Bildkompetenz: Kunstvermittlung im Spannungsfeld analoger und digitaler Bilder [1. Aufl.] 9783839421901

Welche Rolle spielt Bildkompetenz für den Kunstunterricht? Dieser Band schlägt eine Brücke zwischen Kunst- und Bildorien

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Bildkompetenz: Kunstvermittlung im Spannungsfeld analoger und digitaler Bilder [1. Aufl.]
 9783839421901

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Aufbau der Arbeit
Zentrale Fragestellung
Ausgangspunkt Kunstvermittlung
Neue Bildstrategien – über den Forschungsgegenstand
Von der Bildung zur Kompetenz
Bildkompetenz im Diskurs
Definition des Kompetenzbegriffs
Kompetenz und Performanz
Definition: Bildkompetenz
Visuelle Kompetenz und Bildkompetenz
Kompetenzen messen?
Der erweiterte Bildbegriff
Anmerkung zur Arbeitsmethode
Neue Bildformen in der Kunstpädagogik und Kunstvermittlung
Gunter Otto
Visuelle Kommunikation
Eva Sturm
Karl-Josef Pazzini
Anette Seelinger
Pierangelo Maset
Zwischenfazit
Interdigitale Bildformen
Entwicklungslinie technikaffiner Kunst
Kunst aus der Maschine? – Computerkunst
Innovative Potenziale der Netzkunst
Wider dem digitalen Schein
Entwicklungen technischer Kunstformen
Definition: Interdigitale Bildformen
Zwischenfazit
Dimensionen interdigitaler Bildformen
Digitalität
Codierung
Margarete Jahrmann – QR-Dress
Aram Bartholl – Google Portrait Series
Digitales Zeichnen – Susanne Britz
Digitalität und Malerei – Manfred Mohr
Laser Tagging – Theo Watson Graffiti Research Lab
Infiltrative/Virale Netz-Strategien
Wendepunkte interdigitaler Bildformen
Strategien zwischen digital und analog
Vom Werk zum Ereignis – performative Wende
Raus aus den Institutionen
Künstlerische Verfahren und neue Technologien
Aufhebung der Dichotomie Rezeption/Produktion
Aggregatzustände der Bilder
Die Herausforderungen für die Kunstvermittlung
Anwendungsfelder neuer bildgebender Verfahren
Bildwissenschaftliche Ansätze zum Bild
Bilder als Zeichen
Bilder als Sprache
Philosophie der Bilder
Bild-Raummodell
Herleitung des Raummodells
Das Raummodell
Möglichkeiten des Raummodells
Strategien zur Bildkompetenz
Thesen zur Bildkompetenz
Bildstrategien und Bildkompetenz
Fazit
Mögliche Unterrichtsprojekte
Analog-digitale Zeichnungen
Digitale Malerei
Reverse Engineering
Informations-Strategien
Ästhetische Infrastrukturen
Ausblicke
Literatur
Dank

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Florian Schaper Bildkompetenz

Image | Band 43

Florian Schaper (Dr.) hat in Lüneburg promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Kunstvermittlung und in den Bildwissenschaften.

Florian Schaper

Bildkompetenz Kunstvermittlung im Spannungsfeld analoger und digitaler Bilder

Für die Unterstützung bei der Drucklegung bedanke ich mich bei der Leuphana Universität Lüneburg.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Florian Schaper Umschlagabbildung: »apfel.m.d.L.a«, Digitalprint, 2012 (Ausschnitt) von Susanne Britz, Berlin Lektorat & Satz: Florian Schaper Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2190-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung | 11

Aufbau der Arbeit | 11 Zentrale Fragestellung | 12 Ausgangspunkt Kunstvermittlung | 13 Neue Bildstrategien – über den Forschungsgegenstand | 16 Von der Bildung zur Kompetenz | 19

Bildkompetenz im Diskurs | 21 Definition des Kompetenzbegriffs | 27 Kompetenz und Performanz | 29 Definition: Bildkompetenz | 31 Visuelle Kompetenz und Bildkompetenz | 32 Kompetenzen messen? | 33 Der erweiterte Bildbegriff | 36 Anmerkung zur Arbeitsmethode | 39 Neue Bildformen in der Kunstpädagogik und Kunstvermittlung | 43

Gunter Otto | 45 Visuelle Kommunikation | 46 Eva Sturm | 49 Karl-Josef Pazzini | 50 Anette Seelinger | 51 Pierangelo Maset | 53 Zwischenfazit | 56

Interdigitale Bildformen | 59

Entwicklungslinie technikaffiner Kunst | 61 Kunst aus der Maschine? – Computerkunst | 61 Innovative Potenziale der Netzkunst | 65 Wider dem digitalen Schein | 67 Entwicklungen technischer Kunstformen | 70 Definition: Interdigitale Bildformen | 72 Zwischenfazit | 76 Dimensionen interdigitaler Bildformen | 77

Digitalität | 78 Codierung | 80 Margarete Jahrmann – QR-Dress | 81 Aram Bartholl – Google Portrait Series | 82 Digitales Zeichnen – Susanne Britz | 85 Digitalität und Malerei – Manfred Mohr | 87 Laser Tagging – Theo Watson Graffiti Research Lab | 89 Infiltrative/Virale Netz-Strategien | 90 Wendepunkte interdigitaler Bildformen | 93

Strategien zwischen digital und analog | 93 Vom Werk zum Ereignis – performative Wende | 95 Raus aus den Institutionen | 95 Künstlerische Verfahren und neue Technologien | 96 Aufhebung der Dichotomie Rezeption/Produktion | 98 Aggregatzustände der Bilder | 99 Die Herausforderungen für die Kunstvermittlung | 100

Anwendungsfelder neuer bildgebender Verfahren | 105 Bildwissenschaftliche Ansätze zum Bild | 109

Bilder als Zeichen | 110 Bilder als Sprache | 112 Philosophie der Bilder | 114 Bild-Raummodell | 117

Herleitung des Raummodells | 118 Das Raummodell | 121 Möglichkeiten des Raummodells | 125 Strategien zur Bildkompetenz | 129

Thesen zur Bildkompetenz | 132 Bildstrategien und Bildkompetenz | 133 Fazit | 137 Mögliche Unterrichtsprojekte | 141

Analog-digitale Zeichnungen | 141 Digitale Malerei | 142 Reverse Engineering | 143 Informations-Strategien | 145 Ästhetische Infrastrukturen | 146 Ausblicke | 149 Literatur | 151 Dank | 161

„Für die Neuartigkeit der digitalen Bilder ist nicht entscheidend, daß sie digital hergestellt werden.“ (WIESING 2005, S. 116)

Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie in der Schule, mittels des Paradigma Kunstvermittlung, Strategien zur Bildkompetenz entworfen werden können. Hierbei liegt der Fokus besonders auf aktuellen, technischen Bildformen. Ziel der Arbeit soll es sein, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie das Fach Kunst in der Schule ausgerichtet werden kann, wenn entlang der Verfahrensweisen aktueller Bildformen Bildkompetenz befördert werden soll. Die Hypothese ist hierbei, dass sich durch den Umgang mit technischen Verfahren in der Kunst ästhetische Strategien ergeben haben, welche sich auch auf nicht-technische künstlerische Verfahren auswirken. Digitale und analoge Verfahren mischen sich mit vielfältigen künstlerischen Prozessen und werden in dieser Arbeit als interdigitale Bildformen beschrieben. Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten sollen Strategieadaptionen für das Fach Kunst entwickelt werden, mit welchen sich Bildkompetenz befördern lässt.

AUFBAU

DER

ARBEIT

Im ersten Teil der Arbeit wird der Begriff Bildkompetenz definiert und seine bisherige Verwendung im Diskurs von Kunstpädagogik und –vermittlung beschrieben. Zudem werden Beiträge aus anderen Disziplinen, wie beispielsweise Bildwissenschaften oder Visuelle Kommunikation, vorgestellt, da hier ebenfalls Definitionen vorschlagen werden. Anschließend werden aktuelle und historische Positionen zum Fach Kunst vorgestellt. Diese zeigen, in welcher Breite der aktuelle Diskurs geführt wird. Es wird hier zudem deutlich, dass schon in frühen Ansätzen zur

12 | B ILDKOMPETENZ

Kunstpädagogik Anlagen bestehen, die sich für die heutige Bildkompetenzdebatte nutzen lassen. Hieran schließt sich die Herleitung des Begriffs Interdigitale Bildformen an. Aktuelle technische Bildformen und deren Strategien werden analysiert und unter der Möglichkeit der Betrachtung als interdigitale Bildformen interpretiert. Es wird gezeigt, dass die vielfältigen neuen bildgebenden Verfahren neue Varianten zur Bildherstellung, -manipulation und distribution hervorbringen. Durch die rasante Entwicklung der technischen Möglichkeiten vorangetrieben, transformiert sich der Bildbegriff von der statischen Form hin zu bildhaften Prozessen und künstlerischen Infrastrukturen. In diesen sind, im Unterschied zu Alltagsbildern, die Strategien und Materialien reflektiert. Das, was zur Herstellung dieser neuen Bildformen verwendet wurde, Materielles oder Konzeptuelles, ist im Bild selbst zur Reflexion angeboten. Es eröffnet sich hierdurch die Möglichkeit, mittels kunstvermittlerischen Konzepten mit Bildstrategien zu verfahren. Dies offeriert dem Fach Kunst eine Perspektive, in welcher technisch bedingte Bilder über die Grenzen der Beschreibbarkeit durch Kunst- oder Medienpädagogik erweitert werden. Über einen Exkurs zu Positionen der Bildwissenschaften wird im Kapitel Bild-Raummodell ein Modell hergeleitet, mit dem für die Kunstvermittlung zentrale Einordnungen von Bildformen vorgenommen werden können. Verschiedene Strategien künstlerischer Arbeiten lassen sich hiermit befragen und in Bezug zueinander setzen. Im Kapitel Strategien zur Bildkompetenz werden die herausgearbeiteten Elemente von Bildkompetenz mit Blick auf aktuelle technische Bildformen formuliert. Nach dieser Schlussbetrachtung werden noch Vorschläge für mögliche Unterrichtsprojekte, Ausblicke und der Materialanhang offeriert.

Z ENTRALE F RAGESTELLUNG Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit lautet: Was kann unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten heute und mit Blick auf die zeitgenössische Kunst über Bildkompetenz ausgesagt werden? Wie lässt sich Bildkompetenz, bezogen auf aktuelle bildgebende Phänomene zwischen digitalen und analogen Strategien, definieren?

EINLEITUNG | 13

Der Fokus ist darauf gerichtet, eine Perspektive zu entwickeln, welche die Ansätze zum Fach Kunst erweitert. Nicht neue, technische Geräte zur Bilderzeugung sollen im Vordergrund stehen, sondern die künstlerischen Bildstrategien, welche in den spezifischen Bildverfahren reflektiert sind. Mittels dieser Perspektive lässt sich als Desiderat dieser Arbeit formulieren, Strategien zur Bildkompetenz zu beschreiben, welche das Arsenal der schulischen Kunstvermittlung in Bezug auf interdigitale Bildformen erweitern. Die Argumentation verfährt dabei entlang aktueller technischer Verfahren zur Bildherstellung, welche mit nicht-technischen Verfahren in der zeitgenössischen Kunst vermischt werden. Das Herausstellen technischer Kunstformen prägte seit Beginn der 1950er Jahre den Begriff Computerkunst1. Dieser hat sich heute allerdings fast vollständig erübrigt, da Computer in fast alle künstlerischen Produktionen eingebunden sind. Computer sind zu Werkzeugen von Künstlern geworden, die in ästhetische Prozesse integriert sind. Die Computerkunst als alleinige Referenz wird in dieser Arbeit demnach nicht verfolgt, da heute in fast allen künstlerischen Arbeiten dieses neue Medium Verwendung findet. Künstlerische Bilder, so die Hypothese, sind mit Blick auf die Ausbildung von Bildkompetenz deshalb so geeignet, weil Künstler die von ihnen verwendeten Medien und Strategien in der ästhetischen Praxis reflektieren.

AUSGANGSPUNKT K UNSTVERMITTLUNG Die Unterscheidung von Kunstpädagogik und Kunstvermittlung lässt sich scheinbar schnell anhand ihrer Einsatzfelder festmachen. Kunstpädagogik ist ein schulisches Feld, Kunstvermittlung hingegen operiert auch in Museen, Galerien oder sonstigen Institutionen der Kunst. Neben dem Unterscheidungsmerkmal von Kunstvermittlung und -pädagogik anhand des Einsatzbereichs ist aber das Selbstverständnis ein grundsätzlich anderes. Die Kunstpädagogik tendiert, vor allem durch ihre Entwicklungsgeschichte und die Nähe zur allgemeinen Pädagogik bedingt, fast immer zu einer Vereinfachung ihrer Gegenstände. Kunstvermittler hingegen operie-

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Eine Abgrenzung der Computerkunst von interdigitalen Bildformen findet im Kapitel Interdigitale Bildformen statt.

14 | B ILDKOMPETENZ

ren zwischen Artefakt und Betrachter, sie regen kommunikative Prozesse an, stören diese, unterbrechen, verwirren und betreiben hierdurch widerständiges Verhalten. Kunstvermittlung kann dabei selbst kunsthafte Züge annehmen (vgl. Maset 2005b, S. 39). Die Vereinfachung, welche der Kunstpädagogik gemeinhin zugeschrieben wird, bringt einen erhöhten Status der Lehrperson mit sich. Diese Person ist für schulische Bedingungen erforderlich, da hierdurch die Leistung der Schüler 2 bewertet, schwächere Schüler gefördert oder begabte Schüler gefordert werden. Die Funktionen der Schule werden auf diese Weise vom Lehrer tradiert und durchgesetzt. In der Kunstvermittlung ist selten Leistungsbewertung erforderlich und es ist auch nicht wichtig, dass die Betrachter einer Ausstellung in eben dieser für ihr späteres Leben wichtige Fähigkeiten und Wissen erwerben. Dennoch bietet die Kunstvermittlung eine geeignete Folie zur Entwicklung von Strategien zur Bildkompetenz. Im schulischen Kunstunterricht ist seit geraumer Zeit ein Mangel zu beobachten, welcher von Pierangelo Maset als „Kunstverlustigkeit“ beschrieben wird. Diese Tendenz wird besonders dadurch vorangetrieben, dass Kunst im Sinne eines technischen Vorgangs vermittelt und analysiert werde, in welchem die notwendige Kunsthaftigkeit nicht entfaltet werden könne (vgl. Maset 2001b, S. 15). Es besteht also zwischen Kunstpädagogik und -vermittlung ein nicht unerheblicher Unterschied, wenn auch gewisse Elemente beider Funktionsbereiche zur Deckung gebracht werden können. Trotz der Gegensätze kann Kunstvermittlung in der Schule ein lohnendes Konzept sein, da es die Möglichkeit mit sich bringt, Kunsthaftigkeit in der Schule zu entfalten. Nicht operationalisierte Verfahren sollen Gegenstand im Kunstunterricht sein, sondern das Umgehen mit zeitgenössischen ästhetischen Strategien. Die Funktionen von Schule müssen hierdurch nicht notwendigerweise unterwandert werden. Es kann, im Gegenteil, sogar gelingen, die Aufgaben von Schule mit dem Mittel der Kunstvermittlung voranzutreiben. Es geht heute in der Kunstvermittlung darum, Vorgehensweisen zu entwickeln, mit denen auf beschleunigte gesellschaftliche Entwicklungen reagiert werden

2

Die Nennung der männlichen Form schließt, soweit nicht anders angegeben, die weibliche Form mit ein.

EINLEITUNG | 15

kann (vgl. Maset 1995, S. 31). Das gilt im besonderen Maße für die rasante Entwicklung im Bereich der technischen Bildverfahren. Der Kunstunterricht ist dabei der Ort für die Ausbildung von Bildkompetenz, da das Bild zwar in vielen Fächern der Schule präsent ist, aber wohl in keinem anderen Fach einen so zentralen Gegenstand bildet3. Das Fach Kunst kann damit in der neuartigen visuellen Kultur eine wichtige Aufgabe für die Bildung übernehmen (vgl. Scheibel 2004, S. 57). Hierbei darf nicht verwechselt werden, dass die Ausbildung von Bildkompetenz eine Teilmenge im Kunstunterricht darstellt, nicht umgekehrt. In einer vergleichbaren Situation hat Torsten Meyer für das Konzept der Visuellen Medien gewarnt, er sehe die Gefahr, dass „[...] zugunsten des rational leichter fassbaren und rationeller zu unterrichtenden Gegenstands das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird (und nur noch eine leere und ebenso veraltete Wanne namens ‚Bild‘ übrig bleibt)“. (Meyer 2009a, S. 13) Jene Bedenken sollten für das Konzept der Bildkompetenz geteilt werden, denn auch hier besteht die Gefahr, das Kind mit dem Bade auszuschütten und den Kunstunterricht zu einem Bildkompetenz-Unterricht umzubauen. Das würde zulasten der Kunsthaftigkeit im Unterricht geschehen. Die Aufgabe von Kunstunterricht, Bildkompetenz zu fördern, kann auch mittels der jeweiligen Schulgesetze argumentiert werden, wenngleich hier4 die Aufgaben von Schule doch sehr weitläufig beschrieben sind. Im Kern sind es aber zwei wesentliche Richtungen, welche im Schulgesetz formuliert sind: Zum einen die Herausbildung selbstständiger Subjekte, welche sich mit einem aufgeklärten Geist in der modernen, technischen Welt zurechtfinden sollen; zum anderen die Ausbildungen von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, d.h. Kompetenzen, um den Leistungsanforderungen der modernen Gesellschaft gewachsen zu sein. Beide Aufgaben werden mit der Ausbildung von Bildkompetenz befördert. In der modernen Welt sind Bilder zum wichtigsten Kommunikationsmedium geworden. Techniken wie das Internet sind ohne Bilder nicht mehr denkbar. Die Ausbildung von Bildkompetenz kann also selbstständige, kritische Subjekte fördern; außerdem sind für die aktive Teilhabe an der Ge-

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Vgl. hierzu auch Niehoff 2006, S. 240. Beispielsweise NSchG (Niedersächsische Schulgesetz) §2 Abs.1 „Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden sich umfassend zu informieren und die Informationen kritisch zu nutzen.“

16 | B ILDKOMPETENZ

sellschaft der Zukunft das Wissen um Bilder und deren Rezeption, Produktion und Distribution notwendig. Da das Fach Kunst als einziges das Bild in den Mittelpunkt des Lehrplanes rückt5, sollen in dieser Arbeit mithilfe eines zeitgenössischen Verständnisses von (schulischer) Kunstvermittlung die Potenziale zur Ausbildung von Bildkompetenz systematisch befragt werden. Die Kunstvermittlung hat zudem das besondere Merkmal, den Gegenstand der Vermittlung nicht in einer eindimensionalen Lesbarkeit oder Erklärbarkeit aufgehen zu lassen; sie scheint deshalb ein geeigneter Ausgangspunkt für die Ausbildung von Strategien zur Bildkompetenz zu sein. Der Komplexität neuer technisch bedingter Bildformen kann so Rechnung getragen werden.

N EUE B ILDSTRATEGIEN – ÜBER F ORSCHUNGSGEGENSTAND

DEN

Die Arbeit betrachtet aktuelle künstlerische Bildstrategien mit dem Fokus auf digitale und analoge Bildprozesse. Am Beispiel wird aufgezeigt, dass künstlerische Arbeiten zwischen analog und digital einen hohen Komplexitätsgrad hervorbringen und mittels neuer Technologien auch den Bildbegriff in Richtung einer prozesshaften Kunst verschieben. Neue technologische Bildverfahren schaffen Bild- und Darstellungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel die Einbindung von Echtzeitverfahren. Im Zuge dieser technischen Entwicklung sind viele Bilder heute nur noch bedingt als abgeschlossene Arbeiten zu betrachten. Diese Untersuchung legt daher den Fokus auf den prozesshaften Charakter von Bildern und unterstellt, dass jedem Bild eine Produktionsmaxime zugrunde liegt, welche analysierbar und damit vermittelbar ist. Was sind also die Fähigkeiten, die wir benötigen, um komplexe Bilder zu erschließen? Welche Strategien können angewandt werden, um prozesshafte Bildverfahren zu analysieren? Wie könnte ein Kunstunterricht be-

5

Neben dem NSchG beschreiben die curricularen Vorgaben die Lernpläne für den Unterricht. Unter Punkt 1 der Vorgaben für die 5./6. Klasse an Realschulen ist die ästhetische Erfahrung am Bild explizit als Mittelpunkt des Kunstunterrichts formuliert.

EINLEITUNG | 17

schaffen sein, in dem vielschichtige zeitgenössische Bildverfahren berücksichtigt werden? Kann die Beschäftigung mit künstlerischen Bildern einen Beitrag zur Bildkompetenz leisten, d.h. ist es möglich die Strategien zur Bildkompetenz zu erschließen und auch zu vermitteln?

Von der Bildung zur Kompetenz

Der Kunstpädagoge Rolf Niehoff beschreibt 2006 einen bildungspolitischen Paradigmenwechsel, welcher durch den PISA-Schock im Jahre 2000 ausgelöst wurde. Es gehe in der Bildung und damit in den Schulen weg von der Input- und hin zur Output-Steuerung. Diese Output-Steuerung sei eng verbunden mit dem Begriff der Kompetenzen (vgl. Niehoff 2006, S. 239). Es hat in den letzten Jahren also eine Interessenverschiebung stattgefunden. Es ist nicht mehr ausschließlich die allgemeine Bildung, welche Ziel der schulischen Bemühungen ist, sondern zielgerichtete, mess- und vergleichbare fachliche Kompetenzen, die sogenannten hard skills (vgl. Rohlfs et al. 2008, S. 12). Durch diesen Paradigmenwechsel bedingt, erlangt in der kunstpädagogischen Diskussion das Konzept der Bildkompetenz in den letzten Jahren besondere Prominenz. Der Begriff tauchte aber auch schon vorher und in anderen Disziplinen auf. So findet man am Beginn der 2000er Jahre Veröffentlichungen von Klaus Sachs-Hombach1, die das Konzept der Bildkompetenz erörtern. Allerdings sind diese nicht dem kunstpädagogischen, sondern dem bildwissenschaftlichen Diskurs zuzuordnen. Folgt man Rolf Niehoff, ist die Bildkompetenz ein klarer Fall für das Fach Kunst, da nur dieses das Bild zum fachcurricularen Gegenstand habe. Niehoff macht aber auch deutlich, dass der Begriff der Bildkompetenz nicht das gesamte Bildungspotenzial des Kunstunterrichts2 erfassen kann (vgl. Niehoff 2006, S. 240).

1

Besonders in Sachs-Hombach 2003; aber auch Sachs-Hombach 2001 oder Sachs-Hombach 2005.

2

Niehoff verwendet den Begriff Kunstunterricht als Bezeichnung für das Fach Kunst an der Schule.

20 | B ILDKOMPETENZ

Diese These stützt auch Carsten Rohlfs, der in Kompetenz-Bildung postuliert, dass Bildung sich nicht auf die Entfaltung fachlicher Kompetenzen reduzieren lässt (vgl. Rohlfs et al. 2008, S. 10f). Die Ausbildung von Bildkompetenz kann daher nur eine Teilmenge im Fach Kunst sein. Diese Teilmenge aber, das zeigt auch die steigende Zahl der Veröffentlichungen zum Thema, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Auch wenn laut Bundesministerium für Bildung und Forschung eine allgemeingültige, zufriedenstellende Definition von Kompetenz kein realistisches Ziel ist (vgl. (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2009 [2008], S. 21)), so muss sich doch der Kunstunterricht mit der Forderung konfrontiert sehen, wie die anderen Schulfächer auch, harte und abprüfbare Fähigkeiten und Fertigkeiten – also Kompetenzen – festzuschreiben. Der BDK (Fachverband für Kunstpädagogik) reagiert auf diese Forderungen und formuliert in den 2008 veröffentlichten Bildungsstandards im Fach Kunst für den mittleren Schulabschluss als zentrale Anforderung die „Orientierung in der heutigen, bildgeprägten Welt durch die Erlangung von Bildkompetenz, dem zentralen Anliegen des Faches Kunst.“ (Fachverband für Kunstpädagogik e.V. 2008, S. 2) Bildkompetenz sei eine Kernkompetenz, denn es bleibe „[...] Aufgabe aller Fächer [sic!], ihre jeweils fachspezifischen Anforderungen an eine Bildkompetenz zu entwickeln und zu fördern.“ (Fachverband für Kunstpädagogik e.V. 2008, S. 2) Das Fach Kunst muss also, laut BDK, bei der Ausbildung von Bildkompetenz eine zentrale Rolle einnehmen. Die Erklärung der Bildkompetenz zur Schlüsselkompetenz3 und damit zur generellen Aufgabe aller Fächer lässt sich dabei ebenso verteidigen, wie die Auffassung von Rolf Niehoff, die Ausbildung von Bildkompetenz dem Fach Kunst zu überlassen. Problematischer liest sich die Formulierung des BDK, die „Erlangung von Bildkompetenz zum zentralen Anliegen des Faches Kunst“ zu erklären. Hier besteht die Gefahr, mit einer unverhältnismäßigen Gewichtung auf das

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Als Schlüsselkompetenzen werden diejenigen Kompetenzen bezeichnet, welche sich durch eine hohe Übertragbarkeit auf das spätere Privat- und Arbeitsleben auszeichnen. Schlüsselkompetenzen sollen kontextfreie Leistungsdispositionen darstellen, d.h. generell transferierbar sein, damit spätere, noch neue und unbekannte Herausforderungen gemeistert werden können (vgl. Klieme et al. 2002, S. 204 und Klieme 2004, S. 12).

VON DER BILDUNG ZUR KOMPETENZ | 21

Konzept der Kompetenzen den eigentlichen Unterrichtsgegenstand im Fach Kunst – nämlich die Kunst – aus dem Blick zu verlieren. Gerade hier liegt ein noch zu überprüfendes Paradox. Die Kunst, mit ihrer zentralen Aufgabe, der Generierung unwahrscheinlicher Formen, evoziert eben keine vorhersehbaren Bildstrategien. Die Kunst beschäftigt sich seit jeher auch immer mit den Möglichkeiten ihrer Fortsetzbarkeit und Strategien. Jedem Artefakt der Kunst ist damit auch immer die Fragen inhärent, wie es ein solches sein kann. Diese Fragen sind in den meisten Fällen genuin neu zu stellen und gelangen damit immer ins Ungewisse. Hiermit steht die zentrale Strategie der Kunst in Opposition zum Konzept der Kompetenzen. Es muss also die Frage gestellt werden, wie Unvorhersehbarkeit und „Unbestimmtheit“ (vgl. Böhme 2006) im Fach Kunst gesichert und als Potenziale ausgebaut bzw. hervorgerufen werden können.

B ILDKOMPETENZ IM D ISKURS Eine zentrale Veränderung im deutschen Bildungssystem ist die Umstellung von Input- zu Output-Steuerung. Die bisherige Vorgehensweise mit Lehrplänen und Curricula wurde seit Beginn der 2000er Jahre auf Bildungsstandards und Kompetenzraster umgestellt4. Diese Entwicklung integriert neben der Hinwendung zur Output-Orientierung auch Überprüfbarkeit und Qualitätsmanagement, sowie die Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse. Kern der Bildungsstandards ist, dass nicht mehr Gegenstände und Inhalte für den Unterricht vorgegeben werden sollen, sondern konkrete Kompetenzen, welche dann auf vielfältige Inhalte übertragbar sind. Für das Fach Kunst ist die Ausbildung von Bildkompetenz damit zum zentralen Begriff erhoben worden. Die Aufgabe besteht für sie aber zuerst darin, auszuloten, was Bildkompetenz sein kann und wie diese beschrieben werden sollte. Für das Fach Kunst an der Schule ergibt sich damit nicht nur die Aufgabe, sondern auch die Chance, zu erörtern, wie die Begriffe Bild und Kompetenz in Relation gebracht werden können. Gerade die Sonderform des KunstBildes generiert hier besondere Anforderungen. Aktuelle Konzepte und An-

4

Gut nachzuvollziehen in: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2003.

22 | B ILDKOMPETENZ

sätze der Kunstvermittlung für das Fach Kunst bieten hier relevante Ausgangspunkte. Eine Synopse der vorliegenden Konzepte soll zeigen, wie und wie weit das Konzept der Bildkompetenz bisher ausdifferenziert ist. Bildkompetenz ist im Diskurs um das Fach Kunst ein vergleichsweise junger Begriff. Angrenzende Gebiete, wie die Bildwissenschaften haben in diesem Feld schon einige Anstöße geliefert. Aufgrund der Umstellung der schulischen Curricula auf das Konzept der Kompetenzen ist zu erwarten, dass Bildkompetenz in Zukunft einen bedeutenderen Platz im Fach Kunst einnehmen wird. Dies zeichnet sich an der Zunahme der Veröffentlichungen in dem Bereich schon jetzt ab. Einige sollen an dieser Stelle zitiert sein, um den Forschungsstand festzustellen. Ingrid Höpel verdeutlicht in ihrem Beitrag Bildkompetenz als pädagogische Schlüsselkompetenz (2008) die Notwendigkeit einer bildorientierten Didaktik. Die Bedeutung anschaulicher Präsentationen von Lerninhalten für erfolgreiches Lernen sei zwar übereinstimmend anerkannt worden, die genauen Mechanismen seien aber noch weitgehend unbekannt (vgl. Höpel 2008, S. 60). Die Notwendigkeit einer visuellen Kompetenz5 und deren Ausdifferenzierung in Unterpunkten betonen unter anderem (Bering et al. 2006) in ihrer Veröffentlichung Kunstdidaktik. Neben einem historischen Abriss und einer Darstellung aktueller Positionen im kunstdidaktischen Feld fließt auch hier die Bildkompetenz-Debatte mit ein. Im Kapitel Kunstpädagogische Auslegung von Bildkompetenz betonen die Autoren die Auslegung von Bildkompetenz vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Kultur (vgl. Bering et al. 2006, S. 51). Unter Anführung des pictorial turn wird der 1994 vom Bildwissenschaftler W.J.T. Mitchell beschriebene kulturelle Umbruch als Wendepunkt auch in der Kunstdidaktik veranschlagt. Neben der medienwissenschaftlichen und der bilwissenschaftlichen Perspektive solle hier die kunstpädagogische Exegese vorgenommen werden. Bering et al. formulieren:

5

Kunibert Bering verwendet, wie andere Autoren auch, die Begriffe visuelle Kompetenz und Bildkompetenz synonym. Zum Beispiel in Bering 2002. Eine genauere Differenzierung dieser Begriffe ist allerdings notwendig und folgt im späteren Teil dieser Arbeit.

VON DER BILDUNG ZUR KOMPETENZ | 23

„Bildkompetenz von Schülerinnen und Schülern entfaltet sich im Kunstunterricht durch ihr Umgehen mit Bildern, das sich wechselseitig durchdringende gestalterische, rezeptive und reflexive Prozesse umfasst. Obgleich der Begriff Bild im schon bekannten Verständnis alle möglichen vorrangigen visuellen und haptischen Gestaltungen umfasst, so lassen sich jedoch, zumindest grob, alle Bilder betreffende Merkmale benennen, die für die konkretere Bestimmung bildkompetenter Verhaltensweisen grundlegende Orientierung anbieten:



Bilder sind gestaltete visuelle Phänomene mit einer eigenen komplexen Wirklichkeit.



Bilder sind spezifische Symbolsysteme, die eigene Prozesse ihrer Decodierung beanspruchen.



Bilder sind durch ihre Urheberinnen und Urheber sowie auch durch ihre Rezipientinnen und Rezipienten subjektiv geprägt.



Bilder entstehen in historisch-kulturellen Kontexten und werden in historischkulturellen Kontexten wahrgenommen und gedeutet.“ (Bering et al. 2006, S. 52)

Mit diesen Aspekten von Bildkompetenz gelangen die Autoren zur Formulierung der Aufgaben für das Fach Kunst bzw. Formulierung von Teilkompetenzen. Bildkompetenz umfasse demnach die Fähigkeiten: •

„Bilder als gestaltete Phänomene wahrnehmen, erleben, verstehen, analysieren und gestalten zu können,



Bilder als komplexe spezifische Form- bzw. Form-Inhalts-Gefüge wahrnehmen, erleben, verstehen, analysieren, deuten und herstellen zu können,



Bilder als spezifische Zeichensysteme von anderen spezifischen Zeichensystemen, wie z.B. der Wortsprache, differenzieren zu können,



Bilder durch ihre jeweiligen Urheber subjektiv-biografisch bedingt wahrnehmen, erleben, verstehen und deuten zu können,



Bilder durch ihre jeweiligen Rezipienten subjektiv-biografisch bedingt wahrnehmen, erleben, verstehen und deuten zu können.



Bilder durch historisch-kulturelle Kontexte determiniert wahrnehmen, erleben, verstehen und deuten zu können,



unterschiedliche Bildsorten differenzieren und rezeptiv sowie auch gestalterisch in Wechselbeziehung bringen können,



unterschiedliche Bildmedien differenzieren und rezeptiv sowie auch gestalterisch in Wechselbeziehungen bringen zu können,

24 | B ILDKOMPETENZ



interkulturelle Differenzen und transkulturelle Zusammenhänge von Bildern verstehen zu können.“ (Bering et al. 2006, S. 54–55)

Bildkompetenz umfasst demnach ein Bündel von Teilkompetenzen, welche sich durch die Begriffe Produktion, Rezeption und Distribution klammern lassen. Die Subjektorientierung ist hier ebenso ein wichtiger Ankerpunkt wie die Möglichkeit, Bilder als Zeichensystem zu begreifen. Zur Umsetzung der markierten Fähigkeiten und Fertigkeiten liefern die Autoren ebenso Hinweise: „Bildkompetenz wird nicht erworben, wenn sich die Produktion von Bilderwelten auf das Nachbuchstabieren tradierter oder zeitgenössischer künstlerischer Konzepte beschränkt. Diese leider weit verbreitete schlechte Praxis wird auch der gebotenen Subjektorientierung nicht gerecht. Ebenso wenig lässt sich Bildkompetenz lediglich durch das Nachbuchstabieren kunstwissenschaftlicher Analysemethoden erwerben.“ (Bering et al. 2006, S. 104)

Eine scharfe Definition von Bildkompetenz lassen die Autoren ebenso vermissen wie konkrete Vorschläge für die Vermittlung dieser. Die Wichtigkeit des Konzepts der Bildkompetenz wird aber immer wieder betont. 2010 erschien ein Sonderheft der Zeitschrift Kunst + Unterricht zum Thema Bildkompetenz6. Im einleitenden Artikel warnt Ernst Wagner vor unterschiedlichen Auffassungen des Bildkompetenzbegriffs und den daraus resultierenden fruchtlosen Auseinandersetzungen (vgl. Wagner 2010a, S. 4). Es wird jedoch nicht verdeutlicht, warum es keine unterschiedlichen Standpunkte zum Bildkompetenzbegriff geben soll.7 Wagner plädiert für „sinnvolle Aufgabenstellungen“ im Fach Kunst. Diese sollen die Schüler vor Probleme stellen, welche es zu lösen gilt. Ohne die Bewältigung bestimmter Aufgaben gebe es keine Kompetenzen (vgl. Wagner 2010a, S. 5). Neben instruktiven Aufgabenstellungen, welche Wagner für den Einsatz an der Schule offeriert, verlangt er den Schülern ab,

6

Vgl. Kunst + Unterricht 2010.

7

Hier muss die Frage erlaubt sein, ob unterschiedliche Standpunkte, also die Pluralität der Ansätze zum Fach Kunst die Begriffsbestimmung nicht erst auf das gewünschte, breite Fundament stellen, welches eine Auseinandersetzung mit dem Begriff ermöglicht.

