Besonderes Schuldrecht des BGB: Das Schuldrecht des BGB. Zweiter Band. Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Zehnte Abteilung, zweiter Teil, zweiter Band. Hrsg. von Karl Binding [1 ed.] 9783428563128, 9783428163120

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Besonderes Schuldrecht des BGB: Das Schuldrecht des BGB. Zweiter Band. Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Zehnte Abteilung, zweiter Teil, zweiter Band. Hrsg. von Karl Binding [1 ed.]
 9783428563128, 9783428163120

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Besonderes Schuldrecht des BGB Von Franz Leonhard

Zweiter Band

Duncker & Humblot reprints

Systematisches Handbuch der

Deutschen Rechtswissenschaft Unter

Mitwirkung

der Professoren Dr. Heinrich Brunner f , Dr. Victor Ehrenberg f, Dr. Hans Albrecht Fischer in Breslau, Dr. Heinrich Gerland in Jena, Dr. Otto von Gierke f, Dr. Julius Glaser f, Dr. C. S. Grilnhut +, Dr. Albert Haenel f, Dr. Andreas Heusler +, Dr. Ernst Heymann in Berlin, Dr. Hermann Kantorowicz in Freiburg i. B., Dr. Erich Kaufmann in Bonn, Dr. Paul Krüger f, Dr. Franz Leonhard in Marburg, Dr. Eugen Locher in Erlangen, Dr. Otto Mayer f , Dr. Ludwig Mitteis f , Dr. Theodor Mommsen f, Dr. Johannes Nagler in Breslau, Dr. Friedrich Oetker in Würzburg, Dr. Hans Oppikofer in Königsberg i.Pr., Dr. Max Pappenheim in Kiel, Dr. F. Regelsberger f, Dr. August Schoetensack in Tübingen, Dr. Claudius Frhr. v. Schwerin in Freiburg, Dr. Lothar Seuffert +, Dr. Rudolph Sohm f, Dr. Emil Strohal f, Dr. Heinrich Triepel in Berlin, Dr. Andreas von Tuhr f, Dr. Adolf Wach f, Dr. Rudolf Wagner +, Dr. Leopold Wenger in München, Dr. Karl Wieland in Basel begründet von

Karl

Binding

herausgegeben von

Dr. Friedrich Oetker Professor in Wtlrzburg

Zehnte Abteilung, zweiter Teil, zweiter Band:

Dr. Franz Leonhard, Besonderes Schuldrecht des BGB. Zweiter B a n d des Schuldrechts

Verlag von Duncker & Humblot München und Leipzig 1931

Besonderes Schuldrecht des BGB. Von

Dr. Franz Leonhard o. Professor an der Universität Marburg

D a s S c h u l d r e c h t des B G B .

Zweiter B a n d

Verlag von Duncker & H u m b l o t München und Leipzig 1931

A l l e

R e c h t e

v o r b e h a l t e n .

J>

t Altenburg, T h ü r . Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co.

Vorwort. I n dem besonderen Teil des Schuldrechts war die Gefahr, sich in Einzelheiten zu verlieren, noch größer als in dem allgemeinen Teil. Deshalb bin ich auch hier durchaus dem früheren Plane gefolgt, in erster Linie die bedeutsamen und zweifelhaften Fragen zu erörtern und die Einzelheiten kurz abzutun. Das um so mehr, als dieses mein Verfahren erfreulicherweise die volle Zustimmung und Anerkennung urteilsfähiger Männer gefunden hat. — Auf diesem Wege bin ich auch hier dazu gelangt, für zahlreiche Lehren ganz neue Grundlagen aufzustellen: insbesondere über den wirtschaftlichen Übergang §§ 8 ff., Rechtsmängel §§ 17, 18, Zusicherung §§ 23, 25, gemischte Schenkung §§ 63ff., Honorar § 103, Mängelhaftung beim Werkvertrag § 114, Geschäftsbesorgung § 127, Rat § 133, Bewachungslage bei der Verwahrung § 134, Gastwirtshaftung § 137, Zweck der Gesellschaft § 140, Stille Gesellschaft § 142, Leibrente §§ 154ff., Bürgschaftsform §160, Garantievertrag § 165, Feststellungsverträge §§ 172, 173, Anweisung §§ 180 ff., 187, 188, Verfügungsrechtstheorie §§ 194ff., 199, 207 ff., Gemeinschaft §§ 141, 211 ff. Vor allem hat sich eine ganz neue Grundlegung für die drei großen nur -gesetzlichen Schuldverhältnisse ergeben: für die Geschäftsführung (Fürsorge §§ 218ff., fremdes Geschäft § 221, unechte Geschäftsführung § 224, ohne Auftrag § 225, Wille und Interesse §§ 229, 232, Einwilligung § 233), für die grundlose Verschiebung (Verschiedenheitstheorie § 238, das erlangte Etwas §§ 239 ff., Widerspruchsklage § 243, Unmittelbarkeit §§ 244 ff., unsittliche Verfügung § 254, verpönter Empfang §§ 261ff., Zwecksetzung §§ 270ff.), endlich für die Unrechtshandlungen (Verletzung von Gegenständen §§ 292 ff., Ehrenschutz § 298, Besitzentziehung § 304, Autohaftung §§ 340 ff., Vertragshaftung bei Personenverletzung § 353, Unterlassungsanspruch § 355, Gefährdungshaftung §§ 360 ff., 375 ff. und Haftung für Tiere § 363). M a r b u r g , 1. Mai 1931. D r . Franz Leonhard.

Inhaltsverzeichnis. Besonderes Schuldrecht. Erster Teil. Einzelne Leistungsarten· Erster Abschnitt. Sachverträge. Erstes Kapitel. K a u f I . Voraussetzungen: § 1. E i n Gegenstand (Sachen u n d Rechte). § 2. Folgen des Nichtbestehens. § 3. Veräußerung. § 4. Kaufpreis. § 5. Abschluß. I I . Veräußerung: § 6. Realkauf. § 7. Römisches Recht. § 8. Wirtschaftliche Übertragung. § 9. Deren Voraussetzungen; § 10. bei Grundstücken; § 11. beim bedingten K a u f ; § 12. bei E i n t r i t t der Bedingung. § 13. Wirkungen des Überganges. I I I . Pflichten des Verkäufers: § 14. Übergabe. § 15, 16. Rechtsmängel. § 17, 18. N i c h t Pflicht zur Rechtsverschaffung. § 19. Ähnliche Ansichten. § 20. Schadensersatz. § 21. Sachmängel: Begriff. § 22. Minderwertigkeit. § 23. Zusagen. § 23a. Erheblichkeit. § 24. Zeitpunkt, Ausschluß. § 25. Zusicherung. § 26. Arglist. § 27. Schadensersatz. § 28. Fahrlässigkeit. § 29. Gehilfen. § 30. Gewährleistung ohne Schuld. § 31, 32. Vertragstheorie. § 33. Gegengründe. § 34. Wandelung, Minderung. § 35. Verjährimg. § 36. Gewähr. § 37. Gattungsschuld. § 38. Andere Ansprüche. § 39. Viehmängel. I V . Verpflichtungen des Käufers: § 40. Kaufpreis. § 41. Verzinsung. § 42. Abnahme. V . Anrechte: § 43. K a u f auf Belieben. § 44, 45. Wiederkauf. § 46. Vorkauf. § 47. Abschließungsvertrag. § 48—50. Eigentumsvorbehalt. § 51. Tausch. Zweites Kapitel.

Schenkung

§ 52. Begriff. § 53. Regeln über alle schenkweisen Zuwendungen: § 54. Unentgeltlich. § 55. M i t g i f t . § 56. Gegenleistung. § 57. Vert r a g über die Unentgeltlichkeit. §§ 58. 59. Beschränkungen. §§ 60, 61. Die Verpflichtungsschenkung (eigentliche Schenkung). § 62. Schenkung auf den Todesfall. § 63. Gemischte Schenkung. § 64. Deren rechtliche Behandlung. § 65. Schenkung unter einer Auflage. — Rechtliche Behandlung. Drittes Kapitel.

Miete

I . § 66. Begriff. § 67. Ehegatten. § 68. Form. § 69. Schuldrechtlich. I I . § 70. Pflichten des Vermieters. § 71. Folgen ihrer Verletzung. § 72. Sachmängel. § 73. Rechtsmängel. I I I . § 74. Pflichten

VIII

Inhaltsverzeichnis. Seite

des Mieters. § 75. Abvermietung. § 76. Mietzins. § 77. Rückgabe. § 78. Pfandrecht. § 79. Dessen I n h a l t . § 80. Verträge. I V . § 81. Beendigung. § 82. Zwingendes Kündigungsrecht, § 83. sofortiges. § 84. Veräußerung des Mietgrundstücks. § 85. Voraussetzungen. § 86. W i r k u n g e n ; § 87. bei Vollstreckung. § 88. Rechtsnatur. V . § 89. Pacht. § 90. Ansprüche. § 91. Inventar. § 92. Grenzrecht. V I . § 93. Notmietrecht. Viertes Kapitel.

Leihe

183

§ 94. Verpflichtungen. § 95. Trödelvertrag. Fünftes Kapitel. Darlehen

185

§ 96. Realvertrag. § 97. Übertragung des Wertes. § 98. Vereinbarung. § 99. Ansprüche. § 100. Abschließungsvertrag. Zweiter Abschnitt. Arbeitsverträge. Erstes Kapitel. Dienstvertrag

193

§ 101. Arbeitsrecht. § 102. Dienst- u n d Werkvertrag. § 103. Dienste. § 104. Anstellung. § 105. Pflichten des Arbeiters. § 106. L o h n . § 107. Fürsorge. § 108. Unmöglichkeit. § 109. Tarifvertrag. § 110. Beendigung. § 111. Sonderrechte. Zweites Kapitel. Werkvertrag

215

§ 112. Erfolg, Vergütung. § 113. Herstellung. § 114. Sachmängel. § 115. Pflicht zur Bezahlung. § 116. Gefahr. § 117. Abnahme. § 118. Pfandrecht. § 119. Beendigimg. § 120. Abarten. Drittes Kapitel.

Lohnversprechen

235

§ 121. Mäklervertrag. § 122. Lohnanspruch. § 123. Verpflichtungen. § 124. Auslobung. § 125. Belohnung. § 126. Widerruf. Viertes Kapitel. Auftragsvertrag

245

§ 127. Geschäftsbesorgung. § 128. Fremdes Geschäft. § 129. Pflichten des Übernehmers; § 130. des Geschäftsherrn. § 131. Beendigung. § 132. Wirtschaftsgeschäft. § 133. R a t . Fünftes Kapitel. Verwahrung

260

§ 134. Voraussetzungen. § 135. Verpflichtungen. § 136. Verwahrungsdarlehen. § 137. Aufnahme i m Gasthof. § 138. Ausschluß dieser Haftung. Dritter Abschnitt. Gesellschaft § 139. Sozialrecht. § 140. Zweck der Gesellschaft. § 141. Aufgabe. § 142. Zusammenwirken. § 143. Leistungen. § 144. Gegenseitiger Vertrag. § 145. Rechte der Gesellschafter. § 146. Gesellschaftsvermögen. § 147. Gesamthand. § 148. Anteile der Gesellschafter. § 149. Schulden. § 150. Ende. § 151. Folgen. § 152. Ausscheiden eines Gesellschafters. § 153. Anwendungsgebiet.

271

Inhaltsverzeichnis.

IX

Zweiter Teil. Glücksyerträge.

Seite

299

Erstes Kapitel. Leibrente § 154. Begriff. § 155. Entstehung, I n h a l t . Zweites K a p i t e l .

Spiel und W e t t e

303

§ 156. Begriff. § 157. Wirkungen. § 158. Differenzgeschäft.

Dritter Teil. Zweckbestimmte Geschäfte. Erstes Kapitel. Bürgschaft

313

§ 159. Begriff. § 160. Vertrag. § 161. Abhängigkeit. § 162. Zweithaftung. § 163. Verhältnis zum Hauptschuldner. § 164. K r e d i t auftrag. § 165. Garantievertrag. Zweites Kapitel.

Vergleich

. 332

§ 166. Begriff. § 167. Rechtsfolgen. § 168. Unwirksamkeit. § 169. Der zugrunde gelegte Sachverhalt. § 170. Stillschweigende Bedingung. § 171. Voraussetzung. § 172. Andere Feststellungs Verträge. Drittes Kapitel. Abgelöste Schuldbegründung

348

§ 173. Abgelöste Schuldverträge. § 174. Form. § 175. Versprechen u n d Anerkenntnis. § 176. Rechtswirkungen. § 177. Bei unsittlicher Schuld. § 178. Selbständige Schuld. Viertes Kapitel. Anweisung

357

§ 179. Begriff. § 180. E i n w i l l i g u n g zur Geschäftsführung. § 181. Andere Auffassungen. § 182. Die E r k l ä r u n g an den Anweisungsempfänger. § 183. Annahme. § 184. Geschäftsanweisung. § 185. Deren Vollzug. § 186. W i r k u n g e n ; § 187. der Annahme. § 188. Mangel i n beiden Rechtsbeziehungen. § 189. W i r k u n g auf das Deckungs Verhältnis. Fünftes Kapitel. Wertpapiere

379

§ 190. Begriffsbestimmimg. § 191. Verfügung ans Papier gek n ü p f t . § 192. Rechtsnachf olgepapiere. § 193. Rechtsscheinpapiere. § 194. Vertragstheorie. § 195. Kreationstheorie. § 196. Verfügungsrechtstheorie. § 197. Inhaberpapier. § 198. Staatliche Genehmigung. § 199. Recht des Verfügungsberechtigten. § 200. A b s t r a k t . § 201. Ausweis. § 202. Aufgebot. § 203. Zahlungssperre. § 204. Vorlegungsfrist. § 205. Zinsschein. § 206. Bloße Ausweispapiere. § 207. Orderpapier. § 208. Eigentumstheorie. § 209. Abarten. § 210. Rektapapiere.

Vierter Teil. Nurgesetzliche Schulden. Erstes K a p i t e l . Lose Gemeinschaft § 211. Formen der Gemeinschaft. § 212. Rechtsteilung. § 213. Einheitstheorie. § 214. Gemeinschaft an Forderungsrechten. § 215. Ausübung des Teilrechts. § 216. N u t z u n g u n d Verwaltung. § 217. Aufhebung.

411

Inhaltsverzeichnis. Seite

Zweites Kapitel.

Freiwillige

Geschäftsführung

419

I . Erfordernisse: § 218. Geschäft. § 219. N u r Fürsorge, n i c h t Nutzung, § 220. oder Schädigung. § 221. Fremdes Geschäft: W i l l e n zu nützen nicht erforderlich, § 222. auch n i c h t ausreichend. § 223. Mehrere Geschäftskreise. § 224. Bewußtsein der Fremdheit, sogenannte unechte Geschäftsführung. § 225. Ohne Rechtsbeziehung. § 226. K e i n Rechtsgeschäft. — I I . Verpflichtungen des Geschäftsführers: § 227. bei der Übernahme. § 228. H a f t u n g dafür. § 229. Bei der Ausführung. § 230. Einschränkungen. — I I I . Verpflichtungen des Geschäftsherrn: § 231. Wirklicher u n d mutmaßlicher Wille. § 232. W i l l e u n d Interesse. § 233. Zustimmung des Geschäftsherrn. § 234. Aufwendungen. Drittes Kapitel. Vorlegung

448

§ 235. Voraussetzungen. § 236. I n h a l t des Anspruchs. § 237. Vorlegung einer Urkunde. Viertes Kapitel.

Grundlose

Verschiebung

I . § 238. Mehrere verschiedene Ansprüche. — I I . § 239. Vermögens· u n d Rechtsverschiebung, Besitz. § 240. Gebrauchsvorteile. § 241. Beweisvorteile. § 242. Verschiebung durch Leistung. § 243. A u f Kosten. § 244. Unmittelbarer Zusammenhang ? § 245. I m Falle des § 816 B G B . § 246. Verschiebung durch einen einzigen A k t . § 247. Ursache der bisherigen Unklarheit. — I I I . Ohne rechtlichen Grund. § 248. Herrschende Lehre. § 249. Ohne Schuldrecht; § 250. bei Verschiebung ohne Leistung; § 251. bei solcher durch Leistung. § 252. Subsidiär? — I V . Leistungsverschiebung: § 253. Fehlen des Rechtsgrundes. § 254. Zahlung einer Nichtschuld. § 255. Zahlung durch oder an einen Unrichtigen. § 256. Ausschluß der Rückforderung. § 257. I r r t u m über die Schuld. § 258. Zahlung unter Vorbehalt. § 259. Beweislast. — § 260. Verpönter Empfang: § 261. H i e r n i c h t Mangel des Rechtsgrundes. § 262. Verschieden v o m Anspruch aus § 812 B G B . § 263. Ausschluß bei Verstoß des Klägers. § 264. N i c h t , wenn schon Anspruch aus § 812 B G B . § 265. Gründe dagegen. § 266. Unbilligkeit. § 267. Vermittlungsversuche. V . Verschiebung ohne Leistung. § 268. Nach § 816 B G B . § 269. Anspruch gegen den D r i t t e n . — V I . Zwecksetzung : § 270. N i c h t Mangel des Rechtsgrundes ; § 271. auch sonst n i c h t Mangel eines Grundes. § 272. Abhängigkeit der Zuwendung. § 273. Stillschweigende Bedingung. § 274. Voraussetzung. § 275. Unterscheidung v o n den Fällen des mangelnden Rechtsgrundes. § 276. Also hier kein Ausgleichsanspruch. § 277. N i c h t auf Bereicherung beschränkt. § 278. Unterschied v o m Rücktrittsrecht. § 279. Ausschluß, Beweislast. — V I I . § 280. Der Berechtigte u n d Verpflichtete. — V I I I . I n h a l t des Anspruchs: § 281. Ersatzberechtigung. § 282. Einfluß der

451

Inhaltsverzeichnis. Befangenheit. §283. Bereicherung. §284. Zweikondiktionen-Theorie. § 285. Beweislast. § 286. N i c h t „Bereicherungsansprüche". § 287. I n h a l t des Anspruchs aus Zwecksetzung. § 288. Ausgleichseinrede. Fünftes Kapitel.

Unrechtshandlungen

A . Die Unrechtstatbestände

Seite

. 540

. . . .

540

I . § 289. Begriff. § 290. Lauter einzelne Ansprüche. — I I . Verletzung von Gegenständen, § 823 I B G B . : § 291. N i c h t Verletzung jedes Rechtsguts; § 292. auch n i c h t eines Rechtes; § 293. auch nicht, wenn m a n unter Verletzung nur ein Zuwiderhandeln versteht. § 294. N u r körperliche u n d rechtliche Gegenstände. § 295. Personen. § 296. Ausdehnung auf andere Persönlichkeitsgüter. § 297. Name, B i l d . § 298. Ehre. § 299. Geheimnisse. § 300. Schöpfungen. § 301. Arbeitskraft. § 302. Familie. § 303. Rechte als Gegenstände. — § 304. Verletzimg dieser Güter. § 305. N u r Schutz des allwirksam Berechtigten. § 306. A u c h des Besitzes ? — I I I . Verstoß gegen ein Schutzgesetz, § 823 I I B G B . § 307. Schutzgesetz. § 308. Abweichungen v o n Absatz I . § 309. Z u m Schutze eines anderen. § 310. Falls dieser n u r generell bestimmt ist. § 311. Z u m Schutze mehrerer. § 312. Erfordernisse der Haftung. — I V . Unsittliche Schädigung: § 313. Voraussetzungen. § 314. Rechtswidrigkeit ? § 315. Anwendungsgebiet. § 316. Verhalten i m Rechtsstreit. § 317. Erschleichung des Urteils. — V . Sondertatbestände: § 318. Schädliche Nachrede. § 319. Verführung. § 320. Amtsverletzung. § 321. N u r Zweithaftung. § 322. Urteile. § 323. Ausübung der öffentlichen Gewalt. § 324. Mittelbare Schädigung anderer. B . Allgemeine Regeln über Unrechtshandlungen I . Allgemeine Erfordernisse: § 325. Verantwortlichkeit. § 326. Billigkeitshaftung. § 327. Ursächlicher Zusammenhang. § 328. Verschulden. § 329. Rechtswidrigkeit. — I I . Beweislast: § 330. Regel. § 331. Schulvermutungen. § 332. Bestellung zu einer Verrichtung. § 333. Entlastungsbeweis. § 334. Bei mehreren Beteiligten. § 335. Aufsichtspflicht. § 336. Einsturz eines Gebäudes. § 337. K r a f t fahrzeuge: § 338. Halter. § 339. Unabwendbares Ereignis. § 340. H a f t u n g für Betriebsfehler. § 341. Keine Gefährdungshaftung. § 342. Fahrgäste. § 343. H a f t u n g mehrerer. — I I I . Mehrere T ä t e r : § 344. H a f t u n g aller. § 345. H a f t u n g der Beteiligten. § 346. Gesamtschuldner. § 347. Verjährung. § 348. Konkurrenz. — I V . I n h a l t des Anspruchs: § 349. Schadensersatz. § 350. Bei Verletzung von Personen. § 351. Anspruch der Unterhaltsberechtigten. § 352. ' Schmerzensgeld. § 353. Anwendung auf Vertragshaftung. § 354. E n t ziehung einer Sache. § 355. Unterlassungsansprüche aus allwirksamen Rechten; § 356. aus Unrechtshandlung. § 357. A u c h sonst ? § 358. Gegengründe.

595

XII

Inhaltsverzeichnis. Seite

C. Gefährdungshaftung

645

§ 359. Schuld- u n d Verursachungsprinzip. § 360. Gefährdungshaftung. § 361. Deren Abgrenzung. § 362. H a f t u n g für Tiere. § 363. Verletzung durch das Tier. § 364. Tierhalter. § 365. Nutztiere. § 366. Vertragsmäßiger Ausschluß. § 367. Wildschaden. — § 368. Eisenbahn. § 369. Verletzimg i m Betriebe. § 370. Einschränkungen. § 371. Fabriken. § 372. Aufruhrschäden. § 373. L u f t f a h r t . — § 374. Andere Fälle einer Gefährdungshaftung. § 375. Allgemeine H a f t u n g für Gefährdung ? § 376. K r a f t Gewohnheitsrechts ? § 377. Bei Entziehung eines Abwehranspruchs. § 378. Enteignung. Inhaltsregister,

Gesetzesregister

674

ERSTER

TEIL.

Einzelne Leistungsarten.

B i i i d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

Erster Abschnitt.

Sachverträge. Erstes K a p i t e l .

Kauf 1. I . Voraussetzungen: § 1. E i n Gegenstand (Sachen u n d Rechte). § 2. Folge des Nichtbestehens. § 3. Veräußerung. § 4. Kaufpreis. § 5. Abschluß. I I . Veräußerung: § 6. Realkauf. § 7. Römisches Recht. § 8. Wirtschaftliche Übertragung. § 9. Deren Voraussetzungen. § 10 Bei Grundstücken. § 11. B e i m bedingten K a u f . § 12. B e i E i n t r i t t der Bedingung. § 13. W i r k u n g e n des Übergangs. I I I . Pflichten des Verkäufers: § 14. Übergabe. § 15. 16. Rechtsmängel. § 17. 18. N i c h t Pflicht zur Rechtsverschaffung. § 19. Ähnliche Ansichten. § 20. Schadensersatz. § 21. Sachmängel: Begriff. § 22. Minderwertigkeit. § 23. Zusagen. § 23 a. Erheblichkeit. § 24. Z e i t p u n k t , Ausschluß. § 25. Zusicherimg. § 26. Arglist. § 27. Schadensersatz. § 28. Fahrlässigkeit. § 29. Gehilfen. § 30. Gewährleistung ohne Schuld. § 31. 32. Vertragstheorie. § 23. Gegengründe. § 34. Wandelung, Minderung. § 35. Verjährung. § 36. Gewähr. § 37. Gattungsschuld. § 38. Andere Ansprüche. § 39. Viehmängel. I V . Verpflichtungen des Käufers: § 40. Kaufpreis. § 41. Verzinsung. § 42. Abnahme. V . Anrechte: § 43. K a u f auf Belieben. § 44. 45. Wiederkauf. § 46. Vorkauf. § 47. Abschließungsvertrag. § 48—50. Eigentumsvorbehalt. § 51. Tausch.

§ 1. I m besonderen Schuldrecht des BGB. sind nur einzelne wichtige Verträge geregelt (I, 320). Die erste Hauptgruppe teilt die Verträge nach der A r t der Leistung ein (I, 320ff.). Sie zerfallen danach in die auf Lieferung von Sachen und von Arbeit. Die ersteren wieder sind zunächst auf endgültiges Haben gerichtet —• Veräußerung, Kauf und Schenkung — im Gegensatz zu der bloß vorübergehenden Überlassung. Der Kauf geht auf die Veräußerung von Gegenständen gegen Geld. Zu seinen Voraussetzungen gehört also ein zu veräußender Gegenstand. Hierunter versteht das Gesetz und die Wissenschaft in technischer Ausdrucksweise Sachen und Rechte. Man unterscheidet danach all1 B e c h m a n n , Der K a u f nach gemeinem Recht. E m e r i c h , K a u f u n d Werklieferungsvertrag; S p r i n g e r , Kauf. Über den Handelskauf O e r t m a n n i m H a n d b H R . 4, 2, 327ff.

1•

4

Kauf.

gemein den Verkauf von Sachen und Rechten 2 . Soweit diese Gegenstände verkäuflich sind, bezeichnet man sie auch als Waren. Doch ist dieser Ausdruck weniger bestimmt: man denkt dabei meist nur an bewegliche, oft nur an vertretbare Sachen. Auch eine Mehrheit von Sachen oder Rechten kann verkauft werden. Auch eine Verbindung von beiden: eine solche nennt man, wenn sie eine wirtschaftliche Einheit bilden, ein Vermögen. Daher ist der einheitliche Verkauf eines solchen Vermögens möglich und häufig: z. B. der Verkauf einer Erbschaft (§§ 2371ff. BGB.) oder eines Handelsgeschäfts 3. Allerdings ist die einheitliche Übertragung dessen nicht möglich. Es wird dazu vielmehr erfordert, daß seine einzelnen Stücke, jedes in der bestimmten Form, übertragen werden: die Grundstücke müssen aufgelassen, die beweglichen Sachen übergeben, die Forderungen abgetreten, die Schulden übernommen werden. Denn dies erscheint nötig, um die zur Kenntlichkeit unentbehrlichen Formen zu wahren. Aber die Verpflichtung kann durch einen einheitlichen Akt bewirkt werden. Auf solche „Gegenstände" ist der Kauf zu beschränken 4. Insbesondere liegt ein solcher da nicht vor, wo eine Arbeitsleistung versprochen wird. Denn das ist ja der große Gegensatz, worauf die Einteilung dieses ganzen Abschnitts beruht : Lieferung von Gegenständen und von Arbeit. Daher kann ein Kauf nicht in einem Vertrage erblickt werden, dessen Leistung ganz oder vorwiegend auf eine Arbeitsleistung gerichtet ist. Dies wird auch im ganzen anerkannt, aber dennoch fortwährend mißachtet. So pflegt man ganz allgemein den Verkauf einer Kundschaft oder eines Geheimnisses als einen Kaufvertrag zu bezeichnen5 oder doch dem Kauf analog zu behandeln 6 . Aber was der sogenannte Verkäufer hier verspricht, das ist gar nichts anderes als eine Anzahl von gewissen Handlungen und Unterlassungen: er soll die Kundschaft seinem Nachfolger namhaft machen, diesen bei ihr empfehlen und sich weiterer Beziehungen zu ihr enthalten. Ebenso wird auch der Vertrag auf Lieferung von elektrischer oder 2

Abweichend n u r H e r z o g , R G . 98, 292. 100, 203. 4 Enneccerus-Lehmann, nungskauf); L e s s e r , I n h a l t der 322; P l a n c k 3b zu § 433. 5 K i p p bei W i n d s c h e i d , u n d Genannte. 6 Enneccerus-Lehmann

Z H R . 94, 330ff.

3

§ 101 (anders aber A n m . 12 für den HoffLeistungspflicht 40; A d l e r , ZivArch. 109, 2 § 185; O e r t m a n n , Vorb. 1 vor § 433 a. a. O.

5

Gegenstand. 7

Dampf kraft allgemein als Kaufvertrag bezeichnet . I n Wahrheit handelt es sich aber um die Lieferung einer Kraft — zwar nicht der menschlichen Arbeitskraft, wie bei den Arbeitsverträgen, aber dennoch einer ihr verwandten Kraft* und der Vertrag ist daher nach der Analogie der letzteren zu behandeln. Für diese Auffassung spricht die rechtliche Behandlung der Arbeitsverträge, bei denen die Leistung hauptsächlich in der Gewährung solcher Kräfte beruht, wozu die meisten und wichtigsten Frachtverträge gehören. Bei der Beförderung von Personen oder Sachen durch Eisenbahnen oder elektrische Bahnen besteht der Haupteil der Leistung in der Verwendung dieser Kräfte, und auch bei der Beförderung durch Autos und Flugzeuge ist es nicht viel ander g. Dennoch hat man niemals bezweifelt, daß es sich hier um einen Werkvertrag, also eine Art Arbeitsvertrag handelt. Allerdings wird die zu verwendende Kraft hier in einer anderen Weise bemessen: dort nach Kilowatt und hier nach dem zu erreichenden Erfolg. Und das ist freilich insofern von Bedeutung, als dort die Regeln des Dienstvertrages und hier die des Werkvertrags Anwendung finden. Aber insoweit stimmen doch beide Verträge überein, als es sich beidemal um die Lieferung derselben Kraft handelt, die den Inhalt eines Arbeitsvertrages und nicht eines Kaufes darstellt. Die Gegenansicht beruht auf der Vorstellung, daß nicht nur ein Gegenstand, sondern jeder wirtschaftliche Vorteil verkauft werden könne. I n diesem Sinne rechnet man dazu die eben genannten Güter und ferner Unternehmungen, auch wenn ihnen keine bestimmten Sachen zugrunde liegen 8 . Man spricht vom Verkaufen des Besitzes9 — während hier doch die Sache selbst unter Ausschluß der Rechtsverschaffung verkauft wird. Man erkennt den Verkauf einer Gewinn aussieht an (unten S. 7). Dieser ganzen Anschauung müssen wir aber entschieden entgegentreten. Sie würde dahin führen, daß eine jede beliebige A r t von Leistung hier in Betracht käme: also auch die vorübergehende Überlassung einer Sache und die Gewährung von Arbeit. So müßte man schließlich dahin kommen, sämtliche entgeltlichen 7

R G . 56, 408ff. 67, 232. 86, 12ff. u n d die herrschende Meinung. R G . 63, 57ff. 67, 86, Recht 08, N r . 1774; O e r t m a n n , Vorbemerkung vor § 433, l b u n d Genannte. 9 E n n e c c e r u s - L e h m a n n , § 101, I I . 8

Kauf. Verträge als Kauf zu bezeichnen. Das aber widerspräche durchaus der Regelung im Gesetze, das die Verträge nach den verschiedenen Arten der Leistung einteilt und danach ihre rechtliche Behandlung bestimmt. Vor allem ist es, wie schon erwähnt, durchaus auf die scharfe Scheidung zwischen Sach- und Arbeitsverträgen eingestellt. Diese A r t der Unterscheidung ist auch durchaus berechtigt, da diese Vertragsarten sehr verschiedenartig sind. Die Ähnlichkeit solcher Geschäfte mit dem Kaufe beruht lediglich darin, daß dem Gläubiger irgend etwas zugewendet, irgendeine Leistung gemacht wird. Da der Inhalt dieser Leistung aber ein ganz verschiedener ist, müssen auch ganz andere Regeln dafür gelten. I n der Tat sind denn auch die Regeln des Kaufrechts auf jene anderen Verträge zum größten Teil unanwendbar. Beim Kaufe besteht die Hauptverpflichtung darin, die Sache zu übergeben und zu übertragen: diese Vorschrift ist auf den Verkauf einer Kundschaft oder eines Unternehmens nicht, auch nicht entsprechend anzuwenden. Beim Kaufe haftet der Verkäufer für Rechts- und Sachmängel. Auch dies ist bei jenen Verträgen nicht anwendbar. Soll der Verkäufer einer Kundschaft dafür haften, wenn die Kunden weniger als vorher kaufen oder verzehren ? Wir müssen uns daher hüten, solche ganz andersartigen Geschäfte als Kauf zu bezeichnen. Richtig ist freilich, daß man im täglichen Leben bei den verschiedensten Leistungen von Kauf zu sprechen pflegt, z. B. vom Kauf einer Theater- oder Fahrkarte. Aber es ist leicht zu sehen, daß dies eine ganz äußerliche Betrachtung ist und daß die Lieferung der Karte nicht den Hauptinhalt der versprochenen Leistung ausmacht. Man braucht nur den Fall zu setzen, daß die geschuldete Aufführung oder Fahrt nicht stattfindet, um zu erkennen, daß auf diese der eigentliche Inhalt der Schuld gerichtet ist. Verkäuflich sind nur solche Sachen und Rechte, die durch Rechtsgeschäft unter Lebenden übertragen werden können. Dies trifft jedoch bei fast allen Sachen und Rechten zu. Geistige und künstlerische Erzeugnisse, wie eine Erfindung oder eine Dichtung, können ebenfalls Gegenstand von Rechten sein und würden deshalb auch Gegenstand eines Kaufes sein können. Aber sie können nicht übertragen werden. Zwar läßt sich ihre Verwertung übertragen, aber nicht die Urheberschaft, die persönliche Beziehung des Schöpfers zu seinem Werk. Also kann auch nicht die Schöpfung selbst Gegenstand des Kaufes sein, sondern nur das Recht auf

Gegenstand.

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ihre Verwertung, soweit es veräußerlich ist. Wir haben also auch hier einen Fall vor uns, wo ein Recht verkauft wird. § 2. Wenn der verkaufte Gegenstand nicht besteht, so ist die Verpflichtung auf eine allgemein (objektiv) unmögliche Leistung gerichtet. Falls diese Unmöglichkeit schon zur Zeit des Vertragsschlusses bestand, ist daher der Vertrag nach § 306 BGB. nichtig — wie allgemein angenommen wird. Wohl aber ist es zulässig, einen Kaufvertrag über eine noch nicht entstandene Sache für den Fall ihres späteren Entstehens zu schließen: z. B. über ein zu erbauendes Haus, über ein erwartetes Kalb, die erhoffte Ernte. Falls diese nachher entstehen, so ist der Vertrag nach § 308 BGB. unbedenklich gültig. Und zwar auch dann, wenn der Umfang der Ernte dürftig ausfällt. Denn auch dann ist immerhin doch ein Gegenstand vorhanden, der verkauft wird: und daß dieser dem Kaufpreis an Wert gleichkommt, wird nicht erfordert. Nun kommen aber auch andere Verträge vor, wo der Preis auch dann, wenn die erhofften Sachen nicht zur Entstehung gelangen, gezahlt werden soll. Man pflegt diese Abrede von der vorigen dadurch zu unterscheiden, daß man dort vom Verkauf einer erhofften Sache (emtio rei speratae) und hier vom Verkauf einer Gewinnaussicht oder Chance spricht 10 . Aber die letztere Auffassung ist unhaltbar. Eine Aussicht ist kein Gegenstand und daher nach dem oben Dargelegten nicht verkäuflich. Von einen Kauf kann man hier nur vom Standpunkt der Ansicht aus sprechen, daß dazu die Überlassung irgendeines Gutes ausreiche — einer Auffassung, die wir vorher zurückgewiesen haben. Wäre die Aussicht wirklich eine Ware, so müßte man auch solche Aussichten, die nicht auf die Erlangung von Sachen gerichtet sind, als Kaufgegenstand ansehen, z. B. die Aussicht, einen Vertragsantrag zu erhalten. Wesentlich anders ist es beim Kauf eines Loses, der zu Unrecht hierher gerechnet wird, da hier ja schon ein Recht vorhanden ist und verkauft wird. — Daher hat man in dieser Abrede statt dessen einen Kauf der erhofften Sachen finden wollen 11 . Aber das würde eben dem § 306 BGB. widersprechen, der für den Kaufvertrag das Bestehen der verkauften Sache erfordert. Auch die erwähnte Vorschrift des § 308 BGB. kann hier nicht aushelfen. Denn sie läßt eine abweichende Bestimmung 10

O e r t m a n n a. a. O. u n d Genannte. E n d e m a n n , GrünhZ. 12, 345ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 101, A n m . 12. 11

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Kauf.

der Parteien nur für den Fall zu, daß die Unmöglichkeit später behoben wird — während hier die Sachen eben nicht zur Entstehung gelangen. So werden wir dazu gedrängt, dies Geschäft als ein vom Kaufe verschiedenes zu bezeichnen. Ein Kauf liegt nur insoweit vor, als die versprochenen Sachen wirklich entstehen. Soweit aber der Kaufpreis auch darüber hinaus zu zahlen ist, liegt nicht mehr ein Kauf vor, sondern ein Zufallsvertrag anderer Art. Was der Verkäufer hier erlangt, ist nicht nur das Entgelt für die Sachen, die er liefert, sondern außerdem auch die Aussicht darauf, Geld auch ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Ähnliches kommt auch in anderen Verträgen vor. Es wird z. B. ein Schiff verkauft, über dessen Existenz beide Parteien im unklaren sind (etwa während eines Kriegs), und dabei ausgemacht, daß der Preis auch dann, wenn es nicht mehr vorhanden ist, bezahlt werden solle. Ein Künstler erhält eine Summe Geldes für eine Kunstreise und zwar auch dann, wenn er wegen Erkrankung die Reise nicht ausführen kann. Auch diese Verträge können nicht als Kauf- oder Dienstverträge angesehen werden, insoweit als sie auch bei Unmöglichkeit der Hauptleistung zur Zahlung verpflichten — denn als solche wären sie nach § 306 BGB. nichtig — sondern als Zufallsverträge. Diese sind bei der im Schuldrecht herrschenden allgemeinen Inhaltsfreiheit (I, 320) gültig. Aber die Regeln des Kaufes sind darauf nicht anwendbar. Denn gerade dessen Hauptverpflichtungen, zur Lieferung der Sache, fallen hier ganz fort. Auch hier hat man sich also zu Unrecht verleiten lassen, ein Geschäft als Kauf zu bezeichnen, das einen andern Charakter hat. Nur insofern hat dieser Vertrag die Natur eines Kaufs, als die erhofften Sachen wirklich zur Entstehung gelangen. Nun bildet freilich der ganze Vertrag eine Einheit; aber das schließt nicht aus, daß er aus dieser Kaufabrede und der vorher dargestellten Zufallsabrede gemischt ist. — Es wäre allerdings noch eine andere Auffassung denkbar, die diese Schwierigkeiten vermiede. Man müßte die allgemeine Ansicht, daß das Bestehen der Sache eine unentbehrliche Vorbedingung für den Kauf ist, fallen lassen und den Parteien das Recht einräumen, auch ohne diese Voraussetzung einen Kauf zu schließen. Es ließe sich in der Tat auch damit praktisch durchkommen, da der Verkäufer einer solchen nicht bestehenden Sache doch keine Ansprüche erheben könnte, sondern daran schon durch den Einwand der Nichterfüllung verhindert werden würde. Aber mit der Regelung

Gegenstand.

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unseres Gesetzes in § 306 ist dies schlechterdings nicht zu vereinigen. Denn nach dieser ausdrücklichen Vorschrift soll der Vertrag in solchen Fällen nichtig sein. Wollte man auch ohne das Bestehen der verkauften oder vermieteten Sache den Vertrag für gültig erklären, so bliebe für diese Vorschrift fast gar kein Anwendungsgebiet übrig. — Ein Verkauf künftiger Sachen liegt auch dann vor, wenn von einer Sache die erwarteten Früchte verkauft werden. Hier kann aber auch eine Verpachtung der Hauptsache vorliegen. Dies wird regelmäßig da anzunehmen sein, wo die Hauptsache übergeben wird 1 2 . Aber auch ohne solche Übergabe wird es da vorliegen, wo es dem andern überlassen wird, selbst die Früchte zu ernten und zu holen. Dagegen ist ein Verkauf dann anzunehmen, wenn der Verkäufer es seinerseits übernimmt, die Früchte zu ziehen und zu liefern. — Von der Regel des § 306, daß der Gegenstand des Kaufs bestehen muß, macht das Gesetz eine Ausnahme bei dem verkauftem Recht. Denn es sagt (§ 437), daß der Verkäufer für den rechtlichen Bestand der Forderung oder des sonstigen Rechts haftet. Dies läßt sich nur so auffassen, daß der Kaufvertrag trotz des Nichtbestehens des Rechts gültig ist (unten 33). Verschieden von diesen Fällen der allgemeinen Unmöglichkeit sind die andern, wo es nur gerade dem Verkäufer nicht möglich ist zu leisten. Ein solches persönliches Unvermögen steht der Gültigkeit des Vertrags nicht entgegen: vielmehr muß der Schuldner für seine persönliche Fähigkeit einstehen (I, 314). Dies wird auch fast allgemein anerkannt. Zwar wird vereinzelt behauptet, daß ein solcher Vertrag nach Analogie von § 306 nichtig sei. Aber für die Gültigkeit spricht vor allem die Vorgeschichte —• man hat solche Verträge stets als gültig betrachtet — und ein dringendes praktisches Bedürfnis. Daher ist insbesondere der Verkauf einer fremden Sache gültig. Das wird auch durchaus durch das Gesetz (§ 440) bestätigt, das auf diesen Vertrag die Regeln über die Nichterfüllung eines gültigen Vertrags anwendet. Und zwar ist der Schuldner für dies Unvermögen nach der herrschenden und richtigen Anschauung nicht nur bei Verschulden, sondern auch ohne ein solches auf Schadensersatz haftbar (I, 314ff.). Gerade beim Kauf ist dies von großer Bedeutung. Es ergibt sich daraus, daß der Verkäufer einer fremden Sache auch ohne seine Schuld für ι 2 R G . J W . 03, 131. 09, 451.

10

Kauf.

den aus der Nichterfüllung entstehenden Schaden haftet (unten

§ 20).

Nach der Art, wie die verkaufte Sache bestimmt wird, unterscheidet man Stückkauf und Gattungskauf. Bei jenem wird eine bestimmte Sache als Individuum verkauft, bei diesem wird die Ware ganz oder doch vorwiegend nach Merkmalen bestimmt (I, 90ff.). Der Gattungskauf richtet sich^meist auf vertretbare Sachen. Aber man darf nun nicht etwa — wie es manchmal geschieht — behaupten, daß auch umgekehrt der Stückkauf regelmäßig auf nicht vertretbare Sachen gerichtet sei. Vielmehr kommt es im täglichen Kleinhandel ganz regelmäßig vor, daß vertretbare Sachen als Einzelstücke verkauft werden. Wer im Laden einen Topf, eine Kaffeekanne kauft, hat einen Stückkauf geschlossen und kann daher nicht verlangen, daß ihm statt des zufällig zerbrechenden Stückes ein anderes zum gleichen Preise geliefert werde. — Ferner kann die Lieferung entweder in einer einzigen Leistung oder in mehreren Teilleistungen erfüllbar sein. I n der Mitte zwischen beiden stehen die Wiederholungsleistungen, die gerade beim Kaufe sehr häufig sind, z. B. die regelmäßigen Lieferungen eines Fabrikanten oder Großhändlers an den Zwischenhändler. Nach der einen Auffassung sind die auf die einzelnen Leistungen gerichteten Versprechen hier derart voneinander zu trennen, daß verschiedene Verträge anzunehmen sind und bezüglich der späteren Lieferungen zunächst nur erst ein Abschließungs(Vor-)Vertrag vorliegt 1 3 . Dabei aber wird die Einheitlichkeit der ganzen Abrede nicht genügend gewürdigt (I, 84). Dieser Auffassung steht schroff eine andere gegenüber, die auch die Leistungen als einheitlich ansieht und daher z. B. beim Verzug mit der einen ohne weiteres ein Rücktrittsrecht bezüglich aller gewähren w i l l 1 4 . Dabei wird aber wieder zu wenig gewürdigt, daß zwar die Abrede, aber nicht die Leistung einheitlich ist; vor allem steht die Entscheidung in Widerspruch mit § 326 BGB. und der Billigkeit. Daher dürfen die Folgen eines Verzugs mit der einen Rate auf die späteren Lieferungen nur dann ausgedehnt werden, wenn der Gläubiger nun kein Interesse mehr am Vertrage hat 1 4 f t . 18

P a e c h , Leistungsverzug 151, R O H G . 9, 121; G o e p p e r t , K r V S c h r . 14, 402. 14 J a c o b i , GruchBeitr. 50, 230ff., M ü l l e r , daselbst 508ff., O e r t m a n n , Vorb. 2 vor § 433, R G . 58, 420ff. 61, 128ff. 65, 53ff.; Recht 1906, 440, 2487. 1907, 1063; D Z Z . 1908, 78; W a r n e y e r , 1917 N r . 119. 365. 14a I , 534 u n d Genannte.

Kaufpreis.

11

§ 3. Dieser Gegenstand soll veräußert werden: darunter ist eine endgültige Überlassung im Gegensatz zu der bloß vorübergehenden zu verstehen. Derselbe Gegensatz findet sich auch bei der Überlassung eines Rechts. Auch ein solches kann entweder endgültig oder bloß zeitlich überlassen werden, z. B. ein Patentrecht 16 . Doch steht einer Veräußerung nicht entgegen, daß der Erwerber die Sache nur für kurze Zeit behalten will. Und nicht einmal, wenn der Verkäufer sich das Recht des Wiederkaufs unter gewissen Bedingungen oder auch schlechthin vorbehält (§§ 497ff. BGB.). Denn immerhin ist der Erwerber doch zunächst in die Stellung eines dauernden Beherrschers der Sache gelangt; und das genügt, um eine Veräußerung anzunehmen. § 4. Dem verkauften Gegenstand steht der Kaufpreis gegenüber. Er wird von den Parteien als Entgelt für den Gegenstand, also als ihm annähernd gleichwertig bezeichnet. Anders ist es daher dann, wenn jemand eine Sache zum Geschenk erhalten und nur einen Teil ihres Wertes als Auflage herausgeben soll (unten § 65), oder wenn er gar nur eine Kleinigkeit zahlt, um dem Geschäft den Anschein eines Kaufvertrags zu verleihen. Aber nicht nötig ist, daß beide Leistungen wirklich gleichwertig sind. Nicht selten wird eine Sache weit über oder unter ihrem wahren Wert verkauft, z. B. ein gebrauchtes Auto, dessen sachlicher Wert sich schwer feststellen läßt. Und selbst wenn beide Parteien dies Mißverhältnis durchaus erkennen, so schließt das die Natur eines Kaufes noch nicht aus. Oft wird die Sache weit unter dem Wert verkauft, weil der Verkäufer dringend Geld braucht. Auch wenn beide Parteien hier wohl sehen, daß die Sache beinahe „geschenkt" ist, so liegt doch ein Kaufvertrag vor. Denn es kommt auch hier nicht darauf an, was die Parteien im Innern denken, sondern was der Sinn ihres Geschäfts ist. Auch ist der Vertrag wegen dieses Mißverhältnisses zwischen Ware und Preis nicht etwa ungültig (unten § 40). Der Kaufpreis besteht in Geld; dadurch unterscheidet sich der Kauf vom Tausch (unten § 51) und darauf beruht seine gewaltige wirtschaftliche Überlegenheit über diesen. Denn ein Tausch ist nur in den seltenen Fällen möglich, wo beide Parteien Sachen gegeneinander zu veräußern bereit sind. Dagegen wird durch die publica ac perpetua aestimatio des Geldes ein Austausch "

R G . J W . 07, 136ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n , § 101.

12

Kauf.

auch da ermöglicht, wo dies nur für die eine Partei zutrifft 1 6 . Dies gilt für jede A r t Geld im weiteren Sinne, also für jedes allgemeine Zahlungsmittel. Nicht nötig ist es, daß das Geld auch Zwangskurs hat (Zwangsgeld) oder vom Staat hergestellt ist (Staatsgeld). Vielmehr kommen für Preiszahlung auch andere Geldarten in Betracht, insbesondere ausländische Geldsorten und Scheidemünzen über den dafür angesetzten Betrag hinaus 17 . Denn auch solche werden regelmäßig einen sicheren allgemeinen Schätzungswert haben. Dies entspricht auch durchaus der Auffassung des Verkehrs: so wird jedermann den Kauf eines amerikanischen Autos für 4000 Dollar als einen Kauf- und nicht als einen Tauschvertrag bezeichnen. Und endlich spricht dafür, daß das BGB. unter dem Ausdruck „Geld" regelmäßig auch sonst das Geld im weiteren Sinne versteht, z. B. sicher in § 935. — Eine Geldleistung kann nicht nur als Preis, sondern auch als Ware in Betracht kommen 18 . Es wird hierfür maßgebend sein, ob dies Geld als Gegenstand von feststehendem oder aber schwankendem Werte betrachtet wird. Wer z. B. polnische Mark zum Spekulationszweck gegen deutsches Geld erwirbt, schließt damit einen Kaufvertrag. Werden beide Geldarten als schwankend angesehen, so liegt Tausch vor. Werden sie beide als feststehend betrachtet, wie beim Geldwechselgeschäft, so liegt eigentlich weder ein Kauf noch ein Tausch vor. Dies unterscheidet sich vom Kaufe dadurch, daß hier nicht zwei verschiedenartige, sondern gleichartige Austauschleistungen gegenüberstehen. Vom gewöhnlichen Tausch unterscheidet es sich dadurch, daß diese beiden Leistungen auf Geld und nicht auf Waren gerichtet sind. Wir werden daher auf beide die Rechtssätze anwenden müssen, die für die Preiszahlung gelten und die von den Vorschriften für die Warenlieferung verschieden sind (unten §§21,51). Dennoch dürfte es sich empfehlen, den Vertrag, eben weil die beiden Leistungen gleichartig sind, als eine Unterart des Tausches, als Geldtausch zu bezeichnen — fast genau so wie der Verkehr ihn benennt. — Wenn als Gegenleistung eine Arbeitsleistung versprochen wird, so liegt ein entgeltlicher Arbeitsvertrag vor. Aber dieser enthält auf der anderen Seite auch eine entgeltliche Veräußerung, auf die deshalb gewisse 16

P a u l u s , dig. 18, 1 1. 1 pr. E n n e c c e r u s - L e h m a n n , § 101, A n m . ringsJ. 20, 231. 18 R i e ß e r a . a . O . 219ff. 17

17 gegen R i e ß e r ,

Jhe-

Kaufpreis, Abschluß.

13

Regeln des Kaufes Anwendung finden (§§ 445, 493 BGB., unten § 51). § 5. Der Abschluß des Kaufvertrags erfolgt regelmäßig formfrei. Eine wichtige Ausnahme gilt für den Verkauf von Grundstücken, der gerichtliche oder notarielle Beurkundung erfordert (§ 313 BGB., I , 278ff.). Das Gesetz will vor allem verhindern, daß diese wichtigen Güter übereilt verschleudert werden, und die Parteien nötigen, daß sie dabei den Rat eines Juristen zuziehen. Dagegen können bewegliche Sachen und Wertpapiere von höchstem Wert mündlich, z. B. durch Fernsprecher, verkauft werden, und es geschieht das i n der Tat sehr häufig. — Wird der Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder kraft einer gesetzlichen Ermächtigung (z. B. durch einen Konkursverwalter) vorgenommen, so dürfen diese Beamten oder deren Gehilfen nicht als Käufer auftreten (§§ 456, 457 BGB.). Man befürchtet, daß sie sonst durch ihre eigene Beteiligung in der objektiven Handhabung beeinträchtigt würden. Sonst hängt die Gültigkeit des Kaufs von der Zustimmung aller Beteiligten ab. Ähnliches gilt auch, wenn jemand als bevollmächtigter Vertreter für einen anderen verkauft. Denn auch hier ist es ihm im Zweifel nicht erlaubt, selbst zu kaufen, weil dem ebenfalls der Widerstreit der Interessen entgegensteht (§ 181 BGB.). Auch hier wird man aber den Vertragsschluß mit Zustimmung des Vertretenen für zulässig halten müssen. Letztere Vorschrift ist auf den Gerichtsvollzieher und Konkursverwalter nicht ohne weiteres anwendbar, weil diese nicht als Vertreter angesehen werden können; wenigstens ist das sehr zweifelhaft. § 6. Der Kauf ist ein rein schuldrechtlicher Vertrag, der nur Schuldverhältnisse zwischen den Parteien erzeugt: im Gegensatz zu der dinglichen Verfügung, die sich daran schließen soll. Allerdings besagt eine alte Lehre, daß es auch einen dinglichen Kauf, R e a l k a u f gebe; daß nämlich bei gleichzeitigem Vollzug der beiden Leistungen keine Verpflichtung, sondern lediglich ein Austausch zweier Traditionen vorliege 19 . Aber dieser Vorgang kann nicht allein aus den beiden Übertragungsakten erklärt werden. Es stecken darin außerdem auch noch zwei Verpflichtungen aus dem Kauf. Sie zeigen sich besonders deutlich, wenn 19 R ö m e r , Z i v A r c h . 62, 180; B a h r , K r i t V . 30, 386ff., Urteile des Reichsgerichts 35; D e r n b u r g , 2 § 167; E n d e m a n n § 163; Protokolle 2, 54ff.; R O H G . 16, 258; S i b e r , JheringsJ. 70, 250ff.; W i l l u t z k y , B ü r g A . 27, lOOff.

14

Kauf.

die eine Sache mangelhaft ist und auf Grund dessen Gewährleistungsansprüche erhoben werden. Wenn die Gegner das zugeben — und sie können es nicht bestreiten •—, so geben sie damit schon ihre Grundauffassung auf. Was sie aber zu ihrer Ansicht getrieben, ist nichts anderes als ein Mißverständnis aus der Beweislehre 20 . Sie wollen bei solchen Geschäften, die regelmäßig nur gegen Barzahlung geschlossen werden, wie bei den meisten Marktkäufen, dem Erwerber den Beweis der erfolgten Zahlung ersparen. Das ist gewiß ganz richtig, ergibt sich aber schon ohne weiteres daraus, daß die Zahlung hier sehr wahrscheinlich und deshalb schon erwiesen ist : also aus der richtigen Handhabung der Beweiswürdigung. Diese Unterscheidung ist besonders deswegen so wichtig, weil die Wahrscheinlichkeit der Bezahlung in den verschiedenen Fällen von sehr verschiedener Stärke ist: groß bei gewissen Ladenkäufen, größer beim Marktkauf, am größten beim Billetkauf. Außerdem findet sich ganz dieselbe Erscheinung ebenso bei anderen Geschäftsarten, z. B. beim Werkvertrag und der Miete, so daß man also auch dort Realgeschäfte annehmen müßte. Es zeigt sich also auch hier der so verbreitete Fehler, daß man ein Ergebnis statt aus der Beweisführung, aus Regeln für die Beweislast ableitet und zu deren Begründung wieder unhaltbare Sätze des materiellen Rechtes aufstellt. Es wäre freilich auch denkbar, daß zwei Parteien Sachen gegen Geld austauschen, ohne daß sie damit irgendwelche Verpflichtung übernehmen ; insbesondere können sie ausdrücklich alle Verpflichtungen ausschließen. Aber zunächst muß bezweifelt werden, daß so etwas vorkommt; in den alltäglichen Fällen des Marktkaufs und ähnlichen ist die Verpflichtung zur Gewähr für Rechts- und Sachmängel jedenfalls nicht ausgeschlossen. Und wenn es doch einmal geschähe, so wäre das nicht mehr als ein Kauf anzusehen. Denn dieser enthält eben notwendig Verpflichtungen und besteht aus ihnen. Man hat zwar behauptet, er bedeute die Erklärung, daß man ein Vermögensstück gegen Entgelt übertrage 21 . Aber was hier bestimmt wird, ist nicht ein Kauf, sondern ein ganz anderer, allgemeiner Begriff: der entgeltlichen Veräußerung. Es wird damit nicht eine einzelne bestimmte Geschäftsart beschrieben, sondern nur der entgeltliche Charakter der Übertragung betont. Daß ein Akt entgeltlich erfolgt, 20 t l

Meine Beweislast 383ff. W i n d s c h e i d , Pandekten § 365 A n m . 18.

Realkauf.

15

macht ihn aber noch nicht zum Kauf. Die Entgeltlichkeit bedeutet eine A r t des Rechtsgrundes, eine Eigenart des Geschäfts — aber nicht ein einzelnes Geschäft. Daher ist es auch nicht richtig, bei dieser Frage Kauf und Schenkung auf eine Linie zu stellen. Unter Schenkung versteht man allerdings nicht selten, daß das Geschäft einen unentgeltlichen Charakter hat (unten §§ 52 ff.). Der Kauf dagegen bedeutet nicht nur eine solche Charakterisierung, sondern ein bestimmtes einzelnes Geschäft, das die Eingehung von Verpflichtungen enthält. — § 7. Vor der Leistung besteht nicht mehr als eine Verpflichtung, den Gegenstand und den Preis zu übertragen. Die Wirkungen der Erfüllung treten erst dann ein, wenn die dinglichen Übertragungsakte erfolgen. Dennoch ist es möglich, daß eine Rechtsordnung in einzelnen Richtungen schon früher Wirkungen der Veräußerung eintreten läßt. Das war besonders im römischen Rechte der Fall. Es wurde stark beeinflußt von dem Rechte der alten bäuerlichen mancipatio, wo gleichzeitig mit dem Vertragsschluß auch schon die Erfüllung von beiden Seiten erfolgte, also ein Zwischenstadium zwischen Verpflichtung und Erfüllung ausgeschlossen war. Daraus entwickelte sich die Auffassung, daß mit dem Verkaufe die Sache eigentlich schon dem Käufer zufällt; ihn trifft daher von da ab der Nutzen der Sache wie ihre Belastung und Gefahr. Besonders bezeichnend dafür ist der Satz, daß für den guten Glauben bei der Ersitzung auch schon die Zeit des Kauf Schlusses i n Betracht kommt. Ebenso ist auch der Kaufpreis hiernach schon beim Vertragsschluß zahlbar; er muß deshalb von diesem Zeitpunkte an verzinst werden. Diese und ähnliche Sätze sind auch in das Recht der späteren emtio venditio übergegangen und von da in das römisch-gemeine Recht. Dort paßten sie freilich recht schlecht zu dem modernen Rechtsverkehr, in dem alltäglich künftige Lieferung und Zahlung versprochen wird, und demgemäß zu unserem Rechtsempfinden. Insbesondere mußte es schon im vorigen Jahrhundert einem Käufer unbegreiflich vorkommen, daß er eine Ware, die er nicht erhielt, bezahlen müsse. Dennoch hat man auch dies mit jener geduldigen Gesetzestreue, die ein Vorzug, aber auch eine Schwäche der gemeinrechtlichen Wissenschaft war, ertragen. Das BGB. dagegen hat alle diese Sätze fallen lassen 22 , und mit Recht. Ihre 82

Eine Ausnahme (§ 452) siehe unten § 41.

16

Kauf.

Grundvorstellung, daß beim Vertragsschluß auch sofort beiderseits zu erfüllen sei, paßt nur für ein ganz einfaches ländliches Recht, während unser Handelsverkehr vorwiegend mit Geschäften auf spätere Lieferung und spätere Bezahlung arbeitet. Insbesondere ist auch der erwähnte Satz beseitigt, daß schon mit dem Kaufschlusse die Gefahr auf den Käufer übergeht. § 8. Hiernach müßte man annehmen, daß für alle Wirkungen der Veräußerung erst der Augenblick der vollen Übertragung, also des Eigentums- und Besitzübergangs maßgebend sei. Dennoch kommt auch nach dem BGB. noch ein früherer Zeitpunkt in Betracht, der zwischen dem Kaufschluß und dieser Übertragung liegt 2 3 , und den wir als den w i r t s c h a f t l i c h e n Ü b e r g a n g bezeichnen wollen. Vom Gesetze (§ 446) und der Wissenschaft wird er als der Zeitpunkt des Gefahrübergangs bezeichnet. Aber diese Benennung ist wenig geschickt. Denn die Fälle, in denen diese Frage in Betracht kommt, wo also gerade in diesem kurzen Zeitraum die Sache untergeht, sind verhältnismäßig selten. Die Frage der Gefahr t r i t t daher sehr zurück gegenüber denen, die bei den meisten wichtigen Verkäufen auftauchen, wann nämlich die Nutzungen und Lasten der Sache dem Käufer zufallen. So wird bei fast jedem Hauskauf die Frage praktisch werden, von wann an der Käufer die Einkünfte aus den Haus bezieht und die Steuern und Hypothekenzinsen bezahlen muß. Außerdem t r i t t bei der Gefahrtragung der Grundgedanke der ganzen Lehre gerade am wenigsten deutlich hervor. Weshalb der Käufer eine Sache, die er nicht voll erhalten, bezahlen muß, das leuchtet nicht ohne weiteres ein. Viel eher wird man es verstehen, daß mit der Aushändigung der Sache an den Käufer ihm auch die Nutzungen überlassen werden, weil sie ihm, wenn auch noch nicht zu vollem Rechte, so doch schon tatsächlich übertragen ist. Deshalb ist es wenig zweckmäßig, gerade die Frage der Gefahr so in den Vordergrund zu stellen. Um diesen Übergang zu verstehen, muß man also eben von diesem Gedanken ausgehen, daß die Sache wirtschaftlich auf den Käufer übertragen ist. Eine solche Übertragung geschieht freilich am wirksamsten dadurch, daß ihm Eigentum und Besitz verschafft 23

M a r t i n i u s , B ü r g A . 17, 50ff.; S t e r n , Gefahrtragung beim Kaufe (Marburger Dissertation); A d l e r , Z H R . 72, 388ff.; K l u c k h o h n , JheringsJ. 64, 114ff. ; Ε i s s e r , Die Gefahrtragung beim Kaufe i n rechtsvergleichender Darstellung.

Wirtschaftlicher Übergang.

