Bildquellen der Neuzeit 3825237168, 9783825237165

Auch Bilder sind historische Quellen. Aber wie können sie in der Geschichtswissenschaft genutzt werden? Bildquellen der

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Bildquellen der Neuzeit
 3825237168, 9783825237165

Table of contents :
Bildquellen der Neuzeit
Bildquellen der Neuzeit
Inhalt
Zur Einführung
Was dieses Buch will
Gliederung und Bildbeispiele
Bilder als Quellen in den Geistes- und Sozialwissenschaften
Bilder als Beweise
Bilder als Repräsentation und Konstruktion
Bilder als Handlung
„Pictorial“ oder „iconic turn“
Was ist ein Bild?
Bildsemiotik
Phänomenologie des Bildes
Visual Cultural Studies
Funktionalistischer Bildbegriff
Hinweise zur Bildanalyse
1. Plakate
Begriff, Funktion und Merkmale
Entstehungsbedingungen
Typologie
Geschichtliche Entwicklung in Europa
Grundlegende Untersuchungen und Analysesansätze
Die Ikonografie der Pathosformeln
Kontextualisierung
Bilddiskurse
Beispiele
a) „Daddy, what did YOU do in the Great War?“
b) „Den Frieden sichern! Das Wettrüsten beenden!“
c) „Blackpool. For Gorgeous Sights“
Leitfragen für die Interpretation
2. Bilderbogen, Karikatur und illustrierte Zeitschrift
Vorläufer: Populäre Druckgrafik der Frühen Neuzeit
Bilderbogen
Illustrierte Zeitschriften
Satirezeitschriften
Karikatur
Grundlegende Untersuchungen und Analyseansätze
Beispiele
a) Bildwitz: „Tempora mutantur“
b) Karikatur: „John Bull“
c) Zeitschriftenillustration: „Mullins’ Hut“
Leitfragen für die Interpretation
3. Postkarten und Sammelbilder
Klein- und Kleinstgrafiken
Technische Voraussetzungen
Sammelbilder
Bildpostkarten
Sammeln
Grundlegende Untersuchungen und Analyseansätze
Beispiele
a) Sammelbilder: „Windhuk“ – „Das electrische Licht“ – „Der Dampf“
b) Postkarten: „Leipzig“ – „Gruss vom Finckenfang“
Leitfragen für die Interpretation
4. Fotografie
Technische Entwicklung
Gebrauchsweisen der Fotografie, Differenzierung und Spezialisierung
Theoretische Annäherungen an die Fotografie
Grundlegende Untersuchungen und Analyseansätze
Beispiel
Sozialdokumentarische Fotografie: „Migrant Mother“
Leitfragen für die Interpretation
5. Film
Geburtsstunde der Filmindustrie
Historische Entwicklung des Films
Filmtheorie und Analyseansätze
Film, Geschichte und Geschichtswissenschaft
Beispiel
Der deutsche Heimatfilm der 1950er Jahre: „Grün ist die Heide“
Leitfragen für die Interpretation
6. Fernsehen
Begriff und Bestimmung des Mediums Fernsehen
Historische Entwicklung des Fernsehens
Fernsehtheorie und Analyseansätze
Fernsehen, Geschichte und Geschichtswissenschaft
Beispiele
a) Sitcom: „Ein Herz und eine Seele“
b) Medienereignis: Die Krönung von Elisabeth II. am 2. Juni 1953
Leitfragen für die Interpretation
Schlussbemerkung
Abbildungsverzeichnis
Bibliografie
Links
Glossar

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Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich

Christine Brocks

Bildquellen der Neuzeit

Ferdinand Schöningh

Die Autorin: Christine Brocks, Dr. phil., lebt und arbeitet als Historikerin, Übersetzerin und freie Autorin in Sheffield. Eine ihrer wichtigsten Veröffentlichungen ist: „Die bunte Welt des Krieges“. Bildpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg 1914-1918, Essen 2008.

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier 嘷 ∞ ISO 9706

© 2012 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart UTB-Band-Nr: 3716 ISBN 978-3-8252-3716-5

Inhalt Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Was dieses Buch will 7 – Gliederung und Bildbeispiele 7 – Bilder als Quellen in den Geistes- und Sozialwissenschaften 8 – Bilder als Beweise 9 – Bilder als Repräsentation und Konstruktion 10 – Bilder als Handlung 11 – „Pictorial“ oder „iconic turn“ 11 – Was ist ein Bild? 13 – Bildsemiotik 14 – Phänomenologie des Bildes 16 – Visual Cultural Studies 17 – Funktionalistischer Bildbegriff 17

1.

Hinweise zur Bildanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Plakate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Begriff, Funktion und Merkmale 25 – Entstehungsbedingungen 25 – Typologie 26 – Geschichtliche Entwicklung in Europa 26 – Grundlegende Untersuchungen und Analysesansätze 29 – Die Ikonografie der Pathosformeln 30 – Kontextualisierung 30 – Bilddiskurse 31

2.

Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

a) „Daddy, what did YOU do in the Great War?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Den Frieden sichern! Das Wettrüsten beenden!“ . . . . . . . . . . . . . . . c) „Blackpool. For Gorgeous Sights“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Leitfragen für die Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bilderbogen, Karikatur und illustrierte Zeitschrift . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorläufer: Populäre Druckgrafik der Frühen Neuzeit 43 – Bilderbogen 43 – Illustrierte Zeitschriften 44 – Satirezeitschriften 45 – Karikatur 46 – Grundlegende Untersuchungen und Analyseansätze 46

3.

Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Bildwitz: „Tempora mutantur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Karikatur: „John Bull“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitschriftenillustration: „Mullins’ Hut“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Leitfragen für die Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Postkarten und Sammelbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Klein- und Kleinstgrafiken 65 – Technische Voraussetzungen 65 – Sammelbilder 66 – Bildpostkarten 67 – Sammeln 68 – Grundlegende Untersuchungen und Analyseansätze 69

6

4.

Inhalt

Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Sammelbilder: „Windhuk“ – „Das electrische Licht“ – „Der Dampf“ . . b) Postkarten: „Leipzig“ – „Gruss vom Finckenfang“ . . . . . . . . . . . . . .

70 77

Leitfragen für die Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

Fotografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

Technische Entwicklung 85 – Gebrauchsweisen der Fotografie, Differenzierung und Spezialisierung 86 – Theoretische Annäherungen an die Fotografie 87 – Grundlegende Untersuchungen und Analyseansätze 89

5.

Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

Sozialdokumentarische Fotografie: „Migrant Mother“ . . . . . . . . . . . . .

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Leitfragen für die Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Geburtsstunde der Filmindustrie 105 – Historische Entwicklung des Films 105 – Filmtheorie und Analyseansätze 108 – Film, Geschichte und Geschichtswissenschaft 109

6.

Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111

Der deutsche Heimatfilm der 1950er Jahre: „Grün ist die Heide“ . . . .

111

Leitfragen für die Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119

Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Begriff und Bestimmung des Mediums Fernsehen 123 – Historische Entwicklung des Fernsehens 123 – Fernsehtheorie und Analyseansätze 126 – Fernsehen, Geschichte und Geschichtswissenschaft 127 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Sitcom: „Ein Herz und eine Seele“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Medienereignis: Die Krönung von Elisabeth II. am 2. Juni 1953. . . .

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Leitfragen für die Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139

Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bibliografie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149

Links. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zur Einführung Vor etwa 15 Jahren hätte ein Studienbuch wie dieses mit einem emphatischen Plädoyer für das Bild als historische Quelle begonnen, hätte die Vorzüge und den Wert von Bildern geschildert und ihre Verwendung als reine Illustration beklagt. Dies ist heute kaum noch nötig. Ob Foto, Zeichnung, Plakat, Postkarte, Sammelbild oder Zündholzschachtelmotiv, jede mögliche Art von Bildquelle wird mittlerweile von Historikern benutzt. Spätestens seitdem der amerikanische Kunsthistoriker William J. T. Mitchell 1992 den „pictorial turn“ ausrief, gefolgt vom „iconic turn“ seines deutschen Kollegen Gottfried Boehm zwei Jahre danach, sind Bilder en vogue (Mitchell 1992, Boehm 1994). Und dies gilt nicht nur für die Geschichtswissenschaft, sondern auch für benachbarte Geistes- und Sozialwissenschaften, für Pädagogik, Volkskunde, Soziologie, Kultur- und Politikwissenschaft.

Was dieses Buch will Ausgehend von der zunehmenden Bedeutung von Bildquellen in den Sozial- und Geisteswissenschaften sollen im Folgenden die wichtigsten theoretischen, methodischen und praktischen Aspekte rund um die historische Bildinterpretation zusammengefasst werden. Der vorliegende Band versteht sich dabei explizit als Brücke zwischen Forschung und Praxis. Er wird in den einzelnen Kapiteln besonders originelle und wegweisende Bildanalysen vorstellen, um dem Leser dann Hinweise zum eigenen Umgang mit Bildern als Quellen an die Hand zu geben.

Gliederung und Bildbeispiele Zeitlich werden visuelle Quellen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, also seit dem Beginn der „Sattelzeit“ der modernen Bildpublizistik, bis in die Gegenwart betrachtet (Reichardt 2007: 5). Damit sind vor allem Bilder gemeint, die in einer Zeit der modernen Reproduktionstechnik für Abbildungen entstanden. Einzelne Kunstwerke und Bilder nur für den Privatgebrauch fallen dementsprechend nicht darunter.1 Der Band gliedert sich in zwei Teile mit je drei Kapiteln, die insgesamt sechs verschiedene Bildgattungen vorstellen. Der erste Teil beschäftigt sich mit 1

Kunstwerke als historische Quellen werden hier nicht eigens behandelt. Der Historiker Bernd Roeck hat dazu eine ausführliche Studie vorgelegt, in der er unter einer sozial- und kulturhistorischen Perspektive Kunstwerke als Quellen ernst nimmt. Er betrachtet in erster Linie Bilder ab dem 15. Jahrhundert und diskutiert wichtige Fragen der aktuellen Forschung dieser Zeit, wie zum Beipiel die Idee des Individuums, der öffentlichen Repräsentation und die beginnende Säkularisierung (Roeck 2004).

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Zur Einführung

Bildern aus dem Bereich der Druckgrafik. Als großformatige Vertreter werden im ersten Kapitel Plakate vorgestellt, im zweiten Bilderbögen, Karikaturen und Zeitschriftenillustrationen, um im dritten mit Kleinstgrafiken wie Postkarten und Sammelbildern diesen Bereich abzuschließen. Im zweiten Teil stehen die neueren Bildmedien im Vordergrund, angefangen mit der Fotografie im vierten Kapitel, dem Film im fünften und dem Fernsehen im sechsten Kapitel. Viele andere Bildgattungen, zu denen ebenfalls interessante ältere und neuere Untersuchungen vorliegen, konnten aus Platzgründen nicht herangezogen werden.2 Die folgenden sechs Kapitel folgen einem ähnlichen Aufbau. Jedes schildert zunächst in einem knappen historiografischen Abriss die ökonomische und technische Entwicklung der jeweiligen Bildgattung in Europa. Dann werden kritisch die wichtigsten theoretischen Ansätze diskutiert, die für die jeweilige Quellenart vorliegen. Schließlich sollen einige ausgewählte Methoden vorgestellt und an einem oder mehreren Bildbeispielen erläutert werden. Sie demonstrieren, welche spannenden neuen Denkanstöße in den letzten Jahren für die Bildanalyse entwickelt worden sind. Leitfragen für die eigene Interpretation von Bildquellen stehen am Ende jedes Kapitels. Bezogen auf die jeweilige Quellengattung erläutern sie die wichtigsten Schritte der praktischen Analysearbeit und geben Hinweise zur Recherche.

Bilder als Quellen in den Geistes- und Sozialwissenschaften Der neue Enthusiasmus für Bilder sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch schon vor dem „iconic turn“ Geistes- und Sozialwissenschaften durchaus nicht gänzlich bilderfeindlich waren. So sorgte der schweizer Historiker Jacob Burckhardt (1818-1897) durch seine Studien der italienischen Kunst und Kultur des 15. und 16. Jahrhunderts für ein tieferes Verständnis der gesamten Epoche der Renaissance. Der Engländer John Ruskin (1819-1900) legte Mitte des 19. Jahrhunderts ein kulturgeschichtlich bedeutendes Buch zur Architektur Venedigs vor und der deutsche Historiker Karl Lamprecht (1856-1915) hielt in der historiografischen Analyse die Kultur für entscheidender als die Politik (Burckhardt 2009 [1860]; Ruskin (1903); Lamprecht (1974 [1886/87]). Pierre Bourdieu ist nur einer von mehreren Soziologen, die in ihren Schriften das Visuelle als Bestandteil der Kultur herausstellen. In seinem Hauptwerk „Die feinen Unterschiede“ geht der Franzose davon aus, dass Geschmack und Kultur nicht individuell bestimmt, sondern gesellschaftlich vermittelt sind (Bourdieu 2011). 2

Zu Druckgrafiken mit religiösen Motiven, Wandschmuck, Kalender, Tausch- und Abziehbilder oder Briefmarken vgl. Pieske 1988; Brückner/Brückner 2001; Gerndt/Haibl 2005. Karten als historische Quellen werden seit den 1990er Jahren mit Hilfe von neuen, dekonstruktivistischen Ansätzen diskutiert; vgl. Harley 1989; Wood 1993; Schneider 2004. Zu den Abbildungen der Neuen Medien aus dem Internet, Video- und Computerspielen vgl. Schwarz 2010.

Zur Einführung

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Viele Historiker, die sich mit Bildern beschäftigten, taten dies aus der Notwendigkeit heraus, die der Mangel an Textquellen in ihren Untersuchungsbereichen mit sich brachte. Zunächst waren das Historiker des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Rainer und Trude Wohlfeil legten in den 1980er Jahren den Grundstein für die Historische Bildkunde, die sich durch die Unterstützung von Brigitte Tolkemitt und Heike Talkenberger innerhalb der Forschungen zur Frühen Neuzeit verbreitete (Tolkemitt/Wohlfeil 1991; Talkenberger 1994). Die Historische Bildkunde basiert auf der ikonologischen Analysemethode, die Erwin Panofsky (1892-1968) in den 1930er bzw. 1950er Jahren entwickelt hat (Panofsky 1932; 1955). Auf Historiker der Zeit ab 1800 oder gar der Zeitgeschichte hatten diese Studien allerdings nur geringen Einfluss. Jene Forscher, die sich heute innerhalb der Neueren Geschichte mit visuellen Quellen beschäftigen, tun dies eher auf Anregungen aus den benachbarten Kultur- und Literaturwissenschaften, der Volkskunde, der Medien- und der Filmwissenschaft hin und wenden sich explizit gegen den herrschenden Trend von der Übermacht des Wortes. Für die Zeit ab 1800 liegt mittlerweile eine große Anzahl von Studien vor, die Bilder als historische Quellen verwenden (Brocks 2013; Paul 2006). Sie lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen, denen ein jeweils unterschiedliches Verständnis von Bildern zu Grunde liegt.

Bilder als Beweise Eines der Kriterien, unter denen Bilder als Quellen analysiert werden, ist das der Evidenz. Besonders seit der Entwicklung der Fotografie haben Historiker visuelle Quellen in Hinblick auf ihre Beweiskraft betrachtet. Zahlreiche Studien tun dies, ohne den Charakter der Evidenz von Bildern zu hinterfragen. Hier wird schlichtweg vorausgesetzt, dass fotografische Bilder genau das abbilden, was zum Zeitpunkt der Aufnahme einmal war. Evidenz spielt eine wichtige Rolle in der realienkundlichen Verwendung von Bildern. In manchen Untersuchungsfeldern wie zum Beispiel in den postkolonialen oder den Gender-Studien, aber auch bei manchen sozialhistorischen Fragestellungen liegen oft keine schriftlichen Quellen vor, so dass auf visuelle Quellen zurückgegriffen werden muss. Solche Studien mit einem realienkundlichen Zugang benutzen bestimmte Methoden, um mögliche Fehlinterpretationen auszuschließen. Dazu gehören Formen der Einordnung und Kontextualisierung, die denen der Textanalyse entsprechen. Sie können sich im Einzelfall oft schwieriger gestalten und mehr Fachkenntnisse erfordern, als es die kurze Erwähnung hier andeutet. Auch wenn auf diese Weise die Evidenz eines bestimmten Bildes kritisch unter die Lupe genommen wird, gehen Vertreter dieses pragmatischen Ansatzes doch davon aus, dass Fotografien und anderen technischen Bildern prinzipiell eine objektive Evidenzkraft zukommt. An diesem Punkt setzt eine dritte Sichtweise an. Sie problematisiert den Charakter der Bildevidenz, indem sie davon ausgeht, dass Evidenz grundsätzlich kein objektives,

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Zur Einführung

also unabhängig von subjektiven Faktoren existierendes Kriterium ist. So hat die Wissenschaftstheoretikerin Lorraine Daston gezeigt, dass selbst der Begriff ‚Fakt‘, der auf das lateinische Verb facere zurückgeht und das Gemachte, Konstruierte meint, einen radikalen Bedeutungswandel erlebte und sich erst seit etwa dem 18. Jahrhundert zu dem Gegenbegriff von ‚Fiktion‘ entwickelt hat. Evidenz in diesem Sinne ist also wandelbar und abhängig von historischen und kulturellen Kontexten (Daston 2001).

Bilder als Repräsentation und Konstruktion Eine zweite Möglichkeit der Verwendung von visuellen Quellen basiert auf der Annahme, dass Bilder nicht Wirklichkeiten abbilden, sondern diese konstruieren und repräsentieren. Gemeint ist, dass nicht der Wahrheitsgehalt von Bildern auf dem Prüfstand steht, sondern dass mit Hilfe von Bildern und ihrer Analyse eine bestimmte Wirklichkeit aufgespürt werden soll, die über Texte nur schwer zu ermitteln ist. Der Begriff der Repräsentation impliziert eine Stellvertreterfunktion von Bildern. Das Verhältnis zwischen einem Bild und dem, was es repräsentiert, wird in der Regel als eine symbolische Relation begriffen. Die Methoden, um den Bedeutungsgehalt der Repräsentation zu erschließen, können verschieden sein. Sie gleichen sich jedoch in der Voraussetzung, dass in Bildern als Repräsentationen bestimmte Bedeutungen gespeichert sind. Viele Untersuchungen im Rahmen der Mentalitäts- und Alltagsgeschichte, um nur einen Bereich zu nennen, benutzen visuelle Quellen auf diese Weise, um kollektive Deutungen und Sinnzuschreibungen, Erfahrungsgehalte und Gewohnheiten zu entschlüsseln. Bilder als Repräsentationen zu verstehen, ist nicht dasselbe wie sie als Konstrukte zu bezeichnen, auch wenn diese beiden Sichtweisen oft Hand in Hand miteinander einhergehen. Mit dem Begriff des Konstrukts wird die Geschaffenheit des jeweiligen Gegenstands und damit seine Abhängigkeit vom Hersteller betont. Dies mag mancher gängigen Vorstellung von der Objektivität und Evidenz der Fotografie widersprechen. Betrachtet man die theoretischen Überlegungen zur Konstruiertheit von Bildern, überwiegen sicherlich die Befürworter dieser Annahme. Dennoch wird die Diskussion und Beachtung dieses wichtigen Punktes in manchen empirischen Untersuchungen und Bildanalysen vernachlässigt und die Evidenz und Objektivität von Fotos stillschweigend vorausgesetzt. Versteht man Bilder als Konstrukte, wird ihre historische Analyse dekonstruktivistisch und muss versuchen, ihre „technischen, politischen, ökonomischen, ästhetischen, diskursiven und sozialen Konstruktionsbedingungen“ zu rekonstruieren (Sarasin 2007: 77).