VON DER BILDUNG ZUR KOMPETENZ | 25

„[…] eine Haltung zu den Gegenständen [zu] entwickeln, z.B. ein eigenständiges Interesse an dem mit solchen Aufgaben verbundenen aufklärerischen Impuls.“ (Wagner 2010a, S. 5) Wagner räumt aber auch ein, dass Bildkompetenz an Schülern nicht unmittelbar beobachtet werden kann. Bildkompetenz zeige sich vielmehr in bestimmten Situationen, so z.B. beim Rezipieren oder Produzieren von Bildern (vgl. Wagner 2010a, S. 12). An den Einführungsartikel von Wagner schließen sich viele Beispiele für Arbeitsanweisungen an. Kompetenzorientierte Aufgabenstellungen sollen dabei vor allem darauf zielen, Mechanismen zum Entwickeln von Lösungsstrategien zur entwerfen. Nicht oberflächliche Lösungen sollen erarbeitet werden, sondern übertragbare Strategien, die in ihrem lebensweltlichen Bezug der bildnerischen Alltagspraxis nützlich sind. Wie fast alle jüngeren Veröffentlichungen im Bereich der Bildkompetenz argumentieren die Autoren mit dem erweiterten Bildbegriff, was alle Arten von visuell erfahrbarer Bildlichkeit integriert. Bilder aus der Kunst sind ebenso gemeint, wie Alltagsbilder, Comics, Film aber auch dreidimensionale Objekte. Wagner plädiert für diesen erweiterten Bildbegriff, müsse doch die notwendige Ausdifferenzierung der aktuellen Bildkompetenzmodelle auf der Höhe des bildwissenschaftlichen Diskurses geführt werden (vgl. Wagner 2010b, S. 41). Auch Rolf Niehoff argumentiert auf der Basis eines erweiterten bzw. offenen Bildbegriffs. Er bezieht den Begriff Bild dabei sowohl auf die Prozesse als auch auf Ergebnisse bildnerischen Handelns und subsumiert inhaltlich alles, was vorrangig für das visuelle Wahrnehmen hergestellt wurde und wird (vgl. Niehoff 2006, S. 240). In seinem Beitrag Bildung – Bild(er) – Bildkompetenz(en). Zu einem wesentlichen Bildungsbeitrag des Kunstunterrichts verdeutlicht Niehoff noch einmal die Notwendigkeit, kompetent mit Bildern umzugehen. „Heutige Kinder und Jugendliche, mit den elektronischen Bildmedien als ‚digital natives‘ aufwachsend, entfalten ihre Persönlichkeit ganz wesentlich unter dem Einfluss von Bildern.“ (Niehoff 2009, S. 22)

Kunstunterricht bietet für Niehoff die Voraussetzung und den Ort, einen kompetenten Umgang mit Bildern einzuüben. Die Vermittlung von Kompetenzen, eine angemessene Bild-Wahrnehmung sowie das Verstehen von

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Eingenarten von Bildern und deren Zusammenhänge und Wirkungen gehört zu den wichtigsten fachlichen Aufgaben des Kunstunterrichts (vgl. Niehoff 2009, S. 23). Die Dimensionen von Bildkompetenz teilt Niehoff in bildstrukturale Dimension, bildinhaltliche Dimension, biografische Dimension, komparative Dimension, crossmediale Dimension und bildgeschichtliche Dimension (vgl. Niehoff 2009, S. 24ff.). Damit liefert er eine Strukturierung der Bildanalyse, welche im Sinne von Themenclustern eine Interpretation von Bildern darstellt. In Niehoffs Modell ist auch die biografische Dimension separat aufgeführt, welche die biografischen Einflüsse sowohl des Bildproduzenten als auch die des Bildrezipienten einbeziehen soll. Hier stellt sich die Frage, ob dieser Punkt nicht in den anderen Punkten aufgeht, da ein Bild immer Produkt seines Herstellers bleibt und man sich als Interpretierender auch nicht von seinem Subjekt lösen kann. Das Modell Niehoffs ist stark an die Ikonografische Bildanalyse (Panofsky 2002) des Kunsthistorikers Erwin Panofsky angelehnt, da Niehoff zwischen bildstrukturalen und bildinhaltlichen Merkmalen unterscheidet. Die Methode Panofskys, welche hier offensichtlich als Grundlage diente, unterteilt die Werkanalyse in drei Phasen. In der vor-ikonografischen Beschreibung werden die bildstrukturalen Merkmale wie Linien, Farben und Motiv untersucht. Die Untersuchung bildinhaltlicher Merkmale folgt dann in der ikonografischen Analyse. Die dritte Phase, die ikonologische Interpretation, setzt Motiv und Gehalt in den Kontext der Motivfolge in der Zeit und erlaubt die Analyse über die mögliche Aussage des Kunstwerks. Zusammenfassend ist festzustellen, dass in aktuellen Veröffentlichungen das Konzept der Bildkompetenz bei vielen Autoren an Prominenz gewinnt. Eine präzise Definition zum Begriff Bildkompetenz bleiben die meisten Autoren schuldig. Der Bildbegriff selbst hingegen wird von den meisten Autoren auf Höhe der aktuellen bildwissenschaftlichen Diskurse geführt. Hierbei wird nahezu durchgehend anhand eines erweiterten Bildbegriffs8 argumentiert. Die unterschiedlichen Herangehensweisen an den Begriff der Bildkompetenz sind besonders durch die jeweils vertretene Fachrichtung

8

Eine Erläuterung zum Konzept des erweiterten Bildbegriffs geschieht in Kapitel Der erweiterte Bildbegriff.

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geprägt. Subjekt- und Bildungsbegriff, als Beispiel, sind in den unterschiedlichen Diskursen im Fach Kunst unterschiedlich ausgelegt und führen so zu unterschiedlichen Ansichten über die Reichweite des Begriffs Bildkompetenz. An die Synopse der Konzeptionen von Bildkompetenz soll im folgenden Teil die Frage beantwortet werden, was Kompetenzen sind und wie in Folge dessen Bildkompetenz definiert werden muss. Hierzu ist auch eine Differenzierung der Begriffe visuelle Kompetenz und Bildkompetenz nötig, die in einigen Veröffentlichungen synonym verwenden werden. Hieran schließt sich die Frage nach der Beobachtbarkeit und Messbarkeit an. Abschließend soll das Konzept der Bildkompetenz auf die Möglichkeit der Integration des erweiterten Bildbegriffs geprüft werden.

D EFINITION

DES

K OMPETENZBEGRIFFS

Der Pädagoge Eckhard Klieme verdeutlicht die Verschiebung in der Funktion von Bildungszielen und Kompetenzen. Im Gegensatz zu den früher formulierten Bildungszielen, welche verallgemeinerte und kontextfreie Fähigkeitsdimensionen darstellten, sind Kompetenzen, wie Klieme darlegt, stark funktional gedacht und haben einen deutlichen Bezug zu den Anforderungen der Lebens- und Arbeitswelt (vgl. Klieme 2004, S. 11). Für die Definition des Kompetenzbegriffs lehnt sich Klieme in seinem Aufsatz Was sind Kompetenzen und wie lassen sie sich messen? an die Definition des Entwicklungspsychologen Frank E. Weinert an9. Bei Weinert entlehnt Klieme folgende Definition: „So definiert er [Frank E. Weinert; FS] Kompetenzen als ‚die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen (d.h. absichts- und willensbezogene; E.K.) und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Klieme 2004, S. 11)

9

Zentral auch für viele andere Definitionen und Argumentationen zum Konzept der Kompetenzen ist der viel zitierte Artikel von Franz E. Weinert Leistungsmessung in Schulen (vgl. Weinert 2002a).

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Weinert differenziert Kompetenz des weiteren in: fachliche Kompetenz (z.B. physikalischer, fremdsprachlicher, musikalischer Art); fachübergreifende Kompetenzen (z.B. Problemlösen, Teamfähigkeit) und Handlungskompetenzen, die neben kognitiven auch soziale, motivationale, volitionale und oft moralische Kompetenzen enthalten und es erlauben, erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen erfolgreich, aber auch verantwortlich zu nutzen (vgl. Weinert 2002b, S. 28). Neben der Ausdifferenzierung der Kompetenzen gewinnt die schulische Leistungsmessung laut Franz E. Weinert in Zukunft an Bedeutung. Bildungspolitische Entscheidungen und Qualitätsentwicklung werden an den Ergebnissen schulischer Leistungsmessung überprüft und fundiert werden (vgl. Weinert 2002b, S. 30). Weinert schließt sich der OECD10 an, welche schon mehrfach gefordert habe, den vieldeutigen Leistungsbegriff generell durch das Konzept der Kompetenz zu ersetzen (vgl. Weinert 2002b, S. 27). Den Wechsel vom Leistungs- zum Kompetenzbegriff unterstützt auch Eckhard Klieme. Einen reibungslosen Austausch der Begriffe hält aber auch er für unrealistisch. Klieme stellt in seinem Beitrag dar, dass die von der Kultusministerkonferenz getroffene Entscheidung gegen übergreifende Kompetenzen und für fachspezifische Kompetenzen zwar einschränkend sein kann, es aber im umgekehrten Fall illusionistisch sei, von der generellen Transferierbarkeit von Schlüsselkompetenzen auszugehen (vgl. Klieme 2004, S. 12). Zudem ist laut Klieme von Kompetenzen auch nur dann zu sprechen, wenn grundlegende Zieldimensionen innerhalb eines Faches benannt werden können, in denen systematisch und über Jahre hinweg Fähigkeiten aufgebaut werden (vgl. Klieme 2004, S. 12).

10 Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) ist Herausgeberin der jährlich erscheinenden Publikation Bildung auf einen Blick, in welcher die nationalen Bildungssysteme der Mitgliedstaaten auf ihre Leistungsfähigkeit hin analysiert werden.

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K OMPETENZ UND P ERFORMANZ Die Notwendigkeit der Messung von Kompetenzen erfordert eine Auseinandersetzung mit den volitionalen Aspekten von Kompetenzen. Der Bildwissenschaftler Hans Dieter Huber weist in seinem Beitrag Visuelle Performativität darauf hin, dass der Begriff der Kompetenz ein theorierelativer Terminus ist, welcher nur im Rahmen einer spezifischen Konstruktion einer Theorie von Kompetenz Bedeutung hat (vgl. Huber 2004a, S. 35). Die Sonderform der visuellen Kompetenz bzw. Bildkompetenz11 umspannt bei Huber alle Formen der Bildproduktion, -distribution und -rezeption, welche mithilfe des menschlichen Sehens oder technischen Medien erzeugt, organisiert und verbreitet werden (vgl. (Huber 2004a, S. 31). Huber argumentiert hier also mit einem erweiterten Bildbegriff im Sinne Mitchells und bezieht Bildproduktion, -distribution und -rezeption gleichwertig in seine Definition ein, wobei er sich auf alle Formen von Bildern bezieht, nicht nur auf die der Kunst. Das Problem an Hubers Konzept der visuellen Kompetenz liegt in der, von ihm konstatierten, generellen Nicht-Beobachtbarkeit von Kompetenz. Innere Zustände einer Person lassen sich nicht unmittelbar verfolgen und bleiben für einen Beobachter immer unzugänglich (vgl. Huber 2004a, S. 35). Diese Nicht-Beobachtbarkeit von Kompetenzen problematisiert die Formulierung von Kompetenzrastern12 in der Schule. Für diese ist Beobachtbarkeit und damit auch Überprüfbarkeit notwendig. Bei Huber bleiben Kompetenzen, da diese nicht direkt beobachtbar sind, im Bereich der Zuschreibungen. Personen können zwar aufgrund bestimmter Leistungen bestimmte Kompetenzen zugeschrieben werden, dies kann allerdings nur eine indirekte Aussage sein, da die Kompetenzen nicht direkt in Erscheinung

11 Huber benutzt die Begriffe visuelle Kompetenz und Bildkompetenz synonym. Es entstehen hier aber Definitionsprobleme, weil im Konzept der Bildkompetenz im Gegensatz zur visuellen Kompetenz die Bildlichkeit mit formuliert ist. Visuelle Kompetenz benennt also eine Kompetenz des visuellen, welche nicht unbedingt mit Bildlichkeit einhergehen muss. 12 Siehe hierzu die Gestaltung von Bildungsstandards, welche mit dem Aufgreifen von Bildungszielen und der Formulierung von Kompetenzen einhergeht in Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2003.

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treten und folglich nicht direkt bewertet werden können13. Huber argumentiert, die Zu- oder Abschreibung von Kompetenz/Inkompetenz sei also vom Beobachter und dessen Beurteilung abhängig (vgl. (Huber 2004a, S. 31). Als beobachtbare Sedimentierung der Kompetenzen führt Huber den Begriff der „Performativität“ ein. Mit diesem beschreibt er Anwendung und Gebrauch von Kompetenz (vgl. Huber 2004a, S. 34–35). „Wie können Kompetenzen, wenn sie innere, unbeobachtbare Fähigkeiten, Kenntnisse und Wissensbestände einer Person sind, öffentlich beobachtet werden? Kompetenzen zeigen sich stets an ihrer beobachtbaren Performativität. Aus der visuellen Performativität als einer öffentlich beobachtbaren, prinzipiell jedermann zugänglichen Oberfläche können wir auf die visuellen Kompetenzen eines Bildermachers oder -lesers zurückschließen.“ (Huber 2004a, S. 33–34)

Abbildung 1: Verhältnis von Kompetenz und Performanz

Quelle: Autor

Kompetenz und Performanz stehen in einem sich gegenseitig beeinflussenden Verhältnis: Die manifeste Performanz, d.h. die Realisierung, erlaubt Rückschlüsse auf latente Kompetenz; die sich umgekehrt in der Performanz zeigen kann14.

13 So auch zu finden bei von Saldern 1999. 14 Auch der Pädagoge und Bildungswissenschaftler Matthias von Saldern definiert Performanz als eine Teilmenge von Kompetenz. Des Weiteren beschreibt er mit der Potenziellen Leistungsperformanz (vom Schüler gezeigtes leistungsrelevantes Verhalten) und der Bewerteten Leistungsperformanz (Leistung des Schülers,

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D EFINITION : B ILDKOMPETENZ Der Begriff Bildkompetenz taucht in der kunstpädagogischen Literatur aktuell vermehrt auf. An klaren Definitionen mangelt es bisher, weshalb hier der Versuch einer solchen unternommen wird. Die Definition soll dem Anspruch der nötigen Offenheit entsprechen, um den sich wandelnden, erweiterten Bildbegriff zu integrieren. Aktuelle Bildformen müssen mit der Definition beschreibbar bleiben. Es wird folgende Definition für den Begriff Bildkompetenz vorgeschlagen: Das Konzept der Bildkompetenz beschreibt latente Persönlichkeitsmerkmale. Sie bezeichnet Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten in variablen Situationen und Prozessen der Bildproduktion, -distribution und -rezeption. Bildkompetenz wird als latentes Persönlichkeitsmerkmal beschrieben, da sie abhängig von der Anforderungssituation gezeigt bzw. nicht gezeigt werden kann. Bildkompetenz entzieht sich in Folge dessen der direkten Beobachtbarkeit und verbleibt, hier ist Huber zu folgen, im Bereich der Attribution. Als öffentlich beobachtbare Sedimentierung von Bildkompetenz tritt die Bild-Performanz in Erscheinung. Das Konzept der Bildkompetenz umfasst zudem Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Es ist also nicht nur visuell Wahrnehmbares gemeint, sondern auch das Wissen und der Umgang mit dem Phänomen und verschiedenen Formen von Bildlichkeit. Besonders im Bereich der technisch erzeugten Bilder lassen sich die teilweise komplexen Bildverfahren nur durch Nachvollziehen ihrer Produktionsstrategien aneignen. Der Bereich des Wissens um Bilder wird damit angereichert durch Können, d.h. Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das Konzept der Bildkompetenz umfasst die Bereiche der Bildproduktion, -distribution und -rezeption. Bildrezeption umfasst die Betrachtung von Bildern, also Analyse und Interpretation. Die Bildproduktion definiert zudem alle Bereiche der Bildherstellung und Bearbeitung. Bilddistribution

welche vom Lehrer auch bewertet wird) weitere Teilmengen der jeweils höheren Kategorie (vgl. Saldern 1999, S. 35).

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kennzeichnet Strategien zur Bildorganisation und -verbreitung. Insbesondere bei technisch erzeugten Bildern sind neue Bildverfahren dem jeweiligen Medium inhärent. Distributionsstrategien zum Bildhandeln, wie sampling oder copy & paste, ergeben sich dabei aus den Möglichkeiten des Bildes bzw. den technischen Möglichkeiten des Bildträgers. Bildkompetenz ist als Schlüsselkompetenz zu beschreiben. Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten, müssen auf neue, unbekannte Situationen übertragen werden können. Geschieht die Beschreibung von Kompetenzen nicht mit Blick auf spätere Tätigkeiten, verbleiben die Kompetenzen im Status von Handlungsanweisungen, welche nur auf dieselbe Situation wieder anwendbar wären. Die so ausgebildeten Fertigkeiten sind dann, wenn überhaupt, als instrumentelle Bildkompetenz zu beschreiben. Hierauf sollte besonders geachtet werden, wenn man die sich immer schneller voranschreitende Entwicklung im Bereich der digitalen Bildstrategien vornimmt. Solche Entwicklungen, die in immer schnelleren Zyklen verlaufen, benötigen zuerst die Fähigkeit, Kompetenzen auf neue Aufgaben und Situationen zu übertragen, statt feste Lösungswege anzuwenden. Insbesondere in der Kunstvermittlung, welche sich nicht ausschließlich mit Bildern, sondern eben auch mit Objekten der Kunst beschäftigt, sind hierzu brauchbare Ansätze zur Ausbildung von Bildkompetenz vorhanden. Diese beziehen sich häufig nicht nur auf künstlerische Strategien auf der Bildebene, sondern beziehen auch gesellschaftliche Produktionskontexte von Bildern in die Vermittlung mit ein.

V ISUELLE K OMPETENZ UND B ILDKOMPETENZ Die Begriffe visuelle Kompetenz und Bildkompetenz werden, wie schon erwähnt, von einigen Autoren synonym verwendet. Für diese Arbeit sollen die Begriffe insofern unterschieden werden, als dass visuelle Kompetenz die Fähigkeiten zur visuellen Wahrnehmung meint, während Bildkompetenz speziell die Wahrnehmung von Bildern im Sinne eines erweiterten Bildbegriffs meint. Bildkompetenz ist also ein begrenzter Spezialfall der visuellen Kompetenz, da sie die Spezialisierung auf Bildlichkeit beinhaltet. Gleichermaßen kann visuelle Kompetenz als Voraussetzung für Bildkompetenz beschrieben werden, da sie das notwendige Fundament zur Wahrnehmung von Bildlichkeit legt.

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Als Louis-Jean und Auguste Lumière in Paris ihren Film Die Ankunft eines Zuges im Bahnhof von La Ciotat vorführten, sprangen einige Zuschauer hinter ihre Sitze, weil sie Angst hatten, der gefilmte Zug könnte sie erfassen. Man kann den Personen, die während der Filmvorführung aufsprangen sicher visuelle Kompetenz zuschreiben. Sie haben den Zug als solchen identifiziert und wissen um die Gefahr, welche von einem fahrenden Zug ausgehen kann. Die Reaktion ist also verständlich. Bildkompetenz muss man den Personen allerdings absprechen, da sie die Bildlichkeit im visuell Wahrgenommenen nicht ausmachen konnten. – Wie sollten sie auch, es war für sie immerhin die erste Erfahrung mit dieser Art Bildlichkeit. Eine bildkompetente Person hätte den gezeigten Gegenstand, hier den gefilmten Zug, von dem Gegenstand an sich, also einem realen Zug, trennen können und damit die Bildlichkeit entlarvt. Der Unterschied zwischen visueller Kompetenz und Bildkompetenz liegt also in der An- oder Abwesenheit von Bildlichkeit (vgl. hierzu Wiesing 2008). Die Sichtbarkeit der Sache muss, nach Wiesing, von der substanziellen Anwesenheit der Sache abgekoppelt werden. Hierdurch entsteht Bildlichkeit, welche das Betrachten eines Bildes von der visuellen Wahrnehmung unterscheidet. Die visuelle Kompetenz beinhaltet zentrale Aspekte von Bildkompetenz, da diese den Umgang mit visuell Erfahrbarem/Wahrnehmbaren beschreibt. Im Konzept der Bildkompetenz geht es aber wesentlich um den Umgang mit Bildlichkeit. Hierfür ist visuelle Kompetenz eine Voraussetzung.

K OMPETENZEN

MESSEN ?

Wie schon im Kapitel Kompetenz und Performanz angerissen wurde, ist das Konzept der Kompetenzen eng mit den Fragen nach Beobachtbarkeit und Messbarkeit dieser verknüpft. Auch Franz E. Weinert hat keinen Zweifel daran, dass die Fragen der Leistungsmessung in Zukunft immer wichtiger werden; und führt dies auf die Notwendigkeit der Fundierung und Überprüfung bildungspolitischer Entscheidungen und die Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht zurück (vgl. Weinert 2002b, S. 30). Für das Fach Kunst bedeutet dies, in Bezug auf das Konzept der Kompetenzen Stellung zu beziehen. Das Fach benötigt dringend Impulse, welche dem genannten Konzept genügen, gleichzeitig aber einen Unterricht

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ermöglichen, der nicht ausschließlich über vorgegebene Bildaufgaben und -lösungen funktioniert. Das Fach Kunst ist durch diesen Anspruch in einer besonderen Situation, weil ein reiner Bildunterricht das Kunsthafte aus dem Fach verdrängen könnte15. Das Konzept der Bildkompetenz muss demnach in vorhandene Konzepte für Kunstunterricht eingearbeitet werden. Das Konzept der Kompetenzen funktioniert nicht ohne Leistungsmessung. Kompetenzen sind outputorientiert, d.h. ein Erfolg oder Misserfolg muss beobachtbar und damit messbar sein. Anders als das schon erwähnte Konzept der Bildungsziele sind Kompetenzen nicht kontextfrei und bezeichnen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die funktional gedacht sind, also einen starken Bezug zu Lebens- und Arbeitswelt haben. Klieme beschreibt Kompetenzen als die Verbindung von Wissen und Können und als Befähigung zur Bewältigung unterschiedlicher Situationen (vgl. Klieme 2004, S. 13). Wie schon festgestellt wurde, sind Kompetenzen grundsätzlich nicht messbar, da sie als latente Eigenschaften nicht direkt in Erscheinung treten. Für diese Arbeit wurde daher kein empirisches sondern ein abduktives Vorgehen gewählt. Jenes wird im Kapitel Anmerkungen zur Arbeitsmethode ausgeführt. Für Messungen und Diagnosen im Bereich der Kompetenzen, d.h. auch für die Bildkompetenz, müsste in einem späteren Schritt der Umweg über die Performativität eingeschlagen werden. Dafür sollte die Verbindung von Wissen und Können in einem Test abgefragt werden, welcher an dem orientiert werden muss, was für ein bestimmtes Niveau charakteristisch ist (vgl. Klieme 2004, S. 12). Es ist also nicht möglich einen Test zur Diagnose von Bildkompetenz zu erstellen. Der Test muss auf die Performanz gerichtet sein, und erlaubt höchstens Rückschlüsse auf Bildkompetenz. Für das Fach Kunst an der Schule ergeben sich hieraus Unwegsamkeiten: Da Kompetenzen nicht direkt beobachtbar sind, kann auch Bildkompetenz nur indirekt feststellbar sein. Ein Testverfahren über den Umweg der Performanz wäre daher die notwendige Messmethode. Die Messung von Kompetenzen als indirektes Verfahren müsste immer in der Gewissheit geschehen, dass eine exakte Messung nicht möglich ist.

15 Hier sei auf die Konzepte der Vertreter der Visuellen Kommunikation verwiesen (inbes. Ehmer 1971a), welche zu Beginn der 1970er Jahre den Kunstunterricht zu Gunsten eines Medienunterrichts gerne ganz abgeschafft hätten.

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Testverfahren müssen die volitionalen Aspekte der Testanordnung berücksichtigen. Es könnte der Argumentation gefolgt werden, dass die Ausbildung von Bildkompetenz ein Experiment mit ungewissem Ausgang ist. Die Maßnahmen, d.h. Aufgabenstellungen in der Schule, welche die Ausbildung von Bildkompetenz zum Ziel haben, müssten durch Tests verifiziert werden. Nur wenn in Tests bestätigt werden könnte, dass eine signifikante Steigerung der Bildkompetenz stattgefunden hat, wäre überhaupt bewiesen, dass Bildkompetenz durch den Unterricht in der Schule überhaupt vermittelbar ist. Die Kunstlehrer stünden dann allerdings immer noch vor der Aufgabe diese Ergebnisse zu sortieren und bewerten. Das folgende Beispiel zeigt ein interessantes Vorgehen im Bereich der Bildkompetenz-Forschung: Der amerikanische Bildungswissenschaftler Michael W. O’Boyle hat in seiner Forschung über mathematisch begabte Schüler herausgefunden, dass diese vor allem mit inneren Bildern denken, d.h. Aufgaben visualisieren, um diese zu lösen (vgl. O’Boyle 2008)16. Die Methoden der Visualisierung möchte er herausarbeiten und Verfahren entwickeln, diese Lernmethode anderen Schülern beizubringen. Diese sollen so über die Methoden der mentalen Visualisierung ihr Potenzial besser ausschöpfen können. Hierzu untersucht O’Boyle vor allem Hirnaktivitäten von mathematisch begabten Kindern mit neurobiologischem Instrumentarium. Interessant ist hier vor allem die Frage, ob bestimmte Hirnareale bei mathematisch begabten Schülern anders angesprochen werden als bei durchschnittlich begabten Schülern. Der Ansatz, bestehende Strategien mentaler Repräsentation von besonders mathematisch begabten Schülern für die durchschnittlich mathematisch begabten Schüler nutzbar zu machen, ist ein Vorhaben, welches eine weitere Beobachtung lohnt. Hierzulande muss sich das Paradigma der Bildkompetenz aber auch mit den vorhandenen Konzepten vereinen lassen. Die inneren Bilder, welche O’Boyle in seinem Artikel verfolgt, würde man hierzulande als Schlüsselkompetenz übersetzen müssen. Die mentale Repräsentation von Problemen und deren bildliche Lösung untersucht

16 Der Begriff Bildkompetenz ist im englischsprachigen Raum weitgehend unbekannt. Die Autoren, welche über innere Bilder schreiben, verwenden den Begriff visual cognition, welcher eher dem Begriff mentale Repräsentation gleichzusetzen ist.

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O’Boyle vor allem an mathematisch begabten Schülern. Es geht also um nicht-bildliche Aufgaben, die sinnbildlich gelöst wird. Die Diskussion um die Messbarkeit von Kompetenzen wird auch in Zukunft sicher noch viel Raum einnehmen. Ein Unterricht, welcher auf der Höhe aktueller Bildformen (und damit auch Bildanforderungen) sowie mit einem zeitgenössischen Konzept von Kunstvermittlung argumentiert, befindet sich hier in einer guten Ausgangslage. Vorgestellte Ansätze, wie das Forschungsprojekt von Professor O’Boyle aus Texas sind der weiteren Beobachtung wert. Die Ergebnisse über die Diagnose von Hirnaktivitäten im Prozess der visual cognition können wertvolle Hinweise liefern, die helfen, die neurobiologische Seite der Bildkompetenz besser zu verstehen.

D ER

ERWEITERTE

B ILDBEGRIFF

Nicht erst die technischen Möglichkeiten bedingen, dass die Bilder, welche uns umgeben nicht mehr reine zweidimensionale Abbildungen sind. Sie sind vielmehr auch schon vor der Erfindung digitaler bildgebender Verfahren komplexe Systeme. Eine weitere Anforderung an das Konzept der Bildkompetenz ist die Möglichkeit der Erfassung neuer, technischer Bildformen. Die Beschreibung von Bildkompetenz muss in Hinblick auf den Begriff des Bildes erweitert werden, sodass jede Form von Bildlichkeit mit dem Begriff erfasst werden kann. Für die Diskurse im Fach Kunst müssen aktuelle bildwissenschaftliche, semiotische und bildphilosophische Forschungen eine Referenz sein, da diese im Allgemeinen erforschen, welche Formen das Medium Bild zulässt. Aktuelle Konzeptionen zum Bildbegriff sind in vielen kunstpädagogischen Veröffentlichungen bereits berücksichtigt. Der erweiterte Bildbegriff ist durch eine Vielzahl an bildwissenschaflichen Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum rezipiert. Argumentationen über den erweiterten Bildbegriff finden sich so z.B. bei Rolf Niehoff: „Der Begriff ‚Bild‘ bezieht sich sowohl auf die Prozesse als auch auf die Ergebnisse bildnerischen Handelns, er subsumiert inhaltlich alles, was vorrangig für das visuelle Wahrnehmen hergestellt wurde und wird: Objekte, Prozesse, Situationen, die tradi-

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tionelle Handzeichnung ebenso wie das digital erzeugte Bild neuer Medien, selbstverständlich auch Plastiken, Bauten usw.“ (Niehoff 2006, S. 240)

Niehoffs Bildbegriff orientiert sich stark an der Bildtheorie von W.J.T. Mitchell. 1990 veröffentlichte dieser in seinem Beitrag Was ist ein Bild?17 eine Kategorisierung der Bilder, die er als verzweigten Familienstammbaum beschreibt. Mitchells Aufsätze zur Bildtheorie erschienen erst 2008 in deutscher Sprache18 und sind, wahrscheinlich aus diesem Grund, im Fach Kunst noch nicht in der Breite rezipiert. Die systematische Herangehensweise an Bilder kann durch die semiotische Perspektive ergänzt werden, so schreibt Gernot Böhm 2004: „Die einfachste Antwort auf die Frage, was ein Bild sei, lautet: Ein Bild ist ein Zeichen. Was ist trivialer als die Feststellung, daß ein Bild etwas abbildet, also nicht die Sache selbst ist, sondern auf sie verweist. Ein Bild macht etwas präsent, das selbst nicht da ist, es verweist also auf etwas anderes und hat in solcher Verweisung sein eigentliches Sein.“ (Böhme 2004, S. 27)

Die Beschreibung des Bildes als ein Zeichen führt dann zu den Begriffen Darstellung und Bildlichkeit. Lambert Wiesing beschreibt in seiner Studie zur Philosophie des Bildes19 das Bild mit eben diesen Begriffen und grenzt es so von „anderen flachen Gegenständen“ ab. „Ein Gegenstand ist nur dann ein Bild, wenn er nicht nur ein flacher Gegenstand an der Wand ist, sondern auch eine Darstellung ist.“ (Wiesing 2005, S. 28) Diese Definition verfeinert Wiesing 2008 und richtet sie noch stärker auf den Aspekt der Sichtbarkeit aus: „Damit ein Gegenstand ein Bild ist, genügt es nicht, daß dieses Ding sichtbar ist. Die Bildlichkeit verlangt, daß durch ein Bild eine Form von Sichtbarkeit erzeugt wird, die sich von der Sichtbarkeit ‹normaler› Gegenstände dadurch abhebt, daß sie – so paradox dies auch klingen mag – nicht die Sichtbarkeit von dem ist, was man sieht. Man braucht nicht davor zurückzuschrecken, dies als eine Definition des Bildes zu verstehen: Bilder sind die Gegenstände, auf denen etwas gesehen werden

17 Vgl. Mitchell 1990. 18 Vgl. Mitchell 2008. 19 Unter anderem in: Wiesing 2005 und Wiesing 2008.

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kann, das an der Stelle, wo sich das Bild als Gegenstand befindet, nicht vorhanden ist. Das Wesen des Bildes ist gleichermaßen eine Anwesenheit von etwas Abwesendem wie eine Abwesenheit von etwas Anwesendem; kein Gegenstand kann ein Bild seiner selbst sein.“ (Wiesing 2008, S. 160)

Die paradoxe Situation, welche durch ein Bild hervorgerufen wird, nämlich das etwas zur gleichen Zeit da sein kann und auch nicht-da sein kann und dadurch eine Darstellung ist, ist damit das wohl prägnanteste Merkmal von Bildern. Das, was alles in den Begriff Bild zu fassen ist, kategorisiert der Bildwissenschaftler W.J.T. Mitchell als verzweigte Familie. Er unterscheidet: Graphische Bilder (Gemälde, Zeichnungen, Statuen, etc.), Optische Bilder (Spiegel, Projektionen), Perzeptuelle Bilder (Sinnesdaten, Formen, Erscheinungen), Geistige Bilder (Träume, Erinnerungen, Ideen, Vorstellungsbilder, Phantasma) und Sprachliche Bilder (Metaphern, Beschreibungen) (vgl. Mitchell 2008, S. 20). Mit dieser Kategorisierung sind die unterschiedlichen Ausprägungen des Begriffes Bild zu beschreiben. Der Begriff wird daher als erweiterter Bildbegriff beschrieben, um zu verdeutlichen, dass eben nicht nur Tafelbilder das Konzept der Bildkompetenz befeuern, sondern die Gesamtheit der bildlichen Darstellungen. Diese Erweiterung ist wichtig, da unter der Bedingung der Verwendung als bildliches Zeichen, jeder reale Gegenstand wie ein Bildobjekt verwendet werden kann (vgl. Wiesing 2005, S. 58).

Anmerkung zur Arbeitsmethode

Die Arbeit operiert mit einem Methodensampling, welches die nötige Flexibilität gewähren soll, auf den sich schnell wandelnden Forschungsgegenstand zu reagieren. Die raschen Entwicklungen im Bereich der technikaffinen Kunst- und Bildformen verlangen nach einer Vorgehensweise, in welcher nicht die abgeschlossene Theoriebildung, sondern eine Hypothesenbildung das Ziel ist. Charles Sanders Peirce benennt Konzepte zur Erkenntnistheorie, welche in einem Dreischritt zum Concept of mediation1 leiten. Die relationale Logik verlangt dabei, zwei Dinge miteinander in Beziehung, d.h. in Relation, zu bringen. Diese können zwar auch unabhängig voneinander bestehen, sie führen dann aber zu keiner neuen Erkenntnis. In der zweiten Stufe des Peirce’schen Modells werden Dinge in Beziehung (beeing relative to, in reaction with) zueinander betrachtet. Diese Form der Betrachtung führt zu Erkenntnis, indem die zwei Teile zusammen ein Mehrwert enthalten als beide Teile einzeln betrachtet. Der größte Erkenntnisgewinn aber findet in der dritten Stufe statt, wenn die beiden betrachteten Teile in Relation zueinander gebracht werden. Die dritte Stufe beschreibt damit den Forschungsprozess als Mediationsprozess. Dieser erfordert ein stetiges Anpassen an die zu betrachtenden Dinge, um eine werkimmanente Interpretation zu ermöglichen. Das Concept of mediation rahmt das Methodensampling und kommt dabei an zwei Stellen in besonderem Maße zur Anwendung. Das Paradigma 1

„First is the concept of being or existing independent of anything else. Second is the concept of being relative to, the concept of reaction with, something else. Third is the concept of mediation, whereby a first and second are brought into relation.“ Peirce 2009, S. 68

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Kunstvermittlung mit der Ausbildung von Bildkompetenz in Relation zu bringen und das eine als Teilmenge des anderen zu begreifen, ist das erste Anwendungsfeld des Concept of mediation. An den Schnittstellen von Kunstvermittlung und Bildkompetenz ist es nötig, den bestehenden Dualismus in wichtigen Ansätzen aufzubrechen bzw. beide in Relation zu bringen. Ein weiteres Mal kann sich der von Peirce in Architecture Of Theories vorgeschlagene Ansatz im Verhältnis von Bildkompetenz und Bildwissenschaften bewähren. Die Bildwissenschaften präsentieren eine wichtige Referenz für die Bildkompetenzforschung, da mit ihrer Hilfe die Begriffe für die Fassung der Kategorie Bild gut vorgenommen werden können. In der Untersuchung kommen unterschiedliche wissenschaftliche Methoden zur Anwendung. So wird die Hypothesenbildung aus verschiedenen Richtungen flankiert. Im Bereich der Frage nach der Verwendung von Begriffen hat die Arbeit deutliche Anteile einer Diskursforschung an sich. Der Begriff Bildkompetenz findet als Beispiel rege Verwendung und wird als Diskurs konstruiert. Die Diskursproduzenten, also alle am Diskurs beteiligten, bilden die Realität dabei nicht ab, sondern gestalten diese aktiv. Für die Analyse der interdigitalen Bildformen werden klassische Bildanalyseverfahren gebraucht, welche um das Herausarbeiten und Benennen der künstlerischen Strategien erweitert werden. Der Untersuchungsgegenstand bringt es dabei mit sich, dass die dem Gegenstand eigenen Methoden die Herangehensweise dieser Schrift prägen. Torsten Meyer formuliert die Möglichkeit, die Methodik des Forschungsprojektes mit Methoden aus dem Feld der Kunst zu verunreinigen oder zu ergänzen (vgl. Meyer 2009b, S. 17). Dieser Zwang zur Transdisziplinarität ergebe sich aus der Feststellung, dass Forschung weniger mit der Suche nach universellen Gesetzen zur tun habe, als vielmehr mit einer Problemstellung, welche sich auf einen bestimmten Anwendungszusammenhang richtet (vgl. Meyer 2009b, S. 23). Die Auswahl der Daten erfolgt dabei stets theoriegeleitet, im Sinne eines theoretical samplings (vgl. Keller 2007, S. 109 und Glaser et al. 2005, S. 53ff.). Hiernach ist die Bildung des Datenkorpus von der Analyse der Daten nicht zu trennen. Daten werden während der Analyse hinzugezogen und ergeben so ein sich beeinflussendes Konstrukt aus Datenauswahl und Datenanalyse. Bildformen werden in dieser Arbeit also danach ausgewählt, ob sie für die Theoriebildung relevant und zielführend sind.

ANMERKUNG ZUR ARBEITSMETHODE | 41

Die Elemente der Arbeit sind Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Bildwissenschaft. Diese werden, in der Rahmung durch das Concept of mediation, zu einer abduktiven Hypothesenbildung in Relation gebracht und reifen damit durch stützende Elemente zu einer Theorie heran.

Neue Bildformen in der Kunstpädagogik und Kunstvermittlung

Im folgenden Kapitel werden bestehende Ansätze zum Fach Kunst, mit Blick auf die für diese Arbeit zentralen Aspekte, beleuchtet. Die Auswahl der Positionen stellt den Forschungsstand in Bezug auf die Perspektive dieser Arbeit dar. Durch die zum Teil kontroversen Vorgehensweisen der Ansätze zum Fach Kunst beginnt hier die Suchbewegung nach anschlussfähigen methodischen Ansätzen. Über diese gelingt es, neue, technisch bedingte Bildformen in die Positionen zu integrieren bzw. das methodische Vorgehen zu erweitern. Das Kapitel ist keine Darstellung historischer Unterrichtsansätzen, sondern zeichnet die Positionen unter den angeführten Fragestellungen schlaglichtartig nach. Hierdurch wird der Forschungsfrage ein konzeptueller Rahmen gegeben. Die vordergründige Fragestellung richtet sich auf die Integration von Bildformen. Welche Rolle spielen also aktuelle Bildformen in zeitgenössischen Positionen zum Fach Kunst? Inwieweit sind unterschiedliche Bildformen in die Ansätze integriert bzw. sind Anlagen für die Integration dieser gegeben? Des Weiteren werden die Vorarbeiten für den Begriff der Bildkompetenz befragt. In welchen Ansätzen zum Fach Kunst, aber insbesondere der Kunstvermittlung, ist dieser bereits integriert? Im Kapitel Von der Bildung zur Kompetenz wurde der Bildkompetenzbegriff für diese Arbeit aus einer bildungstheoretischen Perspektive definiert. Im folgenden Kapitel sollen die Besonderheiten im Fach Kunst für den Begriff herausgearbeitet werden. Die angeführten Ansätze sind dabei unterschiedlichen diskursiven Linien im Fach Kunst zuzuordnen. Kernrefe-

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renzen sind hier die Ästhetische Erziehung, die Visuelle Kommunikation sowie die Kunstvermittlung. Da die Begriffsbildung zur Bildkompetenz und insbesondere zum Bild in dieser Arbeit mit bildwissenschaftlichen Konzepten verfährt, wird auch die Frage nach methodischen Anlagen zu dieser Disziplin die Durchsicht der Positionen flankieren. Es lassen sich, so die Vermutung, in den dargestellten Positionen zum Fach Kunst bildwissenschaftliche Bezüge ausmachen bzw. Anlagen finden, welche eine Integration bildwissenschaftlicher Methoden in theoretische Positionen ermöglichen. Jüngere Bewegungen der Bildwissenschaften behandeln zum Teil ausführlich die Fragen nach verkörperter oder digitaler Repräsentation. Aber auch bei älteren Positionen finden sich viele Anknüpfungspunkte für ein bildwissenschaftlich ausgerichtetes Fach Kunst. Die nachfolgende Durchsicht der Positionen soll also zeigen, inwiefern die Ansätze bereits Anmerkungen zur Bildkompetenz enthalten. Zudem sollen die Positionen auf Referenzen zu den Bildwissenschaften befragt werden. In vielen Positionen scheinen hier bereits Ansätze angelegt zu sein. In der Fachgeschichte finden sich beispielsweise bei Gunter Otto Hinweise auf eine Verwendbarkeit der Semiotik in der Kunstpädagogik. Auch Maset weist auf die Zeichentheorie als wichtigen Begleiter der Kunstpädagogik hin und konstatiert, dass Ansätze hier vorhanden sein, eine genaue Ausformulierung angesichts der neuen Technologien allerdings fehle (vgl. Maset 1995, S. 189). Die Vertreter der Visuellen Kommunikation liefern einen, wenn auch heute kaum noch angewandten, wichtigen Ansatz, mit welchem die Integration medien- und technikzentrierter Fragestellungen in das Fach Kunst überhaupt erst möglich wurde.

