Betrieb und Gesellschaft: Soziale Betriebsführung [1 ed.] 9783428401123, 9783428001125

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Betrieb und Gesellschaft: Soziale Betriebsführung [1 ed.]
 9783428401123, 9783428001125

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Betrieb und Gesellschaft Soziale Betriebsführung

Herausgegeben von

Josef Kolbinger

Duncker & Humblot . Berlin

Betrieb und Gesellschaft

Betrieb und Gesellschaft Soziale Betriebsführung

herausgegeben von

Dr. Josef K o l b i n g e r o. Professor der Betriebswirtschaftslehre

D U N C K E R

& H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Hechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten © 1966 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1966 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Einführung

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Soziale Betriebsführung

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Professor Dr. Oswald von N e l l - B r e u n i n g S. J., F r a n k f u r t / M a i n „Betriebliche Sozialpolitik u n d soziale Betriebspolitik"

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Dozent Dr. L. A d o l p h Geck, Aegidienberg „Soziale Betriebsführung nach den Grundsätzen einer Seinstheologie des Industriebetriebes"

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Professor Dr. Josef Kolbinger, Mannheim „Soziale Betriebsführung — Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft" (Über das Verhältnis von „Sozialem" u n d „Wirtschaftlichem") . .

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Der Unternehmer als Träger sozialer Betriebsführung

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Professor Dr. Walter Heinrich, W i e n „Betrieb u n d Unternehmer vor den Toren einer neuen Z e i t "

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Dieter Fertsch-Röver, F r a n k f u r t / M a i n „Probleme der Förderung u n d Auslese des unternehmerischen Nachwuchses i m Sinne sozialer Betriebsführung" 109

Der Arbeitnehmer als betrieblicher Sozialpartner

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Professor Dr. Guido Fischer, München „Theorie u n d Praxis der betrieblichen Partnerschaft"

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Gert P. Spindler, H i l d e n „Unternehmensführung zwischen Wettbewerb u n d sozialer Verpflichtung"

139

Arbeitsdirektor Ing. A d o l f Jungbluth, Salzgitter „Realisierung der Vorstellungen über Mitwissen, Mitdenken, M i t w i r ken, M i t v e r a n t w o r t e n u n d Mitbestimmen i n der Wirtschaftspraxis" 147 Dr. Herbert Ehrenberg, F r a n k f u r t / M a i n „Vermögensbildung f ü r Arbeitnehmer als Bestandteil gewerkschaftlicher Einkommenspolitik" 157

Einführung Die vorliegenden Beiträge wurden vor ihrer Drucklegung i m Sommersemester 1965 i n Form von Referaten i m Rahmen des Seminars für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre des Herausgebers an der W i r t schaftshochschule Mannheim vorgetragen. Die nachträgliche Niederschrift hat allerdings manche Veränderung gebracht, nicht zuletzt angeregt durch die Diskussionen zwischen Studentenschaft und den Vortragenden. Damit wurde auch der eigentliche Zweck dieser Vortragsreihe erreicht: Ein Kontaktgespräch zwischen Hochschule und Betriebspraxis, von Hochschullehrern und Studenten einerseits, Exponenten der „Sozialpartner" andererseits, herbeizuführen. Die Gesamtthematik gliedert sich i n drei miteinander eng verbundene Themengruppen. I n den Beiträgen von O. v. Nell-Breuning, L. A. Geck sowie des Herausgebers handelt es sich u m die Beleuchtung des Rahmenthemas i n seiner Gesamtheit, wobei freilich bestimmte Schwerpunkte zu verzeichnen sind. So behandelt v. Nell-Breuning vor allem die Frage „Sozialer Betriebsführung" i n ihrer begrifflichen Struktur, während Geck die anstehende Problematik auf die letzten theoretisch faßbaren Wurzeln zurückführt: „Soziale Betriebsführung" als Ausfluß kategorialer Baugesetze des Seins, eben auf der Grundlage einer „Seinstheologie des Industriebetriebes" (Industriebetrieb mehr als Prototyp der Industriegesellschaft, denn als themenbeschränkendes Sonderobjekt der Betriebsführung gesehen). Dem Herausgeber schließlich mußte es i n diesem Zusammenhang insbesondere u m die Frage der Beziehung von „Sozialproblematik" und „Betriebswirtschaftslehre", letztlich u m die Frage nach der Stellung von „Sozialem" und „Wirtschaftlichem" i m Rahmen dieser Fachwissenschaft gehen. Von hier ausgehend, verzweigt sich die Thematik und wendet sich den Hauptbeteiligten zu, die durch das anstehende Problem betroffen sind: „Der Unternehmer i n der Industriegesellschaft" und „Der Arbeitnehmer als Sozialpartner". W. Heinrich sieht i n der heutigen Entwicklung eine Durchdringung der gesamten Wirtschaftsgesellschaft m i t einem unternehmerisch-initiativen Prinzip, womit ein Weg vom Taylorismus zum Mitunternehmertum i n seinen verschiedensten Formen

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Einführung

gewiesen scheint. Hiermit ist auch die Frage nach den neuen Ausbildungswegen für den Unternehmer gestellt, der diesen neuen Anforderungen einer an Dynamik ständig zunehmenden Wirtschaft gewachsen ist. M i t dieser Thematik beschäftigt sich D. Fertsch-Röver. Damit aber stehen w i r an der Schwelle des dritten Themenkreises: Die Suche nach sinnvollen neuen Formen der Zusammenarbeit i m Betriebe zwischen allen Etagen der betrieblichen Hierarchie. G. Fischers Thema „Theorie und Praxis der betrieblichen Partnerschaft" zeigt eine mehr von bestimmter Unternehmerseite gemeinte Reform der Betriebsverihältnisse, nicht zuletzt i n arbeitsführungsmäßigorganisatorischer Hinsicht, verbunden m i t einer Neuordnung der Beteiligungsverhältnisse auf der Grundlage individueller Abmachungen zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer; letzterer soll i n die Rolle eines Mitunternehmers aufrücken, nachdem heute die herrschende Rechtsauffassung i m Arbeitsverhältnis überhaupt — i m Gegensatz zur liberalen Epoche — ein gesellschaftsähnliches Verhältnis (Hueck-Nipperdey) sieht. G. P. Spindler zählt zu jenen Unternehmern, die sich u m die V e r w i r k lichung der Partnerschaft besonders verdient gemacht haben und die Tradition von Freese, Zeiß, Abbé u. a. i n Deutschland fortsetzen. Dem stehen — nicht ohne weiteres antithetisch, immerhin aber weltanschaulich doch ganz anders orientiert — d i e kollektiven Mitbestimmungsgesichtspunkte gegenüber, wie sie unter dem Schlagwort „Gleiches Recht für Arbeit und Kapital" (Piechottka) seit den Zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts nicht mehr verstummt sind. I n diese Richtung zielt der vor allem das „Betriebsverfassungs-" und „Mitbestimmungsgesetz" auslegende Vortrag von A. Jungbluth. Unbeschadet der Bemühung u m eine Neuordnung des Rechtsstatus der (abhängigen) Arbeit i m modernen Betrieb zeigt sich zugleich die Tendenz, die Arbeitnehmer auch vermögensmäßig i n stärkerem Maße als bisher an der Wirtschaft zu beteiligen. Es ist eine offene Frage, ob und inwieweit man die Verhaltensweise der durch das 1. und 2. „Vermögensbildungsgesetz" betroffenen Gesellschaftsschicht zu einem echten „Beteiligungssparen", anstatt des herkömmlichen, i n der Regel als Kontensparen geübten „Vorsorgesparens", zu ermuntern vermag. Hier liegt eine große soziale Erziehungsaufgabe beschlossen. Die Ausführungen von H. Ehrenberg zeigen jedenfalls klar und deutlich die mit der „Vermögensbildung der Arbeitnehmer" verfolgten Ziele und Hoffnungen auf und runden damit das B i l d ab, das sich heute dem

Einführung

Betrachter der „Soziallandschaft" und damit „Sozialer Betriebsführung" darbietet. A n dieser Stelle danke ich allen am Seminar Beteiligten sowie meinen Mitarbeitern und Studenten, vor allen Dingen den Vortragenden selbst, die trotz sicherlich großer anderweitiger Bürden die Mühe nicht scheuten, ein Seminar gestalten zu helfen, dessen Thematik untrennbar m i t der Weiterentwicklung des Menschen, ja seiner individuellen und sozialen Existenz überhaupt verbunden ist. Mannheim, i m Februar 1966 Josef Kolbinger

Soziale Betriebsführung

Betriebliche Sozialpolitik und soziale Betriebspolitik Von Oswald v. Nell-Breuning, S. J.

Manchen Autoren erscheint es als ein bloßes Spiel mit Worten, betriebliche Sozialpolitik und soziale Betriebspolitik zu unterscheiden; einige setzen sogar ausdrücklich beides m i t „sozialer Betriebsgestaltung" und damit auch untereinander gleich. M i r w i l l scheinen, hier handele es sich durchaus nicht u m ein Spiel m i t Worten, sondern i m Gegenteil u m bedenkliche Begriffsmengerei, und so besteht für mich guter Grund, betriebliche Sozialpolitik und soziale Betriebspolitik sauber zu unterscheiden. Mögen beide auch letztendlich ein und demselben Ziel dienen, sowohl ihrem Gegenstand als auch ihrem Umfang nach sind sie durchaus nicht dasselbe. Betriebliche Sozialpolitik erschöpft sich i n einer Mehr- oder Vielzahl von Einzelmaßnahmen, soziale Betriebspolitik dagegen besagt einen Wesenszug der gesamten betrieblichen Planung und Führung, ist also gegenüber der betrieblichen Sozialpolitik der bei weitem umfassendere Begriff. I. Betriebliche Sozialpolitik Dem Wortsinn nach besagt „betriebliche Sozialpolitik" die vom Betrieb getragene, sozusagen betriebseigene Sozialpolitik. Damit stellt sich die Frage, i n welchem Sinn und i n welchem Umfang der Betrieb denn überhaupt Sozialpolitik betreiben, Subjekt einer Sozialpolitik sein kann. Der Begriff „Sozialpolitik" ist i m Sprachgebrauch nicht eindeutig; er w i r d weiter und enger gefaßt. I m weiteren Sinn ist er gleichbedeutend m i t Gesellschaftspolitik und umfaßt alle Maßnahmen, die darauf abzielen, unsere Gesellschaft i n einem bestimmten, als richtig oder wünschenswert angesehenen Sinn zu gestalten. Sozialpolitik i m engeren (klassischen) Sinn dagegen umfaßt nur diejenigen Maßnahmen, mittelst deren i m Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung die Mängel und Unzuträglichkeiten, unter denen bestimmte gesellschaftliche Gruppen zu leiden haben, behoben oder doch so weit gemildert werden sollen, daß diese bestehende Ordnung auch für die Angehörigen dieser Gruppen erträglich und annehmbar ist, von ihnen bejaht und mitgetragen werden kann. Hierhin gehören bspw. die Einrichtungen der Sozialversicherung oder i n heutiger Sprechweise alles, was zur „sozialen Sicherheit" gerechnet wird.

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Oswald v. N e l l - B r e u n i n g

Subjekt der so verstandenen Sozialpolitik sind der Natur der Sache nach an erster Stelle die politischen Körperschaften, nach heutiger Lage der Dinge vor allem der Staat; i m strengen Wortsinn können die Betriebe gar nicht Subjekt dieser „offiziellen" Sozialpolitik sein. Nicht wenige Maßnahmen der offiziellen Sozialpolitik sind nun aber zuerst auf privater Grundlage erprobt und nach Bewährung vom Gesetzgeber übernommen und allgemein eingeführt worden, auch heute noch werden Maßnahmen vielfältiger A r t i n den Betrieben ausgedacht und ins Werk gesetzt, die unter Umständen einmal Aufnahme i n die offizielle Sozialpolitik finden werden. Insoweit sind die Betriebe also weitgehend „Vorläufer" der Sozialpolitik; soweit aber nur einzelne Betriebe nach ihrem Ermessen solches unternehmen, sind es verdienstliche, vielleicht vorbildliche soziale Maßnahmen, aber noch keine Sozialpolitik. Diese Maßnahmen zielen auch nicht wie die offizielle Sozialpolitik darauf ab, die bestehende gesellschaftliche Ordnung für die unter i h r leidenden gesellschaftlichen Gruppen annehmbar zu machen und diese so m i t ihr zu versöhnen, sondern wollen die eigene Belegschaft gegen Mißstände und Notlagen schützen, von denen sie betroffen werden können, wobei es keine Rolle spielt, ob diese Unzuträglichkeiten i n der gesellschaftlichen Ordnung als solcher oder i n der näheren Umwelt des Betriebs oder i n besonderen Verhältnissen des Betriebs selbst (z. B. branchen- oder betriebstypischen Unfall- oder Gesundheitsgefahren) ihre Ursache haben. Daß betriebliche Maßnahmen und daher auch eine betriebliche Sozialpolitik nicht zum Ziele haben können, die Gesellschaft i n eine neue, für besser gehaltene Ordnung zu überführen, m. a. W. daß die Betriebe keine Sozialpolitik i m Sinne von Gesellschaftspolit i k betreiben können, versteht sich von selbst; darüber sind keine Worte zu verlieren. Sind sozialpolitische Maßnahmen, gleichviel ob sie i n fortschrittlichen Betrieben entwickelt und vom Gesetzgeber übernommen wurden oder ob sie von vornherein staatlichen Ursprungs sind, einmal allgemein eingeführt, dann werden die Betriebe irgendwie an ihrer Durchführung beteiligt sein; insofern gibt es dann Sozialpolitik i n den Betrieben; die Betriebe sind jedoch nicht deren Subjekt, sondern handeln insoweit als Ausführende des Gesetz gewordenen staatlichen Willens. Hier kann man die Frage stellen, ob die Betriebe darauf beschränkt sind oder sich darauf beschränken sollten, die gesetzlich angeordneten Maßnahmen, soweit es ihrer M i t w i r k u n g dazu bedarf, durchzuführen, ober ob sie diese Maßnahmen von sich aus ergänzen, ob sie zugunsten ihrer Belegschaften zusätzlich noch weitere Maßnahmen i n die Wege leiten sollen, die sich auf die Begünstigten i n ähnlicher Weise auswirken wie die gesetzlich angeordneten. Ein Beispiel: soll ein Betrieb zusätzlich zur sozialen Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten noch eine

Betriebliche Sozialpolitik u n d soziale Betriebspolitik

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betriebliche Pensionskasse errichten? Das geschieht bekanntlich i n großem Umfang, nicht immer aus rein selbstlosem Wohlwollen für die A r beiter und Angestellten, gar nicht selten zum mindesten auch aus steuerlichen und anderen Erwägungen; jedenfalls, es geschieht, und i n der Regel werden w i r es gutheißen. Solche und ähnliche Maßnahmen pflegen heute ials „betriebliche Sozialpolitik" bezeichnet zu werden; Sozialpolitik i n dem oben definierten offiziellen Sinn sind sie jedoch nicht. I n diesen und ähnlichen Fällen t u n die Betriebe etwas, das dem sachlichen Gehalt nach den sozialpolitischen Maßnahmen des Staates durchaus ähnlich ist, vielleicht sogar sich m i t ihnen deckt. So mag man, obwohl die Zielsetzung nicht i m spezifischen Wortsinn „politisch" ist, dennoch von betrieblicher Sozialpolitik sprechen. Völlig unabhängig von der Nomenklatur aber bleibt die Frage bestehen, ob ein derartiges Tun der Betriebe als erwünscht anzusehen ist oder nicht. I n gewerkschaftlichen Kreisen steht man i h m zwar nicht grundsätzlich ablehnend, aber vielfach doch recht kritisch gegenüber; man spricht da gern von „sozialem K l i m b i m " und sähe die von den Betrieben dafür aufgewendeten „Lohnnebenkosten" lieber als baren Lohn i n den Lohntüten der Arbeitnehmer; auf diese Weise, so w i r d gesagt, kämen diese Aufwendungen gleicherweise allen zugute und hätte jeder einzelne die Möglichkeit, die eingesetzten M i t t e l der für i h n persönlich nützlichsten Verwendung zuzuführen. Gewiß w i r d es so sein, daß manche Betriebsinhaber oder Betriebsleiter i n unerleuchtetem Eifer Einrichtungen geschaffen haben, deren Nutzen von den Belegschaften — gleichviel ob zu Recht oder zu Unrecht — nicht so hoch eingeschätzt w i r d wie die dafür aufgewendeten Beträge. Die Ablehnung versteift sich, wenn die Maßnahmen darauf angelegt erscheinen, die Belegschaft an den Betrieb zu binden, wie dies beispielsweise bei Werkswohnungen, kraft Satzung aber auch bei manchen Kassen und Unterstützungseinrichtungen der Fall sein kann. Grundsätzlich ist es selbstverständlich zu begrüßen, wenn die Betriebe gut durchdachte und wirklich hilfreiche Einrichtungen solcher A r t ins Leben rufen. Grundsätzlich ist es auch nicht zu verdammen, wenn sie i m Wettbewerb u m Arbeitskräfte sich solcher Maßnahmen bedienen, u m Arbeitskräfte an sich zu ziehen. Gerade i n letzterem Fall aber ist es klar, daß sie hier nicht m i t dem Staat zusammen oder neben dem Staat als Subjekte der Sozialpolitik auftreten. Selbst da aber, wo die Betriebe durch die betriebliche Sozialpolitik Maßnahmen der staatlichen Sozialpolitik ergänzen oder selbst künftige Maßnahmen der staatlichen Sozialpolitik vorwegnehmen, ist das nicht neben der staatlichen eine „betriebliche" species des gleichen Oberbegriffs „Sozialpolit i k " , sondern es sind grundverschiedene Dinge: die staatliche Sozialpolitik ist i m spezifischen Sinne „ P o l i t i k " ; sie zielt auf die gesell-

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Oswald v. N e l l - B r e u n i n g

schaftliche Ordnung als ein Ganzes, sei es auf deren Erhaltung oder Fortbildung oder selbst grundlegende Umgestaltung; sie zielt auf das allgemeine Wohl. Die betriebliche Sozialpolitik zielt auf die eigene Belegschaft, auf deren und des arbeitgebenden Betriebs privates Wohl, was keineswegs ausschließt, daß sie mittelbar auch dem allgemeinen Wohl zustatten kommt. Ob und inwieweit nach Maßnahmen solcher A r t , wie sie von den Betrieben neben den „gesetzlichen" als (tarifliche oder) „freiwillige Sozialleistungen" verbucht werden, ein Bedürfnis besteht, ist Tatfrage. Was der Staat i n seine Hände nimmt, brauchen die Betriebe nicht mehr zu tun, können es meist gar nicht mehr tun; der Staat entzieht es ihnen. Wie weit der Staat m i t Rücksicht auf das allgemeine Wohl dabei gehen soll, m. a. W. i n welchem Umfang es gerechtfertigt ist, daß der Staat durch seine Maßnahmen gewisse Übelstände bekämpft oder Bedürfnisse der sog. „sozial schwachen" Bevölkerungskreise befriedigt, und inwieweit er besser daran täte, dies der privaten Initiative, hier speziell der Betriebe, zu überlassen, wie weit er darauf rechnen könnte, daß dank ausreichenden privaten (hier: betrieblichen) Maßnahmen Nachteile, die aus unserer gesellschaftlichen Ordnung für bestimmte Gruppen (hier: für die Arbeitnehmerschaft) sich ergeben könnten, gar nicht entstehen oder doch nicht fühlbar werden, das ist eine Frage, die tief i n grundsätzliche Meinungsgegensätze hineinführt und hier nicht weiter zu verfolgen ist. Fazit: spezifische Maßnahmen der Betriebe m i t dem Ziele, Notlagen oder Mißständen abzuhelfen, von denen ihre Arbeitnehmer als Angehörige einer „sozial schwachen" oder doch als „sozial schwach" angesehenen gesellschaftlichen Gruppe betroffen werden können, oder ihnen behilflich zu sein, u m Ziele zu erreichen oder berechtigte Wünsche zu erfüllen, die ihnen ohne organisatorische oder/und finanzielle Beihilfe unerreichbar bzw. unerfüllbar wären, sind weder grundsätzlich zu fordern noch grundsätzlich abzulehnen; entscheidend ist die Tatfrage, ob ein Bedürfnis danach besteht und ob die jeweils getroffenen oder erwogenen Maßnahmen geeignet sind, diesem Bedürfnis Genüge zu tun. II. Soziale Betriebspolitik Sprechen w i r von „sozialer Betriebspolitik", so ist klar, daß es sich nicht u m „ P o l i t i k " i m spezifischen, von der ,polis' hergeleiteten Sinn handelt, sondern u m eine „Politik", die nichts anderes bedeutet als ein weitblickendes, planmäßiges, ständig von der Klugheit geleitetes und immer wieder überprüftes Handeln, dessen Subjekt, wie der Name

Betriebliche Sozialpolitik u n d soziale Betriebspolitik

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„soziale Betriebspolitik" ausdrückt, die Betriebe sind und niemand anders. Solch zielklares und dabei doch die stets sich wandelnden tatsächlichen Gegebenheiten klug berücksichtigendes Handeln muß jeder Betrieb, muß jede Betriebsleitung nach zahlreichen Richtungen h i n entfalten. Gehört dazu, das ist die hier zu beurteilende Frage, auch die Richtung auf das, was man als „sozial" oder „das Soziale" zu bezeichnen pflegt? Die A n t w o r t liegt auf der flachen Hand. Der Betrieb ist als solcher ein Sozialge bilde; die betriebliche Leistungserstellung erfolgt i n sozialer Kooperation. Funktionsfähig ist ein Gebilde dieser A r t offenbar nur dann, wenn i n i h m eine Daseins- und Lebens-Ordnung besteht, die zum allermindesten das gesellschaftliche Zusammenwirken aller Beteiligten so weit i n geordnete Bahnen lenkt, daß die bezweckte Leistungserstellung überhaupt möglich ist; es ist umso funktionsfähiger, je mehr diese seine innere Ordnung dieses gesellschaftliche Zusammenw i r k e n für alle daran Beteiligten menschlich befriedigend gestaltet. Alle, die Glieder dieses Gebildes, dieses gesellschaftlichen Ganzen sind, wollen an erster Stelle i n ihrer Menschenwürde — und daß heißt: i n ihrer Individualität und i n ihrer Sozialität — anerkannt und geachtet, ernst genommen sein; sodann wollen sie Gelegenheit zur Betätigung und Entfaltung ihrer menschlichen Anlagen und Fähigkeiten finden. Die zwischenmenschlichen („sozialen") Beziehungen i m Betrieb müssen die Gerechtigkeit zur Grundlage haben; darum dürfen Über- und Unterordnung nicht weiter gehen, als sie durch Sachnotwendigkeiten erfordert werden. Daß die i m Betrieb herrschende Ordnung diesen Forderungen Genüge tut, muß, soviel wie möglich, für alle Betriebsangehörigen einsichtig sein. Ein gutes „Betriebsklima" w i r d sich dann als erfreulicher Nebenerfolg mehr oder weniger von selbst ergeben; soziale Betriebspolitik besteht aber nicht und erschöpft sich noch viel weniger darin, ein „ K l i m a " zu erzeugen, sondern hat es zu t u n m i t den objektiven Gegebenheiten und Voraussetzungen, aus denen unter anderem auch das i m Betrieb herrschende „ K l i m a " resultiert. Treffen diese Ausführungen zu, dann ist bezüglich der sozialen Betriebspolitik nicht die Tatfrage zu stellen wie bezüglich der betrieblichen Sozialpolitik, ob und zutreffendenfalls i n welchem Umfang ein Bedürfnis nach ihr besteht; soziale Betriebspolitik ist dann vielmehr die erste und notwendigste Voraussetzung für einen Betrieb, der seine Arbeitskräfte nicht ihrer Menschenwürde entkleiden und ihrer Freiheit berauben w i l l , u m gewaltsam Leistung aus ihnen zu erpressen, der vielmehr Leistungen erstellen w i l l i n sinnvoll gestalteter Zusammenarbeit freier, ihre Tätigkeit i m Betrieb bejahender Menschen. Betriebliche Sozialpolitik besteht, wo schon gesagt, in einer Summe oder einem Bündel, günstigstenfalls einem wohldurchdachten Instrumentarium spezieller (in diesem Sinne „punktueller") Maßnahmen. Auch soziale 2 Betrieb und Gesellschaft

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Oswald v. N e l l - B r e u n i n g

Betriebspolitik w i r d je nach Lage der Dinge bald diese, bald jene „punktuelle" Maßnahme erfordern, besteht aber nicht i n solchen Einzelmaßnahmen, vielmehr ist die ganze Politik eines Betriebs i n höherem oder geringerem Grad entweder sozial oder unsozial. Ausnahmslos jede i m Betrieb zu treffende Maßnahme oder Entscheidung ist darauf zu prüfen, ob sie dem grundlegenden Tatbestand, daß der Betrieb ein Sozialgebilde, näherhin ein Sozialgebilde von ganz bestimmter Eigenart ist, gerecht w i r d oder nicht. Betriebliche Sozialpolitik kann einem eigenen Referat, einer Vorstandsabteilung od. dgl. zugewiesen werden; sie ist eben ein „Ressort", eine „Sparte", ähnlich dem kaufmännischen oder technischen Ressort. Soziale Betriebspolitik ist kein Ressort, kann nicht einem speziell dafür verantwortlichen Vorstandsmitglied aufgebürdet und damit auf dieses „abgeschoben" werden; die Politik des Betriebs ist eben i m Ganzen entweder „sozial" oder „unsozial". Natürlich schließt das nicht aus, daß ein Mitglied des Vorstands oder eine Vorstandsabteilung m i t der Sonderaufgabe betraut wird, die Betriebspolitik — wohlverstanden: die ganze Betriebspolitik! — ständig auf ihre soziale Qualität zu überwachen, sozusagen neben anderen innerbetrieblichen Kontrollstellen eine innerbetriebliche Revisionsabteilung für die soziale Seite des betrieblichen Geschehens. Ein Mittelding zwischen oder einen Übergang von der betrieblichen Sozialpolitik zur sozialen Betriebspolitik bildet die Partnerschaft, indem sie zwar über betriebliche Sozialleistungen i m Sinne punktueller Einzelmaßnahmen hinausgeht, nichtsdestoweniger aber eine Maßnahme sozialer Betriebspolitik ist, deren diese sich bedient, i n der sie sich aber keineswegs erschöpft. Darauf näher einzugehen erübrigt sich, da über Partnerschaft ein eigenes Referat vorgesehen ist. Stellen w i r am Schluß noch einmal die Frage nach dem Verhältnis von betrieblicher Sozialpolitik und sozialer Betriebspolitik — beide i n dem vorstehend umschriebenen Sinn verstanden —, so kann die A n t wort nur lauten: u m der Menschen i m Betrieb w i l l e n ist eine soziale Betriebspolitik immer und ausnahmslos grundsätzlich gefordert; betriebliche Sozialpolitik dagegen ist genau i n dem Maß geboten oder doch wünschenswert und nützlich oder überflüssig oder gar schädlich und darum abzulehnen, wie die soziale Betriebspolitik ihrer als eines dienenden Werkzeugs bedarf oder doch von ihr Nutzen ziehen kann oder aber ohne sie ihr Ziel erreicht oder gar besser erreicht. Demgemäß ist meine Haltung zur betrieblichen Sozialpolitik zwar nicht ablehnend, aber kritisch, zur sozialen Betriebspolitik dagegen ihrem Sinn und Ziel nach unbedingt positiv .

Soziale Betriebsführung nach den Grundsätzen einer Seinstheologie des Industriebetriebes Von L. H. Adolph Geck

Einleitung Über „soziale Betriebsführung" i m Sinne einer Steuerung des Betriebsganzen, des Betriebes als Sozialgebilde, als Gestalt zusammenwirkender Menschen ist hier zu verhandeln, und zwar — wie die Themenformulierung spezialisierend bestimmt — „nach den Grundsätzen einer Seinstheologie des Industriebetriebes". Was steht hinter dieser Formulierung, welche Aufgabe ist demgemäß zu bewältigen? Die zu besorgende Aufgabe stellt eine wissenschaftliche Aufgabe dar. Deshalb und u m der Besonderheit des Themas wegen, mag einleitend erwogen werden, i n welcher A r t die soziale Betriebsführung überhaupt Gegenstand der Wissenschaft ist bzw. sein kann. Ein von den Wissenschaftlern allgemein anerkannter Grundsatz hält fest, daß es zum Wesen jedweder Wissenschaft gehört, sich irgendwie m i t einem Ausschnitt der Wirklichkeit, des Seins zu befassen. Demgemäß obliegt aller Wissenschaft, die Wirklichkeit des Daseins oder die Tatsachen des Lebens zu erkennen so wie sie sind. Die hierbei noch meist vertretene Ansicht, Wissenschaft werde nur u m des Erkennens oder Wissens w i l l e n betrieben — und damit der altüberkommene Wissenschaf tsbegriff —, wurde jedoch i n jüngerer Zeit als zu eng angegriffen bzw. verworfen. Wer nämlich die Wissenschaft als eine Sphäre des menschlichen Lebens sieht und ihr die Aufgabe eines Dienstes an der Erhaltung und Entfaltung des Lebens zuschreibt, der erklärt, daß das Erkennen an sich zwar etwas sehr Großes bedeutet, Wissen aber nur eine Seite des menschlichen Lebens ausmacht, die m i t anderen Lebenselementen tatsächlich auf das engste verbunden oder gar verschmolzen ist, und daß die Fülle menschlichen Lebens insbesondere auch ein Handeln einschließt; anders gesagt: daß der Mensch nicht einfach lebt u m zu erkennen, sondern auch u m zu handeln, insbesondere u m dem Erfahrenen oder Erkannten gemäß zu handeln, um für sich und i n seine Umgebung, 2*

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i n die Welt hineinzuwirken, Leben zu gestalten, und so erst wahrhaft zu leben, so zu einer persönlichen Entfaltung — als Erfüllung der wesentlichen Aufgabe des Menschen — zu gelangen. Nach dieser modernen Auffassung kann die soziale Betriebsführung — wie jedes Wissenschaftsgebiet — auf zweierlei grundverschiedene Weise Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung sein: einmal i n seinswissenschaftlicher Hinsicht, indem sie erforscht w i r d als Lebenserscheinung so wie sie sich darbietet i n ihren Äußerungen und ihrem Wesen; sodann i n normwissenschaftlicher Hinsicht, mit dem Ziele einer Lehre von der sozialen Betriebsführung, welche aus der Erkenntnis der Tatsachen und des Wesentlichen Wegweisungen oder Normen erarbeitet, um durch deren Verwirklichung ein Betriebsleben zu erreichen, das i n möglichst hohem Maße sach- und menschengemäß ist und damit der Idee einer guten Betriebsführung, dem Ideal des vollkommenen Betriebes entspricht. Wie die nähere Bestimmung des hier gestellten Themas zur sozialen Betriebsführung zeigt, geht es hier u m eine seinstheologische Betrachtung der sozialen Betriebsführung. Dies besagt ganz allgemein, daß nur eine der Arten der Seinsbetrachtung des Betriebes beabsichtigt ist, eine A r t , die am Ende der Reihe einer soziologischen, sozialpsychologischen, betriebswirtschaftlichen u. a. Betrachtungen steht. Dies besagt insbesondere, daß keine normtheologische oder moraltheologische Erörterung der sozialen Betriebsführung erfolgen soll. Der Unterschied zwischen den Grundsätzen oder Absichten beider Theologien sollte 'klar sein. Während die Moraltheologie darzulegen versucht, wie das menschliche Leben izu führen und zu beurteilen ist nach den Normen ethischer unid theologischer Erkenntnis — eben u m der religiösen Aufgabe zu entsprechen —, sucht die — übrigens mehr der Idee nach gegebene als schon entfaltete — Seinstheologie die letzten Gründe der Wirklichkeiten des Lebens zu erfassen, so wie es die Erkenntnis der Theologie oder die theologischen Grundsätze ermöglichen. Darum also geht es hier — u m es nachdrücklich herauszustellen —: Vom Betriebsleben etwas Letztes festzustellen, was hinter und über dem Erfahrungsmäßigen liegt, etwas was der nur natürlichen Erkenntnis nicht zugängig ist und nur aus offenbarungsmäßiger Erkenntnis einsichtig wird. Der wissenschaftlichen Sicherheit w i l l e n mag noch angemerkt sein, daß die Theologie die Wissenschaft von Gott und den Beziehungen Gottes zu den Wirklichkeiten der Welt, insbesondere der Erde und des Menschenlebens, darstellt. M i t h i n ist es Aufgabe einer Seinstheologie des Industriebetriebes oder überhaupt Arbeitsbetriebes, eines Betriebes i n diesem Sinne einfachhin, die Zusammenhänge zwischen Gott und

Seinstheologische Grundsätze sozialer Betriebsführung

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den Tatbeständen des Betriebes aufzudecken. Das also ist der eigentliche Gegenstand, der hier zur Verhandlung steht! Zum Abschluß dieser einleitenden Bemerkungen bedarf es noch eines Wortes über das methodische Vorgehen der Seinstheologie. Nach christlich-theologischer Erkenntnis — die hier zugrunde gelegt w i r d — ist alles außer Gott Bestehende von Gott erschaffen, trägt deshalb alles Gewordene Spuren der Wirklichkeit Gottes und w i r d von Gottes W i r k lichkeit, von Gottes Wirken getragen. Der i n die Welt hinein geborene Mensch lebt ein natürliches Leben — des Leibes und des Geistes —, i n dem er sich zu einem höheren, zu einem übernatürlichen Leben, dem göttlichen Leben erheben kann, ja muß, i m Sinne der Weltordnung, um sein Lebensziel, i n das Göttliche einzugehen, zu erreichen. Da so das Leben der Menschen i n zwei Sphären steht — gewissermaßen —, das Natürliche die Grundlage des Übernatürlichen abgibt, geht die Seinstheologie von den natürlichen Tatsachen bzw. den Ergebnissen der entsprechenden nicht-theologischen Wissenschaft aus, u m deren übernatürliche Wirklichkeit durch spezifisch theologische Deutung zu erfassen. Demgemäß soll die dem Thema zugrunde liegende Wirklichkeit, der Betrieb und seine Steuerung i m Hinblick auf die i n i h m tätigen Menschen, also die soziale Betriebsführung, i n zwei Hauptteilen behandelt werden: zunächst aus natürlich-wissenschaftlicher Sicht, sodann aus übernatürlicher Sicht oder theologischer Erkenntnis. Da die letztere Erörterung das eigentliche Thema bedeutet, kann die erstere — als Propädeutik oder Grundlegung — sich m i t einem Aufriß beschränken, der die Hauptansatzpunkte für die folgende thematische Erörterung bietet. Immerhin muß die Fülle der alltäglichen Betriebswirklichkeit stets i m Auge behalten werden, u m die Möglichkeiten der Anwendung der ihrem Charakter nach sehr allgemeinen oder abstrakten theologischen Grundsätze auf die konkreten Betriebsverhältnisse recht zu sehen.

I . D e r Betrieb und seine menschliche Problematik i n natürlicher Sicht

Die Betrachtung des Betriebes, um i h n bewußt nach seiner Wirklichkeit zu erfassen oder zu gestalten, läßt eine Vielheit von Fragen aufkommen, eine Fraglichkeit, die Problematik genannt wird. Eine solche ergibt sich ja stets, wenn ein Gegenstand oder Seinsbereich i n sich, i n seiner inneren A r t oder i n seinen Beziehungen nach außen hin, i n seiner Bedeutung bezüglich anderer Wirklichkeiten unbekannt oder unklar ist. Dadurch werden entsprechende Fragen ausgelöst, nicht zuletzt jene, ob die Verhältnisse ihrem Wesen nach so sind bzw. sein müssen, wie sie sich darbieten, oder ob sie auch anders sein könnten, insbesondere in-

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L . H. A d o l p h Geck

folge bewußter Eingriffe der Menschen, u m ihrer Bejahung seitens der Menschen oder u m des bestmöglichen Funktionierens und Erfolges w i l len. Die menschliche Problematik des Betriebes i n diesem Sinne — die auch soziale Problematik genannt werden kann, insofern sie sich auf eine Mehrheit von Menschen bezieht — ergibt sich aus den Verhältnissen seiner A r t als Veranstaltung — als eine von Menschen herbeigeführte Sachen- und Menschenordnung — zur Erarbeitung eines technisch-wirtschaftlichen Erfolges durch eine mehr oder minder große Zahl von Menschen. U m diese Problematik zu durchschauen, empfiehlt es sich, einige systematische Unterscheidungen zum Ausgang zu nehmen. Die menschliche oder soziale Betriebsproblematik ist zunächst eine i m Betrieb selbst gegebene oder innerbetriebliche Problematik, dann aber auch eine außerbetriebliche oder gesellschaftliche Problematik, insofern der Betrieb i n das außerbetriebliche gesellschaftliche Leben hineinw i r k t , wie umgekehrt das außerbetriebliche Leben i n das Betriebsleben hineinwirkt. Auch diese außerbetriebliche Betriebsproblematik ist für die soziale Betriebsführung von Bedeutung. Die innerbetriebliche Sozialproblematik zeigt sich objektiv einmal als rein menschliche Problematik m i t Problemen der Verhältnisse von Mensch zu Mensch — wie sie vorzüglich auf Grund der personalen Betriebsverfassung und des persönlichen Umganges, insbesondere der „Menschenbehandlung" entstehen —, sodann als sachlich-menschliche Problematik, mit Fraglichkeiten, die durch den Sachapparat, die Betriebssachen, die sogenannten Produktionselemente und Arbeitshülfen sowie die Zuordnung der Menschen zu ihnen i n der Arbeitsordnung — anders ausgedrückt durch die betriebliche Sachverfassung und Arbeitsverfassung — hervorgerufen werden. Subjektiv, i m Hinblick auf die Betriebsbeteiligten, ist zu beachten, daß es nicht nur arbeiterliche, sondern auch unternehmerische soziale Betriebsprobleme gibt. Sowohl die verschiedene A r t der Tätigkeiten als der Interessen bringen für die Ausführenden oder die breiten Reihen der Arbeitenden andere und eben häufigere Betriebsprobleme mit sich als für die Leitenden und i n Zwischenstufen Führenden. Der zuweilen sehr subjektive Charakter der Problematik zeigt sich selbst innerhalb der einzelnen Gruppen — bspw. wenn manche Arbeiter größten Wert auf hohen Lohn, andere auf eine gute menschliche „Atmosphäre", auf angenehmes Arbeiten i m Betrieb, legen, während wohl bei der größeren Zahl eine ausgewogene Synthese beider erwünscht ist —. Aus nahe liegenden Gründen soll hier auf solche Probleme wie A r beitslohn, Arbeitszeit, Unfallverhütung, Betriebshygiene, die oft behandelt wurden, nicht weiter eingegangen werden.

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Nach der rein systematischen Durchleuchtung des Betriebes auf seine menschliche Problematik hin, bietet sich als eine zweite Quelle, die Licht auf die für die Betriebsführung bedeutsamen Betriebs-Tatbestände wirft, das allmähliche Bewußtwerden dieser Problematik an. Für die Zeit seit dem Durchbruch der industriellen Revolution zu Ende des 18. Jahrhunderts bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts liegt eine Fülle von Äußerungen, auch Klagen vor über durch die Existenz der Industriebetriebe gegebene menschliche Probleme, zum Teil i n Verbindung mit bestimmten Bestrebungen zur Milderung oder Überwindung entsprechender Schwierigkeiten. Aber erst seit dem Ende des Weltkrieges 1914—1918 bahnte sich eine allgemeine Erkenntnis der menschlichen Betriebsproblematik an, zunächst vereinzelt bei Industriepraktikern, seit Mitte der zwanziger Jahre i n Deutschland auf Seiten der Sozialwissenschaftler, bis dann seit 1928 i m Institut für Betriebssoziologie und soziale Betriebslehre an der Technischen Hochschule zu Berlin systematisch eine Betriebssoziologie sowie i m Zusammenhang m i t derselben eine Lehre von der sozialen Betriebsführung entwickelt und gleichzeitig die neuen Erkenntnisse der Industriepraxis zugängig gemacht wurden. Nach dem zweiten Weltkriege, insbesondere seit 1950, befruchtete das soziologisch fortentwickelte Denken zunächst i n den V. St. von Amerika, sodann i n Deutschland die Erwägungen über die soziale Betriebsproblematik derart, daß es heute kaum noch bedeutsame Unklarheiten gibt bezüglich der Grundprobleme der sozialen Betriebsführung. Daß diese sich allerdings zu verschiedenen Zeiten i n verschiedener A r t darbieten, versteht sich von selbst. Immerhin mögen zur Beleuchtung der letztvermerkten Tatsache und mehr noch zum Bedenken künftiger Möglichkeiten entsprechende Aufbrüche der Zeit von 1920 bis 1933 i n Deutschland kurz festgehalten werden: die Betriebsreformvorschläge von Eugen Rosenstock zu einer Betriebsaufspaltung durch „Werkstattaussiedlung" und von W i l l y Hellpach zur systematischen Organisierung von betrieblicher Gruppenarbeit — zwei damals viel diskutierte Vorschläge mit demselben Ziele: der äußeren und damit inneren Vermassung der Industriearbeit bzw. Industriearbeiter entgegen zu w i r k e n durch Schaffung von übersichtlichen Arbeitseinheiten, welche den Arbeitern sowohl ein persönliches Verhältnis zu ihrem Arbeitsbereich als menschliche Beziehungen i n der Arbeit ermöglichten —; die von Josef Winschuh den Unternehmern als Aufgabe herausgestellte „Werkpolitik" i m Sinne eines zielbewußten Strebens, den gerechtfertigten Ansprüchen und Wünschen ihrer Arbeiter zu entsprechen; die — ähnlich orientierte — Einrichtung einer „Personalabteilung" oder „Sozialpolitischen Abteilung" i n einer Reihe von Unternehmungen; die Erörterungen über den „Terror der Maschinen" und die „Meisterung der Maschinen weit" — i m Hinblick auf die Aus-

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Schaltung übermäßiger körperlicher, psychophysischer und seelischer Inanspruchnahme der Arbeitenden —; die Bestrebungen zu einem „Kampf u m die Seele des Arbeiters" und u m die „Menschenführung i n der Industrie" — wie sie seitens des von Unternehmungen gestützten „Deutschen Instituts für technische Arbeitsschulung" i n Schrift und praktischem Versuch i n der Industrie besorgt wurden und eine lebhafte Entgegnung der Gewerkschaften zur Folge hatten —; die Bemühungen des Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit bezüglich des „Faktors Mensch" i n der Arbeit — die i n Zusammenhang standen mit einer systematischen Entwicklung auf eine Arbeitswissenschaft hin, m i t Studien zur Arbeitsphysiologie, Arbeitspsychologie, Psychotechnik —; u. a. m. Eines der Grundprobleme nach damaliger Sicht wurde 1924 von dem derzeitigen kaufmännischen Direktor der Robert Bosch A. G. i n Stuttgart schon durch den Titel eines Vortrages herausgestellt: „Mechanisierte Industriearbeit, muß sie i m Gegensatz zu freier Arbeit Mensch und K u l t u r gefährden?". Wenngleich die soziale Betriebsführung i n der Hauptsache eine betriebseigene oder innerbetriebliche Angelegenheit ist, so bedarf sie doch einer Rechtfertigung vor Gesellschaft und Staat, ja, sie muß sogar gesellschaftlich begründet und orientiert sein. Daher hat ihr konkretes Wirken auszugehen von einer hinlänglichen Kenntnis der Wechselwirkungen zwischen Betrieb und Gesellschaft sowie von einer klaren Sicht des Betriebes als gesellschaftlicher Institution. Die letztere ist übrigens eine grundlegende Voraussetzung für eine Seinstheologie des Betriebes. Ohne Zweifel hat der moderne Industriebetrieb eine der größten Revolutionen des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens i n der Menschheitsgeschichte hervorgerufen: bezüglich des persönlichen Lebens durch die Aufspaltung des Familienlebens i n einen mehr privat-persönlichen Bereich und einen außerfamilialen Arbeits-Bereich; bezüglich des gesellschaftlichen Lebens durch eine förmliche Sprengung der überkommenen Gesellschaft und Neubegründung der Gesellschaft. Während die vorindustrielle Gesellschaft sozusagen entscheidend von den Familien als natürlichen Zellen getragen wurde, lebt die Industriegesellschaft aus einer Doppelzeiligkeit m i t den Familien als natürlichen Zellen und den Arbeitsbetrieben als zivilisatorischen Zellen, mit einer gewissen polaren Spannung zwischen beiden. Der Fortfall der Betriebszellen würde die heutige Gesellschaft zusammenbrechen lassen — weil die gehobenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden könnten —. Kranke Betriebe vermögen die Gesundheit der Gesellschaft zu erschüttern. Erhebliches an der modernen sozialen Problematik und der gesamten Lebensfraglichkeit geht ganz allgemein auf die Existenz der Industrie und insbesondere auf die Bipolarität oder Doppelzelligkeit der modernen Gesellschaft zurück.

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Es gilt als eine der bedeutsamsten wissenschaftlichen Entdeckungen der Betriebssoziologie, den Industriebetrieb — und schließlich den modernen Arbeitsbetrieb überhaupt — als eine gewichtige Quelle sozialer Unruhen erkannt zu haben. Wenn bspw. i m Betrieb selbst auch zumeist ein äußeres Sichfügen, Sicheinordnen des Arbeiters erfolgt, so findet doch nicht selten die fehlende innere Zustimmung, die fehlende einfache Hinnahme beim Arbeiter einen Niederschlag durch Arbeitsunlust, Groll oder Verbitterung, die innerbetrieblich i n Minderleistungen nach Menge und Güte der Arbeit, außerbetrieblich i n sozialen Unruhen, Empörungen der verschiedensten A r t sichtbar werden können. Der vor einem halben Jahrhundert weltbekannte britische Arbeiterführer Ramsay MacDonald hat i n seinem 1924 erschienenen Buche über die soziale Unruhe (social unrest) sehr gut unterschieden zwischen den „Streiks für ein Programm industrieller Besserungen, wie Lohnerhöhungen oder Arbeitszeitverkürzungen" und dem als „Arbeitsunruhe (labour unrest)" erscheinenden Tatbestand. Von diesem sagte er, daß er „entsteht, wenn Unerwünschtes i n etwas Tieferem empfunden w i r d als bloß i n Einzelangelegenheiten", daß er „erscheint, wenn Unzufriedenheit aufgekommen ist bezüglich der A r t der Beziehungen (system of relationships), oder m i t genaueren Worten, wenn die wirtschaftliche Ordnung der menschlichen Ordnung Gewalt antut, wenn die Menschen wie Dinge behandelt werden, als M i t t e l zu wirtschaftlichen Zwecken und unter die Produktionsmittel klassifiziert werden; wenn ein Versuch gemacht wird, die Menschen zu bloßen Posten i n der Betriebsrechnung zu machen; wenn Unternehmer vergessen, daß sie ihre Leute als Personen behandeln müssen, die ein Lebensgefühl von Handlungsfreiheit besitzen, welches niemals durch Lohnmaßnahmen wegdiskutiert und nie an die Seite gedrückt werden kann durch die kapitalistische Herrschaft über die Arbeiter. I n den Beziehungen von Kapital und Arbeit sind diese Dinge vergessen worden. Bloße A r m u t führt zur Unzufriedenheit; aber eine Behandlung, welche die Selbstachtung und das Gerechtigkeitsgefühl i m Menschen verletzt, führt zur Revolution". Wie bei der sozialen Betriebsführung die Auswirkung sozialer Betriebsverhältnisse auf die Gesellschaft i m Auge behalten werden müssen, so auch umgekehrt das Hineinwirken gesellschaftlicher Verhältnisse i n den Betrieb. Die Gesellschaft w i r k t — zum Besten wie zum Nachteil des Betriebes — i m Betrieb durch Lebensgewohnheiten, Haltungen, Anschauungen, Wünsche, Bestrebungen der Arbeiter, durch gesellschaftliche und politische Anschauungen und Kräfte. Geschieht dies zunächst rein tatsächlich, so doch auch i n nicht unerheblichem Maße zielbewußt, bspw. i n den politischen Bestrebungen durch ein Betriebszellensystem — wie es der Nationalsozialismus und ebenso der Kommunismus aufbaute — und durch Betriebszeitungen — wie sie ebenfalls

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von Kommunisten vertrieben werden —. Es bleibt nicht zuletzt die Rolle festzuhalten, welche i n diesen Zusammenhängen die Gewerkschaften gespielt haben und heute noch spielen, ja z. T. funktionsgemäß irgendwie spielen müssen, wollen sie ihrer Aufgabe gerecht werden. A u f sie gehen Reaktionen gegen Unzulänglichkeiten und Mißstände i m Betriebs- oder Arbeitsverhältnis zurück, indem sie gewissermaßen berechtigte Anliegen der Arbeiter — denen vom Betrieb nicht oder nicht befriedigend entsprochen wurde — als Vertreter der Arbeiter aufgegriffen und verfolgten, aber auch indem sie i n Eigenaktion sozusagen als Vertreter gesellschaftlichen Gegendruckes auf den Betrieb von den Arbeitnehmern nicht vorgebrachte Forderungen vertraten, selbst m i t gelegentlichen Überforderungen, sogar u m des „verlängerten Erfolges" bzw. der Erhaltung der eigenen Stärke willen. Entsprechend haben auch Unternehmer- und Arbeitgebervereinigungen eine positive und negative Bedeutung für die soziale Betriebsproblematik bzw. deren Lösung durch die soziale Betriebsführung gehabt. Zur Klärung der gesellschaftlichen Betriebsproblematik läßt sich nicht zuletzt Wichtiges entnehmen dem allmählichen und immer stärker werdenden Eingreifen des Staates m i t Verordnungen und Gesetzen, u m Schäden aus Betriebsverhältnissen abzuhelfen und vorzubeugen, überhaupt u m auf gesunde, zeitgemäße, den gesellschaftlichen Verhältnissen entsprechende Betriebsverhältnisse hinzudrängen. A u f Einzelheiten der innerbetrieblichen Sozialpolitik soll i m Interesse des Zeit- oder Raumgewinnes für den zweiten Hauptteil dieser Erörterungen nicht näher eingegangen werden. Nur einiges Wenige soll noch zur Sprache kommen, was die sachliche und die menschliche Grundproblematik des Betriebes angeht. I m Hinblick auf das vor einigen Jahrzehnten viel diskutierte und heute noch gelegentlich herausgestellte Problem einer übermäßigen körperlichen oder psychophysischen Belastung der Arbeitenden, kann heute gesagt werden, daß i m Wesentlichen jener Optimismus gerechtfertigt erscheint, den schon 1892 der deutsche Sozialökonom Gerhardt v. Schulze-Gävernitz i n seiner Schrift „Der Großbetrieb ein wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt" zum Ausdruck brachte. Er erklärte: „Die Maschinerie tendiert nach vollständig automatischer Verrichtung der zu bewältigenden Arbeit, nach einem Zustand, da die Tätigkeit des Menschen auf Zuführung des Rohstoffes, Fortnahme des Erzeugnisses und Überwachung der Maschine sich beschränkt". Die so gehobene Mechanisierung verlangt vom Arbeiter „ein verständnisvolles Eingehen auf die i n den Maschinen niedergelegten Gedanken der Technik", damit ein großes Wissen, weiterhin eine erhöhte Verantwortung und nicht zuletzt „ein gutes Stück Charakterbildung"; m. a. W.: die gehobene Mechanisierung hat einen gehobenen geistig-kulturellen Arbeiterstand zur

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Voraussetzung. Aus diesem Zuge der Entwicklung dürfte sich auch eine Lösung des angeblich die Menschlichkeit bedrohenden Monotonieproblems ergeben. Für dieses muß bedacht werden, einmal daß es unter den Arbeitern verschiedene Arbeitstypen gibt, darunter einen, der die Monotonie nicht als Belastung empfindet und für den sie eine solche auch nicht bedeutet; sodann daß gerade die gleichförmige Arbeit die Grundelemente für die Automatisierung i n sich birgt und deshalb am ehesten automatisiert wird. Allerdings hat auch der moderne automatisierte Betrieb, insbesondere jener mit regeltechnischer Arbeit, menschliche Probleme, vor allem das der übermäßigen Nerven-Inanspruchnahme. Aber sollte hier nicht allein eine entsprechende Minderung der Arbeitszeit zur Lösung verhelfen können? Wenn bislang der Industriebetrieb ein Störfaktor für das persönliche und gesellschaftliche Leben war, so erklärt sich dies weitgehend aus geschichtlichen Entwicklungen, aus dem Nichterfassen neuer Situationen i n einem großen Wandel, m. a. W. aus Tatsachen eines Überganges, deren die Pioniere und Führer der Frühzeiten nicht inne oder jedenfalls nicht Herr wurden, aus Übergangserscheinungen, die z. T. sachlich — vorzüglich wirtschaftlich — bedingt, z. T. Folgen fehlender Sozialität bzw. Solidarität waren. Wenn ein Betrieb für eine fortschrittliche Zivilisation notwendig ist, müßte der m i t ihm gegebene Fortschritt sich auch darin zeigen, daß er, w e i l i n sich recht geordnet und i n rechtem Verhältnis zur Gesellschaft stehend, kein Störfaktor ist. Da eine solche Ordnung Menschenaufgabe ist, gilt: Wenn die Menschen m i t Bezug auf den Betrieb, wenn die Verantwortlichen der Betriebsführung nicht versagen, braucht der Betrieb kein Störfaktor zu sein, ja, kann zur Gesundung der Gesellschaft wie zur Hebung der Lebenslage ihrer Glieder Erhebliches beitragen—und hat dies tatsächlich bereits getan—. Schließlich kommt es auf die menschliche Bewältigung des Betriebes i n persönlicher und gesellschaftlicher Hinsicht an. Diese stellt eine A u f gabe dar, zunächst für die Betriebsbeteiligten — Unternehmer bzw. Betriebsführer aller Grade und Arbeitnehmer —, sodann für die Gesellschaft, notfalls m i t Hilfe des Staates, insbesondere durch eine staatliche betriebliche Sozialpolitik i n Ergänzung oder Korrektur der betrieblichen Sozialpolitik des Unternehmens. Tatsächlich ist durch bewußtes Bedenken und Eingreifen der verschiedensten Seiten m i t dem Ziele einer zugleich sach- und menschengerechten Betriebsführung bereits Vieles erreicht worden. Parallel zu einander wurden i n der Wissenschaft eine systematisch begründete Lehre von der sozialen Betriebsführung vorgetragen — vor allen i n des Referenten Buch „Soziale Betriebsführung" (2. Aufl. Essen 1953) — und i n der Betriebspraxis Elemente einer sozialen Betriebsführung verwirklicht oder gar eine soziale Betriebsführung als betriebspolitische

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Aufgabe entwickelt. Heutzutage nimmt schon der Erbauer des Betriebes Rücksicht auf die soziale Betriebsaufgabe, indem er durch die Betriebsanlage, das bauliche Betriebsäußere und die Betriebsinnenausstattung Grundlagen für die soziale Betriebsführung besorgt. Er wie der Betriebsorganisator schenken alsdann der Gestaltung der Arbeitsplätze ein eigenes Augenmerk. Der oberste Betriebsführer ist sich der Notwendigkeit einer sozialen Betriebsführung als Personalführungsaufgabe bewußt und pflegt einen Personalleiter m i t der Erfüllung dieser Aufgabe zu beauftragen. Dieser wiederum macht sich vertraut m i t den verschiedensten Möglichkeiten der Personalführung — i n den formalen Akten des Beschäftigungsverhältnisses wie Einstellung, Versetzung, Beförderung, der Entlohnung usw. —, m i t den Problemen des menschlichen Umgangs oder der Menschenbehandlung i m Betrieb usw. usw., und sieht die soziale Betriebsführung nicht zuletzt auch als eine sozialpolitische Aufgabe. Heutzutage weiß jeder Betriebsführer, daß er ohne angemessene soziale Betriebspolitik weder mit seinen Arbeitnehmern zurecht kommt noch vor der Öffentlichkeit bestehen kann. Allerdings ist dies erst ein Ergebnis der letzten Jahrzehnte. Früher gab es i n anderer A r t und wohl auch stärker den auf der Wirtschaftsseite des Unternehmens beruhenden Interessenkonflikt, der sowohl ein betriebseigenes Problem — das der Rentabilität oder das des Gewinnes — als ein mehrschichtiges gesellschaftliches Problem darstellt. Aber die weitere Sicht für das Wirtschaftliche wie marktmäßig mögliche Manipulieren für den wirtschaftlichen Erfolg haben den wirtschaftlich begründeten Konflikt stark gezügelt, und der technische Erfolg macht manchen Unternehmensleitern mehr Kopfschmerzen. Heute ist man sich gerade i n der Großindustrie — nicht gleicherweise i n der Mittelindustrie — klar, daß gemeinhin soziale Betriebsführung etwas kostet und insofern als Aufwandsposten i n Rechnung zu stellen ist. Aber dieser Aufwand macht sich bezahlt, und es wäre unverantwortlich auch i m Hinblick auf den technisch-wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes, diesen Aufwand zu unterlassen. Überdies kommt es i m Betriebsleben oft auf Kleinigkeiten an, oft auf etwas, das sich durch rein menschliches Verhalten bzw. eine entsprechende Ordnung i m Betrieb erzielen läßt, daher es sogar eine kostenlose soziale Betriebsführung gibt. So zeigt sich schließlich, daß die menschliche Problematik des Betriebes i m Grunde eine Lebensproblematik, die Problematik der sozialen Betriebsführung letztlich eine Problematik der Lebensführung, der Lebensgestaltung ist. Je tiefer jemand zur Lebenserkenntnis gelangt, je tiefer gründend jemandes Lebensführung ist, u m so besser w i r d er auch die menschlichen Probleme der Betriebsführung bewältigen. Zu solch vertiefter Erkenntnis der Lebenswirklichkeit des Betriebes w i l l die Seinstheologie des Betriebes anleiten. M i t ihrer Hilfe soll nunmehr

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der Höhenflug von den leichter zugängigen Erscheinungsweisen und Wirklichkeiten i m A l l t a g des Betriebslebens zu deren verborgenem und geheimnisvollen wesenhaftem Sein und Wirken unternommen werden mit dem Übergang von der natürlichen zur übernatürlichen Betrachtung.

