Bildungsportale: Potenziale und Perspektiven netzbasierter Bildungsressourcen 9783486593495, 9783486584264

Welches sind die zentralen Herausforderungen bei der Gestaltung und Nutzbarmachung netzbasierter Bildungsressourcen im A

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Bildungsportale: Potenziale und Perspektiven netzbasierter Bildungsressourcen
 9783486593495, 9783486584264

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Bildungsportale Potenziale und Perspektiven netzbasierter Bildungsressourcen Herausgegeben von Dr. Birgit Gaiser, Prof. Dr. Dr. Friedrich W. Hesse, Dr. Monika Lütke-Entrup

Oldenbourg Verlag München Wien

Dr. Birgit Gaiser ist seit 2003 am Institut für Wissensmedien (IWM) mit Konzeption, Aufbau und Weiterentwicklung des Qualifizierungsportals e-teaching.org befasst. Ihr Spezialgebiet ist das Thema e-learning. In diesem Kontext sind zahlreiche Publikationen, ihre Dissertation, aber auch verschiedene Lernmedien entstanden. Prof. Dr. Dr. Friedrich W. Hesse hat einen Lehrstuhl für Angewandte Kognitionspsychologie und Medienpsychologie an der Universität Tübingen. Er ist zugleich Direktor des Instituts für Wissensmedien (IWM) in Tübingen. Friedrich Hesse ist Sprecher einer Reihe von Forschungs- und Entwicklungsinitiativen zum Einsatz von Wissensmedien. Dr. Monika Lütke-Entrup war von 2001 bis 2004 Projektleiterin bei der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh und ist seit 2005 für die Robert Bosch Stiftung in Stuttgart tätig. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören Hochschulentwicklung, Ausbildungsqualität, die Professionalisierung von Lehrenden sowie e-teaching und e-learning. In Stiftungsprojekten und internationalen Gremien setzt sie sich für die Entwicklung von digitalen Bildungsressourcen als öffentliches Gut ein. Sie initiierte und begleitete die Entstehung des Qualifizierungsportals www.e-teaching.org.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2007 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D -81671 München Telefon: (089) 4 50 51- 0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Dr. Margit Roth Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: Grafik + Druck, München Bindung: Thomas Buchbinderei GmbH, Augsburg ISBN 978-3-486-58426-4

Gliederung Teil A: Portaldesign – Von der Idee zur Konzeption 1

Design und Evaluation von Bildungsportalen (Karl Wilbers, Universität Erlangen-Nürnberg)

2

Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals (Birgit Gaiser & Benita Werner, Institut für Wissensmedien, Tübingen)

13

3

Open Educational Resources are here to stay (Jan Hylén, Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), Paris)

29

4

Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse (Aemilian Hron & Sieglinde Neudert, Institut für Wissensmedien, Tübingen)

5

Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen – Das Studienportal der Universität Duisburg-Essen (Jörg Stratmann & Michael Kerres, Universität Duisburg-Essen)

3

45

63

Teil B: Portalbausteine – Community & Personalisierung 6

Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building (Stefanie Panke, Joachim Wedekind & Simone Haug, Institut für Wissensmedien, Tübingen)

79

7

Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus (Benjamin Birkenhake, ZEIT online, Hamburg)

97

8

Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog (Stephan Mosel, BildungsBlog, Hamburg)

111

9

Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule (Richard Heinen, Chefredakteur Lehrer Online, Bonn)

125

VI

Gliederung

Teil C: Blended Concepts – Integration netzbasierter Bildungsressourcen in Supportmaßnahmen 10

Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen (Simone Haug, Birgit Gaiser, Institut für Wissensmedien, Tübingen)

141

11

www.informationskompetenz.de – Professionelle Supportstruktur für Bibliotheken 155 (André Schüller-Zwierlein, Universitätsbibliothek München, Fabian Franke, Universitätsbibliothek Bamberg)

12

Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen (Heinz Mandl, Ludwig-Maximilians-Universität München, Katrin Winkler, QIAGEN GmbH, Bernd Heuser, NYCOMED (ehemals Altana Pharma), Walter Weber, NYCOMED

165

Teil D: Trends – Portale auf dem Weg ins Web 2.0 13

Portale, das Web, Web 2.0 und das Semantic Web (Klaus Birkenbihl, W3C, St. Augustin)

181

14

E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien (Andreas Schmidt, Forschungszentrum Informatik, Karlsruhe)

191

15

Standards für E-Learning Portale (Jan Pawlowski, Universität Duisburg-Essen)

207

16

Potenziale von Social Software für Bildungsportale (Jan Schmidt, Forschungsstelle Neue Kommunikationsmedien FoNK, Universität Bamberg)

219

17

Zwischen Web-Präsenz und Grids: Portale als Mittel der ko-aktiven Wissensorganisation (Reinhard Keil, Harald Selke, Universität Paderborn)

235

Vorwort Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein konnte das Buch seine Position als beherrschendes Bildungsmedium ausbauen und verteidigen. Grundlagen hierfür waren mit der Entwicklung der Schriftsprache und später mit der Erfindung technischer Druckverfahren geschaffen worden. Die Entwicklung von Bewegtbild- und Audiomedien verschob diese Gewichtung und relativierte das Monopol des Buches, konnte jedoch dessen Autokratie insbesondere im Bildungskontext nicht brechen. Mit dem Einzug digitaler Medien jedoch wird das Gefüge grundsätzlich neu geordnet und ist einer erneuten Bewertung zu unterziehen. Auffällig ist, dass in der aktuellen Debatte der Medienbegriff zunehmend in den Hintergrund rückt. Vielmehr ist mittlerweile die Rede von „Ressourcen“ wie die Diskussion um „Open Educational Resources“ eindrucksvoll zeigt. Die Bildungsbarrieren liegen nicht mehr in der Zugänglichkeit einzelner Inhalte – das Internet als multimediales Mega-Repository bietet bei zunehmender Durchdringung der Gesellschaft einen scheinbar unbeschränkten Zugriff auf potenziell bildungsrelevante Ressourcen. Für den Einzelnen stellt sich allerdings das Problem der Nutzbarmachung und Aneignung des digital verfügbaren Wissens. In diesem Kontext positionieren sich derzeit Bildungsportale und übernehmen Aufgaben, die Parallelen mit den Funktionen von Lehrbüchern in traditionellen Bildungszusammenhängen aufweisen. Bildungsportale bieten einen vorstrukturierten und damit vereinfachten, themenspezifischen Zugang zu einem Inhaltsgebiet sowie verschiedene Services und Retrieval-Funktionen. Personalisierung und Anpassbarkeit von Inhalten an einzelne Nutzergruppen sind weitere Kernelemente des Portalkonzepts. Über Kommunikations- und Dienstleistungsfunktionen werden Portale zu Identifikations- und Treffpunkten virtueller Communities. Im Gegensatz zu den tradierten typografischen Regeln des Buchdrucks gibt es für netzbasierte Bildungsressourcen noch keine etablierten Standards, sondern lediglich erste Konventionen für die Aufbereitung von Inhalten. Wie technische Standards aussehen könnten, die Integration und Austauschbarkeit von Inhalten ermöglichen, ist ebenfalls noch eine offene Frage. Weiterhin sind die möglichen Implikationen aktueller Trends wie das Thema Web 2.0 weitgehend ungeklärt. Welches sind die zentralen Herausforderungen bei der Gestaltung und Bereitstellung netzbasierter Bildungsressourcen? Wie können diese Ressourcen in Bildungsprozesse integriert werden? Bei einer eingehenden Betrachtung können verschiedene Sichtweisen eingenommen werden: Eine mögliche Perspektive auf netzbasierte Bildungsressourcen gilt dem Entstehungsprozess, der durch verschiedene Einflussfaktoren und Akteure in seinem Verlauf gesteuert wird. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, können netzbasierte Bildungsressourcen

VIII

Vorwort

hingegen auch als Produkt analysiert und in eine Reihe von Komponenten zerlegt werden. So lassen sich Bausteine wie Informationsarchitektur, Inhaltstypen, Personalisierungs- und Community-Funktionen identifizieren, die netzbasierte Bildungsressourcen konstituieren. Dem dynamischen Entwicklungsprozessen unterworfenen Phänomen Bildungsportal möchten wir mit dieser Publikation in Buchform eine greifbare Gestalt geben. Durch Überblicksartikel und konkrete Fallbeispiele soll der Sammelband in vier Themenblöcken sowohl den State-of-the-Art erfassen als auch neue Forschungsfragen erschließen.

Teil A: Portaldesign – Von der Idee zur Konzeption Das Angebot redaktionell gepflegter, qualitativ hochwertiger Inhalte ist ein entscheidendes Kennzeichen von Bildungsportalen. Die Nutzergruppen sind zumeist heterogen und dies stellt besondere Anforderungen an Aufbau und Struktur der Inhalte. Das Inhaltsangebot muss unter Berücksichtigung der nutzergruppenspezifischen Bedürfnisse eine angemessene Breite und Tiefe aufweisen sowie übersichtlich und nachvollziehbar strukturiert sein. Nicht nur Umfang und Qualität der Inhalte, sondern auch ihre Aktualität und Seriosität nehmen einen entscheidenden Stellenwert ein. Die Redaktion eines Bildungsportals verantwortet die Inhalte und stellt die Nutzerorientierung des Angebots sicher. Die redaktionellen Prozesse sind komplexe technische und organisatorische Arbeits- und Entscheidungsabläufe, in die neben Redakteuren auch Designer/innen und Techniker/innen einbezogen werden müssen. Weiterhin gilt es, die Inhalte den Nutzern durch geeignete Funktionen zugänglich zu machen. Zur Überprüfung der Eignung der Inhalte und der Angemessenheit der Funktionen werden im Kontext des Portalaufbaus und -betriebs auch Fragen zur Qualitätssicherung und der Rückspeisung der Erkenntnisse in den Entwickungsprozess thematisiert. In einem Überblicksartikel gibt Karl Wilbers einen Einblick in Design und Evaluation von Bildungsportalen. Das Thema Qualitätssicherung wird im Artikel von Birgit Gaiser und Benita Werner vertieft und ein iteratives Modell vorgeschlagen. Von Jan Hylén wird das aktuelle Thema „Open Educational Ressources“ aufgegriffen. Einen Blick in die Praxis werfen Aemilian Hron und Sieglinde Neudert mit einer vergleichenden Analyse von Schul- und Bildungsportalen. Einblicke in den universitären Bereich bietet der Aufsatz von Jörg Stratmann und Michael Kerres mit der Beschreibung der Konzeption und Umsetzung des Studienportals der Universität Duisburg-Essen.

Teil B: Portalbausteine – Community & Personalisierung Grundlegende Bausteine, die Portale gegenüber anderen Webseiten auszeichnen, sind Funktionen, die eine individuelle Adaption und inhaltliche Partizipation ermöglichen. Nutzer können Portale als persönlichen Wissensspeicher und Organizer nutzen, aber auch Informationen und Materialien mit Anderen teilen oder darüber diskutieren. Mit der Verfügbarkeit von Community-Funktionen und Personalisierungsmöglichkeiten werden die Portalbesucher/innen stärker an das Informationsangebot gebunden, können eigene Expertise einbringen, Erfahrungen austauschen und Kontakte zu anderen Mitgliedern knüpfen. Zahlreiche Anwendungen, wie etwa Weblogs, Wikis, Social Bookmarking oder E-Portfolios unterstützen den sozialen

Vorwort

IX

Austausch zwischen den Teilnehmer/innen. Sie bieten einen informellen Lernrahmen, der implizites Wissen von Expertinnen und Experten zugänglich macht, für eine Perspektivenvielfalt sorgt und praxis- und problemorientierte Lösungen liefert. Der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer lebendigen Community ist kein triviales Unterfangen. Bei der Konzeption und Implementierung von adaptiven Funktionen stehen Entwickler/innen vor der Herausforderung, die Bedarfe der Nutzer zu treffen. Insbesondere bei innovativen Anwendungen spielt zudem die Bedienbarkeit eine zentrale Rolle. Die Potenziale von Bildungsportalen als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building stellen Stefanie Panke, Joachim Wedekind und Simone Haug in einem Überblickartikel dar. Drei Praxisbeispiele aus verschiedenen Anwendungszusammenhängen werden in den Beiträgen von Benjamin Birkenhake (ZEIT Campus), Stefan Mosel (BildungsBlog) und Richard Heinen (Lehrer Online) dargestellt und runden mit diesen praktischen Einsichten den zweiten Teil der Publikation ab.

Teil C: Blended Concepts – Integration netzbasierter Bildungsressourcen in Supportmaßnahmen Der Begriff „Blended Concepts“ beschreibt in Analogie zu „Blended Learning“ didaktische Konzepte, die eine Kombination von Präsenz- und Online-Angeboten vorsehen. Entsprechende Modelle setzen sich zunehmend im Bereich des E-Learning durch. Neben der zeitlichen Perspektive, die auf eine didaktisch begründete Abfolge von Präsenzveranstaltungen und virtuellem Lernen abhebt, stellt sich die Frage nach den Inhalten. Wie können netzbasierte Bildungsressourcen in bestehende Supportmaßnahmen und Organisationsstrukturen integriert werden? Welche Rolle spielen dabei adaptive Funktionen? Wie können Online- und OfflineCommunities sinnvoll ineinander verschränkt werden? Antworten auf die skizzierten Fragekomplexe finden sich im Überblicksartikel von Simone Haug und Birgit Gaiser zur zielgruppenspezifischen Qualifizierung mit Hilfe von Bildungsportalen. Praxisberichte aus dem Hochschulkontext und aus dem Bereich der beruflichen Weiterbildung finden sich im Beitrag von André Schüller-Zwierlein und Fabian Franke sowie im Aufsatz von Heinz Mandl, Katrin Winkler, Bernd Heuser und Walter Weber.

Teil D: Trends – Portale auf dem Weg ins Web 2.0 Web 2.0 ist eine Vision für die Fortentwicklung des Internet, die in technologischer Hinsicht hauptsächlich auf zwei Faktoren beruht: Zum einen werden Inhaltsverwaltung und -austausch durch die Einführung neuer XML-basierter Standards unterstützt. Zum anderen ermöglichen Programmierschnittstellen (Application Programming Interfaces – APIs) die Nutzung von Daten und Services fremder Plattformen. Ziele der Web 2.0-Vision sind eine Erhöhung der Partizipation bei der Inhaltserstellung, eine bessere Wiederverwendbarkeit von Inhalten sowie eine effektivere Recherche. Semantic Web und Social Software sind zentrale Figuren für die Umsetzung dieser Zielstellung.

X

Vorwort

In diesem Teil wird die Rolle von Web 2.0 Technologien für die Ausgestaltung von netzbasierten Bildungsressourcen und Bildungsportalen mit Vertretern aus beiden Diskurs-Bereichen diskutiert. Der Beitrag von Klaus Birkenbihl reflektiert die Arbeit des W3C. Die Potenziale von Social Software für Bildungsportale werden im Aufsatz von Jan Schmidt beleuchtet. Technischen Standards gilt der Beitrag von Jan Pawlowski, während Reinhard Keil und Harald Selke Portale als Mittel der ko-aktiven Wissensorganisation verstehen. Die Potenziale semantischer Technologien werden im Beitrag von Andreas Schmidt beschrieben. Diese Publikation schließt an Projekte an, die die Heinz Nixdorf Stiftung und die Bertelsmann Stiftung im Rahmen ihres Programms „Bildungswege in der Informationsgesellschaft“ zwischen 1995 und 2004 initiiert und gefördert haben. Die Beiträge des Sammelbands basieren zu einem Großteil auf einem im November 2006 am Institut für Wissensmedien veranstalteten Expertenworkshop zu Bildungsportalen. Dieser Workshop bildete den Abschluss der Kooperation zwischen der Bertelsmann Stiftung und dem Institut für Wissensmedien in dessen Kontext die Entstehung des Portals e-teaching.org einzuordnen ist. Dr. Monika Lütke- Entrup initiierte das Projekt und begleitete die Entstehungsphase in den Jahren 2003 bis 2004 als Projektleiterin bei der Bertelsmann Stiftung. Dr. Birgit Gaiser ist seit 2003 am Institut für Wissensmedien als Teil des Redaktionsteams mit Konzeption, Aufbau und Weiterentwicklung von e-teaching.org befasst. Prof. Dr. Dr. Friedrich W. Hesse hat in seiner Rolle als Direktor des Instituts für Wissensmedien die Etablierung des Portals maßgeblich unterstützt. Der Dank der Herausgeber/innen gebührt allen, die an der Veranstaltung und der Veröffentlichung inhaltlich und organisatorisch mitgewirkt haben.

Inhaltsverzeichnis Gliederung .......................................................................................................................... V Vorwort ............................................................................................................................... VII

Teil A Portaldesign – Von der Idee zur Konzeption ..........................................

1

1

Design und Evaluation von Bildungsportalen ...................................................................... 1.1 Einleitung ......................................................................................................... 1.2 Motoren für die Entwicklung von Bildungsportalen ........................................ 1.3 Ein einfaches Modell für Bildungsportale ........................................................ 1.4 Konsequenzen für die Entwicklung und Evaluation von Bildungsportalen ..... 1.5 Ausblick ............................................................................................................

3 3 3 5 8 9

2

Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals ...................... 2.1 Einleitung ......................................................................................................... 2.2 Grundlagen ....................................................................................................... 2.2.1 Evaluation von (Bildungs-)Portalen .................................................... 2.2.2 Portal-Engineering .............................................................................. 2.3 Fallbeispiel e-teaching.org ............................................................................... 2.3.1 Aufbaustufe Inhalt .............................................................................. 2.3.2 Aufbaustufe Community ..................................................................... 2.4 Lessons learned ................................................................................................

13 13 13 14 15 17 18 21 23

3

Open Educational Resources are here to stay ...................................................................... 3.1 Introduction ...................................................................................................... 3.2 What is Open Educational Resources? – A conceptual discussion .................. 3.3 Mapping OER – who is the user and the producer? ......................................... 3.3.1 Producers of OER ............................................................................... 3.3.2 Use and users of OER ......................................................................... 3.4 Why are people and institutions sharing resources for free? ............................ 3.5 Challenges to the OER movement .................................................................. 3.5.1 Copyright issues .................................................................................. 3.5.2 Sustainability of initiatives ................................................................. 3.6 Final thoughts ................................................................................................... 3.7 References ........................................................................................................

29 29 30 31 31 34 36 39 39 41 42 43

XII 4

5

Inhaltsverzeichnis Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse ............................................................................................................................ 4.1 Einleitung ......................................................................................................... 4.2 Methode ............................................................................................................ 4.2.1 Auswahl der Portale ............................................................................ 4.2.2 Entwicklung des Referenzsystems .................................................... 4.2.3 Vorgehen bei der Portalanalyse ......................................................... 4.3 Ergebnisse ........................................................................................................ 4.3.1 Auswertungsdimension „Allgemeine Portalmerkmale“ ..................... 4.3.2 Auswertungsdimension „Inhalte/Themenspektrum“ .......................... 4.3.3 Auswertungsdimension „Funktionen und Services“ .......................... 4.3.4 Auswertungsdimension „Strukturaspekte“ ......................................... 4.4 Ergebniszusammenfassung und Diskussion ..................................................... 4.5 Anhang: Referenzsystem .................................................................................

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Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen – Das Studienportal der Universität Duisburg-Essen .......................................................... 5.1 Einleitung ......................................................................................................... 5.2 Organisatorische Rahmenbedingungen ............................................................ 5.2.1 Kompetenzen und Einstellung der Hochschulangehörigen ................ 5.2.2 Akzeptanz von Innovationen .............................................................. 5.3 Das Studienportal der Universität Duisburg-Essen .......................................... 5.3.1 Single point of information ................................................................. 5.3.2 Integration von Werkzeugen und Services ......................................... 5.3.3 Nutzungsprofile für das Studienportal ................................................ 5.4 Einführung des Portals an der UDE ................................................................. 5.4.1 Unterstützung durch Machtpromotoren .............................................. 5.4.2 Gestufte Einführung und Optimierung ............................................... 5.5 Zusammenfassung ............................................................................................

63 63 64 65 66 67 67 67 69 71 72 72 74

Teil B Portalbausteine – Community & Personalisierung ........................... 77 6

7

Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building ........................................................................................................................ 6.1 Einleitung ......................................................................................................... 6.1.1 Theoretischer Hintergrund .................................................................. 6.1.2 Portalrecherche ................................................................................... 6.1.3 Ergebnisse ........................................................................................... 6.1.4 Fazit ....................................................................................................

79 79 80 83 87 93

Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus ................................................. 7.1 Einleitung ......................................................................................................... 7.2 ZEIT online ...................................................................................................... 7.2.1 Das ZEIT online Angebot ...................................................................

97 97 98 99

Inhaltsverzeichnis

XIII

7.2.2 Das ZEIT online Content Management System ................................. ZEIT Campus ................................................................................................... 7.3.1 Inhalt und Zielgruppe .......................................................................... 7.3.2 Technik und Redaktion ....................................................................... 7.3.3 Interface .............................................................................................. 7.3.4 Services .............................................................................................. 7.3.5 Qualitätssicherung .............................................................................. Das ZEIT Communitysystem ........................................................................... 7.4.1 Eine Community vs. viele Communities ............................................ 7.4.2 Drupal und seine Funktionen .............................................................. 7.4.3 Community Zeitung ............................................................................ Zusammenfassung und Ausblick ......................................................................

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8

Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog ................................................... 8.1 Einleitung ......................................................................................................... 8.2 Selbstgesteuertes Lernen mit Microcontent ..................................................... 8.2.1 Lernen in Situation und Kontext ......................................................... 8.2.2 Eigenschaften von Weblogs ................................................................ 8.2.3 Von Microcontent zur „Personal Knowledge History“ ....................... 8.3 Bildungsportale und BildungsBlogs ................................................................. 8.3.1 Funktionen von Bildungsportalen ....................................................... 8.3.2 Funktionen des BildungsBlogs ........................................................... 8.4 Fazit ..................................................................................................................

111 111 111 112 114 116 117 117 118 122

9

Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule .......................................................... 9.1 Einleitung ......................................................................................................... 9.2 Studien .............................................................................................................. 9.3 Vorgeschichte – Schulen ans Netz, die Ausstattungsinitiative ......................... 9.4 Entwicklung von Lehrer-Online.de .................................................................. 9.4.1 Leuchtturmprojekte ............................................................................. 9.4.2 Medienprojekte für den Fachunterricht .............................................. 9.4.3 Unterrichten mit digitalen Medien ...................................................... 9.5 Lehrer-Online.de – heute .................................................................................. 9.5.1 Zielgruppen ......................................................................................... 9.5.2 Angebotsvielfalt und Struktur ............................................................. 9.5.3 Kundengewinnung .............................................................................. 9.5.4 Kundenbindung ................................................................................... 9.5.5 Statistik ............................................................................................... 9.6 Ausblick ............................................................................................................

125 125 126 127 128 128 129 129 130 130 131 133 135 136 136

7.3

7.4

7.5

XIV

Inhaltsverzeichnis

Teil C Blended Concepts – Integration netzbasierter Bildungsressourcen in Supportmaßnahmen ........................................... 139 10 Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen ..................................... 10.1 Einleitung ......................................................................................................... 10.2 Zielgruppenspezifische Maßnahmen ............................................................... 10.3 Maßnahmenportfolio für die Kompetenzentwicklung ..................................... 10.3.1 Zugänglichkeit von Informationen ..................................................... 10.3.2 Austausch in der E-Learning-Community .......................................... 10.4 Organisationsformen für die Weiterbildung ..................................................... 10.4.1 Zentrale vs. dezentrale Konzepte ........................................................ 10.4.2 Eigenlösung oder Outsourcing? .......................................................... 10.5 Qualifizierungsportale – das Beispiel e-teaching.org ...................................... 10.5.1 Konzeption und Zielsetzung von e-teaching.org ................................ 10.5.2 Qualifizierungsszenarien mit e-teaching.org ...................................... 10.6 Resümée und Ausblick .....................................................................................

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11 www.informationskompetenz.de – Professionelle Supportstruktur für Bibliotheken .......................................................................................................................................... 11.1 Einleitung ......................................................................................................... 11.2 Informationskompetenz als Schlüsselqualifikation .......................................... 11.3 Vermittlung von Informationskompetenz: Das Beispiel Bayern ..................... 11.4 Die Arbeitsgemeinschaft Informationskompetenz ........................................... 11.5 Das Portal als Infrastruktur: www.informationskompetenz.de ........................ 11.6 Der Ausbau der Plattform: Zukunftsperspektiven ...........................................

155 155 156 157 158 160 162

12 Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen ........................................................................................................................ 12.1 Einleitung ......................................................................................................... 12.2 E-Learning bei ALTANA ................................................................................. 12.3 Vorgehen ........................................................................................................... 12.3.1 Initialisierung ...................................................................................... 12.3.2 Ist- und Bedarfsanalyse ...................................................................... 12.3.3 Konzeption .......................................................................................... 12.3.4 Akzeptanzkonzept .............................................................................. 12.3.5 Systemauswahl ................................................................................... 12.3.6 Realisierungsstufen ............................................................................ 12.4 Evaluationsstudie ............................................................................................. 12.5 Fazit/Zusammenfassung ...................................................................................

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Teil D Trends – Portale auf dem Weg ins Web 2.0 .............................................. 179 13 Portale, das Web, Web 2.0 und das Semantic Web ............................................................ 13.1 Einleitung ......................................................................................................... 13.2 Die alte Crux mit HTML .................................................................................. 13.3 Web 2.0 .............................................................................................................

181 181 182 183

Inhaltsverzeichnis

XV

13.4 Semantic Web aka Web 3.0 .............................................................................. 184 13.5 Bildungsportale ................................................................................................. 187 13.6 Fazit und weitere Schritte ................................................................................. 188 14 E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien ................................... 14.1 Einleitung ......................................................................................................... 14.2 Web 2.0, E-Learning 2.0 und Portale 2.0 ......................................................... 14.3 Portale als Moderatoren von Reifungsprozessen ............................................. 14.4 Integration in den Nutzungskontext ................................................................. 14.5 Semantik in Portaltechnologien ........................................................................ 14.6 Fallbeispiele ...................................................................................................... 14.6.1 Semantic MediaWiki ........................................................................... 14.6.2 Learning in Process ............................................................................. 14.6.3 SOBOLEO .......................................................................................... 14.7 Fazit ..................................................................................................................

191 191 191 193 195 196 198 198 200 202 203

15 Standards für E-Learning Portale ............................................................................................. 15.1 Einleitung ......................................................................................................... 15.2 Bildungsportale: Funktionen und Eigenschaften .............................................. 15.3 Standards für Bildungsportale .......................................................................... 15.3.1 Learning Object Metadata (LOM) ...................................................... 15.3.2 Learning Design (LD) ......................................................................... 15.3.3 Sharable Content Object Reference Model (SCORM) ....................... 15.3.4 Learner Information Package (LIP) .................................................... 15.3.5 Qualitätssicherung .............................................................................. 15.4 Zusammenfassung und Ausblick ......................................................................

207 207 208 211 212 213 214 214 215 216

16 Potenziale von Social Software für Bildungsportale ......................................................... 16.1 Einleitung ......................................................................................................... 16.2 Social Software – Formen und Konsequenzen ................................................. 16.3 Social Software, selbst gesteuertes Lernen und Bildungsportale ..................... 16.4 Fazit ..................................................................................................................

219 219 220 226 230

17 Zwischen Web-Präsenz und Grids: Portale als Mittel der ko-aktiven Wissensorganisation .......................................................................................................................... 17.1 Einleitung ......................................................................................................... 17.2 Semiotische Architekturen ............................................................................... 17.3 Stufen der Integration verteilter Wissensbestände ........................................... 17.4 Web 2.0 ............................................................................................................. 17.5 Wissen, Web und Wahrheit ............................................................................... 17.6 Portale: Werkzeuge der Wissensarbeit ............................................................. 17.7 Der virtuelle Wissensraum: Die Medi@rena ................................................... 17.8 Vom Portal zum Grid und zurück .....................................................................

235 235 235 237 238 240 242 244 246

Teil A Portaldesign – Von der Idee zur Konzeption 1

Design und Evaluation von Bildungsportalen (Karl Wilbers, Universität Erlangen-Nürnberg)

2

Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals (Birgit Gaiser & Benita Werner, Institut für Wissensmedien, Tübingen)

13

3

Open Educational Resources are here to stay (Jan Hylén, Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), Paris)

29

4

Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse (Aemilian Hron & Sieglinde Neudert, Institut für Wissensmedien, Tübingen)

5

Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen – Das Studienportal der Universität Duisburg-Essen (Jörg Stratmann & Michael Kerres, Universität Duisburg-Essen)

3

45

63

1

Design und Evaluation von Bildungsportalen Karl Wilbers Universität Erlangen-Nürnberg

1.1

Einleitung

Im Rahmen der Diskussion um das Web 2.0 erleben Portale eine Renaissance. Der Beitrag zeigt zunächst auf, was – jenseits von Web 2.0 – Motoren für die Entwicklung von Portalen sind. Portale werden beispielsweise als Instrument des institutionsinternen Wissensmanagements oder der Organisationsentwicklung verstanden. Der Begriff des Portals wird allerdings sehr unterschiedlich verwendet. Daher soll im nächsten Schritt ein elementares Modell zugrunde gelegt werden. In diesem Modell werden Rollen, Prozesse, Prozessunterstützung und technische Realisierung zirkulär miteinander verknüpft. Im Vergleich zu alternativen Präzisierungen ist dieses Modell einfach. Aber bereits dieses einfache relationale Verständnis von Portalen führt zu einer Reihe von Konsequenzen für die Entwicklung und die Evaluation von Portalen. Das Modell führt zu Leitfragen bei der Entwicklung von Portalen und identifiziert Fallstricke bei der Entwicklung von Portalen. Gleichzeitig werden verschiedene Schichten der Evaluation freigelegt.

1.2

Motoren für die Entwicklung von Bildungsportalen

Der Begriff des Portals war längere Zeit nicht mehr sonderlich aktuell. Im Zuge der Diskussion um Web 2.0 erfährt er nahezu eine Renaissance. Kerres (2006) hält „Web 2.0“ für mehr als einen Marketing-Begriff. Es komme zu drei grundlegenden Grenzverschiebungen: Der Benutzer wird zum Autor, die Grenze zwischen lokaler und entfernter Datenhaltung und -verarbeitung verschwimme und Privates werde zunehmend öffentlich.

4

1 Design und Evaluation von Bildungsportalen

Mir scheint, dass Kerres damit die technischen Grenzverschiebungen gut umschreibt. Kerres geht jedoch weiter und stellt dem E-Learning 1.0 das Begriffsupdate E-Learning 2.0 gegenüber: E-Learning 1.0 sei das aktuelle E-Learning, das sich heute in Hochschulen und Betrieben findet, während E-Learning 2.0 ein noch zu entwickelndes E-Learning mit Hilfe von Web 2.0 sei. E-Learning 1.0 sei – so Kerres – das Zeitalter von Lernplattformen, d.h. in seinem Verständnis der Inseln im Internet, auf die Lehrkräfte ihre Inhalte überführen. Demgegenüber sei die Lernumgebung im E-Learning 2.0 ein Portal im Internet mit Inhalten und Werkzeugen. Die Lernplattform, die technische Stütze des E-Learning 1.0, wird zum Portal, der neuen technischen Stütze des E-Learning 2.0. Ob jedoch mit diesen Grenzverschiebungen auch radikale Grenzverschiebungen in Bildungsinstitutionen und Unternehmen verbunden sind, wie Kerres meint, erscheint mir alles andere als gewiss (Wilbers, 2007). Unabhängig von der neueren Web 2.0-Debatte versuchen Unternehmen und Hochschulen seit längerer Zeit Portale zu implementieren. Die Motive sind vielfältig: •

Portale als Instrument des institutionsinternen Wissensmanagements: Portale sollen den Austausch von Wissen fördern. Sie vereinheitlichen Informationen, machen kundenspezifische Informationen breit verfügbar, fördern die organisationsinterne Zusammenarbeit, sammeln Informationen an einem zentralen Punkt und kombinieren Informationen aus den verschiedensten Quellen (Soutar & Lloyd-Walker, 2005).



Portale als Instrument zur Förderung von Communities: Portale sollen den Auf- und Ausbau von Communities unterstützen (Seufert, Moisseva & Steinbeck, 2001; Wolf, 2006), indem sie einen Treffpunkt für die virtuelle Gemeinschaft bieten.



Portale als Instrument der Systemintegration: Viele Unternehmen und Hochschulen sind mit heterogenen Daten und Rechnerstrukturen ausgestattet. Vor diesem Hintergrund versprechen sich diese Institutionen nachhaltige Beiträge zur Systemintegration (Bajec, 2005).



Portale als Instrument der Organisationsentwicklung: Bunt und Pennock (2006) zeigen am Beispiel der Universität Saskatchewan anschaulich, dass Portale nicht nur Prozesse abbilden, sondern dass die Implementation von Portalen auch dazu führt, Prozesse und auch die dahinter liegende Politik zu überdenken. In diesem Sinne ist die Implementation keine nur technische Angelegenheit, sondern ein Portal ist gleichzeitig ein „agent of social and cultural change“ (S. 44).



Portale als Beitrag zur Bewältigung des Spannungsverhältnisses zwischen Zentralität und Dezentralität: Sowohl Unternehmen als auch Hochschulen stehen vor der Herausforderung, eine nicht selten delikate Balance zwischen Zentralität und Dezentralität bzw. lokaler Praxis zu gestalten. Portale können diese Balancierung unterstützen (Bunt & Pennock, 2006).

Karl Wilbers

1.3

5

Ein einfaches Modell für Bildungsportale

Das Wort „Portal“ wird im Internetjargon häufig benutzt, aber selten definiert. In der Unternehmenspraxis wird es oft gleichbedeutend mit „Webseite“ oder „Lernplattform“ verwendet. Rosenberg (2006) definiert Portale als „web-based gateways to valued online resources and services“ (S. 128). Tatnall (2005) präzisiert: „Web portal is seen as a special Internet (or intranet) site designed to act as a gateway to give access to other sites. A portal aggregates information from multiple sources and makes that information available to various users“ (S. 14). Kos u.a. (2005) setzen „Webkatalog“ und „Portal“ gleich. Ein Bildungsportal ist nach Kos u.a. (2005) „eine speziell an Bildungsinhalten orientierte Ausprägungsform von Webkatalogen“ (S. 4). Das Hauptargument für Portale im Vergleich mit Suchmaschinen sehen Kos u.a. darin, dass „durch die intellektuelle Bewertung von Webseiten die Präzision gegenüber Suchmaschinen erheblich steigt“ (S. 4). Diesem Vorteil der höheren Präzision stehe die geringere Datenmenge bei Portalen gegenüber. Für die weiteren Ausführungen lege ich hier folgende Definition zugrunde: „Ein Portal ist eine serviceintensive, personalisierbare Webseite“ (Wilbers, 2000, S. 397). Services sind damit ein konstitutives Merkmal von Bildungsportalen. Allerdings ist der Servicebegriff ambivalent. •

Services in Bildungsportalen sind erstens – wie im Verständnis serviceorientierter Architekturen (SOA) – Software(teile). Services in diesem Sinne sind beispielsweise generelle Webtechniken wie Chats, Kalenderfunktionen, E-Mail, Content-Rating oder Suchfunktionen. Serviceintensiv heißt dann, dass viele dieser Services in einer möglichst homogenen Funktion verwendet werden. Systematisch ist dabei gleichgültig, ob der Benutzer diese Services in irgendeiner Weise hilfreich findet.



Services in Bildungsportalen sind zweitens Hilfen bei Prozessen, für die ein bestimmter Nutzer bzw. eine bestimmte Nutzergruppe eines Portals verantwortlich ist. Dieses Verständnis nimmt die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen „servire“ (dienen, bedienen) auf. Ein solches Verständnis von Services ist relational, d.h. die Qualität eines Services ist immer relativ zum Prozess zu sehen.

Die Diskussion um die Qualität von Bildungsportalen krankt daran, dass beide Verständnisse durcheinander gebracht und gebraucht werden. So wird von Kos u.a. (2005) „Qualität aus Expertensicht“ (S. 9) definiert. Dazu gehören die Gestaltung der Seiten (Corporate Identity, Übersichtlichkeit, Navigation, Gestaltungsstandards), Aufbereitung der Inhalte (thematische Vielfalt, Angebote für verschiedene Zielgruppen, Aktualität und Seriosität, Hilfe), technische Funktionalität (Ladezeiten, Browserdarstellung, Auflösung, Suchfunktion, Druckfunktion, Barrierefreiheit), Service-Angebote und Kommunikationsdienste (Newsletter, Personalisierung, Kommunikation). Im ersten Verständnis von Services ist eine solche Qualitätsbestimmung nachvollziehbar. Im zweiten hier vorgestellten Verständnis von Services lautet die Frage jedoch, ob eine spezifische technische Realisierung eine Unterstützung des Prozesses bedeutet. Ein solches Verständnis erweitert klassische Modelle aus dem Software-Engineering. Im Software-Engineering werden zur Strukturierung von Projekten, in denen Software bzw. Anwendungssysteme entwickelt und eingeführt werden, Vorgehensmodelle vorgeschlagen. Diese Vorgehensmodelle haben weit reichende Implikationen, zum Beispiel für die durchzuführen-

6

1 Design und Evaluation von Bildungsportalen

den Teilschritte, die Reihenfolgen, die erforderlichen Qualifikationen der Mitarbeitenden usw. Das klassische Vorgehensmodell ist das so genannte Wasserfallmodell.

Abb. 1.1: S. 37)

Das klassische Vorgehensmodell im Software-Engineering: Das Wasserfall-Modell (Pagel & Six, 1994,

Das Wasserfallmodell ist nicht ohne Kritik geblieben und es wurden Ergänzungen, Erweiterungen und alternative Modelle vorgeschlagen (Pagel & Six, 1994; Panke, Kohls & Gaiser, 2006). Beispiele sind das iterierte Phasenmodell, das die Notwendigkeit von Rückkoppelungen betont oder aber die Arbeit mit Prototypen, zum Beispiel in Form von Rapid Prototyping (Pagel & Six, 1994). Für Portale werden zum Teil eigenständige Modelle vorgeschlagen (Kirchhof u.a., 2004; Gurzki u.a., 2004). Die ersten Phasen derartiger Modelle nehmen die spezifische Betonung von Services (im zweiten hier vorgeschlagenen Verständnis) nicht auf. Vor diesem Hintergrund wird hier ein alternativer, einfacher und folgenreicher, also ökonomischer, Konzeptrahmen vorgeschlagen, der die Relativität des Servicebegriffs aufnimmt und einen zirkulären Zusammenhang von vier Konzepten für die ersten beiden Phasen des klassischen Vorgehensmodells vorschlägt.

Abb. 1.2:

Ein einfaches Modell von Portalen als konzeptionelle Basis für die Konstruktion und Evaluation

Karl Wilbers

7

Eine Hochschullehrerin (Rolle) zeichnet beispielsweise für eine Reihe von Prozessen verantwortlich, für die das Portal Unterstützung anbieten könnte bzw. müsste. Dazu gehört etwa der Prozess „Gestaltung der Lehre“. Dieser Prozess ist außerordentlich komplex und müsste mit Hilfe der didaktischen Literatur ausdifferenziert werden. Dazu gehört beispielsweise die Entwicklung einer Grundidee für eine Lehrveranstaltung, die Grobplanung von Zielen, Lernmethoden und Inhalten sowie die Analyse der Bedingungen, z.B. auf Seiten der Studierenden. Für die einzelnen Prozesse ist dann zu fragen, wie diese unterstützt werden könnten. Beispielsweise wären für die Grobplanung Daten zur Zielgruppe der Studierenden, z.B. zur vorauszusetzenden Fach- oder Methodenkompetenz, hilfreich. Technisch könnte dies beispielsweise realisiert werden, indem die Hochschullehrerin auf eine zentrale Datenbank zurückgreifen könnte, die an die anderen Informationstechnik-Systeme der Hochschule angedockt ist. Kennzeichen eines Bildungsportals wäre dann, dass mehrere Rollen, die konstitutiv für das Bildungswesen sind, gleichzeitig angesprochen werden. Im Kern handelt es sich bei der Entwicklung von Portalen in diesem Verständnis nicht um Software-Engineering im engeren Sinne, sondern um die Gestaltung ganzer Arbeitssysteme als Komposition von personalen, technischen und organisatorischen Teilsystemen, auf die grundlegende Vorgehensweise in der Arbeitspsychologie, z.B. partizipative Gestaltung, anwendbar sind (Frieling & Sonntag, 1999).

Abb. 1.3:

Facetten eines Bildungsportals

Beispielhaft sei der Grundgedanke an einem Teilmodul ausgeführt, das hier der Einfachheit halber „Test-Modul“ genannt wird. Im technischen Hintergrund dieses Moduls steht eine zentrale Datenbank, die – nach einem ausgesprochen differenzierten Rechtemodell – Lernleistungsdaten von Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stellt. Das Beispiel wurde in Anlehnung an das Projekt „Klassen-Cockpit“ in der Ostschweiz (Helmke, 2003, S. 225 f.) entwickelt. Die Lerner unterziehen sich in regelmäßigen Abständen Leistungstests, die entsprechenden Leistungsdaten werden entweder direkt im System generiert oder in dieses über-

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1 Design und Evaluation von Bildungsportalen

tragen. Die Lerner erhalten hierzu differenzierte Rückmeldungen, ggf. nach verschiedenen Bezugsnormen (Vergleich mit Klassendaten, Daten einer Schule, früheren eigenen Daten usw.). Für die Lehrkraft sind die Daten ebenfalls verfügbar. Über den Vergleich mit anderen (repräsentativen) Daten erhält die Lehrkraft ein Feedback zu den Lernleistungen der Lerner und damit indirekt zur eigenen Lehrleistung. Außerdem stehen die Daten bei der Planung, zum Beispiel leistungsdifferenzierter Unterrichtsteile, zur Verfügung. Die Eltern bzw. im Bereich der beruflichen Bildung die Betriebe, erlangen über das Portal einen Einblick in die Leistung bzw. die Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Die Bildungspolitik und die Bildungsadministration erhalten – auf einem anderen Aggregationsniveau der Daten – einen umfassenden Überblick, der im Rahmen eines Qualitätsmanagements sowie einer outputorientierten Steuerung des Bildungssystems genutzt werden kann. Schließlich erlangt die Forschung umfangreiche Datenbestände für multivariate Analysen. Im Kern bedeutete dies eine Revitalisierung eines alten und – da die E-Learning-Diskussion wenig Gespür für ihre Geschichte hat – vergessenen Systems des Computer-Managed Instruction (CMI) (Alessi & Trollip, 1991, S. 387 ff.; Twardy & Wilbers, 1996). CMI gehörte zu einem der ersten erfolgreichen Ansätze zur Nutzung von Computern in Training und Schulung, setzte jedoch relativ große, vernetzte Datenbanken voraus. Mit dem Siegeszug des PC, der anfangs ein Standalone-Gerät mit sehr begrenztem Speicher war, geriet das Konzept in Vergessenheit.

1.4

Konsequenzen für die Entwicklung und Evaluation von Bildungsportalen

Für die Entwicklung von Bildungsportalen ergeben sich schon aus diesem einfachen Modell vier Leitfragen sowie vier Möglichkeiten, Schwierigkeiten im Entwicklungsprozess zu bekommen. Leitfragen bei der Entwicklung

Fallstricke bei der Entwicklung

Stakeholder/Rollen

Wen wollen wir mit diesem Portal ansprechen?

Wir wissen nicht genau, wen wir ansprechen.

Prozesse

Was machen diese Menschen?

Wir wissen nicht genau, was diese Menschen machen.

Unterstützung

Wie unterstützen wir sie dabei?

Wir wissen nicht genau, wie wir sie dabei unterstützen können.

Technische Umsetzung

Wie setzen wir dies technisch um?

Wir wissen nicht genau, wie wir das technisch umsetzen können.

Tab. 1.1

Leitfragen und Fallstricke bei der Entwicklung von Bildungsportalen

Karl Wilbers

9

Die Evaluation von Bildungsportalen vollzieht sich nach diesem einfachen Modell in vier Phasen: •

Validierung der Rollendefinition: Mit Blick auf die Stakeholder/Rolle ist zu fragen, ob die vorgenommene, d.h. die der Entwicklung zugrunde liegende Rollenschneidung sinnvoll erscheint.



Validierung der Prozesse: Mit Blick auf die Prozesse stellt sich die Frage, ob die Prozesse im Rahmen der Entwicklung sinnvoll abgebildet worden sind.



Validierung der Unterstützung der Prozesse: Mit Blick auf die Unterstützung stellt sich die Frage, ob die Benutzer den Eindruck erhalten, dass die angebotenen Hilfen ihnen bei der Bewältigung der ihnen obliegenden Prozesse dienlich sind.



Validierung der technischen Realisierung: Bei der technischen Realisierung ist einzuschätzen, ob diese Hilfen technisch angemessen realisiert wurden.

Im Qualitätsmanagement sind zunächst die zugrunde liegenden Rollen, Prozesse, Prozessunterstützungen sowie technischen Realisierungen eines Portals zu rekonstruieren. Methodisch bietet sich bei der Evaluation das gesamte Spektrum der klassischen empirischen Sozialforschung an (Befragung, Beobachtung, Inhaltsanalyse). Besonders spannend scheint jedoch die Befragung der Zielgruppe, d.h. von Nutzern der Portale, zu sein. Alternativ können Personas verwendet werden (Arnold, Gaiser & Panke, 2005). Im einfachsten Fall lassen sich einfache Fragen, z.B. bezüglich der Validierung der Prozesse, mit Hilfe von Ratingskalen erfassen.

1.5

Ausblick

Jeder Konstruktion von Portalen, jeder Evaluation von Portalen unterliegen explizite oder implizite Vorstellungen über die Qualität von Portalen und die notwendigen Schritte, diese Qualität zu erreichen. Das gilt für die intuitiv-unsystematische Entwicklung durch einen Bastler ebenso wie für das wissenschaftlich fundierte Vorgehen im Rahmen eines Forschungsprojektes. Der Beitrag versucht diesen Zusammenhang durch die Explizierung einer elementaren Vorstellung von Portalen zu verdeutlichen. Dieses Modell ist im Vergleich zu alternativen Konstruktionen einfach. Es hat jedoch klare Konsequenzen für die Entwicklung, nämlich die Formulierung von Leitfragen sowie das Aufmerksammachen auf Fallstricke. Es vermag eine einseitig an technischen Realisierungen gebundene Evaluation zu überwinden. Gleichzeitig erhöht das damit erweiterte Evaluationsverständnis den Aufwand für die Evaluation deutlich.

Literaturverzeichnis Alessi, S. M. & Trollip, S. R. (1991). Computer-based Instruction: Methods and Development. Englewood Cliffs: Prentice-Hall. Arnold, P., Gaiser, B. & Panke, S. (2005). Personas im Designprozess einer E-Teaching Community. In J. Haake, U. Lucke & D. Tavangarian (Hrsg.), Proceedings DELFI 2005. 3. Deutsche E-Learning Fachtagung Informatik (S. 469-480). Bonn: Gesellschaft fr Informatik.

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1 Design und Evaluation von Bildungsportalen

Bajec, M. (2005). Educational Portals: A Way to Get an Integrated, User-Centric University Information System. In A. Tatnall (Ed.), Web Portals: The New Gateways to Internet Information and Services (pp. 252 – 269). Hershey: Idea Group. Bunt, R. & Pennock, L. (2006). Of Portals, Policies, and Poets. Educause Quarterly, 29 (2), 41-47. Frieling, E. & Sonntag, K. (1999). Lehrbuch Arbeitspsychologie (2. Aufl.). Bern, Gttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber. Gurzki, T., Hinderer, H., Kirchhof, A. & Vlachaki, J. (2004). Die Fraunhofer Portal Analyse und Design Methode (PADEM). Der effiziente Weg vom Prozess zum Portal. Stuttgart: Fraunhofer-Institut fr Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Helmke, A. (2003). Unterrichtsqualitt.: Erfassen, bewerten, verbessern. Seelze: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung. Kerres, M. (2006). Potenziale von Web 2.0 nutzen. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Hrsg.), Handbuch E-Learning (18. Ergänzungslieferung, S. 4.26, S. 1 – 16). Kln: Verlag Deutscher Wirtschaftsdienst. Kirchhof, A., Gurzki, T., Hinderer, H. & Vlachaki, J. (2004). Was ist ein Portal?: Definition und Einsatz von Unternehmensportalen. Stuttgart: Fraunhofer-Institut fr Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Kos, O., Lehmann, R., Brenstein, E. & Holtsch, D. (2005). Bildungsportale – Wegweiser im Netz. Gestaltung – Nutzung – Evaluation. Frankfurt, Main u.a.: Lang. Pagel, B.-U. & Six, H.-W. (1994). Software Engineering. Bd. 1: Die Phasen der Softwareentwicklung. Bonn: Addison-Wesley. Panke, S., Kohls, C. & Gaiser, B. (2006). Participatory Development Strategies for Open Source Content Management Systems. Innovate – Journal of Online Education, 3 (2). Rosenberg, M. J. (2006). Beyond e-learning: Approaches and technologies to enhance organizational knowledge, learning, and performance. San Francisco: Pfeiffer. Seufert, S., Moisseva, M. & Steinbeck, R. (2002). Virtuelle Communities gestalten. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Hrsg.), Handbuch E-Learning (S. 4.10, S. 1 – 20). Kln: Deutscher Wirtschaftsdienst. Soutar, J. & Lloyd-Walker, B. (2005). Functioning Portal Interfaces to Support Knowledge Enabling. In A. Tatnall (Ed.), Web Portals: The New Gateways to Internet Information and Services (pp. 312 – 334). Hershey: Idea Group. Tatnall, A. (2005). Portals, Portals Everywhere. In A. Tatnall (Ed.). Web Portals: The New Gateways to Internet Information and Services (pp. 1 – 14). Hershey: Idea Group.

Karl Wilbers

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Twardy, M. & Wilbers, K. (1996). Computeruntersttzter Unterricht in der Berufsbildung. In B. Bonz (Hrsg.), Didaktik der Berufsbildung (S. 144 – 161). Stuttgart: Holland + Josenhaus. Wilbers, K. (2000). Lernportale, universitre Aktoren, Business Intelligence und m(obile)Learning: Vier Herausforderungen des e-Learning. In F. H. Esser, M. Twardy & K. Wilbers (Hrsg.), e-Learning in der Berufsbildung: Telekommunikationsuntersttzte Aus- und Weiterbildung im Handwerk.. (S. 395-431). Markt Schwaben: Eusl. Wilbers, K. (2007). Web 2.0: Vom einsamen Leser zum sozialen Tter. Personalwirtschaft (2), 10 – 13. Wolf, K. (2006). Software fr Online-Communities auswhlen. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Hrsg.), Handbuch E-Learning (18. Ergänzungslieferung, S. 5.14, S. 1 – 28). Kln: Verlag Deutscher Wirtschaftsdienst.

2

Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals Birgit Gaiser / Benita Werner Institut für Wissensmedien, Tübingen

2.1

Einleitung

Der Beitrag schlägt eine Brücke zwischen Fragen des Portal-Engineering und der Qualitätssicherung netzbasierter Bildungsressourcen, insbesondere von Bildungsportalen. Der Vorgehensweise liegt die Überzeugung zugrunde, dass durch eine stärkere Verzahnung und Rückkopplung der beiden Bereiche ein höherer Nutzen aus Evaluationsergebnissen gezogen und der Aufbau von Bildungsportalen mit Hilfe eines entsprechenden methodischen Instrumentariums professionell und wissenschaftlich fundiert begleitet werden kann. Ausgehend von einer Literatursynopse zur Qualitätssicherung beim Aufbau von Portalen und zu Fragen des Portal-Engineering werden anhand einer Fallstudie die einzelnen Entwicklungsschritte eines Portals in chronologischer Reihenfolge beschrieben. Als Fallbeispiel dient das Bildungsportal e-teaching.org, das am Institut für Wissensmedien in Tübingen konzipiert und aufgebaut wurde. Die Fallstudie hebt insbesondere auf die formativen Evaluationsmaßnahmen ab, die im Kontext des Portalaufbaus zum Zwecke der Qualitätssicherung eingesetzt wurden und beschreibt die Einspeisung der Ergebnisse in den Entwicklungsprozess. Auf dieser Basis werden aufeinander folgende generische Entwicklungsstufen beim Aufbau von (Bildungs-)Portalen identifiziert und in einem Phasenmodell angeordnet. Entlang der Entwicklungsschritte werden mögliche formative Evaluationsmaßnahmen dargestellt. Das Ergebnis ist ein generisches Modell, das als Planungshilfe bei vergleichbaren Projekten verwandt werden kann.

2.2

Grundlagen

In diesem Abschnitt werden die theoretischen Bezugspunkte benannt, die die Eckpunkte des theoretischen Verständnisses der Autorinnen und die Basis für deren Überlegungen bilden.

14

2 Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals

Relevant sind zum einen Ergebnisse aus der Qualitätssicherung von Portalen und zum anderen einschlägige Beiträge aus dem Bereich des Portal-Engineering. Zunächst gilt es jedoch zu klären, was unter Portalen im Allgemeinen und Bildungsportalen im Speziellen zu verstehen ist. Als Vorgänger von Portalen gelten die Suchmaschinen der frühen 90er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts (Zhou, 2003). Die Begriffe „Internet Portal“ und „Web Portal“ sind zunächst als Bezeichnung für umfangreiche Internetpräsenzen von Providern wie Yahoo!, Excite und AOL entstanden. Diese Mega-Sites wurden von vielen Nutzern als Ausgangspunkt für ihre Streifzüge durch das Internet benutzt und als Startseite in ihren Browsern eingerichtet (Sampson & Manouselis, 2005). Portale bieten einen vereinfachten Zugang zu verschiedenen Services, Inhalten und RetrievalFunktionen. Personalisierung, Anpassbarkeit und Support für virtuelle Communities bilden die Maxime der Portalidee (Van Riel, Lilijander & Jurriens, 2001; vgl. auch Panke, Haug & Wedekind in diesem Sammelband). Entsprechend werden von Detlor (2000) „Content Space“, „Communication Space“ und „Coordination Space“ als zentrale Elemente von Portalen ausgemacht. Bildungsportale als Sonderform von Portalen „[…] sind elektronische Kundenschnittstellen im Internet, die dem Kunden Zugang zu Lerninhalten, Informationen und Bildungsmehrwertdiensten (z.B. Communities und Teletutoring) ermöglichen. Sie bilden das Web Front End für Content Management Systeme und Wissensdatenbanken“ (Schestak, 2000, S. 326).

2.2.1

Evaluation von (Bildungs-)Portalen

Evaluation wird mittlerweile in unterschiedlichen Bereichen durchgeführt und kann allgemein als die Beurteilung oder Bewertung von Handlungsalternativen im Sinne einer Planungs- und Entscheidungshilfe verstanden werden. Sie steht „für ein ganzes Bündel von Ansätzen, Methoden und Instrumenten, aus denen je nach spezifischer Aufgabenstellung ein geeignetes Design ‚maßzuschneidern’ ist“ (Kromrey, 1995, S. 315). Als Begleitung und Unterstützung von Portalprojekten kommen in erster Linie formative Evaluationsmaßnahmen in Frage, denen insbesondere qualitative Methoden zuzuordnen sind. Im Kontext beispielsweise der Einwerbung von Fördermitteln werden allerdings auch quantitative Daten wie Zugriffsdaten u.ä. benötigt. Speziell zur Evaluation von Portalen existieren verschiedene Modelle (z.B. Moraga, Calero & Piattini, 2004; Yang, Cai, Zhou & Zhou, 2005; Sampson & Manouselis, 2005; zur Übersicht siehe auch Moraga, Calero & Piattini, 2006), die sich insbesondere mit der Identifikation von relevanten Dimensionen der Portalqualität auseinandersetzen. Yang und Kollegen (2005) bestimmen beispielsweise die übergeordneten Dimensionen der Informations- bzw. der Systemqualität mit den untergeordneten Kriterien der Nützlichkeit und Angemessenheit der Inhalte bzw. der Gebrauchstauglichkeit, Erreichbarkeit und Sicherheit des Systems. Sampson und Manouselis (2005) gehen über die einfache Identifikation von Qualitätsdimensionen hinaus, sie definieren eigene Zufriedenheitsdimensionen für die Portalbereiche Inhalt, Design, Personalisierung und Community-Unterstützung. Zusätzlich legen sie eine Methode fest, um ein Portal anhand von Zufriedenheitsindikatoren und speziellen Analysen bewerten zu kön-

Birgit Gaiser / Benita Werner

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nen; die dafür nötigen Schritte werden in einen generischen Evaluationsablauf integriert. Gemeinsam sind diesen Modellen die Bewertung von Nutzerzufriedenheit und wahrgenommener Portalqualität anhand von Fragebogenerhebungen sowie der Bezug auf ein fertiges Produkt. Modelle, die darüber hinausgehende Methoden der Qualitätssicherung nutzbar machen und die zeitliche Entwicklung des Portalaufbaus berücksichtigen, wurden bislang nicht entwickelt. Gründe für dieses größtenteils einheitliche Vorgehen mögen in den besonderen Merkmalen von Portalprojekten liegen, die eine Sammlung und Einbeziehung von über Befragungen hinausgehender Daten erschweren. Insbesondere die Anonymität der Nutzer eines Portals setzt Grenzen. Experimentelle Designs begrenzen demgegenüber die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse, da das Portal aus seinem natürlichen Nutzungskontext herausgenommen ist und die Stichprobe verzerrt sein kann. Logfile-Analysen zeigen zwar tatsächliches Benutzerverhalten auf, die Interpretation der Daten ist aufgrund der technischen Besonderheiten, etwa der unzuverlässigen Zuordnung verschiedener Portalbesuche zu einer Person, jedoch eingeschränkt. Ein Fallbeispiel für die Anwendung verschiedener Methoden berichten Withdraw, Brinck und Speredelozzi (2000), es fehlt jedoch ein übergeordneter Rahmen, der den gesamten Entwicklungsprozess eines komplexen Portals berücksichtigt. Insgesamt fehlen bisher Beiträge zur Qualitätssicherung von Portalen, die einen Methoden-Mix integrieren und ein die Portalentstehung begleitendes Ablaufmodell zugrunde legen.

2.2.2

Portal-Engineering

Portal-Engineering wird von Amberg, Holzner und Remus (2003) als Spezialform des Software-Engineering angesehen, welche „die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren auf die 'Konstruktion' von Portalen“ impliziert, um „ein systematisches, ingenieurmäßiges Vorgehen“ bei der Entwicklung und Umsetzung komplexer Portalprojekte zu gewährleisten. Gegenstand des Portal-Engineering ist das Management des Portalentwicklungsprozesses ebenso wie die Entwicklung, Wartung und Qualitätssicherung von Portalen (Amberg et al., 2003, S. 9). Der Begriff des Portal-Engineering weist große Überschneidungen mit dem Bereich des WebEngineering auf. „It uses scientific, engineering, and management principles and systematic approaches to successfully develop, deploy, and maintain high-quality Web systems and applications“ (Ginige & Murugesan, 2001, S. 14). Bezug genommen wird auf übergeordnete webbasierte Systeme und Anwendungen, Portale stellen eine der möglichen Untergruppen dar. Von diesen Autoren angeführte Argumente, welche die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Web-Engineering als eigenständige, vom Software-Engineering abgegrenzte Disziplin verdeutlichen, gelten deshalb in gleichem Maße für das Portal-Engineering. Im Unterschied zu traditionellen Softwareprodukten sind Websysteme zum einen durch einen kontinuierlichen Wechsel der Informationsinhalte und zum anderen durch ein ständiges Anwachsen der Anforderungen gekennzeichnet. So greift das Web-Engineering zwar auf gängige Werkzeuge des Software-Engineering zurück, macht darüber hinaus jedoch die Entwicklung eigenständiger Verfahren notwendig (Gingie, 2002). Arndt (2005) vertritt ebenfalls die Ansicht, dass gegenwärtige Methoden der Softwareentwicklung und Websitekonzeption den

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2 Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals

Anforderungen an hochfunktionelle Websites nicht mehr gerecht werden und zeigt nötige Änderungen für den Entwicklungsprozess auf. Arndt (2005) betont wie Ginige (2002) die Notwendigkeit, den Nutzer stärker in die Produktentstehung mit einzubeziehen, da dieser meist wenig zielgerichtet vorgeht, sich im Gegensatz zur Softwarenutzung ohne weitere Erklärung zurechtfinden muss und die Abwanderung zu Alternativangeboten einfach ist. Entsprechend müssen Inhalte, Funktionalitäten, Strukturen und Nutzungswege aufeinander abgestimmt werden. Um diese Anforderungen an die Entwicklung komplexer Websysteme erfüllen zu können, ist Expertise aus verschiedenen Disziplinen nötig (Ginige & Murugesan, 2001). Arndt (2005) verbindet dies mit der Forderung nach einer eindeutigen Definition der Rollen aller Beteiligten sowie dem Einsatz von teamarbeitsfähigen Methoden und Dokumenten. Darüber hinaus muss das Web-Engineering als ganzheitlicher Prozess verstanden werden, der durch die kontinuierlich wechselnden Anforderungen und Bedingungen ein iteratives Vorgehen nötig macht (Arndt, 2005; Ginige & Murugesan, 2001). Diese Forderungen, die für Portale ebensolche Gültigkeit besitzen, verdeutlichen die Notwendigkeit einer theoretischen Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des Web- bzw. in unserem Fall des Portal-Engineering. Der Prozess der Portalentwicklung wird in verschiedenen Vorgehensmodellen systematisiert, die gängige Modelle des Software-Engineering zugrunde legen und dem Gegenstandsbereich anpassen. „Vorgehensmodelle legen fest, welche Aktivitäten durchzuführen sind, welche Ergebnisse dabei zu produzieren sind und welche Inhalte diese Ergebnisse haben müssen. Ein wesentlicher Bestandteil ingenieurmäßigen Vorgehens, wie dies ein ausgereiftes Portal-Engineering erfordert, ist eine wiederholbare, nachvollziehbare und dokumentierte Vorgehensweise, die reproduzierbare und qualitätsgesicherte Entwicklungen sicherstellt.“ (Amberg et al., 2003, S. 13). Die Verwendung eines solchen Modells erleichtert bzw. ermöglicht erst das zu Beginn geforderte methodische und zielgerichtete Vorgehen. Die von verschiedenen Modellen genannten Phasen des Portal-Engineering zeigen eine hohe Übereinstimmung (Amberg et al., 2003; Großmann & Koschek, 2005; Hinderer, Gurzki, Vlachakis & Kirchhof, 2005): Am Beginn steht die Entwicklung einer Portalstrategie, die Vision und Ziele konkretisiert (Strategie und Analyse). Basierend auf einer Analyse des IstZustandes wird ein Anforderungskatalog formuliert, aus dem Fach- und Portalkonzept hervorgehen (Konzeption). Die Phase der Realisierung kann von verschiedenen Schritten der Qualitätssicherung begleitet werden (Implementierung und Test). Im letzten Schritt wird das fertige Portal eingeführt und möglicherweise kontinuierlich weiterentwickelt (Einführung und Evolution). In der Verfeinerung dieser Schritte zeigt sich das besondere Augenmerk der genannten Modelle auf die Einführung von Unternehmensportalen, das durch die starke Berücksichtigung von Unternehmensprozessen gekennzeichnet ist. So wird etwa besonderes Gewicht auf die Analyse der im Portal abzubildenden Geschäftsprozesse oder auf Maßnahmen des Change Management gelegt (Großmann & Koschek, 2005; Hinderer et al., 2005). Infolgedessen betonen die vorhandenen Modelle Bereiche, die für Bildungsportale wenig relevant sind, während deren spezifische Merkmale unberücksichtigt bleiben. Auffallende Unterschiede eines Bildungsportals sind im Allgemeinen die identifizierbare, aber außerhalb institutioneller Grenzen liegende Zielgruppe und die nötige intuitive Nutzbarkeit des Portals. Des Weiteren wird der für Bildungsportale nötige iterative Charakter des Entwicklungspro-

Birgit Gaiser / Benita Werner

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zesses zugunsten eines leicht anwendbaren Ablaufschemas vernachlässigt. Maßnahmen zur Qualitätssicherung finden vereinzelt Anwendung, beschränken sich jedoch größtenteils auf die Methoden des Software-Engineering, die den Besonderheiten eines Bildungsportals nicht ausreichend gerecht werden. Über die Beschreibung von Vorgehensmodellen hinausgehende Versuche, wie die Identifikation von kritischen Erfolgsfaktoren der Implementierung eines Portals und deren Zuordnung zu einzelnen Ablaufschritten (Remus, 2006), sind durch ihren starken Bezug auf Unternehmensspezifika ebenfalls nur bedingt auf Bildungsportale anwendbar. Die Ausführungen machen zum einen Anforderungen sichtbar, die bei der Entwicklung von Bildungsportalen berücksichtigt werden müssen, und zeigen zum anderen vorhandene Lücken in der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Portal-Engineering auf, die eine veränderte Herangehensweise bei der Entwicklung von Bildungsportalen als notwendig erscheinen lassen.

2.3

Fallbeispiel e-teaching.org

Der Aufbau des Portals geht auf eine Anschubfinanzierung der Bertelsmann Stiftung und der Heinz Nixdorf Stiftung in den Jahren 2003 und 2004 und eine zweijährige Anschlussförderung des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zurück. Das Portal wurde am Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen konzipiert und umgesetzt. Seit dem Launch des Portals im August 2003 ist es unter der URL www.e-teaching.org frei im Netz verfügbar. Die fortlaufende Entwicklung und redaktionelle Pflege findet weiterhin am IWM statt. Bereits in seiner Entstehung wurde das Portal als Teil der gemeinsamen Qualifizierungsinitiative e-teaching@university mit dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung NordrheinWestfalen an den Hochschulen Duisburg-Essen und Wuppertal durch Mitarbeiter (Trainer und Berater) so genannter eCompetence-Teams erprobt. Mittlerweile wird der Austausch mit den Hochschulen durch ein Kooperationskonzept unterstützt, das auf einer mit den Hochschulleitungen vertraglich vereinbarten Zusammenarbeit basiert: Inzwischen zählen 39 Hochschulen und drei Hochschulverbünde zu unseren Partnern. Im vergangenen Jahr konnten wir eine deutliche Steigerung der Zugriffsdaten erreichen, mittlerweile greifen täglich ca. 3.000 Personen auf unser Angebot zu. Seit Mai 2006 bietet das Portal einen gesonderten CommunityBereich, für den sich mittlerweile knapp 600 Mitglieder registriert haben (Zahlen, Stand Juni 2007). Inhaltlich kann der Aufbau des Portals in zwei Ausbaustufen aufgeteilt werden: Die grundsätzliche Konzeption und Inhaltsstruktur wurde im Rahmen der Anschubfinanzierung in den Jahren 2003 und 2004 entwickelt. Die Förderung durch das BMBF war hingegen insbesondere durch den Aufbau der Community zum Portal gekennzeichnet. Um unseren Qualitätsanspruch umzusetzen, wurde der Portalaufbau von Beginn an mit einer Prozess begleitenden Qualitätssicherung unterstützt. Dabei kamen verschiedene Methoden der Materialanalyse, der Befragung und der Beobachtung zum Einsatz. Das entspricht einem breiten Methoden-Mix,

18

2 Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals

der bereits im Kontext vergleichbarer Portalprojekte zum Einsatz kam (vgl. Withrow, Brinck & Speredelozzi, 2000). Im Folgenden werden die beiden Aufbaustufen detailliert dargestellt.

2.3.1

Aufbaustufe Inhalt

In einem ersten Schritt wurde – initiiert durch die Bertelsmann Stiftung – das Fachkonzept im Sinne eines Pflichtenheftes erstellt. Die Versionshistorie des Dokuments beginnt im Dezember 2002, endet im Februar 2003 und weist insgesamt 31 umfangreiche Überarbeitungsschritte aus. Grundlegende Entscheidungen hinsichtlich der technischen Infrastruktur, aber auch zur funktionalen Ausgestaltung, wie beispielsweise das begleitende Community-Building, waren in diesem Dokument festgehalten. Die Inhaltskonzeption speiste sich zum einen aus einer Sichtung der relevanten wissenschaftlichen Literatur. Zum anderen sind in die Konzeption von e-teaching.org Erkenntnisse aus dem Projekt kevih (Konzepte und Elemente virtueller Hochschule) eingeflossen, das ebenfalls am IWM durchgeführt wurde und sich unter anderem mit der Medienkompetenz von Lehrenden an Hochschulen befasste (Rinn, Bett, Wedekind, Zentel, Meister & Hesse, 2003). Weiterhin wurde zu Beginn des Portalaufbaus eine Portalrecherche durchgeführt, indem wir verschiedene Konkurrenzangebote analysierten. Mit dieser Maßnahme sollten insbesondere Doppelentwicklungen vermieden und eine attraktive Marktnische identifiziert werden. Zu verschiedenen Zeitpunkten im Verlauf des Portalaufbaus wurden Updates dieser Erhebung durchgeführt. Im Beitrag von Panke, Haug und Wedekind in diesem Sammelband wird die Methodik im Einzelnen dargestellt. Im Zusammenhang mit der inhaltlichen Ausgestaltung wurden zur Unterstützung der internen Diskussion im Projektteam Mindmaps erstellt, die die geplante Inhaltsstruktur darstellten. Die überarbeiteten Mindmaps dienten als Vorlage bei der Erstellung der ersten Fassung. Nach der inhaltlichen Strukturierung entstanden erste Textentwürfe, die zunächst als Scribble umgesetzt wurden. In diesem Zusammenhang wurden die Navigation und die prinzipielle Seitenaufteilung festgelegt und dieser Entwurf intern sowie im Projektverbund mit Stiftung und Partnerhochschulen abgestimmt. In der folgenden Abbildung ist ein Scribble abgebildet, das zur Visualisierung der Konzeption verwendet wurde und als Basis der Diskussion im Projektverbund diente.

Birgit Gaiser / Benita Werner

Abb. 2.1:

19

Scribble zur Veranschaulichung von Inhalt, Navigation und Layout

Im Rahmen der inhaltlichen Ausarbeitung entstanden verschiedene Textsorten wie die hypertextuellen Vertiefungen (Organizertexte), Produkt- und Projektsteckbriefe, Glossar und Langtexte. Die Organizertexte erfüllen die Funktion, die Inhaltsbereiche und weiterführenden Verlinkungen anzumoderieren. Die Steckbriefe beschreiben in einer standardisierten Form Anwendungssysteme, die beim E-Learning zum Einsatz kommen oder Projekte, die im Sinne von Good Practice Beispielen als Anschauungsmaterial dienen. Insgesamt bemühen wir uns um eine allgemein verständliche Sprache und verzichten bewusst auf unnötigen Fachjargon; Spezialbegriffe werden indes in einem Glossar erklärt. Langtexte fassen Wissenswertes zu Themen wie beispielsweise „Beamerpräsentation“ oder „Online-Moderation“ zusammen. Im August 2003 ging das Portal mit einer ersten Version online. Dabei handelte es sich um einen überwiegend textbasierten Entwurf, der insbesondere dazu diente die Inhaltsstruktur, Textsorte und auch erste Contenttypen wie Produkt- oder Projektsteckbriefe zu verdeutlichen. Erste Rückmeldungen zum Prototyp erhielten wir von den Berater/innen aus der Entwicklungspartnerschaft. Es wurden Gruppendiskussionen und Einzelinterviews durchgeführt. In einem zweiten Schritt wurde das Portal einem Expertenreview unterzogen. Wir baten sechs wissenschaftlich ausgewiesene Experten im Bereich E-Learning/E-Teaching, das Portal kritisch zu sichten und ihre Erkenntnisse schriftlich zurückzumelden. Weiterhin wandten wir uns in einer ersten Online-Umfrage an unsere Benutzer/innen. Insgesamt sind die Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Evaluierung des Prototyps zusammen hängen, den Methoden der Befragung zuzuordnen. Aus den Erhebungen haben wir wertvolle Hinweise zur Weiterentwicklung des Portals erhalten, die jeweils priorisiert und umgesetzt wurden. Zur Überarbeitung des Prototyps kamen wiederum Mindmaps zur Visualisierung der veränderten

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2 Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals

Inhaltsstruktur zum Einsatz, die als Grundlage für die Diskussionen im Redaktionsteam verwendet wurden. Die Auswertung der Rückmeldungen resultierte in einer Änderung der Inhaltsstruktur und der Entwicklung einer zusätzlich unterstützenden Farbnavigation. Als wesentliche inhaltsbezogene Veränderung wurden die in der Einstiegskategorie Didaktisches Design verorteten organisatorischen Informationen in eine zusätzlich eingeführte Einstiegskategorie Projektmanagement überführt. In der folgenden Abbildung wird die überarbeitete Version des Prototyps, Version 1.0, dargestellt.

Abb. 2.2:

e-teaching.org Version 1.0

Diese erste Version wurde umfangreichen Studien unterzogen. Insbesondere wurden eine Eyetracking-Studie und Logfile-Analysen durchgeführt, also Methoden die den Verfahren der Beobachtung zugeordnet werden können. Das Portal hatte zwischenzeitlich einen Stand erreicht, der diese aufwändigen Studien rechtfertigte. Über die Logfile-Analysen erhielten wir Erkenntnisse darüber, über welche Seiten anonyme Nutzer/innen in unser Angebot ein- bzw. ausgestiegen sind, welche Seiten am häufigsten aufgerufen wurden und wie lange die Nutzer/ innen sich mit unserem Angebot beschäftigt haben. Es zeigte sich, dass die Nutzer/innen nur in Ausnahmefällen die Kategorien wechselten. Als Gegenmaßnahme wurden die Inhalte zwischen den Einstiegskategorien stärker verlinkt. Die Implementierung der Erkenntnisse aus den Beobachtungsstudien und einem Redesign führte zu jeweils überarbeiteten Versionen des Portals.

Birgit Gaiser / Benita Werner

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Die Tragweite der Entscheidungen und deren Implikationen auf die Konzeption des Qualifizierungsportals nahmen im Verlauf des Portalaufbaus kontinuierlich ab. Die zunehmende Konkretisierung des Vorhabens durch den arbeitsbedingten Fortschritt und eine wachsende Identifikation des Reaktionsteams mit dem Portal begrenzte die Akzeptanz weit reichender Revisionen. Hierbei spielen sicherlich ökonomische Abwägungen eine maßgebliche Rolle: Grundsätzliche Änderungen der Konzeption werden bei zunehmendem Fortschritt des Projektes aufwändiger, da sie einen immer größeren Änderungsbedarf nach sich ziehen. Entsprechend sind prinzipielle Kursänderungen schwieriger zu vermitteln und haben geringe Chancen von den Projektmitarbeiter/innen akzeptiert zu werden. Positiv wirkte sich in diesem Zusammenhang die Beteiligung aller Projektmitarbeiter an den Evaluationsmaßnahmen aus. Der Perspektivenwechsel von dem/der Ersteller/in zur Evaluator/in eröffnete dem Redaktionsteam tiefere Einsichten und eine fundierte Bewertung von Evaluationsergebnissen.

2.3.2

Aufbaustufe Community

Gefördert durch das BMBF in den Jahren 2005 und 2006 wurde in einer zweiten Ausbaustufe des Portals der Communitybereich konzipiert und implementiert. Zur Konzeption und Entwicklung der Funktionalitäten der Community kam die Personas-Methode zum Einsatz. Eine detaillierte Beschreibung der Konzeption findet sich in Arnold, Gaiser und Panke (2005). Die Anwendung von Personas – fiktionalen Personen – zur Repräsentation eines abstrakten Konsumenten stammt ursprünglich aus dem Marketing und wurde von Cooper (1999) auf die Softwareentwicklung zur Repräsentation eines abstrakten Nutzers übertragen. Als eine Art Projektionsfolie helfen Personas (informationelle) Bedürfnisse und mögliche Verhaltensmuster zu identifizieren (Sinha, 2003). Nützliche Funktionalitäten können in Abhängigkeit der Anforderungen, Interessen und möglichen Aktionen der Personas abgeleitet, bestehende Realisierungen mit Hilfe der Personas-Technik überprüft werden (Beck, Eichstädt, Schweibenz, Gaiser, v. Savigny & Schubert, 2005). Um einerseits glaubwürdig zu wirken und andererseits zu einer besseren Benutzungsfreundlichkeit einer Applikation oder Website beizutragen, sollten Personas aus qualitativen und quantitativen Daten generiert werden, die in Untersuchungen zur Zielgruppe gewonnen werden (Pruitt & Grudin, 2003). Im Kontext der Entwicklung der Community-Funktionen für e-teaching.org konnten für die Kreation der Personas die in unterschiedlichen Zusammenhängen gewonnenen qualitativen und quantitativen Daten aggregiert werden. Damit konnten die Erfahrungen, die durch die begleitende Qualitätssicherung gesammelt wurden, in die Konzeption der Community Funktionen eingespeist werden. Schließlich wurden folgende Funktionen und Maßnahmen definiert: •

Newsletter



Lokalisierung



Guided Tours



Kontakt- und Wissensbörse



Community-Events

Mit den Community-Funktionen ist eine Anpassung des Informationsangebotes an individuelle Bedürfnisse möglich. Zudem zielen die Funktionen und Maßnahmen darauf ab, Aware-

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2 Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals

ness zu erzeugen, die Gruppenidentität zu stärken und die Community an das Portal zu binden. Zur Illustration wird der Prototyp der Einstiegsseite zum Community-Bereichs in der folgenden Abbildung dargestellt.

Abb. 2.3:

Prototyp Community

Der Prototyp des Community-Bereich wurde verschiedenen Evaluationen unterzogen. Als erste Maßnahme wurden die Funktionen im Redaktionsteam eingehend getestet. Eine OnlineUmfrage widmete sich insbesondere einer kritischen Überprüfung der Community-Funktionen. Eine Eyetracking-Studie und die fortlaufenden Logfile-Analysen wurden ebenfalls mit besonderem Fokus auf die neu erstellten Features durchgeführt. Zudem wurde im Rahmen einer Inhaltsanalyse erhoben, welche Angaben von unseren Community-Mitgliedern in das System eingegeben wurden und welche Dokumente sie im System abgelegt haben. Damit kamen Methoden zum Einsatz, die der Materialanalyse, der Befragung und der Beobachtung zuzuordnen sind. Insbesondere für die Konzeption der Ausbaustufe „Community“ wurden mit der Personasmethode Daten aggregiert, die in unterschiedlichen Zusammenhängen erhoben wurden. Sobald die Funktionalitäten einen gewissen Reifegrad erlangt haben und Daten aus deren Nutzung gewonnen werden konnten, kamen entsprechend komplexere und aufwändigere Methoden wie Logfile-Analysen und Eyetracking-Studien zum Einsatz. Es lassen sich in der zweiten Ausbaustufe keine Methodenschwerpunkte identifizieren, vielmehr wurden von Beginn an verschiedene Methoden eingesetzt.