Zur Einführung

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Bilder als Handlung Eine dritte Gruppe von bildbetrachtenden Studien geht noch einen Schritt weiter. Es wird nicht geleugnet, dass Bilder Konstrukte sind. Darüber hinaus wird angenommen, dass Bilder selbst eine aktive, konstruierende Wirkung haben, dass sie „eine Form des sozialen Handelns“ sind, „agieren“ bzw. „agents“ sind (Assmann 2004: 103; Roeck 2004: 267). Sie geben „Geschichte nicht nur passivisch“ wieder, sondern stehen zu ihr auch in einem „gestaltenden Verhältnis“ (Bredekamp 2004: 29). Bilder – und hier sind veröffentlichte Bilder gemeint – gestalten und bestimmen unsere Vorstellungen von Wirklichkeit. Und dies gilt nicht nur für historische Wirklichkeiten, sondern auch für aktuelle politische und naturwissenschaftliche. Bilder tun dies vehement als „Medienikonen“, „Schlagbilder“ oder „Schlüsselbilder“, prinzipiell aber auch als einfache Abbildungen unseres Alltags über bestimmte Zeiten oder Themen (Paul 2009: 9). Innerhalb der Geschichtswissenschaft hat sich hierfür die Rede von den „Bildakten“ durchgesetzt (Bredekamp 2004; 2010; Assmann 2004: 99ff.). Ursprünglich stammt der Begriff aus der philosophischen Diskussion und wird in diesem Kontext sehr viel weiter gefasst (Kjørup 1978). Hiernach konstituiert sich etwas überhaupt erst als ein Bild, wenn wir es als solches wahrnehmen. Bilder existieren also weder außerhalb einer Kommunikationssituation, noch haben sie vom Betrachter unabhängige Eigenschaften. Auch innerhalb der Geschichtswissenschaft impliziert die Betrachtung von Bildern als „Bildakten“ eine fundamentale Verschiebung des Fokus: Nicht mehr das Bild selbst, seine Sinnmuster oder sein Konstruktcharakter stehen hier im Mittelpunkt, sondern seine Wahrnehmung, seine Wirkung, seine Interpretation und seine Funktion – oder kurz: der Blick auf das Bild. Dieser funktionalistische Ansatz der Bildbetrachtung ist innerhalb der Geschichtswissenschaft vor allem in der Memoriaforschung realisiert worden (Brink 1998; Knoch 2001). Kollektive Erinnerung von historischen Prozessen, so die Annahme, konstituiert sich über die Wahrnehmung von Bildern aus dieser Zeit.

„Pictorial“ oder „iconic turn“ Die grundlegende Entscheidung, Bilder entweder als Beweise, als Repräsentationen, Konstrukte oder als Bildakte zu betrachten, ist entscheidend für die Wahl des methodischen Vorgehens bei der Bildanalyse. Es ist nicht überraschend, dass sich in der Geschichtswissenschaft ein Mix an Methoden mit großer Bandbreite entwickelt hat. Anleihen bei anderen Disziplinen sind daher notwendig, weshalb es unabdingbar ist, sich mit diesen stärker vertraut zu machen. Denn bevor man sich fragt, was Bilder aussagen, sollte man sich klar werden darüber, was sie sagen können, und dies wiederum ist eng verknüpft mit der Prämisse, was Bilder überhaupt sind. Insofern sind auch für Historiker die grundsätzlichen Debatten der philosophischen Bildwissenschaft eine wichtige Voraussetzung – wie immer steht

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vor der Praxis die Theorie. Es soll daher als Ausgangspunkt noch einmal der „turn“ in den Blick genommen werden, der „pictorial“ oder „iconic“ genannt worden ist (Bachmann-Medick 2006: 329-380). Die paradigmatische Wende, die Anfang der 1990er Jahre fast zeitgleich und unabhängig voneinander auf zwei Kontinenten ausgerufen wurde, kann als Antwort auf zwei Entwicklungen verstanden werden. Zunächst ist dies die ungeheuere Bilderflut, mit der moderne Gesellschaften seit dem späten 19. Jahrhundert überschüttet werden. Bilder sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Demgegenüber legen die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften ein nicht nachzuvollziehendes Desinteresse an Bildern an den Tag. Sie halten weiterhin am Monopol der Sprache fest, deren Wurzeln in der abendländischen Philosophie liegen. Sprache ist immer als das Medium des Logos und der Erkenntnis betrachtet worden, das deshalb gleichzeitig als Instrument und Gegenstand für Analyse, Interpretation und Wissenserwerb galt. Für die Vertreter des „pictorial“ oder „iconic turn“ fand dieser Hegemonieanspruch im „linguistic turn“ der späten 1960er Jahre seinen Höhepunkt (Rorty 1967). Nicht nur sollte danach das Denken selbst nach linguistischen Regeln verlaufen. Auch kulturelle Phänomene jeder Art wurden unter diesem Vorzeichen nun wie Texte behandelt, ‚gelesen‘ und interpretiert. Die Literaturwissenschaft übernahm die Führungsrolle in der Weiterentwicklung dieses Ansatzes. Der „linguistic turn“ gipfelte schließlich in der Metapher von der ‚Kultur als Text‘. Doch die Anhänger des „pictorial“ oder „iconic turn“ der 1990er Jahre wollen nicht einfach die Vorherrschaft des Wortes durch die des Bildes ersetzen. Zumindest einige von ihnen versuchen nachzuweisen, dass die lange angenommene Sprachlichkeit des Denkens ein grundlegender Irrtum sei und wir vielmehr in Bildern anstatt in Worten denken (Mitchell 1992). Erkenntnis und Logos sind danach keine Sache der Sprache. Wenn dies so ist, kann aber auch ‚Kultur‘ nicht mehr wie ein Text gelesen und interpretiert werden. Vertreter jenes Paradigmenwechsels votieren daher nicht nur für die Beschäftigung mit neuen Themenfeldern und Fragestellungen im Bereich der Kultur, sondern auch für die Einführung neuer Methoden und neuer Perspektiven auf die Kultur von Seiten der beobachtenden Wissenschaften (Mitchell 2002; Belting 2001; Bredekamp 2010; SachsHombach 2003). Der „pictorial“ oder „iconic turn“ hat mittlerweile nicht nur zu heftigen Debatten über seine eigene Legitimität und Anwendbarkeit in den verschiedenen Einzelwissenschaften, sondern auch zu einer mitunter recht emotional geführten Debatte um die Bildkompetenz zwischen den beteiligten Disziplinen geführt. Analog zur Literaturwissenschaft als Wortführerin des „linguistic turn“ beansprucht die Kunstgeschichte die Führungsrolle in der Folge der neuen Wende. Sie kann für sich ins Feld führen, dass sie traditionell schon immer mit der Analyse von Bildern betraut gewesen und in der Lage ist, sowohl erprobte Theorie- als auch Methodenapparate bereitzustellen. Die Hegemonieansprüche der Kunstwissenschaft sind nicht unbestritten geblieben. Besonders im angelsächsischen

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Raum wurden Ansätze in gewollter Konkurrenz zur Kunstgeschichte entwickelt. So entstanden in Großbritannien nach dem Vorbild der in Birmingham etablierten Culture Studies die Visual Culture Studies, in den USA die Visual Studies. So unterschiedlich die zwei angelsächsischen Varianten in vielen Details auch sind, beide betonen ihre interdisziplinäre Ausrichtung, ja verkünden gar, gänzlich auf das strenge Korsett einer wissenschaftlichen Disziplin verzichten zu wollen und sich fortan als Un-Disziplin oder Trans-Disziplin zu betrachten (Mitchell 2003: 47; Elkins 2003: 28). In Deutschland fanden die Visual Studies kaum Nachahmer. Hier entstand in den späten 1990er Jahren zwar auch eine Initiative zur Begründung einer interdisziplinären Bildwissenschaft, doch blieben deren Vertreter auf Distanz zu den angelsächsischen Kollegen. Die deutschsprachige Bildwissenschaft geht von einem Ansatz aus, der systematisch geleiteten Interessen der Philosophie und Grundlagen der Kunstwissenschaft folgt. Bisher ist sie weder institutionell verankert – seit einigen Jahren existiert unter der Leitung des Philosophen und Bildwissenschaftlers Klaus Sachs-Hombach immerhin ein virtuelles Institut für Bildwissenschaft –, noch hat sie ein einheitliches theoretisches Programm. Als weitere Protagonisten sind auch die Medien- und Kommunikationswissenschaften in die interdisziplinäre Debatte um die Bildhegemonie eingestiegen, geht man hier doch davon aus, dass Bilder medial vermittelt wahrgenommen werden und visuelle Formen der Kommunikation sind (Kittler 2002).

Was ist ein Bild? Im Kern dreht sich die Debatte über die Funktion und die Bedeutung von Bildern darum, was ein Bild überhaupt ist, was etwas zu einem Bild macht und in welcher Weise sich Bilder von Texten unterscheiden. Von der Beantwortung dieser Fragen hängt ab, welche methodischen Ansätze man für ihre Analyse wählt. Sowohl zwischen den genannten Fachrichtungen als auch unter ihren jeweiligen Vertretern gibt es hier keine einhellige Auffassung. Übereinstimmung liegt darüber vor, dass der Zugang zu Bildern ein recht sperriger ist, bei dem man grundsätzlicheren Schwierigkeiten gegenübersteht als bei Texten. Bilder machen es uns schwer, weil sie immer zweierlei sind: Bilder sind sowohl materielle Artefakte als auch visuelle Medien, sie sind Objekte, aber auch der von ihnen transportierte Inhalt. Sie stellen etwas dar, was sie selbst nicht sind. Sie zeigen sich und zeigen anderes. Sie sind materiell und immateriell, Inhalt und Form, „picture“ und „image“ (Schulz 2009: 97). Dieser Doppelstatus ist von vielen Autoren in unterschiedlichen Ausprägungen, aber in immer der gleichen Dichotomie beschrieben worden. Wie also kommt man ihnen näher? Die unterschiedlichen Forschungsrichtungen lassen sich verkürzt zu zwei dominierenden Lagern bündeln: Zum einen sind dies sprachphilosophische und semiotische oder zeichentheoretische, zum anderen essentialistische, phänomenologische und wahrnehmungspsychologische Ansätze.

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Bildsemiotik Die Bildsemiotik, die eng mit dem „linguistic turn“ verknüpft ist, sieht Bilder ebenso wie Texte als Zeichen für etwas, das sie repräsentieren (Goodman 1968: 17). Sie stützt sich auf moderne Zeichentheorien, denen gemeinsam ist, dass sie nicht von einem einfachen bipolaren Verhältnis zwischen Zeichen und bezeichnetem Objekt ausgehen – im Sinne eines zeichenhaften Stellvertreters für das bezeichnete Objekt –, sondern von einer Dreierrelation. Bei Charles Sanders Peirce ist dies die Triade zwischen dem Repräsentamen, das als Zeichen ein Objekt repräsentiert, dem Objekt, das repräsentiert wird, und dem Interpretant, das als ein dem Repräsentamen entsprechendes Zeichen im Adressaten mental entsteht (Peirce 1991: 47). Ferdinand de Saussures triadisches Modell geht von einem Zeichen aus, das zweierlei ist: Als Signifikant (Bezeichnendes) ist es der Träger des Zeichens und verkörpert die materielle oder Ausdrucksseite, als Signifikat (Bezeichnetes) ist es Inhalt und Bedeutung des Zeichens (Saussure 1967: 77). Beide Seiten des Zeichens verweisen auf den Referenten, also das Objekt.

Signifikat = Bezeichnetes Begriff, Inhalt, Bedeutung Signifikat bezieht sich auf Referenten. Signifikat und Signifikant (zusammen das Zeichen) repräsentieren den Referenten

Signifikant und Signifikat machen das Zeichen aus, sind die zwei Seiten des Zeichens

Signifikant=Bezeichnendes Ausdrucksseite des Zeichens z.B. Wort als Laut, Wort als Schriftzeichen, Bild

keine unmittelbare Relation zwischen Signifikant und Referent

Zeichenmodell nach Ferdinand Saussure

Referent Ding, Objekt, Sachverhalt, das worauf sich der Signifikant bezieht

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Repräsentantem Zeichen

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Interpretant entsteht mental im Adressaten

Objekt wird vom Repräsentantem repräsentiert Zeichenmodell nach Charles S. Peirce

Ob Peirce oder Saussure, für beide Modelle ist wesentlich, dass sie von einer konventionellen und arbiträren Verbindung zwischen Repräsentamen und Interpretant oder zwischen Signifikant und Signifikat ausgehen. In schlichteren Worten ist damit gemeint, dass Objekt und Zeichen nicht von Natur aus zusammengehören, sondern dass Zeichen erstens willkürlich für Objekte eingesetzt werden und dass zweitens ihre Verwendung auf Übereinkunft und Tradition beruht. Für die Sprache leuchtet eine solche Voraussetzung unmittelbar ein, hat doch das Objekt ‚Baum‘ mit dem Wort ‚Baum‘ von Natur aus nichts gemeinsam. Die Verbindung zwischen dem Wort und dem Ding, zwischen dem Zeichen und der Referenz ist willkürlich und basiert auf Konventionen. Bei Bildern scheint dies weniger offensichtlich. Das Bild von einem Baum bezeichnet deshalb einen Baum und wird als Bild eines Baumes erkannt, weil es aussieht wie ein Baum, weil es ihm anscheinend ähnlich ist. Damit scheint die Verbindung zwischen visuellem Zeichen und Objekt keineswegs willkürlich oder konventionell, sondern determiniert. In einer langen Tradition sind Bilder in erster Linie als Abbilder von etwas betrachtet worden, deren Verbindung mit dem abgebildeten Objekt auf der Eigenschaft der Ähnlichkeit basierte. Schon während der ‚Krise der Repräsentation‘ innerhalb der bildenden Kunst im 19. Jahrhundert, als die Malerei den Druck der konkurrierenden Fotografie erlebte und sich in der Folge mehr und mehr vom Ideal der Ähnlichkeit in der Abbildung entfernte, zeigten sich die Schwierigkeiten einer naiven Abbildtheorie für Bilder. Seit den Überlegungen des amerikanischen Philosophen Nelson Goodman (1906-1998) geriet sie schließlich auch theoretisch massiv in die Kritik, kann sie doch nicht erklären, in welcher Eigenschaft die behauptete Ähnlichkeit zwischen Bild und Objekt bestehen soll. Der italienische Semiotiker Umberto Eco zeigte schlüssig, dass Ähnlichkeit immer schon auf kulturell geprägten Konventionen beruht und erlernt werden kann (Eco 1972: 200ff.).

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Die These, dass es sich bei Bildern um visuelle Zeichen handelt, die konventionell und arbiträr sind, führt folgerichtig zu der zweiten Annahme, dass sie einem bestimmten Code unterliegen. Jeder Code setzt sich aus Konstitutionsregeln zusammen, die es ermöglichen, dass Botschaften überhaupt einen Sinn haben. Dies ist entscheidend für die eigentliche Interpretation von Bildern oder Texten. Will man ihre Bedeutung finden, gilt es, ihren Code zu entschlüsseln und gleichzeitig zu untersuchen, nach welchen Mechanismen dieser Code funktioniert. Die Semiotik fragt also immer auch nach der Art und Weise, wie Botschaften bestimmte Bedeutungen vermitteln können. Dabei ist klar, dass sich diese Bedeutung mit den Intentionen des Autors der Botschaft decken kann, aber nicht notwendigerweise muss. Moderne bildsemiotische Ansätze haben die strikte Gleichsetzung von Bildern und Texten ebenso wie die bedingungslose Ablehnung der Ähnlichkeitstheorie längst hinter sich gelassen. Eine Reihe von Vorschlägen steht heute zur Diskussion, die den besonderen visuellen Charakter der Bilder als Zeichen betonen. Klaus Sachs-Hombach spricht beispielsweise von Bildern als „wahrnehmungsnahen Zeichen“ (Sachs-Hombach 2003). Oder es wird auf ein Ähnlichkeitsprinzip rekurriert, das nichts mit einer Abbildtheorie zu tun hat, da es nicht auf Eigenschaften basiert (Rehkämper 2002). William J. Thomas Mitchell (der zu einem der Hauptkritiker der reinen Bildsemiotik zählt) hat hier die Metapher der „Familienähnlichkeit“ geprägt (Mitchell 1986: 9ff.). Dennoch bleibt die Hauptannahme der Semiotik bestehen, nach der Bilder als Zeichen aufgefasst werden.

Phänomenologie des Bildes Gegen die Annahme, dass Bilder Zeichen sind, wenden sich zahlreiche Wissenschaftler unterschiedlichster Provenienz. Sie geben zu bedenken, dass man Bildern, wenn man sie als Zeichen sieht, ihre spezifische Bildlichkeit nimmt. Bilder, so die These, unterscheiden sich ontologisch grundlegend von Texten, dass sie als zwei Gruppen gänzlich verschiedener Phänomene aufgefasst werden müssen (Mitchell 1986: 47). Die besondere Bildlichkeit lasse sich nicht in Sprache übersetzen. Das Eigentliche der Bilder, das vor aller Versprachlichung existiert, entspricht ganz der Phänomenologie des Philosophen Edmund Husserl (1859-1938), auf den sich moderne Bildphänomenologen wie Gottfried Boehm berufen. Bilder werden hier nicht als Repräsentanten von etwas begriffen, sondern ihnen wird eine Art Eigenleben zugeschrieben. Diese eigene Evidenz, das Nicht-Sprachliche, Nicht-Begriffliche und Un-Übersetzbare des Visuellen nennt Boehm die „ikonische Differenz“, in Anlehnung an Husserls ontologische Differenz (Boehm 1994). Analog dazu ist Wahrnehmen kein wiederholender, reproduzierender und interpretierender Akt, sondern ein schöpferischer.

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Visual Cultural Studies Kritisieren die Phänomenologen und einige Kunsthistoriker die Bildsemiotik aus ontologischen Gründen, so etablieren die Anhänger der angloamerikanischen Visual Culture Studies eine gänzlich neue Perspektive. Sie stellen nicht die Interpretation von Bildern in den Mittelpunkt ihres Forschungsinteresses, sondern die Interpretation der Welt durch Bilder, oder anders gesagt, die Sichtbarkeit unserer Alltagswelt an sich. Dieser Perspektivwechsel führt zur einer enormen Themenund Methodenvielfalt. Als Vordenker werden gemeinhin Walter Benjamin und Michel Foucault zitiert, dessen Kategorien Wissen, Macht und Sexualität als Leitideen der Visual Culture Studies gesehen werden können. Angelehnt an die Foucaultsche Vorstellung der Diskurse, die die Ordnung der Gesellschaft bestimmen, sieht beispielsweise Mitchell die visuelle Kultur bestimmt durch die visuellen Konstruktionen des Sozialen – die Bilder (Mitchell 2002: 170). Das Soziale bestimmt danach nicht nur unser Sehen, unser soziales Handeln wird vielmehr bestimmt durch die Tatsache, dass wir sehen (Mierzoeff 2006). Generalisierend könnte man sagen, dass die Visuelle Kultur, die den Gegenstandsbereich der Visual Studies oder Visual Culture Studies darstellt, schlicht das ist, was man sieht. In diesem Verständnis ist das, was man sieht, das Resultat der Handlungen aller (Elkins 2003: 4). Bilder einfach nur als Zeichen oder gar Repräsentanten für etwas anderes aufzufassen, wie die Semiotik es nahelegt, geht den Vertretern der Visual Culture Studies daher am Kern des Problems vorbei. Die üblicherweise gewählten Gegenstandsbereiche der Visual Culture Studies deuten die Verflochtenheit dieser Forschung mit politischen und sozialen Fragen an. Im Wesentlichen beschäftigen sie sich mit Themen der Gender-, Sexualitäts-, Postkolonial- und Ethnizitätenforschung.