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und damit die volle Erfüllung gewährt wird. Aber davon unterscheidet sich der wirtschaftliche Übergang der §§ 446, 447 dadurch, daß noch nicht die ganze Erfüllung gemacht ist, sondern nur ein wichtiger Teil davon. Dies ist der entscheidende Gesichtspunkt der ganzen Lehre. Aber er wird von der herrschenden Meinung nicht anerkannt. Sie will die erwähnten Vorschriften zwar auch auf solche Fälle einer teilweisen Erfüllung beziehen, aber zugleich auch auf den andern Fall, wo vollkommen erfüllt, also Eigentum und Besitz übertragen worden ist 2 4 . I n der Tat ist diese Auffassung für bewegliche Sachen möglich. Wenn das Gesetz hier in § 446 an die Übergabe der Sache den Gefahrübergang anknüpft, so liegt es gewiß nahe, dabei auch an die gewöhnlichen Fälle zu denken, wo bei dieser Übergabe zugleich auch das Eigentum übertragen wird. Aber einen ganz anderen Eindruck macht die Regelung, die das Gesetz (§446 2 ) für Grundstücke trifft. Hier knüpft es den Übergang sowohl an die Übergabe als an die Auflassung allein an, also an Akte, deren jeder ganz sicher noch vor der vollen Erfüllung liegt. Das gleiche gilt von der Bestimmung des § 447, da die Absendung sicher noch nicht die gesamte Erfüllung enthält. Daraus werden wir folgern dürfen, daß es auch bei der Vorschrift des § 446 1 nicht anders steht; daß auch hier an einen A k t angeknüpft wird, der nur einen Teil der Erfüllung bedeutet. Dazu kommt, daß der ganze Begriff des Gefahrübergangs da, wo schon vollständig erfüllt wurde, gar keinen rechten Sinn hat. Wenn die Sache schon übergeben und übertragen ist, so trifft der Schaden ihres Unterganges, der vielleicht nach Jahren erfolgt, allerdings den Eigentümer. Aber man kann das kaum daraus ableiten, daß er jetzt die Gefahr der Sache trage. Es ließe sich das nur im Sinne jener alten Wendung sagen, daß jeder Eigentümer den Schaden seiner Sachen trage — ein Satz, der aber allzu selbstverständlich und ohne jede praktische Bedeutung ist. Einen greifbaren Inhalt hat die Regelung der Gefahr nur dann, wenn sich daraus eine Abwälzung oder doch mindestens eine Abgrenzung des Schadens ergibt. Hier aber kommt eine solche nicht mehr i n Frage. Das Kaufverhältnis ist erledigt, sobald die Sache vollkommen übertragen ist, der Verkäufer ist damit ganz ausgeschieden. Der Erwerber ist daher der 24

Insbesondere K l u c k h o h n a. a. O. 140; E n n e c c e r u s - L e h m a n n , § 103, A n m . 3. B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

2

18

Kauf.

einzige, der noch für den Schaden in Betracht kommt: es hat also keinen Sinn mehr, ihm die Gefahr aufzuerlegen. Und auch bei den Nutzungen und Früchten werden wir von dem Zeitpunkt des vollen Erwerbs an den Ausdruck Übergang besser vermeiden. Freilich fallen die Nutzungen dem Eigentümer zu, der die Sache früher einmal gekauft hatte: aber das ergibt sich schon aus §§ 953ff. und nicht erst aus § 446 BGB. Er hat freilich auch die Lasten zu tragen: aber das ergibt sich schon aus dem Inhalt der Vorschriften, die den Eigentümer belasten, und wieder ist § 446 hierfür unnötig. Hiernach werden wir die ganzen Bestimmungen über den Übergang (§§ 446, 447) nicht auf solche Fälle beziehen, wo schon vollkommen erfüllt war, sondern nur auf solche, wo lediglich ein Teil der Erfüllung stattgefunden hatte. Noch bedenklicher ist die verbreitete Auffassung, daß diese Vorleistung vom Gesetz schon als Leistung betrachtet und eben aus diesem Grunde schon mit solchen Wirkungen ausgestattet werde. Insbesondere hat man so aus § 447 gefolgert, daß schon die Absendung der Ware als Erfüllung oder doch als Leistung gelte. Diese Lehre erklärt sich aus dem Bestreben, den Ort der Absendung als den der wirklichen Leistung hinzustellen. Aber diese ganze Auffassung ist zu verwerfen 25 . Wenn das Gesetz (§ 269) den Wohnsitz oder Geschäftssitz des Schuldners als den Leistungsort bezeichnet, so soll und kann damit nicht gesagt sein, daß dort wirklich die Erfüllung oder Leistung vorzunehmen sei, sondern lediglich, daß dieser Schuldort für die rechtliche Behandlung der Schuld maßgebend sei. Es ist daher weder nötig, daß der Schuldner gerade von dort absendet, noch ist es richtig, daß diese Absendung schon die Leistung des Schuldners enthalte. Auch diese Auffassung wird durch die Bestimmung des § 446 über die Grundstücke sehr deutlich widerlegt, nach der sowohl die Übergabe als die Auflassung allein zum Übergang genügt. Denn es ist sicher nicht möglich, die Auflassung allein als die volle Leistung des Schuldners zu bezeichnen und noch weniger die bloße Übergabe des Grundstücks. Vergeblich hat man sich bemüht, die Tragweite dieses Schlusses abzuschwächen26. Noch weiter geht eine verbreitete Ansicht, die unter der Übergabe des § 446 nur diejenige verstehen will, die Eigentum über25 26

Mein Erfüllungsort 30ff., oben, I 227 ff. E c c i u s a. a. O.; O e r t m a n n 1 zu § 446.

Wirtschaftlicher Übergang.

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trägt 2 7 . Sie muß dahin führen, daß beim Falle des Eigentumsvorbehalts (§ 455 BGB.) die Gefahr noch nicht übergeht 28 — es ist nicht folgerichtig, wenn manche der Gegner dies ablehnen. Aber dies Ergebnis ist außerordentlich unbillig und wird von der Rechtsprechung mit Entschiedenheit verworfen (unten § 49). Schon daraus erhellt, daß hier unter Übergabe, was auch sprachlich näher liegt, jede einfache Besitzübergabe zu verstehen ist 2 9 . Diese richtige Auffassung wird auch von solchen Schriftstellern vertreten, die auch den bloßen Ersatz einer Übergabe (§§ 930, 931 BGB.) als ausreichend für den Übergang erachten 30 . Denn in der Tat handelt es sich hier um zwei verschiedene Fragen. Indessen wird sich auch zeigen, daß diese Ausdehnung nicht berechtigt ist (unten S. 20). — Hiernach t r i t t der wirtschaftliche Übergang insbesondere auch dann ein, wenn ein Nichteigentümer eine gestohlene Sache verkauft hat und sie nach § 935 BGB. nicht zu Eigentum übertragen konnte. Der Käufer ist hier also von der Übergabe ab dem Verkäufer gegenüber berechtigt, die Nutzungen zu ziehen, und verpflichtet, die Lasten zu tragen. Anders aber verhält es sich hier mit der Gefahr. Wenn eine solche fremde Sache untergeht, ist der Verkäufer nach § 440 I I BGB. verpflichtet, dem Käufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten. Daraus ergibt sich, daß er von diesem nicht etwa den Kaufpreis verlangen kann. Auch für ein Grundstück, das lediglich übergeben wurde, muß man dasselbe annehmen 31 . Denn auch hier wäre es genau ebenso unbillig, einem Verkäufer, der keinerlei Recht an dem Grundstück oder auf das Grundstück hatte, den Kaufpreis zuzusprechen. War das Grundstück dagegen schon aufgelassen und eingetragen, so hat der gutgläubige Erwerber ja trotz des ursprünglichen Rechtsmangels hier immer Eigentum erworben. § 9. Der wirtschaftliche Übergang erfolgt bei beweglichen Sachen durch die Übergabe (§ 446 BGB.). Der gewöhnliche Fall, 27 K i s c h , Unmöglichkeit 62; T i t z e , Unmöglichkeit 257, Enzyklopädie 93/94; Crome § 203; O e r t m a n n , 4. Aufl. 6 zu § 446 (anders 5. Aufl.). 28 So i n der T a t O e r t m a n n , 4. Aufl. 6 zu § 455. 29 Herrschende Ansicht, z. B . R G . 85, 321; E m e r i c h a. a. O. 35, 44; K a h n , Recht 1903, 647; P l a n c k 2b zu § 446; J a f f é , Eigentumsvorbehalt beim K a u f 52; K l u c k h o h n a. a. O. 143. 30 D e r n b u r g § 174; S t a u d i n g e r I zu § 446; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 103 A n m . 2; A d l e r , Z H R . 72, 398ff.; S t e r n a. a. O. 61ff. 31 O e r t m a n n l b zu § 446. 2*

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Kauf.

wo dadurch zugleich auch Eigentum übertragen wird, wird nach dem oben Gesagten durch diese Vorschrift nicht betroffen, sondern nur Fälle, wo es daran noch fehlt. Es kann sein, daß die Einigung über den Eigentumsübergang (§ 929 BGB.) noch gar nicht vollzogen ist, die Sache z. B. nur zur Besichtigung und Erprobung übergeben wurde. Es kann auch sein, daß die Einigung unter einer Anfangsbedingung geschlossen ist, was besonders beim Eigentumsvorbehalt vorkommt (§ 455 BGB.). Endlich kann es sein, daß wegen des mangelnden Verfügungsrechts kein Eigentum überging (oben S. 19). I n allen diesen Fällen ist eine volle Erfüllung nicht erzielt worden. Aber dem Käufer ist doch schon die Herrschaft und Obhut über die Sache übertragen worden. Damit ist ihm die Benutzung und Nutzung der Sache überlassen, und daraus erklärt sich, daß ihm die Nutzungen zufallen. Wer den Nutzen hat, wird aber regelmäßig auch die Lasten und Gefahren zu tragen haben; so rechtfertigt es sich, daß auch diese übergehen. Bei der Gefahr kommt noch besonders i n Betracht, daß dem Käufer durch diese Übergabe auch die Obhut der Sache übertragen ist. Wenn sie jetzt beschädigt oder zerstört wird, so wird ihn regelmäßig die Schuld daran treffen. Jedenfalls wird er durch die Überwälzung der Gefahr angespornt, besonders sorgfältig auf die Sache zu achten. — Gegen diese Begründung darf man nicht etwa einwenden, daß danach eine Übergabe auch ohne Vorliegen eines Kaufvertrags die Gefahr übertragen müsse. Denn die Gefahrtragung bezieht sich lediglich auf die Frage, ob der Kaufpreis zu bezahlen sei, und dieser kann nur bei Abschluß eines Kaufvertrages vorkommen. Außerdem liegt ein Unterschied darin, daß der Kauf zum dauernden Erwerb der Sache führen soll, der Erwerber also an ihr ein eigenes Interesse hat. Beim Eigentumserwerb kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, daß die Parteien ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbaren (§ 930 BGB.) oder der Veräußerer seinen dinglichen Anspruch an den Erwerber abtritt (§ 931). Es fragt sich nun, ob diese Formen auch genügen, um den wirtschaftlichen Übergang nach § 446 zu bewirken. Die herrschende Lehre bejaht dies 32 . Aber ihr Hauptgrund, daß das Gesetz jene Akte der Übergabe gleich82 E c c i u s , GruchBeitr. 41, 883; D e r n b u r g § 174; M a r t i n i u s a . a. O. 54; K i s c h , Unmöglichkeit 62; T i t z e , Unmöglichkeit 257, Enzyklopädie 93ff.; A d l e r a. a. O. 399ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 103 A n m . 2; O e r t m a n n 6 zu § 446.

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stelle, kann nicht überzeugen, da dies eben nur bei der wesentlich andersartigen Frage der Eigentumsübertragung zutrifft. Man hat sich auch darauf berufen, daß es auch bei Grundstücken einer Übergabe nicht bedarf; aber dort t r i t t eben ein noch wichtigerer Akt, die Auflassung, an ihre Stelle. Noch weniger überzeugt die Berufung darauf, daß eine Übergabe, die nicht zur Eigentumsübertragung führe, nach § 446 nicht genüge. Denn weder ist dieser Satz richtig (oben S. 19), noch würde daraus etwas für unsere Frage folgen. Wir werden vielmehr der entgegengesetzten Ansicht folgen, die diese Ersatzmittel der Übergabe für nicht genügend hält 3 3 . Dafür spricht schon, daß sie vom Gesetz nicht als vollwertige Übergabe, sondern nur als deren „Ersatz" bezeichnet werden. Vor allem aber fallen hier die Gründe für den Übergang fort. Der Veräußerer hat dem Erwerber hier noch nicht den Besitz, jedenfalls nicht den unmittelbaren, übertragen — also die entscheidende Überlassung noch nicht vollzogen. Der Erwerber andererseits hat noch nicht für die Sache zu sorgen. Es fällt also auch der bedeutsame Zweck, ihn zur Sorgfalt anzuhalten, fort. Besonders bezeichnend sind Fälle, wo dem Käufer nur der Anspruch ohne mittelbaren Besitz abgetreten worden ist; es hat z. B. jemand eine verlorene Sache einem andern verkauft und ihm seine Ansprüche gegen den unbekannten Finder übertragen. Es erscheint gewiß sehr bedenklich, dem Käufer hier schon die Lasten und die Gefahr der Sache aufzubürden. Endlich müßten daraus schlimme Verwicklungen entstehen, wenn mehrere Übertragungsakte an verschiedene Käufer stattgefunden haben. § 10. Bei Grundstücken wird der wirtschaftliche Übergang sowohl durch die Auflassung und Eintragung wie durch die Übergabe herbeigeführt (§ 446 2 BGB.). Jeder von beiden Akten allein genügt. Wie nun, wenn das Grundstück zweimal verkauft, dem einen Käufer übergeben und dem andern aufgelassen ist — welcher soll dann die Gefahr tragen, d. h. den Kaufpreis bezahlen, wenn das Haus abbrennt? Nach dem Wortlaut des Gesetzes möchte man annehmen, daß die Gefahr auf beide übergegangen sei, so daß jeder bezahlen müßte. I n der Tat ist diese Ansicht mehrfach vertreten worden 34 . Aber dies Ergebnis ist ein geradezu ungeheuerliches : der Verkäufer, der dieselbe Sache mehrmals verkauft und sich dadurch regelmäßig einem schweren Vorwurf 83 84

E m e r i c h a. a. O. 35, 44; K a h n , Recht 03, 647; P l a n c k 2. S c h o l l m e y e r 16; H e l l m a n n , K r i t V . 41, 219, Martinius 172ff.

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ausgesetzt hat, bekommt sie doppelt bezahlt! Andere suchen dies durch die Annahme zu vermeiden, daß der Verkäufer immer als schuldhaft 35 oder gar als arglistig 36 anzusehen sei und deshalb den Anspruch verliere. Aber es sind immerhin auch Fälle möglich, wo nicht einmal ersteres zutrifft: z. B. wo der eine Verkauf durch einen Vertreter vollzogen wurde. Wenn man es ferner darauf abstellt, auf wen die Gefahr zuerst überging 37 , so befriedigt auch das wenig, da dies ein recht unwesentliches Moment ist. Eine andere Ansicht, die jeden Übergang ablehnt 38 , widerspricht dem Gesetz. Am besten ist es vielmehr, die Gefahr auf den Käufer übergehen zu lassen, an den die Auflassung erfolgt war 3 9 . Denn er hat mit dem Eigentum fast alles erhalten und kann sich damit den noch fehlenden Besitz meistens leicht verschaffen. Jedenfalls hat er weit mehr bekommen als der andere Käufer. Demgemäß wird man auch annehmen müssen, daß ihm ebenfalls die Nutzungen und Lasten der Sache zufallen. §11. Sehr streitig ist, ob dieseRegeln auch für den bedingtenKauf gelten. Hier sind zunächst die Fälle auszuscheiden, wo das Geschäft nachher durch die Bedingung entkräftet wird: wo also entweder die Anfangsbedingung ausfällt oder die Endbedingung erfüllt wird. Hier treten die Wirkungen des wirtschaftlichen Übergangs wohl sicher nicht ein. Wenn jemand ein Auto für den Fall gekauft hat, daß er eine gewisse Stellung erhält, wenn dies ihm übergeben und bei ihm zufällig zerstört wird und wenn dann seine Aussicht auf die Stellung endgültig scheitert: dann kann man nicht annehmen, daß er die Gefahr trage, also das Auto bezahlen müsse. Es würde dies sehr unbillig sein und dem Inhalt des Vertrags durchaus widersprechen. Denn nach diesem sollte er im Falle dieses Scheiterns den Preis überhaupt nicht zu bezahlen brauchen, auch nicht gegen wirkliche volle Lieferung der Sache. Um so weniger muß er ihn bezahlen wenn er diese nicht einmal erhält. Ähnlich ist es bei der erfüllten Endbedingung. Wenn der Kauf eines Hauses aufgehoben werden soll, falls der Käufer binnen zwei Jahren versetzt wird, wenn das Haus in der Zwischen85

E n n e c c e r u s § 326 A . 9. D e r n b u r g 2, § 174 A . 9. 87 E n d e m a n n § 159a, A . 52. 88 C o s a c k § 125; E n n e c c e r u s a. a. O. A n m . 9 (anders j e t z t L e h m a n n , A n m . 4). 89 P l a n c k zu § 446; O e r t m a n n 6 zu § 446; R i e z l e r , ZivArch. 98 341 ff.; K i s c h , Unmöglichkeit 63. 86

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zeit abbrennt und dann die Endbedingung eintritt, so wird der Kauf auch jetzt noch aufgehoben und damit die Pflicht für Preiszahlung 40 . Das entspricht durchaus dem Inhalt des Vertrags; denn der Kauf ist nun aufgehoben, die Sache also nicht mehr eine gekaufte im Sinne des § 446. Dafür spricht ferner, daß das Gesetz (§ 350) nach dem Untergang der Sache auch noch erlaubt, ein vereinbartes Rücktrittsrecht auszuüben. Die Zufügung eines solchen Rechts ist gar nichts anders als ein Fall der Endbedingung. Ja gerade in diesem Falle ist es besonders gewagt, noch die Auflösung zu gestatten. Denn es ist immerhin recht eigenartig, daß der Käufer jetzt, nach dem Untergang, dies Recht ausüben will, obwohl er doch die Sache nicht zurückgeben kann. Dennoch hat sich das Gesetz über dies Bedenken hinweggesetzt (I, 412ff.). Um so mehr muß man die gleiche Entscheidung da treffen, wo die Auflösung von einem andern Umstand abhängt, besonders einem solchen, der von dem Willen des Käufers unabhängig ist. § 12. Viel umstrittener sind die Fälle, wo der Vertrag nachher zur vollen Wirksamkeit gelangt, indem die Anfangsbedingung eintritt oder die Endbedingung ausfällt. Wenn z. B. in dem genannten Fall der Käufer des Autos die Stellung erlangt, muß er dann den Preis für das zertrümmerte Auto bezahlen? Die herrschende Meinung verneint auch dies 41 . Sie beruft sich darauf, daß zur Zeit des Untergangs die Sache noch nicht verkauft war. Aber das wäre nur richtig, wenn das bedingte Geschäft vor dem Eintritt der Bedingung noch gar nicht abgeschlossen wäre. Dieser Auffassung müssen wir jedoch die andere entgegenstellen, daß der Abschluß des Geschäfts schon vorher erfolgt und nur seine volle Wirksamkeit noch aufgeschoben ist. Dafür spricht nicht nur der deutliche Wortlaut des Gesetzes (§ 158), sondern vor allem der feststehende Rechtssatz, daß für die Voraussetzungen des Vertrags der frühere Zeitpunkt maßgebend ist, und die Bestimmungen, nach denen schon während der Schwebe wichtige Zwischenwirkungen aus dem Vertrage entspringen (§§ 160ff.). Die Gegner machen ferner geltend, daß nach § 323 BGB. mit 40

Herrschende Meinung, Anführungen bei O e r t m a n n 6 zu § 446, wo auch Angabe der Gegner. 41 K l u c k h o h n a. a. O.; D e r n b u r g 2, 31 ; K ö h l e r , Lehrbuch 2, 249; S t a u b , E x k u r s 23 zu § 382; E m e r i c h a. a. O. 44; auch T i t z e , Unmöglichkeit 258.

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der einen Leistung auch die Gegenleistung fortfalle: aber diese Vorschrift wird eben durch die Sonderbestimmung des § 446 durchbrochen. Nach einer verbreiteten Mittelmeinung soll der Käufer nur die Gefahr der Verschlechterung, aber nicht die des völligen Untergangs der Sache tragen 42 . Sie beruft sich darauf, daß im letzteren Falle die Leistung objektiv unmöglich und daher der Vertrag nach § 306 BGB. nichtig sei. Aber bei der Frage, ob die Unmöglichkeit eine ursprüngliche oder nachfolgende sei, kommt es nicht auf die Zeit der Erfüllung, sondern die des Vertragsschlusses an (I, 305ff.), und dieser ist, wie eben dargelegt, schon i n der Vereinbarung des bedingten Kaufs zu sehen. Damals aber war die Leistung noch nicht unmöglich: die Unmöglichkeit ist also nicht eine ursprüngliche, sondern eine nachfolgende, die die Gültigkeit des Vertrags nicht berührt. Die Gegner berufen sich ferner auf die Entscheidung der römischen Quellen: aber das römische Recht ist ja hier ganz anders gestaltet, da es die Gefahr schon mit dem Vertragsschlusse übergehen läßt. Endlich machen sie geltend, daß ihre Unterscheidung dem Willen der Parteien entspreche 43. Aber es ist umgekehrt zu behaupten, daß es diesen willkürlich und unnatürlich erscheinen muß, zwischen der vollen Zerstörung und der bloßen Beschädigung zu unterscheiden. Oft ist es gar nicht einmal möglich, eine scharfe Grenze zwischen beiden zu ziehen. Wenn ein wichtiger Teil der Sache zerbrochen ist, z. B. das Differential eines stark gebrauchten Autos, so ist überhaupt nicht mit Sicherheit zu sagen, ob das Auto dadurch zerstört ist. Ob es sich noch lohnt, ein anderes Stück einzubauen, läßt sich hier objektiv gar nicht entscheiden. Eine andere Mittelansicht erklärt für maßgebend, ob die Parteien den Kauf schon als perfekt angesehen haben 44 . Aber damit wird die Entscheidung der Streitfrage auf die Parteien abgewälzt — oder vielmehr, da dieses Auskunftsmittel regelmäßig versagen wird, auf den Richter, der sich über dies Rätsel den Kopf zerbrechen kann. Und wie soll entschieden werden, wenn beide Parteien über diese Frage uneinig waren? 42

E n n e c c e r u s , Rechtsgeschäft 373ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 103; Coome 2 § 419ff.; O e r t m a n n 6 zu § 446; S t e r n a. a. O. 35ff.; Frankf u r t B l f R A . 65, 410. 43 T i t z e , Unmöglichkeit 258ff. 44 D ü r i n g e r 3, 87ff., K R GR. 3 zu § 446.

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Vielmehr werden wir uns der Ansicht anschließen, daß hier immer die Gefahr auf den Käufer übergeht 45 . Denn es sprechen dafür dieselben Gründe wie beim unbedingten Kauf. Auch hier ist der Kauf schon abgeschlossen, und es sind schon Anfangswirkungen eingetreten. Der ganze A k t zielt schon darauf ab, daß der Erwerber die Sache endgültig behalten soll. Dadurch unterscheidet er sich wesentlich von dem andern Fall, wo noch kein bedingter Vertrag abgeschlossen und die Sache lediglich zur Besichtigung ausgehändigt ist: hier fehlt es ja auch noch an einem bestimmten Kaufpreis, und daher kann hier von der Preisgefahr gar keine Rede sein. Endlich ist auch die Übergabe schon erfolgt und damit die Herrschaft und Obhut auf den Käufer übertragen. I h m müssen auch schon die Nutzungen und Lasten der Sache zufallen. —• Um so mehr gilt dies alles, wenn nicht der Kauf, sondern nur die Übereignung bedingt ist, wie besonders bei der Übertragung unter Eigentumsvorbehalt (§ 455 BGB.). Hier fällt das Bedenken, daß die Sache noch nicht verkauft sei, ganz fort. Außerdem ist es hier noch deutlicher, daß die Übergabe auf das endgültige Behalten der Sache abzielt. Auch ist es hier kaum zu bestreiten, daß die Nutzungen und Belastungen auf den Käufer übergegangen sind. Deshalb ist hier erst recht ohne Bedenken der Übergang der Gefahr zu bejahen (unten § 49). Auch bei der Endbedingung ist der Vollzug des wirtschaftlichen Übergangs sehr einleuchtend. Ein Haus ist mit dem Zusatz verkauft, daß bei Versetzung innerhalb zweier Jahre der Vertrag aufgelöst werde, das Haus brennt nach der Übergabe ab und danach fällt die Möglichkeit einer Versetzung endgültig fort. Auch hier muß der Käufer bezahlen. Auch hier taucht — wie im letztgenannten Falle — der hauptsächliche Zweifel gar nicht erst auf; das Haus war zur Zeit seiner Zerstörung ganz offenbar verkauft, und nachher ist der Kauf auch endgültig wirksam geworden. § 13. Wir betrachten schließlich die Wirkungen, die sich an den wirtschaftlichen Übergang anknüpfen. Zunächst fallen dem Käufer von da ab die Nutzungen der Sache zu. Hierbei ist aber immer noch zu prüfen, ob sich aus den Abmachungen der Parteien nicht etwas anderes ergibt. Wenn z. B. das verkaufte Grundstück zunächst nur aufgelassen, aber nicht übergeben werden soll, so 45

K i s c h , Unmöglichkeit 66; P l a n c k 2; E b b e k e , Recht 1919, 317; S i n z h e i m e r , LeipzZ. 1915, 682.

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wird daraus regelmäßig die Absicht zu entnehmen sein, daß der Käufer einstweilen noch kein Recht auf die Nutzungen haben soll. — Sodann gehen damit die Lasten der Sache über. Hieraus ergibt sich, daß der Verkäufer sie bis dahin zu tragen hat. Demgemäß kann er nur dann, wenn er nach dem wirtschaftlichen Übergang solche Lasten bezahlt hat, Ersatz seiner Aufwendungen wie ein Beauftragter verlangen (§ 450 I BGB.). Dazu ist aber auch erforderlich, daß diese Aufwendung objektiv nötig ist. Es genügt nicht, daß er sie dafür hält. Zwar entscheiden manche anders, weil der Beauftragte nach § 690 BGB. auch für solcheAufwendungen Ersatz fordern kann, die er für erforderlich hält 4 6 . Aber das Auftragsrecht kommt eben erst zur Anwendung, wenn die Aufwendung eine notwendige war 4 7 . Nach § 450 I I gilt es nur für „solche" Verwendungen, also gemäß Absatz I für notwendige. Endlich geht damit die Gefahr auf den Käufer über. Hierbei wird offenbar an solche Umstände gedacht, die von keiner der beiden Parteien zu vertreten sind. Aber die Gefahrtragung bedeutet nicht etwa, daß der damit Belastete für den daraus entstehenden Schaden haften solle. Sonst würde sich ja aus § 446 BGB. der ungeheuerliche Satz ergeben, daß bis zur Übergabe der Verkäufer für zufälligen Untergang haftbar wäre. Das würde aber nicht nur dem § 276 BGB., sondern auch aller Gerechtigkeit aufs schärfste widersprechen. Daher kann hier unter Gefahr nur die sogenannte Preisgefahr verstanden werden — d. h. die Entscheidung der Präge, ob der Kaufpreis bezahlt werden muß. Allerdings hat das Gesetz den Ausdruck gelegentlich auch in einem andern Sinne verwendet 48 , so jedenfalls in § 811, wonach, wer die Vorlegung einer Sache fordert, die Gefahr zu tragen hat. Aber in der Regel kann der Ausdruck nur auf die Preisgefahr bezogen werden — und so auch in § 446 und 447 BGB. — Für die Gefahr gilt noch die Sonderbestimmung, daß sie schon dann übergeht, wenn der Verkäufer die Sache auf Verlangen des Käufers nach einem andern Ort als dem sogenannten Leistungsort übersendet und sie dazu an den Spediteur, Frachtführer oder sonstigen Beförderer übergeben hat (§ 447 BGB.). Hierdurch werden die Regelfälle des Versendungskaufes betroffen. Denn da der Leistungsort regelmäßig am Wohnsitz oder Geschäftssitz des Schuldners 46 47 48

P l a n c k 1; D e r n b u r g § 176; E n d e m a n n § 159 A . 16. B r ü c k m a n n , Rechte des Geschäftsführers 75ff.; O e r t m a n n Mein Erfüllungsort 49.

lb.

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liegt, wird meist eine solche Versendung zum Käufer erfolgen müssen. Die Behandlung dieser Fälle ist aber leider eine ganz unberechtigte 49 . Man kann sie nicht damit rechtfertigen, daß die Aushändigung an den Frachtführer schon die maßgebende Leistung des Schuldners enthalte; denn dies wäre eben ganz unrichtig 50 . Vor allem widerspricht sie durchaus der Billigkeit. Der Frachtführer ist regelmäßig ein Vertreter des Verkäufers und wird von diesem ausgewählt und instruiert, so daß der Käufer für ihn nicht zu haften braucht. Anderseits hat dieser die Ware nicht erhalten: es ist deshalb gar nicht einzusehen, warum er sie bezahlen soll. Die Unbilligkeit t r i t t nicht so sehr hervor da, wo die Versendung durch die Eisenbahn oder Post erfolgt, weil deren Haftung hier meist den nötigen Ausgleich bewirkt. Wenn sie aber durch einen Dienstmann oder eine Botenfrau geschehen ist und diese zum Ersatz unfähig sind, dann zeigt sich die starke Unbilligkeit der gesetzlichen Bestimmung aufs deutlichste. Sie verstößt aber auch gegen die Grundgedanken des Gesetzes, insbesondere gegen den § 323, wonach mit der Unmöglichkeit der einen Leistung die Gegenleistung fortfällt. Dennoch muß das unrichtige Gesetz trotzdem befolgt werden. Wir werden es aber ablehnen, es auch auf andere Fälle analog auszudehnen. Man hat seine Bestimmung nämlich auch da anwenden wollen, wo die Versendung nicht nach einem andern Orte, sondern innerhalb derselben Ortschaft erfolgt ist 5 1 . Dem kann aber nur widersprochen werden 5 2 : es würde das Anwendungsgebiet des § 447 ganz außerordentlich erweitern und den darin liegenden Fehler entsprechend vergrößern. Ebenso wäre es verfehlt, die Vorschrift auf den Fall auszudehnen, wo der Verkäufer selbst die Übersendung vollzogen h a t 5 3 — oder aber über die eigentliche Transportgefahr hinaus, z. B. auf Fälle, wo die Ware unterwegs beschlagnahmt wird 5 4 . — Wenn der Verkäufer, ohne endgültig zu leisten, den Preis erhält, so muß er sich das anrechnen lassen, was er durch die Unmöglichkeit 49

M ü l l e r - E r z b a c h , Z i v A r c h . 106, 434ff. M e i n Erfüllungsort 32 ff. 51 O L G . 2, 218; O e r t m a n n 4 zu § 447 u n d Genannte. 52 T i t z e a.a.O. 260; A d l e r , Z H R . 7 2 , 4 1 5 ; L e h m a n n , H a n d e l s r e c h t 7 3 3 . 63 So R G . 96, 259; O e r t m a n n zu § 447; r i c h t i g dagegen K G . O L G . 20, 174; D ü r i n g e r a. a. O. 3, 80; B e r n d o r f f , G a t t u n g s s c h u l d 82; J ä g e r LeipzZ. 07, 418; A d l e r , Z H R . 72, 417. 54 So C a s p a r , J W . 1925, 590; dagegen R G . W a r n . § 1920 N r . 95; 1921 N r . 117. 50

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Kauf.

erspart. Das Gesetz schreibt das freilich nur für den Fall vor, wo wegen eines Verschuldens des Gläubigers die Gegenleistung zu machen ist (§ 324 BGB.). Aber es muß um so mehr hier gelten, wo der Käufer ohne sein Verschulden für eine nicht vollzogene Leistung zahlen muß 6 5 . Wenn der Verkäufer z. B. eine Maschine übergeben hat, an der er noch Verbesserungsarbeiten auszuführen hatte, und diese zerstört wird, so erspart er nun die Kosten dieser Arbeit und muß sich deren Wert am Kaufpreis anrechnen lassen. Endlich ist der wirtschaftliche Übergang auch insofern bedeutsam, als gerade zu diesem Zeitpunkt die Sache frei von Mängeln sein muß (unten § 23). — § 14. Wir wenden uns jetzt zu den Verpflichtungen des Verkäufers. Er ist zunächst verpflichtet, die Sache dem Käufer zu übergeben (§ 433), d. h. den unmittelbaren Besitz zu verschaffen. Die Verschaffung des mittelbaren Besitzes durch eine Vereinbarung nach § 930 BGB. oder durch eine Abtretung nach § 931 genügt nicht; doch wird man darin, daß der Käufer diesen Verträgen zustimmt, oft auch sein Einverständnis, daß er sich damit zufrieden gibt, finden können. Die Eigentumsübertragung ohne Übergabe ist allein nicht genügend ; insbesondere braucht sich der Käufer eines Grundstücks nicht mit der Auflassung allein zu begnügen. Wenn die Sache sich an einem andern Orte befindet, als wo sie tatsächlich zu übergeben ist, muß der Verkäufer sie an diesen Ort übersenden. Daraus ergibt sich insbesondere, daß er sie regelmäßig an den Wohnort des Käufers oder den sonstigen Bestimmungsort zu überschicken hat. Freilich wird dies von der herrschenden Lehre bestritten. Sie beruht auf der Auffassung, daß an dem Wohnsitz des Schuldners, den ja § 269 BGB. als Leistungsort bezeichnet, tatsächlich geleistet werden müsse. Demgegenüber habe ich dargelegt, daß die Bestimmung des Gesetzes nur für den Schuldort, den für die Schuld maßgeblichen Ort gelten kann, daß aber die wirkliche Leistung sehr oft, ja sogar in den meisten Fällen dort gar nicht erfolgen kann 5 6 . Obwohl diese meine Lehre vielseitige und wertvolle Zustimmung gefunden h a t 5 7 , wird mir ein Vorwurf daraus gemacht, daß ich ,,noch immer" 55

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 103 A n m . 3. Mein Erfüllungsort u n d Schuldort; ferner I , 227ff. 67 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 23; F i s c h e r , Z H R . 62, 498ff.; S c h u l z , Zbl. 1910, 3 0 I f f . ; S t e r n , Gefahrtragung beim Kaufe 30; M a t t h i a ß § 82; E m g e , Der Vollzugsort; Beer, NiemeyersZ. 18, 334. 56

Überseixdungspf licht.

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daran festhielte 58 . Gerade beim Versendungskauf wird die Gegenansicht zu der Auffassung genötigt, daß schon i n der Absendung der Ware die Erfüllung zu erblicken sei. Aber das ist ganz handgreiflich unrichtig, da mit ihr weder die Übergabe noch die Übereignung vollzogen wird. Manche wollen sich durch die Annahme helfen, daß zwar noch nicht die Erfüllung, wohl aber die Leistung schon damit bewirkt sei. Indessen läßt sich beides nicht von einander abgrenzen. Vor allem aber können auch die Wirkungen einer Leistung nicht schon an die Absendung geknüpft werden. Insbesondere ist es undenkbar, daß der Verkäufer jetzt schon die Gegenleistung fordern könne 59 . — Vielmehr bildet der Versendungskauf einen der Fälle, wo der Schuldort und der Bestimmungsort auseinanderfallen. Zwar behauptet die erwähnte K r i t i k 6 0 , daß nach meiner Lehre ,,beim Versendungskauf der Bestimmungsort zum Erfüllungsort werde", unter Berufung auf I , 230: aber ich habe dort gar nichts darüber gesagt und vorher (S. 227ff.) gerade das Gegenteil dargelegt. Ebenso soll ich auf S. 230 oben „erstaunlicherweise" als kaum bezweifelt hingestellt haben, daß nach y447 BGB. die Gefahr bei der Versendung durch eigene Leute übergehe. Dort wird dies aber von einem ganz andern Rechtssatz ausgesagt, nämlich daß der Versender nach § 278 BGB. für ein Verschulden seiner Leute hafte: und das kann in der Tat nicht bestritten werden 6011 . Endlich wird daselbst behauptet, daß die Vorschrift des § 270 BGB. über die Geldschuld für mich „vollauf unverständlich bleiben" müsse — während diese Bestimmung, wie von vielen Seiten anerkannt, gerade eine der Hauptstützen meiner Lehre bildet. Hiernach kann aus der Vorschrift des § 269 BGB., die nur den Schuldort bestimmt, nicht gefolgert werden, daß die tatsächliche Leistung am Wohnsitz des Schuldners erfolge. Vielmehr ergibt sich das Gegenteil eben daraus, daß der Verkäufer nach § 433 BGB. verpflichtet ist, die Ware zu übergeben und zu übertragen, was beides er regelmäßig nur am Sitze des Käufers ausführen kann. I n der Tat können sich auch, nachdem er die Ware abgesendet hat, noch weitere Pflichten für den Verkäufer ergeben, insbeson58

O e r t m a n n , Z H R . 96, 110. Näheres u n d L i t e r a t u r I , 228ff. 60 O e r t m a n n a. a. O. 110. 804 V g l . O e r t m a n n selbst 4 b zu § 446 für besondere Übernahme des Transportes. 59

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Kauf

dere wenn sie aus irgendwelchen Gründen wieder an ihn zurückkommt. Der Verkäufer ist also zu Übersendung bis an den Käufer verpflichtet 61 . Allerdings trägt dieser die Gefahr und Kosten (§§ 446, 447 BGB.); aber dadurch wird jene Verpflichtung nicht aufgehoben. Kann es doch sein, daß die damit verbundene Arbeit viel erheblicher als die Kosten ins Gewicht fällt. Mit der Sache hat der Verkäufer auch die darauf bezüglichen Urkunden zu übergeben, soweit er sie besitzt. Wenn sie sich auch auf andere Angelegenheiten beziehen, genügt statt dessen die Aushändigung eines beglaubigten Auszuges (§ 444 BGB.). Ebenso hat er Auskunft über ihre rechtlichen Verhältnisse zu erteilen. Dagegen ist er zur Rechtsbelehrung nicht verpflichtet 62 . Die Kosten der Übergabe und einer Versendung bis zum Schuldorte fallen dem Verkäufer zur Last, ebenso die der Begründung eines verkauften Rechts (§ 448 BGB.). Dagegen trägt der Käufer die Kosten einer Versendung vom Schuldorte ab. Der Grund ist nicht etwa darin zu erblicken, daß die Übersendung nicht zu den Pflichten des Verkäufers gehörte (oben S. 28): sondern darin, daß der Schuldort für die rechtliche Behandlung der Schuld und daher auch für die Kostenfrage maßgeblich ist. Ferner trägt der Käufer die Kosten der Abnahme und beim Kauf von Grundstücken und Rechten die Kosten des Vertragsschlusses einschließlich des Stempels und der Übertragung, insbesondere der Auflassung und Eintragung (§ 449 BGB.). Hiervon sind die Kosten zu unterscheiden, die sich an den Eigentumswechsel anschließen63. Über die Tragung der Umsatzsteuer enthält das BGB. keine Vorschriften: hier wird die Regel des § 426 BGB. aushelfen, daß alle Gesamtschulden im Innenverhältnis im Zweifel auf die Beteiligten gleichmäßig zu verteilen sind. Sehr unbillig wäre es, diese bedeutenden Kosten nach § 449 ganz dem Käufer aufzuerlegen 64 . Dagegen trifft die Wertzuwachssteuer im Innenverhältnis allein den Verkäufer: denn er hat ja den Gewinn gemacht, der besteuert werden soll 65 . Vorteilhaft ist es, wenn über diese Kosten, die oft einen bedeutenden Betrag ausmachen, 61

Erfüllungsort 32 ff. R G . 52, 168. R G . 75, 210 u n d Genannte; O L G . 9, 31. 13, 408; K G . 13, 98; Recht 1907 N r . 153, 2861. 64 Wie O e r t m a n n zu § 449 u n d Genannte. 65 R G . 72, 395ff. ; GruchBeitr. 56, 108. β2

Rechtsmängel.

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im Kaufvertrag eine Regelung erfolgt. Schon aus diesen Grunde ist es zweckmäßig, daß das Gesetz für den Kaufvertrag über Grundstücke die gerichtliche oder notarielle Beurkundung gefordert und somit die Beratung durch einen Juristen notwendig gemacht hat (§ 313 BGB.). § 15. Der Verkäufer hat aber die Sache nicht nur zu Besitz zu übergeben, sondern dem Käufer auch das Recht daran zu verschaffen. Er haftet also für R e c h t s m ä n g e l (§§ 433ff. BGB.). Das Gesetz unterscheidet diese Mängel scharf von den Sachmängeln, die es wesentlich anders behandelt (§§ 459ff.). Beide müssen also voneinander abgegrenzt werden. Der Unterschied liegt darin, ob der Mangel sich erst aus den Vorschriften der Rechtsordnung oder aber schon aus der natürlichen Beschaffenheit der Sache ergibt 6 6 . Ersteres liegt z. B. vor, wenn eine Sache durch Kriegsvorschriften der Benutzung entzogen ist, letzteres, wenn sie infolge ihrer Fehler unbenutzbar ist. Wenn ein Grundstück unbebaubar ist, so ist zu unterscheiden, ob dies die Folge von polizeilichen Vorschriften ist (Rechtsmangel) oder die Folge der Bodenbeschaffenheit (Sachmangel)67. Bei Wertpapieren ist zu unterscheiden, ob die Urkunde selbst mangelhaft, z. B. die Schrift unlesbar ist, oder ob sie durch rechtliche Vorschriften entwertet wird, z. B. durch eine Bestimmung, die einen bestimmten Aufdruck zu ihrer Gültigkeit fordert. Allerdings wird diese Unterscheidung vielfach verkannt. So wird öfters behauptet, daß die Baubeschränkungen durch Gesetz und Ortsstatut als Sachmängel angesehen seien 68 . Richtig ist, daß dadurch das Grundstück seiner gewöhnlichen Benutzung entzogen wird. Aber das steht der Annahme eines Rechtsmangels nicht entgegen: so liegt ein solcher doch sicherlich in einer Dienstbarkeit, die die Benutzung der Sache durch den Eigentümer ausschließt 69 . Andere wollen darin wenigstens dann einen Sachmangel erblicken, wenn der Käufer irrtümlich andere tatsächliche Verhältnisse, z. B. eine Lage des Grundstücks annahm, bei der die Baubeschränkung nicht eingetreten wäre 70 . Aber ob ein Rechts- oder Sachmangel vor66

R G . 59, 241; LeipzZ. 10, 167; R G . Bankarchiv 10, 93. SeuffA. 63 N r . 39 u n d Angeführte. 68 R G . 69, 356; J W . 1912, 72ff.; W a r n e y e r 1913 N r . 224; O L G . 8, 459. Anders aber GruchBeitr. 47, 835; W a r n e y e r 1908 N r . 27; O L G . 16, 387. 69 Hierfür richtig R G . 69, 356. 70 R G . B a y r R p f l Z . 2, 43. 67

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liegt, das entscheidet sich nach sachlichen Gesichtspunkten, nicht danach, was der Käufer geglaubt hat. Ferner wird mehrfach behauptet, daß es bei Wertpapieren noch eine dritte A r t von Mängeln gebe, nämlich Mängel in dem verbrieften Recht: aber auch dies ist nicht anzuerkennen (unten S. 47). Die Haftung für Rechtsmängel wird im heutigen Recht stark dadurch eingeschränkt, daß der Käufer auch trotz solcher Mängel sehr oft durch den Rechtsschein und seinen guten Glauben geschützt wird. Ja es scheint auf den ersten Blick, als ob hierdurch die Ansprüche aus Rechtsmängeln überhaupt ganz ausgeschlossen würden. Denn der gutgläubige Erwerber wird durch die Vorschriften der §§ 892, 932ff., 936 BGB. geschützt, der frühere Rechtsmangel wirkt also gar nicht gegen ihn: der bösgläubige Erwerber aber hat ebenfalls keine solchen Ansprüche (§ 439 BGB.). Indessen wird diese Schlußfolgerung stark durchbrochen durch die Ausnahme des § 935 BGB., der beim Erwerb abhanden gekommener beweglicher Sachen den Vertrauensschutz ausschließt. Hier spielen also jene Ansprüche auch heute noch eine erhebliche Rolle. Sonst kommen sie nur in seltenen Fällen vor: so in denen, wo ein Erwerb sich ohne den erforderlichen Rechtsschein vollzieht, z. B. wenn der Anspruch nach § 931 BGB. ohne Verschaffung des mittelbaren Besitzes abgetreten wird. Es kann auch sein, daß der Käufer zur Zeit des Kaufschlusses gutgläubig war und vor Erwerb des dinglichen Rechts bösgläubig geworden ist: hier würde er keinen Vertrauensschutz genießen, aber doch die Ansprüche gegen den Verkäufer haben. I m ganzen aber ist unverkennbar, daß durch den Vertrauensschutz diese Ansprüche eine starke Einschränkung erfahren haben. § 16. Der Rechtsmangel kann entweder darin bestehen, daß die Sache einem Dritten gehört (§ 433) oder daß beschränkte Rechte Dritter daran bestehen, die gegen den Käufer wirken (§§ 434ff. BGB.). Dies gilt besonders für die allwirksamen Rechte: aber auch für die mehrwirksamen Rechte (I, 8ff.), insbesondere für die Grundstücksmiete, die gegen den Er Steher wirkt (§§ 57 Iff. BGB.). Das beschränkte Recht kann auch dem Verkäufer oder sogar auch dem Käufer selbst zustehen: denn auch hier wird der Käufer i n seinen Rechten aus dem Kaufvertrage beeinträcht i g t 7 1 . Es kann auch in der Befugnis einer Reichsstelle bestehen, 71

R G . 59, 404ff.

Rechtsmängel.

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Waren, die ohne Genehmigung veräußert werden, an sich zu ziehen 72 . Wenn auf einem Grundstück ein nichtiges Recht eingetragen ist, so wird der Käufer auch durch diesen ungültigen Eintrag beeinträchtigt: deshalb gibt ihm das Gesetz (§ 435) die Befugnis, dessen Beseitigung vom Verkäufer zu fordern. Beim Verkaufe eines Rechts 72 haftet der Verkäufer für dessen Bestehen, bei einem Wertpapier auch dafür, daß es nicht aufgeboten oder gesperrt ist (§ 437 BGB.). Die Vorschrift bezieht sich nicht nur auf Forderungen, sondern auch auf andere Rechte aller A r t 7 3 , soweit sie nicht rechtlich unmöglich sind 7 4 . Auffallend ist, daß der Verkauf einer nichtigen Forderung gültig ist, obwohl der verkaufte Gegenstand fehlt, und das Geschäft daher nach § 306 BGB. eigentlich nichtig sein müßte (oben S. 9). Dieser Widerspruch ist so stark, daß man gemeint hat, den Kaufvertrag hier nicht als rechtsgültig ansehen zu können: der Anspruch sei daher nicht aus diesem Vertrag, sondern aus einem besonderen Garantieversprechen abzuleiten 75 . Aber das ist nicht zu billigen. Die ganzen Bestimmungen der §§ 433—440 regeln die Haftung aus dem Kaufvertrage, und so läßt es sich nicht wohl glauben, daß hier plötzlich eine ganz andersartige eingeschoben wäre. Außerdem ist es sehr gewagt, einen solchen Garantievertrag anzunehmen: der geschlossene Kauf wird übergangen und statt dessen ein anderer nicht geschlossener Vertrag konstruiert. Auch ein bloßes Unvermögen kann nicht angenommen werden, da das verkaufte Recht ja von niemandem übertragen werden kann. Vielmehr werden wir der Auffassung beitreten müssen, daß es sich hier um eine Ausnahme von der Regel des § 306 BGB. handelt 76 . Sie erklärt sich daraus, daß die äußere Sachlage beim Kauf von Sachen und Rechten sehr verschieden ist. Bei jenem wird der Käufer in aller Regel die Sache selbst sehen und sich so von ihrem Bestand überzeugen können, bei diesem ist das nicht möglich. Es ist daher hier notwendig, ihm für den Fall der Ungültigkeit besonderen Schutz zu gewähren. Dazu kommt noch, daß es meistens möglich sein wird, das ungültige Recht nachträglich zu begründen, 72

B e n d i x , B ü r g A . 32, 323ff.; W e n z e l , GruchBeitr. 51, 721ff. T i t z e , Unmöglichkeit 270. 74 R G . 68, 293; O L G . 16, 393ff. 76 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 106. 76 F i s c h e r , Unmöglichkeit 29; R G . Recht 09 N r . 1667; M a r e k , N i c h t i g k e i t 71. 73

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

3

Kauf.

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so daß dann nur subjektives Vermögen vorliegt. — Der Verkäufer haftet nur dafür, daß das Recht besteht, nicht auch dafür, daß es wirtschaftlich wertvoll ist, also durchgesetzt werden kann (§§ 437, 438). Das gilt insbesondere für den Verkauf von Wertpapieren (unten S. 47). Und selbst, wenn er die Haftung hierfür übernommen, so ist das nur auf die Zahlungsfähigkeit zur Zeit der Abtretung zu beziehen (§ 438). Zwar wollen es manche bei nichtfälligen Forderungen dennoch auf die spätere Zeit der Fälligkeit deuten, weil nur diese für die Durchführung in Betracht komme 77 . Aber das widerspricht der genannten Vorschrift des Gesetzes: auch muß diese andauernde Haftung sehr bedenklich erscheinen, falls die Stundung auf lange Zeit, etwa auf viele Jahre erstreckt ist. Die Haftung für Rechtsmängel ist dahin eingeschränkt, daß nicht für die Freiheit von öffentlichen Lasten, insbesondere Steuern, gehaftet wird. Das Gesetz (§ 436) spricht das für die öffentlichen Lasten von Grundstücken aus, soweit sie nicht im Grundbuch eintragbar sind. Letzteres bestimmt sich hauptsächlich nach Landesrecht. Danach sind meist ausgeschlossen Steuern, Straßenbaukosten und Rentenbankrenten 78 . Die Bestimmung des § 436 BGB. muß aber auch auf bewegliche Sachen, die versteuerbar sind, ausgedehnt werden, insbesondere auf die Hunde- und Kraftwagensteuer 79 . — Ausgeschlossen ist die Haftung ferner, wenn der Käufer den Mangel beim Vertragsschlusse kennt; denn dann ist eben anzunehmen, daß er sich mit dem Mangel einverstanden erklärte (§ 439 BGB.). Eine Ausnahme gilt daher für die Pfandrechte im weitesten Sinne (§ 439 I I ) . Denn hier ist jene Annahme, daß der Käufer damit einverstanden sei, nicht haltbar. Man darf wohl davon ausgehen, daß der Käufer ein Wegerecht ertragen, aber nicht, daß er eine fremde Schuld bezahlen wolle. Deshalb ist auch dann, wenn der Käufer das Pfandrecht gekannt hat, der Verkäufer zu dessen Beseitigung verpflichtet. Doch kommt es auch nicht selten vor, daß der Käufer diese Belastung übernimmt, sei es nur im Innenverhältnis (Erfüllungsübernahme, § 329 BGB.) oder auch im Außenverhältnis (Schuldübernahme, §§ 414ff. BGB.); dann wir dihr Betrag regelmäßig von dem Kaufpreis abgerechnet. Jedenfalls 77

P l a n c k zu § 438; W ü r z b u r g e r a. a. O. 725; O e r t m a n n 2; München, B l f R A . 73, 249. Dagegen E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 106 A . 14. 78 R G . B a y r R p f l Z . 2, 361; GruchBeitr. 47, 396; W a r n e y e r 1913 N r . 86. 79 D e r n b u r g § 180 A n m . 9; H e c k J W . 1923, 176; O e r t m a n n 4.

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ist es sachgemäß, daß die Parteien über die Behandlung der Pfandbelastungen eine Vereinbarung treffen, besonders beim Verkauf eines Grundstückes — und auch dafür ist die notwendige Mitwirkung eines Juristen (§ 313 BGB.) von großem Werte. Die Kenntnis des belastenden Rechts ist auch dann vorhanden, wenn der Käufer zwar von seinem Bestehen weiß, aber über seine Rechtsfolgen im unklaren ist 8 0 . — Die Haftung kann ferner durch vertragsmäßigen Verzicht des Käufers ausgeschlossen werden (§ 443 BGB.). Dies ist aber nicht schon in der Abrede zu finden, daß er das Grundstück mit allen Lasten übernimmt, da dies nur auf Steuern zu deuten ist 8 1 . Der Verzicht soll sich nicht auf solche Rechte beziehen, die der Verkäufer arglistig verschwiegen hat (§ 443 BGB.). Arglist liegt vor, wenn er den Fehler gekannt und ihn dem Verkäufer in der Absicht verschwiegen hat, ihn dadurch zum Abschluß zu verleiten. Dazu genügt es auch, wenn er mit dieser Möglichkeit gerechnet h a t 8 2 oder wenn er sich bewußt war, daß der Gegner bei Kenntnis nicht abschließen würde 83 , aber nicht allein, daß er einen bekannten Fehler verschweigt 84 . — Endlich ist die Haftung dann ausgeschlossen, wenn die Sache im Wege der Zwangsvollstreckung auf Grund einer Pfändung verkauft wird (§ 806 ZPO., § 56 ZwGes.). Für den Pfandverkauf nach §§ 1228ff. BGB. ist dies nicht bestimmt, doch werden auch hier solche Ansprüche des Käufers kaum vorkommen können, da der gutgläubige Käufer hier stets, auch bei abhanden gekommenen Sachen, freies Eigentum auf Grund des Rechtsscheines erwirbt (§ 935 I I BGB.). § 17. Wir prüfen nun, welche Rechtsnatur diese Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel hat. Nach der herrschenden und allgemeinen Ansicht ist er verpflichtet, dem Käufer die Sache zu freiem Eigentum zu liefern. Dafür spricht auch scheinbar der Wortlaut des § 433, wonach der Verkäufer verpflichtet ist, dem Käufer das Eigentum zu verschaffen. Und dennoch werden wir uns dieser Auffassung nicht anschließen können. Der Verkäufer ist vielmehr nur verpflichtet, die zur Übereignung dienenden Akte vorzunehmen, und hat ferner für die Rechtsmängel Gewähr zu leisten. Das erste ist eine eigentliche Vertragspflicht, das andere 80 81 82 88 84

R G . 52, 168; O L G . 8, 62. R G . 66, 316. R G . 55, 214. 62, 302; SeuffA. 62, 315. R G . 55, 211ff. J W . 1904, 13; SeuffA. 61 N r . 5, 62 N r . 179. Bedenklich R G . SeuffA. 58 N r . 436. 3*

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aber nur eine bloße Gewähr, deren Eigenart eben darin besteht, daß sie auf keiner Verpflichtung beruht. Für diese unsere Auffassung spricht zunächst das römische Recht, das den Verkäufer zwar auch zur Vornahme der mancipatio verpflichtete 85 , aber nicht zur Übertragung des Eigentums, sondern nur zur Gewährung des ungestörten Habens, des habere licere: venditorem hactenus teneri ut rem emptori habere liceret, non etiam ut eius faciat 8 5 a . Daher hatte der Käufer nicht schon deshalb einen Anspruch, weil er nicht Eigentum erlangt hatte, sondern nur, wenn ihm die Sache durch Prozeß entrissen (evinciert) wurde. Daß dieser Anspruch regelmäßig durch ein besonderes Strafversprechen auf das Doppelte des Kaufpreises festgelegt wurde, ist nicht von wesentlicher Bedeutung. Diese römische Auffassung ging in das gemeine Recht über, wurde aber schon damals oft als unanwendbar bezeichnet 86 . Für das heutige wird sie allseitig verworfen. Es fragt sich, welches die Grundgedanken der römischen Lehre waren, und ob sie daher auch für das heutige Recht noch als maßgebend zu betrachten sind. Man hat jene darauf zurückführen wollen, daß das römische Recht keinen Vertrauensschutz kannte. Aber zwischen diesen beiden Rechtssätzen besteht gar kein innerer Zusammenhang. Die Einführung des Vertrauensschutzes hat zwar die Zahl der Haftungsfälle sehr vermindert, aber den Inhalt der Haftung nicht berührt. Vielmehr ist der römische Satz das Ergebnis einer feinen und richtigen Beobachtung. Nicht selten zeigt sich hinterher, daß Eigentum auf den Käufer nicht übertragen worden ist: es findet sich z. B. hinten in dem Buch ein Name oder auf dem Schmuckstück ein Buchstabe, aus denen hervorgeht, daß die Sache einem andern gehört hat. Dieser Eigentümer weiß aber gar nichts davon, oft ist er selbst auch den Parteien unbekannt. Hier bleibt dem Käufer die Sache ungestört erhalten, der Rechtsmangel bleibt also ohne praktische Folgen. Da wäre es nun sachlich verkehrt, dem Käufer einen Anspruch auf Grund dieses Mangels zu geben. Er darf nicht deshalb den Kauf rückgängig machen, die Sache zurückgeben und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Ein solches Vorgehen könnte leicht schikanös erfolgen, lediglich weil der Käufer den Vertragsschluß bereut und rückgängig machen möchte. Er 85

Gaius i n s t i t . 4 § 131a. dig. 19, 1 1. 30 § 1. 86 Besonders E c k , Die Verpflichtung des Verkaufers zur Gewährung des Eigentums. 85a

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bleibt daher an den Vertrag gebunden, solange ihm die Sache verbleibt. Daraus allein, daß ihm das Recht unvollkommen verschafft ist, kann er nicht den Anspruch wegen Nichterfüllung ableiten. Sondern die Sache muß ihm entzogen sein. Am deutlichsten t r i t t dies ein, wenn sie ihm durch Rechtsstreit abgestritten wird. Aber es steht dem auch gleich, wenn er sonst den Wert der Sache verliert : insbesondere wenn ihm selbst das Eigentum daran zustand, oder wenn er vom Eigentümer beerbt wird 8 7 . Immer aber ist nötig ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Rechtsmangel und dem Verlust der Sache — und diesen verneinen die Römer dann, wenn der Käufer die Sache freiwillig herausgibt oder wenn er das Eigentum aufgibt 8 8 . Alle diese Erweiterungen stehen doch noch mit dem ursprünglichen Eviktionsprinzip im Einklänge. Freilich wird behauptet 89 , daß die Römer dann doch über dies hinausgegangen seien, besonders dadurch, daß sie auch ohne Eviktion bei Arglist des Verkäufers einen Anspruch gewährten. Aber das war offenbar nur eine Ausnahme, die für den außerordentlichen Fall der Arglist galt, und dieser Ausnahmecharakter wird von den Römern selbst sehr bestimmt hervorgehoben 90. — Der Grundgedanke dieser ganzen Lehre ist: die Veräußerung soll dem Erwerber die dauernde Herrschaft über die Sache verschaffen. Der sicherste Weg dazu ist, ihn zu deren Eigentümer zu machen. Aber es ist nicht der einzige Weg. Auch ohne ihn kann man nicht selten dem Käufer das volle und ungestörte Haben der Sache verschaffen, und das muß genügen. Dieser Schluß wird lediglich aus wirtschaftlichen Erwägungen ohne jede geschichtliche Zufälligkeit abgeleitet. Er ist daher heute noch ganz ebenso berechtigt. Und daß unser Gesetz dieser Auffassung auch tatsächlich folgt , beweist § 440 BGB.: Ist eine bewegliche Sache verkauft und dem Käufer zum Zwecke der Eigentumsübertragung übergeben worden, so kann der Käufer wegen des Rechts eines Dritten, das zum Besitze der Sache berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur verlangen, wenn er die Sache dem Dritten mit Rücksicht auf dessen 87

dig. 21, 2 1. 29 p r . ; 19, 1 1. 11 § 12, 1. 13 § 15. dig. 21, 2 1. 76. 89 E c k a. a. O. 90 dig. 19, 1 1. 30 § 1 : quamvis alioquin verum sit venditorem hactenus teneri u t rem emptori habere liceret, non etiam u t eius faciat, quia tarnen dolum m a l u m abesse praestare debeat, teneri eum. 88

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Recht herausgegeben hat oder sie dem Verkäufer zurückgewährt oder wenn die Sache übergegangen ist. Der Herausgabe der Sache an den Dritten steht es gleich, wenn der Dritte den Käufer oder dieser den Dritten beerbt, oder wenn der Käufer das Recht des Dritten anderwärts erwirbt oder den Dritten abfindet. Auch nach dieser Vorschrift haftet der Verkäufer regelmäßig nur dann auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, wenn dem Käufer die Sache entwehrt wird. Darüber geht das Gesetz nur i n einigen Fällen hinaus. So, wenn er die Sache auf Grund des Rechts freiwillig an den Dritten herausgibt. Er muß dann beweisen, daß ein solches Recht des Dritten bestand (§ 442 BGB.); doch kann er sich, wenn er dem Verkäufer in dem Entwehrungsprozeß den Streit verkündet hat, auf das dort ergangene Urteil berufen (§§ 68, 74 ZPO.). Ferner steht dem gleich, wenn der Käufer den dritten Berechtigten beerbt oder von ihm beerbt wird — bei teilweiser Beerbung nach deren Verhältnis 91 — oder wenn der Käufer die Sache von dem Dritten erworben oder ihn abgefunden hat. Ebenso ist es, wenn der Dritte auf sein Recht verzichtet hat, um den Käufer zu begünstigen — nicht also, wenn er damit dem Verkäufer nützen wollte. Ferner wenn die Sache untergegangen ist; hier erscheint allerdings der Käufer durch den Rechtsmangel regelmäßig nicht geschädigt, da er durch den Untergang auch sonst die Sache verloren hätte. Aber es kann sein, daß er schon vor dem Untergang den Berechtigten abgefunden hat oder daß der Rechtsmangel ihm einen Anspruch gegen den Zerstörer entzieht 92 . Endlich ist der Anspruch des Käufers auch dann gegeben, wenn er die Sache dem Verkäufer zurückgewährt. Dies versteht die herrschende Meinung dahin, daß der Käufer ohne weiteres berechtigt sei, wegen des Rechtsmangels dem Verkäufer die Sache zurückzugeben 93 . Aber dem ist nicht zuzustimmen. Das Gesetz verlangt, daß er die Sache „dem Verkäufer zurückgewährt". Schon dieser Ausdruck zeigt, daß es sich nur auf den Fall bezieht, wo er zur Rückgabe genötigt worden ist. Denn i n dem „Gewähren" liegt ein Nachgeben, ein Eingehen auf ein Verlangen enthalten. Es hätte sonst heißen müssen: wenn der Käufer die Sache dem Verkäufer „zurückgibt". Diese Deutung wird durch starke sachliche Gründe unterstützt. Das Gesetz läßt den Anspruch des Käufers 91 92 98

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 107 A n m . 9; anders P l a n c k 5 zu § 440. T u h r , K r i t V . 43, 584. K i p p bei W i n d s c h e i d zu § 391 u n d andere.