Birgit Gaiser / Benita Werner

2.4

23

Lessons learned

Die durch die Entwicklung des Portals e-teaching.org gesammelten Erfahrungen zeigen, dass vorhandene Ansätze des Portal-Engineering und der allgemeinen Portal-Evaluation nicht ohne Weiteres auf Bildungsportale übertragen werden können. Besonderheiten, die durch Unterschiede in den Inhalten, den Zielen, den zeitlichen Rahmenbedingungen und den beteiligten Akteuren entstehen, müssen gesondert beachtet werden. Die resultierenden Erkenntnisse und Schlussfolgerungen fließen im Folgenden in ein generisches Modell im Sinne eines iterativen Qualitäts-Engineering für Portale ein, dessen Ablaufschema in Abbildung 2.3 dargestellt wird.

Abb. 2.4:

Iteratives Modell zur Qualitätssicherung beim Aufbau von Portalen

Das Modell orientiert sich insbesondere an den übergeordneten Produkten, die dem Entstehungsprozess zugrunde liegen. Daraus resultiert die flexible Anpassbarkeit des Vorgehensmodells an verschiedene Projekttypen, -merkmale und -stufen, was „ingenieurmäßiges Vorgehen“ im Sinne von Amberg et al. (2003) für ein Bildungsportal erst ermöglicht. Die Entwicklung eines Portals wird als mehrstufiger Prozess verstanden, der sowohl durch Iterationen als auch ein zyklisches Vorgehen in Bezug auf den Dreiklang von (1) Entwicklung eines Konzepts, (2) Implementierung eines Prototyps und (3) Einsatz einer Portalversion gekennzeichnet ist. Die Konzeptentwicklung beinhaltet verschiedene Vorarbeiten (bspw. die Formulierung eines Anforderungskataloges), die in einem Portalkonzept münden, das nötige Inhalte, Strukturen und Funktionalitäten des Portals festlegt. Das Konzept wird in einem Prototyp umgesetzt, der wiederum zu Veränderungen im Konzept führen kann. Nach dem Durchlaufen mehrerer Iterationen wird eine erste Portalversion erstellt, die wiederum selbst mehreren Revisionen unterliegen kann. Die Begriffe Konzept, Prototyp und Version beziehen sich nicht auf das Portal als Ganzes, sondern auf Unterbereiche und -funktionen (wie im Fall von e-teaching.org der

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2 Qualitätssicherung beim Aufbau und Betrieb eines Bildungsportals

Inhalts- und der Community-Bereich), die eigener inhaltlicher und konzeptueller Festlegungen bedürfen und parallel oder schrittweise entstehen. Mit der Planung einer weiteren Unterkonzeption beginnt der dreiteilige Zyklus erneut; mit der Vorgabe bereits entstandener Portalversionen. Zu Beginn eines Portalprojektes müssen Vorstellungen und Anforderungen verschiedener Akteure wie Entscheidungsträger, Entwickler und Nutzer (Sampson & Manouselis, 2005; Gaiser & Panke, 2005) abgestimmt werden. Die zu treffenden Entscheidungen haben eine sehr hohe Tragweite, da sie den zukünftigen Projektverlauf maßgeblich mitbestimmen. Je weiter fortgeschritten ein Projekt ist, d.h. je mehr konzeptuelle, design-technische oder inhaltliche Festlegungen bereits getroffen sind, umso geringfügiger werden die Auswirkungen neuer Entscheidungen. Aus diesem Sachverhalt ergeben sich bedeutende Implikationen für die Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen im Projektverlauf. Der Einbezug von Evaluationsmaßnahmen in die Konzeptionsphase eines Portalprojektes wird als besonders wichtig erachtet, da diese aufgrund der großen Reichweite von Entscheidungen gerade in diesem Entwicklungsstadium wichtige Dienste leisten können (vgl. auch Withrow et al., 2005). Nichtsdestotrotz sind objektive Daten auf der Basis quantitativer und qualitativer Methoden während des gesamten Projektverlaufs vonnöten, um Entscheidungen fundiert treffen und getroffene Festlegungen überprüfen zu können. Entsprechend wird die Qualitätssicherung als parallel zu den beschriebenen Modellphasen verlaufender Prozess gesehen, der im Sinne eines Werkzeugkastens für die verschiedenen Vorbedingungen und Ziele passende Maßnahmen bereithält. Eine Voraussetzung für die Anwendung eines breiteren Methoden-Mix und für komplexere Methoden stellt ein zunehmender Projektfortschritt dar: Für die Konzeption der ersten Portalversion können nur Methoden der Materialanalyse angewendet werden. Im Zeitverlauf werden weitergehende Methoden der Befragung und Beobachtung möglich, da erst durch die Entstehung und Nutzung von Prototypen oder Portalversionen Daten generiert werden, die für die Evaluation genutzt werden können. Weiterhin erfordern insbesondere aufwändigere Evaluationsstudien (wie die genannte Eye-Tracking-Studie) einen gewissen Reifegrad des Portals. Folglich lassen sich bei e-teaching.org in der ersten Aufbaustufe in Abhängigkeit des Projektfortschritts noch Methodenschwerpunkte festlegen, während dies in der zweiten Aufbaustufe nicht mehr möglich ist. Die Erstellung eines fertigen Produkts, das keiner Änderungen mehr bedarf, ist im Bereich von Bildungsportalen nicht realisierbar. Aufgrund der kontinuierlichen Veränderung der Inhalte und eines ständig wachsenden Anspruchs an die Funktionalitäten erscheint die Entwicklung in Iterationen und Zyklen unabdingbar. Darüber hinaus ermöglicht dieses Vorgehen die Evolution ausgehend von einer ersten Version hin zu einem komplexen Portal unter Einbeziehung der Voraussetzungen, Bedürfnisse und Wünsche des realen Nutzers (vgl. Arndt, 2005; Ginige, 2002). Zusätzlich wird eine Reaktion auf neue technische und funktionelle Anforderungen ermöglicht. Evaluation erfüllt in diesem Zusammenhang einen weiteren Zweck im Prozess der Portalentwicklung: Betrachtet man Portal-Engineering als sozialen Prozess, an dem sowohl Entwickler als auch Nutzer beteiligt sind (vgl. Gaiser & Panke, 2005), bilden quantitative und qualitative

Birgit Gaiser / Benita Werner

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Methoden zur Datenerhebung die Schnittstelle, die zur Kommunikation befähigt – so können bspw. Nutzer ihre Anforderungen in Befragungen formulieren und Entwickler Nutzungsprobleme durch Beobachtung erkennen. Zusätzlich wird eine Kommunikationsbasis für interdisziplinär ausgerichtete Entwicklerteams geschaffen. Weiterhin ist die Akzeptanz der Ergebnisse von internen Evaluationen besonders hoch, wenn alle Projektmitarbeiter in verschiedenen Konstellationen in die Maßnahmen zur Qualitätssicherung involviert sind. Dies fördert die Einsicht, dass Änderungen notwendig sind. Zudem vertreten die Evaluatoren durch ihre Beteiligung die Systemversionen und sind selbst von den Konsequenzen der Evaluation betroffen, was die Umsetzung der beschlossenen Änderungen erleichtert.

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3

Open Educational Resources are here to stay Jan Hylén Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), Paris

3.1

Introduction

Although learning resources are often considered as key intellectual property in a competitive higher education world, more and more institutions and individuals are sharing their digital learning resources over the Internet openly and for free, as Open Educational Resources (OER). In 2005 OECD’s Centre for Educational Research and Innovation (CERI) launched a 19-month study to ask why this is happening, who is involved and what are the most important implications of this development. In the following paper some the findings are presented. In the discussion of the challenges higher education is facing today, three trends are often mentioned: the growing importance of information technologies; the spread of a market discourse and market incentives for higher education institutions; and the internationalisation or globalisation of higher education. As a result of these developments many institutions experience a growing competition which is sometimes met by strategies trying to protect and use the institution’s intellectual property to create competitive online offers for education and research. In some cases market methods are implemented to gain maximum revenues to the institution. In contrast to these developments alternative strategies seem to emerge emphasising the need for openness and sharing as a fundamental value of research and education. Are these contradictory trends where people and institutions chooses different strategies – some are altruistic and willing to share while others are competitive and tries to enrich themselves? Or is it a sign that times are changing and old rules does not apply any more? It is a general understanding that e-learning in higher education has so far not lived up to promises made during the dot-com boom, but for the last years it seems clear that online education is becoming increasingly prominent. Although data is somewhat scattered there are obvious signs that e-learning is growing by degrees in the higher education sector. A part of this is the mounting use of reusable content objects – or open educational resources. The OER

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3 Open Educational Resources are here to stay

movement owes much of its inspiration from the Open Source Software and Open Access movements, and are as likely as those to become a well recognised phenomenon within the higher educational sector. There are a number of underlying technological and economic drivers creating favourable conditions for the OER movement. On top of these there are altruistic, economic and other incentives for institutions as well as individual academics to use, produce and share OER. With a strong technological push for more user involvement, and opportunities for both economic and non-economic benefits, institutions could probably benefit from OER even with minor changes in their strategies. Major distance teaching institutions have expressed that universities and colleges should act and join the OER movement sooner rather than later, since there is a big risk in doing nothing when developments are so rapid. (OECD, 2007)

3.2

What is Open Educational Resources? – A conceptual discussion

OER is a relatively new phenomenon which may be seen as a part of a larger trend towards openness in higher education including more well-known and established movements such as Open Source Software and Open Access. But what is meant by “open” and what are the arguments for striving for openness? The two most important aspects of openness have to do with free availability over the Internet and as few restrictions as possible on the use of the resource. There should be no technical barriers (undisclosed source code), no price barriers (subscriptions, licensing fees, pay-per-view fees) and as few legal permission barriers as possible (copyright and licensing restrictions) for the end-user. The end-user should be able not only to use or read the resource but also to adapt it, build upon it and thereby reuse it, given that the original creator is attributed for her work. In broad terms this is what is meant with “open” in all three movements. The term open educational resources first came to use in 2002 at a conference hosted by United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO). Participants at that forum defined OER as: “The open provision of educational resources, enabled by information and communication technologies, for consultation, use and adaptation by a community of users for non-commercial purposes.” The currently most used definition of OER is: “digitised materials offered freely and openly for educators, students and self-learners to use and re-use for teaching, learning and research.” To further clarify this, OER is said to include: •

Learning Content: Full courses, courseware, content modules, learning objects, collections and journals.



Tools: Software to support the development, use, re-use and delivery of learning content including searching and organization of content, content and learning management systems, content development tools, and on-line learning communities.



Implementation Resources: Intellectual property licenses to promote open publishing of materials, design principles of best practice, and localization of content.

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To further narrow down the concept OECD (2007) suggests that “open educational resources” refers to accumulated assets that provide benefits without restricting the possibilities for others to enjoy them. They should be non-rival (public goods) or the value of the resource should be enlarged through usage (open fountain of goods). To be “open” means that the resources either provide access for anyone to information and knowledge about the resource; or in addition can be adapted by or contributed to by anyone. But the OER phenomenon is still new, both praxis and technologies for development, use and distribution are constantly developing, which makes it necessary to review the definition over time.

3.3

Mapping OER – who is the user and the producer?

3.3.1

Producers of OER

Although it is still early days for the OER movement the number of initiatives seems to be growing fast. Side-by-side with large institution-based or institution-supported initiatives, numerous small-scale activities are initiated. Building on Wiley (2006) the following brief overview can be given over the OER movement in post-secondary education as of the autumn 2006. There are currently over 3 000 open course wares (OCW) available from over 300 universities. •

In the USA 1 700 courses have been made available by seven university-based projects at Massachusetts Institute of Technology (MIT), Rice University, John Hopkins Bloomberg School of Public Health, Tufts University, Carnegie Mellon University, University of Notre Dame, and Utah State University. Yale has announced that they will launch an OER initiative in the autumn of 2007.



In China 750 courses have been made available by 222 university members of the China Open Resources for Education (CORE) consortium.



In Japan almost 400 courses have been made available by fifteen universities participating in the Japanese OCW Consortium, which number of members has grown to 19 at the moment.



In France the 800 educational resources from around 100 teaching units that have been made available by 11 member universities of the ParisTech OCW project is expected to be doubled during 2007.

Other initiatives include: •

The Open University in UK have launched its OpenLearn initiative which will make 5 400 learning hours of content available online.



AEShareNet in Australia have approximately 20 000 objects available for free educational use.

32 •

3 Open Educational Resources are here to stay In Europe the biggest distance teaching universities from 9 different countries including Russia and Turkey is starting a project called Multilingual Open Resources for Independent Learning (MORIL) sharing resources to enrich their own curricula and improve training offers both in terms of number of courses freely available and in terms of languages.

More OER projects are emerging at educational institutions in Australia, Brazil, Canada, Cuba, Germany, Hungary, India, Iran, Ireland, the Netherlands, Pakistan, Portugal, Russia, South Africa, Spain, Sweden, Thailand, the UK, the USA, and Vietnam among others. There are also a number of projects underway to make these higher education-based materials available in multiple languages, including Universia’s Spanish and Portuguese translations, CORE’s simplified Chinese translations, Opensource Opencourseware Prototype System’s (OOPS) traditional Chinese translations, and Chulalongkorn University’s Thai translations. These translation projects currently represent approximately 9-10% of all OCW but received around 50% of the total traffic to OCW courses, which highlights the demand of these courses in East Asia and South Asia. More than 100 higher education institutions and associated organizations from around the world have formed the OCW Consortium, with the vision to advance education and empower people worldwide through OCW. Member institutions must have committed to publishing, under the institution's name, materials from at least 10 courses in a format that meets the agreed-upon definition of an OCW, which is “a free and open digital publication of high-quality educational materials, organized as courses” (Carson, 2006). The number of available non-course OER – articles, individual curriculum units, modules, and simulations – is also growing at a terrific rate. Math World contains 12 600 entries. In January 2007 Rice’s Connexions project hosts more than 3759 modules and 199 courses available for mixing and matching into study units or full courses. The University of California, Berkeley offers over 150 videos of course lectures and symposia, in total more than 250 hours, free of charge through Google Video. Textbook Revolution contains links to 260 freely available, copyright-cleared textbooks. Multimedia Educational Resource for Learning and Online Teaching (MERLOT) offers almost 15 800 resources; the Alliance of Remote Instructional Authoring and Distribution Networks for Europe (ARIADNE) Foundation for the European Knowledge Pool offers links and federated searches in several networks and repositories. UNESCO’s International Institute for Educational Planning hosts a wiki containing a listing of “OER useful resources” with links to portals, repositories and open content projects. Even more difficult than to list the number of initiatives would be to estimate the quantity of available resources, even with a narrow definition of OER. On top of the resources accessible through initiatives such as the ones listed above, many more can be found by using search engines such as Google or Yahoo!. At the moment it is not possible to give an accurate estimation of the number of ongoing OER initiatives. What can be offered is a draft of a typology of different repositories. As already mentioned, there are both large-scale operations and small-scale activities. It is also possible to distinguish between different providers – institution based programmes and more community based bottom-up activities. In both cases there are all kinds of in-between models forming a continuum, as shown in figure 1.

Jan Hylén

Abb. 3.1:

33

Scale and type of open educational resource projects.

In the upper left corner of the diagram, large scale and institution based or supported initiatives would be found. A good example is the MIT OCW programme and OpenLearn from the Open University in UK. They are both large in terms of the number of resources provided and in terms of budget. They are totally institution based in the sense that all materials originate from own staff. In the upper right corner, large-scale non-institution based operations should be placed. The best example is probably Wikipedia – one of the Internet’s real success stories and a good example of a large-scale community based operation. Wikipedia is large in terms of content – it offers more than 3.5 million articles in the 10 largest languages – but small in terms of staff as could be expected from an initiative totally dependent on voluntary contributions. Other examples would be MERLOT, Connexions, and ARIADNE. In the bottom left corner of the diagram, some examples of small scale but institution-based initiatives are listed. University of the Western Cape, South Africa announced in October 2005 that they would launch a “free content and free open courseware strategy”. OpenER is launched by the Open University of Netherlands and will make 16 courses in Dutch of 25 study hours each available to the public. Finally, in the bottom right corner there is one example of a small-scale community based initiative. OpenCourse is a “collaboration of teachers, researchers and students with the common purpose of developing open, reusable learning assets (e.g. animations, simulations, models, case studies, etc.)”. Another example is Common Content, a repository of information about works made available under licenses from Creative Commons, or in the Public Domain. A third dimension to consider is whether the repository provides resources in a single discipline or if it is multidisciplinary. There are examples of single disciplinary programmes, like Stanford Encyclopaedia of Philosophy, and the Health Education Assets Library (HEAL) but the multidisciplinary approach seems to be more common at the moment.

34

3.3.2

3 Open Educational Resources are here to stay

Use and users of OER

Not much is known about who is actually using and producing all of the available OERs. Of course, institution-based initiatives, like the OCW programmes at different universities, use their own staff to produce their material and some of them, like MIT, try to continuously evaluate who their users are. But as a whole very little is known about whom the users and the producers are. A majority of the respondents in an OECD survey on users and producers of OER said they were deeply involved in OER activities, mostly as users of open content and only slightly less as producers. (OECD, 2007) About half of them experienced good support from the management in their use of open content, somewhat less support for producing content and using OSS. About one out of four felt good support from the management level in his/her production of OSS. The majority of the respondents said they were engaged in some sort of co-operation regarding production and exchange of resources, be it at the regional, national or international level. Overall there were no or only small differences between responses from OECD- versus non-OECD countries. As a part of an extensive study on use and users of digital resources in California thirteen OER providers were interviewed (Harley 2006). All sites were developed for educational purposes with broad intentions, e.g. to provide supplementary materials for students, to assist instructors in teaching, or to provide general course materials to support any type of learning. All of them target post-secondary instructors as their primary audience, together with students and the general public. Although most interviewees claimed that their resources are intended to reach a broad audience, even those sites with broad outreach missions recognised that their materials are often most useful for faculty preparing new courses. Even if good usage data is rare, anecdotal evidence suggested that the actual audience varied significantly from the target audience only in a few cases. Other findings regarding OER users result from individual projects. According to Carson (2006) 8.5 million visits were paid to MIT OCW content during 2005, an annual increase of 56%. The traffic seems to be increasingly global – 57% were non-US visits. Twenty-one per cent of visitors came from Western Europe, 15% from East Asia and 6% from South Asia. The remaining 15% of the traffic originated in Eastern Europe, the Middle East, Africa, the Pacific, Central Asia and the Caribbean combined. Carson (2005) reports that self learners, typically with a bachelor’s or master’s degree, seem to make up the bulk of traffic (47%), followed by students (32%), and educators (16%). Higher percentages of educators use the site in developing regions, such as East Asia, Latin America, Eastern Europe, and the Middle East and North Africa. Self-learner percentages continue to be highest in North America, East Asia and Western Europe. On their website Tufts OCW reports that 59% of their visitors from June 2005 to January 2007 come from North America, 14% respectively from Northern and Western Europe, and Asia and Pacific Islands. In their user survey half of the respondents identified themselves as self-learners, while 43% were faculty members or students. Over half have masters’ degrees or higher. John Hopkins University’s Bloomberg School of Public Health started an OCW ini-

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tiative in 2005 and reports a growth in the number of visitors by 111% during the first year. Nineteen per cent of the visitors indicated their status as healthcare professionals, 23% as selflearners and 7% as educators. A total of 13% reported that they were students, 3% of which were Hopkins students. 64% of the visits came from the US (OECD, 2007). An increase of resources in different languages seems to result in an increase in the number of visitors to a site, and also have an impact on where the visitors come from. MIT OCW translation affiliation sites account for the most dramatic increase in traffic during the last year. 3.4 million visits were recorded to their four translation sites during 2005. ParisTech OCW, offering resources mostly in French, report 30-35 000 unique visitors per month. Out of these, two thirds come from Europe (predominately France), and about 10% from Africa and 5-6 % from North America. About two thirds of the respondents to the OECD questionnaire said they were involved in the production of open content, either to a large or a small extent. When asked to value nine possible barriers for involving other colleagues, the most significant barriers were said to be lack of time, followed by the lack of a reward system to encourage staff members to devote time and energy to producing open content, and a lack of skills. The lack of a business model for open content initiatives was also perceived as an important factor with negative impact. The least significant barriers were said to be lack of access to computers and other kinds of hardware, and lack of software. When asked what license they use on resources they have produced, more than half of the respondents said that they did not use any license at all. One fourth used some kind of Creative Commons license, and the rest other open licenses. Although the use of Creative Commons licenses is growing, this finding indicates a need for even more awareness-raising activities regarding copyright and open licenses – a conclusion that is strengthened by several observations during a series of site visits carried out as a part of the OECD study. Furthermore, results from the survey suggest that instructors use open content as a complement to other learning resources. Two thirds of the respondents said that they used open content to some or a limited extent in their teaching. Also it seems as if smaller chunks of learning material are more used than larger ones – almost eight out of ten said they used learning objects or parts of courses rather than full courses in their teaching. More than half of the respondents said that they used content they have produced themselves. Four out of ten used content produced within their own institution, three out of ten used resources originating from cooperation with other institutions and about one fourth used content produced by publishers. To sum up it can be said that with the scattered data available only a general picture can be given of the users and producers of OER. The majority of producers of resources and OER projects are located in English speaking countries in the developed world. The movement grows both from top-down and bottom-up; new projects are started at institutional level at the same time as individual teachers and researchers use and produce OER on their own initiative. The institutions involved so far seem to be well-reputed rather than unknown or low-status institutions. Both small and large institutions are involved, as well as both campus based and distance teaching establishments. About half of the institutions are involved in some kind of established co-operation of sharing resources with others. Most of them have educators in

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3 Open Educational Resources are here to stay

post-secondary institutions as their primary target group, although students and the general public are also often audiences. The users of OER come from all over the world. Many are well-educated self-learners, but educators are probably also prominent users.

3.4

Why are people and institutions sharing resources for free?

There are different reasons to why the OER movement is thriving at the moment. One can list a number of basic technological, economic, social and legal drivers on top of which more specific incentives and motivations are at play. The technological and economic drivers include improved, less costly, and more user friendly information technology infrastructure (such as broadband), hardware and software. Content is cheaper and easier to produce and costs can be reduced even further by sharing. New economic models are emerging around the distribution of free content. Legal drivers are new licensing schemes facilitating free sharing while respecting copyrights. Social drivers include increased willingness to share. Similarly there are inhibitors or barriers of technical, economic, social and legal nature. Technical barriers are absence of skills in using new technical inventions and lack of broadband availability. Lack of resources to invest in hardware and software for developing and sharing OER is an economic inhibitor. Technical and economic barriers such as these are often mentioned as significant obstacles in developing countries. Social barriers include cultural obstacles against sharing or using resources developed by other teachers or institutions. But taken together the drivers seems to stronger than the inhibitors at the moment.

Motives for individuals On top of structural drivers there are more personal motives for individuals at play. These seem to fall into four main groups of reasons: 1. Altruistic or community supportive reasons – sharing is a good thing to do, it stimulates further innovation, it offers a personal satisfaction to know that ones materials are available and used all over the world, and it is a pleasure to develop things together with peers and share with others. 2. Personal non-monetary gain – publicity, “egoboo” or reputation within the open community. Sharing might be a way to academic rewards like tenure and other employment prospects. Specific gains from participating in open educational resource activities include support for digitizing the teaching materials and clearing the copyrights to third party materials, opportunities to restructure and systemize the lectures and for getting feedback, and finally increased possibilities for future publication. 3. Commercial reasons – a strategy for enhancing the commercialized version of the content. Creating an open content version of the material, e.g. a draft (pre-print) or a chapter, may in fact be a strategy for enhancing the final, commercial product. Sharing might help get a new product to market more quickly, gaining a first-mover advantage, and it might help

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build a community of users that will support a new product or process; it might stimulate the sales of related products. Tracking use and reuse creates a form of market research and high use data is invaluable for launching commercialization scenarios. Providers of tools (e.g. platforms) might treat users as co-developers, sharing freely tools that they can use to create valuable content. 4. It is not worth the effort to keep the resource closed – in cases of a small but useful cumulative innovation, the creator might conclude that it is not worth the time and effort to obtain a patent. Or, the creator might conclude that intellectual property mechanisms might not effectively protect the innovation, for example where many others have similar information, where it would be difficult to keep the development a secret, and where the development can be easily replicated. Furthermore there is the fact that “what is junk to one may be gold to another” – the off cuts or digital junk of one person may be the building blocks of knowledge and creative genius for another. Findings from OECD (2007) suggest that practical considerations are more important for teachers than altruistic concerns, such as assisting developing countries, outreach to disadvantaged communities, or bringing down costs for students. At the same time, however, the least important factor for respondents was personal financial rewards. When asked about the most significant barriers among colleagues not using OER in their teaching, the respondents pointed out lack of time and skills, together with the absence of a reward system. A perceived lack of interest for pedagogical innovation among colleagues was also mentioned. The barriers described correspond with lessons learned from an Australian evaluation of an institutional learning environment, which included a learning resource catalogue (Koppi, 2003). The authors conclude that “[t]he issue of reward for publicising teaching and learning materials is of paramount importance to the success of a sustainable learning resource catalogue where the teaching staff themselves take ownership of the system”. To establish a credible academic reward system that includes the production and use of OER might, therefore, be the single most important policy issue for a large-scale deployment of OER in teaching and learning.

Motives for institutions From an institutional point of view there seem to be a number of reasons for OER involvement at play. Vest (2004), former president of MIT, has given five reasons for MIT to “give away all its course materials via the Internet”. The overall intention of the initiative is said to be to advance education and widen access but other benefits cited in the article include greater opportunity for MIT faculty to see and reuse each others work, a good record of materials, increased contact with alumni, and a way to help their own students become better prepared. Since MIT is a campus-based institution it has been argued that the OCW initiative did not threaten its core business. It would be much more risky for a distance-teaching institution to try something similar. That makes it even more interesting to look at the reasons for the Open University in the UK, to launch its OpenLearn initiative. McAndrew (2006) lists eight motivations including that the philosophy of open content matches the Open University’s mission; and that the OER movement is developing and the Open University should join sooner rather than later. He also mentions the risks for the institution in doing nothing when technology and globalisation issues need to be addressed and the fact that this could be a route for outreach

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3 Open Educational Resources are here to stay

beyond the existing student body. Furthermore it is seen as a chance to learn how to draw on the world as a resource and as a test bed for new technology and new ways of working. It is also seen as a demonstration of the quality of Open University materials in new regions and a way to work with external founders who share similar aims and ideals. Building on OECD (2007) there seem to be six main arguments for institutions to be engaged in OER projects: 1. One is the altruistic argument that sharing knowledge is a good thing to do and also in line with academic traditions, as pointed out by the open access movement. Openness is the breath of life for education and research. Resources created by educators and researchers should subsequently be open for anyone to use and reuse. Ultimately this argument is supported by the United Nations Human Rights Declaration, which states: “Everyone has the right to education. Education shall be free…” (Article 26). 2. A second argument is that educational institutions should leverage taxpayers’ money by allowing free sharing and reuse of resources developed by publicly funded institutions. To lock learning resources behind passwords means that people in other publicly funded institutions sometimes duplicate work and reinvent things instead of standing on the shoulders of their peers. It might be seen as a drawback for this argument that it does not distinguish between taxpayers in different countries – learning resources created in one country may be used in another country, sparing taxpayers in the second country some money. But, as pointed out by Ng (2006), free-riding of this kind may not pose so much of a problem since the use of a learning resource in a foreign country does not hinder the use of the same resource by domestic teachers. Instead, he says “allowing free-riding may be necessary for the growth of a good community as they help draw new members by words of mouth. Also, free-riders themselves may learn to value the community more over time, so much that some of them may share eventually.” 3. A third argument is taken from the open source software movement: “What you give, you receive back improved.” By sharing and reusing, the costs for content development can be cut, thereby making better use of available resources. Also, the overall quality should improve over time, compared to a situation where everyone always has to start from the beginning. 4. A fourth argument for institutions to be engaged in OER projects is that it is good for public relations and it can function as a show-window, attracting new students. Institutions, like MIT, have received a lot of positive attention for their decision to make their resources available for free. Other institutions could do the same. Carson (2006) shows that 31% of the freshmen at MIT became aware of the MIT OCW prior to making their decision to apply to MIT and, out of those, 35% indicated that the site was a significant influence on their choice of school. Furthermore John Hopkins OCW reports that 32% of their visitors during their first year of operation indicated their status as prospective students. A variation of the fourth argument is the wish to reach out to new groups, to people without access to, or prior knowledge of, higher education. 5. A fifth argument is that many institutions face growing competition as a consequence of the increasing globalisation of higher education and a rising supply of free educational

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resources on the Internet. In this situation there is a need to look for new business models, new ways of making revenue, such as offering content for free, both as an advertisement for the institution, and as a way of lowering the threshold for new students, who may be more likely to enrol – and therefore pay for tutoring and accreditation – having had a taste of the learning on offer through open content. 6. A sixth argument is that open sharing will speed up the development of new learning resources, stimulate internal improvement, innovation and reuse and help the institution to keep good records of materials and its internal and external use. These records can be used as a form of market research if one is interested in the commercial potential of individual resources. To what extent the above incentives function as driving forces behind OER initiatives other than those mentioned above is hard to say at the moment. More research is needed. It should also be emphasised that a combination of several of the motives listed here are likely to be in play simultaneously, both altruistic motives and economic incentives.

3.5

Challenges to the OER movement

Although the idea of OER is thriving at the moment, it is important also to look at some challenges that might stifle the further growth of the movement. In this paper two challenges will be touched upon: copyright issues, and how to sustain OER initiatives in the longer run.

3.5.1

Copyright issues

Copyright law takes its definition from international conventions and is similar in most countries. Copyright primarily serves an economic function by granting creators monopoly rights in their creations for a limited time. While the information technology makes it possible to multiply and distribute content worldwide and almost for free, the legal restrictions on the reuse of copyright material will often hamper its full exploitation in the digital environment. Frustrated over this obstacle academics worldwide have started to use open licences to create a space in the Internet world where people can share and reuse copyright material without fear of being sued – a creative commons. To do this, copyright owners have to agree or give permission for their material to be shared through a generic licence that gives permission in advance. The Creative Commons license is at the moment by far the most well known license for content which use are growing exponentially at the moment. There are two important exceptions to the rule that without permission one can not reproduce, copy or communicate copyright material to the public: fair use/fair dealing and educational use. Experts on the educational use of copyrighted material conclude that exceptions to copyright that may protect uses of content for digital learning are frequently narrow, cumbersome, incompatible with new technology, or vague. (Fisher and McGeveran, 2006) Before publishing educational resources which make use of third party materials on the Internet the author, or the publisher, must make sure they have the right to use these materials. The clearance pro-

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3 Open Educational Resources are here to stay

cess – sometime referred to as the “permission maze” because of its complexity – requires the user to: •

establish whether a license is required or not, which sometimes requires sophisticated legal analysis;



locate the appropriate rightsholder, which is sometimes easy and sometimes not;



agree to a license, which can be difficult since large rightsholders sometimes ignore small educational users since the potential revenue might not be sufficient to engage in a negotiation;



pay for the license, which can be very expensive; and



carry out other terms and restrictions of the license such as a requirement that the educational user employ digital rights management systems to protect the content.

As is apparent from these examples, given by Fisher and McGeveran (2006), “trouble can arise at any of these points”. The difficulties and costs related to rights clearance for use of third party content are considerable, in some cases almost half of the cost for the whole OER project. (OECD, 2007) There is a disrupted balance between the rights of authors (or publishers if they are the rights holder) and the larger public interest. At the moment this is the most cumbersome obstacle to an increased use of digital learning materials in education. Steps to improve the situation include at least some legal reforms, greater reliance of technology to help users analyse the need to secure licenses for using content and to assist with such rights clearance where necessary, and increased distribution of content under open license models, thus enlarging the amount of content available for unencumbered educational use.

Lack of awareness and support While publication, consumption and distribution of texts were mediated through physical media, academics remained for the most part unaware of the licensing that underpinned the exploitation of copyright. Internet and other digital media have changed this. By having access to publishing and production tools, and by licensing access to a digital, ephemeral product rather than a physical object such as a book or print, researchers as well as teachers now interrelate with licensing as never before. And they are, for the most part, either unprepared or unwilling to engage with cumbersome licensing procedures. Although many academics are willing to share their work, they are often hesitant as how to do this without losing all their rights. Open content licenses, such as the Creative Commons licenses, have been developed to accommodate this problem by providing a way of controlled sharing with some rights reserved to the author. The RoMEO project in the UK made a survey in 2002-2003 among 542 researchers about what kind of rights they wanted to retain over their work (Gadd, 2003). A majority (over 60%), were happy for third parties to display, print, save, excerpt from and give away their papers, but wanted this to be on the condition that they were attributed as the authors and that all copies were done so verbatim. 55% wanted to limit the usage of their works to educational and non-commercial use. The RoMEO report concluded that the protection offered to research papers by copyright law is in excess of what is

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required by most academics. Easier ways of retaining only those rights that the individual author wants to retain are needed, together with active advice and support regarding open licensing from higher educational institutions. A comparison of seven Australian universities underpins previous international research showing that relying solely on voluntary deposits by academics of research articles to open access archives will result in approximately 15% contribution. (Sale, 2006) Requirements to deposit research output in an open archive coupled with effective author support policy results in much higher deposit rates.

3.5.2

Sustainability of initiatives

The fact that so many Open Access and OER initiatives have started during the last years has created competition for funding. Although some projects have a strong institutional backing it is most probably start up funding that will cease after a few years. Therefore it is important to seriously consider how the initiatives can be sustained in the long run. The same seems to be true for Open Access journals using the pay-to-publish model. The US based Public Library of Science, an important player in the Open Access movement, is experiencing financial difficulties due to increased costs of running its Open Access journals, despite rising incomes from authors fees and advertising revenues. The pay-to-publish model is sometimes mistaken as the only business model for Open Access journals but in fact there is a range of options. The Open Society Institute (2003, 2004) have produced guides to business planning both for launching new Open Access journals and for converting a subscription-based journal to Open Access. They list a number of models for generating income. Together with some models identified in OECD (2007) there are a range of options to explore for Open Access and OER initiatives. •

The Replacement model, where open content replaces other use and can benefit from the cost savings which is a result of the replacement. This model has a natural limit since it can only generate the same amount of resources as it replaces.



The Foundation, Donation or Endowment model, where the funding for the operations are provided by an external actor such as foundations. Primarily a start up model that will most probably not be viable in the long run, but it might be transferred into a Government support model, which can be a long-term option in some countries.



The Segmentation model, where the provider, simultaneously with resources for free, also provides “value-added” services to user segments and charges them for these services – such as sales of paper copies, training and user support, ask-an-expert services etc. This model, together with the conversion model, is among the most used in the education sector.



Conversion model, where “you give something away for free and then convert the consumer to a paying customer”.



The Voluntary support model, which is based on fund-raising campaigns. Another version of this model is the Membership model where a coalition of interested parties – organisations or individuals – is invited to contribute a certain sum as seed money or on an annual basis.

42 •

3 Open Educational Resources are here to stay The Contributor-Pay model where the contributors pay the cost of maintaining the contribution, which the provider makes available for free. This basic Open Access model may also be used by Open Educational Resource projects.

Other options may be membership fees, advertising, and sponsorship. Since each initiative is unique no single model will fit all. Instead there is a need to discover different approaches that might be useful in a local context. Furthermore, the growing competition among initiatives creates a need to develop strong brands, user communities, increased site usability and improved quality of the resources offered. Community “marketing” is important because it enables users to form strong connections with the website. Moreover the institution can learn from the community about what works and what does not work on the website. It also gives possibilities for rapid diffusion, and strong community influence user behaviours, increasing the probability for users to come back to the repository. An alternative approach to building an OER programme with a strong institutional backing is the community model. This calls for more grass roots activities where individuals contribute with their time, knowledge and resources on a voluntary basis. In this approach, production, use and distribution is decentralised, compared to institutional programmes where at least production and distribution are centralised. From a community perspective, one might take an alternative view on the over-all concept of sustainability. From this standpoint, it is not enough to look at the advantages and disadvantages of different revenue or funding models – one should look not only at who pays for the resources but also who creates them, how they are distributed and how one can work with them. Some of the aspects to consider are: •

Technical considerations such as discoverability of the resources;



The kind of openness and constraints on access and use that is given users;



Different content models (the possibility to localise content) and issues of licensing;



Different staffing models and incentives for people to contribute resources;



Alternative workflows to the traditional design – use evaluation model, to models without a clear distinction between production and use or between the user and the producer. The concept of co-production is important here.



Maintenance and updating of resources.

Since the community model builds on voluntary work and enthusiasts, sustainability is not so much a matter of financial resources as of dismantling barriers that hinders the community to flourish and grow. Tentative actions could be to find alternatives to the existing intellectual property rights regime and changing the mind set of donators not only to include funding to institutional initiatives but also to loosely composed communities.

3.6

Final thoughts

As has been described in this paper there are a number of technology related trends that is impacting on higher education institutions at the moment. The technological development

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43

have created drivers for and lowered the threshold for users to create, use and share software programmes, research findings and learning resources. A changing economic landscape is emerging for higher education institutions where the increased costs for investments in information technology makes it important to seize the opportunity to rethink its traditional offer to students, reorganise the way the institution works and find new ways of gaining revenues. There is a rapid growth in the number of OER projects which is a sign that many institutions perceive participation in the OER movement as a method to meet a growing competition, reduce costs, reach out to new groups of students and strengthen traditional academic values such as the sharing of knowledge. With these strong underlying developments it is possible to conclude that OER are here to stay.

3.7

References

Carson, S: (2005) “2004 MIT OCW Program Evaluation Findings Report” Carson, S: (2006a) “2005 Program Evaluation Findings Report – MIT OpenCourseWare.” June 5, 2006. Fisher, W and McGeveran, W: (2006) “The Digital Learning Challenge: Obstacles to Educational Uses of Copyrighted Material in the Digital Age. A Foundational White Paper” Research Publication No. 2006-09, (August, 2006). Gadd, E, Oppenheim, C, Probets, S: (2003) RoMEO Studies 2: “How academics want to protect their open-access research papers” Department of Information Science, Loughborough University Harley, D et al.: (2006) “Use and Users of Digital Resources – A Focus on Undergraduate Education in the Humanities and Social Sciences.” Center for Studies in Higher Education, UC Berkley, April 2006. Koppi, T, Bogle, L, Lavitt, N: (2003) “Institutional Use of Learning Objects Three Years on: Lessons Learned and Future Directions”, University of New South Wales, Australia McAndrew, P: (2006) “Motivations for OpenLearn: the Open University’s Open Content Initiative.” October 2006 Ng, W-Y: (2006) “Rational Sharing and its Limits”, paper presented at FM10 Openness: Code, Science and Content. OECD: (2007) “Open Educational Resources – Giving Knowledge for Free“ (Paris, 2007) forthcoming Open Society Institute: (2003) “Guide to Business Planning for Launching a New Open Access Journal” Edition 2, July 2003 Open Society Institute: (2004) “Guide to Business Planning for Converting a Subscriptionbased Journal to Open Access” Edition 3, February 2004

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3 Open Educational Resources are here to stay

Sale, A: (2006) “Comparison of content policies for institutional repositories in Australia”, First Monday, volume 11, number 4 (April 2006) Vest, C: (2004) “Why MIT Decided to Give Away All Its Course Materials via the Internet.” The Chronicle of Higher Education, January 30, 2004 p. 20. Wiley, D: (2006) “The Current State of Open Educational Resources“

4

Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse Aemilian Hron / Sieglinde Neudert Institut für Wissensmedien, Tübingen

4.1

Einleitung

Bisher liegen kaum Untersuchungen dazu vor, wie Schul- und Bildungsportale bezüglich relevanter Merkmale und Funktionalitäten ausgestattet sind. Hinweise auf diese Frage erbrachte ein einjähriges Evaluationsprojekt zum Schulportal „Lehrer-Online“, das am Institut für Wissensmedien in Tübingen ab August 2005 durchgeführt wurde. Im Rahmen dieses Projekts erfolgte u.a. eine vergleichende Portalanalyse, in der „Lehrer-Online“ mit 15 bekannten nationalen und internationalen Schul- und Bildungsportalen verglichen wurde (Hron & Neudert, 2006). Grundlage der Portalanalyse war ein Referenzsystem relevanter nutzerorientierter Portalmerkmale, auf die hin jedes der einbezogenen Portale geprüft wurde. Die ermittelten Daten dienten dazu, Ausstattung und Funktionsumfang von „Lehrer-Online“ im Vergleich zu den anderen Schul- und Bildungsportalen zu beurteilen. Die Daten ermöglichen es ebenfalls, den Ausstattungsstand der einbezogenen Portale insgesamt zu betrachten. Letzterer Aspekt ist für den vorliegenden Aufsatz zentral.

4.2

Methode

4.2.1

Auswahl der Portale

Ausgangspunkt für die Portalanalyse war eine Grundmenge von 140 Portalen für die Bereiche Schule und Bildung, die anhand von Recherchen mit Suchmaschinen, Verweisen auf Seiten von Bildungsportalen und anderen bildungsbezogenen Internetangeboten erstellt wurde. Daraus wurden 15 Portale (s. Tab. 4.1) entsprechend folgenden Kriterien ausgewählt: (1) ausreichende

46 4 Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse Bekanntheit des Portals, (2) anerkannte Anbieter-Institution, (3) deutliches Angebot an Ressourcen für schulisches E-Learning. Letzteres Kriterium war für die Evaluation des ausschließlich ELearning orientierten Schulportals „Lehrer Online“ erforderlich. Es wurden neun deutsche und sechs Portale aus dem europäischen Ausland ausgewählt (s. Tab. 4.1). Unter den ausgewählten Portalen waren sieben Schulportale, wobei die in Tab. 4.1 zuerst genannten fünf Schulportale (einschließlich „Lehrer-Online“) ausschließlich schulische E-Learning-Ressourcen anbieten. Die anderen Schulportale bieten daneben herkömmliche Unterrichtsressourcen an. Bei den übrigen Portalen handelt es sich um sechs Bildungsportale sowie zwei sonstige Portale, die u.a. Ressourcen für schulisches E-Learning anbieten.

4.2.2

Entwicklung des Referenzsystems

Die Entwicklung des Referenzsystems warf die Frage auf, welche Portalmerkmale für Schulund Bildungsportale unter Nutzerperspektive bedeutsam sind. Konkrete Anhaltspunkte dazu lieferte die Studie von Kos, Lehmann, Brenstein und Holtsch (2005) zur Evaluation des Deutschen Bildungsservers. Diese Studie umfasst u.a. eine Marktanalyse zum Vergleich des Deutschen Bildungsservers mit sämtlichen deutschen Landesbildungsservern, wobei eine Konzeption für Qualitätskriterien von Bildungsportalen und ein Referenzsystem mit relevanten Portalmerkmalen, gegliedert nach verschiedenen Auswertungsdimensionen, entwickelt wurden. Als einschlägig erwies sich auch die Studie von Panke und Wedekind (2005) zur Analyse von 88 Portalen aus den Bereichen Virtuelle Hochschule, Schule, Bildung, Training und sonstige E-Teaching-Themen, in deren Rahmen ebenfalls ein Referenzsystem mit verschiedenen Auswertungsdimensionen und entsprechenden Portalmerkmalen entwickelt wurde. Portalart

Bezeichnung* der Portale und URL

Schulportale

• • • • • • • •

Tab. 4.1

Lehrer-Online http://www.lehrer-online.de MediaCulture-Online http://www.mediaculture-online.de/index.php E-teaching AT http://www.e-teaching-austria.at/ Becta UK** http://schools.becta.org.uk/ Skolutveckling SE http://www.skolutveckling.se/ 4teachers http://www.4teachers.de/ Zentrale für Unterrichtsmedien (ZUM) http://www.zum.de/ MySchool LU http://www2.myschool.lu/Home/pt/default.asp

„Lehrer-Online“ und Vergleichsportale

Aemilian Hron / Sieglinde Neudert

Portalart

Bezeichnung* der Portale und URL

Bildungsportale

• • • • • •

Sonstige Portale

• •

* ** Tab. 4.1

47

Deutscher Bildungsserver (DBS) http://www.bildungsserver.de/ Learnline Nordrhein-Westfalen http://www.learnline.nrw.de/ Landesbildungsserver Baden-Württemberg (LBS BW) http://www.schule-bw.de/ Bildungsserver (BS) Saarland http://www.bildungsserver.saarland.de/ eduhi AT http://www.eduhi.at/ educa CH http://www2.educa.ch/dyn/1818.htm Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (LMZ BW) http://www2.lmz-bw.de/ Cornelsen Verlag http://www.cornelsen.de/cornelsen_de/cornelsen_de.html

Die Kurzbezeichnungen der ausländischen Portale umfassen die jeweilige Landeskennung/-domäne. Gegenstand der Recherche war Becta UK school sector. „Lehrer-Online“ und Vergleichsportale (Continued)

Neben diesen Studien wurde die Literatur zum Konzept der Web-Qualität gesichtet, da die Bestimmung bedeutsamer Portalmerkmale für Analysezwecke mit der Frage verbunden ist, durch welche Merkmale ein qualitativ hochwertiges Internetangebot gekennzeichnet ist (Aladwania & Palvia, 2002). In dieser Hinsicht wurden Forschungsarbeiten zur nutzerorientierten Evaluation von Internetportalen herangezogen, wobei keine etablierte Konzeption von Web-Qualität aufgefunden werden konnte. Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, dass das Forschungsfeld relativ jung und stark fragmentiert ist (Zhang & von Dran, 2001–2002). Die entsprechenden Arbeiten sind erst in jüngster Zeit orientiert an Studien zur Qualität von Informationssystemen entstanden (Liu & Arnett, 2000). Es bestehen verschiedene Dimensionierungen von Web-Qualität, wobei unterschiedliche Arten von Qualitätsfaktoren oder Qualitätsdimensionen unterschieden werden, welche auf unterschiedliche Portalmerkmale hin operationalisiert werden (Moraga, Calero & Piattini, 2006). Anregungen für die eigene Arbeit wurden insbesondere den Studien von Yang, Cai, Zhou und Zhou (2005) und Sampson und Manouselis (2005) entnommen, die sich auf die Evaluation von Informationsportalen unter Benutzerperspektive beziehen. Die genannten Forschungsarbeiten bildeten eine Heuristik für die Entwicklung des eigenen Referenzsystems, für das die Rahmenbedingungen der Evaluationsstudie verschiedene Vorgaben setzten. So machte die auf schulische E-Learning-Ressourcen bezogene Analyse des Inhaltsangebots der Portale eine spezifische Kategorisierung mit insgesamt 125 Prüfmerkmalen erforderlich (s. Anhang, Auswertungsdimension „Inhalte/Themenspektrum“). Außerdem

48 4 Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse sollten die Prüfmerkmale im Sinne binärer Variablen (vorhanden/nicht vorhanden) gefasst sein und keine wesentlichen Interpretationsleistungen erfordern. Auf diesem Hintergrund wurde, zum Teil in einem iterativen Verfahren (s. Abschnitt 2.3), ein Referenzsystem entwickelt, das sich in vier Auswertungsdimensionen gliedert: •

Allgemeine Portalmerkmale



Inhalte/Themenspektrum



Funktionen und Services



Strukturaspekte.

Die Auswertungsdimensionen sind in Merkmalsbereiche – ggf. mit Unterbereichen – unterteilt, welche die einzelnen Prüfmerkmale enthalten. Insgesamt wurden 237 Prüfmerkmale bestimmt (s. Anhang). Tab. 4.1 veranschaulicht das Referenzsystem in Form eines Ausschnitts aus einer Excel-Tabelle. Wiedergegeben ist ein Teil der Auswertungsdimension „Funktionen und Services“ mit den Merkmalsbereichen „Informationsabruf“ und „Personalisierung“. Die Prüfergebnisse sind mit „1“ (Merkmal vorhanden) oder „0“ (Merkmal nicht vorhanden) eingetragen.

Abb. 4.1

Ausschnitt aus Referenzsystem mit Prüfergebnissen; Stand: Januar 2006 (x = Merkmal nicht überprüft; Portalbezeichungen s. Tab. 1

Aemilian Hron / Sieglinde Neudert

4.2.3

49

Vorgehen bei der Portalanalyse

Die Portalanalyse erfolgte im Zeitraum November 2005 bis einschließlich Januar 2006. Sie wurde von zwei Prüferinnen (Psychologie-Studentinnen im höheren Semester) durchgeführt. Die Portale wurden auf die Prüferinnen aufgeteilt, so dass – mit Ausnahme von zwei Portalen wegen der Reliabilitätsbestimmung (s.u.) – jedes Portal von einer Prüferin geprüft wurde. Für die Prüfung des schwedischen Schulportals wurde eine dritte Person mit schwedischen Sprachkenntnissen hinzugezogen. Eingangs erfolgte eine intensive Schulung und Einarbeitung in die Anwendung des Referenzsystems, in die alle Projektgruppenmitglieder einbezogen waren. Dabei erwies sich eine Reihe von Prüfmerkmalen als revisionsbedürftig. Auch zu späteren Zeitpunkten zeigten sich verschiedentlich Revisionserfordernisse, die teilweise erneute Prüfungen erforderlich machten. Während der gesamten Portalanalyse standen die Prüferinnen untereinander sowie mit den anderen Projektgruppenmitgliedern in enger Kommunikation und klärten gemeinsam Auswertungsprobleme und Fragen. Um Hinweise auf die Reliabilität der Prüfergebnisse zu erlangen, wurden zwei Portale von beiden Prüferinnen geprüft. Dabei ergab sich ein Reliabilitätskoeffizient von Cohen´s Kappa = 0.78, welcher als befriedigender bis guter Wert anzusehen ist (Bakeman & Gottman, 1997).

4.3

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Portalanalyse werden im Folgenden im Hinblick auf die Frage dargestellt, wie die einbezogenen Portale bzgl. bedeutsamer Portalmerkmale und Funktionalitäten ausgestattet sind. Die Ergebnisdarstellung folgt nicht in allen Fällen Umfang und Abfolge der im Anhang wiedergegebenen Prüfmerkmale.

4.3.1

Auswertungsdimension „Allgemeine Portalmerkmale“

Bezogen auf diese Auswertungsdimension wurden zum einen wichtige Grundmerkmale der Portale erfasst. Zum anderen wurde deren Ausstattung mit Site-Informationen geprüft. Diese Informationen geben den Nutzer/innen Hinweise auf die Eignung des Portals für den Nutzungszweck und ermöglichen eine Einschätzung der Qualität des Inhaltsangebots.

4.3.1.1

Grundmerkmale

Im Hinblick auf wichtige Grundmerkmale der Portale erbrachte die Portalanalyse folgende Ergebnisse: •

Bei der Mehrzahl der analysierten Portale erfolgt die Finanzierung durch öffentliche Mittel. Bei zwei Portalen liegt eine Mischfinanzierung von Öffentlicher Hand und Privatwirtschaft vor. Drei Portale sind rein private Unternehmungen.



Sieben Portale sind reine Informationsportale, die ausschließlich Materialien anbieten. Weitere acht Portale besitzen neben dem Informations- bzw. Materialbereich eine davon

50 4 Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse separate Arbeits-/Kommunikationsumgebung. Ein weiteres Portal integriert beide Bereiche auf einer Benutzungsoberfläche. Es besteht keine systematische Zuordnung der verschiedenen Portalstrukturen zu den Portaltarten (Schul- oder Bildungsportal). •

Die Portale nennen explizit neun verschiedene Adressatengruppen. Von allen Portalen genannt werden Lehrer/innen. Weitere Adressatengruppen in der Rangfolge der Häufigkeit ihrer Nennung sind Schüler/innen, Referendar/innen, Eltern, Lehramtsstudierende, Schulleitung, Administrator/innen, Hochschullehrer/innen/Wissenschaftler/innen (im Bereich Lehrerausbildung, E-Learning), Ausbilder/innen in Studienseminaren. Erwartungsgemäß weisen die Bildungsportale gegenüber den Schulportalen eine breitere Adressatenschaft aus.



Als reine Verweisserver fungieren zwei der in die Analyse einbezogenen Bildungsportale. Alle anderen Portale bieten eigene Materialien an.



Registrierung ist für den Informationsbereich nicht erforderlich, jedoch – falls vorhanden – für die separate Arbeitsumgebung (Lernplattform, Groupware). Zwei Portale erfordern eine Registrierung im Zuge der Materialbestellung.



Mit Ausnahme von zwei Portalen werden die Materialien kostenfrei angeboten.



Mehr als eine Sprachversion bietet ein Viertel der geprüften Portale. Die Fremdsprachigkeit reicht allerdings nur bei einem Portal bis einschließlich zur Materialebene.

4.3.1.2

Site-Informationen

Site-Informationen spielen für Schul- und Bildungsportale eine bedeutsame Rolle. Sie sollen es den Nutzer/innen ermöglichen, einen grundsätzlichen Eindruck von der Informationsquelle zu erlangen und deren Eignung für ihre Nutzungszwecke einzuschätzen. Für die Portalanalyse wurden zwei Arten von Site-Informationen unterschieden: (1) Site-Informationen, die für Internetportale allgemein üblich sind, (2) Site-Informationen, die Hinweise auf die Qualität des Bildungsangebots ermöglichen. Bezüglich der allgemein üblichen Site-Informationen wurden sechs Prüfmerkmale unterschieden: Impressum, Copyright, Haftungsregelungen, Portalübersicht, Datenschutz, Benutzerstatistik. Die Portalanalyse erbrachte folgendes Ergebnis: •

Alle geprüften Portale verfügen über ein Impressum, fast alle über Copyright-Hinweise, Haftungsregelungen und Portalübersicht.



Hinweise auf Datenschutz finden sich bei der Hälfte der Portale.



Eine Benutzerstatistik besitzen zwei Portale.

Im Hinblick auf Site-Informationen, die Hinweise auf die Qualität des Bildungsangebots ermöglichen, wurden vier Prüfmerkmale unterschieden: Redaktion, Peer Review, Metadaten, Aktualitätshinweise am Material. Diese Site-Informationen machen aber verschiedene Vorbehalte erforderlich. Zum Beispiel sagt das Vorhandensein einer Redaktion nichts über deren Effektivität bzgl. Qualitätssicherung aus. Ebenso sind Metadaten nicht unbedingt als Qualitätsaussage zugunsten der damit beschriebenen Materialien zu verstehen, können aber als

Aemilian Hron / Sieglinde Neudert

51

Hinweis auf eine sorgfältige Auswahl und Prüfung gedeutet werden. Die Portalanalyse erbrachte folgendes Ergebnis: •

Alle Portale weisen eine Redaktion aus und 12 Portale einen Peer Review.



Metadaten finden sich bei 12 Portalen, davon realisieren acht Portale durchgängig eine jeweils spezifische Metadatensystematik.



Aktualitätshinweise am Material finden sich bei 11 Portalen.

4.3.2

Auswertungsdimension „Inhalte/Themenspektrum“

Die Ergebnisse zur Auswertungsdimension „Inhalte/Themenspektrum“ beziehen sich ausschließlich auf E-Learning bezogene Inhalte. Sie werden hier nur kursorisch dargestellt, weil sie keine verallgemeinernden Hinweise auf die Ausstattung von Schul- und Bildungsportalen zulassen: Zum einen gingen in die Portalanalyse nur solche Portale ein, die bereits deutlich mit schulischen E-Learning-Ressourcen ausgestattet sind (s. Auswahlkriterien, Abschnitt 2.1). Zum anderen repräsentiert das Angebot schulischer E-Learning-Ressourcen – wenn überhaupt – nur einen Teilbereich der Inhalte von Schul- und Bildungsportalen und ist daher für deren inhaltliche Ausstattung nur bedingt aussagekräftig. Die Prüfmerkmale dieser Auswertungsdimension umfassten ein breites Spektrum von E-Learning-Ressourcen und Materialien für unterschiedliche Schularten, Schulstufen und Unterrichtsfächer. Unter E-Learning-Ressourcen gefasst wurden Unterrichtseinheiten im Sinne didaktisch-methodisch ausgearbeiteter und adaptierbarer Vorlagen für den Unterricht, fachspezifische Werkzeuge, wie z.B. Übungs- oder Simulationsprogramme sowie sonstige Ressourcen, wie Unterrichtsideen oder interaktive Arbeitsblätter. Hierzu erbrachte die Portalanalyse folgende Ergebnisse: •

Für den Grundschulbereich bieten fast alle Portale E-Learning-Ressourcen an.



Im Sekundarstufenbereich gibt es auf fast allen Portalen E-Learning-Ressourcen für die naturwissenschaftlichen Fächer Biologie, Chemie, Geografie, Informatik, Mathematik und Physik, für die geisteswissenschaftlichen Fächer Deutsch (bzw. die jeweilige Muttersprache), Geschichte, Kunst, Musik und Religion/Ethik sowie für die sprachlichen Fächer Englisch und Französisch.



Im Bereich der Berufsbildung bieten zwei Drittel der Portale E-Learning-Ressourcen für kaufmännische und gewerblich/technische Berufe an.



Ausgearbeitete Unterrichtseinheiten werden für den Grundschulbereich und die Berufsbildung nur von jeweils sechs Portalen und im Sekundarstufenbereich nur von acht Portalen bereitgestellt.

Weitere Überprüfungen bezogen sich auf das Vorhandensein von E-Learning-Ressourcen und Materialien für Fächerverbünde, fachübergreifende Fächer (Schlüsselqualifikationen), Berufsorientierung, Sonderpädagogik, Gender Mainstreaming, Didaktik/Methodik, Medienkompetenz und Recht. Im Einzelnen ergaben sich unterschiedliche Ausstattungen, wobei auffallend ist, dass nur vier Portale E-Learning-Ressourcen für Fächerverbünde bereitstellen. Für

52 4 Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse alle anderen genannten Sparten sind E-Learning-Ressourcen auf 60% bis 90% der Portale vorhanden (s. ausführlich Hron & Neudert, 2006).

4.3.3

Auswertungsdimension „Funktionen und Services“

Bezogen auf diese Auswertungsdimension wurden die folgenden Merkmalsbereiche mit entsprechenden Prüfmerkmalen unterschieden: Allgemeine Funktionen, Barrierefreiheit, Informationsabruf, Personalisierung, Community-Funktionen.

4.3.3.1

Allgemeine Funktionen

Unter „Allgemeine Funktionen“ wurden folgende für Internetportale übliche Funktionen (Prüfmerkmale) gefasst: Kontakt, Druckfunktion/Druckversion, Bookmarks, FAQ-Liste, Glossar, Hilfe, Minimierung der Benutzungsoberfläche (Modembenutzer). Die Portalanalyse erbrachte folgendes Ergebnis (s. Abb. 4.2): •

Alle Portale verfügen über eine Kontaktfunktion; die meisten Portale über Druckfunktion, Bookmark-Möglichkeit und FAQ-Liste.



Weniger vorhanden sind Glossar und Hilfe.



Eine Minimierungsmöglichkeit der Benutzungsoberfläche (Modembenutzer) bietet ein Portal.

Abb. 4.2

4.3.3.2

Allgemeine Funktionen

Barrierefreiheit

Barrierefreiheit ist ein wichtiger Aspekt der Benutzerfreundlichkeit. Die Portale wurden mit dem internetbasierten Test Barrierefinder (www.barrierefinder.de) geprüft. Der Test orientiert sich an der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz von 2002 (s. Hellbusch, 2005). Der Test vermittelt einen ersten Ein-

Aemilian Hron / Sieglinde Neudert

53

druck und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Rahmen der Portalanalyse wurden nur die Startseiten der Portale geprüft. Ein Portal entzog sich der Prüfung. Es bestanden folgende fünf Prüfmerkmale: Seite nutzbar in Schwarz-Weiß (für farbenblinde Nutzer/innen); Seite nutzbar in Text-Browser; Seite nutzbar ohne JavaScript, eingebettete Objekte und Applets; Textbeschreibungen für Bilder vorhanden; Schriftgrößen einstellbar. Unter den Einschränkungen des Tests erbrachte die Portalanalyse folgendes Ergebnis. •

Bei allen Portalen ist die Startseite in Schwarz-Weiß-Einstellung nutzbar.



Nur bei jeweils der Hälfte der Portale ist die Startseite problemlos in einem Textbrowser darstellbar sowie ohne JavaScript, eingebettete Objekte und Applets nutzbar.



Textbeschreibungen für Bilder haben sechs Portale, einstellbare Schriftgrößen zwei Portale.



Alle Merkmale zusammengenommen, schneiden nur vier Portale relativ günstig ab.

4.3.3.3

Informationsabruf

Der Merkmalsbereich „Informationsabruf“ ist für Schul- und Bildungsportale äußerst wichtig, weil Nutzer/innen möglichst unkompliziert und schnell an die gesuchte Information kommen möchten. Es wurden folgende Prüfmerkmale unterschieden: Einfache Suchfunktion, erweiterte Suche, Speicherung der Such-/Trefferliste. Die Portalanalyse erbrachte folgendes Ergebnis: •

Alle Portale verfügen über eine einfache Suchfunktion.



11 Portale besitzen eine erweiterte Suche.



Nur bei zwei Portalen ist eine Speicherung der Such-/Trefferliste möglich.

4.3.3.4

Personalisierung

Personalisierungsfunktionen werden als wesentliches Kennzeichen von Internetportalen angesehen (Jafari, 2003). Es werden neun Personalisierungsfunktionen (Prüfmerkmale) unterschieden: RSS-Feed, persönlicher Portalbereich, portalseitige Lesezeichen/Linklisten, Spezifizierung des Informationsangebots gemäß persönlichen Interessen sowie gemäß Region, persönliche Startseite, individueller Newsletter, persönliche Anpassung des Layouts, mobile Informationsdienste (z.B. Weiterleitung von Portalinhalten auf Handy oder PDA). Die Portalanalyse erbrachte folgendes Ergebnis (s. Abb. 4.3): •

RSS-Feeds sind bei 6 Portalen gegeben.



Einen persönlichen Bereich auf dem Portal ermöglichen vier Portale (Befund ausschließlich bezogen auf den Informations-/Materialbereich), das portalseitige Anlegen von Lesezeichen/Linklisten drei Portale.



Die restlichen Personalisierungsfunktionen (Spezifizierung des Informationsangebots gemäß persönlicher Interessen bzw. gemäß Region, persönliche Startseite, individueller Newsletter, Layout-Anpassung, mobile Informationsdienste) sind kaum oder gar nicht vertreten.

54 4 Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse

Abb. 4.3

4.3.3.5

Personalisierung

Community-Funktionen

Es wurden zwölf Community-Funktionen (Prüfmerkmale) unterschieden: Newsletter, ftf-Veranstaltungen, Arbeitsumgebung/Groupware, portalseitige Foren, Chat-Funktion, VersendeFunktion, Mailinglist, Buddylist, Online-Events, Gästebuch, Videokonferenz, Voting-Funktion. Die Portalanalyse erbrachte folgendes Ergebnis (s. Abb. 4.4): •

Newsletter bieten – mit einer Ausnahme – alle Portale an.



Face-to-Face (ftf)-Veranstaltungen finden sich bei drei Viertel der Portale.



Eine Arbeitsumgebung (Groupware) sowie portalseitige Foren besitzen jeweils die Hälfte der Portale.



Chat-Funktion, Versenden-Funktion und Mailinglist finden sich bei jeweils sechs Portalen.



Die restlichen Funktionen (Buddylist, Online-Events, Gästebuch, Videokonferenz, VotingFunktion) sind weniger häufig vertreten.

Aemilian Hron / Sieglinde Neudert

Abb. 4.4

4.3.4

55

Community-Funktionen

Auswertungsdimension „Strukturaspekte“

Diese Auswertungsdimension umfasst die Merkmalsbereiche Navigation und grafische Gestaltung.

4.3.4.1

Navigation

Bezogen auf die Navigation wurde geprüft, ob die Portale eine globale Navigation, eine Themen- bzw. Bereichsnavigation, eine Pfadnavigation und eine Sitemap bereitstellen. Die Portalanalyse erbrachte folgendes Ergebnis: •

Eine globale Navigation besitzen alle Portale. Die Nutzer/innen haben dabei die Möglichkeit, von jeder Webseite des Portals zurück auf die Startseite und/oder auf andere übergeordnete Portalbereiche zu gelangen.



Eine Bereichsnavigation besitzen ebenfalls alle Portale. Den Nutzer/innen stehen dabei – häufig in der linken Spalte der Webseite – bereichsspezifische Navigationsmenüs zur Verfügung.

56 4 Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse •

Eine Pfadnavigation ist bei neun Portalen vorhanden. Dabei wird der zurückgelegte Pfad maussensitiv als Abfolge der verschiedenen Navigationsebenen/Webseiten wiedergegeben.



Über eine Sitemap verfügen zehn Portale.

4.3.4.2

Grafische Gestaltung

Zur grafischen Gestaltung der Portale wurden u.a. die folgenden Prüfmerkmale erhoben: Dreispaltige Startseite, jeweils Kopfzeile und Fußzeile auf Startseite, Konsistenz der Spaltenanzahl auf Unterseiten, einheitliche Icons, Werbebanner, Corporate Design (interpretativ erhoben). •

Einen 3-spaltigen Seitenaufbau auf der Startseite weist die Mehrzahl der Portale auf.



Eine Kopfzeile auf der Startseite weisen alle Portale auf, fast alle eine Fußzeile auf der Startseite.



Eine konsistente Spaltenanzahl auf den Unterseiten (unabhängig davon, ob zwei- oder dreispaltig) weist die Hälfte der Portale auf.



Einheitliche Icons finden sich bei drei Viertel der Portale.



Werbebanner sind auf drei Portalen vorhanden.



Ein einheitliches Erscheinungsbild im Sinne eines Corporate Design – unabhängig von einer ästhetischen Bewertung – ist allen Portalen zuzuerkennen.

4.4

Ergebniszusammenfassung und Diskussion

Die vergleichende Portalanalyse zur Evaluation des Schulportals „Lehrer-Online“ erbrachte Hinweise auf den Ausstattungsstand etablierter Schul- und Bildungsportale. Bei den 16 analysierten Portalen handelt es sich um Portale, die entweder ausschließlich oder unter anderem schulische E-Learning-Ressourcen anbieten. Die Portale sind überwiegend öffentlich finanziert, das Inhaltsangebot ist in der Regel kostenfrei und ohne Registrierungserfordernis verfügbar. Zwei der geprüften Bildungsportale sind reine Verweisserver. Die Hälfte der Portale besitzt neben dem Informations-/Materialbereich eine Arbeits-/Kommunikationsumgebung. Die Portale sind mit allgemein üblichen Site-Informationen, wie Impressum, Portalübersicht oder Copyright-Hinweisen relativ gut ausgestattet, abgesehen von einer nur in zwei Fällen vorhandenen Benutzerstatistik. Als weniger günstig anzusehen ist die Ausstattung mit SiteInformationen, die Hinweise auf die Qualitätssicherung ermöglichen. In dieser Hinsicht weisen zwar alle Portale eine Redaktion aus. Jedoch sollten Nutzer/innen von Schul- und Bildungsportalen erwarten können, dass Metadaten zur Beschreibung des Inhaltsangebots und Aktualitätshinweise am Material durchgängig vorhanden sind. Insgesamt weisen aber nur drei Viertel der Portale Metadaten auf, wobei lediglich acht Portale eine strikt gehandhabte Metadatensystematik besitzen. Aktualitätshinweise am Material finden sich nur bei elf Portalen.

Aemilian Hron / Sieglinde Neudert

57

Die Ausstattung mit allgemeinen Funktionen, wie Kontaktfunktion, Druckfunktion oder Bookmarks, ist als befriedigend bis gut einzuschätzen. Allerdings könnten Glossar und Hilfefunktion verbreiteter sein. Bezogen auf den Informationsabruf ist die Ausstattung mit Suchfunktionen als befriedigend anzusehen, wobei keine Daten dazu erhoben wurden, wie gut die jeweiligen Suchfunktionen funktionieren. Kritisch sind die Befunde zur Barrierefreiheit. Zwar erfolgte die Prüfung hierzu mit einem exploratorischen Testsystem (barrierefinder.de) bezogen auf die Startseiten der Portale, so dass genauere Analysen erforderlich sind. Dennoch legt das Prüfergebnis die Annahme nahe, dass wesentliche Kriterien der Barrierefreiheit nur unzureichend erfüllt sind: die Nutzung der Webseiten in einem Text-Browser und ohne JavaScript, eingebettete Objekte und Applets sowie Textbeschreibungen für Bilder und einstellbare Schriftgrößen. Alle Kriterien zusammengenommen schnitt in diesem Test nur ein Viertel der geprüften Portale relativ gut ab. Personalisierung gilt im Allgemeinen als ein wesentliches Kennzeichen von Internetportalen. Bei den geprüften Schul- und Bildungsportalen ist dieser Funktionalitätsbereich jedoch kaum vertreten. Zum Zeitpunkt der Prüfung (Januar 2006) besaßen nur sechs Portale RSS-Feeds. Die Spezifizierung des Informationsbereichs gemäß persönlicher Interessen sowie das portalseitig Anlegen von Lesezeichen/Linklisten ermöglichten jeweils nur drei Portale. Weitere Personalisierungsfunktionen, wie persönliche Anpassung des Layouts, individueller Newsletter und mobile Informationsdienste, waren kaum oder gar nicht vertreten. Community-Funktionen sind im Vergleich zu Personalisierungsfunktionen zwar umfangreicher gegeben, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie zu erwarten gewesen wäre. Beinahe als Standard ist ein Newsletter anzusehen, und auch ftf-Veranstaltungen sind relativ häufig – d.h. bei drei Viertel der Portale – anzutreffen. Bei weiteren Merkmalen, wie Arbeitsumgebung, portalseitige Foren, Versende-Funktion, Chat-Funktion und Mailingliste, ist die Ausstattung nur als mittelmäßig zu beurteilen. Gänzlich ungünstig ist der Prüfbefund bzgl. Buddylist, OnlineEvents, Gästebuch, Voting-Funktion und Videokonferenz. Zur Navigation zeigt sich, dass die Portale die übliche globale und bereichsspezifische Navigation aufweisen, leider aber nicht durchgängig eine Pfadnavigation und Sitemap besitzen. Die grafische Gestaltung weist im Allgemeinen die üblichen Design-Standards auf, d.h. in der Mehrzahl ein dreispaltiger Seitenaufbau der Startseite mit Kopf- und Fußzeile sowie Konsistenz der Spaltenanzahl, sei es zwei- oder dreispaltig, auf den Unterseiten. Sämtlichen geprüften Portalen – unabhängig von einer ästhetischen Bewertung – ist jeweils ein einheitliches Corporate Design zuzuerkennen. Insgesamt zeigt die Portalanalyse, dass erhebliche Ausstattungsdefizite bzgl. wichtiger Portalmerkmale und Funktionen bestehen, insbesondere zu Site-Informationen, Barrierefreiheit und Personalisierung. Wegen der ausgelesenen Stichprobe ist dieses Ergebnis nicht unbedingt verallgemeinerungsfähig, dürfte allerdings ein interessantes Schlaglicht auf die Szenerie werfen. Da es sich bei den analysierten Portalen um bekannte Schul- und Bildungsportale anerkannter Anbieterinstitutionen handelt, ist das Analyseergebnis umso kritischer aufzufassen und sollte entsprechende Entwicklungsbemühungen nach sich ziehen.

58 4 Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse

Literaturverzeichnis Aladwania, A. M., & Palvia, P. C. (2002). Developing and validating an instrument for measuring user-perceived web quality. Information & Management, 39(6), 467–476. Bakeman, R., & Gottman, J. M. (1997). Observing interaction. An introduction to sequential analysis. Cambridge: Cambridge University Press. Hellbusch, J.E. (2005). Barrierefreies Webdesign. Praxishandbuch für Webgestaltung und grafische Programmoberflächen. Heidelberg: dpunkt.verlag GmbH. Hron, A., & Neudert, S. (2006). Benchmarkstudie - Studie zum Vergleich des Schulportals „Lehrer-Online“ mit 15 nationalen und internationalen Schul- und Bildungsportalen. Tübingen: Institut für Wissensmedien. Jafari, A. (2003). The ABCs of designing campus portals. In A. Jafari, & M. Sheehan (Eds.), Designing portals: opportunities and challenges (pp. 7-27). Hershey PA: Information Science Publishing. Kos, O., Lehmann, R., Brenstein, E., & Holtsch, D. (2005). Bildungsportale – Wegweiser im Netz. Frankfurt a.M. et al.: Peter Lang. Liu C., & Arnett, K. (2000). Exploring the factors associated with Web site success in the context of electronic commerce. Information & Management, 38, 23-33. Moraga, A., Calero, C., & Piattini, M. (2006). Comparing different quality models for portals. Online Information Review, 30(5), 555 – 568. Panke, S., & Wedekind, J. (2005). Vergleichende Analyse von Bildungsportalen. Interner Arbeitsbericht. Tübingen: Institut für Wissensmedien. Sampson, D., & Manouselis, N. (2005). A flexible evaluation framework for Web portals based on multi-criteria analysis. In A. Tatnall (Ed.), Web portals: The new gateways to Internet information and services (pp. 185-211). Hershey et al.: Idea Group Publishing. Yang, Z., Cai, S., Zhou, Z., & Zhou, N. (2005). Development and validation of an instrument to measure user perceived service quality of information presenting Web portals. Information & Mangement, 42(4), 575-589. Zhang, P., & von Dran, G. (2001-2002). User expectations and rankings of quality factors in different Web site domains. International Journal of Electronic Commerce, 6(2), 9-33.