Funktionalistischer Bildbegriff Bis hierher mag es scheinen, als habe man sich entweder der semiotischen oder der phänomenologischen Perspektive anzuschließen. Möglicherweise ist aber auch ein dritter Weg denkbar, der diese Dichotomie unterläuft. Philosophisch hat Günter Abel versucht, den Gegensatz zwischen dem Bild als Zeichen und dem Bild als Phänomen auszuhebeln, indem er an einem Punkt ansetzt, der noch vor dieser Unterscheidung liegt: der Wahrnehmung. Denn, so seine These, das Bild ist in dem Augenblick, in dem es wahrgenommen wird, schon Anschauung und Begriff gleichermaßen. Dieser interne Zusammenhang zwischen Bildlichem und Kognitivem ist laut Abel in der erfolgreichen Bildverwendung immer schon gegeben (Abel 2005: 23). Auch Sybille Krämer, ebenfalls Philosophin, konzentriert sich auf den „Blick“. Ihre These ist, dass die besondere Wirkung von Bildern keine ihnen innewohnende Eigenschaft ist, sondern vom Blick des Betrachters abhängt. Daraus folgert sie, dass die „Performanz des Bildes“

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nicht „im Bild, sondern im Blick“ wurzele (Krämer 2008: 13). Unter dieser Prämisse können Bilder immer noch als Zeichen aufgefasst werden, ohne dabei ihre spezifische visuelle Qualität aufgeben zu müssen. Diese philosophischen (Auf-)Lösungsversuche der Dichotomie von Zeichen und Phänomen nehmen eine funktionalistische Perspektive ein. Theoretisch bieten sie viele Vorteile gegenüber den essentialistischen oder ontologischen Ansätzen. Als Philosophen müssen sich Abel und Krämer keine Gedanken darüber machen, inwiefern ihre Überlegungen anschlussfähig an praktische Bildanalysen sind. Dies tun dagegen zwei Ansätze aus der Soziologie, die ihren Bildbegriff ebenfalls funktionalistisch entwerfen, um ontologischen Schwierigkeiten von vornherein aus dem Weg zu gehen. Regula Burri argumentiert für eine „Soziologie des Visuellen“. Sie geht der Frage nach, inwiefern „Sozialität durch Visualität konstituiert, strukturiert und reproduziert“ wird (Burri 2008: 343). Ähnlich wie die Vertreter der Visual Culture Studies sieht sie es als die Aufgabe einer „Soziologie des Visuellen“, danach zu fragen, wie Bilder unsere Wahrnehmung beeinflussen. Damit spricht sie die Handlungsebene der gesellschaftlichen Praktiken und des Umgangs mit Bildern an. Sie verweist darauf, dass Bilder erst durch „Bildakte“, also durch die Bildpraxis einer Gesellschaft als Bilder produziert, interpretiert, verwendet und damit letztlich als Bilder konstituiert werden (Assmann 2004: 104). Der Begriff des „Bildakts“ ist in bewusster Entgegensetzung zum „Sprechakt“ der Linguistik und Sprachtheorie gewählt; ähnlich wie sich der „iconic turn“ begrifflich auf den „linguistic turn“ bezieht und sich von ihm abgrenzt. Auch für Cornelia Renggli ist die Bildpraxis der Schlüssel für das Verständnis des Visuellen. Sie argumentiert dafür, die Bildwahrnehmung als einen Akt der Unterscheidung im Sinne des Soziologen Niklas Luhmann zu betrachten. Mit Unterscheidungen sind hier die Festlegungen gemeint, die der Betrachter eines Bildes vornimmt, wenn er wahrnimmt. Er definiert, was im Bild ist. Aber indem er dies tut, legt er auch fest, was nicht im Bild ist. In diesem Sinne enthält die Unterscheidung immer vollständig sich selbst. Anders gesagt, was im Bild als Sichtbares konkretisiert ist, bestimmt gleichzeitig, was in ihm unsichtbar bleibt. Damit entsteht sowohl das im Bild Bezeichnete, als auch das Unbezeichnete, das nach dieser Paradoxie ebenso im Bild enthalten ist. Der Prozess der Unterscheidung oder Bezeichnung in Bezug auf Bilder ist ein zweifacher: Die erste Unterscheidung wird getroffen bei der Herstellung des Bildes. Die zweite Unterscheidung oder Bezeichnung geschieht im Moment der Wahrnehmung des Bildes durch den Betrachter. Unterscheiden und Bezeichnen machen bei Luhmann die Beobachtung aus. Erst bei der Beobachtung zweiter Ordnung – also beim Wahrnehmen und Interpretieren eines Bildes – können die Unterscheidungen der ersten Ebene – also die der Bildherstellung – identifiziert und analysiert werden (Renggli 2006: 183ff.). Der Gewinn, den diese Perspektive bietet, ist ein dreifacher: Das im Bild Dargestellte als Bezeichnetes verliert zunächst vollends seine Selbstverständlichkeit.

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Als Unterscheidung oder Bezeichnung begriffen wird der konstruktive Charakter der Bildherstellung herausgestellt. Es lässt sich zweitens bei der Bildanalyse in jedem Detail hinterfragen, warum und auf welche Weise etwas in einem bestimmten Bild zum Bezeichneten geworden ist, das dem ausgeschlossenen Unbezeichneten gegenübersteht. Die Differenz zwischen dem Innen und Außen eines Bildes kann somit eine wichtige Leitlinie für die Interpretation darstellen. Drittens schließlich sensibilisiert die an die Systemtheorie angelehnte Bildbetrachtung für besondere Aufmerksamkeit gegenüber der Rolle des Bildbeobachters und –interpreten. Denn auch er nimmt ebenso wie der Bildhersteller selbstredend Unterscheidungen und Bezeichnungen bei seiner Beobachtung vor. Selbst wenn es unmöglich ist, der Paradoxie der Unterscheidung zu entkommen, kann man sich ihr zumindest klar werden.

Hinweise zur Bildanalyse Welches Fazit kann man nun aus diesen theoretischen Überlegungen für die praktische Analyse von Bildern ziehen? Zunächst die, dass es kein simples Rezept zur Bildinterpretion gibt. Dennoch lassen sich einige allgemeine Vorgehensweisen zusammenfassen. Unverzichtbar sind die ersten Schritte der Klärung der Auswahl, der Rahmenbedingungen und der formalen Analyse. Das weitere Vorgehen hängt von der Bildgattung und von Entscheidungen ab, die hier als Fragen formuliert werden. Sie betreffen das Forschungsvorhaben, das leitende Erkenntnisinteresse und die Thesen. Die in den folgenden Einzelkapiteln gegebenen Hinweise zur Interpretation werden diese Vorgehensweise in Hinblick auf die jeweilige Bildgattung vertiefen. Auswahl  Bevor die Bildanalyse beginnt, müssen zunächst die Quellen recherchiert werden. Welche Themenstellung leitet die Bildauswahl? Konzentriert man sich auf ein Beispiel oder zieht man eine Reihenuntersuchung vor? Nach welchen Gesichtspunkten soll diese geordnet sein? Sucht man nach bestimmten Bildproduzenten, Bildgattungen oder Bildmedien? Wie grenzt man die Untersuchungsperiode ein? Rahmenbedingungen  Wenn die Auswahl der Bilder vorliegt, müssen die Rahmenbedingungen geklärt werden. Welche Fakten lassen sich rund um die Herstellung, Veröffentlichung und Sammlung des Bilders herausfinden? • Herkunft: Woher stammt das Bild? Wo und in welchem Rahmen ist es das erste Mal veröffentlicht worden, in welchem Archiv, Sammlung etc. hat man es gefunden? Unter welchem Aspekt ist es aufgehoben oder gesammelt worden? Welche anderen Text- oder Bildquellen sind in dem gleichen Kontext entstanden? Welche Text- und Bildquellen liegen gemeinsam mit dem zu analysierenden in der fraglichen Sammlung oder dem Archiv vor?

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• Hersteller: Wer hat das Bild angefertigt? Wer ist der Auftraggeber? Welchen Adressatenkreis hatten Hersteller und Auftraggeber im Sinn? Warum wurde das Bild gemacht? • Kontext: Was lässt sich herausfinden über die Begleitumstände der Anfertigung des Bildes und über die der Veröffentlichung? • Gattung: Zu welcher Gattung gehört das Bild? Ist es spezifisch, typisch, ungewöhnlich für seine Gattung? Wie kann man sein Verhältnis zu anderen Bildern der gleichen Gattung beschreiben? Welche Bezüge oder Einflüsse anderer Gattungen liegen vor? • Medium und Medialität: Welchen Bildträger kann man für das Motiv identifizieren? Wie kann man seine Medialität beschreiben, welchen Einfluss hat diese auf die Rezeption? In welchem Medium ist es das erste Mal und/oder später veröffentlicht worden? Wenn es sich um ein bekanntes Bild handelt, durch welche Medien ist es populär geworden? War es Vorbild oder Auslöser für andere Bilder oder Texte? • Adressaten/Rezeption: Welche Gruppen waren als Adressaten des Bildes beabsichtigt? Wer konnte es überhaupt sehen? Wie haben Zeitgenossen das Bild beurteilt? Wurde über das Bild in anderen Medien diskutiert? Hat sich die Rezeption über einen längeren Zeitraum hin verändert? Formale Analyse und Bildbeschreibung  Was ist auf dem Bild für einen Betrachter ohne besondere oder zeitlich spezifische Vorkenntnisse zu sehen? • Bildgegenstand: Welche Personen und Gegenstände lassen sich identifizieren und in welchem räumlichen Verhältnis stehen sie zueinander? Welche von ihnen sind in Hinblick auf den Bildgegenstand wichtig? Welches Ereignis bilden sie ab? Was wird weggelassen? • Bildaufbau: Wie ist das Bild gegliedert, welchen Vorder, Mittel- und Hintergrund, welche verschiedenen Bildachsen kann man unterscheiden? Wie steht es um Farbgebung, Helligkeit, Räumlichkeit und Formensprache? Fragestellung und Thesenbildung  Was kann und was will ich nach der Klärung der Rahmenbedingung und der formalen Analyse von dem Bild überhaupt erfahren? Was ist die erkenntnisleitende Fragestellung, in die sich die Einzelbildanalyse einordnet? Welches ist meine These? Welches sind die notwendigen Aussagen und Belege, die ich zur Beantwortung der Fragestellung und Beleg der These benötige? Welche Aussagen kann ich andererseits nach dem Abklären der Rahmenbedingungen von dem Bild erwarten und welche nicht? Benötige ich weitere Bild- oder Textquellen? Erscheint eine Einzel- oder eine Sammelanalyse fruchtbarer? Motivanalyse  Abhängig von den Antworten auf diese Fragen wird man die weitere Motivanalyse auf verschiedene Aspekte hin konzentrieren. Diese kann grob gesagt drei Richtungen folgen; Kombinationen sind selbstredend immer möglich.

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• Zeichentheoretische-semiotische Motivanalyse: Dieses Vorgehen konzentriert sich auf den Code und die Rhetorik eines Bildes. Die einzelnen Bildelemente werden konventionellen, also allgemein bekannten Bildrepertoires, Zeichenvorräten oder Bildsprachen zugeordnet, z.B. dem Repertoire des Vaterländischen, des Femininen oder der Werbung. Welche bildrhetorischen Figuren wie z.B. Metaphern, Metonymien oder Synekdochen kann man in Anlehnung an die Rhetorik der Sprache identifizieren? Wie kann man sie im Zusammenhang mit anderen Bildelementen interpretieren? Welche Bedeutung kommt der Rhetorik im Kontext mit der Botschaft des Bildes zu? Wofür also argumentiert das Bild und wie tut es das? • Ikonografisch-ikonologische Motivanalyse: Hier werden zunächst der Bildgegenstand und die vorliegenden Symbole und Allegorien identifiziert. Im nächsten Schritt wird das Bild in den Kontext seines Entstehungszusammenhangs eingeordnet und vor diesem Hintergrund nach seinem symbolischen Gehalt gefragt. Welche Einstellungen, Werte und Prinzipien lassen sich aus dem Bild herauslesen? In welchem Bezug stehen sie zu durch andere Quellen bekannten Einstellungen und Werte des Entstehungszeitraums? Was kann uns das Bild sagen zum Denken, Fühlen und Handeln der Menschen dieser Periode? Diese Methode kann sowohl für Bilder der bildenden Kunst als auch für populäre Druckgrafiken und Fotografien benutzt werden. • Funktionalistische Motivanalyse: Unter diesem Stichwort werden gemeinhin diskursanalytische und systemtheoretische Methoden zusammengefasst. Sie konzentrieren sich auf den Bildbetrachter und auf seinen „Blick“. Sie sind nicht an einer wie immer gearteten symbolischen Bedeutung des Bildes interessiert, sondern fragen danach, welche Funktion das Bild in Hinblick auf den Betrachter und die Gesellschaft hat. In welcher Weise reproduzieren Bilder gesellschaftliche Diskurse, wie beeinflussen oder generieren sie diese? Wie bilden sie die Ordnung der Gesellschaft ab, wie verschiedene Machtkonstellationen? Untersuchungen, die sich auf Fragen der Darstellung von Rasse, Klasse, Geschlecht und Körper konzentrieren, folgen z.B. häufig diesem methodischen Weg. Einbettung der Motivanalyse  Abgesehen vom reinen Bildmotiv lassen sich Bildquellen auch auf Aspekte hin untersuchen, die mit ihrer Medialität, ihrer Herstellung und Rezeption verbunden sind. Diese Aspekte müssen nicht notwendigerweise bei jeder Bildanalyse aufgegriffen werden, sind aber für Fragen der Einordnung erhellend. • Gattungszentrierte Analyse: Für eine Gattungsanalyse wird mehr als nur ein Bildbeispiel analysiert. Ein Schwerpunkt liegt auf der Medialität der fraglichen Gattung, auf ihren Produktions-, Absatz- und Rezeptionsbedingungen. Ein zweiter Aspekt ist die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen von Bildsprache und Bildtradition, die Einordnung und der Vergleich mit anderen Gattungen. Gattungen lassen sich auch auf einzelne Bildthemen und Fragestellungen hin untersuchen.

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• Medienzentrierte Analyse: Auch die medienzentrierte Analyse muss die Rahmenbedingungen des Mediums, seine Produzenten, seinen Markt, seine Adressaten und Käufer genau klären. Neben den Fragen nach Bildtraditionen und Bildsprache ist der Aspekt der Kommunikation hier wichtig. In vielen Fällen wird man der Beziehung zwischen Texten und Bildern im Medium nachgehen. • Produktionszentrierte Analyse: Hier folgt man den Fragen nach Intentionen und Umständen der Hersteller und Auftraggeber. Welchen sozialen und politischen Hintergrund kann man für die Produzenten eruieren? Lassen sich diese in den Bildern erkennen? Wie kann man die Ergebnisse in einen weiteren historischen Kontext einordnen? Weitere Quellen aus diesem Bereich sind notwendig. • Rezeptionszentrierte Analyse: Ob Einzelbild- oder Sammelanalyse, in beiden Fällen benötigt man weitergehende Informationen und Quellen über Adressaten, Bildbetrachter und Konsumenten. Für weiter zurückliegende Perioden ist das nicht immer leicht. Für Bilder aus der jüngeren Vergangenheit dagegen gibt es eine Fülle von Hintergrundmaterial, das sich heranziehen lässt, angefangen mit Archivmaterial bis hin zu Büchern, Radio- und Fernsehbeiträgen, Zeitschriften und Erinnerungszeugnissen. • Kontextzentierte Analyse: Auch hier ist der Aspekt der Rezeption wichtig, doch folgt man außerdem Fragestellungen zum Umfeld der Herstellung und der Veröffentlichungsgeschichte des Bildes. Eine weitere Komponente besteht in der Wirkungsgeschichte. Welche Einflüsse hat das Bild gehabt, welche Veränderungen in der Gattung hat es ausgelöst? Hat es Veränderungen in Bildsprache und Bildtradition verursacht? Wo kann man Bildquellen finden? Alle reden von der Bilderflut, aber woher bekommt man denn nun die Bildquellen, die man interpretieren will? In Archiven kann man durchaus fündig werden, aber da auch Archivare vergangener Zeiten Bildern gegenüber nicht immer aufgeschlossen waren, sind diese oft nicht so einfach über Findbücher zu ermitteln wie textliche Dokumente. Manche wurden einfach zu den thematisch einschlägigen Akten hinzugefügt, manche befinden sich in thematisch unspezifizierten Bildsammlungen. Gespräche mit den Mitarbeitern helfen hier weiter. Es gibt spezielle Bildarchive, die ihre Bestände entweder ganz oder in Teilen im Internet präsentieren. Das digitale Bildarchiv des Bundesarchivs, das Bildarchiv preußischer Kulturbesitz, die Deutsche Fotothek und das Archiv der Friedrich Ebert-Stiftung sind nur einige der größeren. Bildagenturen wie Ullstein Bild und das Archiv für Kunst und Geschichte vertreiben ebenfalls Bilder. Größere Museen bieten ihre Bildbestände auch oft über das Internet an, z.B. das Deutsche Historische Museum oder das Deutsche Museum. Zeitungen und Zeitschriften verfügen ebenfalls über eigene Archive mit Bildern. Auch in Rundfunk- und Fernseharchiven kann man fündig werden (s. Linkliste).

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Leseempfehlungen Bachmann-Medick, Doris (2006), Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek (gibt einen guten Überblick über die verschiedenen „turns“ in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Das letzte Kapitel über den „pictorial“ oder „iconic turn“ erklärt die theoretischen Modelle und gibt weiterführende Literaturhinweise) Schulz, Martin (2009 [2005]), Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft, München (gut lesbare Einführung in Bildtheorien der verschiedenen Disziplinen) Paul, Gerhard (2006), Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung, in: ders. (Hg.), Visual history. Ein Studienbuch, Göttingen, S. 7-36 (detaillierter Überblick über den Gebrauch von Bildern als Quellen in den historischen Wissenschaften bis heute)

1. Plakate Begriff, Funktion und Merkmale Plakate sind Massenmedien. Begriffsgeschichtlich gesehen geht das deutsche Wort „Plakat“ wahrscheinlich auf das mittelniederländische „placken“ (ankleben, flicken) zurück; das französische „affiché“ ist von „afficher“ (öffentlich bekannt machen) und das englische „poster“ von „post“ (an einem Pfeiler festmachen) abgeleitet. Die Etymologie der verschiedenen Sprachen gibt Hinweise auf Merkmale und Funktion von Plakaten: Es sind öffentliche, technisch produzierte Aushänge mit Informations- oder/und Aufforderungscharakter. Das Plakat muss die Aufmerksamkeit des vorübergehenden Betrachters in wenigen Bruchteilen einer Sekunde erheischen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Es muss seine Botschaft in so einfacher und gleichzeitig so eindringlicher Form senden, dass keine lange Überlegung notwendig ist. Kai Artinger hat das Plakat treffend einen „optischen Schrei“ genannt (Artinger 2000: 15). Seine Zielgruppe ist die Masse, das Verständnis seines Inhaltes darf daher keine besonderen Kenntnisse voraussetzen.

