageschadens im Falle von Rechtsstreitigkeiten nicht hinreichend disziplinierend wirken, ist es der Verwaltung also möglich unmittelbar korrigierend einzugreifen. parenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) vom 5. Januar 2007, BGBl. I, S. 10. 504 In erster Linie sind die verwaltungsrechtlichen Befugnisse in § 4 WpHG verankert. Zu beachten sind auch die besonderen Ermächtigungen gem. § 37o Abs. 4 u. 5 WpHG im Rahmen des Enforcements-Verfahrens. Dazu siehe unten c). Darüber hinaus sieht das Enforcement-Verfahren gem. § 37n WpHG eingeführt durch das Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (BilKoG) vom 15. Dezember 2004, BGBl. I, S. 3408 besondere Befugnisse der Bundesanstalt vor. Vgl. hierzu Begr. RegE zum BilKoG, BT-Drucks. 15/3421, S. 15. 505 Dreyling, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 4 Rn. 12 ff.; vgl. Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 2 BörsG Rn. 1 ff. Die Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörde und dementsprechend der Handelsüberwachungsstelle (vgl. § 7 Abs. 3 BörsG) gegenüber den zugelassenen Emittenten beschränken sich auf Auskunftsund Informationsrechte. 506 Vgl. § 41 Abs. 2 Satz 2 BörsG; § 4 Abs. 6 WpHG, dazu Dreyling, in: Assmann/Schneider, WpHG; § 4 Rn. 58. Die Möglichkeit zur Ersatzvornahme bezieht sich auf sämtliche Offenlegungsvorschriften. Vor Umsetzung von Art. 6 Abs. 7 der Marktmissbrauchsrichtlinie beschränkte sich diese ausdrückliche Befugnis auf einen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht von Meldeschwellen (vgl. § 29 Abs. 3 WpHG a. F. i. V. m. §§ 25, 21 WpHG). Aufgrund der Bußgeldandrohung im Falle eines Verstoßes sieht das Verwaltungsvollstreckungsgesetz (vgl. §§ 6 Abs. 2, 9 Abs. 1 a, 10, 13 ff. VwVG) ohnehin diese Befugnisse vor, so dass eine Normierung nur deklaratorischen Charakter aufweist, vgl. Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 29 WpHG Rn. 5. Dasselbe galt und gilt für die Möglichkeit der Ersatzvornahme sämtlicher Offenlegungsvorschriften.

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Nach dem BörsG sind flankierende Befugnisse der Zulassungsstelle vorgesehen, wenn ein Emittent seine Pflichten verletzt (vgl. §§ 38, 41 BörsG). Insbesondere kann die Zulassung zum Handel widerrufen werden, wenn die Emittenten ihre Zulassungsfolgepflichten dauerhaft nicht erfüllen (§§ 38 Abs. 3 i. V. m. § 43 Satz 2 BörsG). Durch diese hoheitlichen Maßnahmen kann der Schutz der Marktteilnehmer sowie der Funktionsfähigkeit der Börseneinrichtungen hinreichend gewährleistet werden. c) Das Enforcement-Verfahren an der Schnittstelle autonomer und heteronomer Kontrolle Einen fließenden Übergang zwischen hoheitlicher und privater Rechtsdurchsetzung stellt das Enforcement-Verfahren zur Überprüfung der Unternehmensabschlüsse von kapitalmarktorientierten Gesellschaften dar (vgl. §§ 342b bis 342e HGB, § 37n WpHG)507. Mit der Einrichtung einer institutionalisierten Überprüfung der Rechnungslegung hat sich Deutschland den internationalen Standards angepasst508. In einem ggf. zweistufigen Verfahren überprüfen zunächst privatrechtlich organisierte Prüfstellen509 die Jahres- bzw. Konzernabschlüsse von börsennotierten Gesellschaften, um „Unregelmäßigkeiten“ bei der Erstellung von Unternehmensabschlüssen präventiv entgegenzuwirken und – sofern Unregelmäßigkeiten dennoch auftreten – diese aufzudecken und den Kapitalmarkt darüber zu informieren510. Unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn das Unternehmen die freiwillige Kooperation mit der Prüfstelle verweigert oder bei ernstlichen Zweifeln am Prüfungsergebnis der Prüfstelle, tritt die BaFin in das nunmehr zweistufige Verfahren ein und übernimmt die soeben beschriebenen Aufgaben511. Die507 Das materielle Bilanzrecht nach internationalen Rechnungslegungsstandards wird von einer unabhängigen und privatrechlichten organisierten Organisation, dem International Accounting Standards Board (IASB) geschaffen. In einem Anerkennungsverfahren (sog. „Endorsement“) wird dieses in unmittelbar geltendes EGRecht umgewandelt. 508 Vgl. zum britischen Financial Reporting Review Panel als Vorbild, Schildbach/Straßer, DStR 2003, 1720. 509 Das BMJ „zertifiziert“ diese Prüfstellen nach dem Vorbild des § 342 Abs. 1 Satz 1 HGB im Wege einer vertraglichen Anerkennung, um die Mindestanforderungen sicherzustellen. § 342b HGB, eingeführt durch das BilKoG, siehe oben Fn. 458, dazu Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 342b Rn. 8. Bisher wurde die „Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung – DPR e. V.“ als Prüfstelle anerkannt. 510 Begr RegE zum BilKoG, BT-Drucks. 15/3421; Assmann, in: Assmann/ Schütze, Handbuch, § 1 Rn. 45. Zum internationalen Hintergrund siehe Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 278; Hönsch, in: Assmann/Schneider, WpHG, vor § 37n Rn. 13 ff. 511 Wolf, DStR 2004, 244, 247; Hönsch, in: Assmann/Schneider, vor § 37n Rn. 9.; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 342 Rn. 3 f.

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ser stehen hoheitliche Mittel zur Verfügung und das Verfahren erhält mit diesem öffentlich-rechtlichen Charakter die erforderliche Verbindlichkeit512. Die staatlichen Befugnisse richten sich nicht nur an die Unternehmen, sondern bestehen auch gegenüber den Wirtschaftsprüfern, die in das Überprüfungsverfahren mit einzubinden sind513. Anders als die Überwachung der Offenlegungsvorschriften durch das elektronische Handelsregister fokussiert dieses Verfahren auf die materiellen Gesichtspunkte der Bilanzierung, wie die Einhaltung von Bewertungsvorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung514. Bis zur Schaffung des Enforcement-Verfahrens gab es keine Möglichkeiten, Beanstandungen von Rechnungslegungsfehlern zu verfolgen und die Unternehmen zu Korrekturen veranlassen zu können515. Entgegen den (Nichtigkeits-)Rechtsfolgen im Aktienrecht (vgl. §§ 256 ff. AktG), deren verfahrensmäßige Einleitung weiterhin als Grund für eine Aussetzung des Enforcement-Verfahrens gilt, wählt das WpHG im Falle von Beanstandungen den Weg der Offenlegung in Form einer Bekanntmachung gegenüber den Marktteilnehmern (§ 37q Abs. 2 WpHG)516. Über Unregelmäßigkeiten wird der Kapitalmarkt ebenso informiert wie über die Einstellung des Überprüfungsverfahrens, sofern keine Unregelmäßigkeiten festgestellt werden konnten. Neben dem Risiko für die Reputation der Unternehmen, kann die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die Verbreiterung der Informationsbasis erleichtert werden517. Verpflichtung und Umfang der Beseitigung von Mängeln im Jahresabschluss ergeben sich nicht aus den Vorschriften über das EnforcementVerfahren sondern aus jenen des allgemeinen Handels- und Gesellschaftsrechts bzw. der IAS 8.41 ff.518. Hoheitliche Korrekturbefugnisse in mate512 Im Rahmen der zweiten Stufe kann sich die BaFin der Prüfstelle als Amtshelferin bedienen, die im Gegensatz zur Funktion gem. § 342b HGB in diesem Falle hoheitlich tätig wird, siehe Begr. RegE zum BilKoG, BT-Drucks. 13421, S. 17. 513 Vgl. OLG Frankfurt AG 2007, 207 f. zur Pflicht von Wirtschaftsprüfern ihre Arbeitspapiere hinsichtlich einer bestimmten Problemstellung auf Verlangen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Enforcementverfahren vorzulegen. 514 Gelhausen/Hönsch, AG 2005, 511, 513. Die Buchführung selbst ist nicht Gegenstand der Prüfung, kann aber als Indiz für die fehlerhafte Rechnungslegung dienen. 515 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 277 f. 516 Hönsch, in: Assmann/Schneider, WpHG, vor § 37n Rn. 5. Zum Verhältnis von einer Mitteilung gem. § 37q Abs. 2 Satz 1 WpHG und einer Ad-hoc-Mitteilung gem. § 15 Abs. 1 WpHG siehe ausführlich Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 97 ff. 517 Hönsch, in: Assmann/Schneider, WpHG, vor § 37n Rn. 6. 518 Gelhausen/Hönsch, AG 2005, 511, 527 ff.

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rieller Hinsicht würden zwar den Informationsinteressen der Adressaten von Publizität dienen, die Freiheiten – vor allem vor dem Hintergrund von bilanziellen Bewertungsspielräumen – der zuständigen Gesellschaftsorgane in unverhältnismäßiger Art und Weise beeinträchtigen. Einschätzungen zufolge genügen die Offenlegung sowie die drohenden Imageverluste in der Praxis, dass die Unternehmen den Beanstandungen nicht nur Abhilfe schaffen, sondern es regelmäßig erst gar nicht auf ein Konfliktverfahren auf der zweiten Stufe ankommen lassen. d) Die Überwachung von Informationsintermediären Wenn veröffentlichte Unternehmensdaten von professionellen Dritten gebündelt werden, übernehmen diese eine Kontrollfunktion hinsichtlich des Publizitätsverhaltens. Die eingeräumte Machtposition der Informationsintermediäre birgt erhebliche Gefahren, so dass sich eine Notwendigkeit der Kontrolle jener ergibt. Strenge Verhaltensregeln bestehen für Aktienanalysten (vgl. §§ 34b, c WpHG), deren Einhaltung behördlich überwacht wird. Die inhaltlichen Anforderungen an die Analyse von Finanzinstrumenten sind mittlerweile vom Verordnungsgeber und durch zwei Schreiben der BaFin konkretisiert worden519. Unter Berücksichtigung der sog. „Wohlverhaltenstrias“ sind die Analysen mit Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit anzufertigen. Bei Verstößen stehen der BaFin Auskunfts- und Prüfungsrechte zu, um die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5 u. 6 WpHG) zu ermöglichen. Sofern eine Analyse von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen erstellt wurde, erweitern sich diese Befugnisse. Gegenstand rechtspolitischer Diskussion ist der zunehmende Einfluss von Ratingagenturen. Die Bilanzskandale von WorldCom und Enron haben die Grenzen der Leistungsfähigkeit von Informationsintermediären eindrucksvoll bewiesen520. Eine Überprüfung der Qualität der Ratings oder Aktienanalysen durch das normale Anlegerpublikum wäre mit gerade jenen prohibitiv hohen Kosten verbunden, die schon primär eine Informationsbeschaffung verhindern. Das Interesse an der Aussagekraft von Ratings für 519 Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (Finanzanalyseverordnung – FinAnV) vom 17. Dezember 2004, BGBl. I, S. 3522; „Schreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Auslegung einzelnder Begriffe des § 24b Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in Verbindung mit der Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (Finanzanalyseverordnung – FinAnV)“ vom 1. September 2005 und „Auslegung des § 34b WpHG und der FinAnV“ vom 8. Februar 2006. 520 Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 135. Zur Vertrauenskrise Blaurock, ZGR 36 (2007), 603, 613.

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eine bessere Diversifizierung sowie Einfluss und Kontrollpotential der institutionellen Anleger ermöglichen eine Verbesserung der Objektivität und Qualität, von der letztlich auch Privatanleger profitieren521. Es muss ureigenstes Interesse der Informationsintermediäre sein, ihrerseits für die Reputation ihrer eigenen Dienstleistungen zu sorgen. Trotz dieser möglichen Qualitätskontrolle besteht ein Wettbewerbsdefizit, so dass im Kontext staatlicher Deregulierung vor allem mit der Abschaffung der Genehmigungspflicht für Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen (vgl. §§ 795, 808a a. F. BGB)522 ein Regulierungs- und Überwachungsrahmen für Informationsintermediäre kontrovers diskutiert wird523. Überwachung der – funktional betrachtet – „Überwacher“ muss aber nicht zwingend durch hoheitliche Aufsicht erfolgen, sondern kann in denkbar vielschichtiger Form angelegt sein, etwa durch eine Formulierung von Grundsätzen ordnungsgemäßen Ratings, Veröffentlichungen in Prospekten, oder aber durch die Schaffung von Haftungssanktionen. Die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO hat einen Verhaltenskodex mit Anforderungen an die Qualität, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit von Ratingagenturen aufgestellt524. Bis zur Einreichung dieser Arbeit bildeten bisher allein die Vorschriften der Solvabilitätsverordnung den einzigen Anknüpfungspunkt für eine hoheitliche Anerkennung von Ratingagenturen525. Um als Bonitätsbeurteilung 521 v. Randow, ZBB 1995, 140, 156, sieht hierin das entscheidende Argument gegen die Notwendigkeit einer Regulierung. Peters, Haftung und Regulierung von Ratingagenturen, S. 155 f. hingegen äußert ernstliche Zweifel, dass selbst große Investoren in der Lage sind, Druck auf die Ratingagenturen auszuüben. 522 Aufgehoben durch Art. 1 des Gesetzes zur Vereinfachung der Ausgabe von Schuldverschreibungen vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2839). Vgl. hierzu Hüffer, in: MünchKommBGB, § 795 Rn. 1. 523 Vgl. Deipenbrock, BB 2005, 2085; Hennrichs, in: Festschrift Hadding, S. 875, 880; Hopt, ECGI Law Working Paper 05/2002, S. 478 f.; Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 133, F 136 („Sachkenntnis, Sorgfalt, Objektivität und Unabhängigkeit“ als Mindestanforderungen). Ebenroth/Daum, WM Sonderbeilage Nr. 5/ 1992, S. 1 f., 4 betonen, dass die Bonitätsprüfung im Rahmen des Ratings inhaltlich zunächst mehr leisten, als die vormalige staatliche Genehmigung. Hinsichtlich der „vermeintlichen Sicherheit“ habe das Rating jedoch substituierende Wirkung. 524 Verhaltensregeln des IOSCO, Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, 2004. Zu den Problemen seiner Unverbindlichkeit siehe Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194. 525 Siehe auch die Anforderungen der SEC für Nationally Recognised Statistical Organizations (NRSO), SEC Release No. 34-55857 aufgrund der Änderungen durch den Credit Rating Agency Reform Act 2006. Bereits zuvor stellte das SEC Release No. 34-39457 Anforderungen an die Anzahl und Fähigkeit des Personals auf. Nunmehr fußt das Anerkennungsverfahren auf einer gesetzlichen Grundlage. Zwar handelt es sich formal um ein freiwilliges Anerkennungsverfahren, aufgrund der Ver-

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für KSA-Positionen zugelassen zu werden, muss die beauftragte Ratingagentur gewisse Mindestanforderungen erfüllen (vgl. §§ 52 ff. SolvV526). Negative Konsequenzen für den Wettbewerb der Ratingdienstleistungen werden durch die Schaffung von Marktzugangshindernissen befürchtet527. Staatliche Überwachung von Ratingagenturen im engeren Sinne findet bisher nicht statt. Eine (entsprechende) Anwendbarkeit der „Wohlverhaltenstrias“ des WpHG auf Ratingagenturen wurde vor allem vor dem mehrdeutigen EG-rechtlichen Hintergrund diskutiert528. Mag eine weite Auslegung aufgrund der vergleichbaren Bedeutung von Ratings und Aktienanalysen auch sachlich gerechtfertigt erscheinen, sprechen auch Gründe gegen eine solche Einbeziehung von Ratingagenturen. Denn insbesondere fehlt es an einem erkennbaren Willen der Agenturen, ein bestimmtes Anlageverhalten nahe zu legen529. Auf die Einhaltung dieses Kodex setzten auch die europäischen Überwacher und verzichteten deshalb bislang auf eigene Regulierungsansätze530. Es zeichnete sich aber bereits seit dem Finanzgipfel im Jahr 2008 ab, materielle Verhaltens- und Organisationspflichten für Ratingagenturen und eine flankierende behördliche Überwachung zu schaffen531. Als diese Arbeit einwendung von Ratings (etwa hinsichtlich der Kapitaladäquanz) entfaltet es jedoch die faktische Wirkung als Genehmigungsvorbehalt. 526 Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen vom 14. Dezember 2006, BGBl. I, S. 2926. 527 Blaurock, ZGR 36 (2007), 603, 620; Gehrke/Mager, BFuP 2005, 203. 528 Vgl. Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 2003/125/EG vom 22. Dezember 2003 (ABl. EU, Nr. L 339, S. 73). Einerseits „stellen diese Beurteilungen [der Kreditwürdigkeit eines bestimmten Emittenten oder eines Finanzinstruments] keine Empfehlungen im Sinne dieser Richtlinie dar“, andererseits sind „nennenswerte Interessen oder Interessenkonflikte im Zusammenhang mit den Finanzinstrumenten oder den Emittenten, auf die sich die Ratings beziehen, angemessen offen [zu] legen“. Hierzu Bürgers, BKR 2004, 424, 430; Holzborn/Israel, WM 2004, 1949, 1955; Spindler, NJW 2004, 3449, 3453. 529 Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34b Rn. 9; Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2088 f.; Blaurock, ZGR 36 (2007), 603, 614 f.; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 191. 530 Vgl. das Ersuchen der Europäischen Kommission „CESR’s technical advice to the European Commission concerning credit rating agencies“, CESR/05-139b sowie den Bericht von CESR zur Einhaltung der IOSCO-Standards, CESR’s Report to the European Commission on the compliance of Credit Rating Agencies with the IOSCO-Code, Dezember 2006, CESR-06/545. Weitestgehend werden die Vorgaben des IOSCO-Codes eingehalten. Aufgrund der Erweiterung des Auftrages in Ansehung der Sub-Prime-Krise verzögerte sich dar Abschlussbericht bis Mai 2008, CESR/08-277. Die Empfehlungen des Ausschusses sind in einen Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission eingeflossen, vgl. KOM (2008) 704 endg. vom 12. November 2008.

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gereicht wurde, hatte die Kommission einen Verordnungsvorschlag zur Regulierung von Ratingagenturen eingebracht. Dieser Regulierungsansatz richtete sich nach dem US-amerikanischen Vorbild mit einer verstärkten Beaufsichtigung der Unternehmen und erteilte einer Selbstverpflichtung der Anbieter beim Markteinritt – wie er etwa weiterhin in Australien verfolgt wird532 – eine Absage. Zwar enthielten die Vorschläge eine Vielzahl der Regelungen des IOSCO-Kodex, die Vorgaben sollten aber in formelles Recht gegossen und somit verbindlich werden. Von der Option zur Selbstregulierung wurde somit Abstand genommen. Als wesentliches Defizit der Kodex-Regelungen wurde das Fehlen von rechtsverbindlichen Mechanismen zur Durchsetzung der materiellen Verhaltensanforderungen ausgemacht. Inhaltlich stütz sich der Vorschlag auf die Kontrolle von Interessenkonflikten und die Offenlegung von Bewertungsmethoden zur Qualitätsverbesserung. Für eine wirksame Überwachung sollen die Ratingagenturen einer Genehmigung bedürfen und der ständigen Aufsicht durch die nationalen Behörden unterliegen. Unterdessen hat sich der Kommissionvorschlag durchgesetzt und die sog. Rating-Verordnung533 ist erlassen worden. Diese Verordnung führt ein Registrierungs- und Aufsichtsmodell für Ratingagenturen ein, das die Ratingagenturen unter anderem dazu verpflichtet, ihre Analysemodelle und weitere Informationen gegenüber den Aufsichtsbehörden und teilweise auch gegenüber dem Publikum offenzulegen534. Erneut wählt hier der Gesetzgeber ein Zusammenspiel von Gesetz und Markt. Indem die Ratingagenturen ihre Modelle offen legen müssen, können die Marktteilnehmer diese überprüfen. Dem Markt allein vertraut der Gesetzgeber hingegen nicht. Denn diese Offenlegungsverpflichtungen werden durch aufsichtsrechtliche Eingriffsbefugnisse sowie Gelbußen flankert. Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben im Wege eines Ausführungsgesetzes in das WpHG integriert535. Die derzeitige Regulierung darf aber 531 Vgl. die „Declaration of the Summit on Financial Markets and the World Economy“ der Bundesregierung zu den Ergebnissen des G-20 Gipfels vom 15. November 2008, abrufbar unter: http://www.bundesregierung.de/nn_1272/Content/DE/ Artikel/2008/11/2008-11-15-erkl_C3_A4rung-finanzmarkt.html. 532 Alternativen und Empfehlungen bei Blaurock, ZGR 36 (2007), 603, 648 ff. 533 VO (EG) Nr. 1060/2090, ABl. EU L 302/1 vom 17. November 2009. 534 Vgl. hierzu Deipenbrock, RIW 2010, 613, 614 und bereits CESR, Technical Advice to the European Commission on the Equivalence between the US Regulatory and Supervisory Framework and the EU Regulatory Regime for Credit Rating Agencies vom 21. April 2010, CESR/10-332, Ziffer 224 ff. und 238. 535 Ausführungsgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, BGBl. I Nr. 32. vom 18. Juni 2010, S. 786.

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nur als ein Zwischenschritt verstanden werden. Wie schon in Art. 51 der Rating-Verordung selbst vorgesehen, sollen die Regeln einer Überprüfung und weiteren Reformen unterliegen. Der Kommissionsvorschlag zur Änderung dieses Aufsichtsregimes536 wurde am 11. Mai 2011 angenommen537. Darin ist unter anderem eine Beaufsichtigung von Ratingagenturen unmittelbar durch die europäische Aufsichtsbehörde ESMA vorgesehen. Derzeit hat die Kommission einen weiteren Vorschlag zru Änderung Rating-Verordnung vorgelegt, in der die Fragen der Unabhängigkeit von Ratingagenturen, einer Begrenzung der Verwertbarkeit von Ratings sowie der zivilrechtlichen Haftung adressiert werden538. 5. Die Haftung als flankierende Maßnahme zur Verhaltenssteuerung und Interessenwahrung „Das Drohgespenst der Haftung, so sagt man, motiviert zum Engagement“539: Die Normierung von zivilrechtlichen und spezialgesetzlichen Schadensersatzansprüchen wird demnach für Zwecke der Verhaltenssteuerung und Prävention nutzbar gemacht540. Drohende Kosten für die Schadenskompensation stellen starke Anreize für die potentiellen Schädiger dar, ihre Sorgfaltsaufwendungen zur Vermeidung dieser Kosten auszudehnen. Wie die bisherige Untersuchung zeigen konnte, bedeutet Corporate Governance mehr als nur die Haftung von Geschäftsleitern. Warnungen, die Rolle der Haftung bei der Verhaltenssteuerung im Gefüge der Corporate Governance nicht überzubewerten, müssen daher ernst genommen werden, so dass ihr allenfalls eine begleitende Funktion im Rahmen der guten Unternehmensführung zukommen kann541. Die hervorgehobene Rolle von externen 536 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, KOM (2010) 289 endg. vom 2. Juni 2010. 537 Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. EU Nr. L 145. 538 Vorschlag für eineVerordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, KOM(2011) 747 endg. Zur Haftung von Ratingagenturen s. unten 5. b). 539 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 304; ähnlich Seibert, ZBB 1994, 349, 353. 540 Siehe hierzu Wagner, AcP 206 (2006), 352, 451 ff.; aus ökonomischer Sicht Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S. 125 ff. 541 So bereits Hopt, in: Festschrift Mestmäcker, S. 909, 914 f. Die dort angesprochenen Verbesserungsmaßnahmen wie etwa hinsichtlich des Informationsflusses, der Organisation und Professionalisierung des Aufsichtsrats, martklicher Funktionen (etwa die Unternehmenskontrolle) sowie Vollmachtstimmrechte sind teilweise umgesetzt und hier an anderer Stelle behandelt worden.

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Institutionen, insbesondere von Informationsintermediären, für die Corporate Governance sowie das besondere Vertrauen, das sie im Rahmen ihrer Tätigkeit genießen, lässt auch deren Haftung für eine enttäuschte Erwartung der Adressaten in Frage kommen. a) Die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat nach dem Prinzip der Organ-Innenhaftung Grundsätzlich folgen das aktien- und kapitalmarktrechtliche Haftungskonzept dem Prinzip der Innenhaftung, d.h. Schadensersatzansprüche von Dritten werden im Außenverhältnis gegen die Gesellschaft geltend gemacht, die ggf. ihre Organe im Innenverhältnis zur Verantwortung zieht542. Nur in Ausnahmefällen – etwa vorsätzlichem Handeln der Geschäftsleiter – kommt es zu einer unmittelbaren Haftung543. Die Spielräume für unternehmerische Ermessensentscheidungen der Geschäftsleiter bleiben so hinreichend gewahrt. Für die korrekte Kapitalmarktkommunikation gilt das Prinzip der Innenhaftung sogar uneingeschränkt: Der geschädigte Anleger muss seine Ansprüche gegen den Emittenten (d.h. das Unternehmen selbst) richten; das Unternehmen wiederum kann sich ggf. bei den verantwortlichen Organen schadlos halten. Da die Erfüllung von kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten regelmäßig nicht von einer unternehmerischen Ermessensentscheidung abhängig ist, besteht aber keine Notwendigkeit für den Ausschluss einer Direkthaftung. Deshalb sollten gescheiterte Reformen zum Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInhG) aus Gesichtspunkten einer leistungsstarken Präventivwirkung, der Schadenskompensation und der Anreize für die Geschäftsleitung erneut überdacht werden544.

542 Krämer, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 26 Rn. 17; Altmeppen, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 7 Rn. 3 f. 543 Vgl. BGHZ 109, 297 („Baustoff“); BGH ZIP 1996, 780 („Lamborghini Nachbau“); Hopt, in: GroßkommAktG, § 93 Rn. 492 ff.; Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 164 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 844 ff. 544 Zu den Vorteilen einer erweiterten Außenhaftung von Geschäftsleitern für Kapitalmarktinformationen siehe DiskE zum KapInHaG, NZG 2004, 1042, 1045, 1048; Casper, BKR 2005, 83, 84; Fleischer, BKR 2003, 608, 613, 615; ders., ZGR 33 (2004), 437, 464 ff. Kritisch Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063, 1070 f.; Mülbert, JZ 2002, 826, 831 f. Vor allem gilt im Sinne der sog. „last-period“-Problematik die Fehlinformation gegenüber dem Kapitalmarkt am wahrscheinlichsten, wenn sich das Unternehmen bereits in einer Schieflage befindet. Den Geschäftsleitern droht ohnehin der Amtsverlust, so dass sie weitere Konsequenzen in Kauf nehmen, um Zeit zu gewinnen oder das Unternehmen noch zu retten. Vgl. Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 102 f.; Kraakman, Yale Law Journal Vol. 93 (1984), S. 866.

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aa) Die aktienrechtliche Binnenhaftung Mit der Minderung der Rechte der Haupt- bzw. Generalversammlung und gleichzeitiger Stärkung des Vorstandes im Zuge der Aktienrechtsreform von 1937, verschärfte sich dessen Verantwortung und Haftung545. Als Treuhänder fremden Vermögens wird von den Organmitgliedern einer Aktiengesellschaft eine erhöhte Sorgfalt im Umgang mit dem anvertrauten Kapital verlangt546. Haftungsnormen übernehmen dabei eine wesentliche Steuerungsfunktion im Rahmen der Corporate Governance, um den Gefahren vorzubeugen, die aus dem Auseinanderfallen von Handelndem und Haftenden resultieren547. Grundlagen für die Organ-Innenhaftung bei Sorgfaltspflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft bilden die §§ 93, 116 AktG. Als Pflichtenmaßstab hierfür gelten die Anforderungen an eine ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführung für den Vorstand bzw. eine ordentliche und gewissenhafte Überwachung für den Aufsichtsrat548. Um nicht die notwendigen unternehmerischen Entscheidungen zu lähmen, normiert § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG einen „sicheren Hafen“, sofern diese nach Einschätzung des Organmitglieds auf Grundlage angemessener Informationen und zum Wohle der Gesellschaft getroffen worden sind549. Unabhängig von der Entschärfung des Haftungstatbestandes durch die Einräumung eines „business judgements“ durch den Gesetzgeber550 hängt seine praktische Relevanz von der tatsächlichen Durchsetzbarkeit ab551. 545

Potthoff/Theisen, in: 40-Jahre Der Betrieb, S. 53, 62. Lutter, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 1 Rn. 1. 547 Hopt, in: GroßkommAktG, § 93 Rn. 14 f.; Hopt/Roth, ebda., § 116 Rn. 7. Zur den Risiken aus der Trennung von wirtschaftlichem Eigentum und Verfügungsmacht, ausführlich siehe oben § 1 I. 548 Vgl. zur Doppelfunktion des § 93 Abs. 1 als die Umschreibung von objektiven Verhaltenspflichten und der Festsetzung des Verschuldensmaßstabes zugleich, Hopt, in: GroßkommAktG, § 93 Rn. 19; Hüffer, AktG, § 93 Rn 3; a. A. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 11 f. Unter die Verhaltenspflichten lassen sich Sorgfalts-, Treue- und Verschwiegenheitspflichten fassen. Für die haftungsmaßgebliche Sorgfalt sind die Gesichtspunkte der Rechtmäßigkeit, der Ordnungsmäßigkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit zu beachten, vgl. Krieger, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 3 Rn 4, 17; siehe oben III. 1. b). 549 Einzelheiten bei Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4a; Krieger, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 3 Rn. 8 ff. 550 § 91 Abs. 1 Satz 2 AktG wurde durch das UMAG eingeführt. Schon zuvor hatte der BGH – zwar mit anderen Worten – die Grundsätze der amerikanischen Judikatur einfließen lassen. Vgl. nur Hopt, in: GroßkommAktG, § 93 Rn. 83 und oben § 1 II. 1. 551 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 21; Hopt, in: Festschrift Mestmäcker, S. 909, 914; ders., in: GroßkommAktG, § 93 Rn. 16 f. mit der Beto546

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Hier erweist sich das Aktienrecht als strukturell defizitär hinsichtlich seiner Kontrolleffizienz. Grundsätzlich sind Aufsichtsrat und Vorstand wechselweise für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem anderen Organ zuständig (vgl. §§ 78, 112 AktG). Die Hauptversammlung kann jedoch die Geltendmachung mit einfacher Stimmenmehrheit an sich ziehen, oder durch ein Minderheitenquorum von 1% des Grundkapitals oder einem anteiligen Betrag von 100.000 Euro gerichtlich ein Klagezulassungsverfahren erzwingen (§§ 147 f. AktG). Während der Aufsichtsrat unter bestimmten Voraussetzungen sogar verpflichtet sein kann, die Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand durchzusetzen552, ist in der Praxis eine Durchsetzung vom Vorstand gegenüber dem Aufsichtsrat regelmäßig nicht zu erwarten. Nur in Ausnahmefällen werden die Aufseher von den Beaufsichtigten für die fehlerhafte Überwachungstätigkeit in Anspruch genommen. Die Möglichkeiten dieser Rechtsdurchsetzung sind in Deutschland weniger attraktiv ausgestaltet als im US-amerikanischen Recht, das durch ein klägerfreundliches Prozessrecht begünstigt wird553. Die jüngsten Gesetzesreformen haben jedoch mit der Herabsenkung von Quoren für die Durchsetzung der Ansprüche gegen Organmitglieder auf eine Verbesserung dieser Möglichkeiten hingewirkt. Diese Entwicklung wird durch die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze, für die Verpflichtung von Aufsichtsratsmitgliedern, begleitet Haftungsansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen. Im Übrigen wurde der Verjährungszeitraum für Haftungsansprüche im Rahmen des sog. Bankenrestrukturierungsgesetzes für Aktiengesellschaften allgemein und für Kreditinstitute unabhängig von der Rechtsform auf zehn Jahre verlängert554. bb) Die kapitalmarktrechtliche Informationshaftung Die Verletzung von kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten wird mit einer zivilrechtlichen Haftung sanktioniert. Anleger können von den Unternehmen für solche Schäden Ersatz verlangen, die sie infolge von unterbliebenen, fehlerhaften oder unvollständigen Informationen erlitten haben. Diese Haftung beruht auf dem Gedanken, dass der Adressat der Infornung, dass die Relevanz zugenommen habe. Statistische Erhebungen bei Ihlas/Stute, PHi-Sonderheft zu Heft Nr. 4/20003, S. 5. 552 BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck); Vorinstanzen OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183; LG Düsseldorf ZIP 1994, 628, 629 „Ermessensreduzierung auf Null“. 553 Siehe oben Fn. 31. 554 Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung vom 9. Dezember 2010, BGBl. I 2010 vom 14. Dezember 2010, S. 1900.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

mation auf ihre Richtigkeit vertraut und vertrauen darf (Vertrauenshaftung)555. Die gesetzliche Primär- und Sekundärmarktpublizität hat auch deshalb eine herausragende Bedeutung, weil die Austauschpartner auf den Kapitalmärkten weitestegehend anonym sind und keine fehlende Möglichkeit haben, ihre Interessen einzelvertraglich abzusischern. Bevor dieses Haftungsmodell hier kurz skizziert werden soll, muss man sich vor Augen führen dass es nur bedingt geeignet ist, disziplinierend auf die handelnden Akteuere einzuwirken. Denn Haftungssubjekt im Außenverhältnis zu den geschädigten Anlegern ist allein das Unternehmen. Vorstand und Aufsichtsrat, die für eine ordnungsgemäße Offenlegung verantwortlich sind, sind hingegen allenfalls im Innenverhältnis gegenüber dem Unternehmen regresspflichtig. Es findet also nur eine mittelbare Überwachung der handelnden Personen statt. Den Prototyp der kapitalmarktrechtlichen Informationshaftung bei der Verletzung von Offenlegungspflichten bildet die Prospekthaftung mit ihren allgemein- und spezialgesetzlichen Regelungen556. Nach diesem Muster folgen die Haftungstatbestände für fehlerhafte Ad-hoc-Informationen (vgl. §§ 37c und b WpHG)557. Um die Wirksamkeit der kapitalmarktrechtlichen Informationshaftung auch verfahrensmäßig zu fördern, hat man das prozessrechtliche Gegenstück in Form des Gesetzes über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (KapMuG)558 geschaffen. Hintergrund für diese Verfahren bildet die typischerweise große Anzahl von Geschädigten bei vergleichsweise geringem Umfang der einzelnen Schadenssummen durch die Verbreitung von fehlerhaften Kapitalmarktinformationen bzw. Wertpapierprospekten (sog. „Streuschäden“)559. Prozessrisiken und -kosten ließen es für den einzelnen (Klein-)Anleger unwirtschaftlich erscheinen, ihre Ansprüche tatsächlich geltend zu machen. So verliert die Haftung ihre Sprengkraft als verhaltenssteuernde Maßnahme, da die Geschäftsleiter geringere Anreize haben, Aufwendungen für die Anhebung der Sorgfaltsmaßstäbe zu tätigen. Die Zu555 Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 6 Rn. 25; Krämer, in: Krieger/ Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 26 Rn. 2. 556 Fleischer, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 7 Rn. 4; ders., BKR 2003, 608. 557 Einzelheiten bei Baums, ZHR 167 (2003), 139, 145 ff. Zum Schadensersatz wegen einer verspäteten Ad-hoc-Meldung bei Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden siehe OLG Stuttgart NZG 2007, 352; BGH NZG 2011, 109; hierzu Fleischer, NZG 2007, 401; Klön, NZG 2011, 166. 558 Vom 16. August 2005, BGBl. I, S. 2437. 559 Begr. RegE zum KapMuG, BT-Drucks. 15/5091, S. 1; Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737. Verhaltenssteuerung und Anreizwirkung der Haftung kommen nur dann zum tragen, wenn die Ersatzansprüche auch tatsächlich durchgesetzt werden, vgl. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 463 ff.

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rückhaltung des deutschen Zivilprozessrechts im Hinblick auf Verbandsoder Gruppenklagen musste unter anderem dem Anpassungsdruck eines internationalen Rechtsvergleichs vor allem vor dem Hintergrund der US-amerikanischen class actions weichen560. Kollektive Rechtsbehelfe ergänzen so auf prozessualer Seite die Verschiebung von kollektiven ex ante Entscheidungen in Form von Ge- und Verboten hin zum Marktentscheid, der auf die Verantwortlichkeit des Individuums angewiesen ist561. Festzuhalten bleibt, dass es sich hierbei nicht um eine echte Verbandsklage handelt, sondern um die Klärung von Rechtsfragen, die eine Vielzahl von anhängigen Prozessen betreffen. Die Vorteile betreffen eher die Verfahrensökonomie, als sie große Anreize für die Geschädigten darstellen, ihre Interessen durchzusetzen. Primär zählt der Anleger zu den geschützten Subjekten von Corporate Governance; er übernimmt im Rahmen seiner „institutionellen“ Bedeutung aber ebenso gewichtige Aufgaben im gesamtwirtschaftlichen Interesse. Mit der Durchsetzung von Haftungsansprüchen für kapitalmarktrechtliche Fehlinformationen wird das Individuum für Zwecke des Funktionsschutzes instrumentalisiert. Denn die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wirkt disziplinierend auf das Marktverhalten und trägt somit dazu bei, die Funktionsfähigkeit der Märkte zu verbessern („pars pro toto“)562. Da sich die kapitalmarktrechtliche Informationshaftung demnach unmittelbar nur gegen die Unternehmen und nicht gegen die verantwortlichen Organe selbst richtet, büßt sie an ihrer disziplinierenden Wirkung ein. Die oben beschriebene Zurückhaltung bei der Durchsetzung der (Regress)Ansprüche gegen die Organe trägt das ihre dazu bei, die negative Anreizwirkung weiter zu schwächen. Aus Gesichtspunkten der Kapitalmarkteffizienz, bestehende Informationsassymetrien auszugleichen, wäre es deshalb wünschenswert, eine Direkthaftung für Fehlinformationen – wie es im Entwurf zu einem KapInhG bereits angedacht war – erneut in Erwägung zu ziehen. Im Gegensatz zur Haftung für unternehmerische Entscheidungen steht dem insbesondere die Schutzbedürftigkeit der Organe oder Unternehmensinteressen nicht entgegen. Denn im Rahmen der kapitalmarktrechlichen Offenlegungspflichten besteht kein Ermessensspielraum, dessen Überprüfung zunächst unternehmensinternen Organen vorbehalten bleiben sollte.

560 Hess, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 15 Rn. 2. Zu den weiteren Vorteilen des US-amerikanischen Prozessrechts vgl. Fn. 31. 561 Kritisch zur Kollektivierung des Rechtsschutzes als Antwort auf eine „übertriebene Individualisierung des informationsgestützen Marktangebots“, Stürner, Markt und Wettbewerb, S. 99 f. 562 Schwark, in: Festschrift Stimpel, S. 1087, 1092 bezeichnet dies auch als „Mittel zum Zweck“.

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b) Die Haftung von Informationsintermediären Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von unternehmensexternen Personen im Rahmen der Corporate Governance wird deren Haftung eifrig diskutiert. Neben den Schäden, die für Emittent und Anleger bei einer fehlerhaften Einschätzung drohen, kann die Haftung für Sorgfaltspflichtverletzungen einen Vertrauensverlust in die Tätigkeit der Informationsintermediäre verhindern. Während die Verantwortlichkeit von Wirtschaftsprüfern für eine Dritthaftung neben der vertraglichen Haftung gegenüber den Auftraggebern auf gesicherten Grundlagen beruht563, lassen vergleichbare Voraussetzungen für Aktienanalysten und Ratingagenturen die gleiche Konturenschärfe vermissen564. Das gilt insbesondere für die verhaltenssteuernde Haftung gegenüber Dritten. Eine vertragliche Ersatzpflicht gegenüber den Abonnenten von Publikationen der Ratingagenturen kommt im Falle vertraglicher Aufklärungspflichten zwar in Frage, betrifft aber nur einen Ausschnitt des allgemeinen Anlegerpublikums565. Will man den Kreis der Berechtigten erweitern, muss jedenfalls die Anwendung von Prospekthaftungstatbeständen ausscheiden, da Ratingagenturen aufgrund ihrer Neutralitätspflicht nicht zu den Prospektverantwortlichen zählen566. Ob und unter welchen Voraussetzungen sich das Rechtsverhältnis eines Ratingauftrags als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter qualifizieren lässt, ist bisher nicht abschließend geklärt567. Da Ratingagenturen die Objektivität, Neutralität sowie die wissenschaftliche Grundlage ihrer Prüfungen betonen, können durchaus Parallelen zur Gutachterhaftung hergeleitet werden. Wesentliche Unterschiede gegenüber dem Testat eines Wirtschaftsprüfers ergeben sich daraus, dass Ratingagenturen regelmäßig keinen umfassenden Einblick in die Unternehmensdaten erhalten568 563

BGHZ 138, 257; Götz, AG 1995, 337, 340 ff.; Hopt/Merkt, in: Baumbach/ Hopt, HGB, § 323 Rn. 8; Zugehör, NJW 2000, 1601. 564 Hennrichs, in: Festschrift Hadding, S. 875, 880; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 370 ff. 565 Zwar lässt sich die Rechtsprechung des BGH für Börseninformationsdienste (BGHZ 70, 356) nicht auf die Abonnenten von Publikationen der Ratingagenturen übertragen, da diese keine gezielte Kauf- oder Verkaufsempfehlung abgeben. Vgl. hierzu Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM Sonderbeilage Nr. 5/1992, S. 12; Vetter, WM 2004, 1701, 1708; Peters, Haftung und Regulierung von Ratingagenturen, S. 92, 98. 566 Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 140. 567 Ebenroth/Daum, WM Sonderbeilage Nr. 5/1992, S. 14; Peters, Haftung und Regulierung von Ratingagenturen, S. 112 ff.; ablehnend Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 211. Zu den Voraussetzungen der Grundsätze eines Schuldverhältnisses mit Schutzwirkung für Dritte, siehe Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, § 33 Rn. 7 ff. 568 Fleischer, Gutachten für den 64. DJT, S. F 141 mit Hinweis auf eine Vergleichbarkeit mit der Stiftung Warentest, für die eine Dritthaftung verneint wird. Husisian, Cornell Law Review Vol. 75 (1990), S. 460.

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und der Kreis der potentiell Anspruchsberechtigten im Schadensfalle nicht abgrenzbar ist569. Wenn man die bisherige Rechtslage überhaupt als ausreichende Haftungsgrundlage verstehen will, erweisen sich vor allem Beweisschwierigkeiten und unpräzise formulierte Sorgfaltsstandards als Durchsetzungshindernisse570. Bisher fehlt es an einer (wirksamen) Grundlage für die Verantwortlichkeit von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum. In ihrem aktuellen Richtlinienvorschlag vom 15. November 2011 sieht die europäische Kommission jedoch eine Haftung für grob fahrlässige und vorsätzliche Pflichtverletzungen vor571. Flankiert wird dieser Haftungstatbestand von einer abgestuften Beweislastumkehr. Zum einen muss ein Anleger lediglich glaubhaft machen, dass die Ratingagentur ihre Pflichten verletzt hat. Dann obliegt es der Ratingagentur, dies zu wiederlegen. Zudem wird die Kausalität eines Pflichtverstoßes für das fehlerhafte Rating vermutet. Die Auferlegung von Geldbußen bleibt von dieser Haftung unberührt. Sicherlich ist die Schaffung eines Haftungstatbestandes ein wichtiger Schritt, um die Qualität der Ratings zu verbessern. Allerdings darf es auch nicht dazu führen, dass Ratingagenturen nur noch die pessimistischte Bewertung wählen, um die Haftungsrisiken zu reduzieren. Möglicherweise muss hier im Gesetzgebungsverfahren noch einmal korrigiert werden, z. B. mit der Schaffung einer summenmäßigen Haftungsbeschränkung auch für grobe Fahrlässigkeit. c) Die Amtshaftung im Rahmen der Finanzaufsicht Seitdem die integrierte Allfinanzaufsicht geschaffen worden ist, verläuft die Haftung für aufsichtsbehördliches Fehlverhalten im Bereich der Publizitätsaufsicht nach dem WpHG nach vergleichbaren Grundsätzen wie jene im Bereich der Banken- und Versicherungsaufsicht. Insbesondere findet § 4 Abs. 4 FinDAG, der den Ausschluss der Staatshaftung intendiert, für sämtliche Zweige der Überwachung durch die BaFin Anwendung. Aus diesen Gründen bietet sich eine zusammenhängende Betrachtung dieser Thematik an. Prinzipien der Amts- bzw. Staatshaftung für Pflichtverletzungen in der Wirtschaftsaufsicht werden im zweiten Teil der Arbeit erörtert [s. unten § 6 V.]. 569 Die Eingrenzung des Kreises schutzwürdiger Dritter wird vom BGH für die Anwendbarkeit der Grundsätze der vertraglichen Dritthaftung gefordert, vgl. BGHZ 70, 327, 329. Siehe auch Habersack, ZHR 169, 185, 207 f., 211. 570 Blaurock, ZGR 36 (2007), 603, 637, 653. 571 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, Art. 35a, KOM(2011) 747 endg. s. auch FAZ-online vom 15. November 2011 „Ratingagenturen bekommen Auflagen“, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ eu-kommission-ratingagenturen-bekommen-auflagen-11529956.html.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

IV. Das Verhältnis von kapitalmarktund verbandsrechtlichen Vorschriften zur Steuerung der Corporate Governance Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass sich Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in vielschichtiger Weise voneinander unterscheiden. Für die rechtspolitische Frage nach der „richtigen“ Regelungsebene ist maßgeblich, ob man Regulierung in Form von zwingendem Charakter oder in Form von Marktransparenz in Verbindung mit den marktlichen Kontrollmechanismen den Vorzug geben möchte572. Hinter dem Stichwort „Deregulierung“ verbirgt sich nichts anderes als die Ersetzung zwingender Regelungen durch dispositives Recht bei gleichzeitiger Stärkung privatautonomer Rechtsgestaltung. Dabei beschränken sich die konkreten Lösungsansätze nicht allein auf die Gegenüberstellung von Gesetz auf der einen und unverbindlichen Kodices mit flankierenden Offenlegungspflichten auf der anderen Seite573. Vielmehr umfasst die Diskussion um die Präferenz von kollektiver ex ante Entscheidung gegenüber dem auf individuelle Verantwortung basierenden Marktentscheid grundsätzlich die gesamte Bandbreite hoheitlicher und privater Rechtsetzung und -durchsetzung. Verhaltensmaßstäbe, wie sie in untergesetzlichen Kodices enthalten sind, könnten ebenso im Wege formaler Gesetzgebung statuiert werden. Als inhaltliches Differenzierungskriterium wird das Merkmal der Unverbindlichkeit bemüht, ohne jedoch zu präzisieren, was hierunter zu verstehen ist. Hier soll eine Antwort auf diese Frage gefunden werden [s. unten 1.], um sich anschließend mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen, die daraus für die Wahl der Regulierungsebene erwachsen [s. unten 2.]. Abschließend werden die Ergebnisse des Ersten Teils in einem zusammenfassenden Ausblick dargestellt [s. unten 3.]. 1. Die „Unverbindlichkeit“ als Merkmal einer marktliberalen Lösungsstrategie Wenn nach einer Lösung für den richtigen Regulierungsansatz gerungen wird, steht die Frage im Vordergrund, inwieweit den Unternehmen im Zeichen flexibler Rechtsanwendung ein Entscheidungsspielraum dahingehend zu gewährleisten ist, ob sie eine Verhaltensnorm befolgen oder nicht. Ein 572

Siehe Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 9 ff.; so auch Leyens, JZ 2007, 1061, der jedoch die Schaffung von Marktransparenz als aliud zum Begriff der Regulierung versteht. 573 So aber wohl Leyens, JZ 2007, 1061, „ob und inwieweit zwingendes Recht durch unverbindliche Kodexregeln mit korrespondierenden Offenlegungspflichten zu substituieren ist“.

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solches Ermessen wird nur bei „unverbindlichen“ Vorgaben eingeräumt. Aufgrund der sich gegenüberstehenden Begriffspaare „Kodex und Gesetz“ sowie „Offenlegungspflicht und zwingendes Recht“ scheint jedoch Unklarheit darüber zu bestehen, welches Merkmal sich als prägend für die „Unverbindlichkeit“ einer Verhaltensanforderung erweist. Schon begriffsgemäß wohnt auch einer Offenlegungspflicht zwingender Charakter inne und stellt eine Verhaltensanforderung im Sinne eines Gebots auf574. Über die obligatorische Offenlegung hinaus sind damit keine weiteren normativen Wertungen an das Geschäftsgebaren verbunden. Um qualitativ zwischen dem Grad der Bindungswirkung von Verhaltensmaßstäben zu unterscheiden, muss demnach zwischen einem Ge- bzw. Verbot mit materiellem Gehalt und einer bloßen Publizitätspflicht differenziert werden. Folgendes Beispiel soll das verdeutlichen. Zwischen der Normierung einer Obergrenze für Vorstandsgehälter einerseits und der Vorgabe andererseits, die Marktteilnehmer über die Höhe zu informieren, besteht ein erheblicher Unterschied mit Konsequenzen vor allem für die tatsächliche Vergütungsstruktur des Unternehmens. Die eingangs dargestellte paarweise Betrachtung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die Bindungswirkung von Corporate Governance in rechtlicher Hinsicht de lege lata eine Dreiteilung besteht. Die strengste Lösung stellen zwingende materielle Ge- und Verbote dar. Da hierdurch in verfassungsrechtlich verbriefte Freiheiten eingegriffen wird, bedarf es einer formalgesetzlichen Regelung, deren Entstehung demokratischen Grundsätzen entsprechen muss575. In diesem Falle verbleiben dem Normadressaten keine Entscheidungsspielräume über die Einhaltung der Verhaltensanforderung, da er sich bei Nichtbefolgen Sanktionen ausgesetzt sieht. Eine nachträgliche Evaluierung über die Zweckmäßig- und Wirtschaftlichkeit des entsprechenden Verhaltens, indem Marktteilnehmer individuell Voice- bzw. Exit-Optionen in Anspruch nehmen, ist ebenso vorweggenommen. Nur aufgrund der rechtssystematischen Verknüpfung mit dem Verbandsrecht wird dieses Modell als gesellschaftsrechtliches bezeichnet. Als Alternative zu dieser kollektiven ex ante Regelung bietet es sich an, auf normative Vorgaben inhaltlicher Natur zu verzichten und die Beurtei574

Auch wenn in der Literatur gerade die Offenlegung als Alternative zu zwingenden Regeln dargestellt wird, siehe Fn. 557. 575 Sog. „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ des BVerfG. Siehe BVerfGE 49, 89, 126 („Kalkar I“); 80, 124, 132 („Postzeitungsdienst“); 98, 218, 251 („Rechtschreibreform“); für gubernatives Informationshandeln eingrenzend BVerfGE 105, 279, 305 („Osho“); vgl. auch Sachs, in: Stelken/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 48. Die demokratisch-parlamentarische Staatsverfassung verlangt es, dass die Regelung wesentlicher, insbesondere grundrechtsrelevanter Fragen durch Gesetz erfolgen muss. Dies gilt im Übrigen auch für Offenlegungspflichten aufgrund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und ggf. der Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG.

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lung unternehmerischen Verhaltens einem Marktentscheid zuzuführen. Eine sachgerechte Bewertung im Sinne einer informierten Transaktionsentscheidung ist regelmäßig nur dann möglich, wenn die Unternehmen die Inhalte ihres Geschäftsgebarens offen legen. In funktionalem Zusammenhang mit seiner marktbezogenen Regulierung entspricht das Konzept der Offenlegung dem kapitalmarktrechtlichen Modell576. Um der Starre dieser Zweiteilung zu entkommen, schiebt sich eine Regulierungsebene dazwischen, die Sollenssätze vorformuliert, deren Befolgung oder Nichtbefolgung unter Beachtung größtmöglicher Freiheitsgewährung nur zu publizieren sind („comply or disclose“)577. Rechtlich unverbindlich ist allein die Einhaltung des Sollenssatzes nicht aber der Offenlegung der Information, ob dieser Sollenssatz befolgt wurde578. Regelmäßig – aber grundsätzlich nicht zwingend – sind solche Verhaltensmaßstäbe in untergesetzlichen Kodices enthalten und stellen ein Mehr an Regulierung gegenüber dem kapitalmarktrechtlichen Modell dar, das in seiner Reinform auf inhaltliche Vorgaben gänzlich verzichtet. In funktionaler Betrachtung sind die Regeln des Deutschen Corporate Governance Kodex gesellschaftsrechtlicher Natur579, bedienen sich aber nach dem Prinzip der Publizität eines kapitalmarktrechtlichen Ansatzes. Eine Ausnahme hiervon stellen Sollenssätze dar, die wiederum selbst nur Maßgaben für eine Offenlegung enthalten. Veranschaulichen lässt sich das erneut anhand der Offenlegungspflicht von Vorstandsgehältern, die nunmehr in formelles Recht umgesetzt worden ist580. Bis zum Erlass des VorstOG wurde vom Kodex lediglich die Offen576 Kapitalmarktrechtliche Regelungen sind aber nicht gleichzusetzen mit dem Prinzip der Offenlegung [siehe oben § 2 II. 2. b)]. Z. B. enthalten die – zweifelsohne kapitalmarktrechtlichen – Insiderhandels- und Marktmanipulationsvorschriften materielle Verbote. Im Gegensatz dazu gibt es ebenso gesellschafts- bzw. handelsrechtliche Vorschriften, die auf dem Prinzip der Offenlegung basieren (vgl. § 131 AktG, §§ 325 ff. HGB). Zwar erweitert sich die Funktion dieser Publizität auf die gesamten Marktteilnehmer dient aber weiterhin den Interessen der Verbandsmitglieder, vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 440 und passim. 577 Eine Verpflichtung zur Erklärung einer Abweichung vom Kodex („comply or explain“) wird nicht von § 161 AktG verlangt, vgl. Körner, NZG 2004, 1148. Die Regierungskommsission hatte dies empfohlen, vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 10. In Ziffer 3.10 des DCGK ist allerdings die Empfehlung enthalten, eine Begründung für die Nichteinhaltung abzugeben. In der Praxis begründen die Unternehmen die Abweichung von Sollenssätzen des DCGK. 578 Vgl. § 161 AktG. 579 Assmann, in: Festschrift Kümpel, S. 1, 14. 580 Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen (VorstOG) vom 3. August 2005, BGBl. I, S. 2267. Die Begründung des Regierungsentwurfs betont zwar, dass es nicht nur um Kapitalmarktinformation geht, sondern auch um die Kontrolle des Aufsichtsrats, der über die angemessene Vergütung des Vorstandes zu

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legung empfohlen (vgl. Ziffer 4.2.4. DCGK i. d. F. vom 21. Mai 2003), so dass in der Erklärung gem. § 161 AktG nur verbindlich anzugeben war, ob das Unternehmen dieser Empfehlung zur Offenlegung folgt. Mit Ausnahme der opt-out-Regel durch einen qualifizierten Beschluss der Hauptversammlung (§ 286 Abs. 5 HGB) umfasst der Inhalt einer Offenlegung nunmehr zwingend Art und Umfang der Bezüge581. Diese Lösung stellt zwar eine liberalere gegenüber einer inhaltlichen Vorgabe hinsichtlich einer tolerablen Höhe der Bezüge dar, lässt aber grundsätzlich die zuvor mögliche Flexibilität, auf die Veröffentlichung zu verzichten, nicht mehr zu. Gleichzeitig zeigt das Vorgehen des Gesetzgebers aber auch die Grenzen des Selbstregulierungsgedankens auf582. Statt der gedachten Sanktionierung von Seiten des Kapitalmarkts könnte man das Vorgehen zynisch beschreiben: „Wer den Kodex nicht befolgt, den bestraft der Gesetzgeber“583. Eine differenzierte Betrachtung des Merkmals der Verbindlichkeit im Zusammenhang mit dem geltenden Corporate Governance-Rahmen hat gezeigt, dass es nur in begrenztem Umfang geeignet ist, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht gegenüberzustellen. Im Kern geht es um die Alternativen zwischen einem gesetzlichen, und daher kollektiven ex ante Entscheid, und dem individuellen ex post Entscheid durch die Marktteilnehmer. Letzterer wird nur ermöglicht, insofern eine normative, inhaltliche Vorgabe dem Adressaten einen Ermessenspielraum belässt und sie in diesem Punkt unverbindlich ist. 2. Die Wahl der Regulierungsebene Von Bedeutung für die Regulierungsebene ist zum einen, ob eine Regel für alle Aktiengesellschaften („one-fits-all“) oder nur ausdifferenziert nach ihrer Kapitalmarktorientierung bzw. Börsennotierung gelten soll und zum anderen, ob man den Aktionär in seiner Rolle als Verbandsmitglied oder als Anleger schützen soll. Verknüpft sind beide Aspekte durch den Umstand, dass eine anlegerschützende Perspektive nur bei einer Marktgängigkeit der Unternehmensbeteiligung sinnvoll ist. entscheiden hat (vgl. Begr. E zum VorstOG, BT-Drucks 15/5577, S. 5. Der zur Entscheidung angenommene Entwurf aus der Mitte des Bundestages entspricht wortlautgleich dem Regierungsentwurf vom 18. Mai 2005). Aufgrund der Beschränkung des Anwendungsbereichs auf börsennotierte Gesellschaften sieht es sich daher einer Systemkritik ausgesetzt, vgl. Baums, ZHR 169 (2005), 299, 303; Fleischer, DB 2005, 1611, 1613. Trotz der opt-out-Regel der Hauptversammlung liegt der Schwerpunkt des VorstOG auf kapitalmarktrechtlichen Funktionsbezügen. 581 Vgl. Spindler, NZG 2005, 689, 691; Fleischer, DB 2005, 1611. 582 Spindler, NZG 2005, 689, 692. 583 In Anlehnung an den Titel des Beitrags von Nowak/Rott/Mahr, ZGR 34 (2005), 252: „Wer den Kodex nicht einhält, den bestraft der Kapitalmarkt?“.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

Verbandsrechtlicher Anlegerschutz kann erst zu dem Zeitpunkt vermittelt werden, ab dem ein mitgliedschaftliches Verhältnis zum Unternehmen bereits besteht. Dieser ex post Anlegerschutz ist erst im Anschluss an den Eintritt in die Finanzierungsbeziehung zwischen Kapitalgeber und Unternehmen möglich584. Die Forderung nach einer Ausdifferenzierung des Kapitalmarktrechts aus dem Aktienrecht zur Vorverlagerung der Selbstschutzmöglichkeiten in Form von Voice- bzw. Exit-Optionen auf den Zeitpunkt der Anlageentscheidung wird daher verständlich. Zu den Risikofaktoren, die der Anleger seiner Investitionsentscheidung zugrunde legen muss, gehören auch die durch das Verbandsrecht nicht geschlossenen oder gar erst hervorgerufenen Opportunismusoptionen der Geschäftsleitung585. Den Missbrauchsmöglichkeiten und anderen Maßnahmen, die den Interessen der Anleger zuwiderlaufen könnten, vermag auch mit Mitteln des Verbandsrechts Grenzen gesetzt zu werden, das so einen Beitrag dazu leistet, Renditeerwartung und Risiko der Anleger in Einklang zu bringen586. Das gilt umso mehr für den Anlegerschutz nach einer positiven Anlageentscheidung587. Aus dieser Perspektive betrachtet, lässt sich die Aussage Uwe H. Schneiders umformulieren588: Das Gesellschaftsrecht schützt den Aktionär nicht nur als Mitglied im Verband, sondern auch als Anleger. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem Schutz der Vermögensanlage. Die Nutzbarmachung des Aktienrechts für Kapitalmarkteffizienz erfordert aber zum einen Differenzierungsmöglichkeiten für kapitalmarktorientierte und -ferne Unternehmen und zum anderen die Achtung kapitalmarktlicher Funktionsbezüge589. 3. Zusammenfassender Ausblick Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass – trotz der vorherrschenden Dominanz interner Corporate Governance in der deutschen Rechtsordnung – gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Elemente immer mehr zusammenwirken. Rechtspolitische Diskussionen um die verstärkte Berücksichtigung der Privatautonomie bei vermehrter Inanspruchnahme des Kapitalmarktrechts dürfen nicht bedeuten, zusätzliche Regeln für die Unternehmen zu schaffen. Eine echte Deregulierung ist nur dann möglich, wenn gleichzeitig 584

Hirte, ZGR Sonderheft 13, 61, 82; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 116. Asssmann, in: Assmann/Schütze, § 1 Rn. 59; zu den Missbrauchsgefahren im Rahmen der eigenverantwortlichen Leitungskompetenz des Vorstandes gem. § 76 Abs. 1 AktG siehe oben § 1 I. 2. 586 Asssmann, in: Assmann/Schütze, § 1 Rn. 60. 587 Fleischer, Gutachten zum 64. DJT, F 20; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 105 ff., 116 ff. der von „ex post Anlegerschutz“ spricht. 588 Schneider, AG 2001, 269, 271. 589 Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, vor § 76 Rn. 8 f. 585

§ 2 Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht als Ordnungsrahmen

161

zwingendes Aktienrecht durch die Verstärkung von Satzungsautonomie substituiert wird. Der Rückzug materieller Vorgaben muss allerdings durch Offenlegungspflichten flankiert werden, damit eine nachträgliche Evaluierung möglich ist. Für flexible Regelungsmechanismen, wie sie etwa der DCGK in Form von Empfehlungen bereithält, ist nur dort Raum, wo nicht bereits zwingendes Recht den Rahmen verbindlich vorgibt. Sofern Unternehmensbeteiligungen auf Märkten in Form von Aktien als handelbare Rechte ausgetauscht werden, können die Marktteilnehmer rechtliche Satzungsgestaltungen ebenso autonom bewerten wie den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens590. Entscheidend für den Siegeszug dieser liberalen Lösung ist zum einen, dass die Märkte eine solche Bewertung überhaupt zu leisten imstande sind und zum anderen ob nicht eine die Vorabregulierung durch zwingendes Recht die kosteneffizientere Alternative bietet591. Einer umfassenden Deregulierung des Aktienrechts, z. B. durch Aufgabe der aktienrechtlichen Satzungsstrenge steht entgegen, dass ein Marktversagen aufgrund von Informationseffizienz der Kapitalmärkte droht und eine Kompensation zurücktretender ex ante Regulierung durch einen Individualentscheid (bisher) nicht möglich erscheint. Inwieweit diese Märkte durch vermehrte Inanspruchnahme der Eigenkapitalfinanzierung und entsprechender Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen in der jüngeren Vergangenheit an Leistungsvermögen zugenommen haben, ist nicht abschließend geklärt. Es bleibt weiterhin dabei, dass Corporate Governance durch Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht zu regulieren ist. Wie an zahlreichen Stellen dieses Kapitels angeklungen, besteht im Einzelnen erheblicher Abstimmungsbedarf zwischen beiden Regelungsgebieten. Im Übrigen gilt es genau zu überprüfen, an welchen Stellen der Marktentscheid gegenüber kollektiver Entscheidung überlegen ist und eine bessere Bewertung zulässt. Vor allem Stakeholderinteressen werden regelmäßig nicht auf den Kapitalmärkten repräsentativ berücksichtigt, so dass eine umfassende Deregulierung im Aktienrecht kaum erwartet werden kann. Intention der Darstellung war es weniger, verbindliche Empfehlungen rechtspolitischer Natur zu formulieren, als das Koordinatensystem der Corporate Governance de lege lata abzustecken, in dessen Gefüge sich das Wirtschaftsaufsichtsrecht einordnen lassen muss. Unter Berücksichtigung der Dynamik nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines internationalen Wett590 Rock, AG 1995, 291, 298, „If managers slack off or steal from the firm or build inefficient empires, the firm fails in short order and a firm without such problems takes its place. In other words, ighly competitive product markets root out suboptimal governance structures before corporate law needs to pay attention.“ 591 Spindler, AG 1998, 53, 58 ff.