II. Zur Seinstheologie des (Industrie-)Betriebes Eine theologisch entwickelte übernatürliche Betrachtung — d. h. eine wissenschaftliche Betrachtung auf Grund von Offenbarungswahrheiten sowie daraus theologisch entfalteten Erkenntnissen — kann unter verschiedenen Gesichtspunkten besorgt werden. Selbst der Großzahl der Theologen von heute dürfte nicht bewußt sein, daß die Theologie i n der Neuzeit trotz ihrer Fortschritte einseitig geworden ist, indem sie sich schlechtweg zur Heilstheologie entwickelte, wie sie sich vorzüglich i n der katholischen Dogmatik darstellt — einseit i g i n dem Sinne, daß sie sich m i t einem der möglichen Gesichtspunkte für ihr Gebiet begnügte, indem sie als eigentlichen theologischen Gegenstand das Menschenheil i m Laufe der Heilsgeschichte behandelt. Diese Auffassung herrschte nicht immer so. Die religiösen und theologischen Erörterungen der christlichen Frühzeit lassen bei einer Reihe von K i r chenvätern — z. B. Augustinus — eine sowohl symbolische als heilsgeschichtliche Schau und Deutung der Wirklichkeit erkennen, die ebenso seinstheologisch orientiert sind wie am Ausgang des Mittelalters der Exemplarismus — bspw. eines Robert Grosseteste und eines Bonaventura — mit der Grundlehre, daß Gott das U r b i l d (exemplar) alles Geschaffenen ist, alles Erdenwirkliche ein schattenhaftes A b b i l d vom wesenhaften Urbild darstellt, daß das göttliche Sein oind Wirken sich spurenhaft unid anteilhaft i m irdischen, insbesondere menschlichen Sein — als Ebenbild Gottes — und Wirken — i m M i t - W i r k e n Gottes — zeigt. Seit der Neuzeit ist dann die Theologie sozusagen unter dem Verlust des seinstheologischen Aspektes zur einfachen Heilstheologie geworden. Der Fortschritt der Theologie als Wissenschaft verlangt jedoch ebenso wie die zeitgemäße Gestaltung oder Fortbildung des religiösen Lebens eine Überwindung dieser Einseitigkeit. Erste Aufbrüche dazu zeigen sich i n Forderungen und Bemühungen u m eine Theologie der irdischen W i r k lichkeiten, von der auch gesprochen w i r d m i t den Bezeichnungen „Theologie des Alltagslebens" und „Theologie der Welt", dunkler noch i n Versuchen bspw. zu einer Theologie des Berufes, einer Theologie der A r beit, einer Theologie der Technik u. a. m., zielbewußter jüngst i n einer Einbeziehung des Kosmos i n die theologische Betrachtung, durch eine Theologie des Kosmos. Bei alledem geht es um die tiefere, die theo-

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logische Erkenntnis »der Lebenstatbestände nach ihrem wesentlichen Sein. I n die Reihe dieser Aufbrüche hinein gehört auch die folgende seinstheologische Betrachtung. Sie kann und w i l l — da die Seinstheologie als Theologie der irdischen Wirklichkeiten noch i n ihren ersten Anfängen steht — nicht mehr bieten als einige systematische Pioniervorstöße, die zu weiteren Besinnungen anregen möchten. Gleich zu Beginn muß daran festgehalten werden, daß die i m Grunde eine Statik-Theologie — i m Sinne einer Theologie des ruhenden Seins — darstellende Seinstheologie zu keiner hinlänglichen Erkenntnis kommen kann ohne die Berücksichtigung der Ergebnisse der Heilstheologie als einer heilsgeschichtlich-dynamischen Theologie. Diese und noch einige weitere rein theologische Aussagen sind an dieser Stelle notwendig u m des Verständnisses der tieferen Zusammenhänge willen, u m den Wesensgrund der irdischen Wirklichkeiten aufzuzeigen. Die Heilstheologie geht davon aus, daß Gott Ursprung und Ziel alles Seins ist, Schöpfer und, durch die zweite der drei göttlichen Personen, Erlöser der Welt, insbesondere der Menschheit. Die Menschheit wurde durch die Sünde der Stammeltern — durch die Ursünde als widergöttliches Tun — von Gott getrennt, fielen damit aus der Herrlichkeit Gottes und beeinträchtigten diese. Zur Wiederherstellung der göttlichen Herrlichkeit i m Zusammenhang m i t der Rückführung der Menschen zu Gott wurde die Menschheitsgeschichte zur Heilsgeschichte der Menschen, i n deren Verlauf die Sohnes-Person Gottes i n geschichtlicher Zeit Mensch wurde und als Gottmensch Jesus Christus dieses Werk der Rückführung zu Gott aus der Gottferne als Erlösung vollbrachte, und dadurch die Menchen befähigte, m i t Seiner Hilfe die heilsgeschichtliche Aufgabe der Erwirkung des Menschenheiles — des Heiles der Einzelnen, der menschlichen Gemeinschaften aller A r t und der Menschheit insgesamt — für die Wiederverherrlichung Gottes zu besorgen. Die Wiederverherrlichung Gottes durch die ganze Schöpfung, insbes. durch die Wiedervergöttlichung der Menschen, ist das Grundthema der Welt- bzw. Erdgeschichte. Der Mensch ist nicht einfach von Gott i n die schon vorhandene Schöpfung hineingestellt worden, sondern sie wurde dem Menschen ausdrücklich übergeben m i t den Befehlen: „Seid fruchtbar und mehret euch, erfüllet die Erde und machet sie euch Untertan" (I. Mos. 1, 28—29). Dies schließt ein Doppeltes i n sich. Zunächst soll der Mensch das Schöpfungswerk Gottes fortentwickeln. I n dieser Überzeugung hat der u m die Philosophie der Technik höchst verdienstvolle Streiter Friedrich Dessauer seit 1926 immer wieder den Sinn der Techn i k erklärt als gegeben i m Aufbau, i n der „Erhaltung und Entfaltung

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der menschlichen Umwelt über das Nur-Naturhafte, das dem Geistwesen keine Heimat ist, empor i n Erkenntnis, Schöpfung und Gestaltung". „Gott hat Seine Schöpfung dem Menschen nicht fertig übergeben. Die Schöpfung geht weiter, und Gott bedient Sich der Menschen, u m nach Seinem eigenen Plan Sein Werk zu entfalten" 1 . Indem der Mensch den Befehl Gottes ausführt, den Menschen die Erde Untertan zu machen, gestaltet er aber nicht nur die Schöpfung nach seinem Geiste und vergeistigt er die Schöpfung i n Richtung auf die Rückführung der vergeistigten Schöpfung zu Gott, sondern entfaltet er sich selbst, vergeistigt er sich selbst, bewirkt er eine „reparatio ad imaginem Dei", eine Wiederherstellung des durch die Ursünde verunstalteten Menschenbildes zu einem echten A b b i l d oder Ebenbild Gottes. I n diesen großen Zusammenhängen muß der Betrieb, müssen das Betriebsgeschehen und insbesondere die soziale Betriebsführung gesehen und gewürdigt werden, nach Sein und entsprechendem Seinsollen, um zu einer abgerundeten Theologie des Betriebes bzw. der sozialen Betriebsführung zu gelangen. Demgemäß gilt es nunmehr klarzustellen, was der Betrieb seinem theologisch gesehenen Wesen nach ist, alsdann theologisch zu betrachten, was i n i h m planmäßig geschieht, u m schließlich aus den erhaltenen Seinserkenntnissen entsprechende Normativerkenntnisse oder Wegweisungen zu gewinnen für eine „rechte" — d . h . „ge-rechte",den sachlichen und menschlichen Wirklichkeiten entsprechende — Gestaltung der Betriebsverhältnisse. Für diese Erwägungen ist auszugehen von dem natürlichen Begriff des Betriebes als Veranstaltung zur Erarbeitung eines technisch-wirtschaftlichen Erfolges durch eine mehr oder minder große Zahl von Menschen. 1. Als Veranstaltung von verhältnismäßiger Dauer m i t einer bestimmten Funktion i m Zusammenleben der Menschen hat der Betrieb den Charakter einer gesellschaftlichen Einrichtung oder Institution. Wie jede von Menschen geschaffene Institution theologisch gesehen eine Fortentwicklung der göttlichen Schöpfung durch Menschen bedeutet, so auch der Betrieb. Der hiermit i n seiner allgemeinen Grundlage gegebene theologische Sinn des Betriebes erfüllt sich allgemein i n dem Maße, wie der Betrieb an der Erfüllung der allgemeinen Erden- und Menschenaufgabe teilnimmt, der Wiederverherrlichung Gottes zu dienen, vorzüglich i m Dienste am Heil der Menschen, zunächst der Betriebsbeteiligten, dann aber zugleich den immer weiter gehenden Kreisen der Menschen bis zur Menschheit. Das Heil der Menschen ist hierbei zunächst übernatürlich, als „ewiges Heil" gemeint; dieses soll aber schon 1 Dessauer: wärts.

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i n der Erdenzeit der Menschen aufbrechen, weshalb es gewissermaßen das zeitliche Heil der Menschen einschließt. Der besondere theologische Sinn des Betriebes als Institution ergibt sich aus der i h m eigenen besonderen Aufgabe des Dienstes am Menschen durch Beschaffung von Gütern, von M i t t e l n für den Lebensunterhalt, von Betätigungsgelegenheit, damit für die persönliche Entfaltung der Menschen, dies alles i n den Wirklichkeiten der Wiederverherrlichung Gottes. Angesichts dieser Umschreibung, die zum Ausdruck bringt, was der Betrieb aus theologischer Erkenntnis seinem Wesen nach, seiner Idee nach — d. h. i m Ideal — darstellt, erheben sich für die soziale Betriebsführung die Fragen: Entsprechen unsere Betriebe tatsächlich ihrem hiermit klargestellten Wesen, ihrem Sinn — d. h. der ihnen i n den Lebenszusammenhängen obliegenden Aufgabe —? Jedenfalls widersprechen sie ihrem Wesen, wenn sie irgendwie Leben beeinträchtigen, sei es das der Betriebsbeteiligten, sei es Außenstehender. Erklären sich nicht Unstimmigkeiten i m Betriebe aus Verfehlungen gegen das Wesen des Betriebes als Ganzem? Was gilt es zu t u n i m Hinblick auf diese Unstimmigkeiten bzw. auf die K l u f t zwischen der wesentlichen und der tatsächlichen Betriebs-Wirklichkeit? Die Beantwortung dieses für alle Betriebsführung und insbesondere die soziale Betriebsführung entscheidenden Fragenkomplexes hat konkrete Vorstellungen vom Betriebsleben zur Voraussetzung. Die theologische Erfassung der Einzelheiten dazu verlangt die Weiterführung der m i t der Theologie des Betriebes als Institution begonnene Seinstheologie des Betriebes durch die Theologien der — sich aus der Betriebsdefinition ergebenden — vier Wesenselemente des Betriebes: Arbeit, Wirtschaft, Technik, Zusammenwirken von Menschen. Jede dieser vier Theologien hat es irgendwie m i t dem Handeln von Menschen zu tun. Deshalb empfiehlt es sich, ihrer einzelnen Erörterung das ihnen Gemeinsame i n Abschnitten zur Theologie des Menschen — aus der christlichen Anthropologie — und zur Theologie des Handelns voranzustellen. 2. Die Grundfragen der christlichen Anthropologie sind die Fragen nach dem wesentlichen Sein, dem wesentlichen Ziel und der wesentlichen Aufgabe des Menschen. Die A n t w o r t auf die erste dieser Fragen — jener nach dem Menschenbild, wie heutzutage gesagt w i r d — lautet: Als Geschöpf Gottes ist der Mensch Person und hat zum Wesensgrund den Charakter eines „Ebenbildes" — oder Abbildes — Gottes; wie es heißt I. Moses 1, 27: „Gott schuf den Menschen nach Seinem Bilde." Hiermit ist zum Ausdruck gebracht, daß der Mensch i m Gesamt der Schöpfung den Vorzug hat, i n einmaliger Weise ein hohes A b b i l d des Urbildes, das Gott darstellt, zu sein — vorzüglich begabt mit Vernunft und freien Willen einer unsterblichen Seele —, dadurch einerseits eine besondere Teilnahme an Gottes Größe zu besitzen, andererseits i n be-

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sonderer Weise Gott zu gehören. Hierin liegt die ursprüngliche Würde des Menschen, die einen zweiten Quellgrund hat i n der Berufung eines jeden Menschen zu Gott, nach seiner Bewährung auf Erden i n die Herrlichkeit Gottes einzugehen, die sein Lebensziel ist; je nach der Erfüllung dieser für alle i m Grunde gleichen Berufung kann ein einfacher Arbeiter bei Gott eine höhere Würde haben als dieser oder jener seiner Vorgesetzten oder der Betriebsführer. Schließlich wurzelt die Menschenwürde und zeigt ihre Größe i n der Tatsache, daß, nachdem die ersten Menschen durch die Ursünde ihr göttliches A b b i l d verunstaltet hatten, die zweite Person i n der Dreifaltigen Gottheit Mensch wurde, u m als Gottmensch Jesus Christus die aufgerissene K l u f t zwischen Gottheit und Menschheit zu überbrücken, die Menschen wieder „heil" werden zu lassen, ihnen eine Grundlage zu schaffen für ihr Wirken zur Wiederherstellung des Gottesebenbildes — der Hauptlebensaufgabe des Menschen für sich selbst — und damit zur Wiederverherrlichung Gottes. Diese Würde muß jede Betriebsführung wahren, u m den Menschen wie dem Betrieb gerecht zu werden. Sie läßt nicht zu, daß der Mensch zu einem M i t t e l gemacht — etwa dem technischen oder wirtschaftlichen Erfolg untergeordnet — w i r d ; sie verlangt seine Bejahung als Person, wie sie sich zeigen kann vom Geltenlassen über die ausdrückliche A n erkennung i n Wort und Tat bis zur Liebe i m christlichen Sinne einfachhin. Zu einer Darstellung der christlichen Anthropologie gehört nicht zuletzt eine Klärung der Stellung des Menschen i m Kosmos, speziell i n der Sachenwelt, und der für ihn damit gegebenen Aufgabe. Zusammenfassend soll wenigstens festgehalten werden, daß der Mensch die stoffliche Welt i n seine persönliche Hinordnung zu Gott hineinnehmen muß, um sie geistig zu beherrschen, sodann daß der Mensch der Entfaltung der stofflichen Welt zu dienen hat, u m der von Gott i n Seiner Schöpfung angelegten E n t w i c k l u n g — die auch durch die Ursünde beeinträchtigt wurde — zur Vollendung zu verhelfen. Der Mensch soll die Erde i n seine Gewalt nehmen, auch u m dem Herrenworte Matth. 5, 48 zu entsprechen: „Seid vollkommen wie euer Vater i m Himmel vollkommen ist." Denn das letzte Zusammenleben m i t Gott — das Ziel aller Menschen — als dem Vollkommenen ist nur verhältnismäßig vollkommenen Menschen möglich. Die Vollkommenheit der Menschen darf aber nicht einfach als sittliches Vollendetsein aufgefaßt werden. Dieses ist zwar mitgemeint iund zwar i m allzu oft übersehenen Sinne einer Entsprechung zur wesenhaften Wirklichkeit, einer Erfüllung des wesentlichen Seins i n den Tatsächlichkeiten des Lebens, des Alltags. Darüber 'hinaus aber muß die menschliche Vollkommenheit — wie das Herrenwort andeutet — eine Teilnahme an der Vollkommenheit Gottes i n ihren verschiedenen Qualitäten, besser i n ihren Seinseigentümlichikeiten, zum 3 Betrieb und Gesellschaft

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Inhalte haben, insbesondere auch durch die Erkenntnis und die Beherrschung des Seins. Liegt es nicht offen, wenn w i r uns das Betriebsleben vor Augen halten, was diese Grundsätze der theologischen Anthropologie für das Verständnis und die Entwickelungsverhältnisse des Betriebes i m H i n blick auf Arbeit, Technik und Wirtschaft haben — ohne dabei das Zusammenwirken zu vergessen?! Von nicht minder großer Aufschlußkraft für die Erfassung und Steuerung des Betriebsgeschehens, für die soziale Betriebsführung ist die Theologie des Handelns, die geradezu einen Blick ins Unendliche öffnet. 3.- Wenngleich nach theologischer Erkenntnis auch beim menschlichen Handeln das Letzte i m Schleier des göttlichen Geheimnisses liegt, so bietet doch die dogmatische Lehre von der M i t w i r k u n g Gottes i m geschöpflichen Handeln — über den „concursus divinus generalis" — derartig reiche Anhalte für eine Theologie des Handelns, daß damit Grundlegendes für eine Seinstheologie des Betriebes ausgesagt werden kann. Nach der christlichen Lehre von den Zusammenhängen des Seins, des Lebens hat Gott die Welt nicht nur erschaffen, sondern erhält sie auch durch Sein Wirken. So sagt Augustinus: „Der Wille des Schöpfers ist die Natur eines jeden Dinges." „Wenn er Seine Schöpfungskraft den Dingen entzöge, würden sie nicht so ins Nichts zurücksinken, wie sie auch nichts waren, bevor sie wurden?" Aber wenngleich Gott die Welt allein erschaffen hat und sie erhält — „das Erhalten eine fortgesetzte Schöpfung ist", wie Augustinus sagt —, so erhält Er sie doch nicht allein, sondern unter M i t w i r k u n g durch die Geschöpfe. Demgemäß stellt der Dogmatiker Bernhard Bartmann 2 fest: „Es ist eine seit der Scholastik vorgetragene und i n der Schrift wohl bezeugte Lehre, daß Gott bei jeder natürlichen Tätigkeit seine unmittelbare physische M i t w i r k u n g leiht." Physisch heißt diese Mitwirkung, „ w e i l sie nicht äußerlich und moralisch dargeboten wird, sondern innerlich i n Berührung m i t dem Wesen der Dinge und ihren Kräften". Es findet also ein Zusammenwirken statt, allgemein der göttlichen und der geschöpflichen U r sache, speziell beim menschlichen Handeln, i m Zusammenwirken von Gott und Mensch. Gottes Wirksamkeit erstreckt sich „nicht nur auf das nackte Sein (esse), sondern auch auf die Tätigkeit (operari) der Geschöpfe". So w i r d nach der allgemeinen Lehre der Theologie festgehalten, „daß Gott zu jedem geschöpflichen A k t Seine unmittelbare, physische M i t w i r k u n g leihen muß", wobei es sich uim „die allgemeine göttliche M i t w i r k u n g " handelt, zum Unterschiede von dem besonderen Einflüsse 8 Vgl. Bartmann: Lehrbuch der Dogmatik, 1. Bd. 8. A . Freiburg/B. 1932, S. 244—246 (wo sich auch die Augustinus-Zitate finden).

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Gottes durch die übernatürliche Gnade". Hierbei ist auch festzuhalten, was Bartmann betont: „Aber Gott bewegt die Kreatur entsprechend ihrer Natur, und somit die freie Natur derartig, daß sie sich selbst frei bewegt", weshalb durch Gottes M i t w i r k e n i m menschlichen Handeln die menschliche Freiheit nicht aufgehoben oder beeinträchtigt wird. Der i m Ganzen seines Lebens gottbedürftige Mensch ist auch i n seinem Handeln gottbedürftig; Gott w i r d dieser Bedürftigkeit gerecht, indem Er Mitträger des menschlichen Handelns ist, zunächst von Natur her, dann dazu gnadenhaft, und dies u m so mehr oder besser, je mehr oder besser der Mensch I h n zu diesem Zwecke anruft, u m Seinem Willen zu entsprechen und Seine Hilfe zu erhalten. I m Wesen des menschlichen Handelns liegt so eine Partnerschaft Gottes. Der Mensch kann allerdings i n bestimmtem Maße ohne Gott oder wider Gott handeln — aus seiner Freiheit —, kann es sogar ohne sein Wissen oder Bewußtsein. Deshalb braucht er immer wieder die Besinnung auf ein dem Wesen der konkreten Verhältnisse entsprechendes, ein seinsgerechtes Handeln, brauchen die Betriebsbeteiligten immer wieder eine Besinnung oder Gewissenserforschung über das betriebliche Handeln nach seiner Seinsgerechtigkeit — Menschen- und Sachgemäßheit —, die Betriebsführer wie alle ihnen Nachgeordneten. Durch das i n Übereinstimmung m i t Gott bewirkte Handeln realisiert der Mensch seine Anlagen oder Vermögen, damit sich selbst. Ebenso handelt er zu seinem Schaden oder seiner Vernichtung, wenn er nicht seinsgemäß handelt. Er schadet insbesondere auch sich selbst, wenn er Andere und die Sachen nicht seinsgemäß behandelt. Haben w i r bei dem Gesagten stets den Betrieb lebendig festgehalten, dann sind dabei mancherlei Lichter gefallen sowohl auf die menschliche Betriebsproblematik als auf die Möglichkeiten ihrer Lösung. Konkretere Anhalte dazu bieten die Ergebnisse der Theologien der Teilsphären des Betriebes: Arbeit, Wirtschaft, Technik, Zusammenwirken. Bei deren Erörterung müssen zwei Dinge stets i m Auge behalten werden: einmal die theologische Aussage über die Stellung und die Aufgabe des Betriebes i n dem heilsgeschichtlichen Prozeß der Wiederverherrlichung Gottes und damit des Heilsgewinnes der Menschen; sodann daß W i r t schaften und technisches Werken Spezialarten des Arbeitens sind, für die deshalb auch die allgemeineren Grundsätze der Arbeitstheologie gelten. Arbeiten ist ja i n natürlicher Sicht ein menschliches Handeln zur Erreichung eines Werkerfolges, vorzüglich i m Interesse der Lebenserhaltung und Lebenshaltung; Wirtschaften ist ein planmäßiges Arbeiten m i t Vergleich von Aufwand und Ertrag, technisches Werken ein Arbeiten nach bestimmter Methode oder m i t äußeren Hilfsmitteln. I n sofern als durch jedwedes Handeln etwas geschieht, stellt wie die Arbeit 3*

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einfach h i n so auch das Wirtschaften und das Werken m i t Technik ein Schaffen, eine Schöpfung dar. Bei allen vier Spezialtheologien ist jeweils nach dem ursprünglichen — von Gott sich herleitenden — Wesen, nach dem gottgegebenen Ziel und nach der sich damit stellenden Aufgabe des Menschen zu fragen. Da die Betrachtung der tatsächlichen Erscheinungsweisen der Einzelsphären andere Bilder ergibt als die dem Wesen entsprechenden Bilder, ist schließlich zu fragen nach dem Grunde sowie nach den Möglichkeiten der Überwindung der Diskrepanzen. 4. A u f die Frage nach dem ursprünglichen Wesen der Arbeit w i r d zuweilen geantwortet, die Arbeit sei eine Folge der Erbsünde, und zwar ein Fluch Gottes. Diese A n t w o r t ist sicherlich verkehrt. Wenn es I. Moses 2, 15 heißt, „Gott der Herr brachte den Menschen i n den Garten Eden, damit er i h n bebaue und pflege", dann zeigt dies doch ein Arbeiten i m Paradiese, i n der Zeit vor der Ursünde. Die Behauptung berührt nur das Richtige, daß der Fluch Gottes ob der Ursünde m i t den Menschen und der Erde auch die Arbeit der Menschen traf und dadurch die Arbeit veränderte. War sie zunächst, i m Paradiese, eine zugleich freie, leichte und frohe Tätigkeit, so wurde sie durch den Fluch notwendig, gezwungen und mühsam. Die Arbeits-Tätigkeit wurde i n ihrer A r t verändert, behielt aber ihr ursprüngliches Wesen. Die Theologie der Arbeit geht i n ihrer Frage nach dem ursprünglichen Wesen der Arbeit davon aus, daß sich das U r b i l d der Arbeit findet i n Gott, i m göttlichen Tun, daß Gott w i r k t und i n diesem Sinne arbeitet, allerdings nicht i m Abmühen, nicht i m Schweiße Seines Angesichtes, nicht aus Not, sondern aus der Vollmitte Seines Seins, i m Überfließen oder Ausströmen Seines Seins. I n diesem Seinem Sein ureigenen Wirken oder Arbeiten schafft Gott, erhält und regiert Er die Welt, w i r k t so selbst immerfort i n der Schöpfung, w i r k t dabei auch i m Menschen, i n allem menschlichen Handeln — wie bereits ausgeführt wurde —. Demgemäß enthält die Arbeit der Menschen rein natürlich gesehen ein mehr oder weniger weitgehendes M i t w i r k e n Gottes. Einfachhin dem Wesen nach aber ist der Mensch i n seiner Arbeit Mitarbeiter Gottes und ist die menschliche Arbeit eine Teilnahme des Menschen am göttlichen Tun. Je bewußter der Mensch i m Hinschauen auf Gott, u m Gottes Willen, oder je mehr er unreflektiert i m Geiste Gottes arbeitet, desto mehr entspricht er dem ursprünglichen Wesen der Arbeit. Und: Je wesensgemäßer die Arbeit verrichtet wird, u m so mehr ist sie als ein Schaffen m i t dem Schöpfer-Gott eine Fortsetzung oder Fortbildung der Schöpfung. Dies zeigt sich greifbar i n der Hervorbringung von materiellen und geistigen Gütern, vorzüglich i n den Erfolgen der Technik. Hier hinter scheinen die Absichten Gottes zu stehen: einmal die auf Entwickelung hin angelegte Gottesschöpfung durch den Menschen fortsetzen zu

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lassen; sodann durch die Arbeit den Menschen mit dem Kosmos i n Verbindung zu bringen und zu halten, nicht zuletzt auf daß „der Geist m i t der Materie sich vereine" — wie Chenu sagt 3 —¿schließlich—und doch vor allem — durch die Arbeit den Menschen zu seiner persönlichen Entfaltung zu bringen. Damit sind bereits ein erstes M a l das gottgegebene Ziel der Arbeit und die sich aus ihr ergebende ursprüngliche menschliche Arbeitsaufgabe umrissen. Beide bedürfen aber noch einer weiteren Klärung: Nach dem Sündenfall der Stammeltern des Menschengeschlechts gab der Herrgott den Menschen als neue Aufgabe, durch die Arbeit ihr Heil zu erwirken und überdies beizutragen an der Wiederverherrlichung Gottes. I n dem zuletzt Gesagten klingt bereits an, daß die Theologie der Arbeit sich nicht nur auf der Grundlage der Theologie der Schöpfung, sondern auch auf derjenigen der Theologie der Erlösung bzw. des Erlösungswerkes Jesu Christi erhebt. Wie durch dessen Leben, Leiden und Sterben die Menschheit erlöst wurde — und damit auch die Arbeit als menschliches Tun —, so ist auch entsprechend die außermenschliche Erde i m Wesentlichen erlöst, jedoch mit der Maßgabe, daß wie nach der objektiv vollzogenen Erlösung die Menschen sich diese durch ihr M i t wirken zu eigen machen müssen, sie auch bei der Zuwendung der Erlösung an die außermenschliche Welt m i t w i r k e n müssen i m Zuge der Erneuerung der ganzen Welt, was insbesondere durch die Arbeit geschieht bzw. geschehen soll und kann. Der zur Fortsetzung des Erlösungswerkes Jesu Christi berufene Christ besorgt diese seine Aufgabe vorzüglich durch seine Arbeit. Wenn nun aber des Menschen Arbeit ein Wirken mit dem Dreifaltig-Einen Gott ist, dann ist sie auch ein Zusammenwirken mit dem Gottmenschen Jesus Christus, und als solches ein M i t t e l oder Weg der Fortsetzung des Erlösungswerkes Jesu Christi — tatsächlich je nach dem Maße der Liebe i m christlichen Sinne, m i t dem sie verrichtet wird, entsprechend dem Vorbilde des gottmenschlichen Erlösers. Daher können die Menschen durch ihre Arbeit sowohl zu ihrer eigenen Erlösung als zu der ihrer Mitmenschen und schließlich auch zu derjenigen der außermenschlichen Welt beitragen. Aus dieser Sicht werden manche theologische Aussagen über die Arbeit verständlich, bspw. diese des polnischen Kardinals Wyszynski: W i r d die Arbeit nur „von der materiellen Seite aus betrachtet, entsprechend ihrem Umfang und ihrem Produktionswert", dann übergeht man „jene Werte, die der Person des Menschen aus der Arbeit zuwachsen". „ I m Plane Gottes ist die Arbeit eines der Mittel zur inneren Heiligung". „ M i t der Pflicht zur Arbeit haben w i r zugleich die Möglichkeit, die durch den Sündenfall zerrüttete Ordnung wieder herzustellen". Chenu hält fest: 8 Vgl. M . D. Chenu: Die A r b e i t u n d der »göttliche Kosmos. Versuch einer Theologie der Arbeit. Mainz 1956, S. 69.

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Die Arbeit stellt „keine den Menschen bedrohende Gefährdung" dar, „sondern ist i m Gegenteil K r a f t ihrer eigenen Gesetzlichkeit i n der Lage, der echten Menschwerdung zu dienen". So kann Thils der menschlichen Arbeit bezüglich der außermenschlichen Welt erlösenden Charakter zuschreiben, „da sie den irdischen Wirklichkeiten die Erlösungsform bringt, die der Herr ihnen bereitet hat, indem Er die ganze Welt erlöste: instaurare omnia i n Ipso (Ephes. 1, 10)" 4 . Die Theologie der Arbeit als Gotteslehre der Arbeit hat nach bzw. i m Zusammenhang m i t der Betrachtung der Arbeit i n ihrem Schöpfungsund ihrem Erlösungscharakter — angesichts der T r i n i t ä t Gottes — nicht zuletzt die Arbeit i n ihrer Beziehung zum Heiligen Geiste als Gegenstand. Die Behandlung dieses Themas kann hier nur kurz angerissen werden. Wenn Jesus Christus sagte, „Ohne mich könnt i h r nichts t u n " (Joh. 15, 5), dann ist es so, daß alle rechte Arbeit m i t Ihm, i n Seinem Heiligen Geiste, dem „Lebensspender" (Symbolum Nic.-Const.), dem, der i n alle Wahrheit — und das heißt stets i n das Wesentliche, i n die tiefere Wirklichkeit — einführt (Joh. 16, 13), getan wird, m i t dem Heiligen Geiste als Vollender des Erlösungswerkes Jesu Christi. Entsprechend betont Thils: „Da das Erlösungswerk durch den Heiligen Geist vollbracht wird, da es auf dieser Welt fortwährend den T r i u m p h des Pneuma über das Sarx sichert, heißt Mitarbeit an der Erneuerung der Welt Zusammenarbeit m i t dem Heiligen Geiste, der i m Kosmos w i r k t , u m i h n Sich ähnlich zu machen 5 ." Schon dieser knappe, zwar systematische, aber unvollständige Aufriß einer Theologie der Arbeit zeigt diese i n ihrem Wesen als etwas geradezu unsagbar Großes. Indessen, ein flüchtiger Blick i n das tatsächliche Arbeitsleben bietet eine i n ihren Erscheinungsweisen zumeist viel weniger erfreuliche Wirklichkeit. Woher dies kommt ist i m Grunde schnell erklärt: Das Wesen der Arbeit w i r d nicht gelebt. Ja, man w i r d ohne weiteres zugeben müssen, daß es unter den heilsgeschichtlichen und zeitgeschichtlichen Verhältnissen außerordentlich schwierig ist, das Wesen der Arbeit zu leben. Dessen ist sich gerade der zielbewußte strebende Christ bewußt, dessen Kirche seit Jahrhunderten betet: „ W i r bitten Dich, o Herr, komme unseren Handlungen m i t Deiner Eingebung zuvor und begleite sie m i t Deiner Hilfe, damit all unser Beten und T u n stets von D i r ausgeht, und, von D i r begonnen, auch durch Dich vollendet werde." 4 Vgl. Stephan Wyszynski: Der Christ und die Arbeit. Wien 1959, S. 63—70; Chenu a.a.O., S. 57 und 73; Gustave Thils: Theologie der irdischen W i r k l i c h keiten, Salzburg o. J., S. 227. 5

Thils, a.a.O., S. 229.

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Der letzte Grund der Diskrepanz zwischen dem Wesen bzw. Ideal und der Alltags-Wirklichkeit des Betriebs-, speziell des Arbeitslebens ist — wie bei allen sozialen Fraglichkeiten — i n den Folgen der Erbsünde zu suchen m i t einer Verdunkelung des Verstandes — der das Hechte nicht leicht erkennt —, einer Schwächung des Willens — der das Rechte nicht entschieden anstrebt — und einer Verwirrung des Gefühles — die das rechte Gespür für das zu Tuende oft nicht aufkommen läßt. Diese heilsgeschichtlichen Folgen werden i n gewisser Hinsicht erweitert durch die zeitgeschichtliche Entwicklung der Säkularisierung, der Verweltlichung — i m Sinne der übersteigerten Weltzuwendung mit einer Entfernung von Gott —. Dies wiederum hatte eine Minderung oder Degradierung der Liebe bei den Menschen i m Gefolge, sozusagen zwangsläufig; denn „Gott ist die Liebe" (I. Joh. 4, 16), und wer sich von Gott entfernt, entfernt sich zugleich von der Liebe. Durch den Menschengeist wurde so die Arbeit von Gott gelöst, ihrem Wesen entfremdet zu einer Tätigkeit, die als Strafe oder gar Flucht empfunden werden konnte, als ein weltlich Ding erschien, dem man durch die Not hingegeben war und dem selbst Menschen edlen Charakters — vorzüglich unter führenden „ A r beitern" — verfielen. So entspricht die Arbeit heute nicht mehr regelmäßig ihrer wesensmäßigen Bestimmung, wie sie i n dem Apostelwort zum Ausdruck kommt: „Tuet alles zu Ehren Gottes" (I. Kor. 10, 31). Wer denkt heutzutage schon daran, daß i n Erfüllung dieses Wortes die Arbeit zu einer Hingabe an Gott, d. h. zu einem Opfer an Gott gemacht werden muß, u m Tat der Erlösung und M i t t e l der Wiederverherrlichung Gottes zu sein; daß die hierzu erforderliche Arbeitsaszese eine Teilnahme am Kreuze Jesu Christi sein kann und sein soll, die mystischerweise zu Gott erhebt; daß die Arbeit die Bestimmung hat, „einem Leben, das dahin geht, Ewigkeitswert zu geben" 6 ! Statt dessen wurde mit dem „Vergessen" Gottes i m Arbeitsraume dem Teufel Raum gegeben i m Betriebe. Die bemerkenswerte Gegenwarts-Tendenz einer Humanisierung des Arbeitslebens 6 a bedeutet zwar einen gewichtigen Beitrag zu dessen Verwesentlichung, bedarf aber überdies einer Ergänzung durch Entweltlichung und Wiedervergöttlichung i m christlichen Sinne • So Marie-Michel Philipon: Die Sakramente i m Leben des Christen. F r e i burg/B. 1957, S. 41. Ebd. S 46/47: „Bleiben w i r i n I h m , verstehen w i r es, i n I h m zu lieben, zu bitten, zu handeln und zu leiden, so erwächst jede H a n d lung, die w i r vollbringen, zur Größe Christi. Das alltäglichste Menschenleben bekommt göttliche Bedeutung, Sühne- u n d Erlösungswert für den ganzen mystischen Leib." 6a Walter Weddigen: Wirtschaftsethik. System humanitärer Wirtschaftsmoral. B e r l i n 1951. Vgl. dort S. 16 u n d 23 die Umschreibungen der Nächstenliebe als „die brüderliche Liebe als Barmherzigkeit, Wohlwollen u n d Güte gegenüber den Mitmenschen", u n d der Aufgabe der Wirtschaftsethik als „die Tatsachen, Maßnahmen und Zusammenhänge der Wirtschaft systematisch darauf zu untersuchen, ob u n d i n w i e w e i t sie nach Wesen u n d A u s w i r k u n g e n dem dargelegten Ideal der Nächstenliebe entsprechen".

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durch Realisierung des theologisch umschriebenen Betriebswesens i m Ganzen. Diese Verwesentlichung des Betriebslebens muß insbesondere bezüglich des Wirtschafts-Elementes des Betriebes erfolgen, das vordergründig am stärksten zur K l u f t zwischen Ideal und Alltag des Betriebes geführt hat. Hierzu bietet die Theologie des Wirtschaftens grundlegende Anhalte. 5. Die Wirtschaftstheologie sieht sich vor der Aufgabe, das Wirtschaften oder das Wirtschaftsleben als eine Wirklichkeit i m Plane Gottes aufzuzeigen und zu beleuchten, insbesondere durch theologische Erwägungen des Wesens der Wirtschaft, der Elemente und der Erscheinungsformen des Wirtschaftslebens. Auszugehen ist dabei von dem säkularwissenschaftlich bekannten Wirtschaften. Wirtschaften ist ein Arbeitshandeln, bei dem unter einem möglichst beschränkten Aufwand an Mitteln jedweder Natur ein den Aufwand möglichst bzw. möglichst hoch überschreitender Wirkerfolg angestrebt wird, u m materielle oder materiell gebundene Bedürfnisse und Neigungen der Menschen zu befriedigen. Als Wirtschaft gilt eine eigenartige Wirklichkeit i n den Gesamtzusammenhängen des Lebens, kurz eine besondere Lebenssphäre,die sich aus der häuslichen Lebenssphäre heraus entwickelt und spezialisiert hat. Demgemäß läßt sich eine allgemeine Wirtschaftstheologie begründen und aufbauen, die das gerade Gesagte bezüglich der allgemeinen Wirtschaftszusammenhänge verfolgt, und die zu ergänzen ist durch eine spezielle Wirtschaftstheologie, welche die verschiedenen differenzierten Wirtschaftsglieder, an erster Stelle jene der Herstellung oder Produktion, der Verteilung und des Verbrauches der Güter, zu Gegenständen hat. Wie die Arbeit so läßt sich auch das Wirtschaften theologisch zunächst betrachten einmal i m Hinblick auf den paradiesischen Zustand als einfach der menschlichen Natur entsprechendes Wirken u m des besonderen Erfolges willen, sodann i m Hinblick auf die Ursünde der Menschheit als eine vom Gottesfluch getroffene Wirklichkeit, die, obwohl sie durch das Lebenswerk Jesu Christi frei für die Realisierung der Erlösung wurde, noch der Vollendung der Erlösung bedarf, wie sie unter ständiger Teilnahme der Menschen geschehen soll. Insofern i m vorsündlichen Menschenleben keine Knappheit, kein Mangel gegeben war, solches erst als eine Folge des Sündenfalles auftrat, gab es allerdings ursprünglich wohl kein menschliches Wirtschaften. I n jedem Falle ist das Wirtschaften theologisch gesehen eine besondere A r t des Mit-Gott-Wirkens i n der Erhaltung wie der Fortentwicklung der Schöpfung und i n der Weiterführung oder Vollendung der Erlösung Jesu Christi i m Heiligen Geiste u m des Heiles der Menschen und der Wiederverherrlichung Gottes w i l -

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len — i n der „Heilsökonomie", wie bezeichnenderweise ein theologischer Begriff lautet. Die Notwendigkeit des Wirtschaftens, zu handeln — Güter zu beschaffen, zu vermitteln und zu verbrauchen — angesichts der Knappheit und des Fehlens von Gütern, die das Leben erhalten, tragen oder erhöhen, ist ein Zeichen der Beschränktheit des Irdischen, das Wirtschaften eine Möglichkeit zur verhältnismäßigen Überwindung dieser Beschränkung. Durch die Realisierung dieser Möglichkeit entspricht der Wirtschaftende dem Gottesauftrag, „Machet euch die Erde Untertan" (I. Moses 1, 28—29) und führt die Menschen i n Richtung auf die Fülle der Ewigkeit. Wesentliches Wirtschaften, d. h. Wirtschaften, welches sein ursprüngliches Wesen und seine göttliche Bestimmung verwirklicht, bedeutet einen Weg zur Seligkeit. Durch das Wirtschaften w i r d die Schöpfung i n höherem Maße der Menschheit dienstbar als durch unüberlegten Verbrauch des Vorhandenen, sowohl indem vorhandene Güter durch ihre Einteilung oder Verteilung Menschen zugute kommen, die ohne dies ungesichert wären oder der Güter entbehren, vielleicht gar darben müßten. Indem das Wirtschaftsleben Antriebe gibt zu zivilisatorischen und k u l turellen Fortschritten, setzt es das Schöpfungs- und Erlösungswerk Gottes fort, schließt es die Welt für die Menschen immer weiter auf und läßt die Menschen selbst weit werden, verbindet und vergemeinschaftet die Menschen unter einander i n steigendem Maße — sichtbar z. B. i n der Linie von der Hauswirtschaft über die Volkswirtschaft zur Weltwirtschaft —. So w i r d auf natürliche Weise eine Grundlage geschaffen zur Realisierung der Menschheitsgesellschaft, die i m Heilsplane Gottes ein letztes, ein eschatonisches Ziel darstellt, wie die Lehre von der „Gemeinschaft der Heiligen" besagt. Das Wirtschaften soll den Einzelnen helfen, i n diese Gemeinschaft hineinzuwachsen. Denn wesenhafte W i r t schaft bewirkt eine Entfaltung der menschlichen Lebenskräfte und verlangt eine besondere Aszese, eine Wirtschaftsaszese m i t Verzichten und Niederringen mancher Neigungen und Strebungen, aber auch m i t besonderen Kraftanstrengungen und persönlichem Einsatz zuweilen. Durch all dieses entfaltet der Mensch sich selbst h i n auf eine höhere Ebenbildlichkeit zu Gott, wodurch er nicht nur an seinem Heile w i r k t , sondern auch angepaßtes Glied der Gemeinschaft der Heiligen wird. Stellt das Wirtschaftshandeln ganz allgemein seinem Wesen nach eine Teilnahme oder Teilhabe am göttlichen Leben dar — unter den Zeichen eben des Wirtschaftens —, so bedeuten Einzelelemente i m Wirtschaftsleben besondere Teilnahmen an der Fülle des göttlichen Lebens. Leider sind die damit zusammenhängenden Fragen noch nicht erkannt worden und können auch an dieser Stelle nur angedeutet werden. Das W i r t schaften als rechenhaftes Arbeiten mit dem Gipfel der Rationalisierung ist i n seinem Kerne als Handeln nach einer Vernunftidee eine Teil-

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nähme an der göttlichen „ratio", am göttlichen Vernunftwirken. Die Konkurrenz i m Wirtschaftsleben läßt sich deuten als Verwirklichung eines von Gott i n der Menschheit angelegten zwischenmenschlichen Spieles des Wettbewerbes oder Eifers u m einen größeren Lebensreichtum, auch als M i t t e l einer gesteigerten Vergesellschaftung. Das Unternehmerische m i t seinem Risiko als Wagnis bedeutet eine Teilnahme an dem geheimnisvollen Wagnis Gottes i n der Erschaffung der Menschen und deren Beauftragung, durch eigene Initiative sich und die Welt fortzuentwickeln. Wie die Theologie der Produktion das menschliche Schaffen und Wirtschaften i n Beziehung zu Gottes Schöpferwirken sieht, so könnte die Theologie des Konsums den menschlichen Verbrauch oder Genuß als göttlichen Hinweis, als Vorgeschmack der himmlischen Genüsse darstellen — wie das bspw. die liturgischen Tischgebete der Kirche zum Ausdruck bringen —. Die Theologie des Handels oder Tausches verweist einmal auf das „admirabile commercium", auf den wunderbaren Tausch, den der Schöpfer des Menschengeschlechtes durch Annahme eines Menschenleibes einging, auf den „Tausch" zwischen Gottheit und Menschheit, sodann i n dem aus der Gottesliebe stammenden und sich durch die Liebe i n den Verhältnissen von Mensch zu Mensch realisierenden Austausch unter den Menschen. So gäbe es manches andere für eine Theologie des Wirtschaftens zu bedenken, wovon das Gesagte nur beispielhaft festgehalten wurde, u m den Geist der Erkenntnis, u m die christliche Sicht der wesenhaften Wirtschaft aufleuchten zu lassen für die Sicht der wirtschaftlich bestimmten menschlichen Betriebsproblematik. Wenn dann der Blick vom Wesenhaften der Wirtschaft auf dessen alltägliche Wirklichkeit gelenkt wird, dann zeigen sich auch hier wieder Diskrepanzen, entsprechend den bezüglich der Arbeit herausgestellten und erklärten, auf die deshalb an dieser Stelle — angesichts der Beschränktheit der Zeit bzw. des Raumes — nicht i m Einzelnen eingegangen werden kann. Zusammenfassend mag nur gesagt sein, daß es i m Wirtschaftsleben heutzutage wohl bei allen Beteiligten am christlichen Verständnis der Wirtschaft fehlt, was sich nicht zuletzt darin zeigt, daß es völlig unangebracht schien, von der Liebe i m Wirtschaftsleben zu sprechen. Aber schon haben einige amerikanische Unternehmer den Mut dazu aufgebracht, und der deutsche Nationalökonom Walter Weddigen hat sogar seiner Wirtschaftsethik als einziges Postulat die Nächstenliebe zugrunde gelegt. Darf man hoffen, daß je mehr der Mensch die Technik bewältigt, er auch u m so eher das Wirtschaftsleben nach seinem wesenhaften Sinn erfüllt? Vielleicht bietet dazu die Theologie der Technik eine mitentscheidende Hilfe. 6. Wie die Theologie der Wirtschaft hat auch die Theologie der Technik die allgemeinen Aussagen der Theologie der Arbeit — und damit

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des menschlichen Handelns — zur Grundlage, u m ihre Besonderheiten zu gewinnen einmal aus der Besonderheit des technischen Handelns, sodann aus der Tatsache, daß die stofflich produzierende Technik Werke hervorbringt, die neue Wirklichkeiten darstellen und deshalb einer eigenen theologischen Betrachtung bedürfen. Der Theologie der Arbeit entsprechend ergibt sich demgemäß für die Theologie der Technik die Aussage: daß die Technik ihrem Wesen nach eine besondere A r t menschlichen Handelns, ein Zusammenwirken von Gott und Mensch ist m i t dem Ziele eines Werkerfolges, der durch Veränderungen am Stoffe, durch Stoffwandlungen und durch neue Stoffverbindungen neue Dinge darstellt, menschliche Schöpfungen, und zwar i n einem Geschehen, das eine Fortsetzung der göttlichen Schöpfung zum Dienste der Erlösung i m Heiligen Geiste bedeutet, zur Verherrlichung Gottes i m Heil der Menschheit, zugleich eine spezifische Erfüllung des göttlichen Befehles „Machet euch die Erde Untertan". Grundvoraussetzung für das theologische Verständnis der Technik ist die Berücksichtigung der erst i n jüngerer Zeit systematischer erfaßten Tatsache der Entwicklung i n der Welt, die klar macht, daß die Welt auf Entwicklung h i n angelegt ist. Aus dem Geiste Gottes hervorgegangen — durch Realisierung göttlicher Ideen —, soll die Erde mit den Menschen, soll die ganze Schöpfung zum Geiste Gottes zurückkehren. So sind die bereits zum Eingang dieses Abschnittes zitierten Worte des großen Streiters u m die Philosophie der Technik aufzufassen. Entsprechend sind auch Ausführungen des französischen Philosophen Emmanuel Mounier zu verstehen, daß „eine unserer Aufgaben darin besteht, die materielle Welt mit uns auf den Weg der Vergöttlichung zu ziehen"; die ganze Maschinenwelt „ist,Wohnstätte des Heiligen Geistes', oder zumindest dazu berufen, es zu sein" 7 . Beim Eingehen auf die Frage, wie die Technik ihre „doppelte übernatürliche Zweckhaftigkeit: Gott zu verherrlichen und dem Nächsten zu dienen" erfüllt, bringt Thils zum Ausdruck, daß die Technik ontisch oder objektiv Gott verherrlicht, indem sie „ i n den verwandelten Stoff gewisse Rationalitäts-, Spiritualitäts- und sogar Humanitätsreflexe" einbaut. „Sie erweitert und vermehrt auf diese Weise den Seinswert und damit die der Materie innewohnende Vollkommenheit: das ist ja die Grundlage der Verherrlichungsfähigkeit des Kosmos". Thils führt weiter aus, wie die Entfaltung der Natur oder der göttlichen Schöpfung und die Entfaltung der Menschheit zusammen gehen, und steigt schließlich zu dem eschatologischen Gedanken auf: „Die Technik vermag die materielle Welt jener Welt ähnlich zu machen, die sie i n ihrem Dauerzustand sein wird, und 7 Mounier: S. 165/166.

Angst u n d Zuversicht des X X . Jahrhunderts. Heidelberg 1955,

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i n sie gewisse Vor-Bildungen des neugestalteten Universums einzuschalten". Das aber ist die Aufgabe des Menschen an die Technik, „dam i t .schon 'hienieden etwas von den neuen Himmeln, etwas von der neuen Erde erscheine u n d die angeborene Unvollkommenheit der Materie fortlaufend resorbiert werde" 8 . Diese Grundaussagen zur Theologie der Technik bedürfen i n mehrfacher Hinsicht der Erweiterung bzw. Ergänzung, insbesondere durch Erörterung von Einzelheiten, sowohl u m die Größe der wesenhaften Wirklichkeit der Technik noch stärker aufleuchten zu lassen als um konkretere Anhalte für die Gestaltung der geschichtlichen Wirklichkeit des Betriebes i n ihrer menschlichen Problematik zu erwerben. N u r wenige Andeutungen sind i n diesem Aufriß möglich, und zwar — nachdem bisher vorzüglich die sachliche Bedeutung der Technik i m Schöpfungslauf gekennzeichnet wurde — nur noch bezüglich der menschlichen und heilsgeschichtlichen Seite des technisches Wirkens. Zunächst muß schon die Berufung des Menschen zur Technik — der Ruf, der Auftrag Gottes dazu — als etwas geheimnisvoll Großes angesehen werden, das die große Würde des Menschen vor Gott zum Ausdruck bringt. Indem der Mensch das Wort Gottes erfüllt, „Machet euch die Erde Untertan", entfaltet er nicht nur sein natürliches Sein, seine Fähigkeiten, seine Person, sondern auch sein übernatürliches Sein i m Sinne des bereits zitierten und erklärten Herren Wortes: „Seid vollkommen wie euer Vater i m H i m m e l vollkommen ist". Die Technik verlangt von den Menschen sozusagen unausgesetzt Fortschritte i n der naturwissenschaftlichen Erkenntnis wie i n der technischen Kunst, i m Gestaltenkönnen. So wie sich i n diesem Laufe der Wissens- und Erfahrungskreis der Menschen weitet und der Mensch dadurch i n erhöhtem Maße am Wissen, an der Erkenntnis Gottes teilnimmt, so auch steigert sich durch seine größer werdende Macht über die Natur seine Teilnahme an der göttlichen Macht. Die technischen Wege und Werke sind von ihrem Wesen her dazu bestimmt, dem Menschen mehr innere und äußere Freiheit zu verschaffen, und dadurch i h m einen größeren A n t e i l an der idealen Freiheit, der göttlichen Freiheit, zu erwirken. I n allen diesen — und weiteren — Wirklichkeiten vollzieht der Mensch einen Aufstieg i n der und zur Herrlichkeit Gottes, n i m m t immer mehr an Gottes Herrlichkeit teil, und — i n alledem Gott tätigen Dank sagend für seine Berufung, verbunden m i t der Verleihung der zu ihrer Erfüllung gegebenen Talente und Gnaden überhaupt — trägt er zur Wiederverherrlichung Gottes bei. Und doch: Auch i m alltäglichen Dasein der Technik zeigt sich — wie bei Arbeit und Wirtschaft — e i n anderes Bild, eine Diskrepanz zwischen 8

Thils, a.a.O. (s. Anm. 4), S. 197—199.