NEUE BILDFORMEN IN DER KUNSTPÄDAGOGIK UND KUNSTVERMITTLUNG | 45

G UNTER O TTO „... einen Anfang machen und sich dabei und beim Fortgang der Arbeit etwas denken.“ (OTTO, OTTO 1987, S. 104)

Gunter Otto stellt in Kunst als Prozess im Unterricht (1964) die Planbarkeit von Kunstunterricht fest. Er kritisiert die vorherrschende Ansicht, Kunstunterricht sei ein vordergründiges Geschehen. Diese Betrachtungsweise verhindere häufig die Frage nach den Bedingungen, Inhalten, Methoden, Medien und Erfolgen des Unterrichts (vgl. Otto 1969 [1964], S. 17). Otto sieht in der Vordergründigkeit des Kunstunterrichts eine Gefährdung des selbigen, welcher er durch „[...] Lenkung und Steuerung durch überprüfbare Theorien“ (Otto 1969 [1964], S. 17) zu begegnen versucht. Theorien enthalten eine Planbarkeit von Unterricht, welche nach Schultypen und Altersstufen differenziert. Zusätzlich postuliert Otto eine Auswahl der Unterrichtsinhalte nach Bildungsgehalten. Ottos Position ist eine rational geprägte Auffassung des Faches Kunst. Die im Unterricht angewandten Methoden sollen theoretisch fundiert, analysierbar und handlungsoffen sein. In der Theorie bzw. Theoriebildung sieht Otto eine Hilfestellung für die Unterrichtenden. Es sei allerdings ein Trugschluss, Theorien könnten eine Praxis gangbarer machen. Seiner Auffassung nach nehmen Theorien keine Entscheidungen ab, sind aber geeignet, Strukturen neuartiger Situationen zu analysieren und motivieren zu jeweils notwendigen Anweisungen und Maßnahmen (vgl. Otto 1969 [1964], S. 150f.). Hieraus ergibt sich eine zentrale Forderung Ottos an Kunstlehrende, nicht unerschütterlich in Theorien zu vertrauen sondern selbst zu theoretisieren. Ottos wissenschaftliche Herangehensweise an den Unterricht, gekoppelt mit der ständigen Forderung nach Theorieoffenheit, wird auch in Auslegen – Ästhetische Erziehung als Praxis des Auslegens in Bildern und des Auslegens von Bildern (1987) deutlich. Sein Konzept der Perceptbildung beschreibt eine Ausrichtung von Ästhetischer Erziehung, welche sich nach den Strukturierungsleistungen der Wahrnehmenden richtet.

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„Die Untersuchung des Prozesses, in dem ein Percept gebildet wird, verweist auf den ‚Anteil des Beschauers‘. Es geht darum, wie ‚die Beschauer es eigentlich anstellen, die Zeichen zu entziffern‘, wie wir, was wir auf Bildern sehen, klassifizieren und mit dem verknüpfen, was wir wissen, gesehen haben oder Träumen.“ (Otto, Otto 1987, S. 55)

Das Konzept der Perceptbildung, bei welchem Otto seine Begriffe von Herbart und Gombrich entlehnt, umfasst drei Schritte: Percept, Konzept und Allocation. Die Abfolge dieser, d.h. der Auslegungsprozess, kann beliebig umgestellt werden. Es gibt hierbei keine festgelegte Schrittfolge (vgl. Otto, Otto 1987, S. 104). Zentral ist für Otto, dass der Verlauf des Auslegunsprozesses Methode hat. Methode haben heißt bei Otto, dass der nächste Auslegungsschritt, die nächste argumentativ belegte Suchbewegung mit Bewusstsein, aufgrund von Entscheidungen gewählt wird (vgl. Otto, Otto 1987, S. 104). Die Position Ottos steht also für eine wissenschaftliche Methodik, welche mit Hilfe von Theorieoffenheit an neue Situationen anzupassen ist. Immer sind hierbei die Bildverfahren (vgl. Otto 1983, S. 58) wichtig, deren Kontexte, Bedeutungen, Auffassungen und Absichten vom Wahrnehmenden gedacht werden. Otto denkt die Bilder hier vom Subjekt aus und stellt somit die Bildverfahren in den Kontext des Subjekts.

V ISUELLE K OMMUNIKATION Die Visuelle Kommunikation stellt eine pädagogische Position aus den anfänglichen 1970er Jahren dar1. Hier werden zum ersten Mal neue Massenmedien wie Film, Foto, Comic, Illustration oder Werbung als Bildfundus für den Kunstunterricht verhandelt. Laut Hermann K. Ehmer habe die Kunsterziehung ihre Ziele allzu sehr auf sich selbst ausgerichtet und die

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Im strengen Sinne ist die Visuelle Kommunikation weder eine kunstpädagogische, noch eine kunstvermittlerische Position, da die Kunst in diesem Ansatz nur eine geringe Gewichtung hat. Dennoch ist der Ansatz für den heutigen Kunstunterricht zentral, da viele Neuerungen den Vertretern der Visuellen Kommunikation zugeschrieben werden können. In der kunstpädagogischen Literatur hat die Visuelle Kommunikation daher einen festen Platz (vgl. z.B. Peez 2002, S. 78ff).

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oben genannten Massenmedien vernachlässigt. Der Kunstunterricht sei zu sehr auf Kunst ausgerichtet (vgl. Ehmer 1971b, S. 7). Ehmer schildert die Entwicklung von einer „faschistischen musischen Erziehung“ (Ehmer 1971b, S. 7) zu einer Neuausrichtung des Faches, das sich zu sehr auf die „Vermittlung der ‚Produktion und Reflexion’ lehr- und lernbaren Fakten des Ästhetischen konzentrierte“ (vgl. Ehmer 1971b, S. 7), und damit die Eindrücke des visuellen Alltags aus dem Blick verliere. Der Kunstunterricht sei also zu sehr auf Kunst ausgerichtet und vernachlässige deshalb die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler. Die medienorientierte kulturelle Wirklichkeit, in der Vielfalt ihres optischen Angebots, lasse einen Kunstunterricht ohne Visuelle Kommunikation nicht mehr gerechtfertigt erscheinen (vgl. Ehmer 1971b, S. 7). Ehmer postuliert die Entwicklung einer kritischen Mediendidaktik, die Visuelle Kommunikation zu ihrem Gegenstand macht (vgl. Ehmer 1971b, S. 7). Zentraler Inhalt dieser Position ist die Annahme, dass visuell Erlebbares grundsätzlich Träger einer Botschaft ist, also Kommunikation darstellt. Diese Kommunikation sei aber die einer herrschenden Klasse (vgl. Adhoc-Gruppe Visuelle Kommunikation 1971, S. 367). Die Macht, welche von dieser Kommunikation ausgeht, wird in der Visuellen Kommunikation sehr hoch eingeschätzt. So ist in den Thesen zur Visuellen Kommunikation der Adhoc-Gruppe sogar von Kommunikation als Herrschaftsinstrument (vgl. Adhoc-Gruppe Visuelle Kommunikation 1971, S. 367) die Rede. Auf der Basis dieser Entwicklung und der genannten Thesen bildete sich die Forderung nach einem alternativen Unterricht. Einige Vertreter der Visuellen Kommunikation wollten das Fach Kunst sogar komplett abschaffen und Visuelle Kommunikation als Schulfach einführen. Dieses sollte dann die Aufgabe haben, den visuellen Analphabetismus zu beseitigen (vgl. Möller 1971, S. 364). Möller trägt die zentralen Aufgaben wie folgt zusammen: „Entscheidende Aufgabe des Unterrichts sind Analysen und Interpretationen der optischen Informationsträger, Auswertung der Bildsprache und Metasprache der Bilder und damit das Durchsichtigmachen von Funktionen und Wirkungsmechanismen der optischen Informationsträger. Ziele des Unterrichts sind damit Aufklärung über visuelle Kommunikation und über gesellschaftliche Realität, wie sie sich in den Medien ausdrückt.“ (Möller 1971, S. 364f.)

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Neben den heute nur noch wenig verfolgten Fragestellungen dieser alternativen Konzeption für das Fach Kunst, formuliert Möller hier auch die für das heutige Fachverständnis wichtigen Anteile der Visuellen Kommunikation. Denn zum ersten Mal werden hier Massenmedien wie Fotografie, Werbung, Illustration, Film, Fernsehen und Comics im Unterricht verhandelt. Die Visuelle Kommunikation ist daher grundlegend für fast alle heutigen pädagogischen Positionen, da sie technische Medien in das Blickfeld der Fachdidaktik gerückt hat. Zwar waren zur Zeit der Visuellen Kommunikation viele Technologien, wie die digitale Fotografie oder das Internet noch nicht erfunden, trotzdem sind die Ansätze auf diese Technologien ebenso anwendbar wie auf die analoge Fotografie. Das gleiche dürfte wohl für den analogen ZelluloidFilm und das digitale Video gelten, welches ohne die Visuelle Kommunikation nicht Bestandteil des heutigen Unterrichts wäre. Die zentrale Kritik an der Visuellen Kommunikation ist die Verkürzung in der Beschreibung der Massenmedien. Es werden in ihr alle möglichen ästhetischen Werte ausgeblendet. Die Medien sollen, so Möller, ohne Rücksicht auf ihre mögliche ästhetische Gestaltung Gegenstand im Unterricht sein (vgl. Möller 1971, S. 364). In einigen Positionen findet in den letzten Jahren, trotz vieler Kritik, eine Restaurierung der Ideen der Visuellen Kommunikation statt. So zum Beispiel in dem Band Was ist Bildkompetenz? von Klaus Sachs-Hombach. Der Herausgeber fordert, den einzelnen Mitgliedern hochkomplexer Informationsgesellschaften eine kritische Bildkompetenz abzuverlangen. Hierdurch sollen die mit den Bildmedien verbundenen manipulativen Techniken nicht die Überhand gewinnen (vgl. Sachs-Hombach 2003, S. 214). Diese Forderungen richten sich explizit an den Kunstunterricht bzw. gegen den Kunstunterricht, da Sachs-Hombach für die Einrichtung eines Schulfachs plädiert, welches Bildkunde bzw. Bildmedienerziehung heißen könne (vgl. Sachs-Hombach 2003, S. 214). Die Ideen der Visuellen Kommunikation haben, besonders mit Blick auf die neuen technischen Bilder, heute eine neue Aktualität erlangt. Das Vorhaben einer unüberlegten Reanimation dieser Positionen läuft allerdings Gefahr, die Kunst erneut aus dem Unterricht zu verdrängen und das Fach so möglicherweise abzuschaffen.

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E VA S TURM Eva Sturm betont mit ihrem Ansatz Von Kunst aus die Verfahrensweise, Kunstvermittlung und Kunstpädagogik von Kunst aus zu betreiben (vgl. Sturm 2005, S. 35). Zentral ist bei Sturm die Frage, welche Rolle die Kunst in der Kunstvermittlung spielt und was Kunstvermittler mit dieser konzipieren. Des Weiteren ist für sie die Frage nach dem Raum wichtig, der in einer Situation entsteht, in welcher Kunst vorkommt. Was geschieht in diesem Setting mit den Beteiligten? Was wie ein Gemeinplatz klingt, wird von Sturm zur leitenden These erhoben. Jeder Kunstlehrende, Kunstpädagoge oder Kunstvermittler hat einen spezifischen Kunstbegriff. Sturms These hierzu ist, dass die Bildungsarbeit von Kunst aus immer abhängig vom Kunstbegriff des Kunstvermittlers ist. „Die Frage, ob und wenn, dann wie Kunst in den Unterricht kommen soll, differenziert sich nach dem Kunstverständnis derer aus, die eine Unterrichtssituation herstellen sollen/wollen, in der Kunst vorkommt.“ (Sturm 2005, S. 8)

Kunstvermittlung hat also eine Abhängigkeit vom Kunstverständnis und soll auch immer eine Mitarbeit am Kunstbegriff sein. Sturm versteht die Vermittlung von Kunst nicht als ein Erläutern von Kunst. Der Vermittler erklärt nicht die Kunst, er ist „[…] eine anwesende Person, die etwas, das durch sie wahrnehmbar wird, in Verbindung bringt zu anderem und anderen, die verknüpft, trennt, durchkreuzt, die assistierend, helfend, ergänzend, störend eingreift, mitmischt.“ (Sturm 2005, S. 29) Damit setzt Sturm bei den anwesenden Personen die Bereitschaft voraus, sich an die Objekte der Kunst anzunähern auch wenn damit Irritation verbunden ist. Der Ausgang einer solchen Vermittlungssituation ist dabei nicht vorhersehbar. „Und irgendwann passiert vielleicht etwas – oder nicht. Das lässt sich bei allem guten Willen nicht kontrollieren, nicht planen, nicht voraussehen und oft auch schwer feststellen.“ (Sturm 2005, S. 30)

Hieran ist ersichtlich, dass es bei Sturm keinen klaren Verlaufsplan für eine Vermittlungssituation geben kann. Unsicherheit und die Gefahr, wann und

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ob überhaupt etwas in Gang gesetzt werden kann, sind dem Vermittlungsprozess inhärent. Sturm nutzt die Offenheit der von ihr angelegten Prozesse und affirmiert mit ihrer Position auch das Paradoxon der Kunstvermittlung, dass in der Vermittlung von Kunst immer etwas bleibt, was nicht zu vermitteln ist. Immer bleiben Teile auf der Strecke, nie kann Kunst vollständig vermittelt werden. Kunstvermittlung kann nach Eva Sturm nie ein Ganzes weitergeben, immer ist ein Fehlen der Beginn. Sturm beschreibt, dass das Individuum in der Situation ist, dort wo kein Sinn ist, Sinn zu stiften. Damit produziert das Fehlen unzählige Varianten (vgl. Sturm 2004, S. 201). Die Position Eva Sturms ist im Hinblick auf die schulische Kunstvermittlung problematisch, denn die Prozessoffenheit sollte nicht zum generellen Konzept erhoben werden. Sicher ist Prozessoffenheit ebenso wie Theorieoffenheit wichtig, um den Herausforderungen in der Schule flexibel begegnen zu können. Die Prozesse, die Sturm beschreibt, scheinen hier demnach eher auf außerschulische Vermittlungssituationen zu zielen.

K ARL -J OSEF P AZZINI Für Karl-Josef Pazzini ist die Kunstpädagogik keine Ableitung oder untergeordnete Form der Kunst. Sie verhält sich nicht wie ein „ungeliebtes Anhängsel“. Kunstvermittlung ist für Pazzini eine mögliche Art der Anwendung von Kunst. Für ihn existiert keine „nicht-angewandte Kunst“, daher ist Kunstpädagogik eine mögliche Form der Anwendung von Kunst (vgl. Pazzini 2000a, S. 34). Pazzini unterscheidet im Umgang mit Kunst die Anwendung und den Missbrauch. Beides wird seiner Meinung nach mit der Kunst betrieben. Missbrauch von Kunst tritt für ihn auf, wenn „[…] man in der Kunst ein therapeutisches Potenzial sieht, Kunst also als eine Art Aspirin gegen Kopfschmerzen versteht.“ (Pazzini 2000a, S. 35) Ebenso wäre es Missbrauch der Kunst, sie als Kompensation gegen rationales Denken einzusetzen, sie für kindgemäßer zu halten als Mathematik oder sie als Schutzschild einzusetzen, um nicht mehr als Lehrer auftreten zu müssen (vgl. Pazzini 2000a, S. 35). Die schlimmste Form des Missbrauchs an der Kunst sieht Pazzini in einem Konzept, in dem es mehr auf den Prozess ankommt, als auf das Produkt (vgl. Pazzini 2000a, S. 35).

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Pazzini stellt sich gegen das Unterrichten von Didaktik. Für ihn wird im Kunstunterricht zu viel vereinfacht und verkürzt. Was bleibt, ist dann das Unterrichten von Didaktik. „Die Didaktik ist bilderfeindlich, sie richtet die Bilder zu, sie werden zur Stützung und als Motivation eingesetzt – das ist wieder Missbrauch. Didaktik ist eine Methode zur Entschärfung der Bilder – jener Bilder, die zur Bildung führen – und speziell der Kunst.“ (Pazzini 2000a, S. 36)

Was Kunstvermittlung leisten sollte, ist vielmehr individuelle Wahrnehmungsmöglichkeiten auszubilden. Kunst soll Verfahren und Produkte befragen und Einbildungen öffnen und zerstören (vgl. Pazzini 2004, S. 2). Kunst ist für Pazzini eine Auseinandersetzung, welche bildendes Potenzial entfalten kann. Bildung kann man nicht haben, lediglich einige Sets als Voraussetzung um bildende Relationen einzugehen (vgl. Pazzini 2000b, S. 203). Hiermit richtet Pazzini die Kunstpädagogik gegen die Didaktisierung und Vereinfachung ihrer Gegenstände aus. Bilder sollen nicht entschärft werden, weil ihnen damit ihr bildendes Potenzial geraubt wird.

ANETTE S EELINGER Anette Seelinger beschreibt in Ästhetische Konstellationen – Neue Medien, Kunst und Bildung (2003) die ästhetischen Potenziale neuer Technologien. Sie geht hierbei von der These aus, das aktuelle technologisch-künstlerische Veränderungen nicht lediglich zu einer Modernisierung von ästhetischer Bildung führen, sondern eine grundsätzliche Veränderung eben dieser bewirken (vgl. Seelinger 2003, S. 295). „Die gegenwärtige rasante medientechnologische Entwicklung hat nicht nur technische Neuerungen hervorgebracht (Handy, Internet, etc.), sondern sie haben, – ob uns das bewusst ist oder nicht –, umfassende Auswirkungen auch auf alle (bisherigen) nicht-medialen Bereiche. Die neuen Medien verändern unsere Formen der Erfahrung, der Sozialisation, der Kommunikation, der Interaktion, der Lern- und Lebensweise und der gesellschaftlich/politischen Partizipation.“ (Seelinger 2004, S. 422)

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Seelinger fragt, in welcher Weise sich durch diese Verschiebung auch künstlerische Kategorien umbauen. Hierzu macht sie deutlich, dass häufig nur zwei extreme Positionen vorherrschen; zum einen eine technikablehnende Haltung, auf der anderen Seite eine bedingungslose Technikaffirmation. Zur Verdeutlichung führt Seelinger Peter Weibels Text zur Transformation der Techno-Ästhetik ins Feld und kritisiert diese Position, da Weibel die technische Seite künstlerischer Veränderungsprozesse unverhältnismäßig in den Mittelpunkt rücke (vgl. Seelinger 2003, S. 296). Seelinger schafft es in ihrer Arbeit, Anknüpfungspunkte für die ästhetischen Potenziale neuer Technologien an bewährte ästhetische Kriterien künstlerischer Arbeiten zu finden. Sie beleuchtet diese Schnittstellen vor allem unter dem Fokus der Strukturveränderungen, welche sich am Übergang von analogen zu digitalen Medien und deren Gebrauch niederschlagen (vgl. Seelinger 2003, S. 327). Seelinger betont auch die neuen Möglichkeiten des Computereinsatzes in der Medienkunst, welcher eine Einbindung des Publikums in veränderbare Skulpturen, Happenings und improvisierte Performances in Theater und Musik ermöglicht (vgl. Seelinger 2003, S. 310). Als wesentliches ästhetisches Potenzial markiert Seelinger hier den Umstand, dass das Kunstwerk nicht existiert, bevor der Betrachter/die Betrachterin sich aktiv mit ins Spiel bringt (vgl. Seelinger 2003, S. 310). Mit diesem Hinweis beschreibt Seelinger den Weg zur Möglichkeit eines technologisch-prozesshaften Kunstwerkes2 in der Kunstpädagogik. Gleichzeitig betont sie die Folgen der beiden Extremformen von Technikaffirmation und -negation. „Allerdings sind heute in der pädagogischen Praxis häufig nur zwei Ansätze zu beobachten: Der eine ist gekennzeichnet durch eine Technikablehnung, einen Medienpessimismus oder Kulturkonservatismus, der die Gefahren und die negativen Auswirkungen der neuen Medien beleuchtet und davor warnt, zum anderen ist eine Technikeuphorie zu beobachten, die in den neuen medialen Entwicklungen die Lösung aller pädagogischen Probleme, sei es in der Bildung, sei es in der Kinder- und Jugendarbeit durch Medieneinsatz erwartet. Beide Ansätze (vgl. die Theorie der

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Das prozesshafte Kunstwerk wird in dieser Weise auch von Dieter Mersch beschrieben (vgl. Mersch 2002).

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‚two culturesǥ von Snow 1967) sind nicht in der Lage, auf die aktuellen Anforderungen an Bildung im 21. Jahrhundert adäquat einzugehen.“ (Seelinger 2004, S. 423)

Seelinger schlägt vor, die neuen Technologien und die daraus zu entwickelnden Ansätze auf bewährte kunstpädagogische Konzepte aufzubauen. Hierzu werden systematisch neue Medien und ihre Gestaltungspotenziale einbezogen, welche sich an den fortgeschrittensten medienkünstlerischen Arbeiten orientieren sollen (vgl. Seelinger 2004, S. 423). Seelinger stellt die technikablehnende der technikaffinen Kunstproduktion gegenüber, um zu zeigen, wie sich Mischformen künstlerischer Strategien entwickeln und wie diese auf kunstdidaktisches Handeln wirken. Seelingers Position verdeutlicht, dass die Ablehnung neuer Medien genau so wenig den kunstdidaktischen Diskurs dominieren darf, wie eine Übergewichtung neuer bildgebender Verfahren.

P IERANGELO M ASET Pierangelo Maset geht bei seinem Ansatz der Ästhetischen Bildung der Differenz (1995) von den menschlichen Sinneswahrnehmungen aus. Diese unterliegen einem ständigen Wechsel. „Die Wahrnehmung befindet sich in permanenter Evolution.“ (Maset 1995, S. 25) Innerhalb dieser Sinneswahrnehmungen wiederum operieren Differenzen. Wir nehmen etwas wahr, indem wir differenzieren (vgl. Maset 1995, S. 25). Maset setzt am kunstpädagogischen Diskurs der 1990er Jahre an. Bei diesem ging es vor allem darum, ästhetische Erfahrungen in Gang zu setzen bzw. zu ermöglichen (vgl. Maset 1998b, S. 196). Maset negiert den Begriff der ästhetischen Erfahrungen nicht, gibt aber zu bedenken, dass wichtige Aspekte von Kunst durch den Begriff der ästhetischen Erfahrung verdeckt werden können (vgl. Maset 1998b, S. 197). In seinem Ansatz setzt sich Maset mit der Frage nach dem Subjekt auseinander. Er geht bei seinem Subjektverständnis immer davon aus, dass die Erfahrungen eines Subjekts, z.B. vor einem Kunstwerk, nie mit denen eines anderen übereinstimmen. Selbst die Erfahrungen desselben Subjekts differieren von Betrachtung zu Betrachtung (vgl. Maset 1998b, S. 197). Das Subjekt an sich ist, so Maset, nicht als ein Ganzes zu verstehen. Das dividuelle Subjekt ist durch einen Riss gespalten. Es sei nötig, diese

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innere Spaltung zu affirmieren, um zu einem sich selbst bewussten Subjekt zu werden (vgl. Maset 1995, S. 56). Aus dieser Affirmierung der Gespaltenheit des Subjekts geht ein Veränderungs- und daher auch ein Bildungspotenzial hervor. Durch die Affirmierung der Gespaltenheit entsteht eine paradoxe Situation: Das Subjekt wird ein Ganzes dadurch, dass eine innere Zerrissenheit bejaht wird. Dies nennt Maset das dividuelle Subjekt. „Ich sehe ein Bild und werde ein anderer. Beim nächsten Betrachten desselben Bildes (in einer anderen Zeit) sehe ich dieses Bild als ein anderes, weil ich mich verändert habe. Und dann bin ich wieder ein anderer und sehe das Bild verändert. Und ich sehe mich im Bild und sehe das Andere als und durch das Bild. Und damit vervollständige ich mich.“ (Maset 1995, S. 56f.)

Für Maset ist damit das exakte Wiederherstellen einer gewesenen Betrachtungssituation unmöglich, denn von der einen zu der nächsten hat sich durch die Wahrnehmung eine Differenz gebildet. Diese beeinflusst wiederum die Wahrnehmung. Hieraus leitet Maset eine Definition des Lernbegriffs her: „Man lernt, indem man die differierenden Wahrnehmungen aktualisiert und mit der erworbenen Perzeptionskompetenz differenziert.“ (Maset 1995, S. 28) Eine eher praxisorientierte Anleitung zur Umsetzung schlägt Maset in Praxis Kunst Pädagogik3 vor. Er versucht durch Ästhetische Operationen einen Kunstunterricht aufzubrechen, der sich durch technische Operationalisierung von Kunst strukturiert. In dieser wird die Kunst zu einem Verfahren heruntergebrochen und damit verkürzt. Das Befolgen von Anweisungen, welches zu einem vorhersagbaren Ergebnis führe, ließe sich einfach benoten. Das Wesen von Kunst werde hier aber nur oberflächlich, wenn überhaupt berührt. Maset möchte Kunst nicht operational im Sinne eines technischen Vorgangs vermitteln (vgl. Maset 2001b, S. 15), und formuliert klar: „Ästhetische Operationen richten sich gegen die technisch verstandene Operationalisierung.“ (Maset 2001b, S. 20) Kern einer jeden Ästhetischen Operation ist die Erprobung einer Strategie oder eines Verfahrens aus der Kunst. Der Ausgang bei dieser Arbeitsweise bleibt dabei offen, da der ausgelöste ästhetische Prozess immer auch

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Vgl. Maset 2001b und Maset 2005a.

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eine andere Richtung einschlagen kann. Nur so sei es möglich, die in der Kunst angelegte Offenheit erfahrbar zu machen. „Ästhetische Operationen sind Handlungen und Verfahren, die das Offene bahnen.“ (Maset 2001b, S. 25) Maset setzt sich hier klar von Didaktikern wie Gunter Otto ab, welcher durch möglichst präzise Aufgabenstellung die Schülerergebnisse im Ausgangspunkt strukturieren wollte. Handlungen und Verfahren, welche das Offene bahnen findet man bei Otto selten. Es sind, in Opposition zu Masets Ansatz, viel mehr fein geplante Arbeitsabläufe, die je schlechter sind, desto mehr sie ins Offene führen. In Masets Konzept werden hingegen Strategien aus der Kunst extrahiert und mit diesen weiter verfahren. Es bleibt dabei immer die Möglichkeit zur Abwandlung dieser Strategie erhalten. Das Vermitteln ist hier also auch Interpretieren, Analysieren und Reflektieren. Es geschieht immer von der Kunst aus, da nur dies den Kunstunterricht legitimieren kann. Diejenigen, die in der Kunstpädagogik tätig sind, sollen sich, so Maset, wenigstens gelegentlich auf den Kunstbezug besinnen, um das Potenzial der Kunst und Kunstpädagogik zur Entfaltung zu bringen (vgl. Maset 2005b, S. 39). Die Vermittlungssituation kann dadurch auch selbst kunsthafte Züge annehmen und somit eine Mitarbeit am Kunstbegriff selbst sein. Das Spannungsverhältnis von Kunst und Pädagogik kommt im Programm der Kunstvermittlung voll zum Tragen. Maset spricht der Kunstvermittlung die Möglichkeit zu, als Störfaktor zu fungieren. Er stellt die These auf, dass Kunstvermittlung sowohl in Richtung der Pädagogik wie auch in Richtung des Kunstmarktes stören soll. Damit gäbe es die Möglichkeit, die Transformation der Kunst in ein Distinktions- und Repressionsmedium, ebenso wie die Instrumentalisierung von Kunst zu attackieren (vgl. Maset 2009, S. 84f.). Die Rolle der Kunstvermittlung sei daher die eines nicht eingeladenen Gastes, der trotzdem erschienen ist und die Party am Laufen hält (vgl. Maset 2009, S. 85). Die Offenheit, welche in Masets Position angelegt ist, bleibt nicht unkommentiert. Wolfgang Legler merkt an, dass die Freiheiten der Methode mit erheblichen Risiken des Scheiterns verbunden seien. Kinder und Jugendliche fühlten sich durch diese Anforderung des experimentellen und eigenverantwortlichen Lernens überfordert (vgl. Legler 2009, S. 124). Legler räumt jedoch ein, Maset komme in der Kunstpädagogik das Verdienst zu, solche Fragen von der Seite der Subjekttheorie zum ersten Mal

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sorgfältig erörtert und der Fachdiskussion Perspektiven eröffnet zu haben, wie Differenzerfahrungen in Bildungsprozessen produktiv gemacht werden können (vgl. Legler 2009, S. 124).

Z WISCHENFAZIT Die Positionen zur Kunstpädagogik und Kunstvermittlung sind zum Teil widersprüchlich. Neben den unterschiedlichen Ansätzen zur Fachdidaktik finden sich grundverschiedene Ansätze und Forschungsperspektiven. Die hier aufgeführten Konzepte dienen als Beleg und sollen verdeutlichen, in welcher Breite diese Diskurse geführt werden. Neben den Differenzen sind aber auch konzeptuelle und methodische Gemeinsamkeiten der Positionen zu erkennen. Vordergründig geht es bei allen Ansätzen um die Frage, warum etwas angeboten, gelehrt und gelernt wird und die Frage nach den Methoden (vgl. Peez 2002, S. 137). Das Ziel der Bemühungen ist dabei überwiegend das Fach Kunst in der Schule. Dessen Inhalt ist „[...] die Auseinandersetzung von Menschen mit bildkünstlerischen Mitteln, Verfahren, Problemen und/oder Prinzipien bzw. mit solchen ästhetischen Objekten, die auf dem Einsatz bildkünstlerischer Mittel, Verfahren, Probleme und/oder Prinzipien berufen.“ (Otto 1969 [1964], S. 152) Die unterschiedlichen Programme zum Fach Kunst bringen den Fachdiskurs voran und beleben diesen. Dies geschieht aufgrund unterschiedlicher Referenzfelder. Immer aber operieren diese im Spannungsfeld von Kunst und Unterricht, auch wenn sie, wie einige Ansätze aus der Kunstvermittlung ihre Ursprünge primär in der Museumspädagogik oder Kunstwissenschaft haben. Gemein ist den hier dargestellten, wie den meisten anderen Ansätzen zur Kunstpädagogik und Kunstvermittlung, das Bezugsfeld der Gegenwartskunst. Gegenwartskunst ist zum unerlässlichen und anerkannten Bezugsfeld des Faches geworden (vgl. Burkhardt 2007, S. 73). Pierangelo Maset hebt mit Blick auf die Schüler besonders hervor, dass wer Einblicke in die Gegenwartsästhetik gewonnen hat, die wesentlichen Elemente unserer zunehmend medial organisierten Welt besser versteht. Zentrale Orientierungs- und Verständigungsmittel können, so Maset, im Unterrichtsfach Kunst angeeignet werden. Hierdurch werde eine Alphabetisierung in global

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operierende Zeichensystemen geleistet, welche auch ein Hineinwirken in diese Systeme ermöglicht (vgl. Maset 1995, S. 20). Das Mittel, also insbesondere die Gegenwartskunst, mit dem im Fach Kunst pädagogische Effekte ausgelöst werden sollen, ist in vielfacher Hinsicht ein besonderes (vgl. Meyer 2009b, S. 17). Es ergeben sich durch die sich ständig wandelnde zeitgenössische Kunst immer neue Herausforderungen für den Unterricht. Kunstpädagogische Programme, wie auch das der Bildkompetenz, müssen im Zusammenhang mit dieser Entwicklung gedacht werden. Für den Unterricht mit eben diesem besonderen Mittel, kann die kunstpädagogische Forschung keine einheitliche Lösung oder Anleitung erbringen. Auch Torsten Meyer konstatiert mit Blick auf die Kunstpädagogik, dass die Forschung heute weniger mit der Suche nach universellen Gesetzen zu tun habe, als vielmehr mit auf bestimmte Projektoder Problemfokus bezogene Anwendungszusammenhänge. Hieraus ergebe sich ein Zwang zur Transdisziplinarität (vgl. Meyer 2009b, S. 23). Aus dieser Vorgehensweise lassen sich auch die zum Teil kontroversen Ansätze in der Kunstpädagogik bzw. Kunstvermittlung erklären. Eine wichtige Referenz für die Kunstvermittlung stellen die Bildwissenschaften dar. Sowohl die Theorie, Phänomenologie und die Philosophie der Bilder stellen wichtige Bezugsfelder für aktuelle Ansätze der Kunstvermittlung dar. Die genannten Bereiche leisten für die kunstvermittlerische Forschungsperspektive elementare Beiträge, da sie auch aktuelle Formen des Bildes untersuchen. Pierangelo Maset sieht in der Semiotik eine Bezugswissenschaft für den Kunstunterricht und schlägt vor, diese als lingua franca einzusetzen (vgl. Maset 1995, S. 21). Aus den dargestellten kunstpädagogischen und kunstvermittlerischen Positionen lassen sich, mit Blick auf das hier behandelte Forschungsprojekt, Desiderate ableiten. Zwar zeigt sich, dass im Diskurs die Frage nach Bildkompetenz rege geführt wird, eine genaue Fassung des Begriffs in der Perspektive der Kunstvermittlung, steht allerdings aus. Die Werkzentrierung in der Bildkompetenzdebatte steht einer Auslegung des Begriffs in Bezug auf den erweiterten Bildbegriff im Wege. Neue künstlerische Formate und Strategien sind in der Fassung des Konzeptes der Bildkompetenz bisher nicht ausreichend berücksichtigt. Brückenschläge zu den Bildwissenschaften sind in den meisten Ansätzen unternommen. Die Semiotik im Besonderen ist schon länger eine wich-

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tige Referenz für die Kunstpädagogik. Eine solche interdisziplinäre Vorgehensweise wird auch in dieser Arbeit, mit Blick auf das Konzept der Bildkompetenz, angewandt. Hierdurch kann in dem genannten Forschungsbereich ein Theoriebeitrag geleistet werden. Die Suchbewegung dieser Arbeit setzt sich über das Konzept der Kunstvermittlung zu der Analyse innovativer Bildformen im folgenden Teil fort. Hierdurch wird der Gegenstand der Bildkompetenz mit der Perspektive ausgebreitet, Bildformen auf ihre analogen und digitalen Strategien zu untersuchen. Aus den im folgenden Kapitel sichtbar gemachten Verfahren, lassen sich weitere Desiderate ableiten, welche das Konzept der Bildkompetenz in der Kunstvermittlung weiter schärfen.

Interdigitale Bildformen

Im folgenden Kapitel soll ein Überblick über Phänomene der Kunst gegeben werden, welche als interdigitale Bildformen beschrieben werden. Diesen innovativen Bildformen ist gemein, dass in ihnen aktuelle Verfahren zur technischen Bilderzeugung genutzt und die Strategien dieser transformiert werden. In einer exemplarischen Analyse soll aufgezeigt werden, welche Strategien, Verfahren und Prozesse von Künstlern angewandt werden. Diese Analyse soll aufzeigen, dass das innovative Potenzial der neuen Bildformen nicht allein durch die technischen Möglichkeiten zur Bildherstellung, -manipulation oder -distribution ermöglicht wird, sondern durch den künstlerischen Umgang mit eben jenen Bildverfahren. Wenn im Folgenden von künstlerischen Arbeiten die Rede ist, dann ist der künstlerische Wert nicht ausschließlich am Maßstab der Zuschreibungen durch die Institutionen des Kunstsystems festgemacht. Es werden also auch Arbeiten behandelt, deren Kunststatus nicht institutionell abgesichert ist1.

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Weiter besteht die Möglichkeit, das künstlerische Arbeiten zuerst außerhalb der Institutionen des Kunstsystems gezeigt und später in diese überführt wurden. Als Beispiel kann hier die interaktive Installation Laser Tagging (Grafitti Research Lab) betrachtet werden. An dieser Arbeit kann gut beobachtet werden, wie ein bildgebendes Verfahren, welches sich in einer Computer-Subkultur entwickelt hat und technikaffinen Nerds vorbehalten war, in die Institutionen der Kunst übertragen wurde. Von einer anfänglichen Hacker-Spielerei hat sich das Laser Tagging zu einer hippen Performance-Attraktion entwickelt, die beispielsweise beim Submission Art Festival (September 2009, Hamburg) gezeigt wurde und damit in den Institutionen des Kunstsystems angekommen ist.