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1. Teil: „Allgemeine“ Corporate Governance

bewerbsdrucks – insbesondere im Bereich der Finanzmarktgesetzgebung und der Kodex- bwz. Code-of-Conduct-Bewegung – sind Rückschlüsse dahingehend zulässig, dass dem individuellen Marktentscheid im Gleichschritt mit einer „Offenlegungsphilosophie“ immer mehr an Bedeutung eingeräumt wird. Es zeigt sich ein Bild der Corporate Governance im Schnittfeld von Markt und Recht bzw. von individuellen und kollektiven Entscheidungen. Zur Verbesserung der guten Unternehmensführung ist das bestehende System aus Ge- und Verboten, Offenlegungsvorschriften, autonomen und heteronomen Kontrollinstanzen sowie marktlichen Überwachungsmechanismen nicht als ein starres zu begreifen.

Zweiter Teil

Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen im System der Corporate Governance § 3 Die Banken- und Versicherungsaufsicht als Ausschnitt des Wirtschaftsaufsichtsrechts I. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Banken- und Versicherungsaufsicht Die rechtlichen Grundlagen für die staatliche Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen und Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten sind im Gesetz über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG)1 bzw. dem Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz – KWG)2 verankert. Während Versicherungsunternehmen vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung grundsätzlich ausgeschlossen sind (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 GewO), unterliegen Kreditinstitute3 der allgemeinen Wirtschaftsaufsicht nach den Vorschriften der GewO, jedoch mit zahlreichen Ausnahmen und Modifikationen4. Die 1 VAG in der Fassung vom 17. Dezember 1992, BGBl. 1993 I, S. 2, zuletzt geändert durch Art. 1 und 6 des Gesetzes vom 28. Mai 2007, BGBl. I, S. 923. 2 KWG in der Fassung vom 9. September 1998, BGBl. I, S. 2776, zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 5. Januar 2007, BGBl. I, S. 10. 3 Gesetzessystematisch trennt das KWG zwischen Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Wertpapierhandelsunternehmen. Seit der 6. KWG-Novelle unterliegen sie gleichermaßen der Beaufsichtigung, vgl. Boos, Die Bank 1997, 1; Mielk, WM 1997, 2200 ff.; 2237 ff. Die vielzähligen Verhaltenspflichten gelten teilweise nur für einen bestimmten Typus von Unternehmen. Institute mit Volllizenz in Deutschland sind Einlagenkreditinstitute i. S. d. § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG (vgl. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 1 Rn. 193). Der Begriff „Bank“ hingegen ist ein untechnischer und findet nur im Zusammenhang mit „Bankgeschäften“ gem. § 1 Abs. 1 KWG Verwendung. In dieser Arbeit wird von ihm in synonymer Bedeutung zum Begriff „Kreditinstitut“ Gebrauch gemacht. Derzeit sind ca. 1.900 Kreditinstitute in Deutschland zugelassen (Stand: 15. März 2012), siehe www.bafin.de. 4 Vgl. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einf. Rn. 94; Gramlich, in: Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5 Rn. 3. Eine wesentliche Modifikation der gewerberechtlichen Anforderungen stellt die Erlaubnis gem. § 32 Abs. 1 KWG dar,

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

ausdifferenzierten Vorschriften des KWG drängen das allgemeine Gewerberecht weitestgehend in den Hintergrund, so dass die folgenden Untersuchungen im Wesentlichen auf die spezifizierten aufsichtsrechtlichen Normen fokussieren können. Sowohl die Versicherungs- als auch die Bankenaufsicht knüpfen ihren Anwendungsbereich an den satzungsmäßigen Sitz der Unternehmen im Inland an5. Unter Berücksichtigung des innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehrs sind die Rechtssubjekte regelmäßig dann von einer Konzessionspflicht und Beaufsichtigung nach den Vorschriften derjenigen Mitgliedsstaaten befreit, in denen sie lediglich ihre Geschäftstätigkeit – regelmäßig in Gestalt von Zweigniederlassungen – ausüben. Mit Einführung des Herkunftslandprinzips und dem „Europäischen Pass“ soll der grenzüberschreitende Verkehr nicht durch eine zusätzliche Beaufsichtigung belastet werden6. Ermöglicht durch eine Harmonisierung der Aufsichtsstandards wird die Einhaltung der Verhaltensmaßstäbe nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung regelmäßig von der Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaates und nur noch in begrenztem Umfang oder Ausnahmefällen im sog. Aufnahmemitgliedsstaat überwacht7. Demgemäß enthalten VAG und KWG differenzierte Regelungen hinsichtlich der aufsichtsbehördlichen Zuständigkeit8. Die Reformbestrebungen auf europäischer Ebene zielen auf eine bessere die eine Genehmigungspflicht des § 34 c Abs. 1 GewO als speziellere Vorschrift verdrängt, vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO (I), § 34c Rn. 57, 60. 5 Vgl. §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 53b KWG, § 1 Abs. 1 Satz 1 VAG und dem Gegenschluss aus §§ 105 Abs. 1, 110a Abs. 1 Satz 1 und 110d Abs. 1 und 2. Siehe Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 1 Rn. 2; Fahr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, § 105 Rn. 1. 6 Im Bankenaufsichtsrecht eingeführt im Rahmen der Zweiten Bankenrechtskoordinierungsrichtlinie 89/646/EWG (Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute vom 15. Dezember 1989, ABl. EG Nr. L 386, S. 1 und für das Versicherungsaufsichtsrecht im Rahmen der Dritten Richtlinie 92/49/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Direktversicherungen (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG vom 11.8.1992, ABlEG Nr. L 228, S. 1. 7 Fahr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 110a Rn. 1; Braun, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 24a Rn. 1 ff. Im Bereich der Bankenaufsicht gilt der „Europäische Pass“ allerdings nur für Einlagenkreditinstitute gem. § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG sowie Wertpapierhandelsunternehmen gem. § 1 Abs. 3d Satz 2. 8 Vgl. § 24a KWG, § 13b, c für die Errichtung einer Zweigniederlassung im EG-/EWR-Raum und ihre spiegelbildlichen Vorschriften § 53b KWG, § 110a VAG für eine Zweigniederlassung in der Bundesrepublik. Der „Europäische Pass“ in der Bankenaufsicht findet nur Anwendung auf Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen i. S. d. § 1 Abs. 3d KWG. Versicherungsunternehmen unterliegen der sog. Finanzaufsicht ausschließlich im Herkunftsstaat, der allgemeinen

§ 3 Die Bankenaufsicht als Ausschnitt des Wirtschaftsaufsichtsrechts

165

Zusammenarbeit bei der Beaufsichtigung grenzüberschreitend tätiger Versicherungs- bzw. Bankenkonzerne ab. In diesem Zuge war zunächst die Bildung von sog. „Colleges“ von betroffenen Aufsichtsbehörden vorgesehen9. Als Reaktion auf die jüngste Finanzkrise entschloss man sich, die drei europäische Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA) zu schaffen, um den Defiziten bei der Überwachung von grenzüberschreitend tätigen Unternehmen entgegenzuwirken10. Diese Behörden ersetzen aber nicht die Tätigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden, sondern ergänzen diese nur punktuell. Insbesondere sollen diese Behörden für eine Vereinheitlichung der Aufsichtsstandards sorgen. Grundsätzlich sind die nationalen Aufsichtsbehörden die Adressaten der Entscheidungen, die die europäischen Aufsichtsbehörden treffen11. Da die laufende Überwachung in Deutschland weiterhin von der BaFin ausgeübt wird, soll bei der folgenden Betrachtung ebenso wenig auf diese Besonderheiten eingegangen werden wie auf unterschiedliche Aufsichtsstandards in den anderen europäischen Ländern. 1. Der gewerbsmäßige Betrieb von Versicherungsund Bankgeschäften Die Anwendung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften knüpft an das gewerbsmäßige Betreiben von Versicherungs- bzw. Bankgeschäften an (vgl. § 1 Abs. 1 VAG, § 1 Abs. 1 S. 1 KWG). Geschäfte werden dann gewerbsmäßig betrieben, wenn der Betrieb auf gewisse Dauer angelegt ist und der Betreiber ihn mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgt12. Von dieser Tätigkeit, so die Ratio der Wirtschaftsaufsicht, gehen besondere Gefahren für die „Rechte anderer“ – also die Einleger und Versicherungsnehmer als Kunden – sowie für die Allgemeinheit aus13. Maßgeblich für eine staatliche Kontrolle von Banken und Versicherungen ist demnach die Natur der ausgeübten Wirtschaftstätigkeit und somit die Branchenzugehörigkeit der Unternehmen. Sowohl öffentlich-rechtlich organisierte Träger von Versicherungs- und Bankdienstleistungen als auch privatrechtlich organisierte WirtschaftssubRechtsaufsicht jedoch auch im Tätigkeitsstaat (§§ 85, 110a Abs. 3, VAG), siehe hierzu Bürkle, VersR 2007, 1595, 1597. 9 Änderung der Art. 40, 42a, 42b, 50, 129 und 131a der Richtlinie 2006/48 nach dem Vorschlag der Kommission vom 1. Oktober 2008, KOM (2008) 602 endg. 10 s. oben Einleitung, I. 11 Vgl. Lehmann/Manger-Nestler, EuZW 2010, 87 ff.; Baur/Boegl BKR 2011, 177. 12 Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 1 Rn. 18; Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, § 1 Rn. 40 mit Verweis auf die Begrifflichkeiten in § 1 Abs. 2 HGB. 13 Kahl, Staatsaufsicht, S. 378.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

jekte unterliegen der Beaufsichtigung nach dem KWG und dem VAG14. § 52 KWG stellt ausdrücklich klar, dass eine staatliche Sonderaufsicht neben der Überwachung durch die BaFin bestehen bleibt15. Allein die Träger von Sozialversicherungen sind per se vom Anwendungsbereich des VAG ausgenommen (vgl. § 1 Abs. 1 VAG). Während § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG eine enumerative Aufzählung16 der erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte enthält17, schweigt das VAG seinerseits über die Definition des Versicherungsgeschäfts18. Besondere Bedeutung für seine Bestimmung wurde schon mit Erlass des VAG im Jahre 1901 der aufsichtsrechtlichen Praxis und Rechtsprechung beigemessen19. Zusammenfassende Kriterien für ein Versicherungsgeschäft i. S. d. § 1 VAG sind nach der Rechtsprechung des BVerwG die Übernahme einer bestimmten Leistung im Falle eines unbestimmten Ereignisses gegen Entgelt (Prämie) sowie die Risikoverteilung zwischen einer Vielzahl von Personen, die einer vergleichbaren Gefahr ausgesetzt sind, unter versicherungsmathematischer Kalkulation nach dem Grundsatz der großen Zahlen20. In ihrer Ausgestaltung können Privatversicherungen in den verschiedensten Formen auftreten und sich dabei an bestimmte Personengruppen richten, wie z. B. Lebens-, Haftpflicht-, Krankenversicherung typischerweise für Verbraucher, aber auch 14 Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 125, Rn. 1; Gramlich, in: Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5 Rn. 20; ebenso wenig nehmen sie als „öffentliche Unternehmen“ eine EG-rechtliche Sonderstellung ein, Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 520; die öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen, sofern es sich um Wettbewerbsunternehmen handelt, sind erst mit dem 14. Änderungsgesetz (BGBl. I 1983, S. 377) in den Anwendungsbereich des VAG einbezogen worden, vgl. Begr. RegE zum 14. Änderungsgesetz, BT-Drucks. 9/1493, S. 18. 15 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einl. Rn. 98; Lindemann, ebda., § 52 Rn. 1 ff. 16 Aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit ist § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG abschließend, vgl. Bericht des Wirtschafsausschusses zum Entwurf des KWG, BTDrucks. 3/2563, S. 2. Dieser Wertungswiderspruch zu den Regelungen des VAG zeigt den Abstimmungsbedarf zwischen den beiden Aufsichtsbereichen auf und ist allenfalls mit der problematischen Abgrenzbarkeit des Versicherungsbegriffs zu begründen. 17 Im Zeichen der Deregulierung sollen Kapitalanlagegesellschaften durch ein Investmentänderungsgesetz per se vom Anwendungsbereich des KWG ausgenommen werden, vgl. Begr. RegE zum Investmentänderungsgesetz, BR-Drucks. 274/07, S. 110. 18 Vgl. Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 1 Rn. 3. Eine Übersicht hierzu findet sich bei Wälder, Wesen der Versicherung, S. 21 ff. Ausführliche rechtswissenschaftliche Erkenntnisse zum Begriff der Versicherung bei Dreher, Versicherung als Rechtsprodukt, S. 31 ff. 19 BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 30. 20 BVerwGE 3, 220, 221; BVerwG VersR 1987, 701, 702; BVerwG VersR 1987, 273, 274; BVerwG VersR 1987, 297, 298; BVerwG VersR 1987, 453, 454.

§ 3 Die Bankenaufsicht als Ausschnitt des Wirtschaftsaufsichtsrechts

167

etwa Rück- und Transportversicherungen für Kaufleute. Insbesondere mit der ersten Gruppe von Vertragstypen ist das Phänomen des Massengeschäfts verbunden, das neben der unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit der einzelnen Versichertengruppen eine differenzierte Behandlung in der Intensität der Beaufsichtigung erfordert21. Gesetzestechnisch unterscheidet das VAG zwischen den einzelnen sog. „Versicherungssparten“22. Da Versicherungsunternehmen üblicherweise Anlagegeschäfte von Deckungsreserven oder Vermögen betreiben und so Überschneidungen mit typischen Bankgeschäften bestehen, normiert § 2 Abs. 1 Nr. 4 KWG das Exklusivitätsverhältnis der Anwendungsbereiche des KWG und VAG, um eine aufsichtsrechtliche Überregulierung von solchen Unternehmen zu vermeiden23. Für Versicherungsunternehmen sind, sofern sie nicht andere als die ihnen eigentümlichen Geschäfte betreiben, nur die bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften über die Anzeige von Millionenkrediten (vgl. § 14 KWG) anwendbar24. Dies mag bereits als erstes Indiz dafür gelten, dass die Versicherungsaufsicht insgesamt eine intensivere Überwachung der Unternehmen vorsieht als die Bankenaufsicht. § 2a Abs. Nr. 4 WpHG regelt ebenso eine entsprechende Ausnahme für private und öffentliche Versicherungsunternehmen vom Anwendungsbereich der Vorschriften über Wertpapierdienstleistungsunternehmen25. 2. Die Sonderaufsicht über Hypothekenbanken und das Sparkassenwesen Neben der Aufsicht über Kreditinstitute unterliegen die Sparkassen und Hypothekenbanken eigenständigen Überwachungsvorschriften. Mit Inkraft21

Rittner, Wirtschaftsrecht, § 28 Rn. 4. Vgl. Anlage A zum VAG mit derzeit 25 Sparten: Unfall; Krankheit; Land-, Schienen-, Luftfahrzeugkasko; Schifffahrtskasko; Transportgüter; Feuer- und Elementarschäden; Hagel- und Frostschäden; Haftpflicht für Land- und Luftfahrzeuge; Schifffahrtshaftpflicht; Allgemeine Haftpflicht; Kredit; Kaution; Verschiedene finanzielle Verluste; Beistandsleistungen zugunsten von Personen, die sich in Schwierigkeiten befinden; Leben; Heirats- und Geburtenversicherung; Fondsgebundene Lebensversicherung; Tontinengeschäfte; Kapitalisierungsgeschäfte; Geschäfte der Verwaltung und Versorgungseinrichtungen; Pensionsfondsgeschäfte. 23 Vgl. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 2 Rn. 11 f., 31; Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 125, Rn. 10. Die gewerbsmäßig betriebenen Versicherungsgeschäfte können z. B. Garantiegeschäfte oder Gelddarlehen i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz Nr. 2, Nr. 8 darstellen. 24 Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 2 Rn. 12. 25 Vgl. Erwägungsgrund 16 und Art. 2 Abs. 2 lit a) der Richtlinie 93/22/EWG über Wertpapierdienstleistungen; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2a Rn. 26. 22

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

treten des Hypothekenbankgesetzes (HBG) am 13. Juli 189926 regelte der Gesetzgeber die staatliche Aufsicht über einen Ausschnitt des Bankenwesens27. Am 19. Juli 2005 wurde das HBG durch das Pfandbriefgesetz (PfandBG)28 abgelöst und beansprucht nur noch als Übergangsrecht Geltung. Die Vorgaben für Pfandbriefbanken (vgl. § 1 Abs. 1 PfandBG) richten sich im Wesentlichen nach den Vorschriften des KWG, enthalten jedoch abweichende Sonderbestimmungen29, so dass sie in der vorliegenden Untersuchung in dieser Funktion betrachtet werden. Demgegenüber bildet die Sparkassenaufsicht als Sonderaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Sparkassen den Ausfluss der Staatsaufsicht über die Selbstverwaltungskörper30. Mit ihrer heutigen Verankerung in den landesrechtlichen Sparkassengesetzen und der Beaufsichtigung durch Landesbehörden weist sie eine längere Tradition als die Bankenaufsicht über Privatrechtssubjekte auf31. Ihr Charakter lässt sich als Mischform zwischen einer Rechtsund Fachaufsicht einordnen, deren Elemente der Lenkung und Weisung an die Adressaten – meist kommunale Träger – einen Ausgleich zwischen fiskalischen Interessen der Kommunen und dem sozialstaatlich motivierten Schutz der Sparer schaffen32. Sparkassen sind demnach nicht nur der Aufsicht nach dem KWG sondern – auch entsprechend ihrer besonderen Zweckbestimmung – zusätzlich der Anstaltsaufsicht unterworfen33. Diese nimmt unmittelbar Einfluss auf die Geschäftspolitik der Sparkassen. Sonderprobleme des öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesens im Hinblick auf Public Corporate Governance34 sowie die wettbewerbsrechtliche Sonderstellung öffentlich-rechtlicher Unternehmen unter Gesichtspunkten der Gewährträgerhaftung und Anstaltslast sind aufgrund der fehlenden Kapitalmarktgängigkeit hier im Weiteren auszuklammern. Die Anstaltsaufsicht, deren Anforderungen über die bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften des KWG hinausgehen und 26

RGBl. I, S. 375. Vgl. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einleitung Rn. 1. 28 Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Pfandbriefrechts vom 22. Mai 2005, BGBl. I, S. 1373. 29 Gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr 1a KWG gilt das Pfandbriefgeschäft als Bankgeschäft; siehe hierzu Begr. RegE zum Pfandbriefgesetz, BT-Drucks. 15/4321, S. 27; auch abgedruckt in Verband deutscher Pfandbriefbanken (Hrsg.), Das Pfandbriefgesetz, S. 86. 30 Siehe hierzu Honold, Bankenaufsicht, S. 5, sowie unten II. 31 Näheres zur Geschichte der Bankenaufsicht siehe unten § 4. 32 Vgl. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einleitung Rn. 3; Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 52 Rn. 4. 33 Geschwandtner, Staatliche Aufsicht, S. 16; Lindemann, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 52 Rn. 1; Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 125, Rn. 11 f. 34 Hierzu Kirschbaum, BKR 2006, 139. 27

§ 3 Die Bankenaufsicht als Ausschnitt des Wirtschaftsaufsichtsrechts

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nicht einer mit der Wirtschaftsaufsicht über Privatrechtssubjekte vergleichbaren Systematik unterliegen, wird nicht weiter untersucht. 3. Der organisatorische Rahmen der Banken- und Versicherungsaufsicht Mit Errichtung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wurde der organisatorische Rahmen und die zentrale Verwaltungsbehörde für eine integrierte Allfinanzaufsicht geschaffen35. Unter ihrem Dach vereinigen sich nunmehr die früheren Bundesaufsichtsämter für den Wertpapierhandel, das Versicherungs- sowie das Kreditwesen. Im Gegensatz zur Bankenaufsicht besteht neben der Bundesaufsicht über die Versicherungsunternehmen noch eine Verwaltungskompetenz der Bundesländer. Seitdem das Bundesaufsichtsamt aufgelöst worden ist, finden sich die entsprechenden Kompetenzregelungen in den §§ 146 ff. VAG36. Es bleibt bei der grundsätzlichen Zuständigkeit der Bundesaufsichtsbehörde mit der Möglichkeit zur Übertragung der Aufgaben auf entsprechende Einrichtungen der Bundesländer zur Überwachung von privaten Versicherungsunternehmen von geringer wirtschaftlicher Bedeutung (vgl. § 147 VAG)37. Die Maßstabsnormen des VAG beanspruchen beim Vollzug durch Landesbehörden weiterhin Geltung. Da es sich bei den Aufsichtssubjekten um kleinere, meist regional tätige und daher kapitalmarktferne Versicherungsunternehmen handelt, spielen sie nur eine untergeordnete Rolle, so dass die Besonderheiten der Landesaufsicht hier ausgeklammert bleiben können. Im Rahmen der Aufsicht nach dem KWG sind die Kompetenzen zwischen BaFin und der Deutschen Bundesbank gem. § 7 KWG verteilt. Während die Bundesbank die sog. „laufende Aufsicht“ über Kreditinstitute ausübt, können Maßnahmen – insbesondere in Gestalt eines Verwaltungsaktes 35 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – (FinDAG) in der Fassung vom 22. April 2002, BGBl. I, S. 1310, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 28. Mai 2007, BGBl. I, S. 923. 36 Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Bundesaufsichtsamtgesetz – BAG), vom 31. Juli 1952, BGBl. I, S. 480, aufgehoben durch Art. 4 Nr. 1 Siebtes Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 29. August 2005, BGBl. I, S. 2546. Die Vorschriften des BAG sind sinngemäß und inhaltlich weitgehend unverändert in §§ 146 ff. VAG übernommen worden; vgl. Begr. RegE zum 7. VAG-Änderungsgesetz, BT-Drucks. 15/5221, S. 20; Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, §§ 146 ff. 37 Einzelheiten zur „konkurrierenden Verwaltungszuständigkeit“ bei Schmidt, in: Prölss, VAG, § 3 BAG Rn. 3. Laut Auskunft der BaFin stehen ca. 633 Versicherungsunternehmen und 26 Pensionsfonds unter Bundes- und ca. 1000 Versicherungsunternehmen unter Landesaufsicht (Stand: Januar 2008), siehe www.bafin.de.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

– allein von der BaFin getroffen werden38. Die Bundesbank wertet vor allem die immense Datenflut wie etwa die Prüfberichte, Abschlussunterlagen und die sonstigen eingereichten Information aus und leitet Auffälligkeiten an die BaFin weiter. Im Gegensatz zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Gesetz über die Deutsche Bundesbank (BBankG) ist sie im Zusammenhang mit der Aufsicht nach dem KWG nicht unabhängig (vgl. § 12 BBankG), sondern handelt weisungsgebunden. Dennoch wird immer wieder eine Reform des Nebeneinanders dieser Zuständigkeiten diskutiert, um die Effizienz der Überwachungstätigkeit zu verbessern39. Zweifelsohne dürfte die in Europa einzigartige Doppelstruktur zu einem erhöhten Personal- und Kostenaufwand führen. Außerdem wirft die Verlagerung der Aufsichtstätigkeit von der Bundesbank auf die Bafin verfassungsrechtliche Fragen auf, da die BaFin im Gegensatz zur Bundesbank nicht unabhängig ist, sondern der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesministeriums unterliegt. Für die Wirksamkeit der Bankenaufsicht insgesamt und den hiesigen Untersuchungsgegenstand spielt sie dennoch nur eine untergeordnete Rolle.

II. Der Begriff der Wirtschaftsaufsicht und seine Unterscheidung von der Staatsaufsicht Die Banken- und Versicherungsaufsicht als Bestandteil der Wirtschaftsaufsicht werden vielfach auch als eine Form der Staatsaufsicht über private Wirtschaftsunternehmen bezeichnet40. Rechtssystematische Gründe sowie eine grundrechtsdogmatische Perspektive verlangen jedoch danach, trennscharf zwischen Wirtschafts- und Staatsaufsicht zu differenzieren. Unter dem Begriff der Wirtschaftsaufsicht wird die von einer staatlichen Stelle ausgeübte Tätigkeit verstanden, die selbstverantwortliche Geschäftstätigkeit von Wirtschaftssubjekten zu beobachten und ggf. auf sie einzuwirken, um die Einhaltung der zugrunde liegenden Vorschriften zu gewährleisten41. 38

§ 7 Abs. 2 Satz 4 KWG. Vgl. auch Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 2000, S. 36 ff. 39 Siehe das Eckpunktepapier zur Reorganisation der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22. Mai 2007, abrufbar unter: http://www.bundesfinanz ministerium.de/nn_1776/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Geld__und__Kredit/Ka pitalmarktpolitik/002a,templateId=raw,property=publicationFile.pdf. Von einem ersten Referentenentwurf fand später allerdings allein die Leitungsstruktur der BaFin betreffend Eingang in ein Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz vom 28. März 2008, BGBl. I S. 493. Vgl. auch die Antwort der Bundesregierung vom 26. Oktober auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion u. a. 2007, BT-Drucks. 16/6883. 40 So z. B. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, vor § 105 Rn. 3. 41 Starke, Versicherungsaufsicht, S. 165; Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 264, 324, These 8.

§ 3 Die Bankenaufsicht als Ausschnitt des Wirtschaftsaufsichtsrechts

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Bankinstitute und Versicherungsunternehmen zählen zu diesen Wirtschaftssubjekten und unterliegen der Überwachung durch die BaFin (vgl. § 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 KWG, § 1 Abs. 1 VAG)42. Im Sinne eines weiten Verständnisses werden die Aufsicht über Verwaltungsträger sowie jene über private Wirtschaftssubjekte – also die Wirtschaftsaufsicht – gleichsam unter den Oberbegriff der Staatsaufsicht gefasst43. Demgegenüber äußern einige Vertreter Widerspruch gegenüber einer einheitlichen Bezeichnung44. Vielmehr sei die Wirtschaftsaufsicht als eine Form der allgemeinen „Untertanen-“ oder „Jedermannsaufsicht“ gekennzeichnet. Deutlich bringt dies Reiner Schmidt zum Ausdruck: „Wenn in der Lehre teilweise die Wirtschaftsaufsicht noch als Teil der Staatsaufsicht angesehen wird, ist dies nicht mehr haltbar. Bei der allgemeinen Staatsaufsicht geht es nämlich um Eingriffsbefugnisse innerhalb der Staatsverwaltung, während sich die Wirtschaftsaufsicht an die selbstverantwortlichen Marktteilnehmer wendet.“45 Die grundlegende Trennung von Gesellschaft und Staat, die sich gerade durch individuelle Freiheiten gegenüber der staatlichen Sphäre abgrenzt, ist elementar für unser Staatsverständnis und führt zu einer „Dichotomie von Staatsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht“46. An diesem Verständnis vermag auch die Begründung nichts zu ändern, dass bei der Überwachung in bestimmten Wirtschaftssektoren nicht nur privatwirtschaftliche, sondern auch überindividuelle bzw. öffentliche Interessen auf dem Spiel stehen47. Als Träger von verfassungsrechtlich verbrieften Grundrechten sind die beaufsichtigten Privatrechtssubjekte vor staatsseitigem Handeln geschützt. Eingriffe in diese Freiheiten bedürfen stets einer besonderen Legitimation in Gestalt einer gesetzlichen Grundlage48. Gröschner betont daher die Not42 Dies gilt auch für öffentlich-rechtlich organisierte Bankinstitute mit Ausnahme der in § 2 KWG genannten (z. B. Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). 43 Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 19 ff.; Kirchhof, in: HStR Bd. III, § 59, Rn. 203; übersichtlich hierzu Kahl, Staatsaufsicht, S. 363. Diese Einteilung wurde bereits durch die Themenwahl im Rahmen der Deutschen Staatsrechtslehrervereinigung deutlich, die in Saarbrücken im Jahre 1965 unter dem Generalthema „Staatsaufsicht in Verwaltung und Wirtschaft“ tagte und deren Konzept von den Bearbeitern Bullinger und Salzwedel übernommen wurde, Salzwedel, VVDStRL 22 (1965), 206, 208; Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 264. 44 Kahl, Staatsaufsicht, S. 366, 383 ff. und passim; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 3 Rn. 5; Schröder, JuS 1986, 371. 45 Humm, Bankenaufsicht, S. 40 f.; Schmidt, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. I Rn. 142; ders., Wirtschaftsrecht AT, § 7 II 1. 46 So Kahl, Staatsaufsicht, S. 365. Grundlegend zur Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, siehe Böckenförde, Staat und Gesellschaft, S. 395 ff.; ders., in: Staatslexikon, Spalte 228 ff. 47 So aber Mösbauer, Staatsaufsicht, S. 251; Salzwedel, VVDStRL 22 (1965), 258.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

wendigkeit für eine neue Begriffsbestimmung und leitet dieses Bedürfnis aus der Veränderung der heutigen Wirtschaftsaufsicht gegenüber einem überholten wohlfahrtspolizeilichen Verständnis ab, die er mit der Ablösung des „Etatismus des Aufsichtsbegriffs“ umschreibt49. Sein Vorschlag, von einem „Überwachungsrechtsverhältnis“ und entsprechend von „Wirtschaftsüberwachung“ statt von Aufsicht zu sprechen, hat sich trotz vereinzelter Adoption weder im Bereich der Gesetzgebung, in der Rechtsprechung noch in der Literatur durchgesetzt50. Die hier vorgenommene Abgrenzung von der Staatsaufsicht bringt in ausreichendem Maße den Unterschied zwischen binnenstaatlichen Aufsichtsverhältnissen und solchen zwischen Bürger und Hoheitsträger hinreichend zum Ausdruck, so dass es einer weiteren terminologischen Präzisierung nicht bedarf. Die Aufsicht über Bankinstitute und Versicherungsunternehmen wird von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen ausgeübt und ist demnach zwar staatliche Aufsicht, in dem hier verstandenen Sinne jedoch keine Staatsaufsicht. Ausnahme hiervon bildet die soeben beschriebene Überwachung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen in Anlehnung an einer Kontrolle der Selbstverwaltungsträger51. Die vorgenommene Differenzierung hat Konsequenzen für die Reichweite staatlicher Eingriffsbefugnisse, insbesondere vor dem Hintergrund grundrechtlicher Abwehransprüche der betroffenen Adressaten gegenüber hoheitlichem Tätigwerden. Aufgrund der verfassungsrechtlich verbrieften Berufs- und Gewerbefreiheit sind Maßnahmen gegenüber den beaufsichtigten Unternehmen nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage möglich und unterliegen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit [Einzelheiten s. unten § 5 II. 2.].

48 Dies führt Honold, Bankenaufsicht, S. 5 als entscheidendes Abgrenzungskriterium gegenüber der Staatsaufsicht über Selbstverwaltungskörper an. 49 Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 46 ff., 52 „ ‚Aufsicht‘ ist eine staatsinterne . . . Angelegenheit, ‚Überwachung‘ dagegen eine solche, die gesellschaftliche und individuelle Freiheit vom Staat voraussetzt“ und daher ein „Freiheitskorrelat“ darstellt. Für das Beibehalten des Begriffs der Wirtschaftsaufsicht ausdrücklich Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 3 f. m. w. N. auf die Gesetzespraxis und herrschende Lehre. 50 So aber beispielsweise Bauer, in: MünchKommAktG, § 4 WpÜG Rn. 4; Badura/Huber, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Kapitel Rn. 79 (in dem von Peter Badura allein bearbeiteten Beitrag in der 11. Auflage findet man aber noch den Begriff „Wirtschaftsaufsicht“, siehe Badura, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Auflage, 3. Kapitel Rn. 74 ff.); Huber, ThürVBl 1999, 87; Mösbauer, Staatsaufsicht über die Wirtschaft, mit wahlweise wechselnder Bezeichnung von „Staatsaufsicht“, „staatlicher Aufsicht“ und „Wirtschaftsaufsicht“. 51 Einzelheiten hierzu siehe oben § 3 I. 2.; hierzu Honold, Bankenaufsicht, S. 5; Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einleitung Rn. 3.

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III. Das Verhältnis von Wirtschaftsaufsicht zum Wirtschaftsaufsichtsrecht: formelle und materielle Kriterien der Wirtschaftsaufsicht Durch die eingangs zitierte Definition von Wirtschaftsaufsicht52 klingt Weiteres an: zum einen beschränkt sich die Tätigkeit der staatlichen Aufsichtsbehörde nicht nur auf eine passive Beobachtung, sondern ihr steht auch ein weitreichendes Instrumentarium zur Sanktion und Korrektur von Fehlentwicklungen zur Verfügung. Auch wenn diese Einwirkungsmöglichkeiten begriffstechnisch über den Gegenstand der „Beaufsichtigung“ hinauszugehen scheinen, wäre eine wirksame Überwachung ohne diese Kompetenzen ineffizient und schlichtweg nicht denkbar53. Mit einer rein beobachtenden Funktion könnte vor allem in Ermangelung von entsprechenden Korrekturbefugnissen der Anschein eines staatlichen Gütesiegels erweckt werden, den es nicht zu halten imstande ist54. Zum zweiten beinhaltet das Wirtschaftsaufsichtsrecht, jedenfalls gilt dies für die vorliegende Untersuchung des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts, sowohl die Grundlage für die zur Verfügung stehenden Aufsichtsmittel, als auch gleichermaßen die Aufsichtsmaßstäbe, zu dessen Zweckerreichung die formellen Mittel des Aufsichtsrechts einzusetzen sind. Einem Regulierungsansatz folgend entstehen aus diesen Normen, die die Struktur und das Geschäftsgebaren der beaufsichtigten Unternehmen betreffen, mitunter unmittelbare Rechtspflichten, deren Einhaltung administrativ überwacht wird55. Streng genommen zählen die Vorschriften mit reinen Verhaltensanforderungen ohne „Durchsetzungsregeln“ nicht zu den wirtschaftsaufsichtlichen Normen56. Aufgrund der engen Verknüpfung, die sich nicht nur aus der systematischen Verankerung in demselben Gesetzeswerk ergibt, und der weitreichenden Bedeutung dieser Maßstabsnormen für die Banken- und Versicherungsaufsicht, kann eine Einordnung der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht in das Corporate Governance-Gefüge nicht sinnvoll vorgenommen werden, ohne die materiellen Maßgaben einzubeziehen. Dieser Dualismus des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts wird terminologisch mit der Unterteilung in materielles und formelles Aufsichtsrecht 52

S.o. II und Fn. 39. Honold, Bankenaufsicht, S. 3 f.; Mösbauer, Staatsaufsicht, S. 424. 54 So bereits die Vorüberlegungen zum VAG 1901, siehe unten § 4 I. 2. 55 Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 225, 235. Vgl. zu der Unterscheidung aus dem angelsächsischen Recht zwischen „regulation“ und „supervision“, Binder, Bankeninsolvenzen, S. 94, dort Fn. 254. Zum Begriff der Regulierung in der deutschen Rechtswissenschaft siehe Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), GVwR I, § 19 Rn. 2 ff. 56 Ausdrücklich Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, vor § 1 Rn. 3. 53

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umschrieben, wobei jedoch in der Literatur keine einheitliche Verwendung der beiden Begriffe zu finden ist. Ein Teil des Schrifttums will zwischen dem Beobachten (formelle Aufsicht) und dem Einwirken (materielle Aufsicht) terminologisch differenzieren57, während der andere Teil die rechtlichen Grundlagen für das Beobachten und Einwirken als formelles Aufsichtsrecht zusammenfasst und dem materiellen Aufsichtsrecht die Normen zurechnet, deren Einhaltung durch das formelle Aufsichtsrecht gewährleistet werden soll58. Weiterhin wird der Begriff der materiellen (Banken-)Aufsicht auch auf die Beteiligung der Bundesbank im Aufsichtsprozess, d.h. die laufende Überwachung unter Mitwirkung der Institute, beschränkt (vgl. § 7 KWG)59. Zuletzt findet man im Zusammenhang mit dem System der Wirtschaftsaufsicht das Prinzip der „materiellen Staatsaufsicht“, mit welchem die Grundkonzeption des Versicherungsaufsichtsrechts in Abgrenzung zu einer Publizitätsaufsicht oder dem System der Normativbedingungen umschrieben wird60. Insbesondere die synonyme Verwendung der Begriffe Wirtschaftsaufsicht und Wirtschaftsaufsichtsrecht lässt eine terminologische Stringenz und Trennschärfe vermissen. Der Verzicht auf eine Trennung wird bei einem Blick in die wissenschaftliche Literatur deutlich, deren Beiträge sich inhaltlich umfassend mit der Wirtschaftsaufsicht als solcher, nämlich sowohl mit seinen rechtlichen Grundlagen als auch mit den zugrunde liegenden Maßstabsnormen auseinandersetzen61. Ursächlich hierfür erweist sich wohl die eingangs beschriebene enge Verknüpfung zwischen Befugnis- und Maßstabsnormen, die sich zudem innerhalb derselben Gesetze normiert finden62. Im 57

Niethammer, Ziele der Bankenaufsicht, S. 23; Honold, Bankenaufsicht, S. 17. Für die Bankenaufsicht, siehe Humm, Bankenaufsicht und Währungssicherung, S. 38 und passim. 59 So wohl Szagunn/Wohlschieß, KWG, 5. Auflage, § 6, Rn. 29; Binder, Bankeninsolvenzen, S. 75. Eine Neuverteilung der Kompetenzen zwischen BaFin und Bundesbank für sog. „Probleminstitute“ und „systemrelevante“ Institute durch Reformierung des § 7 KWG war vor Gegenstand eines Entwurfs aus dem Bundesministerium für Finanzen, vgl. Börsenzeitung vom 28. April 2007, S. 1. Zum derzeit geltenden System der Zusammenarbeit sihe oben § 3 I. 3. 60 Einzelheiten zur Konzeption des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts siehe unten § 6; zur Unterscheidung Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 31 ff. und passim. 61 Vielfach tragen diese Arbeiten sogar die Begriffe „Bankenaufsicht“ bzw. „Versicherungsaufsicht“ im Titel. vgl. nur Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, Waschbusch, Bankenaufsicht sowie die Festschriften zum 50- bzw. 100-jährigen Jubiläum der Versicherungsaufsicht. 62 Anders etwa das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht, das in materieller Hinsicht allein die Befugnisse der zuständigen Behörden regelt, um Gefahren für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Die Maßstäbe für diese Schutzgüter bestimmen sich nicht aus den zugrunde liegenden Polizeigesetzen, sondern vielmehr aus der Gesamtheit der Rechtsordnung, vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 53, 58; Di Fabio, Jura 1996, 566, 568. 58

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Rahmen der Banken- und der Versicherungsaufsicht tritt die enge Verschränkung dieser beiden Elemente unter Verweis auf die Aufgaben- bzw. Befugnisklauseln (vgl. §§ 6 KWG, 81 VAG) besonders hervor, da ein behördliches Einschreiten ausdrücklich der Einhaltung der zugrunde liegenden Gesetze dienen soll. Demnach werden unter Wirtschaftsaufsicht, resp. der Banken- oder Versicherungsaufsicht, nicht nur abstrakt die (formellen) Befugnisse des Bundesamtes, sondern auch die Maßstabsnormen mit Relevanz für Struktur und Verhalten der Unternehmen gefasst. Unter Berücksichtigung der gebräuchlichen Interpretation ist Wirtschaftsaufsicht im Allgemeinen bzw. die konkrete Ausgestaltung in Form der Banken- und Versicherungsaufsicht im Besonderen daher als Oberbegriff zu verstehen. Unter diesen fasst man zum einen die (Wirtschafts)Aufsicht im engeren Sinne, d.h. die behördlichen Befugnisse und Maßnahmen, und zum anderen das Aufsichtsrecht als Gesamtheit der Maßstabsnormen63. Sofern eine Differenzierung notwendig erscheint, wird das formelle Aufsichtsrecht in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an die Verwendung der Begriffe im Schrifttum als solches verstanden, das die rechtlichen Bedingungen für alle behördlichen Maßnahmen bildet, seien diese beobachtend oder korrigierend. Das materielle Aufsichtsrecht formuliert hingegen den Maßstab, dessen Einhaltung mit dem Instrumentarium des formellen Aufsichtsrechts zu gewährleisten ist64. Im Übrigen werden die Begriffe Wirtschaftsaufsicht und Wirtschaftsaufsichtsrecht als Synonym gehandhabt. Die Charakterisierung als „materielle Staatsaufsicht“, also die Frage danach, ob es sich bei der Überwachung im engeren Sinne um eine formelle oder materielle handelt, kann erst im Zusammenhang mit der Funktionsweise der einzelnen Zweige behördlicher Überwachung unter Heranziehung der jeweiligen Mittel beantwortet werden65. Da die Verwaltungsmaßnahmen der BaFin Eingriffe in die Grundrechte der beaufsichtigten Institute darstellen66, müssen sie sich am Rechtsstaatsprinzip bzw. dem Prinzip der „Gesetzmäßigkeit der Verwaltung“ als Ausfluss hiervon messen lassen67. Hiernach bilden die geltenden, einfachgesetz63 Diese Grenzziehung weist freilich eine gewisse Ungenauigkeit auf, da die Aufsicht im engeren Sinne auf rechtlichen Grundlagen beruht und somit ebenso als Aufsichtsrecht im weitern Sinne gelten muss. 64 Humm, Bankenaufsicht, S. 39. 65 Siehe unten § 7 III. 66 Vgl. zum Eingriffsbegriff Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 238 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Rn. 231; Sachs, in: Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 78 ff.; Jarass, in: HdBGR, § 38 Rn. 17 ff. 67 Art. 20 Abs. 3 GG; Maurer, Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 1 ff.; Schmidt, Wirtschaftsrecht AT, § 4 II 1, § 7 II 2, § 10 I 1.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 103 ff.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

lichen Vorgaben zugleich Grundlage und Grenze für behördliches Handeln gegenüber den Grundrechtsträgern. Daher kann und darf die Wirtschaftsaufsicht keine eigenständigen Ziele verfolgen und nicht losgelöst von den Struktur- und Ordnungsvorschriften ihrer gesetzlichen Grundlagen betrachtet werden. Gesetzes- bzw. Aufsichtszweck gelten für das administrative Handeln der BaFin als Grundlage und Grenze zugleich68.

IV. Die Abgrenzung der branchenspezifischen und institutsbezogenen Banken- und Versicherungsaufsicht von der allgemeinen Wertpapieraufsicht als Marktaufsicht Wie bereits im Ersten Teil dargestellt [s. oben § 2 III. 4. b)] unterliegen sämtliche Unternehmen, die von ihnen emittierte Finanzinstrumente zum Handel an organisierten Märkten zugelassen haben, einer Wertpapieraufsicht nach dem WpHG unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit. Wenn man also von „beaufsichtigten“ Unternehmen spricht, gilt es sorgfältig zwischen den verschiedenen Formen der hoheitlichen Überwachung zu differenzieren. Insbesondere sind dabei die einzelnen Säulen der dreigliedrigen Organisation unter dem Dach der BaFin voneinander zu trennen. Im Fokus des zweiten Teils dieser Arbeit stehen die Banken- und Versicherungsaufsicht als institutsbezogene Wirtschaftsaufsicht. Die Anwendungsbereiche des KWG bzw. VAG knüpfen an die Überwachung der einzelnen Kreditinstitute bzw. Versicherungsunternehmen an, die aufgrund der Natur der von ihnen betriebenen Geschäfte zum Adressaten der aufsichtsrechtlichen Vorschriften sowie der behördlichen Kontrolle werden69. Um das Sicherheitsniveau im Zeichen des Anlegerschutzgedankens anzuheben, erfolgt die Beaufsichtigung der Gefahrenquelle, also bei jenen Unternehmen, die eine Vermögensanlage anbieten70. Das Aufsichtsrecht statuiert dabei unmittelbare Verhaltenspflichten für die gewerbetreibenden Unternehmen und deren Rechtsträger sowie Mechanismen zu deren Einhaltung („vertikale Aufsicht“)71. Insoweit muss das Aufsichtsrecht den Ausgleich zwischen der freien gewerblichen Entfaltung eines Privatrechtssubjektes und den Notwendigkeiten der entsprechenden Wirtschaftszweige finden. Adressaten der Verwaltungsmaßnahmen nach dem VAG und KWG sind in erster Linie die beaufsichtigten Unternehmen bzw. deren rechtliche Vertreter. Gemäß den Grundsätzen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts sind sie als Störer zu qualifizieren72. Daneben hat die BaFin aus einer gesamt68 69 70 71

Geschwandtner, Staatliche Aufsicht, S. 19 f. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 19.228 ff. Mösbauer, Staatsaufsicht, S. 623 ff.; Schwark, Anlegerschutz, S. 280. Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, vor § 1 Rn. 2.

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wirtschaftlichen Perspektive Missständen entgegenzuwirken, die den gesamten Wirtschaftssektor betreffen (vgl. § 6 Abs. 2 KWG). Solche sektoralen Fehlentwicklungen ermächtigen sie jedoch nicht zu vollstreckbaren Maßnahmen gegenüber den einzelnen Instituten73. Ungleich verhält es sich mit der Wertpapieraufsicht nach dem WpHG, die ebenso dem Zuständigkeitsbereich durch die BaFin unterliegt. Bei dieser handelt es sich primär um eine Marktaufsicht74. Dem Anwendungsbereich des Wertpapierhandelsgesetzes gemäß bilden die Märkte, seine Einrichtungen, die gehandelten Produkte sowie Teilnehmer die Subjekte behördlicher Überwachung. Zum Teilnehmerkreis zählen vor allem die Emittenten von Finanzinstrumenten, aber auch institutionelle und private Anleger etwa im Bereich des Insiderrechts oder der Mitteilungspflichten gem. § 21 WpHG. Die Regelungsperspektive hat sich mit der Schaffung des WpHG von einer rechtsform- und institutionenbezogenen zu einer marktbezogenen entwickelt75. Regelmäßig erfolgt die Zugangskontrolle im Rahmen der Prospektprüfungspflicht durch eine Kontrolle der Produkte, deren Zulassung zum Handel an öffentlichen Märkten angestrebt wird. Diese allgemeine, branchenunabhängige Wirtschaftsaufsicht folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als die Banken- und Versicherungsaufsicht76. Eine Sonderrolle nimmt die Überwachung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen sowie die Zulassung von ausländischen organisierten Märkten ein, die zwar ebenso im WpHG geregelt sind (z. B. die Wohlverhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG), jedoch weitestgehend nach den vergleichbaren Grundsätzen zur Bankenaufsicht erfolgen77. Die staatliche Kontrolle der Vertriebsmittler bildet jedoch nur einen Ausschnitt der Wertpapieraufsicht und ist dabei entsprechend der Banken- und Versicherungsaufsicht als institutionelles Aufsichtsrecht ausgestaltet78. Nach der gesetzlichen Definition unterliegen Wertpapierdienstleistungsunternehmen als Kreditinstitute, Fi72 Vgl. hierzu die geltenden landesrechtlichen Vorschriften, z. B. für Baden-Württemberg und Hessen jeweils die §§ 6, 7 und 9 des Polizeigesetzes bzw. des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG). 73 Siehe unten § 6 III. 74 Schwark, Anlegerschutz, S. 280; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, Einl. Rn. 1. 75 Merkt/Rossbach, JuS 2003, 216, 221; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, Einl. Rn. 9 ff. 76 Einzelheiten siehe oben § 2 III. 4. b). 77 Vgl. zu den jüngsten Änderungen im Rahmen des Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetz (FRUG) vom 16. Juli 2007, BGBl. I, S. 1330, Spindler/Kasten, WM 2006, 1797 ff. 78 Vgl. Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 412 f.; Schneider, AG 2001, 269, 271, der jedoch allein auf die Beaufsichtigung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen abstellt.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

nanzdienstleistungsinstitute oder als Unternehmen gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG ohnehin einer Beaufsichtigung79. Da die Wertpapierdienstleistungen in der Regel von voll- oder teillizensierten Kreditinstituten angeboten werden, treten die Anforderungen an Wertpapierdienstleistungunternehmen zusätzlich neben die Verhaltensanforderungen nach dem KWG. Eine gesonderte Untersuchung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen bedarf es daher nicht.

§ 4 Die Banken- und Versicherungsaufsicht im historischen Kontext Wie bereits die unterschiedlichen Entstehungszeitpunkte vermuten lassen, haben sich das Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht zunächst unabhängig voneinander entwickelt. Während das Bankenwesen – mit Ausnahme der Depotbanken, des öffentlichen Sektors und der Sparkassen – bis zum Jahre 1931 keiner besonderen staatlichen Beaufsichtigung unterlag, entstand mit der Privatisierung der Versicherungen, also der Herauslösung von bis dahin überwiegend staatlichen Aufgaben aus der Finanz- und Domänenverwaltung, bereits im 19. Jahrhundert eine Aufsicht über privatrechtlich organisierte Versicherungsunternehmen. Vergleichbar mit den wesentlichen gesetzgeberischen Maßnahmen im Bereich der Corporate Governance in der jüngeren Vergangenheit bildeten historische Erfahrungen mit Missständen den Katalysator für Veränderungen und Reformen im Aufsichtsrecht oder gar für die Errichtung der Aufsicht als Institution. Dieses Kapitel dient der Einordnung von aufsichtsrechtlichen Regelungen in den historischen Kontext, ohne die ein Verständnis für das geltende Recht kaum möglich wäre. An vielen Stellen wird anklingen, dass die Schaffung einer Wirtschaftsaufsicht nicht etwa als Widerspruch zur liberalen Grundhaltung, sondern vielmehr als Betonung selbiger verstanden werden muss. Gegenüber einer Verstaatlichung dieser gewerblichen Sektoren, die mehrfach ernstlich in Betracht gezogen wurde, stellt die Beaufsichtigung, so sehr sie auch in die Rechte der Aufsichtssubjekte eingreift, die schonendere Lösung für die freie Marktbetätigung der Betroffenen dar80. 79

§ 2 Abs. 4 WpHG, § 1 Abs. 1a KWG. Vgl. die Begr. RegE zum KWG, BT-Drucks. 3/1114, S. 20: „Der Entwurf sieht sein Ziel darin, die Funktionsfähigkeit des Kreditapparates zu wahren und die Gläubiger der Kreditinstitute nach Möglichkeit vor Verlusten zu schützen. Er sucht diesen Gesetzeszweck in einer Weise zu verwirklichen, die der Freiheit zur geschäftlichen Betätigung den größtmöglichen Spielraum lässt und die darauf verzichtet, auf die geschäftspolitischen Entschließungen der Kreditinstitute und auf die Gestaltung des einzelnen Bankgeschäfts Einfluss zu nehmen.“ 80

§ 4 Die Banken- und Versicherungsaufsicht im historischen Kontext

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I. Die Beaufsichtigung im Versicherungswesen – Der Weg von einem etatistischen Verständnis zur „materiellen Versicherungsaufsicht“ 1. Die frühen Entwicklungen in der Assekuranz vor der Entstehung des Versicherungsaufsichtsgesetzes Ursprünglich wurde das Versicherungswesen als Gegenstand der staatlichen Finanz- und Domänenverwaltung betrachtet und sollte in erster Linie zur Mehrung der Staatseinkünfte dienen. Der Zweiklang von Assekuranz und öffentlicher Angelegenheit äußerte sich durch die Gründung von öffentlich-rechtlichen Versicherungen, allen voran der Berliner Feuersozietät 171881. Im Gegensatz zur heutigen Versicherungsaufsicht erfolgte die Überwachung dieser Einrichtungen im Wege der herkömmlichen Staatsaufsicht, also der fachlichen und rechtlichen Kontrolle über die in das Staatswesen eingegliederten Verwaltungseinheiten, so dass an eine selbstständige, daneben stehende Wirtschaftsaufsicht nicht zu denken war82. Erste Elemente der hoheitlichen Aufsicht vergleichbar mit den heutigen Rechtsgrundlagen finden sich in der preußischen Verordnung über die „Aussteuer-, Begräbnis- und andere Gesellschaften, zu welchen Geldsammlungen geschehen“ vom 13. März 1781 wieder, in welcher die Gründung einer solchen Institution erstmals unter einen Konzessionsvorbehalt gestellt wurde83. Daneben unterlag die Gründung von Handelsgesellschaften in Deutschland, unabhängig von ihrem Gesellschaftszweck und ihrer Bran81

Koch, VW 1982, 12 ff. Im Übrigen handelt es sich bei dieser Sozietät um die älteste Versicherung auf deutschem Boden, die im Jahre 2004 privatisiert wurde. Nunmehr firmiert sie nach zahlreichen Umstrukturierungen unter den Namen „Feuersozietät Berlin Brandenburg Versicherung AG“ und „Öffentliche Lebensversicherung Berlin Brandenburg AG“. 82 Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 1, 2. Vergleichbar ist die Diskussion um die Ausnahme der öffentlich-rechtlichen Versicherer aus dem Anwendungsbereich VAG 1901. Bödiker, Die Reichs-Versicherungsgesetzgebung, S. 49: „der Ausschluss . . . rechtfertigt . . . sich dadurch, dass diese Anstalten . . . einer Aufsicht außer durch die staatlichen und kommunalen Behörden kaum bedürfen . . .“. Materiell wurde die Tätigkeit der öffentlichen Versicherer trotz Annäherung an die privaten Konkurrenten weiterhin als Verwaltung und das Verhältnis von Brandversicherungsanstalten zu ihren Mitgliedern als öffentlichrechtlich bezeichnet, v. Seydel, Bayerisches Staatsrecht, V, S. 466, 469. Vgl. zur Geschichte der Versicherungen Schewe, ZVersWiss 1991, S. 155, 157; Koch, in: Festschrift Reimer Schmidt, S. 299. 83 Koch, VW 1982, 12, 16; die erste Konzessionspflicht geht wohl auf König Georg IV. von Großbritannien zurück, der in einem Dekret von 1828 den Betrieb von privaten Feuerversicherungsanstalten im Königreich Hannover von einer Erlaubnis des Ministeriums abhängig machte, Koch, Versicherungsplätze, S. 151.

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chenzugehörigkeit, nach dem aus Frankreich übernommenen Octroi-Systems einer landesherrlichen Bewilligung, die sich nicht mit einer Überprüfung der Formalitäten begnügte, sondern vielmehr eine sorgfältige Prüfung der Bedingungen und Statuten vornahm. Der Übergang vom gesellschaftsrechtlichen Octroi- zum Konzessionssystem hatte nur geringe Veränderungen zur Folge, so dass die Grundprinzipien bis zum Übergang auf das sog. Normativsystem im Jahre 1871 Geltung beanspruchten84. Insoweit fand es auch Anwendung auf Versicherungsaktiengesellschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit85. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Versicherungsaufsicht in den Teilstaaten immer mehr ausgeweitet86. Zu einem einheitlichen Aufsichtsrecht kam es trotz der neu geschaffenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes87 bis zur Auflösung des Norddeutschen Bundes und Gründung des Kaiserreichs jedoch nicht mehr. 2. Das Versicherungsaufsichtsgesetz von 1901 Durch die Verkündung des „Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen“ (VAG 1901) am 12. Mai 1901 wurde eine einheitliche Rechtsgrundlage für die Beaufsichtigung im Versicherungswesen geschaffen88. Dabei setzte sich der 1883 entstandene, aber unveröffentlichte Entwurf des späteren Präsidenten des Reichsversicherungsamtes Tonio Bödiker als Grundlage für den Regierungsentwurf durch89. In einigen Einzelstaaten 84 Meyer-Landrut, in: GroßkommAktG, 3. Auflage, Einleitung I. 1; der maßgebliche Unterschied zum Octroisystem lag darin, dass die Gesellschaften im Konzessionssystem keine öffentlich-rechtlichen Befugnisse mehr besaßen, Hoffmann-Becking, in: Münch. Hdb. AG, § 1 Rn. 4. 85 Koch, in: Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, S. 387, 391. 86 Vgl. Koch, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 24, demgegenüber bestand nach der Hamburgischen Assekuranz- und Haverei-Ordnung von 1731 explizit eine vollständige Freigabe für Versicherungstätigkeiten in Hamburg, die jedoch aus dem Umstand zu begründen ist, dass sich die Assekuranz in jener Zeit auf Seeversicherungen bezog, die somit nur von Kaufleuten in Anspruch genommen wurden. Dieser Einschätzung folgt auch Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 1, 3. 87 Ein einheitliches Versicherungsaufsichtsgesetz forderten der volkswirtschaftliche Kongress in Stuttgart (1861), der dritte deutsche Juristentag in Wien (1862), der dritte Handelstag in Frankfurt am Main (1865) und der volkswirtschaftliche Kongress in Nürnberg (1865), siehe hierzu Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 1, 10. 88 RGBl. 1901, S. 139. 89 In zwei zuvor ergangenen Rundschreiben des Reichskanzlers vom 4. August 1879 und 17. November 1881 wurden wesentliche Grundzüge des VAG 1901 und so unter anderem der öffentlich-rechtliche Charakter des Aufsichtsrechts manifes-

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hatte sich die bis dahin bestehende Versicherungsaufsicht zwar teilweise dem System der „materiellen Staatsaufsicht“ genähert, in anderen Rechtsgebieten wiederum wies die Beaufsichtigung erhebliche Unzulänglichkeiten auf und ermöglichte so unter anderem Gründungsschwindel und unlauteres Geschäftsgebaren90. Ungeachtet zahlreicher Änderungen im Verlauf der über 100-jährigen Geschichte des VAG in Deutschland beanspruchen die grundsätzlichen Wesenszüge des Aufsichts- und Konzessionssystems noch heute Geltung. Sogar die systematische Stellung einzelner Teilbereiche, wie etwa die – wenn auch eher dem Privatrecht zuzuordnenden – gesetzlichen Regeln für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) blieb unverändert (vgl. §§ 15 ff. VAG)91. Ausweislich der Gesetzesmaterialien nahmen die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten von Amerika, Österreich und der Schweiz Einfluss auf das VAG 190192. Auf die dortigen Erfahrungen mit „der richtigen Gestaltung und der Tüchtigkeit der Aufsichtsbehörde“ rekurrierte die Gesetzesbegründung ausdrücklich93 und machte die Errichtung des zentralen „Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung“ zum Kernelement der Aufsicht. Aus Erfahrungen mit der Periode des Aktienschwindels erkannte Reichskanzler Bismarck, der mit zwei Rundschreiben die Initiative für die Entwürfe Bödikers und die Schaffung eines Versicherungsaufsichtsrechts lieferte, die Gefahr94, dass ein lückenhaftes Aufsichtsrecht und eine nicht mit ausreichenden Befugnissen ausgestattete Behörde tiert. Die Gesetzgebung sollte sich zunächst auf die verwaltungsrechtliche Seite beschränken und privatrechtliche Fragen vorerst ausklammern. 90 Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 1, 7; Bödiker, Die Reichs-Versicherungsgesetzgebung, S. 4. 91 Hofmann, Privatversicherungsrecht, § 1 Rn. 3b ordnet die §§ 15 ff. VAG dem öffentlichen Recht zu, betont aber die entsprechende Anwendbarkeit des AktG und des GenG. 92 Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 1, 16. Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in den Vereinigten Staaten ist eng mit dem Namen Elizur Wright verknüpft, der maßgeblich für die Errichtung des Versicherungsdepartments im Staate Massachusetts als erste Versicherungsaufsichtsbehörde auf US-amerikanischem Boden verantwortlich war. Daran knüpfte die Aufsichtsgesetzgebung im Bundesstaat New York an, dessen beispielhaftem Charakter eine Vielzahl von anderen Bundesstaaten folgte. 93 Begründung zum VAG 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 27. 94 Beim Übergang vom aktienrechtlichen Konzessions- zum Normativsystem, eingeleitet durch die Öffnungsklausel des 249 ADHGB von 1861 und endgültig eingeführt mit dem Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 11. Juni 1870, kam es zu einer Periode von Schwindelgründungen. Diese schlechten Erfahrungen führten zu der Aktienrechtsnovelle 1884; vgl. hierzu Semler, in MünchKommAktG, Einl. Rn. 21 ff.; Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, S. 286.