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Wesen oder Ideal und alltäglicher Wirklichkeit. Das kann nach früher Gesagtem — bezüglich der Erbsünde als Grundquelle von Verkehrungen i m Erdendasein — nicht wundern und kann daher verstanden werden. Nicht ohne berechtigte Anlässe sind die Wendungen aufgekommen von der „Dämonie der Technik" und der „Versklavung des Menschen durch die Technik", liegt eine nahezu unübersehbare Literatur vor bezüglich der angeblichen Nachteile und Schäden der Technik. Aber wer kann i m Ernste von — unvermeidlichen — Schäden und Mächten der Technik sprechen? Handelt es sich bei dem als solchen Behandelten nicht um menschliche Versäumnisse, menschliche Unfähigkeiten und Unbedachtheiten i m Gebrauch der Technik, i m fehlenden rechten Gebrauch oder sogar Mißbrauch der Technik durch die Menschen? Dann käme es ja bei der Technik i n der Hauptsache auf den Menschen an, welchen Gebrauch er von ihr macht. Die Theologie kann jedenfalls die Worte Dessauers bestätigen: „Die Technik ist, wie alles menschliche T u n und Lassen, dem Mißbrauch offen, der aus der menschlichen Freiheit folgt und der theologisch durch die Erblast nahe gelegt ist" 9 . Dieselbe Maschine, von der man sagt, sie versklave den Menschen, kann so gebaut und geführt werden, daß sie den Menschen auf verschiedene Weise hebt, nicht zuletzt, indem sie eine gehobene Verantwortung vom Menschen verlangt. Der weltbekannte russische Philosoph Nicolai Berdjajew, der die Schattenseiten und Schäden der Technik deutlich sah, kam trotz seiner Besorgnisse zu einem i m Grunde optimistischen Ausblick: „Die technische Epoche schließt die tellurische Epoche der Menschheit ab". „Die Zeit der unerhörten Macht der Technik über die menschlichen Seelen w i r d ihr Ende finden; ihr Ende aber w i r d nicht die Leugnung der Technik, sondern die Unterwerfung unter die Macht des Geistes bedeuten" 1 0 . Z u den schon heute sichtbaren heilsgeschichtlichen Folgen der Technik zeigt eine geschichtstheologische Betrachtung übrigens eine vergesellschaftende K r a f t der Technik. Diese bewirkt eine Reaktion auf den neuzeitlichen Individualismus Europas m i t einer Tendenz der Vergemeinschaftung, und scheint geradezu i m Rahmen der providentiellen Weltleitung das Berechtigte des Individualismus zunächst i n den Dienst der Menschheitsentwicklung zu stellen, u m alsdann — nach einer Entfaltung der Persönlichkeit der Menschen — das Einseitige des I n d i v i dualismus zu überwinden m i t dem Ziele einer personalen Gemein• Dessauer, a.a.O. (s. A n m . 1), S. 256. — Vgl. i n diesem Zusammenhang die höchst bemerkenswerten Worte von Hermann Volk: Leiden u n d Freuden i m Leben des Christen. Mainz 1963, S. 81/82: „ I c h b i n überzeugt, w e n n die Sünde nicht i n die Welt eingebrochen wäre, dann hätte es v i e l mehr u n d viel bessere Maschinen gegeben: und w i r w ü r d e n v i e l leichter Herr über die Maschinen, u n d w ü r d e n nicht so leicht i n Abhängigkeit von ihnen geraten." 10 Vgl. Berdjajew: Der Mensch und die Technik. Luzern 1943 (Berlin 1949).

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Schaft. Hiermit ist bereits der Tatsachenbereich des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Menschen berührt, den es nun noch theologisch zu beleuchten gilt. 7. Weil die Menschen immer so oder so bei- oder miteinander leben, wirken sie auch regelmäßig zusammen, sei es i n Arbeit, Spiel, Unterhaltung. Das arbeitliche Zusammenwirken als eine Spezialform des Zusammenwirkens erfährt seine theologische Klärung i m Ausgange von der Theologie des Zusammenlebens oder der Sozialtheologie 11 . Wie das Zusammenleben der Menschen i n den weltlichen Sozialwissenschaften nach erfahrungs- und vernunftmäßigen Gesichtspunkten zu erfassen versucht wird, so i n der Sozialtheologie — oder Theologie der Gesellschaft — nach theologischen Gesichtspunkten, und zwar durch Eingehen auf die Fragen nach Wesen, Ziel und menschlicher Aufgabe des Sozialen — immer verstanden als Zusammenleben. Ist die Theologie die Wissenschaft von Gott und Seiner Schöpfung i n ihrer Beziehung zu Gott, dann ist die Sozialtheologie die Theologie der Gesellschaft als einer Schöpfung Gottes oder die Theologie des Zusammenlebens als eines von Gott abgeleiteten Lebens i n dessen Beziehungen zu Gott. Die Frage, wo i n Gott das U r b i l d des Zusammenlebens zu finden ist, hat schon Ignatius von Antiochien u m 100 n. Chr. beantwortet mit dem Hinweis auf die Dreifaltigkeit Gottes, und wurde seit rund hundert Jahren immer wieder und i n leicht abgewandelter A r t auf gleiche Weise formuliert, besonders anschaulich 1861 von Charles Perin 12. Wenn dies so ist — und was kann schon dagegen sprechen, wo allgemein anerkannt der Einzelne ein Ebenbild des Dreifaltigen Gottes darstellt? —, dann hat jede menschliche Gemeinschaft i n ihrem Wesen — je nach ihrer A r t verschieden — etwas von der Ideal-Gemeinschaft, welche die Dreifaltigkeit Gottes darstellt, auch der Betrieb i n seinem alltäglichen Zusammenwirken, das ein A b b i l d des Zusammenwirkens der drei göttlichen Personen bedeutet, und i n dem Gott immer irgendwie m i t w i r k t . Selbst i n den einfachsten, ja selbst i n den entarteten Gemeinschaften sind noch Schatten, Spuren des göttlichen Ideals enthalten. Dem Menschen ist es aufgegeben, alle seine Kräfte daranzusetzen, u m seine Gemeinschaften wesensgemäß zu leben, d. h. nach dem i n Gott ge11 Z u r Sozialtheologie vgl. Geck: Die Sozialtheologie i m Dienste der Bewältigung der Sozialordnung. I n : Naturordnung i n Gesellschaft u n d W i r t schaft (Johannes Messner-Gedenkschrift). Innsbruck 1961, S. 150—182. 12 Vgl. Perin: Über den Reichtum der christlichen Gesellschaft (deutsch). Regensburg 1866, 1. Bd. S. 35/36: „Die menschliche Gesellschaft m i t den a l l umschlingenden Banden eines gemeinsamen Lebens u n d einer gegenseitigen Abhängigkeit ist n u r eine Nachbildung jener ewigen Gemeinschaft, w o r i n m i t der vollkommenen Einheit des unendlichen Wesens d i e drei göttlichen Personen leben." Weitere Nachweise bei Geck, a.a.O.

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gebenen Vorbild: daß er vor allem nach wahrer Einheit strebt — worum der Herr Jesus Christus i n Seinem Hohenpriesterlichen Gebet kurz vor Seinem Tode am Kreuze so inständig betete (vgl. Joh. 17), nach Einheit durch die Liebe, i n Gerechtigkeit, gemeinschaftlicher Solidarität und Subsidiarität. Der Herrgott hat aber den Menschen nicht nur die Gemeinschaftsaufgabe gestellt, sondern i h m auch unsagbar gewaltige Kräfte dazu mit auf den Weg gegeben: die sozialen Triebe aller A r t , Triebe des Fleisches und des Geistes — Sexus und Eros —, Kräfte auch der Beeinflussung Anderer. Schließlich hat Gott die Menschheit wissen lassen, daß der Einzelne sich i n der Gemeinschaft vollenden muß, nur m i t der Gemeinschaft — i n der Gemeinschaft der Heiligen — i n Seine Herrlichkeit eingehen kann. Das ist — i n den Hauptzügen — die theologisch gesehene Gesetzlichkeit der wesenhaften Gemeinschaft, neben der aber auch „das Geheimnis der Gesetzlosigkeit" ( I I Thess. 2,7) am Werke ist. Auch hier liegt es wieder am Menschen, wie weit die einzelne Gemeinschaft — auch der Betrieb — dem Ideal entspricht oder wenigstens an der ewigen Gemeinschaft ausgerichtet ist, oder ob eine K l u f t sich auftut zwischen Ideal und alltäglicher Gegebenheit — vielleicht w e i l das Wesen des Zusammenwirkens nicht erkannt, etwa der Betrieb als bloße Zweckveranstaltung m i t der Notwendigkeit eines äußerlichen Zusammenwirkens, ohne innere Bindung, gesehen und gelebt wird, vielleicht auch gesehen w i r d und nicht gelebt werden kann angesichts der Haltung der Betriebsbeteiligten oben oder unten, i m Nebeneinander! Daran kann jedenfalls kein Zweifel bestehen, daß alle Sozialproblematik letztlich zurückgeht auf das Fehlen wahrer Menschengemeinschaft, auf das Nichtwirksamsein der genannten Sozialprinzipien, des primären Prinzips der Einheit und der sekundären Prinzipien Liebe, Gerechtigkeit, Solidarität, Subsidiarität, auf das mangelnde Handeln m i t Gott. Dies Letztere ist selbstverständlich wieder zu erklären aus den Folgen der Erbsünde, die zu überwinden aber dem Menschen aufgegeben sind und die er i n mehr oder weniger hohem Maße überwinden kann. Wo aber der wesenhaften Sozialgesetzlichkeit entsprochen wird, da ist auch der Raum offen für einen Einklang von Person und Gemeinschaft, wo der Einzelne sowohl sein Recht erhält als seine Pflicht erfüllt gegenüber der Gemeinschaft, wo der Einzelne i m Interesse der Gemeinschaft zu opfern bereit ist und die Gemeinschaft ihre Grenzen bezüglich der Person einhält.

Schluß Hiermit sind w i r am Ende der beabsichtigten Erwägungen — und ständen doch gewissermaßen erst am Anfange des weiter gehenden

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Themas, wenn es gälte, von dem gewonnenen Boden, von der erreichten Sphäre aus die konkreten Betriebsverhältnisse anzugreifen. Das aber ist an dieser Stelle nicht möglich. Es konnte eben nur i n den — theologisch, christlich gesehenen — Geist eingeführt werden, aus dem heraus eine soziale Betriebsführung christlich wird. Das ist sicherlich nicht weniger wichtig, als die wohlmeinende Inangriffnahme der A u f gaben. Verallgemeinernd könnte man sagen: Wie abstrakt klang so manches i m Gesagten. Und doch, ist nicht eine gute Theorie der beste Schlüssel für eine Erfolg versprechende Praxis? Ist deshalb nicht auch der Schritt vom Gesehenen zum Handeln, eben von der Theorie zur Praxis verhältnismäßig klein? Kann nicht die Erkenntnis beflügeln, daß, wenn die Verhältnisse i m Betrieb, wenn das menschliche Handeln i m arbeitlichen, wirtschaftlichen und technischen Zusammenwirken des Betriebes seinsgemäß, sach- und personengerecht sind, dann die Probleme der sozialen Betriebsführung gelöst erscheinen? Es kommt eben darauf an, die Wesensgesetze des Betriebslebens zu Normen der sozialen Betriebsführung zu machen! Unter den obwaltenden Umständen i m industriellen und arbeitlichen Leben überhaupt wäre für eine befriedigende und erfolgreiche soziale Betriebsführung schon viel gewonnen, insofern einmal, rein natürlich gesehen, die Aufgabe der menschlichen oder sozialen Betriebsführung erkannt, bejaht und i n kluger Erwägung der Möglichkeiten zu erfüllen versucht würde, sodann indem diese Aufgabe aus der Tiefe und Weite christlicher Sicht i n lebendiger religiöser Haltung angegriffen würde. Gerade die christliche Einsicht i n die Lebensverhältnisse auf Grund der heilsgeschichtlichen Lage bewahrt auch vor einem ungerechtfertigten Optimismus, der sich alles sozusagen zutraut und nicht hinlänglich die irdischen, menschlichen Grenzen vor Augen hat. Der reinen Humanitäts-Haltung sind zwar ans Erstaunliche grenzende Erfolge möglich gewesen und bleiben weiterhin ihr möglich. Aber dem aus christlicher Erkenntnis und christlich-religiösem Streben Handelnden dürfte Weiteres und Tieferes gelingen, wenngleich vielleicht auch erst nach besonderen Mühen und Wartezeiten, während derer der Boden bereitet wird. Ziel dieser Erörterungen war ja, einige Hauptzüge theologischer Erkenntnis „unsichtbarer, geistiger Wirklichkeiten" 1 8 zu bieten, den Schleier des theologisch gesehenen Betriebsgeheimnisses ein wenig zurückzuschlagen; es sollte etwas von der letzten, der tiefsten Wirklichkeit des Betriebslebens offenbar werden — soweit sie aussprechbar 18 K a r d i n a l Léon-Joseph Seite 107.

Suenens: Täglich christlich leben. Salzburg 1961,

Seinstheologische Grundsätze sozialer Betriebsführung

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ist —, u m dadurch belebt versuchen zu können, durch eine wesenhafte soziale Betriebsführung sowohl den berechtigten irdischen Ansprüchen aller Betriebsbeteiligten gerecht zu werden als dem wesenhaften Betriebssinn zu entsprechen: dem Heil der Menschen und m i t diesem sowie «durch dieses der Wiederverherrlichung Gottes zax dienen.

Soziale Betriebsführung Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft Von Josef Kolbinger

I . Problemstellung

I m Rahmen der Betriebswirtschaftslehre t r i t t uns das i n der Überschrift angesprochene Problem i n Form einer engeren und einer weiteren Fragestellung entgegen: 1. Unmittelbar richtet sich unser Interesse auf die Frage prinzipieller Möglichkeiten wissenschaftlicher Betriebsführung. Dabei scheint uns i n Ansehung konkreter Gegebenheiten ein mehr naturwissenschaftlicher oder geistes- d.h. sozialwissenschaftlicher Ansatz zu bestehen, bzw. möglich zu sein. 2. Dieses engere Problem w i r d überschattet von dem größeren nach der grundsätzlichen Konzeption der Betriebswirtschaftslehre, sei es i m Sinne der ersten Fragestellung, sei es i m Hinblick auf die noch immer keiner befriedigenden Klärung zugeführten Problematik, inwieweit Sozialfragen die Betriebswirtschaftslehre tangieren, fachsystematisch inner- oder außerhalb dieser Disziplin stünden, letztlich wie das Verhältnis von (Betriebs-)Wirtsc7ia/t!ichem und Sozialem beschaffen und ihr Zusammenhang, ihre Konvergenz oder Divergenz zu begreifen, insgesamt also wie das System der Betriebswirtschaftslehre gegliedert sei. W i r wollen zunächst auf den erstgenannten Gesichtspunkt eingehen: „Soziale Betriebsführung" — so darf man wohl sagen — steht i n enger Verbindung m i t dem Problem der „Betriebsorganisation". Und gerade hier stehen naturwissenschaftliche Aspekte eines „Scientific Management" (F. W. Taylor) gegen eine geistes- bzw. sozialwissenschaftliche Konzeption, thesenhaft etwa von J. Plenge formuliert, Organisation müsse „bewußte Lebenseinheit aus bewußten Teilen" bewirken 1 . Natürlich müßte sich bereits an dieser Stelle die Diskussion an der U n t e r scheidung von Geist u n d Stoff, eben Bewußtem und Unbewußtem entzünden — einer Unterscheidung, die seit Descartes Gültigkeit besitzt; der dem 1

Vgl. J. Plenge, D r e i Vorlesungen über die allgemeine Organisationslehre, Essen 1919, S. 7. *

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„Geist" als denkendem u n d erkennendem Prinzip den „Stoff" als das SichVerräumlichende, als „cogitatio" u n d „extensio" entgegensetzt 2 . Dieser Gesichtspunkt leitet einen erheblichen T e i l der Organisationstheoretiker, w i e z.B. Plenge, Nicklisch, Fayol, Riester, Schramm, Eulenburg, Stefanie-Allmayer, Gerwig, Kosiol, w o h l auch Nordsieck u. a. Organisation gehört dem Humanbereich, Mechanisation hingegen dem Stoffbereich zu. Besonders deutlich weist Nicklisch schon 1920 auf diesen Zusammenhang hin, indem er hervorhebt, daß Materie u n d Mensch begriffen sein müßten, ehe das Wesen der Organisation erklärt werden könne. Z u r Materie f ü h r t er aus: „Außer dem I n h a l t unseres Bewußtseins ist Materie: Sie hat notwendig Ausdehnung, u n d sie hat notwendig Dauer, u n d sie ist notwendig Einheit 3 ." Nicklisch folgt also durchaus der L i n i e Descartes. N u n aber geht es u m das Verhältnis von Organisation u n d Mensch: „Der Mensch ist organisch wirkende K r a f t ; diese ist sich i n i h m selbsttätig i h r e r selbst bewußt, weshalb gesagt werden darf, daß er Geist ist. Der Mensch ist Geist. E r ist sich aus sich selbst bewußt, daß alle Menschen Geist sind u n d daß sie deshalb eins sind: Menschheit. . . . I n diesem Bewußtsein weiß sich der Mensch m i t der Menschheit u n d durch diese m i t sich selbst u n d m i t allen anderen Menschen verbunden. E r weiß sich i n i h m Glied u n d Ganzes zugleich. Ganzes, das Menschheit ist, u n d Glied der Menschheit. Dieses Bewußtsein macht i h n zum organisierbaren Organisator 4 ."

I m Grunde ergibt sich bereits aus diesem Gedankengang der eigentliche Ansatzpunkt zur K r i t i k an einer naturwissenschaftlichen Konzeption der Betriebsführung etwa i m Sinne Taylors. Zugleich meldet sich der Zweifel, ob es aber eine andere, tatsächlich ausgeführte Konzeption einer geistes- bzw. sozialwissenschaftlich zu nennenden Organisationslehre gibt, die zudem vollintegriert i m größeren System der Betriebswirtschaftslehre, diese i n ihrer Totalität als Sozialwissenschaft verstanden, enthalten ist. Diese umgreifende Fragestellung aber führt uns zum zweitgenannten, umfassenderen Problemkreis, bei dessen Behandlung insbesondere zu beachten ist, daß der „Taylorismus" mancherorts als eine bestimmte Form der „Betriebswirtschaftslehre" angesehen wird, die der alten Konzeption überlegen wäre. I n diesem Sinne erklärt z. B. H. Nordsieck-Schröer: „Was von T a y l o r . . . geboten wird, ist unter anderem auch eine neue Konzeption der Betriebswirtschaftslehre und deckt die Mängel der alten auf, die sich auf das Rechnungswesen konzentrierte und alle anderen Gebiete des Betriebsgeschehens von der kalkulatorischen Seite her anging 5 ." Damit aber ist das Problem der Grundkonzeption der Betriebswirtschaftslehre von der Organisationstheorie her grundsätzlich aufgeworfen, und die i n i h r zunächst getrennt gesehenen Probleme ver8

Vgl. R. Amtmann, Die H. Nicklisch, Der Weg 4 H. Nicklisch, a.a.O., S. 5 H. Nordsieck-Schröer, lung, Stuttgart 1961, S. 15. 8

Geisteslehre Othmar Spanns, Graz 1960, S. 5. aufwärts! Organisation, Stuttgart 1920, S. 2. 16. Organisationslehren. Eine vergleichende Darstel-

Soziale Betriebsführung u n d Betriebswirtschaftslehre

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schmelzen zu eiinem einzigen Problem, und zwar dem «einer naturoder geisteswissenschaftlich orientierten Gesamtkonzeption der Betriebswirtschaftslehre überhaupt. Unter diesem Aspekt berührt sich der Fragenkreis einer sozial- bzw. geisteswissenschaftlichen Betrachtungsweise i n der Organisationslehre (im Gegensatz zur naturwissenschaftlichen) m i t dem gleichlautenden Problem für die Betriebswirtschaftslehre als Ganzes: Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft? Wie i n der Organisationslehre kommt es bei Beantwortung dieser Frage schon vom Grundsätzlichen her auf ein bestimmtes Gegenstandsbewußtsein, eine bestimmte Gegenstandsklassifikation an, die z. B. auch bei F. Lenz deutlich erkennbar ist und für unsere Fragestellung richtunggebend i n Erscheinung t r i t t : Lenz läßt sich v o n dem Descartes'schen Satz „cogito sum (je pense, donc je suis)" leiten u n d hebt i n spezifisch objektunterscheidender u n d erkenntnisbestimmender Weise hervor: „Der N a t u r des Denkens u n d dem Denken der N a t u r gegenüber steht die Reflexion des Menschen auf sich selbst u n d seine M i t w e l t i m Bereich des gesellschaftlichen Daseins." I n dieser spezifischen Nähe v o n Denkendem u n d (gedachtem) Denkobjekt „ . . . t r i t t der Gegensatz von N a t u r - u n d Gesellschaftswissenschaften, ihrer Theorie u n d Praxis zutage" 9 .

Dieser Gegensatz von Naturwissenschaften und Geistes- d. h. Sozialwissenschaften liegt insbesondere der i m Jahre 1950 innerhalb der Betriebswirtschaftslehre neu aufgeflammten „Objektdiskussion" zugrunde, die dieses generelle, das Konzept jener Disziplin berührende Problem einschließt. I n diesem Sinne erklärt J. Löffelholz, ausgehend von den Bemühungen u m eine Verschmelzung von Betriebs- u n d Volkswirtschaftslehre über eine gemeinsame, letztlich mathematisch formulierte Kostentheorie, es bahne sich insofern eine offenbar zweite, andersgeartete, „ . . . neue Richtung i n der Betriebswirtschaftslehre an, als — stark angeregt u n d gefördert durch die E n t w i c k l u n g der Praxis — der Mensch stärker als bisher i n den M i t t e l p u n k t rückt u n d dadurch eine allmählich einsetzende, aber i m m e r stärker werdende Zusammenarbeit m i t der Soziologie u n d der Psychologie..." sich anzeigt. „Insofern bedeutet das eine w i r k l i c h neue Richtung, als die Betriebswirtschaftslehre die . . . »naturwissenschaftliche* Methode aufgibt u n d sich über die Soziologie stärker nach den Geisteswissenschaften h i n ausrichtet 7 ."

N u n scheint aber gerade das Grundsatzverhältnis zwischen „ W i r t schaftlichem" und „Sozialem" i n argen fachwissenschaftlichen Unklarheiten verstrickt, die letztlich sogar i n einer völligen Ignorierung und • Vgl. F. Lenz, Die Einheit der Sozialwissenschaften als Grundlage der Nationalökonomie, i n : Die Einheit der Sozial Wissenschaften, Hrsg. W. Bernsdorf u n d G. Eisermann, Festschrift für F. Eulenburg, Stuttgart 1955, S. 22, S. 30 u n d 32. 7 Vgl. J. Löffelholz, V o r w o r t zu G. Fischers Aufsatz „Der Mensch i m B e trieb (Die Grenzen zwischen Betriebwirtschaftslehre, Soziologie u n d Psychologie)", i n : Z.f.B., Jg. 1952, H e f t 5, S. 253.

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Ablehnung des „Organisatorischen" (E. Schäfer) oder zumindest dessen „Entsoziologisierung" (E. Gutenberg) gipfeln, damit jedoch die Grundkonzeption und die folgerichtige Ableitung eines betriebswirtschaftlichen Systems i n Frage stellen. Unter Bezugnahme auf eine A r t Resolution der Arbeitstagung „Der Mensch i m Betrieb" (19./20. J u n i 1950) zu Darmstadt, wendet sich E. Schäfer gegen die Betonung der Sozialfragen i m Betrieb sowie gegen eine Anlehnung an die Soziologie, w e n n er sagt, daß „die menschlichen Beziehungen i m Betrieb . . . Voraussetzungen u n d Gesetzen" unterliegen würden, „ . . . die außerhalb des Rahmens der Betriebswirtschafts- und Organisationslehre, der Technik u n d der systematischen Sozialpolitik" stünden 8 . Zugleich — u n d dies unterstreicht die Bedeutung seiner Ausführungen erst recht — t r i t t Schäfer dagegen auf, „die Organisationslehre zur Grundlage des Faches (Betriebswirtschaftslehre J. K.) zu machen" 9 .

Diese Problematik läßt sich nur dann übersehen, wenn man — wie es i n der angeführten Diskussion A. Schmitt von E. Schäfer forderte 1 0 — von einer Grundsatzerörterung über das System der Betriebswirtschaftslehre ausgeht. Dabei kann es nicht ausbleiben, daß man (vom Streit mitbetroffene Nachbardisziplinen, besonders Soziologie und Nationalökonomie miteinbeziehend) zurückschreitet bis zu jener Phase der Entwicklung der Sozialwissenschaften, i n der sich ein Bruch zwischen „Sozialem" und „Wirtschaftlichem" abzeichnet und den Stand der modernen Sozialwissenschaften m i t dem engeren Problem einerseits und der Frage einer sozialwissenschaftlichen Konzeption der Betriebswirtschaftslehre andererseits i n Verbindung bringt. I n einer solchen Konzeption könnte es keine Antinomie zwischen „Betrieblicher Soziallehre" und „Betriebswirtschaftslehre" geben, wenn es sich erweisen würde, daß „Gesellschaftliches" und „Wirtschaftliches" eine innere Einheit bilden und eine „Wissenschaftliche Betriebsführung" schlechthin das Anliegen der Betriebswirtschaftslehre i m Sinne einer Geistes- bzw. Sozialwissenschaft ist.

I I . Formen wissenschaftlicher Betriebsführung Man kann mit Guido Fischer gewissermaßen drei Entwicklungsstufen sozialer Betriebsführung feststellen, an deren Anfang die ( n a t u r w i s senschaftliche Betriebsführung (Scientific Management) von F. W. Taylor steht. Diese drei Etappen umschreibt G. Fischer etwa wie folgt: 8 Vgl. E. Schäfer , Über einige Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre, i n : Z.f.B., Jg. 1950, Heft 9, S. 554. • Vgl. hierzu auch den Bericht über die Darmstädter Arbeitstagung („Der Mensch i m Betrieb" von Bramesfeld, i n : Z.f,hw.F., Jg. 1950, insbes. S. 357. 10 Vgl. A . Schmitt , Bedarf es einer besonderen Soziallehre innerhalb der Betriebswirtschaftslehre?, i n : Z.f.B., Jg. 1950, Heft 11/12, S. 678 ff.

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1. Zunächst t r i t t der Mensch als Rationalisierungsobjekt (eben i m Sinne des Taylorismus) i n Erscheinung. 2. I n der zweiten Etappe gewinnt insbesondere die Psychologie bestimmenden Einfluß auf das Verhältnis Mensch u n d A r b e i t (Eignung, Mensch u n d Arbeitsraum, Mensch u n d Fließbandarbeit u. ä.). 3. Schließlich ist die dritte Etappe durch die Entdeckung der menschlichen Beziehungen i m Betrieb gekennzeichnet 11 .

Natürlich ist damit nur eine ungefähre Entwicklungslinie gekennzeichnet, deutet aber einigermaßen den Weg von einer naturwissenschaftlichen Konzeption der Betriebsgestaltung, nicht zuletzt der Betriebsorganisation, zu einer geistes- und schließlich i m engeren Sinne sozialwissenschaftlichen Betriebsführungsform an, die vielleicht auch gewisse Beziehungen zur Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre erkennen läßt. A. Grundthesen und Charakter der Taylor'schen (natur-)wissenschaftlichen Betriebsführung

Wie bereits hervorgehoben wurde, legt H. Nordsieck-Schröer der herkömmlichen Betriebswirtschaftslehre zur Last, „ . . . einseitig als B i lanz» und Kostendenken entwickelt worden" zu sein und damit „ . . . die Organisationslehre i n ihrer Entwicklung lange Zeit behindert" zu haben, w e i l die Betriebswirtschaftslehre m i t den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, d. h. wegen ihres unzureichenden Verfahrens und Systems den großen Gedanken der Organisationslehre nicht verdauen konnte 1 2 . Taylor ist daher für sie derjenige, der eine umfassende Betriebswirtschaftslehre geboten hat — eine Lehre, die wir, soweit die These Nordsieck-Schröers überhaupt akzeptabel erscheint, allerdings als naturwissenschaftlich orientiert anzusehen geneigt sind. W i r müssen hier das i m Jahre 1903 von Taylor begonnene literarische Wirken (zunächst i n „Shop-management") wie insbesondere auch die Kenntnis seiner „Principies of Scientific Management" (1911) als bekannt voraussetzen und versuchen, lediglich den Charakter seiner Wissenschaftskonzeption zu skizzieren. W i r gehen hierbei am besten von seinen vier Prinzipien der Arbeitsorganisation, das sind zugleich die vier Pflichten der Verwaltungsorgane, aus: 1. Die Leitung entwickelt eine „Wissenschaft f ü r jede Arbeitsart". 2. Sie w ä h l t f ü r diese die geeignetsten Arbeitskräfte aus. 3. Die Verwaltungsorgane „arbeiten i n herzlichem Einvernehmen m i t den Arbeitern". 11 Vgl. G. Fischer , Der Mensch i m Betrieb. Die Grenzen zwischen Betriebswirtschaftslehre, Soziologie u n d Psychologie, i n : Z.f.B., Jg. 1952, Heft 5, S. 255. 12 Vgl. H. Nordsieck-Schröer , a.a.O., S. 12.

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4. „ D i e Leitung n i m m t alle Arbeit, f ü r die sie sich besser eignet als der Arbeiter,auf ihre Schulter, während bisher fast die ganze A r b e i t u n d der größte T e i l der Verantwortung auf die Arbeiter gewälzt w u r d e 1 8 . "

Folgt man, ausgehend von diesen sicherlich sehr human klingenden Thesen, dem Entwicklungsgang der Taylorschen Konzeption, so dürften folgende Merkmale seines Systems besonders ins Auge springen: a) Die grundsätzlich naturwissenschaftliche Einstellung u n d Verfahrensweise Taylors. b) Die Meinung, der Mensch arbeite n u r unter Zwang. c) Die spezifische A r t der Arbeitsteilung. d) Schließlich die Entlohnungsweise als pretiales Gegenstück zu seiner A r beitsorganisation. Zua): Taylors „Principles" sind i m Grunde eine A r t Beispielsammlung von wissenschaftlichen Methoden der Arbeitsorganisation (Roheisenverladen, Schaufeln, Stahlkugelsortieren etc.). Die naturwissenschaftliche Einstellung und Frageweise Taylors läßt sich ebenso aus der Charakterisierung seines „Versuchskaninchens S m i t h " w i e des Untersuchungszieles unschwer erkennen. Taylor charakterisiert diesen „ S m i t h " w i e folgt: E i n Ausländer (Pennsylvania Dutchman), sparsam, geradezu geizig, i m übrigen aber unübersehbar geistig unterentwickelt, denn er ist „ . . . mehr v o m Schlag eines Stieres, nicht etwa ein seltener T y p . . . , so einfältig, daß er f ü r die meisten Arbeiten unbrauchbar w a r " 1 4 . Z u r Selbsterziehung sei er ungeeignet u n d bedürfe daher der „ L e h r e r " (Funktionsmeister), die i h n d r i l l e n und von i h m unbedingten Gehorsam erwarten dürfen, denn „eine erste K r a f t ist ein Arbeiter, der genau tut, was i h m gesagt w i r d , u n d nicht widerspricht" 1 6 . Daß Taylor den Menschen geradezu als Naturwesen sieht, geht aus der generellen Zielsetzung seiner Versuche hervor: E r w i l l Menschenkraft u n d Pferdekraft auf einen Nenner bringen. Diesen Versuch legt er i n seinen Ausführungen über Untersuchungen auf d e m Gebiete des „Gesetzes für schweres körperliches Arbeiten" dar. Es sollte dadurch festgestellt werden, i n welchem Verhältnis eine Pferdekraft zu einer Menschenkraft stehe. Taylor fand dabei das Gesetz, „welches eher der A r b e i t des Lastpferdes als der des Rennpferdes entspricht" u n d meint, daß „fast jede derartige A r b e i t . . . i m Ziehen oder Stoßen m i t den A r m e n " besteht, woraus der Russe Gastew eine „Biomechanik der D r u c k - u n d Schlagbewegung" als Substrat jedweder (sogar der geistigen) A r b e i t ableiten zu können glaubte 1 9 . Es muß uns genügen, auf diese naturwissenschaftliche Konzeption des T a y lorismus hingewiesen zu haben. Zub): Wenn auch nicht gerade am „Stoff", so doch an den niedersten menschlichen Geistesschichten ist Taylors Lehre von den Arbeitsmotiven u n d menschlichen Verhaltensweisen zur A r b e i t ausgerichtet: P r i m ä r k a n n n u r Furcht den Menschen zur A r b e i t bewegen, Lohnanreiz k a n n diese Furcht n u r ergänzen. Wie P. F. Drucker i n seiner T a y l o r - K r i t i k hervorhebt, läßt das Ge13

Vgl. F. W. Taylor u n d R. Roesler, Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung, München-Berlin 1913, S. 39. 14 Vgl. Taylor-Roesler, a.a.O., S. 64. 15 Vgl. Taylor-Roesler, a.a.O., S. 49. 16 Vgl. hierzu Taylor-Roesler, a.a.O., S. 57 ff.

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w i n n m o t i v des kapitalistischen Unternehmers keine Solidarität zwischen i h m u n d seinen A r b e i t e r n aufkommen 1 7 . Darüber hinaus entspringt ein „,SichDrücken-von-der-Arbeit' . . . dem angeborenen I n s t i n k t u n d der Neigung des Menschen, nicht mehr zu arbeiten, als unumgänglich notwendig i s t " 1 8 . Taylor weist überdies darauf hin, daß beim Baseballspiel jede„Drückebergerei" sofort durch die Mitspieler geahndet werden würde. Wollte aber der Arbeiter an seinem Arbeitsplatz die volle K r a f t einsetzen, „so w ü r d e er von seinen Mitarbeitern noch schlimmer behandelt, als w e n n er sich beim Baseball als Kneifer gezeigt h ä t t e " 1 9 . Es fragt sich allerdings , ob die Taylor'sche Arbeitsorganisation, besonders i n einer freien Gesellschaftsordnung, dieses eben behandelte Übel nicht noch verstärken würde. I m übrigen erachten w i r es grundsätzlich als falsch, v o n einer angeborenen Arbeitsunlust zu sprechen, die i n der Regel eher das Prod u k t einer verfehlten F o r m der Arbeitgestaltung ist. Zu c): D a m i t stoßen w i r auf das Kernstück des „Systems", nämlich auf die spezifisch tayloristische F o r m der Arbeitsteilung, die i m Prinzip auf strengste Trennung von K o p f - u n d Handarbeit hinausläuft. Taylor wendet sich gegen das sogenannte Initiativsystem (als Gegensatz zum „Kraftsparsystem") zunächst vor allem deshalb, w e i l der Betriebserfolg i n keinerlei Abhängigkeit v o m Arbeitswillen der Arbeiter stehen soll; denn es ist nach Taylor doch so, daß diese „anstatt i n angestrengter A r b e i t quantitativ u n d q u a l i t a t i v Höchstes zu l e i s t e n , . . . absichtlich so l a n g s a m . . . " arbeiten „als sie es n u r w a gen" 8 0 . M i t d e m Ziel, den Betriebserfolg wissenschaftlich erzwingbar zu machen, verbindet sich unmittelbar Taylors These: „Bisher stand die »Persönlichkeit 1 an erster Stelle, i n Z u k u n f t w i r d die Organisation und das System an erste Stelle treten 2 1 ." D a m i t zielt Taylor auf eine Perfektion der Arbeitsteilung, genauer auf die restlose Trennung von K o p f - u n d Handarbeit. „ A l l e Kopfarbeit unter dem alten System w u r d e v o n dem Arbeiter mitgeleistet. . . . U n t e r dem neuen System muß sie notwendigerweise von der L e i t u n g getan werden. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß i n den meisten Fällen ein besonderer M a n n zur Kopfarbeit u n d ein ganz anderer zur Handarbeit nötig ist 2 2 ." H i e r entsteht eindeutig das Problem der „Grenzen der Arbeitsteilung", w i e es u. a. H . Nicklisch u n d G. Friedmann formuliert u n d geklärt haben. Bei Taylor gibt es keine bewußte Lebenseinheit aus bewußten Teilen mehr, sondern i m Prinzip n u r noch den regierenden Geist des alles bewegenden Zentrums u n d den Stoff der gleich einem Planetensystem u m dieses Z e n t r u m kreisenden A u s führungskräfte: bloßer Stoff, bewegt v o m Geist anderer! Zud) Geist besitzt Selbstmacht, Eigenleben; Stoff ist einfach von außen regiert u n d durch Gesetze determiniert. Die Arbeitsorganisation Taylors postuliert als Prinzip den Zwang u n d ergänzt diesen lediglich durch L o h n 17 Vgl. P. F. Drucker, Die Praxis des Management. E i n Leitfaden f ü r die Führungs-Aufgaben i n der modernen Wirtschaft, 3. Aufl., Düsseldorf-Wien 1962, S. 330 ff. 18 Vgl. Taylor-Roesler, a.a.O., S. 18. " Vgl. Taylor-Roesler, a.a.O., S. 12. 20 Vgl. Taylor-Roesler, a.a.O., S. 35. 21 Taylor-Roesler, a.a.O., S. 4. 22 Taylor-Roesler, a.a.O., S. 40.

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anreize („Differentialstücklohn"), wobei mehrmaliges Nichterreichen des Pensums Entlassung bedeutet. D a m i t ergibt sich das Charakteristikum des Taylor-Systems: Taylor sieht i m Betrieb n u r einen nach mechanischen Gesetzen ablaufenden u n d als solchen auch bewußt aufgebauten Mechanismus. I n i h m w i r d der tätige Mensch, vor allem der niedrigerer Verrichtungsebene, v ö l l i g von jedem Zugang zum Sinnzusammenhang seiner A r b e i t i m Rahmen des Ganzen abgeschnitten und selbst i n die Stellung einer bloß mechanisch w i r k e n d e n K r a f t zurückgedrängt. Dies begründet so recht sein bloßes Objektdasein i m Dienste eines Dritten. Die A r b e i t w i r d als Strafe gedacht u n d durch die entsprechende Organisation zur Strafe gemacht; der Mensch als N a t u r d i n g gesehen, w i r d als Naturding behandelt, willenlos, ziellos, geistig unbewegt,, Muskelkraft, Naturkraft, unbewußt, n u r dem Gesetz des Zwanges, nicht dem eigenen W i l l e n gehorchend. Daher auch gefährlich i n seiner schlummernden Zerstörungskraft, k l e i n i m Verborgenen wirkend, jedoch Chaos u n d Zerstörung bewirkend, w e n n die Dämme brechen, wenn der letzte Funke des Bewußtseins, unabdingbares Glied der Gesellschaft i n i h r e m Leistungsgehalte zu sein, untergeht. Hiergegen helfen auch die stärksten Dämme der Techniker nicht, sondern n u r eine sozialwissenschaftlich verstandene, umfassende Betriebsgestaltung. B. Ansätze zu einer sozialwissenschaftlichen Betriebsführung und das Problem eines sozialwissenschaftlichen Systems D i e K r a f t e i n e r I d e e h ä n g t n i c h t z u l e t z t v o n d e r Geschlossenheit u n d k l a r e n K o n z e p t i o n eines Systems ab, w i e es d i e W i r k u n g des T a y l o r i s m u s , d i e dieser t r o t z seiner u n b e s t r e i t b a r e n F e h l e r bis h e u t e ges t i f t e t h a t , b e w e i s t . D i e K r i t i k -am T a y l o r i s m u s ist z w e i f e l l o s die Quelle, d i e a u f d i e G r u n d l a g e n eines (sozialwissenschaftlichen) Gegensystems h i n w e i s e n m ü ß t e . a)

Überblick

Es ist n i c h t i m e n t f e r n t e s t e n m ö g l i c h , auch n u r a l l e N a m e n d e r e r aufzuzeigen, d i e insbesondere l i t e r a r i s c h gegen d e n T a y l o r i s m u s m i t m e h r oder w e n i g e r E r f o l g z u F e l d e gezogen sind. A n d e u t u n g s w e i s e sei hervorgehoben: Es spannt sich der Bogen von Poljakow, Bogdanow, Bernackij (1904—1913) zu Söllheim (1922). Bernackij spricht von den „lebendigen Automaten" u n d Bogdanow behandelt den „Sturz des großen Fetischismus". Fayol (1916) bietet so etwas w i e ein (organisationstheoretisches) Gegensystem, v o n dem H. Nordsieck-Schröer meint, m a n könne von i h m sagen, daß „ . . . die Heilung des Dilemmas, i n das die industrielle Praxis und auch die Wissenschaft durch Taylor geriet, durch die Arbeiten Fayols zum mindesten angestrebt w u r d e " 2 3 . Dieser ist es, der gleich anderen erkennt, daß die Arbeitsteilung " . . . doch ihre Grenzen hat, die uns die Erfahrung, begleitet von dem Gefühl f ü r das richtige Maß lehrt, nicht zu überschreiten" 2 4 . Dieser Gedanke schlägt sich ebenso 28

Vgl. H. Nordsieck-Schröer, a.a.O., S. 15. Vgl. H. Fayol, Allgemeine u n d industrielle Verwaltung. Aus dem F r a n zösischen von K . Reineke, München-Berlin 1929, S. 19. 24

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bei G. Friedmann w i e bei P. F. Drucker nieder. Besondere Bedeutung m i ß t man den Hawthorne-Experimenten bei, begleitet von den Namen E. Mayo, Th. N. Whitehead , F. J. Roethlisberger u. a. I n der Betriebswirtschaftslehre selbst sind es H. Nicklisch, G. Fischer, W. Riester und W. Schramm, welche über die Organisationslehre den Zugang zu einer Humanorientierung der Betriebswirtschaftslehre überhaupt finden. So hebt H. Nordsieck-Schröer in bezug auf Riester hervor, er betrachte den Menschen „als erste Grundlage jeder Organisation" u n d weiß vor allem den Begriff „der F u n k t i o n als Beziehung zwischen dem Menschen als Aufgabenträger u n d den A u f g a b e n . . . besser klarzulegen als Nordsieck" 2 6 .

Als Hinweis auf die Tatsache, daß die Entwicklung zu einer humanorientierten Organisationslehre sich heute unaufhaltsam vollzieht, möge R. Staerkles Arbeit über „Anpassung der Organisation an den Menschen" (1960) symptomatisch hervorgehoben werden. b) Markante

Grunderkenntnisse

Worum es i m Rahmen des Anti-Taylorismus, positiv formuliert, i n bezug auf einen sozialwissenschaftlichen Ansatz i n der Organisationsund i n der Betriebswirtschaftslehre geht, kann an folgenden Beispielen besonders deutlich gemacht werden: — A n den Ergebnissen der Hawthorne-Experimente, — an der T a y l o r - K r i t i k G. Friedmanns, — schließlich an P. F. Druckers Untersuchungen über den Zusammenhang von „Human-Relations" u n d „Wissenschaftlicher Betriebsführung" (im Sinne Taylors).

aa) Ergebnisse der Hawthorne-Experimente Die Hawthorne-Experimente, ursprünglich durchaus auf dem Pfade des Taylorismus wandelnd, sind i n zweierlei Hinsicht von grundlegender Bedeutung: Zum einen wegen der mit ihnen klargestellten Trennungslinie zwischen geistes- und naturwissenschaftlichem Experiment, zum anderen wegen der Entdeckung der „informalen Gruppe", die freilich nur dann Positives leistet, wenn sie sich mit der „formalen" A r beitsgruppe identifiziert 2 6 . Die Entdeckung der „informalen Gruppe" führt zu einer deutlichen Einflußnahme der Soziologie auf die Betriebsorganisation und weist damit grundsätzlich auf die Frage des Ver25

Vgl. H. Nordsieck-Schröer, a.a.O., S. 28. Vgl. hierzu J. Kolbinger, Das betriebliche Personalwesen, I. Grundlagen, Stuttgart 1961, S. 28 ff. Die verfahrensbedeutsame Entdeckung i m Rahmen dieser Experimente w i r d wie folgt gekennzeichnet: „Experimentiert m a n m i t einem Stein, so weiß der Stein nichts von den Versuchsabsichten — eine Tatsache, die solche Versuche wesentlich vereinfacht. E i n Mensch dagegen ist sich seiner Eigenschaft als Versuchsobjekt meist bewußt. Aus diesem Grunde w i r d seine Reaktion entscheidend durch seine Einstellung zum V e r such u n d den Versuchsleitern bestimmt." (F. J. Roethlisberger, Betriebsführung u n d Arbeitsmoral, 1954). 28

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hältnisses von Soziologie und bestimmten anderen Disziplinen (nicht zuletzt Betriebswirtschaftslehre als Ganzes) hin. Jedenfalls w i r d heute, die Gruppe, die zu zerschlagen Taylor keine Anstrengung unterließ, geradezu zum Paradestück der Betriebssoziologie, aber auch zu einem neuen Ansatzpunkt modernen organisatorischen Denkens und Handelns (auf die „Gruppenfabrikation" von Lang-Hellpach sei verbindend hingewiesen). bb) Die K r i t i k durch G. Friedmann Der Taylorismus fordert grenzenlose Arbeitsteilung, während G. Friedmann ihre Begrenzung anstrebt: Die Aufgabe soll nicht kleiner sein als der Mensch; nach i h m ist die „wissenschaftliche Betriebsführung" Taylors — „unmenschlich , behandelt;

w e i l sie die Menschen als bloßes Zubehör der Maschine

— sie ist unwissenschaftlich

und im Grunde nichts anderes als eine einseitige

u n d kurzsichtige Methode, die unmittelbare Ergiebigkeit der Maschinerie u n d der Arbeitskräfte zu steigern, ohne die physischen u n d moralischen Bedürfnisse des Arbeitenden auch n u r zu kennen. — Sie ist aber auch, auf längere Sicht, unwirtschaftlich. Denn die immer weitergetriebene Rationalisierung der Arbeitsprozesse b r i n g t abnehmende Erträge, sobald eine günstige Lage des Arbeitsmarktes oder eine starke gewerkschaftliche Organisation den Arbeitenden erlaubt, ihre Gleichgültigkeit u n d i h r e n W i d e r w i l l e n gegenüber den lähmenden repetitiven V e r richtungen, die ihnen zugewiesen sind, i n einem Nachlassen der Leistungen auszudrücken 27 .

Wie an anderer Stelle noch deutlicher zu zeigen sein wird, erkennt man heute, daß der Arbeitsteilung Grenzen gesetzt sind, deren Überschreitung sinkende Erträge bedeutet. Nicht Arbeitsteilung ist daher das Problem, vielmehr die Bestimmung einer sinngemäßen „Arbeitseinheit" (Unit of work), letztlich also einer Aufgabe, statt einer bloßen Verrichtung, wofür sich wohl eine Maschine, nicht aber der Mensch eignet. Somit muß wohl i m Zeichen der Menschlichkeit, nicht minder aber der Wirtschaftlichkeit, die Arbeitsorganisation auf die Maße des Menschen abgestimmt und die Grenzen, die zwischen Geist und Stoff, Mensch und Maschine verlaufen, beachtet werden. cc) „Human-Relations" und „Wissenschaftliche Betriebsführung Der Begriff der „Human-Relations" entspricht i n etwa dem, was man i m deutschen Sprachbereich als „Soziale Betriebsführung" bezeichnet. Allerdings muß bedacht werden, daß die „Human-Relations-Idee" primär die außerwirtschaftlichen Belange des Betriebes zu gestalten 27

G. Friedmann,

Grenzen der Arbeitsteilung, F r a n k f u r t / M a i n 1959, S. X I .

Soziale Betriebsführung u n d Betriebswirtschaftslehre

61

trachtet, hingegen die Fragen einer Wirtschaftsgestaltung i m Zeichen des Humanen fast völlig außer Betracht läßt. Diese Einseitigkeit ist auch ihre Achillesferse. P. F. Drucker unterscheidet drei Formen der „Menschenführung": — Die i n F o r m von Stabsstellen (Personalabteilungen) funktionierende Personalführung; — hinzu k o m m t „die zweite Haupttheorie der betrieblichen Menschenführung, die Human-Relations"; — u n d schließlich geht es noch u m die wissenschaftliche Betriebsführung Taylors 2 8 .

A u f einen einfachen Nenner gebracht, ist folgendes zu bedenken: 1. „Personalpolitik u n d Human-Relations sind die beiden Themen, über die gesprochen u n d geschrieben w i r d . . . " , ohne daß diese Gedanken „der Menschenführung i n den Betrieben der amerikanischen Industrie zugrunde liegen". Das ist vielmehr „ . . . das Gedankengut der wissenschaftlichen Betriebsführung" 2 9 . 2. Die K r i t i k an den Human-Relations lautet: Schon die stabsmäßig organisierte Personalführung meidet die beiden wichtigsten Gebiete der betrieblichen Menschenführung: die Organisation der A r b e i t u n d die Organisation der Menschen, die diese A r b e i t t u n " 3 0 . Ä h n l i c h verhält es sich m i t den Human-Relations. W o h l erkennt „ . . . die Theorie der Human-Relations . . . die besondere Eigenart des Produktionsfaktors Mensch an. Sie betont das m i t Nachdruck gegenüber einer mechanistischen Auffassung" u n d hat „ . . . den Unternehmern jahrhundertealte Scheuklappen heruntergerissen" 3 1 . A b e r : W o h l w i r d von den Human-Relations die Angst als Arbeitsmotiv (des Taylorismus) beseitigt, w a r aber dennoch nicht i n der Lage, ein positives Arbeitsmotiv an seine Stelle zu setzen, nicht zuletzt w e i l den Human-Relations die „erforderliche Ausrichtung auf die A r beit" fehlt 3 2 . „ D i e positiven Antriebskräfte müssen i n der A r b e i t u n d i m Beruf gründen, während die Human-Relations das Schwergewicht einseitig auf die zwischenmenschlichen Beziehungen u n d die »informal group* legen", w o m i t schließlich u n d endlich die Human-Relations „ . . . v ö l l i g die wirtschaftliche Seite des Problems" übersehen 33 . 3. So k o m m t es, daß Taylors „Wissenschaftliche Betriebsführung" auf einen ungewappneten Gegner stößt. Hervorhebenswert an Druckers A u s f ü h rungen ist folgendes: E r anerkennt, daß sich erstmalig Taylor überhaupt wissenschaftlich m i t der „ A r b e i t " beschäftigt habe u n d daß seine Lehre ein „System" bilde. Andererseits: Während diese Lehre i n der Zeit zwischen 1890 u n d 1920 „eine großartige Erkenntnis nach der anderen v e r m i t t e l t . . . " hat, lieferte sie während der letzten dreißig Jahre „ n u r bescheidene u n d ermüdende V e r 28 29 30 31 32 33

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

P. F. Drucker, a.a.O., S. 330 ff. P. F. Drucker, a.a.O., S. 336 ff. P. F. Drucker, a.a.O., S. 331/332. P. F. Drucker, a.a.O., S. 334. P. F. Drucker, a.a.O., S. 334. P. F. Drucker, a.a.O., S. 334.

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Josef Kolbinger

öffentlichungen über die Methoden, u m nicht zu sagen, die Kniffe, i m m e r enger u n d beschränkter werdender Einzelheiten" 8 4 . V o n entscheidendster Bedeutung jedoch sind die zwei sogenannten „ B l i n d flecke" des Taylorismus: „Der erste dieser ,Blindflecke' ist die irrige M e i nung, daß, w e i l w i r die A r b e i t i n ihre einfachsten Bestandteile zerlegen, w i r sie auch als eine Reihenfolge einzelner Bewegungen organisieren müssen, deren jede möglichst von einem anderen Arbeiter ausgeführt w i r d . . . . Diese L o g i k ist falsch. H i e r w i r d ein Grundsatz der Analyse m i t einem Grundsatz des Handelns verwechselt 3 5 ." Zurückzuführen ist dieser „Blindfleck" auf die der naturwissenschaftlichen Konzeption entsprechende Gleichsetzung von menschlicher A r b e i t u n d Maschinenarbeit. Z w a r erhebt die wissenschaftliche Betriebsführung den Anspruch, „ . . . die menschliche A r b e i t zu organisieren. A b e r sie geht . . . dabei von der Voraussetzung aus — ohne den geringsten Versuch, diese Annahme zu prüfen oder zu beweisen —, daß der Mensch eine, w e n n auch schlecht konstruierte Maschine sei" 3 6 . Der zweite „Blindfleck" ist i m Prinzip n u r eine besondere F o r m des ersten, zumindest eine Folge desselben, denn es geht n u r u m den spezifischen Grundsatz der Arbeitsteilung, die i n einer „Trennung des Denkens v o m Tun", einem der Hauptlehrsätze der wissenschaftlichen Betriebsführung besteht 8 7 .

Gerade bei Drucker erscheint der Gegensatz von natur- und geisteswissenschaftlicher Betrachtungsweise der Organisation menschlicher Arbeit besonders klar erkannt, wenn er schließlich erklärt: „Isolierte Handgriffe t u t . . . " der Mensch „ . . . schlecht; als Maschine betrachtet, ist er eine Fehlkonstruktion und nur wenn w i r seinen freien Willen, die Persönlichkeit, G e f ü h l e . . . und die Seele..." berücksichtigten, ihn also Geist sein lassen, w i r d er produktiv. Er w i r d dies vor allem, wenn „ . . . die einzelnen Handgriffe ein sinnvolles Ganzes bilden, ein Ganzes, das die spezifischen Fähigkeiten des Menschen anspricht", also letztlich wenn die Aufgabe nach den Maßen des Menschen und nicht der Maschine bestimmt w i r d 8 8 . 2. D i e F o r d e r u n g n a c h sozialwissenschaftlicher

einem System Betriebsführung

Druckers Ausführungen lassen erkennen, wo das eigentliche Problem gelegen ist: Die Human-Relations sind — i m Sinne seiner Ausführungen — zu einseitig, insbesondere organisatorisch und zugleich wirtschaftlich indifferent. Drucker erklärt hierzu folgendes: Zwar bedeute diese Schwäche nicht, daß w i r „ . . . die Human-Relations aufgeben sollten. . . . Ihre Erkennt84 35 86 87 88

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

P. F. Drucker, a.a.O., S. 338. P. F. Drucker, a.a.O., S. 339. P. F. Drucker, a.a.O., S. 340. P. F. Drucker, a.a.O., S. 341. P. F. Drucker, a.a.O., S. 340 f.

Soziale Betriebsführung u n d Betriebswirtschaftslehre

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nisse bilden aber nur eine G r u n d l a g e . . . " einer geistes- bzw. sozialwissenschaftlich orientierten Betriebsführung. „Der übrige Bau muß erst noch errichtet werden. Er w i r d auf einer breiteren Grundlage als den Human-Relations allein aufzubauen sein 89 ." A u f der anderen Seite ist es zwar der Taylorismus, der auf das zweite Teilgebiet, eben primär auf die Betriebs- bzw. Arbeitsorganisation, abzielt, dessenungeachtet aber auf Grund seiner „Blindflecke", also letztlich seiner natur- und nicht geistes- bzw. sozialwissenschaftlichen Konzeption, weder eine Lösung für die Betriebsführungsfrage i m allgemeinen abzugeben, noch m i t den Human-Relations i m besonderen eine Synthese einzugehen vermag. Es müßte demnach grundsätzlich darum gehen, ein sozialwissenschaftliches System der Betriebsführung zu entwerfen, das sowohl die Schwächen der Human-Relations (gemäß deren Einseitigkeit) wie auch jene des Taylorismus (infolge dessen naturwissenschaftlicher Orientierung) zu beseitigen geeignet wäre. Bevor w i r versuchen wollen, ein solches System zumindest i m Ansatz zu skizzieren, werden w i r zunächst folgendes zu prüfen haben: I n welchem Sinne der „Betrieb" als sozialer Gegenstand zum Objekt einer Analyse zu machen wäre, die auf die Überprüfung abzielt, inwieweit die oben vermißte Synthese von „Wirtschaft" und „nichtwirtschaftlichen Anliegen" des betrieblichen Geschehens vollziehbar wäre. Insbesondere käme es wohl darauf an, nicht nur den Betrieb, sondern erst recht die Betriebswirtschaft auf ihren sozialen Gegenstandscharakter h i n zu untersuchen, u m hieraus folgerichtig ein sozialwissenschaftlich orientiertes Funktionensystem abzuleiten, i n welches sich auch die Organisations- und Betriebsführungsfunktion (neben anderen) folgerichtig einordnet. Es gilt also nicht zuletzt, die nur scheinbare K l u f t zwischen dem „Betriebssozialen" und dem „Betriebswirtschaftlichen" zu überbrücken. Da es uns vor allem darum geht, vorhandenes Gedankengut dieser A r t ins rechte Licht zu rücken und als Bausteine für weiterführende Überlegungen zu verwenden, können w i r nicht umhin, den Entwicklungsgang der Betriebswirtschaftslehre und damit auch anderer angrenzender Disziplinen kurz aufzuzeigen, insbesondere der „Einheit der Sozialwissenschaften" einschließlich ihrer Differenzierungen nachzugehen. I I I . Uber das Verhältnis von „Wirtschaftlichem" und „Sozialem" in der sozialwissenschaftlichen Objektdiskussion

Es herrscht nicht zuletzt i n der Betriebswirtschaftslehre keine ausreichend klare Vorstellung über das Verhältnis von „Wirtschaftlichem" 89

Vgl. P. F. Drucker,

a.a.O., S. 336.