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i n sechs bestimmten Fällen zu, die fast alle aus dem römischen Recht übernommen sind und auch im römisch-gemeinen Recht vor 1900 gegolten haben. Da ist es denn mit großer Sicherheit anzunehmen, daß alle diese Bestimmungen auf dem Gedanken des römischgemeinen Rechts beruhen: also eben darauf, daß der Käufer nicht einseitig berechtigt ist, lediglich auf Grund des Rechtsmangels allein Ansprüche zu erheben. Ferner würde nach der gegnerischen Auffassung der ganze § 440 I I fast völlig bedeutungslos sein. Er würde nicht mehr besagen, als daß der Käufer, der die Sache behält, nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern könne. Das aber ist ohnehin selbstverständlich: es folgt schon aus dem Begriff des Schadensersatzes, da der Käufer sonst gar nicht geschädigt ist. Hätte man wirklich nur dies gewollt, so hätte man darüber gar keine Bestimmung nötig gehabt, oder aber man wäre mit der schon angegebenen kurzen Fassung ausgekommen und hätte nicht so eingehende Bestimmungen zu treffen brauchen. Alsdann wäre es auch ganz unrichtig, daß die Vorschrift sich beschränkt auf bewegliche Sachen und auf solche, die dem Käufer zum Zwecke der Eigentumsübertragung übergeben sind. Ein Käufer, der die Sache jetzt hat, wird auch, wo diese Voraussetzungen nicht vorliegen, nicht Schadensersatz fordern können. Vielmehr ist dadurch der Gedanke des römischen Rechts berücksichtigt worden, daß die Sache dem Käufer durch den Mangel entrissen sein muß. Dieser Zusammenhang zwischen dem Mangel und dem Verlust ist nur dann gegeben, wenn der Käufer durch das drohende Recht des Dritten genötigt wird, die Sache herauszugeben. Er kann sie dann an den Dritten herausgeben: aber er kann sie auch an den Verkäufer zurückgeben und sich auch dadurch von der Haftung aus dem dinglichen Anspruch (§ 985 BGB.) befreien. Ganz anders aber, wenn der Käufer von niemandem gedrängt wird und daher die Sache ruhig behalten könnte. Hier ist er nicht als berechtigt anzusehen, sie dem Verkäufer zurückzugeben und einen Schadensanspruch gegen ihn zu erheben. Dieser könnte sich dem Anspruch einfach dadurch entziehen, daß er die Sache nicht zurücknimmt. Er ist dazu nicht verpflichtet; ja er kann nicht einmal i n Annahmeverzug kommen 94 , da er ja keinen Anspruch auf Rückgabe der Sache hat. Man hat freilich gemeint, daß er mit einer Weigerung der Rücknahme wider Treu und Glauben handle, und 94

W i e O e r t m a n n 1. Aufl. annahm.

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daß daher nach § 162 BGB. die Bedingung als eingetreten gelte 95 . Aber es muß durchaus bestritten werden, daß diese Weigerung treuwidrig sei. Außerdem wäre es sehr bedenklich, den § 162 ohne weiteres auf alle Rechtsbedingungen anzuwenden. — Für diese Auffassung sprechen endlich starke Gründe der Billigkeit. Es erscheint in hohem Grade ungerecht, daß der Käufer die Sache, obwohl sie ihm gar nicht abgestritten wird, zurückgeben und Schadensersatz verlangen darf. Er erfährt z. B., daß der Erbe, der ihm Möbel verkauft hatte, gar nicht Alleinerbe war, sondern noch Geschwister und Miterben im Auslande hatte, und will dies benutzen, um sie zurückzugeben und sich auf Kosten des Verkäufers neue anzuschaffen. Noch unbilliger ist ein solches Verlangen, wenn der Verkäufer sogar gutgläubig war. Man hat gegenüber einem solchen zwar einen eigentlichen Schadensanspruch überhaupt verneinen wollen 9 6 : aber das ist willkürlich. Oder man hat ihm ein Anfechtungsrecht wegen Irrtums über sein Eigentum nach § 119 I I BGB. geben wollen 97 . Aber damit ist ihm auch nicht geholfen, da er dann doch dem Käufer den Irrtumsschaden nach § 122 BGB. ersetzen muß. Hiernach beruht der § 440 BGB. durchaus auf dem Gedanken des römischen Eviktionsprinzips. Zwar hat schon die I I . Kommission dies bestritten 9 8 : aber wieder nur auf Grund der Schlußfolgerung aus dem Vertrauensschutz, die schon oben als unschlüssig zurückgewiesen wurde. Auffallend ist auch, wie dort das Eviktionsprinzip zunächst durchaus verworfen, dann aber für bewegliche Sachen doch im wesentlichen beibehalten wird — um so mehr, als bei Grundstücken die ganze Frage ja fast ganz bedeutungslos ist. Allerdings geht das Gesetz in zwei Fällen über das römische Recht hinaus (S. 38). Aber dessen Grundgedanke ist damit nicht aufgegeben 99 : daß es genügt, dem Käufer den ungestörten Besitz zu verschaffen und daß er dann nicht noch Verschaffung des Rechts verlangen kann. Freilich kann der Käufer wegen des Rechtsmangels zurücktreten. Aber dies Recht ist mit einer bloßen Gewähr durchaus vereinbar, wie die Wandlung beweist. Der Schadensanspruch ist aber durch den Verlust der Sache bedingt. 95

D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g 145; P l a n c k 5; O e r t m a n n 3b zu § 440. S i b e r , Rechtszwang 168. 97 L e s s e r , Leistungspflicht 96ff. ; R i e h l , Recht 14, 471ff. ; O e r t m a n n 2 zu § 433. 98 Protokolle 1, 662ff. 99 Wie O e r t m a n n 3 zu § 446 a n n i m m t . 96

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Zu diesen Gründen, die § 440 bietet, treten noch andere. Wird eine Sache unter Eigentumsvorbehalt veräußert, so hat der Verkäufer damit noch nicht voll Eigentum übertragen, sondern nur unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 455 BGB.). Wenn zur Vertragspflicht des Verkäufers auch die Eigentumsübertragung gehörte, so läge hiernach ein noch unerfüllter Vertrag vor. Die Folgen davon wären aber sehr bedenklich, besonders auch im Konkurse 100 . Vielmehr muß umgekehrt angenommen werden, daß der Verkäufer hier schon seine Vertragspflichten erfüllt hat. Man hat dies damit rechtfertigen wollen, daß er doch schon die ihm obliegende Leistung vollzogen habe 101 . Aber das hat durchaus noch nicht die Wirkung einer Erfüllung. Dies beweist gerade der § 243 I I BGB., auf den sich die Gegenansicht beruft: er zeigt, daß eine Gattungsschuld dadurch lediglich in eine andere Schuld umgewandelt wird. Dagegen knüpfen sich die Wirkungen einer Erfüllung daran noch nicht an 1 0 2 . —• Ferner: wenn der Verkäufer wirklich zur Eigentumsübertragung verpflichtet wäre, so müßte das seine Hauptpflicht bedeuten und die Übergabe wesentlich nur ein Mittel hierfür. Es müßten also bei Nichterfüllung der ersten Pflicht die Wirkungen der vollen Nichterfüllung eintreten. Das wird aber auch von der herrschenden Meinung abgelehnt, die fast durchweg nur die Folgen einer teilweisen Nichterfüllung annehmen w i l l 1 0 3 . Und endlich wird das Einstehen für den Rechtsmangel vom Gesetz ausdrücklich selbst als „Gewährleistung" bezeichnet (§ 443). Eine Gewährleistung steht aber in einem vollen Gegensatze zur Erfüllung einer Vertragspflicht: gerade in diesem Unterschied ist ihre Eigenart enthalten 104 . Ein solcher Fall der Gewährleistung, die keine Nichterfüllung ist, liegt auch hier, beim Rechtsmangel, vor 1 0 5 . Für diese Auffassung spricht auch durchaus die Ausdrucksweise, die das Gesetz (§ 437) beim Verkaufe eines Rechts anwendet: der Verkäufer „haftet für den rechtlichen Bestand der Forderung 100

U n t e n § 49; R ü h l , Eigentumsvorbehalt 193ff. 204, ZZP. 56, 157ff. O e r t m a n n 4 zu § 455; R ü h l a. a. O. 102 Mein Erfüllungsort 40ff. 103 S c h ö l l e r , GruchBeitr. 46, 7 f f ; L e s s e r , a. a. Ο. 93; P l a n c k 6 a ; O e r t m a n n 2a. 104 Oben I , 498ff. u n d Genannte; j e t z t auch S ü ß , Wesen u n d Rechtsgrund der Gewährleistung 19 ff. 105 S c h l o ß m a n n , JheringsJ. 45, 101 ff.; S i b e r , Rechtszwang 165 (vgl. dazu u n t e n S. 43). Dagegen S ü ß , Gewährleistung 30ff. u n d die dort 41 ff. Genannten. 101

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oder des Rechts". Nach der Gegenansicht müßte es heißen: „er ist verpflichtet, das versprochene Recht zu übertragen". § 18. Die Gegner berufen sich in erster Linie darauf, daß das Gesetz dennoch diese Verpflichtung aufstelle: in § 433 heißt es, daß der Verkäufer verpflichtet ist, „dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen". Aber damit ist nur ausgesprochen, daß der Verkäufer die zur Eigentumsübertragung und sonstigen Rechtsverschaffung erforderlichen Akte vornehmen muß : insbesondere muß er die dazu nötigen Grundbuchakte erwirken. Daß er aber auch deren Erfolg, die Verschaffung des Rechts, herbeizuführen verpflichtet sei, ist damit nicht gesagt. Allerdings hat er für den Rechtsmangel Gewähr zu leisten: aber daraus ist, wie wir eben sahen, eine Erfüllungspflicht noch nicht zu entnehmen. Freilich berufen sich die Gegner darauf, daß außer der Gewähr auch noch wirkliche Folgen einer Nichterfüllung einträten. Der Käufer könne wegen des Rechtsmangels die Annahme der Leistung und die Zahlung des Kaufpreises verweigern. Letzteres ist allerdings regelmäßig richtig. Aber dies Recht steht dem Käufer nicht auf Grund des Rechtsmangels allein zu, sondern um die drohende Entwehrung zu vermeiden. Er beruft sich darauf, daß ihm die Sache von dem dritten Berechtigten abgestritten werden könnte. Auch nach römisch-gemeinem Rechte genügte diese bloße Möglichkeit der Eviktion, um dem Käufer diese Einrede zu verschaffen ; und auch i n anderen Fällen einer Gewähr, insbesondere bei den Sachmängeln genügt diese bloße Gefährdung, um eine solche Einrede zu begründen (unten § 24, 33). Aber — und das ist sehr bezeichnend für die Natur dieser Gewährleistung — es genügt hier nicht der bloße Umstand, daß ein Rechtsmangel besteht, sondern auch hier muß dem Käufer der Verlust der Sache wenigstens bevorstehen, auch hier müssen also die besonderen Voraussetzungen des § 440 für die Zukunft drohen 106 . Anders also, wenn eine Entwehrung der Sache ganz ausgeschlossen erscheint. Es verkauft z.B. ein Miterbe eine Erbschaftssache, während der andere Miterbe für immer ausgewandert ist, so daß er niemals deshalb Ansprüche erheben wird. Hier, wo eine Entwehrung gar nicht in Frage kommt, wird man auch dem Käufer nicht das Recht geben dürfen, die Annahme der Sache und Zahlung des Preises zu verweigern. 108 Dafür ein A n t r a g i n der I I . Kommission, i m Grunde aber auch deren Mehrheit, Protokolle 1, 664.

Rechtsmängel.

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§ 19. Hiermit glauben wir dargetan zu haben, daß auch nach unserm Recht eine Verpflichtung des Verkäufers zur Rechtsverschaffung nicht besteht. Zum gleichen Ergebnis scheint eine früher aufgestellte Ansicht zu führen 1 0 7 . Auch sie nimmt an, daß der Verkäufer nicht zur Übertragung des Eigentums oder sonstigen Rechts verpflichtet sei. Aber dies ist wesentlich anders gemeint. Es soll damit nur das zum Ausdruck gebracht werden, daß das Urteil hier nicht unmittelbar auf Rechtsverschaffung gerichtet und hierauf nicht vollstreckbar sei, sondern lediglich auf Schadensersatz lauten könne. Daß dieser Schadensanspruch aber irgendwie eingeschränkt werde, davon ist nicht die Rede. I n der Tat ist das auch nicht möglich von dem Ausgangspunkt jener Ansicht, daß eine Pflicht zur Rechtsverschaffung überhaupt nicht unmittelbar durchführbar sei. Von dieser Begründung aus wird man nur dahin gelangen können, den Anspruch inhaltlich auf einen Ersatzanspruch zu beschränken, niemals aber dahin, ihn von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. I n der Tat werden dort auch nicht die Einschränkungen des § 440 BGB. daraus abgeleitet und überhaupt keine Folgerungen für das Kauf recht im besonderen gezogen. Auf diesem Wege läßt sich also nicht das erweisen, worauf es ankommt : nämlich, daß gerade beim Kaufe eine Pflicht zur Rechtsverschaffung nicht besteht. Vielmehr will die Gegenansicht lediglich daraus, daß eine Rechtsverschaffung nicht unmittelbar erzwungen werden kann, folgern, daß es sich um eine bloße Gewähr handle. Aber das ist nicht zutreffend. Denn nicht eine jede Leistung, die als Ersatz an Stelle einer andern eintritt, kann schon deshalb als Gewähr bezeichnet werden: sonst müßte man auch jede Verpflichtung zu Schadensersatz und Verzugszinsen dazu rechnen. § 20. Bei der Schadenshaftung des Verkäufers ist weiter zu unterscheiden, ob der Rechtsmangel schon zur Zeit des Vertragsschlusses bestand oder erst nachher eintrat. I m zweiten Fall liegt eine nachträgliche Vertragsverletzung vor, der Verkäufer ist daher nach der Regel des § 276 BGB. nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit haftbar. I m ersten Falle ist dagegen ein persönliches (subjektives) Unvermögen zur Zeit des Vertragsschlusses gegeben, und für ein solches ist der Schuldner immer, auch wenn ihn keine Schuld trifft, haftbar (I, 314). Es spricht dafür vor allem die Geschichte: i n der Wissenschaft und Rechtsprechung des vorigen Jahrhunderts wurde 107 S c h l o ß m a n n , JheringsJ. 45, 97ff.; teilweise zustimmend S i b e r , Rechtszwang 168; O e r t m a n n 2 zu § 433; E c c i u s , GruchBeitr. 50, 494ff.

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Kauf.

diese Haftung allgemein anerkannt. Ferner aber auch die Billigkeit: der Schuldner muß darüber Bescheid wissen, ob er leisten kann, oder sich darüber unterrichten, während der Gläubiger dies oft nicht ermitteln kann. Gemäß diesen allgemeinen Grundsätzen ist auch hier so zwischen ursprünglichem und nachfolgendem Unvermögen zu unterscheiden 108 . Allerdings scheint der § 440 BGB. dagegen zu sprechen: er knüpft an die Verletzung der Verpflichtungen aus den §§ 433—437 die Folgen der §§ 320 ff. an. Das klingt so, als ob bei dem ursprünglichen Unvermögen ebenso wie beim nachfolgenden eine Haftung nur unter den Voraussetzungen der §§ 320ff., also nur im Falle eines Verschuldens eintrete. Aber das Gesetz läßt sich immerhin auch anders verstehen: nämlich, daß mit der Verweisung auf die §§ 320ff. nicht die Voraussetzungen, sondern nur die Folgen der Haftung bestimmt werden sollen. Und diese Auffassung verdient deshalb den Vorzug, weil wir nach ihr in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzes bleiben. Sie wird deshalb mit Recht fast allgemein vertreten. — § 21. Wesentlich anders ist die Haftung für Sachmängel in unser m Recht gestaltet. Das ältere römische ius civile gab hier nur einen Anspruch auf Grund eines Verschuldens des Verkäufers. Die Ädilen aber, denen die Marktgerichtsbarkeit unterstand, stellten — zunächst nur für den Verkauf von Sklaven und Vieh auf dem Markte — den weittragenden Grundsatz auf, daß auch ohne ein solches Verschulden der Verkäufer zur Auflösung des Vertrages oder Minderung des Kaufpreises verpflichtet sei. Dies wurde später auf alle Kaufschlüsse und alle Waren ausgedehnt. Und diese weitgehende Haftung ist dann auch in das gemeine und heutige Deutsche Recht und die meisten neueren Rechte übergegangen. Daneben geht eine Schadenshaftung für Verschulden und für vertragsmäßige Zusicherungen her. Alle diese Ansprüche sind zur Gewährleistung zu rechnen, ja sie enthalten die Hauptfälle einer solchen. Die Eigenart einer solchen besteht darin, daß eine eigentliche Verpflichtung zur Leistung nicht gegeben i s t 1 0 9 . Und dies trifft gerade bei diesen Mängelansprüchen zu, wie heute fast allgemein anerkannt wird 1 1 0 . Auch bei dem Schadensersatzanspruch aus § 463 handelt es sich um eine solche Gewähr108 Herrschende Meinung: O e r t m a n n 2 zu § 440 u n d Genannte; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 107. 109 Oben I , 498ff. ; S ü ß , Wesen u. Rechtsgrund der Gewährleistung 30ff. 110 S ü ß a. a. O. 48ff. u n d Genannte, Näheres unter § 36.

Sachmangel.

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leistung (unten § 36), und bei der Gattungsschuld ist dieser Anspruch neben dem auf Erfüllung gegeben (§ 37). Die erste Voraussetzung für diese Ansprüche ist, daß eine Sache verkauft ist. Auf den Kauf von Rechten lassen sich die Vorschriften nicht anwenden 111 und ebensowenig auf den eines ganzen Vermögens 112 . Daher ist beim Verkauf einer Hypothek eine Zusage über ihre Güte nicht als verbindlich nach § 459 zu betrachten 113 . Noch weniger ist der Verkäufer eines Rechts ohne weiters dafür haftbar, daß dies durchführbar sei; es wird dies ausdrücklich vom Gesetz abgelehnt (§§ 437, 438). Nur insofern lassen sich die Vorschriften anwenden, als das Recht sich auf eine Sache bezieht und durch deren Mängel mit betroffen wird, wie ein Nießbrauch an einem baufälligen Hause 1 1 4 . Ferner darf die Sache nicht „ m i t Fehlern behaftet sein (§ 459 BGB.). Der Mangel muß also in den Eigenschaften der Sache selbst liegen. Darunter ist nur das zu verstehen, was der Sache selbst unmittelbar zu eigen ist, wie Festigkeit, Gewicht, Größe 115 . Nicht aber gehören dahin auch die Beziehungen, in denen sie zu anderen Dingen steht, z. B. daß sie wenig gebraucht wird und dadurch an Wert verloren hat. Allerdings zeigt sich in der Rechtsprechung der Gerichte die Neigung, auch solche Verhältnisse, soweit sie wirtschaftliche Bedeutung, also einen Einfluß auf die Wertschätzung der Sache haben, hierher zu rechnen 116 : so den Umsatz des verkauften Geschäfts 117 , wobei es hier nicht darauf ankommt, ob man überhaupt den Verkauf eines Geschäfts ohne die grundlegenden Sachen für zulässig hält (oben S. 4ff.). Ferner rechnet man hierher die Mieterträge eines Hauses 118 und beim Verkauf von Wertpapieren die Eigenschaften des Unternehmens, 111

R G . J W . 1904, 403; SeuffA. 65 N r . 44, 71 N r . 172; J W . 1914 N r . 674. H a r k e , HansGZ. 1905, 5; D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g 3, 152, 162; D ü r i n g e r , LeipzZ. 1907, 131; v g l . u n t e n S. 46. Anders O e r t m a n n 1 zu § 459 u n d Genannte, insbesondere R G . 63, 60. 67, 87ff. 69, 429ff. 98, 289 ff. 118 R G . 83, 245. 86, 149; W a r n e y e r 1915 N r . 7, N r . 275. O L G . 28, 127. 116 Beispiele bei S t a u b 39a, 43ff. zu § 378 H G B . 116 O L G . 8, 66; R G . SeuffA. 40 N r . 102; R G . 52, 431. 59, 240ff. 117 SeuffA. 40 N r . 15; GruchBeitr. 47, 104; O L G . 8, 65; W a r n e y e r 1912 N r . 240. 118 R G . SeuffA. 59 N r . 151 ; O L G . 8, 66; HansGZ. 09 N r . 119; GruchBeitr. 56, 933; J W . 1912, 910; O L G . 8, 66. 112

Kauf.

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das für das Papier haftet. Diese Auffassung ist hauptsächlich aufgestellt worden, um Zusicherungen über solche Eigenschaften mit unter die Zusicherungen des § 459 BGB. einzubeziehen. Letzteres ist auch durchaus berechtigt: aber man darf daraus nicht die Folgerung ziehen, daß auch ohne eine Zusicherung für Mängel dieser A r t gehaftet werde. Die Folgen hiervon wären äußerst bedenklich. Der Verkäufer müßte dann ohne weiteres dafür einstehen, daß die verkaufte Ware aus der Mode gekommen oder durch andere billigere Waren aus dem Handel verdrängt ist, daß das verkaufte Haus sich schlecht rentiert, daß die Ware nicht den Kurs oder Marktpreis erzielt: und doch wird alles dies von der Rechtsprechung mit Recht abgelehnt 119 . Wenn für das gekaufte Grundstück nicht die erwartete Schankerlaubnis erteilt wird, so kann der Verkäufer nicht dafür haftbar gemacht werden 120 . Vor allem kann er nicht dafür haften, daß das verkaufte Geschäft schlecht geht. Auch hier darf eben eine Haftung nur aus einer Zusicherung über den Umsatz abgeleitet werden. Zwar ist hier vielfach die Haftung auch ohne eine solche behauptet worden, besonders i n Fällen, wo ein bestimmtes greifbares Hemmnis für den Gang des Unternehmens, z. B. ein entgegenstehendes Patent vorhanden war 1 2 1 . Aber eine feste Grenze läßt sich hierfür nicht ziehen, und so müßte denn die Haftung auf alle beliebigen Mängel des Betriebs ausgedehnt werden 122 — was höchst bedenklich wäre 1 2 3 . Der Verkäufer würde hiernach auch dann haften, wenn die Ursache des schlechten Geschäftsganges in einem erfolgreichen Konkurrenzunternehmen, in einer Verschlechterung der Transport- oder Absatzverhältnisse, in Streitigkeiten mit den Arbeitnehmern läge — also Umständen, die von Mängeln der Sache weit verschieden sind. Gegen eine solche Ausdehnung spricht vor allem, daß die weitgehende Haftung des Verkäufers für Sachmängel durchaus nicht der allgemeinen Regel des Rechts entspricht, sondern eine ausnahmsweise Begünstigung des Sachkaufes enthält (unten § 30). Der allgemeinen Regel würde es 119

Seufft. 61 N r . 237; D J Z . 1909, 1266; W a r n e y e r 1909 N r . 502. R G . Recht 1908 N r . 2310. 121 R G . 67, 89. 69, 429; ferner 63, 58, 70, 20, 222. 83, 243. 92, 156. 98, 292; J W . 09, 15. 13, 861; Recht 07, 1318. Danz JheringsJ. 54, 70. 122 So i n der T a t S t a u b 5 zu § 377 H G B . 123 H a r k e , HansGZ. 05 Beilage 5; D ü r i n g e r , Recht 08, 263, LeipzZ. 07, 131; O e r t m a n n , H a n d b H R . 4, 2, 360. 120

Sachmangel.

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vielmehr entsprechen, wenn der Käufer an den Vertrag, so ungünstig wie er ist, gebunden bleibt. Denn alle die Enttäuschungen, die er dadurch erfährt, bedeuten doch nur Irrtümer im Beweggrunde und sind daher nach der Rechtsregel unbeachtlich. Dies ist insbesondere auch von Bedeutung für die Wertpapiere. Man hat behauptet, daß der Verkäufer eines solchen für den wirtschaftlichen Wert des dort verbrieften Rechts einstehen müsse 124 . Aber auch das ist unhaltbar 1 2 5 . Es handelt sich hier weder um einen Sachmangel noch um einen Rechtsmangel des Papiers, und es ist willkürlich, hier noch eine dritte Gruppe von Mängeln für erheblich zu erklären. Die Bejahung der Haftung führt aber auch viel zu weit : nur im Falle einer Zusicherung darf hier der Verkäufer haftbar gemacht werden 126 . Endlich widerspricht sie durchaus dem Gedanken des § 437 BGB., wonach selbst im Falle einer Zusicherung nur für den Bestand des Rechts und nicht für seinen wirtschaftlichen Wert gehaftet werden soll. Wenn man mit den Gegnern den Begriff des Sachmangels weit über die körperlichen Eigenschaften ausdehnt, so führt das auch dazu, seine Abgrenzung gegenüber dem Rechtsmangel zu verwischen. Wir sahen (S. 31), daß der Sachmangel auf der natürlichen Eigenschaft der Sache, der Rechtsmangel dagegen auf den Vorschriften der Rechtsordnung beruht, daß aber diese Abgrenzung vielfach verkannt oder vernachlässigt wird. Auch diese Schwierigkeit ist besonders bei den Wertpapieren hervorgetreten. Während die ältere Auffassung hier nichts von Sachmängeln wissen wollte, stellten andere die Sache und deren Mängel ganz in den Vordergrund 127 . Richtig dürfte mit der herrschenden Meinung danach zu unterscheiden sein, ob der Mangel eben in einer sachlichen Eigenschaft des Papiers oder aber des verbrieften Rechts liegt 1 2 8 . Freilich kann durch einen Sachmangel auch das Recht beeinträchtigt werden: dann ist zu fragen, ob der Mangel vorwiegend die Sache oder das Recht betrifft 1 2 9 . So steht bei "A R O H G . 18, 180ff.; D ü r i n g e r , D J Z . 05, 354ff.; H G B . I I I E i n leitung A n m . 66, 7 zu § 381. 125 N e u k a m p , H o l d h Z . 14, 1; H a g e n , D J Z . 05, 666; O e r t m a n n 4, u n d insbesondere R G . 59, 240. V e r m i t t e l n d S t a u b 4 zu § 381. 126 R G . 56, 255. 59, 240; J W . 04, 405. 127 R O H G . 18, 180. 22, 391; R G . 33, 108. 128 R G . 108, 280; O e r t m a n n , H a n d b . H R . 42, 488; D ü r i n g e r H a c h e n b u r g A . 2, 4 zu § 381. 129 R G . 59, 243; 108, 281; Herold, B a n k A r c h . 24, 399.

Kauf.

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einer Banknote, deren Betrag durch Fälschung verändert war, der Gesichtspunkt des Sachmangels im Vordergrund. Wenn dagegen Banknoten ganz gefälscht werden, so liegt nicht eine mangelhafte Sache vor, und es kann nur der Rechtsmangel geltend gemacht werden 1 2 9 a . Endlich hat die gegnerische Auffassung auch dahin geführt, einen Sachmangel in Fällen anzunehmen, wo die Sache selbst gar keinen Fehler hatte, sondern nur zu Unrecht in den falschen Verdacht eines solchen gekommen war. Besonders ist das für den Schwamm ver dacht eines Hauses behauptet worden 130 . Aber es ist außerordentlich unbillig, einen Verkäufer lediglich deshalb haften zu lassen, weil ein unberechtigter Verdacht besteht 131 . Wenn es ihm gelingt, seine Unrichtigkeit nachzuweisen, so darf er unmöglich haftbar gemacht werden. Eine andere Frage ist, ob ein Verkäufer nicht verpflichtet ist, dem Käufer von einem solchen bestehenden Verdacht Mitteilung zu machen 132 . Sie kann nur danach beantwortet werden, ob nach den Umständen die Redlichkeit eine solche Anzeige erforderte. Endlich beziehen sich die Mängelvorschriften nur auf Fehler, die dem Kaufgegenstand anhaften, dagegen nicht auch auf solche, die das als Preis geschuldete Geld betreffen. Diese werden ganz anders zu beurteilen sein. Wenn mit Metallgeld bezahlt wird und dieses Stück, etwa weil es beschnitten, minderwertig ist, so muß man unterscheiden, ob es dadurch seine Zahlungskraft verloren hat oder nicht. I m zweiten Falle würde die Münze ihren vollen Wert behalten, im ersten wäre die damit erfolgte Zahlung unwirksam. Jedenfalls gelten hierfür ganz andere Regeln als für die Mängel der Ware. § 22. Es muß ein Fehler der Sache vorliegen, d. h. ein Unterschied zwischen einem erwünschten und dem tatsächlichen Zustand. Für die Bemessung ist „der Wert oder die Tauglichkeit der Sache" maßgebend. Unter dem ersten wird der Verkaufswert zu verstehen sein, der aber auch durch ihre Brauchbarkeit wesentlich 129a

R G . J W . 1923, 176. 1924, 1382; R G . 108, 317. R G . SeuffA. 59 N r . 199; auch R G . 85, 253. 181 Mein Verschulden beim Vertragsschlusse 12; E n n e c c e r u s - L e h m a n n , § 108 A n m . 3. 182 Bejahend R G . J W . 1904, 359. 1905, 79. 1906, 548; SeuffA. 58 N r . 167. 59 N r . 75, 190. 60 N r . 143; Recht 1908 Beilage 51; vorsichtiger R G . W a r n e y e r 1912 N r . 414; J W . 1912, 1103; SeuffA. 68 N r . 77. 180

Sachmangel.

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mitbestimmt wird. Der erwünschte Zustand bestimmt sich, soweit der Vertrag nichts darüber besagt, nach den normalen Anschauungen des Verkehrs. Wenn z. B. eine Taschenuhr ungenau geht, so ist zu fragen, ob dieser Fehler dem bei solchen Uhren üblichen entspricht. Nun spielt dabei aber auch eine erhebliche Rolle, für welchen Zweck sie gekauft ist. Das Gesetz betont mit Recht, daß der Wert oder die Tauglichkeit nicht nur nach dem gewöhnlichen, sondern auch dem „nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch" bemessen werden muß. Diese Zweckbestimmung kann hiernach nur durch den Vertrag, also die Übereinkunft beider getroffen werden. Die einseitige Absicht des Käufers genügt hierzu nicht, und auch nicht seine einseitige Erklärung, soweit der Verkäufer sich nicht damit einverstanden erklärt hat. Der Käufer äußert z.B., daß er das gekaufte Fahrrad auf einem Rennen fahren wolle: das ist für den Verkäufer nur verbindlich, wenn er dies gebilligt hat oder aber wenn sein Schweigen nach allgemeiner Lebenssitte so verstanden werden muß. Die Zweckbestimmung kann auch dazu führen, die gewöhnlichen Ansprüche an die Sache herabzusetzen, so wenn Steine zum Auffüllen eines Wegs oder Haufen Papier zum Einwickeln gekauft werden. I n allen diesen Fällen handelt es sich um einen „Fehler" der Sache. Durch dies Wort wird deutlich ausgedrückt, daß es sich um ein tadelndes Urteil über sie handelt. Sie wird verglichen mit einer Sache, wie sie sein müßte — und zwar auch in dem Falle, in dem ein besonderer Zweck vereinbart ist, wo sie mit einer zum gleichen Zweck dienenden einwandfreien Sache verglichen wird. Auch hier muß sich aus diesem Vergleich ergeben, daß die verkaufte Sache gegenüber dem erwünschten Zustand minderwertig ist. — Nun kann aber anderseits der Käufer das rügen, daß die Sache nicht über einen allgemeinen Maßstab hinausragt: er beansprucht z. B., daß das gekaufte Auto eine bestimmte Höchstleistung erreiche oder einen bestimmten Benzinverbrauch nicht überschreite, daß das Geschäft einen bestimmten Umsatz oder Reingewinn erziele. Hier kann man nicht von einem Fehler der Sache reden und den Verkäufer nicht ohne weiteres dafür haftbar machen. Hier handelt es sich vielmehr um eine besondere E i g e n s c h a f t der Sache, und für diese haftet er nach § 459 I I nur, wenn sie zugesichert ist. Dieser Fall muß von dem der Fehlerhaftigkeit durchaus unterschieden werden. Zwar scheint es, als ob man ihn mit zu dem rechnen könnte, wo ein besonderer Zweck B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

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Kauf.

vereinbart ist und die Sache wegen eines Fehlers diesem nicht genügt. I n der Tat kann beides zusammenfallen, aber es ist nicht immer der Fall. Wenn für das verkaufte Auto oder Sopha eine genau bestimmte Größe oder Farbe vorgeschrieben ist, so kann man es nicht als einen Mangel der Sache bezeichnen, wenn ein größeres und schöneres geliefert wird. Wenn das gekaufte Bild nicht, wie angegeben, von Wouwermann, sondern von Schalken ist, so kann man das unmöglich als einen Fehler des Bildes bezeichnen. Vielmehr handelt es sich um besondere Eigenschaften. Es kann aus besonderen Gründen sogar eine solche Eigenschaft zugesagt werden, die nach der allgemeinen Auffassung eine Wertminderung bedeutet, z. B. daß der Wein sauer oder dünn sein solle. Diese Abgrenzung zwischen Fehlern und zugesicherten Eigenschaften hat der Wissenschaft und Rechtsprechung große Schwierigkeiten gemacht. Zum Teil wird die richtige Ansicht vertreten, daß ein Fehler nur bei einer mißbilligten Abweichung von einen normalen Maßstab vorliegt 1 3 3 . Zum Teil aber t r i t t , gerade auch in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, die Auffassung hervor, daß alles, was von den Ansichten der Parteien über die Ware abweicht, schon deshalb ein Fehler sei 1 3 4 . So wird es insbesondere als ein solcher bezeichnet, daß das verkaufte Bild nicht von dem Meister ist, dem es im Vertrage zugeschrieben wurde. Aber das ist schon deshalb unhaltbar, weil es infolgedessen ja viel wertvoller sein kann. Ein Mangel liegt darin nur, wenn gleichzeitig festgestellt wird, daß das Bild an Fehlern leidet. I m übrigen kann hier die Wandlung nur auf die Zusage des Verkäufers gestützt werden. Hiernach ist mit Recht betont worden, daß ein Zurückbleiben der Leistung hinter den besonderen Zusagen des Vertrages noch nicht einen Fehler zu enthalten brauche. Aber man hat noch weitergehend behauptet, daß es niemals einen Fehler bedeuten könne. Die Frage, ob ein Fehler vorliege, könne immer nur nach dem gewöhnlichen Gebrauchszweck der Ware beurteilt werden und der besonders vereinbarte Zweck nur für die Frage der Erheblichkeit i n Betracht kommen 1 3 5 . Danach soll ein als Jagdhund verkaufter Hund, wenn er ein Zughund ist, nicht fehlerhaft sein 136 . 133 134 135 13e

R G . 67, 86ff. 97, 351ff.; H a y m a n n , Reichsgerichtspraxia 3, 318ff. Insbesondere R G . 99, 107. 114, 339. 115, 286ff. H a y m a n n , Reichsgerichts-Praxis 3, 318ff. a. a. O. 319 A n m . l a .

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Zusagen. 137

Darin liegt eine starke Übertreibung . Wenn dieser Hund nicht jagen kann, so ist er mangelhaft. Denn Fehler ist alles, worin die Sache hinter dem Normaltyp zurückbleibt : dieser aber wird nicht nur nach dem gewöhnlichen Gebrauchszweck, sondern auch nach dem im Vertrage festgesetzten bestimmt. Wird eine Sache für einen ganz eigenartigen Zweck verkauft, z. B. ein Maß oder Gewicht für physikalische Untersuchungen, so muß sich eine Ungenauigkeit als Fehler darstellen, die sonst nicht als ein solcher erscheint. Bei einem Pferd, das im Theater verwendet werden soll, kann manches als Fehler gelten, was sonst ganz gleichgültig ist: ja sogar seine lebendige Gemütsart, also eine Eigenschaft, die man sonst als Vorzug ansehen würde. § 23. Derartige Zusagen spielen im Verkehr eine bedeutende Rolle, z. B. Angaben über die Leistungen der Maschine, den Umsatz des Geschäfts, den Ursprung der Ware, über die Verwendbarkeit von Futtermitteln und ihren Wert. Hier braucht es sich auch nicht gerade um unmittelbare Eigenschaften der Sache zu handeln, sondern es genügt hier auch die Angabe einer bloßen Beziehung, z. B. des Wertes oder Nutzens der Sache (oben S. 45). Nur ist erforderlich, daß die Zusage in ernstlicher und rechtsverbindlicher Weise gemacht ist. Es scheiden also Anpreisungen von marktschreierischem Inhalt aus, wie die Angabe, daß es die beste Seife der Welt sei. Auf der andern Seite muß aber diese Zusage des § 459 BGB. sorgfältig von der vertragsmäßigen Garantie des § 463 unterschieden werden. Diese Unterscheidung ist zwar schon wiederholt aufgestellt worden 138 , aber sie wird von der herrschenden Lehre verkannt und muß daher genauer dargestellt werden. Der Gegensatz zwischen der Zusage des § 459 und der Zusicherung des § 463 t r i t t am deutlichsten bei den Wirkungen der beiden hervor. Die Zusage des § 459 verpflichtet nicht zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Denn der § 462 schreibt als Folgen einer Leistung, die gegen § 459 verstößt, lediglich das Recht auf Wandlung oder Minderung vor: seine Verweisung auf § 459 bezieht sich auch auf den Fall, daß es der Sache nicht an einer normalen, sondern an einer besonders zugesicherten Eigenschaft fehlt. Man darf auch die Zusage einer Eigenschaft nicht ohne weiteres dahin deuten, daß dafür garantiert werden solle. 137

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 108 A n m . 3a. iss W o l f f , JheringsJ. 56, 4 4 f f ; mein Verschulden beim schlusse 15; H a y m a n n , Reichsgerichts-Praxis 3, 336ff.

Vertrags4*

Kauf.

Wenn der Katalog des Verkäufers für die Maschine eine gewisse Höchstleistung angibt, so bedeutet das nicht, daß er sich für einen durch deren Ausbleiben verursachten Schaden haftbar machen wolle. Auch wird dadurch nicht eine Pflicht zur Erfüllung der Zusage begründet — auch dann nicht, wenn eine nachträgliche Beschaffung dieser Eigenschaft möglich wäre. Wenn der Verkäufer zugesagt hat, daß die Maschine eine bestimmte Turenzahl habe, so wird er dadurch nicht etwa verpflichtet, einen so starken Motor einzubauen, ebensowenig wie der Mangel einer normalen Eigenschaft den Verkäufer zur Beseitigung des Mangels verpflichtet. Hier zeigt sich deutlich, daß die Zusage einer Eigenschaft nicht schon eine Verpflichtung zu ihrer Erfüllung enthält139. Wenn sich die Zusage des § 459 von der Garantie des § 463 in ihrer Wirkung unterscheidet, so auch in ihren Voraussetzungen. Das Garantieversprechen des § 463 bedarf, wie überhaupt die Übernahme einer Verpflichtung (§ 305 BGB.), einer vertragsmäßigen Vereinbarung (unten § 25). Dies gilt aber nicht für die Zusicherung des § 459, die eben nicht die Begründung einer Schuld, sondern nur eine tatsächliche Zusage enthält. Daher war denn auch schon im römischen Recht dies bloße dictum — im Gegensatz zu einem promissum — einseitig verbindlich : und nicht anders ist es auch im heutigen Recht 1 4 0 . Dafür sprechen auch dringende Gründe der Billigkeit. Zwar kann man bei manchen Zusagen eine vertragsmäßige Annahme feststellen. Aber nicht selten verbietet sich das, insbesondere bei schriftlichen Mitteilungen. Und auch wenn eine solche Annahme nicht erfolgt ist, ist es durchaus notwendig, den einseitigen Angaben des Verkäufers Gewicht beizulegen. Alle die zahlreichen Angaben und Erläuterungen in Katalogen und Erläuterungsschriften müssen unbedingt berücksichtigt werden. Ein Vertragsschluß ist also für diese Zusagen des § 459 nicht zu fordern. Sehr wichtig ist auch, daß die Zusagen beim Verkaufe eines Grundstücks nicht in der Form des § 313 BGB. beurkundet zu werden brauchen. Allerdings entscheidet die herrschende Lehre und vor allem die Rechtsprechung anders 141 . 139

D e r n b u r g § 184; J u l i u s a. a. O. 8ff.; O e r t m a n n 5. D e r n b u r g , J u l i u s , O e r t m a n n 5 zu § 459; W o l f f , JheringsJ. 56, 44 ff. 141 R G . 54, 229; SeuffA. 60 N r . 4; GruchBeitr. 48, 593ff. 53, 957ff.; Recht 1908 N r . 962. 1916 N r . 1870; O L G . 9, 2; W a r n e y e r 1917 N r . 100. 140

Zusagen.

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Sie verlangt eine vertragsmäßige Abrede und folgert es daraus, daß auch die Garantie des § 463 BGB. einer solchen bedarf. Letzteres ist sehr richtig (unten § 25), aber nicht richtig ist es, beide Erklärungen gleich zu behandeln. Damit kommen wir zu der entgegenstehenden herrschenden Lehre: sie kennt nur einen einheitlichen Begriff der Zusicherung und stellt die Zusicherung aus § 459 I I der des § 463 gleich 142 . Aber dagegen sprechen die schwersten Bedenken, die zum Zeil schon angedeutet sind. Entweder nämlich entschließt man sich, für das Garantieversprechen des § 463 von dem Erfordernis des Vertragsschlusses Abstand zu nehmen. Dann kommt man zu dem unhaltbaren Ergebnis, daß der Verkäufer sich durch eine einseitige, formlose Zusage zu einer schweren Haftung verpflichten kann, was nicht nur sehr unbillig ist, sondern auch der grundlegenden Bestimmung des § 305 BGB. durchaus zuwiderläuft (unten § 25). Oder man will umgekehrt auch für § 459 das Erfordernis des Vertragsschlusses aufstellen. Dann aber muß man sehr zahlreiche bedeutsame Zusagen über Größe, Gewicht, Haltbarkeit, Umsatz deshalb für ungültig erklären, weil sie nur einseitig oder formlos abgegeben sind. Das Vertrauen des Verkehrs müßte dadurch aufs schwerste erschüttert werden. Die Billigkeit fordert vielmehr, daß zur Schadenshaftung nur ein Vertrag verpflichtet, die einseitige Zusage aber zur Wandelung oder Minderung und nur im Falle des Verschuldens zum Schadensersatz. Die schweren Bedenken haben die herrschende Lehre in manchen Fällen zu dem Ausweg getrieben, mit der Annahme eines Fehlers zu helfen, so besonders beim Verkauf von Bildern, die durch die Angabe des Verkäufers oder ihre Namensaufschrift als solche eines bestimmten Künstlers bezeichnet waren 1 4 3 . Aber auch das ist nicht gangbar. Ein Sachmangel läge hierin nur dann, wenn das Bild fehlerhaft wäre (oben S. 50). — Sehr bezeichnend sind endlich die Fälle, wo der Verkäufer eine bestimmte Zusage gemacht, aber die Übernahme einer Garantie ausdrücklich abgelehnt hat. So hatte der Verkäufer zweier Geigen versichert, daß sie von vorzüglicher Klangschönheit und besonders guter Qualität seien und einen hohen Kunstwert hätten, und einen dement142

O e r t m a n n 2 u n d 5 zu § 459 u n d Genannte, insbesondere die schon erwähnten Reichsgerichtsentsch eidungen. 143 R G . 114, 242ff., 115, 286ff. W a r n e y e r 1927 N r . 140; auch W a r n e y e r 1916 N r . 244 (Stradivariusgeige).

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Kauf.

sprechend hohen Preis (8500 Mark) erhalten, aber die Übernahme einer Gewähr verweigert. Die Geigen waren jedoch nur gewöhnliche Instrumente mit einem Wert von je 700 Mark. Das Reichsgericht legt zunächst mit Recht dar, daß es sich nicht um einen Fehler der Sache handelt: da es aber außer der Garantie keine Zusage anerkennt, gelangt es zu der unbilligen Entscheidung, den klagenden Käufer ganz abzuweisen 144 . Die herrschende Lehre stützt sich wesentlich darauf, daß das Gesetz in § 459 I I und § 463 denselben Ausdruck „zugesicherte Eigenschaft" verwendet. Aber dies wird schon dadurch abgeschwächt, daß es dabei auf einen verschiedenen Zeitpunkt verweist: in § 459 auf die Zeit des Gefahr Übergangs, in § 463 auf die des Vertragsschlusses. Die Gegner wollen zwar gerade diesen zeitlichen Unterschied als entscheidend betrachten. Wenn ein Faß unter der vertragsmäßigen Garantie der Haltbarkeit verkauft ist, so soll der Schadensanspruch davon abhängen, ob ein Leck schon zur Zeit des Vertragsschlusses bestand oder erst zwischen diesem und der Übergabe eingetreten ist. Aber diese Unterscheidung ist weder vom Standpunkt des Verkäufers noch des Käufers aus berechtigt. Allerdings muß ein Verkäufer, der eine solche Garantie übernimmt, sich dabei genau darüber vergewissern, ob er seine Zusicherung erfüllen kann. Aber er muß auch nachher nicht weniger darüber wachen, daß deren Einhaltung erreicht wird. Vor allem aber wird der Käufer schwer benachteiligt, wenn er bei einer solchen nachträglichen Vereitelung seines Ersatzanspruchs beraubt wird. Völlig unanwendbar ist die Unterscheidung auf solche Zusicherungen, die sich auf die künftige Zeit beziehen, z. B. daß das Geschäft einen gewissen Umsatz haben werde. Hier ist es gar nicht denkbar, daß diese Eigenschaft schon zur Zeit des Vertragsschlusses fehle. Danach kann der Gegensatz zwischen § 459 I I und § 463 nicht nur in dieser zeitlichen Verschiedenheit liegen. — Wenn man aber selbst annähme, daß der Wortlaut dieser beiden Vorschriften für eine gleichmäßige Behandlung aller Zusicherungen spräche, so steht dem doch anderseits wieder eine andere Bestimmung des Gesetzes entgegen. Denn § 462 sagt doch, daß ein Verstoß gegen § 459 nur zur Wandelung oder Minderung führt. Man würde daher selbst bei ungünstiger Deutung nur zu dem Ergebnis kommen, daß zwei ver144 R G . 97, 351. Dagegen E n n e c c e r u s - L e h m a n n K R GR. 4 zu § 459 u n d andere. -

§ 108 A n m . 3a,

Sachmängel.

schiedene sich widersprechende Vorschriften vorhanden wären. Unter ihnen ist der der Vorzug zu geben, die am meisten der Ver kehr sauf fassung, Billigkeit und Geschichte entspricht. — Danach sind die Zusicherungen aus § 459 I I und § 463 scharf voneinander zu scheiden. Man muß ihnen daher auch verschiedene Namen geben: wir wollen die bloße tatsächliche Mitteilung des § 459 ,,Zusage" und nur die Verpflichtung des § 463 „Zusicherung" nennen. § 23 a. Der Unterschied zwischen dem erwünschten und dem tatsächlichen Zustand der Sache .muß ein erheblicher sein (§ 459 BGB.). Hierbei kommt es auf die Größe des Mangels an, aber auch auf seine Dauer. Wenn er nur vorübergehend ist oder aber sich leicht beseitigen läßt, so ist er regelmäßig als unerheblich anzusehen 145 . Aber auch trotz dieser Umstände ist er dann erheblich, wenn dem Käufer nicht zugemutet werden kann, sich mit einer solchen nachträglichen Herstellung zu begnügen: wenn er z. B. ein Kostüm für ein bestimmtes Fest gekauft hat und es mit Flecken geliefert wird, deren Beseitigung so schnell nicht möglich ist. Dieselben Grundsätze werden auch für den umstrittenen Fall maßgebend sein, wo der Verkäufer sich erbietet, den Mangel zu beseitigen, und wo anzunehmen ist, daß er dies auch tun kann und will. Auch hier wird man nicht soweit gehen dürfen, den Mängelanspruch für alle Fälle schlechthin auszuschließen146, aber noch weniger wird man schlechthin umgekehrt entscheiden 147 . Sondern man wird auch hier fragen müssen, ob eine solche Nachbesserung den Interessen des Käufers Genüge t u t 1 4 8 . I m letzten Falle ist der Mangel nach der Sachlage unerheblich und deshalb nach § 459 nicht zu berücksichtigen. § 24. Der Mangel muß nach § 459 BGB. in dem Zeitpunkt vorhanden sein, wo die Gefahr auf den Käufer übergeht — also, besser gesagt, zur Zeit des wirtschaftlichen Übergangs (oben S. 16). Das römische 'Recht erklärte im Gegensatz dazu den Zeitpunkt des Vertragsschlusses für maßgebend : aber dies wird schon dadurch erklärt, daß in diesem auch die Gefahr überging. Aus der genannten Zeitbestimmung des § 459 hat man mehrfach gefolgert, daß vor 145

R G . W a r n e y e r 1909 N r . 135; 1912 N r . 299; SeuffA. 62 N r . 82. So E m e r i c h a. a. O. 70; P l a n c k 4; R G J W . 1904, 198ff. 147 Wie E c c i u s a. a. O. 315ff.; S c h r ö d e r a. a. O. 13; O L G . 9, 286, Recht 1902, 248. 148 R G . 61, 92ff.; SeuffA. 67 N r . 189; O L G . 9, 285. 146

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Kauf.

dem wirtschaftlichen Übergang, also insbesondere vor der Übergabe in keiner Weise Mängelansprüche geltend gemacht werden könnten 1 4 9 . Aber das ist unhaltbar. Denn danach wäre der Käufer genötigt, auch eine mangelhafte Sache abzunehmen und, wenn er vorleistungspflichtig ist, auch vorher zu bezahlen. Dies aber wäre doch gar zu widersinnig und wird daher mit Recht allgemein abgelehnt. Alsdann aber muß man auch den ersten Satz fallen lassen, daß vor dem Übergang noch keine Mängelansprüche bestünden. Unmöglich kann man ihn, wie es mehrfach geschieht 150 , mit der Verneinung der Annahmepflicht vereinigen. Danach bedeutet die Zeitbestimmung in § 459 nur soviel, daß dieser Zeitpunkt für die Beurteilung der Mangelfreiheit maßgebend ist, nicht aber, daß erst in ihm diese Ansprüche entstehen 151 . Ausgeschlossen sind die Mängelansprüche, wenn der Käufer den Mangel beim Vertragsschluß kennt (§ 460 BGB.). Es werden bekanntlich sehr oft beschädigte oder geringwertige Sachen mit Wissen des Käufers verkauft. Hier hat der Käufer auch dann keinen Anspruch, wenn der Verkäufer etwa arglistig gehandelt hätte 1 5 2 . Auch durch grobe Fahrlässigkeit wird der Anspruch des Käufers ausgeschlossen. I m Einkaufen mangelhafter Sachen wird sehr oft eine gewisse Fahrlässigkeit des Käufers enthalten sein. Das Gesetz geht nun nicht soweit, ihm hier schlechthin seine Ansprüche zu verweigern, wodurch die ganze Lehre von der Mängelhaftung sehr stark eingeschränkt werden würde — wohl aber, wenn seine Schuld eine grobe ist. Und auch diese wird dann nicht berücksichtigt, wenn den Verkäufer eine überwiegende Verantwortung trifft, weil er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine garantierende Zusicherung gegeben hat (§ 460 BGB.). Ebenso können die Mängelansprüche durch eine Abrede der Parteien ausgeschlossen werden. Dazu genügt auch die Klausel „wie besehen": sie befreit von der Haftung für die bei der Besichtigung der Ware erkennbaren Mängel 153 . Es kann auch sein, daß gerade nur die Wandlung ausgeschlossen werden soll: so 149

So früher R G . 53, 73; GruchBeitr. 53, 940; anders W a r n e y e r 1911 N r . 327; SeuffA. 67 N r . 198; J W . 1912, 461. 160 F i s c h e r , JheringsJ. 51, 223; D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g 3, 81ff. 151 Herrschende Meinung: O e r t m a n n , B l f R . A . 76, I f f . , 3 zu § 459 u n d Angeführte. 162 R G . 55, 214. 102, 395. 158 R G . W a r n e y e r 1913 N r . 281. 1919 N r . 114; GruchBeitr. 51, 176ff. 63, 222; O L G . 38, 62.

Sachmängel.

*st das die Regel bei der sogenannten Arbitrageklausel 154 . — Die Abrede über den Ausschluß der Mängelhaftung ist aber dann ungültig, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat (§ 476 BGB.), d. h. wenn er den Mangel und seine Erheblichkeit gekannt und die Unkenntnis des Käufers ausgenutzt hat. Es soll vermieden werden, daß Verkäufer bewußt fehlerhafte Sachen veräußern und sich dabei durch eine allgemeine Klausel von der Haftung befreien, während der Käufer an einen solchen Mangel gar nicht denkt oder doch überzeugt ist, daß er nicht vorhanden sei. — Endlich finden die Mängelansprüche auch dann keine Anwendung, wenn die Sache auf Grund eines Pfandrechts als Pfand öffentlich versteigert wird (§461 BGB.). Der Grund liegt darin, daß der Pfandgläubiger die Sache nicht so genau zu kennen braucht wie ein Eigentümer und daher nicht dafür haftbar gemacht werden soll. Das gleiche gilt beim Pfandverkauf i n der Zwangsvollstreckung (§ 806 ZPO., § 56 ZwangsverstGes.). Der Pfandverkäufer haftet auch dann nicht, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Zusicherung erteilt hat. Aber hier hilft dem Käufer ein Anspruch aus § 826 BGB. oder dem Garantieversprechen aus 1 5 5 . Ähnlich scheint es zu liegen, wenn ein Erbe Sachen aus der Erbschaft, die er auch nicht genau kennt, verkauft. Aber die Sachlage ist hier doch wesentlich anders: der Erbe ist durchaus an die Stelle des Erblassers getreten und muß sich daher gefallen lassen, ganz ebenso behandelt zu werden. § 25. Die Wirkungen der Mängelansprüche sind sehr verschieden, je nach dem Verhalten des Verkäufers. Er haftet, wenn er schuldhaft gehandelt oder eine vertragsmäßige Zusicherung gegeben hat, auf Schadensersatz, sonst nur auf Wandelung oder Minderung. Dieser Unterschied ist überall sehr bedeutsam, wo der Mangel schädliche Folgen hervorgerufen hat: z. B. das kranke Vieh hat anderes angesteckt, die verdorbenen Futtermittel haben Vieh getötet, der Schwamm im Hause hat Menschen und Sachen geschädigt. Die strengere Haftung t r i t t nach § 463 BGB. zunächst dann ein, wenn der Verkäufer die Eigenschaft „ z u g e s i c h e r t " hat. Die Zusicherung von Eigenschaften begegnete uns schon in dem grundlegenden § 459 BGB.: aber dort soll sich nach § 462 daran nur die Folge anschließen, daß der Verkäufer wandeln 154

O e r t m a n n , H a n d H R . 4, 2, 474 A n m . 10c. E c c i u s a. a. O. 313ff.; L e n t , Gesetzeskonkurrenz 215; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 110. 155

anders

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Kauf.

oder mindern muß. Daher muß die Zusicherung des § 463 eine andere Bedeutung haben. Wir haben mithin beide als verschieden erkannt und jene als bloße tatsächliche Zusage, diese als verpflichtende Zusicherung bestimmt (oben S. 51). Diese Unterscheidung ist schon für die Frage bedeutsam, wann eine Zusicherung anzunehmen ist. Während jene einfache Zusage einseitig erteilt werden kann, bedarf es hier eines Vertrags. Denn der Verkäufer übernimmt damit die Verpflichtung, für die Folgen des Mangels aufzukommen, und eben weil er eine Verpflichtung begründet, ist nach § 305 BGB. ein Vertrag erforderlich. Insoweit ist also der herrschenden Lehre, insbesondere der Rechtsprechung des Reichsgerichts beizustimmen 156 — nicht aber soweit sie dasselbe Erfordernis auch für die Zusage des § 459 aufstellt. Andere halten freilich auch nach § 463 eine einseitige Erklärung für genügend 157 . Sie meinen, daß, wenn ein Vertrag vorläge, eine Klage auf Erfüllung der Zusicherung die notwendige Folge wäre. Aber das ist nicht schlüssig. Denn aus einen Vertrag kann zwar ein Anspruch auf Erfüllung entspringen, aber es ist das nicht notwendig: er kann auch lediglich auf eine Haftung für den Fall des Ausbleibens gerichtet sein. — Vor allem hat die Garantie des § 463 einen ganz anderen Inhalt als die bloße Zusage des § 459. Es liegt darin die Erklärung des Verkäufers, für den entspringenden Schaden zu haften: also mehr als die bloße Angabe, daß eine Eigenschaft vorhanden sei. Selbst der Ausdruck „Garantie" gibt allein noch nicht die volle Sicherheit, daß die Abrede im ersteren Sinne zu verstehen ist. Denn er wird nicht selten auch für eine bloße tatsächliche Angabe verwendet; oft soll dadurch sogar nur eine Verlängerung der Verjährungsfrist ausgedrückt werden. Wenn der Verkäufer einjährige Garantie für den regelmäßigen Gang der Uhr leistet, so bedeutet das regelmäßig nur dies und nicht etwa, daß er für die durch Verzögerung entstehenden Schäden haften solle. Diese Vertragsabrede kann, wie ein jedes Rechtsgeschäft, auch stillschweigend geschlossen werden, wenn ihr Inhalt aus den Abmachungen klar hervorgeht. Dies ist z. B. der Fall, wenn 166

R G . 54, 223ff. ; GruchBeitr. 48, 593. 53, 157ff.; Recht 1908 N r . 962; 1916 N r . 1870; W a r n e y e r 1917 N r . 100; O L G . 9, 2; SeuffA. 60 N r . 4. 137 D e r n b u r g § 184, J u l i u s a. a. O. 8ff. iss E m e r i c h a. a. O. 61; J u l i u s a. a. O. 10. Dagegen S c h l o ß m a n n , I r r t u m über wesentliche Eigenschaften 53. u n d die herrschende Meinung.

Zusicherung.

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ein einzelner Schaden von der Garantie ausgenommen und damit die Haftung für die übrigen Fälle stillschweigend bejaht wird. Ohne genügenden Beweis behaupten manche, daß nur eine ausdrückliche Erklärung hier ausreichend sei 1 6 8 . Aber freilich muß durchaus erfordert werden, daß die Haftung des Verkäufers aus dem Vertrage ersichtlich ist. Nicht genügt es, wenn aus ihm nur das erhellt, daß die Ware eine bestimmte Eigenschaft hat. Es wird z. B. i m Vertrage ausgedrückt, daß die Maschine eine bestimmte Leistung schafft, daß das Bild echt ist, das Geschäft einen gewissen Umsatz erzielt. Daraus folgt zwar, daß beim Fehlen der nötigen Eigenschaften Wandelung und Minderung zulässig ist, aber durchaus noch nicht, daß der Verkäufer für diese Eigenschaften einstehen, also für den Schaden haften soll. Daher kann eine solche Garantie insbesondere nicht schon daraus allein abgeleitet werden, daß die Eigenschaft für die Sache unentbehrlich ist. Zwar geht eine alte Lehre dahin, daß für solche ganz wesentliche Eigenschaften immer gehaftet werde, weil der Verkäufer für diese einzustehen stillschweigend versprochen habe 1 5 9 . Aber das ist entschieden zu verwerfen 160 : es beruht auf einem starken Mißverständnis der römischen Quellen und auf einer willkürlichen Deutung der Parteierklärungen und ist höchst unbillig. Weshalb soll der Verkäufer für die Folgen eines Mangels, den er bei aller Sorgfalt nicht erkennen konnte, haften ? Es widerspräche das aufs schärfste der Gerechtigkeit und dem aus ihr abgeleiteten Schuldprinzip, das unser Gesetz durchaus beherrscht. Man denke nur, daß der schuldlose Verkäufer für den gewaltigen Schaden haften solle, der durch den Einsturz eines Gebäudes entsteht. § 26. Der Verkäufer haftet ferner dann auf Schadensersatz, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat (§ 463 BGB.). Dazu ist nötig, daß er den Mangel gekannt hat. Wenn er nur Umstände kannte, aus denen der Fehler zu schließen war, er aber diesen Schluß nicht gezogen hat, so kann er für Arglist nicht verantwortlich gemacht werden, es kann also dann nur eine Haftung für Fahrlässigkeit in Betracht kommen. So wenn starke Verdachtsgründe für die Krankheit des Tieres oder der Schwamm des Hauses vorlagen, er sie aber aus Leichtsinn gering schätzte. — 159

R G . J W . 1910, 748; O L G . 21, 197ff.; Hanausek, H a f t u n g des Verkäufers 1, 13ff.; 48ff.; SeuffA. 7 N r . 31, 16 N r . 181. 27 N r . 16. 32 N r . 193. 160 P f e r s c h e , E r r o r 20; Mein Verschulden beim Vertragsschluß 35ff.; K r ü c k m a n n , Z i v A r c h . 101, 197 A n m . 29; M ü l l e r , Recht 6, 579.

60

Kauf.

Außerdem muß er sich bewußt gewesen sein, daß dieser Mangel erheblich war, daß der Käufer also durch seine Unkenntnis zum Vertragsschluß bewogen wurde. Anders daher, wenn er den Mangel für nicht bedeutsam hielt und ihn vielleicht nur deshalb, weil er ihm peinlich war, verschwieg 161 . Dem Verschweigen eines Mangels muß es gleichgestellt werden wenn der Verkäufer arglistig Eigenschaften der Sache vorspiegelt z. B. unwahre Angaben über die Erträge des Geschäfts oder Landguts macht. Für diese Gleichstellung ist die herrschende Ansicht, besonders in der Rechtsprechung, mit Recht eingetret e n 1 6 2 ; doch wird sie auch von manchen bestritten 1 6 3 . Dafür spricht insbesondere, daß gar kein sachlicher Grund für eine verschiedene Behandlung besteht; ja man kann sogar sagen, daß wenn schon für das bloße Verschweigen gehaftet werde, dann um soviel mehr für das positive Behaupten von Eigenschaften. Ferner läßt sich beides oft gar nicht von einander unterscheiden. Wenn z. B. angegeben ist, daß die verkauften Kohlen frei von Schlacken seien und dabei eine andere Beimischung verschwiegen wurde, so läßt sich gar nicht mit Sicherheit sagen, welcher dieser beiden Umstände maßgebend sein soll. Endlich kommt dazu das berechtigte Bestreben, überall den Betrügern entgegenzutreten. So müssen denn beide Fälle gleichmäßig behandelt werden —· und zwar, wie gleich zu zeigen, auch in den Wirkungen. § 27. I n den eben genannten Fällen haftet nämlich der Verkäufer auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, d. h. für den Schaden, der aus der verpflichtenden Handlung oder Unterlassung ursächlich entsteht. Der Käufer kann also mindestens das berechnen, was er an Schaden infolge dieses Kaufs erlitten, z. B. durch den Einsturz des betrügerisch verkauften Hauses oder dadurch, daß er im Vertrauen auf diesen Kauf es unterlassen hat, sich anderweit einzudecken. Aber er darf hierauf nicht beschränkt bleiben. Er muß weitergehend auch die Wirkungen beanspruchen 161

SeuffA. 62 N r . 179; B a y r R p f l Z . 1, 395. R G . 63, 112. 66, 336. 85, 242. 92, 295. 103, 160; GruchBeitr. 48, 900. 49, 891; D J Z . 1906, 541; Recht 1909 N r . 1668; J W . 1911, 808. Ferner J e ß , Recht 1914, 81; K i e h l , J W . 1914Nr. 10; S c h n e i d e r , B ü r g A . 39, 6. 1β3 M a t t h i e ß e n , J W . 1908, 60ff. 1913, 516ff.; Recht 1909, 670; W o l f f , JheringsJ. 56, I f f ; R i e h l , D J Z . 1913, 377; O e r t m a n n 5 zu § 463, der aber durch Annahme einer Garantie aushelfen w i l l ; H a y m a n n , Reichsgerichtspraxis 3, 343ff. 182

Arglist.