Aemilian Hron / Sieglinde Neudert

4.5 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3

Anhang: Referenzsystem

1.1.4 1.1.5

Allgemeine Portalmerkmale Grundmerkmale Portalart Finanzielle Trägerschaft Möglichkeiten der Eigenfinanzierung - Abonnements - Werbliche Informationen - Face-to-face-Services - Mobile Dienste gegen Bezahlung - Online Premiumdienste - Content Syndication - Verkauf von Materialien Portal-Gesamtstruktur Mehrere Sprachversionen

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8 1.2.9 1.2.10

Explizit genannte Adressatengruppen LehrerInnen ReferendarInnen Lehramtstudierende AusbilderInnen in Studienseminaren SchülerInnen AdministratorInnen Schulleitung (Organisation) HochschullehrerInnen Eltern Sonstige

1.3

Eigenangebot an Unterrichtsmaterialien vs. Verlinkung Eigenangebot an Unterrichtsmaterialien Verlinkung auf andere Server

1.3.1 1.3.2 1.4

Registrierung

1.5

Kosten für User

1.6 1.6.1

Site-Information Hinweise zur Qualitätseinschätzung - Redaktion - Peer review - Metadaten - Formgebundene Metadaten - Formfreie Metadaten - Aktualitätshinweis zum Material - Aktualitätshinweis zur Webseite Weitere Site-Informationen - Portalüberblick - Impressum - Haftungsregelungen

1.6.2

59

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6

2.1.7

2.2 2.2.1 -

2.2.2

2.2.3

Copyright-Hinweise Benutzerstatistik Hinweise auf Datenschutz Hinweise auf Browserversionen

Inhalte/Themenspektrum Grundschule Schreiben & Lesen Sachkundlicher Bereich Mathematischer Bereich Frühes Fremdsprachenlernen Sonstige Bandbreite der EL-Ressourcen - Unterrichtseinheiten - Fachspezifische Tools - Sonstige EL-Ressourcen Mengenschätzung - Unterrichtseinheiten - Fachspezifische Tools - Sonstige EL-Ressourcen Sekundarstufe I und II Naturwissenschaftliche Fächer Biologie - Chemie - Geographie - Informatik - Mathematik - Physik - Sonstige Geistes- und sozialwiss. Fächer - Deutsch (Muttersprache) - Geschichte - Kunst - Musik - Politik/GK/SoWi - Religion/Ethik - Wirtschaft - Sport - Sonstige Sprachliche Unterrichtsfächer - Englisch - Französisch - Spanisch - Latein - Deutsch als Fremdsprache - Sonstige

60 4 Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse 2.2.4

2.2.5

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5

2.3.6

2.4 2.4.1 2.4.2

2.4.3

2.5 2.5.1 2.5.2

2.5.3

2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3

Bandbreite der EL-Ressourcen - Unterrichtseinheiten - Fachspezifische Tools - Sonstige EL-Ressourcen Mengenschätzung - Unterrichtseinheiten - Fachspezifische Tools - Sonstige EL-Ressourcen Berufsbildung Kaufmännischer Bereich Gewerblich-technischer Bereich Medizinisch-hauswirtschaftlicher Bereich Allgemein bildender Bereich Bandbreite der EL-Ressourcen - Unterrichtseinheiten - Fachspezifische Tools - Sonstige EL-Ressourcen Mengenschätzung - Unterrichtseinheiten - Fachspezifische Tools - Sonstige EL-Ressourcen Fächerverbünde EL-Ressourcen Bandbreite der EL-Ressourcen - Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Mengenschätzung - Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Fachübergreifende Unterrichtsinhalte und Schlüsselqualifikationen EL-Ressourcen Bandbreite der EL-Ressourcen - Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Mengenschätzung - Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Berufsorientierung EL-Ressourcen Eigener Bereich Bandbreite der EL-Ressourcen

2.6.4

2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3

2.7.4

2.7.5 2.7.6

2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3

2.8.4

2.9

2.9.1

- Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Mengenschätzung - Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Sonderpädagogik EL-Ressourcen Eigener Bereich Bandbreite der EL-Ressourcen - Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Mengenschätzung - Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Informationen zu techn. Hilfsmitteln zur Arbeit mit Computer/Internet Behinderungsarten - Geistige Behinderung - Lernbehinderung - Körperbehinderung - Hörbehinderung/Gehörlosigkeit - Sehbehinderung/Blindheit - Sprachbehinderung - Verhaltensauffälligkeit/ Erziehungsschwierigkeiten - Sonstige Behinderungen Gender mainstreaming/ Geschlechter gerechter Unterricht EL-Ressourcen Eigener Bereich Bandbreite der EL-Ressourcen - Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Mengenschätzung - Unterrichtseinheiten - Tools - Sonstige EL-Ressourcen Materialien zu Didaktik/ Methodik des EL und zu computerbasierten Lernspielen Materialien zu Didaktik/ Methodik des EL

Aemilian Hron / Sieglinde Neudert 2.9.2

Materialien zu computerbasierten Lernspielen

2.10 2.10.1 2.10.2 2.10.3

Medienkompetenz Materialien zu Medienkompetenz Eigener Bereich Materialien zu IT-Infrastruktur der Schule Materialien zu Fachspez. Tools & Fachspez. Software Materialien zu Fächerübergreifenden Tools Unterrichtseinheiten Sonstige Materialien

2.10.4 2.10.5 2.10.6 2.10.7 2.11 2.11.1 2.11.2 2.11.3

Recht der Neuen Medien Materialien zu Recht der Neuen Medien Eigener Bereich Informationen zu rechtlichen Aspekten digitaler Medien 2.11.4 Urteile zum Recht der Neuen Medien 2.11.5 Mustertexte 2.12

Linksammlungen, Fachübergreifende Tools, Downloadlisten 2.12.1 Linksammlungen 2.12.2 Fachübergreifende Tools 2.12.3 Downloadlisten Freeware/Shareware 2.13 Aktuelles 2.13.1 Tagesaktuelle Meldungen mit Bildungs-/ Medienbezügen 2.13.2 Hinweise auf aktuelle Termine und Events (Bereiche Schule, Bildung, Neue Medien) 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7

Funktionalität Funktionen und Services Kontakt Druckfunktion/Druckversion Bookmarks FAQ-Liste Glossar Hilfe Minimierte Benutzeroberfläche (Modem)

3.1.8 Feedback-Button 3.1.9 Webspace 3.1.10 Internetseitengenerator 3.2 3.2.1

Barrierefreiheit Seite nutzbar in Text-Browser

61 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5

Textbeschreibungen für Bilder Schriftgröße einstellbar Seite nutzbar in Schwarz-Weiß Seite nutzbar ohne JavaScript

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5

Information Retrieval Einfache Suche Erweiterte Suche Speicherung Such-/Trefferlisten RSS-Feed Sitemap

3.4 3.4.1 3.4.2

Personalisierung Mobile Informationsdienste Spezif. Informationsangebot gemäß pers. Interessen Spezif. Informationsangebot gemäß regionaler Zugehörigkeit Layout Anpassung an pers. Präferenzen Individueller Newsletter Persönliche Startseite Persönlicher Bereich auf Portal Lesezeichen/Linklisten

3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7 3.4.8 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6 3.5.7 3.5.8 3.5.9 3.5.10 3.5.11 3.5.12 3.5.13

Community-Funktionen Newsletter Portalseitige Foren Mailinglisten Versenden-Funktion Chat-Funktion Buddylist/Who is online? Gästebuch Voting-Funktion Videokonferenz-Funktion ftf-Veranstaltungen Arbeitsumgebung/Groupware Online-Events Initiierung eigener CommunityAktivitäten

4 4.1

Strukturaspekte Zugangssystematik mit Bezug auf EThematik oberste Ebene zweite Ebene dritte und weitere Ebenen

4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.2.1

Zugangssystematik ohne Bezug auf EThematik Schulsystematischer Zugang – Allgemein bildende Schulen

62 4 Schul- und Bildungsportale im Vergleich – Methode und Ergebnisse einer Portalanalyse

4.2.2

4.2.3

- Auswahl Schulstufe, anschließend Auswahl Fach - nur Auswahl Fach - nur Auswahl Schulstufe - nur Auswahl Schulart - Auswahl Fach, anschließende Auswahl Schulstufe - Auswahl Schulstufe, anschließende Auswahl Schulart Schulsystematischer Zugang – Berufsbildung - Auswahl Bereiche Berufsbildung, anschließend Auswahl Fach - Auswahl Fach Weitere Zugangsarten - Fallbasierter Zugang - Zugang auf Aktualitätsbasis - Szenarienbasierter Zugang - Zugang nach Themenschwerpunkten

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3

Navigation Globale Navigation Bereichsnavigation Pfadnavigation

4.4 4.4.1

Grafische Gestaltung Aufbau der Webseiten - Seitenaufbau Startseite - Anzahl Spalten - Kopfzeile - Fußzeile - Seitenaufbau Unterseiten (Ebene 2-3) - Anzahl Spalten - Einheitliche Kopfzeile - Einheitliche Fußzeile Grafische Elemente - Eigenes Logo auf Startseite - Eigenes Logo auf Unterseiten - Partnerlogos/-namen auf Startseite - Werbebanner - Einheitliche Icons - Corporate Identity

4.4.2

5

Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen – Das Studienportal der Universität Duisburg-Essen Jörg Stratmann, Michael Kerres Universität Duisburg-Essen

5.1

Einleitung

Die Universität Duisburg-Essen (UDE) hat es sich zum Ziel gesetzt, zu einer E-University zu werden – einer Universität in der digitale Medien im Rahmen von Forschungs-, Lehr- und Verwaltungsprozessen eine wichtige Rolle spielen. Hierzu hat das Rektorat im Jahr 2006 die E-Strategie verabschiedet und in 2007 hat der Senat die Aufnahme der Vision einer E-University in das Leitbild der Universität beschlossen. 1 E-Learning, bzw. die Nutzung digitaler Medien zu Lehr-/Lernzwecken konnte sich im deutschsprachigen Raum bisher noch nicht nachhaltig durchsetzen. Entsprechend muss ELearning immer noch als Innovation betrachtet werden, obwohl in die Erstellung von E-Learning-Materialien von Bund und Ländern schon mehrere Hundert Millionen Euro geflossen sind (Kerres & Stratmann, 2005). Unsere These ist: „Das Lernen auf einer Lernplattform im Internet darf nicht zu einem isolierten Bestandteil eines akademischen Lebens werden, wo man sich mit einem papiergebundenen Formular zu Lehrveranstaltungen oder Prüfungen anmeldet und Beschaffungs- oder Rei1.

Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01PI05004 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.

64

5 Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen

seanträge eingereicht werden. Erst mit der konsequenten Digitalisierung dieser Prozesse wird auch das technologiebasierte Lernen selbstverständlich werden“ (Stratmann & Kerres, 2003, S. 100). Diese Verzahnung von Lehr-/Lern- und Verwaltungsprozessen findet auf dem Studienportal der UDE statt: Hier sollen den Studierenden und Lehrenden die digitalen Services, Informationen und Werkzeuge der Universität gebündelt angeboten werden. Ein Studienportal ist eine spezielle Anwendung, die sich an Studierende und Lehrende richtet, um diesen den Universitätsalltag zu erleichtern. Dafür müssen eine ganze Reihe von Bedürfnissen dieser primären Zielgruppen durch ein solches Portal erfüllt werden, da es andernfalls nur auf wenig Akzeptanz stoßen wird. Im Portal müssen Funktionen zusammenlaufen, die zum einen die Studienorganisation erleichtern, zum anderen Lernprozesse unterstützen. Darüber hinaus sollten hier weitere aktuelle (und für diese Zielgruppen relevante) Informationen gebündelt werden (single point of Information). In einem ersten Schritt wurde dazu an der UDE erhoben, welche Bereiche des student life cycle bereits durch Software unterstützt werden und für welche noch Konzepte zu entwickeln sind. In einem nächsten Schritt werden die für Studium und Lehre zentralen Systeme in einem Studienportal zusammengeführt. Mit diesem breiten Spektrum an Informationen, Funktionen und Services, die im Studienportal zusammengeführt werden, ist dies nicht nur eine technische, sondern vor allem auch organisatorische Herausforderung, da eine Vielzahl unterschiedlicher institutioneller Einrichtungen bei der Entwicklung des Portals einzubinden sind.

5.2

Organisatorische Rahmenbedingungen

Die Einführung eines Studienportals an einer Universität kann durchaus als Innovation gewertet werden. Nur wenige Universitäten in Deutschland machen es sich zurzeit zur Aufgabe, ihren Mitgliedern Services, Informationen und Werkzeuge für Studium und Lehre in einem Portal zur Verfügung zu stellen. „An innovation is an idea, practice, or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption. (…) The perceived newness of the idea for the individual determines his or her reaction to it. If the idea seems new to the individual, it is an innovation.“ (Rogers, 2003, S. 12) Welche Vorteile eine solche Innovation im Einzelnen für eine Organisation auch bringen mag; ihre Einführung gelingt nicht von selbst. Innovationen gehen in der Regel mit Veränderungen einher, werden mit Risiken verbunden und von den Mitgliedern einer Organisation häufig als etwas Bedrohliches erlebt. Wie bedrohlich die Veränderungen wahrgenommen werden, hängt etwa vom Neuigkeitsgrad ab und davon, wie weitreichend die Einschnitte sind, die die Innovation mit sich bringt (Seufert & Miller, 2003). Das Swiss Center for Innovations in Learning (SCIL) hat sich in mehreren Studien mit der Frage beschäftigt, wie E-Learning-Innovationen nachhaltig an einer Hochschule implementiert werden können und hierbei die in der Abbildung 5.1 beschriebenen Dimensionen ausgemacht.

Jörg Stratmann, Michael Kerres

Abb. 5.1:

65

Nachhaltigkeitsdimensionen von E-Learning Innovationen (Seufert, S. & Euler, D. 2004, S. 6)

Die einzelnen Dimensionen stehen zudem in einem Verhältnis zueinander, das von starken Wechselwirkungen geprägt ist. Es wird deutlich, dass die Einführung eines Studienportals keine rein technische Angelegenheit ist, sondern Auswirkungen auf organisatorische, kulturelle, ökonomische und didaktische Aspekte hat. Wichtig bei allen Entscheidungen, die bei der Implementierung von E-Learning-Innovationen, getroffen werden, ist, dass diese von einer Strategie geleitet werden: „While such a technology infrastructure strategy is absolutely essential, unfortunately it is often the first – and sometimes the only – strategy adopted by universities: build it and they will come. However the technology infrastructure plan should be driven by, not lead, the university's overall vision and strategy for its teaching.“ (Bates, 1997). Die Universität Duisburg-Essen ist eine von wenigen deutschen Universitäten, die eine entsprechende E-Strategie formuliert und im Rektorat beschlossen hat (http://ikm.uni-duisburg-essen.de/strategie). Die Einführung eines Studienportals ist kein Selbstläufer, sondern ist im Rahmen eines Change-Managements zu organisieren. Die erfolgreiche Einführung kann allerdings der Vision einer E-University dienen. Weitere Maßnahmen innerhalb der anderen Dimensionen (wie die Bereitstellung spezieller Support- und Schulungsangebote oder die Einführung eines Anreizsystems) sind dabei parallel zu vollziehen (vgl. Seufert & Euler, 2004; Kerres, 2001; Kleimann & Wannemacher, 2004; Stratmann, 2007).

5.2.1

Kompetenzen und Einstellung der Hochschulangehörigen

Hagner (2001) identifiziert an Universitäten vier unterschiedliche Typen von Lehrenden, die sich hinsichtlich ihrer Einstellung zu mediengestützten Lehr-/Lernprozessen unterscheiden lassen. Er empfiehlt zunächst festzustellen, welcher Typ bzw. Mix an der eigenen Hochschule vorherrscht, bevor weitere Schritte unternommen werden. Die einzelnen Typen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer Einstellung zu E-Learning, sondern auch in Bezug auf Maßnahmen, die sich eignen, um die E-Learning-Nutzung in einer dieser Gruppen anzuregen.

66

5 Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen

Für die erste Gruppe die „Entrepreneurs“ sind keine speziellen Maßnahmen notwendig. Diese Gruppe probiert intrinsisch motiviert neue Lehr-/Lehrszenarien. Bei den „Entrepreneurs“ handelt es sich in der Regel an einer Universität um eine kleine Gruppe, so dass für die Vision einer E-University nicht allein auf diese Gruppe gesetzt werden kann. Als zweite Gruppe macht Hagner die „Risk-Aversives“ aus. Dieser Gruppe ist ebenfalls eine hohe Qualität der Lehre wichtig, gleichzeitig ist die Risikobereitschaft begrenzt. Wenn diese Gruppe E-Learning zur Verbesserung der Lehre nutzen soll, müssen entsprechende Supportangebote an der Universität vorgehalten werden und es ist eine möglichst robuste Infrastruktur bereitzustellen. Die Einführung eines Studienportals erscheint damit vor allem für die Gruppe der „RiskAversives“ interessant. Die dritte und vierte von Hagner identifizierte Gruppe sind durch Supportmaßnahmen weniger zu erreichen. Für die dritte Gruppe, die „Reward-Seekers“, sind es vor allem Anreize, die sich günstig auf die E-Learning-Nutzung auswirken. Die Gruppe der „Reluctants“ ist durch eigentliche Maßnahmen gar nicht zu erreichen, jedoch durch positive Beispiele aus der eigenen scientific community. Hat sich die Nutzung von E-Learning zu einem normalen Bestandteil des Universitätslebens entwickelt, kann sich die Nutzung von E-Learning auch auf diese Gruppe ausweiten.

5.2.2

Akzeptanz von Innovationen

Die Akzeptanzforschung setzt bei den Nutzern an und versucht zu klären, warum eine Innovation angenommen oder abgelehnt wird (Simon, 2001). Nach Müller-Böling & Müller (1986) kann zwischen einer Einstellungs- und einer Verhaltensakzeptanz unterschieden werden. Die Einstellungsakzeptanz umfasst affektive und kognitive Komponenten, sie ist allerdings nicht direkt beobachtbar. Die Verhaltensakzeptanz zeigt sich in der tatsächlichen Nutzung einer Innovation. Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz müssen dabei nicht identisch sein. So kann die Nutzung einer Innovation trotz positiver Einstellung ihr gegenüber ausbleiben bzw. auch umgekehrt eine Nutzung trotz negativer Einstellung der Innovation gegenüber stattfinden (Euler, Hasanbegovic, Kerres, & Seufert, 2006). Zur Beschreibung und Analyse der Akzeptanz von Innovationen sind unterschiedliche Akzeptanzmodelle entwickelt worden. Ein recht bekanntes und weitverbreitetes Modell ist das Technology-Acceptance-Model von Davis (1989). Nach dem Modell von Davis hängt die Akzeptanz einer neuen Technologie von der vom Nutzer wahrgenommenen Einfachheit der Bedienung (perceived easiness of use) sowie vom wahrgenommenen Nutzen (perceived useness) ab. Daher ist den potentiellen Nutzern ein möglichst stabiles System zur Verfügung zu stellen, welches ihre Arbeits-/Lernprozesse spürbar erleichtert (siehe hierzu Kapitel 3.3). Zudem sollte es sich an gängige Softwarekonventionen halten, damit die Nutzer möglichst intuitiv auf die einzelnen Funktionalitäten zugreifen können (vgl. Kapitel 4.2) Während sich die Akzeptanzforschung mit der Annahmen bzw. Ablehnung von Innovationen beschäftigt, geht es in der Diffusionsforschung um die Geschwindigkeit mit der eine Innovation aufgenommen wird (Simon, 2001). Das nächste Kapitel behandelt die Integration eines Studienportals an der Universität Duisburg-Essen und geht dezidiert auf die Maßnahmen der Akzeptanzsicherung ein.

Jörg Stratmann, Michael Kerres

5.3

67

Das Studienportal der Universität DuisburgEssen

An der Universität Duisburg-Essen wird derzeit ein Studienportal entwickelt, welches vorhandene Informationen, Services und Werkzeuge bündelt und Studierenden und Lehrenden nach einer einmaligen Authentifizierung (single sign on) personalisiert zur Verfügung stellt.

5.3.1

Single point of information

Das Studienportal soll der zentrale Anlaufpunkt für Studierende und Lehrende werden. Entsprechend müssen die für diese Gruppen relevanten Informationen auf einem Portal zusammengeführt werden. Studierenden müssen hier Informationen zu ihrem Studiengang, zu ihren Studienmodulen, zu ihrer Prüfungsordnung erhalten, genauso wie zu aktuellen Stellenausschreibungen oder Neuigkeiten aus der Universität. Für Lehrende bietet es sich an, ihnen auf dem Studienportal Informationen zu Services und Dienstleistungen zu den Themen Lehre und Forschung anzubieten. Dies ist auch gleichzeitig eine wichtige Maßnahme im Rahmen der Kompetenzentwicklung von Lehrenden (Euler et al., 2006). Lehrende kennen oft nicht die Services und Dienstleistungen, die ihnen ihre Universität zur Verfügung stellt. Dies liegt häufig daran, dass die einzelnen Services und Dienstleistungen in der Regel von unterschiedlichen Einrichtungen in der Hochschule erbracht werden und entsprechend dieser Logik auch die Informationen dazu bereitgestellt werden. So informiert ein Medienzentrum über die Möglichkeit, Inhalte zu digitalisieren, während eine andere Einrichtung Plattformen betreibt, die es ermöglichen, nach abgestuften Rechten auf diese zuzugreifen. Eine weitere Maßnahme sind Schulungen oder didaktische Beratung, die Informationen dazu sind aber im Hochschulnetz versteckt (Gaiser, Haug, Rinn &Wedekind, 2006). Die Lösung besteht darin, Informationen nach Dienstleistungen zu strukturieren und nicht nach den Einrichtungen, die diese anbieten (Euler et al., 2006).

5.3.2

Integration von Werkzeugen und Services

An der Universität Duisburg-Essen sind – historisch bedingt – unterschiedliche Werkzeuge zur Unterstützung von Lehr-/Lernprozessen im Einsatz. Dies ergibt sich zum einen aus unterschiedlichen fachdidaktischen Bedürfnissen – so nutzt etwa der Fachbereich Biologie und Geografie seit Jahren sehr intensiv speziell das Learning Management System Ilias, zum anderen aus persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten (vgl. Back et al. 2001). Auch aus grundsätzlichen mediendidaktischen Erwägungen heraus erscheint es nicht begründbar, nur eine Lernplattform für eine große Universität mit einer hohen fachlichen Breite anzubieten. In den verschiedenen Fachkulturen dominieren unterschiedliche Lehr-/ Lernmethoden und damit werden auch unterschiedliche Werkzeuge für das E-Learning bevorzugt. Diesen Effekt hat bereits Schulmeister nachgewiesen.

68

5 Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen

Die Einführung einer zentralen Lernplattform kann folglich problematisch sein und auf wenig Akzeptanz stoßen. Andererseits ist zu fragen, ob es zeitgemäß ist, Studierenden und Lehrenden eine Vielzahl an (speziellen) Werkzeugen zur Verfügung zu stellen, die aber in der Regel alle eine eigene Benutzerkennung und ein Passwort benötigen und nicht an einer Stelle im Internet zusammengeführt sind. Die Lösung dieses Problems besteht an der Universität Duisburg-Essen in der Entwicklung eines Studienportals, welches die strategischen Werkzeuge der Universität integriert (vgl. Abbildung 5.2).

Abb. 5.2:

Das Studienportal der Universität Duisburg-Essen

Als Portal Framework kommt hierbei das Open Source Produkt Liferay zum Einsatz. Mit Hilfe sogenannter Portlets auf Java Basis werden die einzelnen Werkzeuge an das Studienportal angebunden. Als datenführendes System wird die Software Lehre Studium und Forschung (LSF) der HIS GmbH genutzt. Die Software ist an einer Vielzahl deutscher Universitäten im Einsatz, was die Übertragung des Studienportals der Universität Duisburg-Essen auf andere Universitäten erleichtern soll (vgl. Kapitel 3.3). Neben diesen Werkzeugen soll das Portal auch den Zugang zu einer Reihe von Services rund um Studium und Lehre ermöglichen. Aus diesem Grund werden neben den Werkzeugen für Lehr-/Lern- und Evaluationszwecke eine Reihe weiterer Systeme an das Portal angebunden. •

HIS LSF ermöglicht die Einstellung von Veranstaltungen ins Vorlesungsverzeichnis sowie die Anmeldung an Veranstaltungen.



HIS POS verwaltet die Anmeldungen zu Prüfungen sowie Prüfungsergebnisse.



Einbindung von Nachrichten aus der Universität sowie weiterer frei konfigurierbarer Nachrichten.



Zugriff auf das Benutzerkonto der Universitätsbibliothek.



Einbindung des Webmail-Accounts der Universität Duisburg-Essen sowie weiterer MailAccounts.

Jörg Stratmann, Michael Kerres

5.3.3

69

Nutzungsprofile für das Studienportal

Lehrende haben über das Studienportal Zugang zu ihren Lehrveranstaltungen in Online-Veranstaltungsräumen. In diesen Online-Veranstaltungsräumen können diese ihren Studierenden aktuelle Informationen bereitstellen, E-Mails an alle ihre Studierenden schreiben und auf alle Lernwerkzeuge zugreifen, die sie den einzelnen Veranstaltungen zugeordnet haben (etwa Moodle, BSCW, das Forum der UDE). Ein erneutes Anmelden an den einzelnen Werkzeugen erübrigt sich. Die Zuordnung der Werkzeuge zu einer Veranstaltung geschieht schon bei der Eingabe dieser in HIS LSF, kann aber auch im Nachhinein über das Studienportal geändert werden. Beim Anlegen einer Veranstaltung kann der Lehrende entscheiden, welche Werkzeuge er der Veranstaltung zuordnen möchte. Dazu wurde die Software HIS LSF durch einen Auftrag der Universität Duisburg-Essen erweitert. Lehrende wissen häufig nicht, welche Dienstleistungen ihnen von der Universität zur Verfügung gestellt werden. Dies umfasst auch die Werkzeuge zur Unterstützung von Lehr-/Lernprozessen wie etwa synchrone und asynchrone Kommunikationswerkzeuge oder ganze Lernplattformen. Solche Systeme werden meist mit hohem Aufwand von der Hochschule betrieben (Server-, Personal-, Wartungs- und Lizenzkosten). Werden diese Systeme aus Unwissenheit nicht oder nur von einer kleinen Gruppe genutzt, werden die hierfür aufgebrachten Mittel nicht optimal eingesetzt. Aus diesem Grund wurde die Nutzung dieser Werkzeuge stark vereinfacht. Lehrende müssen sich nun nicht mehr bei den einzelnen Werkzeugen gesondert registrieren, sondern sie bekommen beim Anlegen einer Veranstaltung in HIS LSF eine Liste aller von der Universität Duisburg-Essen zentral angebotenen Werkzeuge angezeigt, aus der sie die Werkzeuge auswählen können, die sie in ihrer Veranstaltung nutzen möchten. Dies kann im Falle einer Lernplattform die Zuordnung eines Werkzeuges, etwa Moodle, sein. Der Lehrende kann einer Veranstaltung aber auch mehrere Werkzeuge zuordnen, etwa ein Forum und einen Chat. So kann der Lehrende die Lernumgebung flexibel entsprechend des der Veranstaltung zugrundeliegenden Bildungsproblems bzw. seiner didaktischen Planung gestalten (Kerres, 2001). Damit dient das Studienportal zum einen als Single point of information, auf dem die für Lehr-/Lernprozesse bedeutsamen Services, Werkzeuge und Informationen zusammengeführt werden. Zum anderen findet eine logische Verkettung der Prozesse „Anlage einer Lehrveranstaltung“ und „Zuordnung/Buchung der dazu erforderlichen digitalen Werkzeuge“ statt. Dies stellt für die Lehrenden eine Verbesserung ihrer Arbeitssituation dar, was zu effizienteren Arbeitsprozessen führt. Hat der Lehrende einer Veranstaltung in HIS LSF ein Werkzeug (bspw. Moodle) zugeordnet, wird automatisch von HIS LSF eine Nachricht an Moodle versandt. Diese Nachricht sorgt dafür, dass ein Moodle-Kurs mit dem Namen der Veranstaltung erzeugt wird. Hierzu mussten Erweiterungen an der Software LSF sowie den anzubindenden Werkzeugen gemacht werden. Die Erweiterungen in HIS LSF werden in das normale Release aufgenommen und stehen damit auch anderen Hochschulen zur Verfügung, die HIS LSF nutzen. Die Anpassungen an

70

5 Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen

den Werkzeugen stehen anderen Hochschulen ebenfalls weitestgehend zur Verfügung. Durch die Aufnahme der Veränderungen der einzelnen Produkte in das normale Release des Herstellers der jeweiligen Software wird die nachhaltige Nutzung des Studienportals unterstützt. Die vorgenommenen Veränderungen etwa in HIS LSF werden auch in neuen Versionen durch die HIS bereitgestellt. Hierdurch sinkt der Pflegeaufwand an der UDE, da bei der Einspielung einer neuen Version, die für das Studienportal notwendigen Veränderungen nicht extra eingespielt werden müssen. Zudem wird die nachhaltige Nutzung des Studienportals durch die leichte Übertragbarkeit auf andere Hochschulen unterstützt. Nach Kruppa, Mandl & Hense (2002) kann erst von einer nachhaltigen Nutzung gesprochen werden, wenn die Ergebnisse und Erkenntnisse eines Vorhabens über die Laufzeit hinaus, auch an anderen Institutionen genutzt werden. Alle Studierenden, die sich zu einer Veranstaltung anmelden und zugelassen werden, erhalten automatisch eine Einladung zur Nutzung der zugeordneten Werkzeuge. Damit erübrigt sich die persönliche Einladung der Studierenden per E-Mail oder die Weitergabe von Passwörtern. Neben dem Zugang zu eigenen Veranstaltungen über das Studienportal können Lehrende auf •

die Nachrichten der Universität zugreifen, die mit Hilfe von RSS-Feeds vorkonfiguriert in das Studienportal eingebunden wurden. Daneben ist es dem Lehrenden aber auch möglich, weitere für ihn wichtige Nachrichten per RSS-Feed in das Studienportal einzubinden.



ihr Universitäts-E-Mail-Konto zugreifen. Über das Studienportal kann ein Lehrender seine E-Mails lesen und neue E-Mails schreiben. Auch universitätsfremde E-Mail-Konten lassen sich in das Studienportal einbinden.



ihr Bibliotheksnutzerkonto zugreifen und sich so über ihre aktuellen Ausleihen, Vormerkungen und Fernleihen informieren.



den von der Universität bereitgestellten Stellenmarkt zugreifen.



das Mensaangebot zugreifen, welches vom Studentenwerk bereitgestellt wird.

Die geschilderten Funktionalitäten unterstützen Lehrende in ihrem Arbeitsalltag, indem auf bestimmte Informationen (Liste aller Veranstaltungen/Studierenden, Notenübersicht) schneller zugegriffen werden kann und eine Reihe von Aktivitäten (Anlage einer Lehrveranstaltung und Einrichtung einer Lehr-/Lernumgebung, E-Mail an alle Teilnehmer usw.) effizienter durchgeführt werden können. Dies ist zwingend erforderlich, da die Lehrenden nur so einen spürbaren Mehrwert wahrnehmen, was für die Akzeptanz des Portals eine wesentliche Voraussetzung ist (vgl. Kapitel 2.2). Über das Studienportal kann der Studierende im Online-Vorlesungsverzeichnis der Universität nach passenden Veranstaltungen suchen und diese auch gleich buchen. Das Online-Vorlesungsverzeichnis der UDE wird mit dem Produkt LSF der HIS GmbH realisiert, aus diesem werden die Daten ausgelesen und im Studienportal innerhalb eines Portlets angezeigt. Die gebuchten Veranstaltungen werden dem Studierenden zum einen in der zeitlichen Übersicht in einem Online-Stundenplan angezeigt. Zum anderen kann sich der Studierende eine Liste seiner Veranstaltungen in einem Portlet anzeigen lassen. Durch das Anklicken des Veranstaltungsnamens gelangt der Studierende in die Detailansicht einer Veranstaltung; den OnlineLernraum zur Veranstaltung. Hier sind zum einen die wichtigsten Details zu der Veranstaltung

Jörg Stratmann, Michael Kerres

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zusammengefasst (Lehrender, Raum, Zeit, Credits), zum anderen werden dem Studierenden hier aktuelle Nachrichten zu der Veranstaltung angezeigt. Hat der Lehrende der Veranstaltung ein Online-Werkzeug zugeordnet, wie etwa Moodle, wird dem Studierenden ein Link zu diesem Tool im Online-Lernraum angeboten, ein nochmaliges Anmelden ist zum Betreten der Lernplattform nicht notwendig. http://www.e-teaching.org/news/tagungen/ Darüber hinaus hat der Studierende – analog zum Profil der Lehrenden – die Möglichkeit, sich Nachrichten, E-Mails, Stellen und das Mensaangebot anzeigen zu lassen sowie auf sein Bibliotheksnutzerkonto zuzugreifen. Damit sich ein Studienportal an einer Universität durchsetzt, genügt es nicht, die Lehrenden zu gewinnen, auch die Studierenden sind zu adressieren. Auch Studierende sollten die Nutzung des Studienportals als Gewinn wahrnehmen, etwa weil dieses die Studienorganisation und Lernprozesse unterstützt. Nur so kann die Akzeptanz auf Seite der Studierenden sichergestellt werden (vgl. Kapitel 2.2).

5.4

Einführung des Portals an der UDE

Um ein Studienportal an einer Universität einzuführen, sind eine Vielzahl von Aktivitäten notwendig. Schon vor der eigentlichen Einführung des Portals ist ein intensiver Kommunikationsprozess an der Universität zu initiieren. Das eigentliche Portal ist nur eine Hülle, es selbst hält keine Daten vor, sondern ist darauf angewiesen, dass es die Daten aus anderen Applikationen zur Verfügung gestellt bekommt. Hierzu sind eine Reihe von Vorarbeiten notwendig. So muss festgelegt werden, welche Informationen und Services an welcher Stelle im Portal angezeigt werden sollen. Es müssen aber auch die Voraussetzungen dazu geschaffen werden, dass die gewünschten Informationen integriert werden können. Diese zunächst simpel anmutende Feststellung kann allerdings zu einer Reihe von Schwierigkeiten führen: •

Zum Teil werden Daten nur als Dokumente gepflegt. Die Informationen sind nicht systematisch in Datenbaken eingebunden und können entsprechend nicht ausgelesen werden.



Die Daten werden zwar innerhalb von Datenbanken gepflegt, die Datenqualität ist aber schlecht, was diese Daten unbrauchbar macht.



Die Systeme, aus denen die Daten ausgelesen werden sollen, verfügen nicht über die notwendigen Schnittstellen.



Bei den auszulesenden Daten handelt es sich um „sensible“ Daten, die nicht oder nur ungern frei gegeben werden.

Die aufgeführte Liste umfasst nur einen Ausschnitt an möglichen Problemen. Ihnen allen gemein ist, dass zunächst Überzeugungsarbeit zu leisten ist. Dazu müssen die entsprechenden Einrichtungen davon überzeugt werden, dass es sinnvoll ist, diese Daten über das Studienportal bereitzustellen, dass die Daten dort vor unautorisiertem Zugriff geschützt sind und dass die Zusammenführung der Daten zu neuen Qualitäten für Studierende und Lehrende führt, für die es unerheblich ist, welche Institution die einzelnen Informationen bereitstellt (vgl. Kapitel

72

5 Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen

3.1). Zudem muss zum Teil von zentraler Stelle Unterstützung bei der Umsetzung, etwa Schnittstellenprogrammierung, Dateneingabe, angeboten werden.

5.4.1

Unterstützung durch Machtpromotoren

Günstig auf die Einführung einer Innovation wirkt es sich aus, wenn diese von entsprechenden Machtpromotoren vorangetrieben wird (Seufert, 2005). An der Universität DuisburgEssen steht das Rektorat hinter der Vision einer E-University und hat dies in der verabschiedeten E-Strategie auch entsprechend dokumentiert. Die Einführung des Studienportals ist hier ein wesentlicher Zwischenschritt. Die Arbeiten für die Einführung des Studienportals werden zudem durch das Prorektorat IKM (derzeit Prof. Dr. Michael Kerres) ganz wesentlich unterstützt, indem die Einführung selbst aber auch wichtige Vorarbeiten (Online-Anmeldung zu Kursen) als strategische Projekte für das Jahr 2007 definiert wurden (siehe hierzu auch http://ikm.uni-duisburg-essen.de/projekte). Damit sind wesentliche Weichen für die Kommunikation mit den entsprechenden Serviceeinrichtungen gestellt, zudem wird für die Mitglieder der Universität Duisburg-Essen sichtbar, mit welchen verbesserten Qualitäten sie in 2007 rechnen können.

5.4.2

Gestufte Einführung und Optimierung

Das Studienportal wird in zweifacher Hinsicht gestuft eingeführt: •

Zum einen wird die Nutzung zunächst an Referenzlehrstühlen erprobt.



Zum anderen werden auch nach der universitätsweiten Einführung des Studienportals im Wintersemester 2007/2008 weitere Werkzeuge und Services an dieses angebunden.

Die Einführung eines Studienportals ist eine heikle Sache. Die Erfahrungen, die in den ersten Wochen gesammelt werden, können dabei prägend für die weitere (Nicht-)Nutzung sein. Um das Risiko eines Fehlschlags zu minimieren, wird das Studienportal zunächst an einigen Referenzlehrstühlen erprobt. Die Auswahl der Referenzlehrstühle erfolgt zum einen danach, ob mit diesen bereits positive Erfahrungen in ähnlichen Erprobungsphasen vorliegen, zum anderen können sich an der Erprobung interessierte Lehrstühle beim Zentrum für Hochschul- und Qualitätsentwicklung bewerben. Die Referenzlehrstühle profitieren von ihrer Bereitschaft, das Portal zu testen, indem sie schon früher als der Rest der Universität auf eine Vielzahl der Funktionalitäten des Studienportals zugreifen können (vgl. Tabelle 1) und diese einen intensiveren Support erhalten als dies nach der universitätsweiten Einführung möglich ist. Die Erfahrungen, die diese Lehrenden mit ihren Studierenden sammeln, sind wesentlich für die Optimierung und Weiterentwicklung des Portals, insbesondere durch die Identifikation • • •

fehlerhafter Funktionen, fehlender Informationen, Funktionen und Werkzeuge und umständlicher Bedienungskonzepte.

Jörg Stratmann, Michael Kerres

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Auch der Ausbau des Studienportals wird gestuft vorgenommen. Zum Sommersemester werden den Referenzlehrstühlen schon wichtige Funktionen zur Unterstützung von Lehr-/Lernprozessen zur Verfügung gestellt. Zum Wintersemester 07/08 werden jedoch noch weitere Funktionen eingebunden sein. Aber auch dann kann nicht von einem „fertigen“ Studienportal gesprochen werden. Das Studienportal ist unserer Meinung nach eine fortlaufende Entwicklungsaufgabe. Im Gegensatz zu den relativ starren Lernplattformen stellen wir uns das Studienportal eher als hybride Umgebung vor (Kerres, Nattland, Weckmann, 2003), in der auch zukünftig aktuelle Entwicklungen aufgenommen werden können. bis 12/2006

Online Telefonbuch RSS-Feeds (konfigurierbar) BSCW Kalender HIS LSF Moodle Forum Mensaplan Stellenangebote

bis 06/2007

Chat Ilias DuEPublico Webmailer Aleph

bis 12/2007

Leistungsnachweise HIS POS Evaluation Self Service / Studentenverwaltung HIS SOS (zu klären) weitere (etwa Hotline/Trouble Ticket, Consulting via Videoconferencing)

Tab. 5.1

Anbindung von Konnektoren an das Studienportal in der zeitlichen Übersicht

Parallel zum Testbetrieb des Studienportals an den Referenzlehrstühlen wird das Studienportal einer Usability-Untersuchung durch das Duisburg Learning Lab (http://mediendidaktik. uni-duisburg-essen.de/learninglab) unterzogen und Studierende und Lehrende sollen mittels eine Fragebogenerhebung zu ihren Erfahrungen befragt werden.

74

5.5

5 Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen

Zusammenfassung

Die Einführung eines Studienportals an einer Universität ist als Innovation zu betrachten. Sie selbst ist aber nur ein Zwischenschritt und „enabler“ des langfristig angestrebten Ziels einer E-University: Die Universität Duisburg-Essen befindet sich derzeit auf dem Weg zur Erreichung dieses Ziels. Nach Rogers (2003) ist der Innovationsprozess erfolgreich, wenn eine kritische Masse von 10% bis 20% erreicht wurde. Bezüglich der Vision einer E-University Duisburg-Essen, in der die Nutzung von Medien in Forschungs-/ Lehr- und Verwaltungsprozessen einen wesentlichen Stellenwert einnimmt, ist die Universität Duisburg-Essen hierbei auf einem guten Weg: Wie eine Umfrage zur E-Learning-Nutzung im Wintersemester 2005/2006 zeigt, wird bereits jetzt in etwa 20% aller von der UDE angebotenen Lehrveranstaltungen E-Learning genutzt, womit diese kritische Masse erreicht scheint. Durch die Einführung des Studienportals erhoffen wir uns die Gewinnung weiterer E-Learning-Anwender, indem eine bessere Information über die und ein einfacherer Zugang zu den von der Universität strategisch angebotenen E-Learning-Werkzeugen geschaffen wird. Die Aktivitäten zielen dabei vor allem auf die „second wave“, bzw. die von Hagner identifizierte Gruppe der „Risk-Aversives“ ab, die durch das Studienportal zum einen besser über die an der UDE vorhandenen digitalen Werkzeuge informiert werden und zum anderen erleben können, dass die Aktivierung und Nutzung (dies zeigen etwa unsere Erfahrungen zum LMS Moodle) dieser Werkzeuge recht einfach ist.

Literaturverzeichnis Back, A., Bendel, O. & Stoller-Schai, D. (2001). E-Learning im Unternehmen. Grundlagen – Strategien – Methoden – Technologien. Zürich: Orell Füsli. Bates, A.W. (1997). Restructuring the University for Technological Change. Verfügbar unter: http://bates.cstudies.ubc.ca/carnegie/carnegie.html [17.12.2004]. Davis, F.D. (1989). Perceived Usefulness, Perceived Ease of Use and User Acceptance of Information Technology. In MIS Quarterly, 3, 319–339. DIN (1998). EN ISO Norm 9241-11:1998. Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmarbeitsplätzen. Teil 11: Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit – Leitsätze. Euler, D., Hasanbegovic, J., Kerres, M. & Seufert, S. (2006). Handbuch der Kompetenzentwicklung für E-Learning Innovationen. Eine Handlungsorientierung für innovative Bildungsarbeit in der Hochschule. Bern: Huber. Gaiser, B., Haug, S., Rinn, U. &Wedekind, J. (2006). Transparenz durch Webpräsenz? – E-Teaching Informationsangebote deutscher Hochschulen. In ZFHE, Jg.1/Nr.1 (März 2006), 110-121.

Jörg Stratmann, Michael Kerres

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76

5 Organisatorische Rahmenbedingungen für netzbasierte Bildungsressourcen

Stratmann, J. (2007). Mehrwert und Implementierung von Notebooks an Hochschulen. Münster: Waxmann. Stratmann, J. & Kerres, M. (2003). Ansatzpunkte für das Change Management beim Aufbau einer Notebook-Universität. In M. Kerres & B. Voß (Hrsg.), Digitaler Campus. Vom Medienprojekt zum nachhaltigen Medieneinsatz in der Hochschule (S. 93–103). (Reihe Medien in der Wissenschaft) Münster: Waxmann.

Teil B Portalbausteine – Community & Personalisierung 6

Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building (Stefanie Panke, Joachim Wedekind & Simone Haug, Institut für Wissensmedien, Tübingen)

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7

Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus (Benjamin Birkenhake, ZEIT online, Hamburg)

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8

Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog (Stephan Mosel, BildungsBlog, Hamburg)

111

9

Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule (Richard Heinen, Chefredakteur Lehrer Online, Bonn)

125

6

Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building Stefanie Panke, Joachim Wedekind, Simone Haug Institut für Wissensmedien, Tübingen

6.1

Einleitung

Während traditionelle Print-Produkte die Rolle eines Gate-Keepers innehatten, schüttet das Internet ein Füllhorn an Informationen über die Nutzer aus. Es obliegt denselben in dieser scheinbar unbegrenzten Menge situativ und individuell relevante Informationen ausfindig zu machen sowie die Qualität – z.B. Aktualität, Genauigkeit, Vollständigkeit – der Quelle zu beurteilen. Das Auffinden geeigneter Informationen wird zu einer zentralen Aufgabe der Mediennutzer. Zur Unterstützung der individuellen Informationsakquise hat sich ein spezifisches Format herausgebildet: Das Sammeln von Ressourcen und die Eröffnung von individuellen Zugangsmöglichkeiten, inzwischen oft gekoppelt mit dem Angebot, die Inhalte fortzuschreiben, sind spezifische Kennzeichen webbasierter Portale. In der Architektur bezeichnet ein Portal den mehr oder weniger umfänglich und kunstvoll gestalteten Eingangsbereich eines Gebäudes. Portale prägen jedoch nicht nur die Architektur, sondern zunehmend auch den virtuellen Raum: Taucht ein neues Phänomen am Horizont der gesellschaftlichen Wahrnehmung auf, reagieren politische Akteure, Wissenschaftler oder andere interessierte bzw. betroffene Gruppen häufig mit der Aufbereitung des Themas in Form eines Portals. Als eine zentrale Anlaufstelle soll die Webpräsenz Informationen bündeln und Diskurse anregen. Solche thematischen Fokuspunkte sind, insbesondere auch im Zuge des Web 2.0-Trends, zunehmend um Portale ergänzt worden, die nicht primär Inhalte bereitstellen, sondern Personen zusammenführen wollen. In unüberschaubarer Anzahl gruppieren sich Online-Communties in List-Servern, Weblogs, Wikis und Netzwerkplattformen.

80

6 Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick zu Anwendungskontexten von Bildungsportalen und bietet eine begriffliche Orientierung. Hierfür werden Grundlagen von Wissensmanagement und Community-Building dargestellt und auf Bildungsportale bezogen. Im Anschluss werden Ergebnisse einer 2007 durchgeführten Studie dargestellt, die Bausteine verschiedener Bildungsportale identifiziert.

6.1.1

Theoretischer Hintergrund

Was unterscheidet Webportale von anderen Informationsressourcen im Internet und was macht ein Portal zum Bildungsportal? Im Folgenden soll deutlich werden, wie Portale als Werkzeuge des Wissensmanagements fungieren, indem sie Wissen explizit machen, verbreiten und dauerhaft speichern. Portale bilden somit Lernräume, die einen schnellen Informationszugriff innerhalb wie außerhalb institutionalisierter Kontexte ermöglichen. Sie unterstützen damit ein Lernparadigma und Beziehungsmanagement, das mehr und mehr auf Selbstorganisation basiert (zur Bedeutung des informellen Lernens vgl. Overwien, 2004; Straka, 2004).

6.1.1.1

Begriffliche Eingrenzung

Es existiert kein allgemein anerkanntes Klassifikationsraster für Portale oder andere Webseiten-Genres. Vielmehr operieren verschiedene Autoren mit jeweils eigenen Ordnungssystemen, die mehr oder weniger unvermittelt nebeneinander stehen. Ursprünglich wurde der Begriff „Portal“ für große, zielgruppenübergreifende Dienste wie MSN, Yahoo! oder AOL verwendet. Die Metapher sollte Angebote charakterisieren, die Internetnutzern als Eingangsbereich ins WWW dienen. Inzwischen werden aber auch inhaltlich fokussierte Angebote als Portal bezeichnet. Großmann und Koschek (2005) sprechen in diesem Zusammenhang von „vertikalen Portalen“, die bestimmte fachliche oder technische Anforderungen adressieren. Nach Jafari & Sheehan (2003) erwarten Nutzer von Portalen im Unterschied zu anderen Webseiten, dass ein mehr oder weniger ausdifferenziertes redaktionelles Inhaltsangebot durch weitere Funktionen ergänzt wird, die verschiedenen Akteuren ermöglichen, die webbasierte Umgebung für ihre jeweiligen Bedarfe zu adaptieren. Auch Wilbers (2000) definiert in einem „Minimalkonsens“ Portale als „serviceintensive, personalisierbare Webseiten“. Portale zeichnen sich demnach gegenüber anderen Webseiten durch Funktionen aus, die eine individuelle Adaption und inhaltliche Partizipation ermöglichen. Nutzer/innen können Portale als persönlichen Wissensspeicher und Organizer nutzen, aber auch Informationen und Materialien mit Anderen teilen oder darüber diskutieren. Das Zusammenspiel von Inhalten, Design, Personalisierung und Community-Building stellt nach Manouselis & Sampson (2004) ein entscheidendes Charakteristikum dar. Im betrieblichen als auch im behördlichen Bereich dienen Portale in der Regel dazu, interne Kommunikations- und Wissensmanagementprozesse zu unterstützen oder im b2b sowie b2c Bereich als PR- oder Vermarktungsplattform (Sullivan, 2003). In diesem Kontext sollen Portale als Service-Angebote Dienste und Informationen von Organisationen online zugänglich machen (zum Thema „E-Governance“ vgl. Withrow, Brinck & Speredelozzi, 2000). Dementsprechend adressieren sie in erster Linie Personen, die mit der betreffenden Institution verbun-

Stefanie Panke, Joachim Wedekind, Simone Haug

81

den sind. Die Zielgruppe von Hochschulportalen stellen folglich Lehrende, Studierende oder Alumnis dar (Van Duyne, Landay & Hong, 2003). Es gibt nicht „das“ Bildungsportal, wie ein Blick in die Publikationslandschaft zeigt. Hier reichen die Beschreibungen von Katalogen, die sich mit Bildungsthemen befassen (Kos, 2004), über Online-Communties im Bildungsbereich (Seufert, 2002), Auftritte von Bildungseinrichtungen („educational forums“, Van Duyne, Landay & Hong, 2003, S. 159) bis hin zu Webseiten von Institutionen, die als Broker Bildungsangebote vermarkten (Schestak, 2002). Im Folgenden verwenden wir „Bildungsportale“ im Sinne von offen gestalteten, frei zugänglichen Informationsressourcen, die flexibel an wechselnde Aufgabenstellungen und Bedürfnisse anpassbar sind. Abgrenzen lassen sich Unterhaltungs- und kommerzielle Angebote ebenso wie Webseiten von Institutionen, die der Öffentlichkeitsarbeit dienen. •

Der Fokus von Bildungsportalen ist institutionenübergreifend; statt einen geschlossenen Nutzerkreis anzusprechen, stehen sie offen im Netz. Sie spiegeln keine institutionellen Strukturen und Dienstleistungen wider, sondern sind auf ein Thema oder eine Adressatengruppe fokussiert. Zudem schaffen sie oftmals Möglichkeiten der aktiven Teilhabe an der Weiterentwicklung und Fortschreibung der Inhalte.

6.1.1.2

Wissensmanagement

Unter Wissensmanagement wird die Organisation aller Prozesse verstanden, in denen Informationen, Erkenntnisse und Erfahrungen gesammelt, archiviert, verknüpft und verteilt werden. Wissen wird dabei als personen- und kontextabhängiges Gut gesehen, somit nehmen die Informationsträger eine zentrale Rolle im Wissensmanagement-Prozess ein (Reinmann, 2007). Seiler & Reinmann (2004) unterscheiden personales Wissen, über das allein ein Individuum verfügt, von öffentlichem Wissen (durch Kommunikation verbreitete Information sowie maschinell verarbeitbare Daten). Von Interesse ist der Prozess der Transformation des personalen in öffentliches Wissen und umgekehrt. Webportale bilden hierbei eine Drehscheibe für Informationen. Die Abläufe zwischen Betreibern und Nutzern können entlang des Prozessmodells nach Probst et al. (1999) eingeordnet werden (vgl. Abb. 6.1). Auf Seiten der Portalbetreiber werden die Ziele des Webauftritts festgelegt und entsprechende Inhaltsbereiche identifiziert, die auf dem Portal zur Verfügung gestellt werden. Für die Betreiber bilden Portale ein Instrument, eigene Wissensbestände explizit zu machen, an einen Personenkreis zu verteilen und dauerhaft external zu speichern. Die Portalnutzer greifen auf die im Portal dargebotenen Informationen zu und bewerten sie entsprechend der Anwendbarkeit innerhalb des eigenen Kontexts. Indem sie den Portalbetreibern Rückmeldung geben, findet ein Rückkopplungsprozess zwischen Benutzern und Betreiber statt. Nutzer können auf diese Weise Einfluss auf die Ziele und die Identifizierung neuer Inhalte nehmen.

82

6 Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building

Abb. 6.1

Portale als Informationsträger im Wissensmanagement-Zyklus nach Probst et al. (1999)

Während in redaktionell geprägten Angeboten die Prozesse der Identifikation und Anwendung von relevanten Informationen arbeitsteilig zwischen Portalbetreibern und Portalnutzern getrennt verlaufen, verschwimmen diese Grenzen bei Portalen, die maßgeblich von einer Community gestaltet werden. Je nach Charakter des Webangebots ergeben sich spezifische Organisationsregeln. So haben zum Beispiel Schmidt & Mayer (2006) für das Genre Weblogs charakteristische Prozesse identifiziert, die Verwendungsgemeinschaften in der Blogosphäre kennzeichnen. Darunter fallen die Bereiche Selektion (Auswahl der Inhalte), Publikation (auf welche Art und Weise wird dargestellt und veröffentlicht) sowie Vernetzung (wie wird auf andere Quellen verwiesen).

6.1.1.3

Community Building

Im Kontext des situierten Lernens prägten Lave und Wenger (1991) den Begriff Community of Practice. Kennzeichnend sind Wissensaustausch- und Verständigungspraktiken, die sich informell und selbstorganisiert ergeben. Situiertes Lernen in einer Community of Practice resultiert aus dem konkreten Arbeitsprozess heraus und ermöglicht, praxisbezogene Informationsbedarfe zeitnah zu decken (Rohs, Reuter & Fuchs-Kittowski, 2005). Zunächst im Kontext von lokalen und regionalen Kontaktnetzwerken untersucht, wird das Konzept der Communities of Practice seit Anfang der 90er Jahre auch im Webkontext diskutiert. Der Begriff der virtuellen Gemeinschaft wurde von Howard Rheingold (1994) eingeführt, der das Netz als utopische Gegenwelt und Online-Communities als demokratische und egalitäre Zusammenschlüsse souveräner Individuen ansah. Seine Vision erlebt im Zuge der Web 2.0-Euphorie ein Revival, was sich unter anderem in Slogans wie „Wir sind das Web“ und „Weisheit der Masse“ widerspiegelt.

Stefanie Panke, Joachim Wedekind, Simone Haug

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Die Anfänge des Internets waren dadurch geprägt, dass die Pioniere nicht nur Nutzer von Webangeboten, sondern in der Regel gleichzeitig auch Autoren eines Webauftritts waren. Doch während sich das Netz in den Neunzigerjahren zunehmend zu einem Massenphänomen entwickelte, setzte gleichzeitig eine Professionalisierung des Webdesigns ein. Ohne fundierte Kenntnisse von Content-Management-Systemen, HTML, CSS und Skriptsprachen ließ sich nur schwer ein zeitgemäßer Webauftritt erstellen, was für technisch nicht versierte Nutzer eine aktive Teilhabe erschwerte. Seit einiger Zeit etabliert sich ein erneuter Wandel in den Nutzungsformen. Durch niedrigschwellige Werkzeuge und Webservices wird einer breiten Masse die Darstellung eigener Themen eröffnet. Dienste wie Blogger, Twoday oder Wikihost ermöglichen mit wenigen Klicks das Einrichten eines eigenen Webauftritts. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia kann von jedem Internetnutzer editiert werden – es ist lediglich ein Login erforderlich. Eine persönliche Profilseite können Nutzer ohne großen Aufwand bei Netzwerkplattformen wie myspace oder Xing anlegen. Mit der Popularisierung von Social Software ändert sich auch die Nutzungsweise und Rolle von Portalen. Es entstehen immer mehr Kommunikationsplattformen, die auf die informationelle Selbst- und Mitbestimmung, Dezentralität und nicht-kommerzielle Weitergabe von Wissen setzen (Dittler, Kindt & Schwarz, 2007). Es reicht dabei bei weitem nicht aus, lediglich eine technische Plattform zur Verfügung zu stellen, damit eine Community entsteht. Zum Aufbau einer Community gehört ein fester Mitgliederkreis, der regelmäßig kommuniziert und interagiert. Dabei muss allerdings in Rechnung gestellt werden, dass zumeist weniger als 10 Prozent der Nutzer sich regelmäßig aktiv beteiligen (Nielsen, 2006). Oft werden Portale als „single point of information“ (Mahdavi & Shepherd, 2004) angesehen. Dieses Verständnis von Portalen als zentraler Anlaufstelle ist aber im Kontext von Web 2.0 zunehmend überholt. Wichtiger werden dagegen soziale und technische Austauschprozesse und Funktionen wie RSS-Feeds, die eine individuelle Informationsaggregation unterstützen (zur Rolle von „E-Communities“ vgl. Kolbitsch & Maurer, 2006).

6.1.2

Portalrecherche

Wie lassen sich für ein konkretes Portal sinnvolle Funktionsbündel festlegen? Im Gegensatz zu Evaluationsmaßnahmen, mit denen die Qualität und Akzeptanz eines Portalangebots bei den Nutzer/innen erhoben werden kann (vgl. Gaiser & Werner, in diesem Band), sind in der Planungs- bzw. Entwicklungsphase eines entsprechenden Angebots explorative Verfahren angebracht, mit denen geprüft werden kann, welche adressatenadäquaten Funktionen möglich und sinnvoll sind. Im Kontext von Erstellung und Aufbau des Portals e-teaching.org wurde die Konzeption unter anderem dadurch optimiert, dass zu mehreren Zeitpunkten Recherchen nach Funktions- und Inhaltsbereichen anderer Portale durchgeführt wurden (Panke & Wedekind, 2005). Hierzu wurde ein systematisches Vorgehen entlang eines Kriterienrasters entwickelt, das in anderen Projekten aufgegriffen und angepasst wurde (Hron & Neudert, in diesem Band).

84

6 Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building

6.1.2.1

Portalstudien

Bei der vergleichenden Sichtung von Webseiten lassen sich zwei Herangehensweisen unterscheiden: •

Rankings, die Punkte für die Erfüllung bestimmter Kriterien vergeben und als Ergebnis eine Rangliste von Webauftritten entsprechend der erreichten Punktzahl präsentieren,



Vergleichsanalysen, die anhand nicht gewichteter Kriterien das Vorhandensein bestimmter Merkmale abprüfen und einen deskriptiven Charakter haben.

Ranking-Verfahren legen zumeist grobe Untersuchungsdimensionen fest, die durch das Punktesystem unterschiedlich gewichtet werden. Fein-Kategorien dienen der Festlegung der Punktzahl in der jeweiligen Dimension. So untersuchte die Uni-Web-Studie (Politik-digital, 2001) die Webauftritte aller 17 Berliner Hochschulen hinsichtlich Inhalt, Gestaltung, Navigation, Interaktivität und Technik. Ein ähnliches Vorgehen wählen Duma & Hecht (2006). Sie untersuchen die Benutzerfreundlichkeit der Homepages von 21 zufällig ausgesuchten deutschen Universitäten. Anhand der Kriterien Struktur, Farbgebung, Layout, Qualität des Materials, Zielgruppenorientierung und Suchmöglichkeiten wurden die Seiten von den Autoren qualitativ begutachtet. Dabei wurden der erste Eindruck, die Menüführung, das Vorhandensein von Kontaktadressen (z.B. von Serviceeinrichtungen) sowie die Auffindbarkeit studienrelevanter Informationen (z.B. Vorlesungsverzeichnis) überprüft. Am Ende wurde eine Gesamtnote (von exzellent bis mangelhaft) vergeben. Ein weiteres Beispiel für Rankings ist der Internet-Branchenbericht (ProfNet, 2001). Die Marketing-Agentur ProfNet untersuchte hierbei Webpräsenzen von 285 Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland. Die Analyse der Websites umfasste 135 Kriterien, in den Untersuchungsdimensionen Inhalt, Interaktivität, Handling und Layout. Die Untersuchung wurde mit Hilfe eines automatisierten Verfahrens (ProfNet Internet-Screening) durchgeführt. Vergleichsanalysen sollen in einem Schnappschuss Charakteristiken erfassen bzw. den Status quo der Webseiten-Entwicklung für einen bestimmten Bereich abbilden. Häufig geht es darum, Entscheidungen bei der die Konzeption eines Webauftritts zu fundieren, indem die Gestaltung thematisch verwandter Angebote systematisch erhoben wird. Eine von Panke und Wedekind (2005) durchgeführte Portalrecherche diente der Herausarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen zum Portal e-teaching.org sowie als „Proof-of-Concept“ für die Einführung von Community-Funktionen. Hierzu wurde eine systematische Analyse von 88 Portalen aus den Bereichen Virtuelle Hochschule, Schule, Bildung, Training und sonstige E-Teaching-Themen durchgeführt. Für die langfristige Positionierung eines Portals können auf diese Weise inhaltliche und funktionale Ausgestaltungen ermittelt werden, die wenig oder gar nicht von vorhandenen Angeboten abgedeckt werden. Typischerweise werden bei einer solchen Studie in der Hauptsache Funktionen erhoben, die das im Mittelpunkt stehende Internetangebot auszeichnen bzw. deren mittelfristige Implementierung bereits geplant ist. Anstelle eines konkreten Portals kann auch ein Thema im Mittelpunkt einer Vergleichsanalyse stehen. So haben Gaiser et. al (2006) in einer Hochschulrecherche die Verortung von E-Learning-spezifischen Informationen in den Webauftritten aller bundesdeutschen Hoch-

Stefanie Panke, Joachim Wedekind, Simone Haug

85

schulen erfasst, um daraus Aussagen über die strategische Integration digitaler Medien in der Hochschullehre zu gewinnen.

6.1.2.2

Vorgehen

Für die Portalrecherche als Vergleichsanalyse sind zwei Aspekte von entscheidender Bedeutung. Zum einen die Zusammenstellung der Kriterien, entlang derer die Portale verglichen werden sollen; zum anderen die Auswahl des zu untersuchenden Portalsamples. Bei der vorliegenden Recherche wurde in einem ersten Arbeitsschritt eine Liste der zu untersuchenden Portale erstellt. Dabei wurden zunächst keine strengen Ausschlusskriterien angelegt, d.h. es wurden offen potentiell interessante Angebote gesammelt, unabhängig von der inhaltlichen Strukturierung und den bereitgestellten Funktionalitäten (z.B. Webseite, Wiki, Weblog). Zur Charakterisierung des Samples wurde der Schwerpunkt des jeweiligen Angebots durch die Recherchierenden in einer Kurznotiz erfasst. Bei der Zusammenstellung wurde darauf geachtet, hinsichtlich der inhaltlichen und funktionalen Ausgestaltung eine Bandbreite an Portalen abzudecken: •

Demographische Portale: Diese Webpräsenzen sind den Belangen einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe gewidmet. Die Interessen der Zielgruppe bestimmen die Auswahl und Gewichtung der Themen. Bei den demographischen Portalen wurden Angebote für ganz unterschiedliche Zielgruppen in die Recherche einbezogen: Kinder, Eltern, Lehrer, Studenten, spezifische Berufsgruppen, Frauen, Menschen mit körperlicher Behinderung, Senioren und Strafgefangene. Insgesamt wurden in dieser Gruppe 28 Angebote analysiert. Beispiele sind startrampe.net, ein Angebot für Rollstuhlfahrer und Querschnittsgelähmte, iparenting.com, ein englischsprachiges Portal für Eltern oder das Pflegewiki, ein Angebot für Pflegewissenschaften.



Themenportale: Auf einen Gegenstand fokussierte Portale sollen zu einem bestimmten Gebiet fundiert und umfassend informieren. In dieser Kategorie wurden mehrere Angebote mit dem Schwerpunkt „E-Learning“ ausgewertet, darunter auch e-teaching.org. Darüber hinaus wurde ein breites Spektrum an Inhaltsangeboten, z.B. zu Mathematik, Geschichte, Webtechnologien, Usability, Evaluationsmethoden, etc. einbezogen. Insgesamt wurden 32 Themenportale gesichtet. Beispiele sind europa-digital.de, ein Webauftritt über europäische Politik, Themenwikis wie TypoWiki oder gender-mainstreaming.net, ein Informationspool zu Gender-Fragen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.



Katalog-orientierte Portale: Diese Portale wollen als Knotenpunkt fungieren, um andere Webpräsenzen durch eine geeignete Verschlagwortung besser auffindbar zu machen. Der redaktionelle Anteil beschränkt sich auf die Auswahl und Beschreibung der verlinkten Original-Quellen. In dieser Kategorie wurden 29 Angebote untersucht, z.B. der deutsche Bildungsserver, landesspezifische Bildungsserver, Weiterbildungs-datenbanken oder themenspezifische Kataloge.



Portale als Plattform: Der durch eine zentrale Redaktion aufbereitete Inhalt tritt bei diesen Angeboten in den Hintergrund. In erster Linie soll der Nutzergemeinde eine Plattform geboten werden für Aktivitäten in einer Community und/oder die Bereitstellung eigener

86

6 Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building Inhalte. Bei den community-orientierten Plattformen wurden insgesamt 29 Webseiten gesichtet. Beispiele sind die Ressourcensammlung MERLOT, die Bilderplattform Prometheus, das Gruppen-Weblog BildungsBlog, die offene Lernumgebung Wikiversity oder auch die Netzwerkplattform Xing.

Das Sample spiegelt insgesamt verschiedene technische Realisierungen, inhaltliche Ausrichtungen und Zielgruppen wider. Bei der Betrachtung ausgeklammert wurden Genres wie Online-Zeitungen, E-Journals, virtuelle Wörterbücher und Online-Enzyklopädien, da sich solche Formate durch sehr spezifische Strukturierung und Textsorten auszeichnen. Die Portale wurden im Juni 2007 gesichtet und im Einzelnen hinsichtlich folgender Fragestellungen untersucht: •

Welche Zielgruppen werden angesprochen?



Wie ist die inhaltliche Ausrichtung? Welche Medien werden angeboten?



Gibt es eine zentrale Redaktion?



Welche allgemeinen Funktionen bietet das Portal?



In welcher Sprache sind die Inhalte verfasst? Gibt es eine zweisprachige Version?



Welche Zugänge gibt es zu den Materialen?



Welche Information-Retrieval-Funktionen und Navigationsmöglichkeiten sind verfügbar?



Welche Personalisierungs- und Communityfunktionen werden angeboten?



Über welche Quellen wird das Angebot finanziert?



Gibt es weitere Auffälligkeiten, Besonderheiten, Mängel oder besonders Gelungenes?

Zu diesen Themenkomplexen wurden insgesamt ca. 90 einzelne Items durch das Rechercheteam geprüft. Die Datenerfassung erfolgte durch Besuche der jeweiligen Webseite, wobei die Recherchierenden in der Regel auf einer nominalen Skala codierten, ob ein bestimmtes Merkmal vorhanden ist bzw. eine bestimmte Funktionalität abgedeckt wird (1) oder fehlt (0). Besondere Eigenschaften und qualitative Einschätzungen wurden in Anmerkungen dokumentiert. Beurteilungen wurden bei der Auswertung stichprobenartig bzw. im Fall von inhaltlichen Auffälligkeiten oder Widersprüchen überprüft. So erhebt die Recherche keinen Anspruch auf Vollständigkeit, entspricht aber dennoch vermutlich dem Eindruck, den normale Nutzer/innen von dem jeweiligen Internetauftritt gewinnen würden: Diese suchen in der Regel innerhalb eines Portals nicht lange nach spezifischen Funktionen oder Inhalten, sondern wechseln im Zweifelsfall zur nächsten URL. Die durch die Form der Codierung gegebene Möglichkeit der quantitativen Auswertung von Merkmalen und Merkmalsgruppen erlaubt eine allgemeine Charakterisierung der Landschaft der Bildungsportale. Damit sollten einerseits durchgängige und spezifische Funktionalitäten von Portalen ermittelt werden, andererseits inwiefern sich Standards der Informationspräsentation und -strukturierung sowie Angebote zur Nutzerbindung (Communities) herausgebildet haben (vgl. auch Kos et al., 2004). Erweitertes Ziel war die Herausarbeitung von Referenzlösungen für bestimmte Funktionalitäten, z.B. eine besonders gelungene Ansprache der Zielgruppe, Ideen für Textsorten oder innovative Servicefunktionen.

Stefanie Panke, Joachim Wedekind, Simone Haug

6.1.3

87

Ergebnisse

Wie versuchen die Anbieter von Bildungsressourcen in ihren Webpräsenzen den vielfältigen Herausforderungen und Anforderungen unterschiedlicher Nutzergruppen gerecht zu werden? Im Folgenden werden verschiedene Portalbausteine aufgeschlüsselt, unter anderem Navigations- und Suchoptionen, Medien- und Inhaltstypen sowie Personalisierungs- und CommunityFunktionen.

6.1.3.1

Redaktionelle Inhalte und Medienmix

Um einen ersten Eindruck vom „Charakter“ der Webseiten zu erhalten, wurde geprüft, wie der jeweilige Medienmix (Text, Bild, Audio, Video, Animation) aussieht und ob spezifische redaktionelle Formate angeboten werden. Insgesamt fällt auf, dass viele Portale Lesetipps und Linklisten sowie aktuelle News (z.B. einen Veranstaltungskalender) anbieten. Redaktionell aufwändigere Inhalte werden dagegen weniger häufig präsentiert. Nur gut ein Viertel der Portale verfügt über ein Glossar. Angaben über eine zentrale Redaktion fanden sich in einem Drittel der untersuchten Angebote. Auch beim Medien-Mix dominiert die Hypertextvertiefung. Allerdings sind multimediale und audiovisuelle Inhalte oft schwer auffindbar, da in der Regel kein zentraler Zugang zu den Medientypen vorhanden ist. In einem Großteil der demographischen Portale fanden sich ergänzend zum Text zumindest vereinzelt Bilder. Audio- und Video-Inhalte sind dagegen, ebenso wie Animationen, wenig verbreitet. Videos und Audio-Dateien werden zum Beispiel von der englischen Webseite teacher.tv angeboten. Hierbei handelt es sich um Aufnahmen von Lehrsituationen, die ein fallbasiertes Lernen ermöglichen sollen. Eine ähnliche Motivation – als „Testimonials“ – hat der Video-Einsatz bei zwei Elternportalen. Die Seite taubenschlag hält zwar Videos für die Zielgruppe „Hörgeschädigte“ für besonders geeignet, ein breites Angebot scheitert jedoch am Aufwand, weshalb sich nur ein Beispielfilm auf der Seite findet. Allerdings werden in den Unterseiten deafread und deafkid die Möglichkeiten der Inhaltsaggregierung von Vlogs (Videobeiträge in Weblogs) per RSS ausgenutzt. Spezifische Textsorten weisen 15 Angebote auf, z.B. „Fall des Monats“, „Projektsteckbriefe“, „der besondere Link“, „Dad of the month“, Witze oder auch Kolumnen. Ein Glossar wird von vier Angeboten vorgehalten. Audio, Video und Animationen sind in Community-Portalen wenig verbreitet. Ausnahmen bilden Angebote, die speziell auf die Bereitstellung eines bestimmten Medientyps ausgerichtet sind – zum Beispiel Youtube oder Knowledgebay. Bildmaterial wurde ebenfalls nur in der Hälfte der Seiten gefunden. Häufig handelt es sich dabei um von den Nutzern bereitgestellte Fotografien. Den Community-Angeboten ist gemeinsam, dass das Inhaltsangebot in der Hauptsache durch Nutzerbeiträge bestritten wird. Da der redaktionelle Anteil entsprechend gering ist, finden sich nur selten spezifische Textsorten (4/29), z.B. Tutorials, Lernmodule oder Software-Beschreibungen. Über ein Glossar verfügen lediglich zwei Angebote (Wikiversity, CNX). Die Katalog-orientierten Portale stellen in der Regel zentral verwaltete Ressourcen-Sammlungen dar. Abgesehen von einer standardisierten Erfassung von Ressourcen werden in Kata-

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6 Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building

logen eigene redaktionelle Formate nur selten angeboten. Neun Kataloge bieten ein Glossar. In einem Drittel der Fälle findet sich Bildmaterial. Die thematischen Portale bieten fast durchgängig Bildmaterial an. Vergleichsweise selten finden sich dagegen Animationen, Audioinhalte und Videos. Dreizehn Portale stellen spezifische Textsorten zur Verfügung, z.B. ein Glossar. Weitere Textsorten sind Interviews, Tipps und Tricks, steckbriefartige Informationen und Fallbeschreibungen wie beim Netzkollektor des Portals netzspannung.org. Hier werden „Showcases für medienkünstlerische Projekte“ vorgehalten. Das Portal qualitative-research.net beinhaltet ein E-Journal mit wissenschaftlichen Beiträgen. Animierte und audiovisuelle Inhalte werden für unterschiedliche Zielsetzungen eingesetzt. Aufwändige Animationen finden sich auf der Seite pastperfect.at. Hier dienen die Flash-Animationen zur Unterstützung einer explorativen Navigation. Das Portal Chemgapedia nutzt Videoaufzeichnungen von Praktikumsversuchen, um Phänomene und Verfahren anschaulich darzustellen. Im Portal e-teaching.org dienen Audioinhalte als Format für Podcasts – Interviews mit Wissenschaftlern und Praktikern der E-Learning-Szene.

6.1.3.2

Adressaten

Da die Zielgruppenorientierung ein zentrales Prinzip des Informationsdesigns darstellt (vgl. Horn, 2003) war für uns eine wichtige Fragestellung, welche Nutzergruppen durch die untersuchten Portale angesprochen werden. Richten sie sich an ein (wissenschaftliches) Fachpublikum, an eine bestimmte gesellschaftliche oder berufliche Gruppe oder sollen (auch) allgemein inhaltlich Interessierte angesprochen werden? Insbesondere interessierte uns, ob die Angebote bereits auf der Startseite deutlich machen, welche Zielgruppe sie adressieren. Bei den demographischen Portalen erfolgt in der Regel eine klare Ansprache der Zielgruppe direkt auf der Startseite (26/28). Eine Ausnahme bilden Angebote, die bei der Gestaltung der Homepage aktuelle Themen in den Vordergrund stellen oder eine nicht näher spezifizierte Öffentlichkeit ansprechen wollen, so z.B. beim Portal Planet Tegel „Wir Knackis laden Euch ein, unsere Welt kennen zu lernen“. Im Allgemeinen sind die Adressaten der demographischen Portale jedoch in erster Linie Praktiker oder Betroffene, nur wenige Angebote richten sich darüber hinaus auch an ein wissenschaftliches Fachpublikum oder an sonstige inhaltlich Interessierte. Die Zielgruppe ist also klar formuliert und kann dementsprechend passgenau angesprochen werden. Ein anderes Bild ergibt sich bei den Themenportalen. Hier wird lediglich von einem Viertel der Webauftritte die anvisierte Nutzergruppe auf der Startseite adressiert, wobei in der Regel ein Fachpublikum angesprochen wird. Im Vordergrund steht die Aussage, was das Angebot ausmacht, nicht an wen es sich richtet, so zum Beispiel beim „TypoWiki“ mit dem Slogan „das Wissensportal zu Schrift und Typografie“. Oft sind Angaben zur Zielgruppe auf Unterseiten verlagert. Ein Beispiel ist die Umgebung WEBGEO – auf der Homepage fehlen zwar Informationen zur Zielgruppe, aber die Unterseite „Einsatzmöglichkeiten“ erläutert: „Das WEBGEO-Angebot richtet sich in erster Linie an alle Studiengänge der Geo- und Umweltwissenschaften in der Hochschullehre.“

Stefanie Panke, Joachim Wedekind, Simone Haug

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Bei thematischen Weblogs ist auf Grund der genregemäßen vorrangig chronologischen Sortierung eine Ansprache der Adressatenschaft schwierig zu realisieren. Ein „Mission Statement“ mit dem der Blog eröffnet wurde, verschwindet schnell aus der aktuellen Ansicht. Gut gelöst ist dieses Problem zum Beispiel bei dem mit dem Grimme Online-Award ausgezeichneten Weblog onlinejournalismus.de. Hier werden unter dem Navigationspunkt „Über diese Seite“ die Zielgruppen des Angebots genauer beschrieben: „In erster Linie sind dies Onlinejournalisten, aber auch Journalisten anderer Medienbereiche sowie Kommunikationswissenschaftler.“ Communities leben von den Gemeinsamkeiten ihrer Mitglieder (“passion for a topic”, Wenger et al. 2002, 4). Erwartungsgemäß stellen mehr als zwei Drittel der Community-Plattformen transparent dar, an wen sich das Angebot richtet. Die Angebote wenden sich sowohl an Praktiker/innen, Wissenschaftler/innen als auch sonstige Personengruppen. Die Zielgruppe kann dabei durch ein gemeinsames Interesse charakterisiert sein wie bei der Seite elearningreviews („those interested in research on elearning“) und/oder durch einen gemeinsamen Kontext wie bei EducaNext („steht jedem Mitglied und Forscher der akademischen Welt zur Verfügung“). Plattformen wie XING, die eine andere Verwendung erfahren, als ursprünglich intendiert, weisen eine irreführende Zielgruppenadressierung auf. Die Seite steht unter dem Motto „XING – Globales Networking für Geschäftsleute“, allerdings hat sich die Community mehr und mehr in Richtung eines offenen Kontaktnetzwerks transformiert. Nur knapp über ein Viertel der Katalog-orientierten Portale stellt klar, an wen sich das Angebot richtet. Auch hier steht bei der Darstellung auf der Startseite die Frage „Was“ und nicht „Für wen“ im Vordergrund. Außerdem gilt: Je spezifischer die Ressourcensammlung, desto genauer ist die Zielgruppe definiert.

6.1.3.3

Information Retrieval und Personalisierung

Informationen müssen auffindbar sein, um genutzt zu werden. Die Darbietung von Informationen im digitalen Medium bietet hierzu eine Vielzahl von Möglichkeiten und erlaubt effiziente Formen des Suchens und Indizierens. Fast alle untersuchten Webseiten strukturieren die Inhalte in hierarchischer Form (102/118). Die häufigsten zusätzlichen Zugangswege neben der Strukturierung durch Rubriken sind der chronologische Aufbau (z.B. zeitlich sortierte Nachrichten, archivierte Beiträge oder auch Weblogs), die Navigation entlang typischer Probleme, Szenarien oder Fallbeispiele sowie die alphabetische Sortierung (üblicherweise in Form eines Glossars). Eine Hilfe, die in die Benutzung des Internetangebotes einführt und beispielsweise die Navigationsmöglichkeiten erläutert, wird von ca. der Hälfte der Portale vorgehalten; besonders häufig in Community-Seiten (23/29). Zielgruppenspezifische Zugänge spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Sie werden von Webseiten mit einer breiten Adressatenschaft angeboten, um eine bessere Passung der Inhalte zu den Bedürfnissen der jeweiligen Adressategruppe herzustellen. Ein zielgerichteter Zugriff auf Inhalte per Volltextsuche kann als „Mindeststandard“ bei den Information-Retrieval-Funktionen betrachtet werden und wird von 95 Portalen vorgehalten. Eine Expertensuche findet sich insbesondere häufig in Katalogen (16/29) sowie in Commu-

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6 Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building

nity-Plattformen (13/29) – hier meist in Verbindung mit einer Kontakt- und Wissensbörse, um gezielt nach Personen mit ähnlichen Interessen zu suchen. RSS-Feeds sind inzwischen zu einem wichtigen Portalbaustein avanciert. Gut ein Drittel der Webauftritte ermöglicht das Abonnement von Neuigkeiten (z.B. Nachrichten oder Aktualisierungen der Seite) per RSS. Am schwächsten ausgeprägt ist die Verbreitung in den demographischen Portalen. Hier konnten nur in vier Fällen RSS-Feeds gefunden werden. Die Option, spezifische Rubriken oder Textsorten per RSS-Feed zu abonnieren, bieten lediglich 11 Webseiten an. Erkenntnisse und Empfehlungen aus der Kognitionspsychologie weisen Maps als ein geeignetes Mittel aus, um die inhaltliche Struktur einer Webseite deutlich zu machen (Hannemann & Thüring, 1995; Potell & Rouet, 2003). In der Praxis sind visuelle Sitemaps jedoch selten. Lediglich fünf Portale offerieren eine solche zusätzliche Navigationsmöglichkeit (lehrer online, e-teaching.org, LOTSE, LIDWIG, Crashkurs e-Learning). Die weniger aufwändige Variante einer Text-Sitemap findet sich in 28 Angeboten. Neben dem Auffinden von Inhalten ist es auch wichtig, Anhaltspunkte zur Qualität der Quelle zu erhalten: Sind die Informationen aktuell? Ist der Internetauftritt gepflegt? Wird deutlich, welche Personen für das Angebot Verantwortung tragen und können diese kontaktiert werden? Viele Angebote versäumen es, den Nutzern Orientierungsmarken zu geben, um einzuschätzen, wie aktuell die Informationen sind und ob die Seite regelmäßig aktualisiert und gepflegt wird. Eine Startseite mit aktuellen Informationen (z.B. News) weisen 69 Portale auf, das Datum der letzten Änderung für einzelne Inhalte geben lediglich gut ein Drittel der Auftritte an. Zum Standard gehört die Nennung der inhaltlich Verantwortlichen. Eine Möglichkeit, die Betreiber per E-Mail zu kontaktieren, wird von drei Viertel der Portale geboten. Personalisierungsfunktionen sollen den Nutzern ermöglichen, aktiv mit Materialien umzugehen, Rechercheergebnisse zu archivieren und das Portal an eigene Bedürfnisse anzupassen: Damit Inhalte im Wortsinn bearbeitet werden können, sollten Online-Angebote entsprechende Interaktionsmöglichkeiten bieten und beispielsweise Annotationen ermöglichen. Es wurde daher untersucht, welche Funktionen und Services die Portale bieten, um mit den Inhalten umzugehen – z.B. im Browser Bookmarks auf bestimmte Seiten zu setzen, ausgehend von einem Nutzerprofil persönliche Empfehlungen zu erhalten, das Layout an eigene Präferenzen anzupassen oder individuelle Informationszusammenstellungen zu abonnieren. Ein beliebtes Vorgehen, um Webtexte zu lesen, zu bearbeiten und abzulegen, ist die Erstellung eines Ausdrucks. Eine spezielle Druckansicht bieten 44 Portale an. Eine Möglichkeit Webseiten mit Kommentaren zu versehen und zu archivieren, besteht über Linksammlungen, z.B. im Browser. Ein Sechstel der Portale verwendet Frames oder dynamisch generierte URLs mit Zeitstempel. Damit kann die URL nicht gespeichert bzw. in die Liste der Browser-Favoriten aufgenommen werden. Aufwändigere Personalisierungsfunktionen wurden in rund der Hälfte der untersuchten Webseiten gefunden, wobei sich Unterschiede je nach Ausrichtung des Portals zeigen: Zwei Drittel

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der Plattformen, gut die Hälfte der Kataloge, aber nur ca. ein Drittel der thematisch oder demographisch fokussierten Webauftritte beinhalten Personalisierungsfunktionen. Ein Viertel der Portale gibt Nutzern die Möglichkeit, innerhalb des Webauftritts Seiten für eine spätere Lektüre vorzumerken. Plattformen wie digg.com, citeulike.com, Xing oder Youtube bieten hierzu Tagging-Funktionen für eine individuelle Verschlagwortung an. Ein flexibles Layout, das z.B. eine Anpassung der Schriftgröße innerhalb der Seite ermöglicht, wird nur von insgesamt 16 Seiten vorgehalten. Am weitesten verbreitet ist ein persönliches Nutzerprofil. Mitgliederprofile spielen insbesondere in Community-Seiten eine große Rolle, da sie in der Online-Kommunikation ein gewisses Maß an sozialer Präsenz herstellen. Neben Informationen über die Person selbst enthalten Nutzerprofile oft auch Informationen über deren Rolle in der Community (Winkler & Mandl, 2004). Profile können ein sehr wertvolles Kapital der Community darstellen – vorausgesetzt, sie enthalten aktuelle und wesentliche Informationen. Entsprechende Suchoperatoren können Nutzern ermöglichen, Profile von anderen Mitgliedern einzusehen und zu Mitgliedern mit ähnlichen Interessen oder spezieller Expertise Kontakt aufzunehmen. Mobile Informationsdienste (z.B. SMS-Services) wurden nur in zwei Fällen gefunden: Im von der Hochschulrektorenkonferenz betriebenen Portal evaNet sowie im Internet-Branchendienst iBusiness.