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Josef Kolbinger

und „Sozialem". Erst hieraus erklären sich viele Mißverständnisse zwischen den Fachvertretern und vor allem die Ablehnung, dem „Sozialen" innerhalb der Betriebswirtschaftslehre Raum zu geben. Untersuchungen seit den Fünfziger Jahren 4 0 zeigen aber recht deutlich, daß die W i r t schaftswissenschaft auf dem Wege ist, i h r Verhältnis zur Soziologie und damit ihre Stellung innerhalb der Sozialwissenschaften einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen.

A. Zur Objektdiskussion in der Betriebswirtschaftslehre

W i r greifen diese Frage hier insoweit auf, als es sich u m die oben aufgezeigte Problematik des Verhältnisses von „Wirtschaftlichem" und „Sozialem" handelt, wie sie innerhalb der Betriebswirtschafttslehre wohl erstmalig von F. Schönpflug aufgegriffen wurde und auch seit dem Jahre 1950 wieder Gegenstand der Diskussion geworden ist. W i r verfolgen daher diese Problematik lediglich i n ihren entscheidensten Konturen gemäß folgender Etappengliederung: 1. Der Beitrag F. Schönpflugs. 2. Die Wiederaufnahme der Objektdiskussion i m Jahre 1950. 3. Die Objektbestimmung durch E. Gutenberg

u n d die Gegenwartslage.

„Objektcharakter" und „System" werden somit zu den eigentlichen Richtpunkten unserer Fragestellung i n bezug auf eine „Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft". 1. D e r

Beitrag

von

F.

Schönpflug

Ausgehend von den Lehren Nicklischs und Töndurys, lautet der entscheidende Satz F. Schönpflugs 41: I m Problem des Betriebes durchkreuzten und überschnitten sich „zwei Sonderprobleme, die nicht ohne weiteres i n Deckung kommen", nämlich Form und Inhalt. Die Frage der Form ist seiner Meinung nach die Frage „nach dem Wesen des Betriebes als soziales Gebilde" überhaupt. Dieses sei „an sich kein w i r t schaftswissenschaftliches Problem allein, sondern ein allgemeines, und zwar ein soziologisches". Erst „ . . . die Frage, welche wirtschaftlich bestimmten Tatbestände den Betrieb zu einem besonderen Gebilde der Wirtschaft qualifizieren", gehe die Betriebswirtschaftslehre unmittelbar an. 40 z . B . W. Bernsdorf u n d G. Eisermann (Hrsg.), Die Einheit der Sozialwissenschaften. Franz Eulenburg zum Gedächtnis, Stuttgart 1955. 41 Vgl. hierzu F. Schönpflug, Der Erkenntnisgegenstand der Betriebswirtschaftslehre. Untersuchungen über den Erkenntnisgegenstand der allgemeinen u n d theoretischen Betriebswirtschaftslehre als Lehre von den wirtschaftlichen Gebilden, Stuttgart 1936, S. 87.

Soziale Betriebsführung u n d Betriebswirtschaftslehre

65

W i r bedürfen i m gegebenen Zusammenhang keiner Darstellung der Schönpflugsdien Ableitung und Definition des Begriffes „Betrieb". Entscheidend vielmehr ist die Frage, ob „Form" und „ I n h a l t " trennbar seien. A n dieser Trennung scheitert nämlich Schönpflugs Analyse, denn anstatt die „Wirtschaft" als ein Leistungssystem zu erkennen und den allgemeinen Wirtschaftsbegriff i n die i h n konstituierenden Merkmale (d. s. die einzelnen wirtschaftlichen Funktionen) zu zergliedern, verliert er sich i n eine Lehre von den Leitmotiven (Prinzipien) wirtschaftlichen Handelns. Trotz des richtigen Ansatzes gelingt es i h m also nicht, eine Wirtschaftsmorphologie zu entwickeln und damit etwa der Frage nahe zu treten, inwieweit z. B. Organisation, Finanzierung, Handel, Werbung etc. letztlich Tatbestände sozialen und eben zugleich (infolge Übereinstimmung von Form und Inhalt) wirtschaftlichen Handelns seien. Schönpflug wendet sich gegen v. Gottl-Ottlilienfelds Gleichsetzung von Wirtschaft und Technik sowie gegen Mahlbergs Gleichsetzung von organisatorischem Gebilde und Wirtschaftsbetrieb, und er w i r f t Amonn sowie Sombart vor, sie entfernten sich überhaupt von der Auffassung der Nationalökonomie als Wirtschaftswissenschaft und wendeten sich dem Aufbau einer Nationalökonomie als Sozialwissenschaft zu 4 2 . Schönpflugs normative Lehre der ethisch begrenzten „Gewinnmaximierung" ersetzt nicht die unterbliebene Fortführung der Ableitung des Wirtschaftlichen aus dem Sozialen und die damit unterbliebene folgerichtige Deduktion wirtschaftlicher Funktionen. Sein oben herausgestellter Vorwurf deckt sich überraschenderweise m i t den i m Jahre 1950 wieder auftauchenden Argumenten und Problemen des Aufbaues der Betriebswirtschaftslehre. 2. D i e W i e d e r a u f n a h m e der O b j e k t d i s k u s s i o n i m J a h r e 1950 W i r beziehen uns hier insbesondere auf die Beiträge von E. Schäfer (Vortrag anläßlich der 1. Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft am 1. Juni 1950 zu Königswinter) sowie auf die damit i n Zusammenhang stehenden Ausführungen von A. Schmitt , M. R. Lehmann und G. Fischer . W i r wollen nur die grundlegendsten Thesen wie folgt herausstellen: a) E. Schäfer

48

— Schäfer wendet sich gegen die Einbeziehung sozialer Fragen i n die Betriebswirtschaftslehre; eine solche bedeute eine Verwechslung von Fachu n d Ausbildungsziel. 48 48

Vgl. F. Schönpflug , a.a.O., S. 111. Vgl. hierzu E. Schäfer , Über einige G r u n d f r a g e n . . . , a.a.O., S. 553 ff.

5 Betrieb und Gesellschaft

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Josef Kolbinger

— Eng d a m i t i n Verbindung steht auch die Ablehnung, die Organisationslehre zur Grundlage der Betriebswirtschaftslehre zu machen; dies f ü h r t i n Schäfers „Funktionskatalog" zur E l i m i n i e r u n g der Organisation überhaupt. — Den I n h a l t der Betriebswirtschaftslehre sieht er folgendermaßen: Eine bloße Kostenlehre (Rechnungswesen!) sei zu eng. Vielmehr bedürfe die betriebswirtschaftliche Analyse dreier „Scheinwerfer", des finanzwirtschaftlichen, des leistungswirtschaftlichen, u n d zwar des produktionswirtschaftlichen und des absatzwirtschaftlichen. — Systematisch aus dem Rahmen fallend ist der Hinweis, die Betriebswirtschaftslehre möge sich auch m i t Fragen der Mitbestimmung befassen. Es fragt sich nur, wo dies systematisch i m Lichte der drei „Scheinwerfer" erfolgen könne.

b) Erwiderung

A. Schmitts 44

— Die Erwiderung Schmitts setzt an d e m zuletzt geäußerten Bedenken ein: Schäfer müsse ein System bieten, wenn er K r i t i k i n obiger F o r m übe. — Er erklärt sehr richtig, daß m a n i n der Betriebswirtschaftslehre sehr w o h l technische Daten berücksichtige, weshalb man auch die Einbeziehung des Sozialen nicht einfach ablehnen könne. — Schmitt w i l l daher anstatt der drei „Scheinwerfer" Schäfers deren vier, wobei er sich nicht besonders k l a r ausdrückt, w e n n er meint, es sei nicht erforderlich, etwa ein neues Element i n das bekannte Kreislauf Schema (Bezug — L a g e r u n g . . . Absatz) einzubauen. N ö t i g sei vielmehr nur, daß die dort bereits berücksichtigten Funktionen durch eine A r t zusätzlicher D i m e n sion ergänzt werden u n d daß jede betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise sich auf vier Dimensionen (Finanz-, Personal-, Güter- u n d Absatzwirtschaft) richtet. Die Personalwirtschaft erweist sich somit als eine Z u satzfunktion, die freilich nicht — w i e bei Schramm — zum größten T e i l i n der Verwaltungsfunktion aufgehen sollte. Es w i l l m i r scheinen, daß auch hier insofern Widersprüche klaffen, als zwar kein neues Element i n das Kreislaufschema eingebaut werden soll, vielmehr müßte diesen Funktionen eine neue Dimension beigeordnet werden, die dann doch wieder F u n k t i o n (Personalwesen) ist. W i r werden diesen Widerspruch an anderer Stelle aufzuheben trachten. I m übrigen sei hier noch auf die bemerkenswert tolerante A n t w o r t E. Schäfers auf Schmitts K r i t i k hingewiesen: E r betont, daß i h m nichts ferner liegen würde, als sich „. ..|der I n i t i a t i v e derjenigen Betriebswirte i n den Weg zu stellen, die die Sozialfragen des Betriebes zu i h r e m besonderen Arbeits- u n d Aufgabengebiet machen wollen". E r selbst habe j a auch m i t seiner Absatzwirtschaftslehre lange u m die Anerkennung durch das Fach ringen müssen. „ W a r u m also von vornherein u m den Rang eines Teilgebietes streiten, das erst gesichtet werden soll 4 5 ?" 44

Vgl. hierzu A . Schmitt, a.a.O., S. 678 ff. Vgl. E. Schäfer, Betriebswirtschaftslehre und soziale Betriebslehre. Eine Entgegnung, i n : Z.f.B., Jg. 1951, H e f t 2, S. 110. 45

Soziale Betriebsführung u n d Betriebswirtschaftslehre c) M. R.

67

Lehmann46

— Er w i l l gewissermaßen zwei Betriebswirtschaftslehren, wobei er i n bezug auf die allgemeine Betriebswirtschaftslehre darlegt, daß eine Betriebssoziallehre (soziale Betriebslehre) n u r neben oder außerhalb der Betriebswirtschaftslehre anerkannt werden könne. — Hingegen w i l l er bei der gedanklichen Isolierung des Erkenntnisobjektes der Industriebetriebslehre „ i n der Abstraktion v o m . . . E r f a h r u n g s o b j e k t " nicht zu w e i t gehen (er gliedert sie daher i n Industriebetriebs-Wirtschaftslehre, -Techniklehre, -Soziallehre). — Noch entscheidender ist Lehmanns Meinung, daß überhaupt das Arbeiten m i t dem umfassenderen Erkenntnisobjekt die K l ä r u n g mancher Probleme erleichtert, j a vielleicht erst möglich macht. E r sieht i n der zukünftigen Entwicklung ein Abgehen von zu w e i t getriebener Isolation infolge des erwachenden Bedürfnissen des denkenden Menschen zur Synthese. Diese Synthese ist aber eben das Problem der Betriebswirtschaftslehre. d) G.

Fischer

47

— E r verlangt w o h l a m eindeutigsten, daß sich die Betriebswirtschaftslehre bereits i n ihrer Theorie m i t dem Menschen auseinandersetzen müsse. — Er sieht enge Berührungspunkte m i t der Soziologie, vor allem i m Bereich der Organisationslehre, denn: „ W i r d der Betrieb a l s . . . sozialer Organismus gesehen, dann ergeben sich . . . Wechselwirkungen zwischen Betriebswirtschaftslehre u n d Soziologie". N u n bleibt allerdings die Frage offen, w i e diese Wechselwirkungen, eben das Grundsatzverhältnis zwischen Soziologie und Betriebswirtschaftslehre beschaffen ist. 3. D i e

O b j e k t b e s t i m m u n g d u r c h E. G u t e n b e r g und die Gegenwartslage

Gutenbergs S y s t e m k a n n als a l l g e m e i n b e k a n n t vorausgesetzt w e r den, so daß w i r u n s a u f H e r a u s s t e l l u n g d e r t h e m e n b e d e u t s a m s t e n Sachv e r h a l t e beschränken k ö n n e n . W e s e n t l i c h ist zunächst d i e A b l e h n u n g eines sozialwissenschaftlichen Ansatzes, insbesondere i m S i n n e des L e h r s y s t e m s v o n Nicklisch. Gutenberg s t e l l t sich d i e Frage, ob es m ö g l i c h sei, „ . . . d i e P r o b l e m e d e r B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e v o n diesem sozialen Phänomen, der Gruppe a r b e i t e n d e r M e n s c h e n " h e r z u lösen. E r v e r n e i n t dies, d e n n d i e E i n h e i t dieser G r u p p e b e r u h e n u r a u f arbeitsorganisatorischen N o t w e n d i g k e i t e n ; i n f o r m e l l e G r u p p e n b i l d u n g sei „ z u u n b e s t i m m t u n d z u f l ü c h t i g u n d auch n i c h t v o n h i n r e i c h e n d b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e r B e d e u t s a m k e i t , als daß sie als G r u n d l a g e f ü r eine T h e o r i e d e r U n t e r n e h m u n g . . . " dienen könnte48. 46 Vgl. hierzu M . R. Lehmann, Betriebs-Wirtschaftslehre u n d BetriebsSoziallehre, i n : Z.f.B., Jg. 1951, S. 485 ff. 47 Vgl. hierzu G. Fischer, a.a.O., S. 253 ff., insbesondere S. 263. 48 Vgl. E. Gutenberg, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Krefeld 1957, S. 24. 5*

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Das Entscheidende ist, daß Gutenberg i m Betrieb eine bloße Kombination von Produktionsfaktoren gemäß des Produktivitätskalküls sehen w i l l und demnach auch der Organisation keine wie immer geartete sozial-morphologische Charakterzüge zugesteht. Man könnte — so meint er — bei extensiver Auslegung des Organisationsbegriffes zu der Ansicht kommen, Betrieb sei gleich Betriebsorganisation: „Eine solche Auffassung vom Wesen der Organisation liegt der Theorie Bogdanows zugrunde, für den die Organisation das allgemeine Formund Gestaltungsprinzip des naturalen und sozialen Geschehens bildet. Auch die Auffassungen von Plenge, Spann und Nicklisch beruhen auf einem so weit gespannten Organisationsbegriff 49 ." I m Gegensatz dazu w i l l Gutenberg den Begriff der Organisation möglichst eng fassen und unter Organisation nur „ . . . diejenige Apparatur (!) verstehen, die die Aufgabe hat, eine durch Planung vorgegebene Ordnung i m Betriebe zu realisieren" 5 0 . Klammert E. Schäfer die Organisation aus seinem Funktionschema ganz aus, so nimmt i h r Gutenberg bewußt jeden sozialen Gehalt. Nun ist es aber fraglich, ob man einfach derart willkürlich verfahren kann, um den Ansatz eines Systems sozusagen nach Belieben zu wählen. Für Gutenbergs „Ansatz" ergeben sich schwerwiegende Konsequenzen bezüglich der Entfaltbarkeit eines umfassenden betriebswirtschaftlichen Systems. So gelingt es i h m gerade deshalb nicht, die Finanzierung i n sein Funktionensystem einzuordnen, w e i l er mangels eines sozialwissenschaftlichen Ansatzes die der Finanzierung entsprechenden Sachbeteiligungsvorgänge ebenso wenig als Sozialakte deutet, wie er dem Organisationsbegriff w i l l k ü r l i c h jegliche soziale Relevanz i n seinem System streitig macht und damit die Betriebswirtschaftslehre überhaupt aus dem Zusammenhang von „Sozialem" und „Wirtschaftlichem" hinausdrängt. Dieses Problem des Verhältnisses von „Sozialem" und „ W i r t schaftlichem", von „Form" und „Inhalt" (Schönpflug) sowie „Funktion" und „Dimension" (A. Schmitt ) muß gelöst werden, wenn man ein folgerichtiges, sowohl dem Erfahrungs- wie dem Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre adäquates betriebswirtschaftliches „System" aufbauen w i l l . Diese Erkenntnis leitet auch alle jene Bemühungen, die sich — ohne eine objektentsprechende Differenzierung zu leugnen—um das Problem der „Einheit der Sozialwissenschaf ten" ranken, das nicht zuletzt ein Problem der Synthese von Sozialem und Wirtschaftlichem, eine Frage der „Wiedervereinigung" von Soziologie und Ökonomie ist.

4 ® E. Gutenberg , Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Produktion, 4. Aufl., Berlin-Göttingen-Heidelberg 1958, S. 170. 60 Vgl. E. Gutenberg , G r u n d l a g e n . . . , a.a.O., S. 170.

1. Band: Die

Soziale Betriebsführung u n d Betriebswirtschaftslehre

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B. Das Ringen um das Verhältnis von Soziologie und Nationalökonomie und die Einheit der Sozialwissenschaften 1. D e r

nationalökonomische Methodenstreit als Ausgangspunkt

Der Antithese v o n „ F o r m " u n d „ I n h a l t " entspricht die T r e n n u n g v o n „Soziologie" u n d „Wirtschaftswissenschaft". Der nationalökonomische M e t h o d e n s t r e i t ( h i e r : „ H i s t o r i s c h e Schule" z . B . Roscher, Hildebrand, Knies, Brentano, Held, Bücher, aber auch Toynbee, Leslie, F . u n d S. Webb, Dürkheim, v o r a l l e m aber Schmoller; d o r t : insbesondere Menger) ist l e t z t l i c h nichts anderes — u n d A u s f ü h r u n g e n n a m h a f t e r m o d e r n e r Soziologen u n d N a t i o n a l ö k o n o m e n b e s t ä t i g e n dies — als d i e F o l g e e i n e r solchen T r e n n u n g . D i e „ H i s t o r i s c h e S c h u l e " als t y p i s c h soziologisch ausgerichtet, w e n d e t sich gegen d i e „ a s o z i o l o g i s c h - a b s t r a k t e " klassische N a t i o n a l ö k o n o m i e b z w . d i e Versuche i h r e r W i e d e r b e l e b u n g . W i r k ö n n e n i m gegebenen Z u s a m m e n h a n g n u r i n g e d r ä n g t e r F o r m d i e S t r e i t p u n k t e w i e d e r g e b e n u n d d a m i t zugleich das C h a r a k t e r i s t i k u m des „ H i s t o r i s c h e n V e r f a h r e n s " a n d e u t e n 5 1 : 1. Die Historiker wenden sich gegen die Auffassung, die Wirtschaft werde durch Naturgesetze regiert, Nationalökonomie sei somit eine Naturwissenschaft. Die soziale u n d wirtschaftliche Ordnung w a r „ . . . f ü r die Physiokrat e n . . . eine zu verwirklichende Ordnung; — ihrem Wesen nach ist die volkswirtschaftliche Wissenschaft normativ. — F ü r A . Smith ist sie eine sich f o r t während verwirklichende Ordnung". A b e r erst für Say ist die Nationalökonomie „die Wissenschaft von der selbsttätigen wirtschaftlichen Verfassung". M a n setzt seine Lehre m i t dem Begriff der „reinen Wissenschaft" gleich, w o bei es freilich darauf ankommt zu erklären, w o r i n diese „Reinheit" bestehe. N u n : „Say w i l l weiter nichts als Naturforscher sein. . . . Übrigens vergleicht er die neue Wissenschaft mehr m i t der Physik als der Naturgeschichte ... ohne noch das W o r t »soziale Physik* anzuwenden." Schon Hildebrand hingegen bestreitet die Existenz der wirtschaftlichen Naturgesetze, so w i e die Klassiker sie aufgefaßt hatten. U n d Knies verneint diese „ i m Namen der menschlichen Freiheit". Klargestellt ist damit auch, daß „reine" Sozial- und Wirtschaftstheorie n u r jene ist, welche „Naturwissenschaft" sein w i l l . 2. Die Historiker betonen ferner den unabdingbaren Zusammenhang von „Wirtschaft" u n d „Gesellschaft" u n d sehen eben i n der Wirtschaftswissenschaft eine „Sozialwissenschaft". Soziologie ist ihnen eher eine „Methode" (d. h. eine geisteswissenschaftliche i m Gegensatz zur naturwissenschaftlichen). So hebt Roscher hervor: „ W i e jedes Leben, so ist das Volksleben ein Ganzes. . . . Wer daher eine Seite desselben wissenschaftlich verstehen w i l l , der muß alle Seite kennen. U n d zwar sind es vornehmlich folgende sieben Seiten: Sprache, Religion, Kunst, Wissenschaft, Recht, Staat u n d W i r t s c h a f t . . . " . 61 Z u m folgenden i n Anlehnung an Ch. Gide u n d Ch. Rist, Geschichte der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen, 3. Aufl. hrsg. von F. Oppenheimer, Jena 1923, S. 119 f., insbesondere S. 420 ff. u n d S. 439 f.

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Wie Gide u n d Rist hervorheben, habe sich der historischen Schule eine „neue Gruppe von Mitarbeitern zugesellt: Die der Soziologen". Nach den religiösen, rechtlichen, politischen u n d sozialen Einrichtungen mußte die Soziologie „ . . . auch die wirtschaftlichen Einrichtungen i n ihren Bereich ziehen, u n d zwar i n demselben Geiste u n d nach derselben Methode, die die historische Schule charakterisieren". W o r i n aber besteht n u n diese Methode? Es ist das geschichtlich gewachsene, soziale Ganze, das den H i n t e r g r u n d für die Analyse bildet, wobei es letztlich gilt, die W i r k u n g e n festzustellen, die die „ . . . verschiedenartigsten Einrichtungen, auf G r u n d derer die menschlichen Gesellschaften sich erhalten u n d e n t w i c k e l n . . . gegenseitig aufeinander ausüben". Dies t r i f f t natürlich auch f ü r die Wirtschaft als gesellschaftliche Leistungsordnung zu, weshalb z. B. die englischen Anhänger der historischen Schule die Meinung vertreten, es bestehe „ . . . die Notwendigkeit, die Volkswirtschaft i n Zusammenhang m i t den anderen sozialen Wissenschaften zu bringen". Die historische Methode entspricht somit einer geisteswissenschaflich-soziologischen Frageweise i n bezug auf das i n die Gesellschaft eingebettete „Wirtschaftliche". 3. M i t der Leugnung naturgesetzlicher Verläufe gesellschaftlicher Prozesse erhebt sich die „Historische Schule" zum A n w a l t des 19. Jahrhunderts i n Sachen „Arbeiterfrage": Allen, die soziale Reformen wünschen, erscheint die historische Methode i n diesem Augenblick als ein Instrument des F o r t schritts." M a n hat die historische Methode oft als konservativ betrachtet, w e i l sie „ . . . das allmähliche u n d erhabene Wachstum unserer ehrwürdigen E i n richtungen beschreibt: sie k a n n aber einen ganz entgegengesetzen Einfluß ausüben, indem sie die groben Ungerechtigkeiten nachweist die gerade w ä h rend dieses Wachstums b l i n d verübt worden sind". So ist sicherlich auch die Gründung des „Vereins f ü r Socialpolitik" als ein Verdienst der historischen Schule zu bezeichnen. W. Sombarts literarisches W i r k e n auf dem Gebiete der „Arbeiterfrage" kennzeichnet i n besonderer Weise die aufgeworfene Problematik. 4. Wie sich bereits i n anderem Zusammenhang ergeben hat, besteht ein enges Verhältnis zwischen soziologischer Betrachtungsweise i n der W i r t schaftswissenschaft (d. h. eben auch i n der Betriebswirtschaftslehre) u n d der Betonung des Phänomens „Organisation". V o m gestalthaften (morphologischen) A u f b a u v o n Wirtschaft u n d Gesellschaft sagt uns „ . . . die mechanische Auffassung der Volkswirtschaft k e i n Wort". Ganz anders die Historische Schule: Sie beschäftigt sich m i t den Institutionen der Banken u n d Börsen, den Genossenschaften, Arbeiterverbänden usw. So wäre hier z.B. i n bezug auf das Genossenschaftswesen auch eines treuedienstlich-genossenschaftlich verstandenen Arbeitsrechtes, insbesondere dem W i r k e n O. v. Gierkes zu gedenken.

Morphologie ist somit das Grundanliegen der „Historischen Schule" und die Organisation ist (nicht zuletzt mit dem Namen Bücher verknüpft; H. Nordsieck-Schröer zählt ihn zu den historisch ersten Organisationstheoretikern) eine jener Funktionen, die neben anderen (z. B. der des Kredits) ihr besonderes Interesse erwecken und den engen Zusammenhang zwischen diesem Interesse und der soziologischen Betrachtungsweise i n der Wirtschaftswissenschaft erhärten.

Soziale Betriebsführung u n d Betriebswirtschaftslehre 2. S o z i o l o g i e

als

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„Methode"

D e r Gegensatz v o n „ F o r m " u n d „ I n h a l t " scheint i m m e r w i e d e r auch i m S i n n e des Gegensatzes v o n „ F o r m a l w i s s e n s c h a f t " u n d „ I n h a l t s - oder Realwissenschaft" auf. F o r m a l w i s s e n s c h a f t h e i ß t auch „ M e t h o d e n - " oder „ V e r f a h r e n s l e h r e " . N a c h G. v . Below i s t Soziologie n u r „ M e t h o d e " b z w . i m eben g e n a n n t e n S i n n e „ V e r f a h r e n s l e h r e " . Z w e i seiner G r u n d t h e s e n seien besonders h e r v o r g e h o b e n 5 2 : 1. Seiner Ansicht nach hat sich " . . . eine besondere, eigene Wissenschaft der Soziologie überhaupt n u r auf dem Boden der naturalistischen Auffassung (Comte, Spencer) ausgebildet". Wie v. Below hervorhebt, bildeten sich am Anfang des 19. J a h r h u n d e r t s . . . die Geistes- oder K u l t u r w i s s e n schaften selbständig aus i n ihrer allgemeinen Grundlegung gegenüber den Naturwissenschaften u n d i n der Schaffung v o n Sonderdisziplinen innerhalb ihres großen Rahmens". U n d gerade die Vertreter jener Sonder disziplinen erbrachten „ . . . gewaltige Leistungen i n der Deutung der Gemeinschaftsverhältnisse", ohne sich je als Soziologen bezeichnet zu haben. Z u diesen Disziplinen zählt, w i e v. Below ausdrücklich betont, auch die „Historische Schule" der Nationalökonomie (die auch m i t Savignys historischer Rechtsschule i n Verbindung steht). N u r die Austreibung des Sozialaspektes aus der Nationalökonomie durch die Klassik findet also ihre Parallele i n einer selbständigen, letztlich naturalistischen Soziologie i m Sinne einer „Physique sociale". 2. Unter diesem Gesichtspunkt erhebt v. Below zugleich auch Einspruch gegen die Trennung von „ F o r m " u n d „ I n h a l t " , w e i l sich die „Formen v o m I n h a l t der gesellschaftlichen Erscheinungen nicht trennen lassen"... „ I n A n erkennung der Tatsache, daß das Gesamtgebiet der soziologischen Fragen viel zu groß f ü r eine Sonderdisziplin ist, hat m a n jene Forderung dahin eingeschränkt, daß m a n die Soziologie als Wissenschaft auf die Erforschung der Formen der Gesellschaft begrenzte 5 8 ." v. Below verweist an dieser Stelle auf die Werke Simmeis , Vierkandts u n d v. Wieses. Er setzt ihnen den oben herausgestellten E i n w a n d gegen die Trennbarkeit von „ F o r m " u n d „ I n h a l t " entgegen. I m übrigen zeigen auch grundlegende Begriffe der soziologischen Formenlehre („Masse", „Gemeinschaft — Gesellschaft", „formale" u n d „ i n fórmale Gruppe", „ K o l l e k t i v " usw.) deutliche Verbindungen zu bestimmten Inhalten, aus denen sich diese „Gesellungsformen" ergeben. W ü r d e m a n die T r e n n u n g v o n „ F o r m " u n d „ I n h a l t " folgerichtig aufr e c h t e r h a l t e n , so k ö n n t e es k e i n e i n h a l t l i c h b e s t i m m t e n Soziologien, z. B . Wirtschaftssoziologie, Religionssoziologie u. a. geben, s o n d e r n eben n u r „ F a m i l i e n s o z i o l o g i e " , „ D o r f s o z i o l o g i e " , „ B e t r i e b s s o z i o l o g i e " , also n u r „ G e b i l d e s o z i o l o g i e n " . Indessen s i n d w i r i n der G e g e n w a r t , n i c h t z u l e t z t i m B e r e i c h d e r Soziologie selbst, d a n n aber auch d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e , z u e i n e m gewissen E i n v e r s t ä n d n i s ü b e r d i e „ W i e d e r v e r e i n i g u n g " v o n F o r m u n d I n h a l t u n d d a m i t gewissermaßen zu einer „Resoziologisierung" der Wirtschaftswissenschaften (Volkswirtschaftslehre, 62 Z u m folgenden vgl. G. v. Below , Die Entstehung der Soziologie, Jena 1928, S. 6/7, insbes. S. 20. 58 Vgl. G. v. Below , a.a.O., S. 23.

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Betriebswirtschaftslehre), schaften

l e t z t l i c h ü b e r d i e Einheit

der

Sozialwissen-

überhaupt, gelangt.

3. Z u m R i n g e n u m Sozialwissenschaften

die Einheit der in der Gegenwart

A l s p r i n z i p i e l l e s E r g e b n i s d e r U n t e r s u c h u n g e n v o n Lenz, Eisermann u n d Koch k ö n n e n w i r v o r w e g h e r a u s s t e l l e n :

5 4

Proesler,

a) Eine grundsätzliche Zuordnung der Sozial- zu den Geisteswissenschaften. b) Die Anerkennung der Soziologie als „Schauweise", die m i t den Inhalten des „Sozialen" verbunden bleiben muß. c) Die dezidierte Zuordnung der Wirtschaftswissenschaft zu den Sozialwissenschaften; die Forderung nach Beseitigung der Schranken zwischen Soziologie u n d Wirtschaftswissenschaften (primär der Volkswirtschaftslehre, doch muß dies konsequenterweise auch f ü r die Betriebswirtschaftslehre gelten) 5 5 . W i e b e r e i t s oben (vgl. S. 1) h e r a u s g e s t e l l t w u r d e , v e r w e i s t F . Lenz a u f d e n g r u n d s ä t z l i c h e n Gegensatz v o n Gesellschafts- u n d N a t u r w i s s e n schaft ( a l l g e m e i n e r w o h l N a t u r - u n d Geisteswissenschaften), so daß sich i m R a h m e n seiner W i s s e n s c h a f t s g l i e d e r u n g f o l g e n d e r E i n o r d n u n g s b e z u g der Wirtschaftswissenschaften e r g i b t 5 0 : 1. Formalwissenschaften (Logik, Mathematik) 2. Realwissenschaften 20. Naturwissenschaften 21. Anthropologische Wissenschaften — Individualpsychologie — Sozialpsychologie — Soziologie (Allgemeine Soziologie, Besondere Sozial Wissenschaften [Soziologien?], insbesondere Wirtschaftswissenschaft). H . Proesler w e n d e t sich f o l g e r i c h t i g gegen eine isolierende S p e z i a l i s i e r u n g i n d e n Sozialwissenschaften: Es k ä m e v o r a l l e m a u f eine 54 W i r stützen uns i n den nachfolgenden Ausführungen auf die symptomatisch zu nennende Schrift „ D i e Einheit der Sozialwissenschaften", hrsg. von W. Bernsdorf u n d W.. Eisermann, a.a.O., u n d hier insbesondere auf den Beitrag von F. Lenz, Die Einheit der Sozial Wissenschaften..., a.a.O.; ferner auf H. Proesler, Uber die Aufgliederung der Sozial Wissenschaften, Nürnberg 1955; G. Eisermann, Wirtschaftstheorie u n d Soziologie, Tübingen 1957 sowie Woldemar Koch, Die Bedeutung der theoretischen Ökonomik für d i e allgemeine Soziologie — Antrittsvorlesung, Tübingen 1955. 55 Bedingt k a n n hier auf M . Lohmann, Einführung i n die Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., Tübingen 1959, S. 2 verwiesen werden: L o h m a n n betont, daß Wirtschaftswissenschaft n u r als Sozialwissenschaft betrieben w e r den könne u n d offenbar die Betriebswirtschaftslehre i n den Geltungsbereich dieser These einbezieht. 8 V g l . . e , a.a.O., S. 2 .

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synoptische Totalschau des Gesellschaftslebens an, denn die Spezialisierung bewirke, daß „ . . . die Ganzheitsbezüge immer weiter aus dem Gesichtsfeld und Beurteilungsvermögen der eigentlich i n der Praxis verantwortlichen ,Sozialanwälte' (W. Vershofen) hinausgerückt werden". Die Soziologie könne sich hier als eine „hervorragende synthetisierende K r a f t " entfalten 57 . Zunächst i n Widerspruch zu v. Below gelangt Proesler über die Forderung, man müsse die Integration als ausgleichenden Faktor (gegenüber der isolierenden Aufspaltung) immer wieder zur Geltung bringen, weshalb eine entsprechende „Verklammerung" der vom Sozialen her bestimmten oder auf das Soziale h i n konvergierenden Wissenschaften erforderlich sei, zu der Auffassung, daß die Soziologie i m Kosmos der Wissenschaften eine nicht eigentlich neuartige, aber bislang zu wenig beachtete, aufs ganze gerichtete „Schauweise" darstelle 58 . G. Eisermann wendet sich zunächst gegen die „Soziologisierungsabsicht" der Nationalökonomie durch die „Historische Schule" 59 . Er spricht von einer „Entfremdung zwischen Soziologie und Wirtschaftstheorie", die letztlich dazu geführt habe, daß die Soziologie immer mehr als „Restbestand dessen wirkte, was die Wirtschaftstheorie nach Aussonderung des allein zu exakt-wissenschaftlicher Bearbeitung Befähigten zurückließ, ein über sein eigentliches Forschungsobjekt und die anzuwendenden Methoden tief unsicheres Residuum". I m Grunde zeigt sich hier die schon bei Say anklingende (übrigens die ganze Klassik beherrschende und i n der modernen Modelltheorie wiedererstandene) Unterscheidung zwischen „exakter" Nationalökonomie (i. S. naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeit) und historischer, morphologischer Schule. Eis ermann kommt jedoch zu dem für uns allein relevanten Ergebnis, daß eine noch so exakte Modelltheorie der wirtschaftlichen Wirklichkeit nicht genüge; vielmehr habe die Entwicklung der Nationalökonomie zu einem „Anbau einer neuen, als ,ökonomische Verhaltensforschung 1 bezeichneten Disziplin" geführt, die aber i m Prinzip nichts anderes sei, als eine „auf eigene Faust (der Nationalökonomie, J. K.) betriebene, wirklichkeitsnahen ökonomischen Erkenntnissen dienende Soziologie". Er sieht auf internationaler Ebene eine Entwicklung auf eine einheitliche Theorie von Ökonomie und Soziologie hin. „Die gemeinsame Basis von Wirtschaftstheorie und Soziologie bildet dann das Studium und die Analyse verschiedener interdependenter menschlicher Handlungssysteme, beruhend auf einer einheitlichen Theorie des Handelns, die eine Theorie alternativer Handlungsprognosen einschließt 60 ." 57 58 59 60

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

H. Proesler , a.a.O., S. 11. H. Proesler , a.a.O., S. 15. hierzu G. Eisermann , Wirtschaftstheorie ..., a.a.O., S. 6. G. Eisermann , Wirtschaftstheorie . . . , a.a.O., S. 25/26.

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Schließlich w i l l Woldemar Koch eine „Wissenschaft von der rationalen Interessenwahrnehmung". Diese wäre etwa gleichbedeutend m i t einer rationalen theoretischen Soziologie, die Wirtschaftstheorie und Soziologie als Spezialdisziplinen einschlösse61.

I V . Z u m Problem der Betriebswirtschaftslehre als sozialwissenschaftliches System

W i r gelangen auf Grund der bisherigen Ausführungen zu folgendem vorläufigen und zugleich weiterführenden Ergebnis: — V o r allem i n der von uns herangezogenen nationalökonomischen und soziologischen L i t e r a t u r findet sich eine bemerkenswerte Übereinstimm u n g bezüglich der gegenseitigen „Verschränkung" dieser Wissenschaften. Besonders fällt auch ins Gewicht, daß die Soziologie als eine „Schauweise" (v. Below, Proesler), also offenbar als eine A r t „Methode" angesehen w i r d , welche i n allen besonderen Gesellschaftswissenschaften (daher auch i n der Wirtschaftswissenschaft) anzuwenden ist, w i e es u.a. schon die „Historische Schule" mehr oder weniger deutlich forderte. Aber auch die Absetzung der „SozialWissenschaften" v o n den „Naturwissenschaften" ist von fundamentaler Bedeutung. — I n der Betriebswirtschaftslehre finden sich durchaus Parallelen zu den obengenannten Gesichtspunkten i n der Soziologie u n d Nationalökonomie. Allerdings bestehen nicht übersehbare Schwierigkeiten, die i n den folgenden Begriffspaaren, welche z . T . als A n t i n o m i e n angesehen werden, i n Erscheinung treten: „ F o r m " u n d „ I n h a l t " , „Soziales" u n d „Wirtschaftliches" (Schönpflug), „Dimension" u n d „ F u n k t i o n " (A. Schmitt), „ A u s b i l dungsziel" u n d „Fachziel" (E. Schäfer). — Die A n t i n o m i e n u n d logischen Widersprüche scheinen behoben, wenn m a n bedenkt, daß „ F o r m " u n d „ I n h a l t " keine Gegensätze sind u n d sein können. Ist die „ F o r m " eine soziale, so sind auch die „ I n h a l t e " von sozialer A r t . Somit g i l t : Wirtschaft ist Sozialgegenstand, wobei die Gesellschaft als Wirtschaft gesehen, als eine bestimmte (besondere) Ordnung des Sozialen i n Erscheinung t r i t t . Hieraus folgt zwingend: Die Wirtschaftswissenschaft ist eine Sozialwissenschaft, die Betriebswirtschaftslehre eine von deren Teildisziplinen (Leistungsordnungslehre der Sozialgebilde, h i e r der Sozialstufe „Betrieb"). — N u r nebenbei ist noch zu bedenken, daß das „Soziale" nicht m i t dem „Sozialreformerischen" verwechselt werden darf. Letzteres ist n u r Neugestaltung des Sozialen i m geschichtlichen Umbildungsverlauf, sei es infolge wissenschaftlicher Neuorientierungen (z.B. Erkenntnis der Grenzen einer naturwissenschaftlichen Betriebsführung u n d Übergang zu einer sozial wissenschaftlichen Konzeption; Umdenken des Arbeitsverhältnisses v o m Lieferungs- oder Mietvertrag zum gesellschaftsähnlichen Verhältnis, i n akzentuierter Weise z.B. als Partnerschaft gekennzeichnet usw.), sei es infolge Neubelebung menschlicher A k t i v i t ä t e n , nicht zuletzt ethischer, vor allem sozialethischer A r t m i t entsprechenden W i r k u n g e n auf allen 1

Vgl.

.

och, a.a.O., S.

.

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Stufen des gesellschaftlichen Lebens: Staat, Verband, Gemeinde, Betrieb — eben Sozialpolitik als Wirtschaftspolitik .

I m Sinne unserer Problemstellung glauben wir, die Analyse i n folgenden Etappen fortführen zu können: 1. Analyse des Wirtschaftsbegriffes (als sozial wissenschaftlichem Leistungsbegriff) und der ihn konstituierenden Merkmale, insbesondere Funktionen (Teilinhalte, Teilgestaltungsbereiche der Wirtschaft). 2. Analyse der Grundbedeutung und sozialreformerischen Zielsetzungen bestimmter betrieblicher, besonders betriebswirtschaftlicher Funktionen . 3. Ergänzungen i n bezug auf die Problematik der Leistungshierarchie (Leistungsgröße), sei es i m Sinne einer allgemein betriebswirtschaftlichen Fragestellung nach dem Zusammenhang von „Gestaltordnung" und (Rang-)„Größenordnung", sei es i m Sinne der besonderen Form der Entgeltsordnung i m Rahmen des sozialwissenschaftlich verstandenen (ökonomischen) Leistungssystems des Betriebes.

A. Wirtschaftsbegriff und Wirtschaftsfunktionen

1. D e r W i r t s c h a f t s b e g r i f f als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff Soll Betriebs -Wirtschaftslehre — unbeschadet der außerwirtschaftschaftlichen Aspekte und Teilinhalte des Betriebes, wie sie nicht zuletzt unter dem Begriff „Human-Relations" gewissermaßen „salonfähig" geworden sind — als Sozialwissenschaft begründet werden, so muß sie naturgemäß mit einem adäquaten Wirtschaftsbegriff ihren Anfang nehmen. Ganz i m Sinne unserer bisherigen Ausführungen sind w i r geneigt, diesem den Charakter eines sozialwissenschaftlichen Leistungsbegriffes beizumessen. a) Bemühungen

um den Wirtschaftsbegriff

I m Rahmen des Ringens u m den Wirtschaftsbegriff und zugleich um die Grundsatzorientierung über den wirtschaftswissenschaftlichen Objektbereich bzw. -gehalt, treten folgende Problemkreise auf: 1. Das Verhältnis von Wirtschaft u n d Technik 2. Der Begriff der materiellen Existenzfürsorge 3. Das Problem des Gegensatzes von „ M i t t e l " u n d „Zweck", insbesondere von absolutem oder n u r relativem Mittel.

Das Verhältnis von „Wirtschaft" und „Technik" kann als geklärt angesehen werden: Technik hat es mit Dingen der Naturordnung, W i r t -

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schaft m i t solchen der Kulturordnung (Geistesordnung, Sozialordnung) zu tun. Was i n der Natur Geltung besitzt, muß diese nicht i n der K u l t u r ordnung innehaben. Es liegen also unterschiedliche Geltungsbereiche vor, wobei Geltung vor allem auch als Gegensatz zu Kausalität angesehen werden kann. Wesentlich größere Sorgen bereitet die Vorstellung, Wirtschaft habe es schlechthin m i t dem Materiellen zu tun, etwa wenn F. Lenz — nicht zuletzt i n richtiger Ablehnung jeglicher Robinson-Wirtschaf tsvorstellung — als Wirtschaft vorweg die „gesellschaftliche Reproduktion unseres materiellen Daseins als eine Seite der zu erkennenden (sozialen) Wirklichkeit" bestimmt 6 2 . Unausweichlich entsteht hier die Frage, ob etwa der Entwurf eines Teppichs, die formschöne Gestaltung einer Vase (in entsprechenden Wirtschaftsgebilden, eben Teppichfabriken, Porzellanmanufakturen etc.) oder auch nur die ästhetischen (geistigen!) Genuß erweckende Gestaltung des Mittagstisches durch die Hausfrau dann noch „Wirtschaft" sei, und wenn nicht, was dann überhaupt bliebe, das unter diesem Begriff subsummierbar wäre, etwa nur die grobe „Stoffbearbeitung"? W i r wollen hier festhalten: Der Wirtschaftsbegriff muß als Ausdruck eines bestimmten Geltungszusammenhanges, einer bestimmten Geltungsweise von „Dingheiten", eben als eine bestimmte Geltungsordnung (die natürlich auch der Gestaltung, eben des Wirtschaftens bedarf) aufgefaßt werden. Letzten Endes geht es i n der Wirtschaft darum, „Geltung" zu schaffen bzw. zu verschaffen. Damit berühren w i r schon den dritten Fragenkreis, der einer ausführlichen Behandlung bedarf. Zu diesem Zwecke verfolgen w i r thesenhaft O. Spanns Ableitung des Wirtschaftsbegriffes: a) Die Wirtschaftswissenschaft muß als Gesellschaftswissenschaft begründet werden. Wirtschaft ist eine Teilordnung i n der Gesellschaft 63 . b) „Jene Unterscheidung, die allein imstande ist, ,Wirtschaft' von den übrigen Gliedern der Gesellschaft abzusondern und so den Begriff der Wirtschaft zu begründen, ist die zwischen... Wertwelt und . . . Welt der Ursächlichkeit; . . . und die zwischen ,Werten' als ,Zwecken' und »Mitteln'. Die Gesellschaft t r i t t danach i n Gegensatz zur Natur und zerfällt selber i n Gebiete, die dem Bereich der Werte angehören, i n Wertoder Zwecksysteme wie Wissenschaft, Kunst, Sittlichkeit; und i n solche, die dem Bereich der M i t t e l angehören, die Wirtschaft 64." « Vgl. F. Lenz, a.a.O., S. 23/24. 63 Vgl. O. Spann, Fundament der Volkswirtschaftslehre, 4. Aufl., Jena 1929, Seite 19. 84 O. Spann, a.a.O., S. 20.

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c) S o m i t w i r d d e r Gegensatz v o n „ M i t t e l " u n d „ S e l b s t z w e c k " z u m entscheidenden K r i t e r i u m des W i r t s c h a f t s b e g r i f f e s . G e l t u n g a p r i o r i (Selbstzweck) s t e h t d a m i t gegen „ b e d i n g t e " G e l t u n g ( M i t t e l : G e l t u n g i m H i n b l i c k a u f etwas). D a b e i i s t z u b e d e n k e n , daß es sich h i e r zunächst u m e i n e n r e i n logischen Gegensatz, h e r n a c h aber auch u m d i e F r a g e h a n d e l n k a n n , i n w i e w e i t e t w a s nur M i t t e l oder nur Selbstzweck oder z u g l e i c h beides sein k a n n , j a v i e l l e i c h t sein m u ß ( f r e i l i c h a u f u n t e r schiedlichen Seins- u n d Betrachtungsebenen). I n Spanns w e i t e r e n U n t e r s u c h u n g e n ergeben sich d i e P r o b l e m e des „ r e i n e n M i t t e l s " sowie des „ M i t t e l s h ö h e r e r O r d n u n g " ; h i e r a u s r e s u l t i e r t auch d e r Versuch, z w i schen „ W i r t s c h a f t " u n d „ N e b e n w i r t s c h a f t " z u unterscheiden. Schließlich aber e r w e i s t sich d e r B e g r i f f des „ M i t t e l s " als r e i n e r „ B e z i e h u n g s b e g r i f f " als e n t s c h e i d e n d 6 5 : — Wenn Spann dem Begriff des „ M i t t e l s " i m Gegensatz zum „Selbstzweck" so wesentliche Bedeutung f ü r die Formulierung des Wirtschaftsbegriffes beimißt, so ist es verständlich, daß er besonders u m die Befestigung des Begriffes „ M i t t e l " besorgt ist. „Was n u n den Gegensatz von M i t t e l u n d Z i e l so verdunkelt", so f ü h r t er aus, „ist die Erscheinung, daß jedes M i t t e l auch Eigenwert, Selbstzweck sein k a n n u n d daß die Entscheidung, was M i t t e l sei, v o m jeweiligen Kultursystem abhängig sei (so ist z. B. die heilige Eiche Donars f ü r die christliche K u l t u r n u r Brennholz usw.)." Spann meint, es gäbe jedoch z u m Glück „noch M i t t e l genug, die unter allen gewöhnlichen Umständen M i t t e l bleiben, w i e die meisten Sachdinge — reine M i t t e l " . M a n müßte w o h l auch sagen, „absolute" M i t t e l . D a m i t meint Spann offenbar Rohstoffe, Maschinen etc., also „Dinge", die i h r „ Z i e l " noch nicht erreicht haben. D a n n aber wäre der M i t t e l - u n d somit der Wirtschaftsbegriff ein rein genetischer Aspekt u n d k e i n Wesensbegriff. Auch der i n A r b e i t befindliche Marmorblock ist „Vorstufe" (genetisch: Mittel) f ü r den Endzweck; auch die Tätigkeit des Künstlers würde z.B. erst bei endgültiger Erreichung des Zieles ( = nach Fertigstell u n g des Kunstwerkes) zur Kunsttätigkeit, vorher aber wäre es „ m i t t e l haftes" Tun. H i e r klaffen Widersprüche, die n u r durch Beseitigung des Begriffes des „reinen" Mittels zu beheben wären. — Der Begriff des „reinen" M i t t e l s " 6 6 entspricht i n etwa der Vorstellung, Wirtschaft gehöre d e m Bereich des Materiellen an u n d es gäbe Dinge, Handlungen etc. a n sich, die der Wirtschaft (und nicht den Selbstzweckbereichen) zugehören. Andererseits sieht Spann durchaus, daß auch das „Selbstzweckhafte" dienstbar, d . h . „ M i t t e l " werden kann, nach Spann also „ M i t t e l höherer Ordnung". Während etwa die A r b e i t des Grobschmiedes Mühe u n d d a m i t w o h l „ M i t t e l h a f t i g k e i t " beinhaltet, nicht aber Selbstzweck sein kann, gibt es Tätigkeiten, die Selbstzweck und M i t t e l haftigkeit i n sich vereinen: „So die H a n d l u n g e n . . . des Staatsmannes, . . . des gelehrten Forschers, des Künstlers, Priesters, sie alle tragen grundsätzlich die Befriedigung i n sich selbst, sie sind selber Endzwecke. . . . Sofern sie aber zugleich anderen Zwecken dienstbar werden, sind sie dennoch Mittel. . . . : Die Dichtung f ü r echten Kunstgenuß oder Zer65 66

Vgl. zum folgenden O. Spann, a.a.O., S. 20 ff. Vgl. hierzu O. Spann, a.a.O., S. 26 ff.

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Josef Kolbinger Streuung; die Forschung f ü r die Gütererzeugung." So wäre es also selbstzweckhaften „Dingheiten", „Tätigkeiten" etc. möglich, zu „ M i t t e l n " zu werden, nicht jedoch „reinen" M i t t e l n , i n den (zugleichen) Rang v o n Selbstzwecken aufzusteigen.

— Entspricht i n Spanns Terminologie der Begriff des „reinen Mittels" dem der „Wirtschaft i. e. S.", so folgt aus d e m Begriff des „Mittels höherer Ordnung" jener der „Nebenwirtschaft" 6 7 . I n concreto geht es hier z.B. u m Verlage, Kunsthandlungen, Buchhandlungen, A n w a l t s - u n d Ä r z t e tätigkeit u. ä. Spann meint, daß zunächst Güter außerhalb der Wirtschaft geschaffen werden (z. B. das Manuskript des Wissenschaftlers, das B i l d des Künstlers usw.), ehe sie die Wirtschaft (z. B. der Verlag, der K u n s t handel, die Reproduktionsanstalt usw.) aufgreift, so daß gewissermaßen die Erzeugung i m Bereiche der Selbstzwecke, die Verwertung hingegen i m Bereich der Mittel, d . h . der Wirtschaft gelegen wäre: „Die H e r v o r bringung fällt nicht i n den Bereich der Wirtschaft" (Sperrung aufgehoben v. Verf.). Daraus folgt, daß „ . . . d i e abgeleitete ( = Neben-)Wirtschaft i n i h r e r reinen Gestalt erzeugungslose Wirtschaft ist, also w o h l Weiterveredelung, Handel, K r e d i t . . . sich des Mittels verwertend bemächtigen, aber die erste Erzeugung als wirtschaftlicher A k t fehlt". — Die obige Formulierung ist zunächst — ganz i m Sinne Spanns selbst — als „Psychologismus" abzulehnen. Ob e i n Grobschmied seine A r b e i t zugleich als Selbstzweck u n d M i t t e l (Dienst) empfindet, ist irrelevant f ü r die logische Begriffsbildung. W o h l k a n n hier die Sozialreform einsetzen, indem sie dieses (verschüttete) Bewußtsein wieder aufleben läßt. F ü r die reine Begriffsbildung ist aber n u r entscheidend, ob i n der genannten Tätigkeit a p r i o r i M i t t e l u n d Selbstzweckhaftigkeit vereint sind (sie sind m. E. immer vereint). Spann gelangt auch i n mehreren Anläufen zu dem Ergebnis, daß eben jedes D i n g zwei Seiten hat, wobei das Mittelhafte das wirtschaftlich Relevante ausmacht, gleichgültig ob es sich u m die T ä t i g keit eines Sandschauflers oder Hochschulprofessors handelt. Dem entspricht auch der folgende Satz: „ I n d e m der Mittelbegriff i n einen teleologischen Beziehungsbegriff verwandelt w i r d — die Beziehung zum höheren Zweck ist es j a allein, die i h n ausmacht —, w i r d die Gefahr der Substanziierung des Mittels (d. h. Verabsolutierung von Dingheiten als „reines" oder „ N u r M i t t e l " , J. K.) vermieden 6 8 ." Es ist daher n u r zu verständlich, daß Spann die Frage erhebt, ob ein Wechselverhältnis von M i t t e l u n d Ziel besteht, d . h . i n welchem Sinne von einer verhältnismäßigen Selbständigkeit des Mittels, also der immer n u r bedingten u n d niemals absoluten M i t t e l - und Wirtschaftseigenschaft von Dingen u n d Handlungen, Empfindungen usw., gesprochen werden darf 6 9 . Demzufolge ist aber alles u n d jedes immer „ M i t t e l " u n d „Zweck" zugleich, besitzt jeder Gesellschaftsbereich zugleich M i t t e l - u n d Selbstzweckeigenschaft, ist Wirtschaft, als Ordnung begriffen, n u r ein bestimmtes gesellschaftliches Geltungssystem i m Rahmen gesellschaftlicher Geltungs- u n d Gestaltungsordnungen schlechthin.

67 68 60

Vgl. hierzu O. Spann, a.a.O., S. 71 ff. O. Spann, a.a.O., S. 36. Vgl. O. Spann, a.a.O., S. 41.

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b) Der Wirtschaftsbegriff als sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff Mittel ist alles, was dient, insofern und soweit es dient. Dienen aber heißt „leisten", heißt „da sein, wirken für ein Anderes", wobei das Andere zugleich da ist und für es w i r k t . Selbstzweckhaftes Dasein ist nur möglich u m den Preis des Dienens, u m den Preis der Leistung . Ausgehend von einem allgemeinen (kategorialen) Leistungsbegriff 70 , w i r d sich der Begriff der Wirtschaft als ein sozialer bzw. sozialwissenschaftlicher Leistungsbegriff erweisen. Jede Ganzheit, so auch die Gesellschaft (und deren Stufen, z. B. der Betrieb) gliedern sich i n „Teilinhalte" (einfach: Lebensinhalte, Lebensbereiche), i n denen der Mensch w i r k t , dienend (leistend) u n d empfangend (selbstzweckhaft). Aus der Gliederung der Gesellschaft i n ihre Teilinhalte (Religion, Wissenschaft, Kunst, Recht usw.) folgt die Notwendigkeit von deren gegenseitiger Dienstbarkeit, da ein Teilinhalt nicht ohne den anderen bestehen kann, wechselseitige Dienstbarkeit somit ein kategorialer Bestandsgrund alles Daseins, auch des gesellschaftlichen ist. I n diesem Sinne ist der allgemeine Leistungsbegriff i m Sinne der ganzheitlichen Kategorienlehre zu verstehen: I n d e m das Ganze mannigfaltige Teüganze ausgliedert, erlangen diese arteigen bestimmten Glieder auch n u r einen bestimmten A n t e i l am Leben des Ganzen. Letztlich aber ist Religion, Wissenschaft etc. zunächst als Selbstzweckbereich zu sehen, so daß es fraglich ist, ob m i t dem zitierten Satz auch schon deren M i t t e l - u n d damit Leistungseigenschaft k l a r genug umschrieben ist. Dies erfolgt m. E. erst i n der Auseinandersetzung Spanns m i t den logischen Eigenschaften des Begriffes der Leistung: „Der Begriff der Leistung gibt i n der ,Anteilnahme' des Gliedes am Ganzen jene Gliedlichkeit an, die i m »Mittelsein 4 des Gliedes f ü r das Ganze — das von da aus als ,Ziel' bestimmt werden muß — besteht 7 1 ." T r i t t uns also jedwede Ganzheit i n ihren Teilinhalten entgegen, so w i r d die Leistung der Teilinhalte erst aus deren gegenseitiger Angewiesenheit erklärbar, u n d zwar dergestalt, daß jeder Selbstzweckbereich der Dienstbarkeit aller übrigen „Gegenglieder" bedarf, u m seine Existenz behaupten zu können. So w i r d jeder Selbstzweckbereich zur Existenzgrundlage aller ü b r i gen Selbstzweckbereiche. Bei der Leistung geht es somit u m ein wechselseitiges Sich-zur-Verfügungstellen der Glieder eines Ganzen, so daß jeder Teilinhalt desselben i n diesem Sinne zur Existenzgrundlage der anderen Teilinhalte (Glieder) u n d damit des Ganzen u n d so schließlich seiner selbst w i r d . I m m e r geht es also u m die Ordnung dieser wechselseitigen Dienstbarkeit von Gliedern, Organen eines Ganzen. Unterscheiden w i r die Leistung nach „ A r t e n " von Ganzheiten, so gelangen w i r zu Leistungen i m Bereich des Mechanischen, Biotischen u n d schließlich des Geistigen. Innerhalb des letzteren Bereichs gelangen w i r auch zu gesellschaftlichen Ganzheiten, w o m i t Wirtschaft nichts anderes darstellt als einen sozialwissenschaftlichen Leistungsbegriff. W i r bedürfen daher zur Fassung des Wirtschaftsbegriffes keineswegs einer Trennung des menschlich-gesellschaftlichen Daseins i n eine „materielle" u n d eine „immaterielle" Sphäre, vielmehr gilt das oben Gesagte i n vollem Umfange: Wirtschaft bedeutet 70 Vgl. zum folgenden O. Spann, Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, § 16, S. 173/174. 71 O. Spann, Kategorienlehre, a.a.O., S. 174.