Entstehungsbedingungen Die Geschichte des modernen Plakats beginnt im 19. Jahrhundert. Zu diesem Zeitpunkt trafen verschiedene Entwicklungen aufeinander: Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstanden neue Märkte für industriell hergestellte Produkte und Dienstleistungen. Ihnen begegnete die wachsende Nachfrage potenzieller Käufer. Die sich professionalisierende Branche der Reklamespezialisten erkannte, dass das Plakat ein kostengünstiges und schnell herzustellendes Medium der Werbung darstellte. Gleichzeitig veränderten sich die politischen Rahmenbedingungen in den Ländern Westeuropas, deren Gesellschaften mehr und mehr Partizipationsforderungen stellten. Zu den neuen Formen des öffentlichen politischen Diskurses gesellten sich Wahlwerbeplakate, Plakate mit allgemein politischen und sozialkritischen Inhalten und satirische Plakate. Dass diese nun massenhaft und kostengünstig produziert werden konnten, war eine Folge von verschiedenen technischen Entwicklungen, allen voran der Erfindung der Lithografie durch Alois Senefelder am Ende des 18. Jahrhunderts und der Farblithografie im Jahr 1827. Dieses Verfahren sollte bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein die gängigste Herstellungsart von farbigen Darstellungen bleiben. Der Offset-Druck als preiswertere und schnellere Methode löste schließlich die Lithografie ab. Plakate waren eine überwiegend städtische Erscheinung. Sie wurden an eigens für sie aufgestellten Plakatwänden angebracht, aber auch an Mauern und Bretter-

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zäune geklebt. Die seit 1855 in Berlin aufgestellten Litfasssäulen, die unter anderen Namen schon vorher in Paris und London bekannt waren, sollten das wilde Plakatieren eindämmen. Trotzdem wurden Plakate weiterhin überall dort angeklebt, wo Platz war. Zusammen mit neuen öffentlichen und individuellen Transportmitteln sowie neuen Formen des Zurschaustellens von Waren in Schaufenstern veränderten Plakate das Erscheinungsbild der Städte am Ende des 19. Jahrhunderts massiv.

Typologie Gemeinhin unterscheidet man zwischen künstlerischen Plakaten, politischen Plakaten und Plakaten der Wirtschaftswerbung , wobei die Übergänge zwischen diesen durchaus fließend sein können (Faulstich 2004: 145). Gebrauchsgrafiker und Plakatkünstler haben mitunter auch politische Plakate hergestellt. Ihr Einfluss vor allem auf die Werbebranche ist unumstritten: Viele der heute als künstlerisch bekannten Plakate waren in der Tat Werbemedien für Produkte oder Dienstleistungen. Oft wird der suggestive Charakter als Gemeinsamkeit von politischen Plakaten und solchen aus der Wirtschaftswerbung betont (Hagen 1978: 412, Sauer 2006: 37). So richtig die Beobachtung dieser spezifischen Werberhetorik des Plakats auch ist, ihre Überbetonung könnte zu der falschen Auffassung führen, dass sich beide Formen des Plakats nicht nur parallel, sondern unter gegenseitiger Beeinflussung entwickelt hätten. Tatsächlich aber übten sich – zumindest bis 1914 – die Hersteller propagandistischer und politischer Plakate in einiger Zurückhaltung, was die Übernahme von Vorbildern aus der Wirtschaftswerbung betraf. Ähnliches galt für die Auftraggeber politischer Plakate, die Distanz zu den Gebrauchsgrafikern der Werbebranche wahrten. Erst die neuen Bedingungen, die der Erste Weltkrieg mit sich brachte, veränderten diese Situation.

Geschichtliche Entwicklung in Europa Friedrich Engels pries am 22. April 1849 in der Neuen Rheinischen Zeitung Plakate als hervorragende Medien in revolutionären Zeiten, da sie „jede Straßenecke in eine große Zeitung verwandeln“ (Kämpfer 1985: 20). Dies scheinen Plakate schon während der Französischen Revolution in großer Zahl getan zu haben. Angeklebt an Mauern, Gebäude und Zäune waren sie die Stimme des Volkes. Das massenhafte Auftauchen von Text- und Bildplakaten zeugte von den neuen Partizipationsansprüchen der unteren Stände. Die bebilderten Plakate waren zumeist Einblattdrucke im Stil der politischen Karikatur, die in Frankreich und Großbritannien eine Blütezeit erlebte. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sollte hier die enge Verbindung zwischen Plakat und Karikatur charakteristisch für beide Medien bleiben: Plakatkünstler arbeiteten oft auch als Karikaturisten und umge-

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kehrt, und sie benutzten für beide Bildgattungen einen ähnlichen Stil. Es war gängige Praxis, Zeitungskarikaturen zu vergrößern und auf diese Weise als Plakate wiederzuverwenden. Anders als in Großbritannien und Frankreich erschwerte eine rigide Zensurgesetzgebung im Deutschen Bund bis in die Revolutionsjahre 1848/9 hinein die Entwicklung von politischen Karikaturen und Plakaten. Auch nach dem Scheitern der Revolution unterlagen Plakate weiterhin einer Zensur, die nun in der Verantwortung der einzelnen Länder lag. Außerdem konnte die Gewerbeordnung und das Strafrecht in Deutschland für die Frage der Zulassung von Plakaten herangezogen werden. Dennoch wurden auch in Deutschland vor 1918 politische Plakate hergestellt (Zeller 1987: 5; 24ff.). Um die Jahrhundertwende mehrten sich die Klagen der zeitgenössischen Beobachter über die Zunahme der werbenden Botschaften im Bereich der visuellen Politik. Abbott Lawrence Lowell, prominenter amerikanischer Politikwissenschaftler und langjähriger Präsident der Universität Havard, stellte im Jahr 1908 die Zunahme von großformatigen politischen Plakaten und die Abnahme von politischen Broschüren mit textlichen Inhalten fest. Er folgerte daraus, dass die Demokratie letztlich auf Werbung begründet sei (Thompson 2007: 182). Die Werbegrafik hatte zu diesem Zeitpunkt enormen Aufschwung durch die Entwicklung in Frankreich erhalten. In Paris arbeitende Künstler wie Henri de ToulouseLautrec und Alphonse Mucha waren international bekannt geworden durch ihre Werbeplakate für Theater und Varietés. Der Stil der Belle Epoque beeinflusste die Plakate des Jugendstil in Deutschland und der späten Arts and Crafts Bewegung in Großbritannien. Dass nun auch renommierte Künstler sich der Plakatherstellung verschrieben, verhalf dem Plakat zu neuem Renommee und machte es für die Zwecke der politischen Propaganda attraktiver. Politisch engagierte Künstler wie Käthe Kollwitz in Deutschland oder Gerald Spencer Pryse in Großbritannien entwarfen Plakate mit sozialkritischen Inhalten. Die Gebrauchsgrafik erlebte in Deutschland eine weitere Hochphase mit der von Hans Sachs initiierten Gründung des „Vereins der Plakatfreunde“ im Jahr 1905, bei dem Lucian Bernhard und Ludwig Hohlwein maßgeblich mitwirkten. Im Ersten Weltkrieg setzten alle kriegführenden europäische Länder propagandistische Mittel ein, um die Bevölkerung zu überreden, Geld, Sachmittel, Arbeitskraft oder das eigene Leben im Dienste des Vaterlandes zu opfern. Das Plakat stellte überall ein wichtiges Medium in diesem Werbefeldzug dar, der zuerst zögerlich anlief und sich im Verlauf des Krieges beschleunigte. Zuerst in Großbritannien, dann auch in Frankreich und in Deutschland entwarfen Plakatkünstler in staatlichem Auftrag Plakate mit nationalistischen Inhalten. Im Vereinigten Königreich kamen diese Grafiker auch aus der dort bereits hoch entwickelten Werbebranche und blieben oft anonym. Ähnlich war die Situation in den USA, deren Werbeindustrie sehr fortgeschritten war, als die amerikanischen Truppen 1917 in den Konflikt eingriffen. In Frankreich griff der Staat auf bildende Künstler zurück, deren Studium oft mehr als zwei Jahrzehnte zurücklag und die daher

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nicht als Vertreter einer künstlerischen Avantgarde gelten konnten. Deutsche Kriegsplakate wurden meist von renommierten Plakatkünstlern aus dem Umkreis der „Plakatfreunde“ entworfen. Sie alle schufen keine neue visuelle Reklamerhetorik, sondern bedienten sich aus dem Fundus des schon Vorliegenden. Neu war, dass diese „Bildsprache“ nun in den Dienst des Vaterlandes gestellt und mit patriotischen Inhalten gefüllt wurde. Einerseits führte dies zu einer neuen Wahrnehmung und Bewertung von (visueller) Werbung und populären Bildern allgemein, die enorm an Respektabilität gewannen. Andererseits trugen die Kriegsplakate auch dazu bei, das Selbstbild einer Bevölkerung zu verändern, deren politische Partizipationsansprüche noch nicht erfüllt waren. Sie waren nicht nur die Hauptzielgruppe der offiziellen Plakatpropaganda, sondern stellten gleichzeitig ihre heroischen Hauptpersonen dar. Auf diese Weise erhielten sie einen sichtbaren Platz im öffentlichen Raum (Aulich 2007: 119). Die Zweckehe zwischen staatlichen Auftraggebern und Werbegrafik war in Großbritannien nicht von langer Dauer. Nach dem Weltkrieg wurden Plakate wieder, wie vor 1914, ausschließlich für die Wirtschaftswerbung hergestellt und auf die dafür vorgesehenen Reklametafeln verbannt. In Deutschland dagegen brachen neue Zeiten an. Die während des Krieges recht rigide Zensur wurde Ende 1918 während der Revolution aufgehoben. Dies war der Beginn einer umfangreichen Produktion politischer Plakate während der Weimarer Republik, in der sich distinkte rhetorische Muster in der visuellen Politik entwickelten. In ähnlicher Form galt das auch für die Sowjetunion. Schon in den Revolutionsunruhen zwischen 1918 bis 1920 entstanden zahlreiche Bildplakate, die für die Sache der Bolschewisten warben (Bonnell 1999). Die Alphabetisierungsrate lag um 1920 bei etwa 75 Prozent in den Städten und bei weniger als 40 Prozent auf dem Land. In diesem Kontext schien das Bildplakat hervorragend geeignet, um einfache politische Botschaften zu transportieren. Renommierte AvantgardeKünstler wie El Lissitzki, der 1920 das Plakat „Der rote Pfeil“ entwarf, Dimitri Moor und Viktor Deni, die aus dem Bereich der politischen Karikatur kamen, arbeiteten für die Plakatherstellung (Kämpfer 1985; White 1988: 39ff.). Durch und nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Scheide zwischen politischem und kommerziellem Werbeplakat kleiner. Parallel zu der zunehmenden Professionalisierung der Werbeindustrie und deren gestiegener Respektabilität wuchs der Einfluss dieser Branche und damit auch der ihr eigenen visuellen Rhetorik im Bereich der politischen Plakate. Während und nach dem Ersten Weltkrieg entstand ein visueller Gleichklang von politischen Plakaten und solchen der Wirtschaftswerbung.

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Grundlegende Untersuchungen und Analysesansätze Bildbände mit Plakaten und Darstellungen über ihre geschichtliche Entwicklung in den verschiedenen Ländern sind Legion. Doch nur wenige Historiker haben Plakate bisher konsequent als geschichtswissenschaftliche Quelle und nicht nur zu Illustrationszwecken benutzt. 1978 erschien in der renommierten historischen Zeitschrift Geschichte und Gesellschaft ein Beitrag von Manfred Hagen, der zum ersten Mal politische Plakate als historische Quellengattung systematisch erfasste (Hagen 1978). Acht Jahre später legte der Osteuropahistoriker Frank Kämpfer eine Studie über das politische Bildplakat in der Sowjetunion vor (Kämpfer 1985). Kämpfer, von Gerhard Paul zu Recht als „Pionier“ gepriesen, ist im deutschsprachigen Raum einer der ersten, der das Plakat als historische Quelle tatsächlich ernst genommen hat. Am Beispiel des sowjetischen Plakats untersucht er diese Quellengattung als Medium der Massenkommunikation und ordnet sie in ihren historischen Kontext ein. Gerhard Paul, heute einer der namhaftesten Vertreter einer ‚Visual History‘, hat fünf Jahre nach Erscheinen des Bandes von Frank Kämpfer seine Untersuchung zur Bildpropaganda der Nationalsozialisten vor 1933 veröffentlicht, in der Plakate eine wesentliche Rolle spielen. Beide Autoren heben hervor, dass Plakate, die schnell und eindringlich auf den Betrachter wirken müssen, weitaus hartnäckiger und langlebiger sind als Texte oder sprachliche Medien, und sich der rationalen Kritik eher entziehen. Pauls These ist, dass „der Nationalsozialismus sich mit Hilfe von Bildern in den Köpfen der Menschen festsetzte und seine Ideologie mit ihrer Hilfe emotional verankerte“ (Paul 1990: 12). Die Arbeiten von Kämpfer und Paul haben andere historische Veröffentlichungen angestoßen, die die suggestive Wirkkraft von Plakaten in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stellen (Klotz 2006; Kummer 2006). Der amerikanische Historiker Michael Seidman hat Plakate der Pariser Studentenbewegung 1968 untersucht. Das Ziel seiner Analyse war, die Visualisierungen der verschiedenen ideologischen ‚ismen‘ der Bewegung – Korporatismus, Libertarismus, Hedonismus, Internationalismus, Anti-Imperialismus und Antikapitalismus – herauszuarbeiten und auf diese Weise Aufschlüsse über das politische Selbstverständnis der Studenten zu erhalten. Auch er benutzt Plakate nicht als additive oder illustrierende Quellen. Während für Kämpfer und Paul die Wirkung von Plakaten auf den Betrachter im Vordergrund steht, geht es bei Seidman um die Ideen und Intentionen der Hersteller, in diesem Falle um die visuelle Repräsentation der theoretischen Grundlagen der protestierenden Studenten (Seidman 1996). Neben und in der Folge dieser Arbeiten sind in den letzten zehn Jahren weitere Untersuchungen zu Plakaten entstanden, die angesichts der Fülle des Materials aus den verschiedenen Ländern die unterschiedlichsten Fragestellungen und Vorgehensweisen verwenden. Drei Gruppen von Forschungsansätzen sollen idealtypisch vorgestellt werden, um ihre jeweiligen Vorzüge und Schwierigkeiten hervorzuheben.

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Die Ikonografie der Pathosformeln „How do posters act?“ lautet etwa die Hauptfrage der ersten Interpretationsrichtung (Ginzburg 2001: 7). Ausgehend von der Beobachtung, dass Plakate mit Suggestion und Emotionalität arbeiten, steht hier im Mittelpunkt, wie der spezielle Botschaftscharakter von Plakaten visuell umgesetzt wird und welche Bildstrategien verfolgt werden, indem die Abbildung ikonografisch in den Kontext einer Bildtradition hineingesetzt wird. Dieses Vorgehen bezieht seine Grundlagen aus der Kunstgeschichte, hier noch enger aus der politischen Ikonografie, deren Basis von Aby Warburg entwickelt und von der Schule um Martin Warnke wiederbelebt wurde. Warburg glaubte, sowohl in der bildenden Kunst als auch auf populären Bildern seit der Antike bis in die Gegenwart immer wiederkehrende Formen, Gesten, Gebärden und Ornamente – sogenannte „Pathosformeln“ – vorfinden zu können, die auf ein kollektives Gedächtnis zurückgehen und daher die Wirkung von Bildern auf den Betrachter erklären können (Robbe 2009: 45ff.). So untersucht beispielsweise der italienische Historiker Carlo Ginzburg in seiner Analyse des bekannten britischen Rekrutierungsplakates „Your Country Needs You“ aus dem Ersten Weltkrieg den Blick und die Geste des abgebildeten Kriegsministers Lord Kitchener, die er beide als Pathosformeln identifiziert und bis zu Bildnissen aus der Antike zurückverfolgt. Blick und Geste werden als Bildformen interpretiert, die, unabhängig vom historischen Kontext, Ausdruck elementarer Impulse sind und gleiche Emotionen auslösen, bzw. an gleiche Emotionen „erinnern“ (Ginzburg 2001: 7). Man kann hier allerdings mit Recht einwenden, dass ein Ansatz, der sich (ausschließlich) auf universelle Wirkungsmechanismen von Bildern konzentriert, wenig über das Spezifische einer bestimmten Abbildung und ihren historischen Kontext beiträgt. Ihm fehlt der Aspekt, eine Quelle auf ein bestimmtes Zeitgeschehen hin zu befragen.

Kontextualisierung Genau dies wird in einem zweiten Ansatz realisiert, der sich auf den Kontext der Entstehung und die Rezeption von Plakaten konzentriert. Hier wird der Frage nachgegangen, welche Ziele die Hersteller verfolgten, welche Bedeutungszuweisungen sie hervorrufen wollten und welche sie von den Betrachtern erwarteten. Des Weiteren wird analysiert, in welchem Ausmaß die betreffenden Plakate diese Wirkung tatsächlich erzielten. Dies tut beispielsweise Nicholas Hiley, Direktor des British Cartoon Archive, in seiner Untersuchung desselben Plakates, das auch Ginzburg betrachtet. Er zeigt, dass weder Hersteller noch zeitgenössische Rezipienten diesem Plakat eine besondere Wirkung oder Rolle zuwiesen. Es handelte sich nicht um ein offizielles Werbeplakat der britischen Regierung, sondern war zunächst nur das Titelbild einer auflagenschwachen englischen Zeitschrift und wurde später von eben dieser Zeitschrift vergrößert als Plakat herausgegeben. Es

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spiegelt daher, so Hileys Schluss, auch kaum die propagandistischen Zielvorstellungen der Kriegsregierung wider. Auch auf die Betrachter machte das Motiv offensichtlich keinen besonderen Eindruck. Hiley versucht zu zeigen, dass es wenig erfolgreich in der Werbung neuer Soldaten war. Berühmtheit erlangte es erst nach dem Krieg durch die vielen Nachahmungen und Zitate anderer Bilder und Plakate (Hiley 1997: 55). Sicherlich ist es wichtig, die Plakatinterpretation in den historischen Kontext einzubetten, so wie Hiley dies mit dem Kitchener-Plakat tut. Es ist andererseits zu bezweifeln, ob die korrekte Rekonstruktion einer Bildrezeption je erreicht werden kann, anders ausgedrückt, ob man von heute aus überhaupt entscheiden kann, ob ein bestimmtes Plakat eine Kauf- oder Wahlentscheidung bewirkt hat oder nicht.

Bilddiskurse Ein dritter Ansatz geht der Frage nach, was es bedeutet, dass Plakate auf eine bestimmte Weise agieren und funktionieren, und welches Licht dieser Wirkungsmechanismus auf die jeweilige Gesellschaft, die Zeit oder die Region wirft. Die Grundannahme ist, dass Plakate und andere Medien, die zu überzeugen versuchen, auf Deutungen und Werten basieren, die immer schon beim Betrachter vorhanden sind (Kolbe 2004: 45). Die Interpretation der visuellen Quellen kann also genau diese kollektiven Deutungen und Werte rekonstruieren. Dabei muss nicht unbedingt die individuelle Absicht eines bestimmten Herstellers oder Zeichners ausschlaggebend sein, sondern die eine Gesellschaft bestimmenden Diskurse. Solche Diskurse, so die Annahme, realisieren sich auch visuell (Sarasin 2007: 77).