6.1.3.4

Community-Funktionen

Um anbieterseitige Trends und potentielle Probleme in diesem Bereich zu identifizieren, wurde untersucht, welche Community-Funktionen von den analysierten Portalen angeboten werden und ob die Portale – soweit feststellbar – eine aktive Nutzergemeinschaft aufgebaut haben. Nur in der Hälfte der Portale, die Community-Funktionen anbieten, konnte das Rechercheteam aktuelle Nutzeraktivitäten ausmachen. Dies deutet darauf hin, dass das Angebot von Austausch und Kommunikation nicht für jede Zielgruppe bzw. jedes Angebot geeignet ist und verweist auf den Moderationsaufwand, um eine Community zu initiieren und fortlaufend zu betreuen. 27 der untersuchten Seiten sind Weblogs oder beinhalten eine Blog-Komponente. Hierbei kann unterschieden werden zwischen geschlossenen Blogs, die von einer Einzelperson oder einem Redaktionsteam geführt werden und offenen Gruppenblogs, die als Sprachrohr für eine Community fungieren. Ein Gruppenweblog, das sich in den letzten Jahren erfolgreich etablieren konnte, ist der BildungsBlog. Rege Kommentartätigkeit und Beiträge von unterschiedlichen Nutzern weisen diesen Auftritt als florierende Community-Plattform aus (zur Entstehungsgeschichte vgl. Mosel, 2007, in diesem Band). Nur wenige Portale bieten eine integrierte Weblog-Komponente an. Beispiele sind der Notizblog im Portal e-teaching.org sowie der Metablocker im Auftritt von politik-digital.de. Richtet sich der Fokus auf die Nutzeraktivitäten, scheinen in Portale integrierte Weblogs als Infrastruktur der Autorinnen und Autoren des Webauftritts wahrgenommen zu werden – entsprechend selten werden Einträge kommentiert.

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6 Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building

Nicht zuletzt auf Grund des Erfolgs von Wikipedia haben sich in den letzen Jahren auch diverse thematisch oder demographisch fokussierte Wikis etabliert. Bei der Recherche wurden unter anderem die Angebote typowiki, apfelwiki und pflegewiki untersucht. Als offene Community-Plattform, die in Form eines Wikis realisiert ist, wurde zudem die Wikiversity in die Recherche einbezogen – „eine „Plattform zum gemeinschaftlichen Lernen, Lehren, Nachdenken und Forschen“, so die Einstiegsseite des Projekts. Hier können auf unkomplizierte Weise, zum Beispiel zum Thema einer Lehrveranstaltung oder zu einem persönlichen Interessengebiet, Projekte oder auch ganze Kurse angelegt und kollaborativ bearbeitet werden. Auffällig ist, dass sämtliche portalbezogene Kommunikation und Interaktion über die WikiFunktion abgehandelt wird. Andere synchrone oder asynchrone Community-Funktionen wie Chats, Votings, Weblogs, Mailinglisten, Kommentare oder Foren werden nicht gesondert implementiert. Eine Ausnahme bildet das Apfelwiki, hier findet sich ein Forum, in dem Anwenderprobleme und technische Neuigkeiten diskutiert werden. Das grundlegende Prinzip „jeder kann mitmachen“ muss nicht zwangsläufig auf einem WikiCMS basieren. Die Plattform indymedia.org ist ganz ähnlich ausgerichtet: „Dein Audio, Video, Photo und Text direkt aus Deinem Browser hier veröffentlichen“ – diese Option bietet der „indipendent media center“ auch nicht-registrierten Nutzern an. Die integrierte, mehrsprachige FAQ ist als Wiki realisiert. Insgesamt gesehen sind Community-Funktionen wie Weblogs oder Wikis selten in ein Portal integriert – es sei denn, das Angebot basiert von vornherein auf einem entsprechenden Content-Management-System. Eine Ausnahme stellt der deutsche Bildungsserver dar, der seit Juni 2007 eine Wiki-Infobörse anbietet. Eine bewährte und verbreitete Community-Funktionen ist der Newsletter, um Adressaten per E-Mail über Neuigkeiten zu informieren und zum Besuch der Seite zu animieren. Ebenfalls beliebt sind Foren und Kommentarmöglichkeiten zu einzelnen Artikeln. Synchrone Kommunikationsformen wie Chat sind dagegen nur sehr selten zu finden. Ähnlich wenig verbreitet sind Awareness-Funktionen, die anzeigen, welche Community-Mitglieder gerade online und im Portal eingeloggt sind. Welche Maßnahmen ergreifen Portalbetreiber, um den Austausch in der Community gezielt zu fördern? Auf insgesamt fünfzehn Webseiten werden Nutzertreffen und andere Präsenztermine angekündigt, um zumindest den „harten Kern“ der Community durch Kommunikationsanlässe im realen Raum zu stärken. Fünf Portale veranstalten Wettbewerbe, so zum Beispiel das Bildarchiv prometheus mit der Ausschreibung „esPrix“ – ein Preis für studentische Projekte im Fach Kulturwissenschaften. Moderierte Online-Events finden sich in zehn Fällen, zumeist in Form von Expertenchats, Webcasts oder Schulungen. Vereinzelt bieten Portale Bewertungen per Rating (z.B. Sterne oder Punkte) an, um die Nutzer die Qualität einzelner Inhalte kommentieren zu lassen. Ein Beispiel ist die englische Webseite MERLOT. Hierbei handelt es sich um eine Material-Tauschbörse, in der die Mitglieder eigene Inhalte zur Verfügung stellen und nach Materialien suchen können. MERLOT betreibt dabei Qualitätssicherung durch ein spezielles peer-review Verfahren.

Stefanie Panke, Joachim Wedekind, Simone Haug

6.1.4

93

Fazit

Während Unternehmensportale in der Regel betriebsinterne Kommunikations- und Wissensmanagementprozesse unterstützen sollen oder im b2b sowie b2c Bereich als PR- oder Vermarktungsplattform dienen (vgl. Sullivan, 2003), verfolgen die hier beschriebenen Portale implizite oder explizite Bildungsziele: Sie sollen ihre Nutzer/innen über Sachverhalte informieren und Lernprozesse ermöglichen. Die unbeschränkte Zugänglichkeit schafft dabei insbesondere vielfältige Anknüpfungspunkte für informelles Lernen. Da es sich per Definition um eine selbstorganisierte Aktivität handelt, kann informelles Lernen nicht konzeptionell verankert, sondern lediglich durch geeignete Rahmenbedingungen unterstützt werden (vgl. Straka, 2004). Eine wichtige Rolle spielen Adaptivität und Partizipation – die Anpassungsfähigkeit von Bildungsportalen an wechselnde Aufgabenstellungen und Bedürfnisse sind deshalb wichtige Voraussetzungen für die Unterstützung informeller Lernprozesse. Viele Online-Communities scheitern, viele Portale werden als unübersichtlich erlebt. Die Herausforderungen bei der Gestaltung sind weniger technisch bedingt, sondern gehen vielmehr auf die Aufmerksamkeit und die kognitiven Ressourcen der Nutzer zurück („Although it is true that electrons are cheaper than paper […], human patience is a limited resource“, Hart, 2003). Dabei besteht ein grundsätzliches Spannungsverhältnis zwischen der funktionalen und thematischen Breite einerseits sowie der Gewährleistung von einer gebrauchsfreundlichen Oberfläche und einer gemeinschaftsförderlichen Atmosphäre andererseits. Entscheidend ist daher die Auswahl geeigneter Portal-Bausteine, um die „Einnischung“ eines Angebots in die bereits bestehende Palette von Online-Angeboten zu ermöglichen. Vergleichsanalysen können hierbei analog zu einer Literatursichtung bei der thematischen Einarbeitung in ein Wissensgebiet aufgefasst werden: Sie dienen der Erschließung bereits etablierter Funktionalitäten und der Identifikation möglicher Alleinstellungsmerkmale. Für Gestalter und Anbieter bieten sie einen Leitfaden, um den Designprozess mit Überblicksinformationen und beispielgebenden Referenzlösungen zu unterstützen. Allerdings bilden sie immer nur einen zeitlichen Schnappschuss und einen begrenzten Ausschnitt ab (vgl. Kalbe, 2000). So kann durch eine Recherche die „Fassade“ von Portalen betrachtet werden, nicht aber die zu Grunde liegenden gestalterischen Entscheidungen und redaktionellen Prozesse. Mit den hier beschriebenen Portalbausteinen und den dabei verwendeten Merkmalitems konnten solche Momentaufnahmen erstellt werden. Sie erlaubten im konkreten Anwendungsfall die begründete Fortschreibung des Portals e-teaching.org bezüglich Funktionalität und Inhaltskonzeption. Ein derart abgesichertes Vorgehen bietet sich für die Entwicklung aller Portale an, die themen- und adressatenorientierte Angebote nachhaltig, d.h. dauerhaft und für eine stabile Community, betreiben wollen.

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6 Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building

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6 Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building

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7

Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus Benjamin Birkenhake ZEIT online

7.1

Einleitung

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Aktivitäten von ZEIT online im Kontext von Web 2.0. Im Gegensatz zu anderen Praxisbeispielen, die im vorliegenden Sammelband dargestellt werden, zählt ZEIT online zwar nicht im engeren Sinne zur Gattung der Bildungsportale. Gleichwohl kann durch eine ganze Reihe von Ähnlichkeiten und Parallelen eine gewisse Nähe ausgemacht werden. Insbesondere der eigene Anspruch und die Zielsetzung von ZEIT online weist deutlich über den Rahmen eines Nachrichten-Portals hinaus und zielt auf informelle Bildungsprozesse ab. Der Aufbau der ZEIT online-Communities trägt deutliche Züge von Web 2.0 und von Bildungsportalen. So gibt es zum einen Überschneidungen zu bildungsrelvanten Themen, wie Politik und Kultur und zum anderen die Möglichkeit über Werkzeuge der asynchronen Kommunikation, wie Foren, Gruppen, Artikel und Kommentare in eine Austausch zu treten. Gleichzeitig bemüht sich die Online Zeitung, die Nachhaltigkeit der erstellten Inhalte zu erhöhen und den Benutzern effektiv zur Verfügung zu stellen. Die im Kontext von Web 2.0 auftretende Nähe zwischen Bildungsportalen und Online-Zeitungen wird in diesem Beitrag anhand der ZEIT online-Campus Community untersucht. Online-Communities sind seit langem Bestandteil des Internet. In der Regel bieten sie ihren Mitgliedern mit unterschiedlichen Werkzeugen die Möglichkeit, Inhalte und Kommunikation selbstständig zu gestalten und sich so zu ganz unterschiedlichen Themen und Zielen zu organisieren. Dabei ist der Kanon der Werkzeuge von Online-Communities seit einiger Zeit unter dem Begriff Computer Supported Collaborative/Cooperative Work (CSCW) (McDonnel, 2000; Backer, 1992) bekannt und annähernd stabil: •

Benutzerrepräsentation in Form eines Benutzer-Profils / Avatars



Redaktionelle Artefakte / Ressourcen wie etwa Artikel, Beiträge

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7 Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus



Foren, Diskussionsräume und Möglichkeiten zur direkten Kommunikation zwischen den Benutzern



Taxonomien zur Strukturierung der Inhalte

Diese Kernfunktionen finden sich in den meisten virtuellen Communities wieder (Dempster, 2003). Ergänzt werden diese Funktionen um Komponenten, die den Aufbau von Netzwerken ermöglichen. Diese Komponenten können entweder explizit sein, wie die Kontaktfunktionen von Portalen wie Xing1 oder Facebook2, die es ermöglichen Adressbücher anzulegen und gemeinsame Gruppen zu gründen. Sie können aber auch implizit sein, wie beispielsweise die sozialen Netzwerke der Ebay3 Marktplätze, die sich aus wiederholten Transaktionen ergeben (Marschall, 2007). Trotz einer zunehmenden Kanonisierung der notwendigen Funktionen im Aufbau von Communities, ist seit langem bekannt, dass die Bereitstellung von Funktionen alleine keine erfolgreiche Community ausmacht. Vielmehr ist es wichtig, die Bedürfnisse der Zielgruppe(n) zu kennen und zu berücksichtigen, sowie einen Rahmen aus thematischen Vorgaben und redaktioneller Betreuung zu bieten (Preece, 2000). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang zudem, dass Online-Communities in Form von CSCW zwar schon seit den späten 90ern erfolgreich eingesetzt und wissenschaftliche begleitet werden – ihnen aber jetzt im Kontext von Web 2.0 eine weit größere wirtschaftliche Bedeutung zugeschrieben wird. Viele Akteure, die seit Jahren am Markt aktiv sind, wie Online-Zeitungen und -Zeitschriften, große Shops und andere Content-Anbieter ergänzen nun ihr Angebot um Communities und benutzergenerierte Inhalte (UGC – User Generated Content). Zwar treffen dabei einige der Kriterien von Web 2.0 (vgl O'Reilly 2005) auf Online Communities zu – und ein guter Teil des Erfolges des Web 2.0 liegt in der Aktivierung der Benutzer, im Wandel vom Konsumenten zum Ko-Produzenten – doch gerade, weil Communities schon verhältnismäßig lang etabliert sind, lassen sie einige der Neuerungen von Web 2.0, insbesondere die stark technisch orientierten, vermissen (vgl. Bächle 2006).

7.2

ZEIT online

Im Kontext von Web 2.0 baut auch ZEIT online sein derzeitiges Internetangebot weiter aus. Als eigenständiges Unternehmen in der ZEIT Firmengruppe, ausgestattet mit einer eigenständigen Redaktion und Technikabteilung, ist ZEIT online verantwortlich für fast alle Aktivitäten der ZEIT Firmengruppe im Internet. Zentrale Seite des Angebotes ist zeit.de. Neben den Inhalten, die in der Online-Redaktion erstellt werden, wird das Angebot von ZEIT online täglich durch Inhalte aus der Wochenzeitung Die ZEIT sowie den Magazinen des ZEIT Verlages ergänzt. Parallel dazu nutzen Autoren aus der Printredaktion und ein Netzwerk von freien Autoren das Content Management System (CMS) sowie weitere Community Werkzeuge zur zeitnahen Online-Publikation von Inhalten. 1.

http://xing.com

2.

http://facebook.com

3.

http://ebay.de

Benjamin Birkenhake

99

Zum Angebot von ZEIT online gehören schon seit langem Funktionen, die es den Benutzern erlauben, mit der Redaktion und untereinander in Austausch zu treten. So bietet ZEIT online seit längerem ein eigenes Forum (die Debatte) und Leserkommentare. Im Rahmen von Web 2.0, neuer technischer Möglichkeiten, und neuer Ansprüche der Benutzer wird ZEIT online die Möglichkeiten für seine Benutzer im Portal aktiv zu werden, massiv ausbauen. Eine erste Umgebung für diese neue Entwicklung ist die ZEIT Campus Community, die allerdings nur im Kontext der gesamten ZEIT online Architektur verstanden werden kann. Daher wird im Folgenden zunächst der inhaltliche und technische Aufbau von ZEIT online erläutert, bevor auf das Produkt ZEIT Campus und die Campus Community näher eingegangen wird. Die in der Campus Community entwickelten Konzepte und Erfahrungen werden schließlich wieder in den größeren Rahmen von ZEIT online integriert.

7.2.1

Das ZEIT online Angebot

ZEIT online ist mit über 40 Millionen Seitenaufrufen pro Monat die derzeit drittgrößte Online-Zeitung unter den Qualitätsmedien. Der wichtigste Teil des Angebotes verteilt sich auf die Startseite, sowie die Ressortseiten, die auch Centerpages genannt werden. Homepage und Centerpages bestehen aus Aufmachern, so genannte Teaser, die auf die eigentlichen Artikel verlinken. Die Reihenfolge der Aufmacher wird derzeit in erster Linie von den Redakteuren mit Hilfe des Content Management System von Hand gesetzt. Die Steuerung der Informationsangebote durch die Redakteure ist eine der zentralen Aufgaben der Redaktion. Dies steht in Konkurrenz zu anderen Webseiten-Formaten wie Blogs oder Google-News, bei denen die Übersichtsseiten algorithmisch erstellt werden und die insbesondere im Web 2.0 an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig stellt der wichtige Anteil der Redaktion an der Gestaltung des Angebots eine zentrale Parallele zu Bildungsportalen dar. ZEIT online hält anders als die meisten anderen Internetangebote deutscher Zeitungen alle elektronisch publizierten Artikel weiterhin kostenlos, langfristig und technisch nachhaltig online. Derzeit sind ca. 100.000 Beiträge und ca. 55.000 Leserkommentare von 170.000 registrierten Mitgliedern über ZEIT online verfügbar. Einzige Ausnahme von dieser Regelung bilden Pressefotos, die nur über einen bestimmten Zeitraum verfügbar gehalten werden können. ZEIT online ist zwar vom Selbstverständnis und der Zielsetzung des Portals aus gesehen kein Bildungsportal, dennoch können Bezüge zwischen den Genres festgestellt werden. Die traditionelle thematische Ausrichtung des Hauses auf die Bereiche, Politik, Kultur, Wirtschaft sowie das Charakteristikum der ZEIT, lange Beiträge und ausführliche Hintergrundinformationen zu bieten, macht das Portal mit seinem beachtlichen Artikel-Bestand zu einem reichhaltigen Fundus für Bildungsinteressierte.

7.2.2

Das ZEIT online Content Management System

Das CMS von ZEIT online ist für die Produktion und Veröffentlichung der Homepage, der Centerpages sowie der unterschiedlichen Artikel-Typen optimiert. Dabei ist die gesamte Funktionalität des Redaktionssystems auf einem lokalen Zope-Server konzentriert. Zope erstellt in erster Linie Dokumente in unterschiedlichen XML-Formaten. So gibt es ein XML-

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7 Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus

Format für Home- und Centerpages und mehrere für die jeweiligen Artikeltypen. Diese XMLDaten werden in einem Ordnersystem abgelegt. Der Prozess der Publikation von Inhalten besteht darin, die erstellten XML-Dokumente vom Redaktionsserver auf den Live-Server zu kopieren. Dort stehen sie als XML-Dateien zur Verfügung. Bei Seitenanfragen werden die XML-Dokumente für die Ausgabe in Echtzeit in HTML umgewandelt. Diese Methode hat sich als ausgesprochen effektiv, performant, robust und flexibel erwiesen, da problemlos auch andere XML-Quellen – eigene oder fremde – integriert werden können. Gleichzeitig bietet diese Methode aber auch einen zentralen Nachteil: Der Ansatz basiert auf der Präsentation von statischen Dokumenten. Interaktionsmöglichkeiten, wie man sie in Communities braucht, um beispielsweise Benutzerkommentare direkt auf den Server zu speichern, lassen sich so nicht implementieren. Die derzeitige Architektur der Live-Server ist nicht in der Lage a) eingehende Daten zu speichern und b) die komplexe Logiken einer CommunityAnwendung, wie Benutzer-, Gruppen-, Inhalts-, Datei- und Rechteverwaltungen umzusetzen. Daher musste für den Aufbau einer eigenständigen, umfangreichen Community-Software ein anderer Weg gefunden werden. Datenaustausch über unterschiedliche XML Formate ist ein zentraler Aspekt und Grundlage für die Flexibilität vieler Web 2.0 Angebote. Dass XML seit langer Zeit im Kern des ZEIT online CMS steht, hat sich während des Aufbaus der Community-Anwendung als großer Vorteil herausgestellt, da nötigen Kompetenzen bereits vorhanden waren und sich der Datenaustausch zwischen Community und CMS effektiv realisieren ließ.

7.3

ZEIT Campus

7.3.1

Inhalt und Zielgruppe

Die Zeit Campus Community ist eines der drei Angebote des neuen ZEIT Campus Produkts. ZEIT Campus richtet sich an Abiturienten und Studenten und versucht auf mehreren Ebenen diese Zielgruppe zu erreichen. Alle zwei Monate erscheint das Magazin ZEIT Campus. Neben dem Magazin bietet DIE ZEIT wöchentlich studentische Themen. Die Community soll die Benutzer tagesaktuell und direkt erreichen und bietet zusätzlich Interaktions- und Gestaltungsmöglichkeiten. Die ZEIT Campus Community möchte das Qualitätsversprechen der Marke ZEIT auf ein Community-Portal übertragen und einlösen. Zu dem Zweck werden in der Community zum einen die Inhalte aus der Wochenzeitung und dem Magazin aufgegriffen und mit den Benutzern weiterentwickelt. Zum anderen sind die Werkzeuge und Funktionalitäten langfristig auf die Erstellung von „wertvollen“ Inhalten durch die Benutzer ausgerichtet. Zu diesem Zweck erhalten die Benutzer beispielsweise Inhaltstypen, die an journalistische Textgattungen angelegt sind. Sie bekommen die Möglichkeit, ihre Inhalte zur späteren Weiterverwendung und besseren Auffindbarkeit mit Metadaten zu versehen, und es gibt eine enge Verzahnung zwischen redaktionellen und von benutzererstellten Inhalten. Ziel dieser Bemühungen ist eine „Content Community“.

Benjamin Birkenhake

101

Zur Sicherung der Qualität sind sowohl Community-Manager als auch viele Autoren des Hauses in der Community aktiv, erstellen Inhalte, beteiligen sich an Benutzergruppen, nehmen an Diskussionen teil und lenken Aufmerksamkeit von den redaktionellen Seiten auf Bereiche der Community. Die Themen des Portals sind in erster Linie auf die Zielgruppe Studierende und junge Wissenschaftler ausgerichtet. Da „Student sein“ aber nur in begrenztem Maße als inhaltliche Kategorie zu verstehen ist, finden auch die Schwerpunkte der Wochenzeitung ihre Entsprechung im Portal, was sich insbesondere in einem liberalen politischen Diskurs wieder findet. Um passend zum Erstausgabe des Campus Magazins im Oktober 2006 online zu sein, wurde das Portal in kürzester Zeit entwickelt und befindet sich – Web 2.0 konform – noch in der Betaphase. Das Konzept der ZEIT Campus Community ist zunächst an das erfolgreiche US-Portal „facebook.com“ angelehnt. Facebook richtet sich an Studenten und erlaubt ihnen eine Profil von sich anzulegen, andere Studenten im eigenen Adressbuch zu speichern, Gruppen zu Gründen und in diesen Gruppen zu diskutieren. Anders als Facebook setzt das ZEIT Portal aber zum einen auf hochwertige, zum Teil moderierte Inhalte und zum anderen auf die Anbindung an das Zeitungsformat der Mutterseite ZEIT online. Langfristig sollen die in der ZEIT Campus Community gesammelten Erfahrungen und Techniken in ein ZEIT online weites UGC-System (User Generated Content) einfließen. Mit Studierenden als zentraler Zielgruppe für die ZEIT Campus Community ergibt sich zudem eine erhebliche Schnittmenge mit den Zielgruppen vieler Bildungsportale. Auch wenn die Ausgangspunkte und Zielrichtungen sich deutlich unterscheiden, sind auf Grund der Ähnlichkeit der verwendeten Community-Werkzeuge doch erhebliche Parallelen zu erwarten. Das ist zudem umso wahrscheinlicher, da die Marke ZEIT deutlicher als die Marktbegleiter für Hintergründe und Meinungen steht.

7.3.2

Technik und Redaktion

Das ZEIT Campus Community basiert auf einem PHP-Framework, das aus dem Codebestand des Open Source Frameworks phpGroupware4 entwickelt wurde. Der weit größere Teil des Portals wurde allerdings in Javascript mit dem Dojo-Framework implementiert. Die DojoKomponenten sind fast vollständig für Darstellung und Funktion des Portals verantwortlich und kommunizieren über AJAX/JSON mit dem PHP-Framework. Derzeit lassen sich mit dem Frontend Editing Modus – der das Portal nach dem Vorbild von Netvibes5 oder der personalisierten Google-Startseite6 prägt – Artikel aus Texten und Bildern erstellen. Erweiterungen um weitere Medien sind bereits geplant. Metadaten werden derzeit nur in begrenztem Maße gesammelt. So ist es möglich, Artikel nach Hochschule und Fachbereich zu verschlagworten. Diese Daten fließen allerdings bereits in einen RDF-Triple-Store, der die Grundlage für weiterführende Verarbeitung der Metadaten 4.

http://www.phpgroupware.org

5.

http://netvibes.com

6.

http://google.com/ig

102

7 Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus

bildet. Dabei sollen sowohl redaktionelle Metadaten zum Einsatz kommen, als auch von den Benutzern erstellte und verwaltete Taxonomien, Schlag- und Stichwort-Systeme und in letzter Konsequenz semantische Netze. Derzeit arbeitet ein Community Manager ausschließlich für das Portal sowie zwei Redakteure, die zudem die Online Seiten zum Magazin betreuen. Ergänzend engagieren sich Autoren des Magazins im Portal. Erweitert werden diese Tätigkeiten bereits durch 250 ausgewählte Studentenreporter. Da das Community System als Frontend Editing System ausgelegt ist und angesichts der kurzen Entwicklungszeit, stehen der Redaktion derzeit lediglich die gleichen Funktionen zur Verfügung, wie den Benutzern. Funktionen zur expliziten Steuerung des Workflows sind derzeit nicht enthalten. Ergänzend zum Modul zur Inhaltserstellung gibt es ein kleines Backend, das es ermöglicht, die eingegangenen Inhalte zu kontrollieren und ggf. offline zu stellen.

7.3.3

Interface

Das Design ist mit kräftigen schwarzen Flächen und intensivem Grün sehr markant. Grundlegendes graphisches Konzept der Seite sind die sog. „Boxen“ die, die jeweils unterschiedlichen Inhalte und Funktionen bündeln und eine graphische Ordnung der Seite durch den Benutzer ermöglichen. Da derzeit alle Inhalte über die Startseite des Benutzers/der Gruppe aufzufinden sind und noch nicht weiter strukturiert werden, gibt es neben diesen Startseiten keine weiteren Ordnungskriterien. Mit dem Ausbau der Funktionalität (Verwaltung beliebiger Seiten/Dokumente/Dateien) werden aber auch weitere Navigations- und Ordnungsmöglichkeiten integriert. Derzeit agieren über 3000 Mitglieder in der Community, die in über 150 Gruppen organisiert sind und über 160 Artikel und Diskussion angelegt haben.

7.3.4

Services

Die wichtigsten Funktionen des Portals (z.B. eigene Seite, Artikel anlegen) sind nur nach vorheriger Anmeldung verfügbar. Gäste haben lediglich die Möglichkeit, Profile und Seiten von Mitgliedern und Gruppen zu betrachten. Durch den Einsatz des Dojo-Frameworks ist das Portal derzeit auf eine Nutzung mit aktuellen Browsern beschränkt. Die alternative Präsentation der Community für einfachere Umgebungen, insbesondere mobile Endgeräte ist aber bereits angedacht und konzipiert. Insbesondere gibt es eine Vielzahl von RSS-Feeds, wie beispielsweise letzte Inhalte, letzte Gruppen, Inhalte zu einer Hochschule, Benutzer zu einer Hochschule, Inhalte eines Benutzers etc. die über den in die Community integrierten Feedreader verwendet werden können. Ergänzt werden soll die Community insbesondere um Funktionen und Services, die das große Angebot von ZEIT online stärker für die Mitglieder nutzbar machen soll.

Benjamin Birkenhake

7.3.5

103

Qualitätssicherung

Da sich Community und Portaltechnik noch im Aufbau befinden, halten sich die Nutzerzahlen und die Aktivität auf den Seiten in deutlichen Grenzen. Insbesondere ist die Existenz des Portals bisher kaum kommuniziert worden. Ein überaus bemerkenswerter Effekt ist aber bereits zu erkennen: die Plattform benötigt kaum Moderation. Zwar haben einige Benutzer Probleme, sich angemessen in Gruppen zu organisieren und es gibt deutliche Reibungsverluste was die Kommunikation zwischen den Benutzern betrifft. So beschränken sich die Aktivitäten der Gruppen in der Regel auf die Gründung sowie den Beitritt einzelner Mitglieder. Zu Diskussionen und Beiträgen oder kollaborativem Arbeiten kommt es hingegen kaum. Das Erstellen von Artikeln und einzelne Diskussionen sind wiederum insbesondere auf inhaltlicher Ebene ausgesprochen erfolgreich. So gibt es praktisch keine Probleme mit unangemessenen Inhalten und unfreundlichen Benutzern. Ganz im Gegenteil scheint die Marke ZEIT Vorbildfunktion für die Community zu haben. Die Mehrzahl der von Benutzer erstellten Inhalte sind längere, offensichtlich mit einiger Mühe erstellte Artikel und Reportagen. Scheinbar wirkt sich die Marke ZEIT auf ein gemeinsam getragenes Qualitätsbewusstsein der Community aus. Darin zeigt sich, dass Online Zeitungen auch ohne explizite Community-Werkzeuge über implizite Communities verfügen. Ein – wenn auch nur kleiner – Teil der Leserschaft nutzt Möglichkeiten zur Erstellung eingener – journalistischer – Inhalte im Kontext ZEIT, sobald sie bereitstehen und richtet sich damit sowohl an die anderen Leser als auch an die ZEIT Autoren. Eine genauere Analyse dieser Mechanismen könnte auch interessante Aspekte für den Aufbau und Betrieb von Bildungsportalen liefern, da die Grundanliegen der Benutzergruppen – Aufnahme und Teilen von Wissen, Informationen und Beurteilungen bei beiden Portalformen große Ähnlichkeiten aufweisen. Trotz der skizzierten positiven Erfahrungen mit dem Qualitätsniveau in der Community, kommt auch die Campus Community nicht um eine reguläre Qualitätssicherung herum. Alle von Benutzern erstellen Inhalte werden von Mitarbeitern der Redaktion gelesen und nur in Ausnahmefällen offline gestellt. Das erlaubt es den Benutzern, erstellte Inhalte sofort online wieder zu finden, was für die Motivation der Benutzer sehr wichtig ist. Da Zensur oder Korrektur ohnehin nur sehr selten nötig sind, ist eine flexible, für alle Seiten befriedigende Lösung gefunden worden. Für eine langfristige Aufrechterhaltung einer Qualitätssicherung sowie einer lebendigen Community gibt es bei ZEIT online zwei Strategien. Jede Community wird durch einen Community Manager betreut, der folgende Aufgaben übernimmt: •

Integration von redaktionellen Inhalten in die Community



Kooperation mit besonders aktiven Mitgliedern



Promotion besonders guter Community-Beiträge auf der Community-Startseite



Promotion herausragender Community-Beiträge auf den redaktionellen Seiten von ZEIT online



Überwachung der Organisation der Mitglieder



Motivation der Mitglieder über Newsletter und Teilnahme an Diskussionen

104

7 Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus



Integration von regulären Redakteuren in die Community bei Spezialthemen



Integration von externen Redakteuren, Experten, Spezialisten zu bestimmten Themen



Integration von Marketing-Angeboten, wie Werbeaktionen.

Communitiy Manager stehen vor einer besonderen Herausforderung. Auf der einen Seite müssen sie aus der Redaktion Inhalte in die Community tragen, von denen erwartet wird, dass sie dort besonders viel Aktivität erzeugen. Diese Aufgabe unterscheidet sich von der normalen Aufgabe eines Journalisten oder Online Redakteurs deutlich, da Artikel die viel gelesen werden nicht notwendigerweise Artikel sind, die viel Community-Aktivität in Form von Kommentaren oder Diskussionen erzeugen. Zum anderen stehen Community Manager in direktem Kontakt mit der Community, bekommen intensives Feedback, dass sie filtern und an die Redaktion und die Entwicklungsabteilung in Form von funktionalen Erweiterungen weitergeben. Überdies versuchen die Communtiy Manager von ZEIT online, die Qualität der von der Community erstellten Beiträge zu gewährleisten und kontinuierlich zu steigern.

7.4

Das ZEIT Communitysystem

Die ZEIT Campus Community ist ein erster Versuch von ZEIT online, der Leserschaft ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem sie online Inhalte produzieren, präsentieren und untereinander und nach außen kommunizieren kann. Die eingeschränkte Zielgruppe und der inhaltlich eingeschränkte Rahmen deuten bereits daraufhin, dass die Campus Community nicht die einzige ZEIT Community ist. In der Tat ist die ZEIT Campus Community nur als eine unter mehreren Themen-Communities geplant. Im Laufe der kommenden zwei Jahre wird eine Anzahl an Communities unter ZEIT online entstehen, die alle mit identischen Kernfunktionen und im Einzelfall mit Sonderfunktionen ausgestattet sind. Gemeinsam werden diese Communities ein Netzwerk bilden, das ZEIT online sowie weitere Produkte des ZEIT Verlages integrieren wird. Mit dieser Vielfalt an Communities verfolgt ZEIT online unterschiedliche Ziele. 1. Bürger-Journalismus: Reaktion auf den Wunsch der Leserschaft, auf ZEIT online nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Produzenten von Inhalten aktiv zu werden. 2. Erhöhte Interaktivität: Verbesserung der Möglichkeiten der Leser, mit Redaktion und anderen Leser aktiv in Diskurse eintreten zu können. 3. Kooperatives Datamining: Verbesserte Möglichkeiten für die Leser schaffen, damit die bestehenden Ressourcen von ZEIT online genutzt werden können. 4. Aufbau sozialer Netzwerke: Mehr Möglichkeiten für Leser eröffnen, sich im Kontext von ZEIT online zu vernetzen und zu präsentieren. 5. Qualität: Einlösen des Qualitätsversprechens der Marke ZEIT. 6. Stärkung der Netzkompetenz: Einsatz neuer Technologien (Vorreiterrolle).

Benjamin Birkenhake

7.4.1

105

Eine Community vs. viele Communities

Die grundlegende Entscheidung, ZEIT online nicht alleine mit einer, sondern mit mehreren Communities auszustatten, bringt einige Herausforderungen mit sich, die in einer Multi-Community-Architekur angegangen werden müssen. Single Sign On – die Möglichkeit alle Angebote mit einem Login und Passwort zu nutzen ist eine zentrale Anforderung hinter der sich streng genommen zwei Anforderungen verbergen. Zum einen soll jeder Benutzer nur einen Benutzernamen und ein Login für alle Dienste einer Seite benötigen. Zum anderen soll der Benutzer, wenn er sich in einem Teil von ZEIT online angemeldet hat, kontinuierlich eingeloggt bleiben. So soll es Benutzern auch möglich sein, von Community zu Community zu wechseln, ohne sich neu einloggen zu müssen. Gleichzeitig kann es aber nicht Wunsch der Benutzer sein, mit einer Registrierung in einer ZEIT Community direkt Mitglied in allen ZEIT Communities zu werden. So bieten die einzelnen Communities unterschiedliche Profile an: In der Campus Community kann man im Profil eine Hochschule und einen Fachbereich wählen, während man in einer Literatur-Community Lieblings-Autoren, Genre und Bücher angeben kann. Dem ZEIT online weiten Registrierungsprozess, bei dem man einen globalen Benutzernamen und ein Passwort bekommt, muss also noch durch einen Prozess ergänzt werden, in dem ein registrierter Benutzer Mitglied einer konkreten Community wird, was auf ein Drei-Rollen-Modell hinausläuft. 1. Besucher sind unangemeldete Personen, die öffentliche Inhalte einsehen können, selber aber keine Inhalte erstellen dürfen. 2. Benutzer sind in einer ZEIT Community registrierte Mitglieder, die über den Single Sign On Mechanismus eine andere ZEIT Community besuchen. Benutzer dürfen Kommentare hinterlassen, müssen aber, um Mitglied einer weiteren Community zu werden das erweiterte Profil dieser Community ausgefüllt haben. 3. Mitglieder haben das erweiterte Profil der ZEIT Community ausgefüllt und sind damit in einem bewussten Schritt Mitglied dieser Community geworden. Sie behalten allerdings auch in dieser Community ihren übergreifenden Benutzernamen und Passwort. Mitglieder dürfen alle Funktionen nutzen, die diese Community bereitstellt. Eine weitere zentrale Herausforderung einer Multi-Community-Architektur ist die Frage, welche Funktionen man zentral verwalten will. So kann es mitunter sinnvoll sein, nur eine Kontaktverwaltung und ein Nachrichtensystem für alle Communities anzubieten. Das erlaubt dem Benutzer die Verwaltung aller Kontakte und Nachrichten aller ZEIT Communities. Im anderen Fall müssten mehrere Mailboxen und Kontaktlisten verwaltet werden. Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, da es sowohl Szenarien und Gründe für eine getrennte als auch für eine zentrale Verwaltung gibt. Für eine Trennung spricht, dass die Communities nach Außen hin eher voneinander getrennt auftreten und sich insbesondere in der inhaltlichen Ausrichtung stark unterscheiden. Es wird nicht erwartet, dass die Mehrzahl der ZEIT Community Mitglieder überhaupt in mehr als einer oder zwei ZEIT Communities aktiv sind. Durch diese starke Trennung wird angenommen, dass die Mitglieder eher getrennte Funktionen erwarten. In einem der extremsten denk-

106

7 Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus

baren Fälle, hätte ein Benutzer beispielsweise Kontakte in zwei Communities von denen er gar nicht möchte, dass sie in einer gemeinsamen Ansicht nach Außen kommuniziert werden. Gegen eine Trennung spricht, dass für Benutzer, die tatsächlich in mehreren Communities aktiv sind, die Hürden und Redundanzen minimiert werden. Implementiert wird folgende Lösung: Zunächst teilen alle Communities lediglich die Benutzer und keine weiteren Module. Als einfache Möglichkeit einen Überblick über die unterschiedlichen Kontakte und Nachrichten zu behalten, werden in den jeweiligen Modulen Querverweise an die gleiche Stelle in den jeweils anderen Modulen integriert. So kann man mit Links von der Inbox von Community A direkt zu den Inboxen von Community B, C und D springen, sofern man dort bereits Mitglied ist. Später soll eine übergeordnete Community entstehen, die es erlaubt die Postfächer und Kontakte der normalen Communities tatsächlich an einer Stelle zu integrieren. Zusätzlich dazu bietet eine solche Über-Community auch die Möglichkeit, die vom Benutzer erstellten Inhalte an einer Stelle zu verwalten.

7.4.2

Drupal und seine Funktionen

Bei einer Evaluation der laufenden ZEIT Campus Community zeigte sich, dass die kommenden Anforderungen, sowohl in Hinblick auf die Entwicklungsgeschwindigkeit, die Anzahl der Communities als auch in Hinblick auf weitere Funktionen nicht ohne weiteres mit dem für die Campus Community entwickelten Systeme implementiert werden können. Das bestehende System baut zwar auf zwei Open Source-Frameworks auf – PHP Groupware und Dojo – sämtliche den Benutzern zur Verfügung stehenden Funktionen, wie Inhalts- und Rechteverwaltung wurden aber nachträglich entwickelt, was einen langfristig höheren Entwicklungsund Wartungsaufwand bedeutet. Zudem bedeutet die annähernde Eigenentwicklung, dass man nur mit großem Aufwand externe Unterstützung zur Entwicklung hinzuziehen kann. Als neuer Weg für die Weiterentwicklung der ZEIT Communities wurde eine Open-SourceLösung in Betracht gezogen. Bei der Evaluation unterschiedlicher Lösungen schnitt das Open-Source-System Drupal7 am besten ab. Drupal wird seit nunmehr 6 Jahren entwickelt und ist seit Anfang Januar 2007 in der erheblich verbesserten Version 5.x verfügbar. IBM hat Drupal ausführlich getestet. Es bringt eine Vielzahl an fertigen Community-Funktionen mit und ist durch seine modulare Entwicklung für eine schnelle Weiterentwicklung optimal geeignet. Drupal bietet für das Community Buildung alle nötigen Funktionen als fertige Module, die zudem in der Regel in vielfältiger Weise konfigurierbar und damit den individuellen Ansprüchen einzelner Communities anpassbar sind. Die bei ZEIT Communities zu implementierenden Kernfunktionen werden im Folgenden stichpunktartig vorgestellt: •

Profil und Profilseite pro Benutzer



Einfaches und konsistentes System zum Erstellen von Inhalten und Kommentaren

7.

http://drupal.org

Benjamin Birkenhake

107



Ergänzung von Artikeln durch binäre Anhänge wie MP3s oder PDFs



Bilderupload und Bildergalerien



Lesezeichen-, Bookmark-Verwaltung



Online RSS-Reader für jeden Benutzer zur Aggregation und Resyndizierung



Forum



Internes Nachrichtensystem



Von Benutzer gründ-, und verwaltbare Gruppen, mit der Möglichkeit innerhalb der Gruppen kooperativ Inhalte zu erstellen.



Kontaktverwaltung / Soziale Netzwerke



Freie Verschlagwortung / Tagging

7.4.3

Community Zeitung

Die ZEIT Campus Community ist eine Gemeinschaft, deren Zielgruppe und inhaltliche Ausrichtung zwar mit dem ZEIT Campus Magazin verknüpft sind, durch die Funktionen und Zielsetzung des Verlages aber eher eine geschlossene Ausrichtung hat. Das gilt auch für weitere entstehende Communities, in deren Zentrum bestimmten Zielgruppen, Themenbereiche oder Verlagsprodukte stehen. Der wichtigste Punkt in allen Anstrengungen von ZEIT online im Bereich Online-Communities kann aber nur eine sinnvolle Ergänzung der Hauptaufgabe von ZEIT online sein: zu erkunden was eine Online-Zeitung sein kann und sein wird. Diese Überlegungen sind um so gewichtiger einzuschätzen, da die Entwicklung in Amerika schon so weit fortgeschritten ist, dass man beispielsweise bei der New York Times dem Printmedium inzwischen leidenschaftslos gegenüber steht, wie das Zitat von Göldi (2007) zeigt: „I really don't know whether we'll be printing the Times in five years, and you know what? I don't care, either.“ Angesichts rapide wachsender Online-Leser Zahlen, können solche Aussagen nur ein kontinuierliches Engagement von Zeitungen in ihre Online-Auftritte bedeuten. Die Eckpfeiler des Web 2.0, wie Community-basierte Anwendungen, User Generated Contents, Offene Schnittstellen, Long Tail und die Frage, was sie für eine moderne Online Zeitung leisten können, sind damit direkt ins Zentrum des Interesses gerückt. Das Betreiben von weitestgehend geschlossenen Communities kann aus dieser Perspektive für eine Online-Zeitung nur zur Steigerung der Seitenansichten von Interesse sein. Community Funktionen sollten explizit die Funktionen der Zeitung unterstützen. Durch einen in die Community-Anwendung integrierten RSS-Reader ist bereits ein erster Schritt in diese Richtung getan. Weitere Möglichkeiten, die den Mitgliedern erlauben, ZEIT online Artikel zu archivieren, zu kommentieren und durch weitere Informationen zu kontextualisieren, sind bereits angedacht und werden in Zukunft implementiert. ZEIT online ist zudem die Webseite, die am zweithäufigsten in der Blogosphäre zitiert wird. Üblicherweise werden Zitate und Verweise innerhalb der Blogosphäre durch Trackbacks und Pingbacks implizit gemacht. Dabei informiert die verweisende Seite über einen automati-

108

7 Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus

schen Prozess das CMS der zitierten Quelle, die ihrerseits automatisch einen Rückverweis einfügt. Durch das derzeit auf statische Dokumente zentrierte CMS der ZEIT war eine solche Technik für reguläre Artikel bisher nicht möglich. Drupal bietet diese Möglichkeit allerdings und ein Einsatz wird derzeit erwogen. Damit ermöglichen wir Lesern ihre Antworten zu einzelnen Artikeln auch außerhalb des Kommentarsystems und außerhalb von ZEIT online zu gestalten. Diese technische Offenheit ist ein wichtiger Eckpfeiler von Web 2.0 (O'Reilly 2005). Ein weiterer wichtiger Punkt, der im Kontext von Online-Zeitungen und Web 2.0 immer wieder erwähnt wird, ist der Bürgerjournalismus, wie er etwa bei Wiki-News zu finden ist, oder in der Readers Edition8, die ursprünglich von der Netzeitung gegründet wurde. Die Grundannahme, dass Nachrichten auch über User Generated Content in größerem Umfang erstellt werden können, wird derzeit allerdings von keinem Projekt ernsthaft erreicht. Für ZEIT online wiegt dieser Aspekt des Web 2.0 ohnehin geringer, da sich die ZEIT zwar auch als Nachrichtenmagazin versteht, in erster Linie aber als Plattform für reflektierte Meinungen, Hintergründe und Bewertungen. Das gilt im selben Maße für redaktionelle wie benutzergenerierte Inhalte. Der Wunsch, nach Zuverlässigkeit und Einordnung von Informationen steht auch bei Benutzern noch vor den reinen Nachrichten. Wir haben mit den Werkzeugen der Vergangenheit deutlich gesehen, dass die Benutzer daran interessiert sind, sich als Personen mit Meinungen zu präsentieren, sich mit anderen Lesern über Meinungen auszutauschen und einen Überblick darüber zu bekommen, mit wem man es den im virtuellen Diskurs zu tun hat. Genau diese Aspekte versucht das neue Community-System durch die vielfältigen, aber gut vernetzten Möglichkeiten zur Partizipation und Präsentation zu stärken. Neben den partizipativen Aspekten bieten sowohl Drupal als auch der Web 2.0 Kontext noch Möglichkeiten die Rezeption der Inhalte alternativ zu gestalten. Derzeit verläuft der Informationsfluss von der Redaktion zur Leserschaft in erster Linie über die handgestalteten Homeund Centerpages. Die alternativ angebotenen RSS-Feeds spiegeln lediglich die Änderungen auf diesen Seiten wieder. Möglichkeiten Übersichtsseiten und RSS-Feeds nach von Benutzern definierten Kriterien zu erstellen, werden durch ein Community-System wie Drupal deutlich einfacher. So wird es den Benutzern in Kürze möglich sein redaktionelle, ebenso wie eigene Artikel mit Schlagworten zu versehen. Aus dieser kooperativen Verschlagwortung lassen sich wiederum automatische Übersichtsseiten und RSS-Feeds zu den einzelnen Schlagworten generieren. In diese Mechanismen lassen sich zudem die Schlagwortkataloge der Redaktion integrieren. Als Ergebnis dieses Prozesses steht die Hoffnung, dass die Arbeit, die derzeit von der Redaktion von Hand vorgenommen wird, nämlich Artikel zu bestimmten Themenblöcken auf Übersichtsseiten zu sammeln, erstens in Zukunft durch teilautomatische Prozesse ergänzt und das Angebot so zweitens besser auf die Interessen und Bedürfnisse jedes einzelnen Benutzers zugeschnitten werden kann.

8.

http://www.readers-edition.de

Benjamin Birkenhake

7.5

109

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend ist zu sagen, dass der Kontext von erfolgreichen Online Zeitungen sich ausgesprochen gut für die Implementierung von Web 2.0 Konzepten eignet. Da bereits eine große Community vorhanden ist, die regelmäßig auf die Seite wiederkehrt, neue Inhalte aufnimmt und auf unterschiedliche Weisen weiterverarbeitet, stellt sich für den Aufbau von Community-Tools lediglich die Frage, welche Werkzeuge in welcher Weise einzusetzen sind. Zeitungen die klassischerweise nicht nur Informations-, sondern auch Meinungsmedien sind, haben es zudem besonders leicht, Benutzer zur Partizipation zu bewegen. Der Kontext der Marke ZEIT sowie die bereits vorhandenen Ressourcen des Verlages, wie kompetente Redakteure in vielen Bereichen, ein Netzwerk von externen Autoren und Fachleuten, sowie ein gewaltiger Fundus an frei verfügbaren Inhalten erleichtern zudem das Community-Building ebenso wie die inhaltliche Qualitätssicherung. Die Chancen für ZEIT online, mit einem langfristig flexiblen Community-Werkzeug, durch einen kontinuierlichen Evolutionsprozess der Funktionen, eine Community zu entwickeln, die das Kernangebot aus Sicht der Benutzer optimal ergänzt, stehen sehr gut. Zwei zentrale Fragestellungen und Herausforderungen ergeben sich für den Einsatz von Community-Anwendungen im Kontext einer Online Zeitung: 1. Werden Community-Anwendungen überhaupt in einem relevanten Maß von Benutzern angenommen? Hinter dieser Frage verbirgt sich sowohl der Anspruch, die Benutzer als aktive Mitglieder der Community zu gewinnen, als auch die Vision, redaktionelle Inhalte durch benutzergenerierte Inhalte zu ergänzen. Gerade beim letzten Punkt ist derzeit noch fraglich, ob Artikel und Beiträge von Benutzern gerade im Kontext einer so großen Marke wie ZEIT auch von anderen Benutzern wertgeschätzt und in einem relevanten Maße wahrgenommen werden. 2. Können es Commity-Tools leisten, die sonst eher kurzlebigen Inhalte einer Online-Zeitung langfristiger und nachhaltiger nutzbar zu machen? Diese Frage bezieht sich nicht nur auf die von der Redaktion erstellten Inhalte. Communities im Allgemeinen haben ebenfalls häufig das Problem, dass die von Benutzer erstellten Inhalte nur während einer kurzen Zeitspanne nach ihrer ersten Erstellung genutzt und wahrgenommen werden. Diese Zeitspannen zu erhöhen, ist eine explizite Aufgabe vieler Funktionen innerhalb der Community-Anwendung. Auch wenn eine Antwort auf beide Fragen zu diesem Zeitpunkt deutlich verfrüht ist, so kann man aus dem Rahmen, in dem dieser Beitrag entstanden ist, doch Richtungen erkennen. Zum einen hat das Web 2.0 gezeigt, dass Portale, die sich mit neuen Techniken und Inhalten ihren Benutzern nähern, ausgesprochen erfolgreich sein können. Das Web 2.0 hat aus Konsumenten Ko-Produzenten gemacht. Und genau in diesem Bereich können viele Bildungsportale mit langjährigen Erfahrungen und Erfolgen aufwarten. Dass sich Online Zeitungen und Bildungsportale nun einander annähern, stellt sich am Ende dieses Beitrages als Konsequenz aus parallelen Benutzerbedürfnissen, ähnlichem Selbstverständnis und einfacher Verfügbarkeit hochwertiger, kanonisierter Technologie dar.

110

7 Community Building – das Beispiel von ZEIT Campus

Literaturverzeichnis Bächle M. Social Software. In: Informatik-Spektrum, Band 29, Nummer 2. Berlin / Heidelberg: Springer, 2006. Baecker, R. „Readings in Computer-supported Co-operative Work“. Morgan Kaufman Publishers, 1992. Dempster, J.A. et al. „Creating virtual communities of practice for learning technology in higher education: issues, challanges and experiences“. Göldi, A. „New York Times: In fünf Jahren nicht mehr auf Papier?“ http://konvergenz.kaywa.com/medienwirtschaft/new-york-times-in-fuenf-jahren-nichtmehr-auf-papier.html , 2007. Lewis-Bowen, A. et al. „Using open source software to design, develop, and deploy a collaborative Web site.“ http://www.ibm.com/developerworks/ibm/osource/implement.html , 2007. Marschall, J. „Online-Communities of Commerce. Die soziale Struktur von eBay-Marktplätzen.“ In: Dittler, Ulrich; Kindt, Michael; Schwarz, Christine (Hg.): Online-Communities als soziale Systeme. Wikis, Weblogs und Social Software im E-Learning. Münster: Waxmann: 129-146. McConnel, D. „Implementing Computer Supported Cooperative Learning“. London: Kogan Page, 2000. O'Reilly, T. „What Is Web 2.0: Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software.“ http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-web20.html, 30. 9. 2005. Preece, J. „Online Communities: Designing Usability and Supporting Socialbilty“. New York: John Wiley & Sons, 2000.

8

Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog Stephan Mosel BildungsBlog, Hamburg

8.1

Einleitung

Das BildungsBlog (http://bildung.twoday.net) ist ein offenes Community-Weblog. Thematisch befasst es sich mit Bildung, Lernen und Lehren im weitesten Sinne, unter anderem mit den Schwerpunkten E-Learning, Edu-Blogging und Schule. Der folgende Beitrag beschreibt zentrale Aspekte des selbstgesteuerten Lernens und wendet diese auf das Fallbeispiel „BildungsBlog“ an. Im Theorieteil (Abschnitt 2) wird die Bedeutung des informellen Lernens für Microcontent-Formate wie Weblogs herausgearbeitet. Hierzu wird zunächst kontextualisiertes, situiertes Lernen dargestellt und im Anschluss anhand typischer Weblog-Funktionen beschrieben. Der Praxisteil (Abschnitt 3) hebt auf die Rolle des BildungsBlogs als Community-Plattform ab. Neben der Beschreibung grundlegender Eigenschaften des Weblogs wird insbesondere auf die Spezifika eines offenen Community-Blogs in Abgrenzung zu personengebundenen Weblogs eingegangen.

8.2

Selbstgesteuertes Lernen mit Microcontent

Das BildungsBlog ist eine offene Community-Plattform und als solche eine potentielle Infrastruktur für informelle Lernprozesse (vgl. Panke et al., 2007, im selben Band). Daher werden in den folgenden Abschnitten zunächst grundlegende Konzepte um den Begriff des selbstgesteuerten, autonomen Lernens angerissen, die bei der Nutzung von Weblogs eine Rolle spielen können.

112

8.2.1

8 Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog

Lernen in Situation und Kontext

Die Diskussion um selbstgesteuertes, selbstorganisiertes Lernen ist in den Erziehungswissenschaften innerhalb der letzten Jahrzehnte populär geworden und wird daher ebenso mannigfaltig diskutiert. Ein kritischer Überblick der Diskussion findet sich bei Susanne Kraft (2002) und Jost Reischmann (2002). Peter Faulstich spricht in dem Text „Einige Grundfragen zur Diskussion um ‚selbstgesteuertes Lernen’“ (1999) von einem Paradigmenwechsel, der in der Erwachsenenbildung verkündet wurde. Die Aufmerksamkeit erwachsenenbildnerischen Handelns verschiebe sich von Institutionen, Lernzielen und Lehre hin zu Formen informellen Lernens, Selbstorganisation bzw. -steuerung und Medienarrangements, beispielsweise in Form von Material-Pools oder Lernumgebungen. Nach Faulstich vollzieht sich die Debatte um, wie er es nennt, „selbstorganisiertes Lernen“ vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Prozesse, welche die Rahmenbedingungen des Lernens in der Erwachsenenbildung verändern. Dies sind Individualisierung, Deinstitutionalisierung und Deregulierung. Als deindividualisierend wird hier die Auflösung traditioneller Sozialstrukturen verstanden, die gesellschaftliche Gruppenbezüge relativiert. Die Erwachsenenbildung reagierte hierauf mit dem Konzept der Teilnehmerorientierung, welche kein einheitliches Adressatenschema mehr unterstellt und sich an der Subjektivität wie der Lebenswelt eines jedes einzelnen Teilnehmers orientiert. Zum Konzept und der Geschichte der Teilnehmerorientierung, siehe Hans Tietgens (1999). Durch diese Erweiterung der Lernperspektive sowie durch Konzeptionen lebenslangen Lernens wird in Bildungsinstitutionen organisiertes Lernen, wie es der klassischen Erwachsenenbildung entspricht, durch berufsbegleitendes Lernen am Arbeitsplatz, im sozialen Umfeld, durch Mediennutzung usw. ergänzt. Dies führe zu einer Deinstitutionalisierung, da Lernen aus den Institutionen in die Lebens- und Arbeitswelt verlagert wird. Ferner schreibt Faulstich, es finde dadurch eine Deregulierung statt, dass sich die Politik aus finanzpolitisch motivierten Gründen aus der Steuerung gesellschaftlicher Prozesse zurückzieht. Der Staat als Repräsentant öffentlicher Verantwortung in der Erwachsenenbildung entledigt sich somit gestaltender und gewährleistender Ansprüche1 und beschränkt sich auf die Sicherstellung von Rahmenbedingungen erwachsenenbildnerischen Lernens. Lernen vollzieht sich nach diesem Verständnis in einem weiteren Rahmen entlang der Intentionalität der Lernenden, sowie der für sie subjektiven Bedeutung der jeweiligen Thematik. Dieses „selbstbestimmte Lernen“ (Faulstich, 1999, S. 27) umfasst Kriterien thematischer Relevanz (Lerngegenstände), organisatorisch-methodische Aspekte („selbstorganisiertes Lernen“) sowie intentionale Kriterien (selbstgesteuertes Lernen). Lernen wird als „die interessengeleitete, aktive Aneignung von Welt durch die handelnden Personen“ (ebd.) verstanden. Der Anteil der Selbstbestimmtheit der all diesen Konzepten zugrunde liegt, enthält eine institutionskritische Position, welche sich gegen die Fremdbestimmtheit von Unterricht und 1.

Zur Veränderung der Rolle des Staates im Neoliberalismus, siehe Wolfgang Fach (2000).

Stephan Mosel

113

Schule wendet. Die Individuen lassen sich nicht mehr durch institutionelle Bildungsvorgänge funktional vereinnahmen. An Stelle unmittelbarer, institutioneller Kontrolle tritt eine indirekte Vereinnahmung, welche die Individuen ihre Funktionalität selbst herstellen lässt. Lernformen, die ausschließlich auf Selbststeuerung basieren, sind in pädagogischen Konzeptionen schlecht vorstellbar, da bereits die bloße Bereitstellung von Lernmaterialien als Form der Fremdsteuerung betrachtet werden kann. Dennoch werden in aktuellen Ansätzen individuelle Lerner-Interessen zunehmend berücksichtigt, während institutionelle Vorgaben in den Hintergrund rücken. Ein entscheidendes Kriterium ist somit also der Grad der Fremd- bzw. Selbststeuerung beim Lernen. Faulstich differenziert weiterhin zwischen verschiedenen Lernformen, die sich in seiner Darstellung in einem „mehrdimensionalen Koordinatenraum“ (Faulstich, 1999, S.32) vollziehen. So wird mit dem Begriffspaar Integration/Separation der Grad der Ausgliederung des Lernens beschrieben. Dadurch ergeben sich verschiedene Formen von Erfahrungs- bzw. Wissenschaftsbezug, die dazu führen, dass Lernen eher zielbezogen intentional oder aber eher zufällig inzident geschehen kann. Ziele und Abläufe des Lernens können entweder eher fremd- oder aber eher selbstbestimmt erfolgen, sie können stärker institutionell einbezogen, oder eher beiläufig und informell sein. Zwischen diesen Polen gibt es vielfältige Ausprägungsformen und es ist eine Vielzahl von Kombinationen möglich. Aspekte von Lernformen nach Faulstich: Intentional

Inzident

Erfahrungsbezogen

Wissenschaftsbezogen

Selbstbestimmt

Fremdbestimmt

Institutionell

Informell

Integriert

Separiert

(vgl. Faulstich, 1999, S. 31) Der Begriff des Lernens beschränkt sich keineswegs auf intentional gesteuerte Prozesse in spezifischen Institutionen, da Lernen schon immer im Kontext sozialer Aktivitäten stattfindet. Der Lernprozess beginnt dann, wenn Individuen in ihren Handlungsvollzügen auf Hindernisse oder Widerstände stoßen und Diskrepanzen zwischen der Handlungsproblematik und einem Lösungspotential entstehen. Handlungsproblematiken, die durch vorhandene Kompetenzen nicht zu bewältigen sind, werden hiermit zu Lernproblematiken. Dieser Ansatz nach Holzkamp begreift Lernen vom Standpunkt des Individuums aus, welches sich zur Welt als ein „sinnlich-körperliches, bedürftiges, interessiertes Subjekt“ (Holzkamp, 1995, S.21) verhält. Daraus ergibt sich ein Perspektivenwechsel, denn Lernen scheint nun nicht mehr von außen bedingt, sondern vielmehr als von der Person begründet. Lernen ist damit nicht mehr durch äußere Anstöße verursacht und somit erklärbar, sondern ist vielmehr durch die vom Individuum selbst hergestellten Bedeutungszusammenhänge zu verstehen. Somit ist Lernen durch Offenheit und Situativität gekennzeichnet und abhängig von der bisherigen Biographie der Lerner sowie den jeweils gegebenen Kontext. Es ist also in gesellschaftliche Zusammenhänge

114

8 Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog

eingebettet. Lernen wird hier als individuell, sozial situiert und kontextbezogen verstanden und in diesen Kontexten stellen sich Bedeutungen her, welche die Handlungsbegründungen des Lernens liefern. Lernen bezieht sich folglich nicht auf Lerngegenstände an sich, sondern auf seine jeweilige Bedeutung für das lernende Individuum: Die Bedeutungshaftigkeit ist derjenige Aspekt der Welt, durch den diese für das Individuum relevant und damit für das Lernen überhaupt zugänglich wird. Sie ermöglicht die Entwicklung und Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten. (Faulstich, 1999, S. 33) Weblogs eignen sich, um Bedeutungszusammenhänge zu (re-)konstruieren und ermöglichen ein kontextualisierte und soziale vermittelte Lernprozesse. Welche Eigenschaften von Weblogs das Lernen in Situation und Kontext unterstützen, zeigt der folgende Abschnitt auf.

8.2.2

Eigenschaften von Weblogs

Bei den Beiträgen in Weblogs handelt es sich um Microcontent (Wikipedia, 2007), also um kurze, in sich geschlossene Informationseinheiten, welche im Web durch Hyperlinks eindeutig referenzierbar sind. Jeder einzelne Weblog-Eintrag enthält solch einen Permalink. Dieser verweist eindeutig auf den jeweiligen Beitrag, und kann also von anderen Autoren benutzt werden, um sich auf diesen zu beziehen. Im Gegensatz zu „herkömmlichen“ Webseiten ist es also nicht nur möglich, auf eine Seite im World Wide Web zu verweisen, sondern man kann genau einen bestimmten von mehreren Beiträgen auf einer Seite referenzieren. Zwar stehen auf der Startseite eines Weblogs und in den Archiven jeweils mehrere Beiträge auf einer Seite, doch durch die Nutzung von Permalinks entfällt der Umstand, Beiträge nur mittels eines Hinweises auf das Archiv referenzieren zu können. So ist es nicht mehr notwendig, beispielsweise auf bildung.twoday.net zu verlinken und darauf hinzuweisen, dass sich in den Archiven eines bestimmten Monats an einem bestimmten Tag ein interessanter Beitrag mit diesem oder jenem Titel findet, sondern man kann auf diesen Beitrag eben aufgrund des ihn global bezeichnenden Permalinks direkt verweisen. •

Die Erscheinungsform von Permalinks in Weblogs ist nicht einheitlich geregelt. Meist wird der Permalink als Link auf eines der folgenden Elemente eines Weblog-Beitrags gelegt (vgl. Mosel, 2005, S. 21):



Im Titel der Beiträge eines Weblogs



Ein Rautezeichen am Ende des Beitrags



Die angegebene Uhrzeit eines Beitrags



Der Text „Permalink“ ober- oder unterhalb des eigentlichen Inhalts

Die Verwendung bzw. Konzeption der Verwendung eines Hyperlinks als Permalink ist letztendlich also eine soziale Konvention, da es sich nicht um einen Standard, sondern um die Übereinkunft über eine bestimmte Form der Verwendung von Hyperlinks handelt: Der Permalink eines Weblog-Eintrags ist kein Verweis auf eine andere Quelle, kann aber umstandslos

Stephan Mosel

115

kopiert werden (Verknüpfung kopieren), um auf eben diesen Weblog-Eintrag zu verweisen, und macht ihn somit zu referenzierbarem Microcontent. Das Konzept eines Permalinks ist zwar in seiner genauen Erscheinungsform nach wie vor uneindeutig, da es sich um eine emergente Konvention aus der Szene der Weblog-Autoren handelt. Dennoch weist nahezu jedes Weblog das Merkmal eines Permalinks auf, welcher von einigen Weblog-Autoren, neben der chronologischen Sortierung der Beiträge, als konstituierend für das Format Weblog angesehen wird. Durch die Nutzung dieses spezifischen Formats in Form eines Hyperlinks als Permalink eines Weblog-Beitrags wird die diskursive Bezugnahme von Weblogs erst ermöglicht. Hierdurch wird deutlich, wie sich die Blogosphäre als Welt ineinander vernetzter Weblogs und der Nutzungspraktiken ihrer Autoren erst durch diese selbst generiert. Um einen Themenkomplex nicht im Sinne einer objektivierenden Anpassung zu erschließen, sondern darüber zu reflektieren und intersubjektiven Austausch zu betreiben, können durch den Diskurs in Weblogs Problemstellungen aus verschiedenen Perspektiven, von verschiedenen Personen an unterschiedlichen Orten gemeinsam gedeutet und aufeinander bezogen werden. Weiterhin enthalten viele Weblogs eine Kommentar-Funktion, die es Besuchern der Seite erlaubt, Kommentare speziell zu einem Beitrag des Weblogs zu hinterlassen, welche in der Detailansicht des Beitrags dargestellt werden. Somit handelt es sich bei Weblogs nicht um ein unidirektionales Publikationsmedium, sondern es kann auch innerhalb der Beiträge mit den Leser/innen kommuniziert werden. Einen ähnlichen Nutzen erfüllt die in einigen verbreiteten Weblog-Systemen eingesetzte Trackback-Funktion: Hierdurch können Autoren eines Weblogs den Weblog-Autoren sowie dessen Leserschaft wissen lassen, dass sich ein anderes Weblog auf einen Beitrag von ihm mittels eines Hyperlinks bezieht. Wird in einem Weblog mit Trackback-Funktion ein Beitrag veröffentlicht, der auf den Permalink eines Beitrages in einem anderen Weblog verweist, so sendet das Weblog eigenständig einen so genannten Trackback-Ping an diesen Beitrag, auf welchen es sich bezieht. Dieser Ping enthält die URL sowie Titel und Exzerpt des neu veröffentlichten Weblog-Eintrags. Im Beitrag, auf den referenziert wurde, wird die TrackbackNachricht angezeigt. Hierdurch können Leser des ursprünglichen Beitrags sehen, dass sich weitere Beiträge auf diesen beziehen und diese über die bereitgestellten Hyperlinks aufrufen. Trackbacks ermöglichen es somit, die Vernetzung von aufeinander verweisenden WeblogBeiträgen verschiedener Weblogs zu visualisieren (vgl. Röll, 2005). Eine weitere Funktion über die die meisten Weblogs verfügen sind RSS-Feeds. RSS steht für Really Simple Syndication (Winer, 2007): Der RSS-Feed eines Weblogs enthält lediglich den Content der Weblog-Beiträge, aber nicht Elemente wie Design oder Layout. RSS-Feeds können mittels sog. RSS-Reader abonniert, aber auch auf anderen Websites eingebunden werden. Durch die Nutzung von RSS-Readern ist es sehr einfach, auch einer grösseren Zahl von Weblogs zu folgen. Der/die Nutzer/in muss die Weblogs nicht mehr mittels eines Browsers einzeln hintereinander aufrufen, um nach eventuellen Updates zu suchen, und wird vom RSSReader benachrichtigt, sobald neue Inhalte in den abonnierten RSS-Feeds vorliegen.

116

8.2.3

8 Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog

Von Microcontent zur „Personal Knowledge History“

Neben diesen technisch-formalen Eigenschaften von Weblogs bleibt hinsichtlich der Nutzung von Weblogs festzuhalten, dass es sich dabei üblicherweise um einen Modus des „Personal Publishing“ handelt. Häufig handelt es sich bei Weblogs nicht um Gruppen- oder Community-Blogs, sondern sie haben einen oder wenige Autor/innen. Um Personal Publishing handelt es sich also insofern, dass Weblogs meist die persönlich-subjektive Weltsicht ihrer Autor/ innen widerspiegeln, und keiner redaktionellen Kontrolle unterliegen. Der/die Weblog-Autor/ in entscheidet eigenständig, ob und welche Inhalte veröffentlicht werden. Somit sind sie Autor/in wie auch Chefredakteur/in in einer Person. Weblogs werden also weitestgehend von einem oder wenigen Autor/innen geführt und es handelt sich meist um persönliche, d.h. personenbezogene und an persönliche Interessen gebundene Weblogs. In letzter Zeit lässt sich jedoch auch vermehrt der Einsatz von Weblogs in Institutionen, Unternehmen und Non-Profit-Organisationenbeobachten: „Dies markiert den Übergang von Weblogs, die einzelnen Menschen oder virtuellen Initiativen als individuelle Ausdrucksform dienen, zu institutionell verankerten Weblogs, die Bestandteil der Kommunikationsstrategie von Non-Profit-Organisationen, Unternehmen, Parteien, Behörden, Politikern oder Prominenten sind.“ (Zerfaß & Boelter, 2005, S. 30) In „Weblogs – Virtual Discussion in Educational Settings“ von Ingrid Bergner (Bergner, 2004) wird die Bedeutung von „Microcontent“ für eine „Personal Knowledge History“ herausgearbeitet. Einzelne Beiträge in einem Weblog werden als Microcontent beschrieben. Microcontent zeichnet sich dadurch aus, dass normalerweise eine Idee, ein Gedanke, eine Äußerung, Ressource o.ä. vorliegt und in einem entsprechenden Beitrag thematisiert wird. Dieser ist normalerweise nicht sehr lang, hat ein mehr oder minder expliziertes Thema und ist unter eine URL referenzierbar (im Falle eines Weblogs ein Permalink). Laut Bergner ist Microcontent dadurch leichter auf einer Peer-to-Peer Basis diskutierbar und de- bzw. rekonstruierbar. Dem Permalink wird hierbei besondere Bedeutung zugemessen, da er eben nicht eine Seite, sondern jeweils einen von mehreren Beiträgen auf einer Weblog-Seite als Item referenzierbar macht. Weiterhin wird auf Wittgenstein (1984) verwiesen, um zu begründen, dass Microcontent leichter diskutierbar als elaborierte Theorien oder Modelle ist, da letztere sich in ihrer Wahrheit auf ihre gegenseitigen Relationen zueinander begründen und keine Beweise „in der realen Welt“ mehr nötig sind. Daher sind sie schwer angreifbar, ohne eine ebenso elaborierte, umfassende Gegentheorie zu entwickeln. Als weiteres konstitutives Element von Weblogs wird die chronologische Sortierung der Inhalte (Weblog-Einträge) angesehen, da hierdurch der „Knowledge building process“ (Wissenskonstruktion) des Autors sichtbar werden kann. Regelmäßige Einträge, die mit einem Zeitstempel (Uhrzeit und Datum) versehen sind, führen hier zu einer Art Lerntagebuch im Web. Dadurch können sich reflexive Elemente des Schreibens sowie Metakognitionen über den persönlichen Lernprozess ergeben. Das eigentliche Augenmerk liegt auf „Personal Knowledge“, also persönlichem bzw. subjektivem Wissen. Dieses wird von objektivem Wissen abgegrenzt, da es vom Individuum selbst erzeugt wird und nicht ohne ein Subjekt existieren kann.

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Personal Knowledge entsteht aus den persönlichen Erfahrungen eines interagierenden Individuums in einer konkreten Situation. Daher wird diesem Wissen zugeschrieben, dass es authentischer, persönlicher, unmittelbarer und spontaner sei. Durch die Verschriftlichung subjektiven Wissens in einem informellen Kontext wie einem Weblog wird es persönlicher und fördert Diskussionen, die auf Alltags-Erfahrungen anstelle von abstrakten, wissenschaftlichen Konzepten basieren. Durch das regelmäßige Verfassen von Weblog-Einträgen wird nach und nach eine Art Netz von zueinandergehörigen Gedanken und Ideen erstellt, das auf der persönlichen Erfahrung des Autors beruht. Bezüglich der technischen Infrastruktur von Weblogs, werden diese auch in diesem Artikel den Content-Management-Systemen (CMS) zugeordnet und die Besonderheiten der chronologischen Darstellung sowie Kategorisierung von Beiträgen betont. Abschließend wird zusammengefasst, warum Weblogs sich besonders gut für virtuelle Diskussionen eignen: •

Da individuelle Autoren als autonome Subjekte andere Weblog-Autoren referenzieren,



die Weblogs in Form von RSS-Feeds abonniert oder syndiziert werden können,



und spezifische Argumente / Microcontent-Einheiten mittels Trackback aufeinander bezogen und visualisiert werden können.

(vgl. Bergner, 2004) Relativ kleine Texteinheiten fördern so den Zugang zu einer Diskussion (Microcontent) und erlauben virtuelle Bezugnahmen (Hyperlinks), die auf eine jeweils ganz bestimmte Textpassage einer Weblog-Seite verweisen (Permalink) können, welche von dem spezifischen Argument thematisiert wird. Durch das regelmäßige Führen eines chronologischen Weblogs über längere Zeiträume entsteht eine „Personal Knowledge History“, die nicht an ein spezifisches Thema, eine Lehrveranstaltung o.ä., sondern an die Person des Weblog-Autoren gebunden ist.

8.3

Bildungsportale und BildungsBlogs

In diesem Kapitel werden einleitend mögliche Funktionen eines Bildungsportals dargestellt. Darauf aufbauend wird aufgezeigt, inwiefern diese im BildungsBlog geleistet werden. Insbesondere wird diskutiert, wo sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einem offenen, unmoderierten Community-Blog ohne redaktionelle Inhalte und einem zentral redaktionell betreuten Bildungsportal finden lassen.

8.3.1

Funktionen von Bildungsportalen

Ein wesentliches Element eines Bildungsportals besteht darin, eigens produzierte Ressourcen (Content) direkt auf der Seite des Portals zur Verfügung zu stellen (Powazek, 2002). Somit können sich die Benutzer/innen über die Themen des Bildungsportals informieren, und finden einen schnellen thematischen Überblick als Einstieg ebenso wie auch weiterführende Litera-

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8 Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog

turhinweise. Dabei kann es sich um einführende Texte, Vertiefungstexte, Präsentationen oder anderes handeln. Eine weitere Eigenschaft eines Bildungsportals ist es, aktuelle Links zu externen Ressourcen anzubieten. Diese werden beispielsweise in Form einer News-Seite, eines Weblogs, eines Newsletters oder eines Linkverzeichnisses angeboten. Ein Beispiel hierfür ist der Deutsche Bildungsserver (http://www.bildungsserver.de), in dem es neben aktuellen News auch eine Sammlung nach Themen sortierter Links zu anderen Online-Quellen gibt. Damit übernehmen Bildungsportale eine wichtige Filterfunktion, da sie relevante Online-Quellen durchforsten, beschreiben und kategorisieren. Neben dem Veröffentlichen eigener Ressourcen in Form einer Wissensbasis sowie den Hinweisen auf externe Ressourcen in der Funktion von Auswahl und Kategorisierung, stellen Hinweise auf eigene News und Veranstaltungen eine weitere wichtige Funktion von Bildungsportalen dar (Waloszek, 2001). Die Hinweise auf aktuelle News und Veranstaltungen finden sich meist auf der Startseite, oder in einer eigenen News-Abteilung und bieten oft die Möglichkeit, sie per Newsletter oder RSS zu abonnieren. Hierdurch werden die Nutzer/innen an die Plattform gebunden, da sie regelmäßig auf Aktualisierungen und Neuigkeiten auf der Plattform hingewiesen werden. Um mehr als „nur“ ein eher starres, redaktionell betreutes Angebot zu sein, versuchen einige Bildungsportale, die Benutzer/innen aktiv einzubinden. Dies lehnt sich an Konzeptionen rund um den eher als metaphorisch zu betrachtenden Begriff „Web 2.0“ an, welcher von Tim O'Reilly populär gemacht wurde (O'Reilly, 2005). Im Kontext von Bildungsportalen bedeutet Web 2.0, dass sich die Architekturen von Informationsportalen dahingehend ändern, dass sie nicht nur offener und durchlässiger werden, indem sie beispielsweise vermehrt externe Quellen einbeziehen (etwas durch Einbinden externer RSS-Feeds auf der eigenen Website, Trackbacks u.ä.), sondern darüber hinaus den Nutzer/innen eine aktivere Rolle zukommen lassen. So wird die Möglichkeit gegeben, sich auf den Plattformen einen Login anzulegen, um eigene Inhalte beitragen zu können, beispielsweise in Form von Links, (Weblog-)Beiträgen, Veranstaltungshinweisen, usw. Darüber hinaus arbeiten innovative Portale auch bereits mit Social Software Funktionen, welche es erlauben, dass sich die Nutzer/innen aufgrund bereits bestehender Bekanntschaften oder gemeinsamen inhaltlichen Interessen miteinander vernetzen können. Ein Beispiel hierfür ist wieder die Social Networking-Funktionalität von e-teaching.org, wo die Nutzer/innen eigene Interessen angeben sowie sich mit ihren Kontakten vernetzen können (http://www.eteaching.org/community).