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Der Begriff interdigitale Bildform beschreibt künstlerische Arbeiten, Prozesse und Verfahren, die sich mit dem Verhältnis von analog und digital auseinandersetzen und eine Weiterentwicklung der Begriffe Netzkunst und Computerkunst darstellen. Die These, welche im Begriff enthalten ist lautet, dass es nicht möglich ist, Bildformen als rein analog oder rein digital zu beschreiben. Es wird unterstellt, dass selbst in einem digital fotografierten Bild, welches an einem Bildschirm betrachtet wird, analogische Elemente ausgemacht werden können; wie auch ein Ölgemälde auf Leinwand digitale Aspekte beinhalten kann. Die strengen Kategorien der Reinform der analogen Verkörperung und der digitalen Repräsentation lösen sich in künstlerischen Arbeiten auf, die mit eben diesen Kategorien verfahren. So werden die hier vorgestellten künstlerischen Arbeiten als interdigital beschrieben, um auf den Zwitterstatus der Bildformen hinzuweisen. Dieser ist dabei nicht ausschließlich den neuen technischen Möglichkeiten der Bildherstellung oder Bildmanipulation geschuldet. Der Dualismus von analoger und digitaler Betrachtung hat seinen Ausgang in den Anpassungsleistungen der Wahrnehmung. Die Möglichkeiten digitaler Bildstrategien schreiben sich in Wahrnehmungsprozesse ein und aktualisieren alle Bilder an dieser veränderten Disposition. Das Sehen verändert sich und passt sich neuen Situationen an. Diese Veränderung ist nicht physisch, sondern eine kognitive, da sich der Sehapparat nicht verändert. Trotz der Verwandtschaft zu Programmen wie Computer- oder Netzkunst müssen interdigitale Bildformen von diesen historischen Konzepten unterschieden werden. In der folgenden Abgrenzung der interdigitalen Bildformen zur Netz- und Computerkunst liegt das Augenmerk auf Strategien und Verfahren, welche die Kategorien analog und digital befragen. Es wird gezeigt, wie Künstler mit einem erweiterten Bildbegriff diese Dichotomie von analog und digital perforieren und den Betrachtern bzw. Bildproduzenten, ungewohnte Sehweisen und einen neuen Umgang mit Bildformen abverlangen.

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E NTWICKLUNGSLINIE TECHNIKAFFINER K UNST Interdigitale Bildformen sind innovative Bildformen, welche aufgrund neuer technologischer Verfahren und Optionen zur Bildherstellung und Bildverarbeitung möglich wurden. Das zentrale Potenzial der Verwendung neuer Technologien in Bildern ist die Möglichkeit, den Betrachter in die Bildsituation mit einzubeziehen. Durch die Erfindung des Mikroprozessors und die damit verbundene Erhöhung der Rechenleistung sind interaktive Bilder, d.h. auf Betrachter abgestimmte Prozesse in Echtzeit möglich. Die Entwicklung interdigitaler Bildformen lässt sich als Folge von Computerkunst und Netzkunst2 herleiten. Aus diesen Positionen stammen die grundlegenden Perspektiven, da die den Computern inhärenten Strukturen seit den Anfängen der Computerkunst mit thematisiert werden. Einen Überblick hierüber gibt das folgende Kapitel.

K UNST

AUS DER

M ASCHINE ? – C OMPUTERKUNST

Ein Zeitpunkt für die Anfänge der Computerkunst ist nicht genau zu bestimmen. Entscheidet man sich für die frühen 1950er Jahre, bindet man die Geburtsstunde der Computerkunst an die ersten Analogcomputer. Wählt man hingegen Digitalcomputer als Ausgangspunkt, müssten die Anfänge der Computerkunst etwa zehn Jahre später datiert werden. Frank Popper sieht die Ursprünge der Computerkunst3 in den USA. Dort soll Ben F. Laposky, Mathematiker und Künstler aus Iowa, der erste gewesen sein, der 1952 einen Analogcomputer und einen Oszillografen mit einer Kathodenröhre zur Komposition seiner Electronic Abstractions benutzte und 1956 mit der Produktion von farbigen elektronischen Bildern begann. Nahezu zeitgleich entstanden in Wien die Oszillogramme des Schriftstellers und Wissenschaftlers Herbert W. Franke (vgl. Popper 2001, S. 253). Diese elektronischen Grafiken sind, genau wie die Oszillogramme,

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Eine Auflistung von Netzkunstphänomenen im kunstpädagogischen Kontext findet sich bei Burkhardt 2007, S. 75ff. und Seelinger 2003, S. 355ff.

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Ein historischer Abriss zur Computerkunst findet sich bei Karin Guminski (2002): Kunst am Computer, S.43ff.

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auf einem Oszilloskop hervorgerufene Bilder. Ein Oszilloskop ist ein Messgerät, mit dem elektronische Spannungen projiziert werden können. Elektrizität kann hierdurch sichtbar gemacht werden und mittels verschiedener Spannungen können ästhetische Formen auf dem Kathodenschirm, ähnlich einem Fernseher, erzeugt werden. Aus den Experimenten mit Oszilloskopen ging auch das erste Computerspiel hervor, welches 1958 vom amerikanischen Physiker William Higinbotham erfunden wurde. Es war ein einfaches Tennisspiel, welches auf einem Oszilloskop gespielt wurde. Zwei Spieler konnten durch Veränderung der elektrischen Spannung mittels Drehknöpfen, einen Ball über das Netz spielen. Die Experimente mit Analogcomputern, elektronischen Bauteilen und Komponenten speiste sich vor allem aus der Bewegung der kinetischen Kunst und der Lichtkunst. Bei diesen wurde vor allem mit elektronisch beweglichen Maschinen und Neonröhren experimentiert. Popper sieht in der kinetischen Kunst den Ausgangspunkt für die Computerkunst (vgl. Popper 2001, S. 250). Abbildung 2: Elektronische Grafik 1956

Quelle: Courtesy Herbert W. Franke

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Ein Meilenstein in der Geschichte der Computerkunst ist der Wechsel von der Röhren- zur Transistortechnik 1955 (vgl. Guminski 2002, S. 48ff.). Das Speichern von großen Datenmengen wurde möglich und auch die Rechenleistung der Computer erhöhte sich deutlich. Der zweite große Schritt in der Entwicklung der Computer ist die 1961 begonnene Massenproduktion von Computerchips4 (vgl. Guminski 2002, S. 48). Die Weiterentwicklung der Mikrochips dauert bis heute an und wird noch immer an dem Mooreschen Gesetz von 1965 gemessen, welches besagt, dass die Komplexität von Mikrochips sich etwa alle zwei Jahre verdoppelt. Diese Gesetzmäßigkeit, die auf den Mitbegründer der Firma Intel, Gordon Moore, zurückgeht, ist nicht nur als Faustregel oder Beobachtung zu lesen, sondern auch als Entwicklungsrichtlinie der Chiphersteller zu verstehen. Es bleibt abzuwarten, wie lange das Mooresche Gesetz noch seine Gültigkeit behalten kann, da eine Verkleinerung von Schaltkreisen nicht unbegrenzt möglich ist. Karin Guminski bewertet die Arbeiten von Laposky und Franke als Vorläufer und Wegbereiter der Computerkunst. Sie gibt aber zu bedenken, dass es sich bei eben jenen Computergrafiken der 1950er und frühen 1960er Jahre ausschließlich um analoge Grafiken handelt und das diese optisch von den digitalen Grafiken der sechziger Jahre kaum zu unterscheiden waren. Der Unterschied lag lediglich in der Herstellungsweise5. Hieraus folgert Guminski, dass die Anfänge von Computergrafik und Computerkunst nicht mit dem Beginn der digitalen Grafik zusammenfallen können (vgl. Guminski 2002, S. 72). Guminski schlägt vor, den Beginn der Computerkunst in den 1960er Jahren zu verorten, da erst ab Mitte dieser Dekade digitale Bilder persistent visualisierbar wurden (vgl. Guminski 2002, S. 72). Guminski argumentiert den Beginn der Computerkunst mit einer, für den Künstler notwendigen Persistenz der künstlerischen Arbeit bzw. der Bilder.

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Ein 1965 erfundener Mikrochip ersetzte bereits 12 Transistoren (vgl. Guminski 2002, S. 49).

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Eine systematische Betrachtung von Computerbildern von 1959 bis 1990 findet sich bei Guminski 2002, S. 74ff.

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„[…] die visuelle Präsenz des Gestaltens ist für einen Künstler eine Voraussetzung, um gezielt arbeiten zu können. Allein der abstrakte Datenbestand genügt Künstlern nicht.“ (Guminski 2002, S. 72)

Die von Guminski vorgenommene Trennung in noch-nicht-Computerkunst und schon-Computerkunst, welche sich am Übergang von temporären zu persistenten künstlerischen Arbeiten manifestieren soll, scheint mit Blick auf aktuelle Kunst problematisch. Bereits bei Marcel Duchamp oder Joseph Beuys sind Strategien zu erkennen, welche zeitgenössische Künstler wie Tino Sehgal weiterentwickelt haben, und welche sich in temporären Werken manifestieren. Sehgals Arbeiten sind flüchtige künstlerische Settings. Er überbringt Besuchern der Ausstellung Botschaften. Diese werden von beispielsweise als Museumswärtern verkleideten Schauspielern gesungen oder den Besuchern zugeflüstert. Sehgals Arbeiten werden nur in Museen oder Galerien gezeigt und dürfen weder fotografiert noch gefilmt werden. Sie sind also nicht, wie Guminski argumentiert, auf eine „visuelle Präsenz des Gestaltens“ (Guminski 2002, S. 72) ausgerichtet, sondern zielen auf einen temporären Moment, ein nicht-greifbares, flüchtiges Ereignis. Die bleibende visuelle Präsenz, im Sinne einer materiellen Manifestation, ist im Werk Sehgals nicht von Bedeutung. Wohl aber das Immaterielle, das beim Besucher zurückbleibt. Es ist dann genau jener „abstrakte Datenbestand“, das Nicht-Eindeutige welches sich dem Zugriff über das Material verweigert. Die visuelle Präsenz des Gestaltens einer künstlerischen Manifestation als Notwendigkeit für eine künstlerische Aussage zu behaupten, ist nach dieser Betrachtung nicht weiter möglich. Dieses gilt für technikaffine und nicht-technische Kunstformen. Es bleibt in diesem Sinne weiterhin unklar, wann die Geburtsstunde der Computerkunst zu datieren ist. Es bleibt problematisch, die Anfänge einer neuen Kunstgattung mit den Maßstäben vorhergegangener Kunstformen zu messen und diese nicht aus der Kunstform selbst zu entwickeln. Das Beispiel verdeutlicht, dass die Kriterien typisch analoger Kunstformen, wie Malerei oder Zeichnung, zu bestimmten Wendepunkten in der Geschichte leiten. Würde man die Kriterien von Performance oder Installation an die Geschichte digitaler Kunst anlegen, würde dies wahrscheinlich andere Ergebnisse bezüglich der Datierung herbeiführen.

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Die Verortung der Anfänge der Computerkunst bleibt weiter uneindeutig. Einen Zeitraum ab 1952 zu markieren scheint aber schlüssig, da die von Ben F. Laposky angefertigten Electronic Abstractions den Beginn einer Zeit markieren, in welcher die Möglichkeiten der Computer zur Erzeugung von Bildern verwendet wurden.

I NNOVATIVE P OTENZIALE DER N ETZKUNST Eine Kunstgattung, welche häufig der Computerkunst untergeordnet bzw. dieser nachgeordnet wird, ist die Netzkunst6. Es sind jedoch Differenzierungen nötig, da ein Subsummieren der Netzkunst unter dem Begriff der Computerkunst dem genuin Neuen der Netzkunst nicht gerecht würde. Innerhalb der Netzkunst werden innovative Wendepunkte vollzogen, welche eine Unterscheidung zum Begriff der Computerkunst notwendig machen. Die Anfänge der Netzkunst finden sich in dem Zusammenschluss der Computer mittels Telekommunikationskanälen. Das Internet, also eben diese Vernetzung der Computer, bildet die Grundlage für die Netzkunst. Die Einführung des WWW (World Wide Web) 1991, welches das, mittels eines Browsers, sichtbare und bedienbare Hypertextprotokoll des Internets darstellt, begründete ein Medium für neue künstlerische Arbeiten. Die künstlerische Auseinandersetzung verschob sich weg vom einzelnen Computer, hin zur Vernetzung mehrerer Computer. Netzkünstler bringen hierdurch Werke hervor, bei welchen die an den Computern interagierenden Menschen, genauer deren Interaktionen, im Vordergrund stehen. Dies belegt die von Mark Napier entworfene Plattform net.flag: Bei net.flag geht es darum, eine Flagge für das Internet zu gestalten. In der Onlineplattform stehen die Elemente aller Flaggen der Erde als Material zur Verfügung und können durch die User neu kombiniert werden. Ist eine Flagge fertiggestellt, wird sie in die Galerie aufgenommen und ist für die anderen User sichtbar. Jeweils die neueste Flagge ist in einer großen Darstellung angezeigt und bildet die Basis für eine weitere Bearbeitung. Zusätzlich kann durch die Entstehungsgeschichte der Flaggen navigiert werden.

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Es sei angemerkt, dass nicht nur der Begriff Netzkunst in der Literatur auftaucht, auch Net-Art, net.art, Kunst im Netz und ähnliche Begriffe finden sich. In dieser Arbeit werden die Begriffe synonym verwendet.

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Das künstlerische Werk der Arbeit Napiers stellt dabei aber nicht, oder nur untergeordnet, die Flaggengalerie im Internet dar. Die Strategie Napiers zielt nicht auf einen bestimmten Ort (wenngleich auch die Arbeit net.flag auf dem Server des Guggenheim Museums in New York gespeichert ist und somit ein Ort auszumachen ist). Es ist die Möglichkeit, eine Flagge von jedem an das Internet angeschlossenen Computer der Welt aus zu verändern, die das Werk so bedeutsam macht. Es ist die Entortung des Werks durch die Vernetzung und Verflüssigung von Informationen (vgl. Maset 2001a, S. 5), welche diese künstlerische Arbeit neu definiert. Im angeführten Beispiel zeigt sich der Unterschied von Computerkunst und Netzkunst. Die Computerkunst ist eine Kunstform welche vorrangig mit den Geräten selbst operiert und die Möglichkeiten der Geräte reflektiert. Die Netzkunst hingegen findet ihr Material in der Vernetzung selbst, inklusive aller ihr inhärenten Eigenschaften7. Nicht was über das Internet publiziert wird, ist Kern der Auseinandersetzung, sondern die Struktur der Kommunikation selbst. Anette Seelinger analysiert nicht nur den Gegenstand der Netzkunst, sondern stellt auch heraus, dass die Netzkunst es vermag das klassische Beziehungsdreieck Produzent/Künstler – Kunstwerk/Produzent – Rezipient/Betrachter nachhaltig zu erschüttern (vgl. Seelinger 2003, S. 359). Dabei räumt Seelinger aber auch ein, dass in vielen Werken der Netzkunst der klassische Modus der Trennung von Produzent und Rezipient nicht aufgehoben wird. Viele Arbeiten speisen sich, wie es für das Internet typisch ist, aus einer Hyperlinkstruktur. Diese wird vom Produzenten vorgegeben und vom Rezipienten erkundet (vgl. Seelinger 2003, S. 359). „Es geht also nicht um eingescannte Bilder oder um Homepages mit ästhetischer Gestaltung, Filmen und Musik. Unter dem Begriff Netzkunst ist eine Kunst zu verstehen, die sich mit den genuinen Eigenschaften des Internets auseinandersetzt, und die nur im und mit dem Internet stattfinden kann.“ (Seelinger 2003, S. 358)

Das Material der Netzkunst ist also nicht das Gerät, sondern die Vernetzung dieser durch das Internet. Sara Burkhardt formuliert hierzu: „Das Material

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Ein zeitlicher Abriss zur Entwicklung künstlerischer Arbeiten im Netz inklusive weiterer Literatur findet sich bei Burkhardt 2007, S. 23ff.

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der Netzkünstler ist das Netz – und dieses ist im Grunde immateriell, virtuell, nicht ‚fühlbar‘.“ (Burkhardt 2007, S. 27)

W IDER

DEM DIGITALEN

S CHEIN

Erst in den 1980er Jahren waren die Computer so weit entwickelt, dass sie auch für private Anwender bezahl- und benutzbar wurden. In den folgenden Jahren wurde die Bedienbarkeit der Geräte weiter vorangetrieben und vereinfacht, so dass Computer schon bald als Massenmedien bezeichnet werden konnten8. Künstler begannen, mit Computern zu experimentieren. Die Grafikleistung der Maschinen stieg stetig und ermöglichte bald so komplexe Simulationen, dass der Medienphilosoph Vilém Flusser (Flusser 2001) infolgedessen vom digitalen Schein spricht. Den Begriff digitaler Schein leitet Flusser aus dem Misstrauen gegenüber der künstlich erzeugten Computerwelt ab. Laut Flusser misstrauen wir allem künstlich Hergestellten und aller Kunst. „ ‚Kunst‘ ist schön, aber Lüge, was ja mit dem Begriff ‚Schein‘ gemeint ist.“ (Flusser 2001, S. 147f.) Der digitale Schein ist bei Flusser der Träger für das Schöne. Aus der Zuspitzung der Theorie, dass jede Form von Realität – sei sie eine „gegebene“ oder „alternative“, d.h. herkömmliche oder computergenerierte Welt – eine errechenbare Realität sei, postuliert Flusser die Schönheit als das einzig annehmbare Wahrheitskriterium (vgl. Flusser 2001, S. 158). „An der sogenannten Computerkunst ist [...] bereits jetzt ersichtlich: Je schöner der digitale Schein ist, desto wirklicher und wahrer sind die projizierten alternativen Welten.“ (Flusser 2001, S. 158)

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Die Entwicklung grafischer Benutzeroberflächen lässt sich hier als einen zentralen Punkt festhalten. Die Umstellung der Computer von einer textbasierten auf eine bildbasierte Steuerung, welche um 1980 datiert werden muss, sorgte für eben jene schnelle und einfache Bedienbarkeit der Geräte. Die amerikanische Firma Xerox entwickelte 1973 den ersten Computer mit grafischer Oberfläche. 1983 folgte Apple und brachte dann 1984 den ersten Apple Macintosh auf den Markt. Ein Jahr später folgte Microsoft dieser Entwicklung und veröffentlichte 1985 Microsoft Windows.

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Flusser setzt die computergenerierte Welt der gegebenen Welt in der Hinsicht gleich, dass beide zu errechnen seien. Das formale mathematische Denken liefere hierzu die Modelle, nach denen alles erkannt und alles hergestellt werden kann (vgl. Flusser 2001, S. 151). Die in Flussers Aufsatz gelobte Errechenbarkeit der Dinge und der daraus resultierende digitale Schein wird später, genau wie Flussers gesamtes theoretisches Konstrukt, kritisiert. Das von Flusser den Menschen zugeschriebene Streben nach einer „totalen Errechenbarkeit“ bringt Philosophen wie Dieter Mersch dazu, Stellung zu beziehen. Kritisiert wird von Mersch, in Opposition zu Vilém Flusser, die fehlende Sensibilität für das Stoffliche und die Vernachlässigung des Künstlerischen in der Computerkunst: „Die von Beuys apostrophierte Entfaltung der Sensibilität fürs Stoffliche fällt [...] aus. Computerkunst, die allein auf die Gaukelspiele unwahrscheinlicher Simulakra setzt, findet daran ihre Ärmlichkeit. Die digitale Perfektion induziert keine Erfahrung: Ihr kommt jene kühle Glätte zu, woran die Wahrnehmung buchstäblich abgleitet. Zwar gestattet sie, die Ausdehnung sinnlicher Abenteuer ins Maßlose und Unvorstellbare, gleichwohl enthalten diese nur, was der Algorithmus generiert. Kunst ist mehr, als dieser zu bieten vermag.“ (Mersch 2002, S. 95)

Mersch kritisiert in Hinblick auf die Computerkunst vor allem die Variationslosigkeit der Prozesse. Die Unvorhersehbarkeit, die, wenn sie dem Mechanismus inhärent ist, eben doch vorhersehbar ist, da sie in den Ablauf der Maschine „eingeschrieben“ ist. Die fehlende Kraft der Alternierung, die Derrida dem Schema der Iterabilität unterlegt, erscheine hier systematisch ausgeschlossen (vgl. Mersch 2002, S. 94). Mersch stellt fest, dass Computerprogramme zwar produktiv, aber nicht kreativ sein können, denn „[…] Programme beruhen auf strikten Regeln; Kreativität auf Regellosigkeit. Eines ist es, Regeln zu verwenden und sie beliebig zu iterieren, ein anderes, Regeln – und zwar jenseits aller Regeln – zu verlassen oder neue zu erfinden. Im ersten Falle verbleibt man innerhalb eines gleichsam eng umrandeten Spielfeldes; im zweiten überschreitet man Grenzen und reicht ins Ungewisse hinaus.“ (Mersch 1991, S. 116)

Das Hinausreichen ins Ungewisse ist es, was, folgt man Merschs Ausführungen, unmöglich bleibt, da man den Regeln folgen muss. Die Kunst muss

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also die Regeln brechen, möchte sie nicht auf dieses eng umrandete Spielfeld festgelegt bleiben. Hierzu sei es notwendig, sich die Logik der Regeln noch einmal zu verdeutlichen. Mersch schließt die Vernunft als Begriff zur Erläuterung der Regelhaftigkeit aus, denn „Regeln bedürfen keines rationalen Grundes.“ (Mersch 1991, S. 118) Die Regelhaftigkeit des digitalen Zeitalters evoziere, Mersch weiter folgend, ein Denken, welches sich ins Nicht-Diskursive verflüchtigt (vgl. Mersch 1991, S. 122). Mersch stellt fest, dass Computer nie das Denken abnehmen können, ist aber sicher, dass die innere Struktur des Computers in das Denken einbricht und seiner Diskursivität beraubt (vgl. Mersch 1991, S. 122). „Der Computer ist nämlich keine wesentlich diskursiv funktionierende Maschine, sondern ein technisches Gerät, welches durch die unbegrenzten Möglichkeiten der Sammlung, Verarbeitung und Verwaltung von Daten eine Art von Wildwuchs hervorbringt.“ (Mersch 1991, S. 121)

Die von Mersch kritisch besehenen Aspekte der „[...] unbegrenzten Möglichkeiten der Sammlung, Verarbeitung und Verwaltung von Daten [...]“ (Mersch 1991, S. 121) werden von Flusser zwar auch benannt aber weniger kritisch beurteilt. Die Unbegrenztheit, welche Mersch mit Wildwuchs gleichsetzt, ist für Flusser eine positive Chance ins Unendliche vorzustoßen. Die kodifizierte Welt ist, Flusser folgend, mit ihrer Errechenbarkeit auch beherrschbar geworden. Was man berechnen kann, kann man auch regieren. Mit Mersch lässt sich hier erwidern, dass die total berechnete Welt eine Verkettung von Zeichen ist, welche nicht repräsentieren. Die mediatisierte Wirklichkeit besteht nur als Codestruktur, es gibt sie nur im Code. Diese These stützt auch Yvonne Spielmann (Spielmann 1999), wenn sie, Deleuze folgend, die Qualität des omnidirektionalen Bildes als Strukturprinzip der neuen Medienbilder feststellt. Zudem betont sie das Fehlen der Repräsentationsfunktion beim digitalen Bild im Gegensatz zum analogen Bild (vgl. Spielmann 1999, S. 66). Die Vernachlässigung des Stofflichen, welche von Dieter Mersch bereits an der Computerkunst kritisiert wird, wird auch im Bereich der Netzkunst nur teilweise aufgehoben. Es muss sich so auch die Netzkunst mit dem Verdacht konfrontieren, dem digitalen Schein anheim zu fallen und sich auf Verfahren ausschließlich im eigenen Medium zu beschränken. Wie

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auch in der Computerkunst sind die Phänomene der Netzkunst oft auf vorprogrammierte Abläufe beschränkt und zeichnen sich häufig dadurch aus, dass die Eingriffsmöglichkeiten des Benutzers gering sind (vgl. Burkhardt 2007, S. 27). Nach der Durchsicht von Computerkunst und Netzkunst bleibt Frank Popper zuzustimmen, wenn er konstatiert, dass für die umfassende physische und geistige Einbeziehung der Zuschauer in die bildgebenden Prozesse eines Kunstwerkes die Entwicklung der Mikroprozessoren entscheidend war (vgl. Popper 2001, S. 263). Die „digitale Revolution“ durchdringt alle Lebensbereiche. Die Veränderung der Welt seit der Erfindung des Mikrochips schlägt sich, wie Popper feststellt, auch in der Kunst nieder. In fast jedem künstlerischen Prozess muss heute die Verwendung technischer Hilfsmittel angenommen werden. Die technologischen Geräte sind vom Material künstlerischer Auseinandersetzung (wie in der Computerkunst) über eine Verwendung als kommunikatives Medium (Netzkunst) zu einem Material wie jedes andere auch geworden.

E NTWICKLUNGEN TECHNISCHER K UNSTFORMEN Die Erweiterung bzw. Fortschreibung der Linie der technikaffinen Kunstformen lassen sich hier als Zwischenergebnis festhalten. Hierdurch wird sowohl das methodische Vorgehen weiter geschärft als auch das methodische Setting für das Fach Kunst tangiert: Es entstehen künstlerische Arbeiten, in welchen neue Technologien und deren Potenziale erprobt werden. Hierbei werden auch klassische Verfahren an neuen Technologien aktualisiert. Die ästhetischen Potenziale neuer Technologien finden ihre Schlagkraft also nicht in der Autonomisierung und Abspaltung. Zeitgenössische künstlerische Strategien zeichnen sich besonders dadurch aus, dass sie ihnen vorangegangene Strategien und Verfahren als ihr Material nutzten. Das künstlerische Arsenal hat sich um technische Verfahren erweitert und sich daran aktualisiert. Anders formuliert: Jede zeitgenössische künstlerische Aussage ist nur unter Einbeziehung der digitalen Revolution (ebenso wie mit beispielsweise der Moderne oder der Erfindung der Perspektive) denkbar.

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Konzepte wie Computer- oder Netzkunst sind Beschreibungsformen für Kunst, welche sich besonders durch Technologieaffinität auszeichnen. In der Computerkunst ist die Maschine das Werkzeug, mit welchem Kunst erzeugt werden kann. Die wesentliche Neuerung der Netzkunst ist die Verlagerung von den Maschinen hin zur Vernetzung. Das in dieser Arbeit eingeführte Konzept der interdigitalen Bildformen ist eine Fortschreibung der Konzepte Computer- und Netzkunst. Hierin lassen sich aktuelle, in künstlerischen Zusammenhängen verwendete, Technologien beschreiben. Besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklungslinie: Maschine > Vernetzung > künstlerische Infrastruktur. Von zentraler Bedeutung sind auch die Verwendung und das Erproben digitaler und analoger Strategien. Es scheint aber, dass die digitalen nicht unbedingt gegenläufig zu den analogen Strategien verlaufen. Die Entwicklungslinie Computerkunst- und Netzkunst zeigt ein Interesse nach einer bestimmten Kunstform, sie ersetzt nicht eine andere. Digitale Strategien arbeiten also ebenso wenig gegen analoge Strategien wie umgekehrt. Die Entwicklungslinie technikaffiner Kunstformen scheint nicht in Richtung der totalen Simulation zu verlaufen. Eher scheint es, dass mit interdigitalen Bildformen neue Technologien auch kritisch hinterfragt werden. Der digitale Schein wird so eher aufgebrochen als gestützt. Durch technische Möglichkeiten bedingt, kann der Betrachter in künstlerische Arbeiten eingebunden werden. Das bedeutet, die Rolle von Künstler und Betrachter kann oszillieren und das wiederum perforiert im Performativen den klassischen Werkbegriff. Auf der Grundlage der Computerkunst werden, durch die weltweite Vernetzung der Computer, Wendepunkte im Bereich der technikaffinen Kunstformen möglich. Diese sind, in der Linie des digitalen Scheins, als eine errechenbare Perfektion beschrieben worden, gegen welche sich aber Kritik formiert. Jüngere Werke stellen sich scheinbar gegen die glatte, sterile Ästhetik des Perfekten. Analoge Verfahren werden, durch diese Wende bedingt, nicht verdrängt, sondern aktualisieren sich an digitalen Verfahren. Diese Entwicklung im Bereich der technikaffinen Kunstformen evoziert neue Beschreibungsmöglichkeiten für aktuelle Bildformen.

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D EFINITION : I NTERDIGITALE B ILDFORMEN Im Folgenden soll der schon aufgetauchte Begriff der interdigitalen Bildformen weiter präzisiert werden. Die aufgezeigte Linie von Computer- und Netzkunst führt nach der digitalen Revolution zu neuen Bildformen, welche sich aus der im vorigen Kapitel aufgezeigten Entwicklungslinie speisen. Die Sammlung interdigitaler Bildformen im folgenden Kapitel ergibt sich aus einer Lektüre bzw. Betrachtung künstlerischer Arbeiten, nicht aus bestehenden Kategoriensystemen. Das Kapitel ist demgemäß als Durchsicht künstlerischer Arbeiten zu lesen, an denen eine Reflexion im Spannungsverhältnis von analog und digital ausgemacht wird. Die Rahmenbedingungen für diese Kunstwerke sind von Derrick de Kerckhove entlehnt, welcher in einem Aufsatz über die Ästhetik neuer Technologien 1993 die Merkmale neuer Kunstwerke beschrieben hat: „Die neuen Kunstformen werden den überragenden Stellenwert betonen, der den Prozess vor dem fertigen Produkt, die Teilhabe vor der reinen Anschauung, die Interaktion vor der Spektakularisierung, die weitreichende vor der unmittelbaren Interaktion, das globale vor dem lokalen Einklinken, die kontextorientierte vor der eher textorientierten Kunstform auszeichnet.“ (de Kerckhove 1993, S. 167)

Die von Kerckhove genannten Schlüsselbegriffe zu neuen Kunstformen greift auch die Kunstpädagogin Anette Seelinger auf: „Zuzustimmen ist de Kerckhoves These, dass künstlerische Arbeiten und ästhetische Verfahren die Möglichkeiten und Potentiale der neuen Technologien in experimentellen ‚Versuchsanordnungen‘ ausloten. Seine Tendenz jedoch, künstlerische Arrangements auf psychologische Anpassungsleistungen des Subjekts an die technologische Entwicklung zu reduzieren, läuft auf eine positivistische Verkürzung von Ästhetik hinaus. Gerade künstlerische Arbeiten und Reflexionen, die sich auf die neuen Technologien beziehen, machen deutlich, dass künstlerische Praxis sich kritisch mit den neuen Technologien auseinandersetzt.“ (Seelinger 2003, S. 304–305)

Die von Seelinger angesprochene positivistische Verkürzung, welche bewirken, dass neue Technologien immer eine Anpassungsleistung des Subjekts zur Folge haben, da dies in den Kunstwerken so angelegt sei, findet sich auch in Texten von Peter Weibel oder Vilém Flusser. In dieser Folge

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sind die genannten Positionen wichtig, da sie zudem auch einen Diskussionsrahmen abstecken. Für die Kunstvermittlung sind diese allerdings nur in Teilen nutzbar, zumal sie die psychische Beweglichkeit bzw. Trägheit des Subjekts ausblenden bzw. dem Subjekt grundsätzlich Technikaffirmation unterstellen. Diese Linie wird in der vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt, wenngleich sie zentrale Positionen zu technischer Kunst enthält. Die im folgenden Teil durchgeführte systematische Entwickelung des Konzeptes der interterdigitalen Bildformen verlässt das Konzept des digitalen Scheins und richtet sich stärker auf die für das Fach Kunst relevanten Bereiche aus. Das Konzept erlaubt die Beschreibung innovativer Bildformen mittels ihrer genuinen Eigenschaften. Die in dieser Arbeit durchgeführte Suchbewegung leitet damit methodisch in die Hypothesenbildung über. Um den Rahmen der Beschreibung zu setzen, wird hier folgende Definition vorgeschlagen: Interdigitale Bildformen sind Infrastrukturen rezeptiv/produktiver Bildrepräsentation. Es sind Bildprozesse, in welchen Rezipienten sich in einer, produktiv ästhetisch-künstlerischen Infrastruktur bewegen. Das Material für interdigitale Bildformen kann materiell (z.B. Computerhardware, Scheinwerfer, Farbe, etc.) und immateriell (Konzepte, Software, etc.) sein. Hierbei verschränken sich analoge und digitale Bildverfahren und -strategien. Bildprozesse Nehmen wir als Kunstwerk ein Gemälde, welches in einer Ausstellung zu sehen ist. Eben dieses Bild wäre ohne die Betrachter und die Betrachtung kein Bild. Es ist für ein Bild also existenzielle Voraussetzung, betrachtet zu werden. Der Semiotiker Charles William Morris formuliert: „Das Kunstwerk ist ein Zeichen und existiert als solches nur in Zeichenprozessen.“ (Morris 1993, S. 363) Morris verdeutlicht damit den prozessualen Charakter des Kunstwerkes. Die Betrachtung an sich ist bereits ein Prozess, da das Aufnehmen von Bildinformationen voranschreitend und fortlaufend geschieht. Über den ersten Eindruck wandert der Blick zu Details im Bild, bleibt an Irritierendem hängen und erkundet stetig. Alle neu gewonnenen Informationen aktualisieren die vorangegangenen.

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Interdigitale Bildformen haben, durch die Möglichkeit der Interaktion, die Chance, eine zusätzliche Ebene in diesen Bildprozess einzubringen. Neben dem Prozess der Betrachtung, welcher als Prozess erster Ordnung bezeichnet werden kann, lässt sich ein Prozess zweiter Ordnung formulieren. Die Intervention in eine künstlerische Infrastruktur entspricht einer handelnden Betrachtungsweise in welcher der Betrachter zum Produzent werden kann. • •

Betrachtung = Bildprozess erster Ordnung Interaktion = Bildprozess zweiter Ordnung

Der Prozess endet erst, wenn der Betrachter sich aus der Situation entfernt, in diesem Falle, wenn er die Ausstellung verlässt. Material Zeitgenössische Kunst kann alles als Material für eine künstlerische Aussage nutzen. Alle Gegenstände, Medien, Kommunikationen und Handlungen können zur Erzeugung neuer Formen verwendet werden (vgl. Maset 2009, S. 78). Schon Duchamp hat mit seinen Readymades gezeigt, dass auch industriell hergestellte Objekte zu ästhetischen Objekten der Kunst werden können, lediglich dadurch, dass sie mit einer Signatur versehen von den Institutionen der Kunst zu Objekten der Kunst erklärt wurden. Selbst die Position des Künstlers trat später dahinter zurück, wie bei Duchamp zu sehen war. Die anfänglich noch von ihm persönlich vorgenommenen Signaturen auf den Arbeiten hat Duchamp später nicht mehr vorgenommen oder die jeweiligen Kuratoren der Ausstellung beauftragt, diese auf die Werke aufzutragen. Genau wie Materialien, welche eine Physis besitzen, Gegenstand einer künstlerischen Auseinandersetzung sein können, können auch Konzepte oder Ideen, also immaterielle Dinge, Gegenstand einer künstlerischen Auseinandersetzung werden. Der Konzeptkünstler Jonathan Monk verweist in seinen Arbeiten immer wieder auf historische Positionen der Konzeptkunst. Er kommentiert, codiert und sampelt vorangegangene konzeptuelle Positionen und spielt so mit dem Wissen (und auch Nicht-Wissen) der Besucher. Seine Arbeit Waiting for Famous People (1995) bestand daraus, dass er sich unter, an einem Bahnsteig wartende, Personengruppen mischt und ein Pappschild hält, auf

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dem der Name einer prominenten Person steht. Passanten beobachten ihn, während er auf Pablo Picasso oder Nelson Mandela wartet. Was später von der Arbeit in einer Ausstellung zu sehen ist, ist lediglich das Foto, welches die Performance dokumentiert. Monks Arbeit ist nicht materialästhetisch zu erläutern. Es geht nicht um die Zeichnung bzw. den Schriftzug auf dem Schild. Es geht nicht um kunstvoll geschwungene Linien oder Farbflächen auf einer Pappe. Der konzeptuelle Ansatz des Werks stellt das Werk dar. Das Foto, welches wir betrachten und auf welchem die Arbeit dokumentiert ist, ist nur die verblassende Erinnerung an das Werk selbst. Eine Dokumentation, nicht das Werk an sich. Die Materialität des Werks geht in dem Konzept auf, (den staunenden Reisenden auf dem Bahnhof eingeschlossen) in welchem das Werk seine Realisation findet. Während der Performance ist für die Passanten (wahrscheinlich) nicht ersichtlich, dass es sich um eine Arbeit der Kunst handelt, dessen Teil sie soeben geworden sind. Es ist für den Künstler auch nicht planbar, was in der von ihm hergestellten Situation geschehen wird. Das Konzept findet seine Aktualisierung in der Performance selbst und ist damit Teil einer künstlerischen Infrastruktur, welche vom Künstler erstellt wurde. Die Performance ist damit eine Kunst ohne Werk und findet ihr Paradoxon darin, dass wiederum ein Foto als Dokumentation davon zeugen muss. Analoge und digitale Verfahren Die Schwierigkeit, digitale und analoge Strategien zu unterscheiden, beginnt schon mit der Anforderung, diese aufzudecken. Dies lässt sich am Beispiel der Künstlerin Elisabeth Peyton zeigen. Peyton arbeitet vorwiegend mit Öl auf Leinwand und porträtiert meist Freunde und Bekannte aus ihrem Umfeld aber auch prominente Persönlichkeiten. Als Vorlagen dienen ihr Fotos und auch Videostills, die sie zuvor erstellt. Peyton ist als Malerin also einer analogen Kunstform zuzuordnen. Weiß man aber um ihre Strategien und Vorgehensweisen, zeigt sich, wie Peyton Bilder kopiert, sampelt und verändert – gerade so, als würde sie mit einem digitalen Bildbearbeitungsprogramm arbeiten. Die analogischen Bildebenen sind als Layer immer in ihren Bilder zu erkennen. Dieser Interpretationsstrang lässt einen Schluss auf eine eher digital geprägte Arbeitsweise zu, und die Arbeitsweise lässt sich dadurch mit einem erweiterten Vokabular beschreiben.