Beispiele a) „Daddy, what did YOU do in the Great War?“ Das erste Beispiel ist das britische Plakat aus dem Ersten Weltkrieg mit dem Titel „Daddy, what did YOU do in the Great War?“ (Abb. 1). Entworfen von dem englischen Zeichner Savile Lumley gehörte es zum Repertoire der offiziellen Propagandamedien des Parliamentary Recruitment Committee. Dieser Ausschuss war direkt nach Kriegsbeginn eingesetzt worden, um für Freiwillige zu werben. Auf diese war Großbritannien dringend angewiesen, da es hier bis Januar 1916 keine Wehrpflicht gab. Im Rahmen dieser Kampagne entstanden bis September 1915 140 Plakatentwürfe und 5,7 Millionen großformatige Drucke. Die Szene auf dem Plakat liegt zeitlich in der Zukunft, nämlich in der Zeit nach dem Krieg, was das verwendete Präteritum im Titel andeutet. Ein Mann mittleren Alters sitzt in einem Sessel, der sich in einem bürgerlichen Wohnzimmer befindet. Er trägt einen braunen, dreiteiligen Anzug mit Krawatte, auch ein Hinweis

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Plakate | 1. Abb. 1: „Daddy, what did YOU do in the Great War?“, Savile Lumley, Plakat 1915, Großbritannien

auf seinen bürgerlichen Status. Auf seinem Schoß sitzt ein kleines Mädchen, auf dem Boden vor dem Sessel hockt ein kleiner Junge, etwas älter als seine Schwester, der mit Zinnsoldaten spielt. Das Mädchen hat ein aufgeschlagenes Buch vor sich. Es liegt nahe, dass sie es ist, die die Frage stellt: „Daddy, what did YOU do in the Great War?“ Der Junge scheint unbeteiligt und widmet sich ausschließlich seinem Spiel. Der Vater, als Reaktion auf die Frage seiner Tochter, blickt nach vorn und direkt dem Betrachter entgegen, das Kinn auf die Finger der linken Hand gestützt. Die oberflächliche Botschaft des Plakates ist – wie bei Plakaten meistens – sonnenklar: Sich nicht freiwillig zu melden endet in persönlicher und sozialer Schande. Dass das Plakat so verstanden werden konnte, lässt sich zurückführen auf die „Kombination von zeichnerischen Codes“ und „bestimmten Ideologien, die im edwardianischen England der Kriegszeit“ herrschten (Crowley 1997: 110). Zu diesen zeichnerischen Elementen gehört zunächst der Blick des Vaters. Indem er den Betrachter direkt ansieht, schafft er ein Band zwischen ihm und sich und damit die Voraussetzung zur Identifikation. Zielgruppe des Plakats waren also in

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erster Linie Männer. Die Identifikation ist allerdings von besonderer Art: Durch sie wird der Betrachter mit seinem zukünftigen Selbst konfrontiert, für den Fall, dass er sich nicht freiwillig meldet. Obwohl nicht explizit auf der Abbildung vorhanden, drückt sie eine Vorher-Nachher-Situation aus, die sich nur durch die Anwesenheit des Betrachters realisiert, was diesen wiederum stärker in die Erzählung des Bildes einbindet. Die Geste des Vaters ist die klischéhafte Pose des nachdenkenden, grüblerischen Mannes. Man kann mit gutem Grund annehmen, dass er über die Frage seiner Tochter nachsinnt. Dies verstärkt die Identifikation mit dem Betrachter, der möglicherweise noch darüber nachdenkt, ob er sich freiwillig melden sollte oder nicht. Seine Gegenwart ist damit die Vergangenheit des Vaters auf dem Plakat. Letzterer hat diese Entscheidung schon hinter sich und kann beurteilen, ob es die richtige war. Der Mann auf dem Plakat antwortet weder seiner Tochter, noch gibt er einen Hinweis darauf, ob er seine Entscheidung aus der Rückschau für richtig hält. Ohne die Einbettung in den zeitlichen Kontext könnte man zu der Vermutung kommen, dass der Mann, der doch offensichtlich gesund und wohlbehalten mit seinen zwei ebenfalls gesunden Kindern in einem schönen Heim lebt, das richtige getan habe. Doch niemand wird im Jahr 1915 in dem Plakat eine pazifistische Botschaft und Aufforderung zur Kriegsdienstverweigerung gesehen haben. Woher also rührt das Gefühl der Scham und Schande, für das das Plakat bekannt geworden ist? Verschiedentlich ist herausgestellt worden, dass diese Botschaft vor allem über die Feminisierung des abgebildeten Mannes erfolgt (Albrinck 2009: 24; Crowley 1998: 110). Er sitzt zuhause im Lehnstuhl, die beiden Kinder zu seinen Füßen. Damit okkupiert er einen weiblich konnotierten Raum. Die Konstruktion weiterer Gegensatzpaare komplettiert diese Lesart. Der Mann gehört zum häuslichen Bereich. Schon zu Friedenszeiten galt dies als ein Zeichen der Feminisierung. Unter den Bedingungen des Krieges wird ein weiterer Gegensatz zu den Soldaten ‚draußen im Graben‘ aufgemacht. Der Mann ist passiv, während die Freiwilligen aktiv sind; er ist in Ruhe und Sicherheit, während sie Gefahren ausgesetzt sind; er ist allein, ein vereinzeltes Individuum, während sie eine Gruppe bilden. Er ist ‚der Andere‘, der nicht dazu gehört, während sie den Zusammenhalt einer ‚Wir‘-Gruppe repräsentieren; er steht nur für sich, während die Soldaten für das Vaterland kämpfen. Der Betrachter wird durch die Bildrhetorik genötigt, sich von dem abgebildeten Mann zu distanzieren, um nicht auch als ein ‚Anderer‘ klassifiziert zu werden. Das Plakat konnotiert diese Gegensatzpaare, doch es zeigt nur die Bildelemente der einen Seite, während die andere vom Betrachter mitgedacht werden muss. Je mehr negativ konnotierte Bildelemente vom Betrachter aufgefunden werden, desto positiver erscheint die andere Seite des Gegensatzpaars. Botschaftsfunktion und Bedeutung des Plakates können nur verstanden werden, wenn der Betrachter diese zweite Seite mitdenken kann. Dass dies 1915 offensichtlich der Fall war, zeigen einige der Kommentare, die Meg Albrinck er-

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wähnt. Danach beschwerten sich manche Zeitgenossen über das „bullying by poster“ (Albrinck 2009: 324). Hiley sieht in den überwiegend ablehnenden Stimmen einen Beweis dafür, dass das Plakat als Propagandamedium für die Rekrutierung neuer Soldaten ein Fehlschlag war (Hiley 1997: 42). Es mag daher vielleicht ein schlechtes Beispiel für die Propagandapolitik Großbritanniens sein, für den zeitgenössischen Männlichkeitsdiskurs ist es eine hervorragende Quelle. b) „Den Frieden sichern! Das Wettrüsten beenden!“ Sehen wir uns ein zweites Plakat an, das 1980 in der Bundesrepublik vom Komitee für Frieden, Sicherheit und Abrüstung herausgegeben wurde (Abb. 2). Statt des ‚Großen Krieges‘ waren die Menschen nun mit dem ‚Kalten Krieg‘ konfrontiert. Nach dem Nato-Doppelbeschluss 1979 formierte sich die Friedensbewegung in Deutschland neu und setzte sich politisch für Abrüstung ein. Wie bei anderen sozialen Bewegungen seit 1968 waren Plakate für die Friedensbewegung ein beliebtes Kommunikationsmittel, da man sie billig und schnell herstellen und darüber hinaus einfach verteilen und aufhängen konnte. Das Plakat ist eine Montage aus drei Porträtfotos in schwarz/weiß. Sie zeigen drei junge Männer in Frontalansicht und als Bruststück. Alle sind etwa im glei-

Abb. 2: „Den Frieden sichern! Das Wettrüsten beenden!“, Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit, Plakat 1980, BRD

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chen Alter, entstammen aber drei verschiedenen Generationen. Ihre Namen deuten an, dass sie nicht miteinander verwandt sind. Das Plakat zitiert hier also nicht das Familienfotoalbum als Bildtradition. Maier, Müller und Schmidt sind im Deutschen vielmehr Synonyme für ‚jedermann‘, den Mann auf der Straße. Die beiden ersten Männer sind in Uniform porträtiert und, wie der nebenstehende Text und das Trauerbändchen zeigen, in den beiden Weltkriegen gefallen. Sie sind sozusagen ‚Geschichte‘. Ingo Schmidt dagegen, der dritte in der Reihe, ist in Zivil. Er trägt einen Rollkragenpullover, hat eine modische Frisur und lächelt in die Kamera. Als Zeitgenosse steht er für das Hier und Jetzt. Sein Porträt ist das Bildelement, durch das eine Beziehung zum Betrachter aufgebaut wird. Obwohl er der letzte in der Reihe der Einzelfotos ist, geht von ihm die Argumentation des gesamten Plakates aus. Man könnte die drei Fotos auch als Vorher-Nachher Argumentation lesen, bei denen das Bild von Ingo Schmidt die Nachher-Variante, also sowohl Wunsch als auch Zielvorstellung repräsentiert. Politisch gesehen wirbt das Plakat im Vergleich zu dem von Lumley ganz offensichtlich für das genaue Gegenteil: für Frieden statt Krieg. Es rekurriert, ebenso wie das Plakat von 1915, rhetorisch auf den Männlichkeitsdiskurs, um diese Botschaftsfunktion zu realisieren. Zunächst kann man eine Reihe konnotativer Gegensatzpaare identifizieren. In diesem Falle sind alle auf dem Plakat selbst enthalten. Dominierend ist der Gegensatz zwischen Krieg und Frieden, zwischen Soldaten und Zivilisten. Ingo Schmidt repräsentiert wie der namenlose Vater Lumleys die Seite des Friedens, doch wie unterschiedlich ist dieser Frieden konnotiert. Der junge Mann von 1980 ist offensichtlich der ‚Gewinner‘. Er ist am Leben und es muss ihm gut gehen, da er lächelt. Ohne Uniform ist er als Individuum abgebildet. Sein Foto erinnert an ein Passfoto und steht damit nicht nur für seine zivile, sondern auch seine staatsbürgerliche Identität, im Unterschied zum Untertanentum der beiden anderen Männer. Dieser Gegensatz wird durch die Mimik der abgebildeten Personen unterstützt. Während die beiden Soldaten in Uniform eher ausdruckslos in die Kamera blicken, zeigt Ingo Schmidt ein breites Lächeln. Maier und Müller sind in ihrer Untertanenrolle als Soldaten gefangen, das drücken auch ihre Gesichter aus. Uniform und Helm bzw. Mütze weisen sie als Angehörige einer Gruppe aus und in dieser Gruppenzugehörigkeit scheint ihre Existenz aufzugehen. Das letzte Gegensatzpaar ist das von Leben und Tod. Maier und Müller sind in den beiden Weltkriegen „gefallen“, während Ingo Schmidt nicht nur am Leben, sondern darüber hinaus politisch aktiv ist, um den Frieden zu sichern. Leben ist damit doppelt und doppelt positiv konnotiert. Der Soldatentod verheißt hier weder Ehre noch Heldentum. Er wird auch nicht mit einer besonderen Form der Männlichkeit verbunden. Er stellt schlicht die sinnlose Beendigung eines jungen Lebens dar. Im Gegensatz dazu ist das Am-Leben-Sein an sich ein positiv konnotierter Zustand. Das politische Engagement für den Frieden gibt dieser Existenz zusätzlich einen Sinn für die Gemeinschaft. Es zeugt von Verantwortungsbewusstsein und der ‚richtigen‘ Entscheidung. Ingo Schmidt ist kein Drückeberger, sondern

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jemand, dessen politische Haltung eine höhere Moral für die Gemeinschaft beweist. Maskulinität definiert sich auf diesem Plakat nicht über die Entgegensetzung zum weiblichen Bereich, sondern als Kontrapunkt zu einem früheren, als überholt dargestellten Bild des Mannes mit einem Fokus auf soldatischen Tugenden (Ziemann: 2008). Das Plakat spiegelt damit wichtige Aspekte im sich verändernden Diskurs von Männlichkeit wider, ganz im Sinne des Männlichkeitkonzepts der australischen Soziologin Raewyn Connell. Diese hat eine „Pluralisierung des Männlichkeitbegriffs“ vorgeschlagen, wonach in einer Gesellschaft verschiedene Konzepte von Männlichkeit in einem hierarchisch gegliederten System existieren. „Hegemoniale Männlichkeit“ steht „marginalisierten Männlichkeiten“ gegenüber (Lengwiler 2008: 78; Connell 1999: 91). Die beiden untersuchten Plakate können als Beispiele dafür dienen, dass in unterschiedlichen historischen Kontexten jeweils unterschiedliche Männlichkeitsformen „hegemonial“ bzw. „marginal“ werden konnten. Beide Plakate weisen eine Botschaftsfunktion auf, die für die jeweiligen Zeitgenossen einfach zu verstehen war. Das eine forderte zum Kriegs-, das andere zum Friedensdienst auf. Die Vorgehensweise auf beiden Plakaten ist suggestiv und kann bei einer Bildinterpretation rekonstruiert werden. Interessant ist, dass man hinter dem suggestiven Botschaftscharakter beider Plakate auch eine narrative Funktion erkennen kann, die sich nur im Rahmen bestimmter Diskurse um Männlichkeit und Weiblichkeit entwickeln konnte. Plakate können also, weit über ihre offenliegende Aufforderung, etwas Bestimmtes zu kaufen oder zu glauben, visuelle Quellen für zeitspezifische Narrative darstellen, wenn man sie daraufhin befragt. c) „Blackpool. For Gorgeous Sights“ Mit dem dritten Beispiel wenden wir uns den Reklameplakaten zu. Es handelt sich um ein englisches Werbeplakat aus der Tourismusbranche (Abb. 3). Das Motiv, gemalt von Wilton Williams, wurde 1910 das erste Mal als Plakat für die Great Central Railway Company veröffentlicht und in den folgenden Jahren mehrfach neu aufgelegt. Es wirbt für das Seebad Blackpool an der Westküste Nordenglands. Für die aufstrebenden Eisenbahn-Unternehmen Englands waren die Strecken zu den verschiedenen englischen Badeorten außerordentlich einträglich und wurden weidlich beworben, auch mit Hilfe von Plakaten. Nachdem zunächst nur soziale Eliten zum Vergnügen und zur Erholung reisen konnten, entwickelte sich der inländische Tourismus in England in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Massenphänomen. Der britische Soziologe John Urry nennt es die „Demokratisierung“ des Reisens, die von den Industriestädten im Norden Englands ausging (Urry 2002: 16). Voraussetzungen für diese Entwicklung waren steigende Einkommen auch der Arbeiterklasse und die Einführung von arbeitsfreien Wochen seit den 1860er Jahren. Gleichzeitig stieg das Angebot an Unterkünften und Freizeitmöglichkeiten in den an der See liegenden englischen Städ-

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ten. Der Ausbau von Eisenbahnlinien verband schließlich Nachfrage und Angebot. 1911 gaben mehr als die Hälfte aller Engländer und Waliser an, mindestens einmal im Jahr an die See zu fahren. Seebäder wuchsen schneller als Industriestädte. Die Bevölkerung Brightons stieg innerhalb von 50 Jahren von 7.000 auf 65.000 Einwohner. Das Meer wurde zum beliebtesten Ferienziel, weil Seebäder anderen Touristenzielen etwas Entscheidendes voraus hatten: Platz. Der Urlaub am Meer fand vorwiegend unter freiem Himmel statt, während Touristen in anderen Kurorten auf öffentliche Einrichtungen und Gebäude mit beschränkter Kapazität angewiesen waren. Doch Seebad war nicht gleich Seebad. Manche entwickelten sich zu ausgewiesenen Zielen der Arbeiterklasse, andere zogen ein eher wohlhabenderes Publikum an. Ausschlaggebend für die eine oder andere Richtung war offenbar, neben der geographischen und verkehrstechnischen Nähe zu bevölkerungsreichen Industriestädten, in welcher Form der Land-, Grundstücks- und Hausbesitz strukturiert war. Während in Southport wenige Großgrundbesitzer dafür sorgten, dass vor allem große Hotels gebaut wurden, die ein elitäres Publikum anzogen, gab es in Blackpool ein Heer von Kleinbesitzern, die Zimmer und Unterhaltung auch

Abb. 3: „Blackpool. For gorgeous sights“, Wilton Williams, Plakat 1910, Großbritannien

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für weniger zahlungsfähige Gäste anboten. Noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs war Blackpool der Ort, der, wie es in einer zeitgenössischen Einschätzung hieß, „mehr Spaß für weniger Geld als jeder andere Ort der Welt“ anbot (Urry 2002: 22f.). In diesem Kontext entstand das vorliegende Plakat der Great Central Railway Company. Es zeigt drei junge Frauen, die auf einem Geländer sitzen. Hinter ihnen ist das Meer durch sanfte Wellenlinien angedeutet. In der Ferne am Horizont sind der 1894 eröffnete Turm von Blackpool, eine Nachbildung des Eiffelturms, und das Riesenrad zu sehen. Der Text weist einerseits auf den Herausgeber des Plakats hin, die Great Central Railway, andererseits auf den Ort, der beworben wird: Blackpool. Der Untertitel ist doppeldeutig gemeint; „hinreißende Aussichten“ verspricht der Ort nicht nur wegen seiner Naturschönheiten, sondern auch wegen der hier Urlaub machenden Gäste, wie sie das Plakat abbildet. Die drei Frauen bilden den Mittelpunkt des Bildes und blicken den Betrachter direkt an. Sie sind elegant, aber trotzdem modern und leger angezogen. Ihre hellen Kleider umfließen die schlanken Figuren, die offensichtlich nicht in Korsetts gezwängt sind. Moderne Hüte und Schirmchen schützen sie vor den Sonnenstrahlen. Sehr formlos haben sie sich auf ein Holzgeländer gesetzt. Zwei der Damen haben die Beine übergeschlagen, ihre Füße berühren nicht den Boden. Sie scheinen wie für ein Foto zu posieren und eine gewollt grazile, etwas manierierte Haltung einzunehmen. In gewissem Sinne erinnern sie an die ‚drei Grazien‘, die antiken Göttinnen der Lebensfreude und der Schönheit, die beliebtes Motiv in der Renaissance waren. Alle drei sind jung, wahrscheinlich in den frühen 20ern. Sie sind offensichtlich ohne Familie, Ehemann oder Kinder nach Blackpool gekommen. Man kann annehmen, dass es sich um ledige Frauen handelt, die als Freundinnen zusammen Urlaub machen. Sie sind frei und ungebunden. Diese Konnotation rekurriert zum einen auf die Feriensituation: Hier verweist sie werbend auf den besonderen Charakter Blackpools, das einen Urlaub ohne Zwänge – und doppeldeutig auch ohne sexuelle Zwänge – verheißt. Alltagsroutinen des Arbeitslebens sind damit der Urlaubssituation gegenübergestellt. Die Zielgruppe des Plakates sind junge Frauen, die sich mit den abgebildeten identifizieren können und diese Art von Ferien für sich wünschen, aber auch Männer, die hoffen, genau dieser Art von Frauen im Urlaub zu begegnen. Die abgebildeten Drei konnotieren darüber hinaus auch eine bestimmte soziale Konstellation: Mit ihrer recht ausgesuchten Kleidung repräsentieren sie nicht die durchschnittliche kleine Lohnarbeiterin. Ihre etwas aufreizende Pose und das legere Sitzen auf dem Geländer entsprechen aber auch nicht dem Verhalten junger Damen des gehobenen Bürgertums. Sie sind ohne jegliche Statussymbole wie Autos, Boote etc. abgebildet. Sie stehen für eine soziale Schicht, die nicht wohlhabend ist, aber ihr Auskommen hat, die modern ist und den Konsumgedanken der Zeit lebt. Damit sprechen sie eine soziale Zielgruppe an, die Blackpool zu dieser Zeit besuchte, repräsentieren aber auch die Aufstiegsaspirationen verschiedener Hotelbesitzer und anderer touristischer Anbieter.