8.3.2

Funktionen des BildungsBlogs

Das BildungsBlog – im Februar 2003 zunächst als Experiment gestartet – zog relativ schnell Aufmerksamkeit aus der „Fachszene“ auf sich. Innerhalb kürzester Zeit ließ sich so Bekanntschaft mit den relevanten Akteuren knüpfen, und es entstanden Kontakte zu interessierten Professor/innen, wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen und Journalist/innen. Dies mündete beispielsweise in einem umfangreichen Bericht der Basler Zeitung über den Nutzen von

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Weblogs im Bildungswesen, sowie einer Vorstellung des BildungsBlog und einem Interview (siehe Basler Zeitung vom 14.6.2003).

Abb. 8.1

Das BildungsBlog: http://bildung.twoday.net

Jede/r kann Autor/in sein Ein zentrales Element des BildungsBlogs stellt die Tatsache dar, dass in diesem Weblog jede/r Nutzer/in nicht nur Kommentare, sondern auch eigene Beiträge schreiben und veröffentlichen kann, welche dann prominent auf der Startseite dargestellt werden. Eine redaktionelle Kontrolle durch den Betreiber findet nicht im Vorhinein statt, so dass die Nutzer/innen ihre Beiträge direkt publizieren können. Zwar ist es dem Administrator des Weblogs möglich, unpas-

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8 Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog

sende Kommentare oder Spam zu löschen, dies ist jedoch nur äußerst selten erforderlich, da es sich anscheinend um eine disziplinierte Nutzerschaft handelt, und – vielleicht wegen des fachlichen Zugangs zu einem im allgemeinen wenig prominenten Themenkomplex – wenig Anlass etwa zu persönlichen Beleidigungen, Spam oder sonstigem Missbrauch bietet. Vorteile liegen darin, dass man sich nicht mit der regelmäßigen Pflege, Administration und Aktualisierung eines Weblogs beschäftigen muss, sondern auf das bereits bestehende Angebot eines offenen Community-Weblogs zugreifen kann. Ein weiterer Vorteil bei der Nutzung eines offenen Community-Blogs liegt darin, dass man – im Gegensatz zur Nutzung eines eigenen Weblogs – nicht erst noch eine thematisch interessierte Leserschaft etablieren muss, damit die eigenen Beiträge auch gefunden und gelesen werden. Zudem erreicht ein Beitrag auch Multiplikatoren, die selbst eigene Weblogs führen bzw. ein Interesse an der Nutzung von Web 2.0-Formaten wie etwa Weblogs, Wikis, Social Bookmark Managers und Social Networking Sites haben. So listet die Weblog-Suchmaschine Technorati.com gegenwärtig 115 andere Weblogs auf, welche auf das BildungsBlog durch einen Hyperlink verweisen (Stand 27.2.2007, http://www.technorati.com/search/bildung.twoday.net).

BildungsBlog als Linkfilter Wie es bei Weblogs üblich ist, enthält das BildungsBlog überwiegend Hinweise zu externen Quellen, welche durch eine Beschreibung und einen Hyperlink verfügbar gemacht werden. Damit erfüllt es die für Bildungsportale wichtige Funktion des Filterns und Kategorisierens von Ressourcen. Dabei kann es sich beispielsweise um News, Veranstaltungshinweise, Fachartikel oder andere Publikationen handeln. Hierdurch übt das BildungsBlog die Funktion eines regelmäßig aktualisierten Link-Filters aus. Durch die Möglichkeit, Beiträge zu kategorisieren, werden diese im Archiv wieder auffindbar. Kategorien können beim Erstellen eines Beitrags frei gewählt werden. Populäre Kategorien im BildungsBlog sind beispielsweise „Schule“, „Hochschule“ und „eLearning“.

Publikation & Diskussion eigener Inhalte Während in institutionellen Bereichen das Thema Open Access zumeist noch rege diskutiert wird, kann man im BildungsBlog eigene Arbeiten – zum Beispiel als PDF-Upload – einer fachlich interessierten Leserschaft zugänglich machen. Im Gegensatz zu einer klassischen Verlagspublikation bleibt das Copyright bei den jeweiligen Autoren. Zudem sind die Arbeiten durch Suchmaschinen wie Google leicht zu finden – besonders wenn der Titel des Beitrags dem Thema entsprechende, zentrale Keywords enthält, wie das folgende Beispiel illustriert: Einen der im Jahr 2006 meistgelesenen Beiträge im BildungsBlog stellt der Artikel „Diplomarbeit: Kunst und Gewalt: Battles im HipHop“ (Mosel, 2006) dar, welcher einen kurzen, die Arbeit beschreibenden Abstract enthält, und die Diplomarbeit meiner ehemaligen Kommilitonin Natalie Philippe (Philippe, 2005) zum Download als PDF im Volltext verfügbar macht. Kurz nach Veröffentlichung im BildungsBlog wurde die Arbeit in einigen anderen Weblogs erwähnt, und als belegende Literatur für die Wikipedia-Artikel „Bitch“ (Wikipedia, 2007) und „Battle-Rap“ (Wikipedia, 2007) verwendet.

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Das Beispiel zeigt, wie gerade Nischenthemen, zu denen es nur wenig Literatur im Internet gibt, durch Publikationen in Community-Weblogs bedient werden können. Grundsätzlich gibt es bei Publikationen in Weblogs keinen formellen Garant einer Qualitätssicherung, da keinerlei Review der Beiträge stattfindet, und man auch nicht erfährt, wie dort veröffentlichte Texte in formellen Bildungskontexten bewertet wurden. Durch die fachkundige Leserschaft und der Möglichkeit, zu jedem Beitrag einen Kommentar zu hinterlassen, gibt es jedoch eine zumindest rudimentär korrigierende Funktion durch die Nutzer/innen selbst – vorausgesetzt, dass diese die Texte dementsprechend kritisch lesen. Dadurch, dass jeder Artikel des BildungsBlogs über eine Kommentarfunktion verfügt, kann es auch genutzt werden, um Fragen zu stellen oder Inhalte zu diskutieren. Dies ist ein wichtiger Aspekt des Community-Building, weil es hierdurch für die Autor/innen und Leser/innen des BildungsBlogs möglich wird, aufeinander einzugehen. Die Kommunikation wird dadurch bidirektional, da direktes Feedback jederzeit möglich ist. Dies kann beispielsweise eine Frage nach geeigneten Tools zur Durchführung von Online-Umfragen (http://bildung.twoday.net/ stories/1284159/), oder eine Diskussion zum Einsatz von Weblogs an Hochschulen (http://bildung.twoday.net/stories/186550/) sein. Somit kommt eine soziale Komponente ins Spiel, welche auf ausschließlich redaktionell betreuten Plattformen nicht allzu oft vorhanden ist.

Zugänge zum BildungsBlog Da das BildungsBlog weder im Rahmen eines Projekts betrieben wird, noch sonst einer Organisation oder Insitution angehört, wächst es organisch durch die Beiträge derjenigen Nutzer/ innen, welche es im Web finden und anschließend mehr oder minder regelmäßig besuchen. Bei den Inhalten und Diskussionen im BildungsBlog handelt es sich quasi um „diskursive Inseln“, welche durch die Auffindbarkeit in Suchmaschinen, die Verbreitung der Inhalte mittels RSS-Feeds, und die Verlinkung von anderen Websites anderen Nutzer/innen zugänglich gemacht werden können. Doch wie rekrutiert das BildungsBlog selbst wiederum seine Leserschaft? Die meisten Leser/innen finden über Suchmaschinen auf die Seite. Das BildungsBlog wird regelmäßig aktualisiert und alle Artikel sind unter permanenten URLs dauerhaft abrufbar. Daher ist es in Google und anderen Suchmaschinen prominent vertreten. Dasselbe gilt für Blog-Suchmaschinen wie Technorati.com. Diese durchsuchen ausschließlich die Inhalte von Weblogs, und werden meist von aktiven Blogger/innen benutzt. Da es sich beim BildungsBlog um eines der ersten deutschsprachigen Weblogs rund um Bildung, Lehren und Lernen handelt, wird es oft in den Artikeln oder Linksammlungen zu EduBlogs aufgeführt. Beispiele sind eine Einführung bei e-teaching.org (http://www.e-teaching.org/didaktik/kommunikation/weblog/) oder ein Artikel über den Einsatz von Weblogs im Fremdsprachenunterricht bei „Lehrer-Online“ (Netz, 2003). Eine weitere Möglichkeit, das BildungsBlog zu finden, sind Links aus anderen Weblogs. Hierbei kann es sich um Links innerhalb eines Weblog-Beitrags handeln, der das Weblog referenziert, oder um einen Link in der Blogroll (Linkliste in der Seitenleiste) eines anderen Weblogs. Da das BildungsBlog einen RSS-Feed aller aktuellen Artikel bereitstellt, können die Inhalte des BildungsBlogs dementsprechend einfach auf anderen Websites automatisch dargestellt

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8 Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog

werden. RSS-Feeds beinhalten Titel, Text und die URL jedes Beitrags in Form einer XMLDatei und sind damit layout-neutral. Damit haben die Betreiber anderer Websites die Möglichkeit, ihren Leser/innen im eigenen Corporate Design Inhalte anzubieten, ohne sich selbst um deren Erstellung und Aktualisierung kümmern zu müssen. Die Inhalte können thematisch angepasst werden, da es auch möglich ist, nur Beiträge aus einer bestimmten inhaltlichen Kategorie zu syndizieren, beispielsweise die Kategorie „Schule“. Das BildungsBlog wird beispielsweise von der David-Roentgen-Schule Neuwied (http://www.drsneuwied.de/phpwebsite/index.php?module=phpwsrssfeeds&RSS_MAN_op=view&PHPWS_MAN_ITEMS[]=4& MMN_position=133:133) und von bildungs-tag.de (http://www.bildungs-tag.de/e-learning. html) syndiziert.

8.4

Fazit

Eine grundlegende Funktion thematisch orientierter Weblogs besteht darin, aktuelle Trends und Entwicklungen aufzugreifen, darüber zu berichten, Verweise zu weiterführenden Quellen zu publizieren, und sich darüber mit anderen Nutzer/innen auszutauschen. Weblogs sind damit Bildungsinfrastrukturen, die autonomes und kooperatives Lernen unterstützen. Selbstgesteuerten Lernens ist ein autonomer Prozess, was auch die Auswahl und Diskussion entsprechender (Lern-)Inhalte impliziert. Bei Weblogs handelt es sich um diskursive Medienformate, welche es den Nutzer/innen sehr einfach machen, eigene Inhalte zu publizieren und zu diskutieren. Dadurch wird die Partizipation an informellen wie auch selbstgesteuerten Bildungsprozessen erleichtert, und das in traditionellen Lehr-/Lernformen vorhandene Gefälle zwischen Lehrer/in und Schüler/in bzw. Dozent/in und Teilnehmer/in entfällt. Es handelt sich bei der Nutzung von Weblogs also nicht um ein Bildungsangebot einer professionellen Person oder Institution (one-to-many), welches vorgefertigte Lerninhalte bereit stellt, sondern um die gemeinsame Präsentation und Diskussion von Inhalten, an der potentiell jede/r Nutzer/in aktiv beteiligt sein kann.

Literaturverzeichnis Bergner, Ingrid: Weblogs – Virtual Discussion in Educational Settings. Internet: http://btmac2.fernuni-hagen.de/peter/gems/ibweblogsindiscussions.pdf. (gesichtet am 10.5.2005) Fach, Wolfgang: Staatskörperkultur. Ein Traktat über den schlanken Staat. In: Lemke, Thomas et al (Hrsg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, S. 110-130. Faulstich, Peter: Einige Grundfragen zur Diskussion um „selbstgesteuertes Lernen“. In: Dietrich, S.; Fuchs-Brüninghoff (Hrsg.): Selbstgesteuertes Lernen – auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur. Frankfurt am Main 1999, S. 24-39. Holzkamp, Klaus: Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Campus Verlag, Frankfurt/Main New York 1995.

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Kraft, Susanne: Divergierende Theorie- und Forschungstraditionen. Übersicht über den Forschungsstand zum selbstgesteuerten Lernen. In: Kraft, Susanne (Hrsg.): Selbstgesteuertes Lernen in der Weiterbildung. Schneider Verlag, Hohengehren 2002, S. 31-43. Mosel, Stephan: Diplomarbeit: Kunst und Gewalt: Battles im HipHop. In: BildungsBlog, http://bildung.twoday.net/stories/1510716/, 3.2.2006 (gesichtet am 27.2.2007). Mosel, Stephan: Praktiken selbstgesteuerten Lernens anhand der Nutzung von web-basierten Personal-Publishing-Systemen. Diplomarbeit, Uni Gießen 2005; http://weblog.plasticthinking.org/media/1/diplomarbeit-weblogs-lernen.pdf (gesichtet am 28.2.2007). Netz, Gabi: Weblogs im FSU. Das digitale Tagebuch mit Kommentarfunktion – ein Geheimtipp für das Kommunikationstraining im Fremdsprachenunterricht? In: Lehrer-Online, http:// www.lehrer-online.de/dyn/9.asp?url=346786.htm, 17.4.2003 (gesichtet am 28.2.2007). O'Reilly, Tim: What Is Web 2.0. Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software. In: oreilly.com, http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/ 09/30/what-is-web-20.html, 30.9.2005. Panke, S., Wedekind, J. & Haug, S. (2007). Bildungsportale als Infrastrukturen für Wissensmanagement und Community-Building, im selben Band Powazek, D.: Design for Community: The Art of Connecting Real People in Virtual Places. New Riders, Indianapolis 2002. Röll, Martin: Corporate E-Learning mit Weblogs und RSS. In: Wilbers, Hohenstein (Hrsg.): Handbuch E-Learning, 2005; http://www.roell.net/publikationen/roell05-elearningweblogs-rss.pdf (gesichtet am 28.2.2007). Philippe, Natalie: Kunst und Gewalt: Battles im HipHop. Eine diskursanalytische Untersuchung der Sprechakte „boasten“ und „dissen“ in deutschsprachigen Rap-Texten der Jahre 2001 bis 2004. Diplomarbeit, Uni Gießen 2005. http://bildung.twoday.net/files/diplomarbeit-natalie-philippe/ (gesichtet am 27.2.2007) Reischmann, Jost: Selbstgesteuertes Lernen: Entwicklung des Konzepts und neuere theoretische Ansätze. In: Kraft, Susanne (Hrsg.): Selbstgesteuertes Lernen in der Weiterbildung. Schneider Verlag, Hohengehren 2002, S. 107-126. Tietgens, Hans: Was aus der Teilnehmerorientierung geworden ist. In: Evers, R.; Kaiser, M.; u.a. (Hrsg.): Leben lernen. Waxmann, Münster New York München Berlin 1999, S. 89103. Waloszek, Gerd: Ingredients of Portals – An Overview. In: SAP Design Guild (2001), http:/ /www.sapdesignguild.org/editions/edition3/portal_elements.asp#news (gesichtet am 21.5.2007) Winer, Dave: RSS 2.0 Specification. In: Harward Law, http://cyber.law.harvard.edu/rss/ rss.html (gesichtet am 20.5.2007). Wittgenstein, L.: Über Gewissheit. Complete Edition, Vol. 8. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1984.

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8 Lernen mit Microcontent – das Beispiel BildungsBlog

Zerfaß, Ansgar; Boelter, Dietrich: Die neuen Meinungsmacher. Weblogs als Herausforderung für Kampagnen, Marketing, PR und Medien. Nausner & Nausner, Graz 2005.

Aus Wikipedia Battle-Rap. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. Februar 2007, 07:40 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Battle-Rap&oldid=28300465 (Abgerufen: 28. Februar 2007, 15:34 UTC) Bitch. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 26. Februar 2007, 20:11 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bitch&oldid=28384335 (Abgerufen: 28. Februar 2007, 15:37 UTC) Microcontent. (2007, January 28). In Wikipedia, The Free Encyclopedia, http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Microcontent&oldid=103824621 (gesichtet am 28.2.2007).

9

Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule Richard Heinen Chefredakteur Lehrer Online, Bonn

9.1

Einleitung

Computer und Internet sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Auch beim Lernen und Lehren spielen sie immer häufiger eine Rolle. Im institutionalisierten Lernen in der Schule haben digitale Medien ihren Platz. Neben der Erkenntnis, dass sich manche fachlichen Inhalte spannender, schülerzentrierter und selbstbestimmter erlernen lassen und dass das Lernen mit digitalen Medien überfachliche Kompetenzen, wie das Recherchieren, das Präsentieren und das kooperative Arbeiten fördern, ist auch die Tatsache heute anerkannt, dass man ohne Computer und Internet nicht auf ein Leben in der Wissensgesellschaft vorbereiten kann. Das war nicht immer so. Vor gut zehn Jahren gab es kaum Schulen, die über einen Internetzugang verfügten, ganz zu schweigen von vernetzten Computerräumen, Medienecken in den Klassen, mobilen Laptop-Ausstattungen oder konkreten Szenarien, diese Ausstattung zu nutzen. Dennoch gab es bereits damals Lehrerinnen und Lehrer, die die neuen Möglichkeiten erkannten und – im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten – in ihrem Unterricht nutzten, zum Teil auch mit wissenschaftlicher Begleitung. Zahlreiche Aktivitäten und Initiativen wurden gestartet, um Lehrkräfte in die Lage zu versetzen, digitale Medien in die schulische Arbeit einzubinden. Der Verein Schulen ans Netz e.V. entwickelte für diesen Zweck im Jahr 1998 eine Portallösung: Lehrer-Online.de ist ein Webangebot, das Lehrkräfte beim Einsatz digitaler Medien im Unterricht unterstützt. Im folgenden Artikel wird Lehrer-Online.de in die Geschichte des Vereins eingeordnet. Anhand der bisherigen drei Designs wird die sich wandelnde beziehungsweise weiterentwickelnde Zielsetzung des Angebotes verdeutlicht. Dabei soll auch aufgezeigt werden, wie die Entwicklung von Lehrer-Online.de nicht nur durch die Rückmeldungen und Beteiligungen von Lehrkräften beeinflusst wurde, sondern wie Lehrer-Online.de auf die Forderungen reagiert hat, die sich aus Studien zum Einsatz digitaler Medien ergaben. Im zweiten Teil des Artikels wird die Struktur des heutigen Angebots dargestellt. Zudem werden Maß-

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9 Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule

nahmen zur Kundenbindung und Kundengewinnung erläutert. Dabei wird Bezug genommen auf die Evaluation des Portals durch das Institut für Wissensmedien in Tübingen (IWM), um aufzuzeigen, welche Komponenten des Portals für die Zustimmung bei den Nutzerinnen und Nutzern von Bedeutung sind und welche Optimierungsmöglichkeiten sich aus der Evaluation ableiten lassen.

9.2

Studien

Die Entwicklung von Schulen ans Netz e.V. und seiner Angebote erfolgte stets im Kontext wissenschaftlicher Begleitung. Dabei handelt es sich zum Teil um Arbeiten, die sich explizit mit dem Verein und seinen Projekten und Portalen beschäftigen, zum Teil um Arbeiten, die den schulischen Medieneinsatz grundsätzlich im Fokus haben. Einigen dieser Studien werden hier herangezogen, um die Entwicklung von Lehrer-Online.de zu verdeutlichen, bzw. um zu zeigen, welche Impulse sie für die Arbeit am Portal gaben. 1. Unter dem Titel „Schulen an das Netz“ wurde die erste Studie im Auftrag der deutschen Telekom AG verfasst. Die Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe führten zur Gründung der Initiative Schulen ans Netz durch die Deutsche Telekom AG und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Studie forderte einen mehrstufigen Ausbau der Mediennutzung und skizziert Ausstattungs- und Fortbildungsanforderungen. Inhaltlich sind die gewünschten Pilotprojekte vor allem am Aufbau von Medienkompetenz in Projektform orientiert (Gesellschaft für Informatik, 1995). 2. In der ersten Phase von Schulen ans Netz stand die Ausstattung der Schulen mit kostenfreien Internetanschlüssen im Mittelpunkt. Ausgewählte Schulen wurde zusätzlich gefördert, um Pilotprojekte für die schulische Mediennutzung zu entwickeln. Diese Entwicklung dieser Materialien wurde durch eine wissenschaftliche Evaluation begleitet, die das Institut für Schulentwicklungsforschung der Universität Dortmund (IFS) durchführte. Die Studie setzt auch wichtige Impulse für die Bündelung von Unterrichtseinheiten auf Lehrer-Online.de (Schulz-Zander, 2000). 3. Fünf Jahre nach der Gründung der Initiative stellt eine Publikation des Vereins einen Rück- und Ausblick an, der aus den bis dahin veröffentlichten Forschungsergebnissen Aufgaben für die Zukunft definiert (Drabe, 2001). 4. Im Jahr 2006 hat das IWM in Tübingen das Portal Lehrer-Online.de evaluiert. Die bisher umfangreichste Studie zu Lehrer-Online.de ist in vier Teilstudien unterteilt, die ein facettenreiches Bild von Lehrer-Online.de zeichnen. In einer Online-Befragung wurden die Nutzer von Lehrer-Online.de befragt (Hron & Neudert, 2006a). Weiterhin verglich eine Benchmarkstudie Lehrer-Online.de mit 15 nationalen und internationalen Bildungsportalen (Hron & Neudert, 2006b). Fünf Experten gaben Expertisen zu Lehrer-Online.de ab, die in einem Experten-Review zusammengefasst sind (Hron & Neudert, 2006c). In einer Interviewstudie wurden Lehrkräfte befragt, die neben Lehrer-Online.de auch andere Bildungsportale nutzen und ggf. sogar bevorzugen (Hron & Neudert, 2006d). Die Studie belegt die sehr gute Positionierung von Lehrer-Online.de auf dem deutschen und internationalen Bildungsportalmarkt, den Bedarf von Lehrkräften an Unterrichtsmaterial sowohl

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zum Aufbau von Medienkompetenz als auch zum themen- und fachbezogenen Unterricht mit digitalen Medien und hohe Nutzerbindung. Sie gibt darüberhinaus wertvolle Hinweise für die Weiterentwicklung des Portals, das auch aufgrund der Studie im Sommer 2007 neu gestaltet wird. 5. Anlässlich der Zehnjahresfeier des Vereins Schulen ans Netz beauftragte die Deutsche Telekom AG eine Metastudie, die die wesentlichen Studien der vergangenen zehn Jahre zusammenfasst. Begleitet wurde die Studie von zwei Expertenworkshops, deren Empfehlungen die Studie beenden. Diese Empfehlungen weisen bereits den Weg über das angestammte Aufgabenfeld von Schulen ans Netz e.V. hinaus. Nicht mehr nur die Förderung der schulischen Mediennutzung wird in Zukunft Aufgabe des Vereins sein, sondern die Unterstützung des Lernens mit digitalen Medien in allen Lebensbereichen (Herzig & Grafe, 2006). Es kann davon ausgegangen werden, dass die beiden letztgenannten Studien für die weitere Entwicklung des Vereins Schulen ans Netz und des Portals Lehrer-Online.de von maßgeblichem Einfluss sein werden.

9.3

Vorgeschichte – Schulen ans Netz, die Ausstattungsinitiative

Lehrer-Online bezeichnet einerseits ein Portal, andererseits ein Projekt. Zum Projekt gehören gegenwärtig die Websites Lehrer-Online.de, lo-net2.de und primolo.de. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Geschichte, der Entwicklung und den Zielen des Bildungsportals Lehrer-Online.de. Die Werkzeuge lo-net2.de1 und primolo.de2 werden hier nicht behandelt. Gleichwohl sind sie eng mit Lehrer-Online.de verknüpft und werden im Rahmen des gleichen BMBF-Projektes Lehrer-Online entwickelt. Zum besseren Verständnis wird hier vom Portal Lehrer-Online.de gesprochen. Anlass für den Start des Portals Lehrer-Online.de war die Notwendigkeit, Lehrkräften Ideen an die Hand zu geben, wie die durch die Initiative Schulen ans Netz in die Schulen gebrachten Internetzugänge und Computer sinnvoll in den Unterricht integriert werden könnten. Schulen ans Netz e.V. wurde 1996 auf Initiative der Deutschen Telekom und des damaligen Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gegründet. Der Gründung vorausgegangen war eine mit Unterstützung der Deutschen Telekom AG erstellte Studie: „Schulen an das Netz“, der Name der Studie wurde dann verkürzt zum Namen der Initiative. Deutschland stand zu diesem Zeitpunkt im internationalen Vergleich schlecht da; nur ca. 800 Schulen

1.

lo-net2.de ist eine virtuelle Arbeitsplattform, die Schulen die Möglichkeit bietet, sich im Internet abzubilden und Klassen und Gruppen umfangreiche Groupware- und LMS-Funktionalitäten zu Verfügung stellt.

2.

primolo.de ist ein Homepage-Generator für die Schule, der es Lehrenden in der Grundschule leicht macht, mit ihren Klassen einfache Websites zu gestallten.

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9 Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule

verfügten über einen Internetzugang. Ziel der Initiative war es, alle deutschen Schulen mit einem kostenfreien Internetzugang auszustatten (Gesellschaft für Informatik, 1995). In den ersten Jahren stand die technische Ausstattung der Schulen im Vordergrund der Arbeit des Vereins. Schulen wurden auf Antrag mit von der Deutsche Telekom gesponserten ISDNZugängen ausgestattet. In zusätzlichen Förderrunden erhielten Schulen für ausgewählte Medienprojekte zusätzlich Hard- und Softwareausstattung. Diese Förderungen dienten dem Zweck, Medienprojekte an Schulen entwickeln zu lassen, die dann anderen Lehrkräften als Beispiel dienen sollten. Mit der besseren technischen Ausstattung stieg in den Schulen die Nachfrage nach Unterrichtskonzepten. Da die Dokumentation einzelner Projekte auf Homepages der geförderten Schulen nicht ausreichte, wurde Lehrer-Online.de veröffentlicht. Damals wie heute war es ein Kernziel des Portals praxiserprobte Unterrichtskonzepte für den schulischen Medieneinsatz aufzubereiten und über das Internet weiterzugeben. Trotz der grundsätzlich konstanten Zielsetzung zeigt sich die Website heute grundlegend anders als vor neun Jahren und ist mit den technischen und methodischen Möglichkeiten gewachsen.

9.4

Entwicklung von Lehrer-Online.de

Lehrer-Online.de ging im Sommer 1998 mit einer ersten Version online. Ein erster Relaunch fand im Frühjahr 2001, ein zweiter im Frühjahr 2003 statt. Der aktuelle Webauftritt ist der dritte Auftritt von Lehrer-Online.de. Neben Anpassungen des Webdesigns an aktuelle Entwicklungen dienten die Relaunchs vor allem immer zwei Zielen: Die Fülle der Inhalte erforderte neue Strukturierungen, das Fortschreiten der Integration digitaler Medien in den Unterricht veränderte die Zielsetzung der Website und führte zu neuen Schwerpunktsetzungen in der Auswahl der publizierten Inhalte.

9.4.1

Leuchtturmprojekte

Von einer Integration digitaler Medien in den Unterricht konnte in der Anfangsphase von Schulen ans Netz e.V. nicht die Rede sein. Lehrkräfte, die bereits mit Computer und Internet arbeiteten, waren in ihren Schulen Pioniere, die unterrichtsbegleitende Leuchtturmprojekte durchführten, die auf das eigene Kollegium und andere Schulen abstrahlen sollten. Zur Multiplikation der Vorbildsfunktion wurden diese Projekte auf Lehrer-Online.de vorgestellt. Der Umgang mit dem Medium Computer und erste Gehversuche im Internet waren Ziele der Projektbeschreibungen, ganz im Sinne der Studie „Schulen an das Netz“, in der vor allem medientechnische Fertigkeiten als unterrichtliche Detailziele definiert worden waren (Gesellschaft für Informatik, 1995). Drei Beispiele seien hier genannt.

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Afric@Life Im Projekt Afric@Life konnten Schülerinnen und Schüler zwei Journalisten online auf einer einjährigen Reise durch Afrika begleiten und Aufgaben zu den Stationen der Reise bearbeiten.3

Uni@schule Der Wettbewerb Uni@schule wollte die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Universitäten anregen, die gemeinsam Unterrichtsprojekte entwickeln sollten, die vor allem den Mehrwert digitaler Medien und einen handlungsorientierten Unterricht zeigen sollten.4

EnterPreis Ein drittes Beispiel ist der Grundschul-Wettbewerb EnterPreis. Hier sollten Gruppen von Grundschulkindern Medienprojekte gestalten und auf Webseiten dokumentieren.5 Allen drei Projekten und Wettbewerben ist die Schwerpunktsetzung auf das erstmalige Entdecken und Erproben digitaler Medien sowie der unterrichtsbegleitende projektorientierte Ansatz zu Eigen. Eine direkte Anbindung an den Unterricht wird lediglich angeregt.

9.4.2

Medienprojekte für den Fachunterricht

Mit dem Relaunch 2001 wandelten sich neben dem Layout auch die Inhalte des Portals. In der Begleitstudie durch das IFS zur ersten Phase von Schulen ans Netz e. V., die 2001 endete, als die Ausstattung der Schulen mit kostenfreien Internetzugängen abgeschlossen war, werden die neuen Aufgaben deutlich. Den positiven Erfahrungen mit Computer und Internet standen vor allem höher Arbeitsaufwand bei der Unterrichtsvorbereitung und fehlende Konzepte für den Medien gestützten Unterricht gegenüber (Schulz-Zander, 2000). Darauf reagierte die neue Struktur der Webseite, die nun eigenständige Bereiche für einzelne Fächer anbot. Hier wurden Unterrichtsvorschläge veröffentlicht, die zwar weiterhin stark projektorientiert sind, aber eine enge Integration in den Fachunterricht anstreben.

9.4.3

Unterrichten mit digitalen Medien

Einen weiteren Entwicklungsschritt stellt der Relaunch 2003 dar. Mit den Einheiten auf Lehrer-Online.de wird den Nutzern, eine Sammlung an Materialien zur Verfügung gestellt, die für die meisten Fächer Vorschläge für eine Vielzahl von unterrichts- und lehrplanrelevanten Themen macht. Dabei kann die Mediennutzung sehr unterschiedlich ausfallen. Damit sollen auch Lehrkräfte bedient werden, die keine ausgewiesenen Medienprojekte durchführen wollen, aber bereit sind, an geeigneter Stelle zur Verbesserung ihres Unterrichts auf Computer und Internet zurückzugreifen. Außerdem ist es ebenso wichtig ein breites Angebot mit Unter3.

Die detaillierte Projektbeschreibungen ist weiterhin auf der Projektwebseite einzusehen: http://www.africalife.de

4.

Auch die Beschreibung des Wettbewerbs ist im Internet abrufbar: http://www.uni-schule.de

5.

Informationen zum Wettbewerb sind weiterhin im Internet verfügbar: http://enterpreis.san-ev.de

130

9 Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule

richtsvorschlägen für Medien affine Lehrkräfte bereit zu halten. Es ist daher konsequent auf Lehrer-Online.de ab 2003 zunehmend auch Einheiten zu veröffentlichen, die grundsätzliche pädagogische Annahmen mit digitalen Medien umsetzen. Ein frühes Beispiel aus dieser Phase ist die Einheit „Klassik: Vordenker, Theorie und Werke von Günther Neumann“6. Die mit 12 Unterrichtsstunden umfangreiche Einheit zeigt einen Wechsel zwischen verschiedenen Medien. Die Unterrichtseinheit „Bärengeschichten – ein interaktives Geschichtenbuch“ nutzt beispielsweise verschiedene Programme und das Internet in der Grundschule und setzt dabei stark auf gruppenorientiertes Arbeiten, zudem thematisiert sie Genderaspekte7.

9.5

Lehrer-Online.de – heute

9.5.1

Zielgruppen

Lehrer-Online.de bedient heute eine breite Nutzergruppe. Überraschend ist, dass die Altersstruktur der Nutzer von Lehrer-Online.de der Altersstruktur der deutschen Lehrerschaft entspricht; jüngere Lehrkräfte sind also nicht signifikant häufiger als ältere vertreten. Gleichzeitig ist Lehrer-Online.de eine wichtige Informationsquelle für die Lehrerausbildung. Referendare nutzen Lehrer-Online.de zur eigenständigen Recherche in der Unterrichtsvorbereitung und setzen Unterrichtseinheiten von Lehrer-Online.de im eigenen Unterricht um. Ausbilder verwenden Lehrer-Online.de in Studienseminaren und auch an Universitäten wird auf die Informationsquelle hingewiesen. Lehrer-Online.de wird also von Pädagogen genutzt, die über umfangreiche Lehrerfahrung verfügen, aber noch Hilfe bei der Nutzung digitaler Medien benötigen. Nachwuchskräfte, die das Unterrichten erst noch lernen, bedürfen zusätzlich vertiefender methodisch-didaktischer Erläuterungen. Der Schluss, dass jüngere Lehrkräfte grundsätzlich weniger Hilfe bei der unterrichtlichen Nutzung digitaler Medien bedürfen, lässt sich übrigens aus unseren Erfahrungen bisher nicht belegen. Die Nutzergruppe von Lehrer-Online.de ist also in mehrfacher Hinsicht sehr heterogen. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Seitengestaltung als auch auf den Aufbau der einzelnen Artikel. Die Zusammensetzung der Teilnehmer an der Online-Befragung zeigt, dass Lehrer-Online.de die Zielgruppen, die es erreichen möchte auch erreicht (Hron & Neudert, 2006a). Grenzen der Reichweite von Lehrer-Online.de werden hingegen deutlich, wenn man die organisatorischen, technischen und sozialen Rahmenbedingungen der Lehrer-Online-Nutzergruppe (Hron & Neudert, 2006a) mit denen der Gesamtlehrerschaft vergleicht, wie sie z.B. in der Zusammenfassung der BMBF-Studie von Herzig & Grafe (2006) deutlich wird. Nutzer von LehrerOnline.de scheinen mit der medientechnischen Ausstattung ihrer Schule, der Unterstützung des Medieneinsatzes durch die Schulleitung und der kollegialen Beratung in Fragen der Medi6.

Die Einheit ist unter der URL http://www.lehrer-online.de/url/klassik abrufbar.

7.

Die Einheit ist unter der URL http://www.lehrer-online.de/dyn/379750.htm abrufbar.

Richard Heinen

131

ennutzung deutlich zufriedener zu sein als andere Lehrkräfte. Lehrer-Online.de wird also vor allem dort häufig genutzt, wo technisch, organisatorische und kollegiale Rahmenbedingungen den Einsatz digitaler Medien unterstützen.

9.5.2

Angebotsvielfalt und Struktur

9.5.2.1

Bereiche, Portale und Rubriken auf Lehrer-Online.de

Die Kernbereiche von Lehrer-Online.de sind die unterrichtspraktischen Bereiche für die Grundschule, die Sekundarstufen und die Berufsbildung. Der Bereich der Sekundarstufen ist in die Unterbereiche Fremdsprachen, Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften unterteilt. Diese Unterbereiche beheimaten die jeweils zugehörigen Fachportale. Die Bereiche Grundschule und Berufsbildung sind nicht in Unterbereiche gegliedert. Die einzelnen Fachportale und Bereiche sind in Rubriken aufgeteilt. Im Wesentlichen sind dies immer die Rubriken Unterricht, Fachmedien, Fachdidaktik und Linksammlung. Neben den schulspezifischen Bereichen stehen die Bereiche Recht und Medienkompetenz. Der Bereich Recht gibt Informationen zu rechtlichen Aspekten der schulischen Mediennutzung. Durch die Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München konnte hier ein Bereich geschaffen werden, der nicht nur Lehrkräften Sicherheit bei rechtlichen Fragen gibt, sondern der auch von Juristen immer wieder nachgefragt wird. Zurzeit bedient der Bereich Recht auf Lehrer-Online.de drei Themenfelder: Webseiten & Recht, Internetnutzung & Recht, Hard-/Software & Recht. In Frequently Asked Questions (FAQs – Häufige Fragen) und vertiefenden, fallbasierten Erläuterung werden rechtliche Hilfestellungen bei der schulischen Mediennutzung gegeben. Der Bereich Medienkompetenz stellt mittlerweile einen wichtigen Querschnittsbereich dar. Im Bereich Medienkompetenz werden vor allem Artikel und Einheiten aus den Fachportalen vorgestellt, die der Einführung von Computer und Internet entweder für die Lehrkraft oder für die Schüler dienen. In weiteren Dossiers werden Unterrichtseinheiten zu medienspezifischen Themen aus verschiedenen Fachportalen gesammelt. Beispielhaft hierfür ist das Dossier „Film & Video“, das auch das Zusammenwachsen „alter“, ehemals analoger Medien und „neuerer“, digitaler Medien veranschaulicht und das eine Vielzahl von Artikeln aus unterschiedlichen Bereichen und Fachportalen verlinkt. Die Bereiche „Aktuelles“ und „Über uns“ dienen vor allem der Kundeninformation und -bindung. Im Bereich Aktuelles wird der Newsletter archiviert. Außerdem finden sich die aktuellen Meldungen, die tagesaktuell zu Themen aus Schule, Bildung und Medien berichten in diesem Portalbereich.

9.5.2.2

Fachportale – der Weg zu den Inhalten

Die Startseiten der Fachportale sind ähnlich wie die Startseite von Lehrer-Online.de aufgebaut. Zwei bebilderte Tipps der Redaktion weisen auf Artikel hin, die die Redaktion aus unterschiedlichen Gründen prominent platzieren möchte. Es schließen sich die tagesaktuellen Bildungsnachrichten an. Am Ende der Seite finden sich Hinweise auf zum Fach passende

132

9 Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule

Zusatzangebote. Dies sind z.B. geeignete Themenschwerpunkte oder Dossiers in der Meidenkompetenz.

9.5.2.3

Themenschwerpunkte – Thematische Querverweise

Dem Prinzip der Verweise auf Einheiten in den Fachportalen, wie es in der Medienkompetenz zur Anwendung kommt, folgen auch die Themenschwerpunkte, die seit 2004 zum Angebot von Lehrer-Online.de gehören. Sie ermöglichen es, aktuelle Themen hervorzuheben. Vor allem können so aber auch Themen zentral bedient werden, die sich für eine schulische Mediennutzung besonders anbieten, die sich aber nicht einzelnen Fächern zuordnen lassen. Als Beispiele seien hier drei Themenschwerpunkte angeführt: •

Der Themenschwerpunkt „Grenzüberschreitend Lernen“8 ist in die Rubriken Interkulturelles Lernen und Globales Lernen gegliedert.



Der Themenschwerpunkt „Fußballweltmeisterschaft“9 bediente das Bedürfnis viele Lehrkräfte, das sportliche Großereignis des Jahres 2006 angemessen im Unterricht zu thematisieren.



Der Themenschwerpunkt „Leseförderung“10 ist besonders geeignet, Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien auch in Kombination mit „alten“ Medien zu veranschaulichen und so auch neue Lehrkräfte für das Unterrichten mit Computer und Internet zu gewinnen.

Die Themenschwerpunkte enthalten nur vereinzelt Artikel, die nicht in den Fachportalen verankert sind. Dies sind in aller Regel Artikel, die fächerübergreifende Aspekte der Themenschwerpunkte darstellen und in diese einführen.

9.5.2.4

Das Kernangebot – Die Unterrichtseinheiten

Ebenso wie die Startseiten der Fachportale dienen auch die Einstiegsseiten der einzelnen Unterrichtseinheiten der besseren Orientierung. Der als Anleser bezeichnete einleitende Absatz gibt als Fließtext einen ersten Überblick über die Einheit und liefert Informationen über den Inhalt, die verwendeten Medien und das methodische Vorgehen. Die folgenden Lernziele sind häufig in die Bereiche Fachkompetenz, Medienkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz gegliedert. Die Kurzinformationen helfen einzuschätzen, wie groß der Zeitaufwand für eine Unterrichtseinheit ist, welche technischen Voraussetzungen im Idealfall gegeben sein sollten und in welcher Schulform und Klassenstufe die Einheit zunächst durchgeführt wurde. An diesen ersten Überblicksteil schließt sich der didaktisch-methodische Kommentar an, der sehr unterschiedlich aufgebaut sein kann und von unterschiedlichem Umfang ist. Liegen bereits Einheiten mit ähnlichem methodischem Vorgehen oder passende fachdidaktische Artikel vor, die das methodische Vorgehen erläutern, ist der Kommentar kurz und verweist auf die

8.

Vgl. http://www.lehrer-online.de/url/global-und-interkulturell, der Themenschwerpunkt entstand in Kooperation mit e-twinning und dem Deutschen Bildungsserver.

9.

Vgl. http://www.lehrer-online.de/url/wm-2006

10.

Vgl. http://www.lehrer-online.de/url/lesefoerderung

Richard Heinen

133

entsprechenden Artikel. Ausführliche Kommentare enthalten hingegen wichtige Hintergrundinformationen, die das methodische Vorgehen in der Einheit detailliert erläutern oder den Mehrwert des Medieneinsatzes besonders hervorheben. Der methodisch-didaktische Kommentar erstreckt sich über ein oder mehrere Unterseiten. Am Ende der Einstiegsseite einer Einheit findet sich der Download-Bereich, in dem alle benötigten Arbeitsblätter abgerufen werden können und in dem der gesamte Text der Einheit als PDF zur Verfügung gestellt wird. Über die Autoreninformationen sind auch alle anderen Artikel eines Autors abrufbar. So eröffnet sich eine weitere Recherchemöglichkeit.

9.5.3

Kundengewinnung

Lehrer-Online.de freut sich über eine kontinuierlich wachsende Zahl von Nutzerinnen und Nutzern. Erfreulich hoch ist dabei auch der Anteil derer, die Lehrer-Online.de regelmäßig besuchen. Die Verteilung der Teilnehmer an der Online-Befragung im Rahmen der Evaluation von Lehrer-Online.de macht deutlich, dass viele Lehrer-Online.de bereits seit mehreren Jahren kennen und nutzen. Die Zahl der neuen Nutzer wächst aber auch von Jahr zu Jahr immer weiter (Hron & Neudert, 2006a). Um weiterhin steigende Nutzerzahlen erzielen zu können, hat Lehrer-Online.de unterschiedliche Maßnahmen ergriffen.

Suchmaschinenoptimierung Seit 2004 wurde Lehrer-Online.de für Suchmaschinen optimiert. Das Ergebnis: Suchanfragen bei Google zu Themen, zu denen Lehrer-Online.de Material bereithält, weisen in der Regel einen Link zu Lehrer-Online.de auf der ersten Seite aus. Eine Kombination eines thematischen Stichwortes mit dem Stichwort „Unterricht“ führt meist zu einem Verweis auf LehrerOnline.de unter den ersten fünf Treffern.

Distribution über den Deutschen Bildungsserver Seit 2004 arbeitet Lehrer-Online.de mit dem deutschen Bildungsserver zusammen. Alle Unterrichtseinheiten, fachdidaktischen Artikel und Fachmedienrezensionen werden innerhalb von 14 Tagen nach ihrer Veröffentlichung auch über den deutschen Bildungsserver zugänglich gemacht. Die Benchmarkstudie der Evaluation Lehrer-Online.de hat an verschiedenen Stellen deutlich gemacht, dass nur wenige Bildungsportale einen im Bezug auf die schulische Mediennutzung vergleichbaren Umfang wie Lehrer-Online.de bieten, hiervon profitiert der deutsche Bildungsserver als Verweisserver ohne eigene redaktionelle Inhalte in hohem Maße, trägt aber auch zur Verbreitung von Lehrer-Online-Materialien bei.

Entwicklung eines Metadatenstandard Das Konsortium CONducation verfolgt das Ziel, ausgehend von der österreichischen Metadatenspezifikation, die auf den Ergebnissen verschiedener europäischer Projekte beruht, einen

134

9 Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule

gemeinsamen deutschsprachigen Metadatenstandard zu Beschreibung von Lernobjekten und Lerneinheiten zu entwickeln. Mit dem für Sommer 2007 geplanten Relaunch von LehrerOnline.de ist eine Implementierung des CONducation-Standards vorgesehen, andere Standards werden aber auch bedient. Spätestens dann sollen über eine gemeinsame Suchmaske die Lernressourcen der beteiligten Institutionen durchsuchbar sein.11

Ergebnissicherung – Transferprojekte auf Lehrer-Online.de In zunehmendem Maße übernimmt Lehrer-Online.de für andere Projekte eine Transferfunktion. Durch die Publikation von Ergebnissen dieser Projekte auf Lehrer-Online.de werden diese Materialien effektiv in die Schulwelt getragen, da die Reichweite von Lehrer-Online.de deutlich höher ist als die Webpräsenzen der kooperierenden Projekte. Als Beispiel kann hier die Zusammenarbeit mit dem ebenfalls von Schulen ans Netz e. V. durchgeführten EU-Projekt eTwinning dienen. Ziel von eTwinning ist der Aufbau virtueller Schulpartnerschaften. Wichtiger Bestandteil ist aber auch die Dokumentation von Unterrichtsreihen, die die Zusammenarbeit von Schulen aus verschiedenen europäischen Ländern deutlich machen. Diese Aufgabe hat Lehrer-Online.de seit dem Start von eTwinning übernomen. eTwinnnig konnte so bereits kurz nach Projektbeginn über Lehrer-Online.de zahlreiche Lehrkräfte erreichen. Andererseits sind die Einheiten auf Lehrer-Online.de kontinuierlich in die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit von eTwinning eingebunden. So ergibt sich für beide Partner ein Gewinn.12

Aktuelle Piloten: Länderseiten und Fortbildungen Weitere Maßnahmen zur Kundengewinnnung wurden bisher in Piloten erprobt. Zum Schuljahreswechsel 2006/2007 erstellte Lehrer-Online erstmals schulform- und bundeslandspezifische Einstiegsseiten, die in Absprache mit den Landesministerien und Landesbildungsservern per E-Mail den Schulen bekannt gemacht wurden. Nach wie vor ist der Fortbildungsbedarf der Lehrkräfte zum Einsatz digitaler Medien ungebrochen hoch. Lehrer-Online.de kann im Sinne des Selbststudiums als Fortbildungsinstrument genutzt werden. Die Website wird auch immer wieder in der Lehreraus- und -fortbildung eingesetzt. Seit dem Launch der neuen Lern- und Arbeitsplattform lo-net2.de im Oktober 2006 erprobt Lehrer-Online eigene Angebote für die Lehreraus- und -fortbildung. An den Universitäten Bochum, Bremen und Paderborn, sowie an den Studienseminaren in Bonn, Jülich, Köln, Troisdorf und Vettweiß wurde jeweils ein virtuelles Seminar für Studierende bzw. Lehramtsanwärter durchgeführt. Das Seminar wurde im Sommer 2004 entwickelt und jetzt auf das neue lo-net2.de übertragen. Es kann als Modell für weitere Ausbildungsseminare dienen, die Institutionen der Lehrerausbildung in der Medienbildung unterstützen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erstellen im Rahmen ihrer Ausbildung auch eigene Materialien, die zum Teil auf Lehrer-Online.de veröffentlicht werden.

11.

Eine Definition der Ziele des Metadaten-Konsortiums CONducation findet sich im Manifest, das ebenso wie die jeweils aktuelle Metadatenspezifikation unter http://www.conducation.com abgerufen werden kann.

12.

Andere Transferaktivitäten finden beispielsweise in Zusammenarbeit mit den BLK-Programmen Kubim und Sinus / Sinus-Tansfer oder dem EUN-Projekt xplora statt.

Richard Heinen

135

Einen ersten Piloten für Seminare in der Lehrerfortbildung entwickelte Lehrer-Online.de zur Leseförderung. Der Leselilli-Online-Kurs will Lehrkräfte theoretisches Hintergrundwissen zur Leseförderung in der Grundschule vermitteln und in die Nutzung der Leselilli als Unterrichtswerkzeug einführen. Dabei wird immer wieder auf Materialien auf Lehrer-Online.de zurückgegriffen.

9.5.4

Kundenbindung

Für Nutzer, die einmal den Weg zu Lehrer-Online.de gefunden haben, werden unterschiedliche Angebote gemacht, die zu einem regelmäßigen Besuch der Website animieren sollen. Hierzu gehören strukturelle Elemente der Seitengestaltung genauso wie regelmäßige Aktionen.

Neues und Bewährtes auf Lehrer-Online Auf allen Seiten von Lehrer-Online.de werden die für den Bereich jeweils aktuellsten drei Angebote angezeigt. Dem Nutzer fällt es daher leicht, neue Artikel aufzustöbern. Manche Artikel schlummern lange in den Tiefen der Navigation, um aus aktuellen Anlässen wieder häufig aufgerufen zu werden. Dann erscheinen Sie unter den Besucherhits. Auch dieses Angebot lädt zum Stöbern auf Lehrer-Online.de ein.

Aktuelles aus der Bildungslandschaft Die tagesaktuellen Nachrichten signalisieren dem Leser, dass die Seite aktuell ist. Auch wenn in einem Fachportal einmal keine neue Rezension, keine neue Unterrichtseinheit zu finden ist, findet der Leser dennoch aktuelle News zu seinem Fachgebiet, die ihn über Wissenswertes aus Bildung, Schule und Medien informieren.

Der Newsletter – Lehrer-Online.de frei Haus Ein wichtiges Mittel der Kundenbindung ist der Newsletter, der als Lehrer-Online-Newsletter alle vierzehn Tage und als Grundschul-Letter einmal im Monat versandt wird. Die Hälfte der Teilnehmer an der Online-Befragung im Rahmen der Evaluation waren Abonnenten einer der beiden Newsletter. Der Newsletter informiert über neue Publikationen auf Lehrer-Online.de und animiert dazu, das Portal zu besuchen. Der hohe Anteil von Newsletterabonnenten an der Onlinebefragung belegt die angestrebte Wirkung des Newsletters (Hron & Neudert, 2006a). Ebenfalls zur Kundenbindung gehören kleine Aktionen, die meist mit Verlosungen verbunden sind. Bei der Veröffentlichung von Rezensionen von Lernsoftware werden häufig einige Freiexemplare verlost. Auch die Leselilli-Lesereise ist hier zu nennen. Grundschulen, die sich mit einem Leselilli-Projekt bewerben, nehmen an der Verlosung von Autorenlesungen an Grundschulen teil. Neben allen Aktivitäten zur Kundenbindung ist aber die kontinuierliche Publikation von neuen Materialien, von Rezensionen und Unterrichtseinheiten von entscheidender Bedeutung. Denn dies hat die Befragung mit aller Deutlichkeit gezeigt: Lehrkräfte besuchen LehrerOnline.de vor allem deshalb, weil sie Anregungen für ihren Unterricht suchen (Hron & Neudert, 2006a).

136

9.5.5

9 Lehrer-Online – Ein Bildungsportal für die Schule

Statistik

Lehrer-Online kann seit Jahren auf kontinuierlich wachsende Zugriffszahlen zurückblicken. Im Monat vor dem letzten Relaunch im März 2003 besuchten im Schnitt 4.212 Besucher täglich Lehrer-Online.de, im März 2007 waren es täglich durchschnittlich 20.312. Das entspricht einer Steigerung um das 4,82-fache. Insgesamt waren im März 2007 629.667 Besucher auf Lehrer-Online.de zu verzeichnen. Anfang Dezember 2006 wurden erstmals mehr als 26.000 Besucher an einem einzelnen Tag gezählt. Sowohl im Sommer 2003 als auch im Sommer 2006 waren die Sommerferienmonate Juli und August mit Abstand die Monate mit den geringsten Zugriffszahlen. Langsam aber kontinuierlich stieg die Zahl der Newsletterabonnenten von knapp 6.000 im März 2003 auf über 21.800 im November 2006. Eine Bereinigung des Adressbestandes im November 2006 zeigte einen erstaunlich hohen Anteil an über Jahre hinweg validen E-MailAdressen. Auch dies ein Zeichen hoher Kundenbindung. Die bundesweite Akzeptanz des Portals macht die Online-Befragung deutlich (Hron & Neudert, 2006a). Bei der Befragung kamen zwar absolut gesehen die meisten Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen. Gemessen aber an der Zahl der Lehrkräfte im Land rückt Bremen an die Spitze, gefolgt von Nordrhein-Westfalen und einem breiten Mittelfeld der westdeutschen Bundesländer.

9.6

Ausblick

Kein Portal bleibt, wie es war. Wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Portal gibt die Evaluation. Die Konsequenzen aus der Evaluation, wie sie sich in einem Relaunch im Sommer 2007 zeigen werden, können hier angedeutet werden. Das aktuelle Layout wird verschlankt werden. Die Start- und Portalseiten werden übersichtlicher gestaltet, überflüssige Navigationselemente ersetzt. Damit reagieren wir vor allem auf Kritik aus den Expertenreviews. Die Benchmarkstudie (Hron & Neudert, 2006b) lässt nur wenige Wünsche an Lehrer-Online.de offen, aber auch diese sollen mit dem Relaunch erfüllt werden. Hierzu gehören ein verbessertes Angebot an RSS-Feeds sowie Optimierungen im Bereich der Barrierefreiheit und der Navigation. Kontrovers sehen die einzelnen Teilstudien eine Personalisierung von Lehrer-Online.de. Die Benchmarkstudie (Hron & Neudert, 2006b) verzeichnet nur wenige Portale, die diese Funktionen bieten. Aus dem Expertenkreis (Hron & Neudert, 2006c) wird eine Personalisierung empfohlen, mit dem Hinweis den Bedarf zu ermitteln. In der Interview-Studie werden Personalisierungen hingegen mehrheitlich nicht gewünscht (Hron & Neudert, 2006a). Eine Blitzumfrage im März 2007 auf Lehrer-Online.de liefert ebenfalls kein klares Bild. Wir werden mit dem Relaunch verschiedene Personalisierungsmöglichkeiten einführen, die einerseits dem Nutzer mehr Komfort bieten werden, uns andererseits aber Hinweise für eine Verbesserung des Angebotes geben sollen.

Richard Heinen

137

Auch für eine inhaltliche Entwicklung gibt die Evaluation wichtige Hinweise. Deutlich wird der Bedarf der Lehrkräfte an Unterrichtsmaterial. Diesem Bedürfnis wird auch in Zukunft nachgekommen. Die Expertenreviews lenken aber den Blick auf eine inhaltliche Ausdifferenzierung, die explizit auf Lehrer-Online.de noch zu wenig sichtbar wird: Neben dem Lernen mit Medien wird dem Lernen über Medien in Zukunft größere Bedeutung zukommen. Die zwei Expertenworkshops im Rahmen der Studie „Digitale Medien in der Schule“ (Herzig & Grafe, 2006) weisen für das Portal zwei Wege: Der Bedarf der Lehrkräfte nach Hilfen beim Unterrichten mit digitalen Medien besteht weiter. Er nimmt sogar zu, da es nun darum geht, immer mehr Lehrkräfte zur systematischen Nutzung zu bewegen. Neben der Contentbereitstellung wird die Vernetzung der Lehrkräfte und das Engagement in der Lehrerfortbildung gefordert. Die Teilnehmer der beiden Workshops sehen aber auch für Schulen ans Netz e.V. die Aufgabe, sich über die Zielgruppe Schule hinaus zu entwickeln. Engagement im vorschulischen Bereich, in der beruflichen Bildung und im lebensbegleitenden Lernen wird von den Experten empfohlen. Auch hier liegen für Lehrer-Online als Ganzes Entwicklungspotentiale, da diese Bereiche auch immer wieder Anknüpfungspunkte an Schule haben. Zudem können hier dann auch die beiden Websites Lehrer-Online.de und lo-net2.de gemeinsam ihre Stärken zur Geltung bringen. Mit dem Relaunch 2007 werden erste Projekte zur vorschulischen Bildung und zur Berufsvorbereitung auf den beiden Portalen realisiert werden.

Literaturverzeichnis Drabe, Michael (Hrsg.) (2001): Schulen ans Netz – Evaluation – Empfehlungen, LOG IN Verlag Berlin Gesellschaft für Informatik (GI) (1995): Schulen an des Netz, Bonn Herzig, B. & Grafe, S. (2006): Digitale Medien in der Schule – Standortbestimmung und Handlungsempfehlungen für die Zukunft – Studie zur Nutzung digitaler Medien in allgemein bildenden Schulen in Deutschland. Bonn: Deutsche Telekom AG Hron, A. & Neudert, S. (2006a), Projekt EVA-LO – Online-Befragung – Befragung zur Nutzung und Bewertung des Internetportals Lehrer-Online, Tübingen Hron, A. & Neudert, S. (2006b), Projekt EVA-LO – Benchmarkstudie – Studie zum Vergleich des Schulportals „Lehrer-Online“ mit 15 nationalen und internationalen Schul- und Bildungsportalen, Tübingen Hron, A. & Neudert, S. (2006c), Projekt EVA-LO – Experteninterviews – Studie zur Prüfung des Schulportals „Lehrer-Online“ durch fünf ExpertInnen, Tübingen Hron, A. & Neudert, S. (2006d), Projekt EVA-LO – Experteninterviews – Studie zur Prüfung des Schulportals „Lehrer-Online“ durch fünf ExpertInnen, Tübingen Schulmeister, R. (2002): Grundlagen hypermedialer Lernsysteme. München u.a.: Oldenbourg Schulz-Zander, R./ Hunneshagen, H./ Weinreich, F./ Brockmann, J./ Dalmer, R. (2000): Abschlussbericht der wissenschaftlichen Evaluation des Projektes „Schulen ans Netz“. Dortmund: IFS

Teil C Blended Concepts – Integration netzbasierter Bildungsressourcen in Supportmaßnahmen 10

Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen (Simone Haug, Birgit Gaiser, Institut für Wissensmedien, Tübingen)

141

11

www.informationskompetenz.de – Professionelle Supportstruktur für Bibliotheken 155 (André Schüller-Zwierlein, Universitätsbibliothek München, Fabian Franke, Universitätsbibliothek Bamberg)

12

Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen (Heinz Mandl, Ludwig-Maximilians-Universität München, Katrin Winkler, QIAGEN GmbH, Bernd Heuser, NYCOMED (ehemals Altana Pharma), Walter Weber, NYCOMED

165

10

Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen Simone Haug, Birgit Gaiser Institut für Wissensmedien, Tübingen

10.1

Einleitung

Lehrenden wird bei der Einführung von E-Learning häufig die Rolle der „Pace Maker“ und Multiplikatoren für E-Learning-Innovationen zugeschrieben. An anderer Stelle werden sie aufgrund der teilweise mangelnden Erfahrung mit E-Learning-Methoden als „kritischer Erfolgsfaktor“ angesehen (Euler, Hasanbegovic, Kerres, & Seufert, 2006). Aus einer institutionellen Perspektive ist es für eine nachhaltige Integration von E-Learning erforderlich, dass die Hochschulen die Lehrenden in vielfältiger Weise unterstützen und die notwendigen Organisationsentwicklungsprozesse einleiten (Kubicek, Breiter, Fischer & Wiedwald, 2003). Als ein tragender Baustein wird in diesem Kontext die Personalentwicklung – insbesondere die Vermittlung von Medienkompetenz angesehen (Kerres, 2005). Nur in wenigen Hochschulen ist die Personal- und Kompetenzentwicklung fest strategisch wie auch institutionell verankert (Pellert, 2001). Die Hochschulen stehen daher vor der Herausforderung, adäquate Qualifizierungsformate und Organisationsmodelle zu entwickeln. Beim Aufbau von Kompetenzentwicklungsmaßnahmen müssen insbesondere die Spezifika des Wissensgebiets „E-Learning“, der Organisation Hochschule und der Zielgruppe berücksichtigt werden. Da es sich bei E-Learning um ein Wissensgebiet handelt, das sich fortlaufend weiterentwickelt, ist es schwierig, zeitgerecht Fachwissen zu vermitteln. Als entscheidender wird es daher angesehen, den Lehrenden das richtige Werkzeug an die Hand zu geben, so dass es ihnen möglich ist, den Lernprozess aktiv selbst organisiert zu gestalten. Bezogen auf die Bildung von Erwachsenen spricht man in diesem Zusammenhang auch von „Ermöglichungsdidaktik“, d.h. es geht um das Herstellen günstiger Rahmenbedingungen (Schüßler & Arnold, 2001). Der Lehrperson kommt in diesem Zusammenhang die Rolle des „Faciliators“ und Begleiters zu.

142

10 Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen

Im Artikel werden verschiedene Ansätze der E-Kompetenzentwicklung an Hochschulen dargestellt. Medienkompetenz ist ein mehrdimensionaler Gegenstand. Diese Komplexität macht es vor allem kleinen Hochschulen schwer, ein umfangreiches Angebot aus Information, Beratung und Qualifizierung auf die Beine zu stellen. Am Beispiel des Informations- und Qualifizierungsportals e-teaching.org wird aufgezeigt, wie die Einbindung einer Online-Ressource Qualifizierungsmaßnahmen von Hochschulen im Allgemeinen sowie die zielgruppenspezifische Kompetenzentwicklung im Besonderen unterstützen kann.

10.2

Zielgruppenspezifische Maßnahmen

E-Learning funktioniert nicht ohne die Lehrenden. Soll der Einsatz digitaler Medien verstärkt und qualitativ verbessert werden, muss daher bei den Hauptakteuren angesetzt werden. Die Herausforderung besteht darin, ein Portfolio an Kompetenzentwicklungsmaßnahmen aufzubauen, das sowohl Einsteiger, Fortgeschrittene als auch Experten im Bereich E-Lehre anspricht. Zur Entwicklung eines differenzierten Angebots eignet sich die Unterteilung von Lehrenden in verschiedene Adoptionstypen. Bei der Typenbildung basierend auf Rogers (2003) wird davon ausgegangen, dass bei der Diffusion von Innovationen im Innovationsprozess verschiedene Akteurgruppen entsprechend der jeweiligen Phasen der Innovation unterschieden werden können. Darauf aufbauend untersuchten Hagner & Schneebeck (2001) die Dissemination von Medien in der Hochschule und identifiziert die vier Nutzertypen, Einzelkämpfer („Entrepreneurs“), Risikovermeider („Risk Aversives“), Anreizorientierte („Reward Seekers“) und Widerstrebende („Reluctants“) bezeichnet (Vgl. Hagener & Schneebeck, 2001, S. 3ff.). Bei den verschiedenen Gruppen bestehen unterschiedliche Interessen und Motivationen für die Beschäftigung mit digitalen Medien, die vor allem davon abhängen, inwiefern bereits Medienkompetenz und Erfahrungen mit der E-Lehre vorhanden sind. Dementsprechend müssen für Einsteiger andere Kompetenzentwicklungsmaßnahmen bereitgestellt werden als für Fortgeschrittene. In Analogie werden von Dreyfus & Dreyfus (1988) für Einsteiger und Experten verschiedene Konzepte des Wissenserwerbs beschrieben, die letztlich einen Prozess von der Qualifikation zur Kompetenzentwicklung darstellen. Qualifikationsmaßnahmen richten sich in diesem Verständnis an Einsteiger und werden definiert als die von außen an Personen herangetragenen Erwartungen etwa in Form von formalen Bildungsabschlüssen. Qualifikationsmaßnahmen enthalten klare Anleitungen und vermitteln regelgebundenes Wissen. Kompetenz wird dagegen als etwas verstanden, das entsteht, wenn sich Menschen eigenverantwortlich mit ihrem Umfeld auseinandersetzen und dadurch praktisches Transferwissen erwerben. Kompetenz beschreibt somit die oft informell erworbenen Fähigkeiten eines Experten, Probleme selbständig zu lösen und das eigene Wissen bei Bedarf zu restrukturieren. Demnach muss der Experte weniger eine Form des Wissenserwerbs als eine Form des Wissensmanagements leisten. Statt formalen Prozessen werden hier die informellen Formen des Wissenserwerbs wichtiger (Reinmann, 2007).

Simone Haug, Birgit Gaiser

Abb. 10.1

143

Vier Adoptionstypen für die E-Lehre (Grafik auf Basis von Hagner & Schneebeck, 2001)

Bei der Kompetenzentwicklung handelt es sich folglich um einen Prozess, in dessen verschiedenen Phasen den unterschiedlichen Adressatengruppen die passenden Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden müssen. Bei Neueinsteigern erscheinen insbesondere Qualifizierungsangebote wichtig, bei Personen mit grundlegenden Kenntnissen und ersten Erfahrungen werden Beratungsangebote als adäquat angesehen und bei Personen mit längeren Erfahrungen gilt es insbesondere, den informellen Austausch zu fördern. Was müssen Hochschullehrende wissen, welche Fähigkeiten müssen sie beherrschen, um als medienkompetent zu gelten? Im folgenden Kapitel wird der Begriff der Medienkompetenz näher beleuchtet sowie auf verschiedene Kompetenzentwicklungsmaßnahmen an Hochschulen eingegangen.

10.3

Maßnahmenportfolio für die Kompetenzentwicklung

Nach Wedekind (2004) wird unter Medienkompetenz „die Fähigkeit zum kompetenten, verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit digitalen Medien in den unterschiedlichen akademischen Tätigkeitsfeldern von Forschung, Lehre und Entwicklung verstanden“ (Wedekind 2004, S. 269). Schorb (2005) fasst Medienkompetenz in drei Kategorien zusammen: Medienwissen, Medienbewertung und Medienhandeln (Schorb, 2005, S. 259): •

Medienwissen als Funktionswissen, Strukturwissen, Orientierungswissen.

144

10 Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen



Medienbewertung als kritische Reflexion, ethnisch und kognitiv basierte Qualifizierung.



Medienhandeln als Medienaneignung, Mediennutzung, Medienpartizipation und Mediengestaltung.

Medienkompetenzentwicklung muss situiert, also orientiert am spezifischen Handlungskontext, stattfinden. Entscheidend für einen Einstieg in die E-Lehre ist daher der Erwerb von organisatorischem – und somit hochschulspezifischem – Wissen in Bezug auf E-Learning. Relevant sind Informationen darüber, welche Institutionen und Zentraleinrichtungen an der Hochschule existieren, welche Dienstleistungen diese anbieten und welche Infrastruktur, Hard- und Software zur Verfügung steht. Außerdem sollten Lehrende Überblickswissen im Bereich Medien aufweisen, in Bezug auf den Erstellungsaufwand, Wirksamkeit, Einsatzmöglichkeiten und rechtliche Aspekte des E-Learning (DINI, 2004). Gefragt sind daher Bildungsangebote im Bereich Medientechnik, Didaktik und Projektmanagement. Besonders was die Organisation von E-Learning-Projekten betrifft, müssen Lehrende umdenken. E-LearningProjekte stellen einen arbeitsteiligen Prozess dar, der von den Projektleitern Organisationsund Koordinationsfähigkeiten verlangt (Pfeffer et al., 2005). Die Herausforderung besteht darin, sich vom „Lehrstuhlprinzip“ (Kerres, 2005) und einer stark individualisierten Lehrkonzeption und Realisierung zu lösen und zu einer kooperativen Lehrform zu gelangen, die verschiedene „Spezialisten“ mit einbezieht (Gröhbiel, 2002). In einer im Jahr 2003 veröffentlichten Studie des Projekts kevih wurden Lehrende an Hochschulen befragt, welche Quellen des Kenntniserwerbs sie im Kontext ihrer Lehrtätigkeit bevorzugen. Die Lehrenden nannten an erster Stelle die eigene Lehrerfahrung, an zweiter Stelle die Diskussion mit Fachkollegen und an dritter Stelle Fachliteratur. Auf die Frage nach den üblichen Formen der Weiterbildung wurden Workshops (1.), Literaturstudien (2.), Tagungen /Kongresse (3.) und Beispielanwendungen (4.) noch vor internen (5.) und externen (7.) Schulungen genannt (Wedekind, 2004). Es gilt festzuhalten, dass die eigene Lehrpraxis, der kommunikative Austausch mit Kollegen, die Rezeption von Selbstlernmedien und der Einblick in Vergleichsprojekte aus Sicht der Lehrenden die höchste Bedeutung bei der Kompetenzentwicklung besitzen. Maßnahmen, die den Lernprozess begleiten und den Austausch ermöglichen werden daher als besonders wichtig angesehen. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass klassische Weiterbildungsveranstaltungen wie Schulungen und Kurse nicht zu den bevorzugten Fortbildungsformen von Lehrenden gehören. Das kann u.a. daran liegen, dass Lehrende es gewohnt sind, ihre Weiterbildung eigenständig zu organisieren (Dusch & Lütke-Entrup, 2004). Der Trend weg von klassischen Weiterbildungsangeboten wie Workshops und Schulungen hin zu individualisierten und arbeitsplatznahen Beratungs- und Betreuungskonzepten zeichnet sich auch in der aktuellen Literatur zu E-Kompetenzentwicklung ab (Grune & Helmers, 2006; Hasanbegovic & Kerres, 2006). Allerdings stellt eine beratende Begleitung eine sehr aufwändige und damit relativ ressourcenintensive Maßnahme dar, die eine andere Organisationsform als die traditionelle Aufteilung in Fachbereiche und zentrale Einrichtungen erfordert (Hasanbegovic & Kerres, 2006; Gorny 2004).

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145

Netzbasierte Angebote bieten eine gute Möglichkeit, eigenverantwortliche Prozesse des Wissenserwerbs, Wissensaustauschs und Wissensmanagements zu begleiten und zu unterstützen. Die Vorteile liegen insbesondere im flexiblen Zugriff und den zentralen Aktualisierungsmöglichkeiten. Zudem können die Lehrenden begleitend Erfahrungen im Bereich Online-Lernen sammeln. Möglichkeiten, den Kompetenzerwerb an der Hochschule mit Hilfe digitaler Medien zu unterstützen, sind z.B. Informationen und Selbstlernmaterialien (z.B. FAQ, Tutorials) auf der Website der Hochschule oder Foren, Mailinglisten und Communities zur Unterstützung der Kommunikation. Die Bedeutung der Information und Kommunikation für den Kompetenzerwerb wird in vielen Veröffentlichungen zum Thema Kompetenzentwicklung an Hochschulen betont (Kerres et al., 2006; Euler 2004).

10.3.1

Zugänglichkeit von Informationen

Im Sinne einer unterstützenden Öffentlichkeitsarbeit ist es wichtig, an der Hochschule und darüber hinaus Transparenz und Aufmerksamkeit für das Thema E-Learning zu erzeugen. Dabei entpuppt es sich oft als Problem, dass mehrere Einrichtungen verstreut Dienstleistungen im Bereich E-Learning anbieten. Von einem „single-point-of-information“ sind die meisten Hochschulen noch weit entfernt (Kerres et al. 2006, S. 27). Vielmehr erfordert es viel Geduld und Intuition, um – zum Beispiel über die Website der Hochschule – an relevante Informationen zum Thema E-Learning zu gelangen (Gaiser, Haug, Rinn, & Wedekind, 2006). Als problematisch stellen sich dabei u.a. die unterschiedliche Verortung von E-Learning in der Organisationsstruktur sowie der Projektstatus vieler E-Learning-Aktivitäten heraus. Um an relevante Informationen zu gelangen, müssen Nutzer in der Lage sein, „ein mentales Modell der Organisation der Dienstleistungen“ aufzubauen (Euler et al., 2006). Die Übersicht über Infrastruktur und Dienstleistungsangebot sollte um ein Informationsangebot zu Fragestellungen im Kontext von E-Learning ergänzt werden, das auf einem Webserver zur Verfügung steht und einen selbst organisierten Zugriff erlaubt (Albrecht, 2004). Neben allgemeinen Informationen zu den verschiedenen Themenbereichen können Erfahrungsberichte oder ein Glossar mit den wichtigsten Fachbegriffen für die Lehrenden interessant sein. Eine Projektdatenbank kann zur Sicherung und Verankerung von Erfahrungen im Sinne eines institutionellen Wissensmanagements beitragen. Vergleichsprojekte können Lehrenden als Anschauungsbeispiel oder Innovationsquelle dienen und im besten Fall Doppelentwicklungen vermeiden (Seiler Schiedt & Meurer, 2004). Hingegen existieren Projektdatenbanken bisher erst an wenigen Hochschulen und sind nicht sehr umfangreich. Auch eine hochschulübergreifende Datenbank für E-Learning-Projekte und Lehr-/Lernmaterialien im Netz gibt es bisher nicht (Kerres et al., 2006). Entscheidend für das gesamte Informationsangebot sind weiterhin Erreichbarkeit und Aktualität (Baumgartner, 2006). Aktuelle Themen müssen aufgegriffen, bestehende Inhalte überarbeitet, Hyperlinks überprüft sowie Online-Anfragen korrekt und zeitnah beantwortet werden.

146

10.3.2

10 Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen

Austausch in der E-Learning-Community

Der Erfahrungsaustausch – im formellen oder informellen Rahmen – wird als eine der „wichtigsten Informations- und Motivationsquellen für Hochschullehrende angesehen. Der Hochschule obliegt dabei die Aufgabe, die Kommunikationsteilnehmer von den organisatorischen Aspekten des Community-Building weitgehend zu entlasten, indem z.B. Kommunikationsgelegenheiten (face-to-face und online) geschaffen werden (Pfeffer et al, 2005). Gerade im Kontext digitaler Medien ist das Community Building auf Grund der meist interdisziplinären Zusammenarbeit zusätzlich erschwert. Entsprechend steckt das Thema noch in den Kinderschuhen: In einer Analyse der Internetpräsenzen deutscher Hochschulen konnte an nur 5% der Hochschulen Arbeitsgruppen zu E-Learning identifiziert werden (Gaiser et al., 2006). E-Learning als arbeitsteiliger Prozess erfordert außerdem eine institutions- und fakultätsübergreifende Vernetzung nicht nur auf technischer, sondern vor allem auch sozialer Ebene. Innerhalb der Hochschule muss sich ein neuer Kommunikationszusammenhang konstituieren (Pfeffer et al., 2005). Die Hochschule sollte den Prozess der Vernetzung moderieren und organisieren und dabei die Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen berücksichtigen. Dass diese Erkenntnisse mittlerweile bei der Verantwortlichen angekommen sind, zeigen Projekte aus dem laufenden BMBF-Förderprogramm „E-Learning-Integration“. Die Projekte sind intensiv um den Aufbau von E-Teaching Communities an den Institutionen im Allgemeinen und den Fakultäten im Speziellen bemüht.

10.4

Organisationsformen für die Weiterbildung

Nach Ablauf bundesweiter und länderbezogener Förderprogramme verlagerte sich die Verantwortung für die ehemals staatlich geförderten Einzelprojekte in die einzelnen Hochschulen. Die Ressourcen und Strukturen der Hochschulen bildeten dafür allerdings eine nicht ausreichende Grundlage (Kleimann & Wannemacher, 2005). Oft gehören die Inhalte der Medienkompetenzentwicklung wie Medientechnik, -didaktik und -design auch nicht zum Fächerkanon der Hochschule (Kerres, 2005). Angebote zur Medienkompetenzentwicklung müssen daher entweder mit Hilfe eines Expertenteams neu aufgebaut oder über externe Anbieter abgedeckt werden. Im Moment stehen alle Hochschulen vor der Herausforderung, wie sie „mit begrenzten Mitteln eine qualitativ hochwertige Entwicklung, Produktion und Umsetzung von E-Learning (Content, Szenarien und Betreuung) in den Fachbereichen und Instituten“ (Bremer, 2006, S. 197) sicherstellen können. Insbesondere für kleine Hochschulen stellt dies auf Grund der knappen Ressourcen ein Problem dar. Wie E-Learning-Support organisiert wird, hängt von der strategischen Ausrichtung, vorhandenen Infrastrukturen und der Organisationsstruktur ab. Folgende Organisationsmodelle lassen sich unterscheiden (Wannemacher, 2004): •

Gründung einer neuen Einrichtung.

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147



Reorganisation einer vorhandenen Einrichtung oder Arbeitsstelle an vorhandener Einrichtung.



Vernetzung bestehender Einrichtungen bzw. Einrichtung einer interinstitutionellen Koordinierungsstelle (Beispiel.: LernTechNet, Basel).



Hochschulübergreifende Servicestelle.

10.4.1

Zentrale vs. dezentrale Konzepte

An den deutschen Hochschulen ist ein Trend zur Zentralisierung der Dienstleistungen im Rahmen von E-Learning-Kompetenzzentren erkennbar (Gaiser et al., 2006). Pellert, Carstensen, Sindler, Pfeffer & Kopp (2005) bezeichnen die Basiseinheiten als „die zentralen identitätsmäßigen Bezugspunkte für die Hochschullehrenden.“ Auch wenn viele Argumente für eine Zentralisierung von Dienstleistungen sprechen, zeigt sich, dass sich zentrale Einrichtungen auch als „Nadelöhr“ bei der Verankerung von E-Learning in den Fachbereichen entpuppen können (Bremer, 2006). Eine Lösung des Dilemmas wird in einer Kombination von zentralen und dezentralen Strategien angesehen, d.h. die Verankerung von Support-Dienstleistungen in den Fakultäten, Lehrstühlen oder Instituten (u.a. Kerres, 2005; Grune & Helmers, 2006). Beispiele die Kombination zentraler und dezentraler Maßnahmen findet man an der Universität Frankfurt („Student Consultants“), Universität Münster („Rent-a-Hiwi“), der HU Berlin und der FU Berlin. Allerdings sollte bei der Verortung von Support und Schulungen in den Fakultäten darauf geachtet werden, dass diese dennoch für die fakultäts- und hochschulübergreifende Zusammenarbeit offen bleiben.

10.4.2

Eigenlösung oder Outsourcing?

Von den an der Hochschule zur Verfügung stehenden Kompetenzen, Ressourcen und Organisationsstrukturen muss abhängig gemacht werden, ob sich die Hochschule für den Aufbau einer eigenen Dienstleistungsstruktur entscheidet oder ob sie lieber auf bereits bestehende Angebote zurückgreift. Das hängt auch davon ab, welche Organisationsstrukturen oder Kooperationsmöglichkeiten auf Länderebene, zum Beispiel in Form von in Hochschulverbünden organisierten Kompetenzzentren (z.B. Virtueller Campus Rheinland Pfalz, Bildungsportal Sachsen, Bildungsportal Thüringen, Virtuelle Hochschule Bayern, Multimediakontor Hamburg usw.) bestehen. Für den Erfolg einer Verbundeinrichtung wird als wichtig angesehen, dass diese nicht als hochschulexterne Aktivität wahrgenommen wird, sondern die Hochschulen sich nachhaltig um eine Zusammenarbeit bemühen, so dass Synergien entstehen können (Buch & Hener, 2006). Für die Hochschulen stellt der Aufbau eines umfassenden Kompetenzentwicklungsportfolios vor allem eine finanzielle Frage dar. Die nachhaltige Etablierung eines solchen Angebots erscheint schwierig. Bisher wird die E-Kompetenzentwicklung an vielen Hochschulen mit Projektgeldern finanziert. Wissenschaftliche Mitarbeiter sind in der Regel nur befristet tätig, was hohe Fluktuation und einen begrenzten Wissenstransfer nach sich zieht (Euler, 2004).