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Am Beispiel zeigt sich die Herausforderung, analog und digital zu trennen, auch wenn bei vielen Werken eine analoge oder digitale Erscheinungsform festgestellt werden kann. Gleichzeitig eröffnet sich hier aber auch ein Potenzial, welches in der erweiterten Beschreibbarkeit des Bildes liegt. Die künstlerische Strategie ist in ihrer Komplexität feiner zu bestimmen und das Vokabular für die Analyse und Interpretation erweitert sich. Gerade die Malerei bietet durch ihr Strategienarsenal eine besondere Reibungsfläche für die Frage nach analogen und digitalen Strategien. Hierauf verweist Christian Spies 2004 in seinem Aufsatz Nearly White Noise – Zum Digitalen in der monochromen Malerei. Spies schreibt Rauschenbergs monochromen Bildern eine digitaltechnische Struktur zu, die sich in der analogen Form als Flächenphänomen zeigt (vgl. Spies 2004, S. 334). Diese rückwirkende Sinnstiftung kann dabei nur auf Grundlage der Kenntnis aktueller digitaler Verfahren geschehen. Es ist stark anzuzweifeln, dass Rauschenberg selber eine solche Interpretationslinie an seine Bilder angelegt hat.

Z WISCHENFAZIT Es ist die Verschränkung von Prozess, Digitalität und Material welche das Konzept der interdigitalen Bildformen ermöglicht. Damit wird eine Folie für die Analyse und Interpretation dieser neuen Bildformen gegeben. Auf der Basis der abduktiven Methode dieser Arbeit ist damit eine Analyse möglich, mit welcher aktuelle Bildformen neu beschrieben werden können. Nachdem im Kapitel Entwicklungslinien technikaffiner Kunst die Möglichkeit der Fortschreibung von Konzepten technischer Kunstformen lanciert wurde, konnte auf dieser Basis die Folie der interdigitalen Bildformen generiert werden. Die Eckpunkte dieser Interpretationslinie (Bildprozess, Material und analoge und digitale Verfahren) leiten die weitere Suchbewegung der Arbeit. An ihnen lassen sich die Dimensionen interdigitaler Bildformen entfalten und in einem späteren Schritt werden dann die Wendepunkte interdigitaler Bildformen markiert.

Dimensionen interdigitaler Bildformen

Das vorliegende Kapitel beleuchtet die Dimensionen interdigitaler Bildformen. Mithilfe der hier vorgestellten künstlerischen Arbeiten ist es möglich, die Vieldimensionalität interdigitaler Bildformen aufzuzeigen. Die Verschränkungen analoger und digitaler Strategien lassen sich in den Arbeiten der Künstler nachweisen1. Dies soll Hypothesen liefern, die zu einer Theorie aktueller Bildstrategien führt. Hieraus lassen sich im Anschluss Desiderate für die Vermittlung von Bildkompetenz durch eben jene Bildstrategien formulieren. Nach Eva Sturm hat die Kunstvermittlung die Aufgabe, dass durch sie etwas wahrnehmbar wird und sich Verknüpfungen, Durchtrennungen und Kreuzungen herstellen. Kunstvermittlung ist sowohl Assistieren als auch Ergänzen, Stören und Mitmischen (vgl. Sturm 2005, S. 29). Die Referenz ist dabei die Kunst bzw. die Verfahren dieser. Gunter Otto sieht in der Kunst ein Sammelbecken von allen möglichen Bildstrategien und Verfahren absichtsvoller Mitteilung, engagierter Stellungnahme und/oder der sensiblen Veränderung von Wirklichkeit. Es gehe darum, so Gunter Otto, Bilder zurückzuführen auf die Verfahren (vgl. Otto 1983, S. 58). Was Sturm, als Vertreterin der Kunstvermittlung, sowie Otto, als Vertreter der Ästhetischen Erziehung, integrieren, ist die Auseinandersetzung mit den Strategien und Verfahren der Kunst. Ohne diese Auseinandersetzung können keine Hypothesen gebildet werden. Es ist hier also wichtig, zentrale Strategien aktueller Bildformen freizulegen und zu analysieren, um auf dieser Basis zu einer Aussage über die Dimensionen aktueller Bildformen zu gelangen.

1

Strategie bezeichnet den von einem Künstler anhand gezielt vorgenommener Eingriffe erzeugten Ausdruck (vgl. Burkhardt 2007, S. 12).

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D IGITALITÄT Digitale Fotos und Computeranimationen sind in Museen und Galerien zu sehen. Dem gegenüber sehen wir Ölbilder, welche von Menschen gemalt sind, aber eine von der Maschine produzierte Pixel-Anmutung vortäuschen. Beim Beleuchten neuer Bildformen fällt auf, dass es verschiedene Ausprägungen digitaler ästhetischer Strategien zu geben scheint. Der Begriff der Digitalität wird häufig bemüht, wenn es um Computer oder neue Medien im weitesten Sinne geht. In vielen Quellen fällt aber auf, dass es verschiedene Verwendungsmöglichkeiten des Terminus digital zu geben scheint. Oft wird von Digitalität immer dann gesprochen, wenn es um Computer geht. Alles, was nicht in diese Kategorie passt, wird anschließend mit analog kategorisiert. Es scheint, dass Digitalität nur mithilfe des Computers hergestellt, dargestellt und bearbeitet werden kann. In kunstpädagogischen Veröffentlichungen herrscht oft erschreckende Einigkeit darüber, dass die Digitalität in Form von Computern und computergestützter Bildbearbeitung in die Klassenzimmer Einzug gehalten hat. Es scheint gemeinhin Einigkeit darüber zu herrschen, dass alles, was mithilfe eines Computers erzeugt werden kann, digital sei. Der Begriff digital also das attribuiert, was der Maschine entlockt wurde. Es ist aber eine differenzierte Sichtung des Begriffs nötig. Diese soll im folgenden Teil stattfinden. Der Ursprung des Wortes digital liegt im Lateinischen: „Am häufigsten aber wird der Finger zum Zeigen benutzt und folglich ist eine heute nicht mehr bekannte Bedeutung von Zeiger ‚Zeigefinger‘ (lat. ‚index‘). Dies führt und in den ursprünglichen Bedeutungsbereich von digital, denn das lat. Wort digitus, von dem das Adjektiv digital abstammt, bedeutet, ‚Finger‘ ‚Zehe‘.“(Loleit 2004, S. 194)

Dieser Wortursprung lässt weitere Vermutungen zu. Vielleicht vergleicht das Wort digitus also Finger die einzelnen Elemente des Fingers, die zusammen ein Ganzes ergeben, wie einzelne Bits ein Byte ergeben. Die Zerlegung oder Teilbarkeit kann hier eine Rolle gespielt haben. Ebenso wäre als Beispiel das Anzeigen einer Zahl mit den Fingern eine klar abgestufte Geste, wohingegen das Analoge immer als eine Art fließender Übergang beschrieben wird:

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„Auf den Anglizismus digital bezieht sich hingegen folgende Definition: „Technik und Physik: stufenförmig, nur diskret, d.h. nicht stetig veränderl. Werte annehmend; in diskrete Einzelschritte aufgelöst; Ggs.: analog (im Sinne von stufenlos, stetig, kontinuierlich)“ (Loleit 2004, S. 194)

Man könnte den Begriffen digital und analog auch vergleichende Begriffe wie viskos und körnig zur Seite stellen, um diese besser zu beschreiben. Mit dem Maß Viskosität wird die Fließfähigkeit von Fluiden gemessen. Die Frage der Körnung stellt sich beispielsweise in der Fotografie, aber z.B. auch bei Schleifpapier. Das Digitale ist damit immer etwas Teilbares bzw. Abgestuftes; das Analoge ist ungeteilt bzw. ohne Abstufungen. Dieter Mersch sieht den Beginn der Digitalisierung im Barock. Hier wurde durch die Zentralperspektive zum ersten Mal eine Mathematisierung von Abbildungsgrundlagen geschaffen. „Daher beginnt die technische Mediatisierung der Wahrnehmung optisch. Dafür steht vor allem die barocke Spiegelmetapher ein. Sie entfacht ein exaktes Schauspiel visueller Selbstreflexionen: Die Optik des Spiegels funktioniert, abgesehen von Verzerrungen, durch die Übereinstimmung von Bildraum und Gegenstandsraum. Sie gestattet, Betrachter und Betrachtetes wie auf einer Schaubühne miteinander zu verschränken und ineinander abzubilden. Sie bietet damit das rationale Modell eines souveränen Blicks, wie er sowohl der Descartesschen Begründung des Subjekts als fundamentum inconcussum zugrunde liegt als auch den machiavellischen Kalkülen politischer Herrschaft.“ (Mersch 2002, S. 70)

Auch Nils Werber legt den Beginn der Epoche der Digitalisierung klar auf den Barock. In seinem Aufsatz Vom Unterlaufen der Sinne, welcher 2004 im Sammelband Analog/Digital – Opposition oder Kontinuum erschien, beschreibt Werber eine Codierung von Nachrichten, welche Louis XIV. bei seiner Invasion in der Pfalz einsetzen lies. Boten waren mit allerhand Kleidung auf die Reise geschickt worden. Unter diesen Kleidungsstücken befanden sich Stoffe, in deren Muster die geheimen Nachrichten eingestickt waren. Die Stoffe bildeten eine Matrix á la Descartes mit 360 mal 360 Pixeln. In dieser Matrix konnten mit einem vereinfachten KonsonantenAlphabet mit vier binären Digits 16 Konsonanten dargestellt werden (vgl. Werber 2004, S. 81).

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Das binäre Zahlensystem, welches für diese Art der Verschlüsselung bzw. Codierung die Grundlage bildet, wurde 1703 von Leibniz zuerst vorgelegt. Im Explication de l’Arithmétique Binaire beschreibt er mit seinem Dualsystem (oder Binärsystem) die Grundlage für die heutige digitale Datenverarbeitung. Mit den Ziffern eins und null schaffte er es, alle Rechenoperationen durchzuführen. Diese Rechnungen, übertragen auf die elektrischen Zustände Spannung und keine Spannung, bilden die Grundlage der Computer. Die digitale Verarbeitung in Binärcodes wurde somit ab 1703 möglich und ist mit ihrem festgelegten, universellen System auch die Grundlage für die Codierung von Nachrichten.

C ODIERUNG Im Wesentlichen beschreibt Codierung eine Übersetzung in ein anderes System. Ein Code ist damit ein System aus Symbolen (vgl. Flusser 1995, S. 31). Der Morsecode ist dafür ein Beispiel. Hier dient der Code zur Nachrichtenübermittlung. Er wird vom Sender generiert und vom Empfänger der Nachricht entschlüsselt. Susan J. Blackmore sieht im binären Code die Grundlagen für die Informationstheorie. Für sie ist der Mitbegründer der Informationstheorie, Claude Shannon, wesentlich dafür verantwortlich, dass logische Operationen mit Maschinen verarbeitet werden können (vgl. Blackmore 2004, S. 184). Auch im Kunstunterricht findet sich das Ver- und Entschlüsseln von Nachrichten. So stellen schon Kerner und Duroy in ihrem Band Bildsprache 1 fest: „Die Analyse visueller Zeichen ist gleichbedeutend mit der Entschlüsselung (Decodierung) von Nachrichten.“ (Kerner, Duroy 1992 [1977], S. 46) Das Entschlüsseln der Nachrichten, von welchem Kerner und Duroy hier sprechen, muss allerdings im Rahmen der zu der Zeit aktuellen Strömung, der Visuellen Kommunikation, gelesen werden. Es war nicht das Entschlüsseln künstlerischer Nachrichten oder Positionen gemeint, sondern das Aufdecken kapitalistischer und manipulativer Strukturen2.

2

Besonders der Sammelband Visuelle Kommunikation – Beiträge zur Kritik der Bewusstseinsindustrie (Ehmer 1971a) verweist bereits im Titel auf den starken politischen Anspruch.

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Für den Medienphilosophen Vilém Flusser war es offensichtlich, dass die Zahlen das Denken revolutionieren. Flusser argumentiert, dass das Denken in Sprache durch das Denken in Zahlen ersetzt werde. Die Codierungsbzw. Decodierungsleistung ist damit nicht länger eine Übersetzung von bildlichen oder sprachlichen Zeichen. Die computierte Realität ist hier geprägt durch das kalkulatorische Denken, welches die Welt nicht nur in Partikel zersetzen (analysieren) kann, sondern diese auch wieder zusammensetzen (synthetisieren) kann (vgl. Flusser 2001, S. 154).

M ARGARETE J AHRMANN – QR-D RESS Mit ihrer Arbeit QR-Dress3 stellt die Künstlerin Margarete Jahrmann ein Kleid vor, welches mit QR-Codes4 bedruckt ist. Jahrmann arbeitet in ihrem Projekt sowohl mit der sichtbaren Oberfläche des Zeichens als auch mit dem verdeckten Gehalt der Zeichen. Auf Jahrmanns QR-Dress sind schwarze QR-Codes auf weißen Stoff gedruckt. Diese bilden ein grafisches Muster, welches aus quadratischen und runden Flächen besteht. Die QR-Codes können mithilfe eines Mobiltelefons und der entsprechenden Software abfotografiert werden. Dann wird von der Software der Code entschlüsselt und der Gehalt der Botschaften zeigt sich auf dem Display. Das Mobiltelefon zeigt nun Bildausschnitte von Botticellis Geburt der Venus (1485). Die Position der Codes auf dem Kleid ist dabei identisch mit dem Bildausschnitt des Gemäldes. Man kann mithilfe eines Mobiltelefons also das Gemälde auf dem Kleid lesen. Natürlich erschließt sich hierbei der Gehalt des Codes erst durch die mediale Verar-

3

Bilder finden sich auf http://www.ludic.priv.at/QR-Dress/ (31.8.2010).

4

QR-Codes sind zweidimensionale maschinenlesbare Codes, welche von einem Mobiltelefon mit Kamera in Text oder Bildinformationen umgewandelt werden können. QR steht für Quick Response. Die Codes werden vor allem auf Werbetafeln eingesetzt um dem Be-trachter weitere Informationen zu ermöglichen. Ein weiterführender Link im Internet kann damit ebenso gespeichert werden wie eine Adresse und/oder Telefonnummer. Quick Response Codes werden vor allem wie digitale Visitenkarten eingesetzt. Die komplette Information wird dabei via digitalem Bild in ein Mobiltelefon übertragen.

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beitung. Für die menschlichen Augen bleibt der Code nur die referenzlose grafische Oberfläche. Die Arbeit reflektiert die unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen von menschlichem und maschinellem Auge. Das menschliche Auge bleibt bei der Betrachtung auf der Ebene des Zeichens stehen, weil es den vollen Gehalt nicht erschließen kann. Das Maschinenauge aber ist, dank der ihm eingeschriebenen Programme, in der Lage den Code in den Gehalt umzuwandeln. Das maschinelle Auge sieht also den Code und interpretiert ihn. Die Informationen werden vom Maschinenauge erkannt. Dies kann aber nur geschehen, weil die Codestruktur exakt der Vorgabe des Maschinenauges entspricht. Die Voreinstellung passt zur Wahrnehmungsaufgabe. Es kann also mitnichten von einer guten Sehleistung oder Wahrnehmungskompetenz gesprochen werden. Der Sehvorgang des Maschinenauges entspricht dem Rechenprozess eines Computers. Dieser rechnet lediglich mit eins und null, das jedoch so schnell, dass er jedes menschliche Gehirn mit seiner Geschwindigkeit überholt. Die dargestellte Ebene zwischen digital und analog beinhaltet aber auch verbindende Elemente: Unter der ersten Ebene verbirgt sich nackte Haut. In der analogen Sichtweise ist unter dem Kleid nackte Haut zu sehen. Im Falle der digitalen Betrachtung ist unter dem Code die nackte Haut der Venus zu sehen.

ARAM B ARTHOLL – G OOGLE P ORTRAIT S ERIES Auch der Medienkünstler Aram Bartholl arbeitet wie Margarete Jahrmann mit maschinenlesbaren QR-Codes. Bartholl überträgt in seinen Zeichnungen Google Portrait Series den Link zur Googlesuche der porträtierten Person in einen QR-Code. Den maschinell lesbaren Code, welcher aus weißen und schwarzen Blöcken besteht, überträgt Bartholl vom Monitor auf Transparentpapier. Hierfür nutzt der Künstler neben Filzstift auch Klebeband und Stempel. Die Portraits im Format 70x70cm können später mit einem Mobiltelefon abfotografiert werden und verlinken dann auf die Googlesuche der porträtierten Person. Die Voraussetzung ein solches Porträt zu entschlüsseln ist ein Smartphone mit Kamera, welches über die nötige Software zum Entschlüsseln des Codes verfügt.

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Bartholls Arbeit ist eine digitale Fortsetzung der klassischen Porträts. Ein Porträt ist meist eine naturalistische Darstellung einer Person. Es zeigt neben der Person auch häufig Hintergründe, welche den Status der Person erahnen lassen. Dargestellte Kleidung, Ausdruck, Malweise oder Beiwerk vermitteln Informationen über die Person auf dem Bild. Bartholl überträgt diese Strategie auf die digitale Informationslage des Internets: Wird das Porträt abfotografiert und damit der Fotograf auf die Googlesuche der porträtierten Person gelenkt, werden in den Suchergebnissen die online verfügbaren Informationen aufgelistet. Abbildung 3: ‚Penelope Umbrico‘ Google search english

Quelle: Courtesy of [DAM] Berlin picture by Aram Bartholl, 70 x 70 cm, edding on paper

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So ist die Möglichkeit gegeben, ohne ein entsprechendes Gerät das Portrait zu betrachten, wobei der Betrachter in diesem Fall auf der Ebene des Tafelbildes verbleibt. Die in dem Bild verschlüsselten Informationen bleiben verdeckt, da die technische Aufrüstung zur Grundlage der Betrachtung geworden ist. Die durch die digitale Suche zusammengetragenen Informationen können aber trügerisch sein und führen zu neuen Fragen, die Bartholl zu seiner Arbeit formuliert: Ist die online gefundene Person wirklich die, welche gemeint war? Gibt es vielleicht noch mehr digital präsente Personen mit demselben Namen? Wie viele Suchergebnisse werden angezeigt? Ist die Person berühmt? Befindet sich die Person in Konkurrenz zu ihren Namensvettern? Kann man sich auf Informationen, die mir Google über Personen gibt, verlassen? Bin ich abhängig von Google-Informationen5? Bartholl gelingt es, mit seiner Arbeit das trügerische Element der digitalen Informationsbeschaffung offen zu legen. Die Notwendigkeit eines technischen Geräts zur Informationsbeschaffung bzw. -decodierung kontrastiert den Wert der analogischen Information. Die Fragen, welche bei der Betrachtung der Google Portrait Series auftauchen, lassen sich auch auf klassische Porträts anwenden. Sind nicht auch die gefundenen Informationen immer manipuliert? Können wir nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass die in einem Porträt überlieferten Informationen unzureichend sind? Eine Frage stellt sich bei der analogen und der digitalen Variante des Porträts gleichermaßen: Wie ist die Person durch die Gesamtheit der auf dem Bild überlieferten Daten repräsentiert? Bartholl lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Wahrnehmung d.h. auf den Betrachtungsprozess selbst. Indem er eine technische Hürde einbaut, gerät die Betrachtung ins Stocken. Das Unterbrechen der Wahrnehmungsprozesse wirft den Betrachter auf die Frage der Wahrheit der Informationen zurück. Dadurch, dass die eigentliche Digitalisierung der Informationen zwar im Code vollzogen ist, sich der Code aber wiederum in einer analogen Anmutung zeigt, bringt Bartholl eine zusätzliche Ebene ins Spiel. Bartholls Bilder können daher auf erster Ebene betrachtet werden und zeigen sich dann als monochrome, geometrische Figuren. Auf zweiter

5

Vgl. Aram Bartholl auf seiner Webseite http://datenform.de/googleportraiteng.ht ml (21.3.2011).

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Ebene, durch die technische Unterstützung der Wahrnehmung flankiert, geben die Porträts neue Informationen preis.

D IGITALES Z EICHNEN – S USANNE B RITZ In ihren digitalen Zeichnungen legt Susanne Britz zeichnerische Ebenen über ein digitales Foto, welche dieses verändert und kommentiert. Die Zeichnungen sind nicht mit Bleistift oder Feder, sondern mit der Computermaus angefertigt. Auch der Träger der Zeichnung ist kein Papier, sondern ein digitales Foto. In den Zeichnungen analysiert Britz das digitale Foto und erarbeitet zeichnerisch dessen physikalische Gesetze. Es sind analysierende, fragende und kategorisierende Linien in schwarz aber auch in grellen Farben. Hier und da sind Unruhen in den Linien zu erkennen, welche daher rühren, dass die Künstlerin nicht mit einem Zeichenstift auf einem Grafiktablett6 arbeitet, sondern mit der Computermaus. Die Linien ergeben Parallelen, Kreise, Pfeile aber auch komplexere dreidimensionale Objekte. Immer wieder entdeckt man abgeflachte Linien, welche der groben und wenig fließenden Bewegung der Maus geschuldet sind. Es scheint, als würde Britz sich ein Bild als einen Raum vorstellen, in dem sie Fließrichtungen ausmacht. Durch die Überzeichnungen werden weitere Bildebenen eingezogen. Susanne Britz schreibt die physikalischen Gesetze innerhalb ihrer Bilder neu und hält diese mit ihren Überzeichnungen fest. Britz Zeichnungen fallen nicht in den Bereich der digitalen Bildmanipulation7, denn ihre Zeichnungen gaukeln nicht vor etwas zu sein, was sie

6

Ein Grafiktablett ist ein Computereingabegerät, d.h. Zeichenwerkzeug, welches häufig im Computer Aided Design Anwendung findet und sich wie ein Stift mit (digitaler) Schreib-unterlage benutzten lässt.

7

Digitale Bildmanipulation bezeichnet hier die Fotoretusche, wie sie z.B. mit dem Programm Photoshop durchgeführt werden kann. Ihr Merkmal ist, dass sie dem Betrachter verborgen bleiben soll (z.B. Fotos der Werbung aber auch Bilder von Nachrichten-agenturen). Die digitale Bildbearbeitung hingegen sucht nicht, unbemerkt zu bleiben. Als Beispiel werden Bauzeichnungen digital durchgeführt und das Bauvorhaben in ein Foto eingefügt. Jene Variante ist nicht darauf angelegt, die Bildbearbeitung zu verschleiern.

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nicht sind. Ihre Art der digitalen Bildbearbeitung hat nicht die Aufgabe, Betrachter in die Irre zu führen, indem beispielsweise die Farben verändert oder Dinge in ein Foto eingefügt werden. Britz Zeichnungen werden so zu etwas Neuem, welches sich in der Form des Digitalprints wieder zu einem Bild zusammenfügt. Die Zeichnungen sind ohne das Wissen über den Entstehungsprozess zwar zu lesen, jedoch erschließt sich nur dann die vollständige Dimension der Arbeit, wenn man um diesen weiß. Das Bewusstsein für digitale Bildebenen bringt hier die entscheidenden Hinweise. Britz erweitert damit das Medium Zeichnung in einer Art digitalem Palimpsest-Verfahren, in dem sie einen Zeichengrund erneut beschreibt bzw. überzeichnet. Abbildung 4: Digitale Zeichnung aus der Serie klärwerk III

Quelle: Courtesy Susanne Britz 2002

Beim Betrachten der Zeichnungen ist nicht festzustellen, ob Britz in mehreren Ebenen gezeichnet hat oder direkt auf die digitale Vorlage. Nur die unterschiedlichen Farben in den Zeichnungen erlauben einen Rückschluss, welche Elemente früher eingearbeitet worden sind.

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Durch die farbigen Fotografien und die häufig farbigen Überzeichnungen beinhalten die Zeichnungen auch malerische Momente. Die Kompositionen der Bilder erweitern die grafische Strategie von Susanne Britz um Flächen und Farben. Die Möglichkeit der medialen Umsetzung des Malerischen beschreibt auch van Tuyl 2003. Demnach ist das Malerische nicht ausschließlich an die Umsetzung mit Farbe, Pinsel und Leinwand gebunden, sondern kann auch in anderen Medien, wie auch dem Computer umgesetzt werden (vgl. van Tuyl 2003, S. 6). In den Bildern von Susanne Britz fließen so auch verschiedene Strategien des analogen und digitalen zusammen und verhelfen der Künstlerin zu einer neuen Bildphysik, welche ungewöhnliche, zeichnerische aber auch malerische Bilder hervorbringt.

D IGITALITÄT

UND

M ALEREI – M ANFRED M OHR

Die Malerei wird meist als ein typisch analoges Medium beschrieben. Der Farbauftrag auf die Leinwand oder einen anderen Malgrund hat auf den ersten Blick keine Ähnlichkeiten mit digitalen Bildern, welche sich in Pixel auflösen und dabei lediglich Speicherabbilder auf einem Datenträger sind. Das Fluide der Farben ist nicht binär zu beschreiben. Zu groß ist der Verlust, wenn Gemälde digitalisiert werden. Christian Spies stellt hingegen fest, dass gerade die Malerei einen zentralen Stellenwert für die Auseinandersetzung mit digitaltechnischen Bildern innehat (vgl. Spies 2004, S. 311). Die Malerei selber ist dabei, Spies folgend, als eindeutig analoges Medium zu kategorisieren (vgl. Spies 2004, S. 316). Spies räumt aber ein, dass es durchaus digitale Strategien in der Malerei gibt, welche er vor allem in der monochromen Malerei findet. Die vorgeführte Reproduzierbarkeit von Rauschenbergs weißen Bildern versteht Spies dabei als mustergültig für die autorenunabhängige Kopierbarkeit des digitalen Bildes (vgl. Spies 2004, S. 321f.). Spies betont das Verhältnis der analogen Sichtbarkeit der Bilder und ihrer digitaltechnischen Struktur (vgl. Spies 2004, S. 334). Hier differenziert Spies seine Bildanalyse in die Teile Sichtbarkeit auf der einen Seite und Struktur auf der anderen Seite.

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Ein Beispiel für die Verschränkung analoger, malerischer Strategien mit neuen, digitalen Strategien ist die Arbeit des Malers Manfred Mohr8. In seinen Arbeiten lotet Mohr die Möglichkeiten der malerischen Formen mithilfe eines Computerprogramms aus und bringt diese auf die Leinwand. Mohr vermischt dabei die Genres Malerei und Computerkunst, indem er die von einem Computerprogramm errechneten Formen als Grundlage seiner Arbeit nutzt. Das Bild P1011G aus dem Jahr 2005 hat die Maße 144 x 112 cm und ist mit Pigmenttusche auf Leinwand gefertigt. Es zeigt schwarze und weiße geometrische Figuren, in welche sich grüne Ecken und Keile schieben. Die Figuren ordnen sich zu Flächen, welche die Leinwand komplett füllen und an wenigen Stellen durch schmale, graue Linien durchbrochen sind. Die weißen und schwarzen Flächen scheinen hier eine Plastizität zu erhalten, in welcher die weißen Flächen die beleuchteten Teile darstellen und die schwarzen Ebenen abgeschattet erscheinen lassen. Dieser Eindruck des Räumlichen verstärkt sich durch die grünen Flächen, welche als Hintergrund unter der monochromen Figur liegen. Ausgangspunkt von Mohrs P1011G ist ein Computerprogramm, welches er geschrieben hat. Das Programm errechnet Formen eines elfdimensionalen Hyperwürfels, welcher in elf Dimensionen rotieren kann. Die Formen sind also nur scheinbar wirre und zufällige geometrische Figuren. In Wirklichkeit folgen sie der komplexen Logik des Computerprogramms. Durch die beinahe unendlichen Möglichkeiten des geometrischen Gebildes entstehen für Mohr unzählige Bildmöglichkeiten. Der Computer ist damit zentrales Medium in Mohr künstlerischer Arbeit. Manfred Mohr bezeichnet den Computer als physische und intellektuelle Erweiterung in seiner Kunstproduktion (vgl.Mohr 20.01.2010). Indem Mohr ein Computerprogramm erstellt, welches komplexe geometrische Formen errechnet, wird der Computer zum zentralen Medium im Produktionsprozess, da die Formen sonst nicht hergestellt werden könnten (vgl. Mohr 20.01.2010). Das Aufbringen der Bilder mit Pigmenttusche oder Acryl auf Leinwand unterstützt den Anschein einer analogischen Malweise. Die Algorithmen des Produktionsprozesses scheinen so durch die Leinwandfläche und eröff-

8

Geboren 1938 in Pfortzheim, lebt und arbeitet in New York. 1990 gewann Mohr auf der Ars Electronica die Goldene Nica (Der bedeutendste Preis im Bereich der elektronischen Kunst, welcher auf der Ars Electronica verliehen wird).

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nen den Rückschluss auf computergenerierte Verfahren. Dies wird auch besonders in seinen Arbeiten Laserglyphs (1991/1992) deutlich. Mohr stellt hier in Linien einen sechsdimensionalen Hyperwürfel dar, welcher sich dem Bereich des Vorstellbaren entzieht, aber mathematisch berechenbar ist9. Mittels mathematischer Verfahren gelingt es Mohr, Darstellungen des Hyperwürfels sichtbar zu machen. Der Computer wird hier zur Erweiterung und Quelle eines Bildarsenals geometrischer Formen, welche ohne ihn nicht darstellbar wären. Die analogische Malweise bringt dabei eine zusätzliche Ebene ins Spiel, welche die Wechselwirkung in Mohrs Arbeit verstärkt. Das Verhältnis von digitalem Potenzial und analoger Aktualisierung macht den Reiz der Bilder aus.

L ASER T AGGING – T HEO W ATSON G RAFFITI R ESEARCH L AB An dunklen Wänden tauchen Zeichnungen und Schriftzüge aus Licht auf. Farbe scheint die Wand an der Stelle herunterzulaufen, wo der unsichtbare Stift verweilt. Es scheint, als würde eine Sprühdose ein Graffiti aus Licht an die dunkle Hauswand werfen. Laser Tagging ist eine innovative Form des technisch aufgerüsteten Graffitis. Mittels Laserpointer, Computer, Kamera und Beamer wird ein Graffiti aus Licht an eine Hauswand geworfen10. Die Künstlergruppe Graffiti Resarch Lab entwickelte diese Technik, um an die schon mit Graffiti übersäten Hauswände noch weitere Graffitis zu platzieren.

9

Marion Keiner hat in einem Essay diesen Umstand in Mohrs Arbeiten erläutert. Verfügbar unter http://www.emohr.com/ww1_out.html (28.1.2010).

10 Das Laser-Tagging funktioniert über einen Laserpointer, dessen Lichtpunkt von einer Kamera erfasst wird. Ein Computerprogramm analysiert die Bilder. Dort, wo das Programm den Lichtpunkt erfasst, wird über den Beamer ein Lichtsignal ausgegeben. Dieser Prozess läuft sehr schnell ab, so dass der Eindruck einer flüssigen Bewegung entsteht. Es scheint, als würde der Laserpointer Spuren hinterlassen. Die Software ist online verfügbar. Eine Anleitung findet sich unter http://muonics.net/blog/index.php?postid=15 (16.9.2010). Hier ist der Aufbau beschrieben und die benötigte Software kann geladen werden.

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Das Laser Tagging ist einige Zeit abseits der Institutionen des Kunstsystems geblieben. Die Verschränkung von Graffiti, Open Source und StreetArt ereignete sich jenseits des Mainstreams in einer Community, die sich wahrscheinlich eher als Hacker oder Graffiti-Künstler bezeichnen würde. Im September 2009 wurde dann der Macher von Laser Tagging, Theo Watson, auf das Submission Art Festival nach Hamburg eingeladen. Laser Tagging hebt mithilfe neuer Technologien das Graffiti auf eine neue Ebene. Es sind nicht mehr statische Farbaufträge an Wänden, sondern interaktive Licht-Ereignisse. Die Loslösung vom starren Werk und dessen Transformierung in einen interaktiven Lichtprozess bringt das Verhältnis von Rezipient und Produzent ins Wanken. Werden Besucher in die Installation eingebunden und können eigene Tags an die Hauswand schreiben, verlassen sie die Rolle des Zuschauers und werden aktiver Teil der Performance. Betrachter werden zu Akteuren. Die Künstler bleiben in ihren Rollen festgeschrieben, dennoch verschieben sich auch hier die Verhältnisse. Das von den Künstlern gelieferte Werk entspricht auch hier eher einer künstlerischen Infrastruktur. Die Bedingungen für die Performance, in welcher Betrachter sich als Akteure einbringen können und selber produzieren, sind von den Künstlern geschaffen. Die Akteure innerhalb der künstlerischen Infrastruktur nutzen das von den Künstlern bereitgestellte, um eigene Bilder zu produzieren. In einer zweiten Ebene setzt sich die künstlerische Arbeit auch über das Internet fort, da die Software frei verfügbar ist. Im Sinne des Open Source kann der Aufbau der Performance nachvollzogen werden. Die benötigten Programme sind online verfügbar und können benutzt, aber auch weiterentwickelt und umgeschrieben werden. Die Installation ist damit beliebig kopierbar.

I NFILTRATIVE /V IRALE N ETZ -S TRATEGIEN Infiltrative Netzstrategien finden sich beim Projekt How to build a fake Google Street View car. Die Gruppe F.A.T. – Free Art and Technologie gibt auf ihrer Internetseite eine detaillierte Anleitung zum Nachbau eines

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Autoaufbaus, wie er von Google für das Streetviewprojekt11 verwendet wird. Die Fahrzeuge, die Google in Deutschland einsetzt, sind besonders leicht durch ihren auffälligen Kameraaufbau auf dem Dach zu erkennen. Mit einem Nachbau eines solchen Wagens provozieren die Mitglieder der F.A.T.-Gruppe zum Teil heftige Reaktionen bei Passanten und sorgen so für empörte Berichte und Skandal-Videos im Internet. Abbildung 5: Fake Google Streetview Car

Quelle: Videostill aus How To build a Fake Google Streetview Car, Urbane Intervention der Gruppe F.A.T.Lab. Video von Aram Bartholl

Die Gruppe F.A.T. gibt auf ihrer Webseite12 eine Anleitung, wie aus einfachen Materialien ein Kameraaufbau im Stil von Google nachgebaut werden

11 Das Projket Street View ist ein Zusatzdienst von Google Maps mit welchem im Browser Straßenzüge virtuell abgefahren werden können. Für die Aufnahmen dieser Panoramabilder verwendet Google Autos mit Dachaufbauten und Kameras, welche aus ca. 3 Metern Höhe einen Radius von ca. 50 Metern und 360 Grad fotografieren. 12 Eine Umfangreiche Dokumentation mit Videos, Bildern und Bauplänen unter http://fffff.at/google-street-view-car/ (16.8.2010).

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kann. Die Anleitung kann, ganz im Sinne des OpenSource-Gedankens kostenlos heruntergeladen werden. Den ersten Einsatz des Fahrzeuges haben die Künstler per Video dokumentiert. Sie bewegen dabei ihr Fahrzeug rund um das Medienkunstfestival Transmediale 2010 in Berlin. Im Video ist zu erkennen, dass die reine Anwesenheit des Fahrzeugs bei einigen Passanten heftige Reaktionen auslöst. Seitdem Google das Streetviewprojekt 2008 startete, wurde von Datenschützern immer wieder diskutiert, ob das Abfilmen von öffentlichen Straßenszenen und auch privaten Grundstücken und die Veröffentlichung im Internet mit den Persönlichkeitsrechten vereinbar sei. Die parallel zunehmende Marktmacht von Google macht den Konzern immer wieder zum Ziel von Anfeindungen in den Medien wie auch in der Kunst. Die Künstler machen sich die schnelle, zum Teil wahllose Verbreitung von Informationen im Internet zunutze. Das imitierte Google-Auto fährt die Berliner Straßen ab und wird dabei gefilmt oder fotografiert. Die Aufmerksamkeit der Passanten ist durch den auffälligen Dachaufbau und den Markenschriftzug auf dem Wagen gesichert. Dokumentiert wird aber nicht nur das Fahrzeug, sondern auch das Verhalten der Künstler im Fahrzeug. Sie trinken beispielsweise Bier während der Fahrt oder nehmen anderen Fahrzeugen die Vorfahrt. Im Video steigt der Fahrer des Wagens an einer Stelle sogar aus, um den Passanten zu erklären, sie dürfen hier nicht fotografieren, da dies ein Google-Auto sei. Das entstandene Bildmaterial der Passanten verbreitete sich schnell im Netz. Unmöglich für Google alle Videos und Fotos zu dementieren, welche mit entsprechenden Kommentaren versehen auftauchten. Die virale Bildverbreitung über das Internet ließ sich nicht stoppen, obwohl die Künstler den Fake schon längst auf ihrer Internetseite enttarnt hatten. Einmal ins Netz gestellte Informationen sind nur schwer wieder zurückzunehmen, das hilft den Künstlern bei ihrer Aktion. Das Abblocken der Angriffe ist durch die virale Verbreitung und die Perpetuierung der Berichterstattung fast unmöglich. Netzstrategien werden in diesem Kunstprojekt mit Strategien des viralen Marketings kombiniert und in die Kunst überführt. Die Verselbstständigung von Informationen wird im viralen Marketing von Konzernen eingesetzt, um Mund-zu-Mund-Propaganda gezielt auszulösen. Die F.A.T.Gruppe zeigt, dass solche Strategien auch für die Kunst fruchtbar gemacht werden können.