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können, die aus dem vorgespiegelten Vertrage erwachsen wären. Auch hierfür ist die Rechtsprechung ganz vorwiegend eingetreten 164 . Es leuchtet dies vor allem in dem Falle ein, wo der Verkäufer für eine Eigenschaft garantiert hat. Denn dies bedeutet ja gar nichts anderes, als daß er dafür einstehen wolle. Wenn also eine Maschine unter Garantie einer gewissen Kraftleistung verkauft ist, so haftet er für den Schaden, der dem Käufer durch Nichtlieferung einer so starken Maschine erwächst. Oder um einen entsprechenden Fall aus dem verwandten Recht des Werkvertrags zu nehmen: wenn der Unternehmer eines Autobus für den Anschluß an die Eisenbahn garantiert hat, so muß er für den Schaden der durch dessen Versäumung entsteht, haften. Er kann sich nicht darauf berufen, daß es überhaupt unmöglich gewesen wäre, die Beförderung in so kurzer Zeit auszuführen: dann hätte er eben nicht dafür garantieren sollen. — Ganz ebenso ist es nun auch beim arglistigen Verschweigen von Mängeln : denn das Gesetz stellt ja beide Fälle ausdrücklich einander gleich. Dafür spricht auch durchaus die Billigkeit. Denn es ist nichts anderes als gerecht daß der Betrüger möglichst scharf haftbar gemacht wird — und anderseits würde man sonst den berechtigten Interessen des Getäuschten nicht Genüge tun. Wer ein gebrauchtes Auto für 4000 Mark gekauft hat, muß von dem, der ihm einen Fehler arglistig verschwieg, fordern können, daß er ihm ein ähnliches fehlerfreies liefere. Er braucht sich nicht damit zu begnügen, daß er seinen Kaufpreis zurückbekommt. Denn durch den Vertrag sind bei ihm Erwartungen hervorgerufen worden, für die der Gegner bei Garantie oder Arglist einstehen muß. Dies ist der Schaden, der dem Käufer erwachsen ist und der ihm erstattet werden muß. Es läßt sich daher nicht etwa einwenden, daß ihm mehr ersetzt werde als er überhaupt Schaden erlitten habe. Ebensowenig darf sich der Verkäufer darauf berufen, daß es unmöglich gewesen wäre ein mangelfreies Auto dieser A r t zu diesem Preise zu verkaufen. Denn er hat es eben doch selbst versprochen, und er kann sich nicht darauf berufen, daß er das nur im Hinblick auf den Fehler getan habe, da er sich damit auf seine eigene Arglist stützen würde. Nicht anders ist es endlich auch dann, wenn der Verkäufer eine positive Zusage arglistig abgegeben hat, z. B. über die Miet164

R G . 59, 156. 61, 252. 63, 104. 66, 337; W a r n e y e r 2 N r . 399; Recht 1909 Njr. 1668.

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Kauf.

ertrage des verkauften Hauses 165 . Auch dafür spricht die Gleichstellung dieses Falles mit den beiden eben besprochenen. Und ebenso auch dringende Gründe der Billigkeit. Wenn die herrschende Meinung dem Käufer hier nur Ansprüche auf den Zustand gewährt, wie er ohne den Vertragsschluß gewesen wäre 1 6 6 , so ist seinen Interessen damit nicht Genüge getan. Wenn ein Bauer durch betrügerische Zusicherungen verleitet wird, in die Stadt zu ziehen und ein Geschäft zu kaufen, so wäre es eine sehr mangelhafte Entschädigung, wenn er lediglich von diesem Kaufe befreit würde. Der Betrüger muß ihm vielmehr das verschaffen, was er ihm versprochen hatte. § 28. Von größter Bedeutung ist die Frage, ob der Verkäufer auch dann, wenn er f a h r l ä s s i g beim Vertragsschlusse war, für den dadurch entstehenden Schaden haftet. Man denke nur an die alltäglichen Fälle, wo durch den fahrlässigen Verkauf schadhafter Geräte und Maschinen oder verdorbener Nahrungs- und Futtermittel Schaden entsteht. Es sind das die Hauptfälle einer Fahrlässigkeit beim Vertragsschlusse. Über diese enthält das Gesetzbuch keine allgemeine Vorschrift. Ich habe aber dargelegt, daß für diese Fahrlässigkeit gehaftet werden muß — und dem hat sich die Rechtsprechung und danach auch die Wissenschaft angeschlossen167. Dies muß insbesondere auch für den Fall des Kaufes gelten. Freilich ergibt sich gerade hier ein Bedenken daraus, daß der § 463 BGB. die Haftung auf die Fälle der Garantie und Arglist zu beschränken scheint. Es liegt nicht fern, daraus den Gegenschluß abzuleiten, daß für Fahrlässigkeit nicht gehaftet werde. Aber nach dem ganzen Inhalt unseres Gesetzes wäre ein solcher Schluß nicht berechtigt. Man muß dabei bedenken, daß das Gesetz eben überhaupt keine Vorschriften über diese ganze Frage enthält, so daß es nicht viel bedeutet, daß sie auch an dieser Stelle übergangen ist. Richtig ist freilich, daß die Verfasser des Gesetzbuchs die Haftung für Fahrlässigkeit nicht anerkannt haben. Die Wissenschaft des 19. Jahrunderts hatte sie —• trotz 105

C o h n , J W . 1911, 137ff.; H a g e n , daselbst 348ff.; G e p p e r t , JheringsJ. 64, 437ff.; vgl. auch M a t t h i e ß e n , J W . 1908, 60ff.; Recht 1908, 670; auch w o h l R G . 63, 112 (Herstellung des vertragsmäßigen Zustandes). 1ββ R G . GruchBeitr. 55, 348ff.; R G . 66, 337; W a r n e y e r , 1912 N r . 60; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 108 A n m . 34. 167 Meine Schriften: H a f t u n g des Verkäufers für sein Verschulden beim Vertragsschlusse, Verschulden beim Vertragsschlusse; näheres I , 544ff.

Schuld beim Vertragsschlusse.

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der ganz klaren Aussprüche der römischen Quellen — verneint oder übersehen, und von diesen Vorstellungen ließen sich auch die Verfasser des Gesetzes leiten. Aber es wäre sehr verkehrt, nach solchen Gedanken die Auslegung eines Gesetzes zu bestimmen. Der Wille der Gesetzgeber kann nur da maßgeblich sein, wo er als Staatswille geschichtlich hervorgetreten ist, und überdies sind die Verfasser des Gesetzes von den Gesetzgebern ganz verschieden 168 . Aber auch wenn man über diese Fragen anders denkt, wird man zugeben müssen, daß überwiegende Gegengründe dafür sprechen, den Kauf von der allgemeinen Haftung für Schuld beim Vertragsschlusse nicht auszunehmen. Unter den Fällen einer Fahrlässigkeit beim Vertragsschlusse stellen, wie schon erwähnt, die Kaufverträge gerade das hauptsächlichste Anwendungsgebiet. Es wäre nun geradezu ungeheuerlich, wenn man gerade in diesen wichtigsten Fällen die gewonnene Regel ausschalten sollte. Irgendwelche sachliche Gründe hierfür lassen sich nicht anführen. Insbesondere wäre es ganz verfehlt, den Verkäufer milder als einen Vermieter haften zu lassen: die abweichende Meinung der gemeinrechtlichen Wissenschaft beruhte lediglich auf einem Mißverständnis der römischen Quellen. Vor allem aber sprechen die dringendsten Anforderungen der Gerechtigkeit dafür, die Haftung für Fahrlässigkeit auch hier zu bejahen. Wenn der Verkäufer fahrlässig ein ungesundes Haus, eine schlecht montierte Maschine, verdorbene Nahrungs- oder Futtermittel verkauft, so muß er doch wohl sicher für den daraus entstehenden Schaden aufkommen. I n manchen Fällen wird hier freilich auch die Haftung aus einer Unrechtshandlung (§§ 823ff. BGB.) ausreichen, aber keineswegs immer. Denn durch sie wird nur die Beschädigung von Personen und Sachen betroffen, nicht aber der sonstige Vermögensschade. Es würde also danach nicht Ersatz gefordert werden können, wenn der Käufer durch Verwendung des unbrauchbaren Saatgutes die Ernte eines Jahres verliert oder wenn die unbenutzbare Maschine den Stillstand seines Betriebes und den Verlust von Abnehmern herbeiführt. Dazu kommt noch, daß auch bei den Fragen der Haftung für Gehilfen und der Verjährung die Unrechtshandlung unzureichenden Schutz gewährt. Denn dieser Anspruch wird durch eine Entschuldigung des Herrn und eine kurze Frist ausgeschlossen (§§ 831, 852 BGB.). Die Billigkeit 168

Meine Rektoratsrede: Auslegung u n d Anwendungsnormen.

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Kauf

aber fordert durchaus, daß der Verkäufer auch für die Schuld seines Vertreters nach § 278 BGB. einstehen muß. Freilich reicht diese Haftung für Fahrlässigkeit nicht ganz soweit wie die wegen Arglist. I n den Fällen der letzteren muß der Verkäufer, wie wir sahen, den Erfolg herstellen, den der Käufer aus dem gültigen Geschäft erzielt hätte (oben S. 60ff.). Aber diese strenge Haftung rechtfertigt sich eben nur durch die Arglist des Verkäufers und würde bei bloßer Fahrlässigkeit ungerechtfertigt sein. § 29. Bei der Haftung des Verkäufers für Verschulden erhebt sich die Frage, ob er auch für eine Schuld des beim Abschluß tätigen Gehilfen einstehen muß. Wer eine Haftung lediglich aus einer Unrechtshandlung ableiten will, wird ihn gemäß § 831 BGB. nur für sein eigenes Verschulden haftbar machen dürfen: er kann sich durch den Nachweis seiner eigenen Schuldlosigkeit befreien. I n der Tat hat man dies vielfach sogar für den Fall der Arglist angenommen 169 . Aber dies Ergebnis, wonach ein Kaufmann nicht einmal für die betrügerischen Angaben seiner Vertreter haftet, ist von stärkster Unbilligkeit. So hat denn auch die Rechtsprechung diese Ansicht später wieder aufgegeben 170. Die Haftung des Verkäufers für Arglist — und ebenso für Fahrlässigkeit — ist eben auf den Vertrag zu gründen; es sind daher die Regeln des Vertragsrechts anzuwenden, also auch der § 278 BGB., der eine unbedingte Haftung für die Gehilfen aufstellt 1 7 1 . Allerdings spricht er nur von den bei der Erfüllung verwendeten Gehilfen. Aber das erklärt sich daraus, daß das Gesetz das Verschulden beim Abschluß eben überhaupt nicht erwähnt. Dieser Fall ist aber dem der Erfüllung nahe verwandt und ebenso rechtlich zu behandeln. Auch im Falle der Fahrlässigkeit ist es dringend geboten, diese Haftung für die Abschlußgehilfen zu bejahen. Wenn ein im Laden Angestellter fahrlässig falsche Angaben über die Verwertbarkeit und den Gebrauch der Ware macht, so muß der Kaufmann unbedingt für den daraus erwachsenden Schaden haftbar gemacht werden. — Auch die soeben besprochene Haftung des Verkäufers für seine Zusicherung und sein Verschulden ist als eine Gewährleistung anzusehen (unten § 36). 169

R G . 61, 213; zustimmend O e r t m a n n 1 zu § 463 u n d Genannte. R G . 66, 86ff. 103, 50. 107, 240ff.; J W . 1912, 743. 1915, 240; SeuffA. 63,136. E b e n s o v . T u h r , 2, 490; S t a u b , A n m . 62; K ö h l e r 2, 432 A n m . 1. 171 Mein: Verschulden beim Vertragsschlusse 44ff.; oben I , 646. 170

Sachmängel.

§ 30. Von dieser Schadenshaftung streng zu unterscheiden ist die Haftung des s c h u l d l o s e n Verkäufers. Er haftet nicht auf Schadensersatz, sondern nur auf Wandelung oder Minderung (§ 462 BGB.). Es soll dadurch also nur ein Ausgleich der Ungerechtigkeit erzielt werden, die in der vollen Bezahlung einer minderwertigen Ware liegen würde. Aber ein solcher Ausgleich ist keineswegs selbstverständlich und nicht etwa schon aus den allgemeinen Grundgedanken des Gesetzes abzuleiten. I m Gegenteil, das Gesetz steht grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß auch Geschäfte von unrichtigem Inhalt eingehalten werden müssen. Auch der Irrtum der einen Partei schützt sie davor nicht, da es sich nur um einen Irrtum in den Gedanken (sogenannten Motivirrtum) handelt. Auch kann sie nicht etwa einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung erheben ; denn dieser ist nicht etwa bei jeder Unbilligkeit, sondern nur bei einer Verschiebung ohne Rechtsgrund gegeben (§ 812 BGB.). Daher ist ein solcher Ausgleich nur beim Kauf und andern entgeltlichen Veräußerungsgeschäften (§ 493 BGB.) zugelassen, nicht aber bei den übrigen Verträgen, insbesondere nicht bei den Arbeitsverträgen. Wenn die durch Dienstvertrag Angestellten, gleichviel ob ein Direktor oder nur Hausbursche, nicht entsprechendes leisten, so steht dem Arbeitgeber nicht das Recht zur Wandelung zu. Es wäre ja auch eine große Härte, wenn jener sofort entlassen werden könnte. Vielmehr bleibt regelmäßig nur das Recht der Kündigung. Weitergehende Ansprüche können sich nur aus einem Verschulden des Angestellten beim Abschluß oder der Erfüllung des Vertrages, aus einem wichtigen Grund oder aber aus einen Irrtum über grundlegende Eigenschaften (§ 119 I I BGB.) ergeben — also z. B. wenn der angestellte Monteur überhaupt kein Fachmann ist. Ebenso ist dieser Ausgleich beim Werkvertrage ausgeschlossen. Wenn der Autobus schlecht fährt und starke Verspätung bekommt, wenn die Theateraufführung mangelhaft oder das Stück schlecht ist, kann man deswegen nicht Abzüge an dem Preis machen. Demnach handelt es sich hier nicht um einen allgemeinen Rechtsgedanken, sondern um ein Sonderrecht für die Käufer 1 7 2 . Dieses dürfte sich aus den besonderen Interessen der Kaufleute erklären. Sie pflegen Waren in größeren Mengen einzukaufen und dann durch zahlreiche einzelne Verträge 172

Meine : H a f t u n g des Verkäufers für sein Verschulden beim Vertragsschlusse. B i n d i n g , Handb. X, 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

β

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Kauf

umzusetzen; sie treten daher bei den meisten Geschäften als Verkäufer auf. Ihren Gewinn erzielen sie meistens nicht so sehr aus einem hohen Verdienst bei einem einzelnen Geschäft, sondern aus einer möglichst großen Zahl von Umsätzen. Hierbei stellt sich der Kauflust der Erwerber sehr oft das Hemmnis entgegen, daß sie sich vor etwa verborgenen Mängeln fürchten. Daher pflegen kluge Kaufleute sich nicht selten bereit zu erklären, mangelhafte Stücke zurückzunehmen. Sie wissen, daß sie damit zwar gelegentlich ein Geschäft opfern, aber anderseits viele gewinnen. Diesem Interesse der Kaufleute folgt das Gesetz, wenn es ohne weiteres dem Verkäufer diese Pflicht auferlegt. Für diese Sondernatur spricht die Entstehung der Rechtssätze aus dem römischen Marktverkehr, wo die Verkäufe regelmäßig von gewerbsmäßigen Vieh- und Sklavenhändlern ausgingen. Ferner, daß diese Rechtssätze auf den Verkauf und die sonstige Veräußerung von Sachen und auf den Fall der Sachmängel (oben S. 48ff.) beschränkt sind. Auch in manchen anderen Richtungen sind sie eingeschränkt, insbesondere durch eine sehr kurze und einschneidende Verjährung. Endlich handelt es sich hier nicht um eine Rechtspflicht des Verkäufers, eine fehlerfreie Sache zu liefern: vielmehr nur um eine Gewährleistung, deren Eigenart gerade darin besteht, daß ihr eine Erfüllungspflicht nicht zugrunde liegt (I, 498ff., unten S. 77ff.). Diese Ausnahmenatur des Wandelungs- und Minderungsrechts ist bisher nicht erkannt worden. I m Gegenteil hat man mehrfach versucht, die Haftung auf einen allgemeinen Grundsatz zurückzuführen und so überaus bedenkliche Regeln aufgestellt. Am gefährlichsten sind die Versuche, aus dem Mangel der Sache einen Mangel des Geschäftsgrundes und dadurch ein Umstoßungsrecht abzuleiten, wie es die Lehre von der Voraussetzung 173 , der Geschäftsgrundlage 174, dem Geschäftszweck 175 und der virtuellen Voraussetzung 176 tun. Ihnen gegenüber wird später, in der Lehre von der grundlosen Rechtsverschiebung, (§ 273) darzulegen sein, daß solche einseitigen Erwartungen nicht zur Aufhebung des Geschäfts führen können. Ebenso bedenklich ist es, sich auf 178 W i n d s c h e i d , Lehre v o n der Voraussetzung. 174

O e r t m a n n , Die Geschäftsgrundlage. L o c h e r , ZivArch. 121, I f f . 178 S ü ß a. a. O. 209ff.- i m Anschluß an Krückmanns Lehre von der virtuellen Voraussetzung, Z i v A r c h . 131, I f f . 175

Sachmängel.

67λ

die Äquivalenz der Leistungen zu berufen 1 7 7 : denn ein Rechtssatz, der diese forderte, besteht nicht und wäre auch unhaltbar. Nicht minder verfehlt ist es, wenn man den Anspruch aus einer Unmöglichkeit der Leistung ableiten w i l l 1 7 8 : denn eine solche ist i n der mangelhaften Leistung keineswegs enthalten (unten S. 77ff.). Eher kann man ihn auf die Enttäuschung des Käufers 179 , auf den Schutz seines Vertrauens 180 , die Vereitelung seiner Interessen 181 oder die Nichtzumutbarkeit 182 gründen. Indessen alle diese Wendungen erklären nicht, warum der jeweils bezeichnete Umstand gerade nur in diesem einen Falle die Aufhebung oder Abänderung des Vertrags rechtfertigt. Wollte man sie aber so verstehen, daß er allgemein diesen Erfolg hätte, so wäre das wieder durchaus irrig, da dies eben nur für die Mängel einer veräußerten Sache zutrifft. § 31. Der Käufer hat die freie Wahl zwischen Wandelung und Minderung: dort wird der Kaufvertrag aufgelöst, hier nur der Preis herabgesetzt. Er wird sich regelmäßig danach entscheiden, ob er die Sache mit dem Mangel gebrauchen kann oder nicht. Wenn es ihm darauf ankommt, daß das gekaufte Sofa oder Buch ganz tadellos ist —· ζ. B. wenn er diese Sachen verschenken will —·, so wird er nicht umhin können zu wandeln. Sobald der Käufer die Mangelhaftigkeit behauptet, hat der Verkäufer ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, welchen von beiden Wegen der Käufer gehen will. Das Gesetz (§ 466) gibt ihm daher das Recht, dem Gegner eine Frist zur Entscheidung zu setzen. Wenn dieser schweigt, so kann er nicht mehr Wandelung fordern : der Käufer soll also, wenn er das stärkere Recht ausüben will, genötigt sein, dies auszusprechen. Welches der rechtliche Vorgang bei der Wandelung und Minderung sei, ist sehr umstritten. Nach der Vertragstheorie erfolgen beide Akte durch einen Vertragsschluß. Der Käufer fordert, daß der Verkäufer mit ihm einen solchen Vertrag schließe, und wenn dieser sich weigert, muß er auf Abschluß des Vertrags klagen, sodaß ein Urteil auf Abgabe dieser Willenserklärung ergeht und 177

K r ü c k m a n n a. a. O. 93. K o h l e r , Lehrbuch 2, 1, 73; K R G R . 2 zu § 459. 179 v . B l u m e , JheringsJ. 55, 209ff. 180 H a y m a n n i n der Reichsgerichts-Praxis 3, 328. 181 H e c k , Schuldrecht 268. lea N i p p e r d e y , Vertragstreue u n d Nichtzumutbarkeit der Leistung. 178

5 *

68

Kauf.

nach § 894 ZPO. vollstreckt w i r d 1 8 3 . Umgekehrt geht nach der Herstellungstheorie der Anspruch des wandelnden Käufers unmittelbar darauf, daß der Kaufpreis gegen Rücknahme der Sache zurückgezahlt oder, wenn noch nicht gezahlt war, daß der Preisanspruch aufgehoben w i r d 1 8 4 . Für die letztere Auffassung spricht, daß der Vorgang so in einfacherer Weise erklärt wird. Dennoch ist die Vertragstheorie vorzuziehen, und zwar aus folgenden Gründen. § 465 BGB. sagt: ,,Die Wandelung oder die Minderung ist vollzogen, wenn sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden erklärt hat." Schon damit ist die Vertragstheorie völlig klar erwiesen. Ein Vertrag ist nötig ; durch ihn wird die Wandelung vollzogen: das heißt so viel wie bewirkt, ebenso wie auch an anderen Stellen des Gesetzes (§§ 515ff., 2194, 2196, 2301). Zwar hat man dagegen eingewendet, daß der Vertrag nur einen der Wege zur Wandelung darstelle und daneben auch noch eine einseitige Wandelung möglich sei. Aber das ist unhaltbar. Wenn ein Gesetz die einseitige Bewirkung eines Rechtserfolges zuläßt, so bleibt daneben allerdings auch noch die Möglichkeit, daß er auch durch einen Vertrag erzielt werden kann, weil ein solcher eine stärkere Wirkung hat. Dagegen ist der umgekehrte Schluß nicht zulässig: wie sollte das Gesetz wohl den Vertragsschluß nennen, wenn auch eine einseitige Erklärung ausreichte! Ferner hat man eingewendet, daß der § 465 lediglich den Zeitpunkt angebe, wo das Wahlrecht zwischen Wandelung und Minderung aufhöre 185 . Aber auch das läßt sich mit Bestimmtheit widerlegen. Dieser Paragraph soll nach § 481 auch bei Viehmängeln anwendbar sein: dort aber gibt es gar kein Wahlrecht, weil 1 W

D e r n b u r g I I § 185; E n d e m a n n a. a. O. 360; K l o ß , SächsArch. 9, 287ff., K u n t z e l , GruchBeitr. 41, 433; O e r t m a n n 1 zu § 465 u n d Recht 1904, 4ff. 29ff.; S c h r o e d e r , Gewährleistung; F l e c h t h e i m , GruchBeitr. 44, 65ff.; R G . 74, 4; GruchBeitr. 51, 170ff.; SeuffA. 67 N r . 175. 71 N r . 37 ; O L G . 4 N r . 13a. 8 N r . 44. 12 N r . 56. 13 N r . 415. 16 N r . 403. 404. 17 N r . 308. 20 N r . 180; SeuffA. 62 N r . 206; Unentschieden R G . 59, 97. 66, 74ff. 108, 26. 184 E c c i u s , GruchBeitr. 43, 318ff.; L o b e , SächsArch. 9, 104ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 110; S t a u b 59, 60 zu §§ 377ff. H G B . ; H a y m a n n , JheringsJ. 56, 509; L a n g h e i n e k e n , Anspruch 215ff.; B i e r m a n n , Z i v A r c h . 95, 315ff.; M ü l l e r , B l f R A . 69, 45ff.; R G . 70, 198ff.; 101, 71, D J Z . 25, 1335ff.; SeuffA. 68 N r . 35; jetzt auch P i a n o k , 4. Aufl. 3 zu § 462, 1 zu § 465 u n d S t a u d i n g e r , 9. A u f l . I V zu § 462. 186 H a y m a n n a. a. O.; T h i e l e , GruchBeitr. 93, 387ff.

Wandelung.

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die Minderung nach § 487 ausgeschlossen ist. — Hiernach spricht § 465 ganz unzweideutig für die Vertragstheorie. Und dieser Schluß wird noch durch den § 467 verstärkt. Er zieht die für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften „der §§ 346 bis 348, 350 bis 354, 356" an, läßt also sehr auffallend gerade den § 349 aus, wonach der Rücktritt durch einseitige Erklärung gegenüber dem andern Teile erfolgt. Dagegen wenden freilich die Gegner ein, daß auch nach ihrer Auffassung die Wandelung nicht durch einseitige Erklärung erfolge, sondern der Käufer habe auch ohne solche kraft Gesetzes seine Ansprüche. Aber das läßt sich schon deswegen nicht halten, weil es doch einer Erklärung des Käufers darüber bedarf, ob er Wandelung oder Minderung beansprucht. Mithin ist es der klare Inhalt der maßgebenden Gesetzesvorschriften, nicht etwa nur ihr Wortlaut, der die Vertragstheorie rechtfertigt. I n der Tat sind auch die Verfasser des Gesetzes, die diese Vorschriften schufen, von dieser Ansicht ausgegangen — ein Beweisgrund, der von ihren Anhängern sehr überschätzt wird. § 32. Von viel größerer Bedeutung als der letztere Umstand ist, daß die Vertragstheorie sich auch durch ihre praktischen Folgen rechtfertigt, obwohl dieser wichtige Gesichtspunkt schon von den Verfassern des Gesetzes180 und ebenso dann von der Wissenschaft stark vernachlässigt worden ist. Es hat durchaus einen vernünftigen Sinn, eine vertragsmäßige Regelung der Frage zu erfordern. Der Käufer soll dadurch genötigt werden, zunächst eine Verständigung mit dem Gregner zu versuchen. Dadurch soll geklärt werden, nicht nur ob ein erheblicher Mangel vorliegt, sondern auch, welche Folgerungen daraus gezogen werden sollen: ob Wandelung oder Minderung erfolgen soll oder ob der Verkäufer etwa den Mangel beseitigen oder ein Ersatzstück liefern soll. Auch wenn der Käufer — was nahe liegt — sofort Wandelung verlangt hat, soll alles dies noch nicht endgültig erledigt sein. Er kann seine Wahl noch ändern. Der Gegner kann dem nicht widersprechen: und ebenso wenig ein Dritter, der aus der einseitigen Erklärung Rechte ableiten will. Durch diese ist noch nicht ein Geldanspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises entstanden: ein Gläubiger des Käufers kann also noch nicht diesen Anspruch pfänden. Man denke etwa, daß sich die Parteien des 1 M

Protokolle 1, 679.

Kauf.

70

Kaufvertrags hinterher noch anderweit einigen, z. B. so, daß der Verkäufer den Mangel ausbessern soll. Hier zeigt sich, daß durch die einseitige Wandelungserklärung noch nicht eine endgültige Erledigung bewirkt und noch kein pfändbarer Geldanspruch des Käufers geschaffen war. Da dieser Anspruch noch nicht pfändbar ist, kann er auch nicht zu einer Aufrechnung verwendet werden. Der Anspruch auf Vertragsschluß aber ist dem Gegenanspruch nicht gleichartig und daher ebenfalls nicht zur Aufrechnung geeignet. Danach kann der Käufer erst dann aufrechnen, wenn durch den Vertrag die Wandlung vollzogen ist. So erklärt sich der § 479 BGB, der eine Aufrechnung mit einem verjährten Mängelanspruch ausschließt, dies aber nur für den Anspruch auf Schadensersatz ausspricht und die viel häufigeren Ansprüche auf Wandelung und Minderung nicht erwähnt. Dieser auffallende Umstand kann nur dadurch erklärt werden, daß vor Abschluß des Vertrags das Wandelungsrecht noch keinen aufrechenbaren Anspruch erzeugt. Vergeblich bemühen sich die Gegner, das Gewicht dieses Schlusses zu erschüttern 187 . Wenn der Käufer Minderung um einen bestimmten Satz, etwa um die Hälfte fordert, und der Richter nur Minderung um ein Viertel für berechtigt hält, so müßte er nach der Herstellungstheorie ohne weiteres hierauf erkennen. Und die Gegner verteidigen dies in der Tat und halten es für einen großen Vorzug ihrer Lehre, daß die Sache sich damit so einfach erledigt. Aber dies Ergebnis ist sachlich bedenklich. Denn wenn der Richter nur eine so unbedeutende Herabsetzung billigt, so muß nun dem .Käufer auch die Gelegenheit gegeben werden, sich zu entscheiden, ob er dann nicht lieber wandeln w i l l 1 8 8 . Was als Mangel der Vertragstheorie hingestellt wird, ist also gerade ein weiterer Beweis für ihre Richtigkeit. Anders wäre nur dann zu entscheiden, wenn der Käufer die Minderung nicht gerade nur auf die Hälfte ausgesprochen, sondern auch eine andere Minderung hilfsweise gefordert hat. Eine solche Erklärung kann man aber nicht ohne weiteres in jeder Minderung finden. — Nach alledem ist die Vertragslehre nicht etwa nur ein Kuriosum, das man wohl oder übel aus dem Gesetz entnehmen muß, sondern auch aus Gründen der Zweckmäßigkeit vorzuziehen. 187

188

E

c c i u s a . a . O . 330; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 111 A n m . 14. P l a n c k 2 zu § 465.

Wandelung.

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§ 33. Von den Gegengründen ist besonders zu erwähnen, daß neben der vertragsmäßigen Wandelung auch eine einseitige in § 462 BGB. anerkannt werde. Wenn dort gesagt sei, daß der Käufer „Rückgängigmachung des Kaufes" verlangen könne, so sei darunter die Rückgabe der gemachten Leistung zu verstehen 189 . Aber das ist schon deshalb nicht überzeugend, weil diese Vorschrift des Gesetzes nur das Recht zur Wandelung oder Minderung ausspricht, während die nähere Regelung dieses Vorgangs erst i n dem oben genannten § 465 BGB. beschrieben wird. Außerdem ist unter der Rückgängigmachung „des Kaufes", wie hier sehr deutlich gesagt ist, nur die Aufhebung des Vertrags, nicht die Rückgabe der Leistungen zu verstehen: sonst wäre ja da, wo noch keine Leistung gemacht wäre, ein Wandelungsanspruch überhaupt nicht gegeben. Auch für die Minderung wird hier sehr deutlich gesagt, daß sie in einer „Herabsetzung des Kaufpreises" besteht, also nicht etwa in einer Rückzahlung des zuviel Gezahlten. Bei der Gattungsschuld kann der Käufer auch verlangen, daß ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. Auf diesen Anspruch soll nach § 480 I 2 BGB. unter anderem auch § 465 anwendbar sein. Da es hierfür nun sicher nicht erst eines Vertragsschlusses bedarf, so schließen die Gegner daraus, daß § 465 einen solchen auch sonst nicht erfordere. Aber dieser Schluß wird dadurch erschüttert, daß § 480 nur eine „entsprechende" Anwendung vorschreibt. — Ferner wollen sie aus § 478 BGB. folgern, daß die Wandelung durch eine Einrede geltend gemacht werden könne. Allerdings erwähnt das Gesetz hier, daß auch nach der Vollendung der Verjährung die Zahlung verweigert werden könne, und daraus ist freilich zu schließen, daß eine solche Einrede erst recht vor der Verjährung erhoben werden kann. Aber es fragt sich doch noch, ob dadurch wirklich die Wandelung vollzogen wird 1 9 0 . Denn es ist auch die andere Auffassung möglich, daß der Käufer sich damit lediglich auf sein Recht zur Wandelung beruft 1 9 1 . Auch sonst kommt es vor, daß ein Beklagter eine Einrede schon daraus ableitet, daß von einem Rechte Gebrauch 189

E c c i u s a. a. O. 319; H a y m a n n a. a. O. 538; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. 190 Dafür E c c i u s a. a. O. 321 ff.; H a y m a n n a. a. O. 544; L o b e a . a . O . 115. 191 H e l l w i g , Verträge 294ff.; O e r t m a n n 1 zu § 478. .

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Kauf.

gemacht werden kann: so der Käufer, der sich auf einen Rechtsmangel beruft (oben S. 42), der Bürge, der sich auf ein Recht zur Anfechtung oder Aufrechnung stützt (§ 770 BGB.). Man braucht sich dazu nicht erst auf den Gesichtspunkt der Schikane (§ 226 B G B ) 1 9 2 oder den des Rückhaltungsrechts 193 zu berufen. Allerdings kann in der Erhebung dieser Einrede auch ein Angebot der Wandelung zu erblicken sein, und dann kann dies vom Verkäufer angenommen werden. Aber diese Auslegung ist nicht überall geboten: besonders dann nicht, wenn der Käufer sich noch gar nicht für die Wandelung entschieden hat. Der beklagte Käufer kann sich nämlich zunächst darauf beschränken, daß er den Mangel geltend macht, während er über die Frage, welche Ansprüche er daraus ableiten will, erst mit dem Verkäufer verhandeln möchte. Der stärkste Grund der Gegenansicht scheint zu sein, daß die Vertragstheorie einen doppelten Rechtsstreit erfordere: der Käufer müsse vorerst auf Einwilligung des Gegners zum Vertragsschlusse klagen, und dann, nachdem dies Urteil rechtskräftig geworden, noch einmal auf Rückzahlung des Kaufpreises. Es muß zugegeben werden, daß das ein recht umständliches Verfahren wäre, aber nicht, daß die Vertragstheorie dazu nötigt. Auch nach ihr können diese beiden Ansprüche gleichzeitig miteinander erhoben werden 194 . Unter den verschiedenen Versuchen, dies zu rechtfertigen, scheint mir am einleuchtendsten, es aus das Natur des Anspruchs auf Abgabe einer Willenserklärung abzuleiten 1 9 5 . Bei jedem Anspruch dieser A r t muß es zulässig sein, ihn schon mit dem auf die daraus sich ergebende Leistung zu verbinden: sonst würde die Durchführung unter einer unerträglichen Langsamkeit leiden. So können die Erben einen Miterben gleichzeitig darauf verklagen, daß er in die Veräußerung der Erbschaftssache einwillige, und darauf, daß er sie herausgebe. Man kann es auch so ausdrücken, daß der Herausgabeanspruch die natürliche, selbstverständliche Folge des ersten Anspruchs auf Vertragsschluß sei 1 9 6 . 192

So F l e c h t h e i m a. a. O. 88; E n d e m a n n a. a. O. 360. N e u m a n n I I zu § 462. 194 R G . 58, 425. 195 K o h l e r , Z i v A r c h . 80, 288. 196 S c h o l l m e y e r a. a.O. 31ff.; D e r n b u r g § 185 A n m . 18; O e r t m a n n 1 e zu § 465. 193

Wandelung.

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§ 34. Unter Wandelung ist die Aufhebung des Kaufvertrags zu verstehen. Es finden darauf die Bestimmungen des Gesetzes über den vorbehaltenen Rücktritt Anwendung (§§ 467, 346ff.). Wenn die Sache durch Schuld des Käufers oder seines Gehilfen oder Rechtsnachfolgers zerstört ist, ist hiernach die Wandlung ausgeschlossen (§§ 351—353). Nicht dagegen, wenn sie zufällig untergegangen ist (§ 350). Diese Vorschrift erscheint beim Vorbehalt des Rücktritts sehr unbillig (I, 412ff.), hier dagegen, bei der Wandelung, weit berechtigter, weil der Verkäufer mit dem Verkauf einer fehlerhaften Sache oft eine schuldhafte, mindestens aber eine objektiv unrichtige Handlung begangen hat und daher eher gegen ihn zu entscheiden ist. — Die Parteien haben alles, was sie aus dem Kauf erhielten, mit den gezogenen und den zu ziehenden Nutzungen herausgegeben (§ 347 BGB.). Der Preis ist mit 4 % z u verziensen. Die Vertragskosten einschließlich der Kosten für Auflassung und Stempel hat der Verkäufer dem Käufer zu ersetzen (§ 467 2 BGB.). Ersatz für Verwendungen ist nur nach den Regeln der Geschäftsführung zu gewähren (§§ 347, 994 I I BGB.). Wenn von mehreren Sachen nur eine mangelhaft ist, findet nur eine teilweise Wandelung statt (§ 469). Dies auch dann, wenn ein Gesamtpreis für beide vereinbart war: hier ist dieser i n dem Verhältnis des Werts der beiden Sachen herabzusetzen (§§ 469, 471). Anders aber, wenn die Sachen als zusammengehörend verkauft sind, wie die Bände eines einheitlichen Werkes — dies ist auch bei getrennter Preisfestsetzung möglich 1 9 7 — : hier kann jeder verlangen, daß die Wandlung auf alle einzelnen Stücke erstreckt wird, wenn die mangelhaften Sachen nicht ohne Schaden von den andern getrennt werden können (469 BGB.). Wieder anders ist es, wenn mit der Hauptsache auch eine Nebensache verkauft ist, wie eine Pumpe mit dem Fahrrad: hier ist beim Mangel der Hauptsache die Wandelung auf die Nebensache zu erstrecken, beim Mangel der Nebensache aber nur auf diese zu beschränken (§ 470). Unter der Nebensache ist eine unbedeutende zu verstehen, sie braucht nicht gerade Zubehör zu sein 1 9 8 . Immer bleibt der Anspruch aus der Wandelung darauf beschränkt, daß die Leistungen zurückgewährt werden. Den Schaden, der dem Käufer entstanden ist, kann er nicht einfordern: 197 198

R G . 66, 157. S c h r ö d e r a . a . O . 65ff.

74

Kauf.

ein solcher Schadensanspruch ist ja nur in den Fällen der Garantie und des Verschuldens gegeben (oben S. 57ff.). Es wird auch dadurch bestärkt, daß das Gesetz (§ 467) nur ausnahmsweise die Erstattung der Vertragskosten anordnet. Daher kann der Käufer auch nicht Ersatz der ihm erwachsenen Kosten für Transport und Aufbewahrung der Sache und ähnliches verlangen. Diese sind nur insoweit zu erstatten, als sie Verwendungen auf die Sache sind, also zur Erhaltung der Sache selbst dienen, oder nach den Regeln der Geschäftsführung zu ersetzen sind. Darüber hinaus ist der Verkäufer nicht haftbar 1 9 9 . Das Gegenteil läßt sich nicht daraus ableiten, daß der Verkäufer „den mangelhaften Verkauf verschuldet, genauer verursacht" habe 2 0 0 ; denn das erste ist nur unter Umständen richtig und das zweite nicht ausreichend. Vielmehr ist auch hier scharf zu unterscheiden, ob der Verkäufer wegen seines Verschuldens auf Schadensersatz haftet oder ob er ohne seine Schuld lediglich zum Ausgleich genötigt wird. Bei der Minderung wird der Kaufpreis in dem Verhältnis herabgesetzt, in dem der wahre Wert der Sache zu demjenigen steht, den die Sache ohne den Mangel gehabt hätte (§ 472 BGB.). Wenn wir den ersten geringeren Wert mit w und den höheren mit W bezeichnen, so ergibt sich der Ansatz : Ρ (Kaufpreis) : χ = W : w. Wenn ermittelt ist, daß der Mangel den Wert des Hauses um 5000 Mark herabsetzt, so läßt sich danach allein die Minderung noch nicht berechnen; denn es kommt nun noch darauf an, wie hoch der Kaufpreis war. Wenn er nur dem halben Werte des Hauses entsprach, so wird auch nur die Hälfte der 5000 Mark davon abzusetzen sein. — Wenn neben Geld auch andere vertretbare Sachen versprochen waren, so erfolgt die Kürzung an beiden verhältnismäßig 201 . Und auch wenn ein Teil des Kaufpreises gestundet ist, wird eine verhältnismäßige Verteilung erfolgen müssen 202 . Wenn neben dem Geld eine eigenartige (nicht vertretbare) Sache geschuldet wird, so muß der Wert dieser in Geld geschätzt werden. Die Herabsetzung erfolgt ganz an der Geld199

Mein Verschulden beim Vertragsschlusse 38ff.; R G . 52, 18ff.; Recht 1905 N r . 1655; O L G . 22, 230; SeuffA. 65 N r . 91 ; anders W o l f f , GruchBeitr. 48, 503ff.; R G . 6, 189; O L G . 4, 39; Recht 1902 N r . 437. 200 So W o l f f a. a. Ο. 508; ähnlich D e r n b u r g 2 § 186. 201 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 110; P l a n c k zu § 473. 202 R G . SeuffA. 67 N r . 439; O e r t m a n n 3 zu § 472 u n d Genannte, wo auch Gegner.

Sachmängel.

leistung; wenn diese nicht ausreicht, ist der Überschuß dem Käufer zu vergüten (§ 473 BGB.). Wenn mehrere Sachen als zusammengehörig verkauft sind, wie eine Zimmereinrichtung, so wird der Gesamtwert aller Sachen zugrunde gelegt. Das Gesetz (§ 472 I I ) spricht das freilich nur für den Fall aus, daß ein Gesamtpreis vereinbart war, aber es ist nicht nur auf ihn zu beschränken. § 35. Wenn am Kauf mehrere Personen beteiligt sind, so kann die Wandelung nicht teilweise ausgeübt werden, sie ist von allen Käufern und gegenüber allen Verkäufern geltend zu machen (§§ 467, 356 BGB.). Dagegen kann die Minderung von jedem Beteiligten und gegen ihn durchgeführt werden. Der Mängelanspruch erlischt durch vertragsmäßigen Verzicht. Ein solcher ist nicht schon darin zu erblicken, daß der Käufer einen Anspruch auf Grund eines andern Mangels erhebt (§ 475 BGB.) — selbst dann nicht, wenn ihm auch jener Mangel damals bekannt war. Dagegen gilt die Annahme einer Sache in Kenntnis eines Mangels ohne Vorbehalt als Verzicht auf die Wandelung und Minderung (§ 464 BGB.). — Wesentlich ist, daß die Mängelansprüche i n kurzer Zeit verjähren, nämlich bei beweglichen Sachen i n sechs Monaten, bei Grundstücken in einem Jahre (§ 477 BGB.). Es gilt dies auch für den Schadensanspruch wegen Mangels einer zugesicherten Eigenschaft. Recht zweifelhaft ist dagegen, ob es auch auf den Schadensanspruch wegen Verschuldens bei mangelhafter Lieferung oder unrichtigem Vertragsschluß anzuwenden ist. Für die bejahende Ansicht 2 0 3 spricht, daß das Gesetz die Anwendung in zwei ganz ähnlichen Fällen vorschreibt, nämlich bei dem Schadensanspruch aus Zusicherung und dem Nachlieferungsanspruch bei der Gattungsschuld (§§ 477, 480 I I ) . Diese Vorschriften widerlegen zugleich die Annahme der Gegner, daß die kurze Verjährung sich lediglich durch die Begünstigung rechtfertige, die dem Verkäufer durch das Wandelungsund Minderungsrecht gewährt werde. Sicherlich spielt diese Erwägung auch eine Rolle. Aber daneben auch die anderen, daß die Ermittelung von Sachmängeln nach längerer Zeit schwierig und mißlich ist, und daß der Käufer nach jahrelangem Gebrauch nicht mehr so sehr geschädigt ist. So werden wir auch auf diese 208

R G . 53, 200ff.; 56, 169. 93, 161 ff.; J W . 1903, Beilage 34, 35; O L G . 12, 31; SeuffA. 67 N r . 4. 70 N r . 78; mein Verschulden beim Vertragsschlusse 67ff. — Dagegen S t a u b , D J Z . 1903,389;Müller,DJZ.06,703ff.; S c h u l t z e , B ü r g A . 30, 143ff.; 31, 225; v . B l u m e , J h e r i n g s J . 5 5 , 2 0 9 f f .

76

Kauf.

Ansprüche die kurzen Verjährungsfristen anzuwenden haben: freilich nur, wenn sie sich eben auf eine mangelhafte Beschaffen· heit der Ware gründen. — Die Verjährungsfrist beginnt bei beweglichen Sachen mit der Ablieferung, d. h. wenn der Käufer die Sache erhalten hat oder sie sich leicht aneignen kann: also noch nicht, wenn er nur den Lagerschein erhielt 2 0 4 . Bei Grundstücken beginnt die Frist mit der Übergabe: nicht mit der Auflassung und Eintragung, weil durch diese Akte der Käufer noch nicht in die Lage gesetzt wird, die Sache zu prüfen. Nicht selten freilich wird der Käufer auch durch die Ablieferung oder Übergabe nicht in den Stand gesetzt, einen bestimmten Mangel erkennen zu können. Wenn z. B. ein Paar Skier im März oder ein Boot im Oktober verkauft wird, so kann es leicht sein, daß der Käufer sie binnen der sechs Monate nicht auf ihre Brauchbarkeit untersuchen kann. Nach der allgemeinen Ansicht kommt es auf die Erkennbarkeit des Mangels gar nicht an, vielmehr läuft die Verjährung ohne Rücksicht darauf ab 2 0 5 . Aber dabei ist nicht berücksichtigt, daß die Verjährung gehemmt ist, wenn die Rechtsverfolgung durch höhere Gewalt gehindert ist (§ 203 I I BGB.). Höhere Gewalt aber liegt vor bei jedem Hemmnis, das allgemein unabwendbar i s t 2 0 6 . Und das wird man in der Tat da bejahen müssen, wo eine Prüfung der Ware und Feststellung des Mangels innerhalb der Verjährungsfrist allgemein ausgeschlossen erscheint. — Die Verjährung kann durch Vertrag von vornherein verlängert werden (§ 477 1 2 ) — eine Ausnahme von der Regel des § 225, die sich durch die große Kürze dieser Frist erklärt. Wenn ein Verkäufer für einen gewissen Zeitraum „garantiert", z. B. einjährige Garantie für eine Uhr, so soll das meist nicht mehr als eine Verlängerung der Verjährung bedeuten. Es wird aber dadurch regelmäßig nicht die Dauer der Frist, sondern ihr Beginn verschoben: wenn der Mangel innerhalb der Frist auftritt, soll er i n der gesetzlichen Frist verfolgt werden können 207 . Die Frist wird durch den Antrag auf Sicherung des Beweises unterbrochen (§ 477 I I ) . — Die Wirkung dieser kurzen Verjährung wird insofern sehr verschärft, als sie nicht nur die klageweise Geltendmachung des Anspruchs, sondern auch die durch Einrede ausschließt (§ 478). 204 R G . 5, 31; J W . 1908, 341. 205 208 207

R G . W a r n e y e r 1911 N r . 369. Mein Beitrag i n der Festschrift für T r a e g e r 12ff. R G . 65, 119; D J Z . 1907, 426; Recht 1906 N r . 1615, 1907 N r . 1806.

Sachmängel.

Die Regel des Gesetzes geht dahin, daß Einreden nicht verjähren. Es ist daher recht ungenau, wenn die Wissenschaft meint, daß nach heutigem Recht nicht mehr die actio, sondern der Anspruch verjähre. Genauer würde zu sagen sein, daß das aus einem Anspruch entspringende Klagerecht verjähre. Von dieser Regel macht nun das Gesetz nur hier, bei den Mängelansprüchen, eine Ausnahme. Hier verlangt es, daß der Käufer binnen der Verjährungsfrist mindestens den Mangel dem Verkäufer anzeigt: wenn er dies unterläßt, so wird auch eine Einrede, die er auf den Mangel stützen könnte, ausgeschlossen. Der Anzeige steht der Antrag auf Sicherung des Beweises oder die Streitverkündigung an den Verkäufer gleich. — Wenn der Schadensanspruch verjährt ist, könnte der Käufer dennoch mit ihm noch aufrechnen, wenn die Forderung zur Zeit, wo sie der anderen aufrechenbar gegenübertrat, noch nicht verjährt war (§ 390 BGB.). Auf diesem Wege könnte also doch noch die Mängelfrage aufgeworfen werden, was jedoch durchaus verhindert werden soll. Der Käufer kann daher regelmäßig nicht aufrechnen, und nur dann, wenn er seinen Anspruch durch Anzeige, Streitverkündung oder Antrag auf Sicherung des Beweises erhalten hat (§ 479 BGB.). Dies gilt aber nur für die Aufrechnung gegenüber der Forderung auf den Kaufpreis 208 . Wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat, so bedarf es der Anzeige nicht (§ 478 I I BGB.). Hiernach wird der Käufer in seinem eigenen Interesse, um sich vor der Verjährung zu schützen, gut tun, die Sache bald zu untersuchen und seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Viel weiter gehen die Anforderungen an die Kaufleute, wenn der Vertrag für beide Teile ein Handelsgeschäft ist: hier muß der Käufer die Ware unverzüglich untersuchen und dem Gegner Anzeige von einem Mangel machen, widrigenfalls die Ware bezüglich aller Mängel, die bei einer Untersuchung erkennbar sind, als genehmigt gilt (§ 377 HGB ). § 36. Die Mängelansprüche beruhen auf dem Gedanken, daß der Verkâufèr für die Fehlerfreiheit der Sache Gewähr zu leisten hat (oben S. 65). Schon daraus ergibt sich, daß ihn nicht die Rechtspflicht zur Lieferung der mangelfreien Sache trifft. Denn 208 Herrschende Meinimg, insbesondere R G . 56, 170ff.; W a r n e y e r 1914 N r . 46; O L G 8, 73; 12, 267; SeuffA. 69 N r . 29. Anders O e r t m a n n 2 zu § 479 u n d Genannte.

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Kauf.

das Wesen der Gewährleistung besteht eben darin, daß nur eine Enttäuschung ausgeglichen wird, aber eine Verpflichtung zur fehlerfreien Leistung nicht besteht und daher diese nicht verlangt werden kann 2 0 9 . I n der Tat ist der Verkäufer einer Einzelsache gar nicht verpflichtet, eine mangelfreie Sache zu liefern: ja, er ist nicht einmal berechtigt, statt des verkauften ein anderes fehlerfreies Stück zu liefern. Das ist schon die Auffassung der römischen Quellen 210 . Es ergibt sich aber auch daraus, daß der Verkäufer nicht verpflichtet ist, den Mangel zu beseitigen. Wenn der fertig gekaufte Mantel nicht sitzt, muß der Verkäufer ihn zwar zurücknehmen, aber er ist nicht verpflichtet, ihn passend zu machen. Sehr häufig ist der Verkäufer, der nur Zwischenhändler ist, dazu gar nicht imstande. Dadurch unterscheidet sich der Kauf durchaus vom Werkvertrag: hier muß der Unternehmer, der ja die Herstellung versprochen hat, auch zur Beseitigung von Mängeln fähig sein und dafür einstehen. Allerdings ist es keineswegs ohne Bedeutung, wenn der Verkäufer sich freiwillig zur Behebung des Mangels erbietet. Dieser Umstand kann in Fällen, wo die Beseitigung möglich ist und den Interessen des Käufers Genüge tut, ausreichen, um den Mangel als einen unerheblichen erscheinen zu lassen (oben S. 55). Aber eine Verpflichtung des Verkäufers hierzu besteht nicht. —• Sodann sind auch die Wirkungen der fehlerhaften Lieferung andere, als sie sich aus der Nichterfüllung einer Verpflichtung ergeben würden. Der Verkäufer haftet nur auf Wandelung oder Minderung und nicht auf Schadensersatz. Allerdings ist er unter Umständen auch zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet (§ 463 BGB.). Aber darunter ist lediglich die Nichterfüllung der ursprünglichen Leistungspflicht verstanden 211 . Mit diesem Anspruch kann er also nur die Nachteile geltend machen, die ihm durch das Ausbleiben der käuflichen Lieferung erwachsen sind, nicht aber den Schaden, der durch die Lieferung der mangelhaften Sache entsteht. Die Gewährleistung enthält hiernach viel weniger als eine Verpflichtung zu fehlerfreier Lieferung, nämlich nur einen Ausgleich 209 I , 498ff. u n d Genannte, j e t z t auch S ü ß , Wesen u n d Rechtsgrund der Gewährleistung 30ff. 210 Meine : H a f t u n g des Verkäufers für sein Verschulden beim Vertragsschlusse 35ff. 211 I , 500; mein Verschulden beim Vertragsschlusse 54ff.; anders S ü ß a . a . O . 61. 84ff.

Sachmängel.

der durch die Mängel hervorgerufenen Enttäuschung. Dagegen kann die Unterscheidung nicht gerade darin gefunden werden, daß die Gewährleistung nur bei unverschuldetem Verhalten eintrete 2 1 2 . Endlich spricht für unsere Auffassung wesentlich auch die Gestaltung der Beweislast. Wenn der Verkäufer zur Lieferung einer mangelfreien Sache verpflichtet wäre, so könnte der Käufer auf Grund eines Mangels die Nichterfüllungsrüge erheben, und darauf müßte der Verkäufer die Fehlerfreiheit beweisen. Das aber wäre sehr unbillig. Wenn sich nicht aufklären läßt, ob die Sache damals mit Mängeln behaftet war, so kann dem Käufer nicht ein Anspruch auf Wandelung oder Minderung zustehen. Daher wird gegenüber einer älteren Lehre 2 1 3 jetzt fast allgemein anerkannt, daß eine Verpflichtung des Verkäufers zur Lieferung einer fehlerfreien Sache nicht besteht und daher hier nicht die Nichterfüllungsrüge, sondern nur die Einrede der Wandelung oder Minderung in Betracht kommt, für die der beklagte Käufer die Beweislast trägt 2 1 4 . Vor allem wird dies mit Entschiedenheit von der Rechtsprechung anerkannt 215 . — Endlich wird unsere Auffassung dadurch bestätigt, daß der Käufer durch den Mangel nicht ohne weiteres berechtigt wird, die Annahme der Leistung zu verweigern. Allerdings wird das vielfach angenommen, und zwar nicht nur von solchen, die die Pflicht zu unversehrter Leistung bejahen, sondern auch von einigen andern 216 . Aber es ist bedenklich, dem Käufer ohne weiteres das Weigerungsrecht zu geben, auch dann, wenn er nur mindern will oder wenn dies noch ungeklärt ist. Man 212

W i e K r ü c k m a n n , JheringsJ. 59, 323. R e g e l s b e r g e r , JheringsJ. 40, 269ff.; B r u c k , Beweislast 70ff.; E n d e m a n n § 160 A n m . 41, § 161 A n m . 13; D e r n b u r g § 184; K i s c h , Unmöglichkeit 193ff. ; S c h ö l l e r , GruchBeitr. 46,19ff. ; O L G . 6,355, ; Recht 1910 N r . 1235. 214 Meine Beweislast 366; S c h r ö d e r a. a. O. I f f . ; O e r t m a n n 2 zu § 433; Recht 1908, 345ff.; 1909, 617ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 110; C r o m e § 220 A n m . 4; M ü l l e r , Recht 6, 580ff.; K l o ß , SächsA. 9, 283, K r ü c k m a n n , Anfechtung 105, JheringsJ. 59, 316; S c h u l t z e , B ü r g A . 30, 149; W o l f f , JheringsJ. 56, I f f . ; H a y m a n n , Anfechtung 12ff., 40ff. 216 R G . 20, 7. 28, 29. 66, 285. 95, 116. J W . 1898, 516; SeuffArch. 2 N r . 36. 37. 3 N r . 29. 4 N r . 25. 5 N r . 147. 6 N r . 169. 7 N r . 160. 9 N r . 88. 11 N r . 235. 21 N r . 221. 25 N r . 187. 28 N r . 211. 32 N r . 295. 54 N r . 15. 60 N r . 54. 218

218 W o l f f a. a. Ο. 8; F i s c h e r , JheringsJ. 51, 233; ZivArch. 101, 180; L e s s e r , Rücktrittsrecht 57.

Krückmann,

80

Kauf.

wird es vielmehr nur dann zulassen können, wenn der beklagte Käufer sein Wandelungsrecht geltend macht 2 1 7 . Nach all dem ist die Gewährleistung durchaus von der Nichterfüllung einer Verpflichtung zu unterscheiden. Wer eine mangelhafte Sache liefert, hat darum doch erfüllt. Unrichtig ist es daher auch, von einer teilweisen Unmöglichkeit zu reden 2 1 8 . Auch das Gesetz hält im allgemeinen in seinem Sprachgebrauch die Nichterfüllung und die Gewährleistung deutlich auseinander (§§ 459, 493). Zu den letzteren Ansprüchen gehören vor allem die auf Wandelung und Minderung, ferner aber auch die Schadensansprüche aus § 463 BGB. Dagegen nicht die Ansprüche aus schuldhafter Verletzung der Vertragspflicht (§ 280 BGB.). Denn hier ist eben eine Verbindlichkeit des Verkäufers vorhanden, die verletzt ist, und das schließt die Gewährleistung aus. Dem steht auch nicht entgegen, daß wir die kurzen Verjährungsfristen des § 477 BGB. auch auf diese Verletzungsansprüche angewendet haben (oben S. 75) ξ Die kurze Verjährung soll eben alle Ansprüche aus Lieferung mangelhafter Sachen erledigen, ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Natur. § 37. Wesentlich anders verhält es sich bei der G a t t u n g s schuld. Hier hat der Schuldner eine Sache mittlerer A r t und Güte zu leisten (§ 243 BGB.). Die A r t bezieht sich auf die Gattung, der die Sache angehört, die Güte aber auf die Beschaffenheit dieses Stücks. Daher ist der Verkäufer hier verpflichtet, alle ungewöhnlichen Mängel zu beseitigen 219 . Allerdings hat man dagegen eingewendet, eine einzelne schlechte Eigenschaft einer Sache schließe noch nicht aus, daß diese im allgemeinen von mittlerer und sogar hervorragender Güte sei: wie ein wertvolles Pferd, das eine einzelne Unart habe 220 . Aber das Gesetz verlangt eben von der Gattungssache, daß sie nach jeder Richtung von mittlerer Güte sei 2 2 1 . — Hiernach ist die Lieferung einer mangelhaften Gattungssache wirklich als Nichterfüllung anzusehen. Der 217

S c h o l l m e y e r , JheringsJ. 49, 95ff.; O e r t m a n n 2 zu §433; O L G . 16, 400. Ä h n l i c h auch R G . 58, 176. 69. 383. 218 So besonders R G . 52, 355. 66, 76; SeuffA. 59 N r . 197; O L G . 36, 43; S c h ö l l e r , GruchBeitr. 46, 19ff.; K l u c k h o h n , daselbst 59, 1031ff. Dagegen S ü ß a. a. O. 69ff. u n d Angeführte. 219 R G . 52, 352. 53, 91. 204. 90, 334. 220 S c h o l l m e y e r a. a. O. 99; O e r t m a n n 2 zu § 480; S ü ß a. a. O. 92. 221 R G . 69, 409.

Sachmängel.

Käufer kann hier daher die Annahme des angebotenen mangelhaften Stückes ablehnen. Er kann dann gegenüber der Klage die Nichterfüllungsrüge erheben, wobei den klagenden Verkäufer die Beweislast trifft, und überdies gegen den Verkäufer den Anspruch wegen Verzugs in der Leistung geltend machen 222 . Wenn er dagegen die Sache annimmt, so kann er nicht diesen Anspruch erheben oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern 2 2 3 . Denn diese beiden Ansprücke setzen eben voraus, daß diese Ware als Leistung zurückgewiesen wird. Das Gesetz gibt dem Käufer allerdings ein Wahlrecht zwischen den Rechten auf Leistung und Gewähr: aber es gestattet ihm nicht, gleichzeitig die Leistung anzunehmen und die durch sie erfolgte Erfüllung zu bestreiten. — Ferner kann der Käufer verlangen, daß der Mangel der gelieferten Sache beseitigt werde. Allerdings gibt ihm das Gesetz (§ 480) hier anscheinend nur das Recht, die Lieferung einer mangelfreien anstatt der mangelhaften Sache zu fordern. Aber im Grunde soll ihm damit doch das Recht zugesprochen werden, daß ihm eine fehlerfreie Sache dieser Gattung verschafft werde 224 . Das Gesetz erwähnt lediglich diese eine Form, die wohl am häufigsten vorkommt. Aber sicherlich kann der Verkäufer seiner Verpflichtung auch dadurch genügen, daß er den Mangel des gelieferten Stücks beseitigt. Indessen kann sich der Käufer auch auf einen andern Standpunkt stellen. Er kann die Lieferung der Gattungssache als eine mangelhafte Erfüllung ansehen und daher die Gewährleistungsansprüche erheben (§ 480 BGB.). Wesentlich ist das besonders insofern, als er auch diese Sache behalten und den Kaufpreis mindern kann. Aber er kann auch wandeln oder den Schadensanspruch aus § 463 BGB. erheben. Und zwar nicht nur, wenn er ein besonderes Interesse an dieser Gestaltung hat, sondern auch ohne dieses 225 , nur darf sein Verhalten nicht treuwidrig sein 226 . Hier kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Vertrags222 R G . Recht 1904 N r . 1026; SeuffA. 60 N r . 185; J W 1904, 198. 1905, 17; H ö n i g e r , LeipzZ. 1911, 578; M ü l l e r , GruchBeitr. 50, 531. 223 O e r t m a n n 2 b zu § 480 u n d Genannte. 224 I , 499. 500; v. B l u m e , JheringsJ. 55, 226ff.; Mein Verschulden beim Vertragsschlusse 24ff.; H a y m a n n a. a. O. 25ff.; S ü ß a. a. O. 90ff.; auch R G . 47, 135. 52, 352ff. 53, 91. Anders S c h o l l m e y e r a. a. O. 99ff.; F i s c h e r , JheringsJ. 51, 214ff. 225 R G . 52, 352ff. 226 R G . 91, 112ff.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

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Kauf.

Schlusses an, da ja zu diesem die Ware noch nicht bestimmt ist, sondern auf die Zeit des wirtschaftlichen Übergangs. — Es fragt sich, ob diese Gewähransprüche auch dann erhoben werden können, wenn nicht eine mangelhafte Sache derselben Gattung, sondern ein Stück einer anderen Gattung geliefert ist: insbesondere ob der Käufer auch dann diese Sache behalten und den Preis mindern darf. Dies wird allgemein verneint 2 2 7 . Und i n der Tat muß es für solche Fälle verneint werden, wie sie hier meist angeführt werden, wenn z. B. statt einer verkauften Maschine aus Versehen eine Kiste mit Nägeln übersandt wird. Hier läßt sich weder sagen, daß ein Mangel der gelieferten Sache vorliegt, noch läßt sich eine Minderung irgendwie berechnen. Aber derartige Fälle kommen auch gewiß nur sehr selten vor. Um so häufiger sind die andern, wo Stücke einer ähnlichen geringeren Gattung geliefert werden, z. B. Nußkohlen statt Anthrazitkohlen, Weizen zweiter statt erster Sorte. Hier verhält sich beides umgekehrt : der Ware fehlen die zugesagten Eigenschaften und es ist auch durchaus möglich, den Minder wert festzustellen. Daher muß hier auch die Gewährleistung, insbesondere die Minderung zugelassen werden. Es erscheint hier durchaus sachgemäß, dem Käufer zu gestatten, daß er die geringere Sorte behält und einen entsprechenden Abzug am Preise macht. Auch wird dadurch die Frage umgangen, ob es sich wirklich um eine andere Gattung oder nur eine andere Sorte derselben Gattung handelt. Und diese ist oft schwer genug zu entscheiden. Ja, sie ist da überhaupt gar nicht lösbar, wo man die Gattung weiter oder enger abgrenzen kann. Sind alle Flaschen Rüdesheimer aus einer Lage von derselben Gattung oder muß man dabei nach den einzelnen Jahrgängen unterscheiden? Dies läßt sich gar nicht allgemein beantworten. Die Parteien können durch ihren Vertrag selbst bestimmen, wie weit sie den Rahmen der Gattung spannen wollen 2 2 8 . Endlich ist unter Kaufleuten im Unterlassen der Untersuchung oder Anzeige eine Genehmigung auch dann zu erblicken, wenn eine andere als die bedungene Ware geliefert ist (§ 378 HGB.), und das ist auch auf Waren einer anderen Gattung zu beziehen 229 . 227

Allgemeine Ansicht, z. B . R G . W a r n e y e r 1912 N r . 279, weitere Angaben bei O e r t m a n n 4 zu § 480. 228 Meine Beweislast. 310 ff. 229 R G . 86, 90ff. LeipzZ. 9, 625; J W . 1915, 278; A d l e r LeipzZ. 9, 1504ff.