148

10.5

10 Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen

Qualifizierungsportale – das Beispiel e-teaching.org

Portale spielen auch im Hochschulkontext eine immer größere Rolle. Immer mehr Informationsangebote und Serviceleistungen werden in das Internet verlagert und dort zur Verfügung gestellt. Dabei dient die Webpräsenz längst nicht mehr nur als Informationskanal oder Werbeplattform, integriert werden vermehrt Lernmanagement- und Verwaltungssysteme. In Bezug auf die Medienkompetenzentwicklung an Hochschulen stellt sich die Frage, inwieweit Portale Weiterbildungsmaßnahmen unterstützen können. Insbesondere für das selbst organisierte Lernen ist zunächst relevant, ob und auf welche Weise Informationen zu E-Learning und E-Teaching in die Internetpräsenzen der einzelnen Hochschulen eingebettet werden. Während Zentraleinrichtungen für E-Learning eigene umfangreiche Unterportale betreiben, wird E-Learning an anderen Hochschulen als Teilbereich des Rechenzentrums in dessen Seite integriert. Die genaue Verortung hängt zum einen von organisatorischen Regelungen, zum anderen vom hochschulinternen politischen Gefüge ab (Gaiser et al., 2006). Institutionsübergreifende Informationsportale zu den Themenbereichen E-Learning und E-Teaching im deutschsprachigen Raum decken mehrheitlich spezielle Fragen zum Thema (tele-)mediale Lehre ab. Bedarf besteht hingegen an praxisorientierten, umsetzungsnahen und umfassenden Informationsangeboten bei denen die Community miteinbezogen und eine Vernetzung der Zielgruppe angestrebt wird. Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt das Portal eteaching.org, das 2003 vom Institut für Wissensmedien in Tübingen gelauncht wurde und dort redaktionell und technisch betreut und weiterentwickelt wird. Niedrigschwelligkeit, Zielgruppen- und Anwendungsorientierung bilden die konzeptionelle Basis für das Qualifizierungsportal. Die Zielgruppenorientierung stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Wie bereits deutlich wurde, stellen Qualifizierungsangebote, die sich durch eine strenge Führung und die Vorgabe von Lernwegen und -zielen auszeichnen nur für Einsteiger eine adäquate Maßnahme dar. Für eine Mehrzahl der Lehrenden wird ein Angebot, das in der Hauptsache selbst gesteuerte Lernprozesse unterstützt, mehr Attraktivität besitzen. Aus diesem Grund verfolgt e-teaching.org eine Doppelstrategie: Das Portal unterstützt einerseits das selbständige Lernen einzelner Dozierender und einen aktiven und konstruktiven Umgang mit den Materialien, andererseits kann es aber auch im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen im Sinne eines Blended-Learning-Ansatzes als Beratungsinstrument und als Nachschlagwerk zur Voroder Nachbereitung eingesetzt werden.

10.5.1

Konzeption und Zielsetzung von e-teaching.org

Das Inhaltsspektrum von e-teaching.org orientiert sich an der Entwicklung einer mehrdimensionalen Medienkompetenz. Es stellt methodisch-didaktisches, technisches, gestalterisches und organisatorisches Überblickswissen im Bereich E-Teaching und E-Learning bereit. Um sowohl Anfängern als auch Fortgeschrittenen adäquate Qualifizierungsinhalte zu bieten, werden sowohl die theoretischen und praktischen Grundlagen (tele-)medialer Lehre als auch vertiefende Inhalte angeboten. Die Niedrigschwelligkeit wird durch eine allgemein verständliche

Simone Haug, Birgit Gaiser

149

Textsorte, die auf unnötigen Fachjargon verzichtet, und ein umfangreiches Glossar umgesetzt. Ausgewählte Referenzbeispiele aus dem Hochschulalltag dienen als Anschauungsmaterial, um den „State of the Art“ im Gegenstandsbereich zu repräsentieren. Zum Portal wurde im Mai 2006 eine Community gestartet, die mittlerweile (Stand Juni 2007) bereits über 500 Mitglieder umfasst. Durch die Initiierung dieser virtuellen Gemeinschaft soll der Austausch zwischen Lehrenden zum Thema E-Learning unterstützt werden. Für diesen Zweck wurden vielfältige Funktionen entwickelt: Auf Visitenkarten können Lehrende ihre Expertise und Interessensgebiete darstellen. Jedes Mitglied hat die Möglichkeit, im Mitgliederpool nach Experten zu spezifischen Wissensgebieten zu suchen und diese zu kontaktieren. Mit der Funktion „Guided Tours“ lassen sich kommentierte Linklisten erstellen, die mit anderen Mitgliedern bearbeitet oder ausgetauscht werden können. Im Rahmen von Qualifizierungen können Linklisten eine Möglichkeit bieten, Informationen zu einem Themenbereich entweder selbst zusammenzustellen oder gebündelt weiter zu geben. Im Rahmen der Community werden außerdem Online-Schulungen zu E-Learning-Werkzeugen sowie Chat-Events und Forumsdiskussionen mit E-Learning-Experten angeboten. Hierbei können Lehrende sich zum einen inhaltlich weiterbilden und zum anderen Praxiserfahrung mit verschiedenen OnlineFunktionen sammeln, die später auch in der Lehre zum Einsatz gebracht werden können. Es zeigte sich, dass es im Kontext der Etablierung eines Informationsportals sinnvoll ist, sowohl einen Push- als auch einen Pull-Ansatz zu verfolgen, d.h. auf der einen Seite umfangreiche redaktionelle Inhalte zur Verfügung zu stellen und auf der anderen Seite die Nutzer regelmäßig und automatisch mit Informationen zu versorgen. Die redaktionellen Artikel auf e-teaching.org stellen Grundlageninformationen dar, die insbesondere für Neueinsteiger interessant sind, die sich einen Überblick verschaffen wollen. Die Grundlagenartikel werden lediglich ergänzt, wenn neue Entwicklungen oder Forschungsergebnisse bekannt werden. Die Startseite zeichnet sich durch Aktualität aus: Zum Einen finden die Nutzer auf der rechten Seite die neuesten Nachrichten des Notizblogs, einem integrierten Weblog. Hier wird dargestellt, welche Inhalte neu in das Portal integriert wurden sowie aktuelle Nachrichten der ELearning-Community aufgegriffen. Im Inhaltsbereich der Startseite finden die Nutzer Portlets der verschiedenen Inhaltskategorien, die Verweise auf neu eingestellte Artikel enthalten. Ein vierteljährlich erscheinender Newsletter fasst Inhalte und Entwicklungen des Portals zusammen. Den Nutzern werden somit sowohl Grundlageninformationen zur Verfügung gestellt als auch aktuelle Informationen, die sie mittels verschiedener Techniken automatisch abrufen können. Es besteht die Möglichkeit einen Newsletter oder RSS-Feeds zu abonnieren, außerdem werden die Mitglieder per Rundmail über aktuelle Veranstaltungen informiert.

10.5.2

Qualifizierungsszenarien mit e-teaching.org

Bei der Entwicklung möglicher Szenarien für den Einsatz des Qualifizierungsportals e-teaching.org haben wir die Typologisierung von Hagner & Schneebeck (2001) aufgrund empirischer Beobachtungen hinsichtlich unserer Zielgruppe weiterentwickelt. Dabei wurde die Gruppe der Widerstrebenden nicht berücksichtigt, da in diesen Fällen zunächst eine Sensibilisierung für das Thema erreicht werden muss. Die Einsatzszenarien von e-teaching.org beziehen sich hingegen auf den realen – nicht hypothetischen – Einsatz des Qualifizierungsportals.

150

10 Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen

Ausgehend von der Beschreibung von Hagner & Schneebeck (2001) werden den Typen adäquate Formate zugewiesen.

Abb. 10.2

Zielgruppenspezifische Support- & Qualifizierungsangebote

Im Folgenden werden drei verschiedene Anwendungsszenarien bzw. Supportformen beschrieben, bei denen das Qualifizierungsportal e-teaching.org eine jeweils unterschiedliche Rolle spielen kann.

Qualifizierungsangebote für Einsteiger Mitarbeitern in E-Learning Kompetenzzentren kann das Portal als Informationsressource dienen, um sich selbst auf die unterschiedlichsten Themen vorzubereiten oder Materialien für Schulung- und Weiterbildung zusammenzustellen. Dabei ist die Erstellung eines webbasierten Materialkatalogs denkbar, der z.B. einen Langtext, ein Quiz, eine FAQs und eine Linkliste zu einem spezifischen Themenbereich enthält. Einsteiger können im Rahmen der Qualifizierungsangebote das Portal als Informations- und Qualifizierungsressource kennen lernen.

Beratungsangebote für Fortgeschrittene E-Learning Berater an der Hochschule können zur Vor- oder Nachbereitung einer Beratungssitzung auf Materialien im Portal verweisen. Klienten kann das Portal dazu dienen, sich vor der Beratung einen Überblick über ein Thema zu verschaffen, um danach spezifischere Fragen formulieren zu können, oder als Nachschlagewerk bei der Lösung von Standardfragen.

Communitybuilding von Experten Die Community bietet Experten die Möglichkeit die eigene Expertise darzustellen und Erfahrungen auszutauschen. Spezialisten zu einzelnen Themenbereichen können mit Hilfe der Community-Funktionen gesucht und direkt angeschrieben werden. Innerhalb des Forums kann zu verschiedenen Themen diskutiert werden und innerhalb der Expertenchats, der Online-Schulungen und zu Beginn der Virtuellen Ringvorlesung können Teilnehmer synchron und online in Austausch treten und sich auf diese Weise in einem flexiblen Rahmen zu einzelnen Themen fortbilden. Somit bietet sich Experten die Möglichkeit innerhalb des Portals bei der Inhaltsbildung mitzuwirken. Neben einer Beteiligung an den Communityevents ist die Veröffentlichung von Artikeln möglich. Eine neue Kategorie, die Experten eine Plattform bie-

Simone Haug, Birgit Gaiser

151

tet, ist die Kategorie „Erfahrungsberichte“, in der Lehrende ihre Erfahrungen beim Einsatz digitaler Medien in einem Lehrszenario schildern.

10.6

Resümée und Ausblick

Indem das Portal e-teaching.org verschiedene Zugangswege bietet und unterschiedliche Inhaltsformate bereitstellt, unterstützt es die individuellen Such- und Lernprozesse verschiedener Zielgruppen. Dementsprechend ist die Nutzung in verschiedenen Qualifizierungs- und Beratungsszenarien denkbar – je nachdem ob Einsteiger, Fortgeschrittene oder Experten adressiert werden müssen. Die Bereitstellung von individuellen und hochschulspezifischen Qualifizierungs- und Beratungsangeboten für Lehrende ist eine zentrale Aufgabe der Hochschulen. Allerdings werden der Wettbewerbs- und Kostendruck die E-Learning Zentren an Hochschulen in Zukunft mehr und mehr dazu zwingen, ihre Arbeit auf das Wesentliche zu beschränken. Indem die Hochschulen auf externe Informationsressourcen wie das Portal e-teaching.org zurückzugreifen, können Ressourcen, die bisher mit dem Aufbau eines allgemeinen Informationsangebots betraut waren, für hochschul- und personenspezifische Dienstleistungen verwendet werden. Nur vor Ort kann dem persönlichen und informellen Austausch zwischen Beratern und Lehrenden genügend Raum gegeben und entsprechend zielgruppenspezifische Angebote entwickelt werden. Nichtsdestotrotz zeigt sich in der Praxis, dass die E-Learning Einrichtungen auf ein Informationsangebot innerhalb der eigenen Webpräsenz nicht verzichten wollen. Daher ist es umso wichtiger, technische Lösungen zu finden, wie durch die Vernetzung und Verknüpfung von Informationsangeboten, Mehrwerte generiert werden können. Inhalte im Mikrocontent-Format wie zum Beispiel kleine Informationseinheiten wie Veranstaltungsdaten, Literaturrezensionen und Weiterbildungsangebote lassen sich auf einfache Weise von anderen Portalen abgerufen und in deren Seiten integrieren. Die Inhalte von Hochschulen und übergreifenden Informationsportalen könnten auf diese Weise sinnvoll verzahnt und Synergien hergestellt werden.

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10 Zielgruppenspezifische Qualifizierung mit Bildungsportalen

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11

www.informationskompetenz.de – Professionelle Supportstruktur für Bibliotheken André Schüller-Zwierlein, Fabian Franke Universitätsbibliothek München / Universitätsbibliothek Bamberg

11.1

Einleitung

Der Begriff „Bildungsportal“ umfasst eine breite Spanne von Phänomenen. Neben solchen Plattformen, die direkt der Bildung und Ausbildung z.B. von Studierenden dienen („primäre Bildungsportale“), sind hierunter auch solche zu verstehen, die der Weiterbildung des Lehrpersonals dienen (‚sekundäre’ Bildungsportale). Zu der zweiten Klasse zählt das bibliothekarische Portal www.informationskompetenz.de. Weiterhin lassen sich Portale hinsichtlich ihrer Adressatenschaft unterscheiden. Während sich Portale wie www.e-teaching.org vor allem an Wissenschaftler richten, handelt es sich bei www.informationskompetenz.de um eine Plattform für den Austausch und die Kooperation unter Bibliothekaren. Das Portal soll diese bei ihren neuen Aufgaben im Bereich der Vermittlung von Informationskompetenz in universitären Studiengängen unterstützen – bei der Präsenzlehre ebenso wie im Bereich E-Learning. Der vorliegende von zwei Bibliothekaren verfasste Beitrag beschreibt die auf dem Portal basierenden Projekte und Tätigkeiten der deutschen bibliothekarischen Arbeitsgemeinschaften zur Vermittlung von Informationskompetenz. Er macht deutlich, dass es professioneller Supportstrukturen ebenso wie primärer Bildungsportale bedarf, um eine systematische, an den Erfordernissen von Wissenschaft und Beruf orientierte Hochschulausbildung zu gewährleisten. Er zeigt Wege auf, wie durch netzgestützte regionale und überregionale Zusammenarbeit die Qualität der Hochschullehre im Bereich Informationskompetenz verbessert werden kann.

156

11.2

11 www.informationskompetenz.de – Professionelle Supportstruktur für Bibliotheken

Informationskompetenz als Schlüsselqualifikation

Informationskompetenz gehört zu den zentralen Schlüsselqualifikationen, die die Universität für Wissenschaft und Beruf vermittelt. International anerkannt ist die Definition des Begriffs Informationskompetenz (information literacy) der amerikanischen Association of College and Research Libraries (ACRL, 2000), die in der deutschen Hochschulplanung im Grundsatz übernommen wurde: „Unter dem Oberbegriff ‚Informationskompetenz’ ist die Fähigkeit zu verstehen, diejenigen Informationen umfassend und systematisch zu suchen, zu finden, zu bewerten und effektiv zu nutzen, die für Forschung, Lehre und Studium benötigt werden. (HIS, 2005, S. 15) Diese Fähigkeit hat durch die rapide Entwicklung der Recherchemedien in den letzten zehn Jahren und die schnellen Technologiezyklen im Bereich der elektronischen Medien noch an Bedeutung zugenommen: Eine Wissensgesellschaft ist ohne die Fähigkeit, Information umfassend und gründlich zu recherchieren, undenkbar. Die methodische Vermittlung von Kenntnissen in diesem Bereich ist daher für eine abgerundete wissenschaftliche und berufsorientierende Ausbildung unabdingbar: „The idea of information literacy, emerging with the advent of information technologies in the early 1970s, has grown, taken shape and strengthened to become recognized as the critical literacy for the twenty-first century.“ (Bruce, 2002, S. 1) Diese Auffassung teilen auch die zentralen deutschen Wissenschaftsgremien. Im Jahre 2001 stellte die ‚SteFI’-Studie (Studieren mit elektronischen Fachinformationen) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fest: „Die Informationskompetenz der meisten Studierenden ist unzureichend“ (SteFI, 2001). Der Wissenschaftsrat empfahl daraufhin „[d]ie gegenwärtig im Wesentlichen nur autodidaktisch erworbenen Informationskompetenzen der Lehrenden und Studierenden“ (Wissenschaftsrat , 2001, S. 12) mit hoher Priorität auszubauen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft schloss sich diesem Urteil an und betonte die dringende Notwendigkeit einer „systematische[n] Entwicklung fachbezogener Übungen zum Recherchieren [...], die verpflichtend in die universitären Curricula integriert werden“; „[ü]ber derartige Kurse“ müsse „die Informationskompetenz gestärkt werden“ (DFG, 2006). Der Wissenschaftsrat hat im Jahre 2001 diese wichtige Aufgabe den Hochschulbibliotheken zugewiesen: Die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz als Schlüsselqualifikation kann [...] angesichts der Vielfalt und Dynamik nicht allein von den Fachwissenschaftlern geleistet werden. Der Verbesserung der Nutzerkompetenz (information literacy) muß die Bibliothek in Kooperation mit anderen Einrichtungen der Hochschule durch das aktive Angebot geeigneter Benutzerschulungen verstärkt Rechnung tragen“ (Wissenschaftsrat, 2001, S. 36). In der Praxis zeigt sich der Bedarf deutlich: Die durch die Bachelor- und Masterstudiengänge bewirkte enorme Lehr- und Prüfungsbelastung macht Lehrimporte in Spezialbereichen nahezu unumgänglich. Viele Wissenschaftler trauen sich zudem einen tiefgehenden Unterricht im sich laufend wandelnden Bereich Recherche nicht zu. Sie selbst greifen in Forschung

André Schüller-Zwierlein, Fabian Franke

157

und Lehre vielfach auf altbewährte Recherchemedien zurück oder beschränken sich aus Zeitmangel auf einige wenige. Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass die meistgenutzte Informationsquelle der Wissenschaftler zu Recherchefragen die Kollegen sind (vgl. Schüller-Zwierlein, 2006). Um dem Auftrag des Wissenschaftsrats zur Unterstützung der Wissenschaft in diesem Bereich gerecht zu werden, haben sich seither bundesweit die Hochschulbibliotheken als wichtige Kooperationspartner der Lehrenden und Mitveranstalter in der Lehre etabliert. Wie die umfangreiche Literatur zum Thema zeigt, leisten mittlerweile viele deutsche Hochschulbibliotheken im Bereich Schlüsselqualifikationen durch die Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz einen wichtigen entlastenden Beitrag zu den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen. Stellvertretend sei hier mit Lux & Sühl-Strohmenger (2004) nur die wichtigste Publikation genannt, die einen Überblick über Thema und Literatur ermöglicht, zur europäischen Entwicklung siehe Virkus (2003).

11.3

Vermittlung von Informationskompetenz: Das Beispiel Bayern

Die bayerischen Universitätsbibliotheken (UB) haben in den letzten Jahren ihre Aktivitäten zur Vermittlung von Informationskompetenz intensiviert. Neben den bekannten und erprobten Schulungsangeboten werden verstärkt bibliothekarische Kurse abgehalten. Eine ausführliche Präsentation der Aktivitäten der bayerischen Universitäts-, Fachhochschul- und Staatlichen Bibliotheken zur Vermittlung von Informationskompetenz findet sich unter http://www.informationskompetenz.de/regionen/bayern/arbeitsergebnisse/. Im Folgenden seien einige Beispiele angeführt. Bereits vor der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge hat etwa die UB Würzburg damit begonnen, ihre Kurse in die Studiengänge an der Universität Würzburg zu integrieren und dabei vielfältige didaktische Methoden einzusetzen (vgl. Franke/Sticht, 2004). Die UB Bamberg hat dieses Konzept 2006 für Bachelorstudiengänge übernommen. Im Rahmen eines Pflichtseminars nehmen die Studierenden an zwei zweistündigen Kursen der Universitätsbibliothek „Einführung in die Benutzung und den Katalog der UB“ und „Einführung in die Recherche in Fachdatenbanken“ teil und erhalten dafür eine Bescheinigung, die Voraussetzung für die erfolgreiche Seminarteilnahme ist. Materialien, Übungsaufgaben und Ablaufpläne werden online zur Verfügung gestellt. Ein breites Veranstaltungsspektrum zur Informationskompetenz bieten auch die Universitätsbibliotheken in München. Die umfangreichen und personalintensiven Schulungsaktivitäten der der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München – 2006 über 470 Veranstaltungen innerhalb und außerhalb von (Bachelor-)Studiengängen – werden dabei durch zahlreiche frei über die Homepage verfügbare Online-Tutorials zur Datenbanknutzung unterstützt. Das vierstufige Kurskonzept der Bibliothek der Technischen Universitätsbibliothek mündet in einer Vorlesung „Informationskompetenz“ im Umfang von zwei Semesterwochenstunden und drei ECTS-Punkten (European Credit Transfer System), die an mehreren Standorten stattfindet

158

11 www.informationskompetenz.de – Professionelle Supportstruktur für Bibliotheken

und in die Fachreferenten und Diplom-Bibliothekare einbezogen sind. Alle Präsentationen und Übungsmaterialien sind im Netz auf den Seiten der TUB München verfügbar. Ein bisher einmaliges Angebot existiert seit dem Sommersemester 2006 an der Universität Regensburg: Zusammen mit der Professur für Medieninformatik betreut die UB Regensburg die auf zwei Semester konzipierte Studieneinheit Informationskompetenz, die als frei kombinierbares Nebenfach in den Bachelor- und Masterstudiengängen gewählt werden kann (vgl. Iki, 2006). Die UB bietet im Pflichtbereich des Basismoduls ein Seminar (4 ECTS-Punkte) und eine Übung (3 ECTS-Punkte) von je einer Semesterwochenstunde an. Viele bayerische Fachhochschulbibliotheken beteiligen sich intensiv mit Kursen zur Informationskompetenz an den Bachelorstudiengängen. So führt die Bibliothek der Fachhochschule Ansbach ein eigenständiges Teilmodul „Wissenschaftliche Arbeitsweise“ im Umfang von zwei Semesterwochenstunden und zwei ECTS-Punkten durch. Die Bibliothek der Fachhochschule Eichstätt bietet für alle Studienfächer größtenteils verpflichtende Einführungswochen, praxisbegleitende Lehrveranstaltungen sowie Kurse mit ECTS-Punkten an (vgl. Schneider, 2005). Die Vielfalt der Angebote der bayerischen Universitäten und Fachhochschulen macht deutlich, dass es keinen einheitlichen, an jedem Standort verwendbaren Königsweg bei der Konzeption und Durchführung eines attraktiven und effizienten Kursangebots gibt. Gerade deshalb ist jedoch die institutionsübergreifende Kooperation zwischen den Hochschulbibliotheken unverzichtbar: Nur so kann die einzelne Bibliothek von den Erfahrungen anderer profitieren, sich über Inhalte und Methoden austauschen und ein für ihre Zwecke geeignetes Angebot zusammenstellen. Die bayerischen Hochschulbibliotheken haben frühzeitig erkannt, dass angesichts knapper Ressourcen intensive Zusammenarbeit der einzig mögliche Weg ist, die erforderlichen Kapazitäten aufzubringen. Um den Weg zur ‚Teaching Library’ besser bewältigen zu können, haben sie dazu beigetragen, landes- und bundesweite Supportstrukturen aufzubauen: die Arbeitsgemeinschaft Informationskompetenz des Bibliotheksverbunds Bayern und das Portal www.informationskompetenz.de.

11.4

Die Arbeitsgemeinschaft Informationskompetenz

Die Vermittlung von Informationskompetenz ist zu einer Kernaufgabe der Hochschulbibliotheken geworden. Traditionell spezialisiert auf Recherchemedien und Auskünfte, haben sie im elektronischen Zeitalter mit seinem massiven Zuwachs an Recherchemöglichkeiten und seinen schnellen technologischen Innovationszyklen geradezu zwangsläufig eine intensivere Betreuung und Schulung ihrer Nutzer übernommen und haben damit ihren Status als zentraler Teil der Bildungsinfrastruktur untermauert. Die Rolle der Bibliotheken in der Universität hat sich ebenso verändert wie das Berufsbild des Bibliothekars (vgl. z.B. Stang & Irschlinger, 2005; Lazarus, 2002). Um ihrer neuen Rolle gerecht zu werden, müssen die Bibliotheken einen intensiven Prozess der Organisations- und Personalentwicklung durchlaufen (vgl. Schüller-Zwierlein, 2007). Gleichzeitig wurde der Personalstand der Bibliotheken nicht ausgebaut und hat sich vielerorts sogar verringert. Aus dieser Motivation heraus haben sich in

André Schüller-Zwierlein, Fabian Franke

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den letzten Jahren kooperative Strukturen gebildet. Vorreiter in dieser Hinsicht waren die nordrhein-westfälischen Hochschulbibliotheken. Die nordrhein-westfälische AG Informationskompetenz wurde Anfang 2002 als Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft der Universitätsbibliotheken (AG UB) und der Arbeitsgemeinschaft der Fachhochschulbibliotheken (AG FHB) gegründet mit dem Ziel, die beteiligten Bibliotheken durch konkrete Empfehlungen und praktische Vorarbeiten zu unterstützen und die überregionale Zusammenarbeit zu fördern. Unter ihrer Mitwirkung wurde ein Netzwerk von lokalen Koordinatoren oder „Multiplikatoren“ aufgebaut, das die Vermittlungspraxis in diesem Bundesland nachhaltig prägt. Ebenfalls im Jahr 2002 entstand die AG Benutzerschulung in Thüringen, die vom Landesverband Thüringen im Deutschen Bibliotheksverband (DBV) gegründet wurde (Schultka, 2005a und 2005b). In Baden-Württemberg ergriffen die Universitätsbibliotheken Freiburg, Heidelberg und Konstanz, gemeinsam mit dem Regionalverband Südwest des Vereins Deutscher Bibliothekare (VDB) 2006 die Initiative zur Gründung des Netzwerks Informationskompetenz (NIK) (s. Sühl-Strohmenger, 2006). Die ebenfalls 2006 begonnene Zusammenarbeit im Gemeinsamen Bibliotheksverbund (GBV) hat bislang eher informellen Charakter (Arbeitsgemeinschaft Informationskompetenz im GBV). Im Bibliotheksverbund Bayern wurde Anfang 2006 von den Konferenzen der UB-Direktoren und der Leiter der Fachhochschulbibliotheken eine AG Informationskompetenz eingerichtet (s. AGIKBAY, 2006). Die AG hat noch im selben Jahr in einer Zehn-Punkte-Agenda anspruchsvolle Entwicklungsziele formuliert und in der Folge eine Reihe größerer Maßnahmen durchgeführt: So wurde zur Bedarfsermittlung im Bereich Informationskompetenz im Wintersemester 2006/ 2007 eine Online-Gesamtbefragung der bayerischen Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen durchgeführt. Eine gemeinsame Präsentation der Aktivitäten der bayerischen Bibliotheken wurde erstellt. Im Hinblick auf Leistungsmessung und Qualitätssicherung bei der Vermittlung von Informationskompetenz, die in den großen Bibliotheksstatistiken bislang zu wenig berücksichtigt worden sind, hat die AG zusammen mit ihren Partner-AGs in den Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eine gemeinsame Schulungsstatistik erarbeitet, die ab 2007 in allen drei Bundesländern eingesetzt wird. Ebenfalls 2007 wurde eine landesweite Bestandsaufnahme zur Vermittlung von Informationskompetenz bei Schülern gestartet. Die AG arbeitet darüber hinaus an Unterrichtsmodellen sowie an Empfehlungen zur Erstellung von Modulen im Rahmen der Bachelor- und Masterstudiengänge. Sie erarbeitet Musterkalkulationen zum Personal- und Ressourcenbedarf, erprobt die kooperative Entwicklung von E-Learning-Modulen, systematisiert Marketing-Konzepte und berät Bibliotheken beim Aufbau von Schulungsangeboten. Schnell wurde deutlich, dass für die intensive Arbeit der AG, den Austausch und die Publikation von Arbeitsergebnissen eine gemeinsame technische Plattform erforderlich ist. Gleichzeitig legte das übergeordnete Ziel der Kooperation mit anderen regionalen Arbeitsgemeinschaften und der Erarbeitung eines nationalen Konzepts die Mitnutzung und aktive Weiterentwicklung des bundesweiten Portals www.informationskompetenz.de nahe.

160

11.5

11 www.informationskompetenz.de – Professionelle Supportstruktur für Bibliotheken

Das Portal als Infrastruktur: www.informationskompetenz.de

Der Vorläufer des Portals www.informationskompetenz.de war eine an der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn geführte Linksammlung der nordrhein-westfälischen AG Informationskompetenz, die eine erste Basis für Austausch und Nachnutzung von Materialien in der Region bot. Nach der Gründung von Arbeitsgruppen in weiteren Bundesländern ergab sich der Wunsch nach einer bundesweiten Informationsplattform, um Austausch und best practice zu fördern, Synergien und Nachnutzung von Leistungen sowie gemeinsame Projekte zu ermöglichen. Diese wurde mit www.informationskompetenz.de 2005 von der Universitätsund Landesbibliothek Bonn geschaffen. In die Redaktion wurden nach und nach Bibliothekare aus nordrhein-westfälischen, baden-württembergischen und bayerischen Bibliotheken aufgenommen. Jede mit einer AG vertretene Region – seit 2007 sind dies Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, der Gemeinsame Bibliotheksverbund (GBV) und Thüringen – erhielt als Repräsentanz eine eigene ‚Länderseite’, auf der Ziele, Arbeitsergebnisse und Kontaktdetails veröffentlicht werden können. Gleichzeitig wurde das Prinzip der gegliederten Materialsammlung zur Vermittlung von Informationskompetenz weiterverfolgt: Neben Aufsätzen und Vorträgen zum Thema wurden vor allem nachnutzbare Schulungsunterlagen aus deutschen Bibliotheken gesammelt. Die intensive Nutzung und die zunehmende Materialmenge machten mit der Zeit eine neue technische Gestaltung des Portals notwendig. Die Verantwortung für den Relaunch im März 2007 übernahm Mitte 2006 die Universitätsbibliothek München. Um eine möglichst flexible Plattform zu schaffen wurde das Content Management System Typo3 gewählt. Diese Wahl wurde vor allem wegen der Skalierbarkeit und der hohen Flexibilität des Systems getroffen. Typo3 ermöglicht eine Kombination von Content Management – also der Verwaltung von Webseiten und einzelnen Content-Elementen – und professionellem Dokumentenmanagement (incl. eines umfangreichen Metadatensystems). Es verfügt über zahlreiche Extensions sowie über Schnittstellen zu gängigen Learning Management Systemen (z.B. Moodle) und Groupwares (z.B. eGroupware). Typo3 erlaubte es, innerhalb eines halben Jahres die wichtigsten Zielsetzungen der Redaktion zu realisieren: Inhalte (Webseiten, Dokumente, Links, News) können nun auf der Basis eines detaillierten Rechtesystems bundesweit kooperativ und dezentral erstellt und gepflegt werden. Jede Region kann ihre Repräsentanz selbst bearbeiten und aktualisieren sowie zu internen Arbeitsbereichen verlinken. Jede teilnehmende Bibliothek erhält eine Kennung, die zum Einreichen von Inhalten berechtigt. Die eingebrachten Inhalte werden jeweils von der Redaktion frei geschaltet. Sie können vom Autor jederzeit verändert werden. Um die große Menge eingereichter Beiträge bewältigen zu können, wurde ein präziser, komfortabler Redaktionsworkflow entwickelt. Die Redakteure werden per E-Mail benachrichtigt, wenn ein neuer Beitrag eingereicht wurde. Gleichzeitig wird bei Schulungsmaterialien und anderen veraltenden Dokumenten jeweils der Stand der Bearbeitung mit Datum verzeichnet – die Autoren werden automatisch in definierten Abständen per E-Mail gefragt, ob eine aktualisierte Version ihres eingestellten Dokuments verfügbar ist. Damit ist das Grundsatzproblem der Aktualisierung des Portals gelöst.

André Schüller-Zwierlein, Fabian Franke

161

Aus der strukturierten Linkliste des alten Portals ist im neuen Portal eine durchsuchbare Dokumentendatenbank geworden. Das Portal verfügt über zwei Suchfunktionen: Mit der einzeiligen Suche auf der ersten Seite können die Webseiten, die News sowie die Dokumente gemeinsam durchsucht werden. Die getrennt gehaltene Dokumentensuche ermöglicht durch eine beliebige Anzahl von Suchzeilen ein effektiveres Retrieval von Dokumenten; sie basiert auf einem von der Redaktion ausgearbeiteten detaillierten Metadatensystem. So kann u.a. nach Titelwort, Autor, Dokumenttyp, Fachrichtung, behandelter Veranstaltungsart oder Zielgruppe der beschriebenen Veranstaltung gesucht werden. Damit ist der Grundstein gelegt für eine schnelle Praxishilfe und die Nutzung bibliotheksexterner Materialien. Neben der Materialsammlung und den regionalen Repräsentanzen enthält das Portal auch einen aktuellen Informationsteil: Die neue Website bietet einen Newsletter und ein durchsuchbares News-Archiv. In der Rubrik ‚Im Fokus’ werden aus dem großen Spektrum von Einzelthemen, das von Management- und Logistikfragen über Marketingprobleme bis hin zu Veranstaltungsmodellen und didaktischen Methoden reicht, einzelne Kernthemen ausgewählt: Bibliothekare, Wissenschaftler, Journalisten und andere Interessierte können sich hier in die wichtigsten Themen im Zusammenhang mit Informationskompetenz einlesen.

Abb. 11.1

www.informationskompetenz.de – Homepage

162

11 www.informationskompetenz.de – Professionelle Supportstruktur für Bibliotheken

Die gemeinsame Schulungsstatistik der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, die 2007 noch dezentral geführt wird, wird ab 2008 über ein Online-Formular im Rahmen des Portals abgewickelt werden; auch Auswertungsdienstleistungen sollen bereitgestellt werden. So soll ermöglicht werden, weitere Bundesländer in die gemeinsame Veranstaltungserfassung einzubeziehen und damit die Leistungsdokumentation deutscher Bibliotheken – über die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS) und den Bibliotheksindex (BIX) hinaus – wesentlich zu erweitern. Daneben werden auch zukünftige Online-Befragungen direkt im Portal platziert werden. Die Ziele der AGs sind damit erreicht: Die neue Plattform ermöglicht den Austausch von Materialien und Unterlagen in öffentlichen und internen Arbeitsbereichen, die Verbreitung und Diskussion von Empfehlungen, die Darstellung von Arbeitsergebnissen, die Präsentation der Aktivitäten und Initiativen, die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit, die Förderung der Kooperation und die Entwicklung gemeinsamer Projekte sowie die bibliothekarische Fortbildung und die Unterstützung von kleineren Bibliotheken (z.B. One-Person-Libraries). Durch das Portal wird die vielfältige Arbeit der AGs technisch an einer Stelle gebündelt; gleichzeitig ist die gemeinschaftliche bundesweite Zusammenarbeit sichtbar für die bibliothekarische und die allgemeine Öffentlichkeit.

11.6

Der Ausbau der Plattform: Zukunftsperspektiven

Der im März 2007 auf dem Leipziger Bibliothekskongress erfolgte Relaunch des Portals ist nur ein erster Schritt: Zur Zeit werden Pläne erörtert, das Portal zum Zentrum einer nationalen Infrastruktur zur Vermittlung von Informationskompetenz zu machen. Hierzu könnte neben einer technischen und organisatorischen Vernetzung mit thematisch verwandten Projekten das Einrichten von Schnittstellen zum Datenimport und -export (z.B. zur FIS Bildung-Literaturdatenbank, die zu den wichtigsten pädagogischen Bibliographien gehört) sinnvoll sein. Andere Erweiterungsmöglichkeiten sind die Integration einer nationalen Arbeitsplattform für gemeinsame Projekte auf Basis moderner Groupware nach dem Vorbild der Professional Learning Community der American Association of School Librarians (AASL) sowie weiterer Community-Funktionen, die Integration einer elektronischen Zeitschrift zum Thema Informationskompetenz und die Integration des kooperativ erstellten Glossars zu Begriffen der Informationskompetenz. Im weiteren Blickfeld der Redaktion stehen außerdem die Entwicklung von standardisierten, webbasierten Evaluierungsinstrumenten für Online-Tutorials und Veranstaltungen zur Informationskompetenz, die Weiterentwicklung der Online-Statistik für Veranstaltungen zur Informationskompetenz sowie der Aufbau eines portalbasierten bundesweiten Netzwerks von Informationskompetenz-Spezialisten. Das Kooperationspotenzial des Internets ist noch nicht ausgeschöpft. Das Bildungsportal www.informationskompetenz.de soll sich in Zukunft noch stärker als das erweisen, was es im Moment ist: Die unverzichtbare Infrastruktur für die Zusammenarbeit der bundesweiten Arbeitsgemeinschaften und das zentrale Informations- und Material-Repertorium für in der Vermittlung von Informationskompetenz aktive Bibliothekare in ganz Deutschland.

André Schüller-Zwierlein, Fabian Franke

163

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164

11 www.informationskompetenz.de – Professionelle Supportstruktur für Bibliotheken

Schneider, D. (2005): „Fit für die Wissensgesellschaft. Die Teaching Library als eine Antwort auf Pisa und SteFI: Konzepte und Erfahrungen am Beispiel der Fachhochschulbibliothek Ingolstadt“. Buch und Bibliothek 57 (1), 28–34. Schüller-Zwierlein, A. (2007): „Organisations- und Personalentwicklung in der Praxis: Der Bologna-Prozess an Deutschlands größter Universität als strategische und logistische Herausforderung“. Vortrag gehalten auf dem Bibliothekskongreß am 19.3.2007 in Leipzig. (http://www.informationskompetenz.de/fileadmin/DAM/documents/Organisations%20und%20P_303.doc). Schüller-Zwierlein, A. (Red.) (2006): Die Vermittlung der Schlüsselqualifikation Informationskompetenz an der LMU München. Ein Lagebericht. München: LMU. (http:// www.ub.uni-muenchen.de/pdfs/Lageber1.pdf). Schüller-Zwierlein, A. (2005): „Informationskompetenzlehre in der Praxis: Vom BachelorKurs bis zur Einzelbetreuung“. Vortrag gehalten auf der Fortbildung des VDB-Landesverbands Bayern am 20.9.2005 in Würzburg. (http://www.informationskompetenz.de/fileadmin/DAM/documents/Informationskompeten_13.pdf). Schultka, H. (2005a): „Bibliothekspädagogik und die Arbeit der AG Benutzerschulung des Landesverbandes Thüringen im DBV“. Bibliothek: Forschung und Praxis. 29 (1), 59–65. Schultka, H. (2005b): „Bibliothekspädagogik“. Bibliotheksdienst 39 (11), 1462–1488. Stang, R.; Irschlinger, A. (2005): Bibliotheken und Lebenslanges Lernen. Kooperationen, Netzwerke und neue Institutionalformen zur Unterstützung Lebenslangen Lernens. Expertise zum aktuellen Stand. Bonn: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung. (http:// www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2005/stang05_02.pdf). SteFI (2001): Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Information in der Hochschulausbildung. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). (http://www.stefi.de). Sühl-Strohmenger, W. (2006): „Das Netzwerk Informationskompetenz der baden-württembergischen Hochschul- und Landesbibliotheken“. B.I.T. Online 9 (3), 205–212. Virkus, S. (2003): „Information literacy in Europe: a literature review.“ Information Research 8 (4), paper no. 159. (http://informationr.net/ir/8-4/paper159.html). Wissenschaftsrat (2001): Empfehlungen zur digitalen Informationsversorgung durch Hochschulbibliotheken. Bonn: WR.

12

Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen Heinz Mandl Ludwig-Maximilians-Universität, München

Katrin Winkler QIAGEN GmbH, Hilden

Bernd Heuser, Walter Weber NYCOMED (ehemals Altana Pharma), Konstanz

12.1

Einleitung

In den letzten Jahren hat der Einsatz von E-Learning in der Weiterbildung stark an Bedeutung gewonnen. Viele Unternehmen machen ihren Mitarbeitern Angebote, sich mithilfe von ELearning aus- und weiterzubilden. Verschiedene E-Learning-Formen bieten vielfältige Möglichkeiten, die von Computer-Based-Training (CBT) über Online-Lernen via Web Based Training (WBT) bis hin zu selbst organisierten Communities-of-Practice reichen. E-Learning wird eine Reihe von Vorteilen zugesprochen, wie ungebunden von Zeit und Ort, flexibel, individuell und aktiv zu lernen. Aus unternehmerischer Sicht werden die Potenziale von E-Learning insbesondere unter dem Aspekt der Kostenersparnis und der schnelleren Aktualisierung der Inhalte gesehen. Auf technischer Ebene ergibt sich beim elektronischen Lernen die Möglichkeit zur Interaktivität in Hinblick auf Feedback und Selektion neuer Lerneinheiten. Allerdings haben sich bei der Implementierung von E-Learning in Unternehmen immer wieder Probleme ergeben: Um neue Lernformen erfolgreich zu implementieren, muss von Seiten der Mitarbeiter Unterstützung und Akzeptanz gegeben sein. Hierbei spielen nach Tarlatt (2001) verschiedene psychologische Aspekte, wie Wahrnehmung, Reaktanz, Widerstand und Konflikt, eine wichtige Rolle.

166 12 Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen Die Akzeptanz innovativer Lehr-Lern-Formen ist von deren Einschätzung durch die Mitarbeiter abhängig. Jedoch nehmen die Mitarbeiter den Nutzen von Neuerungen recht unterschiedlich wahr. Widerstand, der sich gegebenenfalls in reaktanten Verhaltensmustern zeigt, kann ein Implementierungsvorhaben entscheidend beeinträchtigen. Konflikte stellen einen weiteren psychologischen Aspekt dar, der für ein Implementierungsvorhaben relevant ist. Sie entstehen besonders häufig in Situationen, in denen Entscheidungen von mehr als einer Person getroffen werden. Dies ist bei komplexen Implementierungsvorhaben der Fall. Ein Konflikt kann als Prozess betrachtet werden, bei dem eine Partei absichtlich so agiert, dass die Bemühungen einer zweiten Partei vereitelt werden (Tarlatt, 2001). Im Folgenden wird die Implementierung von E-Learning in den Chemiekonzern ALTANA Pharma dargestellt. Hier wurde vor allem die optimale Nutzung von E-Learning-Komponenten als integrative Elemente sowohl der bestehenden betrieblichen Weiterbildungslandschaft als auch des Arbeitsalltags der Mitarbeiter angestrebt. Ziel war die Verbesserung der Weiterbildung der Pharmareferenten zur Optimierung des Beratungsgesprächs bei ihren Kunden (Ärzteschaft), um so den Arbeitsprozess der Mitarbeiter zu verbessern. Pharmareferenten müssen Ärzten Informationen über neue Medikamente in einem Beratungsgespräch vermitteln und Fragen des Arztes kompetent beantworten können. Vor allem bei der Einführung von neuen Produkten – bei der die Außendienstmitarbeiter eine tragende Rolle spielen – sind schnelle und gezielte Weiterbildungsmaßnahmen für den Unternehmenserfolg maßgeblich. Die Abdeckung des Lernbedarfs der Mitarbeiter rein durch Präsenztrainings weist eine Reihe von Einschränkungen auf. Beispielsweise geht viel Zeit verloren, die sonst in Kundengesprächen eingesetzt werden könnte. Darüber hinaus verursacht der Besuch von Präsenztrainings Reisekosten. Zudem bereiten sich die Mitarbeiter auf die Präsenztrainings sehr unterschiedlich vor, weshalb die Trainingsverantwortlichen bei ALTANA Pharma ein sehr heterogenes Vorwissen der Teilnehmer berücksichtigen müssen. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass bei reinen Präsenztrainings die vertiefende Wiederholung der neuen Inhalte zu kurz kommt.

12.2

E-Learning bei ALTANA

Daraus leitet sich aus Sicht der Vertriebsleitung ein erheblicher Optimierungsbedarf für die Weiterbildung bei ALTANA Pharma ab. Weiterbildung hat bei ALTANA Pharma einen hohen Stellenwert, da Produkt-, Markt- und Verkaufs-Know-how der Außendienstmitarbeiter das wesentliche Kriterium für den Produkt- und damit den Unternehmenserfolg bilden. Dieses Wissen muss durch permanentes Training aktuell gehalten werden. Vor diesem Hintergrund rief die Geschäftsleitung eine Initiative zur Optimierung der Weiterbildungslandschaft bei ALTANA Pharma Deutschland ins Leben. Um eine konkrete Prozessverbesserung zu erreichen, wurde als Projektrahmen die Einführung des neuen Pharmaprodukts ALVESCO bestimmt. Anhand der notwendigen Weiterbildungsmaßnahmen für dieses Produkt sollte das gesamte Projekt ausgerichtet und davon ausgehend die betriebliche Weiterbildungslandschaft langfristig verändert werden. Um Unterstützung bei der Umsetzung der E-

Heinz Mandl, Katrin Winkler, Bernd Heuser, Walter Weber

167

Learning-Initiative bei ALTANA Pharma Deutschland zu erhalten, wandte sich der Geschäftsführer an das Institut für Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München (Prof. Dr. Heinz Mandl). Die Schwerpunkte des Instituts liegen in den Bereichen Erwachsenenbildung, Wissensmanagement und E-Learning. Zu Projektbeginn einigte man sich zunächst auf ein gemeinsames und bewusst breites Verständnis von E-Learning. Im Rahmen der Initiative bei ALTANA Pharma wird unter E-Learning das Lernen mithilfe elektronischer Medien verstanden. Hinsichtlich der verschiedenen technologischen E-Learning-Methoden fand eine Differenzierung in distributive, interaktive und kollaborative Technologien statt (Back, Seufert & Kramhöller, 1998). Distributive Technologien dienen der Informationsvermittlung und sind stark dozentenzentriert. Hierbei kommen Lernmethoden im traditionellen Sinn zum Einsatz, bei denen der Dozent Informationen übermittelt, z.B. Lernmaterialien, die online bereitgestellt werden. Interaktive Technologien unterstützen den Wissens- und Fertigkeitserwerb und sind als lernerzentriert zu bezeichnen, da sie bestimmte Interaktionen mit dem Computer, wie beispielsweise bei CBT und WBT, erlauben. Die neuen Medien ermöglichen eine Interaktion zwischen Nutzer und System. Mit kollaborativen Technologien kann teamzentriertes Lernen unterstützt werden. Mehrere Individuen interagieren auf der Basis des Mediums. Lernen findet somit stark diskussionsund reflexionsbasiert statt. Wissensteilung und Problemlösen stehen im Vordergrund. Virtuelle Klassenzimmer, Diskussionsforen oder Chaträume bilden einen virtuellen Lernraum, der für Kommunikation und interaktives Lernen genutzt werden kann. Vor dem Hintergrund dieses gemeinsamen Verständnisses von E-Learning wird im Folgenden das Vorgehen bei der Einführung von E-Learning bei ALTANA Pharma beschrieben. Die verschiedenen Technologien sollen bei ALTANA im Rahmen einer Lernplattform zur Verfügung gestellt werden.

12.3

Vorgehen

Die Implementierung von E-Learning-Maßnahmen bedarf einer genauen Planung des Vorgehens, um Widerstand bei den Mitarbeitern zu vermeiden und die Akzeptanz der Maßnahme zu erhöhen (Winkler & Mandl, 2004). In enger Zusammenarbeit des Unternehmens mit dem Institut für Pädagogische Psychologie wurde das Implementierungsvorhaben geplant. Es umfasste die Phasen: Initialisierung, Bedarfsanalyse, Konzeption, Systemauswahl, Realisierung sowie Evaluation. Die Phasen werden im Folgenden detailliert erläutert.

12.3.1

Initialisierung

In der Initialisierungsphase wurde von der Geschäftsleitung die Vision entwickelt, die Wettbewerbsfähigkeit durch Optimierung der Beratungsgespräche der Pharmareferenten mit dem Arzt zu verbessern. Zur genaueren Klärung des Vorgehens und zur Abschätzung des erforder-

168 12 Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen lichen Budgets wurde mit der Geschäftsleitung ein Business-Case für das Projekt formuliert und abgestimmt. Über die Beschreibung eines Business-Case für das Implementierungsprojekt erhielt das Vorhaben einen ersten schriftlich niedergelegten Rahmen. Beschrieben wurden das Implementierungsproblem, die Vision und das strategische Ziel, die Qualität des Beratungsgesprächs durch die Pharmareferenten zu verbessern. Darüber hinaus wurden Kriterien und Dimensionen zur Überprüfung der Zielerreichung definiert. Ein Lenkungsausschuss wurde eingerichtet, um die Verantwortlichkeiten im Projekt von Beginn an zu klären. Dieser bestand aus einem abteilungsübergreifenden Team, in dem die Geschäftsleitung, ein Verantwortlicher aus dem Bereich Training sowie eine Person aus dem Bereich Technik integriert waren. Weiterhin waren die externen Berater des Instituts für Pädagogische Psychologie Mitglieder des Lenkungsausschusses.

12.3.2

Ist- und Bedarfsanalyse

Das Projekt begann mit einer Kombination aus Ist- und Bedarfsanalyse. Zum einen wurden die arbeitsbezogenen Lernprozesse der Pharmareferenten analysiert, zum anderen wurde erhoben, welcher Bedarf im Unternehmen in der Zukunft anfällt. Alle Personen, die von der Weiterbildungsmaßnahme betroffen waren, wurden miteinbezogen, angefangen bei den Pharmareferenten, den Regionsleitern, über die Marketing-, Technik- und Trainingsabteilung bis hin zur Vertriebsleitung und dem Betriebsrat. Aus den Ergebnissen der Bedarfsanalyse lassen sich in Hinblick auf die qualitative Verbesserung des Beratungsgesprächs drei zentrale Zielsetzungen für die Weiterbildungsmaßnahme ableiten: 1. Schnellerer Zugriff auf relevante Informationen, z.B. durch die zentrale Bereitstellung aktueller Materialien. 2. Bedarfsorientierter Wissenserwerb, z.B. durch individualisierte Lernwege. 3. Verbesserung des Austauschs von Informationen und der Kooperation der Mitarbeiter, z.B. innerhalb lokaler Communities-of-Practice. Die dargestellten Ziele lassen sich auf die drei technologischen E-Learning-Ebenen beziehen (Abb. 12.1): Der schnelle Zugriff auf aktuelle Informationen wird durch distributive Technologien ermöglicht. Der bedarfsorientierte Wissenserwerb wird durch interaktive Technologien unterstützt und der Austausch von Wissen zwischen den Pharmareferenten durch kollaborative Technologien befördert.

Heinz Mandl, Katrin Winkler, Bernd Heuser, Walter Weber

Abb. 12.1

12.3.3

169

E-Learning-Komponenten bei ALTANA Pharma Deutschland (in Anlehnung an Back et al., 1998)

Konzeption

Die Konzeption orientierte sich an den in der Bedarfsanalyse gewünschten Lernangeboten: 1. Bereitstellung von Informationsangeboten (Distributive Technologien) 2. Zugang zu Lernangeboten (Interaktive Technologien) 3. Kommunikationsangebote (Kollaborative Technologien) Alle drei Angebote sollten durch eine Lernplattform in ausreichendem Maße unterstützt werden und werden gebündelt über ein unternehmensinternes Portal angeboten. Im Vordergrund steht dabei die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Inhalte, die eine den Bedürfnissen der Nutzergruppe entsprechende Breite, Tiefe und Strukturierung aufweisen. Ein besonderes Anliegen ist die professionelle und regelmäßige Qualitätssicherung des Bildungsportals.

12.3.3.1

Informationsangebote

Im Vordergrund der Erarbeitung von Informationsangeboten stand die Verbesserung der Aufbereitung und Verteilung von Informationen zum Produkt ALVESCO, zu neuesten Erkenntnissen im Pharmabereich sowie zu Beratungsgesprächen. Diese Informationen sollten zum zeit- und raumunabhängigen Zugriff in einer Lernplattform bereitgestellt werden. Darüber hinaus sollte die Plattform eine Bibliothek mit einer Fülle an relevanten Informationen für Pharmareferenten enthalten.

170 12 Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen

12.3.3.2

Lernangebote

Bezogen auf die Lernangebote sollte die Plattform ein Lernstudio besitzen, in dem verschiedene WBTs für das neue Produkt ALVESCO bereitstehen. Um das Wissen über das neue Produkt bedarfsgerecht vermitteln zu können, entschied sich das Unternehmen für die Umsetzung eines Blended-Learning-Szenarios auf der Basis neuester Erkenntnisse der Lehr-LernPsychologie. Die Kombination von E-Learning und Präsenztraining stellt die Grundform des Blended-Learning dar. Diese Kombination sollte im Unternehmen vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Bedarfsermittlung umgesetzt werden. Folgender Ablauf wurde entwickelt (Abb. 12.2):

Abb. 12.2

Aufbau der Produktschulung

Die Produktschulung basierend auf dem Blended-Learning-Konzept bestand aus drei Elementen:

1. Online-Vorbereitungsphase In dieser Phase sollen die Mitarbeiter die Grundlagen des neuen Produkts und zentrale Aspekte von Produktberatungsgesprächen zunächst mit einem WBT erlernen. Das Konzept für dieses WBT basiert auf dem Ansatz des problemorientierten Lernens (vgl. hierzu Mandl & Winkler, 2003) mit dem Ziel, möglichst anwendungsorientiertes Wissen zu vermitteln. Das WBT beinhaltete zwei Zugangswege, um einen flexiblen Umgang mit dem Lernmedium zu ermöglichen: einen systematischen und einen fallbasierten Zugang.

Lernweg A (Systematischer Zugang) Dieser Lernweg fokussiert eine systematische Wissensvermittlung. Die Inhalte sind in Kapitel unterteilt, die jeweils einem Modul entsprechen und bezüglich der Wissensvermittlung aufeinander aufbauen (Abb. 12.3).

Heinz Mandl, Katrin Winkler, Bernd Heuser, Walter Weber

Abb. 12.3

171

Beispielseite des systematischen Lernwegs

Im Rahmen des systematischen Lernwegs wird der Lernende nacheinander durch die Kapitel des Lernprogramms geführt. Der systematische Lernweg enthält neben den Inhalten zusätzlich verschiedene Tests, über die das eigene Wissen überprüft werden kann.

Lernweg B (Fallbasierter Zugang) Lernweg B bietet verschiedene Beratungsfälle an, die problemorientiert aufbereitet sind und zu deren Lösung die Mitarbeiter ihr Wissen anwenden müssen. Im Rahmen des fallbasierten Zugangs erfolgt der Einstieg durch die konkrete Falldarstellung eines Verkaufsgesprächs. Der Lernende findet sich selbst in der Rolle des Pharmareferenten und soll auf die Fragen des potenziellen Käufers, des Arztes, eingehen (Abb. 12.4).

172 12 Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen

Abb. 12.4

Beispiel eines fallbasierten Einstiegs

Im Anschluss daran hat der Lernende die Möglichkeit, gezielt Informationen zu einzelnen Punkten abzurufen und sein Wissen in Hinblick auf die Fragestellung des Arztes zu erweitern. Er entscheidet somit selbst, über welche Themenbereiche und Inhalte er mehr erfahren will oder ob er schon genügend Kenntnisse zur Beantwortung der Frage des Arztes hat. Unterstützt und betreut werden die Mitarbeiter durchgehend durch E-Trainer, die im Vorfeld für diese Aufgabe speziell geschult wurden. Die Online-Vorbereitungsphase schließt mit einem Online-Wissenstest ab, dessen Bestehen die Voraussetzung für die Teilnahme an der sich anschließenden Präsenzphase ist.

2. Präsenzphase Aufbauend auf dem in Phase 1 online erarbeiteten Grundwissen bleibt in den Präsenztrainings mehr Zeit für Übungen, in denen das Wissen angewandt werden muss. Hierbei werden vor allem Rollenspiele durchgeführt und Erfahrungen ausgetauscht. Da alle Teilnehmer nun einen ähnlichen Wissensstand haben, findet Lernen in den Rollenspielen erheblich elaborierter statt.

3. Online-Nachbereitungsphase Nach dem Präsenztraining dient das WBT als permanent zur Verfügung stehendes Nachschlagewerk, mit dem Vorteil, dass ein schneller Zugriff auf die Informationen ermöglicht wird und zudem diese ständig aktuell gehalten werden können.

Heinz Mandl, Katrin Winkler, Bernd Heuser, Walter Weber

12.3.3.3

173

Kommunikationsangebote

Um den Austausch von Informationen und die Kooperation der Mitarbeiter zu erhöhen, wurden betreute Diskussionsforen eingerichtet, in denen Mitarbeiter Erfahrungen und Probleme mit dem neuen Produkt austauschen können. Neben der Kommunikation in Diskussionsforen steht auch ein virtueller Konferenzraum sowohl für den kursabhängigen als auch für kursunabhängigen Austausch untereinander zur Verfügung. Die Umsetzung dieses Maßnahmenkonzepts bedarf eines ausgearbeiteten Projektmanagement-Konzepts, da mehrere Aspekte parallel bearbeitet werden müssen, beispielsweise die Auswahl der geeigneten Plattform, die Erstellung des Produkt-WBT und die Schulung der Tutoren.

12.3.4

Akzeptanzkonzept

Vor der Implementierung der Lernplattform wurde zusätzlich ein Akzeptanzkonzept entwickelt, das nach Tarlatt (2001) die Aspekte Organisation, Technik, Partizipation und Qualifikation beinhaltete.

Organisation Die Initiierung des Projekts soll durch die Geschäftsleitung erfolgen. Auf diese Weise ist die Grundvoraussetzung – nämlich die Unterstützung durch die Geschäftsführung – gegeben. In Hinblick auf die Organisation wird zunächst die E-Learning-Vision in das Leitbild des Unternehmens integriert. Zudem werden die Mitarbeiter, beispielsweise durch Newsletter und Informationsveranstaltungen, von Beginn an über Ziele und Verlauf des Projekts informiert. Ein wesentlicher Aspekt der Integration der E-Learning-Plattform besteht darin, dass diese in den Arbeitsprozess der Teilnehmer direkt integriert wird (z.B. Bestellung von Beratungsmaterialien). Eine Veränderung der Organisationsstrukturen wird in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat erarbeitet. Es werden Freiräume für den Wissenserwerb und die Arbeit mit der Plattform geschaffen.

Technik Da es sich um die Einführung eines technikbasierten Systems handelt, war dieser Aspekt von besonderer Bedeutung. Eine technikorientierte Bedarfserhebung wird zur Schaffung einer nutzergerechten technischen Basis vorgenommen. Das ausgearbeitete didaktische Konzept dient als Grundlage für die Auswahl der Technik. Nach der Auswahl der benötigten technischen Ressourcen wird sichergestellt, dass alle Pharmareferenten auch mit der nötigen Ausstattung versorgt sind.

Partizipation Aspekte der Partizipation werden von Beginn an im Projekt berücksichtigt, beispielsweise über die Einbeziehung aller Beteiligten bei der Bedarfsanalyse. Zudem wird ein Teil der Pharmareferenten auch im Rahmen einer Piloteinführung eingebunden, um eine Anpassung an die Bedürfnisse optimal zu gewährleisten. Die Beteiligten werden gebeten, ihr Feedback zu der

174 12 Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen neuen Vorgehensweise zu geben. Insgesamt werden alle Pharmareferenten mithilfe von Schriften und Veranstaltungen über die einzelnen Implementationsschritte des Projekts informiert.

Kompetenzen Auch die Kompetenzen der Mitarbeiter zum Umgang mit neuen Technologien werden berücksichtigt. So können Teilnehmer je nach Bedarf eine Einführung in die Plattform und die neuen Arbeitsweisen erhalten. Darüber hinaus werden zur Unterstützung der Mitarbeiter zusätzlich betriebsinterne E-Trainer ausgebildet.

12.3.5

Systemauswahl

Vor dem Hintergrund der Konzeption der Informations-, Lern- und Kommunikationsangebote wurde als Lernplattform das Distance-Learning-System (DLS) von e/t/s Didaktische Medien GmbH ausgewählt. Die Lernplattform enthält eine Bibliothek, in der die Mitarbeiter aktuelle Informationen und Lernmaterialien abrufen können. Des Weiteren steht den Lernenden ein so genanntes Lernstudio zur Verfügung, in dem Web-Based-Trainings zu neuen Programmen enthalten sind. Zudem beinhaltet die Lernplattform Kommunikationsmöglichkeiten, um mit den Kollegen Informationen auszutauschen und gemeinsam die virtuelle Schulung nachzubereiten. Bei ALTANA erhält die Lernplattform den Namen APOLLO (Altana Pharma Online Learning Offensive).

12.3.6

Realisierungsstufen

Auf der Realisierungsstufe 1 wurde die Plattform installiert und ein Pilotprojekt mit einer Gruppe von 20 Pharmareferenten durchgeführt. Im Rahmen einer formativen Evaluation wurden alle Teilnehmer zu ihren Erfahrungen mit der Lernplattform interviewt. Die Analyse der Interviews verwies auf eine hohe Akzeptanz der Plattform und der IT-Trainingssoftware. Neben der Erprobung der Plattform wurden die WBT zu ALVESCO auf der Realisierungsstufe 1 entwickelt und kontinuierlich durch didaktische Experten des Instituts für Pädagogische Psychologie analysiert. Die Ergebnisse wurden an die Entwickler der Lernsoftware rückgemeldet. Auf der Realisierungsstufe 2 wurden die Lernplattform, die IT-Trainingssoftware und die WBT zu ALVESCO für alle Mitarbeiter freigeschaltet.

Heinz Mandl, Katrin Winkler, Bernd Heuser, Walter Weber

12.4

175

Evaluationsstudie

Ziel war es, den Außendienstmitarbeitern von ALTANA Pharma Deutschland Produktwissen im Zuge der Produkteinführung des neuen Medikaments ALVESCO zu vermitteln. Hauptbestandteil des innovativen Schulungskonzepts zu ALVESCO war die Lernplattform APOLLO mit dem integrierten WBT ALVESCO. Die Lernplattform APOLLO beinhaltet sowohl asynchrone (Diskussionsforen) als auch synchrone Kommunikationsmöglichkeiten (virtueller Konferenzraum). Das WBT ALVESCO stellt den Lernenden das nötige Produktwissen systematisch aufbereitet zur Verfügung. Zusätzlich sind in dem WBT authentische Fallsituationen enthalten, in denen die Pharmareferenten unter Bezugnahme auf die systematisch aufbereiteten Inhalte ihr Wissen anwenden können. Das Schulungskonzept bestand aus Selbstlernphasen mit dem WBT ALVESCO und ergänzenden Treffen im virtuellen Konferenzraum auf der Lernplattform APOLLO. Die moderierten Sitzungen im virtuellen Konferenzraum dienten zur Wiederholung und Vertiefung der Inhalte. An der Fragebogen-Untersuchung zur Produktschulung ALVESCO nahmen 117 Außendienstmitarbeiter von ALTANA Pharma Deutschland teil. Die Evaluation bezog sich auf die Einschätzung der Lernplattform, des Schulungskonzepts ALVESCO und des Learning-Outcome. Die Rating-Skala reichte von 1 (= niedrig) bis 6 (= hoch). Die Lernplattform APOLLO wurde überwiegend positiv eingeschätzt, insbesondere bezüglich der Usability (Abb. 12.5). Nur bei einigen Teilnehmern ergaben sich technische Probleme bei der Bearbeitung der Lernplattform. 6

5,09 5 4,13 4 Usability Technik 3

2

1 1

Abb. 12.5

Lernplattform APOLLO (1 = niedrig; 6 = hoch; N = 117)

In Hinblick auf das Schulungskonzept ALVESCO fanden die meisten Teilnehmer die Kombination von WBT ALVESCO und virtuellem Konferenzraum gut gelungen (Abb. 12.6).

176 12 Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen

6

4,91

5 4,5

Kombination von W BT und virtuellem Konferenzraum

4

Gesamtbeurteilung 3

2

1 1

Abb. 12.6

Schulungskonzept ALVESCO (1 = niedrig; 6 = hoch; N = 117)

Der Lernerfolg wurde ebenfalls positiv eingeschätzt. Die Befragten gaben an, viel dazugelernt zu haben und das Gelernte gut im Arbeitsalltag anwenden zu können. Die so genannte Einstellungsakzeptanz für das Schulungskonzept, also die mit Wertungen oder Erwartungen verbundene Haltung gegenüber E-Learning, war ebenfalls überwiegend sehr positiv. Auch die Motivation für das Schulungskonzept lag über dem mittleren Bereich (Abb. 12.7). 6 5,48 5,18 5

4,91

4,79 Einstellungsakzeptanz 4,21 Nutzungsabsicht

4

Motivation Subjektiver Lernerfolg

3

Transfer in den Arbeitsalltag 2

1 1

Abb. 12.7

12.5

Learning-Outcome (1 = niedrig; 6 = hoch; N = 117)

Fazit/Zusammenfassung

Die Gesamtübersicht über den Projektablauf zeigt, dass es sich bei der Implementierung von E-Learning um ein komplexes Vorgehen handelt. Studien zum Thema Implementierung verweisen vielfach darauf, dass die gescheiterten Vorhaben wenig zielgerichtet initiiert, die Vorgehensweisen im Vorfeld nicht definiert und die Mitarbeiter nicht einbezogen wurden (vgl.

Heinz Mandl, Katrin Winkler, Bernd Heuser, Walter Weber

177

hierzu z.B. Tarlatt, 2001; Haben, 2002). Eine genaue Planung ist, wie dieses Projekt zeigt, unbedingt erforderlich, um es zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen (Abb. 12.8). Die Ergebnisse der Evaluationsstudie bestätigen die erfolgreiche Einführung von E-Learning bei ALTANA Pharma. Inzwischen wird APOLLO von allen Mitarbeitern im Arbeitsalltag benutzt. Weitere Erfahrungen zum Einsatz mit APOLLO zeigen, dass virtuelle Konferenzräume nicht nur zur Wissensvermittlung und Produktschulung genutzt werden, sondern darüber hinaus zum Erfahrungsaustausch zwischen Außendienstmitarbeitern sowie für Workshops, z.B. zum Austausch von Verkaufsstrategien. Weiterhin wird der virtuelle Konferenzraum für Projektarbeit, Vorbereitung einer Ärzteveranstaltung und Terminabsprachen eingesetzt. Neben der dargestellten Evaluationsstudie konnte in weiteren Untersuchungen die Bedeutung von institutionellen Rahmenbedingungen, Merkmalen der Teilnehmer und Merkmalen der Lernumgebung für die Akzeptanz von E-Learning aufgezeigt werden (Bürg, 2005).

Abb. 12.8

Prozessablauf der Implemetation

Was den Kosten-Nutzen-Aspekt betrifft, so spart das Vorhaben laut Vertriebsleitung von ALTANA Pharma zwar keine Kosten, die produktive Kundenzeit und die Intensität, Qualität und Nachhaltigkeit der Präsenztrainings werden jedoch gesteigert, sodass aus ihrer Sicht das Ziel des Vorhabens, die Verbesserung der Beratungsgespräche, zu ihrer vollen Zufriedenheit erreicht wurde.

178 12 Mitarbeiterorientierte Implementierung von E-Learning in einem Pharmaunternehmen

Literaturverzeichnis Back, A., Seufert, S. & Kramhöller, S. (1998). Technology enabled management education. iomanagement, 3, 36-40. Bürg, O. (2005). Akzeptanz von E-Learning in Unternehmen. Berlin: Logos. Haben, M. (2002). E-Learning in large German companies – most of the concepts are not effective. Computerwoche, 22, 12-16. Winkler, K. & Mandl, H. (2003). Auf dem Weg zu einer neuen Weiterbildungskultur. Der Beitrag von eLearning in Unternehmen. In M. Dowling, J. Eberspächer & A. Picot (Hrsg.), eLearning in Unternehmen. Neue Wege für Training und Weiterbildung (S. 3-15). Berlin: Springer. Tarlatt, A. (2001). Implementierung von Strategien im Unternehmen. Wiesbaden: Gabler. Winkler, K. & Mandl, H. (2004). Mitarbeiterorientierte Implementation von Wissensmanagement in Unternehmen. In G. Reinmann & H. Mandl (Hrsg.), Psychologie des Wissensmanagements (S. 207-219). Göttingen: Hogrefe.

Teil D Trends – Portale auf dem Weg ins Web 2.0 13

Portale, das Web, Web 2.0 und das Semantic Web (Klaus Birkenbihl, W3C, St. Augustin)

181

14

E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien (Andreas Schmidt, Forschungszentrum Informatik, Karlsruhe)

191

15

Standards für E-Learning Portale (Jan Pawlowski, Universität Duisburg-Essen)

207

16

Potenziale von Social Software für Bildungsportale (Jan Schmidt, Forschungsstelle Neue Kommunikationsmedien FoNK, Universität Bamberg)

219

17

Zwischen Web-Präsenz und Grids: Portale als Mittel der ko-aktiven Wissensorganisation (Reinhard Keil, Harald Selke, Universität Paderborn)

235

13

Portale, das Web, Web 2.0 und das Semantic Web Klaus Birkenbihl World Wide Web Consortium (W3C), St. Augustin

13.1

Einleitung

Die Erfindung des World Wide Web (WWW) Ende der 80er Jahre durch Tim Berners Lee erlaubte es, Dokumente – Texte, Bilder und Multimediale Inhalte – im Web abzulegen Dokumente mit anderen Dokumenten zu vernetzen. Die Einfachheit der Technik und die Möglichkeit, rasch durch einen Mausklick von einem Dokument in ein anderes zu wechseln, bescherte dem Web eine große Beliebtheit. Schnell wuchsen Anwendungen und Geschäftsmodelle auf Basis dieser neuen Technik. Die einfachen Regeln, auf denen das klassische Web aufgebaut ist, haben aber auch ihre Grenzen. Einfache Fragen, wie zum Beispiel nach einer bestimmten Digitalkamera zu einem günstigen Preis oder dem Wohnort eines bekannten Künstlers, lassen sich mit dieser Technik nicht ohne weiteres aus dem Web beantworten1. Dieses Problem adressieren neuere Techniken, die zum Beispiel unter dem Sammelbegriff Web 2.0 populär geworden sind. Besonderes, standardisiertes Mark-up erlaubt es, die Bedeutung bestimmter Teile eines Dokuments zu definieren und damit – unabhängig vom HTMLCode einer Seite – verfügbar zu machen. Noch einen Schritt weiter geht das Semantische Web, das es erlaubt, Relationen zwischen Daten im Web zu definieren und logische Operationen darauf auszuführen. Keine Frage, dass Portale von diesen neuen Möglichkeiten sehr profitieren können. Viel an mühsam manuell erschlossener Information steht auf einmal automatisch zur Verfügung und der Aufwand, ein Portal aktuell zu halten sinkt stark. Insbesondere Bildungsportale mit 1.

Zwar gibt es einzelne Anwendungen, die zum Beispiel den billigsten Preis für ein Produkt im Web suchen. Diese basieren aber meist nicht auf Standard Web-Techniken, sondern auf speziellen Anwendungen, denen einprogrammiert ist, wie ein Anbieter Produkte und Preise in der Seite ablegt. Es versteht sich von selbst, dass diese Anwendungen sehr pflegeintensiv sind. Sollte es einem Anbieter von Produkten einfallen, die Struktur seiner Seite zu ändern, darf der Preisfinder wieder nachprogrammiert werden.

182

13 Portale, das Web, Web 2.0 und das Semantic Web

bestimmten Schwerpunkten – seien sie fachlicher oder regionaler Art – können mit den neuen Techniken einfach Informationen austauschen und zum höheren Nutzen des Anwenders ihr Informationsangebot besser strukturieren und erweitern.

13.2

Die alte Crux mit HTML

Das World Wide Web baut auf drei technischen Grundpfeilern auf: •

dem URL (Universal Ressource Locator), der es erlaubt, Dokumente weltweit eindeutig zu identifizieren. Beispiel: http://www.w3.org/



dem Protokoll HTTP (HyperText Transfer Protocol), das es erlaubt auf Dokumente zuzugreifen



der HTML (HyperText Markup Language) eine Sprache, die es erlaubt, Dokumente zu strukturieren und aus einem Dokument auf ein anderes zu verweisen.

Aus dem Netz der Dokumente wurde recht bald ein ziemlich undurchdringlicher Verhau. „Lost in Cyberspace“ benennt den Zustand, sich auf der Suche nach Informationen im Netz verirrt zu haben. Deshalb gab es recht früh Versuche, die Informationen, die das Web bietet zu ordnen. Dabei wurden im Wesentlichen zwei Ansätze verfolgt: •

manuell gepflegte Kataloge und Portale – also mehr oder weniger kommentierte und thematisch gegliederte Verweissammlungen auf Webdokumente



automatisch erzeugte Indizes als Basis für Volltextsuchen

Beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile. Bei manueller Pflege ist das Resultat von den individuellen Beurteilungen durch die jeweiligen Administratoren oder Redakteure abhängig. Außerdem ist die Pflege sehr zeitaufwendig und kaum in der Lage, das heutige Web komplett zu erfassen. Automatische Volltextindizes hingegen liefern bei der Suche – wie die meisten von Ihnen sicher bei Google-Suchen leidvoll erfahren haben – oft unpräzise oder gar unbrauchbare Ergebnisse. Das sollte nicht verwundern, basieren diese doch im Wesentlichen auf dem reinen Vorhandensein der Suchworte im Dokument, ohne dass deren Bedeutung für den Inhalt von der Suchmaschine wirklich bewertet werden kann. Über 80% der Inhalte des World Wide Web (Schätzung des Autors) werden aus Datenbanken erzeugt. Diese Datenbanken enthalten üblicherweise in ihren Schemata z.B. Informationen darüber, dass eine Zahl ein Verkaufpreis ist, eine andere eine Artikelnummer oder dass ein Datum das Anfangsdatum eines Events ist und nicht das Geburtsdatum des Webmasters. Diese Informationen gehen bei der Transformation des Datenbankinhalts in HTML verloren. Das heißt, sie erschließen sich (meist) noch einem menschlichen Leser, aber Suchmaschinen sind nicht in der Lage, diese Informationen aus HTML zu gewinnen und auszuwerten.

Klaus Birkenbihl

13.3

183

Web 2.0

Web 2.0 hat neben seinen neuen ökonomischen und sozialen Effekten auch eine Reihe neuer Techniken hervor gebracht. Auf technischer Seite war insbesondere das Problem zu lösen, die Sammlung, Wiederverwendung und gemeinsame Nutzung von Information – durch unterschiedliche Zusammenstellung, Anpassung an einen Anwendungskontext, Ergänzung um Kommentare oder Aufbereitung für eine spezielle Gemeinschaft (Community, vgl. auch Panke et al. im selben Band) mehr oder weniger automatisch zu erlauben. Für diese Anwendungen – die Wiederverwendung in anderem Kontext oder in anderer Anordnung, das neu Zusammenstellen von Dokumentfragmenten etc. – ist es natürlich wichtig, die Bedeutung der jeweiligen Dokumentteile zu kennen. So adressiert Web 2.0 also auch das Problem der Bedeutung (aka Semantik) der Inhalte. Die hierfür im Web 2.0 meist genutzte Technik heißt Microformats. Microformats sind zusätzliches, standardkonformes Mark-Up. HTML-Dokumente, die Microformats enthalten, sind also syntaktisch korrektes HTML und definieren keine Erweiterungen am HTML-Standard. HTML4 hat bereits die Möglichkeiten definiert. Microformats nutzen das Attribut class, das jedes HTML-Element enthalten darf. Der HTML-Standard weist diesem Attribut zwei Rollen zu: •

As a style sheet selector (when an author wishes to assign style information to a set of elements).



For general purpose processing by user agents.

Microformats nutzen also die zweite Rolle des class-Attributs. Sehr nützlich für die Zwecke von Microformats ist, dass das class-Attribut beliebig viele Werte haben kann. Microformats definieren so ihre eigenen Klassen, um HTML-Elementen eine Bedeutung beizugeben.

Abb. 13.1

Ein HTML-Text mit Microformat Mark-up erlaubt es zum Beispiel eine Adressinformation aus einer beliebig formatierten Web-Seite zu extrahieren.

184

Abb. 13.2

13 Portale, das Web, Web 2.0 und das Semantic Web

Browserausgabe von Abb. 13.1

Die in Abbildung 13.1 versteckte Datenbankinformation decodiert sich wie folgt: •

in diesem Absatz verrät

, dass im Absatz eine Vcard (vergl. RFC 2426) steckt.



das Element enthält einen kompletten Namen (full name) mit dem Wert des Elements (Klaus Birkenbihl)



das Element enthält den Wohnort (Sankt Augustin) – und eben nicht Köln oder Bonn



das Element enthält den Straßennamen (Zedernweg)



das Element enthält die Postleitzahl (53757)



das Element enthält den Namen einer Organisation oder Firma, der das Individuum zugeordnet ist (World Wide Web Condortium)

Diese Bedeutungen sind alle durch einen Microformatstandard festgelegt. Für eine Reihe von Anwendungen sind Microformatstandards definiert und hinterlegt (vgl. Allsopp, 2007 sowie das Weblog microformats.org).