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den Schein des Vertrauens erwecken könne, sofern eine solche staatliche Gewähr für die Qualität der Versicherungsunternehmen tatsächlich nicht bestünde95. Der leitende Grundgedanke und theoretischer Hintergrund, ein (einheitliches) Versicherungsaufsichtsrecht in Deutschland zu schaffen und diese Branche nicht einer Selbstkontrolle oder der allgemeinen Gewerbeaufsicht zu unterstellen, ist bis heute noch übertragbar: „Maßgebend (für die Pflicht besonderer Fürsorge auf dem Gebiete des Versicherungswesens) ist einerseits die Rücksicht auf die große wirtschaftliche, soziale und ethische Bedeutung des Versicherungswesens, andererseits auch die Gefahr schwerer Schädigung des Volkswohls, die von einem Missbrauch des Versicherungswesens droht und um so näher liegt, als auf diesem Gebiete des Wirtschaftsund Verkehrslebens selbst der sorgsame und verständige Bürger ohne Hilfe von anderer Seite zu eigener zuverlässiger Beurteilung der Anstalten, denen er sich anvertrauen muss, regelmäßig nicht imstande ist . . . Bei langfristigen Versicherungen, namentlich bei der Lebensversicherung, vertraut der Versicherungsnehmer für seine Lebenszeit oder für Jahrzehnte seine oft nur unter den empfindlichsten Entbehrungen erzielten Ersparnisse der Anstalt in der Zuversicht an, dass redlich dem Versicherungszweck entsprechend geschaltet wird. Der Staat hat ein lebhaftes Interesse daran, dieses Vertrauen zu schützen.“96

95 Rundschreiben des Reichskanzlers Bismarck vom 4. August 1879; dazu Koch, in: 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 21; Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 1, 12.: „Eine erschöpfende Prüfung würde nur durch eine Zentralstelle, welche in dem gesamten Versicherungswesen orientiert und dessen Entwicklung stetig zu verfolgen in der Lage wäre, geschehen können . . . Werde aber eine solche Prüfung nicht für erwünscht gehalten, so möchte vorzuziehen sein, auf eine amtliche Kontrolle überhaupt zu verzichten, um nicht durch den Schein einer solchen ein Vertrauen in die Versicherungsgesellschaften zu begründen, für welche eine staatliche Gewähr nicht übernommen werden könnte.“ Auch Hager, S. 51 f. plädiert für eine „Machtvollkommenheit“ der Aufsichtsbehörde, meldet aber Bedenken für einen Missbrauch in Form von Willkür an. Ebenso wie die bereits zitierte amtliche Begründung zum VAG 1901, BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 27, sieht er die personelle Ausstattung des Aufsichtsamtes als entscheidenden Qualitätsfaktor an. 96 Begründung des VAG 1901, abgedruckt in: BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 24; ebenso abgedruckt in: Koch/Holthausen, Versicherungslehre 1, Individualversicherung, S. 117 f.

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3. Die Entwicklung des Versicherungsaufsichtsrechts im 20. Jahrhundert unter Berücksichtigung der europäischen Harmonisierungsbestrebungen a) Das Versicherungsaufsichtsgesetz von der Weimarer Republik bis zur frühen Bundesrepublik Zu den wesentlichen Stationen in der Entwicklung des Versicherungsaufsichtsrechts ist zunächst die große Gesetzesnovelle vom 19. Juli 1923 zu zählen, mit der man (erfolglos) versuchte der damaligen Rezession entgegenzuwirken und später das Änderungsgesetz vom 30. März 193197, für welches der Zusammenbruch der großen „Frankfurter Allgemeinen Versicherung“ (FAVAG) im Jahre 1929 den Anlass bot. Um die Ursachen für die bei der FAVAG aufgetretenen Missstände – der Konkurs war auf jahrelanges betrügerisches Verhalten der Vorstandsmitglieder und das Eingehen hochspekulativer, versicherungsfremder Geschäfte zurückzuführen – zu bekämpfen, normierte das VAG 1931 erstmals die Pflichtrevision durch unabhängige Prüfer für alle Versicherungssparten, die treuhänderische Verwaltung des Deckungsstocks und die Verpflichtung der Aufsichtsbehörde zur Prüfung einer jeden Versicherung innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren98. Im „Dritten Reich“ wurden die Versagungsgründe für eine Konzession um den Tatbestand der Unzuverlässigkeit eines Geschäftsleiters erweitert und mit der Einführung des noch heute gültigen § 81a VAG 1937 die Aufsichtsbehörde dazu ermächtigt, den Geschäftsplan eines Versicherungsunternehmens zu ändern oder aufzuheben99. Neben dem Befund der Wirtschaftswirklichkeit bestätigte vor allem in rechtlicher Hinsicht die Ermächtigung des Reichsaufsichtsamtes, Versicherungsunternehmen von nur geringer Bedeutung nach eigenem Ermessen zusammenzulegen, die Einführung einer Bedürfnisprüfung sowie die Vereinheitlichung der Aufsicht über öffentlichrechtliche Versicherungen, dass das Versicherungswesen immer mehr zum 97 RGBl. I S. 102. Eine anschauliche Übersicht über die einzelnen Veränderungen des VAG bis 1931 findet sich bei Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 20–24. 98 Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 1, 26, der dies als eine „wesentliche Erweiterung und Vertiefung der ‚materiellen Staatsaufsicht‘ “ bewertet. Als Parallelerscheinung zum Kreditgewerbe entstand in diesen Zeiten der Weltwirtschaftskrise das Reichsaufsichtsamt über das Kreditwesen, vgl. Krüger, ZVersWiss 1987, 119, 121; siehe unten (§ 4 II. 1.). 99 Vgl. Schmidt, in: Prölss, VAG, Vorbem. Rn. 3 und Fn. 1.; ebenso entstand eine Rekursinstanz, die bindende Entscheidungen im Einspruchsverfahren gegen Verfügungen des Reichsaufsichtsamtes traf (vgl. § 93 VAG 1937).

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Gegenstand der Lenkung innerhalb des nationalsozialistischen Herrschaftsapparats wurde100. Nach Kriegsende errichteten die Besatzungsmächte unverzüglich Versicherungsaufsichtsbehörden, deren Fortbestand wegen der politischen Entwicklungen nur von kurzer Dauer war101. Nach Gründung der Bundesrepublik wurden die Aufsichtsbefugnisse auf das „Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen“ übertragen102. Das Amt stand damit in der Tradition des „Kaiserlichen Aufsichtsamtes für Privatversicherungen“ (1901) und des „Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherungen“ (1919)103. Aus der Gründungszeit der Bundesrepublik resultiert auch die Trennung der Beaufsichtigung von privaten und öffentlich-rechtlichen Versicherungen, deren Befürworter sich ebenso wie jene einer zentralen Aufsichtsbehörde nach umkämpften Diskussionen im Parlamentarischen Rat durchsetzen konnten104. b) Der EG-rechtliche Einfluss auf das Versicherungsaufsichtsrecht zur Herstellung eines Versicherungsbinnenmarktes Die weiteren Entwicklungen des materiellen Aufsichtsrechts sind maßgeblich von europäischen Harmonisierungsbestrebungen geprägt, in deren Zuge die Liquidationsrichtlinie den Abschluss der drei vorangegangenen Generationen von Versicherungsrichtlinie darstellt105. Um das Vorgehen des EG-Gesetzgebers umfassend zu verstehen, ist ein Exkurs in die Grundlagen der EG-Verträge erforderlich.

100 Krüger, ZVersWiss 1987, 119, 120, 123 f. Vor allem wurde ein solches Bedürfnis bei konfessionellen oder berufsständischen Unternehmungen von vornherein verneint. Schwark, Anlegerschutz, S. 249 geht einen Schritt weiter, indem er die Wahrung der „Belange der Versicherten“ nur noch als formelhaften Gesetzeszweck und den Verlust des individualschützenden und polizeiaufsichtlichen Charakters der Versicherungsaufsicht identifiziert. 101 Ausführlich zur Nachkriegsgeschichte der Versicherungsaufsicht: Krüger, ZVersWiss 1987, 119, 124 ff. 102 Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungsund Bausparwesen vom 31. Juli 1951, BGBl. I 480. 103 Rittner, Wirtschaftsrecht, § 28 Rn. 6. 104 Vgl. Der Parlamentarische Rat, Protokolle, S. XI-XIII, 234, 245, 258, 586, 616. 105 Vgl. Donhauser, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 123, 123; Fahr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, vor § 1 Rn. 20.

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aa) Exkurs: Grundlagen des Gemeinsamen (Versicherungs-)Marktes Ausgangspunkt der Europäischen Gemeinschaften war und ist die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes, also eines Wirtschaftsraumes ohne Zölle, Wettbewerbsbeschränkungen oder sonstige Handelshemmnisse, welche die optimale Allokation von Waren und Dienstleistung beeinträchtigen könnten106. Im Bereich der Assekuranz bedeutet dies also die Herstellung eines „Gemeinsamen Versicherungsmarktes“ für einen uneingeschränkten Wettbewerb von Versicherungsdienstleistungen. Den rechtlichen Rahmen im EG-Vertrag bilden die Vorschriften zu den sog. Grundfreiheiten, die nicht nur die Benachteiligung von ausländischen Unternehmen, sondern auch nach einer gesicherten Rechtssprechung des EuGH die Schaffung und Aufrechterhaltung von Handelshemmnissen verbieten107. Als solche gelten alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die den innergemeinschaftlichen Handel beschränken können. Zweifellos fallen hierunter die einschneidenden Vorschriften des Versicherungsaufsichtsrechts, deren Anforderungen sich mittelbar oder unmittelbar auf die angebotenen Versicherungsdienstleistungen auswirken. Zwar sieht auch das EG-Recht Möglichkeiten vor, Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten aus Gesichtspunkten des Allgemeinwohls zu rechtfertigen, z. B. unter Aspekten des Verbraucher- bzw. Versichertenschutzes108. Das vorherrschende „Aufsichtsgefälle“ in den Mit106

Streinz, Europarecht, Rn. 947 ff. Vgl. hierzu die Rechtsprechung des EuGH zunächst zur Warenverkehrsfreiheit EuGH, Rs. 8/74, Slg. 1974, 837 „Dassonville“ und EuGH, Rs. 120/78, Slg. 1979, S. 649 „Cassis de Dijon“, sogar noch zeitlich vorher zur Dienstleistungsfreiheit EuGH, Rs. 33/74, Slg. 1974, 1291, „van Binsbergen“, zur Niederlassungsfreiheit mit Einschränkungen EuGH, Rs. C-340/89, Slg. 1991, I-2357 „Vlassopoulou“ sowie eine Übersicht über die Entwicklung von den Diskriminierungsverboten zu Beschränkungsverboten (sog. unterschiedslos anwendbar Regelung) bei Streinz, Europarecht, Rn. 793 ff.; Herdegen, Europarecht, § 15 Rn. 3. Hintergrund dieser weiten Auslegung ist der Effizienzgedanke („effet utile“), wonach auch durch diskriminierungsfreie Beschränkungen den Grundfreiheiten nicht jede praktische Wirksamkeit genommen werden darf, so EuGH, Rs. C-76/90, Slg. 1981, I-4221, Rn. 12. 108 EuGH, Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755, Rn. 30 ff. Vgl. allgemein zum Vierklang der Rechtfertigungsvoraussetzungen von Beschränkungen der Grundfreiheiten EuGH, Rs. C-55/94, Slg. 1995, 4165, Rn. 37 „Gebhard“; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 43 EG, Rn. 27; Herdegen, Europarecht, § 15 Rn. 4. Nach neuerer Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit EuGH, verb. Rs. C-267 und C-268/91, Slg. 1993, I-6097, insbes. Rn. 16 f. „Keck & Mithouard“ sind nationale Bestimmungen zu „Verkaufsmodalitäten“ vom Anwendungsbereich des Art. 28 EG auszunehmen; die Übertragung dieser Grundsätze auch auf die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG ist denkbar. Zu überlegen wäre an jener Stelle, inwieweit Normen des Versicherungsaufsichtsrechts „dienstleistungs- bzw. vertriebsbezogen“ sind. Rechtlich kommt es auf diese Betrachtungen nicht an, da jedenfalls der Verbraucherschutz als Rechtfertigungsgrund anerkannt ist, vgl. Lorenz, ÖVersR 1995, 8 ff., 13 ff. Nicht 107

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gliedsstaaten erwies sich jedoch als abträglich, um einen europäischen Binnenmarkt für Versicherungsdienstleistungen realisieren zu können109. Die Aufsichtskonzepte in den Mitgliedsstaaten variierten zu Beginn der Harmonisierungsbestrebungen von einem marktliberalen reinen publicity-approach beispielsweise in Großbritannien bis hin zur sog. „materiellen Staatsaufsicht“, die maßgeblich durch das deutsche VAG geprägt wurde. Der Weg von der Öffnung der Märkte und einer schrittweisen Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus war hierdurch vorgezeichnet. bb) Die Harmonisierung des Versicherungsbinnenmarkts durch drei Richtliniengenerationen Die erste Richtliniengeneration diente der Herstellung der Niederlassungsfreiheit im Versicherungsmarkt, für die es eine unabdingbare Voraussetzung war, eine Harmonisierung von aufsichtsrechtlichen Mindeststandards im gesamten EG-Raum zu gewährleisten110. Die ersten Veränderungen für das Versicherungsaufsichtsrecht zogen daher die sog. „Erste Schadensrichtlinie“111 vom 24. Juli 1973 sowie die Erste Lebensversicherungsrichtlinie112 vom 5. März 1979 nach sich. Jene erklärten das Prinzip der Konzessionierung in allen Mitgliedsstaaten zur Vereinheitlichung der Zulassungsvoraussetzungen für die Aufnahme des Geschäftsbetriebs für verbindlich, ordneten die Beaufsichtigung grundsätzlich der Behörde im Tätigkeitsland zu113 und führten das Konzept der Solvabilitätsspanne114 zur Rezuletzt sind weite Bereiche des Versicherungsaufsichtsrechts durch die Richtlinien der EG harmonisiert, so dass nur noch wenig Raum für eine Beurteilung anhand der Grundfreiheiten verbleibt. 109 Angerer, ZfV 1974, 326, 326; vgl. aber die Bedenken von Müller, ZfV 1978, 267, 269 f., der sich vor der zweiten und dritten Richtliniengeneration ganz im Tenor der protektionistischen Aufsicht vehement für eine Beibehaltung des Niederlassungserfordernisses aussprach. Aus heutiger Sicht ist in Anbetracht des sog. singlelicence-Prinzips und des Herkunftsstaatsprinzips ein solches Verständnis undenkbar, vgl. Schmidt, Europäisierung des Versicherungsrechts, S. 81 f. 110 Roth, NJW 1993, 3028, 3029. 111 Erste Richtlinie 73/229/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherer (mit Ausnahme der Lebensversicherung), ABlEG Nr. L 228 vom 16.8.1973, S. 3. 112 Erste Richtlinie 79/267/EWG des Rates über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung), ABlEG Nr. L 63 vom 13.3.1979, S. 1, mittlerweile aufgehoben durch die Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Lebensversicherungen vom 5. November 2002, ABlEG Nr. L 345, S. 1. 113 Art. 6 und 7 der Ersten Schadensrichtlinie bzw. der Ersten Lebensversicherungsrichtlinie mit Ausnahme der Solvabilitätsaufsicht, vgl. Art. 14 bzw. Art. 16.

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gelung der finanziellen Mindestausstattung ein. Für den deutschen Gesetzgeber bedeuteten diese Änderungen freilich nur einen geringen Änderungsbedarf, da die wesentlichen Grundsätze bereits im VAG enthalten waren. Letztlich gilt die erste Generation nicht mehr als eine EG-rechtliche Perpetuierung der bereits geltenden aufsichtsrechtlichen Prinzipien115. Maßgeblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Versicherungsaufsichtsrechts hatten drei Urteile des EuGH aus dem Jahr 1986, die im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Umsetzung der Ersten Schadensrichtlinie ergingen116. Die Kommission rügte eine nicht ordnungsgemäße Implementierung der Richtlinienvorgaben in nationales Recht. Insbesondere konnte nach diesen Urteilen das nach dem VAG geltende Erfordernis einer (Zweig)Niederlassung in Deutschland nicht mehr aufrechterhalten werden, da eine solche Verpflichtung die „Negation der Dienstleistungsfreiheit“ im Versicherungswesen zur Folge hatte117. Jedoch erklärte der Gerichtshof, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Allgemeininteresse, wozu auch der Schutz der Versicherten zählt, grundsätzlich gerechtfertigt sind118. Aus diesem Grund blieb das Tätigwerden des EG-Gesetzgebers abzuwarten. Die zweite Richtliniengeneration diente der schrittweisen Herstellung der Dienstleistungsfreiheit und ist als Antwort auf die Urteile des EuGH zu verstehen. Die sog. Zweite Schadensrichtlinie119 vom 22. Juni 1988 und die 114 Art. 15 der Ersten Schadensrichtlinie bzw. Art. 18 der Ersten Lebensversicherungsrichtlinie; ausführlich zur Berechnung siehe Angerer, ZfV 1974, S. 326, 328 ff. 115 Die Umsetzung erfolgte durch das Erste Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien – Erstes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG – vom 18. Dezember 1975, BGBl. I S. 3139 bzw. das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes – 14. VAGÄndG – vom 29. März 1983, BGBl. I S. 377. Die Eigenmittelausstattung vom Geschäftsumfang des Versicherungsunternehmens abhängig zu machen brachte freilich eine Neuerung für das VAG mit sich wie die Erstreckung der Aufsicht auf Transportversicherer, die bis dahin für nicht notwendig erachtet wurde. Siehe Donhauser, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht. 123, 126. Zur Beaufsichtigung der Transportversicherungsunternehmen nach dem VAG 1901 vgl. BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 19 (§ 116); 55, 238 ff. 116 Rs. 205/84 – Kommission/Deutschland; Rs. 220/83 – Kommission/Frankreich, Rs. 252/83 – Kommission/Dänemark; Rs. 206/84 – Kommission/Irland; vgl. hierzu die Urteilsinterpretationen von Schmidt, VersR 1987, 1; Hübner, JZ 1987, 330. 117 EuGH Rs. 205/84, Leitsatz 6 u. Rn. 52. 118 Vgl. Schmidt, in: Prölss, VAG, Vorbem. Rn. 46. 119 Zweite Richtlinie 88/357/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG, ABlEG Nr. L 172, S. 1.

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Zweite Lebensversicherungsrichtlinie120 vom 8. November 1990 gelten als politischer Kompromiss, da allein die Konzessionspflicht im Tätigkeitsmitgliedsstaat im Bereich von Großrisiken aufgehoben wurde und im Bereich des Massengeschäfts weiterhin fortbestand121. Diese Differenzierung führte auch zur teilweisen Aufhebung der bis dahin unter anderem in Deutschland bestehenden Vorabgenehmigungen bzw. -vorlagen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Entscheidende Weichen wurden jedoch durch die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von nationalen Regelungen gestellt122. Die Ausweitung und Vereinheitlichung von beobachtenden und berichtigenden Eingriffsbefugnissen der Aufsichtsbehörden ist auf die Initiativen der deutschen Seite zurückzuführen und dient heute als Argument, dass die Versicherungsrichtlinien dem Prinzip der „materiellen Staatsaufsicht“ folgen. Mit der dritten Richtliniengeneration123 wurde das Konzept der Herkunftsstaatkontrolle konsequent fortgesetzt und das sog. single-licence-Prinzip der gegenseitigen Anerkennung eingeführt124. Um Versicherungsdienstleistungen im EG-Raum anbieten zu können, reicht nunmehr grundsätzlich die Erlaubnis in einem der Mitgliedsstaaten aus. Damit korrespondierend übt allein der Herkunftsmitgliedsstaat die Finanzaufsicht aus, während dem Belegenheitsbzw. Tätigkeitsmitgliedsstaat nur Befugnisse im Bereich der Rechtsaufsicht verbleiben, die unter dem Gebot der Koordinierung in Abstimmung mit der Herkunftsstaatsbehörde wahrgenommen werden dürfen125. Detaillierte Regelungen diesbezüglich enthalten heute die §§ 110b ff. VAG. Unter dem Begriff „Deregulierung“ oder „Entmaterialisierung“ des Aufsichtsrechts wurde 120

Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG, AblEG Nr. L 330, S. 50. 121 Vgl. Donhauser, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, S. 123, 133. 122 Roth, NJW 1993, 3028, 3029; Schmidhuber, in: Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, S. 115, 116. 123 Dritte Richtlinie 92/49/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Direktversicherungen (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG vom 11. August 1992, ABlEG Nr. L 228, S. 1; Dritte Richtlinie 92/96/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG vom 10.11.1992, AblEG Nr. L 360, S. 1. 124 Kampf, in: Grabitz/Hilf, Recht der EU, E 26 Rn. 15; Roth, NJW 1993, 3028, 3030. 125 Roth, NJW 1993, 3028, 3031. Vgl. zur Abgrenzung von Rechtsaufsicht zur Finanzaufsicht Büchner, Die Abgrenzung der Finanzaufsicht von der sonstigen Rechtsaufsicht im deutschen Versicherungsaufsichtsrecht.

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die Vorabkontrolle oder -vorlage der AVB gänzlich abgeschafft (vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 1 und 2 VAG)126. Offensichtlich nimmt die Kommission strengere Aufsichtsstandards, die nach dem Prinzip der Mindestharmonisierung grundsätzlich in EG-rechtskonformer Weise bestehen, in jüngerer Zeit immer mehr als Wettbewerbshemmnisse wahr127. Eine weitere Angleichung der Standards in Europa ist daher zu erwarten, obschon sie aus Gesichtspunkten der Subsidiarität nicht gänzlich unproblematisch erscheint.

II. Die Entstehung der Bankenaufsicht als Reaktion auf die Bankenkrise der 1930er Jahre Die Geschichte der Bankenaufsicht im Sinne des heutigen Verständnisses beginnt erst geraume Zeit nach der Einrichtung einer staatlichen Aufsicht über die Versicherungsunternehmen. Die katastrophalen wirtschaftlichen Folgen aus dem Zusammenbruch der Darmstädter und Nationalbank (Danat-Bank) im Jahre 1931 ließen dem Gesetzgeber keinen Entschließungsspielraum, das Bankenwesen nunmehr einer gesetzlichen und administrativen Sonderbehandlung zu unterwerfen. Bei Gründung der Bundesrepublik sind die Wesenszüge der damals geschaffenen Kodifizierung beibehalten worden. Maßgebliche Impulse in der jüngeren Entwicklung basieren auf den Harmonisierungsbestrebungen des EG-Gesetzgebers. 1. Die staatlichen Einwirkungen auf das Bankenwesen bis 1931 a) Die frühe Regulierung des Münz- und Sparkassenwesens Auch wenn das Phänomen der Bankenaufsicht im Wesentlichen ein solches des 20. Jahrhunderts ist128, unterlag vor allem das Geld- und Münzwesen bereits in den Jahrhunderten zuvor einer staatlichen Einwirkung129. Mit 126

Vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, Vorbem. I Rn. 17 f.; Kaulbach, in: Fahr/ Kaulbach/Bähr, VAG, § 5 Rn. 29. Es verbleibt aber weiterhin bei der Zulässigkeit von anlassbezogenen, nachträglichen Inhaltskontrollen von AVB, Tarifen und Klauseln unter Gesichtspunkten des Allgemein- bzw. Versicherteninteresses im Rahmen der allgemeinen Missstandsaufsicht gem. § 81 VAG, vgl. hierzu BVerwGE vom 25. Juni 1998, Az. 1 A 6.96. 127 Vgl. KOM (2007) 361 endg., S. 11; Folgenabschätzungsbericht der Kommission, Zusammenfassung Nr. 1.2, 2. Spiegelstrich SEK (2007) 870. Zum „überschießenden“ nationalen Aufsichtsrecht bei der Beaufsichtigung von Versicherungs-Holdinggesellschaften siehe Wolf, VersR 2006, 465; Weber-Rey/Baltzer, WM 2006, 205, 208 ff. 128 Binder, Bankeninsolvenzen, S. 51. 129 Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 28.

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der Gründung von öffentlichen Leihanstalten und den ersten Sparkassen im 18. Jahrhundert, die zum Zwecke von sicheren Geldanlage- und -aufnahmemöglichkeiten für Gewerbetreibende bzw. private Sparer entstanden, entwickelte sich eine verwaltungsinterne Staatsaufsicht über diese Anstalten und Institute130. Mit der Etablierung des Papiergeldwesens wurden die Privilegien der Notenausgabe auch auf private Zettelbanken übertragen, die bis zum Erlass des Reichsbankgesetzes einer staatlichen Aufsicht unterlagen131. Seit dem preußischen Sparkassenreglement besteht eine besondere hoheitliche Überwachung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen132. Mit Ausnahme der Staatsaufsicht über die Reichsbank, das Sparkassenwesen und die öffentlichen (Hypotheken-)Banken, die nicht mit den Wesenszügen der heutigen Wirtschaftsaufsicht über Privatrechtssubjekte vergleichbar sind133, nahmen Banken und Kreditinstitute weder gesetzlich noch in der administrativen Kontrolle eine Sonderrolle ein. b) Der Weg zu bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen als Vorstufen des Gesetzes über das Kreditwesen Die Aufnahme und Ausübung des Kreditgeschäfts bis in die 1930er Jahre war von einem liberalen Grundgedanken geprägt und stand daher ganz im Zeichen der Gewerbe- bzw. „Bankenfreiheit“134. Selbst die zahlreichen aber ohne weitreichenden Konsequenzen gebliebenen Bankenzusammenbrüche Anfang des 20. Jahrhunderts führten zu keinen gesetzgeberischen Maßnahmen. Der Reichstag nahm diese Erfahrungen jedoch 130 Vgl. die Leihhausordnung für die Stadt Göttingen vom 2. September 1731 sowie die Verordnung wegen Einrichtung einer Ersparungskasse im Herzogtum Oldenburg vom 1. August 1786. Das (Spar-)Kassenwesen entwickelte sich aus einer sozialpolitischen Motivation, die es insbesondere Kleinsparern ermöglichen sollte, ihre Geldanlagen sicher und zinsbringend anzulegen. Die Entstehungsgeschichte der Sparkassen verdeutlicht die Wahrnehmung von staatlichen Fürsorgepflichten, die in ihrem Umfang während des aufkeimenden Liberalismus zwar zurückgedrängt aber – trotz aller Skepsis gegenüber der wirtschaftlichen Betätigung des Staates – nie gänzlich auf private Institutionen übertragen wurden; übersichtlich dazu Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 68 ff. 131 In Preußen übte zunächst die Preußische Bank, durch Edikt vom 17. Juni 1765 (Edict und Reglement der Königlichen Giro- und Lehn-Banco zu Berlin, Novus Corpus Constitutionem Prussico-Brandenburgensium Praecipue Marchiarum (NCC), Band III, S. 915 ff., Nr. 63., gegründet, als Staatsinstitut mit privater Beteiligung ein Monopol zur Notenausgabe aus. 132 Reglement die Errichtung des Sparkassenwesens betreffend vom 12. Dezember 1838, GBl. 1839, S. 5. 133 Siehe oben § 3 I. 2. 134 So etwa bei den Beratungen zum Bankgesetz vom 14. März 1875; siehe dazu Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 1, S. 48.

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zum Anlass, eine Kommission einzusetzen, die Fragen nach der Sicherheit von Einlagen sowie nach der Liquidität von Bankenpassiva beantworten und Anregungen für Gesetzesinitiativen liefern sollte. Die Ergebnisse der sog. Bank-Enquête von 1908/1909 beinhalteten bereits Vorschläge z. B. für eine Sammlung von Monatsausweisen sowie Meldepflichten von Großkrediten. Im endgültigen Bericht nahm die Bank-Enquête aber keine Stellung zu der im Verlauf der Diskussionen aufgeworfenen Frage nach der Schaffung einer zentralen Aufsichtsinstanz135. Konsequenz dieser Erkenntnisse war demnach auch nicht die Errichtung einer allgemeinen Bankenaufsicht, sondern lediglich die Verschärfung der Offenlegungspflichten136. Erste Elemente von noch heute geltenden aufsichtsrechtlichen Grundsätzen für Kreditinstitute, wie etwa die Anforderungen an die Qualifikation der Geschäftsführer oder das Konzessionsprinzip, findet man nach Ende des Ersten Weltkriegs in der Verordnung zur Verhinderung der Kapitalflucht137 und deren Nachfolger, dem Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte wieder, ohne dass diese Regelungswerke eine laufende Institutsaufsicht beinhaltet hätten138. 2. Die Entstehung der Bankenaufsicht nach dem Zusammenbruch der Danat-Bank Einen wesentlichen Einschnitt brachte der bereits zitierte Zusammenbruch der Danat-Bank mit sich, der zum Kollaps des gesamten deutschen Bankenwesens beitrug. Jenes war durch die Weltwirtschaftskrise sowie die immensen Reparationsverpflichtungen aus dem Versailler Vertrag von 1918 bereits angeschlagen und konnte letztlich nur durch staatliche Eingriffe auf135 Binder, Bankeninsolvenzen, S. 55 Fn. 69; Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 1, S. 48; Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einf. Rn. 2. 136 Bähre/Schneider, KWG, Einleitung Rn. 1. 137 Verordnung über Maßnahmen gegen die Kapitalflucht vom 24. Oktober 1919, RGBl. I S. 1820 und vom 14. Januar 1920, RBBl. I S. 50. Beide Verordnungen stützten sich auf das Gesetz gegen die Kapitalflucht vom 8. September 1919, RBGl. I S. 1540, das unter anderem einen Depotzwang vorsah. 138 Beide Regelungswerke waren von Beginn an als zeitlich befristete Regelungen konzipiert und enthielten Spezialregelungen für die Errichtung eines Bankinstituts von Personengesellschaften bzw. Einzelkaufleuten und das Betreiben von Depot- und Depositengeschäften, vgl. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einf. Rn. 2; Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 1, S. 48 f. Eine reichseinheitliche Regelung für Hypothekenbanken wurde bereits durch das Hypothekenbankgesetz vom 13. Juli 1899 (RGBl. S. 375) statuiert. Aufgrund des begrenzten persönlichen Anwendungsbereichs enthielten diese Vorschriften jedoch auch keine auf privatrechtlich organisierte Universalbanken übertragbaren Grundsätze. Vergleichbares gilt für die Devisenordnung von 1916, deren Konzessionspflicht nur für Devisenbanken galt.

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rechterhalten werden139. Insbesondere die negativen Erfahrungen mit den Versäumnissen der Geschäftsleitung in Bereichen der Eigenkapitalausstattung, der Verletzung von Liquiditätsgrundsätzen, der Nichtbeachtung von sog. Klumpenrisiken und einer fehlerhaften Einschätzung von allgemeinen wirtschaftlichen Risiken, die neben den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen – soweit unbestritten – als (mit)ursächlich für den Konkurs der Danat-Bank angesehen werden, haben die Entwicklung einer allgemeinen Bankenaufsicht vorangetrieben140. Auch der massive Abzug von kurzfristigen Einlagen, der sich nicht nur auf das betroffene Kreditinstitut beschränkte, sondern als sektorweite Erscheinung auftrat, wurde als ein mit staatlichen Mitteln zu bewältigendes Problem wahrgenommen. Der Zusammenbruch der Danat-Bank, immerhin eine der bis dahin größten Banken im Deutschen Reich, zog nicht nur den Konkurs einer Vielzahl von kleineren Kreditinstituten nach sich, sondern hatte ebenso eine umfassende Zahlungsunfähigkeit im gesamten Kreditsektor zur Folge141. Die Reichsregierung versuchte zunächst, dem Bankenrun mit einer zweitätigen Schließung der Schalter mit der Anordnung „allgemeiner Bankfeiertage“ zu begegnen142 und übernahm in der Folge Staatsgarantien für Forderungen gegenüber den Kreditinstituten, um die Liquidität wiederherzustellen und das Vertrauen der Bevölkerung in den Sektor zurückzugewinnen. Flankierend wurden in erheblichem Umfang Staatsbeteiligungen zur Stützung von Banken übernommen. Augenfällig dabei sind die 139 Die vielfältigen Gründe und Ursachen für die deutsche Bankenkrise stellt Pontzen, ZGK 1999, S. 77 f. überblicksartig dar. Umstritten ist freilich die Gewichtung von Ursachen für die Bankenkrise und den Zusammenbruch der Danat-Bank. Während die einen vor allem das wirtschaftliche Umfeld aufgrund des verlorenen Krieges und der immensen Reparationslast verantwortlich zeichneten, betonten andere das individuelle Fehlverhalten der Geschäftsführer und die mangelhafte Kreditpolitik der Geschäftsbanken. 140 Binder, Bankeninsolvenzen, S. 53. Selbst die Stimmen, die einen Schwerpunkt in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sehen, wie etwa Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 204 ff., erkennen die zumindest Mitursächlichkeit des Fehlverhaltens der Leitungsorgane an (vgl. ebda., S. 210, 211 f.). Von Konkurs zu sprechen ist in der Sache letztlich ungenau. Das Konkursverfahren wurde nie eingeleitet, sondern vielmehr durch die zwangsweise erfolgte Fusion mit der Dresdner Bank abgewendet; vgl. zu den Liquiditätsreserven der Danat-Bank Born, Bankenkrise, S. 96 und zu den Einzelheiten der Fusion, ebda., S. 102 ff. 141 Vgl. die Statistiken und Zahlen bei Born, Bankenkrise, S. 64 und 174. Born bewertet den Marktaustritt von zahlreichen Banken im Zusammenhang mit der Bankenkrise als gesunde Korrektur eines Überangebotes, verdeutlicht aber mit Zahlen über den Verlust an Eigenkapital von 1,74 Milliarden Reichsmark auf 1,17 Milliarden Reichsmark im Vergleich der Jahre 1930 und 1932 die kritischen Ausmaße der Zusammenbrüche (S. 174 ff.). Siehe auch Pontzen, ZGK 1999, 77 ff. 142 Born, Bankenkrise, S. 109 f.

§ 4 Die Banken- und Versicherungsaufsicht im historischen Kontext

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Parallelen zur aktuellen Finanzkrise, auf die der Gesetzgeber mit ganz ähnlichen Maßnahmen reagiert hat143. Im Zuge der Notverordnung des Reichspräsidenten vom 19. September 1931144 wurden mit dem Kuratorium für das Bankengewerbe und dem Reichskommissar für das Bankengewerbe zwei Institutionen errichtet, die mit Hilfe staatlicher Befugnisse eine Beaufsichtigung des Kreditsektors sicherstellen sollten145. Man beauftragte die dritte Bank-Enquête von 1933, die Ursachen und Gründe der vorangegangenen Bankenkrise zu analysieren und regulatorische Maßnahmen zur Vermeidung zukünftiger Missstände dieses Ausmaßes vorzuschlagen146. Kern der Ergebnisse, die in sieben wesentlichen Thesen zusammengefasst wurden, war die allgemeine staatliche Beaufsichtigung der Banken147. Diesen Forderungen kam der Gesetzgeber mit dem Erlass des Kreditwesengesetzes von 1934 (KWG 1934)148 nach und goss die Anregungen der Bank-Enquête – teilweise unter Einfluss der Notverordnungen von 1931149 – in Gesetzesform. In dessen Zuge wurde das Aufsichtsamt für das Kreditwesen errichtet (vgl. §§ 30, 32 KWG 1934)150, eine allgemeine Konzessionspflicht eingeführt (vgl. § 3 KWG 1934), die das Ende der Gewerbefreiheit in der Kreditwirtschaft bedeutete und das Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt konstituierte151. Aufgrund der einschneidenden Erfahrungen mit der Bankenkrise verstummten die kritischen Stimmen gegenüber staatlichen Eingriffen in den Bankensektor recht schnell152. 143 Die Vorwürfe, durch die staatliche Beteiligung würden „Verluste sozialisiert“, während zuvor erzielte Gewinne „privatisiert“ worden sein, klingen ganz ähnlich, vgl. Financial Times Deutschland vom 15. Oktober 2008, S. 3. 144 RGBl. I, S. 493, 501. Einzelheiten zum Inhalt der Notverordnung siehe Ruland, Entwicklung des Bankenaufsichtsrechts, S. 156 ff. 145 Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 1, S. 50. 146 Vgl. hierzu Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 1, S. 49 f. Die zweite BankEnquête von 1928/1929 lieferte keine Hinweise, die mit Ablauf der Geltung des Depot- und Depositengesetzes zum 1. Januar 1930 wieder herrschende Gewerbebzw. Bankenfreiheit zu beschränken. 147 Mit Ausnahme der bereits einer besonderen Beaufsichtigung unterliegenden Hypothekenbanken, Sparkassen, der Reichsbank, der Reichspost und der Golddiskontbank. 148 Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934, RGBl. I, S. 1203. 149 Born, Bankenkrise, S. 155 ff.; Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 201 ff., 215. 150 Das bei der Reichsbank errichtete Aufsichtsamt trat an die Stelle des seit 1931 tätigen Kuratoriums für das Bankengewerbe, verlor seine Bedeutung aber mit dem Verlust der Unabhängigkeit der Reichsbank und wurde aufgelöst. Dessen Aufgaben gingen auf das Reichswirtschaftsministerium, diejenigen des Reichskommissars auf das Reichsabankdirektorium über; vgl. Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 2, S. 51. 151 Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 1 S. 50; Ruland, Entwicklung des Bankenaufsichtsrechts, S. 174, 182.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

Die gesamtwirtschaftliche Dimension der Bankenkrise von 1931 und die regulatorischen Maßnahmen als Antwort hierauf bieten weitere Anhaltspunkte für den Vorrang des Funktionsschutzes des Bankenaufsichtsrechts gegenüber der Zweckrichtung des Versicherungsaufsichtsrechts, das aus dem Blickwinkel seiner Historie zunächst überwiegend verbraucherschutzorientiert ausgerichtet war. 3. Die Bankenaufsicht im Nachkriegsdeutschland im Überblick a) Die Entwicklungen der gesetzlichen Grundlagen bis zur 2. KWG-Novelle Unmittelbar nach Kriegsende galt das KWG in seiner Neufassung von 1939153 prinzipiell fort, erhielt jedoch unterschiedliche Ausprägungen in den einzelnen Besatzungszonen154. Als übergeleitetes Bundesrecht blieb das KWG 1939 auch nach Gründung der Bundesrepublik in Kraft, bis sich der Gesetzgeber entschied, das Aufsichtsrecht zu reformieren und die Banken erneut unter die Beaufsichtigung einer zentralen Bundesbehörde zu stellen. Mit dem Kreditwesengesetz von 1961, das in seiner systematischen Ausprägung noch immer die Grundlage für das heute geltende Aufsichtsrecht im Bankensektor gilt, wurde dem gewerberechtlichen Grundsatz entsprechend versucht, unternehmerische Initiative und Risikobereitschaft zu respektieren und mit dem Funktions- und Gläubigerschutz in Einklang zu bringen155. Dabei erfolgten Änderungen aus Zweckmäßigkeitserwägungen und organisatorische Anpassungen156. Mit der Errichtung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (BAKred) wurde den Forderungen nachgegeben157. Ein we152

Später wurder der Vorwurf laut, dass das KWG ein Produkt nationalsozialistischer Herkunft mit ideologischer Prägung sei, vgl. Linhardt, WuW 1957, 3, 20. Richtig ist aber, dass dieses Gesetz trotz einigen solcher Färbungen vornehmlich auf technischen Regelungen als Antwort auf die Erfahrungen der Bankenkrise von 1931 fokussierte, s. Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 217 f.; Müller, Bankenaufsicht, S. 443 ff. 153 RGBl. I, S. 1955. 154 Vgl. Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 2, S. 51. 155 Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 2, S. 50. 156 Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 3/1114., S. 20; dazu Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 221; zu den Einzelheiten des Gesetzgebungsverfahren der 2. und 3. Legislaturperiode bis zum Erlass des KWG 1961 sowie den kompetenzrechtlichen Streitigkeiten um die Errichtung einer zentralen Bundesaufsichtsbehörde, siehe Bähre/Schneider, KWG, Einleitung 3, S. 53 ff. 157 Die formelle Verfassungsmäßigkeit des KWG war Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens vor dem BVerfG, das die Bundesländer unter Berufung auf eine

§ 4 Die Banken- und Versicherungsaufsicht im historischen Kontext

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sentlicher Einschnitt für das Regelungsgefüge des KWG ging auf drei richtungsweisende Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 1958 zurück158. Die im Wege der Konzessionierung erfolgende Bedürfnisprüfung, die ihren Vorgänger in dem Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte159 gefunden und auch nach der Gründung der Bundesrepublik weiterhin Bestand hatte, wurde für verfassungswidrig erklärt160. Im Kontext der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum sog. Apothekenurteil161 stellt die Voraussetzung einer volkswirtschaftlichen Notwendigkeit eine objektive Berufszulassungsschranke, also ein Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG intensivster Natur im Sinne der sog. „Drei-Stufen-Theorie“ des Bundesverfassungsgerichtes dar, die nur aus überragenden Gründen des Allgemeinwohls zu rechtfertigen ist162. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zur Gewerbefreiheit wurde die Bedürfnisprüfung nicht in das KWG 1961 übernommen. Aus Befürchtung, dass ein Wettbewerb der Institute existenzgefährdend sein könnte, behielt der Gesetzgeber die Verordnungsermächtigung für eine Zinsreglementierung in § 23 Abs. 1 KWG a.F trotz seiner liberalen Grundhaltung bei. Im Zuge der Zinsliberalisierung wurde die letzte Zinsverordnung zum 1. April 1967 aufgehoben163. Wesentliche Änderungen für die Bankenaufsicht brachte die 2. KWG-Novelle mit sich, welche als aufsichtsrechtliche Antwort auf die Erfahrungen mit dem Zusammenbruch des Bankenhauses Herstatt im Juli 1974 gelten muss. Ursächlich für die Schließung des Kreditinstitutes zeichneten sich unverhältnismäßige Devisenspekulationen, ohne jedoch für ein entsprechendes Risikomanagement zu sorgen. Als die Verluste bekannt wurden, kam es zu kompetenzwidrige Errichtung des Bundesaufsichtsamtes anstrengten, vgl. BVerfGE 14, 197 („Kreditwesen“). Ein Aussagegehalt in materieller Hinsicht lässt sich dem Urteil, das die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestätigte, nicht entnehmen. Vgl. Schork, ZGK 1962, 780. 158 BVerwGE 8, 14 = NJW 1959, 592; BVerwG NJW 1959, 590; BVerwG BB 1959, 12. 159 Einzelheiten siehe aaO. Fn. 137. 160 BVerwG 8, 14 = NJW 1959, 590; Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung. Rn. 11. Ebenso wurde die Bedürfnisprüfung für Zweigstellen von ausländischen Unternehmen gem. § 53 KWG a. F. durch das 3. Änderungsgesetz zum KWG vom 20. Dezember 1984, BGBl. I, S. 1693 gestrichen. Vgl. Begr. RegE zum 3. Änderungsgesetz, BT-Drucks. 10/1441, S. 53. 161 BVerfGE 7, 377. 162 BVerwGE 8, 14, 17; BVerfGE 7, 377, 404. 163 Verordnung über die Aufhebung der Zinsverordnung und von Bestimmungen über die Kosten für Teilzahlungsfinanzierungskredite und Kleinkredite vom 21. März 1967, BGBl. I S. 352. Die Verordnungsermächtigung in § 23 Abs. 1 KWG a. F. wurde erst später durch das 3. Änderungsgesetz zum KWG (siehe Fn. 154) ersatzlos gestrichen.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

einer Vertrauenskrise in den Bankensektor mit – allerdings in geringerem Umfang im Vergleich zur Bankenkrise von 1931 – gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen. Unter anderem führte dies zur Ausweitung der Eigenkapitalgrundsätze auf Devisen- und Edelmetallgeschäfte, zur Regelung des VierAugen-Prinzips, Verschärfung der Großkreditvorschriften und Offenlegungspflichten sowie zur Kompetenzerweiterung des BAKred etwa für außerplanmäßige Sonderprüfungen164. Ein Hinwirken des Finanzministeriums auf die Verbesserung eines freiwilligen Einlagensicherungssystems, dem die Banken zur Vermeidung einer gesetzlichen Verpflichtung nachkamen, flankierte die Änderung des Aufsichtsrechts165. Im Zusammenhang mit der HerstattKrise hatte der Bundesgerichtshof auch die Gelegenheit, über eine Staatshaftung für Versäumnisse der Aufsichtsbehörde zu befinden. In zwei wegweisenden Entscheidungen166 rückte er von der Auffassung ab, dass die Wirtschaftaufsicht allein öffentlichen Interessen diene167 und leitete den haftungsrechtlich erforderlichen Drittschutz168 für Einlagekunden aus der gewerbepolizeilichen Aufgabe der Bankenaufsicht her. Als Antwort hierauf normierte der Bundesgesetzgeber den Vorläufer des heutigen § 4 Abs. 4 FinDAG und schloss den Drittbezug der Aufsichtstätigkeit aus, um Haftungsansprüche künftig zu vermeiden169. 164 Überblick bei Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn. 17. 165 Vgl. Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 25 Rn. 5; Dziallas-Laur, Einlagensicherung, S. 55 f.; Kronester, Einlagensicherung, S. 86 ff.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 25 Rn. 10 ff. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Schaffung eines Einlagesicherungssystems aufgrund EG-rechtlicher Vorgaben (RL 94/19/EWG vom 30. Mai 1994, ABl. Nr. L 135, S. 5) konnte die Bundesrepublik auch nicht im Wege eines Verfahrens vor dem EuGH mit Hinweis auf das bereits bestehende hohe Schutzniveau abwenden (EuGH Slg. 1997, 2405 ff.; hierzu Dreher, ZIP 1998, 1777). Seit Erlass des Einlagensicherungs- und Anlagenentschädigungsgesetzes (EAEG) vom 16. Juli 1998, BGBl. I, S. 1842 findet man in Deutschland eine staatlich beaufsichtigte Mindestsicherung und eine Fortführung der freiwilligen Sicherung als Anschlussdeckung, vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.585; Weber, Die Bank 1998, 470, 475. 166 BGHZ 74, 144, 147 = NJW 1979, 1354 („Wetterstein“); BGHZ 75, 120 = NJW 1979, 1879 („Herstatt“). 167 So die Judikatur und Literaturansicht zur Versicherungs- und Bankenaufsicht bis dato, siehe BGHZ 58, 96, 98 = NJW 1972, 577, 578; BGH VersR 1971, 1038; OLG Bremen NJW 1953, 585; OLG Hamburg BB 1957, 950; Papier, JuS 1980, 265, 266 m. w. N.; Scholz NJW 1972, 1217; Körner, ZHR 131 (1968), 127, 143 ff. 168 Vgl. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG. Statt aller: Sprau, in: Palandt, BGB, § 839 Rn. 43 f. 169 Vormals § 6 Abs. 3 KWG a. F. eingeführt durch das 3. Änderungsgesetz zum KWG (siehe Fn. 154), später § 6 Abs. 4 KWG a. F., geändert durch das Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22. Oktober 1997, BGBl. I, S. 2518, 2525 und auf-

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Forderungen nach strukturellen Veränderungen der Bankenaufsicht ist der deutsche Gesetzgeber auch nach den Empfehlungen der Studienkommission „Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft“ (sog. Bankenstrukturkommission)170 vorerst nicht nachgekommen. Erst in einem anderen Kontext, nämlich im Zuge der EG-rechtlichen Entwicklungen, sind die Anregungen umgesetzt und später zum Bestandteil des geltenden Rechts geworden. Besondere Beachtung muss man der Diskussion um eine Erweiterung des Staatseinflusses im Bankensektor in jener Zeit schenken, dessen Ausprägungen die Kommission sowohl in Form einer Verstaatlichung als auch einer Aufgabenerweiterung für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute letztlich eine klare Absage erteilte171. Erneut veranschaulicht dies, dass die Bankenaufsicht ggf. mit einer Ausweitung ihrer Kompetenz als liberalökonomisches Aliud gegenüber einer verfassungs- und wettbewerbsrechtlich bedenklichen Verstaatlichung zu verstehen ist. b) Die weitere Entwicklung des Bankenaufsichtsrechts unter europäischem Einfluss und maßgeblicher Impulse durch den „Basler Ausschuss“ Die weiteren Entwicklungen des Bankenaufsichtsrechts mit Beginn der 3. KWG-Novelle sind wesentlich durch die Harmonisierungsbestrebungen in der EG beeinflusst. Parallel zum Voranschreiten im Bereich der Versicherungsaufsicht wurden die bankenaufsichtsrechtlichen Verwaltungsvorschriften stufenweise koordiniert, zunächst um die Niederlassungsfreiheit und später um die Dienstleistungsfreiheit zu ermöglichen. Die aufsichtsrechtlichen Implikationen des EG-Gesetzgebers ohne den Einfluss des „Basler Ausschusses für Bankenaufsicht“ zu erwähnen, wäre unvollständig172. Zwar entfalten die Verlautbarungen dieses Gremiums keine unmittelbare Wirkung und erst recht keine Gesetzeskraft, jedoch werden sie im Rahmen der bankenaufsichtsrechtlichen Gesetzgebung des Rates gehoben und übergeführt in § 4 Abs. 4 FinDAG durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002, BGBl. I, S. 2010. Kritik zur Verfassungsmäßigkeit dieser Norm von namhafter Seite aufgrund eines Verstoßes gegen das Gewaltenteilungsprinzip, Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 255, bzw. gegen grundgesetzliche Schutzpflichten Schenke/Ruthig, NJW 1994, 2324. Einzelheiten zur Amtshaftung siehe unten § 6 IV. 170 Die Ergebnisse der Bankenstrukturkommission sind in der Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen abgedruckt. Siehe BMF (Hrsg.), Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft. 171 BMF (Hrsg.), Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft, S. 249, 256. 172 Zur Geschichte des Aufsichtsrechts siehe Kampf, in: Grabitz/Hilf, Recht der EU, E 26 Rn. 121.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

und des Europäischen Parlamentes berücksichtigt. So haben insbesondere die jüngsten Eigenkapitalvorschriften – bekannt geworden unter dem Stichwort „Basel-II“ – ihre Verbindlichkeit im Gemeinschaftsrecht erst durch die Bankenrichtlinie173 und die Kapitaladäquanzrichtlinie174 und im deutschen Recht erst durch das „Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie“ vom 17. November 2006175 sowie der Solvabilitätsverordnung176 erhalten. Bis zu den jüngsten Reformen um Basel-III bildeten sie den Abschluss von Harmonisierungsbestrebungen auf dem Kreditsektor, die mit der Ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie177 vom 12. Dezember 1977 begannen, und im Rahmen der 3. KWG-Novelle in deutsches Recht umgesetzt wurden. Ausgangspunkt für die Schaffung eines gemeinsamen Bankdienstleistungsmarktes war die Einführung einer Konzessionspflicht in allen Mitgliedstaaten. Im Verlauf der Entwicklung fand eine stetige Ausdifferenzierung der Eigenkapitalbestimmungen178, eine Stärkung der Aufsichtsbefugnisse und Zusammenarbeit der nationalen Behörden statt, die in der Einführung des sog. „Europäischen Passes“ im Rahmen der Herkunftsstaatskontrolle179 mündete. Meilensteine in der Entwicklung des Bankenaufsichtsrechts bildete die sog. BCCI-Richtlinie180, mit der Defizite in der Überwachung von Gruppen und Konzernen behoben wurden, die beim Zusammenbruch des Bankhauses Bank of Credit and Commerce International (BCCI) zutage getreten waren 173

Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. EG Nr. L 177, S. 1. 174 Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl. EU Nr. L, S. 201. 175 BGBl. I, S. 2606. 176 Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV) vom 14. Dezember 2006, BGBl. I, S. 2926. 177 Erste Richtlinie 77/780/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. EG Nr. L 322, S. 30. 178 So z. B. der erste Basler Eigenkapitalakkord („Basel I“), verankert in der Eigenmittelrichtlinie 89/299/EWG (Richtlinie des Rates vom 17. April 1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten, ABl. EG Nr. L 124, S. 16) und umgesetzt durch das Gesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl. I, S. 2211. 179 Zweite Bankenrechtskoordinierungsrichtlinie 89/646/EWG (Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute vom 15. Dezember 1989, ABl. EG Nr. L 386, S. 1). Einzelheiten siehe oben § 3 I. 180 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 1995, ABl. EG Nr. L 168, S. 34.

§ 4 Die Banken- und Versicherungsaufsicht im historischen Kontext

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sowie die erste Kapitaladäquanz-181 und die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie182. Bei der Umsetzung der europäischen Vorgaben in nationales Recht kam es zu einer umfassenden Neuordnung des KWG durch die 6. Änderungsnovelle183. Mit der Ausdehnung der Bankenaufsicht auf Finanzdienstleistungsinstitute, Verschärfung der Beteilungskontrolle und der Schaffung einer Anordnungskompetenz gegenüber einzelnen Instituten § 6 Abs. 3 sind die wesentlichen Eckpfeiler der Änderungen benannt, die auch die Grundlagen der Bankenaufsicht de lege lata bestimmen184.

III. Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick Insbesondere die Entwicklungen im Versicherungswesen haben veranschaulicht, dass die Wirtschaftsaufsicht aus der Herauslösung von originären Fürsorgeeinrichtungen aus öffentlicher Hand im Wege der Privatisierung entstanden ist. Der Gedanke einer staatlichen Aufsicht ist eng mit der Gründung von privaten Gesellschaften in diesen Wirtschaftssektoren verbunden. Eine behördliche Beaufsichtigung über die Rechtsträger wurde und wird dabei als die liberalere Lösung im Gegensatz zu einer Verstaatlichung dieses Sektors verstanden, die nach heutigem Verständnis und einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbsgesellschaft schlichtweg undenkbar ist. Immerhin verbleibt so, je nach Intensität der aufsichtsrechtlichen Regelungen, hinreichend Raum für die freiheitliche Betätigung Privater, unternehmerische Eigeninitiative und die Grundlage für einen funktionierenden Wettbewerb. Auch die Kreditversorgung zählte ursprünglich, wie das öffentlich-rechtliche Sparkassenwesen verdeutlicht, zu den hoheitlichen Fürsorgepflichten185. Nach einer allmählichen Herauslösung aus dem hoheitlichen Bereich machte aber erst die Bankenkrise von 1931 die Beaufsichtigung im Bankensektor unumgänglich. Branchenweite Zusammenbrüche haben den Funktionsschutz des Aufsichtsrechts mehr und mehr in den Vordergrund und den Individualschutz der Einleger in den Hintergrund rücken lassen. Wie die Aufgabe der Vorabkontrolle der AVB im Bereich der Assekuranz sowie die Abschaffung der Zinsreglementierung im Kreditwesen gezeigt ha181 Richtlinie des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten vom 15. März 1993, ABl. EG Nr. L 141, S. 1. 182 Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen vom 10. Mai 1993, ABl. EG Nr. L 141, S. 27. 183 Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtlicher Vorschriften vom 22. Oktober 1997, BGBl. I S. 2518. 184 Ausführlich zu den Änderungen im Einzelnen, siehe Boos, Die Bank 1997, 1; Mielk, WM 1997, 2200 ff.; 2237 ff. 185 Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 68.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

ben, waren auch die späteren Novellen des Versicherungs- und Bankenmarkts von einer stetigen Liberalisierung gekennzeichnet. Im Gegenzug zu der Entmaterialisierung des Aufsichtsrechts sind die formellen Aufsichtsbefugnisse stetig ausgeweitet worden. Maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung hat das europäische Gemeinschaftsrecht, das sich für die Herstellung eines Binnenmarktes zu den Grundlagen einer freien Wettbewerbswirtschaft bekennt. Wie die Regelungen zum Herkunftsstaatsprinzip zeigen, werden Zulassungserfordernis und behördliche Überwachung der Unternehmen grundsätzlich als Handelshemmnis gesehen. Durch die Vereinheitlichung des Rechtsrahmens und die Ermöglichung der grenzüberschreitenden Tätigkeit wurde dem Harmonisierungsgedanken zunächst ein Vorrang gegenüber dem Verbraucherschutz eingeräumt. Denn nur ein Herabsenken des Verbraucherschutzniveaus auf ein EU-weites Mindestmaß konnte eine Geschäftsaufnahme innerhalb der Gemeinschaft garantieren. Die Harmonisierung im Bereich des Aufsichtsrechts darf daher nicht als zusätzliche Einschränkung unternehmerischer Freiheiten verstanden werden, sondern soll europaweite Mindeststandards garantieren, um bei der Erteilung eines „Europäischen Passes“ die Verbraucherschutzinteressen hinreichend zu gewährleisten186. Die historische Betrachtung hat vor allem auch gezeigt, dass viele der gesetzgeberischen Reformen angestrengt worden sind, nachdem Missstände und Defizite durch Krisen offen zutage getreten sind. Deshalb müsste dieses Kapitel nach der Drucklegung sicherlich aktualisiert werden, um die Reaktionen der verschiedenen Gesetzgeber auf die jüngste Finanzkrise abzubilden. Zwischen der Einreichung dieser Arbeit und der Drucklegung zeichnete sich ab, dass die Finanzmarktarchitektur zwar nicht grundlegend gestaltet werden würde, aber dass doch punktuell mit wesentlichen Änderungen zu rechnen ist. Der Dodd-Frank-Act187 in den USA, „Basel-III“ und die Richtlinienumsetzung188“ sowie das sog. Bankenrestrukturierungs186 Vgl. Erwägungsgründe 1 und 4 der Zweiten Bankenrechtskoordinierungsrichtlinie 89/646/EWG; Erwägungsgründe 1, 3 und 8 der Dritten Richtlinie 92/49/EWG. 187 Zum Dodd-Frank-Act siehe Spindler/Brandt/Raapke, RIW 2011, 746 ff. 188 Die Reform der Basel-II-Grundsätze wurde auf dem G20-Gipfel im November 2010 beschlossen. Der Basler Ausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich legte noch im Dezember 2010 einen Vorschlag vor. Im Juni 2011 hat der Basler Ausschuss einen überarbeiteten Vorschlag veröffentlicht. Die Umsetzung soll in einer Richtlinie zur Änderung der Kapitaladäquanzrichtlinie erfolgen, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats vom 20. Juli 2011, KOM (2011) 453 endg. s. hierzu Schmitt, BB 2011, 177 sowie ders., BB 2011, 2347.

§ 5 Die Funktion und Legitimation der Wirtschaftsaufsicht

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gesetz189 sind dabei sicherlich die prominentesten Beispiele. Inwieweit der Dodd-Frank-Act, der in den meisten Punkten nur ein Rahmengesetz ist, tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die aktuellen Impulse des Basler Eigenkapitalakkords rekurrieren auf den freien Wettbewerb („Marktdisziplin“) als Faktor für eine Beurteilung der Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten. Dabei soll auch die Überwachungstätigkeit der Shareholder Einzug in den Kanon der Corporate Governance von Banken finden. Entsprechende Bemühungen für die Solvabilität der Versicherungsunternehmen unter dem Stichwort „Solvency II“ werden derzeit angestrengt. § 6 setzt sich detailliert mit dem Zusammenspiel von Markt und Recht durch die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht innerhalb der geltenden Rahmenbedingungen auseinander. Hierbei werden die Modifikationen der allgemeinen Corporate Governance sowie Widersprüche und Überschneidungen aufgezeigt.