Sachmängel.

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Wenn der Verkäufer schuldhaft gehandelt oder eine Eigenschaft zugesichert hat, so kann der Käufer statt der genannten Rechte Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 480 I I ) . Hieraus folgt, daß jener nicht etwa ohne weiteres wegen eines Mangels auf Schadensersatz haftet. Man könnte zwar daran denken, daß er nach Analogie von § 279 BGB. auch ohne Schuld haften müßte. Aber das wäre sehr hart und wird insbesondere eben durch die Vorschrift des § 480 I I widerlegt. Unter der Zusicherung ist auch hier eine vertragsmäßige Garantie zu verstehen (oben S. 68ff.). Auch hier ist es sehr wichtig, diese von einer bloßen Zusage zu unterscheiden. Gerade beim gattungsmäßigen Verkauf werden regelmäßig Angaben über die Beschaffenheit der Ware gemacht: ja man kann sogar sagen, daß deren Bestimmung nur aus solchen Angaben besteht. Unmöglich kann man aber den Verkäufer, wenn er schuldlos ist, für den daraus entstehenden Schaden haften lassen. § 38. Allerlei Zweifel entstehen aus der Präge, welche Ansprüche neben denen auf Gewährleistung aus Mängeln der Sache erwachsen können. Häufig und wichtig ist zunächst der Fall, daß die Sache nach Abschluß des Vertrags, aber vor dem wirtschaftlichen Übergang beschädigt wird. Hier ist dem Käufer sicherlich das Recht auf Wandelung und Minderung gegeben. Aber daneben kann er auch die Rechte aus der nachträglichen Unmöglichkeit (§§ 323ff. BGB.) geltend machen, insbesondere also, wenn der Verkäufer den Umstand zu vertreten hat, auch Schadensersatz fordern. Denn vom Vertragsschluß ab liegt eine Verpflichtung des Verkäufers vor, für deren schuldhafte Nichterfüllung er haften muß. Es stehen daher dem Käufer beide Arten von Ansprüchen zur Verfügung 230 . Abzulehnen ist also die Ansicht, daß er nur auf die Gewährleistung beschränkt sei 2 3 1 . Aber andererseits geht es auch zu weit, wenn man hier sämtliche Regeln des § 323ff. anwenden w i l l 2 3 2 . Denn das Rücktritts- und Minderungsrecht, das dort verliehen wird, kann neben der Wandelung und Minderung nicht bestehen 233 . Diese verfolgen ganz denselben Zweck wie jene Rechte und enthalten eine so eingehende besondere Regelung, 230

R G . 52. 19. 53, 200ff. 56, 169; O e r t m a n n 2 vor § 459 u n d Genannte. E c c i u s a. a. O. 306; T i t z e , Unmöglichkeit 277; D ü r i n g e r 3, 156ff. 232 W i e K i p p bei W i n d s c h e i d 2 zu § 395; S c h o l l m e y e r a. a. O. 104ff. 233 K i s c h , U n m ö g l i c h k e i t 194ff.; S c h ö l l e r a. a. O. 17, O e r t m a n n 2 vor § 459; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 112 A n m . 5. 231

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Kauf.

daß sie jenen allgemeinen Vorschriften vorgehen. Wollte man beide neben einander anwenden, so würden sich daraus mancherlei Verwirrungen und Zweifel ergeben. — Erfolgt die Beschädigung erst nach dem wirtschaftlichen Übergang, so sind die Gewähransprüche nicht anwendbar (§ 459 BGB.): aber der Verkäufer ist hier dann haftbar, wenn er den Umstand zu vertreten hat (§§ 275, 280 BGB.). Beim Verkaufe einer mangelhaften Sache kann ferner ein A n f e c h t u n g s r e c h t in Betracht kommen. Wenn sich diese Anfechtung auf arglistige Täuschung oder Drohung gründet, so ist dies Anfechtungsrecht neben den Gewähransprüchen gegeben 234 , und es kann auch noch ein Anspruch aus Unrechtshandlung (§§ 823 I I , 826 BGB.) erwachsen. Sehr zweifelhaft ist dagegen, ob dies auch für die Anfechtung wegen Irrtums über wesentliche Eigenschaften (§ 119 I I BGB.) zutrifft. Das Gesetz gewährt diese Anfechtung nur, wenn der Fehler so wesentlich ist, daß die Sache dadurch als eine ganz andersartige erscheint: der Kreis ist also ein viel enger gezogener als bei den erheblichen Mängeln, die nach § 459 sämtlich berücksichtigt werden. Falls nun diese Wesentlichkeit vorliegt, müssen beide Rechtsbehelfe neben einander gewährt werden, und der Käufer kann zwischen ihnen wählen 235 . Freilich wird dies von der herrschenden Meinung abgelehnt, die hier nur die Gewährleistungsansprüche zulassen will. Sie stützt sich vor allem darauf, daß diese die Frage besonders geregelt hätten, so daß kein Raum mehr für die allgemeinen Vorschriften bleibe 236 . Aber die Tatbestände der beiden Gesetze sind nicht dieselben, sondern in wesentlichen Punkten verschieden. Der § 459 erfordert, daß ein Kauf vorliegt, der § 119 I I andererseits einen wesensbestimmenden Mangel. Andere meinen, es könne überhaupt gar nicht vorkommen, daß bei einer Sache ein Mangel nach § 459 vorliege und doch gleichzeitig eine wesensbestimmende Eigenschaft nach § 119 fehle. Denn im letzteren Falle sei die 234 R G . 96, 151; J W . 1913, 89; W a r n e y e r 1913 N r . 190; SeuffA. 66 N r . 434. Anders R G . 70, 429. 235 B a u m , D J Z . 1902, 144; K i p p bei W i n d s c h e i d 1, 397; R . L e o n h a r d , Allgem. T e i l 496; P l a n c k 1; O e r t m a n n 2 v o r § 459 u n d Geschäftsgrundlage 73ff.; A d l e r , Grünh.Z. 39, 539; L e n t a. a. Ο. 345ff. 236 Insbesondere R G . 61, 175ff. 62, 285. 70, 429. 97, 351; W a r n e y e r 1909, 189ff.; 1912 N r . 2, 366; S c h l o ß m a n n , I r r t u m über wesentliche Eigenschaften 50; S c h n e i d e r , Z i v A r c h . 97, 142ff.

Sachmängel.

Sache eben eine ganz andersartige, so daß sie nicht zugleich nur mangelhaft sein könne 2 3 7 . Aber auch dem ist nicht zuzustimmen. Es gibt freilich Fälle, wo die Sache in der Tat so verschiedenartig von der verkauften ist, daß man von einem Mangel nicht reden kann: wenn jemand z. B. statt einer Nähmaschine ein — ähnlich aussehendes — Grammophon gekauft hätte. Aber es gibt auch viele Fälle, wo beide Gesichtspunkte sehr wohl neben einander zutreffen. Ein Haus, das völlig baufällig ist, eine Maschine, die nicht läuft, sind sowohl als mangelhaft wie als Sachen anderer A r t anzusehen. Hier sind daher beide Rechtsbehelfe nach der Wahl des Käufers zuzulassen. Für diese Auffassung sprechen vor allem dringende praktische Gründe. Die besonderen Gewähransprüche, die dem Käufer zustehen, sind eben wegen ihrer Ausnahmenatur verschiedenen starken Einschränkungen unterworfen. Vor allem greift bei ihnen eine sehr kurze Verjährung ein. Wir glaubten diese auch auf andere Schadensansprüche aus Sachmängeln ausdehnen zu können (oben S. 75). Anders aber muß man urteilen, wenn es sich um die allgemeinen Regeln über die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts handelt. Nach diesen soll in Fällen eines ganz grundstürzenden Irrtums über Eigenschaften ein jeder Vertrag anfechtbar sein: dies allgemeine Recht darf nicht durch jene Sondervorschriften durchkreuzt werden. Ist die verkaufte Scheune baufällig, so muß dies nach § 477 BGB. binnen eines Jahres gerügt werden. Ist sie aber gänzlich unbenutzbar, so muß dem Käufer sein Anfechtungsrecht erhalten bleiben. Ferner werden die Gewähransprüche schon durch eine grobe Fahrlässigkeit des Käufers ausgeschlossen (§ 460 BGB.); ist aber die Ware gänzlich unbrauchbar, so darf ihm sein Anfechtungsrecht nicht entzogen werden. Es ist also sehr berechtigt, die krassen Fälle, die § 119 I I BGB. im Auge hat, anders zu behandeln und nicht den Sondervorschriften der §§ 459ff., die auf die gewöhnlichen Mängel berechnet sind, zu unterwerfen. Die abweichende Entscheidung der Gegner führt dahin, daß gerade dem Käufer seine allgemeinen Rechte verkümmert werden. Und das steht im vollen Widerspruch zu dem Bestreben des Gesetzes, die Käufer zu begünstigen.

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E n n e c c e r u s , 10. Aufl. § 159, § 335; anders dagegen L e h m a n n , 11. Aufl. § 113.

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Kauf.

§ 39. Für Viehmängel 238 gelten mehrere Besonderheiten. Bei den Tieren, mit denen regelmäßig gehandelt wird, lassen sich nämlich manche Fragen oft nicht mit genügender Sicherheit lösen: ob der Mangel schon zur Zeit der Übergabe vorhanden, ob er erheblich war, wieweit er den Wert der Sache minderte. Es hat sich daher auf Grund deutschrechtlicher Anschauungen hier schon früher i n den meisten Einzelrechten eine andere Behandlung herausgebildet. Man entscheidet diese Fragen nicht individuell für den Einzelfall, sondern nach den typischen Regeln. Das muß zwar gelegentlich zu ungenauen Entscheidungen führen: aber anderseits werden dadurch wieder unerquickliche Prozesse erspart. Es gilt dies nur für die Hauptarten des Handelsviehs, hauptsächlich Pferde, Rindvieh, Schafe und Schweine (§ 481 BGB.). Wenn sie als Zubehör eines Guts verkauft werden, so kommt es darauf an, ob dadurch dessen ganzer Wert erheblich beeinträchtigt wird: hier wären die allgemeinen Regeln des Mängelrechts anzuwenden 239 . — Vor allem wird die Frage, ob der Mangel erheblich ist, nicht nach dem Einzelfalle, sondern nach einem allgemeinen Schema beantwortet. Um das BGB. nicht zu sehr zu belasten und um neuere Erfahrungen leichter verwerten zu können, hat man dies Verzeichnis aus dem Gesetz herausgelassen und in eine besondere Kaiserliche Verordnung vom 27. März 1899 verwiesen. Diese unterscheidet zwischen Nutz- und Zuchttieren einerseits und solchen, die alsbald geschlachtet werden sollen. Bemerkenswert ist, daß nur die allerschwersten Fehler berücksichtigt werden: so z. B. bei Rindvieh, das als Nutzvieh verkauft wird, nur Tuberkulose und Lungenseuche, wenn als Schlachtvieh, nur schwere Tuberkulose — ferner bei Pferden, die zum Schlachten verkauft werden, nur Rotz. Es werden dadurch zahlreiche Mängel ausgeschaltet, die man sonst für erheblich erklären würde: vor allem das Lahmen des Pferdes. Anderseits sind die hier genannten Mängel immer als erheblich anzusehen, ohne Rücksicht auf den Einzelfall. Durch diese typische Behandlung werden viele Prozesse abgeschnitten. Nur wenn der Verkäufer arglistig gehandelt hat, 238 D i e c k e r h o f f , Gerichtliche Tierarzneikunde; S c h n e i d e r , Regeln des Viehhandels; M e i s n e r , Viehgewährschaft; H i r s c h , Gewährleistung beim Viehkauf; K r ü c k m a n n , Anfechtung, Wandelung u n d Schadensersatz beim Viehkauf; S t ö l z l e , Viehkauf, J W . 1925, 2189; 1929, 1942; S t o l l , Viehhandel nach dem B G B . 239 R G . 102, 310.

hmängel.

kann der Käufer den Vertrag anfechten (§123 BGB.) oder Schadensersatz verlangen (§§ 823 I I , 826 BGB.). Auch die Frage, ob der Mangel schon vorher vorhanden war, wird auf Grund typischer Regeln beantwortet. Die Verordnung nennt bei jedem Mangel die Gewährfrist, z. B. bei Dummkoller von Pferden vierzehn Tage. Wenn sich innerhalb dieser Gewährfrist der Mangel zeigt, so wird vermutet, daß er schon zur Zeit des wirtschaftlichen Übergangs vorhanden war (§ 484 BGB.). Die Frist beginnt mit dem Tage dieses Übergangs (§ 483 BGB.). Sie kann durch Vertrag verlängert oder abgekürzt werden (§ 486 BGB.). Sie kann sogar ganz aufgehoben werden, entweder so, daß die Gewähr ganz ausgeschlossen240 oder aber anderseits, daß sie unbegrenzt sein soll. Da die Frage, wieviel der Wert gemindert wird, oft große Schwierigkeiten bereitet, hat das Gesetz hier die Minderung ganz ausgeschlossen und nur den Wandelungsanspruch zugelassen (§ 487 BGB.). Dieser ist auch statthaft, nachdem das Tier schon geschlachtet ist oder sonst nicht mehr herausgegeben werden kann: hier ist statt des Tieres sein Wert zu erstatten (§ 487 I I BGB.). Die Kosten der Fütterung, Pflege und Behandlung sind dem Käufer auch zu ersetzen (§ 488 BGB.). — Endlich ist auch, damit der Streit schnell erledigt werde, eine ganz kurze Ausschlußfrist gesetzt. Der Käufer muß binnen zweier Tagen nach Ablauf der Gewährfrist den Mangel dem Verkäufer anzeigen oder ihm den Streit verkünden oder Sicherung des Beweises beantragen (§ 485 BGB.). Außerdem läuft noch eine sechswöchige Verjährung vom Ende der Gewährfrist ab (§ 490 BGB.). Ein weitergehender Anspruch auf Schadensersatz kann sich daraus ergeben, daß der Verkäufer arglistig gehandelt oder für eine Eigenschaft garantiert hat. Doch muß auch hier gefordert werden, daß eine vertragsmäßige Abrede, für den Schaden zu haften, vorliegt (oben S. 75) — während der Ausdruck „Garantie" auch hier oft nicht mehr als eine bloße Zusage bedeuten soll. Der Schadensanspruch wird nicht etwa dadurch ausgeschlossen, daß nach § 487 BGB. der Käufer „nur Wandelung" verlangen kann. Denn dies Gesetz fügt sofort hinzu ,,nicht Minderung" und will also nur diese ausschließen241. — Von dieser Garantie 240 S c h n e i d e r a. a. O. 128; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 114 A n m . 5. Anders S t ö l z l e a. a. O. 238; P l a n c k 3 zu § 486. 241 R G . 60, 236.

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Kauf.

zu unterscheiden ist der Fall, daß der Verkäufer nur die bloße Gewährleistung wegen eines nicht zu den Hauptmängeln gehörigen Fehlers übernommen oder eine Eigenschaft des Tieres zugesagt hat. Daraus ergibt sich nicht seine Pflicht zum Schadensersatz, wohl aber zur Wandelung (§ 492 BGB.). Ist dabei eine Gewährfrist verabredet, so finden darauf die gesetzlichen Vorschriften der §§ 483ff. Anwendung. Ist z. B. zugesagt, daß das verkaufte Tier trächtig sei, so kann die Verjährung erst dann beginnen, wenn das Gegenteil deutlich hervortritt 2 4 2 . Ist ein Tier der Gattung nach verkauft, so hat der Käufer die Wahl zwischen dem Anspruch auf Wandelung und dem auf Lieferung eines mangelfreien anderen Tieres derselben Gattung (§ 491 vgl. § 480 BGB.). — § 40. Wir kommen nun zu den Verpflichtungen des Käufers. Er hat vor allem den Kaufpreis zu bezahlen. Dieser ist entweder im Vertrag fest bestimmt oder aber nur bestimmbar. I m zweiten Falle wird entweder auf einen objektiven Maßstab oder aber auf eine Bestimmung einer Partei oder eines Dritten verwiesen (I, 85ff.) ; im Zweifel soll der Markt- oder Börsenpreis, der am Erfüllungsort zur Leistungszeit gilt, maßgebend sein (§ 453 BGB.). Nicht selten ist strittig, ob zu einem bestimmten oder einem angemessenen Preis verkauft worden ist. Hier wollen manche das letztere als Regel betrachten und dem beklagten Käufer die Beweislast dafür aufbürden, daß er zu einem geringem Preise gekauft habe 2 4 3 . Aber schon die Grundanschauung dieser Lehre, daß die Beweislast sich nach dem Verhältnis von Regel und Ausnahme bestimme, ist unhaltbar, und die Frage, was als Regel anzusehen sei, hier wie so oft gar nicht sicher zu entscheiden. Das praktische Ergebnis ist aber hier ganz ungewöhnlich verkehrt. Wenn ich von einem Reisenden einen Teppich billig gekauft habe, so kann es mir nicht, falls ich auf eine hohe Summe verklagt werde, zugemutet werden, daß ich den Inhalt des Kaufvertrags, also die Preisabrede beweise. Auch hier kann nur die große allgemeine Regel gelten, daß, wer aus dem Vertrage etwas fordert, für dessen Inhalt beweispflichtig ist. Für die Höhe des Kaufpreises sind keine Grenzen gezogen. Die Regel des römischen Rechts, daß kein Mißverhältnis über das doppelte hinaus bestehen dürfe, ist nicht i n das Gesetz über242 K r ü c k m a n n , J . W . 1912, 472; F r o m m h e r z , GruchBeitr. 55, 222ff., H a n k e a. a. O. 148ff. Anders S t ö l z l e , GruchBeitr. 56, 433ff. 248 L i t e r a t u r i n meiner Beweislast 248 ff.

Kaufpreis.

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nommen worden. Während des Weltkrieges und den darauf folgenden Jahren waren zwar zahlreiche Höchstpreise festgesetzt und andere Bestimmungen gegen Preistreiberei erlassen ; aber sie sind später wieder aufgehoben worden (Reichsgesetz vom 19. Juli 1926). Doch kann eine übermäßig hohe Preisabrede dann, wenn sie auf der Ausnützung von Not, Leichtsinn oder Unerfahrenheit beruht, nach § 138 BGB. nichtig sein. I n einigen wenigen Fällen bestehen Taxen, z. B. für Apotheker (§§ 73ff., 80 Gewerbeordnung). Der Kaufpreis ist, wie bei allen gegenseitigen Verträgen die Regel, Zug um Zug zu zahlen (§ 320 BGB.). Es beruht das auf dem Austauschgedanken, der diese wichtigen Verträge beherrscht (I, 334ff.). Nun kommen aber gerade beim Kaufe ganz außerordentlich viele Fälle vor, wo der Verkäufer vorzuleisten hat (Kreditkäufe). Wir denken dabei an die zahlreichen täglichen Lieferungen von Fleisch, Milch, Brötchen, die erst nach gewissen Zeitabschnitten bezahlt zu werden pflegen. Vor allen aber liefern die Kaufleute an die Zwischenhändler die meisten Waren gegen einen Kredit, oft von drei Monaten, damit diese imstande sind, sich durch den Verkauf erst die Zahlungsmittel zu verdienen. Aber diese Erscheinungen dürfen uns doch nicht zu der Auffassung verleiten, daß der Kauf im Zweifel als Kreditkauf anzusehen sei. Wenn nichts anderes ausgemacht ist, kann jede Partei auf der Regel der Leistung Zug um Zug bestehen. Diese wird sich besonders dort behaupten, wo es sich um wertvolle Waren handelt : ein Haus oder ein Auto wird niemand so leicht auf bloßen Kredit liefern. —• Auch bei der Übersendung von Waren nach auswärts ist eine genaue Leistung Zug um Zug sehr oft kaum ausführbar (I, 234, 344), so daß der Verkäufer tatsächlich meistens vorleistet. Eine reine Gegenleistung läßt sich hier nur so erzielen, daß die eine Partei zu der andern reist oder sich vertreten läßt. Letzteres ist dadurch möglich, daß sie die Post oder Eisenbahn mit der Einziehung des Preises durch Nachnahme beauftragt. Es ist das aber bei den Waren unzulässig, die der Käufer vor der Zahlung erst untersuchen muß. Hier bleibt nichts anderes übrig, als den Spediteur oder einen andern Vertreter zu beauftragen, daß er dem Käufer die Prüfung ermögliche und ihm dabei die Ware Zug um Zug überlasse. Die Kosten dafür darf er freilich dem Käufer nicht auf die Rechnung setzen. Diese Schwierigkeiten werden die Parteien nicht selten veranlassen, hier von der Leistung Zug um Zug abzusehen. Meistens leistet der Verkäufer

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Kauf.

vor, oft gegen einen Wechsel. Bisweilen kommt auch der Käufer entgegen: er weist seine Bank an, falls die Absendung durch Duplikat des Frachtbriefs nachgewiesen wird, den Kaufpreis zu übermitteln. Hier braucht der Verkäufer erst dann abzusenden, wenn er von der Bank die Bestätigung der Überweisung erhalten hat, die ihm ein unmittelbares Recht gegen die Bank g i b t 2 4 4 . Aber v o n Seiten des Käufers liegt darin ein sehr weitgehendes

Entgegenkommen. Er ist zwar dahin gesichert, daß eine solche Sendung an ihn abgegangen ist, aber er hat keine Gewähr dafür, daß sie die richtigen Waren enthält und fehlerfrei ist. Daher war dies Verfahren besonders in der Zeit des großen Warenmangels verbreitet, aber es kommt auch heute noch gegenüber zuverlässigen Lieferanten nicht selten vor. Wenn der Käufer den Kaufpreis nicht rechtzeitig bezahlt, so hat er nach § 279 BGB. dies zu vertreten und kommt mithin nach § 285 BGB. in Verzug. Der Verkäufer ist daher berechtigt, nach Fristsetzung vom Vertrage zurückzutreten (§ 326 BGB.). Das soll aber nach § 454 BGB. beim Kreditkauf nicht gelten. Wenn der Verkäufer vorleistet und den Kaufpreis stundet, dann hat er hiermit darauf verzichtet, von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen. Er bleibt vielmehr dann darauf angewiesen, die Gegenleistung zu fordern. Dies gilt aber nur, wenn der Verkäufer vollständig erfüllt h a t 2 4 5 . I m Falle einer teilweisen Erfüllung hat er sich doch noch seine Rechte vorbehalten, also auch sein Rücktrittsrecht. § 41. Der Kaufpreis ist, sofern er nicht gestundet ist, von dem Zeitpunkt, wo dem Käufer die Nutzungen gebühren — regelmäßig also von der Übergabe ab — zu verzinsen (§ 452 BGB.). Dieser Satz stammt aus dem römischen Recht : die Quellen sprechen ihn wiederholt aus 2 4 6 . Allerdings wird dies vereinzelt bestritten: man behauptet, daß damit nur ein besonderes Vorrecht für die Minderjährigen aufgestellt sei 2 4 7 . Aber diese Deutung wird nur dadurch ermöglicht, daß mehrere Stellen ohne genügende Begründung als interpoliert hingestellt werden 2 4 8 . Es läßt sich also 244

R G . 103, 378. 105, 34. 106, 307; J W . 1921, 1312. Anders J a c o b s o h n GruchBeitr. 66, 24ff. 245 Herrschende Meinung, insbesondere R G . 50, 139; O e r t m a n n 1 zu § 454 u n d Genannte, daselbst auch abweichende Ansichten. 246 dig. 19, 1, 1. 13, 1. 20, 1. 21. 247 S i b e r , ZRechtsg. 45, 146ff. 248 H a y m a n n , ZivArch. 130, 133ff.

Kaufpreis.

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nicht wohl bestreiten, daß der Satz im römischen Rechte galt. Aber er beruhte lediglich auf einem Gedanken des alten Rechts: auf der Auffassung, daß der Kauf sofort nach seinem Abschluß von beiden Parteien erfüllt werden müsse (ut statim exsolveret) 249 . Diese Auffassung herrschte in der Tat im Recht der alten mancipatio. Hier mußte sofort beim Kaufabschluß von beiden Seiten auch erfüllt werden; es herrscht daher die Vorstellung, daß eine spätere Leistung vertragswidrig sei. Zwar galt dies nicht bei der späteren emtio venditio, die einem kaufmännischem Geiste entsprang. Dennoch haben die Römer auch bei dieser viele Sätze des alten Mancipationsrechts beibehalten (oben S. 15). Diese sind im BGB. mit Recht sämtlich beseitigt worden. Nur die Zinspflicht ist in § 452 BGB. festgehalten. Auch nach dieser Bestimmung kann man nicht umhin, anzunehmen, daß auch ohne einen Verzug des Käufers die Zinspflicht — außer bei Stundung — schon mit der Übergabe beginnt 2 5 0 . Allerdings ist diese Vorschrift für unsere Verhältnisse und unser Recht sachlich ganz unberechtigt. Nach unserem Gesetz sind Forderungen nicht ohne weiteres verzinslich, sondern nur auf Grund des Verzugs oder eines besonderen Versprechens. Es liegt nicht der geringste Grund vor, hier beim Kaufe eine Ausnahme davon zu machen. Daß der Verkäufer schon geliefert hat, daraus folgt nur, daß der Käufer den Kaufpreis bezahlen muß, aber nicht, daß er ihn auch verzinsen muß. Der römische Satz beruhte auf dem Gedanken, daß jede Verpflichtung aus dem Kaufe schon sofort beim Abschlüsse erfüllt werden müßte. Aber dieser ist eben unserm heutigen Verkehr und Recht völlig fremd, da diese mit einer späteren Zahlung des Preises durchaus rechnen. Es widerspricht daher auch i n hohem Maße unserem Rechtsgefühl, daß der Käufer ohne weiteres den Preis verzinsen soll. Es sind mir Bücher, Kleider geliefert, ich habe im Laden Waren eingekauft und mitgenommen : soll mir der Verkäufer nach einigen Monaten eine Rechnung mit Zinsen schicken dürfen? Kaum ein Kaufmann dürfte so etwas wagen. Ganz ungeheuerlich wäre es dann, wenn der Käufer die Höhe des Kaufpreises nicht genau kennt oder wieder vergessen hat, wie das sehr häufig der Fall ist. — Man hat dagegen eingewendet, es sei unbillig, daß der 249

Paulus, receptae sententiae 2, 17, 9. O e r t m a n n 2 zu § 452 u n d Genannte; K i s c h , GrünhZ. 29, 357. Anders P l a n c k 3 zu § 452 u n d Genannte. 250

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Kauf.

Käufer gleichzeitig den Nutzen der Sache und des Geldes genieße 251 . Aber dies wäre nur dann schlüssig, wenn überhaupt jeder aus einem Vermögensstück erzielte Gewinn dem an dem Stück Berechtigten zufiele. Aber das ist weder unserm Recht entsprechend noch auch billig. Wer mit einer geliehenen oder sonst fremden Sache, wer mit fremdem Geld Geschäfte macht, ist keineswegs gehalten, dem Eigentümer den Gewinn herauszugeben. Es wird der Vorsorge und Tatkraft jedes einzelnen überlassen, sich Gewinne zu erwerben; er darf nicht einfach abwarten, ob ein anderer mit seinen Sachen einen solchen erwirbt, um ihn dann ihm abzunehmen (I, 139ff.). Wenn der Verkäufer den Gegenwert seiner Sache nutzen will, so muß er den Käufer auf Zahlung verklagen oder aber wenigstens in Verzug setzen. Sehr oft sind aber die Verkäufer gar nicht hierauf eingestellt. Sie wissen recht wohl, daß sie erst nach einiger Zeit Zahlung erhalten werden. Sie warten daher oft monatelang, ehe sie auch nur die Rechnung einschicken. Offenbar haben sie den Zinsverlust schon vorher in den Preis einkalkuliert 252 . I n vielen Fällen aber werden sie auch schon deshalb keinen Schaden erleiden, weil sie selbst ihren Verkäufer noch nicht bezahlt haben. Der Zwischenhändler pflegt von dem Großhändler einen Kredit für drei Monate zu bekommen, aber an die einzelnen Kunden ohne besondere Fristsetzung zu verkaufen. Es ergibt sich für alle diese typischen Fälle die große Unbilligkeit, daß der Zwischenhändler durch den Zinsgewinn zu Unrecht bereichert wird. — Man kann ihr auch nicht etwa durch die Annahme entgehen, daß der Verkäufer, der keine Rechnung geschickt, dadurch in Annahmeverzug gekommen sei. Denn letzteres ist nicht richtig — und auch die Übersendung der Rechnung würde eine Berechnung der Zinsen noch nicht rechtfertigen. Um große Härten zu vermeiden, bleibt daher nur der Weg, den auch die Rechtsprechung hier meistens einschlägt. Man muß die Ausnahme, daß der Kaufpreis gestundet ist, im weitesten Maße ausnutzen und überall, wo nicht das Gegenteil erhellt, eine stillschweigende Stundung annehmen. Das mag oft gewagt sein; aber man muß diesen Ausweg einschlagen, wenn man nicht zu ganz unbilligen Entscheidungen gelangen will. 251 252

P e t r a z y c k i , Lehre v o m E i n k o m m e n 2, 152ff. Siber a.a.O.

Abnahme.

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§ 42. Der Käufer ist ferner verpflichtet, die gekaufte Sache abzunehmen (§ 433) 253 . Es fragt sich zunächst, was unter Abnahme zu verstehen ist. Man denkt bei diesem Ausdruck zunächst daran, daß der Verkäufer dem Käufer die Sache aushändigt und dieser sie entgegennimmt, und so wird er auch überwiegend mit Recht verstanden 254 . Allerdings ist dann die Abnahme gar nichts anders als Annahme, und so taucht die Frage auf, weshalb das Gesetz hier einen andern Ausdruck als in den §§ 294ff. gebracht hat. Aber dies erklärt sich daraus, daß die Annahme, die der Gläubiger vorzunehmen hat, sich nicht als dessen Verpflichtung darstellt sondern nur als eine Vorbedingung für dessen Rechtserwerb (I, 14ff. 580ff.). Die Abnahme des § 433 dagegen bedeutet eine wirkliche Verpflichtung, und aus diesem Grunde hat das Gesetz sehr treffend beide auch sprachlich auseinandergehalten. Der Inhalt der Tätigkeit ist aber i n beiden Fällen derselbe. — Eine abweichende Ansicht bestimmt die Abnahme dahin, daß der Käufer nur den Verkäufer von der Sache befreien, nicht aber die Sache entgegennehmen müsse 255 . Die Folge davon ist, daß diese Verpflichtung wegfällt, wenn der Verkäufer die Sache auch auf andere Weise ebenso bequem los werden kann oder sie überhaupt nicht mehr besitzt. Aber es erscheint nicht vorteilhaft, solche Fragen mit hineinzubringen, die nur neue Streitpunkte schaffen. Dem Käufer erwächst ja kein unberechtigter Nachteil durch die Abnahme, und so mag er sie auch dann vornehmen, wenn ein greifbares Interesse des Gregners nicht feststeht. — Ein ganz anderes Erfordernis hat man durch die Lehre aufgestellt, daß die Abnahme auch eine Billigung der Ware in sich schließen müsse 256 oder doch — was nicht ganz dasselbe ist — eine Annahme als Erfüllung 2 5 7 . Aber auch dies ist unberechtigt 258 . Der Käufer ist nicht verpflichtet, sich über die Güte der Ware auszusprechen. Er ist oft bei der Annahme noch gar nicht imstande, sich darüber zu äußern, da er die Ware erst untersuchen und erproben muß. Richtig ist, daß beim Werkvertrage den Besteller eine solche 258

R o s e n b e r g , JheringsJ. 43, 246; J a c o b i , JheringsJ. 45, 259ff. L e h m a n n , D J Z . 1902, 493; R o s e n b e r g , JheringsJ. 43, 256; R G . 53, 162. 56, 175ff. 57, 401; Recht 1906, 372; GruchBeitr. 51, 399ff. 255 J a c o b i , JheringsJ. 45, 273ff. 256 R ü m e l i n , Dienstvertrag 237; R o m e i c k , Fristbestimmung 56ff. 257 H o h e n s t e i n , BürgArch. 25, 69ff. 258 L a b a n d , ZivArch. 74, 308ff.; D e r n b u r g 2, 432; J a c o b i a. a. 0.278. 254

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Kauf.

Billigungspflicht trifft; aber dort liegen die Verhältnisse ganz anders (unten § 117). Zu dieser Abnahme ist der Käufer rechtlich verpflichtet 2 5 9 , wie das Gesetz (§ 433) ausdrücklich sagt. Dennoch hat man diese Rechtspflicht leugnen und dem Verkäufer nur eine Klage auf die Feststellung seiner Befreiung geben wollen 260 . Es werden dabei Beispiele angezogen, wo dem Käufer die Empfangnahme der Ware schmerzlich sein muß, wie die Annahme von Faschingskleidern nach einem Sterbefall. Aber wenn der Käufer gesund empfindet, sp wird ihn nur sein Verlust schmerzen, und nicht jene belanglose Annahme. Jedenfalls aber sind solche Fälle so selten, daß das Gesetz mit Recht die Regel allgemein gefaßt und dem Käufer die Abnahme schlechthin auferlegt hat. — Daraus ergeben sich alle Folgen einer rechtlichen Verpflichtung. Der Käufer kann auf Abnahme verklagt werden. I m Falle des Verzugs ist er für den entstehenden Schaden haftbar. Dieser setzt allerdings voraus, daß der Käufer den Umstand zu vertreten hat (§ 285 BGB.), t r i t t also z. B. dann nicht ein, wenn er die Ware entschuldbar für mangelhaft hielt und deshalb zurückwies. I n diesem Fall kommt er zwar auch in Annahmeverzug, da dieser ein Verschulden nicht erfordert (I, 576), aber nicht in Abnahmeverzug. Wenn aber letzterer gegeben, so haftet der Käufer auch für eine Beschädigung, die die abgewiesene Ware auf dem Rücktransport erleidet. Es ist also hier anders als z. B. bei der Miete, wo eine Abnahmepflicht im Gesetz nicht aufgestellt ist. Wird das gelieferte Piano unberechtigt zurückgewiesen und beim Wegschaffen beschädigt, so ist der Besteller beim Kaufe für den Schaden haftbar, bei der Miete nicht. — Immerhin ist die Abnahmepflicht nur als eine Nebenverpflichtung gegenüber der Pflicht zur Preiszahlung anzusehen Es ist das für die Frage bedeutsam, ob der Verkäufer wegen ihrer Verletzung die ganze Vertragsleistung ablehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung der gesamten Verbindlichkeit fordern kann I n der Tat hat der Verkäufer dann, wenn sein Interesse es erfordert, dies Recht auch bei einer nur teilweisen Nichterfüllung (I, 497) Aber dies ist nicht auf den Fall zu beziehen, daß nur eine Nebenverpflichtung verletzt ist: sie hat nicht genügendes Gewicht, um als ein Teil der Leistung gewertet zu 259 260

Herrschende Ansicht, insbesondere R G . 53, 162ff. 56, 141 ff. K ö h l e r , BürgArch. 13, 241; ähnlich auch J a c o b i a. a. O. 268.

Kauf auf Belieben.

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261

werden Und das gilt ganz besonders für die Abnahmepflicht des Käufers. Wird diese verletzt, so ist der Verkäufer regelmäßig nicht berechtigt, vom Vertrage zurückzutreten. Nur dann wäre anders zu entscheiden, wenn sie sich nach dem Sinne des Vertrags ausnahmsweise als ein wesentliches Stück der Leistung darstellt: wenn z. B. ein Haufen alten Eisens verkauft wird, dessen umständliche Wegschaffung einen erheblichen Teil der Pflichten in sich schließt. § 43. Zahlreich sind die Fälle, wo eine Partei ein Anrecht auf einen Kaufabschluß hat. Dahin gehört zunächst der sogenannte Kauf auf Probe 2 6 2 . Hier „steht die Billigung des gekauften Gegenstands im Belieben des Käufers" (§ 495 BGB.). Danach kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Käufer ganz nach seiner Willkür berechtigt ist, die Billigung zu verweigern, und es wird auch nirgends bestritten. Dann aber ist der Ausdruck „Kauf auf Probe", den Gesetz und Rechtslehre gebrauchen, durchaus unrichtig. Es ist gar nicht einmal nötig, daß die Ware zu einer Probe hingegeben wird. Ein solcher Vertrag ist auch da möglich, wo die Beschaffenheit und Verwertbarkeit der Ware völlig klar liegt und der Käufer sich die Entscheidung nur aus andern Gründen vorbehält, z. B. weil er erst über seine Geldlage ins reine kommen will. Vor allem aber erweckt der Name den Anschein, als ob der Vertrag von dem Ausgang der Probe abhängig gemacht werden soll. Und das ist durchaus nicht der Fall. Der Käufer kann die Billigung nach seinem „Belieben" ablehnen: auch dann, wenn er die Ware nicht ausgeprobt hat oder wenn die Probe vortrefflich ausgefallen ist. Er kann sie also auch dann ablehnen, wenn seine Gründe ganz andere sind, er z. B. kein Geld hat oder die Sache anderswo billiger kaufen kann. Danach aber ist der gesetzliche Ausdruck dermaßen irreführend, daß man ihn nicht beibehalten darf. Es ist vielmehr von einem Kauf auf B e l i e b e n des Käufers zu sprechen. Dieser Kauf ist „ i m Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung" geschlossen (§ 495 I 2 BGB.). Auch diese Bestimmung ist völlig klar. Und dennoch wird versucht, sie wegzudeuten und das Vorliegen einer Bedingung zu leugnen. 261

R G . 53, 162ff. 57, 110. 69, 103ff.; LeipzZ. 1907, 287ff. 1908, 855, 934. 1911, 775. Anders P l a n c k 2 zu § 323. 282 Meine Abhandlung, JheringsJ. 39, 174ff.; K r u g , Zulässigkeit der Wollensbedingung; W a l s m a n n , JheringsJ. 54, 197ff.; R a a p e , Wollensbedingung.

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Kauf.

Den Grund dafür bildet die alte gemeinrechtliche Lehre, daß ein Rechtsgeschäft nicht durch Bedingung von dem Willen einer Partei abhängig gemacht werden könne 2 6 3 . Diese geht wieder auf die römischen Quellen zurück. Aber diese sprechen den Satz nur für den Fall aus, daß das Geschäft von dem inneren, wandelbaren Willen einer Partei abhängig gemacht werden sollte. Dagegen lassen sie durchaus zu, es durch eine einmalige Erklärung zu bedingen 264 . Es beweist das vor allem eben der Kauf auf Belieben, der in den Quellen wiederholt erwähnt wird. Sodann hat man behauptet, daß eine solche Bedingung dem Begriff des Rechtsgeschäfts widerspreche, da dies auf Gebundenheit gerichtet sei: aber sein Inhalt ist vielmehr die Herbeiführung der Rechtsfolge, und diese wird auch hier, wenn auch bedingt, erklärt 2 6 5 . Auch den wirtschaftlichen Wert solcher Geschäfte hat man sehr unterschätzt. Es ist für den Verkäufer einer Maschine, eines Pferdes schon das ein wesentlicher Gewinn, daß der Vertragsinhalt völlig fertiggestellt ist und es nur noch eines Worts bedarf, um alles fertig zu machen: Beweis dafür, daß diese Geschäfte, besonders bei Autos und Nähmaschinen, alltäglich vorkommen. Man wird daher eine solche Bedingung, die auf die Willenserklärung einer Partei gestellt ist, als zulässig anerkennen müssen. Dafür spricht nicht nur die deutliche Vorschrift eben des § 495 BGB., sondern auch die ähnliche Bestimmung bei der Auslobung (§ 661 I I ) und vor allem das dringende praktische Bedürfnis. Es besteht nicht nur für den Kauf, sondern auch ein Dienstvertrag und eine Miete muß in gleicher Weise abgeschlossen werden können. Dienstverträge auf Probe sind sogar außerordentlich häufig. Auch das Wiederkaufsrecht kann nur auf diese Weise richtig erklärt werden (unten S. 98). Auf anderem Wege, z. B. durch einen Vorvertrag, läßt sich der gleiche Erfolg nicht ebenso erreichen. Wenn man endlich eingewendet hat, daß sich daraus unbillige Entscheidungen betreffs der Stempelpflicht ergäben, so wird es vielmehr richtiger sein, die Stempelgesetze so auszulegen, daß jene dadurch vermieden werden 266 . Die Bedingung kann aufschiebend oder auflösend sein; im Zweifel ist das erstere anzunehmen (§ 495 BGB.). Die Erklärung 263 284 285 288

Anführungen i n meiner Abhandlung; JheringsJ. 39, 174ff. Meine Abhandlung 192 ff. E n n e c c e r u s , Rechtsgeschäft 177ff., 183ff. E n n e c c e r u s I § 181 A n m . 18.

Kauf auf Belieben.

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des Käufers, die das Geschäft zur vollen Wirkung bringt, ist nach § 495 BGB. anscheinend auf Billigung des gekauften Gegenstands gerichtet. Aber aus dem oben Gesagten ergibt sich, daß der Käufer nicht nur den Gegenstand, sondern überhaupt das ganze Geschäft billigt. Denn wenn er nur die Ware anerkennt, aber das Geschäft verwirft, so kommt dies nicht zustande. Mithin ist diese Erklärung auf die Herbeiführung eines Rechtserfolgs gerichtet und daher als Rechtsgeschäft anzusehen 267 . Es sind daher auch die Erfordernisse eines solchen, insbesondere Geschäftsfähigkeit notwendig. — Bei dem Kauf muß eine Frist gesetzt sein, damit die Frage nicht endlos ungewiß bleibt: ist sie vergessen, so kann der Verkäufer sie nachträglich setzen. Wenn der Käufer innerhalb der Frist schweigt, so gilt das bei der Endbedingung als Genehmigung, bei der Anfangsbedingung nur dann, wenn die Sache schon übergeben war (§ 496 BGB.). —Von dieser Rechtsform verschieden ist ein Kauf, bei dem der Umtausch der Ware vorbehalten ist 2 6 8 . Hier ist ja nicht das zweifelhaft, ob der Kauf bestehen bleibt, sondern nur, was zu liefern ist. Es ist daher auch nicht zutreffend, darin einen Kauf zu erblicken, der durch den Abschluß eines andern auflösend bedingt ist 2 6 9 . Sondern es liegt ein fertiger Kauf vor, und der Käufer hat nur die Ersetzungsbefugnis, statt der ursprünglich bestimmten Ware eine andere zu fordern 270 . Etwas ganz anders vollends ist ein Kauf nach Probe (§ 494 BGB.). Das ist ein unbedingter Kauf, bei dem der Verkäufer eine Probe oder ein Muster bezeichnet, die für die Beschaffenheit der Leistung maßgebend sein sollen. Regelmäßig wird diese Probe vom Verkäufer dem Käufer ausgehändigt. Es handelt sich dabei meistens um einen Gattungskauf. Doch kann es auch bei einem Stückkauf, z. B. eines Schrankes, vorkommen, daß eine Holzprobe gegeben wird. Freilich paßt der Name ,,nach Probe" hier nicht: denn die Ware wird hier nicht nach der Probe, sondern in anderer Weise bestimmt. Für alle diese Fälle schreibt § 494 2β7 W a l s m a n n , JheringsJ. 54, 277ff. (der aber zu Unrecht den bedingten K a u f leugnet); anders E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 115. 288

O e r t m a n n , B l f R A . 71, 685ff.; L e n e l , J W . 1926, 1791; S p r i n g e r , K a u f 12ff.; B e r n s t e i n , K a u f auf Umtausch. 289 So E n n e c c e r u s i n der 10. Auflage (anders j e t z t L e h m a n n daselbst § 115 A n m . 11). 270 O e r t m a n n a. a. O.; P l a n c k 1 zu § 495; L e h m a n n a. a. O.; ähnlich B e r n s t e i n a. a. O. 79. B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Scliuldrecht I I .

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Kauf.

vor, daß die Eigenschaften der Probe oder des Musters als zugesichert anzusehen sind. Diese Zusicherung ist im Sinne eines Garantieversprechens zu verstehen, wie in §§ 463, 480. Dafür spricht besonders, daß es sich hier meistens um einen Gattungskauf handelt und daher der § 480 I I unmittelbar Anwendung findet. Also muß der Verkäufer für den Schaden haften, der sich aus der Abweichung der Ware von der Probe ergibt. Das kann freilich hart erscheinen, wenn ihn keine Schuld trifft. Aber solche Schadensfälle werden sehr selten sein. Außerdem ist auch das Interesse des Käufers zu berücksichtigen, der sich auf die Zusicherung muß verlassen können. Bei der Haftung bleiben unerhebliche Abweichungen nach Billigkeit außer Betracht 2 7 1 . Auch wenn die Ware probemäßig ist, kann sie doch mangelhaft sein, und auch hier sind die Mängelansprüche gegeben. — Wenn es sich um eine Gattungsschuld handelt, stellt sich die Berufung des auf den Preis verklagten Käufers darauf, daß eine Probe vereinbart sei, als Nichterfüllungsrüge dar: die Beweislast für diese Frage trifft daher den klagenden Verkäufer 272 . Dagegen trifft sie den Käufer beim Stückkauf und dann, wenn er selbst unter Berufung auf diese Probe Ansprüche erhebt. Wenn der Empfänger der Probe sie schuldhaft verliert oder beschädigt, so wird er dafür schadenspflichtig : folgeweise wird er nach den Regeln der Billigkeit, die für die Beweisführung gelten, beweispflichtig 273 . Doch wird die Beweislast dadurch nicht geändert, wie manche — auf Grund der verbreiteten Verwechslung von Beweislast und Beweisführung —behaupten 2 7 4 . § 44. Ganz ähnlich ist der Vorgang beim W i e d e r k a u f s r e c h t (§§ 497ff. BGB.) 2 7 5 . Auch hier behält sich eine Partei das Recht vor, einen Kauf nach ihrem Belieben abzuschließen — und der Unterschied liegt nur darin, daß diese selbe sie vorher an die andere verkauft hatte. Daher ist auch die rechtliche Auffassung ebenfalls die gleiche. Zugleich mit dem ersten Kaufvertrage schließen die Parteien einen zweiten Vertrag auf Rückkauf, der vom 271

R G . 20, 32. 47, 135; O L G . 3, 206. Meine Beweislast 394; W i c h m a n n , Beweislast 202 f f.; E n n e c c e r u s L e h m a n n § 115 A n m . 5. Anders O e r t m a n n zu § 494; D e r n b u r g § 194. 273 R G . 11, 38. 20, 6; O L G . 24, 333; meine Beweislast 368. 274 Beweislast 187. 270 H a h n , Der Wiederkauf; Seuffert, L e i p z Z . 1907, 20ff. 272

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Wiederkaufsrecht. 276

Belieben des ursprünglichen Verkäufers abhängig ist . Von den verschiedenen Auffassungen ist das diejenige, die den einzelnen Vorschriften des Gesetzes und der Billigkeit am besten entspricht. Der Abschluß des Rückkaufs bedarf bei Grundstücken der Form des § 313 BGB. : dafür spricht, daß diese Abrede im Gesetz überall als Kauf bezeichnet wird, daß gerade nur die Ausübung des Wiederkaufsrechts von der Form befreit wird (§ 497 I 2 BGB.) und daß es durchaus sachgemäß ist, die Form zu erfordern. Anderseits enthält die Ausübung des Rechts die Erfüllung der Bedingung durch eine einseitige Willenserklärung, ganz wie beim Kauf auf Belieben. Wenn das Recht mehreren zusteht, ist es nur im ganzen auszuüben. Wenn es für den einen erloschen ist oder von ihm nicht ausgeübt wird, so geht es auf den anderen über (§ 592 BGB.). Auch sonst gilt Bedingungsrecht. Schon vor der Abgabe der Erklärung haftet der Käufer für sein Verschulden, bei einer wesentlichen Veränderung selbst ohne ein solches (§ 498 I I 1 BGB.). Das Wiederkaufsrecht erlischt durch zufälligen Untergang des Gegenstands — hier ist also der Fehler des § 350 BGB. vermieden. Ist er aber nur schuldlos verschlechtert oder unwesentlich verändert, so kommt dies nicht i n Betracht, führt auch nicht zu einer Minderung des Kaufpreises (§ 498 I I 2 BGB.). Dies weicht allerdings vom Bedingungsrecht ab: aber der Unterschied erklärt sich daraus, daß der Verkäufer ja sein Wiederkaufsrecht nicht auszuüben braucht, wenn es ihm nachteilig ist 2 7 7 . Wenn der Käufer über die Sache verfügt hat, so muß er nach Ausübung des Wiederkaufsrechts das Recht des Dritten beseitigen — auch wenn dies durch Zwangsvollstreckung oder Beschlagnahme entstanden ist (§ 499 BGB.). Wegen Verwendungen kann der Käufer Ersatz verlangen, soweit der Wert der Sache dadurch erhöht ist (§ 500 BGB.). — So ist unsere Auffassung durchweg geeignet, die im Gesetz ausgesprochenen und die sonst sachgemäßen Rechtsfolgen zu erzielen. Freilich hat man gegen sie eingewendet, daß sie nicht imstande sei, das gesetzliche Wiederkaufsrecht zu erklären 278 . Aber es steht durchaus nichts im Wege, daß ein Gesetz einen rechtlichen Vorgang, der sonst auf einem Rechtsgeschäft beruht, in bestimmten anderen Fällen ohne solchen eintreten 276

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 116; H a h n a . a . O . ; M o l i t o r , JheringsJ. 73, 5; R G . 69, 282. 121, 367. 126, 312. 277 E n n e c c e r u s - L e h m a n n a, a. O. 278 O e r t m a n n 2 vor § 497 B G B . 7*

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Kauf.

läßt, wie beim gesetzlichen Vorkaufsrecht (§ 2034 BGB.) und schließlich auch beim gesetzlichen Pfandrecht. So zeigt sich, daß das Wiederkaufsrecht durchaus auf einen bedingten Rückkaufsvertrag zurückgeführt werden kann. Es ist daher in der Tat dem Kauf auf Belieben (§§ 495ff. BGB.) nahe verwandt. Ja, wir werden noch darüber hinausgehen und sagen dürfen: es unterscheidet sich von diesem nur durch den nebensächlichen Umstand, daß der Kaufberechtigte vorher eben dieselbe Sache an den Gegner verkauft hatte. Es ist also nur ein Unterfall des Kaufs auf Belieben des Käufers. § 45. Diese Auffassung wird noch dadurch bestätigt, daß es nicht gelungen ist, den Vorgang auf andere Weise zu erklären 279 . Als Rücktrittsrecht läßt er sich nicht auffassen. Denn die Leistungen sind nicht sämtlich zurückzugewähren, vielmehr verbleiben die Nutzungen der Zwischenzeit dem Käufer ; auch ist der Preis, der zu zahlen ist, nicht notwendig, sondern nur imZweifel dem zuerst gezahlten gleich (§ 497 I I BGB.). Ebensowenig kann man darin einen Vertragsantrag erblicken, der durch den Rückkauf angenommen würde 2 8 0 : denn dann bleiben die dazwischen eingetretenen Wirkungen, insbesondere die Haftung für Verschulden, unerklärt. Das gleiche gilt für die Ansicht, daß ein Abschließungsvertrag (sogenannter Vorvertrag) gegeben sei. Nach manchen soll ein einseitiges Gestaltungsrecht des Verkäufers vorliegen, ein gegenseitiges kaufähnliches Rechtsverhältnis zu schaffen. Aber das Gesetz bezeichnet den Vorgang unmittelbar als einen Kauf und die Parteien als Käufer und Verkäufer. Außerdem würde diese Rechtsschöpfung des Kaufes der Form des § 313 BGB. bedürfen, während doch die Erklärung nach § 497 formfrei ist. Das Wiederkaufsrecht hat nur schuldrechtliche Wirkung und kann also nicht gegenüber einem Dritten ausgeübt werden. Doch können die Parteien eine dingliche Verfügung daran knüpfen. Bei Grundstücken erfolgt dies durch eine Vormerkung, die der Schuldpflicht dingliche Wirkung verleiht (§ 883 BGB.). Bei beweglichen Sachen kann es dadurch geschehen, daß der Übertragung der Sache eine auflösende Bedingung beigefügt wird. Die Vormerkung hat eine große Bedeutung für die Bodenreform gewonnen, besonders in der Form des Ulmer Wiederkaufes. 279 Über die verschiedenen Versuche E n n e c c e r u s - L e h m a n n O e r t m a n n a. a. O. 280 So P l a n c k zu § 497.

und

Vorkaufsrecht.

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§ 46. Ähnlich ist auch das Vorkaufsrecht 2 8 1 gestaltet (§§ 504 ff. BGB.). Es enthält ebenso wie das Wiederkaufsrecht einen Unter fall des Kaufes auf Belieben des Käufers. Denn dieser hat ebenfalls einen Kauf unter der Bedingung seiner Billigung abgeschlossen. Aber freilich sind dem hier noch weitere Einschränkungen zugefügt, die den Wert dieses Anrechts stark herabdrücken. Der Käufer muß nämlich abwarten, ob der andere überhaupt verkaufen will: er hat also nur ein Vorrecht, nicht ein eigentliches festes Anrecht darauf, die Sache zu bekommen. Dazu kommt, daß er die Sache nicht zu einem von vornherein festbestimmten Preise kaufen darf, sondern zu dem, den der andere Käufer bewilligt hat. Auch das ist für den Vorkaufsberechtigten sehr nachteilig. Sein Recht ist also viel wertloser als ein festes Anrecht, eine Sache zu einem bestimmten Preise zu erwerben. Leider wird aber beides im Verkehr häufig verwechselt; manche Parteien glauben, durch die Erlangung eines Vorkaufsrechts schon viel erreicht zu haben. Auch hier ist die Rechtsform die eines bedingten Kaufes. Aber er ist doppelt bedingt: einmal dadurch, daß die Sache verkauft wird, und zweitens dadurch, daß der Vorkaufsberechtigte von seiner Befugnis Gebrauch macht. Das ist auch die Auffassung der Rechtslehre und Rechtsprechung, vor allem des Reichsgerichts 282 . Daraus wird dann auch mit Recht gefolgert, daß der Vertrag auf Einräumung eines Vorkaufsrechts als ein bedingter Kaufvertrag der Form des § 313 BGB. bedarf. Es wurde dies früher vielfach bestritten. Zum Teil leugnete man eben dies, daß in dieser Einräumung schon der Abschluß eines bedingten Kaufvertrags liege. Auch darauf konnte man sich berufen, daß der Vorkaufspflichtige sich ja immerhin noch die Entscheidung darüber, ob und zu welchen Preise er verkaufen wolle, vorbehalten hat. Man kann daraus schließen, daß er durch die Einräumung des Verkaufsrechts allein noch nicht in seinen Rechten als Grundeigentümer benachteiligt sei. Aber dagegen läßt sich einwenden, daß schon diese allein die Verkäuflichkeit des Hauses stark beeinträchtigen kann. Das Bestehen eines Vorkaufsrechts schreckt oft die Käufer ab : denn sie müssen damit rechnen, daß, wenn sie nach langen Verhandlungen zum Vertragsschlusse ge281 J ä g e r , Das Vorkaufsrecht nach gemeinem R e c h t ; I m m e r w a h r , JheringsJ. 40, 279ff.; L e w a n d o w s k i , GruchBeitr. 63, 565. 282 R G . Vereinigte Zivilsenate; R G . 72, 385ff.; R G . 107, 39.

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Kauf.

langt sind, der Berechtigte ihnen den ganzen Erfolg wegnimmt. Dagegen ist die Erklärung, wodurch das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, nicht an die Form des Kaufvertrags gebunden (§ 505 BGB.). Das Vorkaufsrecht kann erst ausgeübt werden, wenn ein anderer Kaufvertrag über die Sache geschlossen ist. Es genügt nicht, wenn es ein Tausch oder eine gemischte Schenkung ist: im letzteren Falle würde der Vorkaufsberechtigte einen unberechtigten Gewinn machen, wenn er in dies so vorteilhafte Geschäft eintreten dürfte 2 8 3 . Auch genügt nicht ein Verkauf, der an einen gesetzlichen Erben mit Rücksicht auf dessen künftiges Erbrecht erfolgt (§ 511 BGB.): denn darin ist wesentlich eine vorherige Regelung der Erbfolge zu erblicken, die nur in die Form eines Kaufs gekleidet ist. Einen ganz anderen Grund hat es, wenn das Vorkaufsrecht auch bei einem Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Konkursverwalter ausgeschlossen wird (§ 512 BGB.). Das Verwertungsrecht der Gläubiger soll durch jenes Recht nicht benachteiligt werden; außerdem hat in einer Versteigerung, wo jeder den andern sofort um eine Kleinigkeit überbieten kann, das Vorkaufsrecht überhaupt keinen rechten Sinn. Der andere Kaufvertrag muß schon abgeschlossen und fertig vorliegen, also bei einem Grundstück auch schon öffentlich beurkundet sein. Anderseits wird der Pflichtige einen solchen anderen Vertrag ohne die Gefahr einer Haftung nur so abschließen können, daß er einen Vorbehalt für das Vorkaufsrecht beifügt oder mindestens den Käufer davon benachrichtigt. Gerade das aber wird die Käufer nicht selten abschrecken. — Nach dem Kaufabschluß muß der Pflichtige dem Berechtigten unverzüglich Mitteilung machen (§510 BGB.): dieser kann dann binnen einer Frist von einer Woche, bei Grundstücken von zwei Monaten, sein Recht ausüben. Mit dieser Erklärung kommt ein Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten zu den Bedingungen des abgeschlossenen Kaufs zustande (§ 505 I I BGB.). Nebenleistungen, die der Vorkaufsberechtigte nicht ausführen kann, werden i n Geld berechnet (§ 507 BGB.). Ist diese Sache und eine andere zu einem Gesamtpreis verkauft worden, so ist der Preis verhältnismäßig zu teilen (§ 508 BGB.). Aber der Verpflichtete kann dann fordern, daß der Verkauf auf alle Sachen erstreckt 283

R G . 101, 101.

Vorkaufsrecht.

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werde, die nicht ohne Nachteil von ihr getrennt werden können. Jedoch muß man dann wohl dem Vorkaufsberechtigten anderseits das Recht geben, von seiner Erklärung wieder abzugehen: denn man kann ihm nicht zumuten, sich unversehens andere Sachen aufdrängen zu lassen 284 . Eine Stundung, die dem dritten Käufer gewährt ist, kommt dem Vorkaufsberechtigten nicht ohne weiteres zugute, da eine solche Einräumung auf persönlichem Vertrauen beruht: er kann sie nur in Anspruch nehmen, wenn er Sicherheit leistet (§ 509 BGB.). Das Vorkaufsrecht ist nicht übertragbar und im Zweifel nicht einmal vererblich (§514 BGB.): man ging davon aus, daß es sich hier um ein rein persönliches Vorrecht handele, was aber besonders bezüglich der Vererbung kaum haltbar ist. Recht wichtig für den Vorkaufsberechtigten ist es, wenn er sein Recht auch gegen Dritte geltend machen kann. Aber eine solche Verdinglichung ist nur bei Grundstücken gestattet (§§ 1094ff. BGB.). Dort ist eine Kenntlichmachung leicht und sicher durch das Grundbuch möglich, während sie bei beweglichen Sachen nicht erreicht werden kann. Sodann ist aber auch das Bedürfnis bei Grundstücken viel größer. Denn jemand kann das größte Interesse haben, gerade ein bestimmtes Grundstück, z. B. ein unmittelbar benachbartes, zu erwerben, während bei einer beweglichen Sache derartiges nur selten zutrifft. Außerdem haben die Miterben ein dingliches Vorkaufsrecht, wenn ein Miterbe seinen Erbteil veräußert (§§ 2034ff. BGB.). § 47. Endlich kann ein Anrecht auf einen Kaufabschluß durch einen Abschließungsvertrag (sogenannten Vorvertrag) entstehen. Die wirtschaftliche Stellung des Käufers ist auch hier ähnlich der beim Kauf auf Belieben. Aber die rechtliche Lage ist anders als bei diesem und seinen bisher erörterten Unterfällen. I n allen diesen ist bereits von Anfang an ein bedingter Kaufvertrag abgeschlossen, der nur noch vollwirksam zu werden braucht. Hier dagegen ist erst ein Anspruch auf Abschließung eines Kaufvertrages gegeben. So kommt es nicht selten vor, daß Grundstücke verkauft werden sollen, die aber noch nicht abgemessen und daher noch nicht als Einzelsachen bestimmbar sind. Es soll z. B. von einem Gelände ein Bauplatz, der Quadratmeter zu 15 Mark, verkauft 284

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 117 I I I ; P l a n c k 2; O e r t m a n n 2 zu § 508 B G B .