13.4

Semantic Web aka Web 3.0

Microformats haben den Nachteil, dass sie eine zentrale Instanz brauchen, die die Formate definiert. Das Format ist hierarchisch (vergl. Abb. 13.1), was eine Vernetzung mit anderen Formaten erschwert. Flexibler ist da der Ansatz des W3C: Semantic Web. Semantic Web erlaubt es, beliebige Objekte (Resources) in Relation zu anderen Objekten zu setzen. Hierzu wurde eine einfache grafische Sprache definiert: RDF. RDF nutzt eine Erweiterung der von HTML bereits bekannten URLs, die URIs (Uniform Resource Identifiers) zur Identifikation von Resources. Eine Resource kann buchstäblich alles sein nicht nur auf Computern gespeicherte Daten, sondern auch Personen, Gegenstände, abstrakte Begriffe RDF kann Resources dadurch beschreiben, dass es ihnen Eigenschaften und deren Werte zuweist. Eine solche RDF Aussage könnte beispielsweise beinhalten: Dieses Auto --- hat die Farbe --- Rot Setzt man nun für Dieses Auto einen URI ein, die dieses Auto bezeichnet; setzt man für hat die Farbe, einen URI ein, der die Eigenschaft, eine Farbe zu haben, bezeichnet; und für Rot einen URI, der ein Rot oder dieses Rot bezeichnet, hat man eine gültige RDF-Aussage.2

Klaus Birkenbihl

185

Außer einer Resource kann auch ein Literal (also eine Zeichenkette) als Wert einer Aussage stehen. Über jede Resource kann man beliebig viele Aussagen machen. Hierdurch entsteht ein Graph, in dem die Subjekte und Werte einer RDF-Aussage, Anfangs- resp. Endknoten einer Kante sind, die die Eigenschaft repräsentiert. Abbildung 13.3 zeigt solch einen einfachen Grafen für Eric Miller (einen der Väter des Semantic Web). RDF-Grafen lassen sich einfach erweitern und untereinander vernetzen. Ähnlich wie das klassische Web auf Basis von URLs Dokumente vernetzte, erlaubt RDF dies für Daten. RDF wurde um eine Sprache RDFS (RDF Schema) ergänzt, die die Semantik einiger RDF Eigenschaften (z.B. „gehört zur Klasse …“ (Class), „ist Teilklasse von …“ (Subclass), „ist von Typ …“ (Type)) und Konzepten für die Vererbung von Klasseneigenschaften zu RDF hinzufügt. Die OWL (Web Ontology Language) führt darüber hinaus logische und Mengenoperationen auf RDFS-Klassen ein. So wurden RDF-Sprachen ein mächtiges Hilfmittel für die Wissensverarbeitung und die Vernetzung von Wissen (z.B. durch das Zusammenführen von Ontologien).

Abb. 13.3

2.

RDF-Graf für Eric Miller (Quelle: RDF Primer)

Für RDF gibt es keine vorgeschriebene Syntax. So haben sich – je nach Anwendungszweck – verschiedene Serialisierungen etabliert. Beispiele sind das bekannte – eher schlecht lesbare – RDF/XML oder das näher an RDFAussagen angelehnte N3.

186

13 Portale, das Web, Web 2.0 und das Semantic Web

Bleibt das Problem, RDF so in HTML zu integrieren, dass z.B. aus Datenbanken fürs Web ein HTML generiert werden kann, das die RDF-Daten (resp. RDF-Metadaten) enthält. W3C bietet hierfür unterschiedliche Standards an, die je nach Anwendungsfall zum Einsatz kommen. •

GRDDL (Gleaning Resource Descriptions from Dialects of Languages): Die GRDDL Spezifikation definiert ein Markup, das anzeigt, dass ein XML(XHTML)-Dokument extrahierbare Daten enthält. Es erlaubt, auf einen Algorithmus zu verweisen, der die Daten aus dem Dokument extrahiert. Für das Format der Daten macht GRDDL keine Vorgaben. So könnten die Daten im Dokument beispielsweise als Microformats eingebettet sein. GRDDL erlaubt es dann, einen Algorithmus zu assoziieren, der die Microformats als RDF extrahiert.



RDFa: RDFa und ist eine Erweiterung von XHTML 1. (XHTML 2 enthält RDFa bereits.) Mit RDFa lässt sich XHTML um RDF ergänzen. Ein Beispiel soll hiervon einen Eindruck vermitteln (Abb. 13.4):

Abb. 13.4

Eine Vortragsankündigung mit RDFa

Das XHTML in Abb. 13.4 enthält (Mit dem Namespace: xmlns:cal=http://www.w3.org/2002/12/cal/ical#)

die RDF-Aussagen3 in Abb. 13.5.

3.

Der aufmerksame, nicht mit XML vertraute Leser mag fragen, inwieweit #xtech_conference_talk oder cal:summary URIs bilden. Es handelt sich hier um zwei abkürzende Schreibweisen. Ersteres ist eine same document reference. Hat das Basis-Dokument etwa die URI http://www.bsp.de/index.html, so wird #xtech_conference_talk zu http://www.bsp.de/index.html#xtech_conference_talk. Im zweiten Fall werden XML Namespaces zur Bildung der vollständigen URI genutzt. Mit dem o.g. Namespace wird cal:summary zu http://www.w3.org/2002/12/cal/ical#summary.

Klaus Birkenbihl

Abb. 13.5

187

In Abb. 13.4 enthaltenes RDF.

In vielen Anwendungen bewährt sich RDF inzwischen. Viele Firmen – und natürlich auch W3C nutzen RDF sowohl für eigene kleine Anwendungen als auch um große Datenbanken zu vernetzen und das Wissen in ihrer Organisation zu verwalten. Verschiedene wissenschftliche Gemeinschaften sind derzeit dabei, das von ihnen jeweils gesammelte Wissen mit RDF-Technologien zu verwalten und zu vernetzen. Insbesondere Bereiche mit riesigen, bisher schwierig zu vernetzenden Datenbanken, wie Bio- und Gentechnologie, der Finanzsektor, die Ölindustrie oder auch Regierungsinstanzen arbeiten hieran. RDF-basierte Ontologien sind auch bereits im WWW im Einsatz und reichern das WWW mit semantischen Informationen an. Zum Beispiel dokumentiert das FOAF-Projekt (Friend Of A Friend) Bekanntschaftsbeziehungen, Creative Commons nutzt RDF um Urheberrechte im Web digital zu verwalten, der PICS-Standard des W3C erlaubt es, Datenschutzbedingungen maschinell lesbar zu formulieren. Vodafones Live Mobile Portal nutzt RDF, um die Suche nach Klingeltönen, Spielen, Bildern zu unterstützen. Laut Vodafone gingen die Pageviews pro Download dadurch um 50% zurück. Dies ist nur eine kleine Auswahl bereits existierender Anwendungen und täglich werden es mehr und sie werden besser vernetzt.

13.5

Bildungsportale

Bildungsportale wollen auf einer breiten Ebene Informationen zur Bildung, zum Wissenserwerb für Studium, Schule, Beruf und Freizeit vermitteln. Anbieter der Portale sind unter anderen Schulen, Universitäten, politische Instanzen (z.B. Ministerien), Industrie und Handelskammern. Das ist viel Wissen und viel Wissen über Wissen über viele (virtuelle und geografische) Standorte verteilt und meist unterschiedlich organisiert. Akzeptiert man, dass die Vielfalt ein Nutzen ist und dass die verschiedenen Portale verschiedene Interessen bedienen, so bleibt doch die Frage, ob man einem Nutzer, der quer zum Angebot liegende Informationen sucht – z.B. über Studiengänge in unterschiedlichen Bundesländern oder Vergleichendes zu Studiengebühren oder aber Veranstaltungen zu einem bestimmten Thema – nicht anbieten kann, diese

188

13 Portale, das Web, Web 2.0 und das Semantic Web

Informationen, die dezentral bereitgestellt sind, auf seinem „Heimatportal“ abrufen zu können. Dies ist ein sehr offensichtliches Beispiel, bei dem Datenintegration viel verbessern kann. Wie oben gezeigt bietet das Semantische Web die Möglichkeit, eine solche Integration auf Basis von bestehendem (X)HTML durch Ergänzung der für die Extraktion von RDF erforderlichen Informationen zu leisten. Die dafür erforderliche zusätzliche Information ist meist ohnehin in den Datenbanken, aus denen das HTML für die Portale meist generiert wird, vorhanden. Der Koordinierungsaufwand bestünde darin, sich zwischen den Portalen auf die zu benutzenden Ontologien zu einigen, soweit eine Integration gewünscht ist. Solche Ontologien liegen heute bereits fertig erarbeitet in einer stattlichen Anzahl vor und haben teilweise eine weite Verbreitung erfahren (vergl. SWEO). Die Integration und Vernetzung von Daten der verschiedenen Bildungsserver würde deren Nutzen steigern und vermutlich den Aufwand für die Pflege senken. Das Semantic Web mit seinen auf RDF basierten Technologien stellt die Werkzeuge bereit, dies mit vertretbarem Aufwand bei sehr niedrigem Risiko für den Erfolg zu leisten.

13.6

Fazit und weitere Schritte

Die Techniken für das Semantic Web sind vorhanden. RDF bildet eine solide Grundlage auf der mit RDFS und den OWL-Dialekten mächtige Ausdrucksmittel zur Wissenspräsentation aufsetzen. Der Großteil des heute digitalisierten Wissens ist in Datenbanken, die nicht miteinander vernetzt sind gespeichert. Durch Datenabstraktion und eine Transformation des Inhalts nach RDF wird die Grundlage für eine Vernetzung der Inhalte geschaffen. Auch große Datenbanken können über RDF-Technologien erschlossen werden, ohne dass man ihren Inhalt komplett nach RDF konvertiert. Die Konvertierung kann „on the fly“ in einer entsprechenden Middleware passieren. Ontologien mit ihren Klassenstrukturen vereinfachen und Verbessern die Vernetzung durch Vererbungsmechanismen. Für Bildungsportale wird es mit diesen Techniken einfach, Inhalte anderer Bildungsserver zu integrieren und das eigene Wissen um das Wissen anderer Portale zu erweitern. Der Benutzer kann dann das Gesuchte aus einer Vielzahl von Quellen in seinem Heimatportal finden und kann zudem auf weitere neue verwandte Inhalte verwiesen werden. In der Praxis werden Metadaten zum Beispiel über Microformats in (X)HTML oder mittels RDFa in XHTML integriert. Mittels GRDDL und entsprechenden Anwendungen lassen sich Metadaten in beliebigen Formaten – zum Beispiel auch Microformat – als RDF extrahieren. RDF findet bereits in zahlreichen Projekten im Web und in vielen Firmen-Intranets Anwendung.

Klaus Birkenbihl

189

Literaturverzeichnis Allsopp, J. (2007). Microformats – empowering your markup for Web 2.0. New York: Springer Verlag. Birkenbihl, K: Standards für das Semantic Web In: Semantic Web, Wege zur vernetzten Wissensgesellschaft, Springer Heidelberg Friend of a Friend (FOAF) Project http://www.foaf-project.org/ microformats.org http://microformats.org/ Mosel, S. (2007). Microcontent für Bildungsportale – Praxisbeispiel BildungsBlog. Im selben Band. Panke, S., Wedekind, J. & Haug, S. (2007). Bildungsportale als Infrastrukturen für Community Building und Wissensmanagement. Im selben Band. SWEO: Semantic Web Education and Outreach ( SWEO ) Interest Group – http://www.w3.org/ 2001/sw/sweo/ W3C (2004). RDF Primer Recommendation, http://www.w3.org/TR/rdf-primer/

14

E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien Andreas Schmidt Forschungszentrum Informatik, Karlsruhe

14.1

Einleitung

In der zweiten E-Learning-Generation treten formell organisierte Lernformen zunehmend in den Hintergrund zugunsten eines informellen und dezentralen Voneinander-Lernens. Das Vernetzen auf menschlicher wie auf inhaltlicher Ebene ist dadurch in das Zentrum des Interesses gerückt. Dies fordert auch Bildungsportale heraus, da diese derzeit stark zentralisiert organisiert sind und auf institutionalisierte Redaktionsprozesse setzen. In diesem Beitrag sollen mögliche Entwicklungslinien aufgezeigt werden – unter dem besonderen Blickwinkel, welche Potentiale aktuelle semantische Technologien aus dem Umfeld des Semantic Web in diesem Kontext eröffnen.

14.2

Web 2.0, E-Learning 2.0 und Portale 2.0

Inzwischen gibt es zahlreiche Versuche zur Charakterisierung des Phänomens Web 2.0, die an dieser Stelle nicht wiederholt oder vertiefend diskutiert werden sollen. Konsens besteht dahingehend, dass Web 2.0 kein primär technologisches Phänomen ist, auch wenn ein Satz von Technologien wie AJAX („Asynchronous Java Script and Xml“ für die Gestaltung von Oberflächen, die Desktop-Anwendungen ähneln), RSS („Really Simple Syndication“, für die Syndizierung von Inhalten) oder REST („REpresentational State Transfer“, als einfaches Architekturprinzip für Programmierschnittstellen über das Web) besonders häufig in Web 2.0Anwendungen verwendet werden. Vielmehr geht es um eine neue Wahrnehmung des Webs durch seine Anbieter und seine Nutzer, die sich durch die folgenden Eigenschaften auszeichnet: •

Die Nutzer und die von ihnen generierten Inhalte rücken in den Vordergrund. Damit werden Nutzer neben ihrer Rolle als Konsumenten gleichermaßen zu Produzenten von Inhal-

192

14 E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien

ten (sog. „read-write web“). In diesem Kontext wurden neue Werkzeuge zur einfachen Veröffentlichung (wie Blogs, Bilderdienste à la Flickr oder Videodienste à la YouTube) oder zur kollaborativen Erstellung (wie Wikis) populär. •

Die soziale Interaktion zwischen Benutzern wird stark betont, was Phänomene wie Netzwerkplatzformen (wie XING) oder Soziale Bookmark-Dienste (wie del.icio.us) illustrieren. Die Nutzer sollen dabei bewusst Einblick in das Tun und die Interessen der Anderen erhalten, um so auch Kontakte zu vermitteln.



Aus technischer Sicht lassen sich die Web-Dienste auch programmatisch leicht integrieren, da sie sich nicht mehr nur primär an Personen richten, sondern auch für Werkzeuge offen sind. Dadurch lassen sich die Dienste und Inhalte auch in anderen Kontexten verwenden. Die hierbei eingesetzten Schnittstellen sind so einfach wie möglich, reduziert auf ein Minimum an Komplexität (wie z.B. RSS zur Syndizierung von Inhalten oder RESTAPIs als einfache Programmierschnittstellen, vgl. Fielding & Taylor, 2002).



Nicht zu vergessen ist die Benutzererfahrung bei der Nutzung der Web 2.0-Dienste. Sie sind von der Funktionalität meistens sehr einfach gehalten und verfügen über Komfortfunktionen (wie das automatische Vervollständigen, Drag-and-Drop-Metaphern u.v.m.) Ein wesentliches Element für die Popularität von Web 2.0-Diensten ist der Begriff des „joy of use“ (zum Begriff vgl. Brave & Ness, 2003).

Grundvoraussetzung für das Web 2.0 ist sicherlich die allgemeine Verfügbarkeit von AlwaysOn-Zugängen zum Internet auch im privaten Umfeld. Viele Desktop-Dienste wurden ins Netz verlagert und die Kollaboration zwischen Nutzern ermöglicht. Welche Konsequenzen hat die skizzierte Neuerung nun auf E-Learning-Angebote? Ähnlich wie bei Web 2.0 ist der Begriff E-Learning 2.0 ein schillernder. Auch hier lassen sich nur charakteristische Trends benennen (vgl. Robes, 2007): •

E-Learning wird informeller; es bewegt sich weg von formalen Kursen hin zu informellem Lernen außerhalb von formellen Bildungseinrichtungen.



Insbesondere büßen klassische Lernplattformen ihre Bedeutung ein, da sie als Verwaltungswerkzeug nicht die Nutzer ins Zentrum stellen.



Die Betonung der sozialen Prozesse gewinnt auch im E-Learning 2.0 eine zentrale Bedeutung. Die Kollaboration in Lernprozessen wird aus vielerlei Hinsicht betont, und konstruktivistische Ansätze dominieren (vgl. Kerres, 2006).

Welche Konsequenzen ergeben sich für Bildungsportale? Wie werden Portale 2.0 – oder vielleicht sogar eher 3.0 sein (wenn man unter Web 3.0 die Verbindung von Web 2.0 mit Semantic-Web-Ansätzen versteht, Studer & Vrandei, 2006)? Im Folgenden soll hierzu thesenartig Stellung genommen werden. Dabei stehen drei Thesen im Vordergrund: •

Portale als Moderatoren von Reifungsprozessen. Portale werden von Informationsanbietern und -bündlern zu allgemeinen Dienstleistern und insbesondere Moderatoren von sozialen Prozessen, die Reifungsprozesse fördern.

Andreas Schmidt

193



Integration in den Nutzungskontext. Portale werden nicht mehr „Eingangstore“ sein, über die man in das Angebot einsteigt; vielmehr werden Portale im Hintergrund arbeiten und sich in die Arbeits- und Nutzungsprozesse einbetten.



Semantik in Portalen. Portaltechnologien müssen mehr von den Inhalten und der Anwendungsdomäne verstehen, um relevante Dienstleistungen überhaupt erbringen zu können.



Abschließend werden die Thesen anhand von aktuellen (Forschungs-)Aktivitäten und konkreten Werkzeugen illustriert.

14.3

Portale als Moderatoren von Reifungsprozessen

Derzeit wird mit dem Portalbegriff die Bündelung eines Informationsangebotes assoziiert. Die Hauptaufgaben bestehen in der Auswahl, Aufbereitung und thematischen Strukturierung von Informationen und entsprechen damit den typischen Redaktionsaufgaben von Zeitungen und Zeitschriften. Es findet eine klassische Rollentrennung zwischen Produzenten und Konsumenten statt, wie sie im Kontext von Web 1.0 bekannt ist. Doch die Entwicklungen im Web 2.0-Umfeld zeigen: •

Die Auswahl von Information erfolgt zunehmend durch die Benutzer selbst. Im Rahmen von Sozialen Bookmark-Diensten und damit verknüpften Bewertungssystemen etablieren sich flexible und vor allem auch für große Informationsmengen skalierbare Redaktionsprozesse.



Beispiele wie Wikipedia zeigen, dass auch die Aufbereitung von Informationen in großem Umfang selbst organisiert ablaufen kann und auf diese Weise umfangreiche Informationsmengen erschlossen werden können.



Tagging-Ansätze für das Web 2.0 zeigen, dass auch für die thematische Strukturierung die „Intelligenz der Massen“ nutzbar gemacht werden kann – und dies vor allem mit schnelleren Reaktionszeiten auf Veränderungen.

Web 2.0-Ansätze können qualitativ mit professionellen Redaktionsteams von Portalen nicht immer mithalten. Allerdings zwingen zahlreiche Vorteile zur Veränderung der mehrwertgenerierenden Portal-Dienstleistungen: (a) Kostenvorteile (durch die Verlagerung von Aufwänden auf die Benutzer), (b) Aktualitätsvorteile (die Masse der Benutzer kann Trends schneller wahrnehmen) sowie (c) Identifikationsvorteile (Benutzer, die aktiv zu einem Dienst beitragen, identifizieren sich viel stärker mit ihm und binden sich auch stärker an ihn). Wo liegen also die Mehrwerte? Portale der Zukunft werden den Mehrwert dadurch generieren, dass sie als Moderator von sozialen Austauschprozessen auftreten – dieses Potential zeigen Angebote wie die Wikipedia bereits. Je komplexer dabei der Gegenstand des Austausches und je intensiver der Austausch verlaufen soll, desto mehr wird eine aktive Instanz gebraucht, die Menschen und Inhalte vernetzt und produktive Interaktionsprozesse fördert. Diese Interaktionsprozesse sind letztlich kollaborative Lernprozesse, in denen die Beteiligten ihre jeweiligen Wissensstrukturen ausbauen. Dadurch entwickeln sich Themen über die Zeit hinweg, sie werden konsolidiert, sie „reifen“. Im Kontext des Lernens in Organisationen

194

14 E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien

wurde hierzu als Verbindung von E-Learning- und Wissensmanagementansätzen der „Wissensreifungsprozess“ als Modell entwickelt (vgl. Schmidt, 2005b, Maier & Schmidt 2007). Er beschreibt charakteristische Reifungsphasen von Wissen, die sich sowohl auf das individuelle Wissen als auch auf dessen Niederschlag in Informationsartefakten beziehen (vgl. Abbildung 14.1): von emergenten Ideen, über die Bildung eines gemeinsamen Vokabulars innerhalb einer Community, über die Formalisierung in Dokumenten bis hin zur pädagogischen Aufbereitung als Lernobjekte oder dem Eingang in allgemeine Curricula. Was dieses Prozessmodell für die Rolle von Portalen interessant macht, sind zwei Aussagen des Modells: (1) Die Zugänglichkeit von Wissen nimmt mit der Reife zu; Anfänger in einem bestimmten Gebiet können in vielen Fällen „unreife“ Artefakte gar nicht verstehen, weil ihnen der gemeinsame Kontext fehlt. (2) Reifung vollzieht sich meistens durch Kombination und Abgrenzung von unterschiedlichen Wissenselementen, so dass die Zugänglichkeit der entsprechenden Artefakte oder Personen förderlich wirkt.

Abb. 14.1

Der Wissensreifungsprozess (basierend auf Maier & Schmidt, 2007)

Die erste Schlussfolgerung hieraus ist: Portale müssen reifebewusst sein. Bei der Personalisierung des Informationsangebotes muss darauf geachtet werden, welcher Reifegrad für welchen Nutzer in welchem Themengebiet angemessen ist. Die zweite Schlussfolgerung ist: Portale müssen Reifungsprozesse fördern. Doch wie kann eine solche Förderung aussehen?

Andreas Schmidt

195



Bereitstellung von Instrumenten für Redaktionsprozesse. Gerade das Beispiel von Wikipedia zeigt, dass es nicht ausreicht, nur eine technische Plattform für das einfache Bearbeiten von Inhalten bereitzustellen. Vielmehr hängt der Erfolg auch stark davon ab, dass das „einfache Bearbeiten“ um (durchaus partizipative) Instrumente ergänzt wird, die der Qualitätssicherung dienen (z.B. „exzellente Artikel“ mit eingeschränkten Schreibmöglichkeiten). Diese müssen sicherlich in Zukunft noch differenzierter werden, um Nutzern neben dem bereitgestellten Artefakt auch eine Einschätzung seiner Qualität zu liefern. Dies bedeutet also Qualitätssicherung nicht durch Filtern von „minderwertigen“ Inhalten, sondern bewusst niedrige Hürden für informelle Ideen, die um ein „Reifebewusstsein“ ergänzt werden müssen.



Manuelle und semi-automatische Vernetzung von Menschen und Inhalten. Um die Kombination von Inhalten und das Bilden von Communities zu fördern, müssen Beziehungen zwischen Personen und Artefakten prominent im Vordergrund stehen. Im einfachen Fall stellen Benutzer die Ähnlichkeiten und Bezüge her (was bereits über Tagging in Verbindung mit sozialen Netzwerken gelingt). Damit dies auch für große Informationsmengen funktioniert, muss dies zukünftig ergänzt werden um automatisierte Verfahren, die bislang unentdeckte Bezüge aufzeigen.

Bei beiden Punkten ist allerdings eine wichtige Lehre aus dem Erfolg des Web 2.0 zu berücksichtigen: man sollte Prozesse und Strukturen möglichst wenig zentral durch die technische Infrastruktur wie z.B. klassische Content-Management-Prozesse vorschreiben; sie sollten sich vielmehr als soziale Konventionen und Prozesse etablieren und bewähren. Die technischen Werkzeuge müssen daher die entsprechende Flexibilität mitbringen und nicht nur ein spezifisches Prozessmodell unterstützen.

14.4

Integration in den Nutzungskontext

Die zweite Veränderung, der sich Portale gegenüber sehen, betrifft die Interaktion mit ihnen. In der Vergangenheit waren sie der zentrale Anlaufpunkt, zu dem sich die Benutzer aktiv aufmachen (müssen) und die exklusive Aufmerksamkeit erfordern. In Zukunft müssen Portale „in den Hintergrund treten“ können. Auch hier zeigen die derzeitigen Web 2.0-Entwicklungen die Trends auf: •

Inhalte werden durch RSS in unterschiedlichen Endbenutzeranwendungen (Browser, spezialisierte Feed-Reader oder Online-Dienste wie Google Reader oder Bloglines) genutzt oder sogar in andere Web-Angebote integriert.



Die Bereitstellung von offenen Programmierschnittstellen (APIs) ermöglicht anderen Web-Angeboten die Entwicklung von spezifischen Mehrwertdiensten.

Hieran sieht man, dass Web-Dienste sich zunehmend an den Nutzungskontext anpassen: sie erfordern nicht mehr die synchrone Interaktion und werden zu „bloßen“ Dienstleistern für andere Dienste.

196

14 E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien

In der betrieblichen Bildungswelt ist dieser Wandel bereits deutlich spürbar, da die Erfahrungen mit dekontextualisierten E-Learning-Portalen sehr enttäuschend sind. Für Lernende sind diese oft wenig motivierend, weil sie den Nutzen für die eigene Arbeits- und Karrieresituation häufig ignorieren bzw. gar nicht erkennen. Wilson et al. (2006) spricht sogar schon von einer Ablösung der klassischen Lernumgebungen in Betrieben und schlägt alternativ sog. „Personal Learning Environments“ vor, die eine lose Kopplung von Online-Diensten und DesktopWerkzeugen zur Kommunikation, Kollaboration, Informationssuche, Wissensstrukturierung u.v.m. darstellen. Andere Ansätze wie Schmidt & Braun (2006) oder Lindstaedt et al. (2005) konzentrieren sich auf die Unterstützung des Lernens bei Bedarf, das heißt unmittelbar in den Arbeitsprozessen. In diesen Ansätzen werden Lernmöglichkeiten empfohlen, die den Anforderungen der aktuellen Arbeitssituation entsprechen. Hierzu werden typische Portaldienstleistungen im Hintergrund genutzt, wie z.B. die Suche nach passenden Inhalten oder anderen Benutzern, ohne dass der Benutzer mit dem Portal direkt interagiert. Stattdessen werden die Anfragen im Hintergrund gestellt und Empfehlungen peripher angezeigt. Lösungen zur Integration in einen Nutzungskontext sind normalerweise sehr spezifisch. An Büroarbeitsplätzen sieht dies anders aus als in mobilen Umgebungen, in Universitäten wiederum anders als in betrieblichen Umgebungen, obwohl durchaus dieselben Inhalte und Dienste eines gemeinsamen Portals genutzt werden können. Entsprechend müssen sich Portale von reinen Informationsbündlern zu einer offenen und flexiblen Diensteplattform wandeln, die durchaus für den Nutzer verborgen im Hintergrund agiert und den individuellen und personalisierten Zugängen zuarbeitet.

14.5

Semantik in Portaltechnologien

Beide der bislang angesprochenen Entwicklungslinien für Portale erfordern, dass die zugrunde liegende Technologie mehr davon verstehen muss, um welche Domäne es sich handelt und was das Thema der Inhalte ist. Nur so kann man „intelligent“ moderieren, nur so kann man die Funktionalität an den Nutzungskontext anpassen. Traditionelle Technologien verhalten sich – aus gutem Grunde – domänenneutral. Dadurch sind sie praktisch überall einsetzbar. Deshalb ist die Frage, wie man Portaltechnologie so um die Anwendungssemantik erweitert, dass der Entwicklungs- bzw. Anpassungsaufwand sowie der Pflegeaufwand in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Inzwischen wurden zahlreiche Technologien im Gefolge der Semantic-Web-Forschung entwickelt, die auf deskriptive Art und Weise Anwendungssemantik für die automatisierte Verarbeitung zugänglich machen. Hierzu werden üblicherweise formale Ontologien eingesetzt, die ein gemeinsames (konzeptuelles) Verständnis einer bestimmten Domäne (Uschold & Grüninger, 1996) mittels einer formalen Sprache maschinenverarbeitbar kodieren. Einfache Ontologien können dabei die Gestalt von Taxonomien oder Thesauri besitzen; komplexere Ontologien können auch Schlussfolgerungen unterstützen. Solche Ontologien können für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden: sie dienen als kontrolliertes Vokabular zur Verschlagwortung von Inhalten, als semantisches Netz von miteinander in Beziehung stehenden Ressourcen, zur Konfiguration von Verfahren (z.B. inhaltliche Ähnlichkeitsmaße) u.v.m.

Andreas Schmidt

197

Diese Technologien werden Einzug in Portaltechnologien halten müssen, da nur so „intelligentes“ Verhalten mit vertretbarem Wartungsaufwand zu erreichen ist. Eine andere, aber eminent wichtige Frage ist allerdings: wie kommt man zu diesen Ontologien, die definitionsgemäß domänenspezifisch sind und somit auch von den entsprechenden Fachleuten zu entwickeln ist. Das ist die Achillesferse der ontologiebasierten Verfahren, und derzeitige Ontologieentwicklungsmethodiken sind hier noch zu sehr auf asymmetrische Rollenverteilungen (wie sie auch für Web 1.0 charakteristisch waren) ausgerichtet, da sie auf Komitees von Domänenexperten und aufwendige Modellierungsprozesse setzen, die dazu führen, dass in schnelllebigen Domänen relevante Konzepte erst dann Eingang finden, wenn sie schon wieder veraltet sind (vgl. Hepp, 2007). Hier zeigen Folksonomies eine ganz andere Dynamik, und die Web 2.0-Entwicklungen fordern auch die Semantic-Web-Ansätze heraus. Klar ist, dass Folksonomies nur schlecht maschinenverarbeitbar sind: schon ein erster Blick bringt die üblichen Probleme wie falsche Schreibweisen, Synonyme, unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Abstraktionsebenen etc. zutage, mit denen auch die derzeit auf syntaktischer Ebene arbeitenden Suchmaschinen wie Google zu kämpfen haben. Die semantischen Zusammenhänge kann oft nur der Mensch mit seinem Hintergrundwissen herstellen. Klar ist aber ebenso, dass gerade für neue Begriffe keine Ontologie modelliert werden kann, weil diese Begriffe noch nicht ausreichend verstanden sind. Was also benötigt wird, sind Übergänge zwischen Folksonomies und Ontologien, um die Vorteile beider Welten zu verbinden. Nimmt man die oben eingeführte Reifungsidee als Blaupause, so kann man auch hier von einem Reifungsprozess sprechen: Benutzer beginnen, Stichwörter zu vergeben, oft ohne sich genau über ihre Bedeutung im Sinne einer präzisen Begriffsdefinition im Klaren zu sein. Durch die Interaktion mit anderen bilden sich gemeinsam verwendete Begriffe heraus, die in einem nächsten Schritt formalisiert und in sog. „leichtgewichtige“ Ontologien überführt werden können, die über nur geringe Schlussfolgerungsmöglichkeiten verfügen und im wesentlichen durch Konzepte und ihre Relationen definiert sind. Ein weiterer Schritt durch entsprechende logische Axiomatisierung von Zusammenhängen in der Anwendungswelt liefert einen noch höheren Grad der Maschinenverarbeitbarkeit. Dies fasst der Ontologiereifungsprozess in Abbildung 14.2 zusammen. Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass in einer Begriffswelt stets unterschiedliche Reifegrade koexistieren: informelle Tags und formale Konzepte. Manche Verfahren können dann nur auf formalen Konzepten arbeiten (z.B. Schlussfolgerungsmechanismen), andere (wie z.B. Suche) können auch Tags ausnutzen.

198

Abb. 14.2

14 E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien

Der Ontologiereifungsprozess (Braun et al. 2007)

Mit dem Modell eines Reifungsprozesses im Hintergrund kann man sich auch eine kollaborative Entwicklung eines Vokabulars durch die Nutzer eines Portals vorstellen: die Masse der Benutzer beschränkt sich im wesentlichen auf die Anfangsphasen des Reifungsprozesses, während erfahrene Benutzer oder Portalbetreuer die Aufgabe der Formalisierung übernehmen, die aber deutlich leichter ist, da schon ein konsolidierter Input der Nutzer vorliegt.

14.6

Fallbeispiele

Im Folgenden werden die oben skizzierten Entwicklungslinien für Portale jeweils durch Technologiebeispiele aus aktuellen Forschungsansätzen illustriert: •

Das Semantic MediaWiki zeigt wie man durch die Bereitstellung semantischer Strukturierungsmittel die Moderationsfunktion von Wikis verbessern kann.



Das Projekt Learning in Process führt aus dem betrieblichen Bildungsbereich vor, wie man durch die Integration in die Arbeitsprozesse der Nutzer ein Lernen bei Bedarf ermöglichen kann.



Das Werkzeug SOBOLEO schließlich illustriert, wie man Nutzer eines Portals in die Lage versetzen kann, ein gemeinsames kontrolliertes Vokabular zu entwickeln. Dieses kollaborative Entwicklen hilft, den Ontologiereifungsprozess umzusetzen, der die Grundlage für die nachhaltige Anwendung von semantischen Technologien darstellt.

14.6.1

Semantic MediaWiki

Das Semantic MediaWiki ist eine Open-Source-Erweiterung der von Wikipedia eingesetzten Wiki-Software MediaWiki (Völkel et al., 2006). Es wurde an der Universität Karlsruhe in

Andreas Schmidt

199

Zusammenarbeit mit dem FZI Forschungszentrum Informatik entwickelt. Grundidee hierbei ist, dass Wikis sich zwar als Instrument zum kollaborativen Bearbeiten von schwach strukturierten Texten bewährt haben, aber praktisch nicht anfragbar sind, da keine Möglichkeit zur Repräsentation strukturierter Information vorliegt. Setzt man ein solches Wiki beispielsweise in einer Intranet-Umgebung ein, in der jeder Mitarbeiter auf seiner eigenen Seite die Projektzugehörigkeiten pflegt, indem er auf die entsprechenden Projekte verlinkt, so besteht keine Möglichkeit, die Projektmitarbeiter eines Projektes abzufragen, um z.B. die Liste auf der Projektseite automatisch zu generieren. Hauptproblem hierbei ist, dass in konventionellen WikiAnsätzen Links nicht typisiert, also semantisch unspezifiziert sind. So könnte der Link auf ein Projekt auf einer Mitarbeiterseite bedeuten, dass dieser Mitarbeiter in diesem Projekt arbeitet, es leitet, oder nur einen Verweis auf ein thematisch verwandtes Projekt darstellt. Das Semantic MediaWiki schafft hier Abhilfe, indem es Relationen zwischen Wiki-Seiten und Attribute auf Wiki-Seiten einführt. Statt dass ein Mitarbeiter nur einen Link auf eine Projektseite anlegt [[Im Wissensnetz]]

kann er nun angeben, dass dies bedeuten soll, dass er in diesem Projekt arbeitet: [[is member of::Im Wissensnetz]]

Ähnlich kann auf Projektseiten die Laufzeit nicht mehr nur textuell, sondern maschinenverarbeitbar dargestellt werden, indem man zwei Attribute benutzt: Laufzeit [[start date:=01.11.2005]] bis [[end date:=30.10.2008]]

Hierüber lässt sich dann beispielsweise eine Liste mit allen Projektmitarbeitern mit der folgenden Anfrage erzeugen: [[is member of::Im Wissensnetz]]

Oder eine Liste mit allen 2007 noch laufenden Projekten: [[Category:Project]][[end date:=>2007-01-01]]

Hierbei ist wichtig, dass diese Relationen und Attribute nicht vorgegeben sind bzw. aufwendig über eine nur wenigen zugängliche Administrationsoberfläche angelegt werden müssen, sondern wie jede andere Wiki-Seite durch die Benutzer selbst angelegt werden können. Damit können auch entsprechende Relationen in sozialen Prozessen ausgehandelt werden. Dies stellt sicher, dass eingeführte Relationen auch den Bedürfnissen der Benutzer genügen. Damit werden sanfte Übergänge zwischen unstrukturierten Daten mit der praktisch kaum eingeschränkten Flexibilität und strukturierten und damit aber auch anfragbaren Daten geschaffen. Auch in diesem Zusammenhang reifen die Inhalte eines Wikis, aber auch seine inneren Strukturen. Die Inhalte gewinnen Konsistenz und können auch außerhalb ihres Entstehungskontextes verwendet werden.

200

14.6.2

14 E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien

Learning in Process

Gerade das betriebliche Lernen bietet ein in vielen derzeitigen betrieblichen Bildungsansätzen unterschätztes pädagogisches Potential: die Unmittelbarkeit des Anwendungskontextes. Ansätze zum situierten Lernen (Lave & Wenger, 1991) betonen die Bedeutung der Authentizität der Lernsituation und fordern, diese im Rahmen der schulischen und universitären Ausbildung gezielt zu schaffen; beim Lernen in Unternehmen ist dieser Kontext in natürlicher Weise gegeben, sofern man die Lernprozesse in die Arbeitsprozesse zu integrieren versteht. Hier kann dann ein Grundproblem des Seminarlernens angegangen werden: Seminare führen oft zu einem hohen Anteil an trägem Wissen, das zwar reproduziert, aber nicht angewandt werden kann, da in der Seminarsituation der Anwendungsbezug fehlt. Das aufkommende Paradigma „Lernen bei Bedarf“ erscheint hier viel geeigneter, die Herausforderungen einer Individualisierung der (lebenslangen) Bildungspfade, wie sie sich durch erhöhte Fluktuation und Dynamik der Anforderungen ergeben, zu meistern. Allerdings bedeutet „Lernen bei Bedarf“ auch einen grundsätzlichen Wandel der Systemrolle; fort von einer reaktiven, verwaltenden Rolle als Lernmanagementsystem oder Lernportal hin zu einer proaktiven, unterstützenden Rolle eines in den Arbeitskontext eingebetteten Assistenten, was sich über klassische Grenzen von E-Learning, Wissensmanagement und Performance-Support hinwegsetzt (Braun & Schmidt, 2006). Grundlage hierfür ist ein Paradigma der Lernunterstützung, das sich bewusst zwischen den Extremen Kurssteuerung und Selbststeuerung positioniert, indem davon ausgegangen wird, dass die Entscheidungsgewalt über das Einleiten und Verfolgen von Lernaktivitäten beim Lernenden liegt, der aber in seiner Entscheidung durch Angebote des Systems unterstützt wird. Die hierzu entwickelte Methode wird als „kontextgesteuertes Lernen“ bezeichnet, da der Kontext das zentrale Element ist, das Lernziele und mögliche Inhalte, Zeitpunkte und Interventionen definiert. Die Grundidee des kontextgesteuerten Lernens (vgl. Abbildung 14.3) ist es, dass der Mitarbeiter seinem Alltagsgeschäft nachgeht, ohne dass er sich ausdrücklich weiterqualifizieren möchte. Das System verfolgt die Aktionen des Benutzers. Auf der Basis von Veränderungen und der identifizierten Wissenslücke kann das System dem Lernenden signalisieren, dass bestimmte Lernmöglichkeiten existieren. Dies geschieht beispielsweise durch periphere Anzeigetechniken oder durch integrierte Hinweise in der Benutzerschnittstelle seiner Anwendungen. Der Benutzer kann entscheiden, ob er eine der Empfehlungen annimmt und mit dem Lernen beginnen will oder die Empfehlung auf später verschiebt bzw. ganz ignoriert. Die empfohlenen Lernressourcen können sowohl klassische Lernobjekte bzw. -programme, aber auch Kommunikationspartner bzw. Interaktionsmöglichkeiten sein.

Andreas Schmidt

Abb. 14.3

201

Modell für das kontextgesteuerte Lernen (Braun & Schmidt, 2006)

Für das kontextgesteuerte Lernen wurde im Rahmen des von der EU geförderten Projektes Learning in Process eine technische Infrastruktur geschaffen, die dieses neue Portalverständnis umsetzt. Dazu wurde ein traditionelles Lernmanagementsystem folgendermaßen erweitert: Über eine Kompetenzontologie und ein Organisationsmodell wurden Lerninhalte und Aspekte der Arbeitssituation (wie Prozessschritte, Rollen, Aufgaben) zueinander in Beziehung gesetzt, so dass man automatisiert situationsbewusste Empfehlungen generieren kann. Als Benutzerschnittstelle wurde mit unterschiedlichen Varianten experimentiert: die Einbettung in eine Intranet-Umgebung als Portlet mit existierenden Lernmöglichkeiten, die spielerische Darstellung über das Microsoft-Agenten-Framework (analog zur den Assistenten wie „Karl Klammer“ in Microsoft Office) sowie als Tray-Anwendung, die sich in den Benachrichtungsbereich des Desktops zurückzieht (unter Windows üblicherweise am rechten unteren Bildschirmrand) und bei Bedarf eine Sidebar einblendet, in der Lerngelegenheiten angezeigt werden (vgl. Abbildung 14.4).

202

Abb. 14.4

14.6.3

14 E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien

Lernassistent als Sidebar

SOBOLEO

Die Entwicklung von Ontologien ist die Achillesferse von semantischen Technologien: ohne sie funktionieren die Verfahren nicht, weil sie keinen Angriffspunkt in der Domäne des Benutzers haben. Andererseits scheuen Benutzer oft den Aufwand der Modellierung. Es wurde bereits skizziert, dass dieses Dilemma nur dadurch zu lösen ist, dass wir die ohnehin stattfindenden Abstimmungsprozesse von Vokabularen und Konzepten in sozialen Prozessen (die durch die Folksonomies zugänglich geworden sind) ausnutzen und hier Übergänge schaffen in die Welt der formalen, maschinenverarbeitbaren Ontologien. Diese Übergänge können nur kollaborativ entstehen; dadurch wird der Modellierungsaufwand verteilt und die Validität der Modellierung der sozialen Kontrolle unterworfen. Um hierzu einen möglichst breiten Kreis an Beitragenden zu gewinnen, müssen die Werkzeuge so einfach wie möglich sein. Hierzu wurde am FZI ein Werkzeug auf der Basis des Google Web Toolkits entwickelt, das eine browserbasierte kollaborative Entwicklung von leichtgewichtigen Ontologien ermöglicht: SOBOLEO (social bookmarking and lightweight editing of ontologies), kann durch eine Kopplung an ein Social-Bookmarking-System direkt auf Folksono-

Andreas Schmidt

203

mies zurückgreifen, die in SOBOLEO zu Ontologien konsolidiert werden können (vgl. Abbildung 14.5). Es besteht auch die Möglichkeit zur synchronen Kollaboration: über ein Chat-Fenster können Aktionen erläutert und diskutiert werden.

Abb. 14.5

Der Ontologieeditor von SOBOLEO (Braun et al., 2007)

Entsprechende Werkzeuge sollten zukünftig von Portalen angeboten werden, um so community-spezifische Vokabulare zu pflegen. Sie bilden die Grundlage für intelligente Verfahren zur Vernetzung von Inhalten und Personen innerhalb von Communities.

14.7

Fazit

Mit der Wandlung des Webs müssen sich auch Portale wandeln, um auch in Zukunft den von den Benutzern erwarteten Mehrwert zu liefern. Ihre Rolle wird dabei komplexer: Sie müssen ihr Selbstverständnis verändern: Vom Anbieten von Inhalten hin zur Moderation von Kollaborations- und Austauschprozessen, die sie zu Reifungsprozessen bündeln und formen können. Auch die dem Portalbegriff zugrunde liegende Metapher vom „zentralen Eingangstor“ muss in Zukunft differenzierter betrachtet werden, da sich Portale viel stärker in den Nutzungskon-

204

14 E-Learning 2.0 und die Potentiale semantischer Technologien

text integrieren und sich für die Verwendung ihrer Inhalte und Dienstleistungen innerhalb anderer, spezialisierter Dienste öffnen müssen. Dies bietet die Chance einer Spezialisierung, ohne dass damit eine notwendige Fragmentierung der Portalwelt (mit all ihren Nachteilen für die Nutzer) einhergehen muss. Portaltechnologie muss, um diese veränderte Rolle zu unterstützen, sich aktueller semantischer Technologien bedienen, die es ermöglichen, stärker auf die bereitgestellten Inhalte (um z.B. Beziehungen zu entdecken) oder den Nutzungskontext einzugehen. Damit letzteres gelingt, müssen sie sich auch der Thematik der Entwicklung von Fachvokabularen stellen. An dieser Stelle kann wiederum auf die kollaborativen Prozesse der Portalnutzer zurückgegriffen werden.

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Andreas Schmidt

205

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15

Standards für E-Learning Portale Jan Pawlowski Universität Duisburg-Essen

15.1

Einleitung

E-Learning Standards ermöglichen die Wiederverwendung von Lernszenarien und -materialien in unterschiedlichen Kontexten, auf unterschiedlichen Plattformen, für verschiedene Nutzer. Doch sind Standards im Zeitalter der Blogs und Wikis noch notwendig? Schränken Standards die Kreativität der Nutzer ein? Oder werden Standards noch in stärkerem Maße notwendig, um Portale benutzerfreundlich und zielgruppenorientiert gestalten zu können? Dieser Artikel gibt einen Überblick über verfügbare Standards und gibt Empfehlungen zum Einsatz in Portalen. Der Artikel schließt mit einer Beispielanwendung und einer Portalarchitektur, um die Potenziale aufzuzeigen. Standards im E-Learning verfolgen das Ziel der Interoperabilität, d.h., es werden Formate bereitgestellt, die Inhalte, didaktische Szenarien oder auch Akteure beschreiben. Durch eine einheitliche Sprache zur Beschreibung wird es ermöglicht, dass Lerninhalte zwischen verschiedenen Systemen transferiert werden können oder Nutzerprofile in verschiedenen Umgebungen verfügbar sind. Standards im Sinne von Beschreibungsformaten beschränken weder Kreativität noch Flexibilität, da sie nicht die Inhalte oder didaktischen Konzeptionen (präskriptiv) vorgeben, sondern diese nur (deskriptiv) beschreiben – dieses Missverständnis ist eines der Haupthemmnisse zur Nutzung von Standards. Trotzdem schrecken viele Nutzer noch vor dem Einsatz von Standards zurück: Mangelnde technische Kenntnisse, allgemeine Ablehnung von Standards, der Mehraufwand durch zusätzliche Beschreibungen oder die gezielte Entwicklung von proprietären Systemen sind nur einige der Gründe dafür. Dem stehen die Nutzeffekte von Standards gegenüber: Mit interoperablen Inhalten und Szenarien lässt sich für Produzenten eine größere Kundengruppe erreichen, das Suchen und Auffinden von Materialien wird stark vereinfacht. Hier sind Tools, die Standards in den Entwicklungs- und Nutzungsprozess integrieren, eine wichtige Voraussetzung. Doch wie verändern sich die Entwicklungsprozesse von E-Learning Modulen durch Technologien wie Blogs oder Wikis? Bildungsportale der Zukunft werden nicht nur von Anbietern

208

15 Standards für E-Learning Portale

vorgefertigte Lernmodule enthalten. Vielmehr muss ein Portal allen Nutzern, Lehrenden wie Lernenden, die Möglichkeit bieten, Lernmodule zu suchen und zu nutzen, neue Inhalte einzustellen, zu erweitern oder zu modifizieren. Weiterhin werden durch neue Technologien und Szenarien auch neue Fragestellungen aufgeworfen: Wie lässt sich etwa die Qualität von modifizierten und neu eingestellten Lernszenarien überprüfen? Wie können Lerninhalte gefunden werden, die von einem Lernenden mit einer bestimmten Problemstellung und Präferenzen benötigt werden? Im Folgenden werden nun Gestaltungshinweise für Bildungsportale der nächsten Generation gegeben. Es wird untersucht, welche Standards nötig bzw. sinnvoll sind und wie diese bei der Entwicklung berücksichtigt werden sollten.

15.2

Bildungsportale: Funktionen und Eigenschaften

Entwicklungs- und Nutzungsprozesse werden sich in der Zukunft stark verändern: Entwicklungsprozesse von Lernumgebungen werden nicht mehr ausschließlich durch E-LearningEntwickler erfolgen, sondern werden partizipativ und ko-produktiv, d.h., im Zusammenwirken von Entwicklern, Lehrenden und Lernenden erfolgen. In heutigen Entwicklungsprozessen werden Lernende häufig nicht eingebunden, gleichzeitig sind Materialen meist statisch. Sie können nicht auf neue Kontexte, Anwendungsszenarien oder neue Nutzergruppen angepasst werden. Dies drückt sich auch durch eine klare Trennung der unterschiedlicher Systemklassen bzw. Tools im Bereich des E-Learning aus. •

Entwicklungssysteme werden genutzt, um Lernumgebungen und Lernszenarien zu entwerfen. Zu dieser Systemklasse gehören spezifische Autorensysteme oder auch Werkzeuge zur Erstellung von Komponenten von Lernumgebungen (etwas zur Bild- oder Videobearbeitung).



Management- und Administrationssysteme übernehmen die Steuerung von Lernprozessen. Lernmanagementsysteme übernehmen zum Teil Funktionen der Benutzerverwaltung, der Ablaufsteuerung von Lernprozessen, aber auch Tracking- und Reporting-Funktionalitäten.



Lernsysteme bezeichnen die konkreten Lernmodule, die von Lernenden bearbeitet werden. Die Module werden meist über ein Lernmanagementsystem gesteuert bzw. angestoßen.

Abbildung 15.1 gibt einen Überblick über die Architektur und Systemklassen. Aktuell sind diese Systemklassen meist getrennt, es werden also unterschiedliche Systeme für Authoring, Management und den Lernprozess selbst verwendet. Dieses geht auch mit einer klassischen Rollentrennung einher: Content Provider erstellen E-Learning Materialien, Lehrende verwenden bzw. Lernende nutzen diese („auf Vorrat“) produzierten Materialien. Entwicklung-, Lehr- und Lernprozesse und die Beteiligung an diesen Prozessen scheinen also voneinander weiterhin getrennt zu sein, auch wenn viele Konzepte der Kooperation bereits erfolgreich getestet wurden (vgl. Treichel, 2004).

Jan Pawlowski

Abb. 15.1

209

Systemklassen und Werkzeuge

Die Aufhebung dieser Trennung kann nun durch eine stärkere Nutzung von Werkzeugen wie Blogs und Wikis aufgehoben werden, da diese Tools per se kooperativ ausgelegt sind. Materialien sind also nicht weiter statisch, sondern können in einem kooperativen Prozess weiter ausgestaltet, kommentiert, verändert und re-kontextualisiert werden. Zentrale Annahme dieses Artikels ist es, dass in Zukunft Portale der zentrale Zugangspunkt für die Entwicklung und Nutzung von Lernumgebungen sein werden und im Unterschied zu den meisten aktuellen Lernplattformen Tools und Werkzeuge zur kooperativen Erstellung und Nutzung einbinden. Ein solches Portal muss dann verschiedene Funktionalitäten bereitstellen. Einen Überblick über diese Services gibt das E-Learning Framework (E-Framework Initiative, 2007). Es zeigt, welche generischen Funktionalitäten (allgemeine Funktionalitäten, lernspezifische Funktionalitäten, Zugänge für Nutzer) Lernportale enthalten sollten (Abbildung 15.2).

210

Abb. 15.2

15 Standards für E-Learning Portale

E-Learning Framework (E-Framework Initiative, 2007)

Folgende Charakteristika und Eigenschaften fassen Bildungsportale der nächsten Generation zusammen: •

Single Access Point: Alle Aktivitäten von der Entwicklung über Nutzung bis zum Vertrieb werden über Portale zugegriffen und gesteuert.



Dynamik: Die Inhalte in Portalen sind nicht statisch, sondern werden von verschiedenen Nutzergruppen stetig erweitert und verbessert.



Werkzeugbereitstellung: Es stehen für alle Prozesse Werkzeuge bereit, wie etwa zur Bearbeitung, Verbesserung und Nutzung von Lernumgebungen.



Community: Es stehen Funktionen zur Verfügung, um Kooperation und Kommunikation zu unterstützen.



Vernetzung: Portale können nicht alle Informationen und Services alleine bereitstellen. Sie vernetzen vielmehr verschiedenste Angebote und Services. So werden Portale zum Beispiele den Zugriff auf unterschiedlichste Repositories (wie etwa EducaNext1, Ariadne2, Gateway to Educational Material3, Merlot4 oder die JISC Collections5) mithilfe einer föderierten Suche (Ternier, Olmedilla, Duval, 2005) oder die Verknüpfung von Informationsangeboten etwas wie RSS Feeds (RSS Advisory Board, 2006) ermöglichen.



Qualitätssicherung: Es werden Dienste bereitgestellt, um die Qualität neuer oder modifizierter Angebote sicherzustellen.

1.

http://www.educanext.org

2.

http://www.ariadne-eu.org

3.

http://www.thegateway.org

4.

http://www.merlot.org

5.

http://www.jisc.ac.uk/index.cfm?name=coll

Jan Pawlowski

211

Durch diese Funktionen und Eigenschaften werden Portale die strikte Trennung von Systemklassen und die klassische Rollenverteilung aufheben, so dass partizipative, ko-produktive Entwicklungs- und Nutzungsprozesse ermöglicht werden.

15.3

Standards für Bildungsportale

Sind Standards tatsächlich sinnvoll, um Bildungsportale zu realisieren? Um diese Frage zu klären, wird zunächst ein kurzer Überblick über die unterschiedlichen Arten von Standards gegeben und diese auf ihre Eignung hin untersucht. Generell lassen sich drei Ebenen unterscheiden (siehe Abb. 15.3): •

E-Learning Standards sichern die Interoperabilität von Lernszenarien und -inhalten. Darunter fallen inhaltliche, didaktische, aber auch Management- und Nutzeraspekte.



Qualitätsstandards sind übergeordnete Standards, die die Qualität von Organisationen, Produkten oder Services sicherstellen. Dazu gehören generische Ansätze wie ISO 9000:2000 (International Organisation for Standardization, 2000) oder EFQM (European Foundation for Quality Management, 2003), aber auch spezifische Ansätze für Aus- und Weiterbildung wie etwa ISO/IEC 19796:1 (ISO/IEC, 2005).



Korrespondierende Standards sind Standards, deren Nutzung im E-Learning sinnvoll ist, die jedoch nicht direkt mit der Zielsetzung entwickelt wurden, E-Learning zu unterstützen. Dazu gehören (Basis-) Technolgie-Standards für die technische Umsetzung, Prozessstandards für die Integration mit anderen Anwendungssystemen oder rechtliche Standards.

Abb. 15.3

Klassifikation von Standards

212

15 Standards für E-Learning Portale

Es stellt sich die Frage, welche Standards tatsächlich sinnvoll nutzbar sind und wie diese in der Praxis umgesetzt werden können. Der Artikel fokussiert dabei die Analyse von Standards hinsichtlich der Förderung der Interoperabilität, insbesondere zur Wiederverwendung von Lernszenarien und zur Ermöglichung kollaborativer Entwicklungsprozesse. Diese sind das wichtigste Anwendungsgebiet von Standards: Produzieren E-Learning-Entwickler nur für einen spezifischen Kunden, so ist die Beschreibung von Inhalten oder Aktivitäten durch Metadaten nicht zwingend notwendig. Sobald diese aber wiederverwendet werden (für andere Kontexte, durch andere Nutzer), so ergeben sich Synergieeffekte. Der vermeintliche Mehraufwand für Beschreibungen wird dann durch Einsparungen oder zusätzliche Erlöse kompensiert. Für einen Überblick über Einführungsprozesse und die wirtschaftliche Nutzung sei auf Fallon & Brown (2002) und Montadon (2006) verwiesen. In der Darstellung beschränke ich mich auf vier maßgebliche Standards, deren Nutzung unbedingt empfohlen werden kann, da sie bereits einen erheblichen Verbreitungsgrad erreicht haben und die maßgeblichen Aspekte von E-Learning abdecken.

15.3.1

Learning Object Metadata (LOM)

Der am weitesten verbreitete Standard ist der Learning Object Metadata (LOM) Standard des IEEE Learning Technology Standards Committee (2002). Dieser Standard ermöglicht eine einheitliche, aber dennoch anpassbare und erweiterbare Beschreibung von Lernressourcen. Die Offenheit dieses Standards bedeutet, dass einige Elemente der Beschreibung individuell (von Organisationen, Branchen, Regionen) angepasst werden müssen, um eine sinnvolle Verwendung sicherzustellen. LOM besteht aus neun Beschreibungskategorien: Allgemeine Beschreibungsdaten, Lebenszyklus-Daten, Meta-Metadaten, Technische Eigenschaften, Pädagogische Eigenschaften, Rechte, Beziehungen zu anderen Ressourcen, Erläuterungen und einer Einordnung in eine Klassifikation. Mithilfe dieser Daten können Lernressourcen aller Art beschrieben werden. Wichtiger ist jedoch das Auffinden: Wenn in einem Bildungsportal eine Vielzahl von Lernobjekten in Datenbanken bzw. Zugriff auf unterschiedlichste Repositories möglich ist, dann ist es notwendig, diese effizient durchsuchen zu können. Um Lernobjekte aufzufinden, die für den eigenen Kontext sinnvoll sind, sollte man daher auf einheitliche Beschreibungen zurückgreifen können. LOM sollte genutzt werden, um Lernressourcen zu beschreiben. Um den Mehraufwand für die Beschreibung zu reduzieren, sollten Werkzeuge (Tools zur Eingabe von Schlagworten oder zur automatischen Generierung von Metadaten, vgl. Cardinaels, Meire & Duval, 2007) bereitstehen, um diese Eingabe möglichst einfach und schon während der Konzeption und Entwicklung der Ressourcen zu ermöglichen. Ebenso ist es bei der Veränderung oder Modifizierung von Lernressourcen notwendig, bereits bestehende Metadaten zu aktualisieren, etwa wenn eine neue Version für eine neue Zielgruppe oder einen neuen Kontext entwickelt wird.

Jan Pawlowski

15.3.2

213

Learning Design (LD)

Zielsetzung didaktischer Standards ist die Beschreibung von didaktischen Konzepten und Methoden, um diese austauschbar und wiederverwendbar zu machen. Derzeit werden meist nur Inhalte ausgetauscht – die entsprechenden didaktischen Konzepte sind weder in LOM adäquat beschrieben, noch können zwischen verschiedenen Systemen wiederverwendet werden. Die Spezifikation Learning Design (Koper, Olivier & Anderson, 2002) des IMS Global Learning Consortium (IMS) ist ein Beschreibungsformat, das es ermöglicht, didaktische Konzepte und den Kontext des Einsatzes zu beschreiben, auszutauschen und in anderen Kontexten zu nutzen. Die Learning Design-Spezifikation umfasst folgende maßgebliche Kategorien: •

Activities beschreiben Handlungen innerhalb eines Lernprozesses. Es werden Lernaktivitäten und Support-Aktivitäten unterschieden. Aktivitäten können zu einer Activity Structure aggregiert werden.



Die Ablaufsteuerung erfolgt über so genannte Methods. Innerhalb der Method werden durch die Abfrage von Conditions individuelle Abläufe erzeugt.



Die Anpassung an den Nutzer erfolgt über das Konzept der Roles (z.B. Learner, Staff). Durch unterschiedliche Attribute (Properties) können individuelle Szenarien oder Lernpfade generiert werden.



In den Aktivitäten stehen Ressourcen (Environment) zur Verfügung. Unter Ressourcen werden sowohl Learning Objects als auch Services verstanden (z.B. Mail, Conference, Search, Monitoring)

Die Spezifikation zielt auf ein neues Entwicklungsparadigma ab. Zurzeit liegt ein starker Fokus auf der Entwicklung von Inhalten und Materialien; diese werden erst später in ein didaktisches Konzept eingepasst. Die Spezifikation IMS LD legt eine gleichberechtigte Planung von didaktischen Konzepten und inhaltlichen Aspekten nahe. Diese Vorgehensweise entspricht also eher den Planungskonzepten und Vorstellungen didaktischer Designer oder auch Lehrer. Die Nutzung von IMS LD sollte darauf hinauslaufen, dass Entwickler, Lehrer oder didaktische Designer ihre Lernszenarien oder -pläne untereinander (in einer gemeinsamen Sprache) austauschen, verbessern und wiederverwenden und somit ein dynamisches Netzwerk bilden. Zur besseren Einordnung und zur Untersuchung der Eignung greift man z.B. auf Klassifikationen bzw. Typisierungen zurück wie etwa didaktische Ontologien (Swertz, 2005). Auch wenn IMS Learning Design derzeit eine geringere Verbreitung hat als LOM, ist eine Nutzung schon jetzt zu empfehlen, um didaktische Konzepte (wie z.B. in Form von Lehrplänen) austauschen und diskutieren zu können. Aktuell wird in verschiedenen europäischen Projekten der breite Einsatz gefördert (etwa durch Schulungen und Werkzeugentwicklungen. Einige Initiativen stellen bereits komfortable Tools bereit (z.B. beim UNFOLD Projekt6), die

6.

http://www.unfold-project.net/

214

15 Standards für E-Learning Portale

die Nutzung sehr einfach machen. Dies deutet darauf hin, dass IMS Learning Design sich als Standard etablieren wird.

15.3.3

Sharable Content Object Reference Model (SCORM)

Die Zielsetzung von SCORM (Dodds, 2001), entwickelt von der Advanced Distributed Learning Initiative (ADL), ist es, Spezifikationen zur Interoperabilität webbasierter Lernmanagementsysteme zur Verfügung zu stellen, die system- und plattformunabhängig Lerneinheiten verwenden und verarbeiten können. Dabei sollen Lerneinheiten unabhängig vom Autorenbzw. Lernmanagementsystem eingesetzt und ausgetauscht werden können. SCORM besteht aus zwei Teilen: •

Das Content Aggregation Model (Inhaltsaggregationsmodell) ist eine Repräsentationsform zur Kombination und Zusammenstellung von Lernsequenzen aus einzelnen Lernobjekten. So wird die Möglichkeit geschaffen, einzelne Lerneinheiten in (organisationsübergreifenden) Repositories abzulegen und daraus neue Inhalte und Module zusammenzustellen.



Die Run-Time Environment (Laufzeitumgebung) stellt eine Schnittstelle zwischen Lernmanagementsystem und einzelnen Lerneinheiten zur Verfügung. Dabei können Lernobjekte unabhängig vom LMS genutzt werden.

Kurse, Module und Lernobjekte werden daher so gestaltet, dass sie in verschiedensten Plattformen genutzt und integriert werden können, ohne technische Anpassungen vornehmen zu müssen. Auch wenn SCORM noch maßgebliche Schwächen (wie z.B. die fehlende Integration didaktischer Konzepte) hat, kann die Nutzung in Portalen empfohlen werden, um den Import und Export von Lernumgebungen zu vereinfachen. Es liegt nahe, dass SCORM die genannte Schwäche durch eine Integration von IMS Learning Design ausgleicht. Die Austauschbarkeit und Integrationsfähigkeit von Lernszenarien in beliebige Plattformen ist eine wichtige Voraussetzung: für den Kunden, um Lernobjekte langfristig nutzen zu können, für den Anbieter, um größere Kundengruppen zu erreichen.

15.3.4

Learner Information Package (LIP)

Zielsetzung des Standards Learner Information Package (LIP) des IMS Konsortiums ist die Erfassung und konsistente Nutzung von Daten über Lernende und Lernprozesse – dies kann die Anpassung von Lernumgebungen oder die Auswahl von zur Verfügung zu stellenden Diensten (z.B. auf Basis von Vorwissen, Lernstilen, Lernpräferenzen) vereinfachen, andererseits aber auch administrative Prozesse (Anmeldung zu Klausuren, Einreichung von Bewerbungsprofilen, Anlegen von Personalstammdaten) beschleunigen (Smythe, Tansey, Robson, 2001). Die Kategorien von LIP sind: „Identification”, „Goal”, „Qualifications”, „Certifications”, and „Licenses”, „Activity”, „Transcript”, „Competency”, „Affiliation”, „Accessibility”, „Security Key”, „Relationship”, „Content Type”. Zur Personalisierung und zur Anpassung an z.B. Vorwissen und Präferenzen ist die Nutzung eines Standards unerlässlich – zu hoch ist der Aufwand, Lernerdaten immer wieder in Sys-

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215

teme einzugeben und verschiedenen Institutionen mitzuteilen. LIP ist ein erster Schritt in diese Richtung. Erste Erfahrungen in Großbritannien lassen auf eine erfolgreiche Nutzung schließen, so dass schon heute der Einsatz dieser Standards empfohlen werden kann. Besonders die Integration dieser Profile mit anderen sinnvollen europäischen Initiativen ist Erfolg versprechend: So enthält Europass (European Union, 2004) bereits einen europäischen Lebenslauf oder standardisierte Zeugnisse7, die Bewerbungen und Schulungsvorbereitungen wesentlich vereinfachen. Noch detailliertere Profile liefert die Initiative E-Portfolio (Smythe, Cambridge, McKell, 2005), die darauf abzielt, dass Lernende all ihre Daten, Aktivitäten, erreichte wie geplante Qualifikationen und Kompetenzen, ob in formellen oder informellen Szenarien erzielt, einheitlich beschreiben und Interessierten mitteilen können. Durch diese europäischen Initiativen wird eine Grundvoraussetzung für Lebenslange Lernprozesse geschaffen.

15.3.5

Qualitätssicherung

Ein maßgeblicher Aspekt ist die Sicherstellung der Qualität von Inhalten. Dabei stellt sich die Frage, wie eine kontinuierliche Qualitätssicherung bei ständig veränderten Lernmodulen und einer großen Zahl an neuen Inhalten sichergestellt werden kann. Generell lassen sich zwei grundlegende Vorgehensweisen unterscheiden: Externe Qualitätssicherung bedeutet, dass Bildungsangebote oder -organisationen bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen. Marktorientierte Qualitätssicherung umfasst keine vorgegebenen Kriterien, sondern geht davon aus, dass der Markt bzw. eine Nutzergruppe durch ihr Kauf- oder Nutzungsverhalten gute Produkte fördert, während Produkte niedriger Qualität nach einem bestimmten Zeitraum im Markt nicht mehr konkurrenzfähig sind. In dem beschriebenen Szenario sollten verschiedene Qualitätssicherungsmechanismen eingesetzt werden. •

Zertifizierung von Organisationen oder Produkten: Vor der Bereitstellung von Bildungsangeboten in Portalen sollte eine Bildungsorganisation prüfen, ob sie einen prozess- oder produktorientierten Ansatz des Qualitätsmanagements einführt. In Portalen bedeutet das, dass eine Organisation Vertrauen in der Zielgruppe aufbauen kann. Es empfiehlt sich, einen bildungsspezifischen Ansatz zu verwenden, wie etwa das Qualitätssiegel E-Learning (Pawlowski, 2006).



Information: Innerhalb des Portals sollten valide Informationen über die Angebote vorliegen, um Nutzern eine gute Entscheidungsgrundlage zu bieten. So können Nutzer besser entscheiden, welche Angebote für sie geeignet sind. Eine sinnvolle Spezifikation zur Beschreibung von Angeboten findet sich in DIN (2006).



Interne Qualitätssicherung: Neue oder veränderte Angebote können nicht dauerhaft überprüft werden. Dennoch sollten Verfahren eingeführt werden, die Rückschlüsse auf die Qualität ermöglichen, etwa die Bewertung anderer Nutzer oder das Nutzungsverhalten.

7.

http://europass.cedefop.eu.int/

216

15 Standards für E-Learning Portale

Duval (2006) schlägt einen Ansatz vor, aufgrund des Nutzungsverhaltens Empfehlungen auszusprechen und personalisierte Rankings bereitzustellen.

Abb. 15.4

Qualitätssicherung im Lebenszyklus von Bildungsangeboten

Durch die Kombination dieser Verfahren innerhalb des Lebenszyklus von Bildungsangeboten kann sichergestellt werden, dass ein möglichst hoher Anteil von Lernangeboten eine hohe Qualität erfüllt und Rückschlüsse über die Qualität von Materialien und Organisationen gezogen werden können.

15.4

Zusammenfassung und Ausblick

Standards helfen Entwicklern und Nutzern durch einheitliche, erweiterbare und anpassbare Beschreibungsformate. Sie schränken Entwickler und Nutzer nicht ein, sondern ermöglichen es, Beschreibungen in einer gemeinsamen Sprache auszudrücken. Die Beschreibung von Lernobjekten, Lernern und didaktischen Szenarien ist durch LOM, Learning Design und LIP bereits weit fortgeschritten. Ebenso steht mit SCORM ein sinnvolles Format für den Austausch zwischen Lernplattformen zur Verfügung. Natürlich gibt es noch nicht für alle Aspekte des E-Learning einsatzfähige Standards. So sind zum Beispiel Kontexte und Lernsituationen noch nicht hinreichend beschrieben. Dies ist wichtig, um Lernsituationen zu vergleichen, Inhalte anzupassen und abschätzen zu können, ob Szenarien zwischen verschiedenen Kontexten transferiert werden können. Zusätzlich werden zurzeit Standards im Bereich Qualität, Mobile Learning oder Barrierefreiheit entwickelt (vgl. Pawlowski, 2005). Es ist aber abzuse-

Jan Pawlowski

217

hen, dass in den nächsten Jahren Standards und insbesondere Tools entstehen, die die Entwicklungsprozesse vereinfachen und kooperative, dynamische Entwicklung und Nutzung selbstverständlich machen. Die Nutzung von Standards erlangt gerade in Bildungsportalen eine besondere Bedeutung, da diese Portale unterschiedlichste Inhalte und Services integrieren und diese dynamisch und personalisiert aufbereiten. Um Portale wirtschaftlich und mit einer hohen Qualität zu betreiben, ist die Nutzung von Standards auf allen Ebenen notwendig: Qualitätsstandards, E-Learning Standards und korrespondierende Standards (wie etwa RSS) können gleichermaßen zum Einsatz empfohlen werden.

Literaturverzeichnis Bick, M., Pawlowski, J.M. (2006): Interface standards: Integration of learning and business information systems. In: Ehlers, U.D., Pawlowski, J.M. (Eds.) (2006): European Handbook of Quality and Standardisation in E-Learning. Springer, Berlin Heidelberg. Cardinaels, K., Meire, M., Duval, E. (2005): Automating metadata generation: the simple indexing interface. In: Proceedings of the 14th international Conference on World Wide Web, Chiba, Japan, May 2005, WWW '05. ACM Press, New York, NY, 548-556. Dodds, P.(Hrsg.) (2001): Advanced Distributed Learning Initiative – Sharable Content Object Reference Model – The SCORM Overview, Version 1.2. http://www.adlnet.org/library/ documents/scorm/specifications/ SCORM_1.2_Overview.pdf Duval, E. (2006): LearnRank: Towards a real quality measure for learning, In: Ehlers, U.D., Pawlowski, J.M. (Eds.) (2006): European Handbook of Quality and Standardisation in ELearning. Springer, Berlin Heidelberg. E-Framework Initiative (2007): The E-Learning Framework, http://www.elframework.org/framework/ Ehlers, U.D., Hildebrandt, B., Görtz, L., Pawlowski, J.M. (2005): Use and Distribution of Quality Approaches in European E-Learning, CEDEFOP, http://www2.trainingvillage.gr/ etv/publication/download/panorama/5162_en.pdf European Foundation for Quality Management (2003): EFQM Excellence Model; Brussels: European Foundation for Quality Management. European Union (2004): Decision No 2241/2004/EC of the European Parliament and of the Council on a single Community framework for the transparency of qualifications and competences (Europass), December 2004, Official Journal of the European Union. IEEE Learning Technology Standards Committee (2002): Learning Object Metadata Standard, IEEE 1484.12.1-2002. International Organisation for Standardization (2000): ISO 9000:2000 = DIN EN ISO 9000:2000-12: Quality management systems. Fundamentals and vocabulary/ DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (ed.); Berlin: Beuth, 2000.

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15 Standards für E-Learning Portale

ISO/IEC (2005): ISO/IEC 19796-1:2005. Information Technology – Learning, Education, and Training – Quality Management, Assurance and Metrics – Part 1 : General Approach. Koper, R., Olivier, B., Anderson, T. (2002): IMS Learning Design Information Model, Version 1.0, http://www.imsglobal.org/learningdesign/ldv1p0pd/imsld_infov1p0pd.html. Montandon, C. (2006): Adoption von Standardisierung im e-Learning – Eine Umfrage bei e-Learning-Projekten an Hochschulen im deutschen Sprachraum, Arbeitsbericht Nr. 180, Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern, http://www.ie.iwi.unibe.ch/publikationen/berichte/resource/WP-180.pdf Pawlowski, J.M. (2005): Quality Initiative E-Learning in Germany: The Future of Learning Technology Standardization. In: Proc. of Second joint workshop on Cognition and Learning through Media-Communication for Advanced e-Learning 2005, Tokio. Pawlowski, J.M. (2006): Das Qualitätssiegel E-Learning (QSEL): Qualitätsentwicklung für Organisationen und Produkte in Aus- und Weiterbildung, HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, 252, 2006. RSS Advisory Board (2006): RSS 2.0 Specification, Version 2.0.8, http://www.rssboard.org/ rss-specification, 20.08.2006. Smythe, C., Cambridge, D., McKell, M. (2005): IMS ePortfolio Information Model, http:// www.imsglobal.org/ep/epv1p0/imsep_infov1p0.html. Smythe, C., Tansey, F., Robson, R. (2001): IMS Learner Information Package, Information Model Specification, Version 1.0. http://www.imsproject.org/profiles/lipinfo01.html. Swertz, Christian (2005): Web-Didaktik. Eine didaktische Ontologie in der Praxis. In: Medienpädagogik (2) 4 Ternier, S., Olmedilla, D., Duval, E. (2005): Peer-to-Peer versus Federated Search: towards more Interoperable Learning Object Repositories. In: Proceedings of World Conference on Educational Multimedia, Hypermedia and Telecommunications 2005 (pp. 1421-1428). Chesapeake, VA: AACE. Treichel, D: (2004): Kollaboratives Lehren, Lernen und Handeln im Blended Learning. In: Mayer, H., Treichel, D. (Hrsg.): Handlungsorientiertes Lernen und e-Learning. Grundlagen und Praxisbeispiele. München, Wien, 197-218.

16

Potenziale von Social Software für Bildungsportale Jan Schmidt Forschungsstelle Neue Kommunikationsmedien FoNK, Universität Bamberg

16.1

Einleitung1

In den letzten Jahren sind eine Reihe von neuartigen Internet-Anwendungen entstanden, die es dem einzelnen Nutzer erleichtern, Texte, Bilder oder Videofilme online zu publizieren und mit Anderen zu teilen: Weblogs und Wikis sind die wohl prominentesten Vertreter dieser innovativen Medienformate, die unter dem Oberbegriff der „Social Software“ zusammengefasst werden. Ihre Verbreitung spielt eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem oft beschworenen Trend hin zum „Web 2.0“, worunter eine neue Entwicklungsstufe des Internet verstanden wird: Der Nutzer ist nicht mehr nur bloßer Rezipient, sondern kann selbst aktiv zu den Inhalten des Internets beitragen (vgl. O’Reilly 2005). Die Chiffre des Web 2.0 hat großen Widerhall in der öffentlichen Diskussion gefunden – exemplarisch sei hier nur die Entscheidung der TIME genannt, den „normalen Internetnutzer“ zur Person des Jahres 2006 zu küren (vgl. Grossman 2006) –, ist aber in verschiedener Hinsicht problematisch. Zum einen legt der Begriff einen „diskreten Versionssprung“ nahe, ohne auf die Kontinuitäten in der Internetnutzung Rücksicht zu nehmen. Das Internet bot aber schon immer Möglichkeiten der Partizipation, Kollaboration und der Meinungsäußerung – man denke zum Beispiel an die Newsgroups des frühen Usenet, oder an weit verbreitete Dienste wie Chats oder Diskussionsforen. Zum anderen wird er vorrangig in medienökonomischen Diskursen verwendet, weil sich mit ihm die Hoffnung verbindet, über neue Geschäftsmodelle eine kommerzielle Verwertung der Nutzeraktivitäten zu erzielen. Exemplarisch wird dies in Versuchen deutlich, unentgeltlich erstellte Inhalte als „User-Generated Content“ in die Wertschöpfung etablierter Unternehmen einzubinden bzw. die Nischenmärkte zu erschließen, die sich rund um spezialisierte Interes1.

Die hier vorgestellten Überlegungen wurden maßgeblich im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts zu „Praktiken des onlinegestützten Networking“ entwickelt. Für Anregungen zu früheren Fassungen dieses Aufsatzes danke ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops „Bildungsportale: Potenziale und Perspektiven“ sowie Thomas Binder, Barbara Kohl und Martin Wilbers.

220

16 Potenziale von Social Software für Bildungsportale

sen kristallisieren (vgl. Anderson 2006). Dies deckt aber nur einen Teil der tatsächlichen Verwendungsweisen und Interaktionsformen im Internet ab und reduziert den Nutzer auf einen Teilnehmer an Marktprozessen. Angesichts dieser Probleme wird in diesem Beitrag der Begriff Web 2.0 vermieden und stattdessen von Social Software gesprochen, um die Mechanismen und Potenziale aktueller Online-Anwendungen für Bildungsportale zu diskutieren. Wie im folgenden Abschnitt 2 dargestellt, erfüllt Social Software eine Reihe von grundlegenden Funktionen für ihre Nutzer, aus deren Handlungen Öffentlichkeiten und soziale Netzwerke entstehen. Diese Eigenschaften machen Social Software auch für den Einsatz in formalen und informellen Bildungsprozessen geeignet, wo der Austausch von Informationen und die kollaborativ-diskursive Formulierung von Wissensbeständen gefördert werden sollen. In Abschnitt 3 werden diese Einsatzmöglichkeiten skizziert, bevor Abschnitt 4 ein Fazit zieht.

16.2

Social Software – Formen und Konsequenzen

Aus kommunikationssoziologischer Perspektive bezeichnet „Social Software“ solche Internet-Anwendungen, die Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement in den (Teil-) Öffentlichkeiten sozialer und hypertextueller Netzwerke unterschiedlicher Größe unterstützen.2 Auch wenn diese Definition relativ breit ist, zieht sie doch Grenzen zu anderen Anwendungsfällen der computervermittelten Kommunikation. So ist Social Software von denjenigen Angeboten zu unterscheiden, in denen das Internet für Transaktionszwecke genutzt wird (also eine Mensch-Maschine-Interaktion vorliegt, wie sie sich in vielen Fällen des E-Commerce und des E-Government findet), oder in denen private, d.h. für Dritte nicht erreichbare interpersonale Kommunikation stattfindet (hier ist vor allem an die E-Mail zu denken). Die Besonderheit, die Social Software gegenüber diesen Nutzungsweisen auszeichnet, liegt in der öffentlichen Natur der Interaktionen, das heißt in der prinzipiellen Zugänglichkeit der entstehenden Texte für einen breiteren Personenkreis – auch wenn einige Dienste eine Zugangsbeschränkung vornehmen, beispielsweise für registrierte Mitglieder oder Angehörige einer bestimmten Organisation. Diese Öffentlichkeit entsteht, wie in der oben genannten Definition bereits angeklungen, durch zwei Arten von Verknüpfungen oder Relationen: Hypertextuelle Beziehungen beruhen auf Hyperlinks, die zwischen Texten (Weblogeinträge, Wikiseiten, Profile auf NetworkingPlattformen etc.) hergestellt werden, also die Navigation in nicht-linearen Hypertexten erlauben und Aufmerksamkeit kanalisieren (s.u. für eine nähere Diskussion der entsprechenden Mechanismen). Sie sind darüber hinaus aber auch Ausdruck beziehungsweise Anlass für sozi2.