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nichts anderes als Leistung ler Gebilde.

(wechselseitige Dienstbarkeit) im Rahmen

sozia-

Auch hier geht es somit u m die Frage wechselseitiger Dienstbarkeit aller Teilinhalte u n d Teilgebilde sozialer Ganzheiten i n ihrer stufenmäßigen K o n kretheit (Familie, Betrieb, Verband usw.). Dementsprechend w i r d z. B. auch innerhalb der „Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung" die Gesellschaft i n allen ihren Bereichen m i t ihren Wirtschaftsbeiträgen erfaßt: „Der wirtschaftliche Produktionsprozeß vollzieht s i c h . . . i n einer großen Z a h l von Betrieben und Unternehmungen, die i n 10 große Wirtschaftsbereiche zusammengefaßt werden: L a n d - u n d Forstwirtschaft, Gewerbliche P r o d u k t i o n . . . Sonstige Dienstleistungen." Als Betrieb w i r d daher nicht n u r die „organisatorische Einheit von Sachkapital u n d Arbeitskräften verstanden. . . . Der Betriebsbegriff muß vielmehr jede selbständige Erwerbstätigkeit (und i n d i r e k t d a m i t auch jede unselbständige, J. K.), also auch die des Künstlers oder Schriftstellers . . . umfassen". Dementsprechend werden zu den „Sonstigen Dienstleistungen" auch B i l d u n g u n d Unterhaltung, Gesundheits- u n d Fürsorgewesen, Rechts- u n d Wirtschaftsberatung sowie religiöse Dienste gerechnet 72 .

I m Sinne des sozialwissenschaftlichen Leistungsbegriffes „Wirtschaft" t r i t t uns die „Gesellschaft" i n ihrer Totalität als Leistungsordnung wechselseitig aufeinander angewiesener und einander dienender Organe (Wirtschaftszweige, Berufsgruppen, ein Volk i n seiner Totalität oder auch nur ein Gliedgebilde, z. B. der Betrieb) entgegen. Unbeschadet dessen kann (und zwar wieder i n ihrer Totalität) die Gesellschaft zugleich als „Rechtsordnung", „ K u l t o r d n u n g " 7 8 usw. begriffen werden. Die Ambivalenz (Selbstzweck — Mittelhaftigkeit) aller Gesellschaftsglieder bleibt dabei ebenso gewahrt, wie i m Rang der Leistungen der Künstler vor dem Grobschmied rangiert. Dies muß sich auch annähernd i n der „Abgeltungsordnung" widerspiegeln, letztlich also i n dem (rangmäßigen) Maß des Gebens und Empfangens i m fortwährend sich vollziehenden Prozeß gesellschaftlich-wechselweiser Dienstbarkeit, sei dies gesamtwirtschaftlich (gesamtgesellschaftlich) oder etwa nur betrieblich gesehen. Auch i m Betriebe bedeutet Wirtschaften Gestaltung der Leistungsordnung, inhalts- wie auch rangmäßig. b) Das System ökonomischer Funktionen als Ordnungsplan sozialwissenschaftlicher Betriebsführung Der vielversprechende Ansatz einer „Betriebswirtschaftslehre als Lehre von den wirtschaftlichen Gebilden" von Schönpflug versandet 72 Vgl. Veröffentlichung des österreichischen Statistischen Zentralamtes u n d des österreichischen Instituts f ü r Wirtschaftsforschung, Sonderheft „Österreichs Volkseinkommen 1950 bis 1960", Wien 1963, S. 12 u n d S. 23. Diese Darstellung entspricht i m übrigen den OECD-Grundsätzen f ü r die A u f stellung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. 78 Dabei ist zu bedenken, daß sich diese verschiedenen Ordnungen gewissermaßen gegenseitig durchdringen, weshalb z.B. „ E t h i k " durchaus auch z u m wirtschaftlichen M i t t e l werden kann, unbeschadet ihres Selbstzweckcharakters i n ihrer eigenen Ordnungsebene.

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völlig, als er übersieht, daß dieser allgemeine morphologische Ansatz nur i n Form einer Zergliederung der das „Wirtschaften" ausmachenden Funktionen, m i t h i n eine Inhaltsanalyse wirtschaftlicher Gebilde seinem Ausgangsstandpunkt allein angemessen ist. Stattdessen verliert er sich i n einer bloß quantitativen Interpretation des Wirtschaftsbegriffes, anstatt diesen allgemeinen sozialen Leistungsbegriff i n seinen Teilinhalten zu analysieren. Er folgt damit den Spuren aller derjenigen, die verkennen, daß man auch i n der Wirtschaft nicht mit dem Kalkül, sondern m i t einer Strukturanalyse leistender sozialer Gebilde beginnen muß, wie es z. B. jede Kostenrechnung deutlich macht. Nur zwischen „Gebilden" sind ja letzten Endes auch Ergiebigkeitsvergleiche und darauf fußende „Wahlhandlungen" des Wirtschaftsdisponenten möglich. Diese Wendung F. Schönpflugs ist u m so unverständlicher, als er sich i n voller Klarheit bewußt ist, daß die sogenannte „Privatwirtschaftslehre", i m Unterschied zu seiner zumindest grundsätzlich gegebenen Einsicht, alles andere als Gebildelehre ist, denn deren Objekt, die „kapitalistische Unternehmung", besteht eben i n dieser Sicht nur aus einer „kontinuierlichen Kette von Vertragsabschlüssen einzelner »Geschäfte 4. Die Gesamtheit dieser Geschäfte zu einer gedanklichen Einheit zusammengefaßt, stellen das ,Geschäft 4 oder die ,kapitalistische Unternehmung 1 dar." Somit ist die kapitalistische Unternehmung „als Inbegriff aller Geschäfte . . . ein Abstraktum . . . , die kapitalistische Grundrechnung daher ihr getreues Spiegelbild". Wer daher nach dem Wesen dieser dermaßen bestimmten Unternehmung fragt, „ . . . der w i r d es nicht i n dem Merkmal der kooperativen Arbeitsgemeinschaft" finden, sondern i n der Kapitalverwertungsrechnung: „ I n diesem Umstand liegt die ungeheure Bedeutung der doppelten Buchhaltung (wohl des Rechnungswesens überhaupt, J. K.) . . . begründet", während sich eine betriebswirtschaftliche Funktionenlehre und Morphologie nur dort entwickelte, wo die Überzeugung vorherrschte, daß die Betriebswirtschaftslehre als „wirtschaftliche Gebildelehre" zu entfalten sei 74 . Wie hervorgehoben wurde, wendet sich zwar E. Schäfer gegen die Tendenz, die Betriebswirtschaftslehre nur als Rechnungslehre zu entwickeln, zugleich aber auch gegen eine Betonung der Organisationslehre, ja er schließt diese i n seiner Funktionengliederung überhaupt aus. I m gleichen Sinne läßt sich F. Schönpflug von einer Funktionsanalyse, die seinem Ansatz allein angemessen wäre, ablenken, weil er die Organisationslehre i n ihrer systemtragenden Bedeutung für die Betriebswirtschaftslehre völlig verkennt. Dabei ist nicht zu übersehen, daß sein Lehrer Nicklisch — nicht ohne Zusammenhang mit seinem Lehrsystem — eine umfassende Organisationslehre zu schaffen sich be74

Vgl. F. Schönpflug,

6 Betrieb und Gesellschaft

Untersuchungen ..., a.a.O., S. 25/26 u n d S. 165.

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mühte, ja daß das organisatorische Bemühen i m Rahmen der Betriebswirtschaftslehre unverkennbar war, verbürgt durch Arbeiten von Mellerowicz, Le Coutre, insbesondere Nordsieck, Hennig, G. Fischer, Riester und Schramm. Man könnte die geringe Würdigung organisationstheoretischer Bemühungen durch Schönpflug und all derer, die innerhalb ihrer betriebswirtschaftlichen Lehrsysteme der Organisation kein oder nur ein geringes Augenmerk schenkten, als unbedeutend hinnehmen, hinge damit nicht überhaupt Gewinn oder Verlust des betriebswirtschaftlichen Selbstverständnisses zusammen. Natürlich erschöpft sich der morphologische Ansatz der Betriebswirtschaftslehre nicht i n der Organisationstheorie; viel bedeutsamer ist die Tatsache, daß sie der Kern jener Funktionengruppe ist, die den Aufbau des sozialen Leistungsgebildes „Betrieb" selbst zum Gegenstand haben, und die Organisation damit zu jenen Funktionen gehört, die von ausschlaggebender Relevanz für Betriebswirtschaftstheorie und -praxis sind. Hier berühren w i r den für die Weiterführung unserer Analyse entscheidenden Gesichtspunkt der Gliederungskriterien betriebswirtschaftlicher Funktionen, wie sie insbesondere i n der Organisationslehre entwickelt wurden, dessen ungeachtet aber eine über das bloß Organisatorische hinausgehende Bedeutung für die Systematik der Betriebswirtschaftslehre i m Sinne einer Sozialwissenschaft und somit einer sozialwissenschaftlichen Betriebsführung erlangen. Für die weiterführende Analyse des Systemansatzes einer Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft (einschließlich damit i n Verbindung stehender sozialreformerischer Absichten) soll zunächst die bereits oben erwähnte Arbeit von W. Schramm zugrunde gelegt werden 7 5 . Er bringt i n dieser Untersuchung eine Funktionsgruppierung, die sich auch i n anderen Organisationslehren abzeichnet und von spezifisch systematischer Bedeutung für die Entfaltung des Wirtschaftsbegriffes i n die i h n konstituierenden Funktionen ist. Schramm unterscheidet 76 : 1. Kernfunktionen a) Beschaffung (von Geld, Sachen, Personal) b) Produktion i.w.S. c) Vertrieb 2. Zusatzfunktionen a) V e r w a l t u n g (Personal-, Sachverwaltung) b) Leitung.

Hier führt auch der Weg auf die neuere Objektdiskussion i n der Betriebswirtschaftslehre zurück, insbesondere auf die These A. Schmitts, 75 Vgl. W. Schramm, Die betrieblichen Funktionen u n d ihre Organisation, Berlin-Leipzig 1936, S. 18 ff. Vgl. . S c h r , a.a.O., S. .

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die Betriebswirtschaftslehre müsse u m eine „Dimension" erweitert und das Personalwesen als Funktion über den Schramm'schen Ansatz hinausgeführt werden. Die Forderung nach einer neuen Dimension ist erfüllt, wenn man der von uns aufgezeigten Linie folgt und Wirtschaft als soziale Leistungsordnung begreift. Nachher ist es gleichgültig, ob man zusätzlich noch an die besondere Etablierung einer als Stabsfunktion zu verstehenden Personalabteilung denkt oder nicht. Für die von uns eingeschlagene sozialwissenschaftliche Betrachtung ist die bei Schramm herausgestellte, aber auch von Fayol, Nordsieck u. a. betonte Zäsur zwischen den sogenannten „ K e r n - " und „Zusatzfunktionen" von weiterführender Bedeutung. So muß man z. B die „Verwaltung" i m FayoVschen Sinne als eine ganze Gruppe von „Zusatzfunktionen" ansehen. Fayol unterscheidet zunächst 5 Funktionsbereiche: Technische Funktion (Erzeugung), kommerzielle Funktion (Handel), finanzwirtschaftliche Funktion, Sicherungsfunktion und Funktion der Rechnungslegung. Aber nach Fayol hat keine der fünf vorhergehenden Funktionen die Aufgabe, „ . . . den allgemeinen Wirtschaftsplan der Unternehmung aufzustellen, sie zu einer sozialen Gemeinschaft zu machen, die Kräfte zuzuordnen und die Tätigkeiten untereinander i n Einklang zu bringen. Diese Verrichtungen bilden eine andere Funktion, die man gewöhnlich m i t dem Namen ,Verwaltung' bezeichnet" 77 . Neuerdings unterscheidet F. Nordsieck zwischen Absatz, Produktion und Verwaltung (Organisation, Rechnungswesen, Personal- und Sozialwesen, Anlagen). Die Quintessenz einer derartigen Grundgliederung betrieblicher, insbesonderer betriebswirtschaftlicher Funktionen kommt deutlich i n der folgenden Feststellung zum Ausdruck und verbindet sich mit dem Gang unserer Analyse sowie den sich hieraus ergebenden Konsequenzen: „Bei der Betrachtung der beiden großen Gruppen von Gliedaufgaben, 1. den unmittelbaren oder eigentlichen Aufgaben des Betriebes und 2. den mittelbaren Aufgaben der Betriebsverwaltung, welche den Betrieb selbst und seine Teile zum Objekt haben, kommt Nordsieck ... zum Prinzip der Ausgliederung . . . der Verwaltungsaufgaben auf der ersten Gliederungsstufe 78 ." Interessant für uns ist die Tatsache, daß es i m Betrieb zwei Funktionsgruppen zu unterscheiden gibt, die auch i n unterschiedlicher Weise von Bedeutung für die Systembildung der Betriebswirtschaftlehre sind: 1. Funktionen (Leistungsbereiche) des Gebildeaufbaues, 2. Funktionen der Hervorbringung der eigentlichen Zielgüter.

Wenn also danach gefragt wird, was „Wirtschaften" bedeutet, so lautet die A n t w o r t : Es gilt, (soziale) Leistungsgebilde aufzubauen, ja 77 H. Fayol, Allgemeine u n d industrielle Verwaltung, München-Berlin 1929, Seite 6 f. 78 Vgl. H. Nordsieck-Schröer, a.a.O., S. 22.

6*

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überhaupt die Gesellschaft als Leistungsordnung zu gestalten. Damit w i r d erst die Hervorbringung der eigentlichen Zielgüter möglich. Der Betriebswirt hat es prinzipiell m i t der ersten Gruppe von Funktionen zu tun, die sich allerdings nach Maßgabe der Leistungsbereiche, denen sie dienen (z. B. als Erzeugungsorganisation oder als Lagerorganisation; als Finanzierung des Gesundheitswesens oder des Handels usw.), noch besondern. I m Bereich der ersten Funktionsgruppe geht es immer u m den Aufbau von Leistungsgebilden niederer oder höherer Ordnung, also u m Gebildestufen. Man kann diese Funktionsgruppe daher umfassend wohl als „gestaltbildende" oder „stufenbauliche" Funktionen bezeichnen, deren Analyse immer das eigentliche Anliegen der Betriebswirtschaftslehre war, wobei freilich über Wesen und Gliederung des gegebenen funktionellen Gesamtgehaltes noch manche Zweifel bestehen mögen. Beachtenswert scheint i n diesem Zusammenhang die Tatsache, daß Schramms Arbeit auch Untersuchungen E. Schäfers berührt 7 0 , i n denen dieser Beschaffung, Produktion, Vertrieb und Finanzierung als betriebswirtschaftliche Funktionen heraushebt. Allerdings meint Schramm, sei sich Schäfer i n Ansehung der Funktion der Finanzierung i m klaren darüber, daß „ . . . sich diese Koordinierung logisch nicht ohne weiteres rechtfertigt" 8 0 . Andererseits kritisiert H. Nordsieck-Schröer nicht zu Unrecht an Schramms Funktionengliederung, es sei etwas ungewöhnlich, „daß Beschaffung von Geldkapital, Sachen und Personal zusammengefaßt und die finanziellen Vorgänge teils i n der Beschaffung, teils i m Vertrieb behandelt werden" 8 1 . Unbestritten ist offensichtlich die Grundgliederung betrieblicher Funktionen, problematisch erscheint nur die weitere Ausgliederung der „Stufenbaulichen Funktionen" (Zusatzfunktionen), die den eigentlichen K e r n einer als Sozialwissenschaft verstandenen Betriebswirtschaftslehre darstellen. Die die funktionale Zergliederung leitenden Gedanken lassen sich thesenhaft wie folgt herausstellen: 1. Letztes Ziel ist die Hervorbringung a l l jener Güter (im weitesten Sinne des Wortes), die entsprechend der S t r u k t u r des Menschen der Befriedigung bestimmter personell-struktureller Bedürfnisbereiche dienen: Religionsgüter, Wissensgüter, Schönheitsgüter (ein künstlerisches Bild), Rechtsgüter, Güter des sinnlich-vitalen Bereichs (Nahrung, Kleidung, Wohnung) einschließlich Gesundheitsgüter. Es ist klar, daß jedes k o n krete Gut alle diese Eigenschaften i n sich vereinigen kann, daher auch alle entsprechenden Hervorbringungsbereiche innerhalb sozialer Gebilde durchläuft, u m alle diese Eigenschaften anzunehmen. 79 Vgl. E. Schäfer, Versuch einer Gesamtsystematik der kaufmännischen Betriebswirtschaftslehre, i n : Die Betriebswirtschaft, Jg. 1932, S. 229 ff. 80 Vgl. W. Schramm, a.a.O., S. 18/19. 81 Vgl. H. Nordsieck-Schröer, a.a.O., S. 29.

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2. I m Sinne herkömmlicher Auffassungen könnte man innerhalb der gemäß der „ Z i e l q u a l i t ä t " der Güter bestimmten Teilbereiche ihrer H e r v o r b r i n gung noch zwischen folgenden Unterfunktionen unterscheiden: — Gestaltung (z.B. i m Sinne v o n Erfindung, Entwicklung, aber auch künstlerischer E n t w u r f usw.); — Lehren (Strukturierung der Person i m Hinblick auf ihre H e r v o r b r i n gungsaufgabe) ; — Eigentliches Hervorbringen (Erzeugen); — Räumliche Bereitstellung (Verkehr); — Zeitliche Bereitstellung (Lagerung). 3. Der Hervorbringung dieser Zielgüter dienen alle jene Funktionen, die den Gebildeaufbau, die Gebildeverbindung, die Vergemeinschaftung von Leistungsbeteiligten etc. beinhalten u n d die w i r folgendermaßen u n t e r scheiden: — Jedem sozialen Leistungsgebilde muß eine „ Z i e l - " bzw. „Bedürfnisgemeinschaft" Aufgaben stellen; zudem muß jedes Leistungsgebilde, ehe es handlungsfähig w i r d , auch gewisse geistige Vergemeinschaftungsaufgaben lösen. W i r betrachten daher als erste gebildebegründende, gebildeverbindende Funktion, die der Werbung , sei diese innerbetrieblich oder auch überbetrieblich orientiert. Wirtschaften heißt also zunächst „werben". — Organisation bedeutet prinzipiell die Regelung von Arbeitsteilung u n d Kooperation zwischen leistenden I n d i v i d u e n u n d aus solchen aufgebauten Leistungsgebilden. Organisieren heißt also, das Gebilde „ B e trieb" gemäß der Gesamtaufgabe i n Aufgabenbereiche u n d Aufgabenträger u n d deren Zusammenwirken sichern. — Der A u f b a u von Gebilden erfordert die Assoziierung Sachmittelbeteiligten. D e m entspricht — die Arbeitsassoziierungsfunktion, — die Finanzierungsfunktion.

von Arbeits- und

— Soweit nicht organisatorische Vorkehrungen den Betrieb i n den höheren Gebildezusammenhang einordnen (z. B. i n Konzerne, Kartelle etc.), ü b e r n i m m t die Handelsfunktion die Herstellung der leistungsmäßigen Verbindung zwischen den rechtlich-selbständigen, arbeitsteiligen sozialen Leistungseinheiten (im Sinne unserer späteren A u s führungen). 4. Schließlich wäre noch zu bedenken, daß die Sicherung des Leistungsvollzuges u n d die Vorsorge f ü r eingetretene Schäden die Ausgliederung der Risiko- u n d Sicherungsfunktion (als Begleitfunktion i n allen genannten Bereichen) bedingt. U n t e r s o z i a l r e f o r m e r i s c h e m A s p e k t u n d d e m G e s i c h t s p u n k t e i n e r sozialwissenschaftlichen B e t r i e b s f ü h r u n g i s t n o c h d a r a u f h i n z u w e i s e n , daß d i e v o n u n s h e r a u s g e s t e l l t e n Z i e l f u n k t i o n e n auch d i e Eigenschaft b l o ß e r sozialer E r g ä n z u n g s f u n k t i o n e n a n n e h m e n k ö n n e n . D a r i n l i e g t j a l e t z t l i c h der S i n n d e r H u m a n - R e l a t i o n s - I d e e , daß d e r B e t r i e b i n gew i s s e r „ G e r u n d e t h e i t " e i n A b b i l d der P e r s o n e n s t r u k t u r sein u n d d i e g e s a m t e n I n h a l t e gesellschaftlichen Daseins z u m A u s d r u c k b r i n g e n soll. Beispielsweise w i r d e i n H o c h o f e n w e r k d a d u r c h g e w i s s e r m a ß e n auch

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zum „Kunstbetrieb", daß auch dort Laienkunst i n den verschiedensten Formen gefördert w i r d ; er w i r d auch zum „Gesundheitsbetrieb", indem i h m Stellen der ärztlichen Betreuung, der seelischen Fürsorge etc. eingegliedert werden. Was hier Neben- oder Ergänzungsfunktion darstellt, ist Hauptfunktion i m gleichen Hervorbringungsbereich eines anderen Gebildes, wie z. B. i m Theater, i m Krankenhaus usw. Erachten w i r die gebildegestaltenden-stufenbaulichen Funktionen als die das sozialwissenschaftliche System der Betriebswirtschaftslehre tragenden Säulen, so wenden w i r uns diesen noch kurz i n ihrer allgemeinen wie auch sozialreformerischen Problematik zu, u m damit i n etwa das B i l d einer Betriebswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft bzw. das einer sozialwissenschaftlichen Betriebsführung abzurunden.

B. Zur Grund- und sozialreformerischen Bedeutung stufenbaulicher Funktionen

Interessant erscheinen uns i m gegebenen Zusammenhang vor allem die Werbe-, Organisations- und Assoziierungsfunktion; die Handelsfunktion w i r d nur nebenbei Erwähnung finden. 1. Z u m

Gehalt

der

Werbefunktion

Werbung ist gewissermaßen die geistige „Geburtshilfe" der Vergesellschaftung und damit vorrangiger Prozeß aller weiteren wirtschaftlichen Funktionen. „ I n ihrer . . . allgemeinsten Fassung i s t . . . Werbung eine Beeinflussungsform, die zum selbstgewollten Aufnehmen, Erfüllen und Weiterpflanzen des von ihr dargebotenen Zweckes veranlassen w i l l " (Sperrung aufgehoben v. Verf.) 8 2 . Für A. Lisowsky gilt, daß „ . . . das ,Leben i n seiner Ganzheit* von ,Wirtschaft' und »Geschäft' nicht zu trennen ist, und daß der Mensch... durch seine Ganzheit beeinflussend w i r k t " . Typisch sozialwissenschaftlich begreift er unter Werbung „die Gesamtheit der zwischenmenschlichen Beziehungen, die dadurch entstehen, daß geistige Inhalte übertragen werden, u m vom Empfänger als eigen aufgenommen und verwirklicht zu werden" 8 3 . Wenn man dem Wesen der Werbung als wirtschaftlicher Funktion gerecht werden w i l l , so muß bedacht werden, daß jeder Leistungsgemeinschaft (z. B. Betrieb) eine A r t „Konsumentengemeinschaft" gegenübertreten muß, die jene „Oberaufgabe" laufend stellt, welche die „Oberaufgabengemeinschaft" 82

Vgl. R. Seyffert, Wirtschaftliche Werbelehre, Wiesbaden 1951, S. 5. Vgl. A . Lisowsky, Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre, ZürichSt. Gallen 1954, S. 195. 88

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als Dienstbarkeit zu lösen hat 8 4 . Die Vergesellschaftungswirkung hebt L. v. Holzschuher plastisch wie folgt hervor: „ I m ,Wirbewußtsein', das man für die Gemeinschaft eines Volkes, einer N a t i o n . . . usw. empfindet, überbietet dann der Stolz auf die Geltung solcher Überindividuen alle selbstischen Strebungen nach Geltung und alle persönliche Eitelkeit. I m Bereich der Wirtschaftswerbung findet das seine praktische Anwendung, wenn es gelingt, die Kunden einer bestimmten Marke zu einer Gemeinschaft zusammenzufassen und z. B. von der großen ,DKWFamilie' zu sprechen... I m übrigen kann man diese Tendenz m i t Hauszeitschriften, Bildung lokaler Klubs und der Anregung, sich gegenseitig zu grüßen, unterstützen 85 ." Unter spezifisch humanorientierten Gesichtspunkten der Betriebsführung ist i n diesem Zusammenhang zu bedenken, daß die mit Hilfe der Werbung beeinflußten Konsumenten seitens der betrieblichen Leistungsträger unterschiedlich strukturierte und unterschiedlich belastende Verrichtungen verlangen. So bieten Güter des individuellen Bedarfs und des gehobenen Konsums mehr Entfaltungsmöglichkeiten für eine persönlich gestaltete Leistung (z. B. i m Handwerk, speziell Kunsthandwerk), als dies die Herstellungsverfahren für Massenkonsumartikel gestatten. Damit w i r d Werbung bereits zu einem sehr bedeutsamen Bereich einer humanorientierten Leistungsordnung innerhalb einer wertbewußten gesellschaftlichen Lebensordnung. Demgegenüber ist die innerbetriebliche Werbung als Form der Darbietung „sozialer Ergänzungsfunktionen" i m Sinne der „Human-Relations" hervorzuheben: „Die harmonische Verbundenheit zur Einheit ist nicht durch Macht zu erzwingen, nicht durch Befehl." Vielmehr bedarf es der Werbung. „Werbung ist ein ständiges . . . Sich-Mühen u m die Pfade, die von einem zum anderen führen. . . . I n diesem Sinne w i r d die innerbetriebliche Werbung hier behandelt 8 6 ." 2. Z u m

Gehalt

der

Organisationsfunktion

Man kann wohl Organisation als Regelungsbereich von Arbeitsteilung und Kooperation i n strukturell-inhaltlicher, hierarchischer und ablaufmäßiger Hinsicht, und zwar i m Sinne Schönpflugs innerhalb „geschlossener" Gebilde verstehen. Organisation ist somit immer auf die Verwirklichung einer gliedhaften Ordnung eines sozialen Ganzen gerichtet. Für F. Eulenburg bedeutet diese gliedhafte Ordnung immer mehr als 84 A u f die einzelnen Werbeteilfunktionen geht insbesondere C. Hundhausen ein, vgl. Wesen u n d Formen der Werbung, Essen 1954. 85 L. v. Holzschuher, Psychologische Grundlagen der Werbung, 2. Aufl., Essen 1958, S. 294. 86 P. Michligk, Innerbetriebliche Werbung u m Mitarbeit, Essen 1953, V o r wort.

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die Summe der Teile, denn „sie ist den einzelnen Gliedern übergeordnet und stellt darum etwas »Eigenartiges' dar" 8 7 . Dieses Mehr-Sein als die Summe der Teile bedeutet nicht zuletzt, daß Organisation etwas schafft, das über die Summe der individuell entfaltbaren Leistungspotentiale hinausgeht. Sie erhöht somit die Ergiebigkeit menschlicher Arbeit durch deren sozial verbundenen Einsatz und stellt insofern eine produktive Kraft erster Ordnung, eine Quelle des Gewinns i m objektiven Sinne dar. Das Entscheidende an der Organisation ist Gestaltbildung, Strukturierung, weshalb sie E. Kosiol , der Organisationslehre zu den Humanwissenschaften zählt, als „integrative Strukturierung von Ganzheiten" definiert 88 . Auch für Stefanie-Allmayer zählt Organisation zur Sozialgestaltung. I n demselben Sinne ist H. Fayols Organisationsbegriff zu verstehen: „Organisieren heißt, den zwiefachen Organismus der Unternehmung, der sowohl materieller wie auch sozialer A r t ist, begründen 8 9 ." Nach Fay ol kann man daher die Unternehmung in zwei große Gruppen einteilen, nämlich den materiellen und den sozialen Organismus. „Es w i r d hier nur von dem letzteren die Rede sein 90 ." Damit stellt er klar, daß Organisation immer auf die Verwirklichung einer sozialen Leistungsordnung i m Sinne unserer vorangegangenen Ausführungen gerichtet ist. Es muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß Organisation schon den Bestand eines gesellschaftlichen Gebildes voraussetzt, sich als Arbeitsgliederungsfunktion einer solchen erweist, während die konkrete Gesellschaftsbildung einem anderen Funktionsbereich zugehört, dem w i r uns später zuwenden werden. Schreiten w i r von der Wesensbestimmung der Organisation zur Frage ihrer Bedeutung für die Ordnung menschlicher Arbeit und die dabei zu lösenden Grundprobleme, so können w i r mit G. Fischer richtunggebend festhalten, daß „Partnerschaft" zunächst identisch ist m i t „Achtung der Menschenwürde". Partnerschaft beginnt daher mit einer geistigen Umorientierung aller am Betriebsprozeß Beteiligten (Michligk). Diese Umorientierung muß sich primär i n organisatorischen Maßnahmen niederschlagen, da — wie G. Fischer meint — diese neugewonnene geistige Grundhaltung nicht anhalten kann, wenn nicht i m Betrieb dieselben geistigen Grundideen i n organisatorischen Maßnahmen v e r w i r k licht würden 9 1 . Damit t r i f f t er sich m i t P. F. Drucker, der — unbeschadet der Human-Relations — den Schwerpunkt der „Betriebsreform" auf 87 Vgl. F. Eulenburg, Das Geheimnis der Organisation. Aus dem Nachlaß herausgegeben von G. Jahn, B e r l i n 1952, S. 11 ff. 88 Vgl. E. Kosiol, Organisation der Unternehmung, Wiesbaden 1962, S. 21. 89 H. Fayol, a.a.O., S. 8. 90 Vgl. H. Fayol, a.a.O., S. 43. 91 Vgl. G. Fischer, Partnerschaft i m Betrieb, Heidelberg 1955, S. 28.

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eine sozialwissenschaftlich orientierte Organisation, nicht zuletzt i m Sinne seiner Dezentralisierungsideen, legt. I m Grunde geht es um das Problem einer Organisationsform „nach dem Maße des Menschen", letztlich u m die „Grenzen der Arbeitsteilung". Diese Problematik weist folgende Grundsatzfragen auf: — Generell geht es u m Trennung oder Vereinigung gestaltender, i n einem gewissen Sinne sogar schöpferischer Leistungen m i t Ausführungshandlungen, jedenfalls u m eine „ M i n i m a l k o m b i n a t i o n " aus beiden, die nicht unterschritten werden darf. — E i n spezifisches Teilproblem stellt die Frage völliger Zentralisierung der V e r w a l t u n g oder eine gewisse Verselbständigung von Betriebsteilen (Erhöhung des Eigenlebens) dar. I n diesem Zusammenhang w i r d von „Betrieblicher Selbstverwaltung" gesprochen.

Diesen Fragenkomplex behandeln teils praktische Ansätze, teils wissenschaftliche literarische Abhandlungen, die zwar noch nicht zu einem System von „Prinzipien sozialwissenschaftlicher Betriebsführung" i m Gegensatz zu Taylors „Principles" gelangt sind, die aber immerhin alles i m Keime beinhalten, was diese ausmachen könnten 9 2 . I m Mittelpunkt der Problematik steht die Frage nach Qualität und Mindestumfang einer unter menschlichen Strukturgesetzen gesehenen „Aufgabe". Sie ist nicht nur logischer Ausgangspunkt der Organisationsanalyse und stellt auch nicht nur ein logisch-analytisches Problem der Strukturbestimmung komplexer Gesamtaufgaben dar, sondern erst recht das der konkreten Übertragung von Leistungen, die einen der Personstruktur angemessenen Mindestumfang, als eine Aufgabe i m menschlichen Sinne (und nicht einer bloßen abstrakt-logischen Analyse) ausmacht. Man spricht i n diesem Zusammenhang i m anglikanischen Bereich von der „ U n i t of work". Hier lassen sich die Ausführungen von G. Friedmann zugrunde legen und kurz skizzieren 93 : Der ganzheitlichen Personenstruktur des Menschen entspricht der Drang nach ganzheitlich-sinnvoller Betätigung. Dem steht das „Dogma" der Tech92 Hierzu zählen vor allem: F r ü h k r i t i k e n des Taylorismus (Bogdanow, Bernackij , Söllheim u.a.), Gruppenfabrikation (Lang-Hellpach ), Werkstattaus Siedlung (Rosenstock), die Batä-Organisation, P. F. Druckers Untersuchungen bei General-Motor über Dezentralisation u n d die damit i n Verbindung stehenden Publikationen, analoge Darstellungen H. Dubreuils; Betriebliche Selbstverwaltung (Fehlmann), Pretiale Betriebslenkung (Schmalenbach ), D i rektgewinnbeteiligung durch Plankostenrechnung (beschrieben von W. W. Neumayer, einem ehemaligen Mitarbeiter i n der Batä-Organisation), Partnerschaft (G. Fischer, G. P. Spindler); Mitunternehmertum; H a w t h o r n e - E x perimente; das „Gesetz der Dezentralisation" (O. Spann, W . Heinrich ); Grenzen der Arbeitsteilung (G. Friedmann ), insbesondere i m Sinne eines „Gesetzes des sinkenden Ertrages" bei Unterschreitung einer menschlich angemessenen Arbeitseinheit (Unit of Work). V o n hier k a n n der Blick auf H e n d r i k de Mans Untersuchungen über den „ K a m p f u m die Arbeitsfreude" (erschienen 1927) zurückgehen. 98 Vgl. hierzu G. Friedmann , a.a.O., S. 4, insbes. S. 40.

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niker gegenüber, u n d zwar die Überzeugung, daß auf systematischer A u f splitterung einer A r b e i t i n Elementarvorrichtungen basierende Arbeitsmethoden die Kosten senken u n d die Leistung steigern. Eine zu w e i t aufgeteilte A r b e i t entspricht aber psychisch einer unvollendeten Handlung u n d schafft i n dem Arbeitenden irgendwie das Gefühl des Versagthabens, ähnlich dem A l b t r a u m des Schülers, der seine Aufgabe nicht bewältigt hat. Englische Untersuchungen (Ovsiankina, Zeigarnik) beschäftigten sich nunmehr m i t diesem Phänomen der „unterbrochenen Handlung", wobei man auch zu der Erkenntnis des „sinkenden Ertrags" bei zu w e i t getriebener Arbeitsteilung gelangte. G. C. Hornaus formuliert diese Erkenntnis wie folgt: „Jetzt beginnen w i r aber zu begreifen, daß die Arbeitsteilung w i e jeder andere Entwicklungsprozeß einen P u n k t kennt, von dem an der Ertrag sinkt." D i e Quintessenz d e r U n t e r s u c h u n g e n Friedmanns

ü b e r die „ G r e n z e n

d e r A r b e i t s e i n t e i l u n g " finden i h r e n N i e d e r s c h l a g i n d e r E r k e n n t n i s , daß eine E r w e i t e r u n g d e r A r b e i t s a u f g a b e des A r b e i t e n d e n (geschildert

in

d e n V e r s u c h e n des „ J o b - e n l a r g e m e n t " s o w i e des „ A r b e i t s p l a t z w e c h s e l s " ) eine S t e i g e r u n g d e r L e i s t u n g u n d n i c h t e t w a w i e a n g e n o m m e n , eine S e n k u n g derselben bedeutet. Z u r ü c k g e f ü h r t w e r d e n diese E r f o l g e a u f die m i t der V e r r i n g e r u n g der Arbeitsmonotonie H a n d i n H a n d gehend e n psychischen „ A u f l o c k e r u n g e n " ( w ä h r e n d M o n o t o n i e eine A r t V e r k r a m p f u n g b e w i r k t ) , M i n d e r u n g des A b s e n t i s m u s u n d d e r F l u k t u a t i o n . Über das Phänomen der F l u k t u a t i o n der Arbeitskräfte wurden i n den Jahren 1959 bis 1961 Repräsentativerhebungen durch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung u n d Arbeitslosenversicherung sowie durch das R K W durchgeführt. Bei der Untersuchung des R K W scheint als Fluktuationsgrund „Abwechslung" m i t 10 °/o aller untersuchten Fälle auf. Es ist schwierig, von hier aus Zusammenhänge m i t der A r t der Betriebsorganisation herzustellen, da schon die Gliederung der Gründe i n dem vorerwähnten Bericht verschiedene Auslegungen zuläßt (etwa: 1 7 % wegen der Ursache „keine Aufstiegsmöglichkeiten" könnte durchaus organisatorisch bedingt sein). Der Umfang der F l u k t u a t i o n w i r d für 1959 m i t 5,7 M i l l i o n e n Arbeitnehmern i n der Deutschen Bundesrepublik angegeben (1960 = 5,3 M i l l i o n e n u n d 1961 = 4,4 M i l lionen). Interessant ist sicherlich die Tatsache, daß die Kostenbelastung der deutschen Volkswirtschaft pro „Fluktuierendem" m i t ca. 1000 D M i m Durchschnitt veranschlagt w i r d , was i n Verbindung m i t den obigen Ziffern eine maximale Gesamtbelastung von fast 6 M i l l i a r d e n D M ergibt 9 4 . N e b e n d e n g e n a n n t e n M a ß n a h m e n w i r d es w o h l i m m e r d a r u m gehen, d i e Ü b e r g a n g s z e i t zwischen A u t o m a t i o n u n d E r r e i c h u n g der M o n o t o n i e schwelle m ö g l i c h s t a b z u k ü r z e n u n d insbesondere M a ß n a h m e n eines r e q u a l i f i z i e r e n d e n Einsatzes d e r e n d g ü l t i g freigesetzten A r b e i t s k r ä f t e k o n t i n u i e r l i c h h e r b e i z u f ü h r e n . F r e i z e i t a l l e i n löst dieses P r o b l e m n i c h t , v i e l m e h r b e d a r f es n e u e r l i c h e r B e w i r k u n g einer e r f ü l l t e n Z e i t , d i e durchaus n i c h t d e r D i e n s t b a r k e i t entzogen z u w e r d e n b r a u c h t . 94 Vgl. hierzu z. B. „Die Ursachen des Personal wechseis", i n : Industriek u r i e r v o m 10.11.1962 sowie „Kosten der F l u k t u a t i o n " , i n : Der Arbeitgeber, Jg. 1961, Nr. 21/22, S. 665.

Soziale Betriebsführung und Betriebswirtschaftslehre

91

Auch F. Nordsieck ist sich der „Grenzen der Arbeitsteilung" bewußt, wenn er i n seiner neuesten Veröffentlichung die „verantwortliche Ausführung" i n den Mittelpunkt der Organisation stellt. Er führt dazu aus: „Gesonderte Funktionen sind nur dann zu unterscheiden, wenn sie von der ausführenden Stelle getrennt bei anderen Stellen auftreten. Jede verantwortliche Ausführung dagegen umschließt alle nicht gesondert bei anderen Stellen ausgewiesenen Funktionen. . . . M i t der Tatsache, daß die verantwortliche Ausführung zur Grundfunktion der Koordinationsplanung erhoben wird, ist zugleich der eigentliche Leitsatz aller Koordinationsplanung skizziert und umrissen. Er lautet: Größtmögliche Selbständigkeit i m Delegations- und Verantwortungsbereich ist anzustreben und damit die Dezentralisation der Entscheidungen , soweit dies Ausbildung und Fähigkeiten der Mitarbeiter zulassen 95 ." Von diesem Gesichtspunkt lassen sich — nicht zuletzt i n Anlehnung an amerikanische Erfahrungen — nunmehr auch einige westdeutsche Großunternehmungen leiten (z. B. Telefunken AG., Robert Bosch GmbH.). Es w i r d Aufgabe der Organisationsforschung sein, das zum Teil noch recht verstreute Gedankengut einer sozialwissenschaftlichen Organisationslehre auszuwerten und zu entfalten sowie diese Prinzipien den „Principles" Taylors entgegenzustellen. 3. Z u m

Gehalt

der

Assoziierungsfunktionen

a) Zur Assoziierung s funktion

als Ganzes

Der sogenannte Familienbetrieb besitzt bereits die gesellschaftlichen Grundlagen, die die Voraussetzung organisierten Handelns sind. A n dersgeartete Betriebe müssen sich ihre gesellschaftlichen Grundlagen i. w. S. erst schaffen. Setzt daher Organisation gesellschaftliche Bindungen voraus, so bedarf es eines betrieblichen Leistungsbereiches, der diese Assoziierungsaufgaben (gründende, aber auch laufende) übernimmt. Zwischen Organisations- und Assoziierungsaufgabe besteht insofern ein relativ enger Zusammenhang, als die Beteiligungsverhältnisse den organisatorischen Notwendigkeiten entsprechen müssen. Prinzipiell kann man daher sagen: Der Assoziierungsmodus (z.B. bloßes Arbeitsverhältnis oder qualifiziertere Formen der Vergesellschaftung, bis zum Gesellschaftsverhältnis i. e. S. reichend) folgt den organisatorisch gestalteten Bedingungen des arbeitsteilig-kooperativen Leistungsvollzuges. Der Sache nach kann es sich u m die Assoziierung von A r beits» oder Sachmittelbeteiligten handeln; demnach unterscheiden w i r zwischen Arbeitsassoziierung und Finanzierung. Die Vergesellschaftungsweisen unterscheiden sich durch den „Bindungsgrad", der die Stu95

F. Nordsieck , Betriebsorganisation, Stuttgart 1961, S. 24/25.

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Josef Kolbinger

f u n g d e r Gestaltungsbefugnisse sowie d i e G e s t a l t u n g d e r E n t g e l t e bed i n g t 9 6 . A n dieser S t e l l e sei noch h e r v o r g e h o b e n , daß d i e „ U n t e r n e h mungs- u n d Betriebsverfassung"

— sozusagen das „ G r u n d g e s e t z

der

Wirtschaftsassoziierung" — Ausdruck der durch die Assoziierungsfunkt i o n e n b e w i r k t e n B e t e i l i g u n g s v e r h ä l t n i s s e ist. b) Zur

Arbeitsassoziierung,

insbesondere

als

Arbeitsverhältnis

Das „ A r b e i t s v e r h ä l t n i s " , d e m w i r u n s h i e r z u w e n d e n w o l l e n , i s t e i n soziales B e t e i l i g u n g s v e r h ä l t n i s

besonderer A r t , das a u f

„Arbeitsver-

t r a g " u n d „ E i n g l i e d e r u n g i n d e n B e t r i e b " b e r u h t . V o n h i e r aus k ö n n t e a n eine U m g e s t a l t u n g des A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e s ü b e r das „ P a r t i a r i s c h e Arbeitsverhältnis"

bis z u m „Gesellschaftsverhältnis"

gedacht w e r d e n .

Es f r a g t sich sogar, ob n i c h t l e t z t l i c h d i e L ö s u n g des M i t b e s t i m m u n g s p r o b l e m s i n e i n e r solchen, v o n a n d e r e n l e i s t u n g s m ä ß i g e n B e d i n g u n g e n b e g l e i t e t e n A u f s t i e g s e r m ö g l i c h u n g ( a n s t a t t e i n e r G l o b a l l ö s u n g ) gelegen sein k ö n n t e . I n diesem S i n n e w o l l e n w i r u n s einer B e t r a c h t u n g des E n t w i c k l u n g s g a n g e s , d e n das „ A r b e i t s v e r h ä l t n i s "

b i s h e u t e gemacht h a t ,

zuwenden97: 1. F ü r die Auffassung der liberalen Epoche w a r der Arbeitsvertrag ein rein schuldrechtlicher Vertrag, der den Austausch von A r b e i t u n d L o h n zum Gegenstand hatte u n d deshalb zu den gegenseitigen Verträgen gehörte. I m B G B wurde dementsprechend der Arbeitsvertrag, d . h . der Dienstvertrag, m i t t e n i m Schuldrecht geregelt. Als Konsequenz dieser liberalen Auffassung v o m Arbeitsverhältnis w a r dieses ein Schuldverhältnis, das sich i m wesentlichen i n den gegenseitigen Pflichten, nämlich Lieferung von Arbeitskraft einerseits, Lohnzahlung i m Sinne der Entrichtung eines Kaufpreises f ü r eine Ware w i e jede andere andererseits erschöpfte. 2. I n der Zeit nach d e m ersten Weltkrieg w u r d e n die persönlichen Beziehungen der „Parteien" stärker betont. M a n sprach von einem personenrechtlichen Einschlag, aus dem die beiderseitige Treuepflicht abgeleitet wurde. Nicht zuletzt ist dies auf das arbeitsrechtliche W i r k e n O. v. Gierkes zurückzuführen, dessen Forschung u n d W i r k e n auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens nicht minder bedeutsam ist. Der Treuedienstgedanke entspricht aber i n einem bestimmten Sinne genossenschaftlichen Gesichtspunkten. 3. Wie Hueck-Nipperdey weiter hervorheben, ist das oben angeschnittene Treueverhältnis, als Ausdruck über das bloße Schuldverhältnis hinausgehender personenrechtlicher Bindungen, besonders bedeutsam, wenn die A r b e i t i m Betrieb oder Haushalt geleistet werden soll u n d der Arbeitnehmer deshalb i n die Betriebs- oder Hausgemeinschaft eingegliedert w i r d . I n völliger Verdrängung der liberalrechtlichen Auffassung des Arbeitsvertrages ist nach heutiger Auffassung das Arbeitsverhältnis ein personenrechtliches Gemein06 Bedingte Entgelte = Arbeitslohn; bedungene Entgelte = z. B. U n t e r nehmereinkommen; gemischte Entgelte = Arbeitslohn plus Gewinnbeteiligung. 97 Vgl. zum folgenden Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 1. Band, 7. Aufl., B e r l i n - F r a n k f u r t / M . 1963, S. 115 ff.

Soziale Betriebsführung und Betriebswirtschaftslehre

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schaftsverhältnis, der Arbeitsvertrag ein gemeinschaftsbegründender V e r trag, der seine Parallele nicht i m K a u f - , sondern i m Gesellschaftsvertrag findet.

Die Weiterentwicklung des letztgenannten Gesichtspunktes, die gesellschaftsrechtlichen Züge des Arbeitsverhältnisses besonders deutlich hervortreten zu lassen, ist nicht zuletzt das Ziel der heutigen „Partnerschaftsbestrebungen" . c) Die Finanzierungsfunktion als Regelungsbereich der Sachbeteiligungsverhältnisse I m Begriff und der Funktion der Finanzierung überschneiden sich zwei Phänomene, das der Investition und das der Assoziierung. Bedeutet „Investition" Bereitstellung von Sachmitteln zum Zwecke produktiver Verwendung (als Gegensatz zum „Konsum"), so ist die Schaffung „assoziierten Eigentums" eine wesentliche Voraussetzung fruchtbaren Einsatzes der durch den Sparprozeß dispositiv und hernach faktisch dem Konsum entzogenen Güter. Entscheidender ist, daß schon i m Hinblick auf diesen assoziierten Investitionsvollzug Güter anderer Qualität (eben Produktivgüter) hervorgebracht werden, als wenn diese Voraussetzung nicht gegeben erschiene. Letztlich ist die Herstellung und Verwendung bestimmter sachlicher Produktionsmittel nur auf der Basis assoziierten Eigentums möglich. I n diesem qualifizierten Einsatz von Sachmitteln auf Grund von Assoziierungsvorgängen liegt zum Teil auch deren Fähigkeit, Zins zu erbringen, begründet. Demnach ist es eine der vornehmlichsten stufenbaulichen Funktionen, jene Assoziierung von Sachmittelbeistellern herbeizuführen, welche Voraussetzung der Sachmittelausstattung der Leistungsgebilde ist. Zwischen allen übrigen Leistungsbedingungen und den Finanzierungsbedingungen muß durchgehende Entsprechung bestehen. Der Begriff der „Liquidität" bedeutet nichts anderes als Herstellung der vor allem zeitlichen Entsprechung zwischen Assoziierungsmodus und allen übrigen Leistungsbereichen des Betriebes, von der „Entwicklung" bis zum „Absatz" und der etwaigen Kreditgewährung an den Kunden (als aktivem Finanzierungsvorgang). A u f Wesen und Bedeutung dieser Assoziierung der Sachmittelbeisteller i m Gegensatz zur Arbeitsassoziierung hat insbesondere die „Sozialrechtliche Kredittheorie" — letztlich eine Schöpfung der „Historischen Schule" — hingewiesen, ja das Wesen des Kredits und anderer Assoziierungsformen erst zu ergründen geholfen. Diese Formen umschließen ebenso das „Geld" wie alle „niederstufigen" Kredit- und Gesellschaftsverhältnisse. Besonderes Verdienst kommt i n diesem Zusammenhang der dogmenhistorischen Untersuchung von V. F. Wagner zu 9 8 : 98

Vgl. zum folgenden V. F. Wagner, Geschichte der Kredittheorien i n dogmengeschichtlicher Darstellung, Wien 1937, S. 50 u n d S. 60.

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Wie V. F. Wagner hervorhebt, müsse die K r e d i t - und d a m i t die gesamte Assoziierungstheorie überhaupt den Wirtschaftsprozeß als Ganzes, unter E i n beziehung seiner rechtlichen, sozialen, morphologischen Eigenart zu erfassen suchen. Die qualitative F u n k t i o n des Kredits bestehe darin, den W i r k u n g s grad von Einzelgütern bzw. Einzeleigentum durch Assoziierung zu erhöhen. M i t der Herausarbeitung der soziologischen Voraussetzungen, nämlich der privaten Vermögens- und der arbeitsteiligen Produktionsordnung, habe die sozialrechtliche Theorie i n der Tat eine der fundamentalen Bedingungen des Kredits, die i h n zu einer Kategorie der gesellschaftlichen Wirtschaft machen, aufgewiesen. P r i n z i p i e l l ist d a m i t e i n e r f r u c h t b a r e n F i n a n z i e r u n g s l e h r e e i n k l a r e r u n d e i n d e u t i g e r Weg, durchaus i m S i n n e e i n e r sozialwissenschaftlichen K o n z e p t i o n d e r B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e , gewiesen, einschließlich d a m i t verbundener

sozialreformerischer

Sonderabsichten,

w i e z. B .

n u n g n e u e r B e t e i l i g u n g s w i l l i g e r , S c h a f f u n g engerer

Gewin-

Bindungsverhält-

nisse d e r A r b e i t s b e t e i l i g t e n ü b e r die „ Z u s a t z b e t e i l i g u n g " ,

Umstruktu-

r i e r u n g der „Kontensparer" i n bewußte „Beteiligungssparer" usw. Nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Funktionsabgrenzung

zwischen

Kredit

die V e r -

(Assoziierung) u n d Handel

gesellschaftungsfunktion

h a t v o r a l l e m Komorzynski

des K r e d i t s u n d dessen B e d e u t u n g f ü r

das

soziale L e i s t u n g s s y s t e m , d i e W i r t s c h a f t , h e r a u s s t e l l t " . V. F. Wagner schreibt hierzu: „Der Tausch (Handel, J. K.) ermöglicht einen Wechsel i n der A r t des Güterbesitzes, während der Umfang desselben der gleiche bleibt. Die arbeitsteilig spezialisierten Einzelwirtschaften tauschen ihre Produkte untereinander aus. . . . N u n verlangt aber die besondere S t r u k t u r der Wirtschaft nicht n u r die Möglichkeit dieses Austausches, sondern die Durchbrechung der Schranken überhaupt, welche dem individuellen Güterbesitz durch das Privateigentum gezogen sind u n d die der Tausch u n berührt läßt. Diese Leistung v o l l b r i n g t der Kredit. E r ermöglicht die w i r t schaftliche Kooperation der Sonderwirtschaften... über die Grenzen der privaten Verfügungsmacht hinaus 1 0 0 ." Nach Knies bedeutet das, daß der Kreditverkehr „eine höhere Stufe der Vergesellschaftung' u n d eine V e r m i n derung der individualistischen Verselbständigung der Einzelhaushaltung" darstellt 1 0 1 . D i e B e d e u t u n g des K r e d i t s als eine F o r m d e r V e r g e s e l l s c h a f t u n g h a b e n Raiffeisen u n d Schultze-Delitzsch i m 19. J a h r h u n d e r t f ü r d i e E r h a l t u n g bäuerlicher w i e handwerklicher Wirtschaft u n d Lebensform u n t e r B e w e i s gestellt. H e u t e b e m ü h e n sich u. a. auch V e r t r e t e r d e r Partnerschaftsidee u m neue R e c h t s f o r m e n d e r B e t e i l i g u n g d e r A r b e i t n e h m e r a m w i r t s c h a f t l i c h e n E r f o l g u n d d e r Substanz des U n t e r n e h 99 Vgl. J. v. Komorzynski, Die nationalökonomische Lehre v o m Credit, Innsbruck 1903; i m übrigen sei auf J. Kolbinger, Elemente der Bankwirtschaftslehre, M e i senheim/Glan 1964, insbes. S. 53 ff., verwiesen. 100 v > F > wagner, a.a.O., S. 59. 101 Vgl. C. Knies, 1876/79, S. 173.

Geld u n d Credit, 2. Abt.: Der Credit, 2 Bände, B e r l i n

Soziale Betriebsführung und Betriebswirtschaftslehre

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mens 1 0 2 . Gewisse Verbindungen bestehen zu den beiden „Vermögensbildungsgesetzen" i n der Bundesrepublik Deutschland 103 .