§ 5 Die Funktion und Legitimation der Wirtschaftsaufsicht Will man die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht im Hinblick auf ihren Beitrag untersuchen, den sie für eine gute Unternehmensführung zu leisten vermag, so kann dies nur unter Berücksichtigung ihrer Funktion gelingen. Diese lässt sich anhand der Aufsichtsziele ermitteln, die wiederum durch das zugrunde liegende Aufsichtsrecht formuliert werden und identisch mit dem jeweiligen Gesetzeszweck sind190. Anhand des Aufsichtsziels kann man die Schutzobjekte bestimmen und den Stakeholdergruppen innerhalb des Koordinatensystems von Corporate Governance zuordnen. Darüber hinaus dient eine solche Analyse – jedenfalls für den Bereich der behördlichen Einwirkungsmöglichkeiten – gleichermaßen als Begrenzung der Handlungsbefugnisse, da die Lehre von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (auch) die Kongruenz von Verwaltungshandeln mit dem Regelungszweck seiner Ermächtigungsgrundlage fordert. Die Untersuchung erfolgt also nicht um ihrer selbst willen, sondern bildet die Grundlage für die Ver189

Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung vom 9. Dezember 2010, BGBl. I 2010 vom 14. Dezember 2010, S. 1900. s. dazu Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66. 190 Niethammer, Bankenaufsicht, S. 32; Lünterbusch, S. 13, wie bereits in § 1 angedeutet ist in diesem Punkt die Funktionen der Wirtschaftsaufsicht und des Wirtschaftsaufsichtsrechts identisch.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

knüpfung des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts mit den Grundsätzen einer guten Unternehmensführung.

I. Die Sonderstellung von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen als Legitimation für eine branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht Zunächst muss man sich mit der Rechtfertigung des besonderen rechtlichen Ordnungsrahmens von Banken und Versicherungsunternehmen auseinandersetzen. Ausgangspunkt bildet die vielzitierte Sonderstellung dieser Gewerbezweige innerhalb der Gesamtwirtschaft191. In modernen Volkswirtschaften kommt den Banken als Sammelstelle für Einlagen, die Gewährleistung der Kreditversorgung und die Bereitstellung von Finanzierungsmöglichkeiten eine herausragende Bedeutung zu192. Ihre gesamtwirtschaftliche Schlüsselposition beruht unter anderem auf der Fristentransformation durch die Bereitstellung von Liquidität und der Informationsfunktion von Universalbanken als zentrale Stellen der Informationsbeschaffung und -verarbeitung. Auch wenn die wachsende Bedeutung neuer Formen von direkter Unternehmensfinanzierung, wie etwa jene über die Kapitalmärkte, betont wird193, vermag dies dennoch nichts daran zu ändern, dass Banken als die Finanzintermediäre für eine funktionierende Gesamtwirtschaft schlechterdings nicht wegzudenken sind194. Im Kreditgewerbe auftretende Störungen bergen demzufolge die Gefahr, auf weitere Kreise der Wirtschaft durchzuschlagen. Insbesondere lähmt die Verknappung von Finanzmitteln die Entwicklung von mittelständischen Betrieben, die auf Fremdmittel angewiesen sind. Die Bedeutung der Assekuranz für die Volkswirtschaft wird nicht mit dem gleichen Ausmaß hervorgehoben wie jene der Banken. Dennoch neh191

So schon die Begründung zum Regierungsentwurf des KWG 1961, BTDrucks. 3/1114, A III; Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 245 ff.; Braun, in: Pitschas, Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 95 f. 192 Hafke, in: Festschrift Hadding, S. 863, 866; Bähre/Schneider, KWG, Einl. S. 50; Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Grds. I § 1 Rn. 1; Schulte-Mattler/Traber, Marktrisiko, S. 9 f.; Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 266 f. 193 Unter dem Stichwort „Disintermeditation“ wird das Phänomen schwindender Bedeutung von Transformationsdienstleistungen der Banken verstanden, die bei gut entwickelten (nicht intermedierten) Kapital- und Geldmärkten zu beobachten ist, vgl. Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 7 f.; Binder, Bankeninsolvenzen, Fn. 285; Goodhart/Hartmann/Llewellyn/Rojas-Suárez/Weisbrod, Financial Regulation, S. 10 ff. 194 Stützel, Bankpolitik, S. 9; Bossone, S. 5 ff., S. 36 ff.; Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 19; Kariger, Kreditaufsicht, S. 17 bezeichnet die Funktion der Banken als „Lebensnerv des Wirtschaftskreislaufes“; Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 17 f.

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men die Versicherungsunternehmen eine Sonderstellung gegenüber anderen Gewerbezweigen ein. Sie bündeln das Vermögen einer Vielzahl von Privatversicherten und sichern diese gegenüber wirtschaftlichem Ruin in Schadensfällen ab. Versicherer fungieren als Transformatoren von Risiken, indem sie den Schaden von Einzelnen mit der Prämienzahlung von allen ihren Versicherten gegenfinanzieren. Die Notwendigkeit einer Beaufsichtigung wurde bereits bei der Verabschiedung des VAG im Jahre 1901 damit begründet, dass die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse an der gedeihlichen und soliden Entwicklung des Versicherungswesens im Hinblick auf dessen große wirtschaftliche, soziale und ethische Bedeutung habe195. Der Staat sei auch deshalb zu einer besonderen Fürsorge verpflichtet, weil bei Missbräuchen die Gefahr schwerster Schädigung des Volkswohles bestehe, denn der Einzelne sei ohne Hilfe von anderer Seite in der Regel nicht imstande, sich ein zuverlässiges Urteil über das Versicherungsunternehmen zu bilden, dem er sich anvertraue196. Außerdem treten kapitalsammelnde Versicherungen immer mehr als institutionelle Investoren auf und beeinflussen so die Geschäftspolitik von anderen Unternehmen. Obwohl sich ein öffentliche Interesse an einem funktionierenden Kreditund Versicherungswesen aus diesen Gründen geradezu aufdrängt, vermag diese Position allein jedoch noch nicht erklären, warum der Gesetzgeber diese ausgewählte(n) Branche(n) zum Gegenstand einer intensiven Regulierung macht und sie nicht, wie auch in vielen anderen gewerblichen Bereichen, dem Spiel der Marktkräfte überlässt, die innerhalb der allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen wirken197. Es bedarf also eines weiteren Schrittes zur Widerlegung, der von Tobin formulierten These, dass Banken nur eine Sonderstellung aufgrund ihrer rechtlichen Sonderbehandlung einnähmen198. Hierbei müssen die Umstände Beachtung finden, die es verhindern, Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche allein dem individuellen Marktentscheid zu überlassen und stattdessen eine kollektive ex ante Regulierung erforderlich machen. Die Modifikation des allgemeinen Ordnungsrahmens von Corporate Governance kann nicht allein mit der Sonderstellung der beaufsichtigten Branchen legitimiert werden. Interessen am Gläubigerschutz und an der Funktionsfähigkeit bestehen auch berechtigterweise in anderen Gewerbezweigen, die jedoch ohne eine Wirtschaftsaufsicht und mit dem gegebenen gesellschafts-, kapitalmarkt- und wettbewerbsrechtlichen Ordnungsrahmen auskommen. In anderen Worten: bis195

Gramlich, in: Pitschas, Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 320. Begründung zum VAG 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 24. 197 Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 14 verdeutlicht dies mit der Trennung von Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit im Bezug auf den Schutz der Gläubiger. 198 Tobin, in: Banking and Monetary Studies, S. 408, 419. 196

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her ist erst die Bedeutung der Kredit- und der Versicherungswirtschaft für die Gesamtwirtschaft festgestellt, aber noch nicht die besondere Existenzberechtigung für staatliche Eingriffe in Form eines Sonderrechts. Nach der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie von Regulierung und einem ordoliberalen Staatsverständnis wird davon ausgegangen, dass staatliche Regulierung dann (ökonomisch) gerechtfertigt ist, wenn Marktprozesse allein nicht zu einem optimalen Ergebnis führen199. Solche Fehlentwicklungen, die unter anderem auf mangelnde Möglichkeiten des Marktes zur Bewertung von Qualitätsmerkmalen beruhen, werden unter den Begriff „Marktversagen“ gefasst200. 1. Die Sonderstellung von Kreditinstituten a) Der geringe „Eigenkapitalpuffer“ als Ursache für die Krisenanfälligkeit von Kreditinstituten Die Finanzierung der Banken beruht naturgemäß und überwiegend auf dem Fremdkapital, das ihnen die Kunden anvertrauen201. Die geringe Eigenkapitalausstattung im Vergleich zu den übrigen Gewerbezweigen, insbesondere des produzierenden Gewerbes, wird primär als Gefahrenquelle und Rechtfertigungsgrund für das intensive Bankenaufsichtsrecht ausgemacht. Eine nur begrenzt zur Verfügung stehende Nettohaftungsreserve im Insolvenzfall resultiert aus der fremdkapitalfinanzierten Tätigkeit und führt dazu, dass bereits aus einem Vermögensverlust von durchschnittlich vier Prozent des Gesamtvermögens eine Gefährdung der Forderungen der Bankgläubiger droht202. Obwohl dieser Umstand durch ein vermindertes Ri199 Grundlegend Breyer, Regulation and its Reform, S. 15 ff.; siehe auch Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), GVwR I, § 19 Rn. 17. 200 Vgl. zu den typischen Formen des Marktversagens in Gestalt der öffentlichen Güter, natürlicher Monopole, externer Effekte, asymmetrischer Informationen und dem Phänomen des moral hazard Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Vosskuhle (Hrsg.), GVwR I, § 19 Rn. 17. Vgl. auch Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 29 ff. 201 Hellwig, in: Finanzmärkte im Spannungsfeld, S. 127. 202 Bieg, Bankbilanzen, S. 14 f. Obwohl die Erhebungen Stützels, Aufgaben der Banken in der Wirtschaftsordnung S. 29 nahezu 50 Jahre zurückliegen, beanspruchen diese Statistiken noch heute nahezu unverändert Aussagekraft, wie die Vergleichszahlen bei Waschbusch, Bankenaufsicht, Anlage 2, S. 577 f. belegen. Aktuelle Daten sind in einer Studie des Internationalen Währungsfonds im Rahmen des Projekts „Financial Soundness Indicator“ erhoben worden und unter http://www. imf.org/external/np/sta/fsi/eng/fsi.htm abrufbar. Im Jahr 2006 verfügten Einlageninstitute in Deutschland über eine Eigenkapitalquote („Capital to asset ratio“) von durchschnittlich 4,33% auf konsolidierter Basis. Nicht zu verwechseln ist diese Angabe mit Verhältnis zwischen regulatorischen Eigenmitteln und anrechnungspflichti-

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sikoniveau in der Bankpolitik kompensiert werden könnte und daher ein solches Verhalten vernünftigerweise nahe legt, ist Gegenteiliges der Fall. Durch das von Kreditinstituten in der Praxis eingegangene relativ große Risikopotential sehen sich Bankgläubiger sektorspezifisch erheblichen Vermögensverlustrisiken ausgesetzt203. Das Verlangen von Investoren nach höheren Eigenkapitalrenditen übt dahingehend Druck auf die Geschäftsleitung von Banken aus, einerseits immer größere Risiken einzugehen und andererseits die Eigenkapitalquote zu verringern. Die nahezu unbegrenzten Finanzinnovationen in der jüngsten Vergangenheit und die Aktienrückkäufe geben das beste Zeugnis hierfür. Motivation für die Spekulationen mit zweitklassigen US-Hypothekenkrediten durch Zweckgesellschaften („conduits“) war unter anderem die Möglichkeit, die Risikopositionen „außerhalb der Bilanz“ zu führen und so die Bindung von Eigenkapital zu vermeiden204. Dabei lehrt die Vergangenheit, am anschaulichsten zuvor wohl beim Zusammenbruch der Danat-Bank, dass ein geringer Eigenkapitalpuffer in unmittelbarem Zusammenhang mit den Schieflagen eines Instituts steht205. Je geringer die Spielräume unter Abschreibungsdruck sind, desto weniger können Unternehmen hierauf reagieren und eine Zahlungsunfähigkeit. wird umso wahrscheinlicher. b) Gläubigerstruktur, Massengeschäft und Informationsasymmetrien als besondere Merkmale des Bankenwesens Banken weisen dazu eine besondere Gläubigerstruktur auf, zu der auch viele wirtschaftlich schwache Personen zählen, die nur über ein geringes Vermögen verfügen und zudem auf Bankendienstleistungen angewiesen sind, um am bargeldlosen Geschäftsverkehr teilzunehmen206. Eine Bankeninsolvenz bedeutet regelmäßig den sozialpolitisch in besonderem Maße unerwünschten Verlust von Ersparnissen derjenigen Kunden, die einen Großteil ihres Vermögens (sog. Kleinanleger bzw. Kleinsparer) dem Kreditinstigen Positionen („Regulatory capital to risk-weighted assets“). Diese, für die Berechnung der Eigenkapitalanforderungen relevante Meßgrößebetrug durchschnittlich 12,46%. 203 Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 16. 204 Vgl. Scherer/Bosak, F.A.Z. vom 12. September 2007. Die Möglichkeit, die Risiken „außerhalb der Bilanz“ zu führen und somit auf eine Hinterlegung mit regulatorischem Eigenkapital zu verzichten, ist mit der Implementierung von Basel-II weggefallen. Grund hierfür ist, dass nunmehr auch unterjährige Kreditzusagen den Eigenmittelanforderungen unterliegen, vgl. Zeitler, Finanzstabilität, S. 5 f. 205 Anschauliches Material bei Seifert, Privilegierung, S. 127 ff. 206 Krümmel, Kredit und Kapital, 524, 528; ders., Bankenaufsichtsziele, S. 93; Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 12.

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tut anvertraut haben, und so eventuell in ihrer ökonomischen Existenz bedroht sein können207. Würde dies allein noch keine umfassende Bankenaufsicht, sondern lediglich ein effizientes Einlagensicherungssystem rechtfertigen, treten informations- und sicherungspolitische Aspekte hinzu, die – in Verbindung mit der besonderen Gefährdungslage aufgrund der geringen Eigenkapitalausstattung – berechtigterweise den speziellen Gläubigerschutz zum Gegenstand sowohl der präventiven als auch der protektiven Bankenaufsicht machen208. Die überwiegende Mehrheit der Bankengläubiger vermag keinen individuellen Selbstschutz zur Sicherung des Vermögens gegenüber den Banken durchzusetzen. Ihre Verhandlungspositionen sind dafür zu schwach. Insbesondere zur Leistung von Sicherheiten wird der Großteil der Kunden die Bank nicht veranlassen können, so dass ihnen letztlich nur eine Exit-Option dergestalt zur Verfügung steht, das Geschäft unter den Vertragsbedingungen des Kreditinstituts anzunehmen oder abzulehnen209. Die Informationen – soweit für den Kunden überhaupt verwertbar – beschränken sich auf das gesetzliche Mindestmaß. Zu darüber hinausgehenden, freiwilligen Angaben wird der Einzelne ein Kreditinstitut kaum bewegen können. Zwar trifft dies ebenso auf Gewerbezweige außerhalb der Finanzdienstleistungsbranche zu, dort jedoch handelt es sich bei den Gläubigern im Unterschied hierzu überwiegend um Kaufleute210. Private Bankkunden weisen demgegenüber regelmäßig nicht die erforderliche besondere Sach- und Bilanzkunde auf, um ein Bonitätsurteil über das entsprechende Kreditinstitut fällen zu können. Auch in anderen Bereichen bestehende Informationsasymmetrien treten aufgrund des strukturellen Wissensvorsprungs der Kreditinstitute hier in verstärktem Maße zutage. Begünstigt wird dies durch das im Bankwesen auftretende Phänomen des Massengeschäftes. Aufgrund des regelmäßig geringen Geschäftsumfangs der Einzelkunden ist es für diesen mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden, sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen (Informations207

Böcking/Bierschwale, BB 1999, 2235 f.; Guth, Eingriffsbefugnisse, S. 58; zur sozialpolitischen Motivation der Bankenaufsicht siehe auch Begr. RegE zum 3. Änderungsgesetz des KWG, BT-Drucks. 10/1441, S. 20. 208 Diese von wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten vorgenommene Differenzierung zwischen (präventiven) Maßnahmen, die eine Krise verhindern sollen und solchen (protektiven), die im Falle einer Krise eingreifen, Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 39. 209 Böcking/Bierschwale, BB 1999, 2235, 2236; Stützel, Bankpolitik, S. 31; Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 13. 210 In einer der Position von Bankkunden vergleichbaren Weise sind freilich die Arbeitnehmer in ihrer Gläubigerstellung betroffen, für deren Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis insolvenzrechtliche Sonderbestimmung gelten (vgl. § 183 SGB III).

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kostenargument)211. Solche grundsätzlichen Defizite in der Transparenz gegenüber den Marktteilnehmern sollen durch die besonderen Offenlegungsanforderungen der Kreditinstitute gegenüber der Aufsichtsbehörde sowie durch eine zusätzliche Kontrolle der offengelegten Daten kompensiert werden. Kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten, sofern einschlägig, relativieren diese Gegebenheiten bei den hier im Fokus stehenden börsennotierten Unternehmen. Dort werden die aufsichtsrechtlichen Funktionen durch das kapitalmarktrechtliche Informationsmodell in den Hintergrund gedrängt, das ein höheres Transparenzniveau bereits aus eigener Notwendigkeit bedingt212. Das „Mehr“ an der Bereitstellung von unternehmensbezogenen Daten kommt den Bankkunden nicht nur in quantitativer sondern auch in qualitativer Hinsicht unmittelbar durch die Verbreiterung der Informationsbasis und mittelbar durch eine Verbesserung der Marktdisziplin zugute213. Unter der Voraussetzung informationseffizienter Kapitalmärkte lässt sich anhand der Börsenkurse, die unter anderem durch professionelle Marktteilnehmer unter Berücksichtigung spezieller (Branchen-)Kenntnisse zustande kommen, eine realistische Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Bonität des Unternehmens vornehmen. In vergleichbarer Weise – allerdings mit den bekannten Einschränkungen – ermöglichen auch Bewertungen durch Ratingagenturen Rückschlüsse auf die Finanzinstrumente und deren Emittenten214. Informationsintermediäre vermögen die bestehenden Informationsasymmetrien nur teilweise kompensieren. Zu berücksichtigen ist auch, dass die kleineren Marktteilnehmer zumindest reflexartig dadurch geschützt werden, dass die größeren und demnach verhandlungsstärkeren Vertragspartner diese Kontrollfunktionen hingegen tatsächlich ausüben können215. Da diese beiden Stakeholergruppen jedoch nicht zwingend gleichlaufende Interessen haben, kann es aber durchaus zu Ineffizienzen dieses Kontrollsystems kommen. Tatsächlich wäre es interessant zu untersuchen, ob und inwieweit die großen Vertragspartner von Kreditinstituten – das sind in der Regel selbst ebenfalls Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen – diese Kontrollfunktionen im Vorfeld der Fi211

Siehe oben § 2. Siehe oben § 2 II. 2. 213 Die investoren- und marktorientierten, internationalen Rechnungslegungsstandards stehen in Einklang mit den Bemühungen, die Marktdisziplin als Element der Aufsicht zu etablieren, vgl. Meister/Hillen, in: Festschrift Krumnow, S. 333, 344. 214 Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Unternehmensführung in Banken, Rn. 65 zum Beitrag, den Ratingagenturen für die Corporate Governance nach Einschätzung des Ausschusses haben, indem sie unter anderem den Einfluss, den Praktiken der Unternehmensführung auf das Risikoprofil einer Bank haben, überprüfen und bewerten. 215 Vgl. z. B. die Diskussion um den reflexartigen Schutz von Gläubigern durch sog. financial covenants, dazu unten Fn. 247. 212

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nanzkrise tatsächlich effizient wahrgenommen haben oder ob diese Verflechtungen zu Effizienzverlusten geführt haben. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Aspekt der Gläubigerstruktur nur eine geringe Rolle spielt, um die Bankenaufsicht zu legitimieren. c) Die Vertrauensanfälligkeit des Bankengewerbes Bankgeschäfte zeichnen sich gegenüber den sonstigen Vertragsbeziehungen durch eine besondere Vertrauensempfindlichkeit aus, die sich nicht auf das bilaterale Verhältnis zwischen den Kunden und „ihrer“ Bank beschränkt, sondern auf den gesamten Sektor erstreckt. Unter dem Stichwort „verhaltenspsychologische Aspekte“ versteht Bieg die mangelnde Bereitschaft von Bankkunden, die Risiken aus dem Bankengeschäft auch nur ansatzweise zu übernehmen und ihre sensible Reaktion auf jedwede, sei es auch nur gerüchteweise, Störung des normalen Geschäftsablaufes216. Sowohl die geringe Ausstattung mit haftendem Eigenkapital als auch die dargestellte Gläubigerstruktur im Bankensektor mit ihrem besonderen Informationsgefälle erweisen sich als (mit-)ursächlich für diese Vertrauensempfindlichkeit. Die Wirtschaftsaufsicht wird in Verbindung mit den gesetzlichen Einlagensicherungssystemen als Garant und so als „staatliches Gütesiegel“217 verstanden, das für eine notwendige Vertrauensstabilität sorgt und so eine Grundlage für ein funktionierendes Bankengewerbe darstellen soll. Problematisch erweist sich – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – die, über die bilaterale Vertragsbeziehung hinausgehende Erstreckung der Vertrauensempfindlichkeit auf den gesamten Sektor. d) Die besonderen Folgen im Falle von wirtschaftlichen Schwierigkeiten Die vorstehend genannten Umstände sind verantwortlich für unmittelbare und mittelbare Konsequenzen im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten eines Kreditinstituts und verdeutlichen so das Bedürfnis nach staatlicher Regulierung zur Vermeidung derselben. Unter wirtschaftliche Schwierigkeiten werden zum einen bloße Zahlungs- bzw. Liquiditätsschwierigkeiten und zum anderen die (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bzw. Insolvenz gefasst. Unmittelbare Folgen beschränken sich auf das in Schwierigkeiten geratene Unternehmen und die Beziehung zu seinen Stakeholdern, während mittelbare Folgen losgelöst von der Ursache der Fehlentwicklung einen unbestimmten Personenkreis betreffen. Diese „externen Effekte“ ent216

Bieg, Bankbilanzen, S. 29 f. Engels, in: Banken im Spannungsfeld von Notenbank und Bankaufsicht, S. 23; Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 29. 217

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stehen, wenn der Nutzen eines Individuums vom Verhalten anderer Individuen beeinflusst wird, ohne dass diese darüber eine vertragliche Regelung treffen können218. Als Konsequenz droht ein sog. Run auf die Bankschalter, also ein massenhaftes Abziehen von kurzfristig fälligen Forderungen219. Die Notwendigkeit der Runverhinderung durch bankaufsichtsrechtliche Maßnahmen wird aus ökonomischer Perspektive auf das Vorhandensein von externen Effekten gestützt220. aa) Die unmittelbaren Folgen von Krisensituationen Bloße Zahlungsschwierigkeiten eines einzelnen Instituts erweisen sich dabei im Wesentlichen als unschädlich. Kommt es indes zu einer Insolvenz, so ist der Forderungsausfall in Anbetracht der geringen Haftungsreserve regelmäßig weitreichend und trifft ohne die geeigneten Sicherungssysteme wirtschaftlich schwache Kunden mit besonderer Härte. Dies gilt umso mehr, als dass ein an Umfang steigender Anteil des Vermögens von den potentiell Geschädigten zum Zwecke der Altersvorsorge angelegt wird. Die Fokussierung auf einen bestimmten Kreis der Bankkunden legt aber nicht zwingend einen individualschützenden Charakter des Bankenaufsichtsrechts nahe. Bankenzusammenbrüche erhalten eine gesamtwirtschaftliche Dimension dadurch, dass – abhängig von der Größe des Instituts – eine Gruppe von Einlegern Verluste in Kauf nehmen müssen, die beispielsweise dadurch den Sozialsystemen anheim fallen könnten. Für die Kreditversorgung innerhalb einer Volkswirtschaft hingegen hat der durch eine einzelne Bankeninsolvenz hervorgerufene Forderungsausfall grundsätzlich nur mittelbar Konsequenzen221. In gewissem Umfang kann für die Kreditnehmer als Bankkunden jedoch der Abbruch von etablierten Geschäftsbeziehungen unmittelbar zu einem Ausfall von Finanzierungsmöglichkeiten und dies zu gesamtwirtschaftlichen Schäden führen222. Die Überschuldung einer einzelnen Bank ist im Wesentlichen vergleichbar mit der Insolvenz eines Unternehmens aus einer anderen Branche und rechtfertigt allein noch keine aufsichtsrechtlichen Sonderregelungen für den Bankensektor223. Den beschriebenen sozialpolitisch unerwünschten Härtefällen 218 Vgl. Böcking/Bierschwale, BB 1999, 2235, 2236; Seifert, Privilegierung, S. 55 ff.; Möschel, in: Festschrift Stimpel, S. 1065, 1073. 219 Einzelheiten hierzu folgen sogleich, siehe unten bb), (1). 220 Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 31 f. 221 Zu der Abgrenzung von mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen vgl. Binder, Bankeninsolvenzen, S. 702 ff. 222 So Binder, Bankeninsolvenzen, S. 103. 223 So aber Priewasser, Bankbetriebslehre, S. 24 der die aufsichts- und insolvenzrechtliche Sonderbehandlung von Kreditinstituten auf die hohen sozialen Kosten zu-

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kann mit einem Einlagensicherungssystem entgegengewirkt werden und die Möglichkeit von gesamtwirtschaftlichen Schädigungen dürfte allein in Fallkonstellationen von betroffenen Großinstituten bestehen, so dass eine allgemeine, unabhängig von dem Geschäftsvolumen des beaufsichtigten Unternehmens anwendbare Bankenaufsicht nicht zwingend erforderlich erscheint. bb) Die mittelbaren Folgen in Form von Kettenreaktionen In nicht vergleichbarem Maße werden seit jeher Kettenreaktionen im Bankengewerbe als Legitimation für eine besondere behördliche Aufsicht der Kreditinstitute genannt224. Unerwünschte Insolvenzen oder bereits die bloße Zahlungsunfähigkeit eines einzelnen Instituts können sich auf den gesamten Gewerbezweig erstrecken. Diese „Ansteckungsgefahr“, als mittelbare Folge wirtschaftlicher Schwierigkeiten eines Kreditinstituts und Auslöser von weiteren Krisen, kann sich auf verschiedene Weise konkretisieren225. (1) Die Gefahr durch den massiven Abzug von Einlagen (sog. „Runs“) Zuvörderst werden klassischerweise „Runs“, also das massive Abziehen von Einlagen, als Gefährdung für die Stabilität der Kreditwirtschaft identifiziert. Zu differenzieren ist hierbei zwischen dem „begrenzten Gläubigerrun“, der das einzelne, sich (vermeintlich) in Schwierigkeiten befindliche Kreditinstitut betrifft und dem „allgemeinen Run auf die Bankschalter“, der systemweit und institutsübergreifend stattfindet. Während der erste Fall zunächst ein singuläres Ereignis darstellt und in Kauf genommen werden könnte, birgt er dennoch das Gefährdungspotential, zu einem Problem für eine Vielzahl oder sogar aller Kreditinstitute zu werden226. Eine solche Kettenreaktion kann den gesamten Kreditsektor oder zumindest große Teile beeinträchtigen und durch den nur schwerlich zu kompensierenden Engpass mit der Kreditversorgung zu einer volkswirtschaftlichen Instabilität führen. In der US-amerikanischen Literatur wird dieses Verhalten der Kunden als panikartige und demzufolge irrationale Reaktion bezeichnet227. Präzise Berückführt, die im Falle einer Bankeninsolvenz anfallen. Zustimmungswürdig daher Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 250; Seifert, Privilegierung, S. 190. 224 Knorr, ORDO 50 (1999), 345, 360. 225 Zum Begriff der Ansteckung („contagion“) siehe Aharony/Swary, S. 57 ff. 226 So bereits die Motivation für den Erlass des KWG 1961, siehe Begr. RegE, BT-Drucks. 3/1114, S. 19 f. 227 Calomiris/Gorton, in: Hubbard, Financial Markets, S. 109, 112 ff.; dies., in: Calomiris, US Bank Deregulation, S. 93, 96 f.

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trachtungen ergeben jedoch, dass diese Einlageabzüge aufgrund des Informationsgefälles und fehlender Kenntnis über die tatsächliche wirtschaftliche Lage des einzelnen Kreditinstituts nicht jeder rationalen Grundlage entbehren, auch wenn sich aus der ex post Betrachtung die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht realisiert haben228. Vielmehr rechtfertigt das Risiko eines Totalverlustes, das aufgrund der relativ geringen Eigenkapitalausstattung sehr hoch ist, solche Reaktionen. Das streng risikoaverse Verhalten der Bankkunden führt letztlich so die (vermeintlich) drohende Insolvenz herbei und der allgemeine Bankenrun erhält den Charakter einer „self-fulfilling prophecy“. Jüngste Erfahrungen mit der „Northern Rock“ Bank in Irland belegen noch immer die Wirkungskraft dieses Phänomens229. Diese Gefahr entsteht durch die Typik der Bankgeschäfte, die sich durch die regelmäßig kurzfristige Möglichkeit zur Fälligstellung der Forderungen gegenüber Banken auszeichnet. Diese kurzfristig kündbaren Verbindlichkeiten dienen als Grundlage für langfristig angelegte Finanzinvestitionen, so dass massiv auftretenden Einlagenabzügen keine entsprechenden Gegenpositionen entgegenstehen und diese so zwangsläufig zu einem Liquiditätsengpass selbst bei wirtschaftlich intakten Banken führen müssen230. Die Übernahme der Fristentransformationsfunktion als zentrale Bankdienstleistung birgt das Risiko des rechtzeitigen Geldanschlusses, das im Falle von Gläubigerruns seine negativen Folgen entfaltet. (2) Die „Ansteckung“ im Interbankengeschäft Die Gefahren für das gesamte Kreditwesen beruhen nicht allein auf dem durch Bankkunden hervorgerufenen Phänomen der „Runs“ auf die Bankenschalter. Auch die ausgeprägte Verknüpfung im Interbankengeschäft ist anfällig für dauernde Forderungsausfälle. Bei zahlreichen Transaktionen gehen Banken – wenn auch nur kurzfristig – offene Positionen innerhalb des Zeitraums ein, in dem noch keine Gegenbuchung erfolgt ist231. So können Forderungen aus Kreditbeziehungen oder aus dem Derivatenhandel bei der Insolvenz einer Bank zu Liquiditätsschwierigkeiten oder gar Zahlungsunfähig228 Burghof, Eigenkapitalnormen, S. 81; Hellwig, in: Finanzmärkte im Spannungsfeld, S. 128; Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 250. 229 Auf der Grundlage von empirischen Studien wird das Auftreten von Runs bezweifelt, vgl. Böcking/Bierschwale, BB 1999, 2235, 2238. Siehe zur EG-Rechtskonformität der Stützungsmaßnahmen bei der Northern Rock EU-Kommission, Pressemitteilung IP/07/1859 vom 5. Dezember 2007. 230 Vgl. Bieg, Bankbilanzen, S. 8 ff.; grundlegend Stützel, Aufgaben der Banken in der Wirtschaftsordnung, S. 113 ff. 231 Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 23; Burghof, Eigenkapitalnormen, S. 91 ff.

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keit der Gläubigerbank führen, wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Saldierung vorgenommen worden ist. Die Gläubigerbank muss sich in diesen Fällen in die Gruppe der übrigen Gläubiger einreihen und in Ermangelung von Sicherheiten, die in diesem Zusammenhang nicht geleistet werden, auf einer Befriedigung aus der Insolvenzquote hoffen. Sofern es sich bei dem überschuldeten Institut um eines von gewisser Größe handelt und die Geschäftsvolumina einen dementsprechenden Umfang haben, droht eine Vielzahl anderer Teilnehmer an dem entsprechenden Zahlungssystem in erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten zu geraten. Gesamtwirtschaftliche Verwerfungen sind nicht auszuschließen. Auch hier lohnt ein Blick auf die aktuelle Finanzkrise, die sich vor allem durch die Kettenreaktion, die mit dem Fallieren der Investmentbank „Lehman Brothers Inc.“ ausgelöst wurde, verschärfte. Als ein Sonderfall erweist sich hierbei die Teilnahme an Zahlungssystemen, insbesondere dann, wenn sich diese über mehrere Zeitzonen erstrecken. Aufgrund des hohen Gesamtvolumens innerhalb dieser Systeme bergen die zeitlich versetzte Saldierung der Geschäfte im Falle eines Ausfalls hohe Liquiditäts- und Kreditrisiken232. Die Folgen sind während der Herstatt-Krise mit außergewöhnlicher Deutlichkeit hervorgetreten. Ursache für diese Gefährdung ist nicht etwa ein Fehlverhalten der zunächst unbeteiligten Bank(en), sondern allein die technische Abwicklung233. Es handelt sich demnach um ein systembedingtes Risiko, dem weder mit institutsinternen Überwachungsmechanismen noch durch Einlagensicherungssysteme, die für Interbankenforderungen regelmäßig nicht greifen, entgegenzuwirken ist. 2. Die Sonderstellung von Versicherungsunternehmen Viele der oben für das Bankenwesen herausgearbeiteten Argumente lassen sich auf die Assekuranz übertragen. So finanzieren auch Versicherungsunternehmen ihre Tätigkeit überwiegend durch die Bereitstellung von Fremdkapital ihrer Kunden. Diese Versicherungsnehmer erhalten zwar nicht den Status als Träger von Residualrisiken im formellen Sinne, im Insolvenzfall sind ihre Forderungen aber ebenso übermäßig exponiert wie jene von Bankkunden. Um Wiederholungen zu vermeiden soll im Folgenden nur auf die Besonderheiten des Versicherungswesens eingegangen werden. Systemrisiken in Form von Ansteckungsgefahren bestehen hier nicht in vergleichbarem Umfang, da die Forderungen aus den Versicherungsverträgen 232

Siehe hierzu Binder, Bankeninsolvenzen, S. 107. Vgl. Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 25 Rn. 5; Hellwig, in: Finanzmärkte im Spannungsfeld, S. 125 f. 233

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grundsätzlich nicht kurzfristig kündbar und – sofern möglich – aus Gründen der (Un-)Wirtschaftlichkeit massenhafte Kündigungen regelmäßig nicht zu erwarten sind. Verstärkt treten aber zu den Informationsasymmetrien im Hinblick auf Solvenz und Bonität der Unternehmen solche hinsichtlich der angebotenen Versicherungsprodukte, die aufgrund ihrer Ausgestaltung intransparent für den Versicherungsnehmer und daher einem für den Wettbewerb notwendigen Vergleich kaum zugänglich sind234. Im Wesentlichen sollen versicherungsvertragsrechtliche Vorschriften diesen Defiziten entgegenwirken235, die jedoch aufgrund ihrer bilateralen Ausrichtung keinen Einfluss auf die Corporate Governance im engeren Sinne ausüben. Zum Ausgleich dieses Informationsungleichgewichtes hält auch das Versicherungsaufsichtsrecht wirkungsvolle Instrumente bereit, um unmittelbaren Einfluss auf die Versicherungsunternehmen auszuüben, um gegenüber „Missständen“ für die Versicherungsnehmer einzuschreiten236. a) Die besondere Vertrauensanfälligkeit der Assekuranz Auch im Bereich des Versicherungswesens wird die Vertrauensanfälligkeit der Branche zur Begründung von Sonderregeln herangezogen. Maßgebliche Bedeutung erlangt hierbei das Versicherungsgeschäft zwischen Versicherer und Versicherten, das typischerweise auf der Vorleistung der Versicherungsnehmer beruht237. Sollten die Verpflichtungen gegenüber einem Versicherten nicht erfüllt werden können, so droht eine Vertrauenskrise gegenüber dem Versicherungsunternehmen, die sich überdies auf den gesamten Sektor erstrecken kann. Die langfristig angelegten Vertragsbeziehungen – insbesondere im Bereich der Lebensversicherungen – erfordern ein Vertrauen darauf, dass den regelmäßig beträchtlichen Beiträgen eine Kapitalbzw. Rentenzahlung nach einem Ablauf von oftmals 20 oder mehr Jahren gegenübersteht238.

234 Meyer, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland, S. 827, 865. 235 Insbesondere durch das Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG) vom 30. Mai 1908, RGBl., S. 263. Zudem unterliegen die allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Inhaltskontrolle gem. §§ 305 ff. BGB, siehe Römer, in: Römer/Langheid, VVG, vor § 1 Rn. 3. 236 Vgl. § 81 VAG. Einzelheiten zur Missstandsaufsicht, siehe unten § 6 I. 237 Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 15. 238 Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 15.

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b) Das Produkt „Versicherung“ als Massengeschäft und Informationsasymmetrien Das Wesen der Versicherung basiert auf einem System der Gemeinschaft, in das alle Versicherten mit Beiträgen oder Prämien einzahlen, jedoch nur ein begrenzter Teil dieser Einzahler Leistungen von der Versicherung empfängt und wird vielfach mit dem Prinzip einer Lotterie verglichen. Hier erhalten die Teilnehmer keine konkreten Informationen über die zu erwartende Leistung und können ebenso wenig ein Preis-Leistungs-Verhältnis erkennen239. Trotz der Angaben der Geschäftsbedingungen in der Versicherungspolice ist dem Versicherten in der Regel eine finanzielle Bewertung unmöglich240. Die Intransparenz wird zudem durch sog. Risikoüberschüsse verstärkt, die zwangsläufig aus Überkalkulationen durch Sicherheitszuschläge resultieren, die als nicht-unternehmerische Gewinne rückerstattungspflichtig sind241. Marktkräfte können in Ermangelung eines echten „Preises“ aufgrund der Unvergleichbarkeit der Angebote nicht zur Entfaltung kommen. Die gewünschte optimale Verbindung zwischen marktwirtschaftlichem Sanktionsmechanismus und dem Gläubigerschutz der Versicherungsnehmer, wonach die Eigentümer und Unternehmensleiter für ihre Fehlentscheidungen bestraft werden, ist noch nicht erreicht242. Ebenso wenig können schlechte oder zu teure Versicherungsprodukte durch den Markt ausgeschieden werden. Versicherung als Bereitstellung und Umverteilung von Geld für zufallsbedingte Ereignisse ist dem Wettbewerb überhaupt nur beschränkt zugänglich243. Verstärkt wird dieses Problem durch ein annähernd unbegrenzt erweiterbares Portfolio an Versicherungsprodukten244. 239 Meyer, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland, S. 827, 830. Zum „Prinzip der großen Zahlen“ siehe Prölss, in: Prölss/ Martin, VVG, Vorbem. II Rn. 1. 240 Langheid, NVersZ 2000, 63; Martin, VersR 1984, 1107, 1108 spricht von der Versicherung als „unsichtbares Produkt“. 241 Zu den Überschüssen aus dem Kapitalanlagebereich vgl. Begr. RegE zum 14. Änderungsgesetz BT-Drucks. 9/1493, S. 27; Begr. RegE zum 3. Durchführungsgesetz BT-Drucks. 12/6959, S. 84 f. Claus, VerBAV 1980, 22; Janotta-Siemons, VerBAV 1985, 427; Basedow, ZVersWiss 1992, 419, 421 f.; Donath, AcP 93 (1993), 279, 284 f. 242 So Farny, ZVersWiss 1979, 31, 66. Meyer, in: VersWissStud, Bd. 2, 1995, 203, 209 f.; ders., in: VersWissStud Bd. 6, 1997, 69, 75 f. m. w. N. sieht aber in der Regelungen zum Sondervermögen über die KAAG eine solche Lösung. 243 Mit einer überzogenen Einschätzung Meyer, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland, S. 827, 865: „Der Verbraucher kann nicht erkennen, ob die ihm angebotene Prämie für eine (kapitalbildende) Versicherung (1) den unbekannten Dienstleistungen, (2) den ungewissen und unbekannten Versicherungsleistungen und (3) der einseitig bestimmbaren Beteiligung an ungewissen Prämienüberschüssen, ungewissen Erträgen und ungewissen Wertsteigerungen

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In der Sparte der kapitalbildenden Prämienversicherungen (i. d. R. Lebensversicherungen) wird dies aufgrund der sehr technischen und hochkomplizierten versicherungsmathematischen Berechnungsgrundlagen in besonderem Maße deutlich. Die langfristige Bindung, die Vermengung von Sparanteilen und Versicherungsprämien, die großen Sicherheitsspannen und Möglichkeiten der Querverrechnung sind mit Unsicherheiten und Gefahren für die Versicherungsnehmer verbunden245. Mit der Schaffung einer staatlichen Aufsichtsinstanz wurde die Informationsunterlegenheit im Bereich der Prämienversicherung nicht beseitigt, vielmehr verlagern sich die Informationsprobleme der Versicherten auf die Aufsichtsbehörde. c) Die Bedeutung von Versicherungen für sozialpolitische Belange Die Bereitstellung von Versicherungsdienstleistungen wird als Entlastung des Staates aus der sozialen Verantwortung gegenüber der Schädigung von Individuen verstanden246. Noch mehr als die Versorgung aller Bevölkerungsschichten mit Bankdienstleistungen besteht ein öffentliches Interesse an der Absicherung gegenüber unvorhersehbaren Schadensereignissen. Aus diesem Grund gilt die „Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer“ als oberstes Ziel der Versicherungsaufsicht247. Nach dem Subsidiaritätsprinzip können staatliche Solidarleistungen deshalb hinter den Ausgleich zurücktreten, der im Rahmen privater Eigenvorsorge der Versicherungsnehmer in Risikogemeinschaften stattfindet248. Anschaulich wird dieses Verhältnis im Zusammenhang mit der privaten Altersvorsorge, die zunehmend Bedeutung bei gleichzeitigem Rückzug des Staates erlangt. Eine behördliche Versicheder Kapitalanlagen angemessen ist. Daher ist in vielen Bereichen das mit der Deregulierung angestrebte Aufleben des Wettbewerbs im Versicherungsbereich schlichtweg unmöglich.“ 244 Starke, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht III, S. 65 ff. 245 Siehe hierzu Begr. RegE zum 14. Änderungsgesetz BT-Drucks. 9/1493, S. 27. 246 Zweifel/Eisen, Versicherungsökonomie, S. 19. Siehe zur Verteilung des Verlustes einzelner als Betrag für das Gemeinswesen bereits Adam Smith, The Wealth of Nations, S. 757: „The trade of insurance gives great security to the fortunes of private people, and by dividing among a great many that loss which would ruin an individual, makes it fall light and easy upon the whole society.“ 247 Statt vieler Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, vor § 1 Rn. 5; Präve, VW 2007, 1380, 1381; nicht eindeutig Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 81 Rn. 15. Ausdrücklich Begründung zum VAG 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 25; Erwägungsgrund 13 des Richtlinienvorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit – Solvabilität II, KOM (2007) 361 endg. Zum Rangverhältnis von Funktions- und Gläubigerschutz, siehe unten II.

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rungsaufsicht dient der Wahrnehmung einer Gewährleistungs- und Kontrollverantwortung des Staates und so mittelbar der Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 1 GG249. Ob sich hieraus eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Errichtung bzw. Aufrechterhaltung einer branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht herleiten lässt, muss bezweifelt werden. Denn staatliche Schutzpflichten250 verdichten sich nur in Ausnahmefällen zu einer Verpflichtung des Gesetzgebers, in konkreter Gestalt tätig zu werden251. In Anbetracht der durch die Implikationen des EG-Gesetzgebers perpetuierten Banken- und Versicherungsaufsicht ist eine Diskussion um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit, den Banken- und Versicherungssektor bei Aufgabe der staatlichen Überwachung vollständig zu liberalisieren, allerdings eine rein theoretische. 3. Zusammenfassung Die Wirtschaftsaufsicht soll möglichen oder drohenden Insolvenzen, aber auch bereits Situationen der vorübergehenden Zahlungsschwierigkeit bei den beaufsichtigten Unternehmen entgegenwirken bzw. diese verhindern. Obwohl Insolvenzen aus volkswirtschaftlicher Perspektive durchaus wünschenswert sind, da sie der (Re-)Allokation von Wirtschaftsgütern dienen und unwirtschaftliche Unternehmungen vom Markt ausgesondert werden, gelten diese im Kredit- und Versicherungsgewerbe als besonders schädlich252: „for ordinary businesses, insolvency is viewed as a quasi Darwinian mechanism that improves the health of the corporate herd, but for banks it is viewed as a social desaster“253. Das legitime Ziel der Vermeidung von Zusammenbrüchen ließe sich mittels eines staatlich garantierten Bestandsschutzes lückenlos erreichen. Einer solchen umfassenden Existenzsicherung steht jedoch einer Wettbewerbswirtschaft und den beschriebenen Marktbereinigungsmechanismen diametral entgegen254. Um die eigenverantwort248 Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 51 III. Vgl. zum Risikoausgleichskollektiv der sog. Gefahrengemeinschaft Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, Einl. 2 Rn. 1. 249 Siehe auch BVerwG NJW 1956, 1453 mit der Heranziehung des Sozialstaatsprinzips gem. Art. 20 Abs. 1 GG als Rechtfertigung für einen Eingriff in die Berufsfreiheit von Versicherungsunternehmen. 250 Grundlegend zu den Schutzpflichten BVerfG 39, 1, 36 ff. („Schwangerschaftsabbruch“); siehe auch BVerfG VersR 2005, 1109, 1117 f., 1130; Bähr, VAG im Strukturwandel, S. 274 ff. 251 BVerfGE 77, 170; 92, 26, 46. 252 Für das Versicherungswesen Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 111. 253 Rubin, Chicago-Kent Law Review Vol. 72 (1997), S. 1324 f. 254 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 19.183. Zudem werden so Marktversagensphänomene des „moral hazard“ bei Geschäftsleitern der Unternehmen geför-

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liche unternehmerische Initiative nicht vollständig zum Erliegen zu bringen und eine gesunde Risikobereitschaft zu fördern, ist die Vermeidung von Insolvenzen durch die Wirtschaftsaufsicht daher nicht im Sinne einer Existenzsicherung zu verstehen255. Im Übrigen würde dies auch eine Ungleichbehandlung von Bankeigentümern gegenüber Gesellschaftern in anderen Gewerbezweigen führen, da diese nicht einer Vermögensverlustgefahr ausgesetzt wären256. Thesen, die gar nach einer Verstaatlichung des Bankensektors riefen oder rufen, sollen daher hier nicht aufgegriffen werden257. Wenn die Insolvenz einzelner Bankinstitute bzw. Versicherungsunternehmen nicht verhindert werden kann und soll, so hat die Wirtschaftsaufsicht in diesen Fällen für eine ausreichende Berücksichtigung von Gläubigerinteressen in der Abwicklung Sorge zu tragen258. Obwohl sich keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers für eine staatliche Regulierung im Banken- und Versicherungssektor herleiten lässt und ein Verständnis für die geltende Rechtslage teilweise nur aus historischen Entwicklungen heraus möglich ist, sprechen vor allem gesamtwirtschaftliche und sozialpolitische Motive an einer Funktionsfähigkeit dieser Branchen für eine hinreichende Existenzberechtigung des Aufsichtsrechts259. Im Kreditwesen ist es die Verhinderung von externen Effekten, denen einzelne Institute nicht hinreichend vorbeugen können, die eine staatliche Intervention notwendig macht. Einlagensicherungssysteme als freiheitsgewährendes Minus gegenüber einer Beaufsichtigung der Institute können zwar vertrauensstabilisierend wirken und panikartige Ansteckungseffekte begrenzen, vermögen diese aber nicht zu verhindern260. Kettenreaktionen bei Versicherungsunternehmen konnten bisher nicht beobachtet werden. Die Konsequenzen einer sektorweiten Vertrauenskrise für die Versorgung mit Versicherungsdienstleistungen wären dennoch sozialpolitisch dert. Manager werden verleitet, übermäßige Risiken zur Steigerung der Renditen einzugehen, da Verluste im Falle einer Fehlinvestition kompensiert werden. 255 Schneider, Praxis der Bankenaufsicht, S. 78; Bieg, Bankenaufsicht, S. 34 ff.; Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 23 ff. 256 Welcker, Neuordnung, S. 27. 257 Selbst in den 1970ern wollte man die Diskussion um eine Verstaatlichung des Bankensektors noch führen; vgl. BMF (Hrsg.), Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft, S. 249 ff. 258 Siehe hierzu die Untersuchung von Binder, Bankeninsolvenzen, der eine von dem allgemeinen Insolvenzrecht abweichende Sonderregelung für die Insolvenz von Bankinstituten ablehnt. 259 Vgl. Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Grds. I § 1 Rn. 1; Schulte-Mattler/Traber, Marktrisiko, S. 9 f. 260 Vgl. aber Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 25 Rn. 5. Zu den ökonomischen Nachteilen eines umfassenden Konkurssicherungsfonds im Versicherungswesen siehe Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 112.

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fatal. Neben dieser ökonomischen Rechtfertigung staatlicher Markteingriffe in Form des Wirtschaftsaufsichtsrechts sind aus (verfassungs-)rechtlicher Perspektive keine Einwände vorzubringen261. Im Einzelfall ist jedoch eine gesonderte Betrachtung der entsprechenden aufsichtsrechtlichen Befugnisnormen insbesondere in seiner konkreten Anwendung im Rahmen einer Verwaltungsentscheidung geboten.

II. Das Verhältnis vom Funktions- zum Gläubigerschutz als Ziele des Wirtschaftsaufsichtsrechts für Banken und Versicherungen Funktions- und Gläubigerschutz als Zwecke der Wirtschaftsaufsicht zu identifizieren, bedeutet zunächst keine neuen Erkenntnisse für die Wissenschaft. Beide haben sich als legitime Ziele etabliert und sich auch in ihren jeweiligen gesetzlichen Grundlagen niedergeschlagen. So verpflichtet die zentrale Aufgabennorm262 des Bankenaufsichtsrechts die BaFin, Missständen entgegenzuwirken, die den Kreditinstituten anvertraute Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können (vgl. § 6 KWG). In der Formulierung klingt das Nebeneinander von Elementen des Gläubigerschutzes („anvertraute Vermögenswerte“) sowie des Funktionsschutzes („Nachteile für die Gesamtwirtschaft“) an. Es bleibt dabei allerdings offen, ob der Gläubigerschutz als Individualschutz der einzelnen Gläubiger oder aber der Gläubiger in ihrer Gesamtheit zu verstehen ist. Auch kann dem keine abschließende Aussage über das Verhältnis von Gläubigerschutz und Funktionsschutz zueinander entnommen werden. Beide Fragen, sowohl nach der Gewichtung von Funktionsschutz des jeweiligen Wirtschaftszweigs und Gläubigerschutz, als auch nach individuellem bzw. kollektivem Gläubigerschutz haben Konsequenzen für die Beurteilung der Wirtschaftsaufsicht im Allgemeinen und des aufsichtsbehördlichen Handlungsmaßstabs im Besonderen. Darüber hinaus vermag diese Untersuchung Aufschluss über die – auch nach Einführung der § 6 Abs. 4 KWG a. F., § 81 Abs. 3 VAG a. F., § 4 Abs. 4 FinDAG – streitige Frage nach der Staatshaftung für eine Pflichtverletzung von Seiten der BaFin geben263. 261 Einzelheiten siehe unten § 5 II. 2. a). Zur Verfassungswidrigkeit einer Bedürfnisprüfung als objektive Berufszulassungsschranke siehe Arzt, Die Zulässigkeit der Bedürfnisprüfung. 262 Vgl. allgemein zur Unterscheidung von Aufgabe und Befugnis Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 266 ff. Entgegen § 81 VAG enthält § 6 KWG keine entsprechende generalklauselartige Befugnisnorm, die zu einer allgemeine Missstandsaufsicht berechtigen würde, Dreher, WM 1995, 509, 514 f.

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Das VAG nennt als Aufgaben der BaFin im Rahmen der Versicherungsaufsicht in § 81 Abs. 1 S. 2, auf die „ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten“ sowie auf „die Einhaltung der Gesetze, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gelten“ zu achten. Eine eigenständige Bedeutung im Sinne eines Aufsichtsziels erhält die zuletzt genannte Aufgabe nicht, da sie nur verdeutlicht, dass die aufgestellten Ordnungsregeln als Maßstab für die Handlungsbefugnisse und verpflichtungen der Aufsichtsbehörde gelten264. Ob und inwieweit der Funktionsschutz zum Gegenstand des Versicherungsaufsichtsrechts zählt, wird im Folgenden zu untersuchen sein. 1. Die theoretisch-konzeptionellen Ansätze Eine Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen der Wirtschaftsaufsicht lässt möglicherweise Rückschlüsse auf die oben aufgeworfenen Fragen zu. Die Literatur hierzu, die sich zunächst auf die (länger bestehende) Versicherungsaufsicht bezog, aber später vielfach auf die Bankenaufsicht übertragen wurde, ist fast vollständig ausgewertet worden, so dass es nicht Aufgabe dieser Untersuchung ist, eine Neubewertung der bereits gewonnenen Kenntnisse vorzunehmen265. Sofern die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht eine einheitliche Konzeption erkennen lässt, vermag eine Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen der Wirtschaftsaufsicht Hinweise auf das Verhältnis von Funktions- und Gläubigerschutz liefern. Eine Diskussion kann sich dabei nicht auf formelle Betrachtungen, wie sie etwa die Maßstabs- oder Pflichtentheorie zum Gegenstand hat, beschränken. Dieser Ansatz bedeutet nämlich einen Zirkelschluss für die Ausgangsfrage nach den Zielen der Wirtschaftsaufsicht, da er allein die Forderung beinhaltet, selbstverantwortliches Wirtschaftsverhalten mit den dafür verbindlichen Maßstäben – und das sind eben jene, die in erster Linie durch 263 Jüngst zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit und Europarechtskonformität des § 4 Abs. 4 KWG siehe BGH VersR 2005, 1287 = NJW 2005, 742. Im Vorabentscheidungsverfahren hatte der EuGH befunden, dass eine Beschränkung der Aufsichtstätigkeit von nationalen Behörden ausschließlich in öffentlichem Interesse nicht gegen Richtlinienrecht verstößt, siehe EuGH Rs. C-222/02, Slg. 2004 I-9425 insbes. Rn. 39 f. 264 A. A. Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 81 Rn. 15, der darin bereits explizit das Aufsichtsziel normiert sieht, die Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens sicherzustellen. 265 Siehe die grundlegenden Arbeiten von Ekkehard Stein, Wirtschaftsaufsicht; Starke, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht III, S. 11–144. Ein neuer Überblick findet sich auch bei Bähr, VAG im Strukturwandel, S. 65 ff.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

Aufsichtsrecht aufgestellt werden – in Einklang zu bringen266. Im Ergebnis verschiebt sich allein die Perspektive von der Theorie der Wirtschaftsaufsicht hin zur Theorie des Wirtschaftsaufsichtsrechts. Jenes liegt der Wirtschaftsaufsicht als „Maßstab“ zugrunde und erfordert eine einheitliche Betrachtung267. Erkenntnisse hinsichtlich des Regelungsziels, also dessen inhaltliche Konkretisierung bzw. Auslegung, lassen sich aus diesen formellen Betrachtungen nicht gewinnen, so dass für eine Herausarbeitung der Funktionen branchenspezifischer Regulierung und Überwachung allein materielle Kriterien geeignet sind268. a) Die Gefahren- und Schutztheorie Nach der Gefahrentheorie dient die Wirtschaftsaufsicht der Abwehr von Gefahren im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts269. Um ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde zu gestatten, müssen sich die besonderen Gefahren, die aus der Sonderstellung des Finanzdienstleistungsgewerbes resultieren, konkretisiert haben. Erst wenn der Eintritt eines (Individual-)Schadens hinreichend wahrscheinlich wird, können behördliche Maßnahmen ergriffen werden. Kritische Stimmen halten dieser polizeirechtlichen, engen Auslegung des Gefahrenbegriffs im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht entgegen, dass er Präventivmaßnahmen verbietet, ein Einschreiten erst im Krisenfall ermöglicht und so das erforderliche Vertrauen der Gläubiger nicht ausreichend zu schützen vermag270. Weiterer Kritik sieht sich die Gefahrentheorie ausgesetzt, da die Aufsicht keine Gefahren bekämpfen dürfe, die lediglich der Allgemeinheit drohen271. 266

So aber Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 298 ff., der aber auch eingesteht, dass die Ausprägung der zugrunde liegenden Maßstäbe, die durch das Aufsichtsrecht formuliert werden, verschiedenartige Gestalt annehmen kann. Als problematisch können sich indes nur Konstellationen erweisen, in denen die Aufsichtsbehörde eigene, konkretisierende Maßstäbe aufstellt. Dies hatte aufgrund der bis zum Erlass der Solvabilitätsverordnung geltenden Grundsätze I und II praktische Relevanz. 267 Siehe oben § 3 III. 268 Bieg, Bankbilanzen, S. 68; Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 3 ff. 269 Zum Begriff der Gefahr siehe Di Fabio, Jura 1996, 566; Schoch, in: SchmidtAßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Kapitel 2 Rn. 84 ff.; ders., Jura 2003, 472 ff.; Denninger, in: Lisken/Denninger, Polizeirecht, E Rn. 30 ff. 270 Kritik bei Starke, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht III, S. 58 f.; Steinert, ZGK 1955, 124, 125 f. 271 Roth, Gefahrenvorsorge, S. 13; Peters, in: Festschrift Lehmann, S. 893, 898 f. Siehe aber BGH, WM 1979, 482, 484, der auf die allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätze verweist, nach deren Definition auch der Schutz des Gemeinwesens, insbesondere seiner Normen, zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zählt.