R G R K . 2 zu § 508; anders

104

Kauf.

werden. Hier bleibt zunächst nichts anderes übrig, als nur einen Vertrag auf späteren Abschluß des Kaufvertrags zu schließen. Durch einen solchen erhalten beide Parteien ein Anrecht auf den Hauptvertrag. Es kann aber auch sein, daß nur die eine Partei dies Recht erhalten soll. Besonders häufig ist die Abrede, daß der Erwerber allein berechtigt sein soll, eine Sache zu kaufen. Wir können dies als einseitigen Abschließungsvertrag bezeichnen. I m Verkehrsleben spricht man hier von einem Optionsrecht des Käufers. — I n allen diesen Fällen kann der Kaufvertrag nicht schon durch eine bloße einseitige Erklärung geschaffen werden. Sondern es ist nur ein Recht auf Abgabe der nötigen Willenserklärungen gegeben. Es ist daher nur möglich, auf diese zu klagen; durch das Urteil wird, nachdem es rechtskräftig geworden ist, die Abgabe ersetzt (§ 894 ZPO.). § 48. Von der größten Bedeutung ist im heutigen Wirtschaftsleben der E i g e n t u m s v o r b e h a l t 2 8 5 (§ 455 BGB.) geworden. Die verwickelten Verhältnisse der Wirtschaft machen es meistens unmöglich, sich über die Zahlungsfähigkeit eines Käufers zuverlässig zu unterrichten, so daß eine dingliche Sicherung des Verkäufers unentbehrlich erscheint. Sie kann nun schon dadurch erreicht werden, daß die Sache überhaupt nicht ins Eigentum, sondern nur in den Besitz des Käufers übertragen wird, der Verkäufer also das Eigentum ganz zurückbehält. Aber das ist doch wieder für den Käufer allzu ungünstig und gefährlich: hierbei würde er keine dingliche Sicherheit dafür haben, daß er nach der vollen Erfüllung seiner Pflichten Eigentum erwirbt. Es hat sich daher der zweckmäßige Mittelweg herausgebildet: die Sache wird unter der Bedingung der Bezahlung zu Eigentum übertragen, also der dingliche Übertragungsakt (§ 929 BGB.) unter einer Bedingung vollzogen. Bei beweglichen Sachen ist das möglich, bei Grundstücken ist es nach § 925 I I BGB. ausgeschlossen. Die Bedingung kann aufschiebend oder auflösend sein. Aber der eigentliche Zweck, die Sicherung des Verkäufers, wird nur bei der ersteren Bedingung erreicht. Denn wenn die Sache zunächst 286 J a f f é , Eigentumsvorbehalt; L e h m a n n , Gläubigerschutz; Β i e r m a n n , Recht 1915, 158; B r e c h t , JheringsJ. 61, 263ff.; A d l e r , Z H R . 86, 304ff.; F i a t a u , Zwangsvollstreckung i n Leihmöbel; K u h n t , ebenso; R ü h l , Eigentumsvorbehalt, ZZP. 56, 154ff.; S t u l z , Der Eigentumsvorbehalt i m ausländischen Recht (Beil. z. LeipzZ. 1927), der Eigentumsvorbehalt, J W . 1930, 271.

Eigentumsvorbehalt.

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ins Eigentum des Käufers übertragen wird, ist sie allen Verfügungen des Erwerbers und insbesondere auch dem Zugriffe seiner Gläubiger voll ausgesetzt, und das will der Verkäufer ja gerade vermeiden. Deshalb schreibt das Gesetz (§ 455) sehr richtig vor, daß der Vorbehalt im Zweifel als aufschiebende Bedingung aufzufassen ist. I n dieser Form ist der Eigentumsvorbehalt ein wichtiger Teil des heutigen Verkehrs geworden 286 . I n manchen Geschäftszweigen bildet er geradezu die Regel, so beim Verkaufe von Möbelausstattungen und vielen Maschinen, insbesondere Autos, Ferner kommen hier die Abzahlungshäuser in Betracht, die meist an einzelne Käufer Bedarfsstücke veräußern. Aber auch bei den Verkäufen der Fabrikanten an den Handel ist der Vorbehalt sehr verbreitet, wie sich schon aus den Lieferungsbedingungen des Vereins Deutscher Maschinenbauanstalten ergibt. Selbst im Verkehr zwischen Groß- und Kleinhandel hat er sich vereinzelt durchzusetzen vermocht. Die ungeheure Verbreitung des Vorbehalts führt dahin, daß man im Verkehr heute niemals sicher wissen kann, ob dem Besitzer die Sachen gehören. Und dadurch wird die Kenntlichkeit, die unser Sachenrecht mit so großer Sorgfalt und Tatkraft erzwungen hat, wieder zu einem großen Teile zerstört. Es geht zwar zu weit, wenn man behauptet hat, daß der Vorbehalt geradezu eine Umgehung der für die Kenntlichkeit des Pfandrechts gegebenen Vorschriften enthalte. Aber es bleibt doch wahr, daß das Ziel aller dieser sachenrechtlichen Bestimmungen infolge des Vorbehalts stark beeinträchtigt wird. Es wäre daher sehr erwünscht, den Vorbehalt abzuschaffen 287 . Dies ist aber bei den heutigen schwierigen Verhältnissen nur möglich, wenn man einen Ersatz dafür schafft: sonst würden dadurch manche Verkehrszweige fast ganz lahmgelegt werden. Einen Ersatz aber kann man nur dadurch bieten, daß man eine Form der Verpfändung schafft, die eine Kenntlichkeit gewährt, ohne dem Schuldner den Besitz zu entziehen. Hier bietet sich als geeignete Form ein Pfandregister für alle Sachen, die fest bestimmbar sind, besonders alle Maschinen — und man sollte sich endlich über die dagegen erhobenen Bedenken hinwegsetzen. Für andere Sachen könnte man eine Verpfändung durch Sieglung eines Beamten einführen, die eine willkommene Ergänzung der Register288 287

H ü h l a. a. O. 15ff.; ZZP. a. O. 154. Anders R ü h l 21ff., wo die L i t e r a t u r .

106

Kauf.

form böte. Solche klaren und deutlichen Rechtsformen würden den Verkehr von zahllosen Enttäuschungen und Prozessen befreien. § 49. Die für die Übereignung gesetzte Bedingung wird nach § 455 BGB. durch die vollständige Zahlung des Kaufpreises erfüllt: damit t r i t t also ohne weiteres der Eigentumsübergang ein. Nicht nötig ist, daß der Verkäufer nun nochmals seine neue Erklärung hierüber abgibt 2 8 8 . Aber es ist auch nicht notwendig, daß der innere Wille der Parteien jetzt noch auf die Übertragung gerichtet ist. Zwar hat das Reichsgericht dies Erfordernis aufgestellt 289 , aber diese Ansicht ist unhaltbar 2 9 0 . Sie widerspricht dem Rechtssatz, daß beim bedingten Vertrag die Einigung nur im Augenblick des Geschäftsschlusses und nicht auch in dem der Bedingungserfüllung vorzuliegen braucht (§ 158 BGB.). Und dann verlegt sie die Vertragseinigung in den inneren Willen, während sie doch in der Übereinstimmung der Erklärungen besteht. Hier zeigt sich wieder einmal, zu welchen gefährlichen und unhaltbaren Folgen die Willenstheorie führt. — Wenn der Käufer umgekehrt mit seiner Zahlung in Verzug kommt, so ist im Zweifel der Verkäufer berechtigt, vom Vertrage zurückzutreten (§ 455). Er kann aber auch statt dessen die Sache beim Käufer pfänden und versteigern lassen, weil das auch bei einer Sache des Gläubigers zulässig i s t 2 9 1 . Trotz dieses Rücktrittsrechts wird heute allgemein gelehrt, daß der unter Eigentumsvorbehalt geschlossene Kaufvertrag ein unbedingter sei. Es beruht darauf, daß man den Vorbehalt des Rücktritts nicht als eine Endbedingung ansehen will. Aber es erscheint nicht möglich, zwischen beiden eine Grenze zu ziehen. Eine auflösende Bedingung liegt nach § 158 I I BGB. überall vor, wo die Wirkung eines Rechtsgeschäfts mit dem Eint r i t t der Bedingung endigt. Dies trifft aber auch beim Rücktritt zu. Freilich ist die Pflicht zur Rückerstattung hier besonders stark ausgestattet und eingehend geregelt (§ 346ff. BGB.): aber das ändert doch nichts daran, daß auch hier die Wirkungen des Geschäfts aufhören. Hiernach ist der Vorbehalt des Rücktritts — ebenso wie auch der Kündigung — als ein Unterfall der End288

R G . 66, 349. R G . 64, 206. 95, 107. 200 F l e c h t h e i m , Zwangsvollstreckung i n Leihmöbel 38; S t e i n I I zu § 887 Z P O . ; G i e r k e 3, 405 A n m . 30; R ü h l a. a. O. 87. 291 R G . 79; 245. 289

Eigentumsvorbehalt.

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bedingung anzusehen. Und so ist entgegen der herrschenden Lehre zu sagen, daß hier in der Tat regelmäßig auch der Kaufvertrag — und zwar auflösend — bedingt ist. Der Verkäufer hat seine Vertragspflicht schon damit erfüllt, daß er die bedingte Übereignung und die Übergabe vollzogen h a t 2 9 2 . Diese seine Leistung ist daher als Erfüllung im Sinne des § 17 KO. anzusehen. Auch hat der Verkäufer nun kein Rückhaltungsrecht mehr; denn es liegt ihm ja gar nichts mehr zu tun o b 2 9 3 . Zwar hat er auch jetzt noch alles, was die Erfüllung stören könnte, zu unterlassen: aber das Bestehen einer solchen Nebenverpflichtung kann allein nicht die volle Erfüllung verhindern 294 . Allerdings hat das Reichsgericht auch hier anders entschieden 295 : es beruht das wesentlich auf seinem vorher erwähnten Irrtum, daß der Verkäufer nun noch mit dem Übergang des Eigentums einverstanden sein müßte, zum Teil aber auch auf der Vorstellung, daß der Verkäufer zur vollen Rechtsverschaffung verpflichtet sei (vgl. oben S. 41). Die Gefahr geht mit der Übergabe auf den Käufer über 2 9 6 . Dies trifft sogar für einen aufschiebend bedingten Kauf zu (oben S. 25) — um so mehr hier, wo doch der Kauf sicher nicht aufschiebend bedingt ist. Dennoch hat man den Übergang bestritten 2 9 7 : besonders von der Auffassung aus, daß hierzu nur eine Übergabe ausreiche, die zur Eigentumsübertragung führen solle. Aber dies trifft eben nicht zu : vielmehr ist der § 446 gerade umgekehrt für die Fälle bestimmt, wo die Übergabe nicht auch das Eigentum überträgt (oben S. 18ff.). Wenn der Gläubiger die ihm vom Schuldner angebotene Erfüllung ablehnt, so kann dieser dennoch durch Hinterlegung unter Rücknahmeverzicht die Forderung zur Tilgung bringen (§§ 372ff. BGB.). Außerdem aber verstößt das gegen Treu und Glauben, und daher gilt nach § 162 BGB. die Bedingung der Übereignung als eingetreten. Anders dagegen, wenn das Angebot von Seiten eines 292

R ü h l a. a. O. 194ff., 205ff. O L G . 26, 52. 294 R ü h l a. a. O. 195; ZZP. 157ff. 295 R G . 64, 204ff., 334ff. 66, 347. 95, 106. 296 Herrschende Meinung, insbesondere R G , 85, 321 ff.; O L G . 8, 445. 13, 409. 297 D e r n b u r g 2 § 171 A n m . 3; Ε c c i u s , GruchBeitr.41,883; SeuffArch.68 N r . 344; O e r t m a n n , 4. Aufl., zu § 455, anders i n der 5. A u f l . 298

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Kauf.

Dritten erfolgt. Zwar kommt der Verkäufer auch durch dies Angebot nach § 267 BGB. in Annahmeverzug: aber dadurch allein wird noch nicht die Erfüllung der Bedingung bewirkt. Allerdings hat man gemeint, daß der Gläubiger mit seiner Weigerung auch hier gegen Treu und Glauben verstoße und die Bedingung daher als erfüllt gelte 2 9 8 . Aber das ist keineswegs gesagt. Selbst wenn es ein Vollstreckungsgläubiger ist, der die Zahlung anbietet, so kann der Verkäufer doch auch triftige Gründe zur Ablehnung haben, besonders weil er auf seinen Käufer, mit dem er in Geschäftsverbindung steht, Bücksicht nehmen will. § 50. Unter einem Abzahlungsgeschäft wird ein Vertrag auf Veräußerung beweglicher, sofort zu übergebender Sachen verstanden, deren Preis in Teilzahlungen zu leisten ist. Es ist häufig mit einem Eigentumsvorbehalt verbunden, doch ist das nicht notwendig. Da diese Käufe oft von unbemittelten und notleidenden Menschen geschlossen werden, sind in ihnen nicht selten sehr drückende Bedingungen enthalten. Aus sozialen Gründen ist das Reichsgesetz über die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1894 gegen solche Klauseln eingeschritten. Es schreibt vor allem vor, daß im Falle des Rücktritts die beiderseitigen Leistungen zurückgewährt werden müssen. Unzulässig und nichtig ist es, zu bestimmen, daß die auf den Kaufpreis gemachten Zahlungen einfach verfallen sollen. Da aber der Käufer inzwischen die Sache genutzt hat, muß er dafür eine Vergütung, also eine A r t Mietzins bezahlen, auch für die dadurch hervorgerufene Wertminderung. Auch kann der Verkäufer Ansprüche wegen seiner Aufwendungen — z. B. Transportkosten — und die vom Käufer zu vertretenden Beschädigungen erheben. Für das Abzahlungsgeschäft, das mit Eigentumsvorbehalt verbunden ist, ist weiter bestimmt, daß in der Rücknahme der Sache notwendig ein Rücktritt vom Kaufvertrag zu erblicken ist (§ 5 Abzahlungsgesetz). Es soll vermieden werden, daß der Verkäufer die Sache — etwa nur zu seiner Sicherung — zurückfordert und dann auch noch den Kaufpreis verlangt. Streitig ist, an welchen Tatbestand sich diese Folge anknüpft. Das Gesetz verlangt, daß der Verkäufer die Sache „wieder an sich genommen habe". Damit ist sehr deutlich gesagt, daß er sie wirklich erlangt haben muß: und 298

v . T u h r , Allgemeiner T e i l I I 2, 309, A n m . 114; F l a t a u a. a. O. 1. Dagegen H ü h l a. a. O. 91.

Abzahlungsgeschäft.

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das ist auch durchaus sachgemäß, da sich die einschneidenden Folgen des Rücktritts nur an die wirkliche Rücknahme anschließen dürfen 2 9 9 . Nicht berechtigt erscheint es daher, das Gesetz auch auf den Fall auszudehnen, wo der Verkäufer erst auf Rückgabe geklagt 3 0 0 oder sie gar erst außergerichtlich gefordert h a t 3 0 1 . Ebensowenig ist es richtig, das Gesetz auch im Falle einer Zwangsvollstreckung anzuwenden 302 . Denn er unterscheidet sich von dem Falle des § 5 wesentlich dadurch, daß die Sache hier weder dem Käufer entzogen noch dem Verkäufer zurückgegeben w i r d 3 0 2 . — Für die gewöhnlichen Fälle, wo kein Abzahlungsgeschäft vorliegt, nimmt die herrschende Lehre das Gegenteil an: hier soll der Verkäufer trotz der Rücknahme der Sache berechtigt sein, dennoch den Kaufpreis vom Käufer zu fordern 303 . Sie beruft sich darauf, daß der Eigentumsvorbehalt nur ein Sicherungsrecht enthalte, und daß bei einem solchen, z. B. einem Pfandrecht, der Gläubiger beide Rechte nebeneinander ausüben dürfe. Aber dabei wird übersehen, daß der Fall beim Eigentumsvorbehalt wesentlich anders als bei einer bloßen Sicherung liegt. Hier hat der Käufer doch ein eigenes Recht auf Besitz und Nutzung erhalten. Dies darf ihm nicht schon deswegen genommen werden, weil er eine Rate nicht bezahlt, sondern eben erst auf Grund eines vollzogenen Rücktritts. Hierfür spricht auch in hohem Maße die genannte Vorschrift des Abzahlungsgesetzes (§ 5): es ist nicht einzusehen, weshalb es dort anders sein soll als bei den übrigen Geschäften. Und endlich spricht auch die Billigkeit für diese gleiche Behandlung. Die herrschende Lehre führt zu unbilligen Härten gegen den Käufer, der wirtschaftlich regelmäßig der schwächere Teil ist. Ihm wird vielleicht sein Arbeitsgerät genommen — und dann soll er noch den Kaufpreis bezahlen, den er erst damit verdienen könnte. Diese Interessen des sozial schwachen Käufers müssen in erster Linie berücksichtigt werden, wie eben auch aus der genannten Bestimmung des Abzahlungsgesetzes hervorgeht. 299

E n n e c c e r u s - L e h m a n n 119, A n m . 9. H ü h l a . a . O . 261ff. 801 H ö r l e a. a. O. 193; S a m t e r a. a. O. 83. 802 R ü h l a. a. O. 262 gegenüber den vorher Genannten. 803 R G . 7, 147. 49, 190. J W . 1905, 18. 1907, 315; SeuffA. 75, 161; O L G . 3 8 , 1 2 2 ; R ü h l , E i g e n t u m s v o r b e h a l t 2 5 6 f f . ; ZZP. a.a.O. 178ff.und Genannte. Anders R G . 119, 6 4 ; J W . 1928, 213; K ü p p bei W i n d s c h e i d zu § 387; S t u l z a. a. O. 38 u n d J W . 1930, 271. 800

110

Kauf.

Die Abrede, daß bei Nichterfüllung einer Rate der ganze Rest fällig werde, ist nur insoweit zulässig, als ein Verzug wenigstens mit zwei Raten eingetreten war, und mit mindestens ein Zehntel des Kaufpreises (§ 4 I I ) . Die Vorschriften des Gesetzes sind auch auf ähnliche Geschäfte, die sie umgehen sollen, anzuwenden, z. B. auf den Möbel-Leihvertrag, der im wesentlichen ein verschleiertes Abzahlungsgeschäft darstellt. Abzahlungsgeschäfte über Lotterielose und ähnliche Papiere sind überhaupt verboten und nichtig. — § 51. Der Tausch (§515 BGB.) unterscheidet sich vom Kaufe dadurch, daß jede Austauschleistung hier als Ware und keine als Geld aufzufassen ist. Hierfür ist wieder bedeutsam, ob eine Leistung als solche von feststehendem allgemeinemWert oder als schwankende Größe betrachtet wird. Besonders danach bestimmt sich, ob geschuldete Geldstücke als Geld oder aber als Ware angesehen werden (oben S. 12). Werden zwei Sachen unter Angabe eines Preises gegeneinander vertauscht, so kann das die Bedeutung haben, daß ein einziges Tauschgeschäft vorliegt und nur der Geldunterschied ausgeglichen werden soll; oder auch, daß zwei verschiedene Käufe vorliegen, die als getrennte Geschäfte zu behandeln sind 3 0 4 . I m römischen Rechte wurden Kauf und Tausch sehr verschiedenen Regeln unterworfen. Der Kauf als typisches Verkehrsgeschäft hatte sich im ius gentium formlos entwickelt, während der Tausch erst durch die einseitige Leistung klagbar wurde. Das BGB. hat diese Verschiedenheit nicht übernommen; es erklärt vielmehr das Kaufrecht für entsprechend anwendbar (§ 515). Daraus leitet die herrschende Lehre ab, daß beide Geschäfte im wesentlichen gleich behandelt würden. Aber das ist zu viel gesagt. Es bleibt doch immer noch der wesentliche Unterschied, daß hier keine Geldleistung in Betracht kommt, sondern nur zwei Warenlieferungen. Daher sind die Vorschriften des Kaufs über den Preis nicht anwendbar. So die Bestimmung des § 452, die eine Verzinsung des Kaufpreises anordnet: sie ist auf den Tausch von vertretbaren Sachen und auch von Geldstücken nicht anwendbar. Andererseits sind die Vorschriften über die Haftung für Sachmängel hier auf beide Leistungen zu beziehen, während sie beim Kauf nur für die Ware, aber nicht für den Preis gelten (oben S. 48). Hiernach sind Kauf und Tausch doch zwei verschiedene Geschäfte, die nur Ähnlichkeit miteinander haben. 304

R G . 50, 286. 57, 264. 73, 88; O e r t m a n n , H a n d b H R . 4, 2, 334.

Tausch.

Ill

Auch auf andere entgeltliche Veräußerungsverträge sollen nach §§ 445, 493 BGB. die Mängelvorschriften des Kaufrechts angewendet werden. Dies klingt so, als ob das selbständige Vertragsarten mit diesem Inhalt seien — und so wird es auch allgemein aufgefaßt. Aber in Wahrheit gibt es solche Verträge überhaupt nicht. Ein selbständiger Vertrag auf entgeltliche Veräußerung von Gegenständen ist immer ein Kauf oder Tausch. Freilich kann eine Veräußerungspflicht auch als Teil in einem anderen Vertrage vorkommen, z. B. in einem Gesellschafts- oder einem Auseinandersetzungsvertrag. Dann aber ist es eben nicht ein selbständiger Veräußerungsvertrag, sondern ein anderer, in dem nur eine darauf gerichtete Verpflichtung vorkommt, die durch Beimischung oder Artmischung eingefügt ist. Diese Verpflichtung ist dann freilich nach den entsprechenden Regeln des Kaufrechts zu behandeln. Aber das ergibt sich schon aus der allgemeinen Regel, die für alle gemischten Verträge gilt (I, 325ff.). Insofern sind allerdings selbständige Veräußerungsverträge, die nicht Kauf sind, möglich, als sie sich nicht auf einen Gegenstand, sondern auf andere Güter, z. B. ein wirtschaftliches Unternehmen beziehen — und in der Tat hat man eben auch hier die erwähnten Vorschriften anwenden wollen 305 . Aber wie schon früher ausgeführt, ist es recht bedenklich, gerade die Vorschriften über die Haftung für Sachmängel auf solche Geschäfte zu übertragen (S. 46ff.). Es bleibt also als Inhalt allein, daß das geltende Kaufrecht für Mängel auch auf die Verträge auf Belastung eines Gegenstandes anzuwenden ist. Zweites K a p i t e l .

Schenkung § 52. Begriff. § 53. Regeln über alle schenkweisen Zuwendungen: § 54. Unentgeltlich. § 55. M i t g i f t . § 56. Gegenleistung. § 57. Vertrag über die Unentgeltlichkeit. § 58. 59. Beschränkungen. — § 60. 61. Die Verpflichtungsschenkung (eigentliche Schenkung). § 62. Schenkung auf den Todesfall. § 63. Gemischte Schenkung. § 64. Deren rechtliche Behandlung. § 65. Schenkung unter einer Auflage. § 66. Rechtliche Behandlung.

§ 52. Der Begriff Schenkung ist zweideutig. Man kann dabei lediglich an einen schuldrechtlichen Vertrag denken, der eine Ver805

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 119 A n m . 5 u n d Genannte. M e y e r f e l d , Lehre v o n den Schenkungen; B u r c k h a r d , Begriff der Schenkung, Schenkungsannahme; O r t l o f f , B ü r g A . 21, 269ff., M ü l l e r , 1

112

Schenkung.

pflichtung erzeugt. Vielfach versteht man aber darunter auch andere unentgeltliche Vermögenszuwendungen, die keine Verpflichtung enthalten: z. B. durch unmittelbare Übereignung von Sachen, Überweisung von Geld, Verzicht auf Rechte, Dienstleistungen. Man pflegt hiernach eine Schenkung im weiteren Sinn und eine solche durch Verpflichtung zu unterscheiden. Es ist freilich behauptet worden, daß auch in den eben angeführten Fällen immer doch auch eine Verpflichtung enthalten sei 2 . Aber wer z. B. einem Bettler ein Geldgeschenk macht, geht damit keinerlei Verpflichtung ein; er wird auch wenn das Geld unecht ist, nicht etwa zur Leistung echten Geldes verpflichtet. Es verhält sich hier also anders als beim Kaufe, wo auch trotz beiderseitiger sofortiger Leistung dennoch Verpflichtungen der Parteien anzunehmen sind (oben S. 13ff.). — Dem stimmt auch die herrschende Lehre zu. Aber man will doch insofern in diesen Vorgängen einen schuldrechtlichen Vertrag sehen, als doch auch hier nach § 516 BGB. eine Einigung über die Unentgeltlichkeit nötig ist 3 . Indessen ist es nicht richtig, dies als einen schuldrechtlichen Vertrag zu bezeichnen. Es liegt vielmehr nur eine Abrede über den Rechtsgrund vor, also ein bloßes Rechtsgrundgeschäft 4. Ein solches, das keine Schuld erzeugt, muß von einem Verpflichtungsgeschäft durchaus unterschieden werden. Die Vorschriften über letztere, insbesondere über die Formen, finden darauf keine Anwendung. Freilich hat man auch i n dem Geldgeschenk eine Verpflichtung finden wollen, nämlich, daß das Geschenk nicht zurückgefordert werde 5 . Aber da der Geber ja gar keine Möglichkeit es zurückzufordern hat, wäre diese Pflicht ganz gegenstandslos. Die Schenkung im weiteren Sinne ist also nicht ein schuldrechtliches Geschäft und überhaupt nicht durch einen bestimmten rechtlichen Inhalt bezeichnet. Sie enthält,,nicht ein einzelnes Rechtsgeschäft, sondern einen allgemeinen Charakter, welchen die verJheringsJ. 48, 209ff.; W e i r a u c h , GruchBeitr. 48, 229ff.; H a y m a n n , Schenkung unter Auflage, JheringsJ. 66, 86ff.; O p p e n h e i m , Schenkungsversprechen; E c k s t e i n , ZivArch. 107, 384ff.; S t ü t z e l , Schenkung u n d Ausschlagung einer Erbschaft; R e i c h e l , Züricher Juristenfakultät 109ff.; O e r t m a n n , Entgeltliche Geschäfte ; L i e b i s c h , Das Wesen der unentgeltlichen Zuwendungen unter Lebenden. 2 E c k s t e i n a. a. O.; O e r t m a n n , Vorbemerkung 3 vor § 616. 3 R G . 111, 153; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 120 A n m . 2 u n d Genannte. 4 J u n g , JheringsJ. 68, 74; S i b e r , JheringsJ. 70, 230ff. 6 G i e r k e , 3, 419.

Begriff.

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schiedensten Rechtsgeschäfte annehmen können" 6 . Daher gehört dieser Begriff der Schenkung eigentlich in den allgemeinen Teil. Unsere Gesetze nehmen nicht selten auf diesen Begriff Bezug, wenn sie von Schenkung sprechen, so sicherlich bei der Anfechtung von Schenkungen durch die Gläubiger, bei der Ergänzung des Pflichtteils durch Schenkungen und bei der Schenkungssteuer. Anderseits aber verstehen sie unter einer Schenkung auch oft nur eine solche, die in der Begründung einer Schuldverpflichtung besteht; so vor allem in dem zweiten Titel (§§ 516ff.), dessen Stellung schon deutlich auf diese verpflichtenden Schenkungen hinweist. Es fragt sich nun, für welche Geschäfte man den Ausdruck „Schenkung" verwenden soll. Man kann diese Frage dadurch umgehen, daß man Schenkungen im weiteren und engeren Sinne unterscheidet, und so pflegt sich auch die Rechtslehre meist zu helfen. Aber dadurch wird nur Unklarheit hervorgerufen. Es wird der Anschein erweckt, als ob auch bei der ersteren eine bestimmte einzelne Geschäftsart vorliege — während es sich doch, wie gezeigt, um eine einzelne Eigenschaft von verschiedenen Geschäften handelt. Außerdem behandelt das Gesetzbuch in §§ 516ff. die „Schenkung" so deutlich als einen Schuldvertrag, daß es kaum annehmbar ist, diesen Namen auch für dingliche Akte zu verwenden. Endlich beziehen sich die wichtigsten Bestimmungen dieses Titels, nämlich die §§ 518—524 ausschließlich auf diese SchenkungsVerpflichtungen. Deshalb scheint es mir besser, das Substantivum „Schenkung" nur für die Verpflichtungsgeschäfte zu gebrauchen und bei den anderen Akten nur „schenkungsweise" und dergleichen zu sagen: meistens wird schon die Bezeichnung „unentgeltlich" ausreichen. Danach wäre z. B. von einer schenkweisen Übereignung einer Sache zu sprechen, aber nicht von einer Schenkung durch Übereignung. Der Einwand liegt nahe, daß unsere Gesetze auch hier mehrfach den Ausdruck Schenkung gebrauchen: aber die Wissenschaft muß bisweilen auf größere Genauigkeit dringen. Wenn man aber dennoch auch hier das Wort Schenkung beibehalten will, so ist es mindestens nötig, beide Arten durch einen deutlichen Zusatz zu unterscheiden : etwa wirtschaftliche Schenkung und Verpflichtungsschenkung. Die Sache wird noch verwickelter dadurch, daß auch diese Verpflichtungsschenkung wieder verschiedenen Inhalt haben kann. Sie ist entweder auf die Veräußerung von Sachen oder anderen 6

S a v i g n y , System 4, 3.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

8

Schenkung.

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Gegenständen gerichtet oder aber auf andere Leistungen: z. B. darauf, daß eine Arbeit geleistet oder auf ein Recht verzichtet werden soll. Der vorliegende Titel des BGB. scheint sich gerade nur auf die Schenkungen von Gegenständen zu beziehen. Denn neben den Kauf, der die entgeltliche Veräußerung von solchen regelt, t r i t t die Schenkung als das Geschäft mit gleichem Inhalt, nur unentgeltlich. Dies würde dafür sprechen, nur die Schenkung von Gegenständen mit diesem Ausdruck zu bezeichnen. Aber dagegen spricht, daß die meisten Vorschriften dieses Titels sich auch auf die übrigen Verpflichtungen mitbeziehen. So dürfte es am richtigsten sein, unter dem Ausdruck „Schenkung" zwar nur die Verpflichtungsschenkungen, aber diese alle zu verstehen. § 53. Hiernach werden wir bei der Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen (§516 BGB.) die Frage nicht — wie das Gesetz und die Wissenschaft — so fassen, wann eine „Schenkung" vorliegt, sondern wann eine Zuwendung als „schenkweise" aufzufassen sei. Hierzu bedarf es zunächst einer Zuwendung, d. h. eines Aktes, der den anderen bereichert 7 . Ob eine solche auch ohne Bereicherung denkbar ist, ist belanglos, da nach dem Gesetz jedenfalls nur bereichernde Zuwendungen Schenkungen sein können. Aus demselben Grunde ist gleichgültig, ob auch ein Opfer zum Begriff der Zuwendung gehört 8 : jedenfalls ist es nötig, um sie zur Schenkung zu machen. Und wieder aus dem gleichen Grunde ist es unerheblich, ob man nur unentgeltliche Leistungen zu den Zuwendungen rechnen w i l l 9 — was übrigens dem Sprachgebrauch des Gesetzbuchs zuwiderläuft 10 . — Die Zuwendung kann, wie gesagt, in jeder beliebigen rechtlichen Form erfolgen : durch Schuldversprechen, Übertragung von Sachen oder Rechten, Verzicht, durch Gewährung von Diensten. Sie kann auch durch ein Geschäft mit einem Dritten bewirkt werden, besonders durch Überweisung von Geld auf das Bankkonto des anderen. Bei der Schenkung durch Begründung einer Schuld ist schon in dieser und nicht erst in ihrer Erfüllung die Zuwendung zu erblicken. — Immer aber ist dabei nötig, daß das Vermögen des Gläubigers vergrößert wird. Daher kann in der bloßen Sicherstellung einer Forderung, z. B. durch Verbürgung oder Verpfändung, eine solche nicht gesehen 7 8 8 10

v . T u h r , Allgemeiner T e i l 2, 2, 49. So C o s a c k - M i t t e i s § 75. S t a m p e 9 A n m . 1; P l a n c k 3 a zu § 2315. Vgl. einserseits § 2050, anderseits §§ 330, 882, 1369.

Begriff.

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werden. Nur ganz ausnahmsweise wäre dann anders zu entscheiden, wenn die Forderung sonst als ganz verloren und wertlos anzusehen wäre 11 . Diese Zuwendung muß aus dem Vermögen des Schenkers erfolgen (§ 516): dies muß also gemindert werden. Es ist das auch in der Weise möglich, daß ihm ein Gewinn entgeht, so wenn er dem andern die Nutzung von Geld oder Gebrauchsgeräten überläßt und dadurch selbst Einnahmen einbüßt — oder wenn er dem andern seine Zeit opfert und als Geschäftsmann dadurch eigenen Gewinn zu machen versäumt. Falls er dagegen den Gebrauch von Sachen oder Arbeiten liefert, ohne selbst dadurch Verluste zu erleiden, so liegt eine schenkweise Leistung nicht vor. Daher ist eine solche in einer Leihe oder einem Auftragsvertrag nicht enthalten. Wenn also ein Handwerker am Sonntag nachmittags aus Gefälligkeit eine Arbeit ausführt, so ist das nicht als Schenkung aufzufassen. Dies dürfte sich aber bei den Berufen anders verhalten, die nicht für die einzelne Arbeit bezahlt werden, sondern ihre Tätigkeit unentgeltlich gewähren und nur von den dadurch Unterstützten Zuschüsse erhalten, wie der Arzt oder Anwalt (unten § 103). Wenn ein solcher für einen andern kostenlos tätig wird, so ist das in der Tat als Schenkung anzusehen. Daher würde auch ein hierauf gerichtetes Versprechen der Schenkungsform unterworfen sein und der Rückforderung wegen Verarmung oder Verfehlungen unterliegen. Dagegen wird von den meisten die Natur der Schenkung für alle Arbeitsleistungen schlechthin verneint 12 . Die erwähnte Berücksichtigung des entgangenen Gewinns scheint im Widerspruch zu stehen mit der Vorschrift (§ 517 BGB.), daß es zur Schenkung nicht genügt, wenn jemand zum Vorteile eines andern einen Vermögenserwerb unterläßt. Aber dabei ist lediglich an solche Fälle gedacht, wo dieser Vorteil seinem Vermögen noch ganz fern geblieben war. Dagegen ist z. B. dem, der ein Kapital hat, dessen Zinsertrag bereits so sicher und gegeben, daß dessen Aufopferung als Minderung seines Vermögens und daher als Schenkung erscheint. Zu dem noch nicht gemachten Erwerb zählt das Gesetz auch die noch nicht endgültig erworbenen 11

O e r t m a n n 1 zu § 516; D e r n b u r g § 205; W e s t e r k a m p , Bürgschaft u n d Schuldbeitritt 554; w o h l auch R G . 54, 282ff. Anders R e i c h e l , Schuldmit Übernahme 190. 12 O e r t m a n n , Vorbemerkung 1 vor § 516 B G B . u n d Genannte.

8*

116

Schenkung.

Rechte, besonders das Erbrecht. Zwar ist der Erbe schon mit dem Erbfall Herr der Erbschaft geworden (§ 1922 BGB.): da er aber noch ausschlagen kann, ist sein Recht nur ein vorläufiges, und deshalb wird ein Verzicht darauf noch nicht als Schenkung gewertet (§ 517 BGB.). § 54. Die Zuwendung muß ferner —und das ist sehr wesentlich— eine u n e n t g e l t l i c h e sein. Dabei ist nicht etwa zu erfordern, daß sie aus Wohlwollen für den Beschenkten erfolge, sondern auch ein Danaergeschenk würde hierunter fallen 13 . Vielmehr ist darauf zurückzugehen, daß eine jede Zuwendung nur aus einem dreifachen Rechtsgrunde geschehen kann : um eine" Schuld zu tilgen oder ein Recht zu erwerben oder aber eben unentgeltlich (I, 387). Letztere Zuwendung liegt also überall da vor, wo weder die Tilgung einer Schuld noch der Erwerb eines Rechtes bezweckt wird. Es kommt nicht darauf an, ob dieser Erfolg wirklich erreicht wird, sondern ob das Geschäft nach dem Parteierklärungen darauf gerichtet ist. Wenn also diese von dem Bestehen einer Verpflichtung oder Gegenleistung ausgehen, so ist dies auch dann maßgebend, wenn eine solche nicht vorhanden ist. I n diesem Falle ist die Leistung grundlos, aber nicht unentgeltlich 14 . Es fragt sich also zunächst, ob eine Verbindlichkeit durch die Leistung getilgt werden soll. Wenn es sich um eine nicht-rechtliche Verpflichtung handelt, so ist dies nicht genügend und eine Schenkung gegeben, die daher auch der Formvorschrift des § 518 BGB. unterliegt. Streitig ist, ob das auch für eine sogenannte natürliche Verbindlichkeit gilt, d. h. eine solche, die nicht klagbar, aber doch zahlbar ist. Diese ist, weil ihr der Rechtszwang und damit die wesentliche Grundlage einer rechtlichen Verpflichtung fehlt, nicht als eine solche zu betrachten (I, 16ff.) und daher jeder andern nicht-rechtlichen Verbindlichkeit gleichzustellen 15 . Das wird auch durchaus durch § 534 BGB. bestätigt. Danach werden Schenkungen, die einer sittlichen oder Anstandspflicht entsprechen, nur von zwei bestimmten Vorschriften des Schenkungsrechts ausgenommen. Es gelten also dafür die anderen Bestimmungen, be13

R G . 72, 191. H a y m a n n , JheringsJ. 77, 241ff.; L i e b i s c h a. a. O. 49ff.; R G . 81, 364; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 120 A n m . 6. Anders R G . 105, 247ff.; v . T u h r , Allgemeiner T e i l 2, 2, 141ff. 15 R G . 125, 383; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 120 A n m . 6. Anders L i e b i s c h a. a. O. 39ff. 14

Unentgeltlichkeit.

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sonders die For m vor Schrift des § 518 BGB. Ein Zuschuß versprechen, das durch Sittlichkeit oder Anstand geboten ist, bedarf der öffentlichen Form. Nun ist aber gerade bei eben diesen Verbindlichkeiten nach § 814 BGB. die Rückforderung der Zahlung ausgeschlossen : sie sind die Hauptfälle einer sogenannten natürlichen Verpflichtung. Hieraus erhellt deutlich, daß deren Bestehen die Unentgeltlichkeit und die Schenkung nicht ausschließt. Man hat zwar zwischen den verschiedenen Arten solcher Verbindlichkeiten unterscheiden wollen, je nachdem, ob die sittliche Pflicht auf Erfüllung einer Schenkung gerichtet ist oder nicht 1 6 . Aber irgendein festes Mittel zur Abgrenzung ist dabei nicht angegeben. So erscheint es danach sehr zweifelhaft, ob man die freiwillige Gewährung eines Ruhegehalts an einen Angestellten als Schenkung betrachten soll. Eine sichere Grenze kann nur durch den Satz gewonnen werden, daß jede Erfüllung einer rechtlich ungültigen Schuld Schenkung ist. Allerdings wird man die Leistung oft auch dann als Erfüllung zu betrachten haben, wenn der Schuldner auf seine Schuld mehr bezahlt als er schuldet, z. B. ein Honorar nach oben abrundet 17 . Maßgeblich ist, ob dies nach dem Sinne der Gabe noch mit als Vergütung für die Arbeit oder aber als eine selbständige Zuwendung angesehen wird. Ferner kommt es darauf an, wie sich die Rechtslage endgültig darstellt. Nicht selten wird eine Leistung z. B. von Diensten erst unentgeltlich gemacht, hinterher aber doch eine Vergütung dafür bezahlt. Diese ist dann nicht als Schenkung anzusehen18. Denn hier haben die Parteien nachträglich die Abrede dahin umgewandelt, daß eine gegenseitige Leistungspflicht vorliegt, und auf sie wird die Zahlung gemacht. § 55. Von den zahlreichen Zuwendungen, die Eltern ihren Kindern machen, werden die meisten zur Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht erfolgen. Sind sie ihnen bei ihrer Verheiratung zur Begründung oder Erhaltung ihrer Wirtschaft oder zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung gegeben, so wird damit ersichtlich der Zweck verfolgt, diese Unterhaltungspflicht ganz oder 18

E n d e m a n n § 99 A n m . 18; R ü m e l i n , ZivArch. 97, 303ff. K ö h l e r 4, 240; v. S e e l e r , Glossen zur Praxis des Reichsgerichts 62 ff. 18 R G . 72, 191. 74, 296. 94, 323ff.; Recht 1909 N r . 1984; W a r n e y e r 1911 N r . 20, 1914 N r . 317, 1917 N r . 202; SeuffA. 70 N r . 212, 74 N r . 166, 76 N r . 138; J W . 1927, 1190; O e r t m a n n a. a. O. 37ff.; L i e b i c h a. a. O. 35ff.; S i b e r , JheringsJ. 70, 254ff. 17

Schenkung.

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teilweise abzufinden. So erklärt sich die Vorschrift des Gesetzes (§ 1624 BGB.), daß eine solche Ausstattung, insoweit sie sich in den entsprechenden Grenzen hält, nicht als Schenkung gilt. Manche Leistungen erfolgen auch als Vorauszahlungen auf das Erbrecht der Kinder (§ 2050BGB.): da diesen aber noch kein Anspruch darauf zusteht, wird die Natur als Schenkung dadurch allein nicht ausgeschlossen. Wenn der Vater seiner Tochter bei ihrer Heirat Zuwendungen macht oder verspricht, so werden diese, soweit sie angemessen sind, unter den Begriff der Ausstattung und daher nicht unter den der Schenkung fallen. Sehr oft aber wird eine Zuwendung von Kapital oder Zuschüssen nicht der Tochter, sondern dem Schwiegersohn versprochen. Die Annahme, daß dies eine Schenkung sei, muß dazu führen, hierfür die Form der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung zu fordern 19 . Dies ist aber äußerst mißlich: denn da nur sehr wenige Schwiegerväter eine solche Erklärung in notarieller Form abgeben werden, so würden fast alle diese Versprechen nichtig sein. Das ist gewiß ein trostloses Ergebnis. Die neue Rechtsprechung hat es daher abgelehnt und sich für die Formfreiheit ausgesprochen 20. Dies richtige Ergebnis läßt sich dadurch erreichen, daß man das Versprechen als das auffaßt, was es der Sache nach sein soll : nämlich eine Zuwendung an die Tochter zur Abfindung wegen ihres Unterhaltsanspruchs 21 . Es handelt sich also um eine Art Ausstattung, die eigentlich nur vom Ehemann verwaltet werden soll, ihm aber in fiduziarischer Weise unmittelbar zugewendet wird. Man wird auch dazwischen keinen Unterschied zu machen haben, ob der Schwiegersohn selbst den Zuschuß erhält oder aber nur das Versprechen, daß er seiner Frau gegeben werde 22 : denn derartige Unterscheidungen werden den Parteien gar nicht genau zum Bewußtsein kommen. Danach ist auch das Versprechen des Vaters an den Schwiegersohn, wenn es lediglich als Unterhalt für die Tochter gedacht ist und die angemessene Höhe nicht übersteigt, als eine Art Ausstattung oder doch wenigstens in Analogie zu dieser von der Schenkung ausgenommen und der Form befreit. 19

So i n der T a t . R G . SeuffA. 59 N r . 181; K G . daselbst N r . 76; ferner SeuffA. 64 N r . 9. 20 R G . 67, 204ff.; SeuffA. 62 N r . 61, 74 N r . 60; GruchBeitr. 51, 376. 55, 920; ähnlich auch schon R G . 62, 273ff. 21 22 R G . 67, 206. W i e H a y m a n n a. a. O. 129ff.

Ausstattung.

119

Zu demselben Ergebnis sucht die herrschende Lehre auf einem anderen Wege zu kommen. Sie betrachtet die gewährten Zuwendungen als Gegenleistung für die Eheschließung und die damit erfolgende Übernahme der Ehelasten und leugnet aus diesem Grunde den Schenkungscharakter 23. Richtig ist, daß es Parteien gibt, die die Eheschließung so auffassen. Aber das allein kann nicht genügen, sondern es muß dies in den Abmachungen der Parteien als beabsichtigt hervortreten, der Sinn des Geschäftes muß darauf gerichtet sein. Das läßt sich nun für eine normale Ehe sicherlich nicht behaupten. Man kann dort nicht ohne weiteres sagen, daß die Eheschließung als Gegenleistung für die Ausstattung aufgefaßt werde: hier stehen ganz andere Triebkräfte im Vordergrunde, und die wirtschaftlichen Erwägungen sind nur sekundäre Folgen. Auch wird die wirtschaftliche Leistungskraft der Frau bei dieser Betrachtung sehr unterschätzt : sie kostet nicht nur Unterhalt, sondern leistet auch etwas. Der Fehler wird auch noch nicht dadurch vermieden, wenn man weiterhin verlangt, daß die Verknüpfung der Eheschließung mit der Zuwendung und deren Bedeutung für die Interessen des Gebers im Geschäft zum Ausdruck gekommen sei 24 . Denn das würde schließlich für die meisten Eheschließungen bejaht werden können. Die meisten Gegner scheuen sich freilich soweit zu gehen. Sie fordern, daß im einzelnen Falle noch geprüft werden solle, ob die Parteien ausgesprochenermaßen die Eheschließung und das Mitgiftversprechen als Gegenleistungen einander gegenübergestellt haben 25 . Aber damit wird wieder einmal dem Gericht eine unlösbare Aufgabe gestellt. Es gibt zwar vereinzelte Fälle, wo sich eine solche Abrede in der Tat feststellen läßt: so in dem vom Reichsgericht entschiedenen, wo der Schwängerer eines Mädchens, der dies vertuschen wollte, jemandem 3000 Mark versprochen hat, damit er es heirate 26 . Hier läßt sich in der Tat annehmen, daß diese beiden Leistungen als gegenseitige bezeichnet sind. Aber das darf man nicht auf eine 28

D e r n b u r g I § 205 A n m . 13, 14; O e r t m a n n a. a. O. 17ff., 76ff. u n d 1 vor § 516; L a n d s b e r g 18ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 120; P l a n c k 3 zu § 516; N e u b e c k e r , M i t g i f t 227ff.; H a y m a n n a. a. 125ff.; R G . 62, 273; SeuffA. 62 N r . 61. Anders R G . J W . 1903 Beil. 129; SeuffA. 59, 139, 319. 24 W i e H a y m a n n a. a. O. 134 A n m . 1. 25 So die Obengenannten, außer H a y m a n n a. a. O. 2 · R G . 62, 273ff.

120

Schenkung.

Stufe stellen, nicht einmal in einem Atem nennen mit Zuwendungen, die der Vater oder die Mutter ihrer Tochter machen. Hier ist der viel näher liegende und gesündere Gesichtspunkt, daß sie damit ihrer Unterhaltspflicht genügen. Es wird schwerlich vorkommen, daß sie etwas anderes zum Ausdruck bringen. Selbst in solchen Fällen, wo das Geld wirklich den Ausschlag gibt, werden die Parteien sich fast immer scheuen, offen von einer Gegenleistung zu reden 27 . Die meisten Gegner suchen daher nach einem deutlicheren Merkmal und glauben es in der Frage zu finden, ob der Empfänger der Mitgift eben durch sie zu der Heirat bestimmt worden ist oder auch sonst geheiratet haben würde 28 . Aber damit wird eine Frage aufgeworfen, die sich gleichfalls kaum beantworten läßt und ebenfalls äußerst peinlich ist. Ferner führt die Gegenansicht zu einem sehr unerfreulichen Ergebnis : der Schwiegersohn, der sich wegen des versprochenen Zuschusses rechtlich sichern will, wird genötigt, dabei zu betonen, daß er diesen als Gegenleistung dér Ehe betrachte, also auf Deutsch gesagt, daß er nur um des Geldes willen heirate. Endlich muß die Auffassung der Gegner dahin führen, daß auch übermäßig hohe Zuwendungen vom Schenkungsrecht auszunehmen wären —was ebenfalls sehr mißlich ist. Viel richtiger ist es, gemäß § 1624 BGB. nur die Zuwendungen, die den Vermögensverhältnissen entsprechen, als Ausstattung anzusehen und von der Schenkung auszuschließen. — Die Eltern erfüllen ihre Unterhaltspflicht sehr häufig in der Form, daß sie ihren minderjährigen Kindern etwas schenken: Kleider, Bücher, Spielzeug, auch Geld Auch darin wird meistens nicht eine eigentliche, rechtlich verbindliche Schenkung zu erblicken sein. Sondern es bedeutet regelmäßig nicht mehr als die elterliche Bestimmung, daß dem Kinde diese Sachen zur Benutzung zustehen sollen. Daraus ergibt sich, daß die Eltern sie widerrufen können: nicht nur aus triftigen Gründen des Erziehungsrechts, sondern auch aus Geldmangel oder weil sie die Sachen anderweitig gebrauchen. So kann ein Kind nicht rechtlich dagegen vorgehen, wenn die Eltern ihm ein Kleidungsstück oder Fahrrad entziehen, um es etwa einem anderen Kind zu geben. Selbst wenn sie ihm Geld gegeben oder für es auf der Sparkasse eingezahlt haben, so wird das regelmäßig nur als eine familien27 28

So r i c h t i g R G . a. a. O. 277. E n n e c c e r u s , R G . a. a. O. O.

Unentgeltlichkeit.

121

rechtliche Maßnahme zu betrachten sein, die dem Kind nicht ein eigenes Recht gibt und daher vom Vater nach seinem Ermessen widerrufen werden kann. § 56. Nach dem bisherigen wird die Unentgeltlichkeit dadurch ausgeschlossen, daß zur Erfüllung einer Schuld geleistet wird. Das gleiche t r i t t ferner da ein, wo eine Gegenleistung gemacht werden soll. Es kommt auch hier darauf an, wie sich die Abmachungen endgültig darstellen (oben S. 117). Ein Entgelt liegt nicht nur da vor, wo es von den Parteien vereinbart ist, sondern auch, wo das Gesetz eine Gegenleistung vorschreibt: insbesondere bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, wo für die Aufwendungen Ersatz zu leisten ist (§683 BGB.). Daher ist in der Geschäftsführung eine Schenkung nicht zu erblicken — oder doch nur dann, wenn der Führer nicht die Absicht hatte, von dem Herrn Ersatz zu verlangen (§ 685 BGB.). Letzteres soll ohne weiteres angenommen werden, wenn Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen oder umgekehrt Unterhalt gewähren (§ 685 I I BGB.) oder ein im elterlichen Hausstand lebendes volljähriges Kind Aufwendungen für diesen macht (§ 1618 BGB.). Auf andere Verwandten läßt sich das nicht ohne weiteres übertragen. Bei einer Zuwendung durch Vertrag liegt eine Gegenleistung nur da vor, wo nach dem Vertragssinn der Zuwendung ein Erfolg als Entgelt gegenübergestellt wird. A m deutlichsten t r i t t das beim gegenseitigen Vertrage hervor. Aber es ist nicht nur auf ihn zu beschränken. Auch ohne diese enge Abhängigkeit kommt es vor, daß eine Leistung mit einer Gegenleistung verknüpft wird: wenn z. B. ein Anlieger einen Streifen an die Stadt abtritt, damit dort die Straße ausgebaut wird. Auch ein solcher Zusammenhang muß genügen 29 . Man hat es darauf, abgestellt, ob die Leistung sich als Gegenwert ,,im Rechtssinn" darstellt 30 . Ich möchte vielmehr als maßgebend bezeichnen, ob der zuwendende Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend auf sie Bezug nimmt. Den Gegensatz bilden die häufigen Fälle, wo nicht nach dem Inhalt des Vertrags ein solcher Zusammenhang besteht, sondern die Zuwendung nur psychologisch durch eine verdienstliche Handlung des Gegners (in der Vergangenheit oder 29

O e r t m a n n a. a. O. 15ff.; v . T u h r 3, 139; L i e b i s c h a. a. O. 28; R G . W a r n e y e r 1911 N r . 174, 1916 N r . 14. 30

Besonders O e r t m a n n a. a. O., 1 zu § 516.

122

Schenkung.

Zukunft) verursacht wird. Dahin gehört insbesondere die Schenkung aus Dankbarkeit, die man oft als belohnende Schenkung bezeichnet. Aber dieser Beweggrund ändert nichts daran, daß eine Schenkung vorliegt, und auch nichts an ihrer rechtlichen Behandlung. § 57. Über diese Unentgeltlichkeit muß ein Vertrag geschlossen werden. Bei der Frage, ob die Schenkung einen Vertrag erfordert, ist nämlich zu unterscheiden. Die Zuwendung selbst kann auch ohne einen solchen erfolgen, z. B. durch Einzahlung von Geld auf das Bankkonto des anderen. Aber damit diese Zuwendung zur Schenkung werde, dazu bedarf es einer Einigung über die Unentgeltlichkeit. Dieser Unterschied ist in § 516 BGB. sehr deutlich ausgesprochen: ,,eine Zuwendung . . ., ist Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt". Wenn diese Einigung nicht zustande kommt, z. B. weil der Empfänger ein Recht auf diese Leistung zu haben behauptet, so ist die Zuwendung erfolgt, aber ohne rechtlichen Grund und daher zurückzufordern (§ 812 BGB.). Falls diese Frage nicht geklärt ist, kann der Zuwendende den Gegner unter Fristsetzung zur Erklärung über die Annahme auffordern — mit der fürchterlichen Drohung, daß beim Schweigen die Schenkung angenommen ist (§ 516 I I BGB.). Dieser Vertrag, der den Grund der Leistung bestimmt, ist ein Rechtsgrundgeschäft (oben S. 112). Er ist nicht, wie meist behauptet wird, ein schuldrechtlicher Vertrag, da er keine Verpflichtung begründet. Es sind auch die Vorschriften über diesen nicht anwendbar, insbesondere nicht die Formvorschriften. Sowreit er freilich auf ein Schuldverhältnis Bezug nimmt, muß dieses rechtsgültig, daher auch in der gesetzlichen Form entstanden sein. Wenn jemand z. B., der ein Grundstück kaufen will, darauf schon 1000 Mark anzahlt, so ist die Abrede, daß dies zur Tilgung der Kaufschuld dienen soll, zwar rechtsgültig: da aber letztere noch nicht besteht, ist es doch zunächst nur erst eine Zahlung auf eine Nichtschuld. Indessen kann sie durch nachträglichen Abschluß des notariellen Vertrags zur vollwirksamen Schuldzahlung werden. Wenn diese Abrede über den Rechtsgrund also auch keine Schuldpflicht erzeugt, so schafft sie doch den Rechtsgrund der Leistung und damit eine rechtliche Wirkung. Daher ist in ihr ein Rechtsgeschäft, ein Vertrag enthalten 31 . 31

104 ff.

Z u Unrecht bestritten von K o h l e r 1, 551ff.; H a y m a n n a. a. O.

Vertrag.

123

Der Vertrag braucht sich nur darauf zu beziehen, daß die Zuwendung unentgeltlich ist. Die übrigen Momente, daß sie aus dem Vermögens des Schenkers erfolgt und den anderen bereichert, braucht sie nicht mit zu umfassen. Es ist daher nicht genau, wenn der Inhalt dieser Abmachung vielfach dahin bestimmt wird, daß die Parteien sich über die Natur als Schenkung einig sein müßten. § 58. Die schenkweise erfolgten Zuwendungen können sehr verschiedene Rechtsnatur haben: eine Übertragung von Sachen und Forderungen, eine Verpflichtung und anderes kann darin enthalten sein. Die Wirkung muß daher bei jeder von ihnen verschieden sein und es lassen sich keine allgemeine Regeln darüber aufstellen. Gemeinsam ist nur, daß bei ihnen allen gewisse Einschränkungen gelten. Zunächst kann sich der Schenker auf eine nachträglich eingetretene Notlage berufen. Vorausgesetzt ist, daß sein standesmäßiger Unterhalt oder seine gesetzlichen Unterhaltspflichten gefährdet werden. Dabei sind auch seine Schulden zu berücksichtigen. Unter den Ansprüchen mehrerer Beschenkter geht der ältere vor (§ 519 I I BGB.). Auf dies Notrecht kann nicht verzichtet werden. — Die Folge der Notlage ist zunächst, daß der Schenker die Erfüllung seines Schenkungsversprechens verweigern kann (§ 519 BGB.) 3 2 . Wenn sich später seine Verhältnisse bessern, muß die Klage jetzt erfolgreich wiederholt werden können 33 . I m Falle einer Schuldübernahme steht die Einrede auch dem neuen Schuldner zu, wie sich aus § 417 BGB. ergibt 34 . Außerdem kann der Schenker sogar auch noch nach der Leistung das Geschenk wegen seiner Notlage zurückfordern (§ 528 BGB.), und zwar im wesentlichen nach den Regeln des Ausgleichsanspruchs (§§812 ff.). Aber dieser Anspruch ist gegenüber der vorher besprochenen Einrede mehrfach abgeschwächt. Von den Unterhaltsberechtigten kommt hier nicht ein uneheliches Kind i n Betracht. Eine bloße Gefährdung des Unterhalts genügt nicht, vielmehr muß dessen Erfüllung schon unmöglich geworden sein. Der Beschenkte kann die Herausgabe des Geschenks durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrags abwenden. Der An82 R ü t t e r , GruchBeitr. 46, 43ff.; R a d i c k e , B ü r g A . 32, 398ff.; Z i p p e r l i n g , Wesen des beneficium competentiae. 88 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 122; P l a n c k zu § 509; anders H e l l w i g , Anspruch u n d Klagerecht 307 A n m . 5. 84 E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. A n m . 5; anders R e i c h e l , Schuld^ mitübernähme 391; O e r t m a n n 4 zu § 519.

Schenkung.

124

spruch ist ausgeschlossen, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, oder wenn der Unterhalt des Beschenkten durch die Herausgabe gefährdet werden würde oder seit der Leistung zehn Jahre verstrichen sind (§ 529 BGB.). Sehr nahe verwandt hiermit sind die Rechte eines Pflichtteils berechtigten, der durch eine Schenkung des Erblassers benachteiligt ist. Er kann sich zwar zunächst nur an den Erben halten und von ihm entsprechende Erhöhung des Pflichtteils fordern (§§ 2325 ff. BGB.). Soweit dieser aber nicht zur Erhöhung des Pflichtteils verpflichtet ist, insbesondere weil der Nachlaß dazu nicht ausreicht, hat der Pflichtteilsberechtigte einen unmittelbaren Anspruch gegen den Beschenkten auf Herausgabe des Geschenks in Höhe seiner Bereicherung (§ 2329 BGB.). Dieser ist dem Rückforderungsanspruch des § 528 nahe verwandt: letzterer gründet sich darauf, daß das Vermögen des Klägers nicht mehr ausreicht, jener darauf, daß das seines Erblassers unzureichend geworden ist, um die Pflichtteilsrechte zu decken 35 . — Die Bestimmungen der §§ 528ff. hätten gerade in der Nachkriegszeit sehr vielen verarmten Familien die Möglichkeit geboten, früher gemachte Stiftungen und ähnliches zu widerrufen. Leider scheinen sie davon wenig Gebrauch gemacht zu haben — teils wegen der Schwierigkeiten der Inflationszeit, teils aus Rechtsunkenntnis. § 59. Ferner kann eine Schenkung wegen groben Undanks, richtiger wegen einer Verfehlung widerrufen werden (§§ 530 ff. BGB.). Denn dazu genügt nicht eine jede beliebige Undankbarkeit, sondern nur eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder dessen nahe Angehörigen. Es ist nicht nötig, daß zwischen der Schenkung und dieser Verletzung irgendein innerer Zusammenhang besteht 36 : nur muß der Beschenkte überhaupt von der Schenkung Kenntnis haben. Der Anspruch wird ausgeschlossen durch Verjährung, Ablauf eines Jahres oder einen Verzicht, der aber erst nach Kenntnis der Verfehlung zulässig ist (§§ 532, 533 BGB.). An Beschränkungen ist ferner zu erwähnen, daß die Schenkung an die tote Hand in Preußen beschränkt ist, derart, daß eine solche über 5000 Mark staatlicher Genehmigung unterworfen wird 3 7 . 35

Mein Erbrecht zu § 2329 B G B . « R G . GruchBeitr. 53, 982ff.; W a r n e y e r 1920 N r . 169. 37 A r t . 86, 79 B G B . , A r t . 6, 7 Preuß. AusfGes. 3

Einschränkungen.

125

Ferner sind Schenkungen den Verwaltern fremden Vermögens meist verboten (z. B. §§ 1641, 1804, 2205 BGB.). Weit bedeutsamer aber sind die Bestimmungen, wodurch die Schenkungen gegenüber anderen, Vollgläubigern zurückgesetzt werden. Den deutlichsten Ausdruck findet dieser Gedanke in den Vorschriften der Konkurs Ordnung, daß Forderungen aus einer Freigebigkeit im Konkurse überhaupt nicht berücksichtigt werden (§ 63 KO.) und im Nachlaß konkurse erst hinter den übrigen Forderungen {§ 226). Und selbst wenn die Schenkung schon erfüllt ist, kann sie noch nachträglich von den Gläubigern angefochten werden, im Konkurse und außerhalb (§ 32 KO., § 3 Anfechtungsgesetz). Besonders erleichtert ist dies bei Schenkungen an den Ehegatten, während das noch weitergehende Verbot solcher Schenkungen im römischen Recht jetzt stillschweigend beseitigt ist. Ebenso kann auch der Nacherbe, der Pflichtteilsberechtigte und der Vertragserbe sich gegen die Verkürzung durch Schenkungen wenden (§§ 2113, 2325ff., 2287 BGB.). — § 60. Die bisherigen Vorschriften bezogen sich auf alle Schenkungen im weiteren Sinn — oder nach unserer Ausdrucksweise nicht nur auf die eigentlichen (schuldrechtlichen) Schenkungen, sondern auch auf die sonstigen schenkweisen Zuwendungen. Dagegen gelten die wichtigsten Vorschriften des zweiten Titels (§§518 bis 524) nur für die eigentlichen Verpflichtungsschenkungen, und gerade das hat uns besonders veranlaßt, nur auf diese den Namen Schenkung anzuwenden (oben S. 113). Diese Bestimmungen sind aber anderseits auf alle Verpflichtungen anwendbar, nicht nur auf solche, die auf die Veräußerung von Gegenständen gerichtet sind. Wenn das Gesetz z. B. die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einschränkt (§ 521), so gilt das auch für eine Schenkung, die auf die Leistung einer Tätigkeit gerichtet ist. Hat sich der Schenker etwa zur Löschung einer Hypothek verpflichtet, so würde er, wenn er dies durch gewöhnliche Fahrlässigkeit verzögert, nicht haftbar sein. Eben dies hat uns veranlaßt, alle Verpflichtungsschenkungen mit dem Ausdruck Schenkung zu bezeichnen, gleichviel, ob sie auf die Lieferung von Gegenständen oder andere Leistungen gerichtet sind. Für die Verpflichtungsschenkung ist vor allem eine strenge Form vorgeschrieben (§ 518 BGB.). Wenn eine unmittelbare Leistung zu Schenkzwecken gemacht wird, so bedarf das keiner

Schenkung.