C. Exkurs zu den sozialen Geltungsgrößen

Leistungen unterscheiden sich nicht nur durch ihre Inhalte, sondern auch durch ihren Rang. Dies zeigt sich zunächst i m hierarchischen Aufbau des betrieblichen Leistungsgebildes, der sich letztlich i n einer entsprechenden Entgeltsordnung niederschlagen muß, gleichgültig wie weit etwa eine „Arbeitsbewertung" bislang gediehen ist. Immerhin geht es hier u m einen grundlegenden Ansatz zur Ermittlung sozialer Geltungsgrößen, w i l l man m i t den Worten E. Schmalenbachs den gemeinten Sachverhalt i m Sinne unserer Konzeption der Betriebswirtschaftslehre zum Ausdruck bringen. Unter Verbindung von Geltungsgrößen, die aus dem gebildemäßigen Hervorbringungszusammenhang einerseits, den Geltungen bestimmter Bedürfniskategorien andererseits (letzten Endes als „Zielgeltungen" i n freier Entscheidung oder auch plandeterminiert ermittelt) resultieren, ließe sich eine geschlossene Entgelts-, Kostenund Preistheorie i n absoluter Übereinstimmung m i t der morphologischen Theorie der Betriebswirtschaftslehre erarbeiten. I n dieser würden ohne weiteres auch die Gesichtspunkte einer Zins- und/oder Gewinntheorie Platz finden, woraus eine geschlossene Arbeits- und Sachmittelbewertung folgen würde und damit — verbunden m i t den Aspekten des strukturellen und prozessualen Zusammenhanges der betrieblichen Leistungserstellung — die Grundlegung des betrieblichen Rechnungswesens i m Sinne eines Systems der kontinuierlichen Ermittlung und Verbindung sozialer Geltungsgrößen. Es wäre gleichgültig, ob es sich dabei u m das Kontensystem der „Doppik", den Aufbau der Kostenrechnung sowie der Bilanz und Erfolgsrechnung handeln würde, deren Sinn u. a. auch der einer sozialen Berichterstattung i n rechnungsmäßiger Form sein könnte. Nach diesen generellen Überlegungen, die den prinzipiellen systematischen Zusammenhang von Struktur- und Leistungsgrößenlehre zumindest andeuten, wenden w i r uns abschließend den sozialreformerischen Anliegen der Entgeltsordnung als Schlußstein einer sozialwissenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre und dementsprechenden Betriebsfüh102 y g i h . Beuter, Rechtsformen der Beteiligung der Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg u n d der Substanz des Unternehmens. Untersuchungen und Berichte der AGP, Reihe I , H e f t 2, H i l d e n 1962. 103 Vgl. Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer v o m 12. J u l i 1961, B G B l 1961, I, S. 909; Zweites Vermögensbildungsgesetz der Arbeitnehmer v o m 1. J u l i 1965, B G B l 1965,1, S. 585.

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Josef Kolbinger

rung zu. W i r gehen dabei von der Tatsache aus, daß ein erheblicher Teil sozialreformatorischer Programme, besonders des 19. Jahrhunderts, von dem Streben nach einer Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer erfüllt war. Für uns stellt dieses Begehren ein spezifisches Leistungsproblem dar, das auch m i t den Beteiligungsformen zusammenhängt, die sich eben i n bedingten (-gewinnmäßigen), bedungenen (-erfolgsunabhängigen) und schließlich gemischten Entgelten niederschlagen. Erhält der reine Lohnarbeiter schlechthin erfolgsunabhängiges (eben bedungenes) und der Unternehmer ebenso nur bedingtes (Gewinn-)Entgelt, so ist i m Sinne der Partnerschaftsregelung oder des Mitunternehmertums gerade für den Arbeitsbeteiligten auf der Grundlage von Arbeitsund etwaigem gesellschaftsähnlichem Zusatzvertrag das „gemischte" Entgelt die geeignete Form der Beteiligung am Leistungsergebnis des Betriebes. Je nach Beteiligungstypen kommen für den „bedingten" A n teil ebenso technische (innerbetriebliche) wie marktliche Ergebnisgrößen als Ermittlungsgrundlage i n Betracht. Besondere Dienste kann hier die Erfolgsspaltung mittels der Plankostenrechnung liefern, so daß die gemischten Entgeltsformen von den „Prämienlöhnen" (einschließlich linearem Akkordlohn) bis zur echten „Gewinnbeteiligung", d. h. Beteiligung an realisierten, eben marktlichen Ergebnissen, reichen kann. So wenig wie eine uniforme Mitbestimmungsregelung den Bedürfnissen der Wirtschaft wie den Aufstiegswünschen der Sozialpartner entspricht, so wenig darf auch einer indifferenzierten Beteiligungsweise am Betriebsergebnis das Wort geredet werden 1 0 4 . Damit schließt sich der Kreis unserer Untersuchungen über die Grundlagen einer Betriebswirtschaftslehre, innerhalb derer auch an die Stelle einer naturwissenschaftlichen, eine geistes-, genauer sozialwissenschaftliche Betriebsführung tritt, die das Problem „Mensch und A r beit", „Mensch und Wirtschaft" i n objektadäquater Weise bewältigen würde. Eine derartige Betriebswirtschaftslehre bedarf des Anhängsels einer „Betriebssoziallehre" nicht, denn diese ist nur die „Dimension" (A. Schmitt), die das Gesamtsystem trägt. So ergibt sich für uns als Schluß: 104 I n bezug auf eine erfolgsmäßig orientierte Entgeltsordnung sei u.a. auf F. Spiegelhalter, Die Formen der Ergebnisbeteiligung, Darmstadt-EssenB e r l i n 1954, S. 53—55 hingewiesen. E r schildert den Zusammenhang der „Gesinnungstypen" m i t objektiven u n d subjektiven „Beteiligungstypen". F ü r i h n ist eine geordnete Marktwirtschaft ein Leistungslohnsystem besonderer A r t . A b e r auch i m I n n e r n des Betriebs bleibt nach seiner Meinung Raum f ü r unternehmerische Leistung. Spiegelhalter ist der Ansicht, daß m a n die erfolgsmäßigen Gesichtspunkte des Marktes prinzipiell auch i n den Betrieb hineintragen müsse. Hier sei eben auch der Ergebnisbeteiligung eine A u f gabe gestellt, über die man zumindest nachdenken sollte.

Soziale Betriebsführung u n d Betriebswirtschaftslehre

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1. Betriebswirtschaftslehre und wissenschaftliche Betriebsführung bedürfen einer geistes- und nicht einer naturwissenschaftlichen Orientierung. 2. Wirtschaft als Leistungsordnung der Gesellschaft, bzw. Gesellschaft als Leistungsordnung begriffen, impliziert Wirtschaftswissenschaft als Sozialwissenschaft, gleichgültig ob Volkswirtschaftslehre oder Betriebswirtschaftslehre (als Stufenlehre begriffen). 3. Funktionenlehre und Geltungsgrößenlehre bilden das Grundgerüst der dermaßen verstandenen Betriebswirtschaftslehre. Dies ist zunächst der ökonomische Aspekt; er w i r d ergänzt durch einen metaökonomischen Gesichtspunkt, der eine gewisse Parallele i m Begriff der „Human-Relations" finden mag.

Der Unternehmer als Träger sozialer Betriebsführung

Betrieb und Unternehmer vor den Toren einer neuen Zeit Von Walter Heinrich

I . D i e Umschichtungen der industriellen Gesellschaft

Nach tiefgreifenden geistigen, politischen und wirtschaftlichen Revolutionen, die nun schon sechs Jahrhunderte dauern, ist Europa, die atlantische Welt, ja die ganze Erde i n die zweite Phase des Industrialismus eingetreten. U m die Landschaft zu erhellen, i n der sich i n dieser nachneuzeitlichen Phase der industriellen Gesellschaft Betrieb und Unternehmer befinden werden, sei zunächst versucht, einige der wichtigsten Charakterzüge dieser Gesellschaft zu zeichnen. 1. Da ist zunächst das Fortwähren der Dynamik, i n die unsere heutige Welt geraten ist, seitdem sie durch Naturwissenschaften, Technik und Industrialismus geprägt wurde. Diese Dynamik w i r d heute noch verstärkt durch den Rüstungswettlauf, teilweise i n Gestalt der Weltraumprogramme, ferner durch die Herausbildung größerer Wirtschaftsräume. Ihre Folge ist das Schrumpfen der Raum- und Zeitdistanzen und die damit verbundene Mobilität der Menschen, Leistungen und Nachrichten: Erzeugnisse und Nachrichten können an allen Punkten der Erde schier gleichzeitig da sein. 2. Ein Fortwähren der ursprünglichen industrialistischen Ansätze zeigt sich i n der Zentralisierungs-, Konzentrations- und Ballungstendenz, die der Industrialismus von Anfang an als Struktureigenschaft aufweist: den Zug der Auflösung der überschaubaren, kleinen Gemeinschaften und deren Überwältigung durch soziale Großgebilde. A n die Stelle von Haus, Grundherrschaft, Nachbarschaft, Dorfschaft, Großfamilie, Kirchensprengel treten die sozialen Großgebilde: Großbetriebe, Großhäuser, Großstädte, Großorganisationen, Großstaaten und Staatenblöcke. Allerdings gibt es bereits dezentralisierende Gegenbewegungen: Ausbrechen aus den Ballungsräumen, nicht zuletzt auch wegen der Erhaltung der Naturgrundlagen der Wirtschaft i n diesen Ballungsräumen selbst ebenso wie i n den Erholungsräumen. Als Beispiele für solche dezentralisierende, dekonzentrierende und auflockernde Bewegungen seien genannt: Wandlung i n der Beurteilung der Betriebsgrößen; Aufteilung der Verrichtungsdecke zwischen Größt-,

102

Walter Heinrich

Groß-, M i t t e l und Kleinbetrieben i n der Industrie; Zulief erersystem als eine neue A r t der Kooperation von Betrieben; Zähigkeit i m Überleben des Handwerkes und des Gewerbes trotz stärkster, die Konzentration begünstigender Züge i n der Wirtschaftspolitik des Staates von heute (in Steuer-, Kredit- und Sozialpolitik); Sekundärgewerbe; Aufkommen persönlich geprägten Bedarfes m i t dem Trend zum Klein- und Mittelbetrieb; Auflockerung der Ballungsgebiete aus strategischen, baukostenmäßigen und überhaupt kostenmäßigen Erwägungen; Möglichkeiten der modernen Technik zur Dezentralisation; Verödung amerikanischer Stadtzentren; Entstehung der Einkauf Zentren an der Peripherie aus Gründen des Verkehrs; städtebauliche Dezentralisations- und Entballungstendenzen; endlich innerbetriebliche Dezentralisation (Entdeckung des Teams, der Werkstatt- und Gruppenfertigung); Gewichtsverlegung auf den Betrieb als soziale Einheit; zunehmende Bedeutung der Familie, allerdings als Klein- und Kleinstfamilie, i n der Fluktuation des modernen Lebens). Alle diese Tatsachen zeigen eine starke Gegenläufigkeit i n der sozialen Umschichtung der modernen Industriegesellschaft; einerseits ein Fortwähren des Zuges zur Groß- und Größteinheit, andererseits eine zunehmende Gewichtsverlagerung auf die kleinen, intimen Gebilde hin. 3. Ungebrochen weiter w i r k t der Zug zur Wohlstandserhöhung, der von Anfang an den Industrialismus kennzeichnet. Dieser erhöhte Wohlstand verlagert sich auf breitere Schichten der Bevölkerungen. Außerdem lassen sich i n gewissen Schichten der Verbraucher Bestrebungen erkennen, die man als Streben nach einem Wohlstand höherer Ordnung bezeichnen könnte: Der Wunsch nach individuellem Wohnen, nach Gesundheitsfürsorge, das Streben nach Ausbildung und Bildung. 4. Eine ganz besonders bedeutungsvolle Umschichtung stellt der Vorgang einer zunehmenden Requalifizierung der wirtschaftlichen Tätigkeit dar: I n den reifen Industriegesellschaften schrumpft der Anteil der ungelernten Arbeiter und es steigt jener der Facharbeiter und Angestellten. Die Vorgänge der Automation und Elektronik werden die Stellung des Menschen als Verrichtungsträgers i n der Wirtschaft, die sich bereits während der Entwicklung des Industrialismus entscheidend i m Sinne der Requalifizierung der Arbeit und einer stets wachsenden Nachfrage nach hochqualifizierten Verrichtungsträgern veränderte, noch weiter beeinflussen. Besteht doch diese Entwicklung geradezu darin, Routineund Wiederholungsfunktionen, ja sogar direkte menschliche Arbeit überhaupt immer mehr und mehr auszuschalten. Diese menschliche Tätigkeit w i r d dann in der Hauptsache für die Analyse des betrieblichen Gesamtprozesses, die Ausarbeitung des Produktionsprogrammes,

Betrieb u n d Unternehmer vor den Toren einer neuen Zeit

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die Pflege und Indienststellung der Maschinen sowie für die Betriebsleitung vorbehalten. Man spricht davon, die Wirtschaftsgesellschaft w i r d immer mehr zur Angestelltengesellschaft und nimmt an, die Angestellten-Tätigkeiten (hauptsächlich die arbeitsleitende, gestaltende, verwaltende und kaufmännische Tätigkeit) — ursprünglich Teile der umfassenden Unternehmertätigkeit — hätten sich i m Laufe der Sozialgeschichte des Industrialismus durch Delegation von Teilen dieser Unternehmertätigkeit an Angestellte allmählich entwickelt. Man könnte diesen Vorgang aber auch als eine Durchdringung der gesamten Wirtschaftsgesellschaft m i t einem unternehmerisch-initiativen Prinzip auffassen, indem möglichst viele i n der Wirtschaft von heute Tätige unternehmerische Fähigkeiten erweisen müssen. Das damit zusammenhängende allgemeine Bemühen um höhere Schulbildung wurde oft als der Zug zur Bildungsgesellschaft bezeichnet; Die Verwissenschaftlichung des Lebens und der Wirtschaft stellt ganz neue Anforderungen an die Berufe: technisches Verständnis, Umstellungsund Anpassungsvermögen, intellektuelle, aber auch charakterliche Eigenschaften, z. B. Disziplin, Zuverlässigkeit und die Kunst der Menschenführung i n Betrieb, A m t und Büro. 5. Zu den bisher herausgestellten Zügen der Industriegesellschaft t r i t t noch ein bedeutsamer hinzu: Die Verschiebung zwischen den Bereichen der Wirtschaft von heute; i m Gefolge von Dynamik, zentralisierenden und dezentralisierenden Tendenzen, Wohlstandssteigerung und Requalifizierung der Arbeit wandern die Arbeiter und die Beschäftigten aus dem Bereiche der sogenannten primären Erzeugung (landwirtschaftlicher Güter und Rohstoffe) i n die sekundäre (industrielle Erzeugung für uniformierten Bedarf) und von hier i n die tertiäre Erzeugung, das ist Handwerk, Kunsthandwerk, Dienstleistungen, Vertrieb, Verkehr und Verwaltung. Dies infolge der verschieden starken Einsatzmöglichkeiten des technischen Fortschrittes, der i m primären Bereiche mittleren, i m sekundären großen und i m tertiären Bereiche geringen Anstieg der Arbeitsproduktivität bewirkt. Fourastie meint, daß die traditionelle Wirtschaft die nachstehende Verteilung des Sozialproduktes und der Beschäftigten aufweist: I : 80 %, I I : 10%; I I I : 1 0 % ; daß aber für die reifen Industriegesellschaften i n ihrer Enidentwicklung i n I : 10%, i n I I : 20% und i n I I I : 70% der Beschäftigten tätig sein würden. Fourastie stützt sich besonders auf den statistischen Nachweis des Wachsens der Vertriebskosten gegenüber den Erzeugungskosten und des wachsenden Anteiles der Dienstleistungen. Der technische Fortschritt bringt Loslösung vom Boden, Wanderungen,

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aufgelockerte Städte, Ausbau der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation, Verkürzung der Arbeitszeit und Verlängerung der Ausbildung.

I I . D i e A u s w i r k u n g dieser i m Z u g befindlichen u n d z u erwartenden Umschichtungen auf den Betrieb

1. Die Dynamik der Wirtschaft von heute und morgen stellt den Betrieb vor die Aufgabe, dauernd den Anschluß an die fortschreitende Technik zu wahren, angesichts der Allgegenwärtigkeit von Erzeugnissen und Nachrichten und der Mobilität der Menschen, um Vertriebsapparat, Marktbeobachtung und geschultes Personal ununterbrochen besorgt zu sein sowie alles zu tun, u m den Wettbewerb durch die verschiedensten Wege der Kooperation zu rationalisieren und sich möglichst auf den Leistungswettbewerb auszurichten. 2. Angesichts der Waage zwischen den Kräften der Konzentration und der Dezentralisation, die noch lange die Wirtschaft der Zukunft kennzeichnen dürfte, werden die Betriebe — ähnlich wie infolge der technischen Dynamik — alle Möglichkeiten der Kooperation auszuschöpfen haben, andererseits i n der Standortwahl, i n der Auswahl der richtigen Betriebsgröße und besonders hinsichtlich der Verlebendigung des Betriebsgeschehens durch innerbetriebliche Dezentralisation die richtige Mitte zwischen Ballung und Auflockerung zu halten haben. 3. Die Möglichkeiten, die das Streben nach einem Wohlstand höherer Ordnung und die erhöhte Nachfrage nach Dienstleistungen — nicht zuletzt infolge Verlängerung der Freizeit — bieten, gilt es zielstrebig auszuwerten. Dabei werden die Betriebe durch Werbung und Aufklärung das Ihre dazu beizutragen haben, daß der Zug zum höherwertigen Ver- und Gebrauch, nach materialechten und formschönen Erzeugnissen und persönlich geprägten Leistungen verstärkt wird. 4. Die Requalifizierung der wirtschaftlichen Tätigkeit bedeutet für die Wirtschaftsgesellschaft der Zukunft erhöhte Aufwendungen für Ausbildung und Bildung, für die Betriebe aber verstärktes Ringen u m ein gediegenes Stammpersonal und u m neue Führungsformen. Das alte Wort Taylors: „Sie sollen nicht denken, für das Denken werden andere bezahlt" w i r d nun immer mehr i n sein Gegenteil verkehrt. Neben der Erhöhung des Wertes der Kapitalausrüstung w i r k t ein neues Vollkommenheitsideal i n der Wirtschaft von heute und morgen: Die technische Vollkommenheit, die allerdings die Schönheit der Enderzeugnisse nicht völlig verdrängen sollte. Sicherlich ist die Verwirklichung eines unternehmerisch-initiativen Wirtschaftsstiles nur i n asymptotischer Annäherung möglich; aber mehr

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denn je liegen die wirklichen Produktivitätsreserven der Zukunft bei jenen, die i n freiwilligem Einsatz sich m i t ihrer Arbeit und m i t dem Betriebsziel zu identifizieren vermögen und mehr als Arbeiter, nämlich Mitarbeiter sind. 5. Davon w i r d es auch abhängen, ob sich die von Fourastie erschaute „große Hoffnung des 20. Jahrhunderts" erfüllen könnte, der erhöhten Nachfrage nach Dienstleistungen gewachsen zu werden und sich vor Uniformierung und Kollektivierung zu bewahren. Vorläufig leidet unsere Zeit noch unter dem Zwiespalt, daß sie zwar immer mehr nach Dienstleistungen verlangt, aber immer weniger Menschen Dienstleistungen erbringen wollen, dienen wollen.

I I I . D i e Bedeutung der Umschichtungen i n der Wirtschaftsgesellschaft und der W a n d l u n g e n i m Betrieb für den U n t e r n e h m e r

Wenn auch langsam, so scheint sich doch eine neue Sicht des Unternehmerbildes anzubahnen. I n der wissenschaftlichen Betrachtung scheinen die Stationen, die etwa durch die Namen Ricardo, Marx, Max Weber, Schumpeter markiert waren, verlassen zu werden. I n der w i r t schaftlichen Wirklichkeit w i r d die Enge der rein wirtschaftlichen, der klassenkämpferischen, der technischen Auffassung, ja auch jene der amerikanischen Human-relations-Bewegung immer mehr durch ein neues B i l d vom Wesen und der Aufgabe des Unternehmers überhöht. Wenn die Folgerungen aus den Umschichtungen der industriellen Gesellschaft und deren Auswirkungen auf den Wirtschaftsbetrieb, denen sich der Unternehmer von heute und morgen gegenübergestellt sieht, berührt werden sollen, so geschieht das hier nur durch Auswahl einiger Beispiele: 1. Die Dynamik der Wirtschaft und Technik von heute bringt es m i t sich, daß für den Unternehmer, als den Führer des Betriebes, und für seine nächsten Mitarbeiter Ausbildung und Bildung niemals aufhören. Wer hätte vor zehn Jahren daran gedacht, daß Festkörper-Physik, Erstellung von Stoffen höchsten Reinheitsgrades, Indienststellung der Atomtechnik für die Energiegewinnung, Datenverarbeitung die Bedeutung erlangen werden, die sie heute haben. Da man i n der Wirtschaft und anderswo i n eine höhere Stellung meist erst 15 ibis 20 Jahre nach Abschluß des Studiums einzurücken vermag, muß man selbst weiter arbeiten, u m den Anschluß an die Dynamik nicht zu verlieren. Sicherlich hat der Wirtschaftsführer von heute Fachleute zur Verfügung, aber für diese gilt die gleiche Forderung des Auf-dem-laufenden-bleibenMüssens; außerdem muß der Unternehmensführer nach dem Studium der von den Spezialisten vorgeschlagenen Lösungen und deren Erörte-

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rung sich selbst ein Urteil zu bilden vermögen, bevor er entscheidet; darüber hinaus geht es immer darum, die Fachleute zu koordinieren. 2. Die Aufgabe, die richtige Mitte zwischen Freiheit und Planung, zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung, zwischen Konzentration und Auflockerung zu halten, verlangt von dem Unternehmer die Bereitschaft, neue Wege der Kooperation zu gehen. Dabei stellen die sich herausbildenden größeren Wirtschaftsräume wachsende Anforderungen an die Einkaufs- und Beschaffungstätigkeit, an den Vertrieb, an die Werbung, an die Entscheidung über das Ausmaß von Fremdversorgung (auf dem Wege der Unter- und Zulieferung, der Hereinnahme von Vorprodukten) und der Bereitstellung von Leistungen i m Betriebe selbst. Von ebenso großer Bedeutung für die Produktivität des Betriebes ist die unternehmerische Entscheidung über das richtige Verhältnis von Erzeugungs -und Handelstätigkeit i m Unternehmen, vor allem aber über die Zusammenarbeit mit Verbänden und allen anderen Gebilden oberhalb der Betriebsstufe. 3. Die Wohlstandssteigerung führt für den Unternehmer zu neuen, erhöhten Anforderungen an die Produktgestaltung und Formgebung (design), der Hinwendung zum Dienstleistungsbereiche (z. B. durch Verkauf von Projekten statt von Erzeugnissen), der Werbung für hochwertige Güter, des Ringens u m ein dem Groß-und Weltmarkt gewachsenes Erzeugnis (ein „europäisches Erzeugnis") ebenso wie u m solche besonderer Arteigenheit (der Stadt, der Landschaft). 4. Der neue Führungsstil i n den Betrieben von heute und morgen m i t der Aufgabe des Anreizes zur Freiwilligkeit verlangt vom Unternehmer i n viel höherem Maße das gute Beispiel als bewegende K r a f t denn äußere Autorität, die immer weniger vermag, erfordert die Kunst der Menschenführung und der Gewinnung von Mitarbeitern. 5. Die tiefgreifenden Verschiebungen zwischen den einzelnen Erzeugungsbereichen der Volks- und Großraumwirtschaften, die mit den gesellschaftspolitischen Wandlungen Hand i n Hand gehen, erzwingen neue Leitbilder für die Politik der Unternehmungen; besonders aber auch für die Wirtschaftspolitik des Staates; Leitbilder, die nicht ohne entsprechenden Einsatz der Unternehmer i n ihren Verbänden und nicht ohne Einsatz von Unternehmern i n der Öffentlichkeit und i n der Polit i k selbst Wirksamkeit erlangen werden. Man w i r d all das, was verlangt wird, nicht lernen können; diese Vereinigung von fachlichem Können, Führungstalent und unternehmerischer Initiative; denn es liegt i n der Mitte zwischen Begabung und Gelernt-Haben, zwischen natürlicher Befähigung und guter Ausbildung. Aber ohne gute Ausbildung und Fleiß w i r d es auch nicht gehen.

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Der Betrieb rundet sich immer mehr nicht nur zu einer wirtschaftlichen, vielmehr zu einer gesellschaftlichen Ganzheit ab; und dieser erlangten höheren Wirklichkeits- und Lebensfülle werden nur Unternehmerpersönlichkeiten gewachsen sein, die an den höheren Werten des Menschen ausgerichtet sind und für die immer noch das Wort Senecas gilt: „Vieles wirst du geben, wenn du nichts anderes gibts als das Beispiel".

Probleme der Förderung und Auslese des unternehmerischen Nachwuchses im Sinne sozialer Betriebsführung Von Dieter Fertsch-Röver

Wenn Sie mich als ASU-Vorsitzenden zu diesem Thema aufgefordert haben, so ist es naheliegend, daß Sie von m i r erwarten, die Probleme der Auslese und Förderung des unternehmerischen Nachwuchses aus der Sicht und der Erfahrung i m Familienunternehmen vorgetragen zu bekommen. Ich w i l l trotzdem versuchen, das Thema allgemeingültig, d. h. für Unternehmen aller Rechtsformen, zu behandeln. Zuerst möchte ich den Hintergrund kennzeichnen, auf dem das m i r gestellte Thema zu behandeln ist. Als Hintergrund meine ich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart i n der Bundesrepublik und der westlichen Welt. W i r leben i n einer offenen Gesellschaft, die man auch manchmal die pluralistische Gesellschaft oder die Industriegesellschaft nennt. I h r besonderes Kennzeichen ist das Streben nach einem möglichst großen Freiheitsspielraum des einzelnen Bürgers, die Tatsache, daß verschiedene Grundrechte für den einzelnen geschützt sind, und die sich daraus ergebende Bewegung und Austauschbarkeit der Funktionen und Stellungen des einzelnen i n der Gesellschaft und i m Berufsleben. Zur freien, offenen Gesellschaft i n der Form der repräsentativen parlamentarischen Demokratie gehört i m Bereich der Wirtschaft als adäquates Ordnungssystem die marktwirtschaftliche Ordnung, die w i r i n der Bundesrepublik i n der Form der sozialen Marktwirtschaft zu verwirklichen trachten. I n diesem System ist die Entwicklung gekennzeichnet durch rasante technische Fortschritte, dem Größerwerden der Märkte und der Ausdehnung des Welthandels und damit der Verflechtung verschiedener nationaler Volkswirtschaften miteinander. v. Beckerath 1 weist darauf hin, daß auf die Dauer eine freie industrielle nationale Unternehmungswirtschaft m i t ihren Vorzügen leistungsfähiger Wirtschaftsführung, dezentralisierter Kapitalrisiken und ihrer besonderen Eignung als Element einer freien Weltwirtschaft nicht 1 von Beckerath , Herbert, gen/Zürich 1954, S. 245 f.

Großindustrie u n d Gesellschaftsordnung, T ü b i n -

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aufrechterhalten werden kann, wenn sie nicht von allen Beteiligten, den Unternehmern, den Kapitalgebern, den Arbeitern und überhaupt den breiten Schichten der Gesellschaft grundsätzlich bejaht wird. Für den Unternehmer bedeutet dies, daß er seine Funktion und sein Tun und Lassen den anderen gesellschaftlichen Kräften gegenüber verständlich machen und bereit sein muß, für die Gesamtgesellschaft Verantwortung, d. h. also politische Verantwortung zu übernehmen. Nach Drucker 2 hat der Unternehmer bei jeder seiner Handlungen und Entscheidungen zu fragen: Was wäre die Reaktion der Öffentlichkeit und die weiteren Folgen, wenn ein bestimmtes Handeln i n der Industrie die Regel wäre? Bei Urwick 3 findet sich der Hinweis, daß i n einer freien und industrialisierten Gesellschaft kein Einfluß, dem Menschen und die von ihnen Abhängigen ausgesetzt sind, mächtiger ist als der des menschlichen Klimas des Unternehmens, i n dem sie arbeiten, und des Verhältnisses zu den Vorgesetzen aller Stufen. „Soweit diese Einflüsse sie ermutigen, das Beste, was i n ihnen steckt, zu entwickeln, werden sie die Ziele der Wirtschaft m i t den Zielen der Gesellschaft gleichsetzen." Daraus schließt Urwick, daß sich die Unternehmensleitungen i n der einzigartigen Lage befinden, die Zukunft einer Nation i n einem wesentlichen Umfang m i t zu beeinflussen. Drucker 4 kommt zu dem Schluß, daß die unternehmerische Verantwortung nicht mehr auf der Voraussetzung gründen kann, daß das Eigeninteresse des Besitzers zum Wohle des Ganzen führt oder daß Privatinteresse und Wohl der Allgemeinheit sich voneinander trennen lassen. Er erwartet vielmehr vom Unternehmer, „daß er die Verantwortung für das Wohl der Allgemeinheit übernimmt, daß er sein Handeln nach ethischen Grundsätzen ausrichtet und daß er mit seinem Eigeninteresse und seinen Befugnissen zurückhält, wo immer sie gegen das Gemeinwohl und die Freiheit des einzelnen verstoßen würden". I n dem Maße, i n dem der Unternehmer bereit ist, seine politische Verantwortung zu übernehmen, vertritt und verstärkt er die freiheitliche Wirtschaftsordnung des Westens. Eine Ablehnung dieser politischen Verantwortung muß notwendigerweise verstärkte Staatsinterventionen und die Schwächung einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung zur Folge haben. Neben diese politische Verantwortung des Unternehmers t r i t t d i e w i r t schaftlich-technische und die soziale Aufgabenstellung i m Rahmen des jeweiligen Unternehmens. Die wirtschaftlich-technische Entwicklung fordert von dem Unternehmer das Bemühen um ständige und i n immer kürzeren Zeitabständen notwendig werdende Anpassung an neue 2

Drucker, Peter F., Praxis des Management, Düsseldorf 1962, S. 459. Urwick, Lyndall F., Ausbildung der Führungskräfte i n der amerikanischen Wirtschaft, F r a n k f u r t / M . 1955, S. 7. 4 Drucker, Peter F., a.a.O., S. 454. 8

Förderung u n d Auslese unternehmerischen Nachwuchses

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M a r k t - und technische Daten, ein ständiges Weiterlernen und Weiterbilden — „Unternehmer gehen permanent i n die Schule" — sowie eine ständige Bereitschaft, sich dem unternehmerischen Risiko, d. h. dem Wettbewerb, zu stellen. Während die wirtschaftlich-technische Aufgabenstellung des Unternehmers vom Verbraucher, also vom Menschen als Kosumenten ausgeht, hat die soziale Aufgabenstellung des Unternehmers die Beachtung des Menschen als Mitproduzenten i m einzelnen Unternehmen zum Inhalt. Aus der Erkenntnis, daß die Unternehmung nicht nur ein Produktionsbetrieb zur Erzeugung und Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen ist, sondern daß i n ihr gleichzeitig alle Betriebsangehörigen zum Zwecke der Einkommenserzielung i n enger Zusammenarbeit stehen, stellt sich die Unternehmung gleichzeitig als wirtschaftlich-technisches und soziales Gebilde dar. Für die Unternehmensführung ergibt sich daraus die Aufgabe, die Unternehmensorganisation entsprechend den Eigengesetzlichkeiten der beiden Teilaspekte zu gestalten. Die Behandlung der Aufgaben des Unternehmers i m sozialen Bereich erfolgt i m allgemeinen unter dem Terminus „Soziale Betriebsführung". Geck 5 unterscheidet nach der „industriellen Revolution" bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts drei Haupttypen der sozialen Betriebsführung: die patriarchalisch, die liberal und die kooperativ orientierte soziale Betriebsführung. Der patriarchalische Führungsstil war gekennzeichnet durch die Befehlsgewalt des „Fabrikpatriarchen" über seine Untergebenen, die jedoch gleichzeitig mit der Verantwortlichkeit am Wohlergehen des A r beiters gekoppelt war. Die liberal orientierte soziale Betriebsführung ging von der Überzeugung aus, daß sich die beste Sozialordnung aus dem freien Spiel der Kräfte, aus der möglichst ungehemmten Freiheit des Menschen ergibt und daß der allgemeine Nutzen um so größer ist je unbeschränkter die einzelnen Menschen ihrem eigenen Nutzen folgen können. Das A r beitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis war dementsprechend bestimmt durch einen freien Arbeitsmarkt, den Arbeitsvertrag und durch das Lohnsystem. A m Arbeitsmarkt bildeten sich nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage die Löhne der Arbeiter und i m Arbeitsvertrag stellt der Arbeiter seine Arbeitskraft zur Arbeitsleistung dem Betrieb zum Marktlohn zur Verfügung. „ I m freien Arbeitsvertrag, der ja nicht im Betrieb, sondern vor dem Betriebseintritt geschlossen wird, ist — so i n der liberalen Gesellschaft! — die »soziale4 Beziehung zwischen dem 5

Geck, L . H. Adolph,

Soziale Betriebsführimg, Essen 1953, S. 23 ff.

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Unternehmer als Betriebsherrn und Arbeiter gewissermaßen summarisch vorweggenommen: alle Verpflichtungen des Arbeitgebers enthält der Vertrag; der Betrieb selbst ist als solcher von betriebseigenen Verpflichtungen befreit 8 ." Ein derartiger Führungsstil verneinte daher eine Beachtung des Unternehmens als soziales Gebilde und brachte als Gegenreaktion eine kooperativ orientierte soziale Betriebsführung hervor, die heute i n der Forderung nach dem Prinzip der Partnerschaft, als dem einzig adäquaten Prinzip zur staatsbürgerlichen Mündigkeit der Mitarbeiter des Unternehmens, gipfelt. Diese Forderung entspringt, wie Drucker 7 es ausdrückt, der Erkenntnis, daß der Menschen als Produktionsfaktor gleich anderen sachlichen Produktionsfaktoren nur „genutzt" werden kann; als Persönlichkeit mit all seinen geistigen Gaben sich jedoch nur selbst nutzbar machen kann. „ I m Gegensatz zu allen anderen Produktionsmitteln hängt es beim Menschen allein von i h m selbst ab, ob er überhaupt arbeiten w i l l . " Die Frage der Leistungsfähigkeit des Unternehmens ist daher für die Unternehmensführung eng m i t der Frage nach der sozialen Betriebsführung verknüpft. Der Führungsstil i m modernen Unternehmen, wobei nicht verkannt werden soll, daß dies vielleicht noch nicht i n allen Betrieben erkannt und praktiziert wird, ist deshalb gekennzeichnet durch die Begriffe Teamwork und Delegation von Verantwortung nach unten. Nur bei Anwendung solcher Prinzipien dürfte es auf die Dauer möglich sein, ein gesundes Verhältnis zu den Mitarbeitern zu schaffen, das Voraussetzung ist, u m i m Wettbewerb und der rasanten technischen Entwicklung bestehen und mithalten zu können. Sicherlich wären noch mehr Tatsachen und Forderungen zu nennen, die die gegenwärtige Situation beleuchten, soweit sie für unser Thema als relevant anzusehen sind. A l l e i n die hier skizzenhaft dargestellten Aufgaben des Unternehmens dürften genügen, u m zu erkennen, welch eminente Bedeutung der Auslese und der Förderung des unternehmerischen Nachwuchses sowohl für die zukünftige Gestaltung des einzelnen Unternehmens selbst als auch der zukünftigen Gestaltung und Erhaltung unserer gegenwärtigen Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung zukommt. Bedenkt man weiterhin, daß die Zeitspanne der modernen industriellen Produktion und der unternehmerischen Entscheidungen so lang ist, daß sie über die Lebensspanne eines Unternehmers hinausreicht und daß ferner die Produktionsmittel — sowohl die sachlichen wie menschlichen —, u m wirklich produktiv zu sein, i n einer Organisation m i t dem Kennzeichen eines hohen Grades von Dauerhaftigkeit zu• Michel, Ernst, Sozialgeschichte der industriellen Arbeitswelt, Frankfurt/' M a i n 1953, S. 116 f. 7 Drucker, Peter F., a.a.O., S. 316 f.

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sammengefaßt werden müssen, w i r d die Bedeutung der unternehmerischen Nachwuchsfrage weiter erhärtet. Drucker 8 kommt aus diesen Gründen zu der Feststellung, daß die Unternehmensleitung keine begründeten und verantwortlichen Entscheidungen zu treffen vermag, wenn sie nicht gleichzeitig diejenigen Männer auswählt, ausbildet und erprobt, die sie einmal ablösen werden. Die Sicherung des geeigneten Unternehmernachwuchses kann sowohl durch die Auslese des am meisten Befähigten aus dem i n Frage kommenden Personenkreis als auch durch Förderung der Fähigkeiten der als Unternehmernachfolger ausgesuchten Personen erfolgen. Da nicht alle Führungseigenschaften durch Ausbildung entwickelt werden können und richtige Auslese eine fruchtbare Förderung der persönlichen Fähigkeiten damit erst ermöglicht bzw. erleichtert, ist der Auslese des unternehmerischen Nachwuchses besondere Bedeutung beizumessen. Bei der Behandlung des Problems der Auslese und der Förderung des unternehmerischen Nachwuchses fasse ich den Begriff „unternehmerischer Nachwuchs" weit und bezeichne damit nicht nur den Nachwuchs für die i m Unternehmen letztentscheidende Führungsposition, sondern die Nachwuchskräfte für alle unternehmerischen Leitungspositionen, auch soweit sie nur teilunternehmerische Verantwortung tragen. Es w i r d manchmal die Auffassung vertreten, die unternehmerische Nachwuchsfrage regele sich i n der Marktwirtschaft von selbst. Diese automatische Auslese beruht auf dem Gedanken, daß i n der M a r k t wirtschaft durch das freie Spiel der Kräfte schlecht geführte Unternehmen keine Chance für ein dauerhaftes Bestehen haben und daß damit nichtqualifizierte Unternehmer ganz von selbst ihrer Führungsaufgaben enthoben werden. Da i n einem derartigen Falle der Unternehmernachfolger aber bereits vor der Auslese als Unternehmensleiter tätig wird, sind enorme Verluste durch die Fehllenkung von Produktivkräften nicht zu vermeiden. Eine geplante Auslese, welche die Gewähr dafür bietet, daß nichtqualifizierte Kräfte gar nicht erst i n Unternehmerpositionen gelangen, w i r d daher unumgänglich. Auch für die Auslese des unternehmerischen Nachwuchses innerhalb der Unternehmung findet sich oft die Behautpung, daß sich überragende unternehmerische Fähigkeiten von selbst durchsetzen. Gäfgen 9 weist i n diesem Zusammenhang darauf hin, daß darwinistische Prinzipien i m sozialen Bereich nicht anwendbar sind und für das Unternehmen nicht zu unterschätzende Gefahren darstellen. Eine derartige „natürliche" Auslese gäbe keine Möglichkeit zur Entdeckung latenter Begabungen und würde alle jene Per8

Ders., S. 226 u. 453. Gäfgen , Brigitte , Die Ausbildung des Unternehmernachwuchses, Essen 19f)9, S. 38. 9

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sonen aus dem Kreis des Unternehmernachwuchses ausscheiden, denen zur Entfaltung ihrer unternehmerischen Fähigkeiten noch keine Gelegenheit geboten wurde. Die Auslese des unternehmerischen Nachwuchses würde damit weitgehend dem Zufall überlassen und zahlreiche unternehmerische Fähigkeiten blieben ungenutzt. Insbesondere Menschen, denen es auf Grund ihrer seitherigen Ausbildung nicht möglich war, sich an schöpferisch-geistigen Aufgaben zu bewähren, würden als Reservoir für den unternehmerischen Nachwuchs zu einem großen Teil ausscheiden. I n Anbetracht der Bedeutung der unternehmerischen Tätigkeit w i r d es sich kein Unternehmen auf die Dauer leisten können, die Auslese seines unternehmerischen Nachwuchses dem Zufall zu überlassen. Die bewußte Auslese des unternehmerischen Nachwuchses w i r d damit zur Notwendigkeit. Über die notwendigen Eigenschaften eines Unternehmers, die bei einer bewußten Auslese des unternehmerischen Nachwuchses beachtet werden sollten, bestehen keineswegs einmütige Auffassungen. Den meisten Vorstellungen gemein ist jedoch die Anerkennung der Bedeutung der charakterlichen Qualitäten des Unternehmers. So ist für Drukker 10 der Charakter entscheidend für seine Führungsstellung. „Er gibt das Beispiel und w i r d nachgeahmt. Charakter ist nicht etwas, was sich erwerben läßt; wer ihn nicht mitbringt, w i r d i h n niemals haben. Über i h n kann man die Menschen nicht täuschen. Die Menschen, die m i t einem Mann arbeiten, vor allem seine Untergebenen, wissen innerhalb weniger Wochen, ob er charakterlich einwandfrei ist oder nicht. Sie können i h m viel verzeihen: Unfähigkeit, Unwissenheit, Unsicherheit, schlechte Manieren. Niemals aber werden sie i h m charakterliche Unzuverlässigkeit verzeihen —und den höheren Rängen nicht, daß man diese Wahl getroffen hat." Gelegentlich werden praktische Erfahrung und intuitive Urteilskraft oder Fingerspitzengefühl für wichtiger erachtet als hohe Intelligenz i m akademischen Sinne. Gäfgen 11 weist jedoch darauf hin, daß erst die Verbindung von praktischer Erfahrung und Fingerspitzengefühl m i t der systematischen Anwendung von Wissen dem Unternehmer von heute die Fähigkeit gibt, die i h m gestellten Aufgaben zu lösen. „Da unternehmerische ,Kunst* da einsetzt, wo die wissenschaftliche Erfaßbarkeit der Situation, das Meßbare, Vorhersehbare aufhören, müssen sich Wissenschaft und Kunst i n der Unternehmensführung gegenseitig ergänzen." Was w i r an der Spitze des Unternehmens brauchen, sind keine Spezialisten, sondern fähige, charakterfeste und i n der Menschenführung 10 11

Drucker, Peter F., a.a.O., S. 197. Gäfgen, Brigitte, a.a.O., S. 28 f.

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begabte Persönlichkeiten, die tunlichst vielleicht auf einem Teilgebiet auch über besondere fachliche, überdurchschnittliche Fähigkeiten verfügen. Letztentscheidend w i r d aber nicht das Ausmaß des Fachwissens sein, sondern vielmehr die charakterlichen Fähigkeiten. W i r d von der Überzeugung der automatischen Auslese des unternehmerischen Nachwuchses Abstand genommen, so stellt sich sofort die Frage, nach welchen Ausleseverfahren vorgegangen werden soll. Es bietet sich die Möglichkeit der Aufstellung eines genau vorausgeplanten Beförderungssystems, das auf Dienstalter, Bildung und ähnlichen Gesichtspunkten basiert, die Veranstaltung eines Zulasssungswettbewerbes, die Anwendung von Testverfahren oder die Auswertung psychologischer Gutachten. A l l e diese Verfahren sind aber keine absolute Garantie dafür, daß nur geeignete Kräfte für den unternehmerischen Nachwuchs ausgesucht werden. Für Gäfgen 12 ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer Bewährung des potentiellen Nachfolgers i n wechselnden Positionen m i t weitgehendem Entscheidungsspielraum. Ein solches Vorgehen setzt allerdings eine weitgehende Dezentralisierung der unternehmerischen Verantwortung voraus. Da keine Methode der Auslese die Entwicklung eines Menschen für einen längeren Zeitraum voraussehen kann, müssen, u m den unternehmerischen Nachwuchs sicherzustellen, wesentlich mehr künftige Führungskräfte ausgesucht werden als es dem errechneten Bedarf entsprechen würde.. Die Schaffung eines derartigen ausreichenden Reservoirs an künftigen Führungskräften ergibt gleichzeitig die Möglichkeit, an diesen Kreis von Nachwuchskräften unternehmerische Teilaufgaben zu delegieren und damit die Überlastung der Führungsspitze zu vermindern. Bei dem Bemühen, geeignete unternehmerische Nachwuchskräfte zu finden, t r i t t schon als erstes das Problem auf, ob man sie i m eigenen Betrieb oder außerhalb des Betriebes sucht. Die Einstellung betriebsfremder Führungskräfte hat den Vorteil, daß diese u. U. bereits i n Führungspositionen anderer Unternehmen Erfahrungen sammeln und sich dort bewähren konnten. Dieser Vorteil w i r d jedoch häufig von der Tatsache aufgehoben, daß infolge vieler ehrgeiziger Bestrebungen innerhalb des Unternehmens für die i n Frage kommenden Führungspositionen ein Gefühl des Übergangenseins auftritt, welches das Betriebsklima entscheidend verschlechtern kann. Urwick 18 berichtet, daß ein solches Vorgehen zum Teil als ein so ernstes Eingeständnis des eigenen Versagens angesehen wird, daß man es beinahe u m jeden Preis vermeiden müsse, Betriebsfremde i n das Unternehmen hereinzuholen. 11 13

8*

Diess., S. 40. Urwick, Lyndall

F., a.a.O., S. 101.

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Andererseits ist aber auch, sofern der Unternehmernachwuchs ausschließlich aus den eigenen Reihen kommt, die Gefahr einer gewissen Verschlossenheit gegenüber Neuerungen und Verbesserungen nicht zu übersehen. Insgesamt kommt Urwick 14 jedoch zu dem Schluß, daß, sofern es der Umfang eines Unternehmens erlaubt, die Schaffung eines Reservoires geeigneter Nachwuchskräfte aus den eigenen Reihen i n fast allen Fällen dem Versuch weit überlegen ist, Ersatz für bestimmte Positionen durch Einstellung betriebsfremder Kräfte bereitzustellen. Für das Verhältnis betriebsfremder und eigener Führungskräfte gibt es kein durch die Praxis erhärtetes, absolut gültiges Rezept. Ich glaube die Erfahrung lehrt, daß eine gesunde Mischung zwischen von außen hereingeholten Nachwuchskräften und den aus dem eigenen Betrieb kommenden das Optimum darstellt, vielleicht i m Verhältnis 2 : 1 , wobei ich den aus dem eigenen Betrieb Aufsteigenden aus grundsätzlicher Überzeugung den größeren Anteil zubilligen möchte. Es scheint m i r für die Bereitschaft echter Mitarbeit bei den Angehörigen eines Betriebes wesentlich zu sein, daß diese die Überzeugung haben, sie können i n „ihrem" Betrieb vorwärts kommen. Andererseits darf das Phänomen einer gewissen Betriebsblindheit nicht vernachlässigt werden, so daß es schon zweckmäßig ist, ab und zu „neues B l u t " dem Betrieb zuzuführen und sich damit auch Erfahrungen und Gedanken, die i n anderen Betrieben gewonnen wurden, nutzbar zu machen. Wo finde ich nun i m eigenen Betrieb geeignete Nachwuchskräfte für die unternehmerische Führungsposition? Ich meine, i n erster Linie natürlich i m Bereich des Mittelmanagements des Unternehmens und bei den Inhabern von Stabsstellen. Wichtig scheint es m i r zu sein, daß, gerade i m Hinblick auf die Möglichkeiten der Auslese für den unternehmerischen Nachwuchs, die Führungspositionen i m Mittel- und gehobenen Management eines Unternehmens immer zweifach besetzt werden, d. h. also jeweils m i t einem Stellvertreter, und diese dann auch i n sich abgeschlossene Sonderaufträge bzw. Sonderaufgaben gestellt bekommen. Bei der Erledigung solcher Aufgaben läßt sich am besten ein Urteil über evtl. vorhandene unternehmerische Qualitäten bilden. Eine solche Besetzung der Führungsstellen verlangt natürlich die Aufstellung eines langfristigen Personalplanes, aus dem hervorgeht, wann wer durch wen ersetzt werden muß. Weiterhin scheint es m i r außerordentlich wichtig zu sein, ganz offen mit dem einzelnen über seine Aufstiegsmöglichkeiten zu sprechen und i h m bei Versetzungen bzw. Betrauen m i t besonderen Aufgaben ganz klar zu sagen, welche Absichten seitens der Unternehmensleitung bestehen, und unter welchen Voraussetzungen er Aufstiegsmöglichkeiten hat. Ein jahrelanges Hin- und Herschieben 14

Ders., S. 130.

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von einer Position zur anderen, ohne daß der Betroffene weiß, warum er diese verschiedenen Aufgaben gestellt bekommt, entspricht nicht einem modernen Führungsstil i m Unternehmen. I m Familienunternehmen kommen für die Auslese des späteren Chefs noch weitere Probleme hinzu; einmal die gesellschaftsrechtliche Situation, die durch den Gesellschaftsvertrag fixiert ist bzw. durch das Unternehmertestament. Hier die richtigen Voraussetzungen zu schaffen, ist häufig nicht sehr einfach, und der aktive und tätige Unternehmer findet leider häufig genug nicht rechtzeitig die Zeit und Aufmerksamkeit, diese Dinge zu regeln. Er läßt sich von seinen aktuellen Führungsaufgaben meist zu sehr i n Anspruch nehmen. Wenn dann plötzlich ein Führungswechsel notwendig wird, sind die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen nicht geregelt oder ungünstig, und es kommt zu schlechten Nachfolgern, was den Bestand des Unternehmens gefährden kann. Moderne Gesellschaftsverträge engen den Automatismus der Erbfolge i m Familienunternehmen ein. Der moderne Unternehmer ist der Auffassung, daß i n einer Wettbewerbswirtschaft der Bestand eines Unternehmens sehr wesentlich von den Qualitäten und Fähigkeiten des Unternehmers abhängig ist. Er w i r d daher danach trachten, den besten Mann als Nachfolger zu finden und muß daher bereit sein, sich über die Bindungen, die die Erbfolge i h m auferlegt, gegebenenfalls hinwegsetzen zu können. Das soll nicht heißen, daß der Sohn keinerlei Chancen hat und prinzipiell der Nachfolger außerhalb der Familie gesucht werden muß, sondern i n der Praxis und unter Anerkennung der legitimen Konsequenzen des Erbrechts ist dem Sohn natürlich auch eine Chance einzuräumen, eines Tages die Alleinverantwortung i n der Familiengesellschaft übernehmen zu können. Sicherlich w i r d er i n der Praxis, auch bei der Anwendung des Prinzips „der Beste soll mein Nachfolger werden", immer irgendwie i n einer A r t Favoritenrolle sein, wenn es an den „Start" der Auslese und Förderung des unternehmerischen Nachwuchses geht. Aber es ist eben nur eine Favoritenposition m i t allen ihren, ja auch aus dem Sport bekannten, Vor- und Nachteilen und es ist nicht die Rolle des designierten Siegers. Ich möchte also ganz klar zu diesem Punkt zusammenfassend herausstellen, daß ich, und nicht nur ich allein, sondern mit m i r viele selbständige Unternehmer, und ich glaube, daß ich m i r hierüber ein Urteil erlauben darf, der Auffassung bin, daß i n der heutigen und zukünftigen Entwicklung unserer Wirtschaft und unserer Unternehmen dem Besten der nächsten Generation die Nachfolge gebührt, und wenn bei der Auslese dieses Nachwuchsunternehmers der Konflikt Unternehmen-Familie auftritt, der Unternehmer eindeutig zugunsten des Unternehmens entscheiden w i r d und muß.

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Wenn man i n der Familiengesellschaft so verfährt, dann kann man auch jener häufig geäußerten These entgegentreten, daß leitende M i t arbeiter i m Familienunternehmen keine echte Chance und i m Verhältnis zur Publikums-Aktiengesellschaft eine geringere Chance hätten, weil sie ja nicht zur Familie gehörten und deswegen nie i n die Position des Letztentscheidenden aufrücken können. Zu dieser These muß gesagt werden, daß i n der Praxis diese Auffassung keineswegs dazu geführt hat, daß Familiengesellschaften weniger qualifizierte leitende Mitarbeiter bekommen, sondern es zeigt sich, daß diese Führungspositionen i n einem Familienunternehmen genauso gut oder genauso schlecht, wie Sie es eben nehmen wollen, besetzt werden können wie i n einer anonymen Aktiengesellschaft. Zum anderen hat, wie eben dargestellt, unter gewissen Voraussetzungen auch der leitende Mitarbeiter i n der Geschäftsleitung eines Familienunternehmens durchaus reelle Chancen, i n die letztentscheidende unternehmerische Funktion einrücken zu können. I n diesem Zusammenhang sei noch eine Bemerkung zu solchen leitenden Führungskräften i n einem Familienunternehmen, die nicht zur Familie gehören, beigefügt. Außer den i n jedem Unternehmen unter Beweis zu stellenden Fähigkeiten ist für solche leitenden Mitarbeiter ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern der Inhaberfamilie notwendig. Bei der Schaffung und Erhaltung eines solchen Vertrauensverhältnisses spielen, wie die Erfahrung zeigt, die Frau des Familienunternehmers bzw. der unternehmerisch tätigen Familienmitglieder manchmal eine nicht unerhebliche Rolle, auf die ich nur verweisen möchte, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Dieses Problem ist auch relevant, wenn ein Familienunternehmen durch mehrere Familienmitglieder, Brüder oder Vettern etc. geleitet wird. Ich komme nun zu den Problemen der Förderung des unternehmerischen Nachwuchses. Ich habe schon einige Grundsätze, die dabei zu beachten sind, vorhin i m Zusammenhang m i t der Auslese genannt. Es ist zweifellos richtig, daß wesentliche unternehmerische Fähigkeiten nicht erlernt werden können und für ihre Fruchtbarmachung für das Unternehmen die richtige Auslese entscheidend ist. Ebenso richtig ist es aber auch, daß sich unternehmerische Begabungen nur i n praktischer, voll verantwortlicher Führungsarbeit entfalten und damit erst erkannt werden können. Soll eine richtige Auslese des unternehmerischen Nachwuchses erfolgen, so ist es unbedingt erforderlich, daß Bedingungen geschaffen werden, unter denen sich etwa vorhandene Führungseigenschaften entfalten können. Werden derartige Förderungsmaßnahmen für den Unternehmernachwuchs nicht getroffen, ist es unvermeidlich, daß latente Führungsbegabungen nicht erkannt werden. Außerdem ist zu bedenken, daß der Führungsnachwuchs aus den eigenen Reihen i n der Regel vorher der mittleren Führungsschicht angehörte und deshalb

Förderung u n d Auslese unternehmerischen Nachwuchses

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m i t Spezialaufgaben betraut war. Da es aber für den Unternehmer ein Kennzeichen ist, ein „Spezialist für Nichtspezialisiertsein" (Winschuh) 15 zu sein, ist es geradezu ein zwingendes Erfordernis, durch Ausbildungsmaßnahmen den speziellen Blickwinkel der Nachwuchskräfte zu überwinden. W i l l ein Unternehmen sämtliche eigenen unternehmerischen Begabungsreserven mobilisieren, so muß es außerdem darauf bedacht sein, jenen Mitarbeitern, denen es auf Grund ihrer Herkunft oder anderer Umstände verwehrt war, ein für einen Unternehmer notwendiges Bildungsniveau zu erreichen, die erforderlichen Fortbildungsmöglichkeiten zu verschaffen. „Jede Förderung ist eine Herausforderung der persönlichen Fähigkeiten des Menschen, auf die er entsprechend reagiert 1 6 ." Der Umfang der Förderungsmaßnahmen findet daher seine Grenzen an dem Fortbildungswillen und Fortbildungsanstrengungen des unternehmerischen Nachwuchses. Vielfach findet man die Vorstellung, daß man das erforderliche unternehmerische Talent auf dem Markt kaufen könne, wenn man nur einen entsprechenden Preis zu zahlen bereit sei. Daß dies tatsächlich der Fall sein kann, beweist keinesfalls die Bedeutungslosigkeit der Förderungsmaßnahmen des unternehmerischen Nachwuchses durch die einzelnen Unternehmen; denn das so handelnde Unternehmen w i r d lediglich Nutznießer eines anderen Unternehmens m i t guten Ausbildungsmöglichkeiten für den Nachwuchs an Führungskräften. Welche Wege der Förderung des unternehmerischen Nachwuchses i m Familienunternehmen haben sich nun i n der Praxis bewährt und herausgebildet? Ich glaube, daß die für die Führung eines Unternehmens vorgesehene Person über ein abgeschlossenes Studium verfügen muß. Daran sollte sich auch ein Auslandsaufenthalt von einigen Jahren anschließen und dann, was m i r besonders wichtig erscheint, eine Bewährung i n Führungspositionen i n fremden Betrieben. Wenn man noch eine Tätigkeit i n einem Wirtschaftsberatungsbüro oder einer Bank, und das auch für die studierten Techniker, i n diesen Ausbildungsweg einflechten kann, so ist das nur zum Vorteil. Der Einsatz i n dem Betrieb, der dann übernommen werden soll, geschieht zweckmäßigerweise erst nach der Zeit der Bewährung i n Führungsstellen anderer Betriebe. Dieser dann folgende Einsatz i m „eigenen" Betrieb muß ebenfalls genau vorgeplant und festgelegt sein. Hierbei kommt es darauf an, daß dem „Junior" genau abgegrenzte Arbeitsbereiche, für die er voll verantwortlich ist, übertragen werden. Selbstverständlich sollte man die jetzt schon i n Deutschland, allerdings nur i n geringem Umfang, bestehenden überbetrieb15 Winschuh, Josef, Das neue Unternehmerbild, Baden-Baden/Bonn/Frankfurt/M. 1954, S. 178. 16 Gäfgen, Brigitte, a.a.O., S. 49.