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Obwohl die enge Auslegung des Gefahrenbegriffs, sowohl im Hinblick auf die Präventivwirkung als auch auf die Definition des Schutzgutes, aus rechtssystematischen Erwägungen nicht zwingend notwendig erscheint272, entwickelte sich daraus die Schutztheorie. Zunächst im Rahmen des Versicherungsaufsichtsrechts und erst in späterer analoger Übertragung auf die Bankenaufsicht erweiterte sie die Funktionen, indem sie der Wirtschaftsaufsicht nicht nur die Aufgabe des Kundenschutzes vor unmittelbar bevorstehenden, sondern auch vor möglichen Gefahren zuschreibt273. Sowohl die Gefahren- als auch die Schutztheorie beschränken sich auf die Interessen der Gläubiger, ohne jedoch differenzierte Hinweise hinsichtlich des Rangverhältnis vom Schutz der Einzelnen oder der Gesamtheit der Kunden zu liefern. Ebenso wenig wie gesamtwirtschaftliche Implikationen finden Allgemeinwohlinteressen als Aufsichtsziele Beachtung innerhalb dieser konzeptionellen Ansätze. Für das – nicht nur für die vorliegende Untersuchung bedeutsame – Verhältnis von Gläubiger- und Funktionsschutz sind diese Betrachtungen nicht zielführend. b) Die Struktur- und Funktionsschutztheorie Die späteren Konzeptionen haben sich vor allem im Bereich des Versicherungswesens aufgrund erheblicher Kritik an der Schutztheorie274 entwickelt. Ob die unter anderem daraus entstandene „Strukturtheorie“ ihre Bezeichnung erhalten hat, um die Ursache für das Regelungsbedürfnis in der Struktur der Branche, das Ziel der Regulierung in der Erhaltung der Struktur oder um beide Umstände zu erklären, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Denn zum einen wird die besondere Struktur der Versicherungs- (bzw. Kredit)wirtschaft als Grund für das Bedürfnis nach einer branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht angeführt275 und zum zweiten als Regelungsziel der Wirtschaftsaufsicht benannt, indem sie zur Erhaltung der Struktur dieser Branchen dienen soll. Dass sich das Regelungsbedürfnis aus den strukturellen Besonderheiten der entsprechenden Gewerbezweige ergibt, ist an anderer Stelle bereits de272

Siehe unten § 2 b). Vgl. Goldberg/Müller, VAG, § 1 Rn. 50; Guth, Eingriffsbefugnisse, S. 41; v. Heinemann, Maßnahmen, S. 31; Ipsen, DÖV 1975, 805, 807; Starke, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht III, S. 59 ff.; Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 10. Diese Veränderung von einer klassischen Gefahrenabwehr zu einer Gefahrenvorsorge wird auch unter b) deutlich. 274 Siehe oben a). Die Kritik bezieht sich auf zu hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung und die Begrenzung auf Individualrechtsgüter. 275 Starke, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht III, S. 67. 273

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

tailliert dargelegt worden276. Versicherungs- und Kreditwirtschaft sind daher nicht in der Lage, Fehlentwicklungen eigenständig entgegenzuwirken. Aber nicht nur bei der Ermittlung der Gründe für staatliche Markteingriffe, sondern auch bei der Formulierung von Zielen wird auf den Begriff der Struktur abgestellt. Die Schutzinteressen werden überindividualisiert und von den einzelnen Gläubigern auf den Erhalt der Struktur eines gesamten Wirtschaftszweigs verlagert. Da die Sicherung der Funktionsfähigkeit einer Branche und insbesondere seiner Binnenstruktur kein Selbstzweck sein kann, muss man bei einer präzisen Betrachtung schwerpunktmäßig auf den strukturellen Beitrag des beaufsichtigten Wirtschaftssektors für die Gesamtwirtschaft abstellen. Durch diese Perspektive wird die oben dargestellte Sonderstellung des Banken- und Versicherungswesens und ihre Bedeutung für die Finanzintermediation innerhalb der Volkswirtschaft verdeutlicht. Ähnliche Argumente lassen sich bei Stein zu der von ihm entwickelten Funktionsschutztheorie finden277. Die Wirtschaftsaufsicht habe allein die Beachtung gesamtwirtschaftlich relevanter Belange zum Gegenstand. Hierbei rückt der „Schutz der Funktionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft“278 als Aufsichtsziel in den Vordergrund. Der Erhalt der Funktionsfähigkeit eines einzelnen Wirtschaftszweiges wird dabei fest in seine Bedeutung für die Volkswirtschaft eingebettet. Wenn nach dieser Theorie die Wirtschaftsaufsicht allein auf den Erhalt der Struktur und somit auf die Funktionsfähigkeit dieser Branche abzielt, kann sie keine Aussage über das Ziel des Gläubigerschutzes im Allgemeinen und dessen Verhältnis zum Funktionsschutz im Besonderen treffen. Aus den theoretischen Grundlagen lässt sich daher nicht entnehmen, ob der Gläubigerschutz aus Perspektive des Wirtschaftsaufsichtsrechts lediglich als Reflex gewährleistet wird oder umgekehrt, die Erhaltung der Funktionsfähigkeit (allein) dem Gläubigerschutz zu dienen bestimmt ist279. Im Sinne einer stringenten theoretischen Grundlage erweist sich auch die Funktionsschutztheorie allein als ungeeignet, die Wirtschaftsaufsicht umfassend zu beschreiben. c) Zwischenfazit Die dargestellten Theorien sind nicht imstande, eine einheitliche Konzeption der Wirtschaftsaufsicht zu formulieren, sondern beschreiben lediglich 276

Vgl. zur Sonderstellung der einzelnen Wirtschaftszweige, siehe oben § 5 I. Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 14. 278 Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 26. 279 Für ersteres Niethammer, S. 59; a. A. Bieg, Bankbilanzen, S. 69. Siehe auch Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, vor § 1 Rn. 5. 277

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die Zielsetzungen, wie sie letztlich auch in den zentralen aufsichtsrechtlichen Aufgaben- und Befugnisklauseln des §§ 6 KWG bzw. 81 VAG280 Niederschlag gefunden haben. Dauerhaft ist eine ausreichende Wahrung von Belangen der Versicherungsnehmer und Bankkunden nicht möglich, ohne dass die Funktionsfähigkeit dieser beiden Branchen i. S. d. Strukturtheorie gewährleistet wird281. Aufgrund dessen haben diese theoretischen Grundlagen nur eine geringe Bedeutung für die Beurteilung wirtschaftsaufsichtsrechtlicher Konzeptionen282. Die Gefahrentheorie orientiert sich dabei allein an individual-, also gläubigerschützenden Motiven, ohne dabei zu erwägen, dass durch Krisen in der Kredit- und Versicherungswirtschaft Gefahren für die Gesamtwirtschaft drohen können. Gleichermaßen eindimensional nähern sich die Struktur- und Funktionsschutztheorie der Wirtschaftsaufsicht, ordnen diese ausschließlich gesamtwirtschaftlichen Zwecken zu und blenden dabei Individualinteressen und den Gläubigerschutz aus. Verdeutlicht hat die Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen jedoch die Berechtigung für ein Nebeneinander beider Ziele. Ihr Aussagegehalt für Fragen der Staatshaftung insbesondere nach der Reaktion des Gesetzgeber auf die höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Einführung von § 6 Abs. 4 KWG a. F., § 81 Abs. 3 VAG a. F. bzw. ihrer Nachfolgevorschrift des § 4 Abs. 4 FinDAG und einer möglichen Verfassungswidrigkeit dieser Vorschriften ist allerdings begrenzt. 2. Eine rechtssystematische Einordnung der Wirtschaftsaufsicht Der Nutzen einer rechtssystematischen Einordnung einer Rechtsnorm oder eines Normkomplexes erleichtert das Verständnis für dessen Inhalt. Will man eine Analyse der rechtssystematischen Stellung der Banken- und Versicherungsaufsicht vornehmen, so ist vor allem auf ihren Charakter als „Wirtschaftsaufsicht“ einzugehen. Bisher haben es der Gesetzgeber, das Schrifttum sowie die Verwaltungspraxis dabei nicht vermocht, den Bereich der Wirtschaftsaufsicht klar zu umreißen und im Hinblick auf Inhalt und Reichweite zu definieren283. Das Fehlen einer inhaltlichen Präzisierung, losgelöst von den einzelnen beaufsichtigten Bereichen, ist auf den hohen Spezifikationsgrad der unterschiedlichen zugrunde liegenden Normenkomplexe 280 Ausdrücklich enthält § 81 VAG nur das Aufsichtsziel der „Wahrung der Belange der Versicherten“, siehe oben II., insbes. Fn. 254. 281 Hübner, in: Festschrift Stern, S. 967, 973. Barbey, VersR 1985, 101, 107. Zur „dualistischen Theorie“ siehe Weber, ZVersWiss 1968, 227, 241 ff. 282 Vgl. Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 81 Rn. 15. 283 So auch Stober, in: Pitschas, Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 23; Kahl, Staatsaufsicht, S. 362.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

zurückzuführen. Daran vermag auch die Integration im Bereich der Finanzdienstleistungsaufsicht nichts zu ändern, da diese nicht etwa zu einer materiellrechtlichen Angleichung der Teilbereiche der Banken- und Versicherungsaufsicht, sondern allein zu einer organisatorischen Zusammenlegung geführt hat284. Anhand der rechtssystematischen Stellung der Wirtschaftsaufsicht lässt sich zudem die Abgrenzung zwischen ordnungs- und ablaufpolitischen Instrumenten vornehmen sowie die für die Unternehmensleitung relevante Frage beantworten, ob die aufsichtsrechtlichen Vorschriften lediglich eine Grundlage für rein ordnenden oder aber für lenkende staatliche Eingriffe in die Geschäftspolitik der beaufsichtigten Subjekte bildet. Der Umfang und die Reichweite der hoheitlichen Befugnisse stehen in Abhängigkeit zu den oben aufgeworfenen Fragen und liefern so Aufschluss über den Beitrag der Wirtschaftsaufsicht für eine gute Corporate Governance. a) Die Einordnung der Wirtschaftsaufsicht in die Wirtschaftsverfassung Wirtschaftsverfassung im normativen Sinne beschreibt die Gesamtheit der Verfassungsnormen, die wesentlich für Organisation und Ablauf des wirtschaftlichen Prozesses maßgeblich sind285. Zunächst bilden die subjektiv-rechtlich verbrieften Grundrechte aus Perspektive der beaufsichtigten Unternehmen den Maßstab für die staatlichen Eingriffe. An eine Ermittlung der Reichweite der wirtschaftlichen Grundrechte knüpft die Frage an, ob die „Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes“ eine prinzipielle Entscheidung über eine bestimmte Wirtschaftsordnung getroffen hat und eine solche objektiv-rechtlich von der Verfassung geboten ist. aa) Grundrechtliche Abwehransprüche der beaufsichtigten Wirtschaftssubjekte Die gesetzlichen und behördlichen Eingriffe im Rahmen der Wirtschaftsaufsicht müssen sich in die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes einbetten lassen286. Den Maßstab für eine Beschränkung der Gewerbefreiheit als eine besondere Ausformung der grundrechtlich verbrieften 284

Siehe oben § 3 I. Badura, Wirtschaftsverfassung, Rn. 14. 286 So betont das BAG, NVwZ 1999, 917, dass Mittel staatlichen Zugriffs und Zwanges kennzeichnend für die ordnungsbehördlichen Funktionen des Bundesamtes für das Kreditwesen sei und es sich demnach um Eingriffsverwaltung handele. 285

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Berufsfreiheit muss daher Art. 12 GG in Zusammenhang mit dem rechtsstaatlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bilden287. Das Grundrecht der Berufsfreiheit schützt dabei nicht nur die Wahl des Berufes, etwa des Bankiers oder des Versicherers, sondern auch die Ausübung desselben288. Für die beaufsichtigten Unternehmen gelten die Grundrechte gem. Art. 19 Abs. 3 GG in wesensgemäßer Anwendung. Wird die grundsätzlich freie und eigenverantwortliche wirtschaftliche Betätigung von staatlicher Seite beschränkt, so ist diese Beschränkung verfassungsrechtlich zu legitimieren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zur Berufsfreiheit anhand der sog. „Drei-Stufen-Theorie“ differenzierte Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen in dieses Grundrecht entwickelt289. Präventive Verbote für den Geschäftsbetrieb mit Erlaubnisvorbehalt, wie sie Versicherungs- und Bankenaufsichtsrecht vorsehen, knüpfen an persönliche Eigenschaften der Antragsteller an und stellen eine subjektive Berufszugangsvoraussetzung dar290. Ein funktionstüchtiges Bank- und Versicherungswesen verdient aufgrund seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung Anerkennung als wichtiges Gemeinschaftsgut, die eine Konzessionierung rechtfertigt291. Für die aufsichtsrechtlichen Maßstabsnormen, wie etwa Anforderungen an die Liquidität und Eigenkapitalausstattung der Unternehmen, gelten als reine Berufsausübungsregelungen geringere Rechfertigungsvoraussetzungen. Verfassungsrechtlich begegnet das Aufsichtsrecht im Grundsatz keinen Bedenken. Vielmehr dient die hoheitliche Überwachung der Wirtschaftstätigkeit Privater als Korrektiv der Gewerbefreiheit in einem hierarchisch organisierten Staatssystem292.

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Näheres zum Grundrechtsschutz gegenüber wirtschaftsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen bei Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, §§ 18 ff. Auch Aspekte der Eigentumsfreiheit gem. Art. 14 GG können in eine Gesamtschau einbezogen werden, die sich unter den Stichworten der „Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit“ zusammenfassen lassen, vgl. Hübner, in: Festschrift Stern, S. 697, 673. 288 Einzelheiten zur Berufsfreiheit siehe Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 21. 289 Erstmals BVerfGE 7, 377, 401, 405 ff. („Apothekenurteil“). Zu beobachten sind Aufweichungstendenzen einer stringent dreistufigen Prüfung und eine Entwicklung zu einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung, BVerfGE 46, 120, 145 ff. („Direktruf“); 104, 357, 364 („Apothekenöffnungszeiten“). Vgl. hierzu Tettinger/ Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 100 ff. 290 Zu der Differenzierung zwischen Berufsausübungsregelungen, objektiven und subjektiven Berufszugangsregelungen siehe Tettinger/Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 56 ff. 291 Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 50 IV 1. 292 Stober, in: Pitschas, Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 34; Kahl, Staatsaufsicht, S. 378.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

bb) Die Wirtschaftsverfassung im engeren Sinne Sofern die geltende Verfassungslage überhaupt Raum für einen eigenen Rechtsbegriff der „Wirtschaftsverfassung“ bietet, verbleibt zu fragen, ob diese Maßstäbe konkrete Vorgaben für die rechtssystematische Auslegung der Wirtschaftsaufsicht bieten. In Anlehnung an die maßgebliche Investitionshilfeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die „wirtschaftspolitische Neutralität“ des Grundgesetzes nahezu unbestritten293. Der Verfassungsgeber hat demnach keine bestimmte Wirtschaftsordnung vorgegeben und es liegt im Verantwortungsbereich des einfachen Gesetzgebers über die wirtschaftspolitische Ausrichtung zu befinden. Auch wenn die Verfassungswirklichkeit die Festlegung auf die sog. „soziale Marktwirtschaft“ und die Steuerung mit marktkonformen Mitteln nahe legt, ist diese verfassungsrechtlich „keineswegs die allein mögliche“294. Im Rahmen der so eingeräumten Gestaltungsfreiheit kann der Gesetzgeber innerhalb der von den Grundrechten aufgezeigten Grenzen und Aufgabennormen mit Staatszielbestimmungen über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügen295. Das branchenspezifische Wirtschaftsaufsichtsrecht fügt sich auch aus sozialstaatlich motivierten Gründen problemlos in das ohnehin lose Koordinatensystem der „Wirtschaftsverfassung“ des Grundgesetzes ein. Zu überdenken sind diese, über Jahrzehnte gefestigten Grundsätze möglicherweise durch eine andere Färbung im Rahmen der europäischen Integration. Im Gegensatz zur Neutralität des Grundgesetzes bekennt sich die Europäische Union ausdrücklich zu den Grundsätzen einer offenen Marktwirtschaft (vgl. Art. 2 EU; Artt. 4 Abs. 1, 81 ff. EG)296. In Verbindung mit dem prinzipiellen Vorrang des Gemeinschaftsrechts, der trotz seiner seit jeher umstrittenen dogmatischen Herleitung297 nahezu unwidersprochen Anwendung findet, muss dieses Bekenntnis konsequenterweise auch Auswirkungen auf das geltende Verfassungsrecht haben. Dass es in dieser Frage zum Schwur kommen wird, ist aufgrund des rechtstatsächlichen Befundes 293 Das BVerfG betont, dass das Grundgesetz kein bestimmtes Wirtschaftssystem festlegt,. BVerfGE 4, 7 ff. Vgl. hierzu Ipsen, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 43; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 20 ff. 294 So BVerfGE 4, 7, 18; 7, 377, 400; 50, 290, 336 ff. („Mitbestimmung“). 295 Vgl. Badura/Huber, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Kapitel 3 Rn. 19; Huber, in: Festschrift Stern, S. 967, 969 f.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), GVwR I, § 5 Rn. 92. 296 Badura/Huber, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Kapitel 3 Rn. 26. 297 Vgl. aus EG-rechtlicher Sicht nur die Grundsatzentscheidung des EuGH, Slg. 1965, 1251 („Costa/Enel“). Aus verfassungsrechtlicher Perspektive siehe BVerfGE 73, 339 („Solange II“); 89, 155 („Maastricht“).

§ 5 Die Funktion und Legitimation der Wirtschaftsaufsicht

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der vorherrschenden marktwirtschaftlichen Grundsätze in der Bundesrepublik sowie der vorangeschrittenen Harmonisierung des europäischen Sekundärrechts im Bereich der Banken- und Versicherungsaufsicht jedoch mehr als unwahrscheinlich. Jedenfalls ist festzuhalten, dass die geltende Wirtschaftsverfassung keine konkreten Vorgaben für eine rechtssystematische Interpretation des branchenspezifischen Wirtschaftsaufsichtsrechts beinhalten. Ob einzelne Regelungen bzw. deren behördlicher Vollzug mit dem Grundgesetz vereinbar sind, ist eine andere Frage und unterliegt einer Einzelfallbetrachtung. b) Wirtschaftsaufsichts- und Wirtschaftsverwaltungsrecht (Gewerbepolizei- und Wirtschaftslenkungsrecht) Wirtschaftsverwaltungsrecht gilt als die Gesamtheit der Rechtsnormen, Rechtsinstitutionen und Rechtshandlungen, auf deren Grundlage, mit deren Hilfe oder durch deren Vollzug die Staats- oder Selbstverwaltung entweder in die Privatwirtschaft gestaltend eingreift oder unmittelbar wirtschaftlich tätig wird298. Gegenstand der Wirtschaftsaufsicht ist die behördliche, also staatliche Aufsicht über Wirtschaftssubjekte und stellt so einen Ausschnitt des Wirtschaftsverwaltungsrechts dar. Noch allgemeiner lässt sich die Wirtschaftsaufsicht als Teilbereich des (öffentlich-rechtlichen) Wirtschaftsrechts einordnen299. Wirtschaftsaufsicht und Wirtschaftslenkung werden regelmäßig als sich widersprechende Begriffspaare des Wirtschaftsverwaltungsrechts dargestellt300. Wirtschaftslenkung soll dabei auf gesamtwirtschaftliche Größen bezogen sein und deshalb nur außerhalb eines unmittelbaren Verhältnisses zwischen Behörde und Wirtschaftssubjekt erfolgen, während die Wirtschaftsaufsicht gerade auf dieser Beziehung fußt301. Kennzeichen der Wirtschaftslenkung im engeren Sinne sind Maßnahmen, die „zum Zweck der Bedarfsdeckung planend und bestimmend auf die Erzeugung und den Absatz wirtschaftlicher Güter, sowie auf den Verbrauch unmittelbar oder mittelbar [einwirken]“ und dabei auf die unternehmerischen Entscheidungen Einfluss 298

Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 47 ff.; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 2 Rn. 2 ff.; Fikentscher, Wirtschaftsrecht I, S. 40 ff. Die Zuordnung zum öffentlichen Recht hat zur Folge, dass hoheitliche Rechtsakte verfassungs- und verfahrensrechtlichen Anforderungen genügen müssen. Überdies stehen gem. § 40 Abs. 1 VwGO die Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Verfügung. 299 Vgl. Rittner, Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 36 ff., 49, 62; Schwark, Anlegerschutz, S. 39 ff.; Filipova, Integrated Financial Supervision, S. 77. 300 Statt vieler Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 2 Rn. 2 ff. 301 Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 66.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

nehmen302. Demgegenüber soll die Wirtschaftsaufsicht Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und Folgen der wirtschaftlichen Tätigkeit, die typischerweise für das Publikum oder die Kunden aufgrund eines Fehlverhaltens resultieren können, durch geeignete staatliche Maßnahmen verhindern. Ob es sich bei dem genannten Begriffspaar um einen unauflöslichen Widerspruch handelt und ob sich eine eindeutige Zuordnung der Banken- und Versicherungsaufsicht vornehmen lässt, wird im Folgenden näher untersucht. aa) Gefahrenabwehr, Gewerbepolizeirecht und die „Entpolizeilichung“ In seiner Tradition hat sich das Wirtschaftsaufsichtsrecht aus dem Gewerbepolizeirecht entwickelt. Hiernach geht es um die Funktion der öffentlichen Verwaltung, aus dem Wirtschaftsverkehr stammende Gefahren abzuwehren, die sowohl für die Allgemeinheit als auf für Einzelne drohen303. Bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts löste sich die staatliche Überwachung von gewerblichen Unternehmen vom allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht und behauptet bis heute eine dogmatische Eigenständigkeit304. Verschiedene Stimmen in der Literatur haben diese Veränderung unter dem Stichwort „Entpolizeilichung“ des Wirtschaftsaufsichtsrechts aufgegriffen und halten aufgrund eines modernen Staatsverständnisses die Begrifflichkeit der „Wirtschaftsüberwachung“305 für vorzugswürdig306. Unabhängig von dieser terminologischen Abweichung lassen sich Modifizierungen des modernen Wirtschaftsaufsichtsrechts gegenüber dem Polizei- und Ordnungsrecht einerseits sowie gegenüber dem allgemeinen Gewerberecht 302 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht II, S. 197; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 2 Rn. 2 ff. 303 Gramlich, in: Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5 Rn. 31; Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 50 I 1, § 51 I 1; Hübner, in: Festschrift Stern, S. 967, 974. 304 Vgl. hierzu Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 124 f.; anschaulich: BVerwG, NJW 1977, 772, 773; BVerfGE 41, 344, 355, die von „besonderem Ordnungsrecht“ bzw. „Sonderordnungsrecht“ sprechen. 305 Ursprünglich ist der Begriff der Überwachung zurückzuführen auf Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, S. 101; aufgegriffen von: Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, insbes. S. 119 ff., 331 ff.; Badura/Huber, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Kap. Rn. 79; Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 50 I 1. 306 Ausführlich siehe oben § 3 II. Hierzu Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 46 ff.; übersichtlich zur Abkehr vom „ius supremae inspectionis“ und einer „Untertanenaufsicht“ Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 275 ff.; vgl. zum Wandel des Polizeibegriffs Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 2. Zur Begriffsbestimmung der Wirtschaftsaufsicht, siehe unten § 5 II. 2. c).

§ 5 Die Funktion und Legitimation der Wirtschaftsaufsicht

229

andererseits finden. Im Wesentlichen können wir dies an drei Gesichtspunkten festmachen. Zum einen hat sich – in formeller Hinsicht – die Zuständigkeit von den allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden zu Sonder„polizei“behörden verschoben. Im Bereich des Kredit- und Versicherungswesens zeigte sich diese organisatorische Verselbstständigung zunächst mit der Errichtung der Aufsichtsämter und später der integrierten Finanzdienstleistungsaufsicht durch die Zusammenlegung der bisherigen Behörden und gleichzeitiger Gründung der BaFin307. Als bedeutsamer erweist sich zum zweiten – in materieller Hinsicht – die Lösung vom Gefahrenbegriff im allgemeinen polizeirechtlichen Verständnis. Die „entfernte“ oder „abgeschwächte“ polizeiliche „Gewalt“308 in Form von Eingriffen in die Rechte der beaufsichtigten Wirtschaftssubjekte korrespondiert mit der Herabsetzung der Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Schadenseintritts und hat sich so zu einem eigenständigen gewerbepolizeilichen Gefahrenbegriff entwickelt. Im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht verdeutlicht sich dies durch die Verwendung des Begriffs „Missstand“, der bereits einen behördlichen Eingriff rechtfertigt und nicht erst zur „Gefahr“ im herkömmlichen Sinne reifen muss309. Im Schwerpunkt setzt die Wirtschaftsaufsicht demnach bereits bei der Gefahrenvorsorge an. Dies allein bedeutet jedoch nicht die Abkehr, sondern lediglich die Modifizierung von den Grundprinzipien einer ursprünglich erst zu einem späteren Zeitpunkt eingreifenden Gewerbeaufsicht. Insbesondere sind Verweise auf die präventive Funktion der Wirtschaftsaufsicht nicht hilfreich, da auch – im klassischen Verständnis – Gefahrenabwehr grundsätzlich als präventive Tätigkeit gilt und den repressiven Verwaltungsbefugnissen, etwa im Bereich der strafverfolgungsbehördlichen Hilfefunktion, gegenübergestellt wird310. Dass die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht ihren ursprünglichen Charakter als Gefahrenabwehr nicht verloren hat und dass Gefahrenvorsorge nicht als aliud gegenüber der Gefahrenabwehr zu verstehen ist, verdeutlicht die Auslegung der zentralen präventivrechtlichen Vorschriften der Banken- und Versicherungsaufsicht. Eine weitere Akzentverschiebung entsteht durch die schwerpunktmäßige Ausrichtung der Wirtschaftsaufsicht an gesamtwirtschaftlichen Maßstäben. Die „öffentliche Si307 Vgl. zu der Entwicklung der aufsichtsbehördlichen Organisation im Bereich der Banken- und Versicherungsaufsicht, siehe oben § 3 I. 308 So die Begriffe bei Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 240. 309 Gramlich, in: Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5 Rn. 31; ders., in: Pitschas, Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 318; ähnlich Stober, in: Pitschas, Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 28. 310 Schoch, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Kapitel 2 Rn. 8 ff.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

cherheit und Ordnung“ als klassische Schutzgüter des Polizeirechts werden nicht mehr nur allein im Geiste der Einleger und Versicherungsnehmer verstanden. Vielmehr dienen diese Vorschriften auch volkswirtschaftlichen Zielen, wie etwa der Sicherung des Finanzsektors oder der Versicherungswirtschaft. Nur so lassen sich aufsichtsrechtliche Vorschriften, die auf den ersten Blick als unvereinbar mit dem Gefüge einer allein von Konkurrenz und Nachfrage bestimmten Wirtschaft erscheinen, verstehen311. Die laufende Überwachung der Versicherungsunternehmen und Bankinstitute geht demnach weit über die Gewerbeaufsicht anderer Branchen hinaus312 und rechtfertigt so eine rechtssystematische Zuordnung zum Wirtschaftsaufsichtsrecht oder, noch allgemeiner, zum Wirtschaftsrecht313. Als dritter Gesichtspunkt muss hervorgehoben werden, dass die der Versicherungs- bzw. Bankenaufsicht zugrunde liegenden Normwerke des VAG und KWG sowie ihre Ausführungsbestimmungen selbst qualitative und quantitative Maßstäbe setzen, an die sich die Geschäftsleitungen zu halten haben. Die Einhaltung dieser Vorgaben wiederum wird dann behördlich überwacht. Das Vorliegen einer abstrakten Gefahr, also einem Sachverhalt, der typischerweise in einen Schadensfall einmündet, mag zwar keine hinreichende Grundlage für ein behördliches Einschreiten darstellen, kann durchaus den Gegenstand für abstrakt-generelle Abwehrmaßnahmen bilden314. Dementsprechend hat der Gesetzgeber beispielsweise mit qualifizierten Anforderungen an die Liquidität und die Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute reagiert. Mit Hilfe dieser „Strukturnormen“ werden Banken zu einem sorgfältigen Umgang mit den ihnen anvertrauten Finanzmitteln gezwungen. Eine (konkrete) Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, zu deren geschützten Rechtsgütern neben subjektiven Individualgütern die objektive Rechtsordnung zählt, liegt also im rechtstechnischen Sinne bereits dann vor, wenn ein Verstoß gegen die Struktur- und Ordnungsvorschriften (z. B. die §§ 10 ff. KWG) eingetreten oder ein solcher hinreichend wahrscheinlich ist315. Mit der Normierung von Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen 311

Gesamtwirtschaftliche Motivationen lassen sich auch an anderer Stelle der Gesetzgebung erkennen. So bezweckte die Einführung der Genehmigung für Schuldverschreibungen in § 795 BGB a. F. b neben dem Schutz des Publikums vor Ausbeutung auch die Verhütung von Störungen des Staatskredites und der Währung, vgl. Motive II zu § 701, S. 716–721. 312 Bereits in der Gesetzesbegründung zum VAG 1901 wurden die Unterschiede des Versicherungsgewerbes zu den anderen Gewerbebetrieben ausdrücklich betont, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 19. 313 Schwark, Anlegerschutz, S. 247, 278 f.; Einzelheiten siehe unten c). 314 Starke, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht I, S. 73, 75; Ipsen, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 394.

§ 5 Die Funktion und Legitimation der Wirtschaftsaufsicht

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hat der Gesetzgeber Standards gesetzt, deren Nichteinhaltung aufsichtsseitiges Einschreiten ermöglicht (Prinzip der Normgewährleistung)316. Da Liquiditätsengpässe und eine zu geringe Haftungsreserve als Ursachen für unerwünschte Entwicklungen im Bank- und Versicherungssektor identifiziert worden sind, sollen mit diesen präventiven Solvabilitätsstandards die Funktionsfähigkeit und die Kunden unmittelbar gefährdende Situationen – sprich Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – bereits im Vorfeld verhindert werden. Entscheidende Charakteristika der Wirtschaftsaufsicht sind ihre gesamtwirtschaftliche Orientierung sowie ihre Ausgestaltung als laufende Überwachung, die es verbieten, den Gegenstand allein auf gewerbepolizeiliche Aufgaben im klassischen Sinne zu reduzieren317. In Übereinstimmung mit der Ausgangsfrage nach der Funktion der Wirtschaftsaufsicht im Allgemeinen und der Finanzdienstleistungsaufsicht im Besonderen ist der Funktionsschutz in verschiedenen Facetten zum Ausdruck gebracht worden318. Bereits der Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages erkannte bei den Beratungen zum KWG von 1961 die Bedeutung eines einheitlichen, vom einzelnen Kreditinstitut losgelösten Aufsichtsrechts319. Gegenüber dem im Ansatz liberalen Gewerberecht rechtfertigen überindividuelle, volkswirtschaftliche Interessen die Regelungen des Wirtschaftsrechts und bedeuten so die Abkehr vom herkömmlichen Polizeibegriff.

315 Vgl. die Sonderermächtigung des § 45 KWG, der es der Bundesanstalt bei Unterschreiten der Anforderungen an die Kapitalausstattung und Liquidität gestattet, Ausschüttungen oder die Vergabe von Krediten zu unterbinden. Einzelheiten zum Ermessenspielraum der BaFin und den Handlungsinstrumentarien, siehe Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 45 Rn. 15 ff. 316 Möschel, Wirtschaftsrecht, S. 235 ff. 317 Schwark, Anlegerschutz, S. 64 ff., S. 68; S. 247; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 28; Niethammer, Ziele der Bankenaufsicht, S. 79; Kahl, Staatsaufsicht, S. 379 (sachspezifische Schutzgüter außerhalb des Schutzes Einzelner bzw. der Allgemeinheit vor Gefahren). Zum Wirtschaftsaufsichtsrecht als Bestandteil des Wirtschaftsrechts, siehe unten c). 318 Siehe oben § 5 II. 319 „Die Aufsicht über das Kreditgewerbe verlangt einen höheren Grad von Einheitlichkeit als die Aufsicht über manche anderen Gewerbezweige. Das Kreditwesen bildet einen einheitlichen wirtschaftlichen Organismus in der Volkswirtschaft. Dieser Sonderlage muss die Aufsicht Rechnung tragen. Sie darf auch bei der Aufsicht über das einzelne Institut nicht den Blick für das Ganze verlieren.“ BT-Drucks. 3/2563, S. 5.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

bb) Die unterschiedlichen Regulierungsansätze – Wirtschaftslenkung im Bereich der Finanzdienstleistungsaufsicht Mit der Zuordnung der Banken- und Versicherungsaufsicht in den Bereich der Wirtschaftsaufsicht scheint eine klare Antwort darauf gegeben zu sein, ob der Finanzdienstleistung eine Lenkungsfunktion zugesprochen werden kann. Denn viele halten das Begriffspaar „Wirtschaftsaufsicht“ und „Wirtschaftslenkung“ für einen antipodischen Gegensatz, wonach der gewerbe- und wirtschaftspolizeiliche Charakter der Wirtschaftsaufsicht eine wirtschaftslenkende Funktion per se ausschließe320. Bei der Lenkung gehe es um die vorgängig-offensive und generelle Setzung von Rechtmäßigkeitsoder Zweckmäßigkeitsmaßstäben durch Lenkungsinstrumente der Normsetzung321. Demgegenüber diene die Aufsicht der nachgängig-defensiven und punktuellen Überprüfung der Verwirklichung präfixierter Maßstäbe und einer etwaigen Korrektur hierbei ermittelter Defizite322. Kurzum: Aufsicht und Gesetzgebung sind zweierlei. Die Trennung von Wirtschaftsaufsicht und -lenkung ist aber nicht impermeabel, wenn aufsichtsrechtliche Vorschriften oder Maßnahmen zu einer Regulierung unternehmerischer Entscheidungen führen323. Maßgeblich hängt die Beurteilung der Lenkungswirkung von ihrer begrifflichen und inhaltlichen Definition ab. Wie stark die Vorschriften des VAG und des KWG im Detail auf die geschäftliche Betätigung der Kredit- bzw. Versicherungsunternehmen Einfluss nehmen, wird in § 6 ausführlich dargestellt. In Übereinstimmung mit der Struktur- oder Funktionsschutztheorie wirkt die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht durch die Setzung von Verhaltensmaßstäben (auch) lenkend auf die Unternehmenspolitik324. Das Aufsichtsrecht bedient sich zwar überwiegend ordnungspolitischer Maßnahmen325, 320 So z. B. Schmidt, in: Prölss, VAG, Vorbem. Rn. 110; Mösbauer, Staatsaufsicht, S. 714; Schmidt, Wirtschaftsrecht AT, § 10 I; Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 36, 39; a. A. Brohm, Wirtschaftsverwaltung, S. 207 f.; Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 115; Krüger, Staatslehre, S. 558 f. die von einer Einheitlichkeit der Begriffe ausgehen. 321 Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 287; Tettinger, Rechtsanwendung, S. 251 ff.; Mösbauer, Staatsaufsicht, S. 714. 322 Kahl, Staatsaufsicht, S. 358 f. 323 Badura, in: v. Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 308; Ipsen, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 10; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 2 Rn. 5; a. A. Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 286 ff. Ein weites Verständnis von Wirtschaftslenkung finden wir auch bei Kluth, ZHR 162 (1998), 657, 660 der hierunter die gesetzgeberische Tätigkeit versteht, „die aus rein ökonomischen Gründen auf Korrekturen der vorgegebenen Marktstrukturen abzielt“. 324 Vgl. Ipsen, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 9 f.; Kluth, ZHR 162 (1998), 657, 661; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 53.

§ 5 Die Funktion und Legitimation der Wirtschaftsaufsicht

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vermag aber insbesondere im Rahmen von verwaltungsrechtlichen Ermessensspielräumen der Aufsichtsbehörde prozesspolitisch auf den Markt einzuwirken. Diese Loslösung von einer stringenten Kategorisierung stimmt mit dem, sich in den Verwaltungswissenschaften etablierenden Begriff der „Regulierung“ überein, worunter jede gewollte staatliche Beeinflussung gesellschaftlicher Prozesse gefasst wird, die einen spezifischen Ordnungsweck verfolgt326. Als rechtliche Kategorie eignet sich die Trennung bzw. Gegenüberstellung von Aufsicht und Lenkung nicht. c) Zusammenfassende Betrachtung unter Berücksichtigung der rechtssystematischen Stellung der Wirtschaftsaufsicht als Element des Wirtschaftsrechts Mit der Veränderung eines verfassungsrechtlichen Verständnisses von privatautonomer Wirtschaftsfreiheit und der Verantwortung des Staates für soziale Gerechtigkeit hat sich das Wirtschaftsrecht als eigenständige Disziplin mit definierbaren Systemelementen immer mehr herausgebildet327. Hierunter sind alle Rechtsnormen zu verstehen, die zur Verwirklichung der gesamtwirtschaftlichen Ordnung dienen328. Durch eine Verschiebung der Wertungszusammenhänge vermag es, die herkömmlichen Grenzen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht zu überwinden. Aufgrund ihrer gesamtwirtschaftlichen Implikationen und wirtschaftspolitischer Zielbestimmung gilt diese Perspektive auch für die Banken- und Versicherungsaufsicht als branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, die sich immer mehr von ihren polizeirechtlichen Ursprüngen gelöst hat329. Der Beitrag des Aufsichtsrechts für die Stabilität volkswirtschaftlich bedeutsamer Sektoren begründet die rechtssystematische Zuordnung zum Gebiet des Wirtschaftsrechts. Zu beachten ist jedoch, dass Gesichtspunkte des Funktionsschutzes im Versicherungsaufsichtsrecht nach überwiegender Auffassung als „Subziel“ gegenüber der sozialpolitisch motivierten Wahrung von Versichertenbelangen gel325 Ausdrücklich von der Wirtschaftsaufsicht muss die Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs und die Schaffung von Finanzierungsmöglichkeiten ausgeklammert bleiben, da diese Aufgaben der Deutschen Bundesbank als Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken obliegt, vgl. Bieg, Bankbilanzen, S. 37 f., dort Fn. 214. Zu den Aufgaben der Bundesbank siehe § 3 BundesBankG. 326 Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Vosskuhle (Hrsg.), GVwR I, § 19 Rn. 5 ff. 327 Vgl. Badura/Huber, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Kapitel Rn. 1; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 6 ff. 328 Grundlegend Rittner, Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 42; Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, S. 3. 329 Ipsen, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 11; Schwark, Anlegerschutz, S. 68.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

ten330. Beide Zwecke werden im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht mit spiegelbildlich umgekehrten Schwerpunkten verfolgt331. Dennoch lässt die Interpretation des Versichertenschutzes als „Gesamtheit der Versicherten“ bereits auf überindividuelle Interessen schließen, so dass weitere Argumente die Erkenntnis stützen, dass sich Funktions- und Gläubigerschutz wechselseitig bedingen332. Daher gilt es, aufsichtsrechtliche Vorschriften unter Berücksichtigung ihrer gesamtwirtschaftlichen Funktion und ihrer jeweiligen Gewichtung zu interpretieren. Unabhängig von der systematischen Einordnung verliert das branchenspezifische Wirtschaftsaufsichtsrecht dennoch nicht den Charakter als Wirtschaftsverwaltungsrecht333. Unmittelbar aus dieser Erkenntnis folgt, dass Maßnahmen der Aufsicht als „Öffentliches Wirtschaftsrecht“ mit Rücksicht auf rechtsstaatliche Grundsätze zu bewerten sind. Die Belange der beaufsichtigten Rechtssubjekte sind als Ausdruck dessen unter Berücksichtigung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften zu gewährleisten und ggf. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchzusetzen (vgl. § 40 VwGO). Behördliche Ermessenspielräume, eine Begrenzung der Wirksamkeit von Rechtsmitteln durch Versagen der aufschiebenden Wirkung und Berücksichtigung von wirtschaftlichen Grundrechten bilden nicht nur ökonomische Kategorien in Gestalt von staatlichen Eingriffen in Marktabläufe, sondern vor allem auch rechtliche Maßstäbe.

§ 6 Die Modifikation des Corporate Governance-Rahmens durch materielle Verhaltensanforderungen und hoheitliche Rechtsdurchsetzung im Wirtschaftsaufsichtsrecht Zunächst liegt eine zweigeteilte Analyse des Versicherungs- und Bankenaufsichtsrechts nahe, die an die oben getroffene Einteilung in materielles Aufsichtsrecht als die Summe der vorgegebenen Verhaltensmaßstäbe [s. unten II.] und formelles Aufsichtsrecht als die Gesamtheit der Befugnisnormen [s. unten III.] anknüpft. Die Intensität der aufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnisse steht dabei in Abhängigkeit zu der wirtschaftlichen Verfassung des beaufsichtigten Unternehmens. So lässt sich die Reichweite der 330 Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, vor § 1 Rn. 5; Knauth, ZVersWiss 1996, 232, 234; Schmidt, in: Prölss, VAG, 11. Auflage, Vorbem. Rn. 110. 331 Bürkle, WM 2005, 1496, 1500. Siehe aber auch zu einer allmählichen Verschiebung der Schwerpunkte im Rahmen der Allfinanzaufsicht Präve, VW 2007, 1380, 1381. 332 s. bereits oben II. 1. c). 333 Vgl. nur Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 17 f.

§ 6 Die Modifikation des Corporate Governance-Rahmens

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Banken- und Versicherungsaufsicht daran messen, ob es sich um die laufende Überwachung eines Unternehmens in einer ökonomisch stabilen Situation oder aber um Maßnahmen in einer Krisensituation handelt334. Mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens wachsen die Kompetenzen des Bundesaufsichtsamtes und gestatten mitunter Eingriffe in Entscheidungen, die üblicherweise der Geschäftsleitung obliegen335. Die Sonderregeln für die Phase der Gründung, also dem Zeitpunkt bevor die laufende Überwachung beginnt, spielen nur eine untergeordnete Rolle. Auszunehmen hiervon ist die Konzessionspflicht bei Aufnahme des Geschäftsbetriebes. An diese Zulassung knüpft sich die laufende Überwachung an. Der Schwerpunkt der nachfolgenden differenzierten Betrachtung von einzelnen Befugnissen des Bundesamtes liegt darin, die Modifikation von den allgemeinverbindlichen Vorgaben des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts durch die Sondervorschriften des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts zu durchleuchten, die möglicherweise eine „Schrittmacherfunktion des Aufsichtsrechts“336 begründen können. Als Vorfrage wird die Wirkungsweise im Hinblick auf die Corporate Governance erläutert [s. unten I.].

I. Die interne Corporate Governance als Anknüpfungspunkt des Wirtschaftsaufsichtsrechts 1. Die Rechtsform- und Tätigkeitskontrolle im Wirtschaftsaufsichtsrecht Hoheitliche Kontrolle kann sich zum einen auf die Errichtung des Unternehmensträgers (Rechtsformkontrolle) und zum anderen auf die Tätigkeit des Unternehmens (Tätigkeitskontrolle) beziehen337. Die erstere Form von staatlicher Aufsicht kann man an dem Beispiel der Aktienrechtsgeschichte erkennen, in welcher die Erlangung der Rechtspersönlichkeit in einem formellen Verfahren zunächst von einer hoheitlichen Octroi, später von einer behördlichen Genehmigung und nach dem Übergang zum Normativsystem nur noch von der registerrechtlichen Eintragung abhing338. In der Übergangsphase, während der es den Landesgesetzgebern freigestellt war, auf 334

Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 39; Binder, WM 2006, 2114, 2115. Vgl. hierzu das Antragsmonopol des Bundesamtes im Insolvenzfall § 46b Abs. 1 Satz 4 KWG, § 88 Abs. 1 VAG. siehe unten § 6 III. 336 Fleischer, ZIP 2003, 1, 10. 337 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 II 5 c bb. 338 Zöllner, in: KölnKommAktG, Einl. Rn. 57 ff.; Schumacher, Die Entwicklung der inneren Organisation der Aktiengesellschaft, S. 45 ff. 335

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die staatliche Genehmigung von Aktiengesellschaften zu verzichten339, nahmen einige Länder bereits hiervon Gebrauch und kehrten dem Konzessionssystem den Rücken. Allerdings nahmen sie hiervon teilweise Gesellschaften aus, die zu bestimmten Zwecken errichtet werden sollten340. Die grundsätzliche Trennung von Rechtsform- und Tätigkeitskontrolle wurde z. B. im Bereich des Versicherungswesens durchbrochen und findet sich heute noch in vergleichbarer Form im Recht des VVaG. Anders als im allgemeinen Vereins- und Gesellschaftsrecht beruht die Entstehung des VVaG auf einem konstitutiven Staatsakt ab, indem § 15 VAG die Abhängigkeit der Rechtsfähigkeit von der Betriebserlaubnis durch die BaFin normiert341. Konzessioniert wird mit Ausnahme des VVaG nicht etwa der Träger des Unternehmens, sondern das Unternehmen selbst342. Anders als das deutsche Aktienrecht bis zum Jahre 1870 hängt nicht mehr die Gründung des Rechtsträgers sondern das Betreiben bestimmter Geschäfte von einer hoheitlichen Erlaubnis ab. Dieser Befund wird jedoch in Anbetracht registerrechtlicher Anforderungen relativiert. Die Eintragung der Gesellschaft formal von der Vorlage der staatlichen Genehmigung abhängig zu machen, folgt zwar nicht aus dem Aufsichts- aber aus dem Aktien- und Registerrecht343. Beizubringen ist die behördliche Genehmigung bevor das Registergericht über die Eintragung entscheidet, so dass auch die Entstehung des Rechtsträgers bis zu diesem Zeitpunkt suspendiert wird344. Auch um die Kompetenz der zuständigen Behörde über die Genehmigungspflicht zu wahren345, kann das Registergericht in Zweifelsfrage ein Negativattest der Behörden von den Anmeldenden anfordern346. Das eintragende Gericht ist an die öffentlich339 Vgl. Art. 249 ADHGB 1861, Zöllner, in: KölnKommAktG, Einl. Rn. 63 zu den Erfahrungen mit dem „Aktienschwindel“. 340 Semler, in: MünchKommAktG, Einl. Rn. 20; Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, S. 286, insbesondere dort Fn. 47. 341 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 42 II 1 a; Weigel, in: Prölss, VAG, § 15 Rn. 16. 342 Vgl. zum Theorienstreit um das Verhältnis von Unternehmen zur Gesellschaft Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 4 Rn. 1, § 6 Rn. 8 ff. Der Gedanke des „Unternehmens an sich“, das, von der Verwaltung geführt, sich selbst gehört, hat eine Trennung der Aktionäre vom Unternehmen zum Gegenstand. Nach richtiger Auffassung ist die AG als juristische Person als Trägerin eines Unternehmens zu sehen, das zwar keine Rechtsfähigkeit besitzt, jedoch eine wirtschaftliche und soziologische Einheit darstellt, vgl. nur Herfermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, vor § 76 Rn. 13. 343 Vgl. § 37 Abs. 4 Nr. 5 AktG; Kafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1317 mit Verweis auf Rn. 969. 344 BGHZ 102, 209; OLG Frankfurt, DNotZ 1980, 173; BayObLG, DNotZ 1976, 616. 345 Siehe unten § 6 III. 1.

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rechtliche Genehmigung gebunden, so dass eine materielle Prüfung der Verwaltungsentscheidung im Eintragungsverfahren nicht stattfindet347. Ungeachtet der registerrechtlichen Vorgaben und der noch aufzuzeigenden Einflüsse des materiellen Aufsichtsrechts auf die Gesellschaftsform der beaufsichtigten Unternehmen setzt die Banken- und Versicherungsaufsicht nach dem KWG bzw. VAG im Schwerpunkt an der laufenden Tätigkeitskontrolle an. 2. Unternehmungs- und rechtsträgerbezogene interne Corporate Governance Die Banken- und Versicherungsaufsicht wirkt im Rahmen ihrer Tätigkeitskontrolle auf die interne Corporate Governance der beaufsichtigten Unternehmen ein. Unter Rückgriff auf die grundlegende Unterscheidung zwischen dem Rechtsträger eines Unternehmens und dem Unternehmen als der Gesamtheit seiner personalen und sachlichen Mittel348 beziehen sich die Anforderungen an die Institute und die Befugnisse der BaFin sowohl auf den Rechtsträger als auch auf das Bank- bzw. Versicherungsunternehmen selbst. Als Indiz für diese Erkenntnis mag die Verlautbarung des Basler Ausschusses zur „Verbesserung der Unternehmensführung in Banken“349 herhalten, der bei der Formulierung seiner Standards vor allem die Aufgaben bei der Leitung und Kontrolle der Bank als Unternehmung im Auge hatte, ohne jedoch außer Acht zu lassen, dass die Geschäftsleitung ebenso als Kollektivorgan des Rechtsträgers fungiert. Anforderungen an Organisation und Tätigkeit der Geschäftsleitung beziehen sich zugleich auf den Rechtsträger des Unternehmens. Was für die Leitlinien des Basler Ausschusses gilt, spricht auch für die gesamte Bankenaufsicht und lässt sich auch auf die konzeptionell vergleichbare Versicherungsaufsicht übertragen. Die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht nimmt Einfluss auf die unternehmungs- und rechtsträgerbezogene interne Corporate Governance und stellt Grundsätze für die ordnungsgemäße Unternehmensführung und Organisation der Aufsichtssubjekte als Unternehmung einerseits und der Unternehmensverfassung des Rechtsträgers andererseits auf350.

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Kafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1317 mit Verweis auf Rn. 969. Hüffer, AktG, § 38 Rn. 2. 348 Siehe oben Fn. 331. 349 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Unternehmensführung in Banken. 350 So für die Bankenaufsicht Mülbert, BKR 2006, 349, 351. 347

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II. Das materielle Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht als Modifikation des gesellschaftsrechtlichen Ordnungsrahmens Aufgrund des hohen Detaillierungsgrades der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht insbesondere vor dem Hintergrund ausdifferenzierter Rechtsverordnungen sowie einer extensiven Verwaltungspraxis soll im Folgenden anhand der prägenden Organisations- und Verhaltensvorschriften dargestellt werden, mit welchen Normen das materielle Aufsichtsrecht versucht, seinen Aufsichtszweck zu erfüllen. Die materiellrechtlichen Vorgaben des Bankenund Versicherungsaufsichtsrechts versuchen den Risiken entgegenzuwirken, die oben [s. § 5 I.] beschrieben wurden. Historische Erfahrungen haben Defizite insbesondere im Bereich der Eigenkapitalausstattung, der unverhältnismäßigen Bildung von Klumpenrisiken, d.h. der Abhängigkeit der Bank von Wohl und Wehe einzelner Kreditkunden sowie der Geschäftsleiterqualifikation erkennen lassen351. Die qualitativen und quantitativen aufsichtsrechtlichen Verhaltensnormen widmen sich daher verstärkt der Vermeidung jener Probleme [s. unten 1.]. Einer allgemeinen Entwicklung zu mehr Transparenz entsprechend, gewinnen die besonderen Publizitätsvorschriften im Banken- und Versicherungswesen auch im Rahmen der Überwachung immer mehr an Bedeutung [s. unten 2.]. 1. Die interne Corporate Governance bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen durch aufsichtsrechtliche Anforderungen a) Die Beschränkung der Rechtsformwahl im Wirtschaftsaufsichtsrecht Die Gründung einer Gesellschaft steht im Zeichen der Privatautonomie. Jedoch wird die Auswahl auf den numerus clausus der gesetzlich geregelten Gesellschaftsformen (sog. Typenzwang) beschränkt352. Diese Einschränkung dient dem Schutz des redlichen Verkehrs, wonach die Beteiligten am Rechtsverkehr anhand der Gesellschaftsform erkennen sollen, mit welcher Gestaltung und insbesondere Haftungsbegrenzung sie es zu tun haben. Die Rechtsprechung hat die Bildung von Mischformen, wie etwa die GmbH & Co. KG, zugelassen und so den Spielraum vergrößert353. Unabhängig davon gilt weiterhin der beschränkte Zugriff auf die Realtypen des deutschen Gesellschaftsrechts. 351 352 353

Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Grds. I § 1 Rn. 3. Vgl. hierzu Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II 1. Zur Zulässigkeit der GmbH & Co. KGaA siehe BGHZ 134, 392.

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Innerhalb dieses Systems besteht grundsätzlich die Freiheit der Rechtsformwahl, der das Wirtschaftsaufsichtsrecht aber für die Wahl des Rechtsträgers von Versicherungsunternehmen bzw. Finanzinstituten engere Grenzen setzt. Während § 2b KWG lediglich die Organisation der Kreditinstitute als Einzelkaufmann verbietet354, geht § 7 Abs. 1 VAG noch weiter und gestattet den Geschäftsbetrieb für privatrechtliche Unternehmen ausschließlich in Form der Aktiengesellschaft oder des für das Versicherungswesen typischen Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (vgl. §§ 15 ff. VAG). Da einige Vorschriften des Aktiengesetzes bzw. des Handelsgesetzbuchs durch aufsichtsrechtliche Sonderbestimmungen modifiziert werden, spricht man auch von dem Gesellschaftstyp der Versicherungs-Aktiengesellschaft355. Andere Personen- oder Kapitalgesellschaftsformen stehen als Rechtsträger für Versicherungsunternehmen nicht zur Verfügung. Für die Regelung des § 2b KWG waren zwei Motive ausschlaggebend. Neben der Einführung des sog. Vier-Augen-Prinzips in § 33 Abs. 1 Nr. 5, die b KWG356, dessen Vorgabe bei einem in Rechtsform des Einzelkaufmanns betriebenen Instituts nicht erfüllt werden kann, war dies vor allem die Untrennbarkeit von Betriebs- und Privatvermögen bei einem als Einzelkaufmann betriebenen Unternehmen. Da Privatgläubiger unmittelbar auf das für Bankgeschäfte bestimmte Betriebsvermögen zugreifen können, wären damit unverhältnismäßige Risiken für die Gläubiger aus dem Bankgeschäft verbunden und eine uneingeschränkte Aufsicht nicht möglich357. In der Literatur wird die Verfassungsmäßigkeit dieser Beschränkung, insbesondere deren Verhältnismäßigkeit, bezweifelt358. Dass auch mildere Mittel zur Verfügung stünden, zeigt demgegenüber offenbar die Ausnahmeregelung für Wertpapierhandelsunternehmen gem. § 2b Abs. 2 KWG359, die in354 Die Vorgängervorschrift des § 2a KWG wurde im Zuge der 2. KWG-Novelle von 1976 (BGBl. I 1976 S. 725) eingeführt. 355 Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 181; Modifikationen des allgemeinen Rahmens betreffen im Einzelnen die Rechnungslegung (§§ 55 ff. VAG), die Jahresabschlussprüfung (§§ 57 ff. VAG) und die Insolvenzvorschriften (§§ 88, 88a VAG), vgl. Weigel, in: Prölss, VAG, vor § 15 Rn. 21. 356 Diese Vorschrift geht nach der Änderung der Bankenrichtlinie zurück auf Art. 11 der Richtlinie 2006/48/EG vom 14. Juni 2006, ABl. EG Nr. L 177, S. 1. 357 Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 2a Rn. 2; Begr. RegE. zur 2. KWG-Novelle, BT-Drucks. 7/3657, S. 23. 358 Beck/Samm, § 2 a KWG Rn. 11a; Reischauer/Kleinhans, § 2 a KWG Rn. 3; Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 2a Rn. 7 f., der aber darauf hinweist, dass der Überprüfungsmaßstab anhand des Grundgesetzes aufgrund der EG-rechtlichen Determination im Sinne der Solange-Rechtsprechung des BVerfG nur noch begrenzt ist; a. A. Bähre/Schneider, § 2 a KWG Anm. 2; Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 2 a KWG Rn. 2. 359 Eingeführt im Rahmen der 6. KWG-Novelle.

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soweit einen Wertungswiderspruch begründe. Der Gesetzgeber hält allein das Prinzip der Vermögenstrennung für wirksam, um die Einlagen der Kunden in hinreichendem Umfang zu schützen. Die weitergehende Begrenzung im Versicherungsrecht beruht auf der besonderen (Vertrauens-)Sensibilität der Branche und ihrer spezifischen Sicherheitsaspekte360. Aufsichtsrechtliche Beschränkungen der Rechtsformwahl verfolgen den Zweck, die für die jeweiligen Gesellschaftsformen einschlägigen Mindestanforderungen als Grundlage des jeweiligen Geschäftsbetriebs sicherzustellen361. Die unzulässigen Rechtsformen gelten als ungeeignet, den Versicherungsnehmern wirksamen Schutz bieten zu können362. Der Grundsatz der Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge erfordert von dem Schicksal und Willen von Einzelpersonen möglichst unabhängige, d.h. dauernd bestehende und leistungsfähige Versicherungsträger363. Auch wenn der als Rechtsträger zur Verfügung stehende Realtypus des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG) nur begrenzt kapitalmarktfähig ist und im Kontext dieser Untersuchung eine untergeordnete Rolle spielt, lohnt sich ein Exkurs auf die organisatorischen und strukturellen Grundlagen. So lässt sich anhand der Merkmale der beiden versicherungsaufsichtsrechtlich zulässigen Gesellschaftsformen skizzieren, warum der Gesetzgeber allein jenen das Vertrauen zur Interessenwahrung der Versicherungsnehmer schenkt. aa) Exkurs: Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und seine strukturellen Unterschiede zur Versicherungs-Aktiengesellschaft Archetypus der zulässigen Rechtsformen für Träger von Versicherungsunternehmen ist der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, nach dessen Grundkonzeption die Versicherten als Mitglieder des VVaG eine Risikogemeinschaft zum Zwecke des Risikoausgleichs bilden. Die wirtschaftliche Realität zeugt jedoch von einer zahlen- und noch viel mehr beitragsmäßigen Dominanz der Versicherungs-Aktiengesellschaft gegenüber dem VVaG bei einer kontinuierlichen Rückläufigkeit der vereinsmäßig organisierten Versicherungsunternehmen364. Aus ihrer Geschichte als genossenschaftlicher 360 Vgl. bereits die Begründung zum Rechtsformzwang des VAG 1901, BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 33. Dieser Gedanke hat nichts an Aktualität verloren, wie die Begründung für den Rechtsformzwang für Rückversicherungsunternehmen im 4. Finanzmarktförderungsgesetz belegt, siehe Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8017, S. 142. 361 Mutter, in: MünchAnwHdb Personengesellschaftsrecht, Teil A § 1 Rn. 7. 362 Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 180. 363 Goldberg/Müller, VAG, § 7 Rn. 2; vgl. bereits die Begründung zum VAG 1901 (§§ 4–14), abgedruckt in: BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 33 f.

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Zusammenschluss und später als berufsständisch organisierte „Gilden“, deren Mitglieder im Schadensfall solidarisch füreinander einstanden, hat sich der Grundsatz der Gegenseitigkeit entwickelt365. Das Recht des großen VVaG ist in §§ 15–52 VAG und jenes des kleinen VVaG in §§ 53–53b VAG geregelt. Die systematische Stellung der Regelungsmaterie im VAG wird als „Fremdkörper“ bezeichnet, dem jedoch entgegen zu halten ist, dass der besondere Entstehungsprozess sowohl privatrechtlicher als auch öffentlich-rechtlicher Natur ist, da Rechtsfähigkeit und Zulassung zum Geschäftsbetrieb zusammenfallen366. Innerhalb der Risikogemeinschaft tragen die Versicherten Gewinn und Verlust gemeinsam, was sich heute durch die Überschussverteilung gem. § 38 VAG sowie dem Gegenstück einer (begrenzbaren) Nachschusspflicht für zu geringe Kalkulation äußert367. Gegenüber den fehlenden Einwirkungsmöglichkeiten in einer Aktiengesellschaft haben die Versicherten als Mitglieder de jure einen unmittelbaren Einfluss auf die Geschicke des Versicherungsunternehmens368. Die Kundenorientierung ist so bereits in der Rechtsform angelegt und bietet den Vorteil unternehmerischer Eigenbestimmung369. Versicherungsschutz wird (auch) durch die Verleihung eines mitgliedschaftlichen Status vermittelt370. Diese Verknüpfung bietet zugleich den Vorteil, dass Interessenkonflikte zwischen der Gewinnmaximierung von Shareholdern und den Versicherungsnehmern als Stakeholder schon aufgrund der Rechtsform eingeschränkt werden371. Grundsätzlich kann der geringere Kontrollbedarf zu einer Reduzierung der Agency-Kosten führen. 364

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (Hrsg.), Statistisches Taschenbuch 2005, Tabellen 3 u. 7. Im Jahre 2003 standen 334 Versicherungs-Aktiengesellschaften nur noch 272 Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit unter Bundesaufsicht (inkl. kleiner Vereine gem. § 53 VAG) gegenüber. Die Versicherungs-Aktiengesellschaften vereinigten 83,2% des Beitragsvolumens, während die von der BaFin beaufsichtigten VVaG nur noch einen Anteil von 13,9% der Beiträge ausmachten. 365 Weigel, in: Prölss, VAG, § 15 Rn. 2 ff.; Brenzel, Unternehmen und Organisation des VVaG, S. 9 ff.; Benkel, Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, S. 20 ff. 366 Weigel, in: Prölss, VAG, § 15 Rn. 1; Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, vor § 15 Rn. 1. 367 Brenzel, Unternehmen und Organisation des VVaG, S. 11. 368 Schloßmacher, VW 1999, 1758; Weigel, in: Prölss, VAG, vor § 15 Rn. 23. 369 Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 200. 370 Hübner, Strukturunterschiede, S. 5. Falsch ist hingegen die Annahme, dass die Versicherungsnehmer personenidentisch mit dem Versicherer sind (so aber Lehmann/Dietz, Gesellschaftsrecht, § 61 II). Versicherer ist lediglich der VVaG als juristische Person, siehe Weigel, in: Prölss, VAG, vor § 15 Rn. 22, § 15 Rn. 7. 371 Schloßmacher, VW 1999, 1758; Breuer, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit versus Versicherungs-Aktiengesellschaft, S. 25.

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Die Personenidentität zwischen den „wirtschaftlichen Eigentümern“ eines VVaG oder besser dessen Mitglieder und den Versicherungsnehmern vermag es aber nicht, die Prinzipal-Agenten-Konflikte zwischen Unternehmensleitung und den in diesem Fall personenidentischen Eigentümern, Mitgliedern bzw. Versicherungsnehmern zu verhindern. Zudem ist diese strikte Identität ohnehin mit der satzungsmäßigen Zulassung der Nichtmitgliederversicherung durchbrochen372. Als problematisch bei einem VVaG erweist sich die Aufnahme von Eigenkapital. Außerhalb des Gründungsstadiums kann ein VVaG nur in begrenztem Umfang eigenmittelfähige Kapitalien, etwa in Form von Genussscheinen oder nachrangigen Verbindlichkeiten sammeln (vgl. § 53 c Abs. 3 Nr. 3 a bis c VAG). Beim VVaG bedeut jeder Versicherungsabschluss im Rahmen des Mitgliedergeschäfts das Hinzutreten eines Mitgesellschafters, also Verbreiterung der finanziellen Basis, so dass praktisch das stetige Wachstum eines VVaG für eine positive Einschätzung seiner finanziellen Solidität sorgt373. Unter anderem werden die begrenzte Tauglichkeit zum Ausgleich von Interessenkonflikten zwischen Unternehmensleitung und den Mitgliedern, die fehlende Kapitalmarktfähigkeit des VVaG sowie die faktisch und rechtlich hinderliche Bildung von Konzernen bzw. Konglomeraten als Nachteile dieses Gesellschaftstyps aufgeführt, deren Lösung in Form einer partiellen oder vollständigen „Demutualisierung“ vorgeschlagen wird374. In der Praxis bedeutet dies nichts anderes als die Umwandlung eines VVaG in eine Aktiengesellschaft. Organisation und Struktur des VVaG sind im Wesentlichen mit dem gesetzlichen Leitbild der (Versicherungs-)Aktiengesellschaft vergleichbar. Funktional übernimmt das Oberste Organ die Aufgaben der Hauptversammlung als Souverän der Gesellschaft. Anstatt einer Mitgliedervollversammlung kann die Satzung alternativ eine repräsentative Mitgliedervertreterversammlung vorsehen, was insbesondere bei größeren Vereinen unter Effizienz- und Qualitätsgesichtspunkten tunlich ist und auch in der Praxis so gehandhabt wird375. Auch die Vorschriften für das Kontrollorgan des Aufsichtsrats orientieren sich an den Vorgaben des Aktiengesetzes (vgl. § 35 VAG). Im Rahmen der Verbandsorganisation besteht also eine „AG-Ähnlichkeit“376. Be372 Vgl. zu dieser Zulässigkeit gem. § 21 Abs. 2 VAG Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, § 21 Rn. 7 ff. 373 Weigel, in: Prölss, VAG, vor § 15 Rn. 20. 374 Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 212 f. 375 Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 205. 376 Schmidt, in: Festschrift Stimpel, 217, 231; Benkel, Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, S. 71.