Der Begriff „Social Software“ wird erst seit Anfang des 21.Jahrhunderts verwendet, doch Vorläufer finden sich bereits in den Mailboxen und „Bulletin Board Systems“ (BBS), die in den 1980er Jahren (und damit vor der breiten Diffusion des Internets) genutzt wurden (vgl. Allen 2004 für einen Abriss der historischen Entwicklung). In den 1990er Jahren wurden unter der Bezeichnung „Groupware“ und „Computer-Supported Collaborative Work“ (CSCW) Software-Anwendungen entwickelt, in denen viele Prinzipien des kollaborativen Bearbeitens und Teilens von Informationen implementiert waren. Diese Systeme kamen und kommen vor allem in den internen Computernetzwerken von Organisationen zum Einsatz (vgl. Schwabe/Streitz/Unland 2001).

Jan Schmidt

221

ale Beziehungen, die aus Interaktionen zwischen Personen entstehen: Das Verlinken oder Kommentieren eines Weblogeintrags drückt inhaltliches Interesse, zumindest aber ein AutorLeser-Verhältnis aus; die explizit artikulierten freundschaftlichen oder beruflichen Beziehungen auf einer Networking-Plattform machen soziale Netzwerke sicht- und navigierbar. Diese können unterschiedliche Stärke aufweisen, wobei sich die Unterscheidung von „strong vs. weak ties“ (vgl. Granovetter 1973) für eine erste Annäherung anbietet: Starke Beziehungen entstehen durch häufige und intensive Interaktionen, die durch eine gewisse persönliche Nähe gekennzeichnet sind, während schwache Beziehungen eher lockere Bekanntschaften oder Kontakte umfassen. Beide Beziehungsarten erfüllen spezifische Funktionen bzw. stellen spezifische Formen von Sozialkapital zur Verfügung (vgl. grundlegend Lin 2001): Starke Beziehungen können beispielsweise sozio-emotionale Unterstützung in persönlichen Krisenzeiten leisten, während schwache Beziehungen beispielsweise für die Verbreitung von Informationen vorteilhaft sind. Social Software unterstützt also das Pflegen und Erweitern von sozialen Beziehungen, die in Form von hypertextuellen Verknüpfungen repräsentiert werden. Aus kommunikationssoziologischer Perspektive sind sowohl hypertextuelle als auch soziale Beziehungen gleichzeitig Resultat und Voraussetzung von übergeordneten Nutzungspraktiken, worunter der regelgeleitete Einsatz bestimmter Anwendungen zur Erfüllung von kommunikativen Gratifikationen verstanden werden soll (vgl. Schmidt 2006 für eine ausführliche Diskussion von Nutzungspraktiken am Beispiel von Weblogs). Drei Gratifikationen lassen sich analytisch unterscheiden (vgl. Tabelle 2.1 für eine Übersicht): Identitätsmanagement meint das Öffentlichmachen von bestimmten Aspekten der eigenen Person (wie Interessen, Meinungen, Kontaktdaten o. ä.), während Beziehungsmanagement das Artikulieren, Pflegen oder Knüpfen von sozialen Beziehungen bezeichnet. Unter Informationsmanagement soll schließlich das Auffinden, Referenzieren und Teilen von Informationen verstanden werden, das durch Social Software unterstützt wird. Die Bezeichnung „Management“ soll dabei verdeutlichen, dass diese Prozesse auf bestimmten geteilten Routinen und Erwartungen basieren, die allerdings durchaus implizit und unreflektiert sein können. Diese Kategorisierung ist insofern analytisch, als in einzelnen Nutzungsepisoden nicht notwendigerweise nur eine der drei Funktionen zum Tragen kommt. Dies wird deutlich, wenn man die Leistungen einzelner Social-Software-Anwendungen exemplarisch näher betrachtet: •

Weblogs sind vergleichsweise niedrigschwellige Anwendungen, um Inhalte (vor allem Texte und Bilder, aber auch Audio- oder Videodateien) zu veröffentlichen und mit anderen zu diskutieren (vgl. Schmidt/Wilbers 2006 für empirische Ergebnisse für die deutschsprachige Blogosphäre). Ein Weblogeintrag, der auf eine andere Quelle verweist oder kommentiert wird, ist einerseits Teil des Identitätsmanagements des Autors, da sich die eigene Haltung zu einem Thema darin wieder finden kann. Andererseits ist er aber auch Teil des Beziehungsmanagements, weil der Hyperlink oder der Kommentar als kommunikative Referenz eine soziale Beziehung zwischen den beiden Beteiligten ausdrückt (selbst wenn es nur die zwischen Autor und Leser ist). Schließlich kann dieser Eintrag anderen Personen als Bestandteil des Informationsmanagements dienen, insoweit er Aufmerksamkeit kanalisiert und auf eine möglicherweise bisher unbekannte Quelle lenkt.

222

16 Potenziale von Social Software für Bildungsportale



Kontaktplattformen bzw. „social networking sites“ wie xing.de (früher OpenBC) oder studivz.de unterstützen in erster Linie das Beziehungsmanagement, weil sie existierende soziale Beziehungen zwischen Nutzern sichtbar machen und das Knüpfen neuer Kontakte erleichtern. Gleichzeitig erfordern sie Strategien des Identitätsmanagements, da das Ausfüllen des Profils bestimmte Entscheidungen über die Art der Selbstpräsentation (beispielsweise bei der Auswahl eines Fotos) erfordert (vgl. Renz 2007 für eine Diskussion dieser Praktiken bei xing.de). Diese kann für bestimmte Nutzergruppen angepasst werden, weil es die Plattformen üblicherweise erlauben, einzelne Informationen (z.B. Telefonnummer oder E-Mail-Adresse) nur für bestätigte Kontakte freizugeben.



Kollaborative Verschlagwortungssysteme wie del.icio.us oder mister-wong.de unterstützen das Informationsmanagement, bei dem Nutzer einzelne Quellen im Internet nach frei wählbaren Schlagworten kategorisieren können. Aus der Aggregation dieser Schlagworte oder „tags“ entstehen Ordnungssysteme bzw. „Folksonomies“, die die klassifizierten Inhalte für andere recherchierbar machen (vgl. Schmidt 2007). Dadurch beinhaltet die Nutzung auch Elemente des Beziehungsmanagements (weil identische Schlagworte Beziehungen zwischen einzelnen Texten herstellen) und des Identitätsmanagements (weil die vergebenen Schlagworte und annotierten Quellen Auskunft über die eigenen Interessen geben).



Wikis sind Anwendungen, die das gemeinsame und (in der Regel) gleichberechtigte Editieren von Textdokumenten im Internet unterstützen. Ein Wiki besteht meist aus verschiedenen Seiten, die durch Querverweise miteinander verbunden sind und dadurch ein Hypertext-Dokument bilden (vgl. Pentzold et al. 2007). Die verschiedenen Änderungen an den einzelnen Texten können durch ein System der Versionskontrolle verfolgt und gegebenenfalls ergänzt oder rückgängig gemacht werden. Das wohl bekannteste Wiki ist die Online-Enzyklopädie „Wikipedia“, doch Wikis kommen beispielsweise auch in der internen Organisationskommunikation (vgl. Warta 2007) oder zum Sammeln von Informationen über Städte und Regionen zum Einsatz.3 Anders als bei Weblogs oder Kontaktplattformen sind bei Wikis die Beiträge einzelner Nutzer nicht direkt sichtbar, wodurch Aspekte des Identitäts- und Beziehungsmanagements in den Hintergrund treten und der Fokus vor allem auf dem Informationsmanagement liegt.

3.

Vgl. zum Beispiel das „Stadtwiki Karlsruhe“ (http://ka.stadtwiki.net/Hauptseite) oder das „Regiowiki Kassel“ (http://kassellexikon.hna.de/Hauptseite), in das auch ein Mundartwörterbuch integriert ist.

Jan Schmidt

223

Prototypische Anwendungen

Funktion

Leistung

Informationsmanagement

Auffinden, Rezipieren und Ver- Blogosphäre, Wikis, kollawalten von relevanten Informati- borative Verschlagworonen tungssysteme (Tagging)

Identitätsmanagement

(selektives) Präsentieren von Persönliches Weblog, PodAspekten der eigenen Person casts, Videocasts (Interessen, Meinungen, Wissen, Kontaktdaten …)

Beziehungsmanagement

Pflege von bestehenden und Kontaktplattformen Knüpfen von neuen Kontakten

Tab. 16.1

Funktionen, Leistungen und prototypische Anwendungen von Social Software

Die individuelle Nutzung zu Zwecken des Informations-, Identitäts- und Beziehungsmanagements wird von drei strukturellen Dimensionen gerahmt, die einen Einfluss auf den Gebrauch von Social Software in konkreten Situationen haben, dadurch aber auch erst wieder hervorgebracht (d.h. stabilisiert oder verändert) werden.4 Neben den oben bereits erwähnten Relationen, also den hypertextuellen und sozialen Beziehungen, die durch Social Software aufrechterhalten oder geknüpft werden, sind dies: •

Verwendungsregeln, das heißt geteilte Konventionen, Routinen und Erwartungen für den „richtigen“ Gebrauch einer bestimmten Anwendung. Sie können explizit formuliert sein (beispielsweise in Nutzungsbedingungen eines Anbieters oder organisatorischen Richtlinien), sind aber meist nur in Form impliziter Regeln zugänglich, wie sie sich z.B. in verschiedenen Varianten einer „Netiquette“ äußern. Das Befolgen dieser Verwendungsregeln erhöht die Chance, die gesuchten kommunikativen Gratifikationen zu erreichen; ihre Nichtbeachtung kann verschiedene negative Sanktionen (vom Ignoriert werden bis hin zum Ausschluss von Angeboten) nach sich ziehen.



Code meint die Funktionalitäten und Beschränkungen der Software, die bestimmte Nutzungsweisen nahe legt und andere ausschließt. Auch wenn der Software-Code für viele Anwender eine Art „Black Box“ darstellt, mit der nur über ein Benutzerinterface interagiert wird, übt er keinen vollständig deterministischen Einfluss aus: Nutzer können sich Software auf unterschiedliche Weise aneignen und Gebrauchsweisen entwickeln, die von den Entwicklern möglicherweise nicht intendiert sind, wie die regelmäßig auftretenden Fälle von Weblog- oder Wiki-Spam zeigen. Zu dieser Unterdeterminiertheit bzw. Verwendungsoffenheit der Software tritt die Möglichkeit der Rekombination existierender Angebote, die sich im Bereich von Social Software z.B. in einer Vielzahl von „mash-ups“ zeigt.

Die verschiedenen strukturellen Dimensionen wirken dabei in der Nutzung zusammen: So ist das Identitäts- und Beziehungsmanagement auf einer studentischen Kontaktplattform zum einen durch die Vorgaben des Software-Codes geprägt, der bestimmte Angaben im Profil (wie 4.

Hierbei handelt es sich um ein grundsätzliches soziologisches Argument, das eine wechselseitige Beeinflussung bzw. Dualität von Struktur und Handeln als Kern aller sozialen Phänomene vorsieht (vgl. Giddens 1988).

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16 Potenziale von Social Software für Bildungsportale

Name, besuchte Universität oder Lieblingsfilme) nahe legt und einen Kontakt erst nach der Bestätigung durch den anderen Nutzer sichtbar macht. Zum Zweiten existieren unterschiedliche Routinen und Erwartungen hinsichtlich der Art und Weise, wie, für welche Zwecke und zu welchen Personen Kontakte geknüpft werden (vgl. Schmidt et al. 2007 für eine Analyse der studentischen Plattform pruefungsgeil.de). Schließlich bestimmt zum Dritten die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Netzwerken, die auch über den Kontext der Plattform hinausreichen können, mit welchen Personen man auf der Plattform interagiert: Das unter US-amerikanischen Studierenden weit verbreitete Angebot Facebook.com wird beispielsweise vorrangig dazu genutzt, um solche Beziehungen aufrechtzuerhalten, die durch gemeinsam besuchte Universitätsveranstaltungen oder das Wohnen im gleichen Studentenwohnheim geknüpft wurden, also bereits außerhalb des Internets bestanden (vgl. Ellison, Steinfield & Lampe 2006). Besonders deutlich wird das Zusammenspiel von Verwendungsregeln, Software-Code und Relationen, wenn man die Strukturprinzipien der entstehenden Öffentlichkeiten näher betrachtet. Wie oben bereits erläutert, resultieren diese aus einzelnen Nutzungsepisoden, in denen Anwender von Social Software auf der Grundlage bestimmter Funktionalitäten und vor dem Hintergrund geteilter Verwendungsregeln hypertextuelle und soziale Relationen aktualisieren bzw. neu knüpfen. Dadurch entsteht eine Vielzahl von miteinander verbundenen und sich überlappenden öffentlichen Sphären, darunter themenspezifische wie auch persönliche Öffentlichkeiten – also solche Angebote, die vorrangig über Themen berichten, die nur für einen sehr eingeschränkten Personenkreis relevant sein mögen. Bringt man diese in eine Rangfolge nach der Anzahl der Rezipienten, die erreicht werden, ergibt sich eine Verteilung, wie sie idealtypisch in Abbildung 16.1 dargestellt ist: Einige wenige Angebote erfreuen sich eines vergleichsweise großen Publikums, während die Mehrzahl der Angebote nur von wenigen Menschen bemerkt werden. Solche Hierarchien finden sich beispielsweise innerhalb der Blogosphäre, aber auch auf Videoportalen wie YouTube und Sevenload oder in den Fotogalerien von flickr.com.5 Social-Software-Anwendungen senken also die Zutrittsschwellen zur Öffentlichkeit, garantieren aber nicht jedem Angebot die gleiche Aufmerksamkeit. Anders ausgedrückt: Für den einzelnen Nutzer ist es leichter geworden, seine eigenen Meinungen und Erfahrungen zu publizieren, doch dies garantiert nicht notwendigerweise die Rezeption durch ein interessiertes Publikum!

5.

Ersetzt man Aufmerksamkeit durch die Anzahl von Kontakten, sind solche „power-law“-Verteilungen auch auf Networking-Plattformen sichtbar, wo eine geringe Anzahl von Mitgliedern ein sehr ausgedehntes Netzwerk hat, die meisten Mitglieder jedoch vergleichsweise wenige Kontakte führen (vgl. Schmidt et al. 2007 für entsprechende empirische Beispiele).

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Abb. 16.1

225

Schematische Darstellung der Hierarchie von Öffentlichkeiten im Web 2.0

Die massenmedial hergestellte Öffentlichkeit beruht auf den Leistungen von Journalisten bzw. Redaktionen, die aus der Vielzahl möglicher Themen und Ereignisse nach bestimmten Relevanzkriterien selektieren und so als Gatekeeper agieren. In den zahlreichen Öffentlichkeiten unterschiedlicher Größe bzw. Reichweite, die durch den Einsatz von Social Software entstehen, sind dagegen zusätzliche Mechanismen der Aufmerksamkeitslenkung notwendig. Zwei Prinzipien lassen sich unterscheiden, die beide darauf beruhen, dass Nutzer selbst die Kanalisierung von Aufmerksamkeit übernehmen. Das erste Prinzip lässt sich als „Weisheit der Masse“ umschreiben, weil es die aggregierten Handlungen einer Vielzahl von Nutzern heranzieht, um Ranglisten von populären Themen oder Inhalten zu erstellen.6 Beispielsweise kann dies durch eine Übersicht von häufig abgerufenen Clips auf einer Videoplattform (wie bei YouTube), von häufig in Weblogs verlinkten Filmen und Büchern (wie bei technorati.com) oder der häufig verschlagworteten Quellen (wie bei mister-wong.de) geleistet werden. Ein anderer Mechanismus, der sich bei kollaborativen Verschlagwortungssystemen eingebürgert hat, ist die „tag cloud“: Einzelne Schlagworte werden je nach der Häufigkeit ihres Vorkommens größer und/oder farblich hervorgehoben dargestellt. Schließlich eröffnen manche Ange-

6.

Die Bezeichnung „Weisheit der Masse“ geht auf das englische „wisdom of the crowds“ zurück (vgl. Surowiecki 2004).

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16 Potenziale von Social Software für Bildungsportale

bote auch die Möglichkeit, einzelne Beiträge oder Inhalte explizit zu bewerten, um so besonders qualitätvolle Beiträge identifizieren zu können. Das Prinzip der „Weisheit der Masse“ hat gegenüber dem traditionellen Gatekeeper-Mechanismus den Vorteil, dass die Selektion von Inhalten nicht im selben Maße vom Status einer Person abhängt, der sich bei redaktionell erstellten Angeboten aus der professionellen Ausbildung und dem privilegierten Zugang zu Mitteln der Herstellung von Öffentlichkeit herleitet. Stattdessen gehen die Entscheidungen der einzelnen Nutzer in die Hierarchisierung und damit in die Aufmerksamkeitslenkung ein – allerdings werden damit per definitionem diejenigen Inhalte bevorzugt, die eine möglichst große Anzahl von Personen interessieren. Für Nischenthemen kann dieses Verfahren möglicherweise ungenügende Resultate erzeugen, weswegen viele Nutzer auf ein weiteres Prinzip vertrauen, das als „Weisheit des eigenen Netzwerks“ umschrieben werden kann. Damit ist gemeint, dass eine wachsende Anzahl von Personen sich mit Hilfe der RSS-Technologie7 ein individuelles Repertoire relevanter Quellen zusammenstellt. Die meisten Anbieter aus dem Bereich der Social Software, aber auch eine wachsende Anzahl anderer Akteure aus dem Bereich der Medien- oder Organisationskommunikation stellen ihre Inhalte als RSS-Feed zur Verfügung, was für den Nutzer bedeutet, dass er mit Hilfe von speziellen Programmen (den „Feed Readern“) unkompliziert über Aktualisierungen auf dem Laufenden gehalten werden kann. Dadurch ist es beispielsweise möglich, einzelne Weblogs, Wikiseiten und sogar Suchabfragen (bei spezialisierten Suchdiensten wie technorati.com) zu abonnieren und so aufwändige Besuche auf einer Vielzahl von einzelnen Seiten zu vermeiden. Wird ein neuer Inhalt publiziert, erhält der Nutzer (ähnlich einer E-Mail) eine Benachrichtigung in seinem Feed Reader, kann dort eine Zusammenfassung oder den ganzen Text einsehen und dann entscheiden, ob die ursprüngliche Webseite noch aufgerufen werden soll. Die beschriebenen Mechanismen der Aufmerksamkeitslenkung lösen das Problem des Informationsmanagement, das sich durch die Zunahme von spezialisierten und „kleinteiligen“ Öffentlichkeiten im Zuge der Verbreitung von Social Software stellt. Der folgende Abschnitt greift diese Gedanken sowie die vorhergegangenen Überlegungen zu Identitäts- und Beziehungsmanagement auf und diskutiert die Potenziale, die der Einsatz von Social Software für Lernprozesse und den Betrieb von Bildungsportalen mit sich bringen kann.

16.3

Social Software, selbst gesteuertes Lernen und Bildungsportale

Der Einsatz von Social Software im Bildungsbereich wird derzeit vor allem unter der Überschrift „E-Learning“ diskutiert (für überblicksartige Darstellungen vgl. u.a. Miller 2005; Andrews/Haythornthwaite 2007 sowie speziell für die Rolle von Web 2.0 im E-Learning

7.

RSS ist die Abkürzung für „Really Simple Syndication“ und bezeichnet ein spezifisches Format zur Darstellung von Inhalten im Internet, das auf der Auszeichnungssprache XML beruht. Grundlegende Informationen und weiterführende Links finden sich im entsprechenden Wikipedia-Eintrag unter http://de.wikipedia.org/wiki/RSS.

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227

Owen et al. 2006; Dittler/Kindt/Schwarz 2007; Panke 2007). In diesem Beitrag sollen zwei Aspekte beleuchtet werden, die den Stellenwert von Social Software für Bildungsportale verdeutlichen können: (1) Die wachsende Bedeutung von selbst gesteuertem Lernen, das durch den Einsatz von Social Software unterstützt werden kann sowie (2) die Möglichkeiten, Funktionen von Social Software für den Betrieb von Bildungsportalen zu integrieren. Ein kennzeichnendes Merkmal der „Informationsgesellschaft“ oder „Wissensgesellschaft“ ist die rasante Zunahme der Menge verfügbarer Informationen. Im gleichen Maße steigt auch der Stellenwert von Wissen, das eine besondere Art von Information darstellt: Wissen besteht aus Informationen, die das aktive Eingreifen des Menschen in die Welt unterstützen (vgl. Münch/ Schmidt 2005). Dabei lassen sich „Wissen erster Ordnung“ (domänenspezifisches, inhaltliches Fachwissen) und „Wissen zweiter Ordnung“ unterscheiden, wobei Letzteres sowohl „Metawissen“ (Wissen über die Aneignung von Wissen) als auch „Medienwissen“ (die technische Bedienungskompetenz) umfasst. Vor allem der gestiegene Einsatz von Computern zur Speicherung, Bearbeitung und Neukombination von Informationen hat dazu geführt, dass Wissen zweiter Ordnung relativ gesehen an Bedeutung gewinnt (vgl. Degele 2000): Um mit den Anforderungen der Arbeitswelt Schritt halten, aber auch um sich generell in komplexer gewordenen Gesellschaften orientieren zu können, müssen die eigenen Wissensbestände kontinuierlich erweitert, aktualisiert und selbstständig in Bezug auf bestimmte Handlungsziele angewandt werden. Dies erfordert ausgeprägte Medienkompetenzen, sowohl um über Medien vermittelt relevante Informationen abrufen zu können, als auch sich der Medien zu bedienen, um in der interpersonalen Kommunikation mit anderen Informationen auszutauschen und in Wissen zu transformieren. Diese Kompetenzen stellen die Grundlage für selbst gesteuertes Lernen dar. Die Umsetzung von Wissen in praktisches Handeln ist jedoch nicht immer direkt möglich, weil einzelne Komponenten eines spezialisierten Wissens wieder zu einer Einheit geformt werden müssen. Dazu sind Kommunikationsprozesse erforderlich, in denen sich die Beteiligten auf der Grundlage ihres jeweiligen spezifischen Wissens austauschen und ihre Beiträge koordinieren. Die Zunahme von Wissen und Zunahme von Kommunikation bedingen sich also gegenseitig: Die Vermehrung und Beschleunigung von Kommunikation erzeugt immer mehr verfügbares Wissen. Dieses ist wiederum so spezialisiert und differenziert, dass zur Anwendung und wechselseitigen Abstimmung im praktischen Handeln weitere Kommunikationsprozesse in Teams von miteinander interagierenden Experten (im weiten Sinne) nötig werden. Sie müssen als Wissensvermittler und Moderatoren agieren, um die Logiken unterschiedlicher Wissenssysteme zu verstehen und miteinander verbinden zu können. Dadurch kommt es zum Aufstieg von „Wissensarbeit“ als spezifischem Typus von Tätigkeiten, die erfordern, „dass das relevante Wissen (1) kontinuierlich revidiert, (2) permanent als verbesserungsfähig angesehen, (3) prinzipiell nicht als Wahrheit, sondern als Ressource betrachtet wird und (4) untrennbar mit Nichtwissen gekoppelt ist, so dass mit Wissensarbeit spezifische Risiken verbunden sind“ (Willke 1998, S. 161). Social-Software-Anwendungen, die (wie oben geschildert) Aspekte des Informations-, Identitäts- und Beziehungsmanagements miteinander verbinden, fördern sowohl die selbst gesteuerte Aneignung als auch die gemeinsame Aushandlung von Wissen durch zwei Prozesse der Kodifizierung, also das Explizitmachen und Speichern von Informationen sowie die Persona-

228

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lisierung, also die Rückbindung von (oft implizitem) Wissen an einzelne Personen, die miteinander interagieren (vgl. Kaiser & Müller-Seitz 2005). Auch in dieser Hinsicht legen verschiedene Anwendungen aufgrund ihrer im jeweiligen Software-Code festgelegten Architektur unterschiedliche Schwerpunkte: Weblogs unterstützen beispielsweise die Personalisierung von Inhalten, weil einzelne Angebote oder zumindest einzelne Beiträge in der Regel individuellen Autoren zugeschrieben werden können. Beiträge in Wikis sind demgegenüber weniger stark personalisiert, auch wenn über die Versionsgeschichte eines Artikels zurückverfolgt werden kann, welche Nutzer wann welche Änderung vorgenommen haben. Bei ihnen liegt jedoch der Schwerpunkt stärker auf einer kollaborativen Kodifizierung von Informationen zu einem gegebenen Thema. Verschlagwortungssysteme dienen schließlich vor allem der Archivierung und dem Kategorisieren von Quellen, haben aber durch die Aggregation von Schlagworten eine starke Komponente des (wenn auch unintendierten) Beziehungsmanagements. Angesichts dieses Potenzials verwundert es nicht, dass Social Software inzwischen in formalen und informellen Lernsituationen Einzug gehalten hat. Zwei Studien seien exemplarisch aus der Reihe von empirischen Befunden zur Nutzung von Social Software herausgegriffen: Wageneder & Jadin (2007) diskutieren den Einsatz von Weblogs und Wikis im „seminaristischen E-Learning“, worunter sie Lernen verstehen, „bei dem nicht fertig bereitgestellte Inhalte konsumiert werden. Statt dessen sind die Lernenden gefordert, Informationen zu recherchieren, diese einzubringen und/oder Inhalte selbst zu erstellen; ein Lernen, bei dem die Lernenden längst vor dem Einzug der neuen Medien in unsere Hochschulen von passiv Konsumierenden zu aktiv Gestaltenden werden durften“. Ihre Evaluation verschiedener universitärer Lehrveranstaltungen erbrachte, dass insbesondere Wikis als hilfreich eingeschätzt wurden, um gemeinsam Texte zu bestimmten Themen zu erarbeiten. Die Teilnehmer gaben unter anderem an, durch diese Art des kollaborativen Arbeitens mehr und stärker voneinander gelernt zu haben, als in Lehrveranstaltungen mit Referaten oder Vorträgen durch den/die Kursleiter. Allerdings zeigen die Erfahrungen auch, dass weiterhin Hürden für den Einsatz entsprechender Werkzeuge zur Unterstützung selbst gesteuerten Lernens in Rahmen universitärer Veranstaltungen bestehen. Insbesondere der größere zeitliche Aufwand sowie fehlende Vertrautheit im Umgang mit diesen noch recht jungen Anwendungen können die Akzeptanz (und damit auch die Effektivität) von Social Software in formalen Bildungsszenarien mindern. Eine andere Studie widmet sich den „W-Bloggern“, worunter diejenigen Personen verstanden werden, die ein Weblog führen, um Wissen mit anderen zu teilen (vgl. Schmidt/Mayer 2007). Dieses Motiv liegt (in der Regel in Kombinationen mit anderen Gründen zum Führen eines Weblogs) bei etwa einem Drittel der Autoren in der deutschsprachigen Blogosphäre vor und führt zu spezifischen Praktiken der Veröffentlichung und Referenzierung von Inhalten. So dominieren in den entsprechenden Weblogs kommentierte Verweise auf andere Online-Quellen gegenüber eher episodenhaften Texten und anderen Inhalten. W-Blogger legen auch in stärkerem Maße als übrige Gruppen Hinweise auf ihre Identität offen, erlauben also eine Personalisierung der Informationen, die den Lesern die Kontextualisierung der veröffentlichen Texte erleichtert. In Bezug auf das Informationsmanagement zeigen die Ergebnisse der zugrunde liegenden Studie, dass W-Blogger ein größeres Repertoire an Informationsquellen

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aus der Blogosphäre nutzen und sich in stärkerem Maße als andere Blogger der RSS-Technologie bedienen, um sich über Aktualisierungen auf dem Laufenden zu halten. Ähnlich wie für andere Blogger-Typen gilt auch für die W-Blogger, dass sich ihre soziale Beziehungen im Verlauf der eigenen „Blogger-Karriere“ erweitern und stabilisieren – solche weblogbasierten sozialen Netzwerke stellen dem Einzelnen Sozialkapital zur Verfügung, das für erfolgreiche Lern- und Wissensprozesse mobilisiert werden kann. Solche Lernprozesse, ob in formalen oder informellen Arrangements, können durch Bildungsportale unterstützt und gefördert werden. Wie die Beiträge in diesem Sammelband zeigen, existiert ein breites Spektrum dieser Angebote, die sich u.a. in angesprochenen Zielgruppen, Breite und Tiefe der präsentierten Themen oder auch dem Verhältnis von zentral (d.h. durch eine Redaktion) bereitgestellten zu nutzergenerierten Inhalten unterscheiden können. Von diesen Rahmenbedingungen hängt ab, ob bzw. inwiefern Elemente einzelner Social-Software-Anwendungen in bestehende oder neu aufzubauende Bildungsportale eingebaut werden können. An dieser Stelle können daher nur einige allgemeine Bemerkungen folgen, wie Leistungen und Mechanismen von Social Software für Bildungsportale nutzbar gemacht werden können und welche Hürden es dabei zu überwinden gilt. Elemente des Identitätsmanagement lassen sich in unterschiedlicher Weise integrieren. Eine Möglichkeit sind Profilseiten, auf denen registrierte Nutzer ihre Interessen, Kompetenzen und Expertise vorstellen, eine andere Möglichkeit sind themenspezifische Weblogs, in denen fortlaufend fachliche Beiträge veröffentlicht werden. Die daraus resultierende Sichtbarkeit von Personen, die als Experten auf einer Plattform auftreten, kann nicht nur das Vertrauen in die publizierten Inhalte fördern, sondern auch Grundlage für die Vernetzung und Zusammenarbeit sein. Dieses Beziehungsmanagement würde beispielsweise dadurch gefördert, dass durch Suchrecherchen oder automatische Vorschläge Nutzer auf andere Personen mit ähnlichen und/oder komplementären Interessen aufmerksam werden können. Denkbar ist auch, das Entstehen von „Lerngemeinschaften“ zu fördern, indem sich Nutzer von Bildungsportalen ad hoc zusammenschließen und auf der Plattform einen eigenen Bereich (beispielsweise mit einem Wiki, einem Gruppenweblog und einer Terminverwaltung) zur Verfügung gestellt bekommen können, in dem sie Informationen zu bestimmten Themen sammeln und ihre Zusammenarbeit koordinieren. Die verschiedenen Ressourcen, die auf einem Bildungsportal bereit stehen, müssen aber auch so aufbereitet werden, dass sie für Nutzer auffindbar und hinsichtlich jeweils individueller Relevanzkriterien bewertbar sind. Ein solches Informationsmanagement kann, wie oben erläutert, durch die zwei Prinzipien der „Weisheit der Masse“ sowie der „Weisheit des eigenen Netzwerks“ unterstützt werden. Im ersten Fall kommt es darauf an, die Handlungen der Nutzer eines Bildungsportals (z.B. den Abruf bestimmter Artikel oder die Bewertung einer bestimmten Information) sichtbar zu machen, um so besonders populäre oder wertvolle Beiträge identifizieren zu können. Die freie Vergabe von Schlagworten kann ein weiterer Schritt sein, Ordnung in die verfügbaren Inhalte zu bringen und Recherchen zu erleichtern, wobei idealerweise solche „Folksonomies“ neben einem Grundgerüst von redaktionell vorgegebenen Kategorien stehen. Hilfreich ist zudem, wenn Beiträge zu bestimmten thematischen Kategorien oder von bestimmten Autoren eindeutig referenzierbar und mittels RSS abonnierbar

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16 Potenziale von Social Software für Bildungsportale

sind. So kann sich jeder Nutzer ein eigenes Informationsrepertoire aus den Inhalten eines Bildungsportals zusammenstellen und diese in externe Angebote überführen. Dieser letzte Umstand impliziert aber auch, dass Bildungsportalen eine Konkurrenz „von unten“ erwachsen kann und die bloße Integration von Social-Software-Modulen noch keine Garantie dafür ist, dass sich aktive Nutzergemeinschaften bilden. Manche Personen werden möglicherweise keinen Bedarf an einem umfassenden Portalangebot haben, weil sie die für sie relevanten Informationen aus einer Vielzahl von anderen Quellen beziehen, also ihr eigenes persönliches Portal zusammenstellen. Für die Mehrzahl der Nutzer wird ein Bildungsportal nur ein Angebot unter vielen sein, die eigenen fachlichen Interessen zu verfolgen und Kontakte zu pflegen. Diese Umstände unterstreichen die Bedeutung, die der Nutzerorientierung und dem inhaltlichen Qualitätsmanagement zukommt: Nur wenn Nutzer in den Angeboten eines Bildungsportals einen Mehrwert sehen, den sie an anderer Stelle im Netz nicht befriedigen können, werden sie zu regelmäßigen Besuchern bzw. werden selbst Inhalte beisteuern. Deswegen ist eine beständige Qualitätskontrolle, sowohl im Hinblick auf die bereitgestellten Inhalte als auch auf die Usability des Angebots, unverzichtbar. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die hier behandelten Social-Software-Anwendungen vergleichsweise jung und in weiten Teilen der Internet-Nutzerschaft unbekannt sind, sich also bislang erst ansatzweise generalisierte Erwartungen und Routinen für den Umgang z.B. mit einem Wiki oder einem Verschlagwortungssystem herausbilden konnten. Betreiber von Bildungsportalen dürfen daher nicht voraussetzen, dass sich mit der bloßen Einführung eines Software-Moduls die entsprechenden Nutzungsweisen von allein einstellen werden – dies wäre technikdeterministisch gedacht und würde außer Acht lassen, welche wichtige Rolle Kompetenzen, individuelle Nutzungsmotive und der soziale Kontext eines Angebots spielen. Anekdotisch drücken sich diese Unterschiede in der „90-9-1“-Faustregel aus: „In most online communities, 90% of users are lurkers who never contribute, 9% of users contribute a little, and 1% of users account for almost all the action“ (Nielsen 2006, o. S.). Daher ist über Anreizsysteme nachzudenken, die beispielsweise durch Reputationsmechanismen aktive Beiträge von Nutzern belohnen. So kann auch eine kritische Masse von kommunikativen Aktivitäten erreicht werden, die für die Attraktivität und kontinuierliche Nutzung eines Bildungsportals notwendig ist.

16.4

Fazit

Dieser Beitrag hat grundlegende Merkmale von Social Software vorgestellt und ihre Potentiale für Bildungsprozesse diskutiert. Anwendungen wie Weblogs, Wikis, Kontaktplattformen oder kollaborative Verschlagwortungssysteme stellen Möglichkeiten für onlinegestütztes Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement zur Verfügung, indem sie das Entstehen von hypertextuellen und sozialen Netzwerken fördern. Diese können einerseits für das selbst gesteuerte Lernen genutzt werden, andererseits aber auch in formellen Lern- und Lehrkontexten eingesetzt werden, wo sie den Wissensaustausch und Recherche durch die Personalisierung und Kodifizierung von Informationen unterstützen. Es wurde deutlich, dass das sozi-

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231

ale Element von Social Software nicht in der Software an sich liegt, sondern erst in den durch sie ermöglichten wechselseitig aufeinander bezogenen Interaktionen. Die Integration von Social-Software-Anwendungen in Bildungsportale befindet sich noch in den Anfängen, und bislang liegen nur wenige empirisch gesicherte Erfahrungen darüber vor, welche Nutzungspraktiken sich herausbilden und welche Konsequenzen dieser Einsatz für die Zufriedenheit mit und Effektivität von entsprechenden Angeboten hat. Aus der hier eingenommenen kommunikationssoziologischen Perspektive stellen Anbieter von Bildungsportalen eine sozio-technische Interaktionsumgebung bereit, die das Entstehen von Verwendungsgemeinschaften fördert: Gruppen von Nutzern, die mit ähnlichen Routinen und Erwartungen die Software mit ihren spezifischen Funktionalitäten nutzen, um bestimmte Gratifikationen zu erhalten. Daraus entsteht die Notwendigkeit, sich nicht nur als „Content-Provider“, sondern auch als „Community-Provider“ zu verstehen, damit Nutzer mit Hilfe von Social Software aktiv an den Angeboten und Inhalten eines Bildungsportals mitwirken.

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17

Zwischen Web-Präsenz und Grids: Portale als Mittel der ko-aktiven Wissensorganisation Reinhard Keil, Harald Selke Universität Paderborn

17.1

Einleitung

Mit der Informationstechnologie haben sich viele Formen des tradierten Mediengebrauchs gewandelt und neue sind entstanden. Beispielsweise werden mit Hilfe des World Wide Web (nachfolgend kurz als Web bezeichnet) Dokumente nicht mehr verschickt, sondern sie werden zum Ansehen und Abholen bereitgestellt. Je mehr solcher verteilter Angebote es gibt, desto mehr entsteht der Ruf nach Bündelung und Integration dieser Angebote. Dies geschieht über sogenannte Portale, die sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können. Dabei handelt es sich nicht nur um statische Dokumente und digitale Objekte, sondern auch um Dienste, die von Menschen über den Aufruf maschineller Funktionen erbracht werden. Mit der Diskussion um Web 2.0 schließlich sind eine Reihe neuer Erwartungen an die Leistungsfähigkeit und den Nutzen von Portalen entstanden. Dabei werden häufig technische Funktionen und Potenziale, die sich erst aus einer angemessenen Einbettung in entsprechende Nutzungskonstellationen ergeben, miteinander vermischt. Im Beitrag sollen ausgehend von dem Konzept der verteilten Wissensorganisation die verschiedenen Stufen der Portalentwicklung skizziert und hinsichtlich ihrer jeweiligen technischen und sozialen Nutzungsdimensionen bewertet werden.

17.2

Semiotische Architekturen

Der Begriff Portal (lat. porta: Pforte) stellt zunächst eine aus dem Bereich der Architektur übernommene Metapher dar, ein Eingangstor in eine von Menschen gebaute Welt, wobei dieser Eingang einer unter vielen ist, der sich aber durch seine prachtvolle Gestaltung als besonders repräsentativ erweisen soll. Da eine solche Repräsentativität als Einladung an die Besu-

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17 Zwischen Web-Präsenz und Grids

cher des Gebäudes oder Gebäudekomplexes verstanden wird, kann er auch als Synonym für Haupteingang benutzt werden. Gemäß dieser Metaphorik werden auch heute die zentralen Webseiten einer Firma oder eines Konzerns als Portal betrachtet. Worum geht es aber, wenn man es nicht mit traditionellen Gebäuden zu tun hat, sondern einer medialen Welt, in der Zeichen im Mittelpunkt stehen? Eine Visitenkarte beispielsweise wird ebenso wenig als Portal betrachtet wie ein Hochglanzprospekt, selbst wenn er als semiotische Repräsentation des Unternehmens betrachtet wird. Dies hat vermutlich mit dem grundlegenden Unterschied zwischen traditionellen Einschreibmedien und den manipulierbaren verteilten Medienobjekten in der digitalen Welt zu tun. Analoge Aufzeichnungsmedien basieren allesamt auf Einschreibtechnologien. Ein Buchstabe, eine Zahl, ein Bild oder ein Text, einmal hervorgebracht, können nicht mehr selbst zum Gegenstand der physischen Manipulation gemacht werden. Man kann zwar Zahlen auf Papier schreiben, aber man kann sie danach nicht mehr anordnen und z.B. der Größe nach sortieren. Dazu ist es erforderlich sie neu (ein-) zu schreiben. Eben so wenig können analog aufgezeichnete Bilder oder Töne manipuliert werden, denn mit technischen Mitteln kann man immer nur den Zeichenträger manipulieren, egal ob man Sandkörner verschiebt, Kreidestaub wischt oder einen Filmstreifen zerschneidet. Physische Transformationen beziehen sich somit nicht auf ein semiotisches Objekt (z.B. alle Bildpunkte eines Buchstabens), sondern auf das Trägermaterial (alle Partikel gleicher Materialqualität). Da es sich bei solchen Aufzeichnungen immer um technisch hergestellte semiotische Artefakte handelt, hat man es mit Medien zu tun, die zum einen lesend bzw. rezipierend erschlossen werden können oder – beispielsweise durch das Anbringen von Anmerkungen – an ihrer Oberfläche bearbeitet werden. So kann man sich zwar in einen Text vertiefen, aber diese Art der Immersion ist nicht sensorisch, sondern rein mental. Medienobjekte sind somit immer nur der Wahrnehmung, nicht aber der Manipulation zugänglich. Erst mit digitalen Medien ist es möglich, das Objekt der Wahrnehmung auch zum Objekt der Manipulation zu machen. Damit können virtuelle Umgebungen geschaffen werden, die nicht nur Abbildungen oder Beschreibungen sind, sondern manipulierbare Umgebungen, in die man sogar virtuell hineingehen kann. Wenn die Rechte entsprechend gesetzt sind, kann diese Manipulation auch kooperativ, ja sogar nebenläufig (synchron) erfolgen. Entscheidend ist letztlich, dass in derartigen digitalen Umgebungen sich zwei Qualitäten Persistenz und Veränderbarkeit ergänzen: die Objekte bleiben einerseits über den unmittelbaren Akt der Wahrnehmung hinaus erhalten und sind andererseits gleichzeitig aber auch noch veränderbar. Die Objekte der digitalen Welt befinden sich an einem Ort, der durch eine Adresse lokalisierbar ist. Dadurch ergibt sich für den Besucher die Notwendigkeit, sich zu dieser Adresse zu begeben, dorthin zu navigieren. Insofern begibt er sich in einem doppelten Sinne in eine virtuelle räumliche und gleichzeitig eine logische vernetzte Welt. Die Angebote, die er für sich erschließen will, befinden sich „hinter“ einer Einstiegsseite. Im Gegensatz zu den vorgenannten Beispielen der analogen Welt, in der man Visitenkarten erhält oder Prospekte zugesandt bekommt – also die Informationen von einem Anbieter an einen Nutzer oder eine Gruppe von Nutzern versandt werden –, ist es hier der Nutzer, der sich individuell zu den Informationen bewegt. Während die Angebote also gewissermaßen zur Abholung ausgelegt werden, muss der Nutzer herausfinden, wie er zu diesen Angeboten gelangt.

Reinhard Keil, Harald Selke

17.3

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Stufen der Integration verteilter Wissensbestände

Als Einstieg in komplexe Bestände von Dokumenten haben sich Portale etabliert. Während eine gewöhnliche Webseite meist genügt, solange die Inhalte zentral oder durch eine kleine Gruppe von Administratoren gepflegt werden, ist dies bei großen und insbesondere verteilten Organisationen nicht mehr ausreichend. Sobald man in der Lage ist, einzelne Objekte digital zu manipulieren und über verteilte Orte hinweg zu verknüpfen, entstehen vollkommen neue Möglichkeiten. Man kann auf andere Angebote verweisen. Sobald solche verteilten Verweisstrukturen gebündelt oder stufenweise hierarchisch gebündelt werden, hat man es mit einem Informationsportal zu tun. Das heißt, es gibt z.B. in einem Unternehmen nur eine Stelle, die Informationen nach außen publiziert. Alle anderen Angebote müssen dann von dieser Stelle aus erschließbar sein. Dies entspricht dem klassischen Unternehmensportal. Andere Bündelungen sind Webseiten, die verschiedene Angebote zusammenfassen und damit den Besucher der Notwendigkeit entheben, sich die gesammelten Informationen und Verweise selbst beschaffen zu müssen. Die Wahrung der Authentizität führt dazu, dass die Rechte für die Verweise beschränkt sind. Ein Autor kann immer nur auf bereits Vorhandenes verweisen, aber nie von dort weiter oder auf sich selbst zurück. Damit kann man auch keine geordnete Gesamtstruktur aufbauen, die sich dynamisch anpasst, weil alle Verweise verteilt gepflegt werden müssen. Unter diesem Blickwinkel fällt das Web hinter die Konzeption von Ted Nelson zurück, der mit seinem Xanadu-System von vornherein den Aufbau eines „Docuverse“ konzipierte, in dem jeder potenziell auch Autor sein kann, indem er vorhandene Bestandteile von Dokumenten ergänzen und rekombinieren können soll. Geordnete Gesamtstrukturen entstehen auf einer Bündelungsseite nur, wenn zusätzlicher zentraler Aufwand geleistet wird. Solange die einzelnen Verweise nicht in textuelle Bewertungen oder Kommentare eingebunden sind, kann dieser dynamisch und rein maschinell generiert werden (z.B. die Ergebnisseite einer Suchanfrage bei einer Suchmaschine). Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass das Informationsangebot dabei nicht explizit inhaltlich begrenzt werden kann. Dies gelingt nur durch eine redaktionelle Betreuung, die eine Qualitätssicherung sicherstellt. Dabei können selektiv nur hochwertige Angebote eingestellt werden oder man verweist auf solche und ergänzt eventuell noch offene Punkte durch eigene verbindende Beiträge. In beiden Fällen handelt es sich dabei um durch ausgewählte Autoren bzw. Redakteure bereitgestellte Inhalte. In personalisierbaren Serviceportalen werden verschiedene verteilte Anwendungen in einem Browser zusammengeführt. Dies erlaubt es den Benutzern, einen eigenen Webtop (Desktop im Netz) zu basteln – wenn auch nur im Rahmen vordefinierter Frames. In einer einfachen Form können Nutzer hier über Abonnements auf vorhandene Dokumente bzw. Beiträge in Foren, Weblogs u.Ä. zugreifen; in einer weiter ausgebauten Stufe zusätzlich auch auf Dienste wie z.B. einen Service, der für spezifizierte Themengebiete die Abstracts von neuen Publikationen zusammenstellt und per Email zusendet.

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17 Zwischen Web-Präsenz und Grids

Als Fazit kann festgehalten werden, dass in allen diesen Beispielen die eigentlichen Nutzer nicht in der Lage sind, ein vernetztes verteiltes Informationsangebot aufzubauen, da sie sich immer nur auf schon „eingeschriebene“ Dokumente beziehen können, die sie weder anpassen, einbetten, kommentieren, annotieren, etc. können. Der Benutzer bleibt vornehmlich Rezipient und das Konzept des nicht-sequenziellen Schreibens (Definition Hypertext von T. Nelson) reduziert sich so auf nicht-sequenzielles Lesens. Das kann man aber auch schon mit jedem Buch.

17.4

Web 2.0

Portale folgten insofern meist der klassischen Einschreibmetapher analoger Medien: Ein Autor oder eine Gruppe von Autoren schreibt für potenziell beliebig viele Leser. Bei der Nutzung des World Wide Web als Publikationsmedium kam es zunächst darauf an, die vielen unzusammenhängenden Publikationen zusammenzuführen. Da Webseiten nicht dem eigentlichen Hypertext-Postulat des nicht-sequentiellen Schreibens folgen, ist dies über Verweise (unidirektional auf bereits existierende andere Seiten), Kataloge (selektive Zusammenstellungen) und Suchmaschinen (die einen Überblick geben, aber keinen Zusammenhang darstellen) nur beschränkt möglich. Von mehreren Autoren gemeinsam produzierte und simultan dargebotene Inhalte sollen diese Defizite beseitigen. Doch auch wenn solche Angebote personalisierbar sind, bleiben sie vorwiegend im Paradigma der Einschreibmedien gefangen. Erst neuere Entwicklungen zeigen, dass es mit ko-aktiven Technologien des verteilten Schreibens möglich ist, Portale als lebendige Wissensgemeinschaften zu gestalten. Hier gilt Web 2.0 als neuer Hoffnungsträger des Internets. Oft werden dabei etwas naiv die funktionalen Vorteile isoliert betrachtet und ihr Nutzen übersteigert. Doch genauso wie man überzogenen Erwartungen skeptisch gegenüberstehen sollte, lohnt es sich, die Potenziale genauer auszuloten. Web 2.0 ist ein Sammelbegriff, der dafür steht, dass im Web nicht nur Informationen zum Ansehen und Herunterladen bereitgestellt werden oder Kunden in virtuellen Geschäften einkaufen können, sondern dass sich die klassische Konstellation Autoren bzw. Produzenten auf der einen Seite und Leser bzw. Konsumenten auf der anderen Seite auflöst. Dafür steht eine Reihe von Ansätzen: •

Internettagebücher (Blogs) erlauben es mit sehr einfachen Mitteln, Texte ins Web zu bringen, sie miteinander zu vernetzen und sich gegenseitig, wann immer etwas Neues dazu kommt, automatisch zu benachrichtigen (RSS-Feeds).



Wikis sind ein Beispiel dafür, wie verschiedene Personen von unterschiedlichen Stellen aus an einem gemeinsamen Dokument schreiben. Bekanntestes Beispiel ist das OnlineLexikon Wikipedia. In Wirtschaft und Verwaltung werden Wikis bereits eingesetzt, um z.B. die verteilte Pflege und fortwährende Aktualisierung von Benutzerhandbüchern durch verschiedene Administratoren zu unterstützen.



Der Begriff der Vermaschungen (Mashups) bezeichnet die Erstellung neuer Inhalte durch die nahtlose (Re-)Kombination bereits bestehender Inhalte. Mashups ermöglichen es, die Inhalte von verschiedenen Webseiten dynamisch miteinander zu verknüpfen. Bei-

Reinhard Keil, Harald Selke

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spielsweise werden bei Google Maps Suchergebnisse nicht nur als alphabetische Listen ausgegeben, sondern geographische Fundorte direkt in einem Stadtplan oder einem Satellitenbild eingezeichnet (z.B. bei der Firmensuche). •

Soziale Netzsoftware ermöglicht es Individuen beispielsweise, ihre Kontaktdaten in einem Profil zu hinterlegen, sodass eine Person, die sich das Profil einer anderen Person ansehen darf, darüber auch Einblick in deren Kontakte („Buddy List“) erhält. So entstehen soziale Netze, die bereits vielfach im Geschäftsbereich genutzt werden (XING, früher openBC).



Solche Netze lassen sich natürlich auch mit anderen Daten wie Lesezeichen für das Web (Bookmarks, siehe: del.icio.us) aufbauen. Benutzer haben die Möglichkeit, Daten wechselseitige zu bewerten und als relevant zu kennzeichnen. Ebenso können Nutzer Schlagworte vergeben (Tagging) und so neue Arten der Wissensorganisation ermöglichen bei der die Schlagworte bezüglich ihrer Relevanz oder Häufigkeit ausgewertet werden. Hierfür wurde in Anlehnung an den klassischen Begriff der Taxonomie der Begriff Folksonomies geprägt.



Schließlich ist Web 2.0 noch dadurch bekannt geworden, dass es mit einzelnen Plattformen wie Flickr oder YouTube allen Nutzern möglich ist, leicht Fotos und Videos auf einem Server abzulegen, sie von Besuchern bewerten und kommentieren zu lassen und dadurch gewissermaßen eine Hitparade der Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Bewertung und Kommentierung durch Nutzer ist eine wesentliche Funktion aller Web-2.0-Anwendungen und führt dazu, dass die Art und Weise, wie sich Informationen auf einer WebSeite präsentieren, nicht mehr von den Autoren oder den Bereitstellern von Inhalten geprägt wird, sondern sich aus dem Nutzerverhalten ergibt.

Entscheidend ist, dass es um verschiedene Formen von Inhalten geht, die mit verschiedenen Techniken in unterschiedlichen Funktionskonstellationen erschlossen und verarbeitet werden können (siehe Abb. 17.1).

Abb. 17.1

Systematisierung einiger Web-2.0-Konzepte

240

17 Zwischen Web-Präsenz und Grids

Gemeinsam ist all diesen Beispielen, dass das vom Nutzer wahrgenommene Informationsangebot nicht mehr von einer einzelnen Person oder einer Organisation gesammelt, aufbereitet und bereitgestellt wird, sondern es praktisch „von unten“, durch die Aktivitäten der Teilnehmer entsteht und aufgebaut wird. Damit ist mit vergleichsweise geringen Kosten der Aufbau komplexer Wissensbestände möglich. Das dahinter stehende Potenzial ist heute nur an ersten Beispielen erahnbar. Zugleich wird aber auch schnell deutlich, dass mit solchen Ansätzen neue Herausforderungen verbunden sind, um Verlässlichkeit, Transparenz und Erreichbarkeit von Informationen sicher zu stellen. Darüber hinaus stellt Web 2.0 eine enorme Herausforderung an die Medien- und Selbstdarstellungskompetenz der Nutzer dar, denn die Tatsache der weltweit einfachen Publikation sichert noch lange keine weltweite Aufmerksamkeit. In vielen Publikationen zum Thema Web 2.0 wird betont, dass nun die Nutzer selber zu Anbietern von Inhalten würden. Natürlich bedeutet das nicht, dass sich jetzt hochwertige Unterlagen oder Inhalte quasi wie von allein entwickeln. Auf der einen Seite ist zu trennen zwischen der Sammlung von persönlichen Daten, Lesezeichen, Fotos oder Videos in Archiven und den Möglichkeiten, solche Dokumente und Dokumentensammlungen zu kommentieren, zu bewerten oder auch über sie abzustimmen. Insbesondere letzteres dient häufig dazu, die Reihenfolge, wie sich Archivelemente dem Betrachter darstellen, zu verändern, in der Regel in Form einer Hitliste, in der die Beiträge obenan stehen, die von den Besuchern der Webseite mit dem höchstem Wert ausgezeichnet bzw. die am häufigsten gewählt worden sind. Solche Beispiele mögen noch trivial in Bezug auf ihre Wirkung und kaum über Empfehlungssysteme der Art hinaus gehen „wer dies gekauft hat, hat auch jenes gekauft“, aber es ist auch denkbar, dass auf diese Weise der Datenbestand von z.B. Quellen und Annahmen zu einem bestimmten Problemfeld gesammelt und miteinander vernetzt wird und die Besucher dann sowohl die Glaubwürdigkeit der Quellen bewerten, als auch die Querverweise zwischen den einzelnen Quellen durch die Häufigkeit ihres Besuches ändern. Generell sind der Phantasie, wie sich durch das Verhalten der Besucher eines Portals die Art und Weise der Informationsaufbereitung ändert, keine Grenzen gesetzt. Das bedeutet aber, dass sowohl durch explizite Schreibaktionen (Annotationen, eigene Beiträge, Bewertungen, Abstimmungen, Tags, etc.) als auch durch implizites Verhalten (Leseauswahl, Downloads, etc.) sich ein verteilt erstelltes Informationsangebot in der Präsentation ändern kann.

17.5

Wissen, Web und Wahrheit

In der Öffentlichkeit, aber auch in der Fachöffentlichkeit hat sich in Bezug auf das Web 2.0 schnell Euphorie breit gemacht. Die erstaunlich hohe Qualität der offenen Online-Enzyklopädie Wikipedia verführt schnell zu der Annahme, dass die über Portale mit redaktioneller Betreuung erzielte Qualität auch durch offene Formen des kooperativen Schreibens erreicht werden kann. Offene Prozesse zeichnen sich dadurch aus, dass keine traditionellen Muster, die für die hohe Qualität von Einschreibmedien bürgen, zur Anwendung kommen – wie etwa eine sorgfältige Auswahl der Redaktionsmitglieder aufgrund ihrer Kompetenz, detaillierte Abstimmung von inhaltlichen Aussagen und entsprechende Qualitätssicherung bis hin zur in der Regel hierarchisch verankerten Möglichkeit des Redigierens oder des Nichtpublizierens

Reinhard Keil, Harald Selke

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eines Beitrages. Zwar hat sich mittlerweile gezeigt, dass auch in offenen Formen verteilten Schreibens komplexe Formen der sozialen Intervention zur Qualitätssicherung erforderlich sind1, doch gehen die eigentlichen Probleme noch tiefer. Sie hängen unmittelbar mit der Frage zusammen, was Wissen ist und in welcher Form der sozialen Einbettung aus Informationen Wissen wird. Wissen wird oft als Menge von Informationen betrachtet, die vom Menschen individuell in einen Kontext mit entsprechenden Bezügen eingebettet sind. Viele Autoren unterscheiden zwischen Wissen und Information, wobei Information das ist, was in kodifizierter Form medial niedergelegt ist, und Wissen das Potenzial an Möglichkeiten umreißt, die ein Mensch unter Ausnutzung dieser Informationen generieren kann (Mittelstrass, 2003). In diesem Sinne findet Wissensarbeit überall dort statt, wo Dokumente, Vorschriften und Regeln der menschlichen Interpretation und Auslegung unterliegen, um sinnvoll und situationsangemessen handeln zu können. Ohne den Wissensbegriff näher zu erörtern, reicht es an dieser Stelle aus, sich eine grundsätzliche Differenzierung zwischen Produkt und Prozess vor Augen zu halten, die verdeutlicht, dass es nicht möglich ist, wissensbasiertes Verhalten (einen Prozess) vollständig zu explizieren bzw. in einem Dokument zu erfassen (einem Produkt). In Bezug auf die Erstellung von Informatiksystemen haben Peter Naur (1992) und Christiane Floyd (1981) auf die notwendigen Konsequenzen hingewiesen. Betrachtet man Wissen als Prozess und die diesem Prozess zugrunde liegenden Kodifizierungen als Produkt, dann wird deutlich, dass Wissenstransfer ebenso wenig auf die Weitergabe eines Produkts (Dokuments) reduziert werden kann, wie man den Lehrprozess durch das Einsperren der Lernenden in eine Bibliothek ersetzen kann, auch dann nicht, wenn die Bibliothek das Internet ist. Diese Art der grundsätzlichen Differenzierung schlägt sich begrifflich bei vielen Autoren in der Unterscheidung von explizitem, d.h. kodifizierbarem und damit beschreibbarem und implizitem oder stillschweigendem Wissen nieder (Polya, 1973). Wo immer mediale Kodifizierungen von Wissen (oder kurz: Wissensbestände) soziale Prozesse der Wissensaneignung, -erschließung und -pflege ersetzen sollen, sind Probleme vorprogrammiert. Darauf haben in der Informatik bereits in den 70er und 80er Jahren Naur und Floyd hingewiesen. Kürzlich äußerten sich auch namhafte Informatiker zum Problemfeld Wikipedia, indem sie auf sechs grundlegende Probleme hinwiesen2: •

Akkuratheit: Es gibt keine Sicherheit darüber, ob die gefunden Informationen exakt sind.



Motive: Die Motive der Autoren, die zu dem Artikel beigetragen haben, sind unbekannt.



Qualifikation: Es ist sehr schwierig festzustellen, wie gut die Autoren eines Artikels qualifiziert sind.



Flüchtigkeit: Sowohl Beiträge als auch Korrekturen können nachträglich negiert werden. Dies stellt insbesondere ein Problem beim Zitieren dar: Sollte der Artikel in der gelesenen Version oder in seiner jeweils aktuellen Version referenziert werden?

1.

Siehe dazu die Artikel von Marshall Poe „The Hive“ in „The Atlantic online“ unter (http://www.theatlantic.com/ doc/200609/wikipedia) und den daran angelehnten Artikel von Kerstin Kohlenberg „Die Anarchische WikiWelt“ in DIE ZEIT, 07.09.2006 Nr. 37.

2.

Denning et al. (2005)

242

17 Zwischen Web-Präsenz und Grids



Umfang: Da die freiwilligen Beiträge zu guten Teilen die Interessen und das Wissen der jeweiligen Autoren widerspiegeln, folgt die Auswahl der behandelten Themen keinem Plan.



Quellen: Viele Artikel geben keine unabhängigen Quellen an; wenige Artikel zitieren nicht-digitale Quellen, die sich nicht im Internet befinden.

Albert Endres, der mit seinen Betrachtungen zu „Wissen und Wahrheit im Internet“ (Endres, 2006) darauf aufbauend vor einem allzu leichtfertigen Umgang mit dem Internet warnt, hat sich auch grundsätzlicher mit der Frage der maschinellen Verarbeitung von Wissen befasst und stellt fest, dass sie „nur in technischer Hinsicht als eine Weiterentwicklung der Informationsverarbeitung anzusehen“ ist (siehe Endres 2004, S. 206). Entscheidend ist hier nicht die Frage, welches Wissen bis zu welchem Umfang explizierbar und damit auch prinzipiell in maschinelle Prozesse verlagert werden kann bzw. wie mentale Modelle erhoben und in Produkten (Dokumente, interaktive Systeme etc.) abgebildet werden können. Vielmehr geht es darum, sich die typischen Prozesse der Wissensarbeit in Bezug auf die Nutzung von explizitem Wissen anzusehen und diese zum Ausgangspunkt der technischen Betrachtung zu machen. In engem Zusammenhang mit der Frage des impliziten Wissens sind jedoch auch Aspekte zu sehen, die sich auf die Frage beziehen, wie denn Wissensarbeit generell gestaltet ist bzw. welches typische Unterstützungsfunktionen hierfür sein können. Dies ist deshalb erforderlich, weil eine Betrachtung von Portalen, die allein von der Perspektive der traditionellen Einschreibtechnologien getragen wird, Gefahr läuft, die heutigen Formen der Wissensarbeit in virtuellen Räumen aus dem Blick zu verlieren. Auf der einen Seite verdeutlichen diese Überlegungen, dass für eine traditionelle und aufwändige Qualitätssicherung und nachhaltige Erschließbarkeit von Wissensbeständen andere Unterstützungsfunktionen und Organisationsformen erforderlich sind als für die dynamische Wissensarbeit. Auf der anderen Seite laufen Portale, die sich hier nicht positionieren und entsprechend komplementäre Funktionen anbieten, Gefahr an den Bedürfnissen der Wissensarbeitenden, die sie ja letzten Endes bedienen sollen, vorbei zu laufen. Der Begriff Wissensarbeit betont dabei zweierlei. Zum einen die notwendige Nutzung physischer Medien, um Wissen erzeugen, kommunizieren und verarbeiten zu können, zum anderen die Tatsache, dass jedwede Form von Wissensarbeit davon ausgehen muss, dass ein wesentlicher Teil dieser Arbeit darin besteht, bedeutsame Zusammenhänge zwischen Medienobjekten herzustellen, die in dieser Form noch nicht explizit angelegt und physisch repräsentiert sind.

17.6

Portale: Werkzeuge der Wissensarbeit

Portale im Bildungsbereich sind kein Selbstzweck sondern Instrumente für die verteilte Wissensarbeit. Dabei kommt heute kaum ein Prozess der Wissensarbeit ohne Bezug auf mediale Kodifizierungen aus. Dies gilt für traditionelle Arbeitszusammenhänge wie auch im Kontext von Lehren und Lernen. Es stellt sich die Frage, wie denn Wissensarbeit in Bezug auf den Umgang mit solchen medialen Kodifizierungen unterstützt werden kann. Dabei steht in unse-

Reinhard Keil, Harald Selke

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rem Fokus die Betrachtung, wie mit den medialen Kodifizierungen traditionell umgegangen wird und wie sich dies auf den Bereich der digitalen Medien übertragen und sogar noch ausbauen lässt. Eine solche Sicht ist allein nicht ausreichend, um gute mediengestützte Arrangements für die Wissensarbeit zu schaffen, aber sie liefert ein Arsenal neuer Gestaltungsmöglichkeiten. In den Jahrhunderten, in denen – insbesondere beschleunigt durch den Buchdruck – die Schrift ihr Potenzial entfaltete, wurden die damit verbundenen Medienbrüche so selbstverständlich, dass sie uns heute kaum noch bewusst werden; falls doch, fehlte es an einer medientechnischen Alternative. Damit einhergehend wird Wissen zunehmend mit dem gleichgesetzt, was in einen Medienträger eingeschrieben ist. Damit wird Wissen archivierbar und abrufbar. Tatsächlich schicken wir aber Lernende nicht in eine Bibliothek und prüfen nach einer vorgegebenen Zeit ab, was sie gelernt haben. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Prozess der Wissensaneignung ebenso wie der zur Wissenserzeugung anders strukturiert ist als das jeweilige Medienprodukt. Anders ausgedrückt mag das Medienprodukt einen gemeinsamen externen Bezugspunkt darstellen, aber jeder muss vor dem Hintergrund seiner Vorkenntnisse, Kompetenzen und Bedürfnisse seinen eigenen Weg finden. Kein noch so gutes Produkt, auch kein interaktives, kann diesen Weg vollständig abbilden. Hinzu kommt, dass Wissensbestände – seien es Texte, Berechnungen oder Bilder –fortwährend aktualisiert in neue Zusammenhänge eingebettet und eventuell auch komplett erneuert werden. Autoren von Software wie auch von Dokumenten drücken aufgrund ihres jeweiligen Arbeitszusammenhangs, ihrer persönlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Interessen andere semantische Zusammenhänge aus als Nutzer oder Leser. Für Unterhaltungszwecke mag es entscheidend sein, sich der Dramaturgie der jeweiligen Autoren mit den entsprechenden medialen Einschreibungen auszuliefern, doch bei der Wissensarbeit kommt es darauf an, schnell und einfach die Objekte physisch so zusammenzubringen oder gar miteinander zu verknüpfen, dass sie die semantische Sicht der Nutzer und ihrer Aufgaben widerspiegeln, nicht die der Autoren. Daraus begründet sich auch das interessante Phänomen, dass ein substanzieller Teil an geistiger Arbeit vernichtet werden kann, wenn das eigene Medienarrangement z.B. auf dem Schreibtisch durch eine fremde Person durcheinander gebracht wird, oder umgekehrt, wenn die Medienobjekte, die für die Arbeit benötigt werden, nicht in direktem Zugriff bzw. möglichst unmittelbar zur Verfügung stehen. Diese Medienbrüche sind letztlich auch die Motivation für die Entwicklung der Hypertexttechnologie gewesen. Wenn ein Zeichenarrangement einmal (ein-)geschrieben bzw. aufgezeichnet ist, kann der Leser nicht mehr die Zeichen gemäß seiner eigenen semantischen Strukturen arrangieren, indem beispielsweise das, was ihn interessiert, räumlich nah beieinander liegt oder hintereinander abfolgt. Solche semantischen Relationen des Lesers müssen außerhalb des Mediums angelegt werden. Erst mit der Hypertextidee durch Vannevar Bush und Ted Nelson sollte es möglich werden, als Leser nicht nur Teile verschiedener Autorenwerke miteinander zu verknüpfen, sondern selbst auch eigene Textteile mit denen anderer Autoren. Diese von Nelson als „nicht-sequenzielles Schreiben“3 charakterisierte Technik ist leider durch viele Multimedia-CD-ROMs und „Web-based Training“-Programme zu „nicht 3.

„Non-sequential writing“, Nelson (1987), S. DM29.

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17 Zwischen Web-Präsenz und Grids

sequenziellem Lesen“ reduziert worden, wo der Autor auch gleich die Verknüpfungen in einer eingeschriebenen Form mitliefert, die doch eigentlich der Leser gemäß seines Kenntnisstandes selbst herstellen können sollte. Die technische Möglichkeit, das vom Autor gelieferte Zeichenarrangement zu modifizieren, um es zu ändern, zu ergänzen, zu kommentieren, hervorzuheben etc., ist der eigentliche Mehrwert von Hypertext. Nicht sequenziell lesen kann man auch jedes Buch, da die Anordnung der Zeichen ja nicht die Lesereihenfolge festlegt. Hinter den Begriffen Hypertext und Interaktivität steckt letztlich dieselbe Qualität digitaler Medien, die Möglichkeit eines Nutzers unabhängig von den Einschreibungen der Autoren (seien es Schriftsteller oder Softwareentwickler) deren Zeichenarrangements partiell zu verändern, zu arrangieren, zu selektieren und zu ergänzen. Ein klassisches Beispiel ist die Suchfunktion, die z.B. ein Dokument oder die Position eines Wortes in einem Dokument dem Anfrager anzeigt. Potenziell sind alle möglichen Ergebnisse im System angelegt, d.h. bereits eingeschrieben. Aber welches letztlich in welcher Anordnung oder Reihenfolge angezeigt wird, legt der Nutzer erst mit seiner Anfrage fest. Ein Hintergrundprozess wertet (kontinuierlich) das Zeichenarrangement während seiner Erstellung aus und gibt zeitnahe Rückmeldung (Responsivität). Das kann das Unterschlängeln eines fehlerhaften Wortes bei einer Rechtschreibkontrolle sein, das Anzeigen einer Webseite, die sich hinter einem Verweis verbirgt, oder das Ergebnis einer Datenbankabfrage. Interaktivität und Hypertext sind in diesem Sinne klassische Konzepte zur Unterstützung der Wissensarbeit mit dem Computer, denn sie erlauben es jeweils unterschiedliche Arrangements von Wissensobjekten auf der Oberfläche zu erzeugen und zu bearbeiten. Hinzu kommen responsive Funktionen zur Auswertung von einzelnen Objekten oder Objektkonstellationen. Diese Entwicklung gilt es nun auch auf die Wissensarbeit in und mit dem Web zu übertragen und insbesondere die Möglichkeiten des ko-aktiven Schreibens zu integrieren. Der Ansatz des semantischen Positionierens geht dabei noch über die bestehenden Konzepte graphischer Benutzungsoberflächen hinaus.

17.7

Der virtuelle Wissensraum: Die Medi@rena

Um die notwendige Gestaltungsflexibilität zu erhalten, haben wir zur Unterstützung der (lokalen) Wissensarbeit ein Konzept erarbeitet, das wir als virtuellen Wissensraum bezeichnen4 und durch flexible Mechanismen zum semantischen Positionieren zum Konzept der Medi@rena ausgebaut haben. Virtuelle Wissensräume sind dadurch gekennzeichnet, dass sie persistent in einer Datenbank enthaltene Objekte (samt ihrer Attribute) speichern und diese mit weiteren Funktionen zur verteilten Nutzung mit dem erforderlichen Rollen- und Rechtemanagement ausstatten. Ein Wissensraum agiert als ein externes Gedächtnis für Gruppen, Organisationen und virtuelle Gemeinschaften, da mit der vorliegenden Verknüpfung von Kooperations- und Bearbeitungsfunktionen angelegte Objekte über einen längeren Zeitraum gemeinsam bearbeitet werden können. Im Zusammenhang mit der persistenten Haltung von Objekten und deren aktuellem Bearbeitungszustand zeigt sich beim verteilten Zugriff das ko4.

Siehe Geißler, Hampel, Keil-Slawik (2004) sowie Hampel, Keil-Slawik, Selke (2005).

Reinhard Keil, Harald Selke

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aktive (kooperative, koordinierende und kommunikative) Potenzial dieses Ansatzes. So können beispielsweise verschiedene Sichten auf denselben Wissensraum und die enthaltenen Objekte von unterschiedlichen Clients (HTML, FTP etc.) aus existieren. Um nun ein tatsächlich visuelles Arbeiten zu ermöglichen, was die Nähe zum Schreibtisch als Grundlage von Wissensarbeit aufgreift, kann durch die Objektorientierung die Position, die Größe und das Aussehen eines Objektes im virtuellen Raum als ein Attribut gespeichert werden. Durch ein solches semantisches Positionieren (Erren & Keil, 2006) können Objekte grafisch arrangiert werden, und so allein aufgrund ihrer Position eine Bedeutung zugewiesen bekommen. So können grafische Bedeutungszusammenhänge generiert werden, indem einerseits wie auf dem eigenen Schreibtisch Dokumente gestapelt und andererseits Objekte vor einem (bildlichen) Hintergrund arrangiert werden. Das semantische Positionieren schafft eine neue Flexibilität bezüglich der objektorientierten Struktur virtueller Wissensräume und eröffnet die grafische Dimension für kooperatives Arbeiten. Einen ko-aktiven virtuellen Wissensraum, der semantisches Positionieren ermöglicht und Auswertungsmöglichkeiten vorsieht, bezeichnen wir als Medi@rena.

Abb. 17.2

Schlüsselfaktoren für das semantische Positionieren von Medienobjekten

Das Konzept der Wissensräume und der Medi@rena, wie es hier kurz skizziert wurde, mag zwar weit reichend gedacht sein und auch nur einen spezifischen Ansatz darstellen, doch ist auf Dauer davon auszugehen, dass Wissensarbeit in der ein oder anderen Form zunehmend in solche Wissensräume verlagert wird.5 In einer nächsten Stufe ist anzustreben, die Objektorientierung dahingehend zu verstärken, dass Objekte neben ihren Inhalten auch ihre eigenen

246

17 Zwischen Web-Präsenz und Grids

Funktionalitäten mitbringen und so beispielsweise eine auf dem Schreibtisch abgelegte Formel auf verschiedene Weise ausgewertet werden kann, z.B. algebraisch oder als Graph. Entsprechend wird sich auch die Akzeptanz der von Portalen bereit gestellten Mehrwerte daran orientieren, inwieweit sich das Angebot eines Portals in die jeweils lokale Wissensarbeit einbetten lässt. Dieser Abschnitt stellt gewissermaßen einen Exkurs dar und soll verdeutlichen, dass man sich bei der Frage nach der Zukunft von Portalen nicht nur von der aktuellen Technologie oder den dahinter stehenden Annahmen leiten lassen darf. Es geht letztlich um die Unterstützung von Wissensarbeit. Diese ist einem ständigen Wandel unterworfen und stützt sich meist auf die neuesten Medien ab. Dabei wäre noch darauf hinzuweisen, dass dabei nicht nur technische Aspekte eine Rolle spielen, sondern die gesamte Breite der sozialen Wissensorganisation

17.8

Vom Portal zum Grid und zurück

Portale sind ein zentrales Moment insbesondere in der ersten Phase des Web gewesen. Zu diesem Zeitpunkt waren Informationsangebote vielfältig und verstreut. Ihre Bedeutung mag sich angesichts der Entwicklungen im Bereich Web 2.0 deutlich wandeln von der Zusammenfassung der Produkte hin zu der Zusammenfassung der Produzenten. Ein redaktioneller Anteil, der von Seiten der Anbieter erbracht wird, wird aller Voraussicht nach bestehen bleiben. Allerdings tut sich hier ein generelles Problem auf – basierend auf dem Konflikt zwischen Wettbewerb und Zentralisierung – das möglicherweise einer dritten Generation den Weg öffnet, den Wissens-Grids. Bei Portalen bleiben die Dienste isoliert und konkurrieren miteinander. Jeder einzelne dieser Dienste mag eine für den Benutzer relevante Komponente bieten, ohne jedoch jeglichen Bedarf, der sich auch kurzfristig entwickeln kann, abzudecken. Beispielsweise kann ein Dienst Daten zur Verwaltung von Lehrveranstaltungsdaten bereitstellen, ein anderer die inhaltliche Abwicklung von Veranstaltungen durch ausgefeilte didaktische Szenarien unterstützen. An solchen Stellen kommt es notwendigerweise zu Medienbrüchen, die sich durch die GridTechnologie aufheben lassen. Diese Entwicklung kommt ursprünglich aus dem Bereich des Grid-Computing. Der Begriff Grid wurde von Foster und Kesselman (1998) geprägt und bezog sich ursprünglich darauf, ein umfangreiches Berechnungsproblem zu lösen, indem man auf die Ressourcen (Prozessor und Speicherplatz) verschiedener Computer zurückgriff. Mittlerweile hat sich dieser Begriff auch auf den Bereich der Wissensorganisation und des eLearning ausgedehnt (Ritrovato et al., 2005). Kern ist eine Middleware-Architektur, die es gestattet, Dokumente aus heterogenen Umgebungen zusammenzuführen. Dazu müssen in jeder lokalen Umgebung entsprechende Schnittstellen und lokale Clients implementiert sein, durch die sich so genannte Mashups erzeugen lassen. Eine solche verteilte heterogene Umgebung hat den Vorteil, dass alle Beteiligten ihre

5.

Die dahinter stehende Perspektive wird ausführlicher in Keil (2007) dargestellt.

Reinhard Keil, Harald Selke

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lokale Identität und ihre spezifischen Formen der Wissensarbeit bis hin zu verschiedenen Wissensstrukturierungen behalten und zugleich übergreifende Wissensstrukturen aufbauen können. Im Gegensatz zu einem zentralisierten Portal ist es nun nicht mehr nötig, die eigenen Beiträge unter einem gemeinsamen Dach zu publizieren bzw. unter einer gemeinsamen Adresse zugänglich zu machen. Dies mag nicht nur für das Problem des Wettbewerbs relevant sein, d.h. wie und womit sich die meiste Aufmerksamkeit für die eigenen Leistungen erzielen lässt, sondern es reicht hinein bis hin zu den lokalen Arbeitsstilen und individuellen Wissensarrangements. Je mehr Portale es gibt, die ihre Inhalte mit zusätzlichen personalisierbaren Mehrwertdiensten versehen, desto größer wird das Problem, dass die Einstellungen und die Pflege dieser Personalisierungseinstellungen mehrfach und an verschiedenen Orten gemacht werden müssen. Sobald es über Standards und Middleware-Architekturen gelingt, Wissens- und Service-Grids aufzubauen, kann man sich hier mit seinen lokalen Wissensräumen einklinken. Auf der anderen Seite zeigt die bisherige Entwicklung, dass die soziale Qualitätssicherung nicht ohne substantielle Verluste durch neue Formen der Vernetzung oder neue algorithmische Lösungen ersetzt werden kann. Damit verschiebt sich die grundsätzliche Frage, ob Portale überhaupt eine Zukunft haben zu der spezielleren, ob und wie sich der für eine soziale Qualitätssicherung der Wissensbestände erforderliche Aufwand so darstellen lässt, dass die Nutznießer letztlich bereit sind, für die Inanspruchnahme dieses Mehrwertes entsprechende Ressourcen bereit zu stellen. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, ob es gelingt die Portalfunktionen so zu gestalten, dass sie angemessen in die lokale Wissensarbeit eingebettet werden können. Die entscheidende Frage ist, für welche Leistungen unter welchen Bedingungen die Erbringung von Mehrwerten honoriert wird. Portale, die nicht flexibel und schnell genug den sich wandelnden Bedürfnissen an neue Formen der Wissensarbeit Rechnung tragen und neue technische Potenziale ausschöpfen, könnten u. U. schnell bedeutungslos werden. Dies wird hingegen nicht geschehen, wenn die ökonomischen und sozialen Strukturen sich als hinreichend stabil oder träge gegenüber diesen Wandlungsprozessen erweisen sollten. Skepsis diesbezüglich ist aber aufgrund der bisherigen Erfahrungen angeraten.

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