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liehen Ausbildungseinrichtungen, wie die Baden-Badener Unternehmergespräche und ähnliches, nutzen, u m den unternehmerischen Nachwuchs zu fördern. Wo ich i n einem solchen Ausbildungsweg noch Lücken erkenne, insbesondere i n Deutschland, das ist der Mangel an Institutionen, die sich an die Hochschule anlehnen und eine sinnvolle Synthese von Theorie und Praxis zu vermitteln i n der Lage sind. Ich glaube, daß hier noch einiges geschaffen werden muß, wenn w i r i n genügend breitem Umfang den unternehmerischen Führungsnachwuchs aus- und weiterbilden wollen, um als deutsche Volkswirtschaft i m weltweiten Wettbewerb bestehen zu können. Ich hoffe, m i t diesen Darlegungen, die sicherlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben können, als ein Mann der Praxis einen kleinen Beitrag geleistet zu haben, u m das Problem der Auslese und der Förderung des unternehmerischen Führungsnachwuchses vielleicht noch besser, als das i n der Vergangenheit der Fall war, i n den Griff zu bekommen.

Der Arbeitnehmer als betrieblicher Sozialpartner

Theorie und Praxis der betrieblichen Partnerschaft Von Guido Fischer

I

Die i m deutschsprachigen Wirtschaftsraum entstandene betriebliche Partnerschaft muß von zwei ähnlichen Bestrebungen unterschieden werden. Die angelsächsische „partnership" w i l l eine finanzielle Besserstellung der Arbeitnehmer i m Betrieb, entweder durch eine kapitalmäßige Beteiligung, durch Ausgabe von Belegschaftsaktien, Anteilscheinen usw., oder durch eine zusätzliche Lohnvergütung mittels einfacher oder progressiv gestaffelter Leistungsprämien oder durch eine, den deutschen Verhältnissen ähnliche Erfolgsbeteiligung. Diese finanziellen Auswirkungen verschiedenster A r t der angelsächsischen partnership gibt es zwar auch bei der betrieblichen Partnerschaft deutscher Prägung. Doch sind sie hier nur die Folgerung aus einer anders gewordenen, menschlich vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Leitung und Mitarbeitern eines Betriebes, die eine erhöhte Produktivität m i t sich bringt. Das angelsächsische System glaubt dagegen, durch solche finanzielle Besserstellungsformen das Interesse der Belegschaft an der betrieblichen Leistung zu steigern und so den einzelnen zu veranlassen, aus seiner bisherigen Arbeitsreserve herauszugehen. Die zweite, ganz anders geartete Bestrebung findet sich wiederum i m deutschsprachigen Wirtschaftsraum, sowohl i n der Bundesrepublik als auch i n Österreich. Seitens der Gewerkschaften w i r d erstrebt, die Einflüsse der Arbeitnehmerschaft i n den Kontrollorganen der Kapitalgesellschaften zu verstärken, möglichst angeglichen der paritätischen Besetzung der Aufsichtsräte, wie dies nach dem deutschen Mitbestimmungsgesetz i n der Montanindustrie zu finden ist. Hier w i r d nicht eine innerbetriebliche Partnerschaft des vertrauensvollen Zusammenarbeitens von Leitung und Mitarbeitern eines Betriebes erreicht, sondern ein partnerschaftliches Kontrollverhältnis von Kapital und Arbeit i n den Aufsichtsorganen der Betriebe über die dort tätigen Leitungsorgane, aber auch der gesamten Betriebsführung. Es handelt sich hier um ein überbetriebliches Partnerschaftsverhältnis, ähnlich dem partnerschaftlichen Zusammenarbeiten i n den Tarifvereinbarungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften

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oder den Bestrebungen der überbetrieblichen Mitbestimmung i n den paritätischen Handelskammern, den Arbeiterkammern neben den Handelskammern usw. Auch i n diesem Falle handelt es sich nicht u m die menschlichen Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit i n den Betrieben, sondern um eine Neuordnung des Wirtschafts- und sozialpolitischen Kräfteverhältnisses. Diese beiden Abgrenzungen zur betrieblichen Partnerschaft sind notwendig, u m die theoretische Begründung für diese Form der betrieblichen Partnerschaft zu finden. Sie sei als wirtschaftswissenschaftliche und als soziologische Begründung gegeben. I n den W i r t schaftswissenschaften, sowohl in der Volkswirtschaftslehre als auch i n der Betriebswirtschaftslehre ist seit längerem theoretisch klargestellt, daß die betriebliche Leistung und damit auch die volkswirtschaftliche Produktivität nur durch ein günstiges Zusammenwirken von Arbeit und Kapital erreicht werden kann. A u f die verschiedenen einzelnen Begründungen sei i n diesem Zusammenhang nicht eingegangen. Doch sei darauf verwiesen, daß dieser theoretisch richtigen Erkenntnis die praktische Verwirklichung noch lange nicht gefolgt ist. Dies zeigt sich beispielsweise i n den überbetrieblichen, also gesamtwirtschaftlichen Bestrebungen und Auseinandersetzungen u m die überbetriebliche M i t bestimmung. Auch innerhalb des Betriebes überwiegt die Sorge der Unternehmer u m den richtigen Kapitaleinsatz meist noch weitgehend gegenüber den Bemühungen u m den arbeitenden Menschen. Zwar sind die personalorganisatorischen Aufgaben i n allen Betrieben angewachsen und dementsprechend auch meist die Personalleitung i m betriebshierarchischen Führungsaufbau angehoben worden. I m Wesentlichen beschränkt sich jedoch hier das betriebliche Bemühen u m die Ausweitung der ehemaligen Personalverwaltung zur betrieblichen Personalführung m i t entsprechenden Folgerungen für die betriebliche Personalpolitik. Man sieht hier überwiegend den Menschen als Träger der Arbeitsleistung. Wenn letztere erhöht werden soll, muß man sich entsprechend mehr auch u m die arbeitenden Menschen bemühen. Dagegen w i r d noch nicht i m gleichen Ausmaße i n den Betrieben der Mensch i n seiner charakterlichen Entwicklung gesehen und gefördert. Dasselbe gilt für das Beobachten und Gestalten der menschlichen Beziehungen und des menschlichen Verhaltens zueinander während der betrieblichen Arbeit. U m diese zusätzlichen menschlichen Aufgaben innerhalb der betrieblichen Personalführung, wofür sich weitgehend die Bezeichnung betriebliche Menschenführung durchgesetzt hat, bemüht sich besonders die betriebliche Partnerschaft. Es sollen damit die theoretischen, w i r t schaftswissenschaftlichen Erkenntnisse verwirklicht werden, daß die menschliche Leistung, besonders bei allen betrieblichen Führungskräften, nicht von der menschlichen Charakterhaltung getrennt werden

Theorie u n d Praxis der betrieblichen Partnerschaft

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kann. Daher muß sich nach dieser wirtschaftswissenschaftlichen Begründung der Betrieb i m gleichen Umfange wie für das Kapital auch u m den Menschen als solchen bemühen, nicht nur u m die menschliche Arbeitsleistung. Die Soziologie oder Gesellschaftslehre hat für die moderne W i r t schafts- und Gesellschaftsstruktur die Bezeichnung „Industriegesellschaft" gefunden. Die überwiegende Mehrheit des Volkes, etwa vier Fünftel aller Berufstätigen, stehen heute nicht mehr i n einer freien, selbständigen Berufsarbeit, wie dies für Handwerksmeister oder Bauern gilt, sondern befinden sich i n einer abhängigen Berufsstellung i n den verschiedenen Wirtschaftszweigen und Verwaltungen von Gemeinden, Staat usw. Ein weiteres Merkmal der Industriegesellschaft ist, daß die früheren Feudalherren als kulturelle und soziale Träger der Volksbildung inzwischen weggefallen sind. A n deren Stelle ist die Industrie, bzw. i m deutschen Sprachgebrauch besser aus dem Angelsächsischen übersetzt, die Wirtschaft getreten, verkörpert durch den Unternehmer bzw. die Vielzahl von Personen, die arbeitsteilig heute an der Unternehmerfunktion i n größeren und Großbetrieben tätig sind. Somit hat der Betrieb i n der gegenwärtigen Wirtschaftsform und damit i n der modernen Industriegesellschaft die Verpflichtung übernommen, sich neben seinen ursprünglich überwiegend wirtschaftlichen Aufgaben auch m i t zusätzlich politischen, kulturellen und sozialen Aufgaben zu beschäftigen. Der Betrieb w i r d damit gleichzeitig zu dem „Organismus", zu einer „Institution" der menschlichen Gesellschaft, er w i r d zu einer Gemeinschaft der i n i h m berufstätigen Menschen aller Führungsebenen und der ausführenden Arbeit i n Werkstatt und Büro. Dies bedingt eine gesellschaftspolitische Verantwortung nicht nur für die Gesellschaft als Ganzes, sondern auch für die gesellschaftliche Institution des Betriebes und für alle i n i h m berufstätigen Menschen. Der oder die Unternehmer haben daher neben ihren technischen und wirtschaftlichen Aufgaben zusätzlich solche gesellschaftlichen Aufgaben zu übernehmen. Diese letzteren erstrecken sich aber nicht nur auf die i m Betrieb tätigen M i t arbeiter, sondern genau so auf alle anderen Menschen, m i t denen der Betrieb i m Marktgeschehen zusammenkommt, so i n erster Linie mit dem Konsumenten, aber auch m i t den Abnehmern, den Lieferanten und sogar auch Konkurrenten. Daher w i r d eine echte innerbetriebliche Partnerschaft zwischen Betriebsleitung und Mitarbeitern eines Betriebes nur dann glaubwürdig sein können, wenn sie zugleich m i t einem entsprechenden menschlich-partnerschaftlichen Verhalten des Betriebes an den Märkten verbunden ist. Diese neuen soziologischen Aufgaben der Betriebe und ihrer Leitungen lösen aber keineswegs das frühere, allein zu findende erwerbswirtschaftliche Streben nach Gewinn und Kapitalrentabilität ab, sondern dieses w i r d ergänzt und damit zugleich vertieft

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durch diese zusätzliche menschliche Aufgabe, wie sie durch die industrielle Gesellschaftsordnung bedingt ist. Bedauerlicherweise w i r d aber auch diese neue gesellschaftspolitische Aufgabe noch nicht durchwegs i n der Wirtschaft und i n ihren Betrieben und von deren Führungsorganen richtig erkannt und verwirklicht. Auch hier wollen die Bemühungen der betrieblichen Partnerschaft Vorbild sein und zeigen, daß diese soziologische Unternehmeraufgabe gelöst werden hann, wobei sich zugleich als eine günstige Nebenwirkung für die wirtschaftlichen Aufgaben und Ziele der Unternehmertätigkeit die erhöhte Leistungsintensität der Mitarbeiter i m Betrieb ergibt.

n Die betriebliche Partnerschaft w i l l sich besonders innerhalb des Betriebes und seiner Arbeitsorganisation u m den arbeitenden Menschen bemühen. Denn dieser ist i n der industriellen Gesellschaft für sein ganzes Arbeitsleben bis zu seiner Invalidisierung i n einer abhängigen Stellung und ist zugleich den Gesetzmäßigkeiten der Arbeitsteilung der mechanisierten Werkstatt- und Bürotechnik unterworfen. Die betriebliche Partnerschaft w i l l sich dabei nicht i n einer menschlichen Fürsorge (Sozialfürsorge) erschöpfen, so wie dies ein Kennzeichen der patriarchalisch geführten Betriebe gewesen und auch heute noch teilweise ist. Vielmehr w i l l die betriebliche Partnerschaft bei der i n einem Betrieb gegebenen über- und untergeordneten hierarchischen Führungsgliederung und der damit bedingten Autorität der Vorgesetzten i n jeder Ebene der führenden und ausführenden Arbeitsebene den selbständigen Menschen sehen, bzw. diesen wieder fördern helfen. Dadurch ist i n i h m seine Initiative und Verantwortungsfreudigkeit wieder zu wecken, damit er Person und Persönlichkeit i n der Gesellschaft, aber auch innerhalb seines Betriebes und seiner Arbeitsgruppe sein kann. Dies ist aus der jedem Menschen eigenen Menschenwürde bedingt, die der arbeitende Mensch auch an seinem Arbeitsplatz und während seiner Arbeitszeit besitzt und die jedermann zu achten hat. Solche Bemühungen der betrieblichen Partnerschaft um den Persönlichkeitswert des arbeitenden Menschen werden i n jedem Betrieb anders sein müssen, so wie die dortigen Arbeitsbedingungen und das davon beeinflußte menschliche Verhalten zueinander die jeweiligen Anforderungen an die partnerschaftlichen Bestrebungen stellen. I m Rahmen dieser Ausführungen seien aus den mannigfachen partnerschaftlichen Bemühungen zwei Erfordernisse herausgestellt, welche die betriebliche Partnerschaft i n jedem Falle grundsätzlich zu erfüllen hat: die Aufgaben der betrieblichen Menschenführung und die organisatorischen

Theorie u n d Praxis der betrieblichen Partnerschaft

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Maßnahmen zur Gewährleistung der Persönlichkeit i m arbeitenden Menschen. Die betriebliche Menschenführung ist eine notwendige Ergänzung zur betrieblichen Personalführung. Sie w i l l sich u m die Weiterentwicklung des menschlichen Charakters bemühen, der auch i n der betrieblichen Arbeit eine wesentliche Rolle spielt und besonders bei jeder Führungsaufgabe i m Betrieb eine unabdingbare Notwendigkeit ist. Früher hat man diesen menschlichen Charakter als Voraussetzung für jede betriebliche Leistung abgelehnt; es war dies die Zeit, i n der man auch glaubte, ohne Seele i m arbeitenden Menschen auskommen zu können. Heute weiß man jedoch wieder, daß der ganze Mensch mit seinem K ö r per, seinem Geist und damit auch mit seiner Seele zur Erstellung einer vollwertigen Arbeitsleistung und für eine befriedigende Zusammenarbeit m i t den anderen Menschen notwendig ist. Diese betriebliche Menschenführung ist dabei nicht nur eine Aufgabe, die jeder Vorgesetzte, besonders auch der Personalchef und der Unternehmer zu erfüllen hat, sondern die auch zwischen allen arbeitenden Menschen der gleichen Arbeitsebene geübt werden muß. Die Möglichkeiten und Notwendigkeiten dieser betrieblichen Menschenführung sind i n der modernen Arbeitswelt sehr zahlreich und mannigfach. I m folgenden seien dafür nur drei Beispiele gebracht: die innere Autorität des Vorgesetzten, die i h m i n der Funktions- und Kompetenzverteilung der betrieblichen Führungsorganisation zugewiesen ist. Sie w i r d i n vielfacher Weise auch durch äußere Kennzeichen dargestellt, so die Ausstattung und Lage des Arbeitsplatzes und Arbeitsraumes, i m Werkstattbereich oftmals auch durch eine eigene Arbeitskleidung. Die Rangabzeichen innerhalb der Führungshierarchie und des damit bedingten Instanzenwesens können auch i m Bürobereich unterschiedlich sein, so der Teppich unter dem Schreibtisch, die Größe des Arbeitsraumes und des Schreibtisches, die Sekretärin i m Vorzimmer usw. Diese äußere Autorität reicht aber nicht, wenn es sich u m Aufgaben der betrieblichen Menschenführung handelt. Sie muß i n diesem Fall vielmehr unbedingt durch die innere Autorität ergänzt werden. Diese begründet sich i m Charakter und i m dadurch bedingten Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Mitarbeitern, dann auch i m eigenen Verhalten gegenüber den jeweiligen Vorgesetzten, gleichgestellten und unterstellten Mitarbeitern. Diese innere Autorität erfordert größere Anstrengungen i m menschlichen Bemühen und Verhalten, als dies bei der nur äußeren Autorität notwendig ist. Der Vorgesetzte braucht keineswegs die volle Handfertigkeit und sonstige Einzelgeschicklichkeit seiner M i t arbeiter, die mit einer bestimmten Arbeit dauernd beschäftigt sind. Er muß aber die dafür notwendige Sachkenntnis und besonders die Fähigkeit des richtigen Unterweisens und Arbeitsordnens besitzen. Damit

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w i r d aber zunächst nur die äußere Autorität bestärkt. Man muß daneben dem Vorgesetzten auch das ehrliche Bemühen anmerken, diese seine Fähigkeiten nicht nur zu seinem eigenen Vorteil, sondern auch i m Interesse all seiner Mitarbeiter i m Betrieb einzusetzen. Dabei erkennt man seinen Charakter m i t dessen verschiedenartigen Merkmalen, wie er auch bei einer systematischen Personalbeurteilung gekennzeichnet wird. Ehrlichkeit i m Umgang mit allen Mitmenschen i m Betrieb und Hilfsbereitschaft bei allen auftauchenden Schwierigkeiten bei der Lösung übertragener Aufgaben sind hervorragende Merkmale dieser inneren Autorität. Da bisher diese innere Autorität i n der regelmäßigen Schulausbildung aller Schulstufen noch nicht genügend beachtet w i r d muß die betriebliche Weiterbildung der Vorgesetzten und besonders des Führungsnachwuchses darauf achten, daß neben der fachlichen auch die menschliche Weiterbildung i n der inneren Autorität genügend gepflegt wird. A u f diese Notwendigkeit ist stets erneut hinzuweisen. Als zweites Beispiel der betrieblichen Menschenführung sei die gegenseitige Einflußnahme zwischen den arbeitenden Menschen gebracht. Diese ist nicht nur zwischen Vorgesetzten und Untergebenen wirksam und ist i m positiven Sinne zu fördern, sondern auch zwischen den arbeitenden Menschen selbst, so zwischen Männern und Frauen i m Betrieb, zwischen Älteren und Jüngeren, zwischen Erwachsenen und Jugendlichen. Diese bewußte Einflußnahme zwischen den arbeitenden Menschen unterscheidet sich dabei von der unbewußten, die zunächst wiederum i m Charakter des Menschen begründet ist. Die bewußte menschliche Einflußnahme geht von der eigenen Persönlichkeit aus. Sie erkennt die eigenen positiven und negativen Einwirkungen, die von jedem Menschen ausstrahlen, was nicht nur i m geselligen oder i m Familienleben spürbar ist, sondern genau so i m Arbeitsbereich. Jeder arbeitende Mensch i m Betrieb müßte wissen, welche positiven Auswirkungen seiner Person auf seine Mitmenschen besonders gestärkt werden sollen und welche negativen Einflüsse, die jeder Mensch ebenfalls besitzt, abzuschirmen sind. Aus einer solchen, gegenseitig menschlichen Einwirkung erwachsen Hilfsbereitschaft und Kameradschaft, Vertrauen zueinander, Sorge u m die Nöte des Mitarbeiters aus dessen persönlichen und familiären Leben. Alle diese Bestrebungen der zwischenmenschlichen Einflußnahme müssen dabei durch die betriebliche A r beitsorganisation und das menschliche Verhalten der Arbeitsgruppe gefördert werden. Diese menschlichen Umwelteinflüsse müssen i m Rahmen der Weiterbildung i n der betrieblichen Menschenführung besonders beachtet und gepflegt werden. Das menschliche Verhalten und seine Einwirkung auf die Mitmenschen ist dabei besonders von dem Charakter und dem Temperament des jeweiligen Menschen abhängig,

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doch kann diese Einflußnahme zwischen den arbeitenden Menschen bewußt gestaltet und geordnet werden. Das dritte der i n diesem Zusammenhang gebrachten Beispiele für die betriebliche Menschenführung sei die soziale Gerechtigkeit. Diese verlangt, daß zwischen allen arbeitenden Menschen die Menschenwürde i m gleichen Ausmaße geachtet wird, daß keinerlei Handlungen vorkommen, welche den einzelnen gegenüber anderen bewußt oder unbewußt benachteiligen. Cliquenwesen, Nepotismus und sonstige Günstlingswirtschaft, Launenhaftigkeit usw. sind gegenteilige Beispiele. So wesentlich die soziale Gerechtigkeit i m Rahmen der betrieblichen Menschenführung ist, so sei doch i n diesem Zusammenhang darauf nicht weiter eingegangen. Diese drei Beispiele mögen genügen, u m die Bedeutung der betrieblichen Menschenführung und die Notwendigkeit, diese besonders zu entwickeln und zu pflegen, herauszustellen. Die Bemühungen u m die Persönlichkeit des arbeitenden Menschen und sein Herauslösen aus der Vermassungsgefahr moderner Technik und Lebensformen verlangen von dem Unternehmer und der gesamten Betriebsführung eine Vielzahl entsprechender organisatorischer Maßnahmen. Ein Partnerschaftsbetrieb w i r d erst dann diesen Bemühungen u m den arbeitenden Menschen gerecht, wenn er neben der Gesinnung i m Menschen auch die entsprechenden organisatorischen Voraussetzungen und zugleich Folgerungen aus diesen partnerschaftlichen Bestrebungen u m die betriebliche Menschenführung zieht. Erst dann w i r d die betriebliche Partnerschaft zu einer institutionellen Einrichtung, die sich loslöst vom Wollen oder Nichtwollen des einzelnen Menschen. Diese notwendigen organisatorischen Maßnahmen des Partnerschaftsbetriebes seien an vier Beispielen herausgestellt: Mitwissen, Mitsprechen und -denken, M i t w i r k e n und Mitverantworten. M i t solchen partnerschaftlichen Organisationsmaßnahmen soll bewußt den Vermassungserscheinungen und deren Folgen i n einer notwendigen Arbeitszerlegung entgegengewirkt werden. Auch für diese vier Zielsetzungen sei aus der Vielzahl der hier vorhandenen Möglichkeiten nur jeweils ein Beispiel herausgestellt. Das Mitwissen zur Stärkung der Persönlichkeit des arbeitenden Menschen läßt die Notwendigkeit des betrieblichen Informationswesens erkennen. M i t ihr soll der geistigen Verengung, wie sie durch die Arbeitszerlegung und Monotonie der modernen Arbeit verursacht werden kann, bewußt organisatorisch entgegengewirkt werden. Das betriebliche Informationswesen soll nicht nur schriftlich, sondern daneben auch mündlich geübt werden. Erst diese letztere Form des betrieblichen Informationswesens läßt das lebendige Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den arbeitenden Menschen entstehen. Zugleich soll damit auch das Blickfeld des einzelnen erweitert werden. Zwei Informationssäulen 9 Betrieb und Gesellschaft

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stehen i n den deutschen Betrieben zur Verfügung: Das Informationswesen über Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß, wie dies bereits gesetzlich verankert ist. Darauf soll i m folgenden jedoch nicht weiter eingegangen werden. Daneben muß i n einem Partnerschaftsbetrieb auch das betriebliche Informationswesen innerhalb der Führungshierarchie und von da bis zur ausführenden Arbeitsebene entwickelt und geübt werden. Dieses Informationswesen muß bewußt die sonst übliche A r beitsanweisung unterstützen und ergänzen. Es soll damit der einzelne arbeitende Mensch wieder den Zusammenhang zwischen seiner spezialisierten Arbeitstätigkeit und der gesamten Arbeit seiner Gruppe, seiner Abteilung und seines Betriebes erkennen können. Er soll weiterhin die Arbeitslage und Beschäftigung seines Betriebes und deren Zusammenhang den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Volks- und W e l t w i r t schaft verstehen lernen und zugleich die Einflüsse zwischen Markt und Öffentlichkeit einerseits und seinem Betrieb andererseits erkennen können. Nachdem die heutige arbeitsteilige Arbeitswelt dem einzelnen diesen notwendigen Gesamtüberblick geraubt hat, muß sie i h m diesen durch das betriebliche Informationswesen bewußt zurückgeben. Erst dann w i r d es dem einzelnen wieder möglich, Zusammenhänge zu erkennen und zu beurteilen, so daß sich seine Arbeitsfreude und A r beitsinitiative entwickeln wird. A u f die verschiedenen menschlichen Schwächen, die beim betrieblichen Informationswesen auftauchen, sei i n diesem Zusammenhang ebenfalls nicht weiter eingegangen. Erwähnt sei nur, daß es manchmal Vorgesetzte gibt, die sich selbst gerne informieren lassen, die aber glauben, ihre Machtstellung i m Betrieb würde geschmälert werden, wenn sie dann ihrerseits das ihnen übermittelte Wissen an ihre unterstellten Mitarbeiter weitergeben würden. Auch haben es vielfach die arbeitenden Menschen erst wieder zu lernen, selbst richtig die ihnen erteilten Informationen zu verstehen und dann i n der Sprache derer, denen sie diese Informationen ihrerseits weitergeben müssen, zu sprechen. Doch gibt es erfreulicherweise heute bereits genügend Möglichkeiten, unterrichtsmäßig die Grundsätze des Informierens zu erlernen. I n Großbetrieben ist es schließlich auch noch notwendig, daß das betriebliche Informationswesen zentral immer erneut ausgelöst und geordnet wird. Das betriebliche Informationswesen w i r d damit zu einem wichtigen Bestandteil der innerbetrieblichen Meinungsbildung. Aus dem Mitwissen w i r d i n einem Partnerschaftsbetrieb bewußt das Mitsprechen und Mitdenken entwickelt werden. Es soll nicht eine einseitige Information von oben nach unten sein, vielmehr muß i n jeder Führungs- und Arbeitsebene i m Rahmen des mündlichen Informationswesens die Aussprache gepflegt werden. Erst dadurch entwickelt sich die Selbständigkeit des denkenden Menschen, wenn er auch seinerseits

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zu den vorgebrachten Überlegungen Stellung nehmen kann. M i t einem solchen Mitsprechen ist aber dann sofort auch das so notwendige und wünschenswerte Mitdenken verbunden. Das betriebliche Informationswesen entwickelt sich auf diese Weise zum betrieblichen Konferenzwesen, zur kollegialen und kooperativen Zusammenarbeit i n den verschiedenen horizontalen aber auch vertikalen Arbeitsbereichen eines Betriebes. A u f diese Weise weitet sich zugleich das betriebliche Informationswesen von oben nach unten aus, zur gleichzeitigen Information von unten nach oben. Das sonst übliche, meist isolierte betriebliche Vorschlagswesen erhält damit neues Leben und zugleich eine erweiterte Bedeutung. Nicht nur sachliche Vorschläge, sondern auch menschliche Informationen von unten nach oben werden zu einer Selbstverständlichkeit, das Betriebsgerücht w i r d i n seiner Wurzel erfaßbar. Auch das betriebliche Konferenzwesen kann heute unterrichtsmäßig erlernt werden, damit die sich sonst einschleichenden menschlichen Schwächen vermieden werden könne. Konferenzen aller Ebenen, gleichgültig ob nur Informationskonferenzen oder auch Entscheidungskonferenzen, müssen richtig m i t Tagesordnung rechtzeitig vorbereitet und einberufen werden, damit sie sodann sachgemäß und m i t möglichst geringem Zeitaufwand durchgeführt werden können. Über ihr Ergebnis ist ein Protokoll anzufertigen, das als Grundlage für die Vorbereitung der folgenden Konferenz dient. Während auf den verschiedenen Führungsebenen tatsächlich eine solche konferenzmäßige Zusammenarbeit i n allen fachlichen und menschlichen Angelegenheiten geübt werden muß, erhält auf diese Weise der Meister und Vorarbeiter die Möglichkeit, seine meist übliche Arbeitsanweisung durch entsprechende ergänzende Erklärungen gemäß seines Mitwissens u m die Zusammenhänge an Überzeugungskraft gewinnen zu lassen. Mitwissen und Mitsprechen haben jedoch keine dauernde Wirkung, wenn damit nicht auch das M i t w i r k e n verbunden ist. Dieses setzt i m Betrieb eine entsprechende Aufgaben- und Zuständigkeitsfestlegung und gegenseitige Abgrenzung voraus, damit nicht nur i n der oberen Führungsebene, sondern auch i n der mittleren und unteren Führungsebene, aber auch i n der ausführenden Arbeitsebene jeder einzelne weiß, was sein besonderes Aufgabengebiet ist und welche Rechte und Pflichten damit für i h n verbunden sind. Funktionsbeschreibungen, Berufsbilder usw. können dafür Hilfsmittel sein. Zweck dieser auch schriftlich i n den Geschäftsordnungen festgehaltenen Aufgaben- und Zuständigkeitsfestlegung ist, jedem seinen eigenen Verantwortungsbereich zu geben, für den er allein zuständig ist und die dafür notwendige I n i tiative zu entwickeln hat. Damit keine Überschneidungen i n diesen Aufgaben und Zuständigkeitsbereichen eintreten können, muß der Ordnungsgrundsatz der Subsidiarität beachtet werden. Der einem M i t 9*

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arbeiter übertragene Aufgabenbereich hat von diesem allein selbständig ausgeübt zu werden, ein Eingreifen des Vorgesetzten ist erst dann zulässig, wenn i m Einzelfall eine besondere Aufgabenausweitung den festgelegten Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich des Betreffenden übersteigt. I n einem solchen Falle hat der zuständige Vorgesetzte nach dem Grundsatz der Subsidiarität sogar die Verpflichtung, helfend einzugreifen. Wenn solche selbständige Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche geschaffen sind, dann hat der einzelne Mitarbeiter i m Betrieb wieder das Gefühl, nicht nur ein ausführendes, sondern auch ein m i t handelndes und mitdenkendes Glied i m Ganzen seines Betriebes zu sein. Schließlich genügen solche Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche für den einzelnen Mitarbeiter i m Partnerschaftsbetrieb nicht, wenn diesem nicht zugleich eine entsprechende Mitverantwortung übertragen wird. Damit w i r d die Verantwortung des Vorgesetzten entsprechend dem Abteilungsprinzip keineswegs geschmälert. Vielmehr verdoppelt sich die Verantwortung, da zu der des Vorgesetzten auch die delegierte Verantwortung des Sachbearbeiters hinzutritt. Solche Verantwortungsbereiche sollen möglichst m i t den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichen entsprechend abgestimmt sein. Erst dann ist es möglich, daß sich die Verantwortungsfreudigkeit und die Verantwortungsbereitschaft der M i t arbeiter i m Betrieb entwickelt. Es können solche Verantwortungsbereiche mit finanziellen Grenzen (limits) ausgedrückt sein oder i n den Kompetenzausmaßen der Organisation und Führungsentscheidung spürbar sein. I n jedem Betrieb und i n jedem Einzelfall hat dies unterschiedlich geregelt zu werden. Denn eine Verantwortungsdelegation darf nicht nur von den institutionellen Voraussetzungen der gesetzten Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche bestimmt sein, sondern genauso von den jeweiligen Menschen, die an den betreffenden Stellen tätig sind. I n diesem Sinne t r i t t zur institutionellen Führungsorganisation die personale Führungsorganisation. Aber erst wenn diese Verantwortungsbereiche dem einzelnen Mitarbeiter vertrauensvoll übertragen sind, kann erwartet werden, daß sich daraus überhaupt das gegenseitige menschliche Vertrauen entwickelt und damit auch die Vertrauensbasis für die berufliche und menschliche Zusammenarbeit i m Betrieb gefunden und gesichert wird, was ein wesentliches Fundament eines Partnerschaftsbetriebes ist. A n diesen vier Zielsetzungen partnerschaftlichen Bemühens, dem Mitwissen, dem Mitsprechen und -denken, dem M i t w i r k e n und der M i t verantwortung sei gezeigt, wie sich die organisatorischen Maßnahmen i n einem Partnerschaftsbetrieb formen und auswirken müssen, damit nicht nur der gute Wille des einzelnen, sondern auch die gesicherte Basis für das gemeinsame Partnerschaftsstreben und -wollen i m Betrieb von allen Beteiligten erreicht werden kann.

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Nicht sei i n diesem Bericht erwähnt die i n einem Partnerschaftsbetrieb außerdem notwendige Partnerschaftsorganigation, um die kleine Gruppenbildung bewußt zu pflegen und damit der Massenwirkung moderner Arbeitsorganisation und gesellschaftlicher Denkweise entgegenzutreten. Auch sei nichts berichtet von dem i n einem Partnerschaftsbetrieb notwendigen Partnerschaftsvertrag, damit die betriebliche Partnerschaft wirklich von einzelnen bewußt gewollt wird, und nicht als eine Gewohnheitserscheinung aufgefaßt werden kann. Daher ist es auch i n einem Partnerschaftsbetrieb einem Neueintretenden nicht ohne weiteres möglich, sofort Partner zu sein; er muß sich nach einer gewissen Wartezeit selbst bewußt dafür entscheiden. Der Jugendliche und auch jeder andere Neueintretende soll sich während einer mehr oder weniger langen Wartezeit selbst prüfen können, ob diese neue Geisteshaltung der betrieblichen Partnerschaft m i t ihrem menschlich vertrauensvollen Zusammenarbeiten für i h n wünschenswert erscheint. Erst dann vermag er seinen Antrag zu stellen, Partner i n seinem Partnerschaftsbetrieb werden zu wollen. Neben den eigentlichen Partnern gibt es daher i n einem Partnerschaftsbetrieb auch stets das sonst übliche Lohn-Arbeitsverhältnis für die Nichtpartner i m Betrieb. A u f Einzelheiten über diese Fragen der betrieblichen Partnerschaft sei jedoch hier nicht weiter eingegangen.

III

Wenn durch diese Umgestaltung zum partnerschaftlichen Zusammenarbeiten die betriebliche Leistung und damit auch der betriebliche Markterfolg gesteigert wird, dann entspricht es der partnerschaftlichen Haltung seitens der Betriebsleitung allen Mitarbeitern gegenüber, diese ebenfalls an dem gesteigerten Erfolg A n t e i l nehmen zu lassen. Die sonst üblichen Überlegungen, daß am Betriebsgewinn nur die Kapitalgeber oder darüber hinaus nur ein engbegrenzter Kreis leitender Personen beteiligt sein könnten, sind für einen Partnerschaftsbetrieb nicht gültig. Denn das partnerschaftliche Zusammenarbeiten aller i m Betrieb und durch das damit geweckte Verantwortungsbewußtsein aller gegenüber ihrer persönlichen Arbeitsleistung und gegenüber den betrieblichen Erfordernissen läßt die früher und auch manchmal heute noch übliche Vorstellung von reinen Lohn-Arbeitsverhältnissen nicht mehr zu. Zum Grundlohn, der als Tariflohn oder als übertarifliche Lohnzahlung i n einem Betrieb verwendet sein mag, t r i t t die Erfolgsbeteiligung; beide zusammen werden oftmals als gerechter Lohn bezeichnet. Die Beteiligung der Mitarbeiter an Leistung und Ertrag eines Partnerschaftsbetriebes darf nicht von den Errechnungsmethoden des Gewinnes abhängig gemacht werden. Die Relativität des betrieblichen

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Rechnungswesens läßt es jederzeit zu, den Gewinn oder den Verlust mittels der verschiedenen Bewertungsmöglichkeiten des Anlage- und des Umlaufvermögens nach Belieben zu gestalten. Die Erfolgsbeteiligung der Belegschaft soll dagegen deren Anteil am Betriebserfolg bemessen, an dessen Entstehen sie zusammen mit dem betrieblichen Kapitaleinsatz beteiligt ist. Gewinn oder Verlust sind dagegen Begriffe, die m i t dem Kapital und der Kapitalrentabilität als Kapitalmehrung und Kapitalminderung i n Verbindung gebracht werden. Nur i n diesem Sinne kann daher einer Gewinnbeteiligung auch eine Verlustbeteiligung entsprechen. Sie ist dagegen für die menschliche Arbeitsleistung nicht möglich. Denn Gewinn oder Verlust, wie er i n der Jahresbilanz einer Unternehmung ausgewiesen wird, entsteht nicht nur aus den Erträgen der betrieblichen Fertigungs- und Absatzleistung, sondern auch durch die Marktpreisschwankungen. Die i m Sprachgebrauch übliche Bezeichnung „Gewinnbeteiligung" ist somit eine Sammelbezeichnung, die besser für die Beteiligung der M i t arbeiter am Erfolg eines Betriebes m i t „Erfolgsbeteiligung" zu ersetzen ist. Bei dieser sind drei Spielarten zu unterscheiden: Leistungsbeteiligung, Ertragsbeteiligung und die kapitalmäßige Gewinnbeteiligung. Die Leistungsbeteiligung geht von der erzielten Arbeitsleistung des einzelnen, einer Arbeitsgruppe oder eines Betriebsteiles aus. Daher sind folgende Formen der Leistungsbeteiligung zu unterscheiden: 1. aus der Gemeinschaftsleistung des Betriebes abgeleitete allgemeine Beteiligung; 2. nach Leistungsgruppen differenzierte Beteiligung; 3. nach Gruppen- oder Einzelleistung abgestufte Beteiligung. Die Leistungsbeteiligung w i r d aufgrund der betrieblichen Kostenrechnung ermittelt. I n der Vorkalkulation bzw. Plankostenrechnung w i r d die nach Qualität und Quantität mittels Richtzahlen festgelegte und vorgegebene Leistung bestimmt und mit der tatsächlich erreichten Mehrleistung bzw. den Einsparungen an Arbeitszeit, Material und Gemeinkosten verglichen. Diese Mehrleistung bzw. Ersparnis dient als Grundlage der Festlegung der Leistungsbeteiligung. Diese Leistungsvorgabe kann i n zweifacher Weise erfolgen. Die einfachere Leistungsvorgabe beschränkt sich auf die Vorgabe von Arbeitszeit und Material, so wie dies bei jeder Arbeitsvorgabe nach dem Refa-System üblich ist. Darüber hinaus kann die Leistungsbeteiligung auch noch ausgedehnt werden auf Kosteneinsparungen, die sich bei einer gesteigerten Leistung aus einem günstigeren Verhältnis zwischen festen und veränderlichen Kostenteilen ergeben. Diese so für den einzelnen oder für eine Arbeitsgruppe ermittelte Ersparnis oder Mehrleistung kann für dieselben Zeitabschnitte ermittelt werden, i n denen die Kostenabrechnung i m

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Betrieb erfolgt. U m den Zusammenhang zwischen der eigenen M i t w i r kung an dieser Ersparnis oder Leistungssteigerung deutlich erkennen zu lassen, ist es zweckmäßig, die Auszahlung bzw. Gutschrift der jeweiligen Leistungsbeteiligungsquote bald nach ihrer rechnerischen E r m i t t lung vorzunehmen. Die für eine Arbeitsgruppe erfaßte Leistungsbeteiligung muß schließlich noch auf die einzelnen Gruppenmitglieder aufgeteilt werden. Dies ist beispielsweise nach Köpfen oder besser nach Lohnsummen möglich. Für die Ertragsbeteiligung ist zunächst festzustellen, daß Ertrag nicht m i t Gewinn verwechselt werden darf. I n der Gewinn- und Verlustrechnung stehen die Erträge auf der rechten Seite, der Gewinn dagegen ergibt sich als Saldo zwischen Aufwand und Ertrag. Der Hauptunterschied zwischen Ertrag und Gewinn ist jedoch folgender: A u f den Jahresgewinn, wie er i n der Handels- und Steuerbilanz ausgewiesen wird, wirken nicht nur die Erträge, also letztlich die am Markte erzielten Erlöse ein, sondern — wenn auch meist i n einem geringeren Ausmaße — die verschiedenen Bewertungseinflüsse, die bei der Bilanzierung m i t berücksichtigt werden. Darauf hat aber die Belegschaft des Betriebes keinen Einfluß, daher muß die Erfolgsbeteiligung vom entsprechend bereinigten Gewinn, also vom Ertrag aus berechnet werden. Diese Ausführungen lassen gleichzeitig erkennen, daß die rechnerische Grundlage für die Ertragsbeteiligung aus der Buchhaltung gewonnen wird. Die Ertragsbeteiligungsquote selbst kann genauso wie die Leistungsbeteiligungsquote i n bar ausbezahlt oder ganz oder anteilig auf einem individuellen Konto des betreffenden Mitarbeiters gutgeschrieben werden. Bei der Ertragsbeteiligung entsteht das sogenannte Zurechnungsproblem durch die Notwendigkeit, Verteilungsschlüssel zwischen den Ertragsanteilen der Eigenkapitalgeber und den Mitarbeitern zu finden, weiterhin einen solchen für den Arbeitsanteil der einzelnen Belegschaftsmitglieder. Zur Stärkung des allgemeinen Vertrauens mag dabei ein einfacher, aber leicht erkennbarer Verteilungsschlüssel zweckmäßiger sein als ein mathematisch besserer. Der für die Aufteilung des Ertrages nach Kapital- und Arbeitsquote notwendige Schlüssel w i r d sich besonders danach richten, ob es sich u m einen kapital- oder arbeitsintensiven Betrieb handelt. Für die Errechnung des Kapitalanteils können das ausgewiesene Bilanzkapital oder das betriebsnotwendige Vermögen bzw. betriebsnotwendige Kapital oder eine Mischung von beiden Größen verwendet werden. Zur Berechnung der Arbeitsquote dienen Umsatz des Betriebes oder Jahreslohnsumme oder ein Mischverhältnis von beiden. Die Anteilsquote des einzelnen Mitarbeiters errechnet sich aus dem gesamten Arbeitsanteil der Ertragsbeteiligung nach den Lohnund Gehaltssummen oder nach der Punktzahl bei der Arbeitsplatzbewertung, oder es werden Dauer der Betriebszugehörigkeit, Verant-

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wortungsbereich usw. punktmäßig zum Lohn hinzugenommen. Hier kann wiederum eine verschiedene Gewichtung zwischen dem Lohn und den übrigen Einflüssen gewählt werden. Bei der individuellen Ertragsauszahlung w i r d der ganze Ertragsanteil oder dessen wesentlicher Teil bar ausgezahlt. Für den Betrieb entsteht damit ein Liquiditätsproblem, wenn i h m dadurch solch wesentliche Ertragsanteile entzogen werden. Daher sind Mischformen sehr häufig, die nur einen fest vereinbarten Teil i n bar auszahlen, den übrigen Teil jedoch individuell i m Betrieb gutschreiben. Der einzelne Mitarbeiter sammelt auf diese Weise eine Kapitalbeteiligung i n seinem Betrieb an. Für letzteren entsteht auf diese Weise eine zusätzliche Finanzierungsquelle. Aus solchen Ertragsgutschriften kann eine kapitalmäßige Gewinnbeteiligung werden, wenn sie als Eigenkapital i m Betrieb verbleiben und i n den darauffolgenden Jahren gewinnberechtigt werden. W i r d dagegen die Form des Fremdkapitals verwendet, dann bringen die folgenden Jahre nur einen festen Zinsendienst. I n verschiedenen Betrieben w i r d diese zusätzliche Gewinnbeteiligung solcher i m Betrieb gutgeschriebener Ertragsgutschriften nur nach einer vertraglich festgelegten Mindestbeschäftigungszeit gewährt, während vorausgehend eine Verzinsung möglich ist. Die kapitalmäßige Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter setzt voraus, wie dies soeben ausgeführt worden ist, daß diese eine Kapitalanlage i m Betrieb besitzen. Diese kann zunächst daraus entstanden sein, daß Teile von vorausgegangenen Leistungs- und Ertragsbeteiligungen i m Betrieb individuell gutgeschrieben worden sind. Eine zweite Entstehungsursache kann i n betrieblichen Schenkungen bei Sonderanlässen des Betriebes liegen, wie Firmen- und Mitarbeiterjubiläum, besondere W ü r digung bestimmter Mitarbeiter, der ganzen Belegschaft oder eines Teiles usw. Oder nach einer bestimmten Mindestbeschäftigungszeit i m Betrieb kann sich der einzelne Mitarbeiter selbst für diesen Zweck geschaffene Kapitalpapiere, wie Kleinaktien oder Zertifikate (bei Einzelfirmen oder Personalgesellschaften) aus seinen Ersparnissen einmalig oder regelmäßig kaufen. Alle diese Kapitalanteile der Mitarbeiter sind i n den darauffolgenden Jahren genauso gewinnbeteiligt wie die der sonstigen Eigenkapitalgeber. Während die so entstehende Kapitalbeteiligung der Belegschaftsmitglieder bei Kapitalgesellschaften rechtlich einfach zu bestimmen ist, fehlen bei Einzelfirmen und Personalgesellschaften noch die entsprechenden Rechtsformen. Man muß sich daher m i t Formen des Darlehensvertrages helfen, wobei ergänzend innerbetrieblich i m Partnerschaftsvertrag eine entsprechende Gewinnbeteiligung vorgesehen werden kann. Die kapitalmäßige Gewinnbeteiligung der Belegschaft ist m i t deren Verlustbeteiligung gekoppelt, denn Eigentum am Kapital läßt Gewinn

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und Verlust zu. Damit i n solchen Verlust jähren jedoch nicht unmittelbar die Kapitalansammlung des einzelnen Mitarbeiters sofort betroffen wird, ist i n manchen Betrieben eine sogenannte Verlustreserve eingeführt. Bis zu einer festgelegten Höhe, z. B. bis zur Höhe eines Monatsverdienstes, w i r d diese Verlustreserve entweder individuell für den einzelnen Mitarbeiter oder generell für die ganze Belegschaft gebildet. Erst nach Ansammlung dieser festgelegten Verlustreserve werden die folgenden Jahreserträge dem eigentlichen Kapitalkonto des betreffenden Mitarbeiters gutgeschrieben. Der Barauszahlungsanteil w i r d durch diese Regelung nicht betroffen. Diese verschiedenen Formen der Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter lassen erkennen, daß die zu wählende Form eng mit den jeweiligen Betriebsverhältnissen zusammenhängt, nicht nur m i t der wirtschaftlichen Lage des Betriebes, sondern auch mit der Sozialstruktur der Belegschaft. Einer schematischen Regelung der Erfolgsbeteiligung wäre jede positive Wirkung einer Erfolgsbeteiligung i m Sinne des gezeigten vertrauensvollen Zusammenarbeitens und der damit verbundenen Stärkung der persönlichen Initiative genommen.

Unternehmensführung zwischen Wettbewerb und sozialer Verpflichtung Von Gert P. Spindler

„53 Millionen aber leben i n einem Hohlraum, dessen Wände aus Zement, Glas und Chrom bestehen und dessen bewegende Elemente die Maschine und der Motor, das Geld und die Arbeit sind. I n diesem Hohlraum aber befindet sich noch der gleiche Nullpunkt wie vor 14 Jahren." Dieses Zitat von Hans Zehrer aus dem Jahre 1959, das ich über die Einleitung zu meinem Buch „Neue Antworten i m sozialen Raum" gesetzt habe, scheint m i r auch heute noch i n vollem Umfange zuzutreffen. Ein großes Unbehagen hat sich der Menschen unseres Landes bemächtigt. Jahrelang hatte man sich an dem wachsenden Lebensstandard berauscht, am schnellen Aufbau der zertrümmerten Städte, an dem, was man das deutsche Wirtschaftswunder genannt hat. Man wollte „keine Experimente" mehr und man tat so, als ob alles i n Ordnung sei. Jetzt spürt man, daß das nicht genügt. Eine Fülle ungelöster Probleme ist sichtbar geworden. Seit man sich bewußt geworden ist, daß die deutsche Teilung nicht m i t freundlichen Redensarten beseitigt werden kann, beginnt man, auch die Unerträglichkeit dieser Situation schmerzhaft zu empfinden. Zu den Illusionen der letzten 15 Jahre gehörten auch die wohltuenden Gedanken, die soziale Problematik sei durch Auto, Fernsehapparat und Kühlschrank bereits beseitigt worden. Es beginnt nun zu dämmern, daß dies ein Trugschluß war. Die Bundesregierung versucht, durch hektisch zusammengebastelte Gesetze, wie das über die breitere Vermögensstreuung, ein paar grobe Löcher i n unserer gesellschaftlichen Struktur zu stopfen. Aber Kenner versichern, daß damit kaum etwas gewonnen wird, außer vordergründigem Publikumsapplaus. Patentrezepte lassen sich freilich schwer finden. Auch ich kann heute nur über Erfahrungen, Tatbestände, berichten und die Möglichkeit praktischer Konsequenzen aufzeigen. Zuerst gilt es, sich darüber klar zu werden, daß der Hintergrund, vor dem sich die weltweite Umwandlung der Gesellschaft vollzieht, der Wettbewerb zwischen westlicher und östlicher Konzeption ist. Dazu

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sagte Chrustschew 1961: „Überlassen w i r es den Völkern und der Geschichte, darüber zu entscheiden, welche Ordnung, die sozialistische oder die kapitalistische, lebensfähiger oder fortschrittlicher ist. Die Völker werden frei wählen und die Ordnung w i r d siegen, welche die materiellen und die geistigen Bedürfnisse der Menschheit besser befriedigen wird." Die Bundesrepublik ist keine Insel. Die Spaltung kennzeichnet unsere Lage. Die heutige Situation ist die Folge industrieller Arbeit und technischer Zivilisation. Viele i m Westen und Osten meinen, daß ihre heutige Auffassung und Gesellschaftsform auch i n Zukunft siegen werden. Das erscheint mehr als fraglich. Beide Ideen sind ihres Nimbus längst entkleidet. Viele lange Zeit für wahrgehaltene Vorstellungen schwanken und brechen zusammen. Ich nenne nur einige Beispiele: Die Fließbandarbeit, die i n den zwanziger Jahren so viele Soziologen und Praktiker i n ihren Auswirkungen beunruhigte, ist längst als eine Durchgangsstation zur Automation erkannt und hat damit ihre Schrekken für die Zuitounft verloren. Der Kommunismus bewies, daß es durchaus möglich ist, die traditionell führende Gesellschaftsschicht -auszuwechseln und trotzdem große wissenschaftliche und wirtschaftliche Leistungen ¡zu vollbringen. Andererseits hat sich gezeigt, daß die Änderung iam Produktionsmittelbesitz (durch Verstaatlichung) die Abhängigkeit der i n der Industrie Tätigen nicht beseitigt, vielmehr, daß sie sogar totaler wird. Aber auch i n der westlichen Welt verlor das Eigentum an den Produktionsmitteln viel von seiner früheren Bedeutung für die Unternehmensführung. Ich brauche dazu nur auf die Aktiengesellschaften und die staatlichen Betriebe zu verweisen. Das Besondere des selbständigen Eigentümerunternehmers ist weitgehend dahin. Die Verfügung über Produktionsmittel ist wichtiger geworden als der Besitz daran. Über 100 Jahre lang ist die Sozialproblematik i n erster Linie materiell gesehen worden, w e i l i n den ersten Jahrzehnten der Industrialisierung die materielle Not der abhängig Arbeitenden am augenfälligsten war. Demgemäß wurde die betriebliche Sozialpolitik i n erster Linie auf eine Betreuung m i t materiellen Hilfen abgestellt. Inzwischen mußte man einsehen, daß sie kaum ein brauchbares Rezept zur Lösung der anstehenden Probleme sind. Sie entehren den Empfänger und machen unfrei. M i t ihnen kann man die abhängig Arbeitenden nicht i n die Gesellschaft integrieren. Der Wohlfahrtsstaat ist ebensowenig eine Lösung wie der Patriarchalismus i m Betrieb, der aus den gleichen Gedankengängen stammt.