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reits der Reichsgesetzgeber hat bei Schaffung des VAG das Recht der VVaG im „thunlichen Anschluss an die für Aktiengesellschaften geltenden Vorschriften“ geregelt377. Obwohl Unternehmenspublizität grundsätzlich auch im Versicherungswesen für geeignet erachtet wurde, zur wirksamen Überwachung der Unternehmen durch die Marktteilnehmer beizutragen, sind die Publizitätspflichten des Aktienrechts in der Begründung zum VAG 1901 nicht explizit als Argumente für die Tauglichkeit der AG als Rechtsträger hervorgehoben worden. Vielmehr statuierte bereits das VAG 1901 in § 55 eigenständige Offenlegungspflichten für Versicherungsunternehmen, die kurz darauf mit Ausführungsvorschriften konkretisiert wurden378. Ob die Einrichtung eines obligatorischen Aufsichtsrats, der auch für den VVaG verbindlich wurde, mitursächlich für die Präferenz der Aktiengesellschaft war, verbleibt der Spekulation. Bei Verabschiedung des VAG 1901 standen noch keine anderen Gesellschaftstypen zur Verfügung, die die eingangs zitierten Charakteristika der dauerhaften Widmung von Kapitalien zum Zwecke der Erfüllbarkeit von Verbindlichkeiten aus den Versicherungsverträgen, aufwiesen379. bb) Zusammenfassung Überwiegend wird der vom Aufsichtsrecht vorgegebene Rechtsformzwang als verfassungskonformer Eingriff in die geschützten Rechtspositionen der Privatautonomie, der Berufs- sowie der Vereinigungsfreiheit bewertet. Zweifelnde Stimmen erheben sich berechtigterweise, ob dies auch für das Verbot gilt, ein Versicherungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH zu betreiben380. Dies gilt umso mehr, als dass bei Schaffung des VAG im Jahre 1901 für die Präferenz der Aktiengesellschaft als geeignete Rechtsform für Versicherungsunternehmen „die Fürsorge, welche die Gesetzgebung dieser Gesellschaftsform hat zu Theil werden lassen“381 ausschlaggebend war. Denn mittlerweile enthält auch das Recht der GmbH ausdifferenzierte Bestimmungen, die den Schutz der Gläubiger zu sichern vermögen. Der Unterschied zwischen einer Versicherungs-Aktiengesellschaft und einem VVaG besteht darin, dass erstere einem Kreis von Versicherungsneh377

BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 29. Einzelheiten zu diesen Offenlegungspflichten siehe unten § 6 II. 2. 379 Vgl. bereits die Begründung zum VAG 1901 (§§ 4–14), siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 33 f. 380 So Scholz, ZVersWiss 1984, 1, 29 f., der aber im Ergebnis die Regelungen des geltenden Rechts für vertretbar hält. 381 Begründung zum VAG 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 29. 378

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mern mit gleichen Interessen auf eigene Rechnung anbietet, die nicht die Mitunternehmerstellung erlangen, während bei zweiterem der anfängliche Kern der mitunternehmerischen Versicherungsnehmer (Gründungsphase) die Mitunternehmerschaft auch für künftige Versicherungsnehmer öffnet und er so zu einer Geschäftstätigkeit auf gemeinsame Rechnung kommt382. Das Prinzip der Versicherung zur festen Prämie (Prämienversicherung) hat zur Folge, dass die Versicherungsunternehmen die Überschüsse und Sicherheitszuschläge als Überschüsse des Unternehmensvermögens zur freien Verfügung beanspruchen. Vereinsversicherung im Rahmen von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit hingegen behandeln diese Überschüsse als Vermögen ihrer Mitglieder. Die Mitglieder als Eigentümer im wirtschaftlichen Sinne sind aufgrund der Besonderheiten der VVaG personenidentisch mit den Versicherten und üben Kontrolle im Rahmen ihrer mitgliedschaftlichen Teilhaberechte aus383. So kommt es zu einer strukturellen Verschränkung von Gläubiger- bzw. Versicherteninteressen und Mitglieder- bzw. Eigentümerinteressen384. Zwar ist der Gestaltungsspielraum größer als bei der Versicherungs-AG, dennoch hat sich das Realbild des VVaG vor allem durch das Nichtmitgliedergeschäft gewandelt und so eine Angleichung beider Unternehmensformen stattgefunden385. b) Die Begrenzung des Gesellschaftszwecks nach dem „Verbot versicherungsfremder Geschäfte“ § 7 Abs. 2 VAG beschränkt den Gesellschaftszweck bzw. -gegenstand auf Versicherungsgeschäfte und damit im unmittelbaren Zusammenhang stehende Geschäfte („Singularitätsprinzip“)386. Ebenso wie die in § 8 Abs. 1a VAG normierte Spartentrennung spezieller Versicherungsbereiche387 bezweckt diese Vorschrift, dass den Versicherungsnehmern keine Risiken aus wirtschaftlichen Betätigungen erwachsen388. Insbesondere in der Lebensver382

Weigel, in: Prölss, VAG, vor § 15 Rn. 20. In der Praxis arbeiten auch die Vereinsversicherungen mit festen Prämien, so dass die begriffliche Unterscheidung nicht ganz präzise ist; vgl. Meyer, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland, S. 827, 831. 384 So sind Teilhaberechte und das Tragen von Residualrisiken kongruent, siehe oben § 5 I. 385 Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, vor § 15 Rn. 4 f. 386 Siehe hierzu Präve, in: Prölss, VAG, § 7 Rn. 9 ff.; Bähr, in: Fahr/Kaulbach/ Bähr, VAG, § 7 Rn. 12 ff. Die Regelung geht auf Art. 8 Abs. 1 lit b der Ersten Schadensrichtlinie (73/229/EWG) und Art. 6 Abs. 1 lit b der Ersten Lebensversicherungsrichtlinie (79/267/EWG) zurück. 387 Siehe unten c). 388 Vgl. EuGH, VersR 2001, 313, 315. 383

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sicherungssparte, die sich durch eine langfristige Bindung der Versicherungsnehmer auszeichnet, möchte man die Erfüllbarkeit der Ansprüche vor zusätzlichen Risiken aus der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung schützen. Das „Verbot des Betriebs von versicherungsfremden Geschäften“389 bedeutet einen Eingriff in die Satzungs- und Privatautonomie und bildet ein wesentliches Element der Gefahrenprävention im Versicherungsaufsichtsrecht. Es erstreckt sich auch auf das Betreiben von Bankgeschäften i. e. S., da diese nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Versicherungsgeschäft stehen390. Typische Kapitalisierungsgeschäfte, die vor allem von Lebensversicherungen vorgenommen werden, sind allerdings ausgenommen391. Ein Verstoß gegen die Verbotsnorm des § 7 Abs. 2 VAG ermächtigt die Aufsichtsbehörde nicht nur zur Untersagung der Erlaubnis im Antragsverfahren sondern auch zum Einschreiten im Rahmen der laufenden Aufsicht gem. § 81 Abs. 2 VAG. Darüber hinaus beinhaltet es nach überwiegender Ansicht kein unmittelbares Verbot etwa im Sinne zivilrechtlicher Konsequenzen392. c) Das Prinzip der Spartentrennung im Versicherungswesen, seine Aus- und Wechselwirkungen im Hinblick auf das Aufsichtsrecht sowie den Kapitalmarkt Die Erlaubnis zum Betrieb von Lebensversicherungen und die Erlaubnis zum Betrieb anderer Versicherungssparten schließen einander aus393. Um eine umfassende Palette an Versicherungen anbieten zu können, sind Versicherungsunternehmen aufgrund des Prinzips der Spartentrennung gezwungen, die Versicherungssparten durch selbstständige Rechtsträger zu betreiben. Dieser Gedanke steht in einem Spannungsfeld zu dem Bedürfnis von Versicherungsunternehmen, ihren Kunden Verträge aller Versicherungssparten anbieten zu können394. Gefördert wird so zwangsläufig die Bildung von Unternehmensgruppen, Konzernen bzw. Finanzkonglomeraten, damit Versicherungen „aus einer Hand“ angeboten werden können395. Dieser rechts389

BR-Drucks. 130/75, S. 17. Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 7 Rn. 22; Kaulbach, VersR 1997, 286 ff. 391 Präve, in: Prölss, VAG, § 7 Rn. 19. 392 Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 7 Rn. 30; Entzian, Versicherungsfremde Geschäfte, 98 ff.; Kaulbach, VersR 1997, 286; a. A. OLG Hamburg VerBAV 2000, 163. Siehe auch Rittner, VersR 1994, 5 für eine fehlerhafte Umsetzung der Richtlinien. 393 Vgl. § 8 Abs. 1a VAG i. V. m. Anlage A zum VAG, insbesondere Nr. 19 bis 24. 394 Präve, in: Prölss, VAG, § 8 Rn. 28. 395 Brachmann, VW 2004, 1072. 390

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tatsächliche Befund wirkt sich in zweifacher Hinsicht auf das Gefüge der Corporate Governance aus. Zum einen erfordert die umfangreiche Konzernbildung eine Anpassung des Aufsichtsrechts und der -praxis an die Überwachung von Unternehmensgruppen. Um eine effiziente Beaufsichtigung der Finanzkonglomerate zu ermöglichen, muss die konzernweite Anwendbarkeit der aufsichtsrechtlichen Maßstäbe gewährleistet sein. Dies gilt umso mehr bei grenz- und branchenübergreifend tätigen Unternehmen. Aus diesem Grund finden sich besondere Vorschriften für Finanzkonglomerate in den aufsichtsrechtlichen Grundlagen396. Andererseits erhält dieser Umstand eine Relevanz für die Kapitalisierung der Versicherungsunternehmen. Zwangsläufig haben diversifizierende Unternehmen mit sog. „Konglomeratsabschlägen“ zu rechnen. Hinter diesem Phänomen verbirgt sich die Abneigung des Kapitalmarkts gegenüber Konglomeraten, die sich durch unübersichtliche Konzernstrukturen und einem diversifizierten Angebot von Produkten auszeichnen397. Bei einem Anbieter von integrierten Versicherungsdienstleistungen scheint es sich auf den ersten Blick nicht um ein diversifiziertes Angebot zu handeln. Jedoch weisen Versicherungsprodukte der einzelnen Sparten nach der Definition von Ansoff398 die Merkmale eines solchen Angebots auf. Studien haben ergeben, dass Unternehmen in Form von Konglomeraten mit einem pauschalen Abschlag von 10–15 Prozent bewertet werden, die aus Sicht der Transaktionskostentheorie eine marktineffiziente Unternehmensbewertung bedeutet399. Undurchsichtige Konzernstrukturen, teilweise durch aufsichtsrechtliche Vorschriften bedingt, erschweren so die Kapitalisierungsmöglichkeiten der Versicherungsunternehmen. Mittelbar wirkt sich die Spartentrennung auch auf die Kontrollfunktion externer Corporate Governance aus.

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Siehe §§ 104k ff. VAG in Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats, ABlEU Nr. L 35, S. 1. Vgl. hierzu Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 104k Rn. 1 f.; Dreher, DB 1992, 2605, 3609. 397 Troberg/Kolassa, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 136 Rn. 45 ff. 398 Ansoff, Management Science, Vol. 4 (1958), S. 392, 393 f., dessen Ausführungen sich auf das Produkt/Markt-Modell beziehen. Diversifizierend ist ein Angebot demnach, wenn es sich um ein neues Produkt handelt, das auf einem neuen Markt angeboten wird. Ein neues Produkt (oder auch eine neue Dienstleistung) definiert sich danach, dass es in seinen wesentlichen Eigenschaften nicht mit einem bisher vom Unternehmen angebotenen Produkten vergleichbar ist. Neue Märkte kennzeichnen sich dadurch, dass das Unternehmen in einer Branche bisher noch nicht aktiv war. 399 Funke, Konglomeratsabschlag und Transaktionskostentheorie, S. 79 ff.

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d) Die Kapitalausstattung von beaufsichtigten Unternehmen Die zentralen Vorschriften des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts beziehen sich auf die Eigenmittelausstattung und Liquidität der beaufsichtigten Unternehmen. Während die erste Gruppe von Normen darauf abzielt, ein Gleichgewicht zwischen den übernommenen Risiken und der Haftungsreserve herzustellen, soll die zweite Gruppe eine jederzeitige Zahlungsbereitschaft ermöglichen. aa) Die Sondervorschriften für das Gründungskapital Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das erforderliche Mindestkapital bei der Gründung weichen von den aktienrechtlichen ab. Im Aktienrecht sind die Regelungen zum Grundkapital gegenüber dem Banken- und Versicherungsrecht bekannt und vergleichsweise einfach. § 7 AktG verlangt ein Mindestkapital von 50.000 Euro, dessen Aufbringung durch Bar- oder Sacheinlagen erfolgt. Es gab Überlegungen, ob man die Anforderungen nicht flexibel an die Aktiengesellschaft abhängig von ihrer kapitalmarktrechtlichen Orientierung gestalten sollte400. Anstelle der Mindestausstattung nach dem AktG fordern die bankenaufsichtsrechtlichen Sonderregeln gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG gestuft nach Art des Instituts anfängliche Geldmittel von bis zu 5 Millionen Euro. Gegenüber den dynamischen Eigenkapitalvorschriften, die für in Aussicht genommene Geschäfte sowie im Rahmen der laufenden Geschäftstätigkeit zu beachten sind, stellen die Vorgaben zum Anfangskapital eine statische Messgröße dar401. Sacheinlagen sind zwar entgegen des Wortlautes von § 14 Abs. 3 Satz 1 AnzV grundsätzlich möglich, da § 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG eine entsprechende Beschränkung nicht vorsieht und als formelles Gesetz den Verordnungsgeber bindet. Die Werthaltigkeit der Sacheinlagen bedarf aber einer gutachterlichen Bestätigung402. Das Versicherungsaufsichtsrecht hingegen kennt grundsätzlich keine summenmäßige Anforderung an das Gründungskapital der Rechtsträger, sondern orientiert sich an dem allgemeingültigen Erfordernis, die Eigenmittel in hinreichendem Umfang für die dauerhafte Erfüllbarkeit der Verträge zur Verfügung zu stellen. Die Höhe der freien unbelasteten Eigenmittel richtet sich – vereinfacht dargestellt – nach dem Geschäftsvolumen403. Damit Ver400 Drei-Stufen-Modell von Albach/Lutter/u. a., Deregulierung des Aktienrechts: Das Drei-Stufen-Modell; hierzu Assmann in: GroßkommAktG, Einl. Rn. 497 ff. 401 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 33 Rn. 6. 402 Vgl. Beck/Samm, § 33 KWG Rn. 25 f. 403 Einzelheiten siehe unten cc).

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sicherungsunternehmen ihre Geschäftstätigkeit nicht ohne Eigenmittel aufnehmen können, müssen sie die Mindestbeträge des Garantiefonds nachweisen (vgl. § 5 KapAusstV)404. Ohne vorhandenes Geschäftsvolumen als Bemessungsgrundlage orientiert sich das Anfangskapital de facto am Mindestbetrag des Garantiefonds. bb) Die Eigenmittelvorschriften für Kreditinstitute nach den Basel-II-Grundsätzen § 10 KWG statuiert die Pflicht für Kreditinstitute, im Interesse ihrer Gläubiger angemessene Eigenmittel zur Verfügung zu stellen. Die Regelvermutungen der Solvabilitätsgrundsätze, die seit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz in Form einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) erlassen werden, konkretisieren den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit. Erstmals wurde von der Verordnungsermächtigung zur Regelung der Finanzkonglomerate-Solvabilitäts-Verordnung (FkSolV) vom 2. September 2005 Gebrauch gemacht und im Anschluss daran die Solvabilitätsverordnung verabschiedet405. Bis zu diesem Zeitpunkt galten die von der Bundesanstalt verabschiedeten Grundsätze I und II über die Eigenmittel und Liquidität406. Die Änderungen durch die Umsetzung der Banken- und Kapitaladäquanzrichtlinie (Basel-II) sind jedoch nicht nur formeller Natur, sondern beinhalten wesentliche Änderungen im Hinblick auf die Eigenmittelvorschriften. § 10 KWG enthält in den folgenden Absätzen 2 bis 10 detaillierte Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung – deren Umfang in der Gesetzessammlung Sartorius beläuft sich immerhin auf mehr als zehn Seiten – differenzierend nach der Rechtsform. Zu den Eigenmitteln zählt das haftende Eigenkapital, im Wesentlichen bestehend aus dem Grund- und Stammkapital und den Rücklagen (Kernkapital), und im begrenzten Maße berücksichtigungsfähiges Ergänzungskapital (Drittrangmittel). Mit Ausnahme der Definition des haftenden Eigenkapitals als Referenzgröße überlässt das KWG die Bemessung der Risiken und die Modalitäten der Relation zwischen Risiken und Kapital dem Verordnungsgeber407. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 404

Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 53c Rn. 2. Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (SolvV) vom 14. Dezember 2006, BGBl. I, S. 2926. Der SolvV lag ein Entwurf des BMF vom 31. März 2006 zugrunde. 406 Zur Rechtsnatur der bisherigen Grundsätze siehe Fischer, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 129 Rn. 32. 407 Zu der vergleichbaren Regelungssystematik nach den alten Grundsätzen I und II siehe Schulte-Mattler/Traber, Marktrisiko und Eigenkapital, S. 14. 405

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SolvV müssen die Kreditinstitute ihre Adressrisiken (Kreditrisiken), operationelle Risiken408 sowie ihre Marktrisiken409 quantifizieren und diese mit Eigenmitteln hinterlegen. Den wesentlichen Anteil bildet die erstgenannte Gruppe der Adressrisiken, welche es verlangt, dass Risikoaktiva (Kredite und Beteiligungen) nach einer Gewichtung am Ende eines jeden Geschäftstages das haftende Eigenkapital nicht um das 12,5-fache übersteigen (vgl. § 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 SolvV)410. Die Gewichtung der Adressenausfallrisiken kann nach einer Standardmessmethode (Kreditrisiko-Standardansatz – KSA) erfolgen, um den Administrativaufwand gering zu halten.411 Eine individuelle Risikostreuung wird so kaum berücksichtigt. Denn die Einteilung in Bonitätsklassen (vgl. Anlage 1 SolvV) steht in Abhängigkeit zu der statistisch errechneten Ausfallwahrscheinlichkeit der Forderung. Das Aufsichtsrecht gestattet den Instituten daher einen Rückgriff auf externe Ratings und so die Einbeziehung des Marktes in Gestalt von Informationsintermediären. Eine individuelle Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeiten ermöglicht eine flexiblere Antwort auf die raschen Veränderungen der Finanzmärkte insbesondere im Hinblick auf innovative Finanzprodukte. Alternativ zum Standardansatz lässt das Aufsichtsrecht eine individuelle Bemessung nach einem auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA) zu412. Anstatt einer bisher starren Gewichtung – etwa in pauschaler Höhe von 100% bei Krediten an Private oder Unternehmen – ermöglicht es den Kreditinstituten die Bindung von aufsichtsrechtlichem Eigenkapital zu verringern, indem sie Aufwendungen für präzise interne Risikoanalysen tätigen, um damit die Bonität von Kreditnehmern eigenständig bewerten zu 408 Neu ist die erforderliche Unterlegung des operationellen Risikos mit aufsichtsrechtlichem Eigenkapital. Den Instituten stehen dazu mit dem Basisindikatoransatz, dem Standardansatz sowie dem fortgeschrittenen Messansatz drei Verfahren zur Verfügung. Bisher wurden diese Risiken bereits aus betriebswirtschaftlichen Gründen, nicht jedoch aufgrund aufsichtsrechtlicher Verpflichtungen unterlegt. Vgl. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 129 Rn. 54; Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2. Auflage, Überblick Basel II, Rn. 132 ff. 409 Vgl. §§ 294 ff. SolvV. Wie schon im Geltungsbereich des Grundsatzes I stehen sich auch hier Standardberechnungsmethoden und institutseigene Risikomodelle, die einer Genehmigung durch die Bundesanstalt zur Erreichung von Qualitätsstandards bedürfen, gegenüber. 410 Detaillierte Vorschriften enthält der an Umfang größte Teil zwei der SolvV (§§ 8 bis 268). 411 Instruktiv Binder, in: Romeike (Hrsg.), Grundlagen des Risikomanagements, S. 125 ff. 412 Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 129 Rn. 54.

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können413. So ist es möglich, die „wahren Risiken“ anstelle von pauschalen Standardvorgaben zu ermitteln. Zur Nutzung der flexibleren IRBA müssen diese von der BaFin zugelassen sein und dabei Qualitätsstandards erfüllen. Durch das für die Anerkennung konstitutive Erfordernis, die Offenlegungsvorschriften gem. § 26a KWG, §§ 319 ff. SolvV einzuhalten, kommt es zu einer Verknüpfung der Eigenmittelvorschriften mit Elementen der „Marktdisziplin“ im Sinne der 3. Säule von Basel-II414. Nach diesem Konzept werden die Marktteilnehmer über die Risikostrukturen der Kreditinstitute informiert und können auf Grundlage dessen Risikoaufschläge fordern. So kommt es zu einer Verhaltenssteuerung ex post durch individuellen Marktentscheid gegenüber einer kollektiven ex ante Regulierung durch zwingende aufsichtsrechtliche Vorgaben. Zuvörderst betrifft dies den Markt für Fremdkapitalien, andererseits weist es Bezüge zu den Shareholdern auf, die über Börsenkurse von Eigenkapitalanteilen Einfluss auf die Kapitalisierungsmöglichkeiten der Unternehmen nehmen. Sofern die Kreditinstitute zur Verwendung der IRBA optieren, lassen die materiellrechtlichen Eigenmittelvorgaben der Bankenaufsicht einen größeren Spielraum zu. Dabei kommt es zu einer Verschiebung der Verhaltenspflichten von unmittelbaren Anforderungen an die Eigenmittelausstattung zu Maßstäben die Ausgestaltung des Risikomanagements betreffend. Auch hier ist eine „Prozeduralisierung“ der Maßstäbe festzustellen, die unternehmerische Freiheit und individuellen Marktentscheid fördert. Insoweit ist das Verhalten der Unternehmen nur einer behördlichen Überprüfung anhand formaler Anforderungen vorbehalten415. Gleichzeitig verschiebt sich aber der Aufsichtsrahmen von rein quantitativen Messgrößen zu qualitativen Vorgaben hinsichtlich der Berechnungsmethoden. Das Aufsichtsrecht bedient sich kapitalmarktrechtlicher Regelungsmechanismen, um flexiblere Lösungen auf der Grundlage individueller Marktentscheidungen zu ermöglichen. cc) Das Prinzip der Solvabilitätsspanne bei Versicherungsunternehmen und die Solvency II-Richtlinie Seit der Ersten Koordinierungsrichtlinie Schaden gilt für Versicherungsunternehmen das System der Solvabilitätsspanne416. § 53c VAG verpflich413 Troberg/Kolassa, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 136 Rn. 21. Letztlich bedeutet dieses System eine Kostenersparnis für die Kreditinstitute, indem der Aufwand für das Risikomanagement durch die Schonung von aufsichtsrechtlichem Eigenkapital kompensiert wird. 414 Zur vergleichbaren Systematik für Versicherungsunternehmen, siehe unten cc). 415 Zur Prozeduralisierung im Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht, siehe oben § 2 II. 3.

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tet die Versicherer über ein Mindestmaß an Eigenmitteln zu verfügen, um die jederzeitige Erfüllbarkeit der Verträge sicherzustellen. Messgröße hierfür bildet die sog. Solvabilitätsspanne, die sich nach dem gesamten Geschäftsumfang bemisst. Insoweit bedeutet dies eine individuelle Berücksichtigung der Geschäftsvolumina der betroffenen Unternehmen. Einzelheiten zur Berechnung dieser Messgröße enthält die auf Grundlage des § 53c Abs. 2 erlassene Verordnung über die Kapitalausstattung von Versicherungsunternehmen (Kapitalausstattungs-Verordnung – KapAusstV)417. Nach der KapAusstV bemisst sich die Solvabilitätsspanne nach dem, jeweils höheren, Index aus den jährlichen Bruttobeiträgen (Beitragsindex) oder den durchschnittlichen Aufwendungen für Versicherungsfälle der letzten drei Jahre (Schadenindex)418. Der Beitragsindex errechnet sich aus den Bruttobeiträgen, die aus dem gesamten Versicherungsgeschäft nach Abzug der Steuern erwachsen, und einer Multiplikation von 16 Prozent bzw. 18 Prozent. Dieses Produkt wird mit dem Verhältnissatz von mindestens 50 Prozent, oder sich abweichend aus dem Verhältnis der sich im letzten Geschäftsjahr für das gesamte Versicherungsgeschäft aus dem Verhältnis der Aufwendungen für Versicherungsfälle ergibt, multipliziert419. Zur Berechnung des Schadenindex sind die Bruttozahlungen für Versicherungsfälle der vergangenen drei Jahre und die am Ende des letzten Geschäftsjahres gebildeten Bruttorückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle zu addieren. Nach Errechnung des Jahresdurchschnitts werden von diesem Ergebnis 23% bzw. 26% ermittelt420. Bestreben dieser differenzierten – aber in Bezug auf die tatsächlich vorhandenen Risiken letztlich doch starren – Regelungen ist der Ausgleich zwischen einem hinreichenden Schutz der Versicherten und der Berücksichtigung des Risikoprofils bzw. der Geschäftstätigkeit des Versicherungsunternehmens. Dem steht vor allem eine pauschale Mindestausstattung des Garantiefonds entgegen. Dieser beträgt grundsätzlich ein Drittel der Solvabilitätsspanne, jedoch gemäß § 2 KapAusstV unabhängig vom Umfang der Geschäftstätigkeit des Versicherungsunternehmens mindestens 2,2 Millionen Euro, bei Abdeckung der Risiken aus den in Anhang A Nr. 10 bis 15 VAG genannten mindestens 3,2 Millionen Euro. Für Versicherungsunternehmen mit größeren Geschäftsvolumina stellt dies allerdings kein bedeutsames Hindernis dar. 416

Vgl. Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 53c Rn. 2 ff.; Lipowsky, in: Prölss, VAG, § 53c Rn. 1 ff. 417 Vom 13. Dezember 1983, BGBl. I, S. 1451. 418 § 1 Abs. 1 Satz 2 KapAusstV. 419 § 1 Abs. 2 KapAusstV. 420 § 1 Abs. 3 KapAusstV.

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Am 10. Juli 2007 hat die EU-Kommission den Vorschlag der sog. „Solvency II“-Richtlinie veröffentlicht421, deren endgültige Verabschiedung im Jahr 2009 erwartet wird. Sie folgt im Wesentlichen dem 3-Säulen-Modell des für Kreditinstitute entwickelten Basel-II Konzeptes unter Berücksichtigung der versicherungsaufsichtsrechtlichen Besonderheiten422. Auch hier soll eine authentische Abbildung von Markt-, Kredit- und Betriebsrisiken anhand des tatsächlichen Risikoprofils möglich sein. Als Korrektiv für die selbstständige Risikobewertung und demzufolge größeren Bewertungsspielräume von Versicherungsunternehmen treten Transparenzvorschriften hinzu, die einen Marktentscheid über die Angemessenheit der gewählten Strukturen und Methoden erleichtern. Fremd- sowie Eigenkapitalgeber haben auf dieser Informationsgrundlage die Möglichkeit, durch die Wahrnehmung von Voice- bzw. Exit-Optionen verhaltenssteuernd auf die Geschäftsleitung bei der Gestaltung des Risikoprofils einzuwirken. Begleitet wird diese Liberalisierung und Flexibilisierung durch qualitative Anforderungen an die Unternehmen. Gleichzeitig konzentriert sich die behördliche Überwachung auf die Einhaltung jener und weniger der quantitativen Maßstäbe. Die Beurteilung der Solvabilität überantwortet es somit verstärkt der Kontrolle durch den Markt. dd) Die Liquiditätsvorschriften Im Gegensatz zu den Eigenmittelanforderungen versuchen Liquiditätsvorschriften nicht, Verluste durch den Ausfall von Schuldnern zu kompensieren und Zusammenbrüche zu vermeiden, sondern geben eine Antwort auf die kurzfristige Verfügbarkeit von Aktiva423. Aufsichtsrechtliche Regulierung dieses Komplexes sind unter anderem der bankentypischen Kurzfristigkeit der Forderungen geschuldet, so dass im Versicherungsaufsichtsrecht kein entsprechendes Gegenstück zu finden ist. Inhaltliche Konkretisierungen zu § 11 KWG sind mit Erlass der Liquiditätsverordnung – LiqV424 aus dem ehemaligen Grundsatz II in Verordnungsform übergeleitet worden. Wie 421

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit – Solvabilität II, KOM (2007) 361 endg., hierzu Präve, VW 2007, 1380. 422 Bürkle, VersR 2007, 1595, 1596, der den Vergleich mit dem bankenaufsichtsrechtlichen Pendant wegen abweichender Aufsichtszwecke und unterschiedlicher Geschäftsmodelle allerdings als „plakativ“ bezeichnet. 423 Troberg/Kolassa, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 137 Rn. 5 f. „mangelnde ‚Zahlungsbereitschaft‘ im Gegensatz zur ‚Zahlungsfähigkeit‘ “. 424 Verordnung über die Liquidität der Institute vom 14. Dezember 2006, BGBl. I, S. 3117.

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schon zuvor basiert das System auf dem Prinzip von Liquiditätskennzahlen, die das Verhältnis zwischen Zahlungsverpflichtungen und verfügbaren Zahlungsmitteln angeben425. Beide Messgrößen sind vier verschiedenen Laufzeitbändern mit Fälligkeiten zwischen einem und zwölf Monaten zuzuordnen. Anstatt der Standardverfahren gem. §§ 2 ff. LiqV können die Banken auch eigene, verfeinerte Bemessungsverfahren einsetzen, sofern sie hinreichende Risikomessungsverfahren nachweisen können (vgl. § 10 LiqV)426. Starre quantitative Vorgaben werden durch qualitative Verhaltensanforderungen substituiert, damit unternehmensinterne Steuerungsmethoden zum Einsatz gelangen können. Auch hier werden die Vorzüge von individuellen gegenüber kollektiven Entscheidungen deutlich. Um Missbrauch dieser Freiheiten zu verhindern, sind die Normierung von Qualitätsstandards und die Sicherung dieser durch Kontrolle vonnöten. ee) Fazit und Ausblick auf Basel-III Reformbestrebungen für das Aktienrecht, eine abgestufte Mindestkapitalausstattung von Unternehmen zu implementieren, sind bisher stets im Keim erstickt. Die branchenabhängigen Vorgaben für Banken und Versicherungen hingegen zeigen, dass adäquate Bezugsgrößen ökonomisch zu ermitteln und so individuelle Kapitalaustattungsanforderungen möglich sind. Für eine Ausstrahlung der aufsichtsrechtsrechtlichen Sondervorschriften an Liquidität und Eigenmittel auf andere Branchen besteht allerdings in Anbetracht der strukturellen Besonderheiten im Bank- und Versicherungswesen kein Anlass. Anlass hierfür gibt die relativ hohe Fremdkapitalisierungsquote427, die in anderen Bereichen der Wirtschaft weitaus geringer ist. Zudem sind es dort die Banken als Großgläubiger, die über ihre Kreditvergabe an der Einhaltung von bestimmten Finanzkennzahlen orientieren und so – mittelbar – überwachend tätig werden. Insbesondere die tagesgenaue Einhaltung dieser Eigenmittelanforderungen sowie die monatliche Meldung an die BaFin sowie die dortige Überprüfung erfordern einen hohen administrativen Aufwand. Die Eigenkapitalvorschriften des Bankenaufsichtsrechts stehen im Schnittfeld aufsichtsrechtlich vorgegebener Standardbewertungsmethoden, unternehmerischer Freiheiten durch individuelle Risikoberechnungen und der Einbeziehung von Marktmechanismen. Insbesondere gewinnt letztere Gruppe durch die Inanspruchnahme von externen Ratings im Bereich der 425 426 427

Vgl. Weihrauch, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Grds. II § 2 Rn. 2. Binder, in: Romeike (Hrsg.), Grundlagen des Risikomanagements, S. 149. Siehe oben § 5 I. 1.

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KSA und Elementen der Marktdisziplin bei IRBA an Bedeutung. Auf diese Weise können Institute zu individuellen Modellen optieren, wenn sie über die nötigen organisatorischen Ressourcen verfügen und sich davon wirtschaftliche Vorteile im Hinblick auf die Schonung der aufsichtsrechtlichen Eigenmittel versprechen. Um eine Risikobewertung anhand der tatsächlichen Umstände vornehmen zu können, stellt der neue Basler Eigenkapitalakkord ein flexibles und ausgewogenes Instrumentarium zur Verfügung, so wie es für die innovative Finanzbranche angezeigt ist. Wie schon mit der Übertragung von vormals hoheitlichen Überwachungsaufgaben an den unternehmensinternen Aktuar oder Treuhänder, findet eine indirekte Kontrolle der eingesetzten privaten Mechanismen von Seiten der Aufsichtsbehörde als Korrektiv statt428. Mit der entsprechenden Regulierung im Versicherungsaufsichtsrecht wird es zu einer Angleichung der aufsichtsrechtlichen Standards im Bereich der Allfinanzaufsicht kommen429. Als eine der Ursachen der jünsten Finanzkrise wurde die geringe Eigenkapitalausstattung der Institute ausgemacht430. Daher werden diese Regeln derzeit in einem Richtlinienentwurf auf Grundlage der sog. Basel-IIIGrundsätze qualitativ und quantitativ verändert431. So werden beispielsweise Drittrangmittel nicht mehr anerkannt, eine Höchstverschuldungsquote (sog. Leverage Ratio), eine Mindestliquiditätsquote (sog. Liquidity Coverage Ratio) sowie die Bildung eines antizyklischen Kapitalpuffers eingeführt. Aber schon im Vorfeld des aktuellen Richtlinienentwurfs haben die Regulierer Maßnahmen ergriffen, um Defizite bei der Kapitalausstattung zu beseitigen. So zwangen bereits die EBA Stresstests die Kreditinstitute dazu, die Eigenmittel- und Liquiditätssituation zu verbessern. All das zieht erhebliche Konsequenzen für die Kreditinstitute nach sich und stellt sie vor große Herausforderungen bei der Beschaffung von Eigenkapital. Neben einem er428

Zu diesem Gedanken vgl. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 234. 429 Siehe hierzu die Begründung der Kommission zum Vorschlag der Solvency-IIRichtlinie, KOM (2007) 361 endg., S. 10: „Die Einheitlichkeit der Governance-Anforderungen in den Sektoren Banken, Wertpapiere und (Rück-)Versicherung ist von grundlegender Bedeutung für die Gewährleistung einer sektorenübergreifenden Konsistenz. Darauf zielen die in dieser Richtlinie festgelegten Governance-Anforderungen ab.“ 430 Siehe Basler Ausschuss für Bankenfaufsicht, Basel III: A global regulatory framework for more resilient banking systems, Revision Juni 2011, Ziffer 4. 431 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats vom 20. Juli 2011, KOM (2011) 453 endg. Zur Umsetzung vgl. Schmitt, BB 2011, 177 sowie ders., BB 2011, 2347.

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heblichen Margendruck wird das möglicherweise sogar dazu führen, dass einige Kreditinstitute ihre Geschäftsmodelle umstellen müssen. Ob und inwieweit diese Anforderungen – insbesondere wenn sie die Kreditinstute kurzfristig zur Aufnahme von erheblichen Eigenmitteln zwingen – die Krise verstärken, wird streitig diskutiert432. Denn als Alternative zur Beschaffung weiterer Eigenkapitalmittel steht eine Reduzierung von Kreditrisiken gegenüber, was wiederum in einer weiteren Verknappung von Unternehmenskrediten mündet. Unter Berücksichtigung eines angemessenen Zeitrahmens, der den Kreditinstituten gewährt werden muss, wirken sich diese Änderungen aber grundsätzlich positiv auf die Corporate Governance aus. Denn sie sorgen für einen größeren Risikopuffer in Krisenzeiten und machen den Finanzsektor weniger anfällig für Störungen. Trotz dieser erheblichen Einschnitte für die Bankenlandschaft ist schließlich festzuhalten, dass das System der Eigenkapitalausstattung unverändert bleibt. Die Institute werden weiterhin gesetzlich dazu verpflichtet, regulatorisches Eigenkapital bereitzuhalten. e) Die Organisation der Unternehmensorgane und die Binnenstruktur der beaufsichtigten Unternehmen – insbesondere das Vier-Augen-Prinzip, Risikocontrolling und Outsourcing aa) Das Vier-Augen-Prinzip Aus dem Gesellschaftsrecht ergeben sich keine zwingenden Anforderungen bezüglich der Anzahl der Geschäftsführer433. Mit der 2. KWG-Novelle von 1976 ist für Kreditinstitute das sog. Vier-Augen-Prinzip eingeführt worden434. Für Institute nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 KWG müssen mindestens zwei, nicht ehrenamtlich tätige, Geschäftsführer bestellt werden. Das VAG enthält eine entsprechende Bestimmung in § 34 Satz 1 bzw. § 156 Satz 1 seit 1983435. So soll Gefahren in Fällen der Abwesenheit eines Geschäftsleiters oder dessen unerkannter Unzuverlässigkeit sowie kriminellen Machenschaf432

Kritisch statt vieler Kindler, NJW 2010, 2465, 2469. Vgl. § 76 Abs. 2 S. 1 AktG, § 35 Abs. 1 GmbHG, siehe oben § 2. 434 Dieses Prinzip hat Eingang in die europäischen Rechtsangleichung im Aufsichtsrecht (vgl. Art 3 Abs. 3 der Ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie RL 77/780) gefunden und steht nicht mehr zur Disposition des nationalen Gesetzgebers. 435 Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 8 Rn. 26; Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 156 Rn. 1, mit dem Hinweis, dass die Vorschriften des Versicherungsaufsichtsrechts – anders als nach dem KWG – nicht für Niederlassungen ausländischer Versicherungsunternehmen sowie für öffentlich-rechtliche Versicherer gelten. Vgl. Begr. RegE zum 14. Änderungsgesetz, BT-Drucks. 9/1493, S. 34. 433

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ten vorgebeugt werden436. Dieses Prinzip basiert auf einer Binnenkontrolle innerhalb der Geschäftsleitung, die eine Vorstufe zur unternehmensinternen Überwachung durch selbstständige Aufsichtsorgane ansetzt437. Für börsennotierte Unternehmen, nicht nur aus dem Finanzsektor, stellt das Erfordernis einer mehrgliedrigen Geschäftsleitungsorganisation in der Regel kein praktisches Problem dar438. Sollte diesem Erfordernis dennoch nicht Genüge getan sein, droht die Versagung oder der Entzug der Konzession. bb) Risikoerkennung und Risikomanagement Mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 5. März 1998439 ist mit § 92 Abs. 2 AktG die bereits zuvor aus § 76 Abs. 1 AktG folgende Pflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems konkretisiert worden440. Inhalt dieser Verpflichtung ist die Implementierung eines Systems zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen auf der ersten und ein System zur Überwachung der eingeleiteten Maßnahmen auf der zweiten Stufe441. Mit den besonderen Organisationsanforderungen des § 25a KWG besteht seit 1997 ein vergleichbares Institut für Banken, dessen Einhaltung die Bundesanstalt überwacht442. In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main wurde allerdings die Ausstrahlwirkung des § 25a KWG auf Versicherungsunternehmen angenommen443. Mittlerweile hat dieser besondere Aspekt der Gleichbehandlung an Brisanz verloren, da mit der 9. Novelle des VAG eine explizite Regelung zum Risikomanagement auch für Versicherungsunternehmen implementiert wurde444. In Anlehnung an die Vorschriften des KWG statuiert das Versicherungsaufsichtsrecht im Rahmen einer prinzipienorientierten Aufsicht nunmehr ebenfalls Vorgaben zur Risikoerkennung und -steuerung445. 436

Vgl. Begr. RegE zur 2. KWG-Novelle, BT-Drucks. 7/3657, S. 15. Zu der Kontrollfunktion eines Kollegialorgans, siehe oben § 2 III. 1. a), aa). 438 Zu der Anforderung an eine hauptamt- und vollzeitliche Beschäftigung siehe BVerwG NJW-RR 1988, 816; Hütz, Bankenaufsicht, S. 113; a. A. Bähre/Schneider, KWG, § 33 Rn. 6. Wie die Anforderung an eine mindestens zweigliedrige Leitungsstruktur allgemein, dürfte dieses Erfordernis allerdings nur kleinere Banken betreffen, vgl. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 212 dort Fn. 1024. 439 BGBl. I S. 786. 440 Siehe hierzu § 2 III. 1. 441 Siehe dazu Hüffer, AktG § 91 Rn. 6 ff. 442 Hopt, in: Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1028 f. 443 VG Frankfurt a. M. WM 2004, 2157. 444 Neuntes Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 23. Dezember 2007, BGBl. Nr. 70 vom 31. Dezember 2007, S. 3248. 445 s. Begr. RegE eines Neunten Gesetzes zur Änderunge des Versicherungsaufsichtsgesetzes, BT-Drucks. 16/6518, S. 15 ff. 437

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Noch weitergehend formulierte das Langericht Berlin sogar eine Pflichtenidentität mit § 92 Abs. 2 AktG. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob die fristlose Kündigung gegenüber einem Vorstandmitglied einer Hypothekenbank deshalb gerechtfertigt war, weil kein ausreichendes Risikomanagement eingerichtet worden war446. Um sich dem verallgemeinerungsfähigen Aussagegehalt dieser Entscheidungen zu widmen, ist zunächst auf die unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen des AktG [s. unten (1)] und des KWG [s. unten (2)] einzugehen. (1) Die Bestandteile eines Risikomanagementsystems nach dem AktG Obwohl die Gesetzesbegründung zum KonTraG447 sowie der DCGK in Ziffer 4.1.4 von einer „Verpflichtung des Vorstands für ein angemessenes Risikomanagement“ sprechen448, sind Reichweite und Umfang im Einzelnen sehr umstritten. Die überwiegende Ansicht lehnt es ab, § 91 Abs. 2 AktG als Grundlage für die obligatorische Errichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems im Sinne eines betriebswirtschaftlichen Verständnisses („risk management“) anzuerkennen449. Demgegenüber geht das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) im Prüfstandard 340450, der sich mit dem Umfang der Prüfungspflicht gem. § 317 Abs. 4 HGB befasst, von einem weiten Verständnis aus. Zu beachten ist aber, dass sich der Anwendungsbereich des § 91 Abs. 2 AktG auf alle Aktiengesellschaften unabhängig von ihrer Größer und einer etwaigen Börsennotierung erstreckt. Eine Prüfung der Maßstäbe findet allerdings nur bei börsennotierten Unternehmen statt451, so dass schon daher aus dem IDW Standard kein allgemeinverbindliches Auslegungskriterium hergeleitet werden kann. 446

LG Berlin AG 2002, 682. Dazu Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657 ff. BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 448 Die Formulierung in der Gesetzesbegründung wird als „Redaktionsversehen“ aufgrund der unreflektierten Übertragung aus dem Referentenentwurf gesehen, Seibert, in: Festschrift Bezzenberger, S. 427, 438. 449 Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 251; Hüffer, AktG, § 91, Rn. 9; Kropff, NZG 2003, 346, dort Fn. 15; Pahlke, NJW 2002, 1680, 1682; Seibert, in: Festschrift Bezzenberger, S. 427, 436 f.; J. Hüffer, in: Festschrift Imhoff, S. 91, 103; a. A. überwiegend aus der Prüfungspraxis Eggemann/Konradt, BB 2000, 503, 505 ff.; Füser/Gleißner, DB 1999, 753; Kromschröder/Lück, DB 1998, 1573; Kuhl/Nickel, DB 1999, 133; Lück, DB 1998, 8, 9 ff.; ders., DB 1998, 1925; Pollanz, DB 1999, 393; ders., DB 2001, 1317, 1318. 450 Abgedruckt in WpP 1999, 685 ff. 451 Dazu Pollanz, DB 2001, 1317, 1321, der eine Ausdehnung befürwortet. Eine Erweiterung des Prüffeldes ist mit Kosten für die Abschlussprüfung verbunden, die man kleineren, kapitalmarktfernen Aktiengesellschaften nicht zusätzlich aufbürden wollte. 447

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Einem weiten Ansatz widerspricht der Wortlaut in zweierlei Hinsicht. Zum einen sollen nur „bestandsgefährdende“ Veränderungen, also solche mit wesentlicher Auswirkung452, und zum anderen „Entwicklungen“ in Abgrenzung zu Risiken erfasst werden453. Über dieses Mindestmaß an Erkennung, Analyse, Berichtswesen und Bewältigungsmaßnahmen hinaus steht die Einrichtung des Risikoüberwachungs- und -managementssystems in dem Leitungsermessen des Vorstandes454. Unabhängig von der Einführung durch das KonTraG ließen und lassen sich aus der allgemeinen Leitungspflicht des Vorstandes und den damit verbundenen Sorgfaltspflichten Verpflichtungen herleiten, nicht nur angemessene Systeme zur Erkennung, sondern auch zur Steuerung von Risiken einzurichten455. Reichweite und Umfang der Verpflichtungen sind jedoch auch hier nicht klar umrissen. Während eine Literaturmeinung ein Gebot zur Errichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems ablehnt456, konstatiert die Gegenansicht, dass der Verzicht auf eine angemessene Risikosteuerung eine Pflichtverletzung darstellt457. Auch die Vorgabe des DCGK wird nicht als Zwang für ein Risikomanagementsystem im betriebswirtschaftlichen Sinne verstanden458. Konsens besteht demnach nur allein über die Bestandteile einer Internen Revision459 mit ihrem Schwerpunkt der Compliance zur rechtzeitigen Erkennung rechtlicher Risiken. Obwohl Controlling-Abteilungen zur prozess452

Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 299. Kort, in: GroßkommAktG, § 91 Rn. 55; ausführlich Pahlke, NJW 2002, 1680, 1682 f. 454 Koch, ZGR 35 (2006), 184, 193 ff.; Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 91 Rn. 23. 455 Kort, in: GroßkommAktG, § 91 Rn. 64; Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 111 Rn. 223. Ein nicht hinreichendes Risikomanagement kann sogar einen Abberufungsgrund für den Vorstand begründen, vgl. LG Berlin AG 2002, 682, 683 f.; hierzu Janzen, NZG 2003, 468 ff. Der zugrunde liegende Sachverhalt betraf ein Vorstandsmitglied eines Kreditinstituts, so dass der Maßstab des § 25a KWG für Umfang und Reichweite des Risikomanagements Anwendung finden musste. Überdies entschied das Gericht, dass die Einrichtung einer geeigneten Risikoüberwachung Aufgabe des Gesamtvorstands unabhängig von der Ressortzuständigkeit ist. Ebenso geht das VG Frankfurt a. M. von einer „einheitlichen Auslegung und Anwendung“ von § 25a KWG und § 91 Abs. 2 AktG aus (dies ablehnend Bürkle, WM 2005, 1496, 1499; Hüffer, AktG, § 91 Rn. 8 a. E.). 456 Lischke/Offerhaus, in: MünchAnwaltsHdB Aktienrecht, § 18 Rn. 18.; Kort, in: GroßkommAktG, § 91 Rn. 64. 457 Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 111 Rn. 222; Lorenz, ZRFG 2006, 5. 458 Kort, in: GroßkommAktG, § 81 Rn. 75; a. A. Ringleb, in: Deutscher Corporate Governance Kodex, Rn. 644. 459 Vgl. Rundschreiben des BAKred vom 17. Januar 2000, abgedruckt in WM 2003, 556 ff. (vgl. hierzu Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a 453

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begleitenden Kontrolle des Geschehens innerhalb des gesamten Unternehmens oder auch Konzerns wichtige Aufgaben von Corporate Governance übernehmen460, ist deren Einrichtung nicht Bestandteil des zwingenden Aktienrechts. Vielfach führt aber bereits die Ungewissheit einer drohenden Haftung de facto zu diesem Ergebnis. (2) Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Risikomanagement Das Bankenaufsichtsrecht geht insbesondere mit seinen detaillierten Regelungen in Gestalt der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)461 über die allgemein gehaltenen Vorgaben des Aktienrechts hinaus. Zu den einzelnen Anforderungen lassen sich beispielhaft ein Risikomanagement- und Risikocontrollingsystem, eine Compliance-Abteilung, ein Managementinformationssystem, das Geldwäschemonitoring sowie Betrugspräventionssysteme nennen462. Jedenfalls verlangt § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG ausdrücklich, dass die erkannten Risiken auch in geeignetem Maße zu steuern sind. Zum Risikomanagement zählt in jedem Fall ein Monitoring der Einzelkreditrisiken mit einer vorausschauenden Risikoanalyse, Dokumentation und systematische Berichterstattung über nicht bewältigte bzw. drohende Risiken463. Diese aufsichtsrechtlichen Anforderungen beeinflussen zwar die Unternehmensführung, zielen aber ausschließlich auf die Einhaltung der bankenaufsichtsrechtlichen Zwecke und nicht etwa auf eine Renditeorientierung oder gar Steigerung der Shareholder Value ab464. Mit der Umsetzung von Basel-II hat die Ausgestaltung von Risikomanagementsystemen weiter an Bedeutung gewonnen, da sie Voraussetzung für die Anwendung des fortgeschrittenen Bemessungsverfahrens und nicht nur des IRBA bilden465. Rn. 129 ff.), aufgehoben durch das Rundschreiben 18/2005 „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) vom 20. Dezember 2005. 460 Die konzernweite Auslegung des § 91 Abs. 2 AktG ist strittig, vgl. Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 91 Rn. 27; a. A. Hommelhoff/Mattheus, BFuP 2000, 217, 222 ff.; Preußner/Becker, NZG 2002, 846. 461 Vgl. Schreiben BAKred v. 28. Mai 1976, abgelöst durch das Rundschreiben 1/2000 des BAKred vom 17. Januar 2000, abgedruckt in WM 2003, 556 ff., aufgehoben durch das Rundschreiben 18/2005 „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) vom 20. Dezember 2005. Hierzu Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 189 f. 462 Braun in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 8, 36 ff. 463 LG Berlin, AG 2002, 682, 684; Baur, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 20 Rn. 263. 464 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 11. 465 Binder, in: Romeike (Hrsg.), Grundlagen des Risikomanagements, S. 127 ff.

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Ursprünglich enthielt das Versicherungsaufsichtsrecht keine entsprechenden Anforderungen an das Risikomanagement eines Versicherungsunternehmens. Vor diesem Hintergrund ist auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main zu sehen, dass eine Ausstrahlwirkung des § 25a KWG auf Versicherungsunternehmen angenommen hat466. Durch die Einführung der Anforderungen an das Risikomanagement durch § 64a VAG sowie die Rundschreiben zur „Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Versicherungen“ ist diese Rechtsprechung insoweit überholt. (3) Die Auslegung von § 91 Abs. 2 AktG und die sog. „Ausstrahlwirkung“ des Aufsichtsrechts auf das allgemeine Gesellschaftsrecht Isoliert voneinander betrachtet divergieren die inhaltlichen Anforderungen von § 91 Abs. 2 AktG und § 25a Abs. 1 KWG in erheblichem Maße. Wenn die Judikatur und Stimmen der Literatur von einem einheitlichen Pflichtenmaßstab ausgehen, kann das nur bedeuten, dass die weitergehenden Maßgaben, die bereits 1997 zum Bestandteil des Bankenaufsichtsrechts wurden467, auf das allgemeine Aktienrecht ausstrahlen. Die oben genannten Urteile begegnen aus mehreren Gesichtspunkten erheblichen Bedenken. Zum einen ist § 25a Abs. 1 KWG wortlautgemäß nur auf Kreditinstitute anzuwenden und lässt schon daher keine Analogie zu. Die erlaubnispflichtige Bankgeschäfte und somit der Anknüpfungspunkt der KWG-Vorschriften sind enumerativ in § 1 Abs. 1 KWG aufgezählt. Zum zweiten widerspricht es gesetzessystematischen Auslegungsmethoden, dass eine spezielle Norm Auswirkungen auf die allgemeinere hat oder diese gar verdrängen könnte. Überdies gilt § 25a Abs. 1 KWG unabhängig von der Rechtsform des Unternehmensträgers und nicht etwa nur spezifisch für Aktiengesellschaften. Die aufsichtsrechtliche Spezialvorschrift zum Risikomanagement ordnet sich den Aufsichtszwecken des Funktions- und Einlegerschutzes unter und weist diesbezüglich nur eine Schnittmenge mit dem aktienrechtlichen Pendant und keineswegs eine Kongruenz auf. Dass der Gesetzgeber einen einheitlichen Anwendungsrahmen beabsichtigt haben soll, muss schon aus der Eindeutigkeit des Wortlauts bezweifelt werden. Die Gesetzesmaterialien lassen keine Anhaltspunkte für eine gesetzgeberische „Gesamtintention“ erkennen und so keinen Raum für teleologische Kriterien 466

VG Frankfurt a. M. WM 2004, 2157. Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 111 Rn. 225; Braun in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 5; ausführlich Preußner, NZG 2004, 57 ff.; zur „aufsichtsrechtlichen Schrittmacherrolle“, Fleischer, ZIP 2003, 1, 10; ebenso Hafke, in: Festschrift Hadding, S. 863, 867 f. 467

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zu468. Überzeugend ist daher von einem Konkurrenzverhältnis beider Vorschriften auszugehen469. Im Gegenschluss jedoch dürfte eine aktienrechtliche Organhaftung dann ausgeschlossen sein, wenn die aufsichtsrechtlichen Standards eingehalten worden sind. Wenngleich eine generelle Ausstrahlwirkung des Bankenaufsichtsrechts auf das allgemeine Aktienrecht demnach nicht hergeleitet werden kann, ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob nicht für andere sektorspezifisch überwachte Unternehmen ein abweichendes Ergebnis zu finden ist. Insbesondere die strukturelle Annäherung des Versicherungsaufsichtsrechts unter dem Stichwort der „Allfinanzaufsicht“ könnte eine solche Bewertung nahe legen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. war in seinem Urteil zur Rechtmäßigkeit der Abberufung eines Vorstandsmitglieds eines Versicherungsunternehmens auf diese strukturelle Besonderheit nicht eingegangen. Mit der Ausweitung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen eines Risikomanagements auf Versicherungsunternehmen durch die Einführung des § 64a VAG hat sich dieser konkrete Aspekt jedenfalls erledigt. Da die Banken- und Versicherungsaufsicht aber in vielen Bereichen trotz einiger Konvergenzerscheinungen weiterhin unterscheiden, stellt sich aber abstrakt und grundsätzlich die Frage, ob die jeweiligen branchenspezifischen Vorschriften des Aufsichtsrechts entsprechend anwendbar sind. Wie schon die kurze Darstellung der Abweichungen von Basel-II von dem zu erwartenden Gegenstück von Solvency II gezeigt haben470, folgen beide Aufsichtsbereiche unterschiedlichen Regeln. Trotz tendenzieller Angleichung finden in Ermangelung einer entsprechenden Verpflichtung im VAG die bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben keine Anwendung auf Versicherungsunternehmen. Die Auseinandersetzung mit den historischen Wurzeln, die Erläuterung der unterschiedlichen Funktionen der aufsichtsrechtlichen Regulierung – zumindest in ihrer Gewichtung – sowie eine bisher fehlende einheitliche Regelungssystematik von KWG und VAG widersprechen einer wechselseitigen Geltung. Sofern das Versicherungs- bzw. das Bankenaufsichtsrecht die jeweiligen Regelungen nicht ausdrücklich übernehmen sind die Vorgaben des KWG von den Versicherungsunternehmen und die Vorgaben des VAG von den Kreditinstituten nicht zu beachten. Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass sich allenfalls eine faktische Ausstrahlwirkung der Erfahrungen und Konkretisierungen der Bank468 Bürkle, WM 2005, 1496, 1498. Die vermeintliche „Gesamtintention des Gesetzgebers“ war jedoch tragendes Argument in dem Urteil des VG, siehe VG Frankfurt a. M. WM 2004, 2157. 469 So Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 1. 470 Siehe oben c).

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aufsichtsbehörde auf das aktienrechtliche Pendant des § 91 Abs. 2 AktG471 herleiten lässt. Sofern der Gesetzgeber keine Änderungen vornimmt, widersprechen Wortlaut und Systematik der besonderen Vorschriften des KWG einer analogen Anwendung. Darüber hinaus dürfte eine Verpflichtung zur Einrichtung eines umfassenden Risikocontrollings für alle, auch die kapitalmarktfernen Aktiengesellschaften zu einer Überregulierung führen. Selbst bei börsennotierten Unternehmen bieten die Sanktionswirkung des aktienrechtlichen Haftungsregimes sowie die Disziplinierung durch Marktkräfte ausreichend Schutz für alle Stakeholder. Wenn man auf eine rechtliche Verpflichtung verzichten möchte, gilt hier wie im Allgemeinen, dass zumindest eine Verpflichtung zur Offenlegung von Details des Controllings oder eine Empfehlung im Rahmen des DCGK geschaffen werden muss. Ohne diese obligatorischen Transparenzregelungen ist eine Marktbewertung unmöglich. Im Ergebnis stehen den Unternehmen flexiblere Möglichkeiten zur Verfügung, den Anforderungen des § 91 Abs. 2 AktG individuell Genüge zu tun. Für eine zwingende ex ante Regelung, wie sie das Aufsichtsrecht mit seinem Präventivcharakter vorsieht, besteht kein Bedürfnis. Die gerichtliche Spruchpraxis sollte aus Gründen der Rechtssicherheit auf jeden Fall korrigiert werden. (4) Das Vergütungssystem als ein Merkmal des Risikomanagements Eine Analyse der jüngsten Finanzkrise hat ebenfalls ergeben, dass die Vergütungsstrukturen der Institute zu dieser Krise beigetragen haben472. Denn von diesen Strukturen gingen falsche Anreizwirkungen aus, die weder den langfristigen Erfolg des Instituts noch das Eingehen von adäquaten Risiken hinreichend berücksichtigten. Das Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen473 und die im Zusammenhang ergangene Institutsvergütungsverordnung474 haben zu einem Paradigmenwechsel im Bereich der Instituts471

Vgl. Hopt, in: Festschrift Wiedemann, S. 1013, 1029. s. Erwägungsgrund 47 des Richtlinienvorschlags zur 4. Eigenkapitalrichtlinie, KOM (2011) 453 endg; s. auch die Empfehlung der Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor, K (2009) 3159 sowie die Begründung des Gesetzentwurfs des Gesetzes über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen, BT-Drucks. 17/1291; Grünbuch der Kommission ‚Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik‘, KOM (2010) 284 endg. 473 Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen vom 21. Juli 2010, BGBl. I, S. 950. 474 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Instituts-Vergütungsverordnung – InstitutsVergV) vom 6. Oktober 2010, BGBl. I S. 1374. 472

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aufsicht geführt. Denn der deutsche Gesetzgeber schuf eine aufsichtsrechtliche Handhabe, um auf die Vergütung von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen Einfluss nehmen zu können (vgl. §§ 25a KWG und 64b VAG). Damit wird die Vergütung der Mitarbeiter von beaufsichtigten Unternehmen einem reinen Marktentscheid entzogen. In einem anderen Kontext wurde bereits die Vergütung von Institutsmitarbeitern im Rahmen des Bankenrestrukturierungsgesetzes ins Visier genommen. Auf dieser Grundlage wurde eine absolute Vergütungsobergrenze für solche Institute geschaffen, die Stabilisierungsmaßnahmen im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes in Anspruch genommen haben (vgl. § 10 Abs. 2a bis 2c FMStFG). Die neuen Vorgaben für die Vergütungsmodelle gelten unabhängig davon, ob sich ein Institut in einer Schieflage befindet. Dogmatisch sind die Vorgaben über die Vergütungsstruktur im Bereich des Risikomanagements verortet. Denn die falsche Anreizwirkung von Vergütungssystemen hat vor allem zur Folge, dass unverhältnismäßige Risiken eingegangen wurden oder solche nicht hinreichend in die Überlegungen eingestellt wurden. Aus wirtschaftswisschenschaftlicher Perspektive lässt sich die Ratio dieser Regelung weniger als eine Lösung des Prinzipal-Agenten-Konflikts erklären475. Denn aus Sicht der Aktionäre mögen die bisherigen Vergütungsmodelle sogar rational und effizient gewesen sein. Grundsätzlich ist eine erfolgsabhängige Vergütung geeignet, einen Gleichlauf der Interessen von Prinzipalen und Agenten zu gewährleisten. Ob diese Prämisse vor dem Hintergrund der jüngsten Erfahrung uneingeschränkt gilt, ist allerdings zu bezweifeln. Denn vor allem haben die zahlreichen Bail Outs auch zu Fehlanreizen für die Prinzipale geführt. Deshalb bleibt offen, ob die Prinzipale nicht andere Vergütungsstrukturen – zumindest in der Zukunft – wählen würden, wenn die marktlichen Korrekturkräfte hier tatsächlich zum Tragen gekommen wären. Jedenfalls ermöglichen die aufsichtsrechtlichen Regeln den übrigen Stakeholdern nun, auf die Vergütungsstruktur Einfluss zu nehmen. Wegen der Bedeutung der Institute für die Volskwirtschaft und den massiven staatlichen Stützungsmaßnahmen erscheint dieser Regerlungsansatz nicht nur sinnvoll sondern auch notwendig. Zudem wird versucht, mit der Beteiligung der verantwortlichen Akteure bei einem Misserfolg, den geschaffenen Fehlanreizen des moral hazard entgegenzuwirken476. Diese Regelungen werden kein deutscher Sonderweg bleiben. Denn der europäische Gesetzgeber beabsichtigt, dieses Regelungsvorbild auch für die übrigen Mitgliedstaaten in eine verbindliche Form zu gießen477. 475 476 477

Friebel/Langebucher, GWR 2011, 103. Vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 6 der Institutsvergütungsverordnung. Art. 88 des Richtlinienvorschlags vom 20. Juli 2011, KOM (2011) 453 endg.