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Himmel und Meer sind auf dem Plakat eher grafische als bedeutungstragende Elemente. Sie haben die gleiche Farbe und gehen ineinander über. Offensichtlich sind sie als Ausdruck der Natur nicht signifikant für die Botschaft des Plakats. Damit wird auch deutlich, dass die Anziehungskraft von Blackpool sich nicht aus den Naturschönheiten des Ortes speist, die, glaubt man zeitgenössischen Beobachtern, auch nicht sehr zahlreich waren. Der Ort selbst ist abgesehen vom Text nur in zwei Bauwerken am Horizont angedeutet: den Turm und das Riesenrad. Letzteres wurde 1896 eröffnet und entwickelte sich zu einer großen Attraktion. Der Turm von Blackpool wurde 1894 fertiggestellt. Viele englische Seebäder hatten zu dieser Zeit einen Turm und ein Pier, doch der Blackpooler Turm war in ganz Großbritannien bekannt, da er eine Imitation des fünf Jahre zuvor eröffneten Eiffelturms in Paris war. Mit seiner Höhe von 159 m (der Eiffelturm ist etwa doppelt so hoch) diente er als Aussichtsplattform. Dass der Turm in Blackpool dem Eiffelturm nachempfunden war, zeugt vom Ehrgeiz der Stadtväter, eine Weltattraktion nach Nordengland zu holen. Das genügte aber nicht, um Blackpool zum Paris des Nordens zu machen. Blackpool blieb der billige Abklatsch von großartigeren Originalen. Indem das Plakat Turm und Riesenrad zeigt, verweist es auf die Identität und die Höhepunkte eines Urlaubes in Blackpool. Man kam nicht wegen des weißen Sandstrandes und nicht wegen des blauen Meeres hierher, sondern wegen der Vergnügungen. Wiebke Kolbes Untersuchung von Plakaten deutscher Seebäder zeigt hier einige Unterschiede auf (Kolbe 2004). Exemplarisch analysiert Kolbe ein Werbeplakat für einen Urlaub auf Norderney, das eine posierende junge Frau im Badeanzug vor der Kulisse eines aufgewühlten Meeres zeigt. Nur der Text „Das Paradies der Nordsee: Norderney“ macht deutlich, um welchen Urlaubsort es sich handelt. Kolbe stellt fest, dass die von ihr untersuchten Werbeplakate mehrheitlich nicht die Einzigartigkeit des Ferienortes herausstellen, sondern die Naturschönheit und Einsamkeit des Meeres mit dem Versprechen auf geselliges Vergnügen verbinden (Kolbe 2004: 49). Kolbes Interpretation legt daher den Schwerpunkt auf die Bedeutung des Urlaubs als eine Flucht aus dem Alltags- und Arbeitsleben. Das Plakat aus Blackpool, das die Besonderheiten des Seebades herausstellt, zeigt dagegen vielschichtig den ‚social tone‘ von Blackpool um 1910. Die hier vorgestellte Interpretation basierte im Wesentlichen auf der Frage, in wie weit sich soziale Differenzierungen von Freizeit und Freizeitangeboten in visuellen Quellen widerspiegeln. Die „hinreißenden Aussichten“ von Blackpool sind visuelle Evidenz dafür, dass der Urlaub, genau wie der Alltag, einer sozialen Hierarchie unterlag.

Leitfragen für die Interpretation Auswahl/Rahmenbedingungen  Als erstes müssen Auswahl und Rahmenbedingungen der zu interpretierenden Plakate offengelegt werden. Eine Besonderheit des Plakates ist, dass hier Gattungsbegriff, Träger und Medium zusammen-

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fallen. Die Medialität ist beim Plakat besonders wichtig. Seine schiere Größe hebt es aus der Menge anderer Bildquellen hervor. Formale Analyse/Bildbeschreibung  Hier ist wieder die Größe als Besonderheit des Plakats zu beachten: In welcher Weise beeinflusst es die Wirkung des Bildgegenstandes? Was nimmt der Betrachter auf den ersten, schnellen Blick wahr, was kann man bei näherem Hinsehen entdecken? Mit welchen visuellen Mitteln arbeitet das Plakat, um sein Anliegen in einem Augenblick zusammenzufassen? Fragestellung und Thesenbildung/Motivanalyse  • Unser Beispiel zeigte, dass die ikonologische Untersuchung von Gesten auf Plakaten „Pathosformeln“ im Sinne Warburgs enthüllt, die bis in die Antike zurückverfolgt werden können. Die geballte Faust, die gefalteten und die abwehrend erhobenen Hände oder der Handschlag sind weitere Gesten, die als Symbole verstanden und verschiedenen Bildtraditionen, z.B. der sozialistischen oder christlichen, zugeordnet werden können. Welche anderen Symbole und Allegorien kann man auf einem Plakat entdecken? Nicht nur Gesten gehören dazu, auch die abgebildeten Personen können als Allegorien oder Symbole verstanden werden (die drei „Grazien“ auf dem Blackpool-Plakat), ebenso wie die sie umgebenden Gegenstände oder der Bildaufbau (z.B. eine Fackel oder die aufgehende Sonne als Licht der Hoffnung; die Friedenstaube). Welche symbolische Bedeutung hat die Farbgebung (z.B. National- oder Parteifarben, Lichtergloriolen vor düsterem Hintergrund)? Insbesondere Plakate arbeiten mit solchen, auf den ersten Blick wirkenden symbolischen Elementen. Es kommt hier nicht darauf an, den intentionalen Gehalt, also die Absicht des Grafikers, herauszufinden, sondern den für die Zeitgenossen verständlichen symbolischen Gehalt. • Die semiotische Analyse, die den Code eines Plakats zu entschlüsseln versucht, fragt nach den Konnotationen der einzelnen Bildelemente, also nach mitschwingenden Bedeutungen. Vor allem Plakate arbeiten oft mit Gegensatzpaaren wie gut-schlecht, positiv-negativ. Der Mann auf dem Lumley-Plakat konnotiert Bitterkeit und Scheitern, die drei Frauen in Blackpool Jugend, Frische, Unbeschwertheit. Prinzipiell kann jedem Bildelement eine konnotative Bedeutung zugewiesen werden. Auf welche Art ist es abgebildet ist, d.h. welche anderen Darstellungsarten wären ebenfalls denkbar gewesen? Wie wirkt es mit anderen Bildelementen zusammen? Zusammen können einzelne Bildelemente auch bildrhetorische Figuren ausdrücken. Die häufigste ist die Metapher und ihre Spezialformen Metonymie und Synekdoche, bei denen ein Gegenstand für einen anderen steht (z.B. Hammer für Arbeit, die zuschlagende Faust für die revolutionäre Arbeiterklasse; rauchende Schlote für die Industrie). Welche metaphorische Bedeutung haben die Farben?

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Einbettung der Einzelanalyse  • Gattungs- und medienzentrierte Analysen fallen beim Plakat zusammen. Sie folgen Fragen nach für die Gattung typischen Eigenschaften eines Einzelbildes, nach Brüchen und Besonderheiten. Auch Einflüsse anderer Gattungen können untersucht werden. • Produktionszentrierte Analysen nehmen einzelne Plakatkünstler, ihre Auftraggeber und die Produktionsbedingungen unter die Lupe. Eine Besonderheit bei Plakaten ist die Unterscheidung zwischen werbenden und künstlerischen Plakaten. • Kontextzentrierte Analysen können diese Fragestellungen noch erweitern und mehr Gewicht auf die Wirkungsgeschichte eines oder mehrerer Plakate legen. • Rezeptionszentrierte Analysen von Plakaten aus lange zurückliegenden Zeiten sind nicht ganz unproblematisch, da nicht immer genügend Informationen über die Rezeption vorliegen. Für die jüngere Geschichte lassen sich dagegen Berichte und Kommentare in anderen Medien wie Zeitschriften, Zeitungen, Fernsehen und Radio finden, die etwas zu der Rezeption eines Plakates aussagen. Als Faustregel kann hier gelten: Je bekannter oder umstrittener ein Plakat, desto mehr Quellen wird man finden, die sich auf seine Rezeption beziehen. Wo findet man Plakate? Abgesehen von den einschlägigen Bildarchiven und Bildagenturen verfügen die großen Museen, wie das Deutsche Historische Museum, das Deutsche Hygiene-Museum und das Deutsche Museum über gut dokumentierte Plakatbestände, die über das Internet zu recherchieren sind. Das Deutsche Plakatmuseum, heute ein Teil des Folkwang Museums in Essen, hält 340.ooo Plakate aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Eine große Sammlung politischer Plakate besitzt die Friedrich-Ebert-Stiftung. Filmplakate findet man im Plakatarchiv des Deutschen Filminstituts (s. Linkliste).

Leseempfehlungen Fleckner, Uwe/Warnke, Martin/Ziegler, Hendrik (2011) (Hg.), Handbuch der politischen Ikonographie, München (zweibändiges Handbuch der Kunstgeschichte mit 150 Stichworten, nützlich nicht nur, aber insbesondere zur Analyse von politischen Plakaten) Kämpfer, Frank (1985), „Der rote Keil“. Das politische Plakat, Theorie und Geschichte, Berlin (wichtige kunsthistorische Studie sowjetischer Plakate, Standardwerk)

2. Bilderbogen, Karikatur und illustrierte Zeitschrift Vorläufer: Populäre Druckgrafik der Frühen Neuzeit Seitdem die Fortschritte der Reproduktionstechnik es erlaubten, wurden Bilder für ein breites Publikum druckgrafisch hergestellt. Die ersten von ihnen waren illustrierte Einblattholzschnitte, die seit dem 15. Jahrhundert in ganz Europa Verbreitung fanden. Sie bildeten meist religiöse Szenen oder Heilige ab. Sittenbilder, Kalender und weltliche Themen kamen im Verlauf des nächsten Jahrhunderts dazu. Die technische Weiterentwicklung des Holzschnitts erlaubte schließlich nicht nur schnellere und billigere Herstellungsverfahren, sondern auch die relativ einfache Verbindung von Text und Bild auf einer Seite – eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Aufstieg der populären Druckgrafik in ihren verschiedenen Formen zu einem Massenmedium seit dem 18. Jahrhundert (Maidment 2001: 9f).

Bilderbogen Eine besonders in Deutschland, Frankreich und Russland beliebte Gattung populärer Druckgrafik waren die Bilderbögen. Die illustrierten, farbenfrohen Einblattdrucke, meist unsigniert und einseitig bedruckt, wurden vom späten 18. Jahrhundert an in hoher Auflage hergestellt und erfuhren während des 19. Jahrhunderts enorme Popularität. Begrifflich werden Bilderbögen im Deutschen meist von illustrierten Flugblättern mit ausführlicherem Text unterschieden, während beide Formen in Frankreich unter dem Namen „imagerie populaire“ zusammengefasst werden (Schenda 1988: 271). Mit dem Beginn der Produktion der Neuruppiner Bilderbögen in der Firma Gustav Kühns 1791 hat sich dieser Name auch für Produkte anderer Hersteller eingebürgert (Brakensiek 1993). In ähnlicher Weise prägte ein Hersteller auch in Frankreich den Markt der „imagerie populaire“: Im Familienbetrieb von Jean Charles Pellerin wurden ab 1796 die sogenannten „images d’Epinal“ gedruckt, benannt nach dem Firmensitz in Epinal, einem kleinen Ort in den Vogesen. In Russland waren schon seit dem späten 17. Jahrhundert die unter dem Namen „lubki“ bekannten Volksbilderbögen sehr beliebt (Norris 2006). In Großbritannien und den USA kannte man Einblattdrucke unter der Sammelbezeichnung „broadsheets“ oder „broadsides“. Bilderbögen, images d’Epinal und lubki wurden preiswert produziert und zielten im Allgemeinen auf Käuferschichten aus dem einfachen Volk. Sie boten

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„Unterhaltung und Belehrung“ gleichermaßen (Faulstich 2004: 108). Der in Deutschland auflagenstärkste Bilderbogen aus Neuruppin war besonders bei den ländlichen und kleinstädtischen Unter- und Mittelschichten populär (Brakensiek 1993: 19). Bilderbögen aus München, die seit 1848 erschienen, galten als qualitativ hochwertiger und waren etwas teurer. Um weiterhin marktbestimmend zu bleiben, investierte man in Neuruppin in die technische Ausstattung und druckte ab 1825 auf einer modernen Lithographenpresse. 1860 konnten von jedem Bilderbogen bis zu 200.000 Stück hergestellt werden. Schätzungsweise bis zu 22.000 verschiedene Bilderbogenmotive wurden zwischen 1791 und 1939 in Neuruppin insgesamt entworfen und mehrere hundert Millionen Nummern gedruckt (Brakensiek 1993: 16). Sie umfassten eine breite Themenpalette, angefangen mit Darstellungen aktueller Themen, Kriegsschauplätzen und Katastrophen, Hochzeiten von Fürsten, Darstellungen von Uniformen und vielem anderen mehr. Religiöse Motive machten ungefähr 80 Prozent aus (Brückner/Brückner 2001: 208). In den letzten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verschob sich der Verkauf von Bilderbögen zugunsten jüngerer Käuferschichten. Andere illustrierte Medien kamen auf den Markt, so dass bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs die Bilderbogenproduktion gänzlich eingestellt wurde.

Illustrierte Zeitschriften Eine ab dem 19. Jahrhundert ebenfalls äußerst erfolgreiche visuelle Mediengattung waren illustrierte Zeitschriften. Ihre Geburtsstunde wird meist mit dem ersten Erscheinen des Penny Magazine 1832 in London identifiziert. Im Unterschied zu anderen bebilderten Druckgrafiken erschienen sie periodisch wie Zeitungen (daher die im Englischen übliche Bezeichnung des „illustrated periodical“), doch anderes als Zeitungen integrierten sie zum ersten Mal seriöse oder ernsthafte Nachrichtenbilder in die journalistische Berichterstattung. Der neue Zeitschriftentypus verbreitete sich von Großbritannien ausgehend in rasantem Tempo in Europa. Charles Knight, der im Auftrag der „Society for the diffusion of useful knowledge“ im Oktober 1832 die erste illustrierte Zeitschrift in London herausgebracht hatte, exportierte das Format erfolgreich nach Deutschland. Dort verkaufte zunächst eine Zweigfirma, ab November 1833 der Verlag Brockhaus das Pfennig-Magazin für einen Groschen pro Heft im Abonnement (zu Preisen und Auflagen des Pfennig-Magazins: Gebhardt 1989: 23). Ebenso wie das Penny Magazine in Großbritannien, das schon nach wenigen Monaten 200.000 Exemplare verkaufte, erreichte auch die deutsche Zeitschrift auf Anhieb hohe Auflagen (Martin 2006: 12). Effizienterweise verwendete Brockhaus das für das Magazin recherchierte Material auch in seinem Lexikon (Stöber 2005: 266). Im gleichen Jahr gründete der Franzose Edouard Charton, ein Freund Knights, das Magasin Pittoresque in Paris. Auch in anderen europäischen Ländern wie Holland, Italien, Böhmen, Schweden und Norwegen konnte das neue Format Fuß

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fassen. Nach dem englischen Vorbild hatten sich die illustrierten Zeitschriften die „Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse“ zum Ziel gesetzt. Sie berichteten in erster Linie über naturwissenschaftliche Entdeckungen und technische Neuentwicklungen und wendeten sich an alle Klassen gleichermaßen. Dem Begründer des Penny Magazine zufolge sollten sie die Leser auf Themen jenseits politischer Streitereien richten, sie aufklären und erziehen (Kunzle 1983: 345). Das erfolgreiche Konzept wurde zehn Jahre später erneut, aber in abgewandelter Form bei der Gründung der Illustrated London News benutzt. Die neue Zeitschrift kam mit 16 Seiten heraus, bot aufwändige Illustrationen und ein doppelt so großes Format wie das Penny Magazine. Das exklusive und hochpreisige Produkt verkaufte sich so gut, dass 1843 in schneller Folge ähnliche Zeitschriften in Frankreich und Deutschland, später auch in den USA und Spanien, auf den Markt kamen: L’Illustration in Paris und die Leipziger Illustrirte Zeitung in Deutschland (Patterson 2010; Martin 2006: 13; Charnon-Deutsch 2008). In den 1860er Jahren erschienen in England und Frankreich weitere Zeitschriften, die preisgünstigere Kopien des erfolgreichen Formats waren: 1861 die Penny Illustrated Paper, 1864 das Journal Illustré und 1867 die Presse Illustrée. In Deutschland entwickelte sich seit den 1850er Jahren der Typus der Familienzeitschrift als besondere Form des illustrierten Magazins. 1853 erschien erstmals Die Gartenlaube in Leipzig mit dem Ziel der belehrenden Unterhaltung für die mittleren Schichten (Wildmeister 1998). Politik war explizit ausgeklammert. Darin glich sie den vielen, in den folgenden Jahren erscheinenden illustrierten Familienzeitschriften Über Land und Meer, Daheim und Die illustrirte Welt. Satirezeitschriften Eine Sonderform der illustrierten Zeitschrift stellen die Satiremagazine, humoristischen Zeitschriften und Witzblätter mit Bilderwitzen und Karikaturen dar. Die erste war die französische La Caricature, 1830 von Charles Philipon gegründet, der zwei Jahre später die erfolgreiche Zeitschrift La Charivari herausgab. Besonders letztere diente als Vorlage für eine Reihe von ähnlichen Magazinen in ganz Europa (Wessolowski 2011: 44). In Großbritannien erschien nach mehreren eher billigen und nur für kurze Zeit existierenden Zeitschriften während der 1830er Jahre 1841 der Punch, in Deutschland 1845 in München die Fliegenden Blätter, 1848 der Kladderadatsch, 1857 der Figaro, 1879 der sozialdemokratische Wahre Jacob und 1896 der Simplicissimus (Koch 1991, Päge 2007: 25). Während gelegentlich aus der Metaschau zwischen Witzblatt und Satiremagazin unterschieden wird, bezeichneten sich die neuen Zeitschriften selbst meist als „humoristisch-satirisch“, ohne weitere Differenzierungen vorzunehmen (Lammel 1995: 3). Eine klare Abgrenzung ist hier nur schwer zu treffen. Die definitorischen Schwierigkeiten entstehen nicht zuletzt aus dem Problem, den Begriff der Karikatur und des Bildwitzes klar zu fassen.

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Karikatur Zurückgehend auf das italienische „caricare“ (übertreiben), liegen die Anfänge der Karikatur im Italien des 17. Jahrhunderts und seiner übertreibenden Sonderform der künstlerischen Porträtmalerei (Langemeyer 1984: 7). In England fasste die Karikatur im frühen 18. Jahrhundert Fuß, Frankreich und Italien folgten (Päge 2007: 23). In Deutschland, wo die Begriffe „Spott-“ oder „Zerrbilder“ zunächst gebräuchlicher waren, setzte sich die Karikatur erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts durch. Die Verzögerung erklärt sich zum Teil aus den Zensurvorschriften des Vormärz bis 1848. Angelehnt an die italienischen Wurzeln des Begriffs sehen viele die bewusste Übertreibung, Verzerrung und Deformierung des Abgebildeten als das Kriterium, das die karikaturistische Darstellungsform bestimmt (Lammel 1995: 3). Die politische Karikatur hebt dabei thematisch auf „aktuelle Ereignisse, Prozesse, Entscheidungen, Positionen und Verhalten“ ab, die der politischen Einflussnahme unterliegen (Grünewald 2002: 14). Sie geht dabei wertend, polarisierend und polemisierend vor (Jones 2009: 33f). Michaela Haibl unterscheidet die Karikatur begrifflich vom Bildwitz, den sie als ein eigenes Genre sieht. Ihrer Auffassung nach können Bildwitze zwar durchaus karikaturistische Züge annehmen, sind aber deutlich von der Karikatur abzutrennen, da sich das Verständnis und die Bedeutung von Bildwitzen vor allem aus dem begleitenden Text erschließt. Das humoristische Element der Karikatur basiert dagegen auf dem dominierenden Bereich des Visuellen (Haibl 2000: 98). Plum macht die der Karikatur inhärente Kritik zum Unterscheidungskriterium gegenüber Bildwitz, Cartoon und Comic (Plum 1998: 28). Häufig wird in der Literatur auf eine typologische Einteilung rekurriert, die Wolfgang Marienfeld einführte. Er unterscheidet die personale Individualkarikatur (die verzerrte Abbildung einzelner, individuell erkennbarer Personen), die personale Typenkarikatur (die abstrakte Begriffe, Kategorien oder Gruppen personifiziert) und die apersonale Sachkarikatur (die sich auf Gegenstände bezieht). Diese drei Typen können jeweils Prozesse, Ereignisse oder Zustände abbilden und nach diesen Kategorien systematisiert werden (Marienfeld 1990: 13-21).