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Demgegenüber sind seit Kriegsende neue Begriffe i n die Diskussion geworfen worden und Schlagworte wie Demokratisierung der W i r t schaft, Mitbestimmung, Partnerschaft, Mitunternehmertum. Sie alle zielen auf den Kern der Sozialproblematik: Das Objektdasein der Vielen, der abhängig Arbeitenden i m besonderen. Die Industriegesellschaft ist kompliziert. Sie ist nicht überschaubar. Das aus der Arbeitsteilung notwendig gewordene Spezialistentum schafft Macht durch Wissen. Jeder von uns ist als Staatsbürger an Vordenker ausgeliefert, wenn er sich über einen politischen oder w i r t schaftlichen Vorgang ein eigenes Urteil bilden w i l l . Nicht zuletzt daraus ist die Verstärkung des Sicherheitsbedürfnisses zu erklären, das für unsere Gegenwart so charakteristisch ist. I n den Industrieunternehmungen bestehen aber darüber hinaus noch zusätzliche Abhängigkeiten. Die Existenz, die Weiterentwicklung, die Selbstentfaltung, die Freude an der Arbeit, alles hängt von Entscheidungen und Beurteilungen der Vorgesetzten-Hierarchie ab. Der Mitarbeiter erfährt heute die Unternehmerentscheidungen nur i n ihren Ergebnissen und Auswirkungen an seinem Arbeitsplatz. Neue Maschinen, Veränderungen i m Arbeitsfluß, neue Produkte, seine persönliche Versetzung und Entlassung, alles das sind die Endpunkte eines roten Fadens, dessen Anfang auf dem Schreibtisch des Unternehmensleiters liegt. Der abhängig Arbeitende muß sich nicht nur darauf verlassen, daß diese Entscheidungen wirtschaftlich richtig sind, als Betroffener hat er keinen Einfluß auf sein daher rührendes Schicksal. Das ist menschenunwürdig und erhöht auch sein Sicherheitsbedürfnis. Es bleibt i n der industriellen Arbeit wenig Spielraum für die Mitarbeiter zur Entwicklung eigener Initiative. W i r sollten die Auswirkungen nicht übersehen: Wenn der Wunsch nach verantwortlicher M i t w i r k u n g zurückgewiesen wird, kann sie außerhalb des Unternehmens auch nicht erwartet werden. Wer immer abhängig ist von einseitigen Weisungen, entwickelt sich zum Untertan. Ein weiterer Grund für die Mitbestimmung liegt i n dem Charakter der industriellen Massenfertigung. Sie bietet für die darin Tätigen keinen Inhalt mehr, durch den sich der einzelne m i t seiner Arbeit verbunden fühlt. Sie w i r d zur Erledigung, die Arbeitszeit zur leeren Zeit. Das gilt sicherlich nicht überall i m gleichen Maße. Ein Bauarbeiter zum Beispiel hat noch durchaus die Möglichkeit, seine eigene Tätigkeit und M i t w i r k u n g an einem fertigen Bauwerk zu erkennen oder doch die Verbindung dazu herzustellen. I n einer Maschinenfabrik, i n der eine größere Gruppe einen Apparat für einen bestimmten Zweck zusammenbaut, läßt sich für die daran Beteiligten der Sinn noch durchaus erkennen. Aber schon eine Spinnerin i n einer Textilfabrik, die während ihrer Schicht einige Tausend Kopse abzieht und wieder aufsteckt, oder der Magazinfüller i n einer Automatenweberei, dessen Aufgabe es

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ist, die leer gewordenen Trommelmagazine wieder aufzufüllen, sie können ihre Arbeit kaum mehr als einen bedeutsamen Inhalt ihres Daseins ansehen. Der überall i n der Industrie beklagte Mangel an Idealismus hat hier seine tiefste Ursache. Bei einer Umfrage von Allensbach i m Jahre 1961 ergab sich, daß 7 0 % der Selbständigen v o l l und ganz von ihrer Arbeit befriedigt sind, während nur 44 % bei den Arbeitnehmern das gleiche sagen konnten. René Dubois vom Rockefeller-Institut hat kürzlich erst festgestellt, daß „Mangel an Arbeitsfreude, Ziellosigkeit und mangelnde Befriedigung an der Leistung die Hauptursachen sind für die geistigen und organischen Erkrankungen i m Westen". Wenn der Arbeitsplatz keinen Sinn mehr gibt, dann muß er i m Ganzen wieder erkennbar werden. Der Zusammenhang zwischen Teilarbeit und Gesamtgeschehen ist wieder sichtbar zu machen. Schon Walter Rathenau hat 1919 gesagt: „ W i r d die Verantwortung innerhalb der Verrichtung nebensächlich, so muß sie außerhalb der Verrichtung durch Anteil an der Arbeitsverwaltung gesteigert werden. Die vorläufige Lösung ist das Mitbestimmungsrecht des Arbeiters und Beamten i m Unternehmen." Diese Erkenntnisse des damaligen Qhefs der AEG-Werke werden heute vielfach als Ausgeburten machtlüsterner Eunktionärsgehirne der Gewerkschaften angesehen. Ich verkenne auch keineswegs die Gefahren, die darin liegen, i m Rahmen der überbetrieblichen Mitbestimmung der Gewerkschaftsorganisation zentrale Einflußmöglichkeiten auf die W i r t schaft einzuräumen. Aber die Gefahren sind meines Erachtens weniger dort zu suchen, wo angeblich die Unternehmerinitiative gelähmt w i r d als darin, daß sich Unternehmer und Gewerkschaften auf Kosten der Konsumenten einigen, wie das heute i m Rahmen der Tariffreiheit fast bei jeder Lohnerhöhung bereits stattfindet. Keine Frage ist dagegen, daß die Mitbestimmung, ob inner- oder außerbetrieblich, der Unternehmeraufgabe, wie sie bisher bestanden hat, widerspricht und daß dadurch für den Unternehmensleiter selbst ein Zielkonflikt entsteht. Neben der Gewinnmaximierung, die bisher als die primäre Aufgabe angesehen wurde, soll nun eine Maximierung i n der Erfüllung gesellschaftlicher Anforderungen erfolgen. Was die M i t bestimmung angeht, so erfordert sie vom Unternehmensleiter die grundsätzliche Bereitschaft zur Kooperation und die i n seiner Persönlichkeit liegende Möglichkeit hierzu. Das ist keineswegs jedermanns Sache und viele Unternehmensleiter lassen es daran auch i n der Zusammenarbeit m i t ihren leitenden Mitarbeitern fehlen. A u f die Gefahren, die darin liegen, verwies kürzlich erst Professor Winnacker i n einem Vortrag an der Evangelischen Akademie i n Loccum. Er sagte dort: „Einsame Menschen i n der Unternehmensspitze sind immer ein Risiko

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und außerordentlich gefährlich." Wie recht er damit hat, ist an den Beispielen Schlieker und Borgward hinlänglich bewiesen. Während sich aber die Notwendigkeit einer Teamarbeit i n der Unternehmens-Hierarchie mehr und mehr rundspricht, steht man jeder Form von Mitbestimmung durch die abhängig Arbeitenden schroff ablehnend gegenüber. Man führt dazu an, daß gar kein Bedürfnis dafür bestehe und übersieht dabei geflissentlich die Gesichtspunkte, die ich dabei dargelegt habe. Es geht ja gar nicht i n erster Linie um eine Verbesserung der Sachentscheidungen. Vielmehr kommt es darauf an, daß bei allen wirtschaftlichen Entscheidungen die Belange der abhängig Arbeitenden m i t berücksichtigt werden. Sie sollen zwangsläufig dazwischen sein. Demgegenüber erklärte Dr. Hermann Reusch i m März dieses Jahres i n Düsseldorf, die Mitbestimmung zerstöre die klaren Fronten, die i n der sozialpolitischen Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehen müßten. I n Wirklichkeit sind die Arbeitspartner jedoch aufeinander angewiesen. Keiner kann ohne den anderen einen wirtschaftlichen Erfolg haben. Die Fronten, die heute vielfach bestehen, sind zwischen ihnen aus den verschiedensten Gründen künstlich aufgerichtet und werden nur aus Unverstand gehalten. I m Handwerks« und industriellen Kleinbetrieb, i n denen sich die Partner persönlich kannten, hat es das nie gegeben. Erst der Großbetrieb hat die Entfremdung gefördert und die Organisierung der Fronten herbeigeführt. Sie sind wieder aufzulösen. Die Arbeitsbeziehungen müssen den gemeinsamen Zielen entsprechen. Der Betrieb ist eine Arbeitsgemeinschaft aus Kapital, Unternehmensführung und Mitarbeiterschaft. I h r Zusammenwirken als Partner kann allen dreien erst den gewünschten Erfolg verschaffen. Es mag hier jedoch angeführt werden, daß zwischen dem, was heute unter „Mitbestimmung" bzw. „Partnerschaft" i n der Diskussion ist, ein wesentlicher Unterschied besteht. Die Mitbestimmung, wie sie von den Gewerkschaften gefordert wird, kommt aus einem Mißtrauen von unten nach oben. Die Partnerschaft w i r d durch ein Angebot der Unternehmensführung an die Mitarbeiterschaft, also aus einem Vertrauen, eingeleitet. I m Endergebnis, also i n der Praxis, laufen sie allerdings auf dasselbe hinaus. Bei alldem sollte man nicht übersehen, daß es sich u m neue Methoden handelt, die von allen Beteiligten erst gelernt werden müssen und i n denen es Erfahrungen zu sammeln gibt. Die abhängig Arbeitenden zum Beispiel, die man bisher sorgsam von den wirtschaftlichen Vorgängen fern gehalten hat, müssen erst durch Kennenlernen eine neue eigene Einstellung dazu finden. Hier ist eine Bildungsaufgabe zu lösen. I n unserem Unternehmen, den Paul-Spindler-Werken i n Hilden, haben w i r uns i m Laufe der Jahre viele Mühe gemacht, die Hemmungen

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zu beseitigen, die bei manchen Mitarbeitern bestehen, wenn sie sich i n das neue Gebiet vortasten. A m besten bewährt hat sich eine Methode der Befragung innerhalb einzelner Arbeitsgruppen nach vorliegenden Unklarheiten oder Fragen. Das hat i m Laufe der letzten Jahre dazu geführt, daß zwischen Belegschaft und Geschäftsleitung ein Gespräch über das ganze Unternehmen betreffende Fragen i n Gang gekommen ist als Voraussetzung echter Mitwirkungsmöglichkeiten. Hier ist zu erwähnen, daß es dabei Vorgesetzenprobleme gibt. Mancher fürchtet u m seine Autorität, aber die Praxis zeigt, daß das Ansehen der Vorgesetzten durch Partnerschaft erhöht wird. I n dieser Hinsicht ist übrigens ebenfalls Bewegung i n frühere Vorstellungen gekommen. Herbert Gross hat einmal i n Bad Boll gesagt: „Vorgesetzte müssen die Assistenten der Untergebenen sein." Das ist ein programmatisches Wort. Der Unternehmer, der betriebliche Vorgesetze, der für seine Aufgabe qualifiziert ist, fürchtet keine „Demokratisierung". Wenn man sagt, es gäbe nicht genug solcher Persönlichkeiten für all die vielen Stellen und Aufgaben der Industrie, dann sagt man gleichzeitig, daß die freie westliche Gesellschaftsordnung nicht existenzfähig ist. Natürlich gibt es Grenzen der M i t w i r k u n g und m i t Demokratisierung ist freilich nicht gemeint, ein Unternehmen wie eine parlamentarische Demokratie, also m i t Parlament und Regierung, zu leiten. Es würde für die vielfältigen Anforderungen der Wirtschaft zu unbeweglich sein. Einer muß die Entscheidung fällen. Aber es sollen so viele als möglich dabei mitwirken. Auch bei der qualifizierten Mitbestimmung, wie die Gewerkschaften sie fördern, kann i m Aufsichtsrat keine Seite die andere überstimmen und i m Vorstand ist der Arbeitsdirektor i n einer hoffnungslosen M i n derheit. I n den Partnerschaftsbetrieben kann der Unternehmensleiter zwar auch allein bestimmen, aber er kann sich ein Übergehen der M i t arbeiterbelange oder der Auffassungen ihrer Vertreter nicht leisten, ohne sein Gesicht zu verlieren. Partnerschaft macht eben deutlich, daß sich einer i n des anderen Hand befindet. Z u einer echten Partnerschaft innerhalb eines Industriebetriebes gehört allerdings auch eine materielle Beteiligung der abhängig Arbeitenden. Diese darf jedoch nur i n gleicher Weise erfolgen, wie das bereits heute mit den Kapitalgebern geschieht. Das Maß an Mitverantwortung und Mitrisikotragen, das m i t dem Besitz an Produktionsmitteln verbunden ist, muß auch bei den Neueigentümern Gültigkeit haben und zur Anwendung kommen. Die bisherige Sozialgesetzgebung und die Tarifverträge sicherten dem abhängig Arbeitenden Schutz vor Ausbeutung, seine materielle Exi-

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Stenz, Schutz bei Invalidität und Alter. Die gesellschaftliche Integration wurde dadurch nicht erreicht. Dazu ist notwendig ein aktives Hineinstellen dieses Personenkreises i n die gesellschaftlichen Geschehnisse. I m politischen Raum ist das bereits der Fall, i m wirtschaftlichen ist es i n der Zukunft erst zu erfüllen. Dazu darf man die Neueigentümer nicht privilegieren. Das neue 312,— DM-Gesetz ist demgegenüber auf falschen Wegen. Die Zuwendungen sind nicht ertragsabhängig und leistungsgebunden. Die Bestimmungen sehen eine Gleichmacherei vor, m i t der man keine sozialen Probleme lösen kann. Es kann als typisch für eine völlige Konzeptionslosigkeit angesehen werden und würde den Bundestag wohl nie passiert haben, wenn es nicht als reines Wahlgeschenk gedacht wäre. Demgegenüber sieht die Lösung, die w i r i m Jahre 1951 i n unserem Unternehmen gefunden haben, eine Verlustbeteiligung vor, die aus einer m i t Gewinnen für den einzelnen gebildeten Sollrücklage erfolgt. Da der einzelne i m Verhältnis seines Monatseinkommens zur Summe aller Monatseinkommen am Betriebsergebnis beteiligt wird, ist der Leistungsmaßstab gegeben. Die Abhängigkeit vom Bilanzergebnis bedeutet, daß die Vermögensbildung ertragsabhängig erfolgt. Der neue Weg der innerbetrielblichen Kooperation erfordert bei allen Beteiligten eine neue Einstellung zueinander. Aber der Unternehmer muß den ersten Schritt tun. Seine Aufgabe ist es, nicht nur i m w i r t schaftlichen, sondern auch i m sozialen Bereich anführend zu sein. Es geht nicht weiter an, daß er zu allen Entwicklungen nein sagt, die er als Eingriffe i n seine „geheiligten" Rechte ansieht. Er vergißt dabei, daß das Unternehmen, das er leitet, heute eine so große gesellschaftliche Bedeutung erlangt hat, daß er nicht mehr allein darüber entscheiden kann, wie sein Leitbild aussieiht. Es w i r d in «zunehmendem Maße durch die Gesellschaft formuliert und gestellt. I h r gegenüber ist er für sein Tun und Handeln verantwortlich. Manchmal gehen die Erfordernisse des Wettbewerbs parallel m i t den gesellschaftlichen. Bei der Begabtenförderung zum Beispiel dient die Schaffung von Aufstiegsmöglichkeiten sowohl dem wirtschaftlichen Zweck des Unternehmens als auch der Selbstentfaltung des einzelnen. Wenn eine Preissenkung durchgeführt wird, u m eine Umsatzausweitung zu erreichen, so dient das gleichzeitig den Verbrauchern. Aber schon ein Typenwechsel kann fragwürdig sein. Er kann erforderlich werden zur Verbesserung des Produktes, aber er kann auch den Zweck haben, die Kalkulation und dadurch die Preise undurchschaubar zu machen. Die Unternehmer haben eine gesellschaftliche Schlüsselposition. Sie sind materiell und geistig unabhängig. Das sind keine Privilegien, sondern verpflichtet sie, neue Wege zu beschreiten. Es ist die A u f gabe des Unabhängigen, die Abhängigen so frei als möglich zu machen. 10 Betrieb und Gesellschaft

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I n der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Welt kann nur die westliche dies bieten: Mehr Recht, mehr Unabhängigkeit, mehr Selbstentfaltung für den einzelnen. Nur darin kann sie ihre Überlegenheit dem Kommunismus gegenüber beweisen. Wollen w i r uns der Herausforderung, die die gesellschaftliche Umwälzung an uns richtet, gewachsen zeigen, so werden w i r nicht umhin können, m i t vielem zu brechen, was uns bisher lieb und selbstverständlich war. Aber dazu ist notwendig, daß w i r jene Einstellung überwinden, die Kennedy 1962 so gekennzeichnet hat: „ W i r genießen die Bequemlichkeit einer Meinung, ohne uns der Unannehmlichkeit des Nachdenkens zu unterziehen." Erst aus neuen Erkenntnissen kann der Geist geboren werden, m i t dem die Probleme der industriellen Gesellschaft an der Wurzel gepackt und beseitigt werden.

Realisierung der Vorstellungen über Mitwissen, Mitdenken, Mitwirken, Mitverantworten und Mitbestimmen in der Wirtschaftspraxis Von Adolf Jungbluth

Das was ich Ihnen vorzutragen beabsichtige, ist keine wissenschaftlich-theoretische Abhandlung. Schon die Formulierung des Themas läßt erkennen, daß ich hier als Praktiker angesprochen bin. Ich w i l l Ihnen daher auch als Praktiker eine Darstellung praktischer und praktizierter Maßnahmen geben. I n meinem 1957 erschienenen Buch „Arbeitsdirektor und Betrieb" habe ich auf Seite 11 u. a. geschrieben: „Es w i r d meines Erachtens zuviel darüber geschrieben, wie man es machen sollte, aber zu wenig, wie man es gemacht hat." Ich w i l l Ihnen also darstellen, wie w i r es gemacht haben. Lassen Sie mich aber folgende Bemerkung vorausschicken: Die anstehenden Fragen sind solche der Personalpolitik. Wenn sie i m Unternehmen konzeptionell verstanden werden, sind sie untrennbarer Bestandteil einer Unternehmenspolitik. Personalpolitik bedeutet aber nicht eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, sondern ist der Ausdruck humanitärer Prinzipien. Ich möchte zwei derartige humanitäre Prinzipien ansprechen, und zwar: a) Soll den Mitarbeitern i n ihrer Gesamtheit m i t Vertrauen oder Mißtrauen begegnet werden? Sie wissen, daß es Menschen gibt, die das Prinzip vertreten, grundsätzlich jedem zu mißtrauen, bis sie sich von ihrer Vertrauenswürdigkeit überzeugen konnten und umgekehrt. Ich gehöre zu denjenigen Menschen, die den M u t zum Vertrauen für eine der besten Investitionen i n der Wirtschaft halten. Das sage ich, obwohl ich seit mehr als 17 Jahren meine Position als Arbeitsdirektor wahrnehme und sie m i r glauben werden, daß ich i n dieser Zeit viele Enttäuschungen erlebte. Trotzdem stehe ich nach wie vor und m i t aller Leidenschaft dafür ein, das Vertrauen und den hierfür aufzubringenden M u t als eine der besten Investitionen i m personellen Bereich anzusehen. 10*

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b) Wohlwollen oder Demokratie? Hier meine ich, daß die verschiedensten Partnerschaftssysteme, die letztlich auf Wohlwollen und Menschenfreundlichkeit gegenüber den Belegschaften beruhen, kein ausreichend solides Fundament geben. Dieses Fundament ist für die Zukunft gesehen, sicher tragbarer i n Form einer ehrlich gemeinten Wirtschaftsdemokratie. Es ist erstaunlich, daß bei allem Vorzug, der heute i m allgemeinen i m Staatswesen dem demokratischen System gegeben wird, i n der Wirtschaft so viele Bedenken entgegengestellt werden. W i r wissen nach den hinter uns liegenden furchtbaren Jahren eines „Dritten Reiches" sicher zwischen Demokratie und Autokratie (Diktatur) zu unterscheiden. Sicher ist die Demokratie schwierig und auch teuer. A u f Sicht gesehen aber — und das haben w i r i n den letzten 30 Jahren am eigenen Leibe erlebt — ist letztlich die Autokratie viel schwieriger und viel teurer. Warum also wehrt man sich i n Kreisen der Unternehmerschaft sosehr gegen eine Demokratisierung i n der Wirtschaft? Beliebt ist dort vor allem so etwas wie eine autoritäre Monarchie. Zugegeben: M i t konstitutionellen Zugeständnissen, die aber mehr aus Zweckmäßigkeitsgründen als aus Überzeugung entstanden sind. „Gutsein aus Berechnung" hat das einmal ein Betriebsratsvorsitzender genannt. Die Demokratie fordert: Ehrlichkeit, Offenheit und die Bereitschaft, Schwierigkeiten hinzunehmen, die eine unerläßliche Opposition bereitet. Aber das Ringen, das sich aus der Bereitschaft, diese Schwierigkeiten hinzunehmen, ableitet, ist zumeist einer der besten Garanten, zu einer Bestlösung zu kommen. Lassen w i r also gelten, daß i m modernen Wirtschaftsunternehmen Vertrauen und Bereitschaft zur Demokratie i m Betriebe Bestandteil der i n die Unternehmenspolitik integrierten Personalpolitik sein soll. Wie sieht es also m i t der Realisierung der Vorstellungen über M i t wissen, Mitdenken, Mitwirken, Mitverantworten und Mitbestimmen i n der Wirtschaftspraxis aus? Ich muß wiederum vorausschicken, daß, wenn w i r von demokratischen Prinzipien sprechen, nicht an eine plebiszitäre Anwendungsform sondern an das repräsentative Prinzip gedacht werden muß, also daran, daß die Tagesarbeit m i t der Vertretung der Belegschaft, d. h. dem Betriebsrat abgewickelt wird. Diese Arbeit spielt sich i n erster Linie i n Ausschuß- bzw. Kommissionsarbeit ab. W i r haben i n unserem Unternehmen auf Grund dessen, daß w i r zufolge jahrelanger Erfahrung den Mitgliedern dieser Kommissionen volles Vertrauen entgegenbringen können eine weitgehende Souveränität der Ausschüsse anerkannt und

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uns seitens des Vorstandes lediglich ein gewisses Vetorecht vorbehalten, das w i r allerdings i n den letzten 5 Jahren kaum mehr zu nutzen brauchten. Die Zusammensetzung der Ausschüsse ist i n jedem Fall paritätisch, d. h. 2 oder 3 Unternehmens Vertreter (in jedem Falle Mitarbeiter meines Geschäftsbereiches) und 2 oder 3 Vertreter des Betriebsrates. Ich möchte die wichtigsten dieser Ausschüsse nachstehend aufführen: 1. Der Wirtschaftsausschuß gem. §§ 67, 68 des Betriebsverfassungsgesetzes Viele Unternehmen betrachten die Verpflichtung zur Schaffung eines Wirtschaftsausschusses als eine völlig überflüssige Vorschrift. Dagegen verstehen es kluge Unternehmen, die hierin gegebenen Möglichkeiten sehr sinnvoll i m Interesse des Unternehmens und der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu nutzen. I n unserem Wirtschaftsausschuß sind i n den beiden letzten Sitzungen m i t gutem Erfolg Qualitätsprobleme einer bestimmten Betriebsabteilung und die Probleme der Datenverarbeitung behandelt worden. Natürlich würde es zu weit gehen und den Rahmen meines Vortrages sprengen, wenn ich Ihnen i n jedem Falle mehr als nur Stichworte sagen würde. 2. Die

Einstellungskommission

Hier w i r d die gem. § 61 des Betriebsverfassungsgesetzes gegebene Verpflichtung wahrgenommen, daß die Zustimmung der Belegschaftsvertretung bei Einstellungen eingeholt werden muß. Das ist aber nur eine Formalität. Wichtiger ist, daß sich diese Einstellungskommission m i t der von der Unternehmensleitung erstellten weitsichtigen Personalplanung befaßt, die w i r seit 1958 i n zweijähriger Wiederholung für die jeweils kommenden 10 Jahre erarbeiten. Viele Probleme sind i n diesem Zusammenhang zu diskutieren und viele Anregungen erhalten w i r von der Betriebsvertretung. 3. Die Beförderungskommission gem. §§ 60/63 des Betriebsverfassungsgesetzes Diese gilt selbstverständlich nur für untere Führungskräfte, Vorarbeiter und Meister, allenfalls für Betriebstechniker und Assistenten. Die vieljährige Praxis hat ergeben, daß eine Durchsprache derartiger vorgesehener Beförderungen außerordentlich fruchtbar für das Unternehmen ist. I n jedem Falle werden Gutachten des werkspsychologischen Dienstes und eine Beurteilung des jeweiligen Vorgesetzen zugrunde gelegt.

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Adolf Jungbluth

4. Der Berufsausbildungsausschuß gem. § 56 des Betriebsverfassungsgesetzes Hier werden vordringlich die Schlußfolgerungen der i n Form von Ausbildungsplanungen sich aus der Personalplanung ableitenden Gesichtspunkte diskutiert. Neue Berufe, geänderte Berufe, die Notwendigkeit der Korrektur von Berufsbildern und Prüfungsrichtlinien usw. werden hier mit aller Sorgfalt behandelt. Ebenso werden i n jedem Jahr anhand der Personalplanung die Zahlen der einzustellenden Nachwuchskräfte für die verschiedenen Berufssparten sorgfältig abgewogen. 5. Die

Lohnkommission

gem. § 56 des Betriebsverfassungsgesetzes I n unserem Unternehmen dient der Lohnfindung für den Grundlohn i n jedem Falle die analytische Arbeitsbewertung. Die Lohnkommission befaßt sich über die Behandlung von Einzelfällen hinaus auch m i t den Prinzipien der Arbeitsbewertung, z. B. m i t den Anforderungsmerkmalen, den Gewichtungen und den sich aus der sich wandelnden Arbeitswelt ergebenden Notwendigkeiten einer Änderung i n der Arbeitsbewertung sowie auch m i t den wenigen bei uns noch verwendeten Akkorden und den überwiegend angewandten Produktivitätsprämien. 6. Die

Gehaltskommission

gem. § 56 des Betriebsverfassungsgesetzes Auch für die Angestellten unseres Unternehmens diente die analytische Arbeitsbewertung als Grundlage für die Erarbeitung eines 13-Gruppen-Gehaltstarifvertrages. I n diesem Zusammenhang gibt es viele Probleme zu diskutieren und einem Ergebnis zuzuführen. Auch i m Bereich der Angestellten werden zusätzlich zum Grundgehalt Produktivitätsprämien gezahlt. 7. Der Sicherheitsausschuß gem. § 58 des Betriebsverfassungsgesetzes I m Gegensatz zu den anderen Ausschüssen, i n welchen jeweils einer meiner leitenden Mitarbeiter den Vorsitz führt, habe ich i m Sicherheitsausschuß den Vorsitz selbst übernommen, und zwar aus der Erkenntnis heraus, welche Bedeutung für das Unternehmen der Arbeitssicherheit, d. h. der Unfallverhütung, zukommt. I n diesem Ausschuß werden Sicherheitsprogramme erarbeitet, Probleme sicherheitswidriger Zustände einer Lösung zugeführt und die Frage der Erziehung zum sicherheitsgerechten Verhalten der Belegschaft immer wieder diskutiert.

Mitgestaltung u n d Mitbestimmung der Arbeitnehmer

8. Der Bewertungsausschuß schlagswesen

für

das betriebliche

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Verbesserungsvor-

(Verordnung über die steuerliche Behandlung von Prämien für Verbesserungsvorschläge § 2,1) W i r sind i m Gegensatz zu manchen Unternehmen nicht der Meinung, daß es sich beim Vorschlagswesen lediglich u m ein „psychologisches Ventil" handelt. Vielmehr sind w i r der Meinung, daß i m betriebswirtschaftlichen Sinne dem Vorschlagswesen eine hohe Bedeutung zukommt. So konnten w i r feststellen, daß w i r i n den letzten 5 Jahren i m Jahresdurchschnitt m i t betriebswirtschaftlichen Erfolgen i n Höhe von etwa 1,5 Mio D M pro Jahr zufolge der Verbesserungsvorschläge rechnen konnten. 9. Der Pensionsausschuß gem. § 56 des Betriebsverfassungsgesetzes Vorsitzender ist i n diesem Falle der Prokurist der Sozialabteilung. Hier handelt es sich i n erster Linie um die Abklärung bestimmter Prinzipien, die sich von Zeit zu Zeit aus dem Wandel i n der Sozialgesetzgebung ergeben. 10. Der Ausschuß für Belegschaftseinrichtungen gem. § 56 des Betriebsverfassungsgesetzes Gemeint sind hier die Küchen, Kantinen und Automatenbatterien i n den Betrieben sowie die Wasch- und Umkleideräume usw. 11. Der Ausschuß für Wohnungsvergabe gem. § 56 des Betriebsverfassungsgesetzes Bedenken wir, daß w i r seit 1951 3391 Wohnungen neu gebaut haben und 5290 Wohnungen — unter Einbezug freigewordener Wohnungen — vergeben haben, dann ergibt sich hieraus schon quantitativ der Umfang dieses so bedeutsamen und für das Betriebsklima so entscheidenden Problems. 12. Schließlich nenne ich den Ausschuß für Ordnungsmaßnahmen (gem. § 56/66 des Betriebsverfassungsgesetzes) für Disziplinarfragen. Vorsitzender ist hier mein 1. Prokurist. Bemerkenswert ist, daß hier der Betriebsrat auch bereit ist, sehr unpopuläre Entscheidungen, manchmal harte Entscheidungen, mitzuverantworten und zu stützen. 13. I m Ausschuß für Grundsatzfragen (gem. § sungsgesetzes) führe ich den Vorsitz, als Unternehmensseite w i r k t mein 1. Prokurist ratsseite sind die beiden Vorsitzenden der Mitglieder dieses Ausschusses.

56 des Betriebsverfasweiteres Mitglied der m i t ; auf der BetriebsBelegschaftsvertretung

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Adolf J u n g b l u t h

14. Schließlich nenne ich eine besondere Einrichtung, die nicht m i t den anderen Ausschüssen gleichgesetzt werden kann: das „Arbeitswissenschaftliche Team". Dieses Team, das sich zusammensetzt aus Werksärzten, Arbeitssphysiologen, Arbeitspsychologen, Industriesoziologen, Arbeitspädagogen, Arbeitsökonomen und Sicherheitsingenieuren unseres Werkes, hat die Aufgabe, jede Planungsaufgabe des Unternehmens vor Beginn der Arbeiten nach arbeitswissenschaftlichen Gesichtspunkten zu begutachten und zu lenken 1 . Z u den Sitzungen dieses Arbeitswissenschaftlichen Teams ziehen w i r dann, wenn es vom Thema her zweckmäßig erscheint, ein sachkundiges Mitglied der Belegschaftsvertretuiig hinzu. I m Prinzip unterscheiden w i r nicht streng nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes nach „Anhörung" und „Mitbestimmung", auch gibt es i n diesen Kommissionen keine Abstimmung durch Handaufheben, sondern es besteht das Prinzip, jedes Problem bis zur Übereinstimmung zu behandeln und um eine Übereinstimmung zu ringen. Über viele Jahre hinweg hat sich dieses Prinzip bewährt. Natürlich würde zur Realisierung der mehrmals genannten Fakten eine solche lediglich auf die Belegschaftsvertretung gestützte Arbeit nicht ausreichen. Daher muß auch seitens der Belegschaftsvertretung für eine Weitergabe an die Vertrauensleute und die Gesamtbelegschaft gesorgt werden. Dieses geschieht i n folgender Weise. Über wichtige Kommissions-Entscheidungen berichten die jeweiligen Vertreter des Betriebsrates der einzelnen Kommissionen i n der Sitzung des Gesamtbetriebsrates. Bei besonders schwerwiegenden Fragen w i r d der 500 Personen umfassende Kreis der betrieblichen Vertrauensleute informiert. Der Sicherheitsobmann des Betriebsrates informiert zusammen mit dem Hauptsicherheitsingenieur den ca. 300 Personen umfassenden Kreis der Sicherheitsvertrauensleute, die entsprechend dem Unfallversicherungsneuregelungsgesetz berufen werden müssen. Der Betriebsrat berichtet ferner i n den gem. §§ 41, 42, 43, 44 und 45 des Betriebsverfassungsgesetzes vorgeschriebenen Quartals-Belegschaftsversammlungen über Fragen, die sich für eine Berichterstattung i n diesem Kreise eignen. Die wichtigsten Informationen hierzu bezieht der Betriebsrat aus dem Wirtschaftsausschuß und aus den Informationen, die i h m der Vorstand (insbesondere der Arbeitsdirektor) zu diesem Zweck vermittelt. 1 „Arbeitswissenschaftliche Gesichtspunkte f ü r die Gestaltung industrieller Anlagen und für den Personaleinsatz", Mainz 1964.

Mitgestaltung u n d Mitbestimmung der Arbeitnehmer

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Der Vorstand selbst gibt darüber hinaus am Ende eines jeden Jahres einen ausführlichen Bericht über das abgelaufene Geschäftsjahr; dieser Bericht w i r d ergänzend zu den kürzeren Quartalsberichten i n vollem Wortlaut i n der Werkszeitung veröffentlicht. Der Werkszeitung kommt i m Rahmen der Realisierung der zur Diskussion stehenden Vorstellungen selbstverständlich eine große Bedeutung zu. Hier ist das bestgeeignete Mittel, dem legitimen Bedürfnis der Belegschaften nach Information Rechnung zu tragen. Berichtet w i r d laufend über folgende Themen: Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens Die Marktentwicklung i m Wirtschaftsbereich Die Produktionsentwicklung i m Unternehmen und i n einzelnen Betrieben des Unternehmens Die Investitionsabsichten des Unternehmens Pläne über Produktionsausweitung und Qualitätsveränderungen aber auch über: Probleme des europäischen Marktes Messebericht. Ein besonders interessanter Beitrag i n der Werkszeitung ist das sich i n etwa 2 Monaten wiederholende „Aktuelle Gespräch". Dieses beruht darauf, daß der Arbeitsdirektor einzelne leitende Mitarbeiter an einem Abend zu einem Glas Bier einlädt und m i t ihnen akuelle Probleme des Betriebes unter Hinzuziehung einiger Mitarbeiter aus der Lohnempfängerbelegschaft diskutiert. Das Ergebnis dieses Gespräches w i r d zumeist wörtlich i n der Werkszeitung wiedergegeben. Es stehen durchweg folgende Probleme an: Betriebswirtschaftliche Fragen Bildungs- und Ausbildungsfragen Disziplinarfragen („heiße Eisen") Sicherheits- und Gesundheitsfragen Konfrontation von Kommunal- und Betriebspolitik Generationenprobleme usw. Die Werkszeitungs-Redaktion bemüht sich auch u m Interviews mit Persönlichkeiten, die zu besonderen Fragen Aussagen machen, z. B. Vermögensbildung i n Arbeitnehmerhand Privatisierung bundeseigener Unternehmen Mitbestimmung (die Meinung der Anteilseigner-Vertreter i m A u f sichtsrat).

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Die Redaktion erhält viele Zuschriften, die sie immer veröffentlicht, es sei denn, daß es sich u m anonyme Anrempeleien handelt. Z u erwähnen sind auch die verschiedenartigsten Lehrgänge, die zur Realisierung des Mitwissens und Mitdenkens unerläßlich sind. Auch hier nenne ich wieder ohne lange Abschweife folgende Maßnahmen: Vorarbeiter- und Meisterkurse (600 Personen) m i t wechselndem Thema, Schulung der Betriebsratsmitglieder und Vertrauensleute i n arbeitsund sozialpolitischen Fragen, Monatliche Schulung der Sicherheitsvertrauensmänner, Schulung der Ingenieure, insbesondere der Jungingenieure, Kolloquien m i t Betriebs- und Abteilungsleitern, Informationstagungen für leitende Angestellte. Es muß ausdrücklich gesagt werden, daß i n keinem dieser Fälle derartige Lehrgänge i n „soziale Mätzchen" abgleiten. Der Betrieb ist eine ernste Angelegenheit und so müssen auch alle Fragen, die mit dem Betrieb i m Zusammenhang stehen, ernsthaft behandelt werden. Eine der besten Maßnahmen zur Realisierung des Mitwirkens der Belegschaft ist das betriebliche Vorschlagswesen. W i r bemühen uns sehr darum, auch das letzte Belegschaftsmitglied zur M i t w i r k u n g i n diesem Rahmen zu gewinnen. Wichtig ist hier aber die Einstellung der Führungskräfte, die Vorschläge fördern und nicht bremsen dürfen. U m Vorurteile auf der Ebene unserer Vorgesetzten abzubauen, haben w i r folgende Maßnahmen durchgeführt und seit Jahren praktiziert: a) Die Meister, aus deren Bereich i n jedem Jahr die meisten Vorschläge gekommen sind, erhalten am Ende eines Kalenderjahres ein Anerkennungsschreiben des Vorstandes, welches i n der Werkszeitung veröffentlicht wird. b) Der Arbeitsdirektor zahlt alle Prämien, die über 250,— D M liegen, an Einsender persönlich i n seinem Büro aus. I n jedem Falle w i r d der Betriebsleiter gebeten, hierbei zugegen zu sein. Er nimmt eine Gratulation des Arbeitsdirektors für seinen tüchtigen Mitarbeiter entgegen. Besondere Bedeutung aber dürfte das Prinzip der Delegation von Aufgaben haben. Es muß tatsächlich ein Prinzip sein, damit es vom Vorstand bis zum Vorarbeiter funktioniert. Aufgaben delegieren ist eines der Hauptthemen bei der Vorgesetztenschulung. Auch hier würde es wiederum zu weit gehen, wollte ich anhand von Beispielen die vielen Fälle erläutern, i n welchen bis hinunter zum Lehrling das Prinzip der Aufgaben-Delegation praktiziert wird. Schließlich spielt sich dieses

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Prinzip auch darin wieder, daß Rat eingeholt w i r d von allen Führungskräften bis auch hinunter zum Facharbeiter, Hier möchte ich lediglich als Beispiel aufführen, daß bei der Überarbeitung der Berufsbilder für unsere Lehrberufe mehrere qualifizierte Facharbeiter ratgebend eingeschaltet werden. Die Betriebsleiter führen monatlich regelmäßige Gespräche durch, die a) mit dem örtlichen Betriebsrat, m i t Meistern und Sicherheitsvertrauensmännern durchgeführt werden b) i n Form von Produktionsbesprechungen m i t Assistenten, Meistern und Vorarbeitern und c) i n Form von Kostenbesprechungen, ebenfalls mit dem vorgenannten Personenkreis. I n diesem Zusammenhang darf der Aufsichtsrat eines Unternehmens, sei es ein solcher nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder nach dem Mitbestimmungsgesetz, nicht außer acht gelassen werden. Viele Unternehmen betrachten die Verpflichtung zur Einbeziehung von Arbeitnehmervertretern i n den Aufsichtsrat als ein „lästiges Übel". Ich halte dies für ausgesprochen falsch. Schaltet man auf positive Einstellung um, w i r d man bald erkennen, wie wertvoll die Betriebserfahrungen der Belegschaftsmitglieder bei vielen Beratungen i m Aufsichtsrat sein können, z.B. bei Investitionen, bei Bauabsichten usw. Natürlich setzt es voraus, daß Minderwertigkeits-Empfindungen der Belegschaftsmitglieder nicht gefördert sondern abgebaut werden. Die ungewöhnlich guten Erfahrungen, die mit Aufsichtsräten, die nach dem Mitbestimmungsgesetz paritätisch besetzt sind, gemacht w u r den, sind häufig von Vertretern der Kapitalseite nachdrücklich bestätigt worden. Sehr positiv wurde immer wieder die M i t w i r k u n g und insbesondere die hohe Verantwortungsfreudigkeit der Arbeitnehmervertreter hervorgehoben. Schließlich ist es nicht zu verkennen, daß gerade die Arbeitnehmervertreter i n den Aufsichtsräten gegenüber der Belegschaft bei mancher Beschlußfassung der Verantwortung unmittelbar am nächsten sind, so z. B. bei Investitionen. Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen: Jedes Mitdenken und M i t w i r k e n der Arbeitnehmer ist i m allgemeinen so gut und jede Bereitschaft zur Mitverantwortung geht so weit, wie es der Belegschaft aus ehrlichem Willen dargeboten und ermöglicht wird.

Vermögensbildung für Arbeitnehmer als Bestandteil gewerkschaftlicher Einkommenspolitik Von Herbert Ehrenberg

Das Ziel der gewerkschaftlichen Einkommenspolitik war und ist eine Veränderung der Einkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer. I n der Bundesrepublik Deutschland, die nach der Verfassung ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat zu sein hat, ist die Ausgangsposition für die wirtschaftliche Entwicklung durch das Datum der Währungsreform vom 20. Juni 1948 deutlich markiert. Die A r t der Währungsreform hat allerdings auch die Ausgangssituation gleich zweimal zu Lasten der Arbeitnehmer verfälscht. a) Durch die Bevorzugung der Sachwertbesitzer, durch die Praxis der Währungsreform und b) durch die 4 Monate später als die Preisfreigabe erfolgende A u f hebung des Lohnstops. Dieser Vorsprung der Unternehmer war durch die gewerkschaftliche Lohnpolitik bis heute nicht einzuholen, denn die konventionelle Lohnpolitik der Gewerkschaften ist ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten nach auf eine Veränderung der Nominallöhne beschränkt. Wieweit eine durch neue Tarifabkommen herbeigeführte nominelle Erhöhung der Löhne und Gehälter auch zu einer Verbesserung der Realeinkommen der Arbeitnehmer führt, hängt von verschiedenen anderen Faktoren ab 1 , vor allem von dem Wettbewerbsgrad an den Konsumgütermärkten, dem Stand der Außenhandelsbilanz und der Einkommensverwendung der Arbeitnehmer. A u f die beiden ersten Komponenten haben die Gewerkschaften keinen direkten Einfluß; sie können lediglich von der Regierung eine entsprechende Wirtschaftspolitik fordern. Und auch der dritte Aspekt ist bestenfalls indirekt, durch sozialpädagogische A k t i v i t ä t z. B., beeinflußbar. Die Doppelstellung i m volkswirtschaftlichen Kreislauf als betriebliches Kostenelement einerseits und wichtigster Nachfragefaktor an den Konsumgütermärkten andererseits, bringt es mit sich, daß eine dauerhafte Erhöhung des Anteils der Arbeitnehmer am Sozialprodukt über 1

Vgl. Ehrenberg-Spiegelhalter,

„ L o h n p o l i t i k heute", Stuttgart 1963, S. 35 ff.

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Herbert Ehrenberg

die nominelle Lohnpolitik nur mit Hilfe einer aktiven Wettbewerbspolitik möglich erscheint 2 . Eine Wirtschaftspolitik dieser A r t hat es i n der Bundesrepublik nie gegeben, wenn überhaupt wirtschaftspolitische A k t i v i t ä t gezeigt wurde, waren es — von der einzigen Ausnahme der Aufwertung der Deutschen Mark i m Frühjahr 1961 abgesehen — Maßnahmen zugunsten der Produzenten. (Das läßt sich vom DM-Bilanzgesetz über die Einführung der „Siebener-Gruppe" i n das Einkommensteuergesetz und das Investitionshilfegesetz bis zum Steueränderungsgesetz 1965 nachweisen.) Waren damit aber schon jeder Veränderung der Einkommensstruktur durch die gewerkschaftliche Lohnpolitik relat i v enge Grenzen gesetzt, so blieb die Vermögensstruktur so einseitig, wie die Weichen bei der Währungsreform gestellt wurden. Diese Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Startbedingungen bei Selbständigen und Unselbständigen 1948 und der Benachteiligung der Arbeitnehmer durch Wirtschaftspolitik und Steuergesetzgebung mit den Tendenzen zur Fortsetzung der einseitigen Vermögensakkumulation wurden schon früh erkannt. Bereits 1950 stellte der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium i n seinem Gutachten über „Struktur- und konjunkturpolitische Fragen der Einkommensverteilung" unter anderem fest: „ Z u einer sozialen Marktwirtschaft gehören eine befriedigende Einkommens- und Vermögensverteilung, alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen müssen diesem Erfordernis Rechnung tragen." Dieses Gutachten wurde freilich erst 1953 veröffentlicht, nachdem bereits 1952 i m Dortmunder Aktionsprogramm der SPD „eine aktive Eigentumspolitik zugunsten der wirtschaftlich Unselbständigen" gefordert worden war und 1953 auch das „Hamburger Programm" der CDU von der Notwendigkeit der „Bildung von persönlichem Eigentum für breite Schichten des Volkes,, sprach. Seit dieser Zeit ist das Thema „Vermögensbildung i n Arbeitnehmerhand" nicht mehr aus der öffentlichen Diskussion verschwunden; es würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, ¡hier aiuch rnur den Versuch einer Aufzählung der verschiedenen Pläne und Forderungen zur Lösung dieses Problems zu unternehmen. 2 Nach den m i t Hilfe der elektronischen Rechenmaschine L P G 30 v o m I n s t i t u t für angewandte Mathematik der Universität Bonn durchgeführten Berechnungen Krelles ist der Monopolgrad der Volkswirtschaft einer der entscheidenden Parameter f ü r die Möglichkeiten zur Ausdehnung des A n teils der Arbeitnehmer a m Sozialprodukt. Während bei vollkommener K o n kurrenz — ceteris paribus — eine Ausweitung des Arbeitnehmeranteils auf 86 v.H. möglich erscheint, sinkt dieser A n t e i l schon bei einem Monopolgrad

von 0,2 auf 50 v.H. Vgl. Wilhelm Krelle, „Verteilungstheorie", Tübingen 1962, Seite 250.

Vermögensbildung gewerkschaftliche Einkommenspolitik

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Die mehr als zehnjährige Grundsatzdiskussion füllt inzwischen B i bliothekswände aus, aber die praktischen Ergebnisse sind minimal. Bis heute gibt zwar die amtliche Statistik über die Vermögensbildung i n der Bundesrepublik nur beschränkt Auskunft 8 , aber die Daten aus den vorliegenden Untersuchungen wissenschaftlicher Institute sind umfassend genug, u m die Einseitigkeit der Akkumulation aufzuzeigen. Nach dem i m Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellten Gutachten von Föhl 4 haben von 1950 bis 1959 i n der Bundesrepublik die öffentliche H a n d die privaten Haushalte Einzelunternehmen und Personengesellschaften Kapitalgesellschaften

108,0 M i l l i a r d e n D M 78,1 M i l l i a r d e n D M 74,6 M i l l i a r d e n D M 40,3 M i l l i a r d e n D M

Vermögen gebildet. Die Vermögensbildung i n den privaten Haushalten verteilt sich wie folgt: 2.8 3.9 6,6 5,2

Millionen Millionen Millionen Millionen

Selbständigenhaushalte Angestelltenhaushalte Arbeiterhaushalte Haushalte der Rentner und Pensionäre

37,5 Mrd. D M 21,7 M r d . D M 9,3 M r d . D M 9,6 M r d . D M

Die Durchschnittsrechnung pro Haushalt ergibt i n diesem Zeitraum eine private Vermögensbildung von D M 1 600,— D M 1 950,— D M 6 000,— D M 13 000,— D M 40 000,—

bei Arbeiterhaushalten bei den Haushalten der Rentner u n d Pensionäre bei Angestellten u n d Beamtenhaushalten bei Selbständigenhaushalten i n den Selbständigenhaushalten, w e n n man hier die Vermögensbildung i n Personengesellschaften u n d Einzelunternehmen hinzurechnet.

Hieraus ergibt sich, daß von 1950 bis 1959 17 v.H. aller Haushalte rund drei Viertel des Vermögenszuwachses erhielten. Aber es ist noch darauf hinzuweisen, daß die Vermögensbildung von 40,3 Milliarden D M i n den Kapitalgesellschaften i n die obige Rechnung nicht einbezogen ist. Der überwiegende Teil wäre auch hier sicher den Selbständigenhaushalten zuzurechnen, nur gibt es über den Verteilungsschlüssel auch bei Föhl keine Angaben. Auch das so unvollständige Zahlenmaterial zeigt deutlich, daß die Einkommens- und Vermögensverteilung i n der Bundesrepublik mit den 8 Sowohl die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes als auch die Berechnungen der Deutschen Bundesbank unterteilen die Vermögensbildung lediglich nach privaten Haushalten, Unternehmen u n d öffentlicher H a n d ; aber entscheidend ist die Aufgliederung der privaten Haushalte. 4 Carl Föhl, „Kreislaufanalytische Untersuchung der Vermögensbildung i n der Bundesrepublik u n d der Beeinflußbarkeit ihrer Verteilung", T ü b i n gen 1964.

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Herbert Ehrenberg

Erfordernissen eines sozialen Rechtsstaates unvereinbar ist. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung, die sich auf Sparförderungen beschränkten, können allein das Problem nicht lösen. I n einer sozialen Marktwirtschaft fällt die Entscheidung über die Einkommensverteilung an den Verhandlungstischen der autonomen Tarifvertragsparteien. Da Vermögen nur aus Einkommen gebildet werden kann, bestimmt somit die Einkommensverteilung (und -Verwendung) auch die zukünftige Vermögensstruktur. Eine Änderung der ungleichmäßigen Vermögensverteilung ist also unter Aufrechterhaltung der bisherigen Wirtschaftsprinzipien nur zu erwarten, wenn die Gewerkschaften sich dieses Problems annehmen. Von diesen Bedingungen ausgehend hat die Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden ihre Lohnpolitik zu einer umfassenden Einkommenspolitik erweitert. Einer Einkommenspolitik, deren Kernpunkt eine aktive Lohnpolitik bleibt und bleiben muß, die aber u m Sozialverträge — u m auch jene Kollegen i n die einkommenspolitische A k t i v i t ä t einzubeziehen, die nicht mehr aktiv i m Arbeitsprozeß stehen — und um aktive Vermögenspolitik erweitert worden ist. Die bestehenden Sozialverträge i m Baugewerbe sind bekannt. M i t ihnen ist den i m Baugewerbe Beschäftigten über die gesetzlichen Einrichtungen hinaus Sicherheit vor den Wechselfällen des Lebens gegeben worden. U m die vermögenspolitische Aufgabe zu lösen, hat die Industriegewerkschaft BauSteine-Erden i m September 1964 den Arbeitgeberverbänden des Bauhauptgewerbes ein „Programm zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer i m Baugewerbe" unterbreitet. Das öffentliche Echo auf diesen Vorschlag war erstaunlich positiv. Vertreter der Wissenschaft und Kirchen, Politiker und Gewerkschaftler beteiligten sich an der Diskussion und sahen i n diesem konkreten Vorschlag eine Lösung des Problems. Wenige Wochen nach der Veröffentlichung dieses Vorschlags gab das Kabinett dem Bumdesarbeitsminister i u m den Eilauftrag, eine Neufassung des seit 1961 bestehenden „Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer" vorzubereiten. Wichtigster Punkt der Neufassung sollte die Aufhebung der seit 1961 bestehenden Diskriminierung der Tarifverträge durch das Vermögensbildungsgesetz sein. Eine Ausdehnung der Steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vergünstigungen des Vermögensbildungsgesetzes auf Leistungen aus Tarifverträgen war i m Bundesarbeitsministerium schon lange geplant worden, doch niemand gab i m Sommer 1964 dem Bundesarbeitsminister die geringste Chance, seine Vorstellungen i m Kabinett durchsetzen zu können. Erst die positive Reaktion der öffentlichen Meinung auf den Vorschlag der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden veränderte hier die Situation.

Vermögensbildung gewerkschaftliche Einkommenspolitik

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Knapp ein halbes Jahr nach der ersten Veröffentlichung des Vorschlages zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer i m Baugewerbe ist i m Bauhauptgewerbe ein Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen vereinbart worden. Durch diesen Tarifvertrag werden die Arbeitgeber verpflichtet, 9 Pfennig je Arbeitsstunde zur Vermögensbildung der Bauarbeiter aufzubringen, wenn der einzelne Beschäftige sich bereit erklärt, selbst 2 Pfennig je Arbeitsstunde vermögenswirksam anzulegen. Die Anlage der M i t t e l kann nur nach der freien Entscheidung des Arbeitnehmers entsprechend den Wahlmöglichkeiten des „Zweiten Vermögensbildungsgesetzes" erfolgen. Diese Vereinbarung ist das Ergebnis der Bemühungen, für die Vermögensbildung der Arbeitnehmer i m Baugewerbe eine diesem W i r t schaftszweig angemessene Lösung zu finden. I n der Diskussion u m das Problem der Vermögensbildung i n Arbeitnehmerhand hatte die Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden vier Punkte herausgestellt, die unbedingt zu erfüllen waren, wenn i m Wege des Tarifvertrages eine wirksame Vermögensbildung der Arbeitnehmer erreicht werden soll: 1. Es muß eine tarifvertragliche Regelung sein, 2. die Vereinbarung muß f ü r alle Arbeitgeber u n d alle Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweiges gelten, 3. Vermögens wirksame Leistungen müssen zusätzlich erbracht werden, d. h. die jeweils möglichen Lohnerhöhungen dürfen von den v e r mögenswirksamen Leistungen nicht berührt werden. M i t der A n lage der M i t t e l ist ein Beitrag zur Geldwertstabilität zu leisten, 4. eine Einschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darf nicht stattfinden.

Diese Bedingungen werden durch den abgeschlossenen Tarifvertrag erfüllt. Die Tarifvertragsparteien sind übereingekommen, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu beantragen, so daß sichergestellt ist, daß alle Arbeitgeber zu der vermögenswirksamen Leistung verpflichtet sind. Die zwei Pfennig Eigenleistung des Arbeitnehmers bedeuten keine Einschränkung des Lebensstandards, sondern lediglich eine A r t materielle Bereitschaftserklärung, m i t der der Arbeitnehmer mitteilt, daß er an der Vermögensbildung teilnehmen w i l l (unter Berücksichtigung der eingesparten Steuern und Sozialversicherungsabgaben sind es netto 57 Pfennig je Woche). Die vermögenswirksamen Leistungen sind unabdingbar; sie können durch Barzahlungen nicht abgegolten werden. Alle Leistungen werden i n die bei der Loihnausgleichskasse des Baugewerbes geführten Lohnnachweiskarten eingetragen. Somit ist sichergestellt, daß der Vertrag erfüllt wird, und es konnte auf eine zentrale Einrichtung zum Einzug der Gelder (Fonds) verzichtet werden. Die jetzt gefundene Lösung bat den Voraug, daß jeder Zwang tziur Vermögen^bildumg vermieden wird. U

Betrieb und Gesellschaft

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Herbert Ehrenberg

M i t diesem Tarifvertrag i n der Bauwirtschaft ist der erste Schritt i n wirtschafts- und sozialpolitisches Neuland getan. Die Ausdehnung der konventionellen Lohnpolitik zu einer umfassenden Einkommenspolitik der Gewerkschaften erweiterte die Möglichkeiten der Tarifpolitik. Aber auch den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen i n einer wachsenden Wirtschaft w i r d m i t dieser Einkommenspolitik Rechnung getragen. W i r leben i n einer Industriegesellschaft mit beständigem technischen und wirtschaftlichen Fortschritt. I n dieser hochgradig industrialisierten Wirtschaft ist auf die Dauer die Erhaltung der Vollbeschäftigung nur zu erwarten, wenn ein kontinuierliches wirtschaftliches Wachstum gesichert ist. Nur bei entsprechend hohen Wachstumsraten besteht die Gewähr, daß die durch technischen Fortschritt und weitergeführte Rationalisierungen freigesetzten Arbeitskräfte anderweitige Beschäftigungen finden. Hohe Wachstumsraten erfordern aber entsprechend hohe Investitionen, die wiederum den Kapitaleinsatz pro Beschäftigten laufend erhöhen. Diese notwendige Entwicklung w i r d aber auf lange Sicht nur dann gesichert sein, wenn auch die Arbeitnehmer investitions- und wachstumsbewußt werden. Das ist aber nicht zu erwarten, solange sie — wie bisher — vom wirtschaftlichen Vermögenszuwachs ausgeschlossen sind. Ziel der gewerkschaftlichen Einkommenspolitik muß darum sein, die Beteiligung der Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Vermögenszuwachs sicherzustellen. M i t den Tarifverträgen i n der Bauwirtschaft und dem Zweiten Vermögensbildungsgesetz sind die ersten Schritte hierzu getan. M i t diesen Schritten ist für jedermann deutlich gemacht, daß die autonomen Tarifvertragsparteien sich des Problems der Vermögensbildung i n Arbeitnehmerhand angenommen haben. Der Staat hat durch die steuerrechtliche Begünstigung und die Befreiung von den Sozialversicherungsabgaben Hilfestellung bei der Lösung dieses Problems für den einzelnen gegeben. Dabei allein kann es nicht bleiben. Es ist notwendig, die gesamte Wirtschafts- und Finanzpolitik stärker als bisher auf die Vermögensbildung i n Arbeitnehmerhand auszurichten, denn es kann nicht genügen, durch Tarifverträge für die Arbeitnehmer zusätzliche vermögenswirksame Leistungen zu vereinbaren; es ist weiter nötig, das Vermögensbewußtsein auf breiter Basis zu wecken und weiterzuentwickeln. Wichtigste Voraussetzung für ein i n die Zukunft gerichtetes vermögensbewußtes Denken ist aber die Stabilität des Geldwertes. Diesem bisher vernachlässigten Ziel hat sich i n Zukunft die Wirtschaftspolitik besonders anzunehmen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sowohl die Versäumnisse der gegenwärtigen Bundesregierung bei der Verfolgung dieses Zieles deutlich herausgestellt als auch konkrete Vorschläge zu einer besseren Wirtschaftspolitik gemacht: „Was dem Wachstum und der

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Geldwertstabilität zugleich förderlich ist, dient mittelbar auch dem Ziel stärkerer Vermögensbildung bei den breiten Schichten. Denn je größer der wachstumsbedingte Produktivitätsfortschritt ist, u m so mehr steigen das Niveau der Reallöhne und die Fähigkeit zum Sparen; den Willen zum Sparen aber erhöht ein stabiler Geldwert 5 ." M i t dieser Feststellung haben die Sachverständigen i n aller Deutlichkeit auf die große Bedeutung der Vermögensbildung i n Arbeitnehmerhand, aber auch auf die Aufgaben der künftigen Wirtschaftspolitik hingewiesen. Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen i n Richtung auf eine gerechtere Vermögensverteilung bei Sicherstellung des künftigen Investitionsbedarfs werden sich erst allmählich zeigen. Dazu bedarf es der Ausdehnung der tariflich gesicherten vermögenswirksamen Leistungen auf andere Wirtschaftszweige. Aber der Anfang ist gemacht. I n der Bundesrepublik Deutschland ist die Frage einer besseren Vermögensstruktur besonders prekär. A n dieser politischen Nahtstelle zwischen Ost und West ist es dringend notwendig, i m wirtschaftlichen und sozialen Bereich eine echte Alternative gegenüber den totalitären Wirtschaftsformen des Ostens, aber auch gegenüber überkommenen Wirtschaftsstrukturen des 19. Jahrhunderts zu schaffen. Zu den wesentlichsten Voraussetzungen hierzu gehören, daß der Besitz von Bildung und der Besitz von Vermögen nicht länger das Privileg einer kleinen Minderheit bleiben.

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Jahresgutachten 1964/65, Ziffer 253.