Wendepunkte interdigitaler Bildformen

In den vorgestellten künstlerischen Arbeiten sind verschiedene künstlerische Strategien herausgearbeitet worden. Diese überlagern sich in den einzelnen Arbeiten und sind mittels der Analyse beschreibbar geworden. Die Durchsicht der künstlerischen Arbeiten führt zu Schlüssen, welche das Wesen interdigitaler Bildformen genauer spezifizieren. Es lassen sich Wendepunkte in den interdigitalen Bildformen aufzeigen, welche am Ende des Kapitels zu den Herausforderungen für die Kunstvermittlung überleiten.

S TRATEGIEN

ZWISCHEN DIGITAL UND ANALOG

In interdigitalen Bildformen verschränken sich Strategien des Analogen und des Digitalen. Dies belegen die künstlerischen Arbeiten von Susanne Britz und Manfred Mohr. Strategien des Digitalen und Analogen sind in technikaffinen Kunstformen unterschiedlich präsent, sie zeigen sich besonders in der viskosen Form des Analogen und der skalierten Form des Digitalen. Hierbei ist der Zustand des Digitalen häufig mithilfe technischer Geräte hergestellt. Viele der vorgestellten Strategien interdigitaler Bildformen sind konventionell, wenn auch mit neuen technischen Apparaten hergestellt. So ist beispielsweise das Arbeiten mit Bildebenen keine künstlerische Strategie, die nur mit digitaler Bildbearbeitung durchzuführen wäre. Dieter Mersch kontrastiert, dass die Neuartigkeit digitaler Bilder sich nicht darin begründet, dass sie digital hergestellt werden (vgl. Wiesing 2005, S. 116). Es lässt sich aber festhalten, dass sich herkömmliche Bildstrategien mit neuen technologischen Bildverfahren supplementieren. Dies führt zu inno-

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vativen Formen, in welchen Künstler analoge und digitale Verfahren kombinieren. Diese Betrachtung ermöglicht nicht nur eine veränderte Diskussion über zeitgenössische Bilder, es können so auch rückschließend neue Perspektiven beispielsweise auf Mosaike und Stickereien gewonnen und diese mit einem erweiterten Vokabular in verändertem Kontext beschrieben werden. Jene durch Digitalität ermöglichten neuen Perspektiven sind auch auf Artefakte im Kontext der Kunstwissenschaft anwendbar. Sie bleiben nicht an zeitgenössische, technische Medien gebunden. Diese Aussage stützt auch Christian Spies, wenn er feststellt, dass digitale Strategien nicht fest an ein Medium gebunden seien (vgl. Spies 2004, S. 314). Auch in der Malerei sei es möglich, zumindest auf der Meta-Ebene, digitale Strategien zu verwirklichen. Im Umkehrschluss ist die Verwendung digitaler Strategien und sogenannter neuer Medien den künstlerischen Produktionen nicht unbedingt anzusehen (vgl. Meyer 2003, S. 259). Es bleibt festzuhalten, • • • •

dass analoge Arbeitsweisen von digitalen Arbeitsweisen supplementiert werden; dass digitale Strategien auch in/mit typisch analogen Medien verwirklicht werden können; dass umgekehrt analoge Strategien in/mit digitalen Medien umgesetzt werden können und künstlerische Strategien und Bildstrategien des analogen und digitalen in künstlerischen Produktionen auch auf der Meta-Ebene der Werke verhandelt werden können, d.h. sich der Betrachtung des Bildträgers entziehen.

Da die Zuordnung von analogen und digitalen Strategien nicht allein an den Medien festzumachen ist, wird also die künstlerische Strategie bzw. der Kontext diese Kategorisierung fundieren. Auch Claus Pias argumentiert, dass die Zuordnung, ob eine Maschine analog oder digital ist, von dem Verwendungszusammenhang abhängt, in den die Maschine gestellt wird (vgl. Pias 2004, S. 305). Mit dieser These lässt sich die Behauptung stützen, dass digitale und analoge Bildstrategien auch auf der Meta-Ebene der Kunstwerke verhandelt werden können.

W ENDEPUNKTE INTERDIGITALER BILDFORMEN | 95

V OM W ERK

ZUM

E REIGNIS –

PERFORMATIVE

W ENDE

Bei der Auffächerung der Dimensionen interdigitaler Bildformen zeigt sich die von Dieter Mersch beschriebene Verschiebung der Kunst weg vom Werk, hin zum Ereignis, das heißt zum performativen Akt. Mersch nutzt zur Kennzeichnung dieses Umbruches den Begriff performative Wende (vgl. Mersch 2002, S. 163). „Kunst verschiebt sich, wird zur Praxis, zum evolutiven Prozeß, zum Akt, zum einmaligen Geschehnis.“ (Mersch 2002, S. 223) Die Kunst nach der performativen Wende verlagert sich, so Mersch, ins Experimentelle, ins Sporadische und nutzt Verfahren des Zufalls und des Patchworks. Mersch argumentiert mit Begriffen wie Konzepte und Praktiken, welche Kunst besser beschreiben als der Begriff des Werks (vgl. Mersch 2002, S. 169). Wie bei aller Kunst nach der performativen Wende ist diese Verschiebung an interdigitalen Bildformen auszumachen. Die Arbeiten sind demnach als Konzepte zu beschreiben, da die Ereignisse komplex sind und oft auf einer nicht festgelegten Möglichkeitsdimension beruhen. So ist als Beispiel das Produkt, welches aus dem oben beschriebenen Laser-Tagging entsteht, weder vorherzusehen noch als abgeschlossenes Werk zu betrachten. Die Arbeit ist nur in ihrer Gesamtheit und Unabgeschlossenheit als Prozess zu beschreiben.

R AUS

AUS DEN I NSTITUTIONEN

Kennzeichnend für die Ästhetik des Performativen ist, wie sich an den angeführten Beispielen im vorigen Kapitel zeigt, und wie auch Mersch es in Ereignis und Aura darlegt, das Heraustreten aus den angestammten Orten des Artistischen (vgl. Mersch 2002, S. 232). Viele der angeführten Beispiele sind zudem mehr oder minder aus dem außerartistischen Raum in die Institutionen der Kunst überführt worden1. So festzustellen bei Julius von

1

Das Überführen von Objekten in die Institutionen der Kunst ist kein neues Phänomen. Es war Duchamp, der mit seinen Arbeiten zuerst Alltagsgegenstände in die Institutionen der Kunst überführte und damit die Möglichkeit generierte, dass jedes Objekt zum Kunstwerk werden kann. Beim Phänomen der Streetart

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Bismarck, welcher mit seinem Image Fulgurator die Fotos anderer mittels einer umgebauten Kamera manipuliert. Von Bismarcks Arbeiten sind vorinstitutionell entstanden, wurden dann aber in vielen Ausstellungen2 gezeigt, wodurch diese einen großen Bekanntheitsgrad erreichten. Die Kraft der Arbeit von Bismarck entfaltet sich aber weiterhin auf der Straße, wenn er unterwegs ist, um Fotos von Touristen oder Pressefotografen zu manipulieren. Die ausgestellten Bilder seiner Arbeiten in den Institutionen der Kunst, welche in Folge seiner Aktion auf der Straße entstanden sind, haben dann den Status von Artefakten. Es sind Bilder, welche die künstlerische Arbeit bezeugen; bei welchen aber in Frage steht, ob sie inszeniert und vielleicht speziell für die Ausstellung in der Galerie hergestellt wurden. Diese Frage lässt sich durch die Betrachtung der Bilder nicht beantworten. Sicher hingegen ist, dass die Kriterien für die Herstellung und Präsentation jener Fotografien ästhetische sind. Auch andere Projekte, wie zum Beispiel das Laser-Tagging, entwickelten sich abseits der angestammten Orte des Artistischen und migrieren, wenn überhaupt, erst später in diese Kontexte. Die Möglichkeit der Überführung in die Institutionen der Kunst bleibt unberührt. Gleichwohl stellen sich die Arbeiten gegen die von Gernot Böhme beschriebene Musealisierung der Bilder und den damit verbundenen Nichtumgang mit Bildern (vgl. Böhme 2004, S. 86).

K ÜNSTLERISCHE V ERFAHREN NEUE T ECHNOLOGIEN

UND

Künstlerische Verfahren werden durch neue Technologien supplementiert. Kunst und Theorie werden intern ergänzt durch die Aufnahme neuer Medien (vgl. Gramm 2007, S. 46). Dies hat zur Folge, dass nicht nur der künstlerische Prozess – das Ereignis – durch die Verwendung neuer Technologien beeinflusst ist, sondern auch die Theorie. Konzepte und Strategien bleiben durch Verfahren neuer Technologien nicht unberührt. Die Verände-

beispielsweise ist dies aktuell zu beobachten. Artefakte werden hier durch die Institutionen der Kunst geadelt und in diese überführt. 2

Zu Beispiel auf dem Media Art Festival 2009 in Osnabrück oder der Ars Electronica 2009.

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rung der ästhetischen Praxis und die Veränderung der Wahrnehmung beeinflussen sich so scheinbar gegenseitig und sind angetrieben von der immer schneller verlaufenden Entwicklung neuer Technologien. Diese Entwicklung schlägt sich in der Kunst besonders rasch nieder, zumal künstlerische Innovationen nur selten ohne die Zuhilfenahme neuer Technologien auskommen (vgl. Maset 1995, S. 31). Zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzungen finden vor dem Hintergrund der Möglichkeiten neuer Technologien statt. Die Kunstproduktion einer bestimmten Zeit sollte daher auch immer vor dieser Folie analysiert werden. Besonders was die Partizipation und Interaktion in der Kunst anbelangt, haben, wie Frank Popper in seinem Aufsatz High Technologie Art beschreibt, neue Technologien ein weites Feld einer veränderten ästhetischen Praxis eröffnet (vgl. Popper 2001, S. 256). Noch vor Popper hat Kerckhove in seinem Beitrag Touch versus Vision: Ästhetik neuer Technologien die Verbindung von Kunst und Technologie betont: „Eine der zentralen Funktionen der Kunst ist, eine Brücke zwischen Technologie und Psychologie zu schlagen. Indem sie unsere Wahrnehmung auf den neusten Stand bringt, bereitet sie uns darauf vor, den neuen Situationen zu begegnen, die auf der veränderten Grundlage unserer eigenen technologischen Entwicklungen entstehen.“ (de Kerckhove 1993, S. 137)

Kerckhove betont, dass die Kunst die Wahrnehmung auf den neuesten Stand bringt. Auf der Grundlage der technologischen Entwicklungen ergeben sich immer neue Herausforderungen für die Wahrnehmung. Hierdurch wird der Wahrnehmende zur Evolution gezwungen. Die Beschreibungen Kerckhoves finden sich auch in kunstpädagogischer Literatur. Diese, von der technischen Entwicklung getriebene „permanente Evolution der Wahrnehmung“ (vgl. Maset 1995, S. 25), beschreibt Maset 1995. Nicht nur künstlerische Verfahren und die ästhetische Praxis komplementieren sich also mittels neuer Technologien, auch die Wahrnehmung befindet sich in einer permanenten Entwicklung. Diese Entwicklung, d.h. die Veränderung in Rezeption, Distribution und Produktion, richtet sich dann nicht nur auf aktuelle Phänomene der Kunst, sondern verändert auch den Zugriff auf Artefakte der Geschichte. Bilder des Pointillismus bei-

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spielsweise gelten heute nicht länger als rein analogische Bildformen. Strategie und Machart sind zwar nicht auf Grundlage digitaler Bildverfahren erarbeitet, dennoch entstehen beim Betrachten dieser tupfenden Maltechnik, aus heutiger Sicht, Parallelen zu Verfahren digitaler Bildgebung. Diese Aktualisierung des Blicks wird durch technologische Innovationen vorangetrieben. Dies ermöglicht im angeführten Beispiel zugleich eine Erweiterung des Vokabulars zur Bildbeschreibung.

AUFHEBUNG DER D ICHOTOMIE R EZEPTION /P RODUKTION Bei vielen der hier vorgestellten künstlerischen Arbeiten ist zu beobachten, dass die Dichotomie von Rezeption und Produktion in der Hinwendung zum Ereignis porös wird. Die Trennung zwischen Produktion und Rezeption löst sich auf, wie die Unterscheidung von Artefakt und Deutung (vgl. Mersch 2002, S. 234). Mersch formuliert zusammenfassend, nicht der Künstler schaffe, sondern das Ereignis gewinne seine Manifestation jenseits aller Autorenschaft (vgl. Mersch 2002, S. 234). Mersch löst damit den klassischen Werkbegriff auf. Das Ereignis selbst bedeutet die künstlerische Arbeit. Die Rezeption künstlerischer Arbeiten wird in Bezug auf interdigitale Bildformen insofern problematisch, als dass dem Werk in den Institutionen der Kunst noch immer eine zentrale Rolle zugeschrieben wird. Mehr denn je wird in Museen und Galerien das Artefakt zum zentralen Objekt des Interesses in der Kunst, was den Werkbegriff tradiert. Die Abwendung von diesem findet dabei überwiegend abseits der Institutionen der Kunst statt, wie beispielhaft anhand des Laser Tagging gezeigt wurde. Auch innerhalb des Diskurses um das Fach Kunst wurde der Begriff des Werkes geführt. Günter Kerner, ein Vertreter der Visuellen Kommunikation, stellt 1981 das Werk in seiner Bedeutung heraus und verweist auf die Kommunikationsleistung welche er diesem zuschreibt. „Das Kunstwerk ‚bedeutet etwas‘, der Betrachter wird vom Künstler ‚angesprochen‘.“ (Kerner, Duroy 1981, S. 45) Anette Seelinger formuliert rund zwanzig Jahre später, mit Blick auf die Möglichkeit der Interaktivität in technikaffinen Kunstformen, „[...] dass das

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Kunstwerk nicht existiert, bevor der Betrachter/die Betrachterin sich als aktiver Mitwirkender ins Spiel bringt.“ (Seelinger 2003, S. 310) Als Steigerung hierzu kann erneut Dieter Mersch angeführt werden, der die künstlerische Arbeit beschreibt, als eine, die „[...] nicht mehr im traditionellen Sinne als ‚Kunst‘ oder ‚Werk‘ definiert werden kann: Es wird Vollzug, Akt, Performance oder Ereignis.“ (Mersch 2002, S. 167) So ist es möglich, auch über eine Performance oder einen Akt als Werk zu sprechen. Der Begriff scheint mit Blick auf interdigitale Bildformen aber irreführend. In dieser Arbeit wird, zu den bestehenden Ausformungen des Werkbegriffs, das vom Künstler geschaffene Gefüge als künstlerische Infrastruktur bezeichnet. Der Begriff beschreibt eine künstlerische Arbeit, welche, wie eine Performance oder ein Gemälde, immer mit einem Künstler zu verknüpfen ist. Der Begriff der Infrastruktur ist dabei zu übersetzten mit einer ästhetischen Setzung, welche als vorerst abgeschlossene Struktur das Funktionieren der künstlerischen Arbeit sicherstellen soll. Innerhalb dieser künstlerischen Infrastruktur hebt sich die Dichotomie Rezipient/Produzent auf, weil der Betrachter einer Arbeit selbst zum Handelnden werden kann und die Arbeit so mitgestaltet. Dies kann frei geschehen und ist so nicht mehr allein mit dem Begriff des Betrachters zu beschreiben. Durch die (technische bedingte) Möglichkeit der Einflussnahme des Betrachters, kann der Betrachter zum Akteur werden. Die Umkehrung zeigt, dass der Künstler zum Betrachter werden kann, wenn er sich aus seiner Arbeit zurückzieht und beobachtet, wie mit den von ihm vorgegebenen Setzungen verfahren wird. Künstler und Betrachter oszillieren so zwischen den Polen Rezeption und Produktion innerhalb der künstlerischen Infrastruktur.

AGGREGATZUSTÄNDE

DER

B ILDER

Die Transformation von Bildern von analog nach digital oder umgekehrt kann das Bild nicht unverändert lassen. Wo aber ist die Veränderung auszumachen? Gibt es eine Art Entropie-Effekt bei der Überführung von einem Zustand in den anderen? Könnte in der Folge in Bezug auf Bilder von Aggregatzustand gesprochen werden? Dieter Mersch stellt für diesen Fall eine grundsätzliche Veränderung fest, die er als Verlust klassifiziert.

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„Weder Gemälde noch Kunstwerke überhaupt lassen sich darum ohne Einbußen digitalisieren: Sie zahlen den Preis der Künstlichkeit – wie die Fehlerlosigkeit des digitalen Sounds im Synthesizer.“ (Mersch 2002, S. 79)

Für Mersch geht eine Digitalisierung von Gemälden und Kunstwerken immer mit einem Verlust einher. Mersch unterscheidet das analoge vom digitalisierten Bild nicht, sondern macht Entropien aus, die sich aus dem Digitalisierungsprozess ergeben. Lambert Wiesing argumentiert, dass digitale Bild sei eine neue Form des Bildes: „Mit der Entwicklung der digitalen Bildverarbeitung ist eine funktionale Substitution vollzogen: Die reine Sichtbarkeit wird zu dem, was bei einem Tafelbild die Ölfarbe ist. Man malt nicht mit Farbe, sondern direkt mit immaterieller Sichtbarkeit.“ (Wiesing 2008, S. 177–178)

Der Unterschied liegt für Wiesing in der Konstitution der reinen Sichtbarkeit begründet. „Die reine Sichtbarkeit ist dann gegeben, wenn die Sichtbarkeit selbst als eine Entität und nicht mehr als Schein einer Entität verstanden wird.“ (Wiesing 2008, S. 163) Wiesing argumentiert hier zeichentheoretisch, da er dem Bild eine Zeichenfunktion zuschreibt. Die Form bzw. der Bildträger nimmt bei Wiesing ganz erheblichen Einfluss auf den Inhalt bzw. das Bildobjekt.

D IE H ERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE K UNSTVERMITTLUNG Die dargelegten Wendepunkte, welche sich mittels der Betrachtungsform der interdigitalen Bildformen nachweisen lassen, haben Auswirkungen auf das Fach Kunst und die Herangehensweise an Bilder. Auf dieser Grundlage können auch die Konzepte zur Bildkompetenz nicht unverändert bleiben. Die Herausforderungen für das Fach Kunst ergeben sich also durch den veränderten Gegenstand Bild. Es lässt sich stichpunktartig formulieren:

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In interdigitalen Bildformen komplementieren sich analoge mit digitalen Verfahren zur Bildproduktion. Dieses Wechselspiel ist zweiseitig und funktioniert in beide Richtungen. Interdigitale Bildformen weisen, wie alle aktuelle Kunst nach der performativen Wende, eher einen Ereignis- oder Prozesscharakter auf. Die Komplexität der künstlerischen Arbeiten ist nicht allein mit dem WerkBegriff zu beschreiben. In interdigitalen Bildformen wird das Werk durch die künstlerische Infrastruktur abgelöst. In dieser wird der Betrachter zum Akteur, was die Dichotomie Produzent/Rezipient perforiert. Interdigitale Bildformen sind oft den Institutionen der Kunst entkoppelt. Sie stehen häufig der Musealisierung und der damit verbundenen Abgeschlossenheit entgegen. Die durch interdigitale Bildformen geschaffenen Bildmöglichkeiten sind komplex und erzwingen vielfältige Anpassungsleistungen des Sehens und verlangen Bildkompetenz ab.

Die Konzepte zur Ausbildung von Bildkompetenz im Fach Kunst sind dahin gehend anzupassen, dass sie den veränderten Herausforderungen, welche sich durch jene Bildformen ergeben, gerecht werden. Es wird dabei aber zu einer Anpassung geraten, welche die Pluralität der Ansätze in Fach Kunst sowie die historischen Ansätze im Blick behält. Der erweiterte Bildbegriff ist beispielsweise eine Aufgabe für das Fach Kunst an der Schule. Herkömmliche Bildbegriffe dürfen dabei nicht ersetzt, sondern müssen ergänzt werden. Die Pluralität der Bildbegriffe muss dabei als Chance verstanden werden und ist nicht mit Beliebigkeit gleichzusetzen. Neben der Pluralität der Bildbegriffe ist auch die Pluralität der Kunstbegriffe Aufgabe für das Fach Kunst. Künstlerisches Potenzial sollte dabei nicht ausschließlich an den Zuschreibungen der Institutionen des Kunstsystems festgemacht werden. Die Aufgabe besteht darin, der Gegebenheit der pluralen Kunstbegriffe zu begegnen. Es ist notwendig, sich darüber zur verständigen, welchen Sinn oder welche Funktion der verwendete Begriff jeweils haben soll (vgl. Maset 2004, S. 95). Sieht Maset hier die Mitarbeit am Kunstbegriff als Aufgabe der Kunstvermittlung an, ist Franz Billmayer der Auffassung, dass Kunst guten Unterricht erschwere und den Blick verenge. Wer sich zu sehr an ihr orientiere, mache es Schülern schwer, Kompetenzen für ein Leben in einer Bildkultur zu entwickeln (vgl. Billmayer

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2008, S. 113). Billmayer formuliert ein zentrales Problem im Fach Kunst. Es ist aber dennoch fraglich, wie Kunstunterricht sein volles Potenzial zur Entfaltung bringen kann, wenn die Kunstbezüge in den Hintergrund gedrängt werden. In der Auseinandersetzung mit aktuellen Bildformen zeigt sich ein Wandel des Werkbegriffs. Dieser wird, obwohl es in den meisten Institutionen der Kunst eine Renaissance erlebt, abseits der angestammten Orte der Kunst problematisiert. Diejenigen künstlerischen Arbeiten, welche das Werk als Faktum angreifen, sind häufig nicht in den angestammten Orten der Kunst zu finden. Das Fach Kunst muss sich mit der Herausforderung konfrontieren, dass in der Immaterialisierung des Werkes die Kommunikationsformen an Bedeutung gewonnen haben (vgl. Maset 2001b, S. 31). Das Paradigma des Werks als materieller Gegenstand ist erweitert durch die immateriellen, künstlerischen Konzepte. Durch die Ablösung des Werkbegriffs ist heute fast ausschließlich vom Artefakt die Rede, wenn ein ausgestelltes Objekt gemeint ist. Neben den Herausforderungen, welche sich um den Werkbegriff bilden, sind aber auch die künstlerischen Strategien zwischen analogen und digitalen Verfahren im Blick zu behalten. Jene komplementieren sich und bringen in interdigitalen Bildformen komplexe Bildkonstruktionen hervor. Diese Verkomplizierung der Verfahren betrifft Bilder sowohl in ästhetischen als auch in außer-ästhetischen Kontexten. Die stichpunktartig aufgeführten Wendepunkte interdigitaler Bildformen lassen sich für das weitere methodische Vorgehen gewichten. In den Punkten vier und fünf wird der hohe Komplexitätsgrad der Bildformen, sowie die Möglichkeit der Entkopplung jener Bildformen von den Institutionen der Kunst angeführt. Beide Punkte sind, im Vergleich zu den Punkten eins bis drei sekundär, weil sie für den Unterricht und die Kunstvermittlung Bereiche ansprechen, die durch Vermittlungssituationen verändert werden können. Innerhalb solcher werden häufig Strategien extrahiert und mit diesen weiter Verfahren. Dies kann die Beteiligten der Vermittlungssituation von dem Ausgangspunkt entrücken3.

3

In den Ästhetischen Operationen (vgl. Maset 2001b) ist es durchaus als Möglichkeit angelegt, dass der Kunstvermittler eine Vermittlungssituation herstellt, in welcher er von einer künstlerischen Arbeit ausgeht, welche selbst nicht – oder

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Die Punkte eins bis drei haben daher für das weitere methodische Vorgehen besondere Bedeutung. In ihnen wird deutlich, dass die Verfahren zur Produktion, Manipulation und Rezeption von Bildern durch technische Verfahren bedingt sind. Die Strategien jener technischen Apparate schreiben sich in die drei genannten Prozesse ein. Diese Veränderung bildet, zusammen mit dem Prozesscharakter der Bildformen (Punkt zwei) und der Ablösung des Werks durch künstlerische Infrastrukturen (Punkt drei), den maßgeblichen Faktor für das weitere methodische Vorgehen. Innerhalb der Kunstvermittlung schließt sich somit ein reiner Medienunterricht, in welchem beispielsweise Fähigkeiten und Fertigkeiten an Computern erlernt werden, aus. Es sind vielmehr Bildstrategien, über welche sich dann die Funktion der Geräte erklären. Dieses Vorgehen, Bildkompetenz vom Bild her zu argumentieren wird im folgenden Teil dieser Arbeit verfolgt. Zunächst wird im Kapitel Anwendungsfelder neuer bildgebender Verfahren die rasante Entwicklung im Bereich der medizinischen Visualistik beispielhaft aufgezeigt. Hierdurch werden die veränderten Herausforderungen, welche sich durch technischbildgebende Verfahren in außer-ästhetischen Kontexten ergeben, verdeutlicht. Daran schließt sich das Kapitel Bildwissenschaftliche Ansätze zum Bild an, in welchem Ansätze das Bild betreffend aufgezeigt werden. Die hieraus extrahierten Begriffe und Verfahren werden im Kapitel Bild-Raummodell bildwissenschaftliche Ansätze mit denen zur Kunstvermittlung verknüpfen.

erst am Ende – Gegenstand der Vermittlung ist. Diese Vorgehensweise beschreibt auch Eva Sturm (vgl. Sturm 2005, S. 7ff.) in ihrem Bericht über eine Vermittlungssituation.

Anwendungsfelder neuer bildgebender Verfahren

Dieses Kapitel gibt ein Beispiel über Vorkommen und Anwendungsformen neuer technischer Bildgebungsverfahren in Bereichen außerhalb der Kunst. Die hier vorgestellten Bildformen sind sowohl statische sowie bewegliche, interaktive wie auch interdigitale. Es soll deutlich werden, dass auch in Bereichen jenseits der Kunst neue Bildformen das Sehen verändern und Anpassungsleistungen der Wahrnehmung fordern. In seinem Beitrag Körper in/aus Zahlen. Digitale Bildgebung in der Medizin (Badakhshi 2006) beschreibt der Mediziner Harun Badakhshi die rasante technologische Entwicklung der bildgebenden Verfahren in der medizinischen Diagnostik und Therapie. Sein Beitrag bezieht sich dabei vor allem auf die Entwicklung in der Onkologie, welche in den letzten Jahren einen erheblichen Schub erfahren habe. Diese neuen Aufgaben und die potenziellen Erweiterungen des Aktionsradius der bildgebenden Verfahren bedürfen einer genauen Analyse (vgl. Badakhshi 2006, S. 199). Die Formate der Bildlichkeit in der medizinischen Diagnostik verschieben sich, technologisch bedingt, weg von statischen Bildern hin zu Echtzeitrepräsentationen. Die Ablösung der analogen Röntgenaufnahme durch digitale Bildtechniken führt über die Computertomografie hin zur Magnetresonanztomografie. In dieser neuartigen Form der radiologischen Diagnostik ist das statische Bild durch ein bewegtes Bild abgelöst. Die Darstellung zum Beispiel eines schlagenden Herzens ist mittlerweile möglich. Badakshi beschreibt den Wandel in den Darstellungen der Diagnosetechniken. Durch Echtzeitverfahren werden Diagnose- zu Therapietechniken überführt. Mittels der Bilder der MRT-Überwachung können Mediziner Karzi-

106 | BILDKOMPETENZ

nome mit Strahlen beschießen und das Ausmaß des zu behandelnden Bereichs dabei sehr genau festlegen (vgl. Badakhshi 2006, S. 202f.). Es ergeben sich hier neue Konstruktionen eines digitalen Bildgebrauchs. Medizintechnik, wie die erwähnte MRT, überführt das Bild von einem Diagnoseinstrument zu einem Therapieinstrument. Das Bild an sich wird die Bezugsgröße für den behandelnden Arzt, indem es sein einziger Referent für den Eingriff am Patienten ist. Der subkutane Tumor wird nicht an sich gesehen, sondern lediglich über die digitale Echtzeit-Repräsentation auf dem Computerbildschirm. Es stellt sich die Frage, wie genau die Repräsentation vom behandelnden Arzt funktioniert, wenn das Überprüfen des digital Repräsentierten nicht möglich ist. Eine erfolgreiche Therapie an einem Karzinom würde einen operativen Eingriff überflüssig machen und so eine Kontrolle im Sinne eines analogen Abgleichs ausschließen. Die reine digitale Repräsentation hat hier denselben Effekt, wie ihn Olaf Breidbach den dreidimensionalen frei beweglichen, digitalen Hirnkartierungen zuschreibt; sie disponieren Wahrnehmungsmuster (vgl. Breidbach 2006, S. 31f.). Neben der noch unzureichenden Auflösung der Hirnmodelle verweist Breidbach auf das Eigenleben der Bilder, welches mit dem Verlust der Abbildungstreue erkauft ist (vgl. Breidbach 2006, S. 32). An einem Beispiel macht Breidbach das Dilemma der digitalen Repräsentation in der Medizin deutlich: „Wenn ein Anatomiestudent in dem Trainingsprogramm McFrog eine Hauptarterie durchtrennt, erscheint im oberen Bildschirm ein einfaches ‚Achtung‘. Das Bild zeigt keine Verletzung, sondern nur neue visuelle Signale. So wird offenkundig, was es heißt, die Realität ins Bild zu bannen.“ (Breidbach 2006, S. 32)

Hier zeigt sich die Gefahr der Verselbstständigung der Bilder, welche ebenso für die oben erwähnten Therapieverfahren in der Radio-Onkologie zutreffen. Die Repräsentation ist im eigentlichen Sinne keine mehr, da das zu Repräsentierende ausfällt. Es ist die von Lambert Wiesing beschriebene reine Sichtbarkeit (vgl. Wiesing 2008, S. 191) mit welcher der Anatomiestudent arbeitet. Es handelt sich bei der Simulation also nicht um eine Operation mittels eines Bildes an etwas, sondern um eine Operation am Bild selbst. Diese Frage nach der Operation am Bild selbst ist dabei, durch die technische Darstellung bedingt, eng an die Frage der Bildauflösung geknüpft. Hierzu führt Olaf Breidbach an, dass mit dem Steigen der Auflö-

ANWENDUNGSFELDER NEUER BILDGEBENDER VERFAHREN | 107

sung in bildgebenden Diagnoseverfahren zukünftig eine einfache Zuordnung von sichtbare Anomalie = Entartung verwehrt bleiben wird (vgl. (Breidbach 2006, S. 34). Gewebeanomalien können nur bis zur Grenze der Auflösung festgestellt werden. Das heißt, eine Anomalie, die so klein ist, dass sie technisch bedingt nicht mehr so dargestellt werden kann, dass sie sich vom umlegenden Gewebe absetzt, kann nicht festgestellt werden. Eine Umkehrung passiert, laut Breidbach, bei steigender Auflösung. Steigt die Zahl der Bildpunkte, lösen sich Anomalien und umliegendes Gewebe im weißen Rauschen auf (vgl. Breidbach 2006, S. 34). Aus einzelnen Anomalien ist ein Heer von Normalien geworden (vgl. Breidbach 2006, S. 34). Mit steigender Punktauflösung scheint so zwar die Realitätsnähe zuzunehmen, es erlaubt aufgrund der Masse an zu ähnlichen Informationen aber keine Unterscheidung mehr. Abhilfe könnte hier das Zurücktreten vom betrachteten Objekt schaffen. Die Redewendung den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, kann diesen Fall illustrieren. Stehen wir in einem Museum dicht vor einem Bild von Andreas Gursky, ist die erste Reaktion meist, das wir ein paar Schritte zurücktreten, um die Übersicht zurückzugewinnen. Ähnlich könnten auch bildgebende Verfahren der Medizin arbeiten, wenn ein Zoom eingesetzt würde. Hierdurch wäre die Möglichkeit gegeben, das zu untersuchende Objekt bis an die technischen Grenzen heran darzustellen und die Übersicht zu behalten. Dieses Verfahren funktioniert aber nur dann, wenn keine Echtzeit erforderlich ist, da Aufnahme und Betrachtung nicht effektiv zusammenfallen können. Wie sich auch die bildgebenden Diagnose- und Therapieverfahren der Medizin entwickeln werden, schon jetzt ist abzusehen, dass sie Sehgewohnheiten verändern werden. Mit der Veränderung des Blickes geht eine Veränderung der Therapie einher. Ärzte müssen heute viel kompetenter für visuelle Phänomene, d.h. Bilder sein als noch vor wenigen Jahren. Die medizinische Diagnostik scheint dabei einem Wandel zu unterliegen, in welchem sie sich von einer haptischen zu einer visuellen Diagnostik verschiebt. Die technischen Diagnosegeräte dienen fast ausschließlich der visuellen Diagnostik: Röntgen, Endoskopie oder Sonografie sind hier Beispiele. Der visuelle ist in der heutigen Medizin der zentrale Sinn über welchen sowohl Diagnose als auch Therapie durchgeführt werden.

Bildwissenschaftliche Ansätze zum Bild

Im Folgenden soll verdeutlicht werden, welche bildwissenschaftlichen Herangehensweisen an Bilder für die Kunstvermittlung nutzbar gemacht werden können. Dieses Kapitel soll einen Abriss bildwissenschaftlicher Positionen zusammenführen, mit welchen sich Strategien zur Bildkompetenz begründen lassen. Mittels der interdigitalen Bildformen konnte gezeigt werden, dass neue Bildformen nicht im Modus des Tafelbildes verbleiben. In der Beschreibung bildhafter Prozesse zeigt sich eine komplexe Form von Bild, welche eher als Ereignis, oder wie vorgeschlagen, als künstlerische Infrastruktur zu lesen ist. Die Beschreibung dieser Bildformen und die Aufbereitung für den Unterricht können mit bisherigen Bildanalyseverfahren nicht länger geleistet werden, da mit ihnen die Eigenschaften aktuelle Bildformen nicht ausreichend berücksichtigt werden. An dieser Stelle sollen Instrumentarien der Bildwissenschaften herangezogen werden, mit welchen sich Bildkompetenzkonzepte gezielt erweitern lassen. Dies gilt insbesondere für die Beschreibung und Analyse von derart komplexen und prozesshaften Bildformen. Die ikonische Wende zeichnet sich durch eine neue Form der Sensibilität für Bilder und den Umgang mit Bildlichkeit aus und verändert so das Denken in Bildern und über Bilder. Der Bildwissenschaftler W.J.T. Mitchell beschreibt den Iconic Turn als eine Wende, welche die Verlagerung von Interessen markiert. Es ist also keine Wende gemeint, welche durch Antworten oder neue Erkenntnisse beschrieben werden kann, sondern durch die Art und Weise wie Fragen formuliert werden (vgl. Mitchell 2008, S. 120). Eine bildwissenschaftliche Ausrichtung des Kunstunterrichts könnte einen sinnvollen

110 | BILDKOMPETENZ

Gegenstand bilden, in welchem die Fragen jenes Iconic Turn in kunstvermittlerische Prozesse integriert werden. Bekannte Analyseverfahren, wie die Ikonologie von Erwin Panofsky (vgl. Panofsky 2002), können und sollten daher ergänzt werden durch theoretische und praktische künstlerische Auseinandersetzungen mit diesem veränderten Gegenstand. Die Bildwissenschaften bieten ein breites methodisches Spektrum sowie Kategorien und Theorien, mit denen zeitgenössische Bilder beschrieben und analysiert werden können. Durch die Anreicherung der Kunstvermittlung mit diesen Verfahren kann es zudem gelingen, auch neue, erweiterte Bildformen zu beschreiben, welche Frank Popper erläutert: „Die aktuelle Beschäftigung mit digitalen Bildern geht in die Richtung einer Prozeßkunst, die nicht mehr auf die Herstellung von Objekten zielt, sondern auf die Strukturen und Ursprünge der künstlerischen Aktivität.“ (Popper 2001, S. 254)

Dieser erweiterte Bildbegriff lässt sich in bildwissenschaftlichen Dimensionen beschreiben, welche im Folgenden skizziert werden. Vorgestellt werden drei Vertreter der Bildwissenschaften, welche sich dem Gegenstand mit je einem speziellen Blickwinkel nähern.

B ILDER

ALS

Z EICHEN

In seinem Aufsatz Ästhetik und Zeichentheorie (Morris 1988 [1938]) lieferte der Semiotiker Charles William Morris eine für die Semiotik, und damit für die Bildwissenschaften, fundamentale Binnenstruktur von Zeichen im Prozess der Semiose. Morris benennt drei Dimensionen: Die semantische Dimension beschreibt das Verhältnis zwischen Zeichenträger und Designat bzw. Denotat. Die pragmatische Dimension bezeichnet das Verhältnis von Zeichenträger zu Interpret bzw. Interpretant. Und die syntaktische Dimension beschreibt das Verhältnis von Zeichenträger zu anderen Zeichenträgern. Diese drei Dimensionen sind, nach Morris, in jedem Zeichenprozess realisiert. Dem Kunstwerk kommt hier zudem eine besondere Rolle zu, da einem Kunstwerk ein Zeichenträger zugrunde liegt, welcher wiederum aus mehreren Zeichen bestehen kann. Die Einzelteile dieser Super-Zeichen

BILDWISSENSCHAFTLICHE ANSÄTZE ZUM BILD | 111

können wiederum in ikonische Zeichen (sind dem Denotat ähnlich) und nicht-ikonische Zeichen (sind dem Denotat nicht ähnlich) unterteilt werden (vgl. Morris 1993, S. 363f.). Mit seiner Semiotik legt Morris ein Fundament für die bildwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kunst bzw. Kunstwerken. Obwohl es eine historische Position ist, ist der Ansatz weiterhin gut geeignet. Die Aktualität ist vor allem der Möglichkeit geschuldet, mit dem Modell auch aktuelle Phänomene der Kunst beschreiben zu können. Wendet man Morris Binnenstruktur von Zeichen auf prozesshafte Kunst- und Bildphänomene an, kann für jede Dimension der gesamte Zeichenprozess betrachtet werden. Es ist also beispielsweise möglich, eine Performance von Paul McCarthy, deren nicht-gegenständliche Bildlichkeit hier den Zeichenträger darstellt, auf ihre syntaktische Dimension hin zu untersuchen, indem wir interpretieren, wie die verschiedenen Zeichen des Zeichenträgers zueinander in Verbindung stehen und welche Referenzen sie aufweisen. Lambert Wiesing schreibt zu Morris in Die Sichtbarkeit des Bildes: „Doch die Zeichentheorie von Morris hilft nicht nur, das ungegenständliche Bild in seiner traditionellen Form als Tafelbild semiotisch zu beschreiben. Sie entwickelt darüber hinaus einen Begriffsapparat, mittels dessen sich auch jüngere Spielarten der nicht-gegenständlichen Bildlichkeit semiotisch beschreiben lassen.“ (Wiesing 2008, S. 23)

Der Hinweis von Wiesing auf jene Beschreibbarkeit nicht-gegenständlicher Bildlichkeit ist an dieser Stelle wichtig, weil viele Bild-Phänomene zeitgenössischer Kunst mittels immaterieller Referenten funktionieren. Der Verlust der Gegenständlichkeit geht nach Morris nicht unbedingt mit dem Verlust des Zeichenstatus einher. Morris sucht damit den Zeichenstatus des Kunstwerkes abzusichern; denn nach Morris gibt es durchaus Designation ohne Denotation (vgl. Wiesing 2008, S. 246). Das heißt, es ist beispielsweise möglich, ein Einhorn zu beschreiben, ohne das tatsächlich ein solches existiert. Denotate sind, nach Morris, die Elemente einer Klasse. Man kann also irgendein Einhorn auch in den kleinsten Details beschreiben, es ist aber in der Realität nicht zu finden. Das Einhorn ist eine Fiktion, welche nach Morris aber dennoch einen Zeichenstatus haben kann. Morris beschreibt dies als Nulldenotation.