Grundlegende Untersuchungen und Analyseansätze Noch 1973 beklagte der amerikanische Historiker Thomas Milton Kemnitz, dass über Karikaturen und Karikaturisten zwar insgesamt viel geschrieben worden sei, aber kaum nennenswerte Studien vorlägen, die die Karikatur als historische Quelle verwendeten (Kemnitz 1973: 81). Seit den 1980er Jahren zeigten Historiker und Forscher verwandter Fachdisziplinen in Deutschland, Großbritannien und Frankreich vermehrt Interesse an Karikaturen als Quellen. Überwiegend betrachteten sie diese zunächst unter dem thematischen Aspekt der politischen Kritik oder als

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Instrumente der ideologischen Propaganda (Herding/Gunter 1980; Langemeyer 1984; Clerc 1985). Im Vordergrund dieser Analysen stand die Frage, mit welchen visuellen Mitteln Karikaturen über verschiedene Zeitabschnitte hinweg und in unterschiedlichen Ländern arbeiteten. Vor allem den frühen Karikaturen der Engländer William Hogarth (1697-1764), James Gillray (1756-1815), George Cruikshank (1792-1878) und des Franzosen Honoré Daumier (1808-1879) galt das Interesse. Neuere Untersuchungen haben sich auch mit Fragen zur Stereotypisierung auf Karikaturen beschäftigt. So geht beispielsweise die Volkskundlerin Silke Meyer den englischen Nationalstereotypen in der Druckgrafik des 18. Jahrhunderts auf den Grund (Meyer 2003). Joan Landes betrachtet geschlechtsspezifische Stereotypisierungen auf französischen Karikaturen des ausgehenden 18. Jahrhunderts (Landes 2001). Der britische Kunsthistoriker David Bindman schließlich versucht anhand von englischen Karikaturen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert die Frage zu klären, wie aus den Franzosen „Frösche“ („frogs“) werden konnten (Bindman 2007). Als wegweisend für die historische Nutzung von Karikaturen als Quellen sind sicherlich die Arbeiten des deutschen Historikers Ebert Demm einzuschätzen, der Karikaturen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs untersucht (Demm 1988; 1993). International vergleichend ordnet er die Bilder in ihren historischen Kontext ein. Er fragt nach der Rolle und den Auswirkungen der Bildzensur und stellt am Beispiel der Satirezeitschrift Simplicissimus dar, wie aus ehemals regierungskritischen Journalisten und Zeichnern, die vor 1914 den deutschen Militarismus mit Hohn und Spott überzogen hatten, Kriegsbefürworter und Anhänger des „Burgfriedens“ wurden, einer Politik, die parteipolitische Differenzen für die Zeit des Krieges außer Kraft setzen wollte (ebd.: 168). Der Bildwitz konnte ein solches Interesse nicht wecken, wenn man von einigen Untersuchungen zu einzelnen humoristischen Blättern absieht (Ege 1992; Stackelberg 2004; Stüwe 1978; Weise 2004). Einzig der Bilderbogen des 19. Jahrhunderts fand als Quelle Eingang in die Forschung (Riha 1978; Brakensiek 1993). Claudia Held hat den Neuruppiner Bilderbogen als visuelle Quelle für die Darstellung der Familie im 19. Jahrhundert herangezogen (Held 1992). Der Bedeutung der Religion und religiöser Praktiken gehen die Volkskundler Annemarie und Wolfgang Brückner nach (Brückner/Brückner 2001). Erst seitdem kulturwissenschaftliche Fragestellungen häufiger in historischen Untersuchungen Anwendung finden, wurden auch Zeitschriftenillustrationen vermehrt in den Blick genommen. Die Volkskundlerin Birgit Wildmeister hat die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erscheinende populäre deutsche Familienzeitschrift Die Gartenlaube auf ihre Bilderwelt hin untersucht (Wildmeister 1998). Drucke, Holzstiche und Lithografien in populären englischen Zeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts betrachtet der britische Literaturwissenschaftler Brian Maidment. Er hat bewusst nicht solche Bilder als Beispiele gewählt, die besonders originell, sondern die im Gegenteil gewöhnlich und für den zeitlichen Kontext alltäglich waren. In seiner Analyse stellt er die Verbindung von Bild und

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Text in der jeweiligen Zeitschrift heraus, die eine wesentliche Voraussetzung für die Interpretation von Zeitschriftenillustrationen ist (Maidment 2001). Es ist so gut wie unmöglich, die Fülle aller Studien zur Karikatur methodisch zu systematisieren, da die vorliegenden Ansätze äußerst unterschiedlich sind – oder ganz ohne methodische Fundierung auskommen. Grob lassen sich zwei theoretische Perspektiven für die Karikatur und den Bildwitz unterscheiden. Die erste geht auf den in den 1930er Jahren gemeinsam von Ernst Kris und Ernst Gombrich entworfenen psychoanalytischen Ansatz zurück (Gombrich/Kris 1938). Kris und Gombrich führen das relativ späte Erscheinen von Karikaturen im späten 16. Jahrhundert auf fundamentale Veränderungen in der Kunst zurück, die dem Künstler erst zu diesem Zeitpunkt eine eigene Sicht auf die Welt erlaubten – und damit auch eine humoristische und karikierende. Die Bedeutung und Funktionsweise der Karikatur erklären sie mit Siegmund Freuds psychoanalytischen Erkenntnissen über den Witz, da verschiedene Elemente der Karikatur wie Doppeldeutigkeit, Transformation und Verdichtung Übereinstimmungen mit der Psychoanalyse aufweisen (Plum 1998: 41). Die psychologischen Wurzeln des Bildwitzes und der Karikatur sowie die formale Anwendung des Prinzips der Deformation und Verzerrung im Hinblick auf die ‚hohe‘ Kunst sind vor allem in der kunstgeschichtlichen Betrachtung von Karikaturen von Bedeutung (Herding/ Otto 1980). Sie analysieren den für humoristische Darstellungen spezifisch suggestiven Botschaftscharakter und seine unterschwellige Funktionsweise. Etwas anders stellt sich der Fokus bei Untersuchungen dar, die in erster Linie politische Karikaturen betrachten. Bildinhalt, Absichten der Hersteller und Auftraggeber, politischer und sozialer Kontext sowie methodische Annäherungen an Rhetorik und Semiotik überwiegen hier (Achterberg 1998). Die Suggestivität der visuellen Botschaft wird hier durch den absichtlichen, politisch oder ideologisch motivierten Einsatz von bildgestaltenden und humoristischen Mitteln erklärt. Es sei noch darauf hingewiesen, dass sich psychoanalytische, bzw. semiotische und sozialwissenschaftliche Perspektiven zwar deutlich unterscheiden, sich aber bei der konkreten Interpretation keineswegs ausschließen. Grafische Abbildungen in illustrierten Zeitschriften, die keine Karikaturen oder Bildwitze sind, werden oft auf unterschwellige oder offensichtliche politische und ideologische Intentionen hin befragt, aber auch auf ihren narrativen Botschaftscharakter hin untersucht. Die Verbindung von Bild und Text im illustrierten Magazin ist dabei von besonderer Bedeutung, ebenso wie die Frage, wie diese Narrative motiviert sind und welche verborgenen suggestiven Botschaften sie besitzen.

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Beispiele a) Bildwitz: „Tempora mutantur“ Beim ersten Beispiel handelt es sich um einen Bildwitz, den Michaela Haibl in ihrer Untersuchung von visuellen Darstellungen von Juden interpretiert (Haibl 2000: 330). Er stammt aus der humoristischen, seit 1845 in München herausgegebenen Zeitschrift Fliegende Blätter, einem der ersten Magazine dieser Art in Deutschland. Die Überschrift lautet „Tempora mutantur“ (Die Zeiten ändern sich), die Unterschrift „Judenverfolgung – im Mittelalter – in der Neuzeit“, der Zeichner bleibt anonym (Abb. 4). Darstellungen von Juden gehörten im gesamten 19. Jahrhundert zum Standardrepertoire von Bilderbögen, Witzblättern, Satiremagazinen und illustrierten Zeitschriften. Sie tauchten zwar nicht allzu häufig, aber dafür in stetiger Wiederkehr auf (Haibl 2000: 128). Bis um 1850 war die Darstellung verschiedener ‚Judentypen‘ durchaus üblich. In Witzblättern findet sich ein größerer Zeitbezug der Abbildungen von Juden. Hier wurde im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das visuelle Stereotyp ‚des Juden‘ durch einen spezifischen Zeichenstil generiert, der auch die Darstellungsart in anderen illustrierten Zeitschriften beeinflusste. Die zahlreichen ‚Judentypen‘ der frühen Bilderbögen schmolzen auf zwei zusammen: den armen, heruntergekommenen Ostjuden und den neureichen, parvenuehaften Bankier. Doch selbst diese zwei kontrapunktischen Charaktere fielen im Bildwitz schließlich zu einem Typus zusammen, der von ungefähr 1875 an Allgemeingültigkeit für alle Judendarstellungen beanspruchte (ebd.: 352). Die Exponierung eines ‚jüdischen Profils‘ wurde auf den gesamten ‚jüdischen Körper‘ ausgedehnt, der durch eine bestimmte Körperhaltung und Gestik zum Stereotyp wurde. Sekundärattribute, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Bildwitz und Karikatur die Darstellung von Juden konnotierten – wie beispielsweise Zwiebel, Knoblauch, Zwerchsack3 – traten nach 1850 mehr und mehr hinter die Visualisierung des gesamten ‚jüdischen Körpers‘ zurück. Haibl sieht den Grund für diese Entwicklung in der zunehmenden Akkulturierung der jüdischen Bevölkerung an ihre nicht-jüdische Umwelt. Die Zuspitzung auf ein allgemeingültiges visuelles Stereotyp, das auf einer „physiognomisch-prägnaten Darstellung“ basiert, stellte die Juden schließlich auch als Rasse dar (ebd.: 246; 351). Der hier vorliegende Bildwitz zeigt die Entwicklung dieses Stereotyps in einigen interessanten Facetten. Er besteht in einer auf Karikaturen und Bildwitzen häufig vorkommenden Zweiteilung des Bildteils, die auf dem Konzept des ‚Vorher‘ und ‚Nachher‘ basiert. Hier beziehen sich beide Bildteile auf die „Judenverfolgung“ zu unterschiedlichen Zeiten. Links, untertitelt mit der recht vage gehaltenen zeitlichen Bestimmung „Im Mittelalter“, treibt ein Ritter in voller Rüstung mit seinem Schwert einen Mann mit langem Bart, großer Nase und weitem Kaftan vor sich her. Der zweite Mann, durch diese Attribute als Jude konnotiert, läuft mit 3

Sackartige Tasche, die über der Schulter getragen wurde.

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Abb. 4: „Tempora mutantur“, Karikatur 1872, Fliegende Blätter Nr. 1398, Deutschland

gebeugtem Kopf und gestikulierenden Händen davon. Beide Personen bewegen sich nach rechts, also in Richtung des zweiten Bildteils. Tatsächlich kann man den Eindruck haben, als laufe die Figur des Juden aus dem einen Bildrahmen hinaus direkt in den zweiten hinein, als handele es sich also um dieselbe Person. Diese scheinbare Identität ist Kalkül. Im rechten Bild, untertitelt mit „In der Neuzeit“, bietet die hier als Jude zu identifizierende Figur der zweiten einen Wechsel an. Dieser trägt einen der Mode entsprechenden Bart und einen Militärmantel mit Orden. Hinter ihm an der Wand hängt ein Wappen. Die wenigen Attribute weisen den Mann als Angehörigen des deutschen Adels aus. Seine Situation „in der Neuzeit“ hängt kausal mit den Ereignissen „im Mittelalter“ zusammen. In der Kombination von Zeichnung und Text liegt das humoristische Element. Die „Judenverfolgung“ erhält durch die Zeichnung eine doppelte Bedeutung: Die Situation aus dem Mittelalter hat sich umgekehrt. Nun sind es die Juden, die den Christen nachstellen, indem sie sich als Geldverleiher dem in eine prekäre finanzielle Situation geratenen deutschen Adeligen aufdrängen. Die Funktionsweise des Witzes ist die Schadenfreude; keine ungewöhnliche Kategorie für Humoristisches. Doch hinter dieser offensichtlichen Funktion verbergen sich zwei wichtige Aspekte, die gewissermaßen kontrapunktisch zum eigentlichen Witz wirken. Dies ist zum einen die Art und Weise der Stereotypisierung sowohl des Juden als auch des Nicht-Juden, zum anderen das der Zeichnung zu Grunde liegende Narrativ.

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Unter Hinzuziehung von semiotischen Ansätzen zeigt Haibl, wie Karikatur und Bildwitz das Stereotyp ‚des Juden‘ generieren. Neben den sekundären Attributen analysiert sie Körperhaltung und Gestik. Vor allem die Hände, so eines ihrer Ergebnisse, sind signifikant in fast allen Darstellungen von Juden. Sie sind meist übergroß und in Bewegung gezeichnet, oft mit den Handflächen nach außen und den Ellbogen eng am Körper gehalten. Dass diese besondere Gestik im Bild ‚den Juden‘ charakterisiert, führt sie unter anderem auf die Verständigungsprobleme der nach Deutschland kommenden polnischen und russischen Juden zurück. Gestikulierende Hände wurden zu einem Symbol des NichtVerstehens und letztlich des Nicht-Dazugehörens von Juden. Dieses Stereotyp benutzten Zeichner aber nicht nur für die Darstellung von ‚Ostjuden‘, sondern auch für akkulturierte Juden. Immer öfter verzichteten sie gegen Ende des Jahrhunderts ganz auf die Abbildung von tatsächlichen Gesten und zeichneten die Hände einfach überdimensional groß. Das Symbol der Hände als „visualisierte Sprache“ verlor zunehmend seine ursprüngliche Bedeutung und diente lediglich dazu, eine Figur als ‚jüdisch‘ zu kennzeichnen (Haibl 2000: 265). Diese Konnotation bezieht sich auf den gesamten ‚jüdischen Körper‘ und kann daher auch nicht durch den Emanzipations- und Akkulturationsprozess abgelegt werden. Beide jüdischen Figuren in unserem Bilderwitz weisen die typische Geste auf, in beiden Fällen sind die Hände exponiert und etwas vergrößert gezeichnet. Ebenso wie die gebeugte Körperhaltung, die große Nase und der Bart weisen die Hände als körperliche Attribute darauf hin, dass ‚der Jude‘ der gleiche geblieben ist. Die Zeiten mögen sich verändert haben, doch ‚der Jude‘ ist, wie er immer war. Dazu passt die scheinbare Identität der zwei jüdischen Figuren. Mittelalterlicher Ritter und neuzeitlicher Adeliger sind zwar ebenfalls als Repräsentanten ihrer Klasse stereotypisiert, doch sie sind in ihrer jeweiligen Zeit verankert. Das der Zeichnung unterliegende Narrativ der historisch determinierten Beziehung zwischen Juden und Nicht-Juden ist der zweite wichtige Aspekt in der Interpretation des Bildwitzes. Es erklärt die zeitgenössische Situation, in der jüdische Geldverleiher deutschen Adeligen nachstellen und ihre finanzielle Notlage ausnutzen, durch geschichtliche Vorgänge. Die historische Dimension dient als eine Art Beweis für die unvermeidliche Divergenz zwischen Juden und Nicht-Juden, die weder durch Emanzipation noch durch Akkulturation aufgebrochen werden kann. An der Verfolgung im Mittelalter rächt sich ‚der Jude‘ in seiner eigenen Art, indem er als Geldverleiher von der finanziellen Krise des deutschen Adels profitiert (ebd.: 329). Die visuelle Argumentation verortet Juden und Deutsche ungeachtet der zeitlichen Umstände auf entgegengesetzten Seiten. Sie stereotypisiert diesen scheinbaren Gegensatz als historische Konstante, die ein Fundament des modernen Antisemitismus, wie er seit spätestens 1875 in Deutschland auftauchte, bildet. Bildwitze wie dieser sind Beispiele für das visuelle Erscheinungsbild dieses Antisemitismus und seiner Funktionsweisen.

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b) Karikatur: „John Bull“ Das zweite Analysebeispiel ist die bekannte Figur des John Bull. Ähnlich wie der deutsche Michel und die französische Marianne gilt John Bull als die Personifikation Englands bzw. Großbritanniens. Dies trifft besonders für Darstellungen zu, die John Bull zusammen mit anderen Personifikationen zeigen, so wie auf der Karikatur mit Marianne und dem deutschen Kaiser, die die im April 1904 geschlossene Entente Cordiale zwischen Großbritannien und Frankreich satirisch kommentiert (Abb. 5). Entsprechend der eingangs erläuterten Einteilung Marienfelds handelt es sich um eine personale Typenkarikatur, die stereotyphaft die Eigenschaften und Verhaltensweisen einer Nation personifiziert. Untersuchungen der Figur des John Bull, die sich die Identifikation und Analyse solcher Stereotypen zur Aufgabe gesetzt haben, konzentrieren sich überwiegend auf Brüche und Kontinuitäten in seiner Darstellung vor dem Hintergrund von historischen Entwicklungen. In Bezug auf John Bull wird beispielsweise die Frage gestellt, inwieweit die Veränderungen in der Ikonografie der Figur Rückschlüsse zulassen über das sich ebenfalls verändernde Verhältnis zur Nation in Großbritannien und ob die Satirefigur Phänomene wie Nationalismus und Imperialismus repräsentiert.