126

Form: so wenn Sachen übereignet, Forderungen abgetreten 38 , Pflichten erlassen werden 39 . Auch hier t r i t t wieder deutlich hervor, daß die Abtretung und der Erlaß nicht schuldrechtliche Geschäfte sind, wie die herrschende Meinung behauptet, sondern vielmehr dingliche Geschäfte, die sich nur auf ein Schuldverhältnis beziehen (I 61 ff., 671 ff.). Wenn die Verfügung erst auf eine spätere Zeit befristet ist, also etwa erst nach dem Tode des Schenkers wirksam werden soll, so steht das dem Gesagten nicht entgegen, Wohl aber ist erforderlich, daß damit schon endgültig und unwiderruflich verfügt worden ist. Hat sich der Schenker also noch das Bestimmungsrecht über die Sache oder Forderung vorbehalten, so ist eine wirkliche Übertragung noch nicht erfolgt und die Schenkung daher wegen Formmangels nichtig 4 0 . Daher genügt auch noch nicht ein bloßer Auf trag an einen anderen, daß er einem Dritten später Gegenstände aushändigen solle 41 . Anders dagegen, wenn er jemanden beauftragt und ermächtigt, nach seinem Tode von einem Dritten etwas einzuziehen. Denn darin ist eine wirkliche Abtretung dieses Anspruchs zu erblicken 42 . — Nach diesen Vorschriften kann ein bedeutendes Vermögen ohne jede Form verschenkt werden, und das ist doch nicht unbedenklich. Man meint zwar, wer Wertstücke so aushändige, werde es sich wohl genügend überlegt haben; aber diese Annahme trifft eben nicht immer zu. Vorsichtiger waren die Römer, die für große Schenkungen stets eine Form verlangten. Ganz anders behandelt das Gesetz die Schenkung, die nur eine Verpflichtung begründet: sie bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung (§ 518) 43 . Nach unserer Ausdrucksweise wäre kurz zu sagen, daß jede eigentliche Schenkung formbedürftig ist, nicht aber eine andere Zuwendung zu Schenkungszwecken (oben S. 113). Die Form wird nicht für den ganzen Vertrag erfordert, sondern nur für die Erklärung des Schenkers, leisten zu wollen, das sogenannte Schenkungsversprechen : also nicht auch für dessen Annahme und nicht für die Einigung über die Unentgeltlichkeit. 88

R G . GruchBeitr. 50, 651; J W . 1910, 329; W a r n e y e r 1916 N r . 74. R G . 53, 294. 40 K G . O L G . 9, 33; R G . D J Z . 1904, 697. 41 R G . 83, 223ff. 42 Ä h n l i c h O e r t m a n n , Bankarchiv 13, 10, 3 zu § 518 gegen S p i e l m a n n s Recht 1924, 403. 48 O p p e r h e i m , Schenkungsversprechen ; R e i c h e l , ZivArch. 104, 12 ff. 39

Verpflichtung.

127

Wenn eine selbständige Schuldbegründung durch abgelöstes Schuldversprechen oder Anerkenntnis erfolgt (§§ 780ff. BGB.), so könnte man das so auffassen, daß damit schon eine Leistung erfolgt und daher die Form entbehrlich sei. Aber das Gesetz (Absatz I I ) entscheidet umgekehrt : denn auch hier liegt doch schließlich nicht mehr als eine Verpflichtung durch Worte vor, und die Gefahr der Übereilung ist nur ein wenig durch die Schriftform vermindert. Dasselbe wird man auch für den Wechsel und andere abgelöste Schuldgeschäfte annehmen müssen, da auch hier die rechtliche und sachliche Lage die gleiche ist 4 4 . Auch beim Vertrag zu Rechten Dritter liegt es ganz ähnlich. Auch hier könnte man sagen, daß schon durch diesen Vertrag dem Dritten ein Recht zugewendet, also schon eine fertige Leistung gemacht werde. Aber schließlich liegt auch hier doch nicht mehr als ein bloßes Versprechen vor, und die Gefahr der übereilten Eingehung ist hier daher ebenso groß. Deshalb muß auch hier die Formvorschrift des § 518 wenigstens entsprechend angewendet werden (I, 364 ff.). Der Mangel der Form wird durch die nachträgliche Bewirkung der Leistung geheilt (§ 518 I I BGB.) 4 5 . Bloß vorbereitende Handlungen genügen dazu nicht 4 6 . Eine teilweise Erfüllung hat auch eine teilweise Heilung zur Folge 47 . — M a n hat freilich diese ganze Rechtsform der Heilung hier für überflüssig erklären wollen: die Einigung habe hier lediglich die Bedeutung, daß für die vorherige Leistung ein Rechtsgrund geschaffen werde, sie enthalte also kein Verpflichtungs-, sondern nur ein Rechtsgrundgeschäft 48. I n der Tat könnte man mit dieser Auffassung auch auskommen. Aber wir brauchen nicht ohne zwingenden Grund von der Anschauung des Gesetzes abzugehen — umsomehr als diese sich bei den zweiseitig verpflichtenden Geschäften (z. B. § 313 BGB.) doch als notwendig erweist. § 61. Ferner gelten für die Schenkungspflichten folgende Regeln : 44

D e r n b u r g 2 § 206; v . T u h r , Abstrakte Schuldenträger 17ff.; R G . 71, 289; D J Z . 1909, 1265; W a r n e y e r 1918 N r . 165; jetzt auch O e r t m a n n 3 u n d P l a n c k 2 zu § 518. 45 R e i c h e l , ZivArch. 104, 12ff.; R G 71, 291. 101, 101; W a r n e y e r 1912 N r . 101. 48 R G . J W . 1904, 337; R G . 83, 223ff. 47 R G . GruchBeitr. 60, 1002. 48 S i b e r , JheringsJ. 70, 237ff.

128

Schenkung.

1. Der Schenker hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, § 521 BGB. 2. Er ist zur Entrichtung von Verzugszinsen nicht verpflichtet, § 522 BGB., wohl aber haftet er für Prozeßzinsen nach § 291 BGB. 3. Wegen eines Rechtsmangels ist er grundsätzlich nicht haftbar. Er haftet nur bei arglistigem Verschweigen auf das sogenannte negative Vertragsinteresse, besser für den Irrtumsschaden (§ 523 BGB.). Wenn er aber den Gegenstand erst erwerben sollte, so ist er auch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei diesem Erwerbe haftbar (§ 523 I I ) . Das kann aber nur für gattungsmäßig bestimmte Sachen gelten: ist eine Einzelsache geschenkt, so würde ihr Erwerb ja ungeachtet des Mangels als Erfüllung der Vertragspflicht anzusehen sein 49 . Eine noch weitere Haftung kann sich aus einem besonderen Garantie versprechen ergeben. 4. Auch bei Sachmängeln haftet er nur, wenn er den Fehler arglistig verschwiegen hat, für den Irrtumsschaden (§ 524 BGB.). Daß er den Mangel kannte, macht ihn allein nicht haftbar: sehr viele Sachen werden trotz ihrer Mängel verschenkt, und es gilt hier der Satz von dem geschenkten Gaul. Der Schenker muß vielmehr arglistig, d. h. in böser Absicht gehandelt haben. Wenn der Schenker aber gattungsmäßig eine Sache verspricht, die er erst erwerben soll, und er liefert vorsätzlich oder grobfahrlässig eine mangelhafte, so ist er zur Lieferung einer fehlerfreien verpflichtet (§ 524 I I ) . Bei Arglist haftet er sogar auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Dieser Anspruch fällt, wie ganz überwiegend anerkannt wird, mit unter den Begriff der Gewährleistung. Zwar hat man das bestritten, weil eine solche sich auf die Gleichmäßigkeit der Leistungen gründe und daher nur bei gegenseitigen Verträgen vorkommen könne 50 . Aber das Gesetz (§ 524) läßt in seinem Schlußsatz deutlich erkennen-9daß es diesen Anspruch als Gewährleistung auffaßt: und das beweist eben, daß jene Auffassung von der Gewähr nicht zutrifft. 5. Wenn eine Unterstützung in wiederkehrenden Leistungen versprochen ist, so erlischt diese Verpflichtung im Zweifel mit dem Tode des Schenkers (§ 520 BGB). — § 62. Ein Schenkungsversprechen auf den Todesfall hat eine große Ähnlichkeit mit den erbrechtlichen Bestimmungen und wird 49 60

O e r t m a n n 2 zu § 523 u n d Genannte. S ü ß , Wesen u n d Rechtsgrund der Gewährleistung I I I ff·

Auf den Todesfall.

129

daher vorwiegend nach deren Regeln behandelt (§ 2301 BGB.). Es muß, wie das Gesetz vorschreibt, von der Bedingung abhängig gemacht sein, daß der Beschenkte den Schenker überlebt. Eben daraus erhellt nämlich, daß er nur aus seinem Nachlasse diese Zuwendung machen will. Davon ist der Fall zu unterscheiden, daß er lediglich von der Annahme des Überlebens ausgegangen ist. Diese allein kann nicht genügen, um eine Schenkung von Todes wegen zu begründen 51 . Sonst käme man zu dem Ergebnis, daß alle Schenkungen an Staat, Kirche und dauernde Vereine und außerdem auch fast alle von alten an jüngere Personen hierher zu rechnen wären. Die Folge davon wäre, daß dafür die gerichtliche oder notarielle Beurkundung nicht genügte und daher fast alle Schenkungsversprechen nichtig wären. Vielmehr muß i m Vertrage ausgedrückt sein, daß die Schenkung nur beim vorherigen Versterben des Schenkers gelten solle. Auch diese Schenkung erfordert wie jede andere einen Vertrag: sonst wäre es überhaupt nicht möglich, sie von einer letztwilligen Verfügung zu unterscheiden 52. Wenn ein solches Versprechen schon bei Lebzeiten vollzogen wird, so finden darauf die Vorschriften über die Schenkung unter Lebenden Anwendung (§ 2301 I I BGB.): genauer, es liegt hier eine gewöhnliche Leistung mit Schenkungszweck vor. I m anderen Falle sind darauf die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen anzuwenden; vor allem ist die Form des Erbvertrags erforderlich. Die Erteilung eines abgelösten Schuldversprechens oder -anerkenntnisses wird auch hier nur als bloße Verpflichtung, nicht schon als Vollziehung gewertet (§ 23011 2). § 63. Unter der sogenannten g e m i s c h t e n S c h e n k u n g 5 3 versteht man Fälle, wo jemand dadurch eine Schenkung macht, daß er mit einem anderen einen für diesen vorteilhaften Vertrag schließt. Er verkauft ihm z. B. eine Sache billig oder kauft sie ihm teuer ab oder schließt einen günstigen Dienstvertrag mit ihm ab. Nötig ist dabei, daß dieser Charakter der Zuwendung im Geschäfte zum Ausdruck kommt. Es genügt nicht, daß ein Vertrag mit ungleichen Verpflichtungen geschlossen, z. B. eine Sache sehr billig verkauft wird. Man sagt hier wohl im Leben, die Sache sei 61

Anders R G . 83, 226. Mein Erbrecht I I I zu § 2301. 63 L a m m f r o m m , Teilung, Darlehen; M ü l l e r , JheringsJ. 48, 209ff.; S c h r e i b e r , daselbst 60, 106ff.; W e i r a u c h , GruchBeitr. 48, 229ff.; G o l d s c h m i d t , Gemischte Schenkung. 52

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

9

130

Schenkung.

geradezu geschenkt; aber rechtlich liegt ein reiner Kauf vor. — Die gemischte Schenkung hat man früher meist in zwei Teile, eine Schenkung und einen Kauf zerlegen wollen 54 . Aber es ist ein einheitlicher Akt, der nicht zerrissen werden darf 55 . Daher ist er insbesondere auch nicht so aufzufassen, daß ein Kauf vereinbart und ein Teil des Kaufpreises schenkweise erlassen werde 56 . Diese Auffassung mag dann berechtigt erscheinen, wenn die Herabsetzung des Preises nachträglich erfolgt, aber nicht für den gewöhnlichen Fall, wo alles gleichzeitig vereinbart ist. Zu einer Zerreißung führt auch die andere Ansicht, wonach nur ein Teil des Leistungsgegenstandes geschenkt wird. Und zwar bezeichnet man als solchen gewöhnlich den, der durch den Wert der Gegenleistung nicht gedeckt w i r d 5 7 . Indessen kommt es doch nicht auf das objektive Wertverhältnis, sondern auf den Sinn des Vertrags an : daher müßte man dann schon eher den Teil herausheben, der nach dessen Inhalt als nicht bezahlt anzusehen ist 5 8 . Aber gegen beide Fassungen spricht eben, daß auch hier Einheitliches auseinander gerissen wird — zwar nicht der Vertrag, wohl aber der Leistungsgegenstand. Daher nimmt man jetzt meist mit Recht an, daß ein einheitlicher Vertrag auf eine einheitliche Leistung vorliege. Die meisten begnügen sich nun mit der Auffassung, daß es ein einheitliches Geschäft, teils aus Kauf, teils aus Schenkung bestehend sei und sich daher teils nach den Regeln des Kaufs, teils denen der Schenkung richte (sog. Einheitstheorie) 59 . Aber das ist nicht nur sehr unbestimmt, sondern auch widerspruchsvoll. Denn Kauf und Schenkung enthalten nach dem Gesetz unmittelbare Gegensätze: der eine Vertrag ist entgeltlich, der andere unentgeltlich. Ein Geschäft kann daher wohl teilweise das eine oder andere, aber nicht zugleich beides sein. — Wesentlich deutlicher ist endlich die Ansicht, daß die Schenkung auf den Abschluß des Kaufvertrags gerichtet sei 60 . Diese Lehre dürfte in der Tat das richtige treffen. 54 S a v i g n y , System 4, 99ff.; R e g e l s b e r g e r , Pandekten § 168; W e i r a u c h a. a. O. 144ff. 65 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 124; M ü l l e r a. a. O. 211ff.; R G , 60, 238ff.; Recht 1918 N r . 850. 56 So L a m m f r o m m a. a. O. 135 ff ; D e r n b u r g § 210. 67 P l a n c k 6; S t a u d i n g e r 3; R G . 68, 328; ähnlich W e i r a u c h 245. 58 K o p p e n , Das negotium m i x t u m cum donatione; O e r t m a n n 1. A u f l . 59 M ü l l e r a. a. O. 223ff.; v . T u h r 3, 77; O e r t m a n n 9 zu § 516; R G . 101, 99ff.; ähnlich auch H ö n i g e r , Gemischte Verträge 303. 313. 80 S i b e r , JheringsJ. 70, 204; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 100, 124.

Gemischte.

131

Aber auch sie hat bisher noch nicht das soeben erhobene Bedenken zu überwinden vermocht. Wie soll derselbe Vertrag gleichzeitig unter zwei verschiedene Arten fallen, die sich gegenseitig ausschließen ? Man hat zwar zum Vergleiche Fälle herangezogen, wo ein Vertrag einen anderen enthält, wo sich jemand z. B. in einem Dienstvertrag zum Abschluß eines Gesellschaftsvertrags verpflichtet 6 1 . Aber diese liegen ganz anders : hier ist in dem ersten Vertrag lediglich die Verpflichtung zum Abschluß des anderen begründet. Gewiß kann auch ein Schenkungsvertrag lediglich darauf gerichtet werden, daß ein Kaufvertrag geschlossen werden soll. Aber dieser Vertrag, der übrigens fast immer wegen Formmangels nichtig sein wird, ist etwas ganz anderes als der Fall der gemischten Schenkung, bei der die Schenkung eben im Vertragsschlusse liegt. Diese Schwierigkeit läßt sich nur auf Grund der Erkenntnis überwinden, daß die Schenkung bald eine schuldrechtliche Verpflichtung, bald aber auch jede schenkweise Zuwendung bedeutet. Wenn man den Ausdruck Schenkung mit uns nur im ersteren Sinne versteht, so kann derselbe Vertrag unmöglich ganz Schenkung oder Kauf sein, denn beides sind Verpflichtungsgeschäfte, die sich gegenseitig ausschließen. Sondern die Vereinigung läßt sich nur dadurch ermöglichen, daß man hier unter Schenkung jede schenkweise Zuwendung, also die Schenkung im wirtschaftlichen Sinne versteht. Die Zuwendung kann daher in jeder beliebigen Rechtsform geschehen: hier ist es der Vertragsschluß, der ihren Inhalt bildet. Daher kann man darin auch nicht einen Vertrag mit gemischten Leistungsinhalt erblicken 62 . Eine Mischung zweier Arten ist nur möglich, daß man von demselben Einteilungsmaßstab ausgeht. Man kann sagen, daß ein Tuch aus braun und gelb, aber nicht, daß es aus braun und Wolle gemischt sei. Bei dem Begriff der Schenkung, den wir jetzt zugrunde gelegt haben, beruht die Einteilung auf dem Rechtsgrund der Unentgeltlichkeit — während beim Kauf die Einteilung nach dem Inhalt der Leistung bestimmt wird. Zwischen diesen beiden Begriffen ist daher keine Mischung möglich. Man kann nur soviel sagen, daß dies Geschäft verschieden zu beurteilen und zu bezeichnen ist, je nachdem von welchem Gesichtspunkt man ausgeht. I n dem81 82

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 100. Wie E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. Dagegen oben I , 332. 9*

Schenkung.

132

selben Sinne kann man von einem Vergleich, der eine Stundung gewährt, sagen, daß diese Abrede sowohl Vergleich als Fristvereinbarung ist. Und ebenso kann man dasselbe Geschäft zugleich als einseitig und als Geschäft unter Lebenden bezeichnen. Von einem Geschäft mit gemischtem Inhalt darf man also hier nicht sprechen. Daher ist auch der Ausdruck gemischte Schenkung unhaltbar und zu verwerfen. Die Römer gebrauchen ihn freilich hier, aber auch sonst in ganz farbloser Bedeutung, z. B. bei der Schenkung unter einer Auflage. Vielmehr wäre richtiger von der Schenkung eines Vertragsschlusses zu sprechen. Da wir aber den Ausdruck Schenkung lediglich auf die Verpflichtungen beschränken wollten, so sagen wir: schenkweiser V e r t r a g s schluß. § 64. Diese Untersuchung ist bedeutsam für die Frage, nach welchem Recht dieser Vertrag zu behandeln ist. Wir fanden, daß es sich zwar um eine schenkweise Zuwendung, aber nicht um eine eigentliche Verpflichtungsschenkung handelt. Daher finden darauf nur die Rechtssätze, die für jene gelten, Anwendung. Hier zeigt sich wieder, wie notwendig es war, zwischen beiden Gruppen von Sätzen scharf zu unterscheiden. Es sind daher die Sätze über die Beschränkungen der Schenkung, über Rückforderung wegen Not und Verfehlung, über die Anfechtung der Gläubiger und die Einschränkung der Verwalter anzuwenden. Dagegen nicht die Sätze, die gerade nur für den Verpflichtungsvertrag gelten. Der Vertrag bedarf daher nicht der Form des § 518 BGB. : die entgegengesetzte Ansicht 6 3 scheint mir unannehmbar, weil sie fast alle diese Verträge vernichten würde. Anders, wenn jemand erst den Abschluß eines Kaufes schenkweise verspricht. Dieser Vertrag — der aber einen ganz anderen Inhalt hat (S. 131) — bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, doch würde er auch durch den nachträglichen Kaufschluß gültig werden 64 . — Auch für den Inhalt der Verpflichtungen gilt nicht das Recht der Schenkung, sondern des Kaufes. Auf Grund von Mängeln der Sache ist also Wandelung oder Minderung zulässig, diese freilich nur soweit die Sache weniger als der geringe Kaufpreis wert ist. Auch bei einer schuldhaften Vertragsverletzung muß nach den Regeln des Kaufrechts, nicht etwa nach § 521 BGB. 63 64

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 124; O e r t m a n n 9 zu § 516. v . T u h r , Allgemeiner T e i l 3, 77 A n m . 3.

Gemischte.

133

nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet werden 65 . Das erscheint auch durchaus notwendig, weil der Käufer sich auf eine ordnungsmäßige Erfüllung muß verlassen können. Auch wenn ihm Einmachgläser billig verkauft sind, muß er wegen des Schadens vorgehen können, der ihm durch schuldhafte Lieferung undichter Gläser entsteht. Zwar hat man die Haftung nur insoweit bejahen wollen, als der Wert der Zuwendung hinter dem Werte der Gegenleistung zurückbleibt 66 . Aber das läßt sich überhaupt nur bei den Schädigungen berechnen, die an der Sache selbst erfolgen. Es paßt z. B. nicht in dem genannten Fall, wo durch die schlechte Lieferung andere Güter beschädigt werden. Eine Schiffahrtsgesellschaft veranstaltet bei einem Jubiläum sehr billige Fahrten: auch hier muß sie für ordnungsmäßige Ausführung und den durch Verletzung entstehenden Schaden haften. Von anderen wird verlangt, daß man alle Vorschriften in einer nach dem Grade des Entgelts abgestuften Weise anwenden soll 67 . Aber damit wird eine sehr unsichere Regel geschaffen, deren Anwendung große Schwierigkeiten bereiten muß 6 8 . — § 65. Die Schenkung unter einer Auflage 69 , d. h. mit der Verpflichtung, etwas zu leisten, scheint mit dem Begriff der Schenkung unvereinbar zu sein. Denn dazu gehört es doch gerade, daß nichts als Entgelt dafür geleistet wird. Aber es ist hier auch gar nicht beabsichtigt, daß die Auflage die Gegenleistung für die Schenkung sein soll. Sondern der maßgebende Gedanke ist vielmehr, daß der Beschenkte nur einen Teil des erhaltenen Werts wieder abgeben, daß also die Gabe dadurch nicht aufgehoben, sondern nur eingeschränkt werden soll. Wenn der Sinn des Geschäfts dahin geht, daß der Empfänger den ganzen Wert wieder herausgeben muß und ihm kein Vorteil verbleibt, dann liegt keine Schenkung vor, sondern eine Übertragung mit einer Zweckbestimmung 70 . Freilich genügt es, wenn dadurch irgendwie ein Vorteil für seine Interessen erzielt worden ist. Wenn er also bestimmte Ziele verfolgt, so muß deren Förderung schon als eine ausreichende Be65

M ü l l e r a. a. O. 228. E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. 87 H ö n n i g e r , Gemischte Verträge 297ff. 88 S c h r e i b e r a. a. O. 205ff. 89 L a m m f r o m m a. a. O. 78ff.; H a y m a n n , Schenkung unter einer Auflage, JheringsJ. 56, 86ff. 70 R G . 62, 390ff., 105, 305. 68

Schenkung.

134

reicherung betrachtet werden. So wenn sie den satzungsgemäßen Zwecken eines gemeinnützigen Vereins zugute k o m m t 7 1 : z. B. wenn einem Feuerbestattungsverein eine Summe übermittelt wird, die zur Erbauung einer dafür dienenden Halle verwendet werden soll 72 . — Bei der Vergleichung zwischen dem Wert der Gabe und der Auflage kommt es auch hier auf den Sinn des Vertrags und nicht auf das wahre Wertverhältnis an. Wird lediglich eine Sache zu billig oder zu teuer verkauft, so ist daraus noch nicht etwa eine Schenkung unter einer Auflage zu entnehmen. Vielmehr liegt sie nur da vor, wo der Vertragssinn darauf gerichtet ist, daß der Empfänger nur einen Teil des Wertes abzugeben habe. Dieser herrschenden Auffassung 73 hat man freilich eine andere, objektivere gegenübergestellt 74. Wenn sie die Auflage als eine bloße Einschränkung der Gabe bezeichnet, so kann man dem wohl zustimmen. Aber man darf daraus nicht die Folgerung ziehen, daß die Auflage gerade auf Rückgabe eines Teils der geschenkten Sachen (oder doch ihres Geldwerts) gerichtet sein müsse. Vielmehr steht nichts im Wege, auch ganz andere Sach- oder Arbeitsleistungen in ihr zu versprechen. So kann es freilich auch vorkommen, daß die Auflage den Wert der Leistung übersteigt; der Empfänger muß sie auch dann erfüllen und kann nicht aus diesem Mißverhältnis eine Einrede ableiten 75 . Das wäre durchaus unvereinbar damit, daß das Gesetz (§ 526) nur für den Fall eines Mangels ein Verweigerungsrecht zuläßt. Alles, was Gegenstand einer Verpflichtung sein kann, darf als Inhalt der Auflage bestimmt werden. Daher ist es auch nicht nötig, daß ihre Erfüllung einen Geldwert hat (I, 49 ff.). Gerade die erbrechtlichen Auflagen verfolgen sehr oft nur persönliche Interessen, z. B. die Anordnungen über die A r t der Bestattung, und es erscheint höchst bedenklich, diese für ungültig zu erklären 76 . 71

R G . 70, 15ff. 71, 142ff.; W a r n e y e r 1913 N r . 283. H a y m a n n , JheringsJ. 56, 122; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 125, A n m . 3 gegen R G . 62, 390ff. 73 R G . Recht 1907 N r . 3789; SeuffA. 70 N r . 136; J W . 1926, 987; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 125; P l a n c k 1 zu § 525 u n d Genannte; v. T u h r , 3, 166,; L i e b i s c h a. a. O. 30ff. 74 H a y m a n n a. a. O. 21, 57ff.; O e r t m a n n , Entgeltliche Geschäfte 51 ff. u n d 3 zu § 526. 75 Wie L a m m f r o m m 153ff.; O e r t m a n n 4 zu § 526. 76 W i e K ü p p bei W i n d s c h e i d § 251; Erbrecht § 114. Gegen i h n I , 51 u n d A n m . 33 Genannte. 72

Auflage.

135

Als Leistung ist alles anzusehen, was der Vertrag so bezeichnet. Nicht maßgebend ist, ob sie für den Empfänger wirklich Vorteil bringt (I, 45ff.). Daher kann auch als Leistung an einen andern etwas bezeichnet werden, was eigentlich dem Beschenkten selbst in erster Linie Nutzen bringt, z. B. daß er seine Schulden bezahlen soll. Eine solche Bestimmung wird freilich oft nur als ein bloßer Rat zu werten sein. Aber wenn nun doch ein Verpflichtungswille erhellt, so ist nicht einzusehen, warum sie nicht als Auflage gültig sein soll 77 . § 66. Das Geschäft ist als eine eigentliche Schenkung anzusehen. Die Annahme, daß es eine gemischte Schenkung sei, ist unhaltbar, jedenfalls unvereinbar mit der Begriffsbestimmung, daß dort die Schenkung durch einen anderen Vertragsschluß bewirkt werde 78 . Es gelten hier daher alle Vorschriften über die Schenkung. Die Form der notariellen Beurkundung ist erforderlich. Die Schenkung kann wegen Notlage und Verfehlungen widerrufen werden: nur ist hier nicht Rückgabe schlechthin, sondern nur gegen Erstattung des auf die Auflage zu verwendenden Werts zu verlangen. Der Empfänger der Schenkung ist verpflichtet, die Auflage zu erfüllen. Diese Pflicht entsteht regelmäßig erst mit der Vollziehung der Schenkung (§ 525 BGB.). Der Anspruch steht dem Schenker oder seinen Erben zu. Wenn die Leistung an einen Dritten gemacht werden soll, so ist im Zweifel anzunehmen, daß er ein selbständiges Recht darauf hat (§ 330 2 BGB.). Wenn sie im öffentlichen Interesse liegt, so kann nach dem Tode des Schenkers die zuständige Behörde die Vollziehung verlangen (§ 525 I I BGB.). Reicht das Geschenk wegen eines Mangels nicht zur Erfüllung aus, so kann diese verweigert und, falls sie schon gemacht war, zurückgefordert werden (§ 526 BGB.). Für diese Rückforderung wird im Gesetz ausdrücklich vorausgesetzt, daß die Erfüllung der Auflage ohne Kenntnis des Mangels erfolgt sei. Schon daraus werden wir schließen können, daß auch das Weigerungsrecht des ersten Satzes Unkenntnis des Beschenkten erfordert, während manche gerade daraus durch eine übermäßige Pressung der Worte einen Gegenschluß ableiten wollen 79 . Die Billigkeit 77 78

E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. g e g e n H a y m a n n a . a . O . 27ff., 38ff. Widersprechend daher E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 125 gegenüber

§ 124. 79

H a y m a n n a. a. O. 121; P l a n c k 2; dagegen B ö t h k e , GruchBeitr. 50, 167.

136

Miete.

verlangt durchaus, daß nur der Beschenkte verweigern darf, der den Mangel nicht kannte. Wer ein altes klappriges Auto erhält und dafür Pflichten übernimmt, kann sich diesen nicht dadurch entziehen, daß er auf jene ihm wohlbekannten Mängel hinweist. Dafür läßt sich auch der entsprechende § 460 BGB. anführen. Wenn das Auflageversprechen von Anfang an ungültig ist, so wird nach der Regel des § 139 BGB. auch das Schenkungsversprechen ungültig sein. Anders dagegen, wenn die Erfüllung der Auflage erst hinterher unmöglich wird. Hier bleibt die Schenkung regelmäßig bestehen. Der Schenker ist nur unter den Voraussetzungen des gesetzlichen Rücktrittsrechts, also meist nur bei Verschulden zur Rückgabe dessen verpflichtet, worum er noch bereichert ist und was zur Erfüllung der Auflage hätte verwendet werden müssen (§ 527 BGB.). Er wird sich daher i n vielen Fällen einer lästigen Auflage dadurch entziehen können, daß er ihre Erfüllung unmöglich macht und das Geschenkte eiligst aufbraucht — ein seltsames Ergebnis. Endlich ist es auch möglich, daß die Schenkung lediglich um der Auflage willen errichtet ist. I n diesem Falle würde der Schenker ein Rückforderungsrecht auch ohne diese Einschränkungen nach § 812 BGB. haben 80 . Drittes Kapitel.

Miete.1) I . § 66. Begriff. § 67. Ehegatten. § 68. Form. § 69. Schuldrechtlich. I I . § 70. Pflichten des Vermieters. § 71. Folgen ihrer Verletzimg. § 72. Sachmängel. § 73. Rechtsmängel. I I I . § 74. Pflichten des Mieters. § 75. Abvermietung. § 76. Mietzins. § 77. Rückgabe. § 78. Pfandrecht. § 79. Dessen I n h a l t . § 80. Verträge. I V . § 81. Beendigung. § 82. Zwingendes Kündigungsrecht. § 83. Sofortiges. § 84. Veräußerung des Mietgrundstücks. § 85. Voraussetzungen. § 86. Wirkungen. § 87. bei Vollstreckung. § 88. Rechtsn a t u r . V . § 89. Pacht. § 90. Ansprüche. § 91. Inventar. § 92. Grenzrecht. V I . § 93. Notmietrecht.

§ 66. Neben der Veräußerung steht die bloße zweitweise Überlassung von Sachen: sie heißt, wenn sie entgeltlich ist, Miete 80 G i e r c k e , Privatrecht 3, 431 A n m . 70; O e r t m a n n 3 zu § 527; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. A n m . 11. 1 F r a n k e l , Das Miet- u n d Pachtrecht nach dem B G B . ; F u l d , Das Mietrecht nach dem B G B . ; M i t t e l s t e i n , Die Miete; A r n o l d , Die Wohnungsmiete; B r ü c k n e r , Die Miete; N i e n d o r f f - M i g d a m , Mietrecht; E i t z b a c h e r , Groß-Berliner Mietverträge. — Über das Not-Mietrecht vgl. unten § 93.

Begriff.

137

(§§ 535ff. BGB.). Ihr Gegenstand sind Sachen, bei der Pacht auch Rechte; nicht dagegen, wie bei der römischen locatio, auch Arbeit. Es kommen hier in erster Linie Grundstücke in Betracht. Ihre Vermietung bildet bei uns den wichtigsten Fall — im Gegensatz zum alten Rom, wo das Eigenhaus vorherrschte — und zwar besonders die Vermietung von Räumen in ihnen, die wie die eines Grundstücks behandelt wird (§ 580 BGB.). Es können auch solche Sachen vermietet werden, an denen dingliche Rechte nicht bestellt werden können, z. B. ein Teil einer öffentlichen Straße für einen Bahnbetrieb 2 . Auch fremde Sachen kann man vermieten, da sich hieraus höchstens ein persönliches Unvermögen ergeben kann (I, 307). Auch eine eigene Sache kann man, da man sie sogar kaufen kann (I, 308ff.), um so mehr mieten: der Vermieter überläßt damit sein Besitzrecht, wenn er ein solches hat, oder doch seinen Besitz. Wenn er auch solchen nicht hat, so kann der Mieter die Mietzahlung verweigern. Wenn jemand dem andern einen Raum zur Unterbringung von Sachen anweist, so kann das verschiedene Bedeutung haben. Es kann darin eine eigentliche Vermietung dieses Raums liegen. Bisweilen aber will er damit nicht die Verpflichtungen aus einem solchen Vertrage übernehmen, insbesondere nicht die, den Raum in einem gebrauchsfertigen Zustande zu überlassen und zu erhalten. Sondern er will nur dulden, daß der andere dort die Sachen hinbringt. Ein solcher Vertrag muß von einer Miete wohl unterschieden werden 3 . Verkehrt ist es aber, wenn man hier oft von ,,Gefälligkeitsverträgen" spricht und sie unter diesem Gesichtspunkt mit anderen, ganz andersartigen Abmachungen zusammenfaßt 4. Dieser Name deutet auf einen Vertrag, der unentgeltlich geschlossen wird, oder auf einen solchen, der gar keine Rechtswirkung haben soll. Meistens will man jedoch darunter einen solchen verstehen, der nicht zu einer Leistung, sondern nur zu einer Duldung verpflichte. Aber dabei übersieht man, daß schon in dieser Duldung doch auch schon eine Leistung enthalten ist (I, 81); daher ist auch die Bezeichnung als Gefälligkeit irreführend. Für die Benutzung ist ein Entgelt zu zahlen, sonst liegt Leihe vor. Es braucht nicht nur in Geld zu bestehen. Wird Arbeit da2

R G . 88, 14ff. ; W a r n e y e r 1917 N r . 69. O e r t m a n n , Vorbem. 6c vor § 688 u n d Genannte. 4 ν . B l u n e , Recht 1908, 469 ff. u n d dort Genannte, ferner die bei O e r t m a n n a. a. O. Angeführten. 8

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Miete.

gegen geleistet, so liegt eine Mischung von Miete und Dienst- oder Werkvertrag vor. So besonders bei dem sogenannten Hausmeistervertrag, wo jemand gegen freie Wohnung die Fürsorge für ein Haus übernimmt. Man hat diesen so aufgefaßt, daß er sowohl den Tatbestand des Miet- wie des Dienstvertrags voll erfülle, und ihn daher als doppeltypischen Vertrag bezeichnet5. Aber dies ist nicht genau (I, 330). Zwar wird eine Wohnung gewährt und anderseits Arbeit geleistet. Aber letztere Leistung ist nicht lediglich als bloßes Entgelt im Sinne des § 535 BGB. anzusehen, sondern hat im Rahmen des Vertrages eine eigene selbständige Bedeutung. Und ebenso ist umgekehrt die Gewährung der Wohnung nicht nur als Vergütung der Dienste zu werten. Hieraus ergibt sich, daß diese A r t von Geschäften sich gar nicht von anderen gemischten Verträgen unterscheidet. Vielmehr zerfallen die gemischten Mietverträge nur insoweit in zwei Arten, als entweder die Miete den Hauptinhalt ausmacht und die andersartige Leistung nur beigemischt ist, oder anderseits beide Vertragsarten zu einer gleichartigen Artmischung vereinigt sind (I, 325ff.). Ersteres liegt z. B. bei der Vermietung einer Wohnung mit Gewährung von Reinigung und Frühstück vor, bei der Vermietung eines Gastzimmers mit Beleuchtung und Bedienung, bei Überlassung einer Maschine mit Bedienung, eines Schiffes mit Mannschaft 6 . I n gleichmäßiger Mischung erscheinen zwei Vertragsarten bei der Überlassung eines Zimmers mit voller Verpflegung, ferner beim Schrankfachvertrag in der Mischung von Miete und Verwahrung 7 . Endlich t r i t t die Miete sehr zurück beim Theater ver trag, wo die Aufführung des Werks die Hauptleistung bildet, und beim Fernsprechvertrag, wo diese in der Lieferung des Stroms und der Bedienung besteht 8 . Diese Unterscheidung ist für die rechtliche Behandlung der Verträge von entscheidender Bedeutung (I, 326ff.). Ein Hauptvertrag mit bloßer Beimischung ist im wesentlichen nach den Regeln des ersteren zu beurteilen : nach ihm richtet sich besonders die Frage der Form und der Kündigung. So ist ein Mietvertrag mit Bedienung nach den Vorschriften über den ersteren zu 5

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 100. R G . Recht 1917 N r . 1026; R G . 98, 328; O L G . 36, 49. 7 H o e n i g e r , Gemischte Verträge 161; S c h r e i b e r , JheringsJ. 60, 150ff. Anders O e r t m a n n , Vorbemerkung vor § 535, I I , 2 u n d Genannte (Miete). 8 Anders R G . 98, 342. 8

Arten.

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kündigen, nicht nach denen über den Dienstvertrag, also vor allem nicht wegen eines wichtigen Grundes. Anders ist es in den Fällen der gleichmäßigen Artmischung. Hier ist jede einzelne Leistung nach den Vorschriften der ihr am nächsten verwandten Vertragsart zu beurteilen. Bei den Fragen, die nur einheitlich beantwortet werden können, ist zu fragen, welches Interesse am meisten schutzwürdig ist: so dürfte beim Hausmeistervertrag die Kündigung sich nach dem Recht der Miete richten. § 67. Häufig wird ein Mietvertrag von mehreren Mietern geschlossen, die die Sache gemeinschaftlich benutzen wollen. Am meisten kommt das bei Ehegatten bezüglich der gemeinsamen Ehewohnung vor. Viele Vermieter legen Gewicht darauf, daß die Ehefrau den Mietvertrag mit unterschreibt — hauptsächlich zu dem Zwecke, damit sein Pfandrecht auf ihre Möbel und sonstigen Sachen zu erstrecken (unten §§ 78ff.). Die rechtliche Natur dieses Vorgangs ist sehr umstritten 9 . Manche wollen die Frau hier nur als Bürgin ansehen10. Sie wollen es daraus folgern, daß der Ehemann als Familienhaupt für die Wohnung zu sorgen habe. Aber das ist keineswegs schlüssig. Vielmehr greift hier die Auslegungsregel ein, daß wer selbst am Geschäfte sachlich beteiligt ist, im Zweifel nicht nur als Bürge, sondern als wahrer Mitschuldner anzusehen ist (I, 702). Dies trifft in hohem Maße für die Ehefrau zu, die an der Wohnung mit teil hat. Anders wäre es nur dann, wenn die Ehegatten getrennt leben oder es sich um Räume handelt, die nicht als Ehewohnung, sondern etwa für das Geschäft des Ehemanns dienen. Endlich führt die Gegenansicht zu dem Ergebnis, daß die Sachen der Frau dem Pfandrecht des Vermieters nicht unterworfen sind: es wird also gerade das, was der Zweck des ganzen Vorgangs ist, vereitelt. — Andere fassen die Erklärung der Frau dahin auf, daß sie nur die Pflichten aus dem Mietvertrage durch Schuldbeitritt übernehme 11 . Aber es wäre doch seltsam, daß sie nur verpflichtet und nicht berechtigt werden sollte. Es widerspricht durchaus der Natur der gegenseitigen Verpflichtung 9 O e r t m a n n , D J Z . 1905, 1079ff. 1913, 463; F r a n k e , B l f R A . 72, 982; R e i c h e l , Recht 1913, 415ff.; J o s e f daselbst 283; LeipzZ. 1913, 128; K G . J W . 1927, 1946; H e n s e l e r , JheringsJ. 80, 365ff. 10 F r a n k e , B l f R A . 72, 982; H a s p e r , D R Z . 27, 195.; V i d a l - H a d a m c z i k , Mieterschutzgesetz 121. 11 R e i c h e l , Recht 1913, 115; E c k s t e i n , J W 1912, 896. Dagegen O e r t m a n n , Vorbemerkung 6.

Miete.

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und führt zu unbilligen Ergebnissen. Wenn der Vertragsschluß des Ehemanns z. B. wegen seiner Geschäftsunfähigkeit nichtig wäre, so wäre die Frau zwar zur Zahlung verpflichtet — da der Schuldbeitritt eine gültige Schuld nicht erfordert (I, 701) —, aber sie hätte keine Rechte aus dem Vertrage. Deshalb ist mit der herrschenden Meinung anzunehmen, daß die Ehefrau auch Mieterin ist, sei es, daß sie dem Vertrag sofort mit abschließt oder ihm nachträglich beitritt 1 2 . Freilich kann man dabei die Eigenart des ehelichen Verhältnisses nicht ganz außer Betracht lassen. Man hat sie vielfach dahin bezeichnet, daß der Mietvertrag der Ehefrau akzessorisch, von dem des Ehemanns abhängig sei 13 . Manche wollen dasselbe wenigstens dann annehmen, wenn die Frau sich darauf beschränkt, den Vertrag zu unterschreiben, im Gegensatz zu dem Falle, wo sie ersichtlich einen eigenen Vertrag eingeht 14 . Man will daraus insbesondere ableiten, daß beim Tode des Ehemanns auch ihr Vertrag nach § 569 BGB. gekündigt werden kann: und das dürfte in der Tat anzunehmen sein (unten § 82). Aber es geht doch zu weit, in allen Richtungen eine solche Abhängigkeit zu bejahen. Wenn der Vertrag des Mannes wegen Geschäftsunfähigkeit nichtig ist, muß die Frau dennoch ihre Rechte aus diesem Vertrage behalten, und ebenso muß sie im Konkurse des Mannes gegen eine Kündigung geschützt werden. Ihre Miete ist also nicht abhängig. Wohl aber — und darin liegt der richtige Kern der Gegenansicht — ist sie nur als Nebenmieterin anzusehen. Der Mann als Vorstand der Familie ist der Hauptmieter. Er erscheint daher berechtigt, die erforderlichen Bestimmungen über die Benutzung der Wohnung zu treffen — z . B . wann sie besichtigt oder geräumt werden soll — und die gemeinsamen Interessen geltend zu machen. Aber er kann nicht auf ihre Rechte verzichten — und hier zeigt sich besonders deutlich der Gegensatz zu der Lehre von der Abhängigkeit. Vielfach wird auch die Miete lediglich aus dem Vermögen des Ehemanns bezahlt, so daß die Frau nur nach außen hin, aber nicht im Innenverhältnis Mieterin ist, also ein Treuhandverhältnis vorliegt 1 5 . 12

Anführungen bei H e n s e l e r a. a. O., besonders 371 A n m . 21. K o e h n e , Das Recht auf die eheliche Wohnung, J W . 1925, 2103; K i e f e r s a u e r , Grundstücksmiete 1, 125; SeuffA. 57 N r . 101; O L G . 17, 6. Weitere Angaben bei O e r t m a n n , Vorbem. 6. 14 O e r t m a n n , D J Z . 1905, 1079. 15 K i p p , Das Mietgericht 1927, 142. 18

Arten.

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Hierdurch wird aber, wie bei allen solchen Beziehungen, ihre Stellung nach außen nicht beeinträchtigt. I m übrigen ist das Rechtsverhältnis der Ehegatten an der Wohnung als Gemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB. zu betrachten (unten § 141). § 68. Der Mietvertrag über ein Grundstück oder über Teile desselben, insbesondere Wohnungen, bedarf, wenn er für längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, der Schriftform (§§ 566, 580 BGB.). Für diese Bestimmung spricht, daß solche Verträge von größerer Bedeutung und längerer Dauer zweckmäßig beurkundet werden und daß auch viele früheren Rechte hier die Schriftlichkeit erforderten. I n der Rechtslehre wird aber ganz einseitig der Grund betont, daß ein Erwerber des Grundstücks dadurch über das Bestehen von Mietverträgen und damit über seine Verpflichtungen nach §§ 57Iff. BGB. unterrichtet werde. I n der Tat ist in der zweiten Kommission dieser Gesichtspunkt stark betont worden 16 . Aber in Wahrheit hat er nur geringen Wert. Der Erwerber wird das Mietverhältnis regelmäßig durch den Besitz des Mieters erkennen können; von dem schriftlichen Vertrag aber wird er nicht leichter als von einem mündlichen erfahren. Überdies wurden von der Kommission daneben auch andere Gründe für die Einführung der Schriftform geltend gemacht. — Ein mündlicher Vertrag ist nicht nichtig, sondern gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er ist daher in den normalen Fristen (§ 565 BGB.) kündbar, aber nicht für eine frühere Zeit als den Schluß des ersten Mietjahres. Damit lehnt das Gesetz die Nichtigkeit des formlosen Vertrags schlechthin ab. Sie t r i t t also auch dann nicht ein, wenn feststeht, daß die Parteien die Dauer des Vertrags auf unbestimmte Zeit nicht gewollt haben. Nicht selten wird festzustellen sein, daß der Mieter schlechterdings nur auf längere Zeit, dagegen durchaus nicht auf unbestimmte Zeit mieten wollte. Aber auch hier wird nicht Anfechtbarkeit des Vertrages, sondern dennoch seine Geltung für unbestimmte Dauer anzunehmen sein. Dies wird jetzt ganz überwiegend bejaht, aber meist ohne zu unterscheiden, ob die Parteien das Gegenteil der gesetzlichen Regelung nur gewollt oder auch erklärt haben 17 . I m ersten Falle ist ihr innerer Wille deshalb unerheblich, weil ein solcher überhaupt nicht die gesetz18

Protokolle 2, 149. R G . 86, 30; Recht 1909 N r . 3051; J W . 1915, 137; 1929,3226; SeuffA. 61 N r . 199. 65 N r . 183; O L G . 13, 373; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 126 A n m . 15; P l a n c k , O e r t m a n n zu § 566. 17

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Miete.

lichen Ergänzungsregeln zu verdrängen imstande ist. Aber auch eine abweichende Erklärung vermag hier deshalb nichts auszurichten, weil sie mangels der Schriftform vom Gesetz für ungültig erklärt wird. Nun würde dies nach der Regel des § 139 BGB. im Zweifel zur Ungültigkeit des ganzen Vertrags führen; aber mit Recht hat man bemerkt, daß diese Bestimmung durch die Sondervorschrift des § 566 ausgeschlossen werden soll 18 . Indessen irrt man, wenn man schon daraus glaubt die Entscheidung ableiten zu können. Denn wenn man § 139 ausschaltet, so fällt damit nur die Regel fort, daß die teilweise zur vollen Ungültigkeit führt. Es bliebe aber immer noch möglich, unabhängig von dieser Regel festzustellen, daß dieser Vertrag — auf unbestimmte Zeit — den Abreden der Parteien widerspreche und deshalb ungültig sei. Es bleibt immer noch zu begründen, weshalb die Dauer der Miete ganz entgegen den Abmachungen der Parteien festgesetzt wird. Und dazu müssen wir uns klar machen: es liegt hier einer der Fälle vor, wo das Gesetz den Inhalt des Vertrags durch zwingende Norm bestimmt. Es ist dies im Schuldrecht selten, kam aber z. B. bei den Höchstpreisen vor, die in der Kriegs- und Nachkriegszeit bestimmt waren. Das Gesetz gibt hier wie bei allen Formregeln eine zwingende Vorschrift: aber hier nicht über die Gültigkeit, sondern über den Inhalt des Vertrags. Eine Anfechtung wegen Irrtums ist daher auch nicht gegeben19, weil hier eben der Parteiwille nicht berücksichtigt wird. Es können sich daraus freilich Nachteile für die Parteien ergeben: aber sie treten eben überall ein, wo sie in Unkenntnis der zwingenden Regeln des Gesetzes Verträge schließen. — Auch wesentliche Nebenabreden und nachträgliche Änderungen bedürfen der Schriftform, widrigenfalls der Vertrag ebenso nach § 566 kündbar wird 2 0 . Dies gilt aber nicht für eine Leistung, die nur die Bereitwilligkeit zu dem Abschluß oder der Verlängerung des Mietvertrages abgelten soll 2 1 . — Auch ein Abschließungsvertrag (sogenannter Vorvertrag) auf Vermietung ist der Form des Gesetzes unterworfen 22 . Denn bei der18

Besonders R G . a. a. O. 33ff. Dafür früher O e r t m a n n , 2. A u f l . zu § 566; ähnlich O L G . 9, 392. 10, 169. 17, 11; Recht 1907, 1257; SeuffA. 61 N r . 199. 20 R G . 118, 105; O e r t m a n n 5 z u § 566; K l e i n , Vertragliche Abänderung 57ff.; T a u b e r , GruchBeitr. 49, 228; B u c k , GruchBeitr. 48, 723ff. 21 R G . 123, 171; dagegen M e y e r , J W . 1929, 2872. 22 SeuffA. 58 N r . 93; Recht 1909 N r . 3754; O e r t m a n n 2 u n d Genannte. 19

F o r m . Schuldrecht.

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artigen Verträgen ist die Form überall zu erfordern, wo sie mit Rücksicht auf den besonderen Inhalt des Geschäfts vorgeschrieben ist (I, 290). Das Bedürfnis ist hier das gleiche wie bei dem fertigen Mietvertrag; vor allem sollen die Parteien gegen übereilte Belastungen geschützt werden. Sehr zu Unrecht hat man dagegen eingewendet, daß die Schriftform hauptsächlich nur eingeführt worden sei, um den Erwerber des Grundstücks zu schützen 23 : schon vorher wurde dargelegt, daß dieser gesetzgeberische Grund weder der einzige, noch überhaupt triftig war. § 69 Die Miete enthält nur einen Schuldvertrag und erzeugt keine dinglichen Wirkungen 2 4 . Allerdings enthielt das germanische Mietrecht dingliche Elemente und davon sind noch in den landesrechtlichen Gebieten, besonders der dinglichen Jagdpacht, Reste geblieben. Aber das BGB. folgt der römischen Regelung und läßt nur schuldrechtliche Wirkungen zu. Dafür spricht vor allem seine scharfe und sorgfältige Scheidung zwischen dem Schuld- und dem Sachenrecht. Damit wäre es ganz unvereinbar, wenn ein dingliches Rechtsgebilde ins zweite Buch aufgenommen wäre. Ferner gelten für die Miete durchaus nicht die Regeln des Sachenrechts. Letzteres wird durchaus von dem Grundsatz der Kenntlichkeit beherrscht: jedes dingliche Rechtsgeschäft bedarf einer Verlautbarung, entweder durch das Grundbuch oder den Besitz (§§ 892, 929ff. BGB.). Davon ist bei der Miete gar nicht die Rede. Sie braucht nicht nur nicht ins Grundbuch eingetragen zu werden, sondern dies ist sogar ganz unzulässig und nichtig und wäre, wenn es geschehen wäre, von Amts wegen zu löschen. Auch inhaltlich ist die Vermietung nicht als eine dingliche Verfügung anzusehen25, sie ist auch nicht abstrakt wie diese. Endlich ist das Verhältnis der Miete gegenüber dinglichen Rechten nicht so wie das mehrerer dinglichen Rechte zueinander nach dem Alter geregelt. Kurzum, es gilt in allen Richtungen Schuldrecht, nicht Sachenrecht. Dies wird auch von der herrschenden Lehre anerkannt. Dennoch findet sich auch die Auffassung, daß die Miete ein dingliches 23

R G . 86, 32ff.; Recht 1908 N r . 965; HansGZ. 1908 N r . 71; J W . 1915, 137; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 126. 24

Hierzu besonders Crome, JheringsJ. 37, I f f . ; H e s s e , Rechtliche N a t u r der Miete; L ö n i n g , Die Grundstücksmiete als dingliches Recht. 25

Dagegen auch L ö n i n g , Die Grundstücksmiete als dingliches Recht 64 u n d Genannte.

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Miete.

Recht sei 2 6 . A m weitesten gehen hier diejenigen, die dem Mieter einen allwirksamen Anspruch auf Herausgabe und Unterlassung von Störungen zusprechen 27. Aber das ist mit dem ganzen Aufbau des Gesetzbuchs, seiner scharfen Scheidung zwischen Schuldund Sachenrecht, dem deutlichen Gegensatz zwischen § 241 und § 985, der ganzen Entwicklung aus dem römisch-gemeinen Recht völlig unvereinbar. Daneben findet sich die Ansicht, daß das mit Besitz ausgestattete Mietrecht gegen schuldhafte Schädigungen nach § 823 I BGB. geschützt werde, da es mit der Übergabe ,,dem reinen Obligationenrechte entwachsen" sei 28 . Aber auch das ist völlig unerwiesen. Es läßt sich nur insofern begründen, als es der Besitz ist, der hier verletzt und geschützt wird (unten § 293). A m häufigsten wird die Dinglichkeit aus den Vorschriften des Gesetzes über den Eintritt des Erwerbers in den Mietvertrag (§§ 571ff.) gefolgert. Aber es wird sich unten* (§ 88) zeigen, daß sich daraus nicht ein allwirksamer, sondern nur ein mehr wirksamer Charakter der Miete ergibt Vor allem wirkt sie nicht gegenüber den Gläubigern des Erstehers, da sie in dem Konkursverfahren und der Zwangsversteigerung gekündigt werden kann. Noch weniger kann aus der Befugnis des Mieters, einen Rechtsmangel zu beseitigen (§ 541 BGB.), etwas gefolgert werden 29 . Und auch allgemeine Betrachtungen über die Natur der Miete können nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Richtig ist, daß die Miete auf Dauer angelegt ist, daß sie zu einer unmittelbaren Sachherrschaft berechtigt. Aber daraus kann man nicht ihre Dinglichkeit schließen 30 : denn jene beiden Merkmale sind es eben nicht, die den Begriff und die Abgrenzung gegenüber dem Schuldrecht ausmachen (I, 5 ff.). Was aber endlich gar das Notmietrecht betrifft, so wird man aus ihm erst recht keine Schlüsse ziehen können 31 . Es handelt sich hier nicht um eine Fortbildung, sondern 26 C o s a e k - M i t t e i s 2 § 105; F u c h s , Grundbegriffe des Sachenrechts §11; M e i s n e r 3 zu § 571; K u h l e n b e c k , V o n den Pandekten 2, 306; auch L ö n i n g a. a. O. Abgeschwächt M i t t e i s , Leipziger Programm 1905, 20ff. Dagegen C r o m e , JheringsJ. 37, 28ff. 27 C o s a c k u n d F u c h s a. a. O.; anders dagegen L ö n i n g a. a. O. 150. 28 R G . 59, 328. 73, 111; Recht 1910 N r . 1251; L ö n i n g a. a. O. 153ff.; ähnlich G i e r k e 3, 516. 29 W i e L ö n i n g a. a. O. 150ff. a n n i m m t . 80 W i e L ö n i n g a. a. O. 19ff., 60ff. 81 Wie L ö n i n g 187ff.

Überlassung.

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um ein Ausnahmerecht, das möglichst bald wieder zu beseitigen ist (unten § 93). § 70. Der Vermieter ist verpflichtet, die Sache dem Mieter zum Gebrauch zu überlassen. Das Gebrauchsrecht des Mieters ist nicht übertragbar. Weder darf er den Gebrauch einem andern ohne Erlaubnis des Vermieters überlassen (§549BGB.),noch sein Recht abtreten ; daher ist es auch nicht pfändbar (§851 ZPO.). —Ferner muß der Vermieter die Sache in einem zum Gebrauch geeigneten Zustand übergeben (§ 534 BGB.). Daraus kann sich auch ergeben, daß er dem Mieter die Vornahme gewisser Einrichtungen gestatten muß, z. B. die Anbringung eines Firmenschildes 32 oder die Anlage eines Fernsprechers 33 und auch wohl einer Radio-Anlage 34 mit Ausnahme von Hochantennen 35 . Der Vermieter ist aber ferner auch verpflichtet, die Sachen in einem solchen geeigneten Zustande zu erhalten (§ 536 BGB.). Daraus ergibt sich, daß er alle Ausbesserungen vorzunehmen und zu bezahlen hat Ein Unterschied zwischen großen und kleinen, außerordentlichen und gewöhnlichen wird vom Gesetze nicht gemacht. Ausgenommen sind nur die Fütterungskosten eines Tieres, die der Mieter zu tragen hat. Und auch die Reinigung der Treppe dürfte doch Sache des Mieters sein, was besonders bei der Vermietung eines ganzen Hauses einleuchtet 36 . Auch für solche Eigenschaften der Sache muß der Vermieter sorgen, deren Notwendigkeit erst nach Abschluß des Mietvertrags erwachsen ist. Ist z. B. ein Raum für Unterbringung von Kraftwagen vermietet, so müssen auch die Anforderungen, die die Polizei später erhebt, vom Vermieter erfüllt werden. Geht die Sache aber ganz unter, so braucht der Vermieter nicht eine neue statt ihrer zu beschaffen — und gleiches muß auch dann gelten, wenn eine Beschädigung eintritt, die sachlich dem gleichsteht 37 . — Daraus ergibt sich das Recht des Mieters, Herstellung und Beseitigung der Mängel zu fordern. Dagegen ist er nicht ohne weiteres befugt, dies selbst auszuführen und Erstattung seiner Kosten vom Vermieter zu verlangen. Diese Befugnis hat er nur bezüglich der 32

R G . 80, 282ff. R G . 3 7 N r . 56; J W . 1923, 785; M i t t e l s t e i n , D J Z . 1902, 290; L a n d s b e r g , D J Z . 1907, 477. 34 J W . 1925, 661; eingeschränkter J W . 1925, 1150. 36 R G . J W . 1927, 1367; R G . 116, 93ff.; J W . 1925, 2279. 36 O e r t m a n n 1 zu § 536 u n d Genannte; B a y r R p f l Z . 3, 243. 37 W a r n e y e r 1918 N r . 166. 33

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

10

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Miete.

notwendigen Verwendungen, d. h. solcher, wodurch der Untergang oder die Entwertung der Sache abgewendet wird. I m übrigen hat er deswegen nur die Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 547 BGB.). Sie hängen also davon ab, daß die Ausführung dem Willen des Vermieters entsprach oder dieser doch wenigstens bereichert ist (unten §§ 231ff.). Letzteres braucht selbst bei sehr nützlichen Verbesserungen nicht der Fall zu sein. Wenn der Mieter z. B. Linoleum legen läßt, so ist nicht gesagt, daß sich der Verkaufs- oder Mietswert des Hauses um den aufgewendeten Betrag erhöht. Nicht selten auch hat der Vermieter eine Gelegenheit, die Arbeit selbst auszuführen oder viel billiger machen zu lassen. Dann würde der Mieter, soweit er größere Kosten dafür ausgewendet hat, Ersatz dafür nicht beanspruchen können. Hat der Mieter eine Sache in wesentliche, feste Verbindung mit der Mietsache gebracht, so darf er jene abtrennen (§ 547 I I BGB., oben I , 218ff.). Der Vermieter muß auch die Lasten der Sache tragen (§ 546 BGB.), auch öffentlich-rechtliche. Nur die Einquartierungslast trifft den Mieter. I m Frieden wird sie durch Ortsstatut geregelt, im Kriege können die Gemeinden alle Einwohner dazu heranziehen 38. § 71. Wenn die Rechte des Mieters verletzt werden, so hat er Ansprüche nach den allgemeinen Regeln des Schuldrechts. Er kann also den Vermieter, der den Umstand zu vertreten hat, wegen Unmöglichkeit, Verzugs oder Begleitschädigung haftbar machen (§§ 280ff. BGB.) und auch die Rechte aus §§ 325ff. BGB. geltend machen 39 . Jedoch ist das Rücktrittsrecht, das die §§ 325 und 326 geben, hier ausgeschlossen ; denn es wird durch die Sondervorschrift ersetzt, daß der Vermieter bei Verzug von zwei Mietsraten kündigen kann (§ 554 BGB.). Freilich wäre es auch neben dieser Vorschrift noch denkbar, dem Vermieter ein Rücktrittsrecht für die vergangene Zeit zu gewähren. Aber es wäre gerade ein solcher Rücktritt recht unbillig, weil der Mieter ja für diese Zeit die Sache doch noch benutzt hat 4 0 . Wohl aber wird die Nichterfüllungsrüge des §323 BGB. hierdurch nicht ausgeschlossen41. — 38

Reichsgesetze v o m 25. J u n i 1868 u n d 13. J u n i 1873. S c h ö l l e r , GruchBeitr. 46, 260ff.; S c h m i d t , Gesetzeskonkurrenz 55ff. 135ff.; R G . 64, 384. 105, 167ff. 40 S c h ö l l e r u n d S c h m i d t a. a. O.; P l a n c k zu § 542; O e r t m a n n , Vorbem. 4 vor § 535; R G . 64, 226ff. 41 R G . 62, 228. 89, 206ff. 39

Haftung des Vermieters.

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Nicht selten wird durch Verschulden des Vermieters ein Schaden nicht dem Mieter selbst, sondern seinen Angehörigen oder sonstigen Hausgenossen zugefügt — und es ist eine dringende Forderung der Billigkeit, ihn auch hierfür nach Vertragsrecht haften zu lassen. Man hat es damit begründen wollen, daß aus dem Mietvertrage ein Gebrauchsrecht unmittelbar auch diesen Dritten zugewendet werde, daß also ein Vertrag zu Rechten Dritter vorhege 42 . Aber dem ist doch nicht zuzustimmen; einer selbständigen Klage der Kinder oder Dienstboten auf die Benutzung wäre gewiß nicht stattgegeben. Indessen läßt sich die Haftung auf einem anderen Weg ableiten: man spricht dem Mieter selbst das Recht zu, auch die Benutzung durch diese Personen zu fordern und daher für die Verletzung dieses Rechts Schadensersatz zu verlangen (I, 353). § 72. Auch für Sachmängel ist der Vermieter haftbar. Er steht dafür ein, daß die Sache nicht mit Fehlern behaftet ist, die ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufheben oder mindern (§ 537 BGB.). Der Mangel muß an der Sache selbst bestehen (oben S. 45). Auch hier hat man freilich den Kreis noch weiter ausdehnen wollen. So hat man das Bestehen eines Konkurrenzgeschäfts im Nachbarhause als Sachmangel betrachtet 43 und ebenso rechtliche Hindernisse des Gebrauchs 44. Zu diesen gehören auch die meisten der Hemmnisse, die durch den Krieg entstanden waren, wie Beschränkung der Polizeistunde, Tanzverbot. Aber diese können hier so wenig wie beim Kaufe als Sachmängel angesehen werden (vgl. unten S. 150). Freilich hat nun der Krieg auch in anderer Weise die Benutzung von Mietwohnungen gehindert, insbesondere in der Nähe der Kampfzone; aber dafür brauchte der Vermieter nicht einzustehen. Anders mußte man jedoch für Fälle entscheiden, wo dort eine Sommerwohnung vermietet war. Hier war in der Tat davon auszugehen, daß ein solcher Vertrag durch das Bestehen friedlicher Verhältnisse stillschweigend bedingt ist: er würde auch durch den Ausbruch einer Revolution oder schweren Seuche aufgehoben werden. Man kann es auch so ausdrücken, daß der Vermieter hier nicht imstande ist, die stillschweigend ausgemachten Pflichten des Vertrags zu erfüllen. — Dem Mieter erwachsen aus der Fehlerhaftigkeit verschiedene Rechte : 42 43 44

R G . 87, 64. 91, 24. 102, 232. R G . GruchBeitr. 51, 397. R G . J W . 1913, 597. 10*

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Miete.