112 | BILDKOMPETENZ

Morris Zeichentheorie kann sowohl bei gegenständlichen Tafelbildern als auch bei prozesshaften Werken angewandt werden. Die Beschreibung von nicht-prozesshafter Kunst ist allerdings weniger komplex als die prozesshafter Kunst. Interdigitale Bildformen bringen vielfältige ikonische und nicht-ikonische Zeichen hervor. Die Dimensionen der einzelnen Zeichen sind in ihrer Summe so umfangreich, dass man hier am besten von einer Formel sprechen sollte (vgl. Wiesing 2008, S. 248). Der Begriff Formel ist hier wie eine mathematische Aussage zu verstehen, welche durch Einsetzen von verschiedenen Werten zu Ergebnissen gelangt, ähnlich wie eine Interpretation eines Kunstwerkes zu unterschiedlichen Aussagen führen kann, je nachdem was eingesetzt wird. Morris Zeichentheorie gewinnt für das Fach Kunst und Bildkompetenzforschung deshalb an Bedeutung, da mit ihr eine Beschreibung von prozesshaften Bildphänomenen möglich wird. Diese pragmatische Herangehensweise von Morris ermöglicht ebenso Anknüpfungen an aktuelle kunstvermittlerische Positionen. Der Formelcharakter, welchen Morris betont, und welcher nicht ohne Einsatz auskommt, lässt sich mit Ansätzen zur Kunstvermittlung verknüpfen, welche das Subjekt in den Blick nehmen und besonders auf den Anteil des Betrachters ausgerichtet bleiben.

B ILDER

ALS

S PRACHE

Der Bildwissenschaftler W.J.T. Mitchell begegnet dem Wesen der Bilder mit einem Kategoriensystem und schlägt vor, sich Bilder als eine weit verzweigte Familie vorzustellen, die sich räumlich und zeitlich auseinander gelebt und sich so voneinander entfernt hat (vgl. Mitchell 2008, S. 19). Mitchell vergleicht Bilder zudem mit der Sprache: „Die modernen Untersuchungen gehen davon aus, daß Bilder als eine Art Sprache verstanden wirden müssen; man hält Bilder nicht mehr für transparente Fenster zur Welt, sondern begreift sie als die Sorte Zeichen, die sich trügerisch im Gewand von Natürlichkeit und Transparenz präsentiert, hinter der sich aber ein opaker, verzerrender, willkürlicher Mechanismus der Repräsentation, ein Prozeß ideologischer Mystifikation verbirgt.“ (Mitchell 2008, S. 18)

BILDWISSENSCHAFTLICHE ANSÄTZE ZUM BILD | 113

Die von Mitchell aufgestellten Kategorien der Bilder1 sind dabei nicht scharf voneinander zu trennen. Es ist hier durchaus möglich Beispiele zu finden, die sich mehreren Kategorien zuordnen lassen, besonders wenn es um prozesshafte Bildformen geht. Das Problem liegt bei prozessualen Bildformen immer im Kontext der Frage, wann ein Bild ist: Gehen wir zum Beispiel davon aus, dass eine Statue in einem Museum fotografiert und das digitale Foto per E-Mail versendet wird. Der Empfänger der Bildnachricht macht einen Ausdruck auf einem Farbdrucker. – Wir würden hier vom selben Bild reden, aber der Aggregatzustand des Bildes hat sich verändert. Dies hat zur Folge, dass innerhalb des Bildprozesses das Bild in den Kategorien wandern muss, möchte wir nicht eine sechste Kategorie hinzufügen (z.B. das Prozess-Bild). Soll also mit dem Mitchell’schen Kategoriensystem ein Bild beschrieben werden, muss folglich immer das Merkmal angeheftet werden, wann das Bild ist, d.h., zu welchem Zeitpunkt es beschrieben wird. Zu der Kategorisierung der Bilder stellt Mitchell zudem die Frage, was Bilder wollen: „Was Bilder wollen, ist also nicht, interpretiert, dekodiert, verehrt, zertrümmert, bloßgestellt, entmystifiziert zu werden oder ihre Betrachter in Bann zu schlagen. Vielleicht wollen sie nicht einmal, daß wohlmeinende Kommentatoren, die Menschlichkeit für das größte Kompliment halten, das einem Bild zuteil werden kann, ihnen Subjektivität oder Personalität zusprechen. Das Begehren von Bildern kann inhuman oder nichtmenschlich sein […]. Was Bilder letzten Endes wollen, ist also einfach, gefragt zu werden, was sie wollen, vorausgesetzt, man weiß, daß die Antwort sein könnte, daß sie überhaupt nichts wollen.“ (Mitchell 2008, S. 370)

Mitchell gibt weder eine klare Definition dazu ab, was Bilder sind, noch legt er sich darauf fest, was Bilder wollen.

1

Mitchell unterscheidet: Graphische Bilder (Gemälde, Zeichnungen, Statuen, etc.); optische Bilder (Spiegel, Projektionen); perzeptuelle Bilder (Sinnesdaten, Formen, Erscheinungen); geistige Bilder (Träume, Erinnerungen, Ideen, Vorstellungsbilder, Phantasma) und sprach-liche Bilder (Metaphern, Beschreibungen) (vgl. Mitchell 2008, S. 20).

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„Jeder einheitliche Zugang zur Bildlichkeit, jede kohärente Ikonologie läuft Gefahr, wie Panofsky warnte, daß sie sich zur Ikonographie nicht wie Ethnologie zur Ethnographie, sondern wie Astrologie zu Astrographie verhalten wird.“ (Mitchell 2008, S. 22)

Eine letztlich gültige Definition zum Wesen der Bilder gibt Mitchell nicht, aber dies war auch nicht seine Intention. Viel mehr lenkt er unsere Aufmerksamkeit darauf, wie das theoretische Verständnis von Bildlichkeit in sozialen und kulturellen Praktiken verankert wird (vgl. Mitchell 2008, S. 18). Das heißt, es ist für Mitchell entscheidender, welche Dinge wir mit dem Bildbegriff bezeichnen, und welche Phänomene wir als bildhaft verstehen. Folgt man dem Gedanken des Iconic Turn, ist es für die Kunstvermittlung erforderlich auf diese, sich verändernde Interessenlage, einzugehen. Diese Aktualität der Bildlichkeit schlägt sich auf die Kunstvermittlung nieder und fokussiert damit die Auseinandersetzung mit bildwissenschaftlichen Dimensionen zu einem aktuellen Legitimationsgrund des Unterrichts.

P HILOSOPHIE DER B ILDER Lambert Wiesing weist in Artifizielle Präsenz (Wiesing 2005) darauf hin, dass es in der Bildwissenschaft darum gehe, den Begriff des Bildes selbst zu befragen, anstatt das zu untersuchen, was schon kategorisiert ist (vgl. Wiesing 2005, S. 14). Die Notwendigkeit, über Bilder im Allgemeinen zu arbeiten und die Grenzen des Begriffs auszuloten, sieht Wiesing in der Frage danach, was das Medium der Bildlichkeit zulässt. Hierdurch kommt Wiesing zu einer Philosophie des Bildes, welche er als elementaren Bestandteil jener Bildwissenschaft bzw. aller Bildwissenschaften beschreibt (vgl. Wiesing 2005, S. 15–16). Wiesings Herangehensweise ist pragmatisch, da er die Genese von Bildern als Zeichen nicht als absolut gegeben annimmt, sondern argumentiert, dass Bilder nicht durch Anschauung, sondern durch deren Verwendung zu Zeichen werden (vgl. Wiesing 2005, S. 36). Um das Wesen der Bilder genauer zu beschreiben, nimmt Wiesing eine Binnendifferenzierung des Bildes vor. Er benennt Bildträger und Bildobjekt. Der Bildträger ist die „[...] notwendige mediale Voraussetzung für das

BILDWISSENSCHAFTLICHE ANSÄTZE ZUM BILD | 115

nursichtbare Dasein des gezeigten Bildobjektes“. (Wiesing 2005, S. 53) Dieser wird hierbei nicht als Zeichen verwendet, sondern um das Bildobjekt zu präsentieren (vgl. Wiesing 2005, S. 53). Wiesing kontrastiert, dass Bilder nicht durch Ähnlichkeitsbeziehungen zu Bildern werden, sondern durch das Zeigen von Dingen, die nicht den Gesetzen der Physik unterliegen (vgl. Wiesing 2005, S. 59). Um einen Überblick über denkbare Bildobjekte zu geben, ordnet Wiesing diese in eine diachrone Übersicht. Die Kategorien lassen sich damit auch durchaus als eine Geschichte der technisch möglichen Bildobjekte lesen, welche erst durch bestimmte mediale Voraussetzungen die Bedingungen ihrer Möglichkeiten gewinnen. Für Wiesing sind vier Arten von Bildobjekten denkbar: „Das starre Bildobjekt des Tafelbildes; das bewegte, aber determinierte Bildobjekt des Films; das frei manipulierbare Bildobjekt der Animation und das interaktive Bildobjekt in der Simulation.“ (Wiesing 2005, S. 112) Für die Kategorisierung der interdigitalen Bildformen müsste eine zusätzliche Kategorie geschaffen werden. Diese könnte, in Anlehnung an das Wiesing’sche Kategoriensystem als das ereignishafte Bildobjekt oder Prozess-Bildobjekt benannt werden. Diese Erweiterung erlaubt, Bildobjekte zu kategorisieren, welche einen prozesshaften Charakter besitzen. Die dargestellten bildwissenschaftlichen Ansätze zum Bild liefern für die Kunstvermittlung ein gutes Arsenal an Begriffen und Theorien. Mit diesen können aktuelle technische Bildformen beschrieben werden. Durch die Zeichentheorie von Morris lässt sich das methodische Vorgehen in Bezug auf prozesshafte Bildformen weiter schärfen. Auch Lambert Wiesing liefert hier wichtige Begriffe, welche die Integration in die Strategien zur Bildkompetenz lohnen. Die von Mitchell beschriebene Verschiebung der Interessenlage in Richtung des Bildes liefert aus methodischer Sicht, neben den Kategorien, ein gutes Fundament für einen interdisziplinären Ansatz zur Bildkompetenz.

Bild-Raummodell

Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, ein Ordnungssystem für unterschiedliche interdigitale Bildformen zu schaffen. Dieses wird über die Kategorisierung der Bildformen hinaus einen Vergleich ermöglichen. Analyse und Interpretation aktueller Bildformen werden so, über die grafische Darstellung in einem Koordinatensystem in den Bereich der Anschauung gezogen. Die Auswahl der beschriebenen künstlerischen Arbeiten ergibt eine Vorstrukturierung für das vorliegende Kapitel. Mittels angelegter Referenzbegriffe in den Darstellungen der Bildformen wird jene Suchbewegung hier systematisch fortgesetzt. In der bisherigen Betrachtung sind die Bilder jeweils in eine mögliche Interpretationsrichtung analysiert. Hierfür wurde die primäre künstlerische Strategie in Bezug auf analoge und digitale Verfahren benannt. Eine solche Interpretation, welche auf eine bestimmte Hypothese zum Bild hinarbeitend durchgeführt wird, ist in vielen Methoden zur Interpretation von Kunstwerken vorgegeben. Die Ikonologie kann hier als kunstwissenschaftliches Exempel angeführt werden; in der Kunstvermittlung ist es das Verfahren der ästhetischen Operationen von Pierangelo Maset (Maset 2005a), welches besonders mit der Kernstrategie von künstlerischen Arbeiten verfährt. Aufgrund der herausgearbeiteten Wendepunkte interdigitaler Bildformen kann und sollte, unter Berücksichtigung der bildwissenschaftlichen Ansätze, die bestehende Methodik um einen innovativen Anteil erweitert werden. Hierfür wird ein Modell vorgeschlagen, mit welchem sich die aufgezeigten Besonderheiten interdigitaler Bildformen berücksichtigen lassen. Die Wendepunkte dieser lassen sich hierdurch in das Paradigma Kunstvermittlung integrieren und erlauben damit einen Zugriff auf aktuelle und

118 | BILDKOMPETENZ

innovative Bildstrategien. Die Reichweite jenes Bild-Raummodells soll hierbei über die Analyse und Interpretation hinausreichen. Das Modell soll die grafische Darstellung von Bildrelationen ermöglichen. Die für den Unterricht zentralen Stützpunkte von Analyse, Interpretation und Pragmatik werden damit in das Modell integriert und darstellbar. Es ist darüber hinaus möglich, Bildformen miteinander zu vergleichen bzw. in Relation zueinander zu bringen.

H ERLEITUNG

DES

R AUMMODELLS

Dem Modell liegen drei Dimensionen zugrunde, welche durch Achsen grafisch darstellbar sind. Diese drei Achsen sollen die Interpretationsrichtungen nach Fragen der Erscheinungsform, der künstlerischen Strategie und der Bildpragmatik zusammenführen. Die Begriffe folgen damit der Stoßrichtung einer Bildbetrachtung: Zuerst wird die Erscheinungsform, also Bildträger und Bildobjekt, erfasst. Hieran schließt sich eine Hypothesenbildung an; für die Kunstvermittlung bedeutet dies das Herausarbeiten der künstlerischen Strategie. Am Schluss folgt Relation von Subjekt und Objekt, das bedeutet, der Betrachter soll bewerten, inwiefern er in den Bildprozess selbst aktiv eingebunden ist. Die für interdigitale Bildformen zentralen Begriffe sind damit in einem Modell zusammengeführt. Sie bilden die Dimensionen des Modells ab und liefern die Leitfragen zur Analyse und Interpretation aktueller Bildformen. Die Analyse eines Bildes geschieht auf dieser Grundlage dadurch, dass zur Interpretation die drei genannten Variablen abgefragt werden. Die Bestimmung dieser Werte wird graduell vorgenommen. Die Variablen werden je durch eine Achse repräsentiert, an deren Pole sich Begriffe befinden. Diese können auch als Fragen verstanden werden, welche für die Analyse abzuklären sind. Durch die Achsen (x; y; z) ergibt sich ein dreidimensionales Modell, in welchem jedes eingetragene Bilde durch einen Punkt im Raum markiert ist. Durch das Eintragen eines weiteren Bildes kann dann eine Relation hergestellt werden.

BILD-RAUMMODELL | 119

x-Achse: Erscheinungsform Hier ist die formale Beschreibung eines Bildes gemeint. Die beiden Pole bilden analog/materiell und digital/konzeptuell, wobei von einem fließenden Übergang ausgegangen wird, nicht von zwei absoluten Kategorien. Eine leitende Frage jener Analyse könnte lauten: Ist die Erscheinungsform 1 des Bildes eher digital oder eher analog ausgeprägt? analog/materiell ļ digital/konzeptuell y-Achse: Strategie Ist die ästhetische Strategie, welche der Bildproduktion zugrunde liegt, eher digital oder analog geprägt? Sind also im Bild die Hauptmerkmale und Arbeitsweisen von den beschriebenen analogen, viskosen Herangehensweisen dominiert, oder sind es errechnete, körnige Formen der Bildproduktion? – Das Ergebnis wird auf der y-Achse vermerkt, wobei wiederum analog und digital die beiden Pole bilden. Auch hier bleibt der Übergang zwischen den Polen fließend. analog ļ digital z-Achse: bildpragmatische Dimension Die bildpragmatische Dimension 2 fragt nach dem Anteil des Subjekts. Die z-Achse stellt den Betrachter bzw. Akteur in Relation zum Bild. Sie repräsentiert den Grad der Anwendung bzw. die Möglichkeit des Betrachters, in die Rolle des Akteurs zu wechseln. Die Pole stellen die Kategorien rezeptiv und produktiv dar. rezeptiv ļ produktiv

1

Wiesing würde hier von der Erscheinung des Bildträgers sprechen.

2

Die Möglichkeit einer bildpragmatischen Analyse findet man beispielsweise schon in der Methode des Auslegens (Otto, Otto 1987), welche darauf gerichtet ist, den Anteil des Betrachters zur Formulierung zu bringen.

120 | BILDKOMPETENZ

Die in der ersten Achse beschriebene Erscheinungsform des Bildes verweist in ihrer graduellen Abstufung noch einmal auf die Möglichkeit der interdigitalen Bildform. Es wird davon ausgegangen, dass die wenigsten aktuellen Kunstproduktionen als klar analog oder klar digital beschrieben werden können. Wie im Kapitel Wendepunkte interdigitaler Bildformen dargelegt wurde, lässt sich zu vielen Artefakten der Kunst ein digitaler Anteil formulieren. Die Bewertung dieses Anteils hängt dann aber jeweils von der eingeschlagenen Interpretationsrichtung ab. Die Erscheinungsform wird zuerst abgefragt, weil sie ähnlich einer natürlichen Sehbewegung den ersten Blickkontakt zum Bild konstituiert und erste Daten über das Auge an das Gehirn leitet. In Anlehnung an eine klassische Bildanalyse bildet die Betrachtung hier den ersten Schritt. Die Bewertung oder Einschätzung der graduell bestimmbaren Erscheinungsform kann relativ zügig vorgenommen werden. In der Bewertung der künstlerischen Strategie wird auf in der Kunstpädagogik bekannte Analyseverfahren zur Bildbetrachtung rekurriert. Hierbei wird über das Studium des Bildes und seiner Produktionsweisen zu einer Hypothese über das Bild gelangt. Es ist hierfür wichtig, viele Informationen zum Bild zu sammeln und auszuwerten. Wie die Bildbeispiele von Manfred Mohr belegen, sind digitale Produktionsweisen einem Bild häufig nicht anzusehen. Der konzeptuelle Anteil im Bild sollte hier berücksichtigt werden. In der abschließenden bildpragmatischen Dimension gelangen wir auch zur Frage nach der Notwendigkeit des Betrachters als Akteur. Durch die technische Möglichkeit der Interaktion in interdigitalen Bildformen ist ein Bildprozess zweiter Ordnung möglich. Der Betrachter verlässt seine Rolle und wird zum Akteur. Dies kann einen relativ kleinen eigenen Anteil an einem Bild bedeuten, aber auch ein völliges Verschwinden des Betrachters in einer künstlerischen Infrastruktur beinhalten.

BILD-RAUMMODELL | 121

D AS R AUMMODELL Fasst man nun die Achsen x, y und z zusammen, ergibt sich ein Raummodell, in welches Bilder eingetragen und zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Analyse, Interpretation und Pragmatik sind integriert. Die Grafik zeigt das Modell mit Achsen und nummerierten Oktanten. Abbildung 6: Das Raummodell als grafische Darstellung mit nummerierten Oktanten

Quelle: Autor

Die Achsen teilen das Raummodell in acht Sektoren bzw. Oktanten, in welche Ergebnisse der Bildanalyse eingetragen werden. Für die dargestellten Oktanten können jeweils kategorientypische Bilder angenommen werden, welche den Umfang der Kategorien verdeutlichen. Diese sollten dann jeweils die extremen Ausschläge auf den Achswerten des Modells definieren. Hierdurch entsteht eine Auflistung, in welcher ein Bild zu jedem Oktanten zugeordnet wird. Diese Zuordnung ist beispielhaft, da sonst Bildformen in das Modell eingetragen werden und nicht Bildformen aufgrund der Oktanten angeführt werden.

122 | BILDKOMPETENZ

Oktant

Abbildung 7: Übersicht der Bildformen im Raummodell

Erscheinung (x)

analog (materiell) 1 2 3 4 5 6 7 8

digital (konzeptuell) x

x x x x x x x

Strategie (y)

analog

Anwendung (z)

digital

rezeptiv

x x

x x x x

x x

x x x x

produktiv

x x x x

Quelle: Autor

Um die Oktanten zu erläutern, werden an dieser Stelle prototypische Bilder aufgelistet. Es ist für diese exemplarische Aufstellung unerheblich, ob es sich hierbei um ästhetische oder außer-ästhetische Bilder handelt: 1. Bilder einer (Kunst-)Ausstellung am PC betrachten; 2. Ölbild im Museum betrachten; 3. Ausdruck eines Computer-Bildes an der Wand betrachten; 4. Vektorgrafik am Computer betrachten; 5. Grafiktablett-Zeichnung am PC erstellen; 6. Bleistiftzeichnung auf Papier anfertigen; 7. Digital bearbeitetes Bild ausdrucken; 8. Bilddatei auf einem Computer bearbeitet. Die Beispiele sind so gewählt, dass sie sich den Oktanten einfach zuordnen lassen. Es ist aber auch vorstellbar, eine andere Sortierung zu argumentieren. Wichtig ist, Bildformen aufzuführen, welche sich prototypisch in einen Oktanten zuordnen lassen. Das Modell verbleibt im Status einer metaphorischen Darstellung eines Rahmens zur Interpretation von interdigitalen Bildformen. Die Dreidimensionalität verbleibt auf dem Papier in zwei Dimensionen, was den Komple-

BILD-RAUMMODELL | 123

xitätsgrad bei einer vergleichenden Interpretation von nur zwei Bildern erheblich steigert. Eine echte dreidimensionale Darstellung ist in der gedruckten Form nicht möglich, was wiederum die Reichweite des Modells in Bezug auf den Grad der Darstellbarkeit markiert. Beispielhaft werden zwei Bildformen in das Raummodell übertragen: Die digitalen Zeichnungen von Susanne Britz sind in ihrer Erscheinungsform analog, weil sie in gedruckter Form und an der Wand präsentiert ausgestellt werden. Die Strategie ist digital, da die Bilder mit dem Computer bearbeitet werden und in einer digitalen Ebenentechnik hergestellt sind. Die Anwendungsform ist rezeptiv, da die Bilder betrachtet werden und es in der Ausstellungssituation nicht vorgesehen ist, dass die Bilder modifiziert werden. Auf dieser Grundlage sind die digitalen Zeichnungen in Oktant 3 zu verorten und können in das Modell übertragen werden. Als zweites Beispiel wird das schon beschriebene Laser Tagging in das Raummodell übertragen: Die Erscheinungsform ist analog mit einer starken Gewichtung in das digitale. Es handelt sich bei den Projektionen zwar um Lichteffekte, welche auf Flächen geworfen werden, die Umgebung bzw. der Träger des Bildes ist aber weiterhin analog/materiell. Die Gewichtung in den digitalen Bereich wird aufgrund der Analyse vorgenommen, welche zeigt, dass der Bildträger nur durch die digitale Projektion als solche möglich ist. Die Strategie ist digital, da der Computer zur Ermöglichung der Echtzeitmanipulation die Hauptkomponente darstellt. Ohne diese Möglichkeit wäre diese Bildform nicht herstellbar. Dies leitet über in die bildpragmatische Dimension, in welcher das Bild auf der Achse z als produktiv markiert werden kann. Der Betrachter hat die Möglichkeit das Bild zu verändern und aktiv handelnd in die künstlerische Infrastruktur einzugreifen. Auf dieser Grundlage ist das Laser Tagging in den Oktanten 7 einzuzeichnen. Beide Bildformen, die digitale Zeichnung und das Laser Tagging werden nun in das Raummodell eingetragen und ergeben damit die folgende Grafik:

124 | BILDKOMPETENZ

Abbildung 8: Raummodell mit eingetragenen Bildern. Punkt (a) die digitale Zeichnung von Susanne Britz, Punkt (b) Laser Tagging

Quelle: Autor

Die in der Grafik markierten Punkte sind zusätzlich mit Verbindungs- und Hilfslinien versehen, um die Verortung im Raum zu erleichtern. An der vorgenommenen Analyse ist zu erkennen, dass beide Bildformen eine analog/materielle Erscheinungsform haben, welche aber unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Strategie hat bei beiden eine deutlich digitale Ausprägung. In der bildpragmatischen Dimension liegen die Arbeiten, an den gegenüberliegenden Polen der Achse. Hier ist damit das deutlichste Unterscheidungsmerkmal zu erkennen.

BILD-RAUMMODELL | 125

M ÖGLICHKEITEN

DES

R AUMMODELLS

Im Raummodell können Analyse und Interpretation3 verschiedener Bildformen vorgenommen und grafisch dargestellt werden. Die Komplexität der Bildformen, welche sonst mittels einer textuellen Beschreibung angegangen wird, wird im Raummodell zur grafischen Darstellung gebracht. Hierdurch entsteht, im Gegensatz zu einer klassischen Kunstanalyse, Vergleichbarkeit in einem Modell. Analyse, Interpretation und pragmatischer Gehalt werden zusammengeführt. Das Modell liefert die Möglichkeit, eine Analyse grafisch zu argumentieren. So kann es für die Kunstvermittlung fruchtbar werden. Diese Verschränkung könnte in einem späteren Projekt nochmals verfeinert werden. Durch eine vergleichende Analyse können Aussagen gewonnen werden, welche Bildformen häufiger vorkommen und daher in der Ausbildung von Bildkompetenz einen zentraleren Stellenwert gewinnen sollten. Es ergibt sich auf dieser Grundlage die Frage, wie diese Streuung innerhalb des Modells interpretiert werden kann. Welche Aussagen wären zu treffen, wenn Bereiche im Modell unbesetzt blieben? Welche Quadranten, d.h. welche Bildformen, die hier einsortiert wurden, sind für den Unterricht besonders gut geeignet? Es bleibt zu prüfen, ob mithilfe des Modells auch Aussagen über die Bedingungen des Unterrichts gewonnen werden können, zumal unterschiedliche Bildformen, so die Vermutung, verschiedene Bereiche der Bildkompetenz erfordern. In einem weiteren Schritt könnte der Versuch unternommen werden, Bildformen in das Modell zu übertragen und derart zu vergleichenden Untersuchungen zu gelangen. Leitfragen hierzu können lauten:



Ist es möglich, alle (denkbaren) Bildformen in das Modell zu übertragen? Wie ist die Streuung der Bildformen innerhalb des Modells?

3

An dieser Stelle sei aber noch einmal auf den Ansatz von Pierangelo Maset



verwiesen, nach dem innerhalb der Ästhetischen Operationen ein Kunstwerk immer auf eine Strategie hin analysiert werden muss, bevor von dieser Strategie aus eine kunstvermittlerische Situation generiert werden kann (vgl. Maset 2001b).

126 | BILDKOMPETENZ

• •

Gibt es Anhäufungen und leere Bereiche und wenn ja, was haben diese zu bedeuten? Hat die Streuung im Modell eine Relevanz für die Kunstvermittlung?

Die Reichweite des Modells und inwieweit es für die Ausarbeitung jener Bildkompetenzaufgaben und -tests zu verwenden ist, soll an dieser Stelle als wichtige Anschlussaufgabe festgehalten werden. In seiner aktuellen Form kann das Modell vielleicht als Handreichung für den Unterricht dienen, um einen Überblick über verschiedene Strategien interdigitaler Bildformen zu gewinnen. Es kann insofern einen Unterricht flankieren, als dass die genaue Vorbereitung des Unterrichtsmaterials durch den Lehrer unterstützt wird. Mithilfe der Analyse anhand der drei Achsen kann zu einer Einschätzung über die verwendeten Strategien gelang werden. Setzt man diese in Bezug zu einer Vergleichsanalyse (im selben Raummodell) kann man hieraus erkennen, wie weit die Bildform sich von klassischen Methoden zur Bildherstellung entfernt. Wie in Kapitel Anwendungsfelder neuer bildgebender Verfahren aufgezeigt wurde, sind interdigitale Bildformen nicht ausschließlich im ästhetischen Bereich zu finden. Das Kapitel belegt, dass innovative bildgebende Verfahren auch im außer-ästhetischen Kontext vorkommen. Das Bildraummodell lässt sich hierfür auf Bilder aus dem ästhetischen, wie aus dem nicht-ästhetischen Bereich anwenden. Diese Ausweitung ist möglich, da das Modell eine Bildstrategie abfragt und nicht zwingend eine künstlerische Strategie als Grundlage benötigt. Die Komplexität der Bilder und die Möglichkeit der Relation werden im Raummodell zur grafischen Sichtbarkeit geführt und erlauben damit eine argumentative Stützung der Systematisierung des Konzeptes der Bildkompetenz. Bildformen werden durch die Einordnung in die Sektoren des Raummodells kategorisiert. Die Achsen sind dabei nicht skaliert bzw. erfahren eine Skalierung lediglich durch den Nullpunkt in der Mitte der Achse4. Eine genauere Trennschärfe des Modells ist in der jetzigen Form nicht gegeben. Diese zu erarbeiten kann aber als Desiderat für ein folgendes Projekt markiert werden. Eine empirische Untersuchung könnte als methodi-

4

Die Mitte der Achsen markiert nicht den mathematischen Wert null, sondern den Übergang zwischen den Ausprägungen der jeweiligen Kategorie.

BILD-RAUMMODELL | 127

sches Vorgehen dienen, um die Skalierung des Modells zu verfeinern und Streuungen im Raummodell festzustellen. Die Analyse durch das Modell weist Ähnlichkeiten zur Perceptbildung auf, weil sie den Anteil des Betrachters, also die Wahrnehmungsleistung und damit verbundene Strukturierungsleistung, am Bild konstituiert. Das Modell ist damit zum einen geeignet um Analyse von Bildern grafisch vorzunehmen und zu argumentieren; zum anderen liefert das Modell wichtige Hinweise für die Strukturierung des Konzeptes der Bildkompetenz. Durch seine interdisziplinäre Herleitung macht das Modell die Ansätze der Bildwissenschaften für den Diskurs um Bildkompetenzausbildung fruchtbar.

Strategien zur Bildkompetenz

Bildkompetenz zu definieren, bedeutet zu differenzieren, was Schüler in Bezug auf Bilder können sollten. Der in dieser Untersuchung eingeschlagene Weg eröffnet methodisch ein abduktives Vorgehen. Es wird also nicht, wie es in einem induktiven Verfahren angelegt wäre, aus den Erfahrungen heraus zu lehr- und lernbaren Bildkompetenzstrategien vorgegangen. Die abduktive Vorgehensweise bedeutet, Bildkompetenz als Teilmenge von schulischer Kunstvermittlung zu definieren und Hypothesen über diese Relation zu entwerfen. Für das Fach Kunst heißt das, einen Bildkompetenzbegriff zu formulieren, welcher sowohl der Subjektbildung wie auch den Anforderungen der Gesellschaft entspricht. Hierfür ist der Blick auf die Herausforderungen der bildgeprägten Welt für den Einzelnen, aber auch das Recht auf Bildung und Selbstständigkeit in der Gesellschaft zu fokussieren. An interdigitalen Bildformen lässt sich zeigen, dass das Konzept der Bildkompetenz kein einspuriges sein kann. Bilder erschließen sich nicht nur in der Betrachtung, sondern Betrachter sind gefordert, sich als aktiv Handelnde in künstlerische Infrastrukturen hineinzubegeben und in diesen zu agieren. Auch wenn die Betrachtung von Bildern grundsätzlich als höchst aktiver Vorgang beschrieben werden muss, fließen, durch die technisch ermöglichte Echtzeit und die digital bedingte Kopier- und Codierbarkeit, erhebliche Veränderungen in die Rezeptionsbedingungen mit ein. Strategien zur Bildkompetenz müssen daher auf rezeptive wie auch auf produktive Bildstrategien ausgelegt sein und besonders dahin zielen, diese zu verbinden. Das Offenlegen der Bildstrategie ist dabei der erste Schritt. Die für das Fach Kunst zentralen Bildverfahren von Rezeption, Produktion, Manipulation und Distribution können mithilfe künstlerischer Arbeiten vermittelt werden.

130 | BILDKOMPETENZ

Diese eignen sich hierfür in besonderer Weise, da Künstler aktuelle Bildmöglichkeiten entwickeln und reflektieren. Es eröffnet sich hierdurch ein breites Spektrum für die Ausbildung von Bildkompetenz, besonders mit Blick auf technische Bildformen. Der Umgang mit Bildstrategien ist mit Blick auf die Formulierung einer Bildkompetenz, so die Hypothese, ein zukunftsweisendes Konzept. Es konnte gezeigt werden, dass sich innovative, technische Bildmöglichkeiten und -medien in die Gesamtheit der Bildproduktion mischen. Digitale Fotografie hat, als Beispiel, die analoge Fotografie nicht etwa abgelöst, sondern das Spektrum des fotografisch Machbaren erweitert. Dies gilt für den Bereich der Kunst im besonderen Maße. Die Ausbildung von Bildkompetenz verfährt daher entlang der Auseinandersetzung mit Bildstrategien. Diese können, wie in dieser Arbeit gezeigt werden konnte, unabhängig von den verwendeten Medien angewandt werden. Die Zentrierung auf Bildstrategien kann daher von den zum Teil recht kurzlebigen Trends im Bereich der digitalen Bildproduktion unabhängig machen. Bildkompetenz mit dem Fokus auf Bildstrategien setzt sich von einem Konzept der Medienkompetenz ab. Zwar ist die Handhabung von Bildmedien, ob neuen oder herkömmlichen, im Kunstunterricht erforderlich; die Ausbildung hierzu sollte aber nicht das vordergründige Konzept sein. Es sind im Diskurs um das Fach Kunst verschiedene Konzepte zur Medienkompetenz formuliert. Hans Dieter Huber beispielsweise bezieht sich auf Dieter Baake, wenn er Medienkompetenz als Fähigkeit definiert, „[...] sich gezielt, informativ, emanzipiert, selbstbestimmend und gestalterisch kreativ mit Medien, ihrem Einsatz, ihrer Wirkung, ihrer Nutzung und ihrem Nutzwert für den Menschen zu beschäftigen und daraus Handlungsschemata für persönliches und gesellschaftliches Verhalten zu gewinnen.“ (Huber 2004b, S. 26) Hiermit liefert Huber eine ebenso umfassende, wie weite Formulierung des Begriffs. Zentrales Unterscheidungsmerkmal zur Bildkompetenz ist die Abwesenheit der besonderen Eigenschaften des Bildes. Selbstverständlich kann auch ein Bild als Medium beschrieben werden. Es bleibt aber fraglich, ob eine Bearbeitung von Bildern nach dem oben genannten Konzept der Medienkompetenz dem Besonderem des Bildes gerecht würde. Zudem ist, wie Torsten Meyer argumentiert, nicht ganz klar, was genau unter Medienkompetenz zu verstehen sei. Er nimmt an, dass in der Form eines kleinsten gemeinsamen Nenners eine instrumentelle Medienkompetenz diskutiert

STRATEGIEN ZUR BILDKOMPETENZ | 131

wird. Diese beschreibt er als eine „Bedienungskompetenz“, also die Fähigkeit, ein Gerät seinem angenommenen Zweck entsprechend zu verwenden (vgl. (Meyer 2003, S. 258). Die von Torsten Meyer beschriebene Medienkompetenz ist nicht ausschließlich für das Fach Kunst angelegt. Auch in anderen Fächern kann die Bedienung eines Computers, mit beispielsweise einem Textverarbeitungsprogramm, vermittelt werden, dies vielleicht sogar besser. Im Fach Kunst besteht die Möglichkeit, Bilder als Medien zu analysieren und zu gebrauchen. Es sind aber über dies hinaus die spezifischen Eigenschaften des künstlerischen Bildes, welche es von anderen Medien unterscheidet. Aufgrund dieser Unterscheidung kann die Ausbildung von Bildkompetenz nicht im Konzept der Medienkompetenz aufgehen. Die Betrachtung interdigitaler Bildformen hat gezeigt, dass Bildstrategien sich nicht – oder in wesentlich längeren Zyklen austauschen als Medien. Es ist für den Kunstunterricht daher das für die Zukunft Erfolg versprechende Programm, Bildstrategien und -verfahren zu lehren. Die Verbindung von Kunstvermittlung und bildwissenschaftlichen Forschungsperspektiven eröffnet methodisch neue Zugänge. Besonders durch semiotische Positionen werden Möglichkeiten eröffnet, Bilder als komplexe Zeichensysteme analysieren und erfassen zu können. Wie in der Betrachtung der kunstpädagogischen Positionen gezeigt wurde, sind hierzu bereits Ansätze vorhanden, in denen bildwissenschaftliche Positionen verwendet werden. Mittels des in den bildwissenschaftlichen Positionen festgestellten Formelcharakters von Bildern, wird im Gegensatz zur Handhabung auch ein unvorhersehbarer Gebrauch abgedeckt. Da sich die Kunst ganz wesentlich mit der Hervorbringung unwahrscheinlicher Objekte und Bilder beschäftigt, muss die gewünschte Bildkompetenz auf unwahrscheinliche Bilder funktional gerichtet bleiben. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn die Kernfragen der Ausbildung sich auf die Bildstrategien richten. Der Begriff der Bildkompetenz wurde wie folgt definiert: Bildkompetenz beschreibt latente Persönlichkeitsmerkmale. Sie bezeichnet Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten in variablen Situationen und Prozessen der Bildproduktion, -distribution und –rezeption.