Abb. 5: „Entente Cordiale“, Bernhard Partridge, Karikatur 1904, Großbritannien

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1712 gilt als das literarische Geburtsjahr von John Bull. Sein geistiger Vater, der Schotte John Arbuthnot, schuf die allegorische Figur als kleinen Tuchhändler, der zu Zeiten des spanischen Erbfolgekrieges in Nachbarschaftsstreitigkeiten verwickelt ist. Arbuthnot kritisierte in seinem Pamphlet weniger die anderen europäischen Mächte als die Außenpolitik der Whig Partei und der sie unterstützenden Kriegsfinanziers, die der Autor als Kriegsprofiteure anklagte. Ab 1760 erschien John Bull auch auf bildlichen Darstellungen, allerdings war er weder die erste, noch die einzige Figur, die Zeichner allegorisch benutzten (Taylor 1992: 102). Traditionell personifizierte Britannia als Ikone seit spätrömischer Zeit die Völker auf den britischen Inseln und seit der Union von England und Schottland 1707 die nationale Einheit der Briten unter einer gemeinsamen Krone. Bis in die 1780er und 1790er Jahre hinein tauchten Britannia und John Bull arbeitsteilig in Karikaturen auf: Während erstere „abstrakte Ideen wie den Staat, die englisch-schottische Union und die Nation verkörperte, repräsentierte Bull die britische Bevölkerung und die öffentliche Meinung“ (Taylor 2006). Die Funktion John Bulls war in diesem Kontext, die Politik der Regierung kritisch unter die Lupe zu nehmen. Ab 1785 nahm die Anzahl der Britannia-Darstellungen rapide ab. Dies lag einerseits daran, dass zu diesem Zeitpunkt politische Themen dominierten, die mit den von Britannia repräsentierten Ideen nichts zu tun hatten (Hunt 2003: 124). Außerdem machte die äußerliche Ähnlichkeit der britischen Ikone mit der französischen Figur der Marianne, die die Ideale der Republikaner und der Französischen Revolution personifizierte, Britannia im Verlauf des britisch-französischen Konfliktes immer unattraktiver. Auf der anderen Seite nahmen seit den 1790er Jahren die Partizipationsforderungen des britischen Bürgertums weiter zu. John Bull als Repräsentant der öffentlichen Meinung wurde zum visuellen Ausdruck der Middle Class, da er, anders als die zur Passivität und Neutralität verurteilte Britannia, urteilen, kritisieren und handeln konnte (ebd.: 147). Miles Taylor zeigt in einer Reihenauswertung, dass zwischen 1784 und 1799 mehr als ein Drittel aller Karikaturen mit John Bull die Fiskalpolitik der Regierung kritisierten, während sich der Rest relativ gleichgewichtig auf elf weitere Themen verteilte. Für die Zeit ab dem Ersten Koalitionskrieg verschob sich diese Gewichtung zugunsten der Invasionsgefahr durch Frankreich und anderer europäischer Themen, um dann ab 1816 wieder zu Steuerfragen zurückzukehren (Taylor 1992: 96f). Dabei wurde John Bull nicht durch eine bestimmte politische Richtung instrumentalisiert, sondern von allen Parteien für ihre Zwecke eingespannt. Taylor zufolge gab es zu diesem Zeitpunkt keine Einigkeit darüber, für wen oder was John Bull parteipolitisch stehen sollte (Taylor 2006). Diese Offenheit erhöhte John Bulls Popularität bei den Karikaturisten. Er wurde nicht nur häufiger als Britannia abgebildet, sondern übernahm auch mehr und mehr ihre Funktion als Repräsentantin des Staates und der Nation. Seit dem Ende der Napoleonischen Kriege verband sich in der Figur des John Bull die Allegorie der Nation mit dem Symbol der Mittelklasse, die sich selbst als wichtigen Bestandteil der politischen Ordnung des Staates sah und die eigenen angenommenen

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Tugenden zu nationalen Charaktereigenschaften stilisierte (Hunt 2003: 169). Dazu gehörte nicht nur die Liebe zum Vaterland, sondern auch Misstrauen und Ablehnung gegenüber allem Fremden. Nach dem Ende der militärischen Konflikte auf dem Kontinent und nach dem Reform Act von 1832 nahmen die steuerlichen Belastungen des Bürgertums – und damit die Klagen John Bulls – mehr und mehr ab. Er wurde rundlicher und wohlhabender, blieb parteipolitisch aber weiterhin neutral. Die Wahlrechtsreform von 1884, von der auch unterbürgerliche Schichten profitierten, ließ es schließlich problematisch erscheinen, die öffentliche Meinung durch einen übergewichtigen, wohlhabenden Landbesitzer personifiziert zu sehen. Zu dem ‚Mann auf der Straße‘ konnte Bull nicht mutieren. So wurde er im frühen 20. Jahrhundert zu einer Figur des politischen Konservatismus und nach dem Ersten Weltkrieg zu einem Symbol imperialer Nostalgie (Taylor 2006). Als Personifikation eines aggressiven britischen Imperialismus zeichneten ihn vor allem Karikaturisten aus den USA und aus Europa. Der Blick auf vier verschiedene John Bull Karikaturen aus dem Zeitraum zwischen 1840 und 1859 soll das bisher Gesagte verdeutlichen. Ausgewählt wurden dazu Abbildungen, die John Bull in Verbindung mit dem ebenso wohlbekannten englischen „plum pudding“ zeigen, der traditionell Besitz, Wohlstand und wirtschaftliche Prosperität symbolisiert. Auf den ersten beiden Abbildungen dominiert ein überdimensionaler Plumpudding, der in beiden Fällen den Reichtum „Old Englands“ symbolisiert. Die Figur John Bulls ist auf den zwei Bildern ganz unterschiedlich dargestellt. In der ersten Karikatur (Abb. 6) ist er ganz an den rechten Bildrand gedrückt. Obwohl er in der Bildunterschrift explizit als der Erzeuger des reichhaltigen Plumpuddings ausgewiesen wird, darf er am Festschmaus nicht teilhaben. Königin Viktoria reicht ihm lediglich einen Teller mit Pflaumenkernen als Brosamen und gesteht ihm zu, nach dem Festmahl den Teller ablecken zu dürfen. Gleichzeitig hält sie sich zusammen mit ihrem Ehemann Albert, dem aus Deutschland stammenden Prinzen von Sachsen-Coburg und Gotha, und den Privilegierten der Oberschicht an den Früchten der Arbeit des Bürgertums schadlos. Im begleitenden Text hebt Albert England gegenüber den anderen europäischen Nationen heraus, indem er hocherfreut erklärt, dass England das Land der „guten Dinge“ sei, dass hier die Wirtschaft besonders prosperiere. Der Text gibt Albert einen starken deutschen Akzent, was die Ungerechtigkeit gegen den armen John Bull noch schlimmer macht. Er ist zwar nicht notleidend, aber er erscheint als bitterer und zorniger, letztlich allerdings hilfloser Zuschauer, als Opfer eines wirtschaftlich unfairen Systems. Der Plumpudding steht eigentlich ihm zu, denn er hat ihn erwirtschaftet. Die zweite Karikatur (Abb. 7) zeigt eine gewisse Rollenvertauschung. John Bull ist nun der Gastgeber des Festmahls. Er ist der Erzeuger, aber auch der Verteiler des Plumpuddings. Um seinen Tisch scharen sich die verschiedenen Gruppen der englischen Gesellschaft und halten ihm ihre Teller hin mit der Bitte um ein

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Links Allgemeine Seiten zur Bildwissenschaft/Ikonografie Virtuelles Institut für Bildwissenschaft: http://www.bildwissenschaft.org/vib Iconic Turn: http://www.iconicturn.de/ eikones – Bildkritik: http://eikones.ch/ Politische Ikonographie: http://www.sts.tu-harburg.de/projects/WEL/

Bildarchive/Museen Archiv für Kunst und Geschichte: http://www.akg-images.de/ Bildarchiv der Friedrich-Ebert-Stiftung: http://archiv.fes.de/start.fau?prj=ifaust6 Bildarchiv des Bundesarchivs: http://www.bild.bundesarchiv.de Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz: http://bpkgate.picturemaxx.com/webgate_ cms/en/ Bildindex der Kunst und Architektur: http://www.bildindex.de/#|home Bundesbildstelle der Bundesregierung: http://www.bundesbildstelle.de/ DDR-Bildarchiv: http://www.ddrbildarchiv.de/ Deutsches Historisches Museum: http://www.dhm.de/ Deutsches Hygiene-Museum: http://www.dhmd.de/ Deutsches Museum: http://www.deutsches-museum.de/en/archives/ Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: http://sint.hdg.de/sint/ html/suche.html Library of Congress, Bildersammlung: http://www.loc.gov/pictures/ Science Museum Group, gemeinsames Internetportal von Science Museum, National Media Museum, National Railway Museum: http://collectionsonline. nmsi.ac.uk/ Truman Library Photographs: http://www.trumanlibrary.org/photographs/index. php Ullstein Bild: https://www.ullsteinbild.de/ullstein-webshop/start.html;jsessionid =D755F92652C30E09A3CD1A3A865B8C48.as05 Virtuelle Fachbibliothek Kunst: http://www.arthistoricum.net/

Links zu einzelnen Bildgattungen Archiv des Instituts für Zeitungsforschung: http://www.dortmund.de/de/leben_ in_dortmund/bildungwissenschaft/institut_fuer_zeitungsforschung/start_zi/ index.html

166

Links

Archive’s Moving Images Library: http://archive.org/details/movies BBC: http://www.bbc.co.uk/ British Cartoon Archive: http://www.cartoons.ac.uk/ British Film Institut: http://www.bfi.org.uk/ British Pathé: http://www.britishpathe.com/ Cartoon-Museum Basel: http://www.cartoonmuseum.ch/ Cinématèque Française: http://www.cinematheque.fr/ Deutsche Fotothek: http://www.deutschefotothek.de Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst: http://www.karikatur-museum.de/ Deutsches Plakatmuseum im Museum Folkwang: http://www.museum-folkwang.de/de/sammlung/deutsches-plakat-museum.html Deutsches Rundfunkarchiv: http://www.dra.de/ Fliegende Blätter: http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/fb Kladderadatsch: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/kladderadatsch. html Plakatarchiv des Deutschen Filminstituts: http://deutsches-filminstitut.de/archive-bibliothek/plakatarchiv/ Politische Plakate aus China: http://chineseposters.net/ Punch: http://onlinebooks.library.upenn.edu/webbin/serial?id=punch Royal Photographic Society: http://www.rps.org/ Simplicissimus: http://simplicissimus.info/ Société Française de Photographie: http://www.sfp.asso.fr Ulk: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/ulkhd.html United Stated Holocaust Memorial Museum: http://digitalassets.ushmm.org/ photoarchives/

Glossar Ähnlichkeit

Begriff aus der Zeichenlehre von Charles Sanders Peirce. Bezeichnet das Verhältnis eines →Ikons zu seinem bezeichneten Gegenstand. Die Ähnlichkeit kann klanglicher oder visueller Art sein. Ähnlichkeit ist in der Theorie von Peirce nur eine Art der Relation des Zeichens zu dem von ihm Bezeichneten, andere sind die Kausalrelation und die symbolische Relation.

Allegorie

Figur, die der Metapher und dem Symbol ähnlich ist, sich aber auf einen größeren Sinnzusammenhang bezieht, z.B. Marianne als Allegorie für Frankreich.

Arbitrarität

Willkürlichkeit. In der →Semiotik wird der Begriff gebraucht, um willkürliche Zeichen von unwillkürlichen zu unterscheiden. Ein willkürliches Zeichen ist durch Konvention mit dem von ihm bezeichneten Gegenstand verbunden (z.B. ein Wort und seine Bedeutung).

Bildakt

Begriff des Bildaktes stammt ursprünglich aus der Philosophie, wurde von Jan Assmann und Horst Bredekamp in bewusster Entgegensetzung zur Rede vom Sprechakt, einem sprachphilosophischen und linguistischen Begriff, für die Interpretation von Bildern eingesetzt. Gemeint ist ein Bildverständnis, das Bildern einen aktiven Part in der Kommunikation einräumt und den Fokus auf den Blick des Betrachters lenkt.

Code

In der →Semiotik bezeichnet der Begriff die Regeln, nach denen ein Kommunikationsprozess, z.B. die Sprache, funktioniert. Wichtige Voraussetzung der Semiotik ist, dass dieser Code kulturell bestimmt ist. Gleiches behaupten Semiotiker auch für Bilder.

Denotation

Begriff aus der →Semiotik. Meint die engere, buchstäbliche Bedeutung eines Ausdrucks, Wortes oder Bildes im Unterschied zur →Konnotation, die auf eine mitgedachte oder assoziierte Bedeutung rekurriert.

Einstellung

Begriff der Filmwissenschaft. Beschreibt den Teil eines Films zwischen zwei Schnitten.

168

Glossar

Filmsequenz

Begriff der Filmwissenschaft zur Analyse von Filmen. Eine Filmsequenz stellt eine Handlungseinheit dar, ähnlich einem Kapitel in einem Roman.

Historische Bildkunde

Ansatz innerhalb der Forschungen zur Frühen Neuzeit, der sich mit visuellen Quellen beschäftigt. In den 1980er Jahren von Rainer und Trude Wohlfeil initiiert. Basiert auf den theoretischen Ausführungen des deutschen Kunsthistorikers Erwin Panofsky (1892-1968).

Iconic Turn

Begriff wurde 1994 geprägt vom deutschen Kunsthistoriker Gottfried Boehm und bezeichnet eine paradigmatische Wende in den Wissenschaften hin zum Visuellen.

Ikon

Begriff aus der Zeichenlehre von Charles Sanders Peirce, der sich auf einen bestimmten Typus von Zeichen bezieht. Ein Ikon ist durch die Relation der →Ähnlichkeit mit dem von ihm bezeichneten Gegenstand verbunden.

Ikone

Bild, das im kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft für besondere politische und historische Ereignisse steht. Begriff wird ähnlich verwendet wie →Schlüsselbild und →Schlagbild.

ikonische Differenz Geprägt durch den Kunsthistoriker Gottfried Boehm. Die ikonische Differenz verweist auf die besondere visuelle Qualität von Bildern, ihre visuelle Eigenlogik und ihre prinzipielle Un-Übersetzbarkeit in die Sprache. Ikonografie

Ansatz innerhalb der Kunstgeschichte. Bezeichnet die Untersuchung, Bestimmung und Inhaltsdeutung von Kunstwerken. Konzentriert sich auf den Bildgegenstand.

Ikonografischikonologische Methode

In den 1930er Jahren eingeführt von Erwin Panofsky zur Interpretation von Kunstwerken. In drei Schritten wird in der vor-ikonografischen Analyse der Phänomensinn beschrieben, in der ikonografischen Analyse der Bedeutungssinn benannt und in der ikonologischen Interpretation der Dokumentsinn erschlossen.

Ikonologie

Ansatz innerhalb der Kunstgeschichte. Bezeichnet die weiterführende Interpretation von Kunstwerken und die Auffindung ihrer symbolischen Bedeutung im historischen Kontext der kulturellen und sozialen Zusammenhänge.

Glossar

169

Index

Begriff aus der Zeichenlehre von Charles Sanders Peirce, der sich auf einen bestimmten Typus von Zeichen bezieht. Ein Index ist durch die Relation des kausalen Zusammenhangs bestimmt und weist auf die Existenz des bezeichneten Gegenstandes hin. So ist z. B. Rauch ein indexikalisches Zeichen für Feuer.

Interpretant

Begriff der Zeichentheorie von Charles S. Peirce. Entsteht mental im Adressaten, wenn das →Repräsentantem (Zeichen) wahrgenommen und verstanden wird.

Konnotation

Begriff aus der →Semiotik. Meint die Bedeutung eines Ausdrucks, eines Wortes oder eines Bildes, die über seine engere Bedeutung (→Denotation) hinausgeht, die bewusst oder unbewusst mitschwingt oder die man mit diesem Ausdruck/Wort/Bild assoziiert.

Linguistic Turn

Paradigmatische Wende innerhalb der Wissenschaften seit dem frühen 20. Jahrhundert hin zur Sprache. Begriff geht auf R. Rorty (1967) zurück. Sprachphilosophie und Linguistik sind die Leitwissenschaften. Interpretationsmethoden für Texte werden auf alle Kommunikationsformen übertragen.

Metapher

Rhetorische Figur, meint nicht die wörtliche, sondern die übertragene Bedeutung eines Wortes, Satzes oder Bildes, z.B. „Sie lebt in einem goldenen Käfig“. Spezialformen der Metapher sind die →Synekdoche und die →Metonymie.

Metonymie

Spezialform der →Metapher. Meint eine rhetorische Figur, bei der ein Ausdruck durch einen anderen ersetzt wird, der in einem realen sachlichen Zusammenhang mit diesem steht, z.b. den Inhalt durch das Behältnis ersetzten: „ein Glas trinken“.

Mis en scène

Begriff der Filmwissenschaft. Bezeichnet den kalkulierten Bildaufbau, d. h. die räumliche Anordnung von Figuren und Gegenständen vor der Kamera.

Neoformalismus

Ansatz in der Filmwissenschaft. In bewusster Abgrenzung von semiotischen, psychoanalytischen und strukturalistischen Methoden stellt der Neoformalismus die Ästhetik des Films und seine Wirkung beim Zuschauer in den Mittelpunkt.

170

Glossar

Ontologie

Ontologie ist die Lehre vom Sein und diskutiert den Begriff der Existenz.

Phänomenologie

Richtung innerhalb der Philosophie, geprägt zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Edmund Husserl. Geht davon aus, dass unsere Erkenntnis sich gründet auf die Wahrnehmung unmittelbar erscheinender Phänomene.

Pictorial Turn

Begriff wurde 1992 geprägt vom amerikanischen Kunsthistoriker und Literaturwissenschaftler William J. T. Mitchell und bezeichnet eine paradigmatische Wende in den Wissenschaften hin zum Visuellen.

Plot

In der Filmwissenschaft die Gesamtheit der im Film erzählten Ereignisse.

Realienkunde

Richtung in der Geschichtswissenschaft, die sich mit nicht-sprachlichen Quellen beschäftigt wie Alltags- oder Kunstgegenständen, Bildern oder Wappen.

Referent

Begriff aus der Zeichenlehre Ferdinand Saussures. Meint den Gegenstand oder Sachverhalt, den das Zeichen bezeichnet.

Repräsentantem

Begriff der Zeichentheorie von Charles S. Peirce. Meint das Zeichen, z.B. ein Wort, ein Bild, ein Laut.

Repräsentation

Im Unterschied zum allgemeinen Sprachgebrauch, der unter Repräsentation eine Art „Stellvertreter“ meint, bezeichnet der Begriff in der →Semiotik das Hervorbringen von Bedeutung innerhalb eines Kommunikationsprozesses.

Schlagbild

Begriff geht auf den Kunsthistoriker Aby Warburg (18661929) zurück und wurde von Michael Diers wiederbelebt. Ähnlich dem Schlagwort bezieht sich das Schlagbild auf allgemein bekannte Ereignisse und Vorkommnisse und fasst diese verdichtet zusammen. Begriff wird ähnlich verwendet wie →Schlüsselbild oder →Ikone

Schlüsselbild

Bild mit kulturellem Symbolcharakter. Schlüsselbilder stehen für besondere politische und historische Ereignisse oder Vorkommnisse und haben einen hohen Bekanntheitsgrad. Begriff wird ähnlich verwendet wie →Schlagbild oder →Ikone

Glossar

171

Semiotik

Lehre von den Zeichen. Teilwissenschaft der Philosophie, Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie. Basiert auf der Voraussetzung, dass unser Verständnis der Welt auf Zeichen und deren Interpretation beruht. Die Semiotik untersucht das Verhältnis von Zeichen, Bezeichnetem und Bezeichnendem. Wichtigste Vertreter sind Ferdinand de Saussure (1857-1913), Charles Sanders Peirce (1839-1914), Rolande Barthes (1915-1980) und Umberto Eco (geb. 1932).

Signifikant

Begriff aus der Zeichenlehre von Ferdinand Saussure. Meint das Bezeichnende. In der Theorie Saussures ist das Zeichen zweigeteilt. Die Ausdrucksseite des Zeichens ist der Signifikant, z.B. ein geschriebenes oder gesprochenes Wort, ein Bild.

Signifikat

Begriff aus der Zeichenlehre von Ferdinand Saussure. Meint das Bezeichnete. In der Theorie Saussures ist das Zeichen zweigeteilt. Die Bedeutungsseite des Zeichens ist das Signifikat, d.h. die Idee, der Begriff oder die Bedeutung des Zeichens.

Story

In der Filmwissenschaft die Gesamtheit der im Film erzählten Ereignisse (→Plot) und solcher, die vom Zuschauer angenommen und hinzugefügt werden.

Synekdoche

Spezialform der →Metapher. Meint eine rhetorische Figur, bei der ein Ausdruck durch einen anderen nach dem Prinzip des pars pro toto (ein Teil für das Ganze) ersetzt wird. Z.B. „Dahinter steckt ein kluger Kopf“.

Systemtheorie

Theoretischer Ansatz innerhalb der Soziologie. Einer ihrer wichtigsten Vertreter ist Niklas Luhmann (1927-1998). Die Systemtheorie ist eine Kommunikationstheorie mit dem Anspruch, die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zu beschreiben.

Visual History

Ansatz innerhalb der Geschichtswissenschaft, der sich mit Bildern als Quellen beschäftigt. Der Flensburger Historiker Gerhard Paul ist einer seiner Initiatoren und Fürsprecher.

Visual Studies

Forschungsansatz aus den USA. Die Vertreter der Visual Studies verstehen ihr Fach interdisziplinär. Sie untersuchen nicht nur einzelne Bilder, sondern die gesamte visuelle Welt und das Visuelle als Kommunikations- und Erkenntisform