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cc) Das Outsourcing von Unternehmensabteilungen In § 25a Abs. 2 KWG wird ausdrücklich die Auslagerung von Unternehmensbereichen an externe Dienstleister zur Optimierung der Prozesse für zulässig erklärt, allerdings unter der Beachtung aufsichtsrechtlicher Grundsätze478. Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive werfen die Zugriffs- und Kontrollrechte der Kreditinstitute auf ausgelagerte Unternehmen Fragen auf479. § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG normiert die Vorlage von Verträgen, die eine Funktionsausgliederung beinhalten, als Bestandteile des Geschäftsplans480. Mit der Ausdehnung aufsichtsrechtlicher Befugnisse soll die behördliche Überwachung von Kernbereichen des Betriebs von Versicherungsgeschäften sichergestellt werden (vgl. § 81 Abs. Satz 1 lit a VAG)481. Aufgrund der rudimentären Regelungen im Versicherungsaufsichtsrecht besteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit482. Insbesondere hängt die zivilrechtliche Wirksamkeit der Funktionsausgliederungsverträge von der aufsichtsrechtlichen Billigung ab (vgl. § 13 Abs. 1a Satz 1 VAG). In Ermangelung vergleichbarer Vorschriften – jedenfalls in ihrer Detailtiefe – werden hier erneut organisationsrechtliche Divergenzen zwischen KWG einerseits und VAG andererseits deutlich, die Anhaltspunkte liefern, welche gegen eine wechselseitige Ausstrahlwirkung sprechen483. Wünschenswert wäre an dieser Stelle eine Klarstellung durch den Gesetzgeber. f) Organkredite Dezidierter als im Nichtbankenbereich regeln Vorschriften die Kreditvergaben an Organmitglieder und deren Angehörige unter Gesichtspunkten der Interessenkollision. Die Gewährung von Krediten an Mitglieder des Geschäftsleitungs- und des Überwachungsorgans aus dem Gesellschaftsvermögen birgt ein erhöhtes Missbrauchsrisiko in sich484. Aus diesem Grund 478 Siehe auch BaFin vom 6. Dezember 2001, Rundschreiben 11/2001 „Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen gemäß § 25a Abs. 2 KWG“. 479 Siehe BaFin, Rundschreiben 11/2001, Rn. 30. Einzelheiten zu den Problemen bei Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 207 ff. 480 Siehe auch BAV, Rundschreiben 6/1976 „Gewährleistung der Aufsicht über ausgegliederte Betriebsbereiche von Versicherungsunternehmen“ vom 2. April 1976. 481 Präve, in: Prölss, VAG, § 5 Rn. 85 f.; Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 5 Rn. 41 ff. 482 Bürkle, WM 2005, 1496, 1500 f.; Michaels/Langheid, VW 2004, 800, 806 mit der Empfehlung eines Rundschreibens im Einvernehmen mit der Versicherungswirtschaft. 483 Bürkle, WM 2005, 1496, 1501. 484 Hüffer, AktG, § 89 Rn. 1, § 115 Rn. 1; Groß in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 15 Rn. 1.

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stellt das Aktienrecht die Vergabe von Krediten an Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten sowie deren Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder unter den Vorbehalt eines Aufsichtsratsbeschlusses (vgl. §§ 89, 115 AktG). Das Bankenaufsichtsrecht fordert indes strengere Maßstäbe bei der Gewährung von Organkrediten, indem in Ergänzung zum Aufsichtsgremienvorbehalt ein einstimmiger Beschluss sämtlicher Geschäftsleiter, eine Zustimmung des Aufsichtsrats und die Ausgestaltung der Kreditbedingungen anhand marktmäßiger Konditionen verlangt werden485. Eine Kontrolle dieser Vorschriften erfolgt im Rahmen der Jahresabschlussprüfung und wird durch die besondere Schadensersatzpflicht nach § 17 KWG flankiert486. g) Die Qualifikation von Organmitgliedern und Inhabern bedeutender Beteiligungen Nicht nur im Versicherungswesen beruhen die Schieflagen der Unternehmen vielfach auf Missständen im Bereich des Managements, so dass aufsichtsrechtliche Organisations- und Verhaltensanforderungen diesbezüglich als Maßnahmen der Krisenprävention gelten487. aa) Eignung und Zuverlässigkeit von Geschäftsleitungsmitgliedern Das deutsche Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht kennt dezidierte Regelungen über die persönliche Zuverlässigkeit und fachliche Eignung von Geschäftsleitern488. Die aktienrechtlichen Vorgaben an die Qualifikation von Vorstandsmitgliedern sind demgegenüber sehr zurückhaltend und beruhen im Wesentlichen auf der Verantwortung des Aufsichtsrats. Die Auswahl des Vorstandes gehört zu dessen Hauptaufgaben (vgl. §§ 84 Abs. 1, 111 485 Vgl. § 15 KWG. Die Entscheidung des Aufsichtsrates kann gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG an einen Ausschuss delegiert werden, der seinen Beschluss nach satzungsgemäßer Mehrheit trifft. Die BaFin verlangt allerdings die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern, vgl. BaKred, I 3 – 233 – 6/75 Schreiben vom 20. August 1976. Vgl. Groß, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 15 Rn. 36; Hommelhoff, in: Festschrift Werner, S. 315, 317. 486 Groß, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 15 Rn. 1; Meyer-Ramloch, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 17 Rn. 1 ff. 487 Grundlegend Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 587 ff. und passim. Vgl. auch Bürkle, VersR 2007, 1595, 1599; Wandt, VW 2007, 473, 475; zu den historischen Erfahrungen siehe Müller, ZVersWiss 1999, 297, 310 f. 488 Siehe Art. 3 Abs. 2 der Ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, Art. 4 der konsolidierten Bankenrichtlinie über die Ausnahme und Ausübung der Tätigkeit von Kreditinstituten RL 2000/12; § 33 Abs. 1 Nr. 3 KWG.

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AktG). Im Rahmen dieser Personalkompetenz steht ihm ein weiter Ermessensspielraum zu, der zunächst nur durch die §§ 84 Abs. 1, 76 Abs. 3 und 105 Abs. 1 AktG beschränkt wird. Hiernach ist die Mitgliedschaft im Vorstand mittels eines Aufsichtsratsbeschlusses auf 5 Jahre begrenzt oder durch Berufsverbote, beschränkte Geschäftsbarkeit sowie Verurteilungen wegen bestimmter Straftaten (§ 76 Abs. 3 AktG) und Mitgliedschaft im Aufsichtsrat (§ 105 AktG) ausgeschlossen. Zur Wahrung von Unternehmensinteressen ist das Ermessen des Aufsichtsrats weiter reduziert und dieser zu einer sorgfältigen Selektion verpflichtet. Grenzen für die Auswahl sind den Sorgfaltspflichten der Aufsichtsratsmitglieder gem. § 116 i. V. m. § 93 AktG zu entnehmen. Besondere Pflichten treffen hier die Nominierungsausschüsse, die sich mit Personalfragen im Vorfeld der Bestellung neuer Vorstandsmitglieder befassen. Das Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht stellt an die Geschäftsleiter489 weitere Anforderungen an ihre „Zuverlässigkeit“ und „fachliche Eignung“ (fit-and-proper-Test)490. Hierbei handelt es sich nicht etwa um einheitlich geltende aufsichtsrechtliche Grundsätze, da das KWG theoretische und praktische Kenntnisse in Bankgeschäften und das VAG entsprechende Kenntnisse in Versicherungsgeschäften voraussetzt491. Gesetzessystematisch wird die Zuverlässigkeit widerlegbar vermutet. Tatsachen, die gegen diese Vermutung sprechen, ermittelt die BaFin anhand der eingereichten Unterlagen sowie eigener Ermittlungen. Herangezogen werden demnach unter anderem Lebenslauf, Zeugnisse und Strafregisterauszüge492. § 33 Abs. 2 KWG konkretisiert die Anforderungen an die fachliche Eignung, welche bei einer dreijährigen, der Leitungsfunktion vergleichbaren, Tätigkeit vermutet wird493. Funktional kommt es hier zu einer echten Doppelprüfung, wobei es zunächst dem Aufsichtsrat obliegt, den Vorstand anhand qualifizierter Sorgfaltsmaßstäbe auszuwählen, um der BaFin im Anschluss anhand dieser engen Kriterien des Aufsichtsrechts eine weitere Überprüfung und ggf. eine Korrektur zu ermöglichen. Nicht nur in materieller Hinsicht werden Qualifikationsanforderungen normiert, sondern auch deren Einhaltung im Verwaltungsverfahren überprüft. Bei der Schaffung von qualitativen Standards im Aufsichtsrecht wird eine Überschneidung von Selbstkontrolle 489 Die „Geschäftsleiter“ stimmen regelmäßig mit den gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführern überein und umfassen in einer AG den gesamten Vorstand, siehe Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 128 Rn. 21 f. 490 Vgl. §§ 33 Abs. 1 Nr. 2 und 4 KWG; § 7a Abs. 1 Satz 1 VAG. 491 Siehe hierzu Bürkle, WM 2005, 1496, 1500. 492 Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 128 Rn. 23. 493 Vgl. zu den einzelnen Anforderungen Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 33 Rn. 41 ff.; ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 128 Rn,. 42 ff.; aufschlussreich Dürr, WM 1994, 1918.

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und heteronomer Überwachung deutlich. Vor dem Hintergrund behördlichen Ermessens, der Auslegungsfähigkeit der Begriffe und der Bindungswirkung der Verwaltungsentscheidung kommt es zu einem erheblichen Eingriff in die Autonomie des Aufsichtsorgans. Problematisch erweist sich die intendierte Legalausnahme der Amtshaftung494, die eine Durchbrechung von Handlung und Verantwortung bewirkt. Billigt die Bundesanstalt eine Personalentscheidung zur Besetzung einer Geschäftsleiterstellung in fehlerhafter Art und Weise, kann sie bzw. die Bundesrepublik hierfür nicht in Haftung genommen werden. Außerdem dürfte eine solche Entscheidung den grundsätzlich für die Besetzung des Vorstandes verantwortlichen Aufsichtsrat exkulpieren. Die Grundsätze der disziplinierend wirkenden Haftung ist in diesem Bereich ausgehebelt. bb) Erhöhte Anforderungen an das Aufsichtsratsmandat In Anbetracht der hohen inhaltlichen Anforderung an eine effiziente Überwachung der Geschäftsleitung eines Versicherungsunternehmens oder Kreditinstitut muss es verwundern, dass das Wirtschaftsaufsichtsrecht keine entsprechenden persönlichen Qualifikationsvoraussetzungen an die Mitglieder des Aufsichtsrats stellt495. Einer analogen Anwendung der aufsichtsrechtlichen Standards für die Geschäftsleitung auf die Mitglieder des unternehmensinternen Überwachungsorgans kommt aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 33 KWG, § 7a Abs. 1 VAG nicht in Frage. Unter Berücksichtigung der branchenspezifischen Besonderheiten sind die tatsächlichen Anforderungen an ein Aufsichtsratsmandat größer, so dass es auch in Ermangelung aufsichtsrechtlicher Vorgaben aufgrund der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftung zu einer Erhöhung der Sorgfaltsmaßstäbe kommen dürfte496. Fragen nach der Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern sind auch in der jüngsten Bankenkrise insbesondere bei der IKB und SachsenLB in den Vordergrund gerückt. Dies gilt umso mehr, als dass die KfW als Großaktio494

Dazu siehe unten § 6 IV. Hafke, in: Festschrift Hadding, S. 863, 870 f.; vgl. ebenso Hopt, ECGI Law Working Paper 05/2002, S. 460; Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 100 Rn. 21. Vgl. aber Art. 1 Nr. 8c des Gesetzesentwurfs der BReg, BR-Drucks. 277/09. 496 Vgl. zum Verhältnis von Qualifikation und Haftung Claussen, AG 1996, 481, 485; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 311; siehe oben § 2 III. 1. b), bb), (2). Ablehnend hinsichtlich einer aufsichtsrechtlichen Normierung Hoppmann, VersR 2001, 561, 562 f.; Semler, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 13. Kritisch zu dem Argument einer „Zweiklassengesellschaft“ im Aufsichtsrat vor dem Hintergrund, dass Arbeitnehmervertreter den fit-and-proper-Test nicht bestehen würden, siehe Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 100 Rn. 21, dort Fn. 75. 495

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närin ihre Vertreter – also mittelbar die öffentliche Hand – in das Aufsichtsgremium entsendet hat. Eine Exkulpation der Mitglieder hinsichtlich des Vorwurfs, dass die in Conduits versteckten Risiken nicht erkennen konnten, da sie außerhalb der Bilanz geführt worden seien, wird dabei kaum gelingen, weil jene im zugänglichen Geschäftsbericht explizit enthalten waren497. Noch vor der Bundesanstalt hatten somit die Mitglieder des Aufsichtsrats die Möglichkeit, diese Geschäftspolitik zu beanstanden. Deutlich wird, dass Forderungen nach einer Verbesserung der behördlichen Beaufsichtigung die gesellschaftsrechtliche Primärzuständigkeit für die Überwachung der Geschäftsleitung durch das unternehmensinterne Aufsichtsorgan nicht außer Acht lassen dürfen. Eine Stärkung des Aufsichtsrates und eine Steigerung der Überwachungseffizienz sollte vorrangig bei Reformbestrebungen zur Verbesserung der Corporate Governance berücksichtigt werden. cc) Inhaber bedeutender Beteiligungen Eine Kontrolle der Eignung und Zuverlässigkeit erstreckt sich auch auf Anteilseigner an Banken und Versicherungsunternehmen498. So müssen die Inhaber einer bedeutenden Beteiligung den, im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Versicherungsunternehmens zu stellenden, Ansprüchen genügen, insbesondere zuverlässig sein499. Mit der Anteilseignerkontrolle soll ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der Aufsichtszwecke geleistet werden, da eine Kontrolle der Unternehmen nicht zuletzt von den unternehmerischen Leitungsentscheidungen der Shareholder abhängt500. Vor allem soll die Aufsicht verhindern, dass sich unzuverlässige Unternehmensinhaber von sachfremden Interessen zu Lasten des Funktions- und Gläubigerschutzes leiten lassen könnten501. Die allgemeinverbindlichen Corporate Governance-Grundsätze enthalten mit Ausnahme dieser Meldeschwellen (vgl. §§ 20 ff. AktG, § 21 WpHG) keine inhaltliche Überprüfung der wirtschaftlichen Eigentümer. Funktional soll allein der Anleger darüber ent497 Zu den Einzelheiten vgl. Fn. 1. Vgl. zudem die Kleine Anfrage zur Rolle des BMF im Rahmen der Schieflage der IKB, BT-Drucks. 16/6483 sowie die Antwort der Bundesregierung BT-Drucks. 16/6729, insbes. S. 4 f. 498 Hirschmann, Anteilseignerkontrolle; Hohlfeld, in: Festschrift Lorenz, S. 295, 296 f.; Müller, Anteilseignerkontrolle. 499 Vgl. § 7a Abs. 2 Satz 1 VAG; entsprechendes Erfordernis in § 2c KWG. 500 Siehe auch die jüngst vorgeschlagenen Änderungen des Außenwirtschaftsgesetzes durch ein Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung, Regierungsentwurf vom 29. August 2008, BR-Drucks. 638/08. 501 Vgl. Begr. RegE zur 4. KWG-Novelle, BT-Drucks. 12/3377, S. 27.

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scheiden, ob die personellen und zahlenmäßigen Verhältnisse der Anteilseignerstruktur ihre Interessen beeinträchtigen. Im branchenspezifischen Wirtschaftsaufsichtsrecht kann es demgegenüber zu einer behördlichen Versagung einer Unternehmensbeteiligung kommen. Das Genehmigungserfordernis bedeutet einerseits eine Erschwernis für den Übernahmemarkt, gewährleistet andererseits aber eine zusätzliche Schutzfunktion für die Mitaktionäre als Reflex von der intendierten Sicherstellung der behördlichen Überwachung. h) Klumpenrisiken – Großkredite Mit der Umsetzung der Basel-II-Richtlinien hat auch eine umfassende Reformierung der Anforderungen an Groß- und Millionenkredite stattgefunden502. Eine übermäßige Konzentration der Kreditgewährung an einen Kunden bzw. an eine Kundengruppe (sog. Klumpenrisiken) ist mit besonderen Risiken beim Ausfall der Forderung verbunden503. Während die §§ 13, 13a und 19 KWG eine quantitative Begrenzung dieses Risikos vorsehen, enthält § 18 KWG qualitative Anforderungen an die Informationspflichten der Kreditinstitute504. Ein Verstoß gegen die dort normierten Kreditobergrenzen hat keine zivilrechtlichen Konsequenzen. Um eine wirkungsvolle Überwachung zu gewährleisten, sind die Kreditinstitute des Weiteren zu Anzeigen gegenüber der Bundesanstalt verpflichtet. Risikostreuung lässt sich jedoch nicht nur durch quantitative Beschränkungen im Aufsichtsrecht, sondern auch durch eine betriebwirtschaftliche Diversifikation erzielen505. Eine Anrechnung solcher Kompensationsmöglichkeiten sehen die Groß- und Millionenkreditvorschriften nicht vor. Mit Ausnahme der Vergabe von Krediten an Organe enthält das Aufsichtsrecht keine obligatorische Einbeziehung des unternehmensinternen Aufsichtsorgans im Rahmen der Kreditüberwachung. In der Überwachungspraxis der Kreditinstitute hat sich jedoch die Einbindung eines Kreditausschusses herausgebildet506. Selbst bei der Überschreitung von Kreditober502 Siehe die Verordnung über die Erfassung, Bemessung, Gewichtung und Anzeige von Krediten im Bereich der Großkredit- und Millionenkreditvorschriften des Kreditwesengesetzes (Großkredit- und Millionenkreditverordnung – GroMiKV) vom 14. Dezember 2006, BGBl. I, S. 3065. 503 Groß, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, vor §§ 13 ff. Rn. 1. 504 Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 18 Rn. 1; Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Grds. I § 1 Rn. 3. 505 So etwa durch eine gezielte Inanspruchnahme von ABS-Transaktionen, vgl. Tollmann, ZHR 169 (2005), 594, 598. 506 Hommelhoff, in: Festschrift Werner, S. 315, 316 mit einer Erörterung zu den aktienrechtlich problematischen Kompetenzfragen, S. 318 ff.

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grenzen, die ausnahmsweise durch Verwaltungsakt der Bundesanstalt in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gestattet werden kann, wird dieser Vorgang nicht unter einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats gestellt. De jure ist die Aufsichtsbehörde Primat der Überwachung von Großkrediten. Die in der Praxis durch unternehmensinterne Instanzen erfolgende Vorabkontrolle kann die Verschiebung des Kräfteverhältnisses zu Gunsten der Bundesanstalt nicht verändern. 2. Besondere Publizitätspflichten bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen Die Rechnungslegung bei Versicherungsunternehmen hat im Gefüge der Unternehmenspublizität eine wesentliche Vorreiterrolle eingenommen. Im Jahre 1901 wurden die entsprechenden Grundsätze unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes noch vor der entsprechenden Regelung im Aktienrecht vereinheitlicht. Die in Formularblättern bzw. Schemata vorgegebene Gliederung der Bilanz richtete sich nach Liquidität und Bonität, um die dauernde Erfüllbarkeit der eingegangen Verpflichtungen besser deutlich zu machen507. Die Vereinheitlichung bewirkte eine bessere Vergleichbarkeit der Informationen in zweifacher Hinsicht. Zum einen konnten die Ergebnisse einzelner Unternehmen innerhalb der Versicherungsbranche einander gegenübergestellt werden und zum zweiten ermöglichte ein einheitliches Abrechnungsschema, die Entwicklung eines einzelnen Unternehmens über einen mehrjährigen Zeitraum unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität zu beobachten508. Auf dieser Grundlage gewann die Aufsichtsbehörde sichere Maßstäbe für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Versicherungsunternehmen. Insoweit finden wir in der Rechnungslegung der Versicherungsunternehmen einen frühen Vorläufer jener staatlichen Reglementierung des Rechnungswesens, die später durch die Aktiengesetzgebung auf alle Aktiengesellschaften ausgedehnt wurde509. 507 Faßbender, Die externe Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen, S. 16; siehe auch die Begründung zum VAG 1901, BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 47: wichtig „für die behördliche Überwachung der Anstalten wie für die Orientierung der öffentlichen Meinung über dieselben ist, dass bei der Rechnungslegung die erforderliche Durchsichtigkeit und Ausführlichkeit beobachtet wird und dass die Veröffentlichungen über alle wichtigeren Thatsachen des Geschäftsbetriebs klaren und zuverlässigen Aufschluß gewähren“. 508 Hax, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, 269, 271. 509 Faßbender, Die externe Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen, S. 16; Hax, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, 269, 271.

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Neben den inhaltlichen Elementen der Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen mit ihrem wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Aktienrechtsreform war es vor allem die obligatorische Prüfung durch einen sachverständigen und unabhängigen Prüfer, die bei Lebensversicherungen bereits 1927 durch die Aufsichtsbehörde angeordnet wurde510. Bei diesem Versicherungstyp erwies sich die Gefahr durch eine fahrlässige oder vorsätzliche Fälschung der für Lebensversicherungen so wichtigen Deckungsrückstellungen als besonders kritisch für die Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge. Erst nach dem Zusammenbruch der FAVAG wurde die Pflichtprüfung mit dem Abänderungsgesetz zum VAG vom 30. März 1931511 auf alle Versicherungsunternehmen und mit der Aktienrechtsreform von 1931 später auf sämtliche Aktiengesellschaften ausgedehnt512. Im Rahmen des Grundkonzeptes der Neuen Basler Eigenkapitalvereinbarung wurden die Offenlegungspflichten von Kreditinstituten erweitert, um die disziplinierenden Kräfte der Märkte komplementär zu den regulatorischen Anforderungen für Überwachung nutzbar zu machen. Eine entsprechende Umsetzung der 3. Säule von Basel-II findet sich in § 26a KWG wieder. Den Prinzipien des kapitalmarktrechtlichen Informationsmodells folgend sollen die Marktteilnehmer auf diesem Wege über die Kapitalausstattung, die Risikomodelle und die angewandten Risikomanagementverfahren in Kenntnis gesetzt werden, um diese Informationen in ihre Transaktionsentscheidungen einfließen lassen zu können. a) Die Bedeutung des materiellen Bilanzrechts für die Corporate Governance Auswirkungen auf die Corporate Governance haben auch die unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards und materiellen Bilanzierungsvorschriften. Aus diesem Grund wird die sog. IAS-Verordnung513, die eine Konzernrechnungslegung nach internationalen Standards für die börsennotierten Unternehmen mit Sitz in der EG vorschreibt514, als wesentlicher Einschnitt in 510

Faßbender, Die externe Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen,

S. 28. 511

RGBl. I, S. 684. Ackermann, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, 246, 247; Hax, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, 269, 275 f. 513 Verordnung EG Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG Nr. L 243, S. 1. 514 Art. 4 IAS-Verordnung. 512

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das bisherige Transparenzsystem in Deutschland verstanden. Bedeutsam ist diese Veränderung vor allem vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zwecke, die die IAS/IFRS-Rechnungslegung515 gegenüber der HGB-Rechnungslegung verfolgt. Während die deutschen Standards im Wesentlichen dazu dienen, internen und externen Adressaten ein Bild über den Geschäftsverlauf zu vermitteln, die Kapitalerhaltung sicherzustellen und nach dem sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz die Grundlage für die Steuerbilanz zu bilden, sollen die internationalen Standards einzig und allein den Kapitalmarkt über die Finanzlage des Unternehmens informieren516. Gegenüber dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip weisen die IFRS-Standards größere Aktivierungsmöglichkeiten auf, was zu einer „positiveren“ Bilanz führt und sich so auch auf die Kreditvergabepraxis der Banken auswirkt517. Aus der, durch die Bilanzierung geschaffenen, Transparenz ergeben sich unmittelbare Konsequenzen für das Bankenmanagement, indem sich die Höhe der Risikoprämie für die Bereitstellung von Fremd- und Eigenkapital am Umfang der Informationssicherheit für die jeweiligen Adressaten bemisst518. b) Sondervorschriften im Wirtschaftsaufsichtsrecht Die in verstärktem Maße bestehenden Informationsasymmetrien im Kredit- und Versicherungsgewerbe519 erfordern eine besondere Regulierung. In ihrer Informationsfunktion gegenüber den Marktteilnehmern einerseits und der Aufsichtsbehörde andererseits bilden die Offenlegungsvorschriften einen wesentlichen Bestandteil der Corporate Governance.

515 Die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS werden sukzessive durch IFRS-Standards abgelöst und unterfallen dem Oberbegriff der IFRS, vgl. IAS 1.11 sowie Pellens/Fülbier/Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 78 f. Von besonderer Bedeutung für Unternehmen aus der Finanzbranche ist IFRS 7, das die Darstellung von Finanzinstrumenten regelt. 516 Zusammenfassend Merkt, AG 2003, S. 126, 132. Lowenstein, Columbia Law Review 1996, S. 1342 beschreibt die Ausrichtung allein an dem Informationsinteresse der Anleger als entscheidenden Vorteil für die Effizienz des US-amerikanischen Kapitalmarktes. 517 Vgl. z. B. das Aktivierungsverbot von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen § 248 Abs. 2 HGB, hierzu Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 248 Rn. 2 ff. Zum Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB siehe Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 252 Rn. 10. Siehe aber auch die derzeit beabsichtigte Aufhebung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), Regierungsentwurf vom 23. Mai 2008, BR-Drucks. 344/08). 518 Gramlich, KoR 2003, 350, 351 f. 519 Siehe oben § 5 I.

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aa) In- und externe Rechnungslegung: Doppelfunktion der Unternehmenspublizität Heute finden wir ein zweigeteiltes System der Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen vor. Auf der einen Seite unterliegen die Unternehmens- und Finanzpublizität gegenüber den Marktteilnehmern abweichenden Sondervorschriften und auf der anderen Seite dienen spezielle Publizitätspflichten gegenüber der BaFin zur Erfüllung des Aufsichtszwecks. Die handelsrechtliche Rechnungslegung mit Konkretisierungen durch die RechVersV520 enthält inhaltliche Anforderungen, deren Unterschiede zur Bilanzpublizität von Kapitalgesellschaften anderer Branchen de facto im Zuge der Internationalisierung der Rechnungslegung immer mehr nivelliert werden. Zudem erfolgt eine Rechnungslegung gegenüber der BaFin (sog. interne Rechnungslegung)521. Die interne Rechnungslegung ist auf die Bedürfnissen des Aufsichtsrechts ausgerichtet und hat eine Konkretisierung durch die Versicherungsberichterstattungs-Verordnung (BerVersV)522 erfahren. Die dort gewonnenen Informationen werden den Marktteilnehmern nicht zur Verfügung gestellt. Aus diesem Grund erfüllt diese Offenlegung nicht die Funktionen der Unternehmenspublizität, wie sie im Ersten Teil beschrieben worden ist523. bb) Das materielle Bilanzrecht von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen Im Bereich des materiellen Bilanzrechts sieht das HGB Sonderregeln für die beaufsichtigten Bank- und Versicherungsunternehmen vor, die die allgemeinen Vorschriften als lex specialis verdrängen. Ergänzt durch die Rechnungslegungsverordnung haben die Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute abweichend von der „herkömmlichen“ externen Rechnungslegung die §§ 340 ff. HGB zu berücksichtigen524. Neben den besonderen formalen 520 Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung – RechVersV) vom 8. November 1994, BGBl. I., S. 3378. 521 Vgl. § 55a VAG. Vgl. zu den Unterschieden der internen und externen Rechnungslegung ausführlich Mayer, in: Prölls, VAG, vor §§ 55–64, Rn. 1 ff.; Trakies, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland, S. 307. 522 Verordnung über die Berichterstattung von Versicherungsunternehmen gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 29. März 2006, BGBl. I, S. 622. 523 Siehe oben § 1 II. 3. 524 Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen vom 8. November 1994, BGBl. I, S. 3378.

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Anforderungen an die Bilanzierung, etwa durch die Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV)525, die unter anderem eine eigene Gliederung von Bankbilanzen vorsieht526, weicht die Rechnungslegung für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen auch in materieller Hinsicht von den allgemeinen Vorschriften ab. Im 4. Abschnitt des Ersten Buches des HGB, das die Regelungen für das Handelsbuch enthält, finden sich ergänzende – oder vielmehr substituierende – Vorschriften für bestimmte Geschäftszweige und so auch für Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute. Die allgemeinen Grundsätze des § 341e HGB verdeutlichen, dass die Bilanzierung die besonderen Interessen der Versicherungsnehmer zu berücksichtigen hat. Durch die materiellen Bilanzregeln wird die Überwachung der Unternehmen flankiert. Aber die besonderen Offenlegungsvorschriften bedeuten nicht zwangsläufig ein Mehr an Publizität. Etwa die Möglichkeit zur Bildung stiller Rücklagen als Vorsorge für allgemeine Bankenrisiken gem. § 340f HGB527 widerspricht dabei den allgemeinen Tendenzen zur Verbesserung der Transparenz und sieht sich daher einer heftigen Kritik ausgesetzt528. Für die vorliegende Untersuchung, die sich auf börsennotierte Unternehmen konzentriert, hat diese Vorschrift indes nur eine geringe Bedeutung, da die thematisch entsprechenden IFRS-Vorschriften für Kreditinstitute (vgl. insbesondere IFRS 7) diese Wahlmöglichkeit nicht vorsehen und die Unternehmen zur offenen Passivierung verpflichtet sind. In Verbindung mit der Pflicht zur Konzernrechnungslegung nach diesen internationalen Standards müssen diese Positionen offen gelegt werden, so dass zumindest die kapitalmarktorientierten Kreditinstitute stille Reserven gem. § 340f HGB zwar noch theoretisch in den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen, praktisch aber nicht mehr bilden können529.

525

Vom 11. Dezember 1998, BGBl. I, S. 3654. Die RechKredV dient in erster Linie der Umsetzung zwingender Vorgaben der EG-Bankbilanzrichtlinie vom 8. Dezember 1986, ABl. EG Nr. L 44/40. Hierzu Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 340 Rn. 7 ff. 527 Eingeführt durch das Bankbilanzrichtliniegesetz vom 30. November 1990, BGBl. I, S. 2570. Siehe zur Vorgängervorschrift des § 26a KWG a. F., der unter anderem noch umfangreichere Möglichkeiten zur Überkreuzkompensation vorsah vgl. Bieg, Bankbilanzen, S. 209 ff.; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 340f Rn. 4; Reifner, NJW 1993, 89, 92. 528 Böcking/Nowak, in: MünchKommHGB, § 340f, g Rn. 1 ff. m. w. N. 529 Böcking/Bierschwale, BB 1999, 2235, 2239; Krumnow, Die Bank 1996, 396, 398. 526

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c) Publizität als notwendige Ergänzung aufsichtsrechtlicher Kontrolle Mit der Umsetzung von Basel-II hat die Inanspruchnahme von Elementen der Marktdisziplin zugenommen, die aufgrund bestehender Informationsasymmetrien nur durch eine Ausweitung von Offenlegungsvorschriften wirksam aktiviert werden können (vgl. § 26a KWG). Die Basler Offenlegungsvorschriften sind maßgeblich von den internationalen Rechnungslegungsstandards geprägt. Von besonderer Bedeutung für Unternehmen aus der Finanzbranche sind die Maßgaben von IAS 39 bzw. dessen Nachfolger IFRS 7, die Darstellungskriterien für Finanzinstrumente enthält. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die vorgeschlagene Offenlegung nach diesen Standards von bilanzierenden Instituten bereits weitgehend erfüllt wird530. Welchen Stellenwert die bilanzielle Abbildung der Geschäftstätigkeit hat, wurde auch in der aktuellen Finanzkrise deutlich. Um die Kreditinstitute von einem Abschreibungsdruck, der von aktuell nicht handelbaren Finanzinstrumente hervorgerufen wird, zu entlasten, haben das IASB und der Rat der EU im Rahmen des Endorsements reagiert und eine Ausnahme von der Zeitwertbilanzierung geschaffen531. Von besonderer Bedeutung – und insoweit auch ungewöhnlich für die funktionale Betrachtung von Unternehmenspublizität532 – ist die Einbeziehung der „Öffentlichkeit“ in den Adressatenkreis. Schon bei Erlass des VAG betonte der Gesetzgeber den Beitrag der „öffentlichen Meinung“ für eine wirksame Überwachung von Versicherungsunternehmen533, erblickte aber in dem Publikum vornehmlich aktuelle und künftige Versicherungsnehmer534. Einige Stimmen wollen diesen Kreis freilich weiter fassen und stützen sich unter anderem auf die Erfahrungen mit der FAVAG-Krise, auf welche die Presse im Vorfeld bereits aufmerksam gemacht hatte535. Einen berechtigten, allgemeinen Informationsanspruch der Allgemeinheit im Hinblick auf die Unternehmenskontrolle lässt sich hierdurch aber nicht herleiten. Insgesamt spielt diese „Funktion“ der Offenlegung gegenüber der Finanzpublizität, die an die am Unternehmen Beteiligten adressiert ist, nur eine untergeordnete Rolle. 530 Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2. Auflage, Überblick Basel II, Rn. 189. 531 Siehe Einleitung, III. 2., insbes. Fn. 25. 532 Einzelheiten hierzu siehe § 1 II. 3. 533 Begründung zum VAG 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 47. 534 Begründung zum VAG 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 25. 535 So Lauinger, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, 284.

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III. Das formelle Aufsichtsrecht – Das Handlungsinstrumentarium der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 1. Die Konzessionspflicht als Rahmen für eine wirksame Überwachung a) Die Überwachung des Marktzugangs durch das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Den Kern des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts bildet eine umfängliche Konzessionierung der Unternehmung. Anknüpfend an den gewerbsmäßigen Betrieb eines Versicherungsunternehmens bzw. einer Bank setzt der Marktzugang gem. § 5 Abs. 1 VAG bzw. § 32 Abs. 1 KWG eine behördliche Erlaubnis (Konzession) voraus. Bei dieser Technik handelt es sich gewerbe- und verwaltungsrechtlich um ein sog. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt536, d.h. bis zur Gestattung der Geschäftstätigkeit durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bleiben die erlaubnispflichtigen Tätigkeiten untersagt. Grundlage für die Erteilung der Konzession, welche das generelle Gewerbeverbot beseitigt, bilden § 8 VAG und § 33 KWG. Die Erlaubnis ist als Verwaltungsakt i. S. d. § 35 VwVfG zu qualifizieren und kann im Fall der Versagung mit den entsprechenden Rechtsmitteln des Widerspruchs i. S. des § 68 VwGO bzw. der Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1 2. Alt VwGO angegriffen werden. Damit die Konzessionierung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die grundsätzlich garantierte Gewerbefreiheit bedeutet, ist die Behörde verpflichtet dem Antrag zu entsprechen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen537. Spiegelbildlich zu der gebundenen Verwaltungsentscheidung, die der BaFin keinen Ermessenspielraum mehr belässt, besteht ein justiziabler Anspruch des Antragstellers auf Erteilung538. So wesentlich wie selbstverständlich für eine effektive Beaufsichtigung ist die Kompetenz der BaFin darüber zu entscheiden, ob es sich bei dem Wirtschaftssubjekt um ein Versicherungsunternehmen bzw. Institut handelt und somit der Aufsicht unterfällt539. Die Zulassung des Geschäftsbetriebs kann als subjektives öffentliches Recht im Streitfall klageweise vom Antragsteller geltend gemacht werden. Auch wenn die Neuformulierung des § 8 VAG den Rechtsgedanken der 536 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 313 f.; Goldberg/Müller, VAG, § 8 Rn. 2. 537 Vgl. BVerfGE 6, 32. 538 A. A. Kaulbach, ZVersWiss 1976, 702. 539 Schäfer, in: Boss/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 1 Rn. 6.

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Gewerbefreiheit gegenüber dem Schutz der Versicherten in den Hintergrund zu drängen scheint, stellt dessen Abs. 4 klar, dass auch Versicherungsunternehmen einen Rechtsanspruch auf die Zulassung zum Geschäftsbetrieb haben540. Insbesondere findet seit Inkrafttreten des Grundgesetzes und formal seit dem Ersten Durchführungsgesetz zum VAG von 1975541 im Versicherungswesen und seit dem KWG 1961542 im Bankenwesen keine Bedürfnisprüfung mehr statt543, die eine Erlaubnis von der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit abhängig machen könnte. Eine objektive Berufszulassungsschranke ist damit aufgehoben. Allerdings enthalten die Merkmale, die zu einer Versagung der Erlaubnis führen können, unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung zunächst der Aufsichtsbehörde und im Falle eines gerichtlichen Verfahrens den Verwaltungsgerichten obliegt544. Dies ist aus verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich unbedenklich. Über die normierten Versagungsgründe hinaus, insbesondere bei Verstößen gegen das Gesellschafts- oder Firmenrecht, dürfen keine Rechtsverstöße zur Ablehnung des Erlaubnisantrags führen545. Widerruf bzw. Aufhebung der Konzession erfolgen nur hilfsweise nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen (vgl. §§ 48, 49 VwVfG) ansonsten nach aufsichtsrechtlichen Spezialvorschriften (vgl. § 87 VAG, § 35 Abs. 2 KWG). Eine solche Maßnahme darf unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit nur als ultima ratio des aufsichtsrechtlichen Handlungskatalogs in Frage kommen. Vorrangig gelangen die im Folgenden dargestellten Maßnahmen zur Anwendung. b) Die formelle Prüfung der Gründungsunterlagen Neben dem mit beschränkten Prüfungskompetenzen ausgestatteten Registergericht, das die Satzung bei der Eintragung in das Handelsregister vor allem im Hinblick auf die Einhaltung formeller Vorschriften prüft546, unter540

Schmidt, in: Prölss, VAG, § 8 Rn. 2, 6. BGBl. I, S. 3139. 542 BGBl. I, S. 881. 543 Zur Unvereinbarkeit des § 8 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 VAG a. F. mit Art. 12 GG, vgl. Arzt, Die Zulässigkeit der Bedürfnisprüfung. 544 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 33 Rn. 2; Schmidt, in: Prölss, VAG, § 8 Rn. 6; siehe zum Verhältnis von Ermessen, Beurteilungsspielraum und unbestimmten Rechtsbegriffen siehe Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 26 ff.; Schmidt, Wirtschaftsrecht AT, § 10 I 2. 545 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 33 Rn. 2; a. A. Schork, KWG, § 33 Rn. 3 ff. 546 Einzelheiten siehe oben § 2 III. 4. a). Die Beanstandungsgründe des Registergerichts wurden mit Art 8 Nr. 2 Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998 541

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liegen die Satzungen von Bankinstituten und Versicherungsunternehmen einer zusätzlichen Prüfung durch die Aufsichtsbehörde. Wenn ein Antrag auf Zulassung zum Geschäftsbetrieb gestellt wird, sind diese Unterlagen im Rahmen der Vorlage der Geschäftspläne bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einzureichen547. Im Rahmen der Erteilung der Erlaubnis (§ 32 KWG, § 5 VAG) erfolgt so parallel zur registergerichtlichen Prüfung eine administrative Kontrolle. Die Satzungen unterliegen zwar als Bestandteil des Geschäftsplans keiner eigenständigen Genehmigungspflicht, bedürfen aber implizit einer aufsichtsrechtlichen Billigung im Rahmen der allgemeinen Konzessionierung des Geschäftsbetriebs548. Unter dem Gesichtspunkt, dass die Belange der Versicherten bereits durch ihre satzungsrechtliche Grundlage nicht hinreichend gewahrt sein könnten, erfolgt die Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde im Versicherungsaufsichtsrecht auch und insbesondere auf ihren Inhalt549. Hierbei handelt es sich nicht etwa um eine (überflüssige) Verdoppelung der handelsregistergerichtlichen Überprüfung durch eine zweite Instanz, sondern um eine materielle Kontrolle zur Sicherung des Aufsichtszwecks. Eine Genehmigung kann bereits dann von der BaFin verweigert werden, wenn Gefahren für die Bankkunden bzw. Versicherungsnehmer drohen. Die Nichtigkeit der Satzung oder gar die Offensichtlichkeit deren Fehlerhaftigkeit darf nicht ausschlaggebend für eine Verweigerung der Konzession sein. Vielmehr muss dieser Fehler auf einem, dem Aufsichtszweck zuwiderlaufenden Grund beruhen. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre es jedoch unstatthaft, die Erlaubnis bei jeglicher Beanstandung von einzelnen Satzungsvorschriften zu versagen. Vielmehr muss die Behörde den Antragsstellern zunächst die Gelegenheit zur Abhilfe bieten und ggf. die Erteilung von Auflagen oder Bedingungen abhängig machen. Entgegen einer nachträglichen Inhaltskontrolle von Gesellschaftssatzungen durch die Gerichte550, beugt die Aufsichtsbehörde Gefahren für die Bank- und Versicherungskunden präventiv vor. Zudem hängt die Überprüfung nicht von der Initiative eines Individuums ab, sondern erfolgt von Amts wegen. Der registergerichtlichen Kontrolle, der Publizität der Gesellschaftssatzung und der Möglichkeit zur nachträglichen inhaltlichen Überprüfung durch die Gerichte wird (BGBl. I, S. 1474) den Gründen, die zur einer Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses führen, angelehnt; vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 2.14. 547 Vgl. § 32 Abs. 1 Satz 2 KWG i. V. m. § 23 Abs. 2 Satz 2 AnzV, § 5 Abs. 3 VAG. 548 Vgl. §§ 5 Abs. 3 Nr. 1, 8 Abs. 1 Nr. 3 VAG. 549 § 8 Abs. 1 Nr. 3 VAG; dazu Benkel, Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, S. 69 f. 550 Siehe zur Inhaltskontrolle der Satzungen von (Publikums-)Gesellschaften, Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 III. 4.

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also eine weitere inhaltliche Überprüfung beiseite gestellt. Die Schaffung einer allgemeinen Kontrollinstanz für die Gesellschaftssatzungen über den sensiblen Finanzsektor hinaus würde mit einem hohen administrativen Aufwand einhergehen und die Autonomie der Marktteilnehmer unverhältnismäßig beschränken551. Inhaltliche Vorgaben durch das vom Wirtschaftsaufsichtsrecht vorgegebene Programm der Missstandsaufsicht (z. B. die „Wahrung der Belange der Versicherten“) gehen weit über die Anforderungen des allgemeinen Gesellschafts- bzw. Aktienrechts hinaus. Eine flächendeckende administrative Überwachung der Satzungsinhalte würde einen Fall der Überregulierung darstellen. Um einen umfassenden Schutz für die Versicherungsnehmer und Bankgläubiger zu gewährleisten, unterliegen auch Satzungsänderungen der Genehmigungspflicht552. Ob sich die Prüfung bei einer nachträglichen Änderung aus Gesichtspunkten des Bestandsschutzes nur auf diejenigen Vorschriften beziehen darf, die den Gegenstand des Änderungs- bzw. Ergänzungsantrags bilden553, darf man in Anbetracht der hochrangigen Schutzgüter des Aufsichtsrechts bezweifeln. Festzuhalten ist, dass Änderungen mit Ausnahme von Kapitalmaßnahmen erst mit ihrer Genehmigung wirksam werden. 2. Die Missstandsaufsicht – Befugnisse der Aufsichtsbehörde zur laufenden Überwachung der Unternehmen und ihrer Geschäftsleitung a) Die „allgemeine“ Missstandsaufsicht aa) Die aufsichtsrechtlichen Generalklauseln Entsprechend der Regelungssystematik im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht enthält das branchenspezifische Wirtschaftsaufsichtsrecht sog. Generalklauseln, um die Aufsichtsbehörde mit einem Handlungsinstrumentarium für drohende Gefahren auszustatten (vgl. § 6 KWG, § 81 VAG). Obwohl das Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht enger umrissenene Lebensbereiche als die allgemeine Gefahrenabwehr regelt, die zu erwartenden 551 Die unternehmensinterne und notarielle Prüfung der Satzungsunterlagen, die zur Eintragung beim Handelsregister im formalisierten Gründungsverfahren einer AG zwingend angeordnet ist, dürfte hinreichende Kontrolle bieten, sofern kein gesondertes branchenspezifisches Bedürfnis auszumachen ist (vgl. §§ 23, 33 AktG). Hierzu Kafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1271 ff. 552 § 13 Abs. 1 VAG. 553 So aber Benkel, Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, S. 70.

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Gefährdungslagen demnach nur in einem weitestgehend berechenbaren Rahmen auftreten, ist diese Regelungskonzeption zur Wahrung der Schutzgüter notwendig und geboten, um auf unvorhergesehene Fehlentwicklungen reagieren zu können554. Hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsprinzips begegnet diese Technik keinen Bedenken. Die von den speziellen Tatbeständen erfassten Befugnisse (vgl. §§ 83 ff. VAG, §§ 45 ff. KWG) entfalten eine Sperrwirkung für die Anwendung der Generalklausel. Grundsätzlich wird die Behörde beim Auftreten eines Missstandes in dem jeweiligen Aufsichtsbereich tätig. Man spricht vor allem dann von einem Missstand, wenn ein Unternehmen die für den Betrieb des Versicherungs- bzw. Bankgeschäftes geltenden gesetzlichen und aufsichtsbehördlichen Vorschriften nicht beachtet. Adressaten aufsichtsbehördlicher Verfügungen sind demnach in der Regel die beaufsichtigten Unternehmen. Die Umsetzung obliegt den gemäß der Binnenorganisation Handlungsbefugten, demnach dem Geschäftsleitungs- bzw. dem Aufsichtsorgan. Als „kontrollierende Personen“ kommen die Organmitglieder im Einzelnen oder in ihrer Gesamtheit als Adressaten in Frage, nicht jedoch die Inhaber bedeutender Beteiligungen555. Im Rahmen der versicherungsaufsichtsrechtlichen Generalklausel wird zwischen Rechts- und Finanzaufsicht differenziert. Die Finanzaufsicht stellt lediglich einen Teil der (allgemeinen) Rechts- bzw. Missstandsaufsicht dar und wird nur deshalb gesondert erwähnt, weil sie in die ausschließliche Überwachungskompetenz des Herkunftslandes fällt556. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der Europäischen Union ist demnach nur eine Aufsichtsbehörde zur Kontrolle der Solvabilitätsvorschriften ermächtigt. Eine inhaltliche Bedeutung für den vorliegenden Untersuchungszweck erlangt die Differenzierung hingegen nicht. bb) Die Unterschiede zwischen den Generalklauseln der Banken- und Versicherungsaufsicht Obwohl die BaFin nach dem VAG und dem KWG eine Missstandsaufsicht ausübt, unterscheiden sich die Handlungsbefugnisse der Aufsichtszweige voneinander. Vor der 6. KWG Novelle bot allein die Generalklausel 554 Vgl. auch die Begr. RegE zum 12. Durchführungsgesetz, BT-Drucks. 12/6959, S. 83; Goldberg/Müller, VAG, § 81 Rn. 91; Schäfer, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 6 Rn. 6. Ausdrücklich für die Beibehaltung einer Generalklausel Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 81 Rn. 19, der dies wegen grundrechtlicher Schutzpflichten für geboten hält. Kritisch Dreher, WM 1995, 509. 555 Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 81 Rn. 29 ff. Hierfür kommen allein die Sondertatbestände der § 2c Abs. 1a KWG; § 104 VAG in Frage. 556 Bürkle, VersR 2007, 1595, 1597. Siehe oben § 3.

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des § 81 VAG als Befugnis- bzw. Ermächtigungsgrundlage die Grundlage für behördliche Eingriffe bei Missständen, während § 6 Abs. 2 KWG einer bloßen Aufgabenbeschreibung diente und lediglich die Aufsichtsziele formulierte557. Bis dato war die Aufsichtsbehörde außerhalb der Sondertatbestände nicht ermächtigt, Verwaltungsakte oder sonstige rechtsverbindliche Maßnahmen aufgrund dieser Generalklausel zu erlassen, wenn sie es zur Bekämpfung von Missständen für tunlich hielt, sondern musste sich auf informelle Hinweise beschränken bzw. ihre Interessen über den Umweg einer Androhung, die Geschäftsleitung abzuberufen, durchsetzen558. Nach Einführung des § 6 Abs. 3 KWG erfolgte eine Angleichung an das Versicherungsaufsichtsrecht. Nunmehr wird der BaFin ermöglicht bei Missständen innerhalb eines Instituts gegen dieses mit dem gesamten verwaltungsrechtlichen Handlungsinstrumentarium vorzugehen. Verbindliche Maßnahmen gegen einzelne Institute bei Missständen, die die gesamte Kreditwirtschaft betreffen, bleiben jedoch unstatthaft559. cc) Auskunfts- und Informationsrechte Ein wesentlicher Bestandteil der versicherungs- und bankenaufsichtlichen Tätigkeit beinhaltet die Überwachung der Unternehmenspublizität. Primärer Zweck dieser Publizitätsaufsicht ist nicht die Sicherstellung von Offenlegungsverpflichtungen gegenüber den Marktteilnehmern, sondern die Erlangung der notwendigen Informationen zur Erfüllung des Aufsichtszwecks. Die Ermittlung von Daten dient zunächst dazu, die behördliche Tätigkeit wirksam ausüben zu können. Ein wesentlicher Teil der Informationsgrundlagen deckt sich mit dem Inhalt der Unternehmens- und insbesondere der Finanzpublizität. Weil die offengelegten Daten identisch sind, bewirkt die behördliche Kontrolle eine Qualitätssicherung, die gleichermaßen den Marktteilnehmern als Adressaten zugute kommt. Jedoch kann dieser Reflex nicht als Primärzweck der Publizitätskontrolle gelten. Anders verhält es sich mit der internen Rechnungslegung gegenüber der BaFin im Bereich 557

Dreher, WM 1995, 509, 514 f.; Guth, Eingriffsbefugnisse, S. 25 ff. Statt vieler Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 6 Rn. 55. Diese Ansicht ist durch die Begr. RegE zur 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 74 bestätigt worden. Dort heißt es: „Nur wenn und soweit ein entsprechender Missstand zugleich einen Verstoß gegen die kodifizierten Normen der materiellen Bankenaufsicht beinhaltet, kann das BAKred bisher mit dem klassischen Eingriffsinstrumentarium des allgemeinen Verwaltungsrechts einschreiten. Andernfalls muss sie sich noch damit behelfen, informellen Druck auf die verantwortlichen Geschäftsleiter auszuüben und in krassen Fällen deren Abberufung zu verlangen“. Zum informellen Handeln der BaFin, siehe unten IV. 559 Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 6 Rn. 65. 558

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der Versicherungsaufsicht. Die so gewonnenen Informationen werden nicht an außenstehende Dritte weitergegeben, so dass die Transparenz gegenüber der Allgemeinheit hiervon unmittelbar nicht betroffen ist. b) Die „besondere“ Missstandsaufsicht Neben den aufsichtsrechtlichen Generalklauseln sind vor dem Hintergrund des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeits- und Bestimmtheitsgebotes zahlreiche Sondertatbestände normiert, die unter bestimmten Gefährdungslagen die Aufsichtsbehörde zu typischen Eingriffen ermächtigt (vgl. etwa §§ 83 ff. VAG, §§ 45 ff. KWG)560. Liegen die besonderen Voraussetzungen der Spezialnormen nicht vor, wie etwa die „Nachhaltigkeit“ von Verstößen gem. § 83a Abs. 1 Nr. 2 VAG, so bleibt ein Rückgriff auf die aufsichtsrechtliche Generalklausel verwehrt561. aa) Die Teilhaberechte an Organversammlungen Einen weiteren Eingriff in die strukturelle Kompetenzverteilung des Gesellschaftsrechts ergibt sich aus den verschiedenen Teilhaberechten der BaFin an Organversammlungen der betroffenen Unternehmen. Diese Rechte dienen der Sachverhaltsermittlung, soweit dies zum Zweck der Aufsicht, d.h. zur Aufklärung von Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften, erforderlich ist. § 83 Abs. 1 Nr. 5 VAG bietet eine Ermächtigungsgrundlage für die Aufsichtsbehörde, einen Vertreter zu den Hauptversammlungen und zu den Sitzungen des Aufsichtsrats oder vergleichbarer Gremien zu entsenden. Darüber hinausgehend kann die BaFin die Einberufung dieser Sitzungen verlangen und bestimmte Gegenstände zur Beschlussfassung bringen (§ 83 Abs. 1 Nr. 6 VAG). Dementsprechend ist die BaFin gem. § 44 Abs. 4 KWG zur Entsendung von Vertretern zu den Sitzungen der Gesellschafterbzw. Hauptversammlungen sowie der Aufsichtsratsgremien ermächtigt und diesen wird dort ein Rederecht gewährt. Diese Befugnisse beziehen sich auch auf Ausschüsse, die durch den Aufsichtsrat gebildet werden, soweit ihnen eine Aufsichtsfunktion zukommt. Ebenso können diese Versammlungen einberufen werden und Gegenstände zur Beschlussfassung gebracht werden (§ 44 Abs. 5 KWG). Das Fehlen einer entsprechenden Ermächti560

Vgl. zum Verhältnis von Generalklausel zu den sog. Standardmaßnahmen im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 38. Dementsprechend nimmt Dreher, WM 1995, 509 eine Zweiteilung des Versicherungsaufsichtsrechts in allgemeine und spezielle Missstandsaufsicht vor. 561 Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 83 Rn. 1; Miersch, Versicherungsaufsicht, S. 100 f.

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gungsgrundlage für die Teilhabe an Sitzungen der Geschäftsleitung sowie die nicht analogiefähigen Tatbestände zeigen eine deutliche Trennung zwischen Leitungs- und Überwachungsaufgaben auf. Insoweit übt die BaFin keinen unmittelbaren Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen, sondern setzt erst bei der Kontrolle derselben auf zweiter Stufe an. bb) Die Eingriffe in Personalhoheit des Aufsichtsrats durch die Möglichkeit der Abberufung von Geschäftsleitern und zur Einsetzung von Sonderbeauftragten Analog zu der Überprüfung der Eignung und Zuverlässigkeit von Mitgliedern der Geschäftsleitung562 stehen der Aufsichtsbehörde bei Fehlen der persönlichen Voraussetzungen Befugnisse zu, deren Abberufung zu verlangen (vgl. § 36 KWG, § 87 Abs. 6 VAG). Das entsprechende Unternehmensorgan ist dann zur Durchführung dieser Maßnahme verpflichtet. Problematisch erweist sich hier das Ermessen der Behörde, das zum einen gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist und zum anderen aufgrund der Signalwirkungen für den Markt nur selten einer solchen Überprüfung anheim gestellt wird563. Mit der bloßen Drohung der Abberufung verleihen diese Befugnisse der BaFin ein erhebliches Einflusspotential auf die Geschäftsleitung, deren Reichweite für die Praxis nicht unterschätzt werden darf. Noch schwerwiegendere Einschnitte in die Unternehmensorganisation bedeutet die Kompetenz der BaFin, Sonderbeauftragte zur Abwehr von Gefahren einzusetzen564. In der Entwicklung des VAG sind die Kriterien für ein Einschreiten der BaFin im Rahmen dieser Maßnahme stets heruntergesetzt worden, so dass mit einer Zunahme ihrer praktischen Relevanz zu rechnen ist565. Die Bestellung eines Sonderbeauftragten im Kreditwesen unterliegt weniger strengen Voraussetzungen, ist jedoch als milderes Mittel gegenüber einer Abberufung des entsprechenden Organmitglieds oder dem Entzug der Konzession mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar566. Die Befugnisse 562

Vgl. § 6 II. 1. g). Zudem entfällt die grundsätzlich in § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO normierte aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gem. § 89a VAG, § 49 KWG. Vgl. zum Rechtsschutz § 6 IV. 564 Vgl. §§ 83a Abs. 1 VAG, § 36 Abs. 1a KWG; hierzu Bürkle, VersR 2006, 302, 309 f.; Fischer, in: Boss/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 36 Rn. 37 ff. 565 Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, § 83a Rn. 1 ff.; Bürkle, VersR 2006, 302. 566 Vgl. Fischer, in: Boss/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 36 Rn. 37 vor allem vor dem Hintergrund der recht späten Einführung mit Art. 6 des 4. Finanzmarktför563

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der BaFin, einen Sonderbeauftragten in einem Kreditinstitut einzusetzen, um aufsichtsrechtliche Maßnahmen effizienter durchsetzen zu können, wurde durch das Bankenrestrukturierungsgesetz567 neu geordnet und ausgeweitet (vgl. § 36 Abs. 1a KWG a. F. und § 45c KWG n. F.)568. Die Sonderbeauftragten übernehmen Organfunktionen mit der Konsequenz, dass die bisherigen Amtsinhaber von der Ausübung ihrer Geschäfte suspendiert werden. Sowohl Mitglieder des Aufsichtsrats als auch der Geschäftsleitung können hiervon betroffen sein. Sieht die Aufsichtsbehörde die Tatbestandsvoraussetzungen für die Einsetzung eines Sonderbeauftragten als erfüllt, so drohen Auswirkungen auf die Organhaftung des entsprechenden Organmitglieds. Zwar impliziert eine behördliche Entscheidung, dass gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften verstoßen worden ist, begründet aber nicht unmittelbar gesellschaftsrechtliche Haftungsansprüche. Jedoch kommt dem entsprechenden Verwaltungsakt insoweit eine Indizwirkung zu. Da die Sonderbeauftragten in freiem Ermessen tätig werden, übernimmt die Bundesanstalt keine unmittelbaren Geschäftsführungsbefugnisse. Zudem erfolgt die Beauftragung auch nicht im Wege der Beleihung. Vielmehr übernimmt ein besonders ausgewählter und über entsprechende Fachkenntnis verfügender Privater die Geschäftsleiterposition. Die Aufsichtsbehörde bedient sich somit der Qualifikationen von Dritten, um die „Sonderverwaltung“ durchführen zu lassen. In funktionaler Hinsicht ist diese Inanspruchnahme vergleichbar mit der Betrauung der Publizitätskontrolle durch unabhängige Wirtschaftsprüfer569. Jedoch sind die Befugnisse und die Handlungsmöglichkeiten des Sonderbeauftragten aufgrund dessen Organstellungen größer und allein durch Satzung bzw. Gesetz begrenzt. Um die negative Anreizwirkung einer drohenden Haftung für die Übernahme der Aufgabe als Sonderbeauftragte zu beschränken, hat man mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz Haftungsgrenzen für fahrlässiges Handeln implementiert, die aber durch das Bankenrestrukturierungsgesetz ausgeweitet wurden570. Ohne eine entsprechende Regelung können geeignete Personen für diese Positionen gefunden werden571. derungsgesetz vom 21. Juni 2002, BGBl. I, S. 2010. Die Regierungsbegründung verweist dabei auf das VAG, siehe Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8017, S. 126. 567 Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung vom 9. Dezember 2010, BGBl. I 2010 vom 14. Dezember 2010, S. 1900. 568 s. hierzu Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66. 569 Siehe § 6 III. 4. 570 Vgl. Art. 3 und 4 des FMStG; § 36 Abs. 1a Satz 6 und 7 KWG a. F. und § 45c Abs. 7 KWG n. F.; § 83a Abs. 3 VAG. 571 Begr. RegE zum FMStG, BT-Drucks. 16/10600, S. 20.