132 | BILDKOMPETENZ

Bildkompetent ist also derjenige, der Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf Bilder in variablen Situationen von Bildproduktion, -distribution und -rezeption zur Anwendung bringen kann. Die folgenden Thesen zur Bildkompetenz sind Markierungen des Forschungsprojekts. Sie stecken einen Rahmen ab, in welchem die Ausbildung von Bildkompetenz, mit Blick auf aktuelle Bildformen, im Unterrichtsfach Kunst möglich werden kann.

T HESEN • • •









ZUR

B ILDKOMPETENZ

Bildkompetenz ist nicht nur eine Bildbetrachtungskompetenz, sondern wesentlich auch eine Bildproduktionskompetenz. Mittels schulischer Kunstvermittlung kann die Ausbildung von Bildkompetenz als eine Teilmenge des Unterrichts fokussiert werden. Die Kunstvermittlung kann einen Beitrag zur Bildkompetenz leisten, weil Bildstrategien und Bildformen hier reflektiert werden. Dies führt zu neuen Sichtweisen und macht kompetent für spätere, unbekannte Bilder. Die Ausbildung von Bildkompetenz muss sowohl in Richtung Bildrezeption als auch in Richtung Bildproduktion funktional sein. Durch die Betrachtung, Analyse und Interpretation wird Bildern Sinn gegeben. Mit der Bildproduktion erweitert sich das Konzept um eine intensive Form der Auseinandersetzung mit Bildern. Bildkompetenz ist nicht direkt beobachtbar. Gezeigt und beobachtet werden kann lediglich Bildperformanz, von welcher dann ein Rückschluss auf Bildkompetenz erfolgen kann. In der Kunstvermittlung finden Analysen und Interpretationen argumentativ statt. Kunst wird fachwissenschaftlich analysiert, um daraus ein Arsenal an Strategien aufzubauen, welches wiederum in einer kunstvermittlerischen Situation zur Anwendung kommt. Kunstvermittlung ist daher keinesfalls beliebig. Kunstvermittlung arbeitet ergebnisoffen. Heterogene Situationen und Ergebnisse sind ebenso möglich wie das Scheitern. Die Kunstvermittlung bildet somit ein vielfältiges Methodenbündel aus, welches ein vielfältiges (Re)Aktions-Spektrum erlaubt.

STRATEGIEN ZUR BILDKOMPETENZ | 133





Nicht nur Bilder sind Gegenstand im Kunstunterricht, sondern auch Konzeptkunst, soziale Plastik, etc. Auf dieser Grundlage kann das Konzept der Bildkompetenz, im Sinne eines erweiterten Bildbegriffs, ausgeweitet werden. Kunst arbeitet mit der Hervorbringung unwahrscheinlicher Produkte. Die Möglichkeiten zur Entfaltung kreativen Potenzials – wie z.B. die Transformation von Bildstrategien – kann auf andere Bereiche übertragen werden.

B ILDSTRATEGIEN

UND

B ILDKOMPETENZ

Die Hinwendung zum Konzept der Kompetenzen stellt eine Umstellung von Input- zur Outputsteuerung dar. Das Verhältnis von geplantem Input und erwartetem Output bleibt im Kunstunterricht allerdings weitgehend ungeklärt. Es wird davon ausgegangen, dass ein bestimmter Output, d.h. eine von Schülern zu erreichende Kompetenz, mit einem bestimmten Input zusammenhängt. Durch die fehlende Möglichkeit, Kompetenzen direkt zu messen ist der Zusammenhang nicht zu beweisen. Der Bildungswissenschaftler Jürgen Oelkers spitzt diese Aufstellung noch zu, indem er betont, dass es zwischen In- und Output keine echte Produktbeziehung gebe (vgl. Oelkers 2004, S. 111). Die Feststellung Oelkers versetzt das Fach Kunst hiermit in eine paradoxe Lage. Kunst soll der Hauptreferent, d.h. Input sein. Es ist die Aufgabe von Schule, Bildungsprozesse anzuregen, welche durch Kunst und Kultur den Horizont der Schüler erweitern. Gleichzeitig hat die Schule aber die Aufgabe, die Schüler auf die Anforderungen der Gesellschaft, der Lebens- und Arbeitswelt vorzubereiten und sie mit eben jenen Kompetenzen auszustatten, welche dafür notwendig sind. Soll der Kunstunterricht weiterhin die Kunst zu seinem zentralen Gegenstand haben, muss die Ausbildung von Bildkompetenz als eine Teilmenge des Unterrichts verstanden werden. Die Gewichtung der Kunst im Unterricht ist in den Ansätzen zum Fach unterschiedlich gewichtet. Dies kann im Vergleich historischer Positionen festgestellt werden. Eine besondere Abwendung von der Kunst lässt sich bei den Vertretern der Visuellen Kommunikation beobachten, welche im historischen Konzept des Kunstunterrichts eher eine Gefahr für die Schüler sahen und das Fach zugunsten des Schulfachs Visuelle Kommunikation am

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liebsten abgeschafft hätten1. Als eine kunstpädagogische Linie, welche durch ihr hohes Maß an Kunstaffinität auffällt, lässt sich der Ansatz von Gunter Otto anführen2. Die Kunst benennt Otto als Kernreferenz für seinen Ansatz. Er beschreibt sie als Sammelbecken von möglichen Strategien und Verfahren der absichtsvollen Mitteilung, der engagierten Stellungnahme zu und/oder der sensiblen Veränderung von Wirklichkeit (vgl. Otto 1983, S. 58). Das Schöpfen aus dem Sammelbecken von möglichen Strategien und Verfahren muss, nach Otto, die Grundlage der Ästhetischen Erziehung bilden. „Unterricht hätte dann unter anderem auch die Aufgabe, Bilder unter dem Gesichtspunkt zu analysieren, welche der für ihre Herstellung verwendeten Verfahren wieder herausgelesen werden und – vor allem – auch von Schülern benutzt werden können. In einem solchen Unterricht geht es darum, fertige Bilder wieder zurückzuverwandeln in Verfahren.“ (Otto 1983, S. 58)

Das Herauslesen von Verfahren der Kunst und die Verwendung dieser im Unterricht ist ein Konzept, welches sich in expliziter Form später bei Pierangelo Maset wiederfindet3. In Praxis, Kunst, Pädagogik. Ästhetische Operationen in der Kunstvermittlung (2001) beschreibt Maset den Prozess des Herauslesens von ästhetischen Operationen, d.h. von Verfahren und Strategien, aus Kunstwerken und erläutert, wie diese im Unterricht zur Anwendung kommen können. Ottos Vorgehensweise wird von Maset hier verfeinert und weiterentwickelt. Nicht nur Bildfragen auf der Ebene der zweidimensionalen Darstellung sind von diesen Entwicklungen abgedeckt, auch konzeptionelle Arbeitsweisen werden hier eingelöst. So wird es im Unterricht möglich, Bildideen konzeptionell umzusetzen oder mittels konzeptioneller Ansätze zu grafischen Bildlösungen zu gelangen. Wie bei Otto, können und sollen die Verfahren und Strategien bei Maset das Offene bahnen (vgl. Maset 2001b, S. 25). Er übernimmt eine Rückführung der Strategien und baut in seinen Ansatz die Möglichkeit ein, die extrahierten Verfahren im Sinne eines Samplings oder Recyclings (vgl. Maset 1995, S. 193) in neue Produktionsweisen zu wandeln. Diese Vorge-

1

Siehe Kapitel Visuelle Kommunikation.

2

Siehe Kapitel Gunter Otto.

3

Sowohl in Maset 1995, S. 193ff. als auch in Maset 2001b.

STRATEGIEN ZUR BILDKOMPETENZ | 135

hensweise hat den Vorteil, handlungsoffen zu sein und gleichzeitig nicht ins Beliebige zu führen. Das Analysieren und Transformieren künstlerischer Strategien geschieht argumentativ und ist daher nachvollziehbar. Diese Herangehensweise bietet sich auch für technikaffine Kunstformen an. Maset liefert hierzu einen kontrastiven Ansatz, welcher sich mit der „anderen Seite des digital-hygienischen“ befasst. Maset schlägt vor, den Schmutz als Referenten des Realen zu begreifen (vgl. Maset 1998a, S. 35). Dieser Ansatz versucht den Status des Realen gegenüber den künstlichen Simulacra abzusichern. Hervorbringungen von Computern sind hiernach immer sauber. Pixelstrukturen kann kein Schmutz anhaften, da durch sie nur das Erwünschte darstellbar ist. In interdigitalen Bildformen fällt die Notwendigkeit der Realitätsversicherung allerdings weitgehend aus. Die Mischformen aktueller künstlerischer Arbeiten liefern diese Hinweise selbst. Wie gezeigt werden konnte, zielen viele Künstler nicht darauf, perfekte Simulacra zu erschaffen, sondern vermischen analoge und digitale Bildstrategien. Aktuelle Bildformen und deren komplexe Strategien bilden damit Aufgabe und Herausforderung für das Fach Kunst. Digitale Bilderzeugung hat die analogen Bildverfahren nicht ersetzt, sondern das Strategienarsenal der Bildproduktion und -rezeption erweitert. So finden sich aktuelle Bildaufgaben vorrangig in der Kombination analoger und digitaler Verfahren. Die Bewältigung dieser Bildaufgaben ist die entscheidende Aufgabe zukünftiger Generationen. Neue Aufgaben liegen dann darin, die in einem Medium zur Verfügung stehenden Verfahren in einem anderen Medium umzusetzen. Die Redundanz der Bildstrategien4 wird durch den Umgang mit interdigitalen Bildformen entwickelt. Im Fach Kunst kann eine komplexe Form von Bildkompetenz befördert werden, wenn die Fähigkeiten und Fertigkeiten auch in der Transformation von analog nach digital (oder umgekehrt) nutzbar gemacht werden können. Die Transformation von Bildstrategien stellt ein besonders komplexes Bildhandeln dar und ist kennzeichnend für ein hohes Level von Bildkompetenz.

4

Redundanz der Bildstrategien beschreibt die Austauschbarkeit der Strategien im analogen und digitalen Bildhandeln. Strategien des analogen, wie das Skizzieren mit einem Bleistift, können, wenn keine passende andere Strategie zur Verfügung steht, auf das digitale Übertragen werden.

Fazit

Die Ausbildung von Bildkompetenz ist Teil des Unterrichts an Schulen. Gesetzlich geregelt sind die Ziele zwar, dies aber in sehr abstrakten Formulierungen1. Die Konzepte zur Ausbildung von Kompetenzen und insbesondere auch Bildkompetenz bedürfen der Interpretation. Aktuelle Bildformen operieren mit vielfältigen Strategien. Diese verstehen und anwenden zu können ist für eine sensibel gestaltende Teilhabe an einer zeitgenössischen Gesellschaft notwendig. Im Spektrum aktueller Verfahren zur Bildherstellung, -manipulation und -distribution verfeinern sich die Möglichkeiten visueller Kognition. Die Anwendung der genannten Bildverfahren kann der Unterricht in der Schule lehren. Die Ausbildung von Bildkompetenz ist daher Aufgabe und Herausforderung für das Fach Kunst. Aufgabe, weil Bildverfahren gelernt und gelehrt werden müssen; Herausforderung, weil Bildkompetenz wie alle Kompetenzen eine Zuschreibung ist, die sich der direkten Beobachtbarkeit entzieht und daher über die Performanz diagnostiziert werden muss. Das Paradigma Kunstvermittlung, so konnte die Arbeit zeigen, bringt für die Schule besonders an zwei Verbindungspunkten Vorteile: Im Verhältnis von Schülern und Kunst wie auch für das Verhältnis von Kunst und Bildkompetenz. Durch die Kunstvermittlung kann Schülern ein Bezug zur Kunst eröffnet werden, der über die Form der operationalisieren Kunst im Unterricht hinausreicht. Es entsteht Raum für das Kunsthafte, welches durch eben jene eindimensionale Operationalisierung von Kunst verhindert würde. Mittels Kunstvermittlung gelingt es, die komplexen Strategien neuer bildgebender Verfahren in den Unterricht zu bringen. 1

Beispielsweise im Niedersächsischen Schulgesetz (NSchG) §2 – Bildungsauftrag der Schule.

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Die Besonderheit dieses Konzeptes, nämlich vom Anteil des Subjekts her zu verfahren, ermöglicht Teilhabe an einer komplexen bildgeprägten Gesellschaft. Mittels der Kunst lassen sich die immer neuen Verfahren nicht nur erfahrbar machen oder nachvollziehen. Die Kunstvermittlung schult das Verständnis selbst aktiv und fein wahrnehmend die bildgeprägte Gesellschaft mitzugestalten. Kunstvermittlung ist dabei nicht beliebig, muss aber für dieses Vorhaben Wege ins Offene bahnen und vielfältige Handlungsvarianten zulassen. Gegen den Sinn einer technischen Operationalisierung von Kunst kann es damit gelingen, Bildkompetenz zu befördern ohne das häufig so fruchtbare ‚Fehlen‘ in der Kunst auszusparen, aus welchem so häufig Möglichkeiten zur Fortsetzbarkeit entstehen (vgl. Sturm 2004, S. 201). Die Ausbildung von Bildkompetenz ist als Teilmenge im Fach Kunst zu verorten. Hierzu gibt es im Fachdiskurs bereits gute Ansätze. Diese Arbeit konnte zeigen, dass ein auf Bildstrategien ausgerichteter Ansatz gut mit den bisherigen Konzepten zur schulischen Kunstvermittlung zu kombinieren ist. Das methodische Vorgehen schlägt dabei auch eine Brücke zu den Bildwissenschaften, welche für die Bildkompetenz eine wichtige Referenz bilden. Als zentrale Ergebnise dieser Arbeit können in kurzer Form zusammengefasst werden: • •





Aktuelle Bildformen unterliegen einem schnellen Wandel. Analoge und digitale Strategien werden vermischt und führen zu komplexen Bildern. Zeitgenössische künstlerische Beschäftigungen finden grundsätzlich vor dem Hintergrund der Möglichkeiten neuer Technologien statt. Die dargestellte Entwicklung aus dem Bereich technischer bildgebender Verfahren lässt darauf schließen, dass diese Entwicklung weitergeht. Kunst bringt die Wahrnehmung auf den neuesten Stand, da sie uns zwingt, uns im Wahrnehmen immer wieder anzupassen und weiterzuentwickeln. Mit dem Bildraummodell wird ein Ordnungssystem vorgeschlagen, mit welchem aktuelle Bildformen kategorisiert und in Relation gebracht werden können.

FAZIT | 139









Die Konzepte zur Bildkompetenz müssen daher im Zeichen eines erweiterten Bildbegriffs geschehen und damit über die Auseinandersetzung mit flachen und starren Bildträgern hinausreichen. Bildkompetenz ist nicht mit visueller Kompetenz gleichzusetzen. Die visuelle Kompetenz ist von der Ebene des Bildhaften unabhängig, während Bildkompetenz direkt darauf verweist. Bildkompetenz entzieht sich als latente Eigenschaft der direkten Beobachtung und bleibt, wie alle Kompetenzen, im Bereich der Zuschreibung. Das, was ein Schüler zeigt, ist als Performanz von der Kompetenz zu unterscheiden. Die Ausbildung von Bildkompetenz entlang künstlerischer Bildstrategien stellt sich als ein lohnendes Projekt dar. Bildstrategien aktualisieren sich, wie die Untersuchung zeigt an aktuellen technischen Möglichkeiten. Die Strategien bleiben dabei übertragbar und sind damit für die Ausbildung von Bildkompetenz besonders geeignet.

Für das Fach Kunst ergibt sich durch die schulische Kunstvermittlung die Möglichkeit, einen Beitrag zur Bildkompetenz zu leisten, welcher die Kunst nicht operationalisiert, sondern mit ihr verfährt. Der von Gernot Böhme beschriebenen Musealisierung der Bilder und dem damit verbundenen Nichtumgang mit Bildern (vgl. Böhme 2004, S. 86) wird hierdurch entgegengewirkt. Die Begriffe Kunstvermittlung und Bildkompetenz können so zusammengebracht werden. Christina Griebel hat hierzu 2006 in ihrer Arbeit Kreative Akte einen wichtigen Beitrag geleistet, indem sie die positive Verbindung von Kreativität und Kompetenzen darlegte. Demnach steigert die Förderung der Kreativität auch die Problemlösekompetenz, gerade im Hinblick auf unkonventionelle Lösungen (vgl. Griebel 2006, S. 25). Dieses gilt es, durch zeitgemäß hergeleitete Konzepte zur Bildkompetenz zu verfolgen und durch den den Unterricht in Schulen zu vermitteln. Neue technische Bildformen verlangen eine komplexe Form von Bildkompetenz ab. Dem kann mittels Konzepten der Kunstvermittlung begegnet werden. Die durch sie vermittelten Fähigkeiten und Fertigkeiten ermöglichen einen sensible und aktive Teilnahme an der heutigen bildgeprägten Gesellschaft.

Mögliche Unterrichtsprojekte

Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse sollen an dieser Stelle mögliche Unterrichtsprojekte kurz angerissen werden. Sie sind als Skizzen zu verstehen, wie Vermittlungsprojekte zwischen Kunst und Bildkompetenz durchgeführt werden können. Es werden also keine konkreten Unterrichtsanleitungen gegeben. In den hier vorgestellten Unterrichtsprojekten wird gezeigt, wie Kunstvermittlung im Zeichen neuer Technologien und mit Blick auf die Ausbildung von Bildkompetenz funktionieren kann. Hierbei liegt der Schwerpunk nicht auf der Verwendung digitaler Medien, sondern auf der Erprobung aktueller Bildstrategien. Die Thesen zur Bildkompetenz sollen hier zur Anwendung gelangen.

ANALOG - DIGITALE Z EICHNUNGEN Ausgehend von der Arbeit der Künstlerin Susanne Britz sollen Versuche mit digitalen Zeichnungen angefertigt werden. Die Strategie, mit welcher Britz in ihren Arbeiten vorgeht, können dabei von den Schülern nachvollzogen und erweitert werden. Die Art der Bildherstellung und –manipulation, welche die Künstlerin für ihre Bilder nutzt, ist dazu die erste Stufe. Digitale Bilder werden in einem Computerprogramm1 geöffnet und zeichnerisch bearbeitet. Statt Flächen zu füllen, werden Linien gezogen. Das digitale Bild wird von den Schülern mit mehreren Ebenen überlagert. Britz verwendet in ihren Zeichnungen untersuchende Linien. Diese teilen ein, begleiten, durchkreuzen, setzen sich fort, begrenzen, erkunden, fra1

Als Beispiel die Bildbearbeitungssoftware Adobe Photoshop, Gimp oder auch Microsoft Paint.

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gen, betonen, etc. Die überlagerten Linien geben damit dem Bild eine weitere Bedeutungsebene und markieren eine ästhetische Setzung. Die Farbauswahl kann den Farben im Bild angepasst oder entgegengesetzt werden. Die Linien sind ebenso nicht beliebig, sie markieren Referenzen zur bildinternen Physik, wenn beispielsweise ein Gefälle markiert wird. Das Unterrichtsvorhaben kann dabei mit Aufgabenstellungen vorangetrieben werden, welche in die Richtung gehen, eben jene Bildphysik in einem eigenen Bild auszumachen, welches die Schüler mitgebracht haben. Es könnten aber auch bestimmte Objekte im Bild markiert werden, welche beispielsweise in einer bestimmten Perspektive zu sehen wären oder welche Gegenstände aus demselben Material sind. Die Arbeitsanweisung kann dabei so freigestellt werden, dass die Schüler ihre eigene Regel für das Bild finden und diese im Bild markieren. Ausgangsbild und überlagerte digitale Zeichnungen ergeben ein Gefüge, welches zu einem komplexen Bild zwischen analog und digital führt. Das digitale Foto wird mit Zeichnungen überlagert, die einer analogen Vorgehensweise folgen. Hier entsteht eine interdigitale Bildform, welche vielfältige Referenzen aufweist. Analoge Strichführungen und eine Herangehensweise, die stark an das händische Überzeichnen angelehnt ist, trifft auf die digitaltypische Linie, welche entsteht, wenn die Hand eine Computermaus führt. Es ist zu erkennen, dass sie analogisch angelegt aber durch das digitale Medium zum Ausdruck kommen. Auf dieser Basis können im Unterricht weitere Themengebiete angestoßen werden. Wie und wozu werden Bilder überzeichnet? Was wird damit markiert? Was sind typische Merkmale einer analogen bzw. einer digitalen Bildbearbeitung? Ebenso interessant ist das Moment der Zeichnung, welches in der Arbeit angelegt ist. In welchem Verhältnis steht die analoge zur digitalen Zeichnung? Gibt die Art der Linienführung Aufschluss darüber, ob sie analog oder digital entstanden ist?

D IGITALE M ALEREI Wie auch beim digitalen Zeichnen können Strategien der Malerei auf digitale Medien übertragen bzw. auf diese angewandt werden. Im Katalog Malerei ohne Malerei (Luckow et al. 2002), welcher zur gleichnamigen Aus-

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stellung herausgegeben wurde, wird gezeigt, dass vielen Bildern malerische Strategien inhärent sind, auch dann, wenn sie auf analoge Bildträger aufgebracht sind. Die im digitalen Bildbearbeitungsprogramm Photoshop enthaltenen Werkzeuge sind bereits ein deutlicher Hinweis darauf, dass die digitale Bildbearbeitung von der analogen Vorlage aus entwickelt wurde. Pinsel finden sich hier ebenso wie eine Schere oder Lineal. Zahllose zusätzliche Effekte geben Aufschluss über die malerische Konzeption der Software: Pointillismuseffekte, Sepiaeffekte, Pastelleffekt, usw. Die Effekte sind zwar nur bedingt geeignet, um zu innovativen Bildlösungen zu gelangen, interessant ist aber, dass die Art der Bildmanipulation an klassische Verfahren der Malerei angelehnt zu sein scheint. Das Vorbild für die digitale Bildbearbeitung ist also analog. Eine andere Wendung erfährt die digitale Malerei mit der neuen Ausstellung des Künstlers David Hockney, welcher jüngst seine iPad-Bilder vorstellte. Die auf dem Computer hergestellten Bilder sind von Hockney buchstäblich mit dem Finger gemalt. Dieses Verfahren beschreibt der Künstler selber mit einer Rückführung der Malerei zum Haptischen. Hockney beschreibt den malerischen Prozess dabei als sehr intensiv und direkt, obwohl er es nicht mit echter Farbe zu tun hat, sondern mit digitaler Farbe auf einem Computerbildschirm. Entscheidender Faktor bei Hockney ist die Bedienung des Gerätes. Die malerischen Strategien können dabei mit einem beliebigen Programm in ähnlicher Weise erprobt werden. Die Erprobung analoger Bildstrategien im digitalen Medium bildet den Ausgangspunkt für vielfältige bildnerische Verfahren. Das Gewicht liegt dabei nicht auf der Motivwahl oder einer bestimmten Farbgebungen, sondern darauf, welche Strategien die Schüler mit dem jeweiligen Medium verbinden.

R EVERSE E NGINEERING Technische Geräte bzw. neue Medien sind heute so komplex geworden, dass sie sich häufig dem direkten Zugriff entziehen. Eine Aneignung im eigentlichen Sinn ist häufig nicht möglich. Viele Medien sind nur nach

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vorgeschriebenen Regeln zu benutzen oder sogar in ihren Inhalten zensiert2. In immer kompakteren Platinen, Kondensatoren und Chips entschwinden die elektronischen Bauteile dem Sichtbaren. Die technische Entwicklung hat dabei längst die Stufe überschritten, an welcher qualitative Innovation noch mit bloßem Auge sichtbar wäre. Neuerungen in technischen Geräten sind daher heute eher an einer verringerten Baugröße3 der Geräte insgesamt festzumachen. Das Design der Geräte, hier insbesondere das Interface, wird so zum zentralen Träger der Botschaft für Innovation. Kein neues technisches Gerät kommt auf den Markt, ohne das nicht ein Designer dafür gesorgt hätte, dass der nicht sichtbare, aber vorhandene Fortschritt, sichtbar und kommunizierbar wird. Design ist funktionell begründet, das trifft sowohl für das physische Aussehen eines Gerätes zu, wie auch für die Software. Es legt zudem einen Schutzschirm um das Gerät, welcher eine Aneignung im Sinne von das Gerät-macht-was-ich-will verhindert. Das Gerät wird von der Kategorie der Gebrauchsgegenstände (sind für den Menschen da) in die Kategorie der ästhetisch abgeschlossenen Objekte (der Mensch ist für die Geräte da) überführt. So verweigern sich die Geräte dem Zugriff und geben ihr Innerstes nicht preis. Reaktionen hierauf finden sich im Dismanteling bzw. Reverse Engineering4. Die Begriffe sind aus dem Bereich der Industriespionage bzw. dem Hacker-Jargon entlehnt und bezeichnen den Prozess des erkundenden Zerlegens von Geräten oder Programmcodes um Software zu entschlüsseln. Es findet Aneignung statt, die damit beginnt, Geräte unsachgemäß zu gebrauchen. Diese unsachgemäße Verwendung meint hier eine, welcher nicht vom Hersteller vorgeschrieben bzw. vorgesehen ist. In der Kunst findet sich diese Strategie beispielsweise beim Künstler Cory Arcangel. Dieser programmiert Spielkonsolen um und nutzt diese für seine Ausstellungen. Die Bilder und Installationen zeigen dann teils abstrakte aber auch gegenständ-

2

Wie beispielsweise der Computerhersteller Apple die Inhalte für seine Geräte in einem App-Store vertreibt, aber auch kontrolliert, was die Benutzer zu sehen bekommen und welche Funktionen sie benutzen können.

3

Als Beispiel ließe sich die Entwicklung im Bereich der Mobiltelefone der

4

Aus dem Englischen to dismantel § abbauen, zerlegen oder demontieren bzw.

letzten zehn Jahre anführen. reverse engineering § rückwärts gewandte Konstruktion oder Rückbau.

MÖGLICHE UNTERRICHTSPROJEKTE | 145

liche Bilder, welche meist einen starken Bezug zur grafischen Welt der Computerspiele haben. Es finden sich aber auch interaktive Installationen, welche der Künstler entwirft. Kern der Strategie ist das Durchbrechen des abgeschlossenen Objekts und das Bahnen einer Möglichkeit, das Gerät an sich zu verwenden. Es sind also zwei Bewegungsrichtungen, welche sich im Dismanteling bzw. Reverse Engineering feststellen lassen: • •

Rückwärtsbewegung – Ein technisches Objekt wird zurückgebaut. Das Objekt wird erkundet und seine Funktionsweise freigelegt. Vorwärtsbewegung – Dem Prozess des Rückbaus ist ein Fortschritt inhärent, da das neu geschaffene Objekt neues Design, Funktion und Verwendung aufweist.

Die Rückwärtsbewegung weist dabei eben jenes erkundende Element auf, welches als die Hervorbringung von Wahrscheinlichem bezeichnet werden kann. Ein Gerät wird zerlegt, um zu beweisen, was vermutet wird. Innerhalb der Vorwärtsbewegung hingegen ist ein ästhetisch-künstlerisches Potenzial festzustellen. Durch die Verwendung eines zerlegten Objekts ist die Möglichkeit einer neuen, unwahrscheinlichen, Funktion gegeben. Die Umsetzung in einer Vermittlungssituation scheint hier zuerst schwierig, da technische Hürden überwunden werden müssen und eine gezielte Veränderung in Programmabläufen von Spielkonsolen technisches Wissen erfordert. Die Herangehensweise über künstlerischen Strategien macht den Fall hier aber gangbar. Das Konzept des Reverse Engineering kann so, je nach Altersstufe der Schüler, an verschiedenen (technischen) Geräten erprobt werden.

I NFORMATIONS -S TRATEGIEN In weiterführenden Schulstufen könnte auch eine Auseinandersetzung mit aktuellen Stellungnahmen zum Informationszeitalter fruchtbar sein. Frank Schirrmacher fragt kritisch, ob die Computer nicht schon zu tief in das Denken eingebrochen sind und ob nicht ein großer Teil der täglichen Arbeitskraft in Netzwerken verschwendet wird, welche uns keinen Nutzen bringen, sondern Schaden zufügen (vgl. Schirrmacher 2009).

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Die von Schirrmacher getroffene Diagnose könnten überprüft und im Kunstunterricht erprobt werden. Wie abhängig sind wir von Computern und Mobiltelefonen? Wie sehr nutzen wir die durch das Internet ermöglichte Informationsvielfalt? Schirrmacher stellt in seinem Buch einige provokante Thesen auf, die sich zusammen mit Schülern prüfen ließen. Die Schüler hätten hierbei die Möglichkeit, direkt an ihren Alltag anzuknüpfen. Beinahe jeder Schüler ist heute von Internet und Telekommunikation umgeben, wie aber genau die Strukturen in den persönlichen Alltag einbrechen, könnte eine interessante Fragestellung ergeben. Die Frage wird besonders brisant dadurch, dass die wesentliche Informationsflut aus Bildern besteht und nicht aus Text. Das Unterrichtsprojekt zu Fragen des Informationszeitalters ist ein eher konzeptionelles Vorhaben. Strategien der Informations-Industrie können dabei untersucht werden. Arbeiten wie das Google-Streetview-Car können dabei zeigen, wie Bilder im Internet eingesetzt werden. Mittels dieser Bilder werden bestimmte Interessen verfolgt. Welche sind das? Wie kann diesen Strategien begegnet werden? Eine weitere Möglichkeit ist die Analyse der Strategien anhand grafischer Lösungen und die Übertragungen in Schaubilder. Weiter könnten eben die extrahierten Strategien auf den Schulalltag übertragen werden (Datensammlung, Statistik, usw.).

ÄSTHETISCHE I NFRASTRUKTUREN Angelehnt an das Projekt Laser Tagging könnte versucht werden, die Installation der Künstler nachzubauen. Da alle benötigte Software frei verfügbar ist und lediglich Computer benötigt würden, sollte das leicht gelingen. Die Künstler rufen auf ihrer Internetseite dazu auf, den Aufbau nachzumachen und damit zu experimentieren. Schüler würden durch den Aufbau nicht nur die Funktionsweise verstehen, auch andere Bildfragen lassen sich an der Installation behandeln. Eine Gruppe Schüler könnte für die Dokumentation zuständig sein und würde sich so die Aufgabe vornehmen, das Lichtgrafitti zu fotografieren. Eine weitere Möglichkeit ist die Einbindung einer Informatik-Klasse. Hier könnte das Programm umgeschrieben werden und so neue Möglichkeiten im Projekt geschaffen werden. Den Schülern würden so Handlungsmöglichkeiten gegeben, welche weit über die vorge-

MÖGLICHE UNTERRICHTSPROJEKTE | 147

gebenen Dimensionen des Programms hinausreichen. Angelehnt an das Kunstwerk würde hiermit eine, von den Schülern geschaffene, ästhetische Infrastruktur entstehen, in welcher sie sich bildproduzierend, -rezipierend und -distribuierend verhalten können.

Ausblicke

Die Mess- und Überprüfbarkeit von Kompetenzen wird in Zukunft noch Raum für Forschung bieten. Es ist nicht zu erwarten, dass der Paradigmenwechsel von Input- zur Outputsteuerung in den Schulen in absehbarer Zeit zurückgenommen wird. Für das Fach Kunst ist mit dieser Umstellung der Begriff Bildkompetenz zu einer besonderen Prominenz gelangt. Wie die Durchsicht aktueller Veröffentlichungen zum Thema zeigte, setzt sich Bildkompetenz aus einer Reihe von Teilkompetenzen zusammen. Eine Aufstellung dieser Teilkompetenzen hat 2008 der BDK (Fachverband für Kunstpädagogik e.V.) vorgenommen. Es werden hier die Bildungsstandards im Fach Kunst für den mittleren Schulabschluss vorgeschlagen1. In diesen sind die Orientierung in der heutigen bildgeprägten Welt und die Erlangung von Bildkompetenz als zentrale Aufgaben im Fach Kunst markiert. Der Kunstpädagoge Manfred Blohm kritisiert allerdings, dass die vom BDK geforderten Standards zwar für eine bildungspolitische Argumentation des Faches brauchbar sind, für eine inhaltlich fundierte Auseinandersetzung aber wenig taugen (vgl. Blohm 2009, S. 2). Eben diese Notwendigkeit zur inhaltlichen Auseinandersetzung bietet Raum für anschließende Forschungsprojekte. Mit dieser Arbeit soll hierfür ein Beitrag geleistet sein. Eine mögliche Linie, welche weiter verfolgt werden könnte, ist die Entwicklung eines Verfahrens zur Messung von Bildperformanz. Die Überprüfung von Kompetenzen ist, wie in der Arbeit dargelegt wurde, nur auf Umwegen bzw. über indirekte Messverfahren möglich. Dennoch wird hier als Desiderat markiert, solche Tests zu entwickeln, mit welchen sich Aussagen über relevantes Verhalten in Bezug auf Bildkompetenz treffen lassen. 1

Vgl. Fachverband für Kunstpädagogik e.V. 2008.

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Die Entwicklung dieser Test könnte in Kooperation mit Bild- und Neurowissenschaften begangen werden kann. Studien zur Visual Literacy, auch den Kunstunterricht betreffend, sind bereits erschienen2. Die hier erarbeiteten Konzepte könnten auf Anschlussfähigkeit bzw. Überschneidungen zum Konzept der Bildkompetenz geprüft werden. Nicht zuletzt steht eine Erprobung der Strategien zur Bildkompetenz aus, welche im Rahmen des Kunstunterrichts an einer Schule erfolgen sollte. Das Bildraummodell soll hierbei zur Kategorisierung technikaffiner Bildformen genutzt werden. Die Reichweite des Modells kann hierdurch validiert und die Skalierung verfeinert werden. Mittels unterrichtspraktischer Versuche sollte über empirische Methoden hier ein weiteres Vorgehen gelingen. Die weitere Beschäftigung kann aber auch mittels bildwissenschaftlicher Forschungsprogramme in der Schule fortgesetzt werden. Die Software Meta Image3 bietet die Möglichkeit kunstwissenschaftlich zu arbeiten. Sie kann zudem leicht in der Schule eingesetzt werden und bietet mit einer Verknüpfung zu aktuellen Bilddatenbanken einen sehr großen Fundus an Bildmaterial.

2

So z.B. bei Ko Hoang 2000 oder Brenne 2008.

3

http://www2.leuphana.de/meta-image/ (23.3.2011).

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Dank

Bildkompetenz. Kunstvermittlung im Spannungsfeld analoger und digitaler Bilder wurde Ende 2011 an der Leuphana Universität Lüneburg als Dissertation angenommen. Ich habe bei diesem Projekt viel Unterstützung erfahren. Ich danke der Leuphana Universität Lüneburg, die mich mit einem Promotionsstipendium gefördert hat. Ebenso danke ich den Betreuern meiner Arbeit, Prof. Dr. Pierangelo Maset, Prof. Dr. Martin Lenz-Johanns und Jun.-Prof. Dr. Sara Burkhardt, sowie dem Doktorandenkolloquium Kunstund Bildwissenschaften. Mein Dank gilt auch denen, die mich in so vielfältiger Weise unterstützt haben. Meinen Eltern Brigitte und Karl-Heinz Schaper, meiner Familie und ganz besonders Aileen Stahl.

Image Thomas Abel, Martin Roman Deppner (Hg.) Undisziplinierte Bilder Fotografie als dialogische Struktur Dezember 2012, ca. 280 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1491-6

Lilian Haberer, Annette Urban (Hg.) Bildprojektionen Filmisch-fotografische Dispositive in Kunst und Architektur April 2013, ca. 220 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1711-5

Katja Hoffmann Ausstellungen als Wissensordnungen Zur Transformation des Kunstbegriffs auf der Documenta 11 Januar 2013, ca. 496 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 39,80 €, ISBN 978-3-8376-2020-7

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Annette Jael Lehmann Environments: Künste – Medien – Umwelt Facetten der künstlerischen Auseinandersetzung mit Landschaft und Natur Dezember 2012, ca. 250 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1633-0

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Doris Guth, Elisabeth Priedl (Hg.) Bilder der Liebe Liebe, Begehren und Geschlechterverhältnisse in der Kunst der Frühen Neuzeit August 2012, 340 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1869-3

Juni 2012, 242 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-2008-5

Doris Ingrisch Wissenschaft, Kunst und Gender Denkräume in Bewegung Dezember 2012, 204 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-2197-6

Dietmar Kammerer (Hg.) Vom Publicum Das Öffentliche in der Kunst Mai 2012, 246 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1673-6

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Kerstin Schankweiler Die Mobilisierung der Dinge Ortsspezifik und Kulturtransfer in den Installationen von Georges Adéagbo Dezember 2012, 328 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 36,80 €, ISBN 978-3-8376-2090-0

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Essen Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 1/2012

Mai 2012, 202 Seiten, kart., 8,50 €, ISBN 978-3-8376-2023-8 Der Befund zu aktuellen Konzepten kulturwissenschaftlicher Analyse und Synthese ist ambivalent. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften bietet eine Plattform für Diskussion und Kontroverse über »Kultur« und die Kulturwissenschaften – die Gegenwart braucht mehr denn je reflektierte Kultur sowie historisch situiertes und sozial verantwortetes Wissen. Aus den Einzelwissenschaften heraus wird mit interdisziplinären Forschungsansätzen diskutiert. Insbesondere jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kommen dabei zu Wort. Lust auf mehr? Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften erscheint zweimal jährlich in Themenheften. Bisher liegen 11 Ausgaben vor. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften kann auch im Abonnement für den Preis von 8,50 € je Ausgabe bezogen werden. Bestellung per E-Mail unter: [email protected]

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