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cc) Die besonderen Maßnahmen der Wirtschaftsaufsicht bei (drohender) Insolvenz Neben der laufenden Überwachung und zurückhaltenden Eingriffsbefugnissen enthält das Aufsichtsrecht besondere Ermächtigungsgrundlagen für die Aufsichtsbehörde in Fällen wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Insbesondere die Tatbestände das Antragsmonopol der BaFin betreffend (vgl. § 88 Abs. 1 VAG, § 46b Abs. 1 KWG) und die Möglichkeit, ein Moratorium zu verhängen, kollidieren mit dem allgemeinen Gesellschafts- und Insolvenzrecht, das den allgemeinen Ordnungsrahmen für den verfahrensförmigen Marktaustritt fallierender Unternehmen bildet. Der verfahrensförmige Marktaustritt soll zur Wahrung der Aufsichtszwecke modifizierten Regelungen unterliegen. Anders als bei der Bestellung von Sonderbeauftragten und im Gegensatz zu ihrer überwachenden Tätigkeit übernimmt unmittelbar die Aufsichtsbehörde die Aufgaben und Pflichten des im Allgemeinen zuständigen Geschäftsleitungsorgans. Die Ermessensentscheidung der Bundesanstalt über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht weit über eine Überwachungstätigkeit im eigentlichen Wortsinne hinaus. Fristeten diese Sondervorschriften bis zur jüngsten Finanzkrise ein stiefmütterliches Dasein, erlangten sie in dessen Zuge an Bedeutung. Zwar bestand detaillierten Untersuchungen zufolge kein Bedarf für eine insolvenzrechtliche Sonderbehandlung von Kreditinstituten572. Dennoch sah sich der Gesetzgeber veranlasst, die aufsichtsrechtlichen Regelungen hierzu zu reformieren573. Anlass hierzu gab das sog. too big to fail-Theorem. Mit Ausnahme des Bankhauses Lehman war wegen der Systemrelevanz eines Kreditinstituts und den drohenden Ansteckungseffekten ein geordneter Marktaustritt nahezu undenkbar. Die neuen Regelungen sollen dies nun ermöglichen, um so auch den vorhandenen Fehlanreizen unter dem Stichwort: moral hazard entgegenzuwirken. Die Änderungen des KWG aufgrund des Bankenrestrukturierungsgesetzes erlauben es deshalb einerseits, das Vermögen von Instituten mit Systemrelevanz auch gegen deren Willen ganz oder teilweise auszugliedern574. Unter Mitwirkung des jeweiligen Instituts ist andererseits eine Sanierung und Reorganisation nach dem Kreditinstitute-Reorganisitionsgesetz (KredReorgG) vorgesehen, die auch im Vorfeld einer Insolvenz eingeleitet werden kann. Diese Entwicklung ist sicherlich 572

Binder, Bankeninsolvenzen. Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) vom 9. Dezember 2010, BGB. I, S. 1900. Dazu instruktiv Riethmüller, WM 2010, 2295; Lorenz, NZG 2010, 1046; Wolfers/Voland, WM 2011, 1159. 574 Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66, 68 ff. 573

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ein Schritt in die richtige Richtung, um staatliche Interventionen beim Fallieren eines systemrelevanten Instituts nicht alternativlos werden zu lassen. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass auf europäischer Ebene ein vergleichbares Instrument geschaffen wird; denn bei grenzüberschreitend tätigen Finanzkonglomeraten endet die Wirksamkeit des deutschen Sonderinsolvenzrechts an den Grenzen der Bundesrepublik. 3. Das informelle Handeln der Aufsichtsbehörde Dass der Aufsichtsbehörde abseits von rechtlichen, bzw. gerichtlich überprüfbaren, Eingriffsbefugnissen ein weites Handlungsspektrum zukommt, ist seit Erlass des VAG im Jahre 1901 Bestandteil der Aufsichtskonzeption. Neben den einschneidenden Befugnissen zählen zur „Machtvollkommenheit“ die informellen Befugnisse, etwa in Form von Anregungen, Ratschlägen aller Art und gütlichen Verhandlungen. Insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Versicherungsbeirat, gebildet aus Vertretern des Versicherungswesens, entsteht so ein Kooperationsverhältnis zwischen den Beaufsichtigten und der Aufsichtsbehörde575. Ein fehlender bzw. nicht möglicher Einblick in die Aufsichtspraxis der BaFin und seiner Rechtsvorgänger erschwert die rechtswissenschaftliche Einordnung der Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsaufsichtsrechts im Hinblick auf die Corporate Governance. Zahlreiche informelle Vorgehensweisen der Bundesanstalt werden nicht öffentlich. Wenn also – wie aus Marktkreisen und Presse zu entnehmen ist576 – von öffentlicher Seite die Bildung eines milliardenschweren Stützungsfonds für ein notleidendes Kreditinstitut mit Mitteln aus der privaten Bankwirtschaft „angeregt“ wurde, mag das Aufsichtsrecht hierfür keine Ermächtigungsgrundlage im rechtsstaatlichen Sinne zur Verfügung stellen. Gleichwohl verfügt die Aufsichtsbehörde über ein geeignetes verwaltungsrechtliches Instrumentarium, das allein mit seiner Androhung und der zu erwartenden Reaktion des Marktes geeignet ist, die beaufsichtigten Unternehmen zu lenken. Man stelle sich nur die Ankündigung einer Sonderprüfung (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG) bei einer großen deutschen Bank auf dem Höhepunkt der Sub-Prime-Krise vor. Kaum zu erwarten ist in diesem Fall, dass ein hiervon betroffenes Institut auf Konfrontationskurs geht und die Gelegenheit wahrnimmt, seine Rechtsmittel auszuschöpfen. Vielmehr würde das Bekanntwerden in der Tagespresse oder durch eine Ad-hoc-Mitteilung i. S. d. § 15 WPHG unverzüglich irreversible Tatsachen für die Unternehmen hervorrufen. Zwar kommt dann eine Haf575 Vgl. § 92 VAG i. V. m. §§ 55 a Abs. 2, 106 b Abs. 4 Nr. 1 und 150 Satz 2 VAG, § 8 FinDAG. 576 Vgl. F.A.Z., 3. August 2007, Nr. 178, S. 13.

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tung der Bundesrepublik für rechtswidriges Verwaltungshandeln der Bundesanstalt gegenüber den beaufsichtigten Unternehmen in Frage, die unabhängig von der Dritthaftung und ihrer Einschränkung gem. § 4 Abs. 4 FinDAG zu beurteilen ist. Jedoch scheinen die Erfolgsaussichten vor allem vor dem Hintergrund des Vorrangs von primärrechtlichen Abwehransprüchen (vgl. § 839 Abs. 3 BGB)577 sehr ungewiss. Die verwaltungsgerichtliche Praxis, oder präziser deren Fehlen in Verfahren mit großen Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten als Prozessparteien, mag als weiterer Beleg für die fehlende Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Bundesanstalt dienen578. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist dieses Vorgehen der Bundesanstalt mehr als fragwürdig und verletzt die Verhältnismäßigkeit der Mittel, zumal nach Einführung des § 6 Abs. 3 KWG hierfür kein sachlicher Grund besteht. 4. Das behördliche Ermessen als Einschnitt in die unternehmerische Verantwortung Mit Ausnahme von gebundenen Entscheidungen579 stehen die Entschlüsse der Bundesanstalt, ob und mit welchen Mitteln sie tätig wird, in ihrem Ermessen. Diese Wahlmöglichkeiten entfallen dann, wenn nur noch eine bestimmte Maßnahme das einzig rechtmäßige Handeln darstellt (Ermessensreduzierung auf Null)580. Auch wenn die Ausübung des Ermessens einen Eingriff in den Entschließungsspielraum der ansonsten entscheidungsbefugten Unternehmensorgane darstellt, sind die Spielräume nicht deckungsgleich. Der BaFin stehen nur die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen und keine unternehmerischen Kompetenzen zur Verfügung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet das Insolvenzantragsmonopol der Bundesanstalt. Durch die Bindung an die gesetzlichen Vorgaben entstehen also keine selbstständigen Eingriffsbefugnisse, so dass insoweit auf die vorstehenden Ausführungen zu dem gesetzlich vorgesehenen Handlungsinstrumentarium verwiesen werden kann. Da der Verwaltung zweckmäßigerweise die Entscheidung im Einzelfall obliegt, stellen sich allerdings Probleme des Rechtsschutzes und der Haftung581. Letztlich geht es um die Kontrolle der Aufsichtsbehörde und die Frage nach der Einheit von Handlung und Haftung.

577

Hierzu Ossenbühl, Staatshaftung, S. 92 ff. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einf. Rn. 89. 579 Z. B. besteht ein Anspruch auf die Erteilung der Konzession gem. § 32 KWG, § 8 VAG, sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Vgl. § 6 III. 1. 580 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 336 ff. 581 Siehe unten § 6 IV. 578

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5. Die Berücksichtigung der Verantwortung Privater Aufgrund der komplexen Strukturen im Banken- und Versicherungswesen bedient sich die Aufsichtsbehörde der Expertise privater Wirtschaftsteilnehmer auch in anderen Fällen als der Bestellung von Sonderbeauftragten582. Im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit macht sich die BaFin insbesondere die fachlichen Qualifikationen von Wirtschaftsprüfern zu Nutze. Für eine wirksame Einbeziehung hat sie daher ein Mitspracherecht bei der Auswahl des jeweiligen Abschlussprüfers583. Die so gewonnenen und geprüften Informationen bilden eine wesentliche Grundlage für die Aufsichtstätigkeit der BaFin. § 29 KWG normiert den Umfang der Jahresabschlussprüfung und erweitert diesen um die Kontrolle der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kreditinstitute, die Einhaltung der Anzeigepflichten sowie die für die Mitteilungspflichten vorgesehenen organisatorischen Vorkehrungen584. Mit der Ausweitung des Prüffeldes auf Vorschriften des materiellen Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts – jeweils konkretisiert durch detaillierte Rechtsverordnungen585 – wird die Aufsichtsbehörde entlastet und kann auf die Einrichtung eines eigenen Prüfungsapparates verzichten. So können die personellen und finanziellen Ressourcen der BaFin geschont werden. Aufgrund der begrenzten Aufsichtsmittel sowie des strukturellen Nachrangs bei der Informationserlangung fällt es der BaFin ohnehin schwer, mit den Entwicklungen und dem Know-how der Unternehmen in der Finanzbranche Schritthalten zu können. Auch mit den Regelungen über die Einsetzung eines verantwortlichen Aktuars und Treuhänders über das Sicherungsvermögen findet eine indirekte Kontrolle durch die behördliche Überwachung von privaten Mechanismen statt586. Aufsichtsrechtliche Maßstäbe normieren qualitative Anforde582

Siehe oben § 6 III. 2. b) bb). Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 215. 584 Reischauer/Kleinhans, KWG, § 29 Rn. 5. 585 Für die Abschlussprüfung von Kreditinstituten, siehe Verordnung über die Prüfung der Jahresabschlüsse und Zwischenabschlüsse der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute und über die Prüfung nach § 12 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften sowie die darüber zu erstellenden Berichte (Prüfungsberichtsverordnung – PrüfbV) vom 17. Dezember 1998, BGBl. I, S. 3690; für die Abschlussprüfung von Versicherungsunternehmen, siehe Verordnung über den Inhalt der Prüfungsberichte zu den Jahresabschlüssen von Versicherungsunternehmen (Prüfungsberichteverordnung – PrüfV) vom 3. Juni 1998, BGBl. I, S. 1209. 586 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 234, 255 ff. Die Rechtsstellung des Treuhänders ist umstritten, vgl. Lipowsky, in: Prölss, VAG, § 71 Rn. 7 m. w. N. Die BaFin hat in einem Rundschreiben Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten des Treuhänders normiert, vgl. BaFin, Rundschreiben 13/2005 (VA) vom 8. August 2005. Vgl. auch § 7 PfandBG. 583

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rungen an die Eignung dieser Personen, deren Kontrolle sich die BaFin vorbehält (vgl. § 11a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2VAG). In funktioneller Betrachtung stellt dies eine Substituierung für eine unmittelbare staatliche Beaufsichtigung dar, die gleichzeitig durch die Normierung und Überprüfung von qualitativen Vorgaben flankiert wird. Als Regelungstechnik ist dies vergleichbar mit dem Rückzug quantitativer Vorgaben mit der Eröffnung des IRBA im Bereich der Eigenkapitalvorschriften nach Basel-II587 und der Regulierung von Ratingagenturen588. Auch dort wird der vergrößerte Handlungsspielraum der Unternehmen durch eine Überwachung der (Bemessungs-)Methoden ergänzt. Autonome und heteronome Überwachungsmechanismen stehen sich nicht als starre Regulierungskonzepte gegenüber. Stattdessen findet eine Verschränkung der einzelnen Elemente statt, die unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Effizienz und Effektivität in unterschiedlicher Gewichtung zum Einsatz gelangen.

IV. Der Rechtsschutz gegen und die Haftung für aufsichtsbehördliches Fehlverhalten Rechtsschutz und Haftung werden hier gemeinsam als Mittel zur Kontrolle der Aufsichtsbehörde und zur Verbesserung der Aufsichtstätigkeit verstanden. Effizientes Verwaltungshandeln setzt dessen Rechtmäßigkeit voraus. Das Zusammenspiel von Rechtsschutz und Haftung wird im Falle des Drittschutzes deutlich. Denn Rechtsbehelfe kommen grundsätzlich nicht nur für die Adressaten der behördlichen Entscheidungen, also hier die beaufsichtigten Finanzdienstleistungsunternehmen, infrage [s. unten 1.], sondern ggf. auch für Dritte, deren rechtliche Interessen betroffen sind [s. unten 3.]. Ob und inwieweit den Versicherungsnehmer und Bankkunden solche Rechtsmittel zur Verfügung stehen, hängt maßgeblich von der Reichweite der Gemeinwohlklausel des § 4 Abs. 4 FinDAG ab. Da diese vor allem als Haftungsausschluss intendiert ist, muss dessen Inhalt als Vorabfrage beantwortet werden [s. unten 2.]. 1. Die Rechtsschutzmöglichkeiten der Aufsichtssubjekte und die Haftung der Aufsichtsbehörden gegenüber diesen Im Rahmen der Erörterung von Befugnissen der allgemeinen und besonderen Missstandsaufsicht wurde bereits mehrfach auf den Rechtsschutz der Adressaten aufsichtsbehördlicher Entscheidungen eingegangen. Gegen be587 588

Siehe oben § 6 II. d). Siehe oben § 2 III. 3. c), 4. d).

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lastende Verwaltungsakte der BaFin steht den Unternehmen zunächst das Widerspruchsverfahren und – bei dessen erfolglosem Bestreiten – der Verwaltungsrechtsweg (vgl. § 40 Abs. 1 VwGO) in Form der Anfechtungsklage zur Verfügung. Wollen die Aufsichtssubjekte eine begünstigende Verwaltungsentscheidung erwirken – in der Regel ist dies die Erlaubnis – so kommt eine Verpflichtungsklage in Betracht. Bei den übrigen Formen des Verwaltungshandels (z. B. bei informellem Tätigwerden der Bundesanstalt) muss ein Feststellungsinteresse geltend gemacht werden. Über den Widerspruch entscheidet die BaFin selbst (§ 73 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Eine Beschneidung des effektiven Rechtsschutzes folgt vor allen Dingen aber aus § 89a VAG bzw. § 49 KWG, die für weite Bereiche des Verwaltungshandels den Sofortvollzug im öffentlichen Interesse anordnen. Den gesetzlichen Zwecken des Aufsichtsrechts wird ein Vorrang gegenüber den individuellen Interessen an der aufschiebenden Wirkung durch Einlegung von Rechtsbehelfen eingeräumt. Möglichkeiten, dieses Suspensivinteresse dennoch durchzusetzen, bestehen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. § 80 Abs. 5 VwGO). In der Praxis erweist sich der Rechtsschutz jedoch als nicht relevant. Nachweise aus der Rechtsprechung beziehen sich allein auf kleinere Institute. Aufgrund der negativen Wirkung eines Prozesses und der weitreichenden Möglichkeiten der BaFin versuchen die beaufsichtigten Unternehmen ihre Geschäftspolitik im Benehmen mit der BaFin zu gestalten. Einem effektiven Rechtsschutz, so wie er von Art. 19 Abs. 4 GG vorgesehen ist, stehen weniger rechtliche als faktische Hindernisse im Wege. Im Zusammenhang mit der Amtshaftung gegenüber den beaufsichtigten Unternehmen steht die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 16 FinDAG im Vordergrund. Nach dieser Umlagevorschrift tragen die Aufsichtssubjekte auch jene Belastungen, die im Rahmen von Haftungsfällen entstehen. Entgegen den Grundsätzen der allgemeinen Staatshaftung werden Schäden nicht auf die Allgemeinheit sondern auf die Gruppe der in § 16 FinDAG genannten Unternehmen abgewälzt. 2. Die Möglichkeiten des Rechtsschutzes zur Interessendurchsetzung von Dritten Die vorstehend erörterten Konsequenzen der Öffentlichkeitsklausel, namentlich der Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen, betreffen allein den Zweck der behördlichen Aufsichtstätigkeit, nicht dagegen die Schutzrichtung des materiellen Aufsichtsrechts. Grundsätzlich kommt ein Drittschutz auch im Bereich der Banken- und Versicherungsaufsicht in Betracht. Soll indes die Befugnis Dritter ausgeschlossen werden, Rechtsbehelfe gegen be-

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hördliche Verfügungen geltend zu machen, die zwar an einen anderen gerichtet sind, aber in dessen rechtlich geschützte Interessen eingreifen, muss dies durch das Anliegen der Vorschrift geboten und mit allgemeinen Regeln des Rechtsschutzes gegenüber staatlicher Tätigkeit vereinbar sein. Danach ist das Verfahrensrecht ein Instrument zur Durchsetzung des materiellen Rechts. Soweit dieses zumindest auch dem Schutz Einzelner zu dienen bestimmt ist, können diese Rechtsschutz zur Abwehr von Eingriffen in ihre Rechte in Anspruch nehmen. Entscheidend hängt dies vom jeweiligen Gesetzeszweck ab. Bei einer Untersuchung, ob einzelne Normen des branchenspezifischen Wirtschaftsaufsichtsrechts zumindest auch den Schutz Dritter bezwecken, muss vor allem die systematische Ausrichtung als Wirtschaftsrecht Berücksichtigung finden. Insbesondere im Bereich der Bankenaufsicht kann dem Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Branche ein Vorrang vor dem Individualschutz entnommen werden. Aufgrund des vorhandenen Ermessensspielraums der Aufsichtsbehörde können Dritte die BaFin nicht zu einem konkreten Einschreiten verpflichten. Bei Erteilung der Erlaubnis hat sich noch kein Personenkreis konkretisiert, der von einer Versagung derselben Schutz suchen könnte. Eine Ausnahme der soeben festgestellten Grundsätze könnte allein das in § 88 Abs. 1 VAG bzw. § 46b Abs. 1 S. 4 KWG normierte, jedoch in der Praxis weitestgehend irrelevante Insolvenzantragsmonopol der Bundesanstalt bilden. Das Insolvenzverfahren als verfahrensförmiger Marktaustritt dient dem Schutz der Gläubiger. Der Behörde wird auch hier ein Entschließungsermessen ermessen eingeräumt. Insbesondere bezieht sich dieser Spielraum auf den Zeitpunkt der Antragsstellung, denn § 46b Abs. 1 S. 5 KWG regelt, dass vorher die Maßnahmen nach §§ 46, 46a KWG erfolglos ausgeschöpft werden müssen. 3. Der (intendierte) Ausschluss der Staats- bzw. Amtshaftung Im Gegensatz zu einer Haftung gegenüber den beaufsichtigten Unternehmen ist eine Haftung der BaFin gegenüber Bankkunden und Versicherungsnehmern ausgeschlossen. Ein Verständnis für die rechtliche Normierung der Gemeinwohlklausel im Aufsichtsrecht – nunmehr in § 4 Abs. 4 FinDAG – ist allein vor dem Hintergrund staatshaftungsrechtlicher Fragen und zweier bedeutsamer Urteile im Zusammenhang mit der Bankenkrise von 1974 möglich589. Bis zu diesem Zeitpunkt war der individualschützende Charakter der aufsichtsrechtlichen Normen stets verneint worden590. Nachdem der 589 Vgl. BGHZ 74, 144, 147 = NJW 1979, 1354 („Wetterstein“); BGHZ 75, 120 = NJW 1979, 1879 („Herstatt“), siehe oben § 5 II. 2. b) aa), insbes. Fn. 165 u. 167. Hierzu Kaulbach, VersR 1981, 702 ff. 590 Siehe oben Fn. 165. Auf den ersten Blick mag verwunderlich erscheiden, dass insbesondere die Rechtsprechung zum Versicherungsaufsichtsrecht sehr eindeutig ei-

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BGH geschädigten Einlegern einen Staatshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i. V. m. Art 34 GG zugebilligt hatte, reagierte der Gesetzgeber, indem er den erforderlichen Drittbezug der aufsichtsbehördlichen Tätigkeit ausschloss. Maßgeblich für einen haftungsbegründenden Drittbezug ist der Schutzzweck, den eine entsprechende Amtspflicht verfolgt. Wenn die zugrunde liegende Norm zumindest auch die Wahrung der Interessen Einzelner beabsichtigt, liegt ein solcher vor591. Trotz zahlreicher kritischer Stimmen gegenüber dieser Vorgehensweise des Gesetzgebers und erheblichem Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit wurde vom BGH nach einer Vorlagefrage an den EuGH der gesetzlich intendierte Haftungsausschluss bei aufsichtsbehördlichem Fehlverhalten höchstrichterlich für verfassungsgemäß befunden592. Bedenken im Hinblick auf einen Verstoß gegen sozial- und rechtsstaatliche Prinzipen ist er nicht gefolgt. Obwohl ein Ausschluss der Staatshaftung grundsätzlich für zulässig erachtet wird593, erachten einige das Vorgehen des Fachgesetzgebers, lediglich eine Beurteilung vorzunehmen und nicht etwa die gesetzlichen Amtspflichten zu modifizieren, in die Kompetenzen der richterlichen Gewalt eingreifen594. Andere Stimmen leiten die Rechtswidrigkeit des Haftungsausschlusses wegen eines Verstoßes gegen das Richtlinienrecht im Bankenwesen595 bzw. wegen eines Verstoßes gegen staatliche Schutzpflichten her596. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das Bestehen von staatlichen Schutzpflichten im Grundsatz bejaht597, jedoch standen diese Urteile in unmittelbarem Zusammenhang nen Drittbezug der Amtspflichten verneinte, obwohl eine entsprechende Aufgabennormierung der „Wahrung der Belange der Versicherten“ für Interessen der Einleger im Bankenaufsichtsrecht fehlt. Mögen demnach die gesamtwirtschaftlichen, ordnungspolitischen Ziele nicht in gleicher Deutlichkeit wie bei der Bankenaufsicht hervortreten, so ist jedoch die primäre Auslegung der Aufsichtszwecke im Sinne der „Gesamtheit der Versicherten“ nie ernsthaft in Frage gestellt worden. 591 Sprau, in: Palandt, BGB, § 839 Rn. 44; Häde, EuZW 2005, 39; BGHZ 109, 163. 592 BGHZ 162, 49; EuGH VersR 2005, 101 = EuZW 2004, 689. Vorlagefragen siehe BGH NJW 2002, 2464. Übersichtlich hierzu bei Bähr, in: Fahr/Kaulbach/ Bähr, VAG, § 81 Rn. 9. Zweifel bei Papier, MünchKommBGB, § 839 Rn. 251, 255; Ossenbühl, Staatshaftung, S. 63 f. 593 BGHZ 9, 289, 290; 76, 375, 381; BVerfGE 61, 149, 199 f. („Amtshaftung“); Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 34 Rn. 33. 594 So Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 255. 595 Schenke/Ruthig, NJW 1994, 2324, 2325 f. Der EuGH stellte jedoch fest, dass Rechte zu Gunsten der Einleger weder aus der Einlegerschutzrichtlinie noch aus den bankaufsichtsrechtlichen Harmonisierungsrichtlinien für den Fall herzuleiten sei, „dass ihre Einlagen auf Grund unzureichender Aufsicht der zuständigen nationalen Behörden nicht verfügbar sind“, siehe EuGH, EuZW 2004, 689 Rn. 40. 596 Gratias, NJW 2000, 786, 787; Habscheid, Staatshaftung für fehlsame Bankenaufsicht, S. 122 f. 597 BVerfGE 39, 1, 36 ff.; 88, 203 („Schwangerschaftsabbruch II“).

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mit dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Mit einer jüngeren Entscheidung zur Bestandsübertragung im Versicherungsrecht hat es aber auch solche Pflichten aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG hergeleitet598. Unter Berücksichtigung einer weitreichenden Einschätzungsprärogative599 lassen sich im Bereich der Finanzdienstleistungsaufsicht keine konkreten gesetzgeberischen Verpflichtungen entnehmen, die im Falle von Pflichtverletzungen eine Haftung zwingend nach sich ziehen müssten. Trotz erheblicher Bedenken an der Ausgestaltung der Gemeinwohlklausel ist die derzeit getroffene Regelung als verfassungskonform anzusehen. Allerdings hat dies Konsequenzen für die – aus Gesichtspunkten der Verhaltenssteuerung gewünschte – Einheit von Handlung und Haftung. Jene erfährt bereits aus dem Prinzip der übergeleiteten Staatshaftung600 eine erhebliche Einschränkung, indem ein Amtswalter grundsätzlich für entstandene Schäden nicht persönlich einstehen muss. Zwischen der Regelung des Art. 34 GG und dem Abschluss einer D&O-Versicherung für die gesellschaftsrechtliche Organhaftung lassen sich systematische Gemeinsamkeiten erblicken. Zum einen wird die persönliche Haftung der Handelnden in beiden Fällen beschränkt und zum anderen wird die tatsächliche Durchsetzung von Ersatzansprüchen dadurch gewährleistet, dass den Geschädigten ein solventer Schuldner gegenübersteht. Mit dem Ausschluss der Amtshaftung im Bereich der Finanzdienstleistungsaufsicht wird den Geschädigten eine Regressmöglichkeit genommen. Als besonders problematisch erweist sich dies, wenn eine pflichtwidrige Amtshandlung das Handeln von Vorstand und Aufsichtsrat legalisiert und eine Organhaftung daher ebenfalls nicht in Betracht kommt.

V. Zusammenfassende Betrachtung 1. Das materielle Wirtschaftsaufsichtsrecht als Sondergesellschaftsrecht Die Vorschriften des KWG und VAG verstehen sich zunächst aus ihrer aufsichtsrechtlichen Zwecksetzung, strahlen aber ihre Wirkung auf die aktienrechtliche Legalverfassung aus601. Funktional stellen die Verhaltensan598

BVerfGE 114, 73 = VersR 2005, 1109. Inhalt der Schutzpflichten sei, „dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutze des Grundrechts trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind.“ Nur unter engen Voraussetzungen können sich dies verengen, so „dass allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan werden kann“, siehe BVerfGE 77, 170, 214 f. („Lagerung chemischer Waffen“). 600 Art. 34 Abs. 1 GG. Vgl. hierzu nur Ossenbühl, Staatshaftung, S. 9, 118 ff. 601 Fleischer, ZIP 2003, 1, 10. 599

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forderungen an Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen Verbands(innen)recht dar. Zweck des branchenspezifischen Aufsichtsrechts ist zwar nicht die Regelung des Verhältnisses zwischen Eigentümern und Geschäftsleitung, aber es dient als Mittel, um die Ziele des Funktions- bzw. des Gläubigerschutzes zu erreichen. In manchen Bereichen haben die Anforderungen des Wirtschaftsaufsichtsrechts das Gesellschaftsrecht überholt und nehmen eine Schrittmacherrolle ein602. Als lex specialis verdrängen die materiellen Vorgaben des VAG und des KWG den allgemeinen Ordnungsrahmen und sind funktional dem Sondergesellschaftsrecht zuzuordnen. Befürchtungen, die konzeptionelle Lücken durch die Schaffung von Ausnahmebereichen des allgemeinen Gesellschaftsrechts sehen603, muss entgegengehalten werden, dass dies den systembedingten Besonderheiten der Finanzbranche geschuldet ist. Denn der allgemeine Gläubigerschutz wird – schon unter anderem – mit Mitteln des Verbandsrechts gewährleistet. Anknüpfend an diesen Gedanken werden die besonderen Gläubigerinteressen der Einleger und Versicherungsnehmer unter anderem mit den „verbandsrechtlichen“ Regelungen des VAG und KWG geschützt. Um den typischen branchenspezifischen Gefahren entgegenzuwirken, werden den beaufsichtigten Unternehmen zusätzlich quantitative und qualitative Verhaltenspflichten auferlegt. Die Besonderheit als „Aufsichtsrecht“ erhält es allein wegen der Form der Überwachung und Rechtsdurchsetzung [s. sogleich]. 2. Die Konzeption des Versicherungs- und Bankenaufsichtsrechts als Normativaufsicht Seit dem Erlass des VAG im Jahre 1901 hat sich der Begriff der „materiellen (Staats-)Aufsicht“ in der Literatur etabliert604. Seine Bezeichnung hat es 602

Hübner, in: Festschrift Universität Köln, S. 235, 244 f. Hübner, in: Festschrift Universität Köln, S. 235, 249 f. 604 Im Zusammenhang mit der Wirtschaftsaufsicht von Staatsaufsicht zu sprechen ist bereits als verfehlt dargestellt (siehe oben § 3 II.). Im Folgenden wird daher trotz einheitlicher Tendenzen zum Rückgriff auf die Formulierung „materielle Staatsaufsicht“ im weitern der Begriff materielle Aufsicht bzw. Wirtschaftsaufsicht verwendet. Der Begriff der „materiellen Staatsaufsicht“ geht auf die amtliche Begründung zum VAG zurück und ist nicht ohne Kritik geblieben, vgl. Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 312, dort Fn. 196; dennoch hat sich dieser Begriff durchgesetzt. Vgl. zu dem Konzept der materiellen Aufsicht die Veröffentlichung anlässlich der Jubiläen zum 50- bzw. 100jährigen Bestehen der Versicherungsaufsicht, vgl. Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht; BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland. Wohl erstmals erwähnt wurde dieser Begriff im Zusammenhang mit den Beratungen zum Erlass des Versicherungsaufsichtsgesetzes von 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 24–27. 603

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durch die Reichweite der behördlichen Eingriffsbefugnis erhalten. Zur Einordnung der Banken- und Versicherungsaufsicht anhand ihrer konzeptionellen Ansätze taugt es nur wenig. Zahlreiche Stimmen sprechen von einer Ablösung dieses Systems seit der Umsetzung der Dritten Europäischen Richtlinie im Zeichen von Deregulierungsbestrebungen mit der Versicherungsrechtsnovelle605. Letztlich handelt es sich hier nur um eine terminologische Unterscheidung. Das System der Aufsicht wird durch die Aufgabe der Aufsichtsbehörde bestimmt, nicht aber durch die einzelnen zur Verfügung stehenden Mittel606. Zwar ist für die Banken- und Versicherungsaufsicht eine Überwachung der laufenden Geschäftstätigkeit kennzeichnend, wonach ein Beanstandungsrecht gegenüber nicht maßstabsgerechtem Verhalten besteht und zu dessen Durchsetzung auch auf ein hinreichendes Instrumentarium zurückgegriffen werden kann. Dennoch kann dies kein entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung von einem System der Normativbedingungen sein, wobei es nur „punktuell nach Überschreiten von Toleranzgrenzen“ zu Eingriffen kommen soll607. Im Wesentlichen lassen sich statt drei608 nur zwei verschiedene Systeme der Aufsicht609 einander gegenüber stellen: Publizitätsaufsicht einerseits, Normativaufsicht andererseits. Selten in der Praxis in Reinform vorzufinden sind sie als Alternativen für eine wirksame Überwachung von Versicherungsunternehmen ausweislich der Gesetzesmaterialien bereits bei der Schaffung des VAG 1901 in Erwägung gezogen worden. a) Publizitätssysteme und staatliche Überwachung Mit den geringsten Beschränkungen für die unternehmerische Freiheit ist das sog. Publizitätssystem verbunden, das von der Grundannahme ausgeht, eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens könne bestmög605 Nachweise bei Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 363. Die überwiegenden Stimmen sprechen jedoch von einer grundsätzlichen Beibehaltung des Systems der materiellen Versicherungsaufsicht, siehe Müller, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland, S. 158 und passim; ebenso: Dreher, WM 1995, 509; Fahr, VersR 1992, 1033, 1042 ff.; Kollhosser, in: Prölss, VAG, 11. Auflage, § 81 Rn. 7; BT-Drucks. 12/4279, S. 3. 606 Müller, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland, S. 158. 607 Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 313 f., der die Bezeichnung Rahmenaufsicht für das System der Normativbestimmungen für vorzugswürdig erachtet. 608 Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 31 f. spricht von einem Dreiklang. an diesem Dreiklang hat sich auch in der jüngeren Vergangenheit wenig verändert, wie die Nachweise auf die neuere Literatur belegen, Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn. 352 – 355. Begründung zum VAG 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 24–27. 609 Hax, in: Rohrbeck (Hrsg.), 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, 269, 270.

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lich durch die Marktteilnehmer erfolgen, sofern diesen im hinreichenden Umfang unternehmensbezogene Informationen zur Verfügung stehen. Kontrolle über die Unternehmen, deren Geschäftsgebaren sowie deren Geschäftsleitung wird dem Marktentscheid im Rahmen der zur Verfügung stehenden Voice- bzw. Exit-Optionen überlassen. Um die wesentlichen Informationen zu erlangen, besteht eine Verpflichtung zur Publizität des Geschäftsgebarens und der marktrelevanten Unternehmensdaten, die für eine Bewertung der angebotenen Produkte und die Bonität der beaufsichtigten Unternehmen notwendig sind610. Maßgeblich ist hierfür die Qualität der veröffentlichten Informationen. Staatliche Überwachung und Steuerung der Unternehmen findet also mittelbar statt, wenn die Einhaltung der Offenlegungsvorschriften hoheitlich kontrolliert wird. Mit der Abschaffung des Konzessionssystems im Aktienrecht wurde im Zeichen des Wirtschaftsliberalismus die Ausweitung der Publizität als Gegenstück zum Rückzug des Staates bei der Kontrolle von Aktiengesellschaften verstanden611. Auch wenn dem Grundsatz nach die Unternehmen selbstständig für die Einhaltung der Veröffentlichungspflichten verantwortlich sind, verzichtet der Staat nicht auf jegliche Möglichkeiten zur Kontrolle. Dabei ist die Ausgestaltung der staatlichen Einwirkung innerhalb solcher Publizitätssysteme denkbar vielschichtig. Legislative Eingriffe in die Satzungsautonomie von Aktiengesellschaften haben zu einer strikten Trennung von Aufstellung und Prüfung der Jahresabschlüsse im Bereich der Bilanzpublizität geführt. Diesem gesetzlich angeordneten internen Kontrollverfahren, das als Eingriff in die Autonomie der Beteiligten von geringster Intensität gelten muss, stellt der Gesetzgeber Sanktionsnormen zur Verfügung, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Neben der Möglichkeit zur Anfechtung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung sowie der Beteiligung unternehmensexterner Wirtschaftsprüfer werden auch Hoheitsträger mit der Kontrolle von Unternehmenspublizität betraut. Eine gerichtliche Überwachung findet seitdem nur durch das (elektronische) Handelsregister statt und beschränkt sich weitestgehend auf die Überprüfung formaler Kriterien. So überwacht das (elektronische) Handelsregister die Firmen- und Bilanzpublizität. Die Gründungsprüfung des Registergerichts gem. § 38 AktG stützt sich jedoch nicht nur auf die Einhaltung der formellen Gründungsvorschriften, sondern betrifft in eingeschränktem 610

So allgemein: Merkt, in: Handbuch Corporate Governance, S. 719; für das Versicherungswesen: Müller, in: BAV (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland, S. 155, 156; vgl. grundlegend zum Konzept der Publizität Merkt, Unternehmenspublizität, S. 62 ff. 611 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 72 f.; deutlich Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 400, „Die Publizität sollte dasselbe leisten wie Konzession und Staatsaufsicht.“

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Umfang auch die Vereinbarkeit der Satzung mit den materiellrechtlichen Anforderungen (ordnungsgemäße Errichtung)612. Eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der einzutragenden Gesellschaft ist nicht Gegenstand des Registerverfahrens613. Die Offenlegung von kapitalmarktorientierten Unternehmen wird zusätzlich durch die Wertpapieraufsicht kontrolliert. Dabei wurden die bisher an rein formellen Kriterien erfolgende Primär- und Sekundärmarktpublizität durch ein Enforcement-Verfahren ergänzt. Innerhalb dessen können Beanstandungen der materiellen Bilanzierung nötigenfalls behördlich durchgesetzt werden. b) Das Prinzip der Normativaufsicht Ganz im Gegensatz zur Wertpapieraufsicht übernimmt die BaFin nach der Errichtung der integrierten Finanzdienstleistungsaufsicht im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit bei Banken und Versicherungen unmittelbaren Einfluss auf das Verhalten dieser Unternehmen. Die Vorschriften zur Überwachung der Offenlegung (§§ 59, 83 VAG und § 44 Abs. 1 Nr. 1 KWG) sehen zwar zunächst umfangreiche Prüfungs- und Auskunftsrechte der BaFin bzw. Vorlagepflichten der beaufsichtigten Unternehmen vor, werden durch unmittelbare Einwirkungsmöglichkeiten erweitert, die vom Markteintritt (Konzession) über die den Geschäftsablauf (laufende Überwachung) bis hin zu einem verfahrensförmigen Marktaustritt (Insolvenzantragsmonopol der Aufsichtsbehörde) reichen. In Abhängigkeit zu der wirtschaftlichen Verfassung des jeweiligen Aufsichtssubjekts steigt die Intensität des Eingriffsinstrumentariums. Das versicherungs- und bankenaufsichtsrechtliche Instrumentarium geht dabei weit über eine reine Publizitätsaufsicht hinaus, wie schon die Begründung zum VAG 1901 deutlich macht: „Dass die Publizität in diesem Sinne in der That ein wichtiger Faktor ist, um das Versicherungswesen auf gesunden Bahnen zu erhalten, und dass sie namentlich in Verbindung mit einer sachgemäß geübten Staatsaufsicht in hohem Grade segensreich wirken kann, ist nicht zu bestreiten; dass sie aber für sich allein zur Sicherung jenes Zweckes ausreicht, muss füglich bezweifelt werden614. Dass der Einzelne in der Lage wäre, sich durch umsichtige Prüfung ein zutreffendes Urtheil darüber zu bilden, welcher Unternehmung er sein Vertrauen schenken dürfe, lässt sich im Allgemeinen nicht annehmen. Die Schadensversicherung spielt heute für die sog. kleinen Leute, die in Folge ihres Bildungsganges und ihrer sozialen Stellung in der Regel wenig geschäftsgewandt sind, eine nicht geringere Rolle als für 612 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 11 Rn. 27; Pentz, in: MünchKommAktG, § 38 Rn. 17. 613 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 11 Rn. 27. 614 Begründung zum VAG 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 25.

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2. Teil: Die Wirtschaftsaufsicht für Banken und Versicherungen

den in schwierigen Geschäften besser bewanderten Wohlhabenden; ja für erstere ist solche Versicherung ganz besonders werthvoll und nothwendig“615.

Die umfangreich zur Verfügung stehenden Eingriffsbefugnisse, um den Missständen im Versicherungs- bzw. Kreditwesen entgegenwirken zu können,616 dienen in erster Linie dazu, die Einhaltung von Normativbestimmungen behördlich zu überwachen, Verstöße zu beanstanden und im Bedarfsfall zwangsweise durchzusetzen. Die Besonderheit dieser Aufsicht als „Technik der Normgewährleistung“ liegt nach Ansicht Wernhard Möschels darin, dass eine staatliche Stelle mit seiner Durchsetzung befasst ist617. Entgegen der Wertpapieraufsicht bildet die Überwachung der Unternehmenspublizität nicht den Primärzweck der behördlichen Aufsicht nach dem VAG bzw. KWG. Das banken- und versicherungsaufsichtsrechtliche Instrumentarium verfolgt die Befriedigung eigener, staatlicher Informationsbedürfnisse618, die sich dem jeweiligen Aufsichtszweck unterordnen müssen. In diesem Zweck bzw. dessen Erreichen unterscheiden sich Banken- und Versicherungsaufsicht auf der einen und Wertpapieraufsicht auf der anderen Seite. Letztere dient dazu, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu erhalten und den Anlegerschutz zu gewährleisten, während die Versicherungsund Bankenaufsicht branchenspezifisch ist und darauf abzielt, die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Geschäftszweige zu sichern und die Kunden zu schützen. Mögen sich hier Gemeinsamkeiten insbesondere im Hinblick auf ihre gesamtwirtschaftliche Ausrichtung identifizieren lassen, so fußt die Zweckerreichung auf verschiedenen Ansätzen. Grund hierfür ist die Natur der beaufsichtigten Bereiche. Effiziente Kapitalmärkte bedürfen einer größtmöglichen Transparenz und des Vertrauens ihrer Teilnehmer. Durch die Offenlegung von Unternehmensdaten werden diese Ziele unmittelbar erreicht, so dass dem Aufsichtszweck im Rahmen der Marktaufsicht bereits Genüge getan ist, wenn eine behördliche Überwachung dieser Offenlegung stattfindet. Die Funktionsfähigkeit des Banken- und Versicherungssektors hingegen kann nicht allein durch Marktdisziplin gewährleistet werden, so dass sich die dafür erforderliche Publizität gegenüber den Marktteilnehmern nicht ausreichend erweist619. Die besondere Gefahrenlage, die sensible Stellung 615 Begründung zum VAG 1901, siehe BAV (Hrsg.), Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, S. 24. 616 Zwar hat sich der Begriff „materielle Staatsaufsicht“ im Zusammenhang mit dem System der Versicherungsaufsicht seit über 100 Jahren – wie die Festschriften zum 50- und 100-jährigen Bestehen des VAG belegen – etabliert. Dies macht jedoch eine inhaltliche Überprüfung der Systematik nicht entbehrlich. 617 Möschel, S. 235. 618 Schwark, Anlegerschutz, S. 209. 619 Zur besonderen Gefährdungslage im Banken- und Versicherungswesen, siehe oben § 5 I.

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innerhalb der Volkswirtschaft sowie das Auftreten externer Effekte erfordern einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, der den besonderen gesamtwirtschaftlichen Interessen dieser Branchen gerecht wird. c) Das Zusammenspiel der Überwachungselemente bei der branchenspezifischen Wirtschaftsaufsicht im Bankenund Versicherungswesen – Publizitätsaufsicht als Reflex Die vorgenommene Unterscheidung zwischen Normativ- und Publizitätsaufsicht ist nicht impermeabel. Auch Offenlegungsvorschriften sind Bestandteil des Normativgefüges. Mit dem Bedeutungszuwachs der Publizität, gewinnt auch deren Qualität immer mehr an Gewicht. Fraglich ist, ob diese zumindest auch durch die branchenspezifische Beaufsichtigung gewährleistet wird. Insbesondere die erweiterten Offenlegungsvorschriften des neuen Basler Eigenkapitalakkords zielen ganz im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Marktkräfte darauf ab, durch eine verbesserte Eigenkapitalpublizität zu einer adäquaten Eigenkapitalunterlegung beizutragen („Marktdisziplin“). Zur Ergänzung einer effektiven Bankenaufsicht ist es dafür nach Ansicht des Basler Ausschusses erforderlich, den Marktteilnehmern die notwendigen Einblicke in die Geschäftsstruktur und Risiken eines Institutes zu vermitteln620. Gut geführte Institute sollen vom Markt belohnt und schlecht geführte Banken mit unzureichender Offenlegung, sollen belastet werden (z. B. durch erhöhte Risikoprämien). Insgesamt bezwecken diese Regelungen zur Offenlegung, positive Anreize für die Kreditinstitute zu schaffen, um letztlich ihr Risikomanagement und ihre internen Kontrollen zu stärken621. Im Grundsatz entstammen die im Rahmen der Prüfungs- und Auskunftsrechte gewonnenen Daten zwar überwiegend der allgemeinen Offenlegung, dienen aber allein der Erfüllung des Überwachungsauftrags. So kann die BaFin vor allem anhand der vorzulegenden Jahresabschlüsse aber auch der gesondert einzureichenden Monatsausweise die Einhaltung der Solvabilitätsund Liquiditätsvorschriften überprüfen, die wiederum von essentieller Bedeutung für die Erreichung der Aufsichtszwecke sind. Da sich der Gegenstand dieser Informationsbeschaffung in weiten Teilen mit den Daten deckt, die im Wege der Unternehmenspublizität an die Marktteilnehmer weitergegeben werden, gewährleistet das banken- und versicherungsaufsichtsrecht620

Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Konsultationspapier – Die Neue Basler Eigenkapitalvereinbarung 2003, Rn. 757 f. 621 Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2. Auflage, Überblick Basel II, Rn. 178; Gramlich, KoR 2003, 350, 351.

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liche Verwaltungshandeln die Einhaltung von Offenlegungsvorschriften reflexartig. Darüber hinaus sind die Befugnisse der BaFin durchaus vielschichtig. Wie im beispielsweise Bereich der Schaffung von materiellen Verhaltenspflichten im Rahmen der Kodex-Bewegung, der Errichtung einer unabhängigen Wirtschaftsprüfung sowie der Normierung von internationalen Rechnungslegungsstandards bereits bekannt, ist eine Durchbrechung der Trennung von autonomen und heteronomen Problemlösungen zu beobachten. Wenn den Kreditinstituten etwa Spielräume zur Ausgestaltung der internen Risikobewertung bei der Bemessung der Eigenkapitalausstattung gewährt werden, geschieht dies zeitgleich mit einer qualitativen Evaluierung dieser Methoden durch Aufsichtsbehörde und Marktteilnehmer. Wenn auch solche Lösungen schon seit längerem im Aufsichtsrecht verankert sind, lassen sich als solche Beispiele auch die Regelungen zum obligatorischen Aktuar und den Sonderbeauftragten nennen. Die Funktionen werden dort ebenfalls nicht unmittelbar von der Aufsichtsbehörde sondern von besonders qualifizierten Privaten wahrgenommen. Um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden, folgt das Aufsichtsrecht bekannten und neuen Deregulierungsstrukturen.

Ergebnisse in Thesen 1. Corporate Governance von kapitalmarktorientierten Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten wird wie auch bei Unternehmen aus anderen Branchen maßgeblich durch das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht beeinflusst. Lösungen für Fehlerquellen bei Missbrauch sowie Fehlentwicklungen sind demnach primär auf dieser Ebene zu suchen. 2. In vielerlei Hinsicht weicht die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht für Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute vom allgemeinen Ordnungsrahmen der Corporate Governance ab. In funktionaler Betrachtung verdrängt das materielle Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht in diesen Bereichen das Gesellschafts- bzw. Aktienrecht als lex specialis. 3. Auch wenn das Banken- und Versicherungsrecht nicht darauf ausgerichtet ist, den Kern von Corporate Governance, also das Verhältnis von Anteilseignern und Management, zu regulieren, wirken die weitreichenden organisatorischen Vorschriften des materiellen Aufsichtsrechts auf den Organisationsrahmen der guten Unternehmensführung ein. Aufgrund der überwiegenden Fremdkapitalfinanzierung übernehmen die Versicherungsnehmer und Einlagekunden ein ähnliches Risiko wie „Restbetragsberechtigte“. Eine Annäherung der Situation von Stakeholder und Shareholdern ist insoweit festzustellen. Die Informationsasymmetrien im Bankenwesen und in der Assekuranz bestehen in größerem Umfang als in anderen Branchen und können aufgrund des Phänomens „Massengeschäft“ nur mit unverhältnismäßigen Kosten ausgeglichen werden. Dies und vor allem externe Effekte etwa in Form des Bankenruns rechtfertigen die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht. 4. Ein einheitlicher Anwendungsrahmen der Banken- und Versicherungsaufsicht lässt sich (bisher) nicht herleiten. Auch wenn die Harmonisierungsbestrebungen – etwa „Solvency II“ und Basel-II – eine allmähliche Angleichung bewirken, sind die strukturellen Unterschiede beider Finanzbranchen nicht zu übersehen. Insbesondere steht der Funktionsschutz nicht im Vordergrund der Aufsicht nach dem VAG. Systembedingte Kettenreaktionen drohen Versicherungsunternehmen im Gegensatz zu Kreditinstituten nicht oder nicht in gleichem Umfang. Externe Effekte drängen sich dennoch bei einem Vertrauensverlust auf, der sich auf die gesamte Branche erstrecken kann.

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Ergebnisse in Thesen

5. Wenn schon strukturelle Gemeinsamkeiten des Bankenaufsichtsrechts und des Versicherungsaufsichtsrecht keine wechselseitige Ausstrahlungswirkung zulassen, so kann dies erst recht nicht im Hinblick auf das allgemeine Gesellschaftsrecht gelten. Sowohl aus rechtssystematischen Gründen als auch aus Aspekten der Überregulierung begegnet eine Übertragung branchenspezifischen Sonderrechts auf sämtliche Wirtschaftsteilnehmer erheblichen Bedenken. 6. In der Rolle als Finanzintermediäre als Baustein der Corporate Governance bei anderen Unternehmen sind Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute mit Ausnahme der Vollmachtstimmrechte vergleichbar. Jedoch deckt sich ein solcher Regulierungszweck nicht mit den Zielen des Aufsichtsrechts. 7. Was die Intensität des branchenspezifischen Wirtschaftsaufsichtsrechts betrifft, so geht diese Konzeption weit über eine reine Publizitätsaufsicht hinaus. Vielmehr ermöglichen die rechtlichen Grundlagen des VAG und KWG erhebliche Eingriffe in die unternehmerische Freiheit der Aufsichtssubjekte. Unabhängig von der Bezeichnung als materielle oder normative Aufsicht, stellt die Form der Rechtsdurchsetzung eine Modifikation des bestehenden Verhältnisses von autonomer zu heteronomer Unternehmensüberwachung dar. 8. Die Neuerungen im branchenspezifischen Wirtschaftsaufsichtsrecht versuchen zunehmend, die Marktdisziplin als Faktor der effizienten Überwachung einzubeziehen. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistet die Unternehmenspublizität. Auf jener Grundlage können quantitative Aufsichtsstandards durch qualitative Maßgaben substituiert werden.

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Stichwortverzeichnis Abschlussprüfer 25, 73, 128, 130 Ad-hoc-Publizität 67, 70, 73, 76, 90, 108 Agency-Kosten 48, 66, 85, 241 Aktuar 254, 288, 300 Allfinanzaufsicht 32, 155, 169, 234, 254, 261 Anlegerschutz 49, 70, 76, 105, 107–108, 134, 160, 176–177, 184, 227, 230–231, 233, 298 Ansteckung 26, 211 Anteilseignerkontrolle 268 Antragsmonopol 285, 287, 291, 297 Aufsichtsrat 23, 25, 37, 55, 57, 60–62, 72–73, 76, 82, 85, 94, 111–112, 114–118, 120–121, 123, 125, 127–128, 149–151, 242–243, 265–267, 270, 282–283, 293 Ausstrahlungswirkung 24 Ausstrahlwirkung 26, 115, 256, 260–261, 264 Bank-Enquête 191, 193 Bankenrestrukturierungsgesetz 151, 201, 263, 284–285 Bankenrun 192, 211 Basel-II 198, 205, 248, 250, 252, 259, 261, 269, 271, 275, 289, 301 Basel-III 22, 198, 200, 253–254 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht 29, 57, 197, 237, 299 Bilanzrecht 70, 89, 93, 109, 129, 142, 273 Blue Sky Laws 89–90 board 61, 81–82, 97, 111, 117 Bonitätsanalyse 133 Börsenaufsicht 26, 35–36, 141

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 22, 71, 109, 138–141, 144, 169, 176, 218–219, 236–237, 248, 256, 267–270, 273, 276, 278, 280–283, 285–291, 297, 299–300 Bundesbank 22, 169–170, 174, 233 Bundesgerichtshof 112, 121, 129, 151, 196 Bundesministerium für Finanzen 174, 248 Bundesverfassungsgericht 78, 225, 292 business judgement 62, 150 Cadbury Code 40–41, 81 Code of Conduct 40, 145 Compliance 85, 114, 258–259 Controlling 258, 262 D&O-Versicherung 62, 293 Danat-Bank 37, 189, 191–192, 205 Demutualisierung 242 Deregulierung 34–35, 60, 82, 85, 88, 136, 145, 156, 160–161, 166, 188, 215, 247 Deutsche Börse 36, 104, 132 Deutscher Corporate Governance Kodex 28–30, 32, 50, 85, 111, 113, 118–120, 125, 158–159, 161, 257–258, 262 Directors Dealings 102–103 Disclosure Philosophy 48, 89, 106 Dodd-Frank-Act 123, 200 Drittrangmittel 248, 254 Drittschutz 196, 290

Stichwortverzeichnis Eigenkapitalakkord 198, 201, 254 Eigenkapitalausstattung 24, 124, 192, 198–199, 201, 204, 206, 211, 225, 230, 238, 248, 300 Einlagensicherung 196, 206, 208, 210, 212, 217 Endorsement 30, 275 Enforcement 29, 74, 135, 138, 142–143, 297 Enforcement-Verfahren siehe Enforcement Erlaubnis 89, 147, 183, 188, 235–236, 245, 256, 276–279, 283, 290–291, 297 Ermächtigungsgrundlage 201, 281–283, 285–286 Ermessen 45, 55, 61–62, 129, 149, 157, 183, 266, 277, 283–284, 287 European Banking Authority (EBA) 22, 165, 254 European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) 22, 165 European Securities and Markets Authority (ESMA) 22, 148, 165 Exit 34, 77, 131, 157, 160, 206, 252, 296 Exit-Option siehe Exit externen Effekte 208 Financial Service Action Plan 96 Finanzintermediär 102, 202, 302 Finanzkrise 19–20, 193, 200, 208, 212, 262, 275, 285 Finanzmarktgesetzgebung 95, 97, 162 Finanzmarktkrise 63 fit-and-proper-Test 266–267 Freiverkehr 103 Fristentransformation 202, 211 Funktionsschutz 69, 99, 107–108, 153, 194, 199, 218–219, 221–222, 231, 301 Gefahrenabwehr 221, 228–229, 279 Geldwäsche 259

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Genehmigung siehe Erlaubnis Generalklausel 280, 282 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 175, 201 Gewerbefreiheit 172, 190, 193, 195, 224–225, 276–277 Glass-Steagall-Act 92 Gläubigerschutz 53, 56, 99, 194, 203, 206, 214–215, 218–219, 222–223, 234, 270, 294 Großaktionär 34, 48, 132, 268 Großkredit 191, 269–270 Haftung, Ratingagenturen 21, 145, 154 Handelsregister 134–137, 143, 277, 279, 296 Hauptversammlung 45, 49, 60, 77, 94, 111, 117, 126–127, 132, 136, 151, 159, 242, 296 Herstatt 196, 212, 291 Herstatt-Krise 196 HGB-Rechnungslegung 272 Höchstverschuldungsquote 254 Holzmüller-Entscheidung 112 IAS-Verordnung 271 IAS/IFRS-Rechnungslegung 272 Informationsasymmetrie 44–45, 47–48, 65, 67–68, 79, 104–105, 205–207, 213–214, 272, 275, 301 Informationsintermediäre 133, 144–145, 154, 207, 249 Informationskosten 43, 67 Informationsmodell 104, 106, 130, 135, 207, 271 Insider-Kontrollsystem 59, 61 Insolvenz 204–205, 208–212, 216–217, 285 Institutsvergütungsverordnung 262 International Accounting Standards Board (IASB) 30, 275

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Stichwortverzeichnis

Kapitalausstattungs-Verordnung – KapAusstV 251 Kartellaufsicht 26 Kernkapital 248 Klumpenrisiken 192, 238, 269 Konvergenz 27, 96, 117 Konzession 183 Konzessionssystem 25, 37, 73, 115, 134, 138, 180, 236 Kreditrisiken 212, 249, 255 Kreditrisiko-Standardansatz 249 Larosière-Bericht 21 Leverage Ratio siehe Höchstverschuldungsquote Liquiditätskennzahlen 253 Liquidity Coverage Ratio siehe Mindestliquiditätsquote MaRisk 259 Markt für Unternehmensübernahmen 65, 69 Marktdisziplin 201, 207, 250, 254, 275, 298–299, 302 Marktrisiken 249 Marktversagen 20, 37–38, 54, 67, 75, 105, 107, 134, 161, 204 merit approach 89 Minderheitenschutz 49 Mindestkapital 247 Mindestliquiditätsquote 254 Missstandsaufsicht 218, 279–280, 282, 289 moral hazard 20, 263, 285 Moratorium 285 Moto-Meter-Beschluss 78 Normativaufsicht 31, 294–295, 297 numerus clausus siehe Typenzwang Opportunismusoption 64 Organkredite 264 Outsider-Kontrollsystem 59 Outsourcing 255, 264

Pfadabhängigkeit 67, 87, 96 Pflichtrevision 25, 37, 73–74, 183 Phantom Stocks 63 Primärmarkt 102 Prinzipal-Agenten-Konflikt 263 Prinzipal-Agenten-Theorie 21, 33, 43, 46, 51–52, 89, 91, 94, 242 Property-Rights-Theorie 44, 49 Publizitätsaufsicht 91, 134, 136, 138, 155, 174, 281, 295, 297, 299, 302 race to the bottom 88 race to the top 88 Ratingagentur 21, 35, 111, 133–135, 144–147, 154–155, 207, 289 Rechtsformkontrolle 235 Rechtsschutz 283, 289–291 residual claimants 44, 301 Restbetragsberechtigte siehe residual claimants Risikomanagement 26, 28, 85, 113–115, 195, 250, 256–260, 271, 299 Run 38, 79, 209–210 siehe auch Bankenrun Sarbanes Oxley Act 92, 129 Satzungsstrenge 61, 93, 111, 161 Schadenindex 251 Securities Act 88 Securities Exchange Act 88 Securities Exchange Commission (SEC) 90 Sekundärmarkt 90, 102–103 Selbstkontrolle 24, 29–30, 68, 112, 182, 266 Shareholder Value 53–54, 56, 259 Singularitätsprinzip 244 Solvabilitätsspanne 186, 250–251 Solvabilitäts-Verordnung 248 Solvency II 201, 250, 252, 261, 301 Sonderbeauftragter 283–285, 288, 300 soziale Marktwirtschaft 226

Stichwortverzeichnis Sozialstaatsprinzip 216 Spartentrennung 244–246 Staatsaufsicht 24, 29, 168, 170–172, 174, 179, 186, 188, 190 Staatsbanken 21 Staatshaftung 57, 155, 196, 218, 223, 287, 290, 292–293 Stakeholder 31, 51–54, 56, 58–59, 76, 81, 92, 94, 161, 201, 208, 241, 262, 301 Stock Appreciation Rights 63 Stresstests 254 Subsidiaritätsprinzip 215 Systemrelevanz 285 Tätigkeitskontrolle 235, 237 too big to fail 285 Trennbankensystem 92, 122 Treupflichten 49 Typenzwang 238 Übernahmemarkt 269 siehe auch Markt für Unternehmensübernahmen Universalbankensystem 92, 122, 131 Unternehmenspublizität 37, 47, 66–75, 88, 91, 106, 129, 136–137, 139, 158, 243, 270, 273, 275, 281, 296, 298–299, 302

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Verbot mit Erlaubnisvorbehalt siehe Erlaubnis Vergütung 20, 62–63, 125, 157–158 Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) 181, 236, 240, 242 Verstaatlichung 21, 178, 197, 199, 217 Verwaltungspraxis 115, 223, 238 Vier-Augen-Prinzip 239, 255 Voice 76–79, 93, 131, 157, 160, 252, 296 Voice-Option siehe Voice Wall Street Rule 77 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) 65, 108 Wertpapierübernahmegesetz siehe Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) Wettbewerbsaufsicht 26 Wirtschaftsprüfer 73, 116, 128, 133, 257, 284, 296 Wirtschaftsverfassung 36, 224, 226–227 Zustimmungsvorbehalt 270 Zweckgesellschaft 19