1. Er kann verlangen, daß der Mangel beseitigt wird, denn hier wird — abweichend vom Kaufe — dem Vermieter eine eigentliche Verpflichtung zur mangelfreien Lieferung auferlegt. Der Mieter einer Wohnung kann daher auch vom Vermieter klagend fordern, daß dieser einen ruhestörenden Lärm beseitige — nötigenfalls dadurch, daß er wiederum gegen den Störer klagt. 2. Er braucht den Mietzins nicht zu zahlen, bei bloßer Minderung des Gebrauchs nur einen Teil (§ 537 BGB.). Der Anspruch des Vermieters wird hier ohne weiteres getilgt oder herabgesetzt und nicht erst durch einrede weises Verlangen des Gegners. Die Rechts natur dieses Einwandes ist verschieden, je nachdem der Mangel schon beim Abschluß des Vertrags bestand oder erst später entstanden ist. I m ersten Fall macht der Beklagte die Nichterf üllungsrüge geltend, im andern beruft er sich auf eine nachträgliche Tilgung. Daher trifft die Beweislast dort den Kläger, hier den Beklagten. 3. Der Vermieter ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er die Entstehung des Mangels zu vertreten hat oder mit dessen Beseitigung in Verzug kommt (§ 538 BGB.). Und zwar ist er gemäß den allgemeinen Grundsätzen dann für jeden daraus entstehenden Schaden, auch für die Schädigung seiner Person oder seines Vermögens haftbar zu machen 45 . Seltsamerweise soll er aber nach § 538 auch dann immer auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung haften, wenn der Mangel schon beim Vertragsschluß vorhanden war. Der Grundgedanke dieser Vorschrift, daß ein Vermieter stillschweigend Garantie für die Güte der Sache leiste, stammt aus der gemeinrechtlichen Lehre und diese wieder aus einem vollen Mißverständnis der römischen Quellen, die vielmehr deutlich die Haftung vom Verschulden abhängig machen 46 . Es widerspricht durchaus der Billigkeit und dem unser Gesetz beherrschenden Schuldprinzip, daß der Vermieter hier für Zufall haften soll. Trotzdem muß diese verkehrte Vorschrift freilich angewendet werden. Aber sie ist nach Möglichkeit einzuschränken: nämlich auf den Schaden, der dem Mieter durch die Nichtgewähr der Mietsache erwächst 47 . Gar zu unbillig wäre es, ihn auch noch für den weiteren, dem Käufer entstehenden Schaden verantwortlich zu machen. 45 46 47

R G . 77, 89. 81, 203ff. ignorantia excusata, dig. 19, 2 1. 19 § 1. B l u m e , JheringsJ. 55, 225; mein Verschulden beim Vertragsschluß 17.

Haftung des Vermieters.

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4. Endlich darf der Mieter den Vertrag kündigen, wenn er infolge des Mangels kein Interesse mehr an dessen Erfüllung hat (§ 5421 2 BGB.). Sonst muß er dem Gegner vorerst eine Frist zur Beseitigung des Mangels setzen. Doch bedarf es einer solchen dann nicht, wenn die Beseitigung nicht möglich ist oder vom Gegner verweigert wird 4 8 , und außerdem nach § 544 BGB. nicht, wenn ein ungesunder Raum als Wohnung für Menschen vermietet i s t 4 9 . Doch muß die Ungesundheit nach allgemeiner Würdigung, nicht nur nach den besonderen Verhältnissen des Mieters, gegeben sein 50 . Der Vermieter kann statt der mangelhaften Sache eine andere als Ersatz stellen. Die Kündigung kann nicht nur auf sofort, sondern auch auf einen späteren Zeitpunkt abgestellt werden 51 . Auch trotz der Kündigung kann der Mieter einen Schadensersatzanspruch, wenn er ihm sonst zusteht, geltend machen 52 . Die Rechte des Käufers aus einem Mangel sind dann ausgeschlossen, wenn er diesen beim Vertragsschlusse kannte und — abgesehen von Arglist oder Zusicherung — auch wenn er ihn grob fahrlässig übersehen hat (§ 539 BGB.); ferner wenn er trotz Kenntnis die mangelhafte Sache ohne Vorbehalt annimmt (§ 539), wenn er den Mangel selbst verschuldet hat (§ 324), wenn er die Anzeige des Mangels versäumt (§ 545). Wenn aber ein Raum als Wohnung für Menschen — nicht auch für Tiere — vermietet ist, so kann bei einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit auch dann gekündigt werden, wenn der Mieter den Mangel gekannt oder auf seine Geltendmachung verzichtet hat (§ 544 BGB.). Diese Vorschrift ist aus dringenden sozialen Gründen geboten, um den Armen gegen eine gesundheitsschädliche Wohnung zu schützen. Sonst wäre ihm das Kündigungsrecht meistens durch seine Kenntnis abgeschnitten, und zwar um so eher, je offenbarer die Ungesundheit war. Auch müßte dann ein tatkräftiges Vorgehen der Gesundheitsbehörden gerade durch Rücksicht auf die 48

R G . W a r n e y e r 1918 N r . 74. Allgemeine Ansicht, anders K ü p p bei W i n s c h e i d zu § 400; M i t t e l s t e i n 268. 60 O L G . 7, 17; O e r t m a n n 2 zu § 544 u n d Genannte. 51 R G . 75, 355; B l f R A . 76, 504; Recht 1910 N r . 3737; M i t t e l s t e i n a. a. O. 257. 52 D e r n b u r g § 218; M i t t e l s t e i n 264ff.; Recht 1909 N r . 1119, 2243; O L G . 13, 361; R G 76, 368ff.; jetzt auch O e r t m a n n u n d P l a n c k zu § 542. 49

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Miete.

bedürftigen Mieter beeinträchtigt werden. Dem Mieter ist nur dann ein Anspruch versagt, wenn er selbst durch sein Verschulden den Mangel verursacht h a t 5 3 . § 73. Ganz ähnliche Grundsätze gelten, wenn der Gebrauch der Sache durch Rechtsmängel beeinträchtigt wird (§541 BGB.). Darunter sind diejenigen zu verstehen, die durch Vorschriften der Rechtsordnung begründet werden (oben S. 147). Das Gesetz spricht nur von den Rechten eines Dritten, doch sind auch öffentlich-rechtliche Beschränkungen dahin zu rechnen, so die durch den Weltkrieg verursachten 54 . Auch hier wird man wie bei den Sachmängeln unterscheiden müssen, ob sie gerade diese Sache selbst betreffen oder nicht. Das ist für das Verbot des Badebetriebs i n einem Seebad und ähnliche Fälle bejaht 5 5 , dagegen für die allgemeine Festsetzung einer Polizeistunde und derartiges verneint worden 56 . Anders liegt es aber bei der Pacht, wo der Verpächter die Fruchtziehung zu gewähren und daher für deren Unmöglichkeit aufzukommen h a t 5 7 . Man hat dies vielfach dadurch zu begründen versucht, daß es sich um Mängel der Sache handle ; so sollte z. B. das Verbot des Waffentragens im Kriege als ein Mangel des Jagdgrundstücks gelten 5 8 ! — Die Ansprüche werden durch Kenntnis des Rechtsmangels, aber nicht auch durch grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Der Käufer kann seine Leistung verweigern. Auf Schadensersatz haftet der Verkäufer wegen eines beim Vertragsschluß vorhandenen Mangels schlechthin, weil hierin ursprüngliches Unvermögen liegt, wegen eines später entstehenden nur bei Verschulden. — § 74. Der Mieter andererseits ist verpflichtet, beim Gebrauch der Sache sorgsam zu verfahren. Er haftet für sein Verschulden und das seiner Erfüllungsgehilfen : dazu sind seine Dienstboten und alle in den Hausstand dauernd aufgenommenen Personen zu rechnen, soweit ihre Handlung in den Bereich ihrer Obliegenheiten fällt 5 9 , 53 R G . 51, 212; O L G . 33, 305; W a r n e y e r 1916 N r . 72; SeuffA. 71 N r . 229. 54 Zahlreiche Beispiele bei O e r t m a n n 7 zu § 537. 55 R G . 91, 55ff.; O L G . 31, 368; W a r n e y e r 1916 A n m . 223; E l s L Z . 1918, 158. 56 R G . W a r n e y e r , 1918 N r . 8, 29; Recht 1917 N r . 1987. 57 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 127. 58 Anführungen bei E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. A n m . 16. 59 R G . 87, 276; J W . 1914, 465. 1923. 772; O L G . 27, 146ff.; O e r t m a n n zu § 549 u n d Genannte.

Haftung des

ieters.

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aber nicht vorübergehende Gäste, geschweige ungebetene Ankömmlinge. Bei der umstrittenen Frage, ob er für seinen Besuch haftet 6 0 , ist zu unterscheiden, ob es sich um einen Wohngast oder einen nur zeitweisen Besucher handelt (I, 456ff.). Für die beim Umzug und Transport herangezogenen Leute ist er haftbar, aber nicht für solche, die sich freiwillig dabei betätigen (I, 456). Für zufällige Beschädigungen der Sache ist der Mieter nicht haftbar. Das folgt aus der allgemeinen Regel der §§ 275, 276 BGB., wonach der Schuldner für Zufall nicht einzustehen braucht. Allerdings bestimmt der § 548: „Veränderungen und Verschlechterungen der gemieteten Sache, die durch den vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführt wrerden, hat der Mieter nicht zu vertreten": und daraus hat man vereinzelt folgen wollen, daß er für andere Verschlechterungen schlechthin hafte 6 1 . Aber das widerspricht in hohem Maße den allgemeinen Grundgedanken des Gesetzes und der Billigkeit. Unmöglich kann man den Mieter für einen Rohrbruch verantwortlich machen, der ohne jede seiner und seiner Leute Schuld entstanden ist. Nun fragt sich freilich, was der § 548 denn sonst bestimmt. Er will berücksichtigen, daß ein längerer Gebrauch einer Sache meist gewisse Verschlechterungen hervorrufen wird, die auf einer gewissen Nachlässigkeit beruhen. Bei vollkommener Sorgfalt können alle Flecken auf der Tapete und dem Fußboden, alle Kratzer an den Wänden vermieden werden. Aber der tägliche Gebrauch verursacht eben, daß dies nicht immer geschieht. Auch für derartige Verletzungen soll der Mieter nicht haftbar gemacht werden. Außerdem will das Gesetz nochmals besonders einschärfen, daß eine ohne Verschulden entstandene Abnützung nicht zu vertreten ist. Das ist auch gewiß nicht überflüssig, da manche Vermieter geneigt sind, schon auf Grund einer solchen Ansprüche zu erheben. —Ebensowenig haftet der Mieter für Schäden, die durch Krankheit oder Tod ohne seine Schuld entstehen 62 . So kann der Gast eines Gasthofes, der dort erkrankt, nicht ohne weiteres für die Schädigung des Wirts ver60 Einerseits bejaht v o n R e h b e i n 2, 109; F u c h s a. a. O. 277ff.; anderseits verneint v o n N u ß b a u m , H a f t u n g 62ff.; B r o d m a n n , JheringsJ. 58, 253ff.; D e r n b u r g 2 § 68 A n m . 10; P l a n c k 2 zu § 278. 81 B r u c k , BürgA. 27, 129; dagegen M i t t e l s t e i n 300 A n m . 31; R G . 84, 222 ff. 62 SeuffA. 58 N r . 231, 62 N r . 8. Anders O L G . 21, 205; Κ GBl. 11, 125; O e r t m a n n 1 zu § 548 u n d Genannte.

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Miete.

antwortlich gemacht werden. Doch kann ihn ein Verschulden beim Abschluß des Mietvertrages treffen, und dafür muß er dann haften 63 . Zu den Pflichten des Mieters gehört auch, Anzeige von Sachmängeln oder Ansprüche Dritter zu machen: sonst wird er zum Schadensersatz verpflichtet und seiner Ansprüche beraubt (§ 545 BGB.). Gegen Ende der Mietzeit muß er den Miet- oder Kauflustigen die Sachen vorzeigen, insoweit er selbst nicht dadurch übermäßig beeinträchtigt wird 6 4 . Dagegen ist der Mieter nicht verpflichtet, überhaupt Gebrauch von der Sache zu machen. Er ist nicht einmal verpflichtet, sie abzunehmen — im Gegensatz zum Käufer; daher würde auch seine grundlose Weigerung, sie anzunehmen, immer nur einen Gläubiger-Verzug und niemals einen Schuldner-Verzug begründen können. Die Folgen davon könnten also nur die Nachteile der §§ 300ff. und 324 BGB., nicht aber eine Schadensersatzpflicht des Mieters sein (I, 580). Dagegen könnte man einwenden, daß der Mieter sicherlich nicht berechtigt sein darf, die Wohnung ohne jede Obhut zu lassen oder zu verlassen. Das ist allerdings richtig. Durch ihr Beziehen hat er die Obhut übernommen und muß nun freilich die sich daraus ergebenden Pflichten erfüllen. Aber er kann auch jetzt noch nachträglich auf sein Gebrauchsrecht verzichten und die Wohnung räumen. § 75. Der Mieter ist nicht berechtigt, ohne Erlaubnis des Vermieters den Gebrauch der Sache einem anderen zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten (§ 549 BGB.) 6 5 . Diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, daß die Vermietung auf persönlichem Vertrauen beruht und daß insbesondere durch die Untermieter eine stärkere Abnutzung bewirkt wird. Anderseits kann der Mieter durch das Verbot der Ab Vermietung schwer geschädigt werden, falls er auf diese Einnahme gerechnet hatte. Deshalb erlaubt ihm das Gesetz, im Falle dieses Verbots in der normalen Frist zu kündigen (§ 549). Nun könnte ein Mieter dies Verbot geflissentlich dadurch hervorrufen, daß er eine ganz ungeeignete, z. B. eine anrüchige Person aufnimmt. Deshalb macht das Gesetz wieder eine Ausnahme für den Fall, daß in der Person 63 64 65

Mein Verschulden beim Vertragsschlusse 17, 50. N i e n d o r f f a. a. O. 241; M i t t e l s t e i n a. a. O. 294ff. R a a p e , JheringsJ. 71, 175ff.

Haftung des

ieters.

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des Aftermieters ein wichtiger Grund vorliegt. Diesen Grund muß der Vermieter dem Mieter nennen 66 . — Die Erlaubnis ist ein einseitiges Rechtsgeschäft des Vermieters. Eines Vertrags bedarf es nicht 6 7 : die Vorschrift des § 305 BGB. ist nicht anwendbar, weil dadurch eine Verpflichtung nicht erzeugt werden soll. Die Erklärung ist eine festgerichtete (sogenannte empfangsbedürftige). Sie kann auch stillschweigend erteilt werden, und das ist in Badeorten und kleinen Universitätsstädten meistens ohne weiteres anzunehmen. Sie ist nicht widerruf lieh, auch nicht bei einem wichtigen Grund 6 8 . Untersagt ist nur die Überlassung, nicht die Vermietung der Sachen. Der Mieter kann daher den Vertrag auf Abvermietung abschließen, haftet aber dem Untermieter, wenn er ihm die Sachen nicht verschaffen kann 6 9 . Auch die Überlassung des ganzen Mietrechts ist verboten; auch hier wird ein Kündigungsrecht entsprechend anzunehmen sein 70 . — Wenn der Gebrauch einem Dritten überlassen ist, so hat der Mieter für dessen Verschulden einzustehen, auch wenn der Vermieter die Erlaubnis erteilt hatte (§ 549 I I BGB.). Hat er sie ohne diese überlassen, so ist er auch ohne dessen Verschulden für den daraus erwachsenden Schaden haftbar. Wenn der Mieter einen unerlaubten Gebrauch von der Sache macht, so kann er nach Abmahnung auf dessen Unterlassung verklagt werden (§ 550 BGB.). Wäre ohne Abmahnung eine Klage erhoben worden, so wäre sie als solche aufzufassen. — Wenn er ungeachtet der Abmahnung den unerlaubten Gebrauch fortsetzt und den Vermieter dadurch erheblich schädigt, so kann dieser auf sofort den Vertrag kündigen (§ 553 BGB.). Ebenso wenn dies durch einen Dritten geschieht, dem er den Gebrauch überlassen hat, und endlich wenn der Mieter die Sachen durch Vernachlässigung erheblich gefährdet. Dabei ist nicht erfordert, daß der Mieter schuldhaft gehandelt, also den Umstand zu vertreten hat 7 1 . Denn auch ohne ein solches Verschulden kann er nach § 550 BGB. 88

R G . 74, 178; 92, 120; J W . 1910, 938. 1918, 302. Herrschende Meinung; abweichend K l e i n a. a. O. 67; E i t z b a c h e r , Handlungsfähigkeit 170. 68 Herrschende A n s i c h t ; anders O e r t m a n n 4 zu § 549; M i t t e l s t e i n 572 A n m . 11. 89 R G . 81, 60ff. 70 R G . W a r n e y e r 1911 N r . 264; anders M i t t e l s t e i n a. a. O. 71 R G . W a r n e y e r 1920, 96 = GruchBeitr. 64, 223; J W . 1920, 377; O e r t m a n n 1 zu § 553 u n d Genannte. Anders Protokolle 2, 228ff. 87

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Miete.

auf Unterlassung verklagt werden — und an diesen Anspruch schließt sich der des § 553 unmittelbar an. Wenn den Mieter jedoch ein Verschulden trifft, so ist der Vermieter auf diese Kündigung nicht beschränkt: er kann dann auch Schadensersatz fordern 72 , und zwar auch wegen des Schadens, der ihm erst infolge seiner Kündigung erwächst 73 . § 76. Die zweite große Verpflichtung des Mieters ist, den Mietzins zu bezahlen. Er ist am Ende der Mietzeit zu entrichten, aber wenn er nach Abschnitten bemessen ist, nach jedem Ablauf eines solchen (§551 BGB.). Hierin liegt freilich eine starke Abweichung von der Regel für gegenseitige Verträge, die auf gleichzeitige Erfüllung lautet (§ 320 BGB.). Aber sie ist durch die Verhältnisse geboten: eine volle Leistung Zug um Zug ist hier nicht ausführbar. Daraus darf man nun nicht die Folgerung ziehen, die Miete und ähnliche Geschäfte überhaupt aus den gegenseitigen Verträgen herauszuweisen 74. Denn es bleiben doch immer noch sehr viele andere Vorschriften dieser Lehre anwendbar. — Wenn die Sache dem Mieter nicht überlassen wird, ist der Zins nicht zu zahlen (oben S. 148. Anders dagegen, wenn dem Mieter der Gebrauch ermöglicht wird, er aber davon keinen Gebrauch macht: hier kommt er in Annahmeverzug und muß die Gegenleistung bezahlen (§§ 324, 552 BGB.). Keinen Unterschied macht es dabei, weshalb er die Leistung nicht entgegennimmt; denn auch bei unverschuldeter Unmöglichkeit ist ein Annahmeverzug begründet. Der Vermieter muß sich aber anrechnen lassen, was er dadurch erspart oder anderweit erwirbt. Alles dies setzt jedoch immer voraus, daß die Sache dem Mieter zur Verfügung gestellt ist. Wenn sie einem Dritten überlassen ist und deshalb nicht geliefert werden kann, ist ein Mietzins nicht zu zahlen (§ 552 BGB.). Kommt der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Zahlung in Verzug, so kann der Vermieter den Vertrag für sofort kündigen (§ 554 BGB.). Doch kann der Mieter noch vor dem Ausspruch der Kündigung rechtzeitig zahlen, und es genügt auch, wenn er den Vermieter durch Angebot in Annahmeverzug setzt 7 5 . Ja, es wird ihm sogar gestattet, noch nach dem Ausspruch der Kündigung aufzurechnen (§ 554 I I BGB.). Diese Aufrechnung 72 73 74 75

R G . 76, 368ff. ; O L G . 22, 264. O e r t m a n n 4 zu § 553, wo die L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung. So K ö h l e r , Lehrbuch 259ff., dagegen oben I 337. R G . 85, 415.

Mietzins.

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kommt eigentlich etwas zu spät, aber der unbedeutende zeitliche Vorrang der Kündigung wird mit Recht nicht als so erheblich erachtet. — Wegen des Verzugs kann der Vermieter auch Schadenersatz verlangen, trotzdem er gekündigt h a t 7 6 . Denn die für ihn entstandenen Schadensansprüche werden durch seine nachträgliche Kündigung nicht aufgehoben, da sie nur für die Zukunft wirkt — ebensowenig wie die entsprechenden des Vermieters. Allerdings muß der Vermieter den im voraus entrichteten Mietzins, der für die Zeit nach der Kündigung gilt, zurückzahlen (§ 555 BGB.): aber dadurch soll nur eine ungerechte Bereicherung des Vermieters vermieden werden. Nicht ist daraus zu folgern, daß er seinen Schaden nicht ersetzt bekomme. — Neben der Kündigung des § 554 bleibt nicht noch Raum für das Rücktrittsrecht des § 326 BGB. (oben S. 146). Freilich kann im Vertrag vereinbart werden, daß eine einmalige Verzögerung genügen soll; aber auch dann sind im übrigen die Vorschriften des § 554 anzuwenden. § 77. Endlich ist der Mieter nach Beendigung des Mietsverhältnisses verpflichtet, die Sachen zurückzugeben (§ 556 BGB.). Für die Räumung von Wohnungen kann das Landesrecht Fristen aufstellen (Art. 93 EG.). Wenn der Mieter sachlich verwandte Gegenansprüche hat, so kann er nach § 273 BGB. deshalb die Sachen zurückhalten. Gerade bei einem Grundstück oder einer Wohnung könnte er aber dadurch unverhältnismäßig großen Schaden herbeiführen, weil der neue Mieter muß pünktlich zu dem Ziehtermin einziehen können. Daher könnte der Mieter durch die Drohung, die Räumung zu verweigern, oft einen überstarken Druck auf den Gegner ausüben und ihn dadurch zur Bezahlung unbegründeter Forderungen zwingen. Um das zu vermeiden, schließt das Gesetz (§ 556 I I BGB.) bei Grundstücken und deren Teilen das Rückhaltungsrecht aus. Das bezieht sich aber nur auf den Fall, daß der Herausgabeanspruch auf den Mietvertrag gestützt wird, nicht auch, wenn auf Eigentum oder ein ähnliches Recht 7 7 . Das läßt sich zwar nicht schon daraus ableiten, daß § 5 5 6 I I eine Ausnahmevorschrift enthält: denn auch die letzteren können auf gleichliegende Fälle entsprechend ausgedehnt 78 R G . 76, 368; O L G . 13, 361; M i t t e l s t e i n a. a. O. 129, 194, 252, 274; N i e n d o r f a. a. O. 109, 165; K e i d e l , B l f R A . 69, 317ff.; jetzt auch dagegen P l a n c k u n d O e r t m a n n 5 zu § 542. Anders O L G . 7, 471; S t a u d i n g e r I . 77 R G . 85, 136.

Miete.

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werden. Aber unmöglich kann ein Kläger, der aus Eigentum klagt, die Rückhaltungseinrede des Beklagten dadurch zerstören, daß er für diesen noch ein besonderes Mietsrecht behauptet. — Gibt der Mieter die Sache nicht zurück, so kann der Vermieter ohne weiteres den Mietzins fordern (§ 557 BGB). Daneben bleiben ihm seine weiteren Ansprüche aus Verzug erhalten 7 8 . Wenn der Mieter die Sache einem Dritten überlassen hat — besonders also i m Falle einer Abvermietung —, kann der Vermieter sie unmittelbar von dem Dritten herausfordern (§ 5 5 6 I I I BGB.). Diese Vorschrift muß auffallen, weil sie scheinbar dem Vermieter ein allwirksames Recht gibt. Man hat zwar dagegen eingewendet, der Anspruch wirke hier gar nicht gegen einen Dritten, sondern es werde lediglich der Schuldner durch einen objektiven Umstand bestimmt 7 9 . Aber das könnte man mit demselben Recht auch für jeden dinglichen Anspruch behaupten. Auch er richtet sich nicht gegen alle Menschen, sondern nur gegen den, der sich objektiv damit in Widerspruch setzt. So geht der Eigentumsanspruch nur gegen den Besitzer oder Störer, und nicht etwa, wie man früher behauptete, gegen die ganze Menschheit. Auch darin kann man nicht einen Unterschied finden, daß der dingliche Anspruch gleichzeitig gegen mehrere wirkt — denn auch der Anspruch aus § 556 BGB. ist zugleich gegen den Mieter und den Dritten gerichtet. So scheint es, als ob dieser Anspruch in der Tat allwirksam sei. Aber daraus müßte man die Folgerung ziehen, daß er ein dinglicher sei; denn darin liegt das entscheidende Merkmal für die Abgrenzung. Man kann sich auch nicht damit beruhigen, daß man von einer obligatio in rem scripta spricht 8 0 ; denn dieser Begriff paßt nur für die römische Formelfassung und ist für uns nichtssagend 8 1 . Willkürlich ist es auch, einen gesetzlichen Übergang des Mieterrechts auf den Vermieter anzunehmen82, und es ist verkehrt, weil es dessen Recht von jenem ersten abhängig machen würde. Auch als Besitzanspruch kann man das Recht nicht auffassen 83: nicht als solchen aus Eigenmacht, da diese 78

R G . 99, 230ff. E n n e c c e r u s I § 204. 80 D e r n b u r g , B r ü c k n e r u. a. m . 81 v . T u h r , Allgemeiner T e i l 1, 213. 82 So O e r t m a n n 3 zu § 556 u n d Angeführte. 83 So F u l d a. a. O. 109; S t a u d i n g e r I I I ; H e l l w i g , Verträge 421ff.; Rechtskraft 28; N i s s e n , J W . 1903, 201ff. 79

Rückgabe.

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fehlt, und nicht aus § 1007 BGB., weil die Frage der dinglichen Berechtigung hier keine Rolle spielt. — Aus dieser Schwierigkeit hilft uns nur die Erkenntnis, daß das Recht der Vermieters zwar nicht nur einseitig wirkt, aber auch nicht gegen alle. Es versagt gegenüber allen außer dem einen Dritten: also gegenüber allen anderen Besitzenden der Sache und gegenüber den Gläubigern in Konkurs und Zwangsvollstreckung. Daher ist es ein Mittelding zwischen einem einseitigen und einem allwirksamen Recht, ein mehrwirksames Recht (I, 8 ff.). Ein solches ist sachlich als ein Schuldrecht anzusehen. Denn es ist eben doch nur ein vereinzelter, ganz bestimmter Dritter, gegen den es wirkt. Außerdem steht das Recht im Schuldrecht des BGB. und ist seinen Regeln zu unterwerfen. Der Anspruch auf den Mietzins verjährt in vier Jahren (§197 BGB.), bei einem Gläubiger, der gewerbsmäßig bewegliche Sachen vermietet, in zwei Jahren seit Jahresschluß (§§ 196 6 , 201). Der Anspruch wegen Veränderung oder Verschlechterung der Sache und der Anspruch des Mieters auf Ersatz von Verwendungen oder Abtrennung einer Einrichtung verjährt in sechs Monaten (§ 558 BGB.). § 78. Da der Vermieter regelmäßig vorzuleisten hat, muß ihm eine Sicherung gewährt werden. Dazu dient das Pfandrecht 84 , das er an den eingebrachten Sachen hat (§ 559ff. BGB.). Es stammt schon aus dem älteren römischen Recht. Aber es ist jetzt mehrfach eingeschränkt worden, teils aus sozialen Gründen, teils um die Kenntlichkeit des Rechts zu sichern. — Es entsteht kraft Gesetzes, nicht etwa durch einen stillschweigenden Vertrag (der mangels eines Besitzes des Vermieters nichtig wäre), kann aber durch Vertrag ausgeschlossen werden. Es steht nur dem Vermieter von Grundstücken und deren Teilen zu. Es erstreckt sich auf die eingebrachten Sachen. Die Einbringung ist kein Rechtsgeschäft, weil sie nicht auf Rechtsfolgen gerichtet ist, sondern nur eine tatsächliche Rechtshandlung: sie bedarf daher nicht der Geschäftsfähigkeit 85 und kann nicht wegen Willensmangel angefochten werden. Es kann sich um Sachen jeder A r t handeln, auch um Geld und Wertpapiere: auch Schuldurkunden 84

S i b e r , Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters; F u c h s , B ü r g A . 34, 368ff. 85 Wesentlich ebenso O e r t m a n n 3 zu § 559 u n d Genannte; anders E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 130 A n m . 2.

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Miete.

sind nicht deshalb auszuschließen, weil sie der Forderung folgten und deshalb der Selbständigkeit entbehrten 86 . Die Sachen müssen im Eigentum des Mieters stehen. Es genügt also nicht, wenn sie etwa dem Untermieter oder einem Hausgenossen des Mieters gehören. Sehr wichtig ist das wegen der Sachen der Ehefrau, umsomehr, als ihr regelmäßig die Möbel und damit die meisten pfändbaren Sachen gehören. Daher fordern nicht wenige Vermieter, besonders bei Mietern von zweifelhafter Zahlungskraft, daß die Ehefrau den Mietvertrag mit unterschreibt. Wenn man dies nur als eine Verbürgung für den Mietzins auffaßt, so wird eine Pfandhaftung ihrer Sachen dadurch nicht erreicht. Denn die Sachen des Bürgen sind nach § 559 BGB. nicht haftbar, und man kann darin auch nicht etwa eine stillschweigende Verpfändung erblicken, da es dafür wieder an der Form des § 1205 BGB. fehlen würde. Um also den erstrebten Zweck zu erreichen, muß man die Erklärung der Frau so auffassen, daß sie nicht nur als Bürgin, sondern als eigentliche Mieterin eintritt, daß also ein Schuldbeitritt vorliegt (oben S. 139). Man hat dagegen freilich geltend gemacht, daß die Frau hier nur eine Nebenrolle spiele und nicht als gleichwertige Mieterin anerkannt werden könne. Das ist zwar richtig; aber es schließt doch nicht aus, daß sie ebenfalls als Mieterin, wenn auch als Nebenmieterin erscheint. — Sehr oft wird der Vermieter irrig annehmen, daß die Sachen dem Mieter gehören: besonders bei solchen, die diesem nur unter Eigentumsvorbehalt übertragen sind. Es liegt nahe, ihn hier wegen seines guten Glaubens zu schützen. Aber das BGB. schreibt für das gesetztliche Pfandrecht nicht die Anwendung der für die vertragsmäßige Entstehung geltenden Bestimmungen vor, sondern nur für ein „kraft Gesetzes entstandenes Pfandrecht" die Anwendung der Vorschriften, die für den Inhalt des Vertragspfandes gelten 8 7 . Für diese Einschränkung spricht außer dem Wortlaut auch die Beobachtung, daß der Vertrauensschutz des BGB. grundsätzlich nur bei rechtsgeschäftlichem, aber nicht bei gesetzlichem Erwerb eingreift. Eine weitere starke Einschränkung ergibt sich daraus, daß das Pfandrecht sich nicht auf die unpfändbaren Sachen erstreckt 88 E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. A n m . 1; O e r t m a n n 3; anders S i b e r a. a. O. 14; F r a n k e , GruchBeitr. 50, 500ff. 87 O L G . 2, 80. 4, 239; W o l f f , Sachenrecht § 163; E n g e l s c h a l l , Gesetzliche Pfandrechte u n d d o r t Genannte.

Pfandrecht.

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(§ 559 3 BGB.). Es ist das aus sozialen Gründen geboten, um den Bedürftigen die Fortführung ihres Hausstandes und Gewerbes zu ermöglichen. Aber der Wert des gesetzlichen Pfandrechts wird dadurch sehr geschmälert, da die Mieter nicht selten nur unpfändbare Sachen haben. Man hat versucht, durch Vertrag seinen Umkreis zu erweitern. Aber die genannte Vorschrift des Gesetzes ist eben wegen ihrer sozialen Natur als zwingend anzusehen. Man kann dies auch nicht etwa als stillschweigende Verpfändung aufrecht erhalten: denn diese wäre ja wieder wegen mangelnden Besitzes des Vermieters nichtig. Und aus demselben Grunde kann dem Vermieter auch nicht ein Zurückhaltungsrecht eingeräumt werden 88 . § 79. Das Pfandrecht sichert nur die Forderungen aus dem Mietvertrage einschließlich der hieraus entspringenden Nebenforderungen. Dazu sind auch solche aus Zinsen und aus Lieferung von Frühstück, nicht aber auch von voller Verpflegung zu rechnen 8 9 , ferner auch Entschädigungsforderungen. Da das Pfandrecht nur ein Ersatz für die Barzahlung sein soll, ist es nicht auf Forderungen für die Zukunft zu erstrecken. Deshalb kann es für den Mietzins über das nächste Mietjahr hinaus und für künftige Entschädigungsforderungen nicht geltend gemacht werden (§ 559 2 BGB.). Anderseits soll der Vermieter nicht übermäßig lange den Mietzins stunden und so die Sache mit übergroßen Forderungen belasten. Deshalb kann das Pfandrecht nur für den Mietzins des letzten Jahres vor der Pfändung ausgeübt werden (§ 563 BGB.). Dies ist aber eine Einschränkung, die nur im Verhältnis zu einen andern Pfandgläubiger gilt : dem Mieter gegenüber ist das Pfandrecht hier unbeschränkt wirksam. Beim Zusammentreffen dieses Pfandrechts mit andern taucht die Frage auf, wer der besser Berechtigte ist: er kann von dem andern zwar nicht Einstellung der Zwangsver wertung verlangen, wohl aber ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung geltend machen (§ 805 ZPO.). Das stärkere Recht steht nach der allgemeinen Regel des Sachenrechts regelmäßig dem älteren Berechtigten zu: und das wird meistens der Vermieter sein, denn eine Verpfändung oder Pfändung würde den Mieter regelmäßig schon an der Einbringung der Sachen hindern. Umsomehr ist es im Interesse des Verkehrs 88 Allgemeine A n s i c h t : O e r t m a n n 4 zu § 559. Anders n u r R G . Strafs. 35, 151 ff. 89 SächsArch. 13, 574; J W . 05, 19; SeuffA. 61, 182; O L G . 27, 156.

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Miete.

erforderlich, daß das Pfandrecht des Vermieters kenntlich gemacht wird. Zunächst geschieht das eben dadurch, daß die Einbringung der Sache erfordert wird. Sodann aber muß sie auch in der Wohnung oder doch auf dem Grundstück verbleiben. Deshalb erlischt das Pfandrecht, wenn sie mit Wissen und ohne Widerspruch des Vermieters von diesem entfernt wird (§ 560 BGB.). Der Vermieter kann dem nicht widersprechen, wenn die Entfernung den regelmäßigen Verhältnissen des Lebens oder Geschäfts entspricht oder die zurückbleibenden Sachen offenbar zur Sicherung ausreichen. Sonst kann der Vermieter die gegen seinen Willen fortgebrachten Sachen noch verfolgen und ihre Aushändigung fordern. Um aber die Kenntlichkeit zu wahren, ist dies Recht auf die Zeit von einem Monat nach Kenntnis beschränkt (§ 561 BGB.). Dies gilt auch, wenn Sachen vom Gerichtsvollzieher in der Wohnung gepfändet und fortgeschafft werden: das Pfandrecht des Vermieters erlischt dadurch nicht 9 0 , außer wenn die zurückbleibenden Sachen offenbar zu dessen Sicherung ausreichen 91. — Durch diese Regelung ist einerseits der Vermieter gesichert: er kann gegen eine Entfernung von Sachen Widerspruch erheben und seine Rechte innerhalb eines Monats verfolgen. Anderseits werden eben durch diese kurze Befristung auch die übrigen Interessenten geschützt. Wer auf eine Sache Geld leihen will, braucht sich nur darüber zu unterrichten, ob der jetzige Vermieter Ansprüche darauf erhebt oder ob solche noch aus einem ganz kurz zurückliegenden früheren Mietverhältnis bestehen. — Solange die Sachen sich noch auf dem Grundstück befinden, hat der Vermieter sogar ein Selbsthilferecht (§ 561 BGB.). Sobald sie davon entfernt sind, bleibt ihm nur noch die Erhebung eines Anspruchs auf Zurückschaffung in das Grundstück oder, falls der Mieter ausgezogen ist, auf Überlassung des Besitzes. Selbsthilfe darf er hier nur noch unter den Voraussetzungen des § 229 BGB. ausüben. Das dem Vermieter nach § 561 BGB. zustehende Selbsthilferecht kann durch Sicherheitsleistung des Mieters abgewendet werden (§ 562 BGB.). § 80. Die bisher dargestellten Rechte und Pflichten der Parteien werden oft durch besondere Verträge verändert. Besonders bei der Vermietung von Häusern und Wohnungen sind eingehende 90 O L G . 9, 298ff. 11, 311. 17, 3; SeuffA. 63 N r . 154; Recht 1906, 374; M e t z g e r s , GruchBeitr. 49, 495. 50, 781ff. 91 R G . 71, 418ff.; O L G . 7, 463. 19, 2; D J Z . 1909, 1150.

Verträge, Ende.

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schriftliche Verträge häufig. Hierbei werden vielfach feststehende Formulare benutzt, besonders die von den Hausbesitzervereinen aufgestellten. I n vielen Städten haben die Vermieter hierdurch eine völlig Umgestaltung des Mietrechts durchsetzen können. Es fragt sich, ob darin nicht eine unsittliche und unzulässige Ausnützung ihrer Überlegenheit zu erblicken ist. Man wird das nur dort bejahen können, wo tatsächlich ein Monopol der organisierten Gruppe besteht, so daß es den Mietern nicht möglich ist, zu andern Bedingungen eine Wohnung zu erhalten. Außerdem wird man aber auch erfordern, daß die so erzwungenen Bestimmungen unbillig sind. Gerade bei der Miete ist zu erwägen, daß das BGB. den Vermieter stark belastet, ihm insbesondere alle Erhaltungskosten auferlegt. Wenn die Vermieter sich einheitlich dagegen wehren und diesen Satz einschränken, so wird man das noch nicht als Unrecht bezeichnen können. Dagegen findet sich in manchen solchen Verträgen die Bestimmung, daß der Vermieter nicht für sein Verschulden oder daß der Mieter für jeden Zufall einstehen soll: und solche Bestimmungen wird man, wenn sie durch eine Wohnungsnot erzwungen werden, in der Tat als unsittlich bezeichnen müssen (I, 293). — § 81. Die Endigung des Mietvertrags ist durchaus von seiner Aufhebung zu unterscheiden. Unter Aufhebung ist zu verstehen, daß ein Vertrag in seinen Wirkungen beseitigt, also die gemachten Leistungen wieder zurückgewährt werden sollen. Ganz anders liegt es, wenn bei einem Dauerverhältnis die Beendigung des Verhältnisses vereinbart oder sonst bestimmt wird. Hier soll dessen Wirkung bis zu dem bestimmten Zeitpunkt durchaus fortdauern. Diese Beendigung ist etwas Naturgemäßes, da das Verhältnis ja nur auf vorübergehende Dauer angelegt ist: der Vertrag wird dadurch nicht zerstört, sondern nur näher bestimmt. Daher muß ein Vertrag auf Aufhebung scharf von einem solchen auf Beendigung unterschieden werden, und ebenso bei den einseitigen Akten der Rücktritt von der Kündigung (I, 406 ff.). Leider wird aber diese Unterscheidung nicht selten übersehen. Für die Aufhebung eines Mietvertrags sind die allgemeinen Regeln maßgebend. Besondere Vorschriften gelten nur für seine Beendigung. Die Kündbarkeit richtet sich in erster Linie nach der Bestimmung des Vertrages. Wenn darin nichts enthalten ist, so greifen gesetzliche Regeln ein, die also nur ergänzend wirken. Bei Grundstücken und Wohnungen ist die Kündigung auf den B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

11

162

Miete.

Schluß des Kalender vier teljähr s zulässig (§ 565 BGB.). Das Gesetz erkennt also auch eine Kündigung auf den 1. Januar und Juli an, obwohl diese im Verkehr wenig beliebt sind. Die Kündigung kann noch bis zum dritten Werktage des Vierteljahrs erfolgen. Das wird man nicht ohne weiteres auch da anwenden können, wo durch Vertrag vierteljährliche Kündigung ausgemacht ist 9 2 . Wenn der Mietpreis nach Monaten berechnet ist, ist monatliche Kündigung bis zum 15. zulässig. Ist er nach Wochen bemessen, so ist am ersten Tage der Woche auf ihren Schluß zu kündigen — wenn nach Tagen, an jedem Tage auf den nächsten. Streitig ist, ob der Mieter diesen folgenden Tag noch zu bezahlen h a t 9 3 . Es ist das deshalb zu bejahen, weil er doch an diesem Tage noch dort wohnt. Anders ist es bei der Miete eines Zimmers im Gasthaus, wo das Nachtlager die Hauptsache bedeutet und wo auf den steten Wechsel Rücksicht genommen werden muß. Hier ist es daher meistens so geregelt, daß die Kündigung nur bis zum Nachmittag zulässig ist, anderseits aber schon für den nächsten Tag wirkt. Bei beweglichen Sachen beträgt die Frist drei Tage, außer wenn der Zins nach Tagen berechnet wird (§ 565 I I . I I I BGB.). § 82. Dem stehen die Vorschriften gegenüber, die nicht nur ergänzend, sondern z w i n g e n d ein Kündigungsrecht verleihen. Und zwar ist es zum Teil eine schonende Kündigung unter den gesetzlichen Fristen; sie greift ein: 1. bei einem formlosen Mietvertrag über ein Grundstück über ein Jahr hinaus, § 566 BGB.; 2. bei einem Mietvertrag über 30 Jahre hinaus (§ 567 BGB.). Diese Vorschrift soll eine Erbmiete ausschließen; eine Vermietung auf Lebenszeit ist dagegen zulässig; 3. beim Tode des Mieters kann sowohl dessen Erbe als der Vermieter kündigen (§ 569 BGB.). Der Grund ist, daß der Erbe oft die Wohnung des Erblassers nicht beziehen will, besonders weil er selbst schon eine hat, und sie auch oft nicht bezahlen kann — ferner daß der Vermieter sich nicht einen andern Mieter aufdrängen zu lassen braucht. Die Kündigung muß der Vermieter auf den ersten Termin, wo 82

O L G . 17, 7, 9; O e r t m a n n 3 zu § 565. Anders F u l d a. a. O. 149; auch U d e , GruchBeitr. 56, 705ff. 98 Dafür O e r t m a n n 1 zu § 565; C r o m e 577 u n d die meisten, dagegen P l a n c k 2 zu § 465.

Kündigung.

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sie zulässig ist aussprechen; wenn er aber erst hinterher von dem Tode erfährt, muß er nun doch noch auf den nächsten Termin kündigen dürfen 94 . Haben mehrere Personen gemietet, so ist der Tod des einen von ihnen regelmäßig nicht ausreichend. Anders ist es aber, wenn zwei Ehegatten zusammen eine Wohnung mieten. Das ist meistens so aufzufassen, daß beide als Mieter anzusehen sind, der Ehemann aber als der Vorstand der Familie als Hauptmieter gilt (oben S. 140). Daher ist bei seinem Versterben die Kündigung zuzulassen95. Gerade hier wird sehr oft das Bedürfnis dazu bestehen, weil sich die Einnahmen und Ansprüche dann sehr herabmindern. Bedenklich kann freilich scheinen, daß dann auch dem Vermieter das Recht gegeben werden muß, hier der Witwe zu kündigen. Aber diese Gefahr wiegt nicht so schwer wie deren Bindung an einen langen teuren Mietvertrag. Daß dies im Not-Mietrecht anders geregelt ist (§ 19 Mieterschutzgesetzes), beweist nichts dagegen: denn hier ist nur einseitig das Kündigungsrecht des Vermieters zugunsten naher Verwandter ausgeschlossen. Wenn umgekehrt die Frau stirbt, so ist, da sie nur Nebenmieterin ist, die Kündigung nicht zuzulassen. Allerdings kann es auch hier dem Witwer, besonders wenn er keine Kinder hat, erwünscht sein, seine Wohnung zu verkleinern; aber es entspricht nicht der Regel und ist daher nicht zu berücksichtigen ; 4. Beamte und ähnliche öffentlich-rechtlich Angestellte dürfen bei einer Versetzung den Mietvertrag vorzeitig kündigen (§ 570 BGB.). Es ist dies wesentlich im Interesse des Staats oder der andern Anstalt bestimmt, die sonst bei der Versetzung die Kosten des doppelten Wohnens tragen müßten. Die Vorschrift ist daher nicht auf privatrechtliche Verträge und nicht auf die erste Anstellung anzuwenden: wohl aber auf Fälle, wo der Beamte doch schon eine ähnliche Stellung (Assessor, Privatdozent) hatte, und wo er in ein anderes Amt, auch vom staatlichen in den städtischen Dienst überM

E r m a n , D J Z . 1905, 683; M i t t e l s t e i n a. a. O. 453; R G . 74, 38ff.; J W . 1910, 808; SeuffA. 64 N r . 188. 96 F r ä n k e l a. a. O. 68; D e r n b u r g § 221 A n m . 8; R e i c h e l , Recht 1913, 113; J o s e f »daselbst 238; anders P l a n c k 5 zu 569; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 131. 11*

Miete.

164

t r i t t 9 6 . Nicht nötig ist auch, daß er schon zur Zeit des Mietabschlusses das erste Amt hatte 9 7 . 5. Endlich kann der Vertrag im Konkurse des Mieters gekündigt werden (§§ 19, 20 KO.), und i n den besonderen Fällen der §§ 549, 105611, 1423, 1663 und 2115 BGB. § 83. Daneben treten die Fälle, wo ebenfalls kraft zwingenden Rechts entgegen dem Vertrag gekündigt werden kann, aber nicht nur schonend i n der gesetzlichen Frist, sondern auf sofort. Das trifft nämlich bei den schweren Pflichtverletzungen des Vermieters oder Mieters nach §§ 542, 553, 554 BGB. zu. Hiernach haben wir zu unterscheiden: 1. das vertragsmäßige Kündigungsrecht, 2. das gesetzliche zur Ergänzung, § 565 BGB., 3. das zwingende Kündigungsrecht a) unter den gesetzlichen Fristen §§ 566ff., b) auf sofort, §§ 542, 553, 554 BGB. Wir stellen dies nochmals zusammen, weil das Verhältnis dieser Bestimmungen zu einander bisweilen verkannt wird. — Dagegen ist eine Kündigung aus jedem wichtigen Grunde bei der Miete nicht zugelassen. Das Gesetz entscheidet also hier anders als bei den Arbeitsverträgen (§§ 626, 723 BGB.). Wenn ein Vertrag aus Miete und Dienstvertrag gemischt ist, so ist zu fragen, welcher von beiden Gesichtspunkten der überwiegende ist. So wird bei der Unterbringung eines Kindes i n einer Erziehungsanstalt die Tätigkeit überwiegen und daher der Kündigung aus einem wichtigen Grund zuzulassen sein. Dies kann aber nicht auf den Fall ausgedehnt werden, wo ein möbliertes Zimmer mit Bedienung vermietet wird. Wenn hier die Erfüllung der letzteren dem Vermieter unmöglich wird, so muß er sich durch eine andere Person vertreten lassen (I, 327). Man müßte denn dem Satze des Reichsgerichts zustimmen, daß bei jedem Dauerverhältnis, das ein persönliches Zusammenarbeiten und daher ein gutes Einvernehmen erfordere, aus wichtigen Grunde gekündigt werden könne 98 . Aber das dürfte doch viel zu weit gehen. Es träfe auf fast alle Mietverträge und sogar auch auf manche dauernde Kaufgeschäfte zu — worauf es auch das Reichsgericht in der Tat anwendet. Und doch sollen diese Verträge, bei denen das geschäft96

D e r n b u r g § 226; P l a n c k zu § 570; teilweise anders O e r t m a n n 3. O L G . 13, 375; L i p p m a n n , JheringsJ. 1906, 729ff.; R o s e n b e r g , GruchBeitr. 53, 657ff.; anders F r a n c k e , B a y r R p f l Z . 2, 478; M i t t e l s t e i n a. a. O. 462. 97

98

R G . 78, 389 vgl. 94, 238.

Kündigung.

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liehe Moment im Vordergrund steht, nicht von einer solchen immer dehnbaren Klausel abhängig gemacht werden. Es wäre sehr bedenklich, wenn Mißhelligkeiten zwischen dem Vermieter und Mieter selbst ohne erweisliche Schuld der Parteien als Grund für eine sofortige Auflösung geltend gemacht werden könnten. Und noch bedenklicher erscheint es, wenn sich sogar ein Verkäufer oder Käufer dadurch von einem unerwünschten Lieferungsvertrage losmachen kann, daß er Streitigkeiten mit seinem Gegner herbeiführt. — Die Kündigung ist eine einseitige, festgerichtete Erklärung, sie kann nicht unter einer Bedingung abgegeben werden (I, 239ff., 265ff.). Wenn nach der Beendigung der Miete dennoch der Mieter den Gebrauch fortsetzt, so gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn nicht einer von beiden das Gegenteil binnen zwei Wochen erklärt (§ 568 BGB.). Die Frist beginnt für den Mieter mit dem Gebrauche der Sache, für den Vermieter mit dessen Kenntnis. Man sieht i n dieser Vorschrift meistens eine unwiderlegliche Vermutung". Aber nach richtiger Ansicht gibt es derartige Bestimmungen in unserem Recht überhaupt nicht. Außerdem ist es gar nicht die Annahme einer Tatsache, was das Gesetz vorschreibt, sondern die Deutung eines Verhaltens. Das Fortbenutzen der Sache wird als Abschluß eines neuen Vertrags gedeutet : es ist daher ein Rechtsgeschäft, das den Vorschriften über solche (Geschäftsfähigkeit, Anfechtbarkeit) untersteht 100 . § 84. Wenn die vermietete Sache veräußert wird, so kann der Erwerber mit seinem dinglichen Anspruch gegen den Mieter vorgehen. Dieser kann sich dagegen nicht mit seinem Anspruch aus dem Mietvertrag verteidigen, weil dieser wegen seiner einseitigen Natur nur gegen den Vermieter wirkt. Das war der Standpunkt des römischen Rechts, den man mit dem Schlagwort „Kauf bricht Miete" bezeichnet hat — recht ungenau, da es sich nicht um einen besonderen Satz des Kauf- und Mietrechts, sondern lediglich um eine Schlußfolgerung aus der Natur der dinglichen und persönlichen Rechte handelt. Diese Gestaltung war in Rom deshalb erträglich, weil die Miete von Wohnungen dort keine bedeutende Rolle spielte und man darauf nicht sonderlich Rücksicht zu nehmen brauchte. Anders im germanischen Rechte, dem im wesentlichen 99 100

Z . B . E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 131. L i t e r a t u r bei O e r t m a n n 3 zu § 568.

Miete.

166

das preußische und französische Recht folgten. Und auch das BGB. hat sich bei der Grundstücksmiete dieser germanischen Auffassung angeschlossen (§§ 571ff.) 101 . Es hat damit die hohe Bedeutung der Miete und Pacht anerkannt und diese Rechte gegen Beeinträchtigung durch den Vermieter gesichert. Allerdings wird dadurch anderseits dessen Recht zur Veräußerung eingeschränkt; aber dagegen läßt sich sagen, daß er sich ja durch seinen Vertrag freiwillig diese Schranken auferlegt hat und überdies doch auf Schadensersatz für seinen Vertragsbruch haften würde. — Bei beweglichen Sachen gilt für die Miete kein Sonderrecht. Allerdings wird der Mieter auch hier gegen eine Veräußerung geschützt, die während seines Besitzes erfolgt. Denn sie kann hier nur durch Abtretung des Herausgabeanspruchs geschehen (§ 931 BGB.). Dann aber hat der Drittschuldner, hier also der Mieter, gegenüber dem Anspruch des Erwerbers die gegen den abgetretenen Anspruch gerichteten Einreden (§ 986 I I BGB.). Aber das ist keine Eigentümlichkeit des Mietrechts. § 83. Wie der Vorgang rechtlich aufzufassen sei, ist sehr streitig. Aber bevor wir dies entscheiden, müssen wir vorher die einzelnen dafür geltenden Sätze erörtern. Denn die Natur eines Rechtsaktes darf nie aus einer „Konstruktion", sondern muß aus den geltenden einzelnen Rechtssätzen abgeleitet werden. Voraussetzung ist zunächst ein gültiger Mietvertrag über ein Grundstück. Dies muß ferner schon dem Mieter übergeben sein, bevor die Veräußerung erfolgte (§ 571 BGB.). Es wird das vom Gesetz gefordert, damit der Mietvertrag dem Erwerber kenntlich gemacht wird. Daher kann es nicht genügen, daß es ihm nur zur Verfügung gestellt war 1 0 2 . Aus demselben Grunde ist es nötig, daß der Besitz zur Zeit der Veräußerung noch fortdauert 1 0 3 : denn nur dadurch wird die Kenntlichkeit für den Erwerber gewährleistet. Wenn der Erwerber die Miete übernommen hat, ist die Übergabe unnötig (§ 578 BGB.). — Danach muß das Grundstück veräußert worden sein. Doch wird man analog ebenso den Fall behandeln müssen, 101

C r o m e , JheringsJ. 37, I f f . ; H e l l w i g , Verträge 420ff.; H e s s e , Rechtliche N a t u r der Miete; M i t t e i s , Leipziger Programm 1905ff.; R o m e i c k , Zur Technik des B G B . I I ; Z i m m e r m a n n * Rechtswirkungen der Veräußerung eines vermieteten Grundstücks. 102 Anders R o m e i c k a. a. O. 56ff. 103 H e l l w i g , Verträge 424ff.; anders O L G . 11, 144; O e r t m a n n 1 zu § 571 u n d Genannte; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 132 A n m . 7.

Bei Veräußerung.

167

wo der Vermieter das Grundstück aufgegeben und der Staat es sich angeeignet hat (§ 928 BGB.) 1 0 4 . Denn wenn der Mieter sogar gegenüber einem rechtsgeschäftlichen Erwerber durchdringt, der doch regelmäßig entgeltlich erwirbt, so muß um so mehr dasselbe gegenüber dem Staat gelten, der das Grundstück ganz umsonst bekommt. Man darf es aber nicht daraus ableiten, daß dieser Vorgang sich wirklich als eine Veräußerung darstelle 105 . — Entsprechend der Veräußerung wird es behandelt, wenn das Grundstück mit dem Rechte eines Dritten belastet wird, dessen Ausübung dem Mieter den vertragsmäßigen Gebrauch entziehen würde (§ 577 BGB.): z. B. wenn er einen Nießbrauch bestellt hat. Nach Beendigung dieses Rechts muß freilich das Mietverhältnis wieder an den Vermieter zurückfallen: denn der Nießbraucher kann nur für die Dauer seiner Berechtigung das Mietrecht beeinträchtigen. Wird durch das bestellte Recht das Gebrauchsrecht des Mieters nur beschränkt, so ist der Dritte dem Mieter gegenüber verpflichtet, eine solche Ausübung zu unterlassen (§ 577 2 BGB.). Die Parteien können im Mietvertrag vereinbaren, daß ein Übergang des Verhältnisses auf den Erwerber nicht stattfindet: denn es ist nicht einzusehen, weshalb es dem Mieter verwehrt sein soll, auf seinen Schutz zu verzichten. § 86. Als Wirkung gibt das Gesetz (§ 571) an: es t r i t t der Erwerber an Stelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Verpflichtungen ein". Er ist also besonders gegenüber dem Mieter verpflichtet, ihm die Sache weiter zu belassen und die Sache zu erhalten. Für die vor der Veräußerung entstandenen Verpflichtungen ist er nicht haftbar: also nicht für Aufwendungen, die vorher gemacht worden sind, und nicht für eine vom Veräußerer vorher verursachte Verletzung, auch wenn der Schaden erst nachher eintritt 1 0 6 . — Anderseits hat er von der Veräußerung an die Rechte des Vermieters, insbesondere auf den Mietzins. Hiernach müßte jede Vorausverfügung des früheren Eigentümers über den Mietzins unwirksam sein. Aber das wäre sehr bedenklich. Dem Vermieter muß es mindestens freistehen, für 104

R G . 103, 167ff.; O L G . 27, 160; SeuffA. 76 N r . 79; J W . 1921, 240 u n d die allgemeine Lehre; anders E n d e m a n n § 169 A n m . 33. 105 B e n d i x , B ü r g A . 32, 257ff. 106 R G . J W . 1905, 488; P l a n c k 2 zu § 571; anders O e r t m a n n 4 zu § 571; M i t t e l s t e i n a. a. O. 633.

168

Miete.

das laufende Vierteljahr die Miete vorweg einzuziehen, und der Mieter muß diese beruhigt zahlen können. Deshalb hatte das BGB. ursprünglich vorgesehen, daß die Zahlung noch für das laufende und das folgende Vierteljahr erfolgen dürfe. Aber das war wiederum zu weit erstreckt. Eine Vorauszahlung für das nächste Vierteljahr erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn sie ganz kurz vor Schluß des Vierteljahrs erfolgt, und dasselbe gilt für andere Vorausverfügungen, z. B. durch Abtretung. Deshalb ist das BGB. hier durch eine Novelle vom 8. Juni 1915 dahin geändert worden, daß eine Vorausverfügung für das nächste Vierteljahr nur dann wirksam ist, wenn sie sich auf das laufende Vierteljahr bezieht, und bezüglich des folgenden nur dann, wenn der Eigentumsübergang in dem letzten halben Monat des Vierteljahrs erfolgt (§ 573), und ähnliches gilt für die Zahlung des Mietzinses (§ 574). Hierdurch wird der neue Erwerber geschützt: er kann, falls er nicht im letzten Halbmonat erwarb, mit Sicherheit auf die Mieten des nächsten Vierteljahrs rechnen. Und anderseits auch der, der am Ende des Vierteljahrs eine Mietzinsforderung erwirbt oder bezahlt. Es gilt dies auch für zwangsweise Verfügungen über den Mietzins 107 . Auch für die Aufrechnung ist eine entsprechende Vorschrift getroffen (§ 575, entsprechend § 406 BGB.). Zeigt der Vermieter dem Mieter an, daß er das Grundstück übereignet habe, so muß er dies gegen sich gelten lassen (§ 576, entsprechend § 409 BGB.). Durch Vertrag kann eine andere Reglung getroffen werden 108 . Der Erwerber muß den Mietvertrag so wie er geschlossen war, aushalten und darf nur dann kündigen, wenn ihm das Recht dazu aus Vertrag oder Gesetz erwächst. Wenn der Mieter zweimal hintereinander mit dem Mietzins in Verzug kommt, so darf der Erwerber daraufhin nur dann nach § 554 kündigen, wenn es beides Mietforderungen aus der Zeit seiner Herrschaft sind 1 0 9 . Wegen einer Forderung, die vor diese Zeit fällt, kann er das Kündigungsrecht nur ausüben, wenn ihm diese Forderung abgetreten ist. — Mit dem Recht des Vermieters gehen auch die 107 R G . 58, 18Iff. 59, 177ff. 64, 418,; O L G . 3, 358. 4, 229. 7, 24, 310. 469. 8, 398. 10, 170; anders O L G . 7, 25; Recht 1903 N r . 2780; L i t e r a t u r bei O e r t m a n n 2 zu § 573. 108 R G . 94, 281. 109 O L G . 7, 466; E n n e c c e r u s - L e h m a n n , § 132 A n m . 12; anders

Planck 2.

Bei Veräußerung.

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Sicherungen über ; aber der Erwerber ist für deren Rückgewähr nur haftbar, wenn sie ihm ausgehändigt sind oder er sich zur Rückgabe verpflichtet hat (§ 572 BGB.). Auf die Aushändigung der Sicherheit hat der Erwerber ein Recht, soweit sie nicht dem ursprünglichen Vermieter wegen eines Anspruchs haftbar i s t 1 1 0 . Für die Pflichten des neuen Vermieters haftet der alte wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vor-Ausklage verzichtet hat (§ 571 I I BGB.). Wenn er aber dem Mieter die Übertragung anzeigt, muß dieser für den nächst zulässigen Termin kündigen, widrigenfalls der Vermieter von dieser seiner Haftung frei wird. Wenn der Erwerber das Grundstück weiter veräußert, so haftet der ursprüngliche Vermieter auch für den zweiten Erwerber, der erste Erwerber wird dann frei (§ 579 BGB.). Zweifelhaft aber ist das, wenn der ursprüngliche Vermieter durch die eben erwähnte Anzeige von seiner Haftung befreit ist und danach die zweite Veräußerung erfolgt. Daß er nun dennoch haftet, ist schwer annehmbar, da er ja eben frei geworden ist. Anderseits darf der Mieter aber auch nicht schutzlos sein, wenn der neue Erwerber vermögenslos ist. A m richtigsten erscheint es daher, daß dann der erste Erwerber wie ein Bürge mithaftet 1 1 1 . Zwar erwähnt § 579 diese Haftung nicht, aber er schließt sie auch nicht geradezu aus, da er überhaupt diesen besonderen Fall nicht in Betracht zieht. — Der Übergang bezieht sich nur auf die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis, nicht auch auf andersartige Verpflichtungen, die nur gleichzeitig mit übernommen worden sind, wie die zum Verkauf des mitvermieteten Inventars 1 1 2 , zur Übernahme des eingebrachten Inventars 1 1 3 oder zur Unterlassung eines Κ onkurrenzunternehmens 114. § 87. Dieser Schutz des Mieters wird sehr wesentlich dadurch abgeschwächt, daß er in einem Vollstreckungsverfahren versagt. Falls der Erwerber eines Hauses die Mieten aushalten muß, wird dessen Verkäuflichkeit oft bedeutend herabgesetzt, ja bisweilen ganz aufgehoben: man denke nur an eine Villa, die nur zum 150

R G . 53, 249; SeuffA. 66, 132. E n n e c c e r u s - L e h m a n n , § 132 A n m . 16; O e r t m a n n zu § 579 u n d angeführte; anders D e r n b u r g § 223; M i t t e l s t e i n 673ff.; P l a n c k l b ; F u c h s , GruchBeitr. 50, 172. O L G . 7, 467ff. O L G . 17, 16. R G . SeuffA. 61, 184ff. 111

Miete.

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Selbstbewohnen gekauft wird. Diesen Nachteil muß der Vermieter freilich tragen, da er sich ja selbst durch seinen Vertrag gebunden hat. Aber das gleiche darf nicht auch zum Schaden seiner Gläubiger gelten. Ihr Verkaufsrecht darf nicht daran scheitern, daß die Kauflustigen durch die mietweise Festlegung des Hauses abgeschreckt werden. Sie müssen daher in den Stand gesetzt werden, es frei von dieser Bindung auszubieten. Nach diesem Gedanken ist das Verfahren in der Zwangsversteigerung geregelt (§§ 57ff. ZwangsvGes.). Allerdings geht das Mietverhältnis auch hier auf den Ersteher des Hauses über. Aber dieser kann die Miete mit der gesetzlichen Frist kündigen. Es gilt hier also nicht der Satz ,,Kauf bricht nicht Miete"; der Mieter muß vielmehr ausziehen. Allerdings haftet ihm der Vermieter auf Schadensersatz, weil er für die Folgen seiner Zahlungsunfähigkeit einstehen muß; dagegen ist nicht der Mieter seinem Untermieter haftbar, weil er für seinen Vermieter nicht einzustehen braucht 1 1 5 . Ähnliches gilt im Konkurse des Vermieters ( § 2 1 KO.). Aus einem andern Grunde versagt der Schutz des Mieters in den Fällen, wo die Vermietung nicht von dem Eigentümer des Hauses, sondern einem nur Verwaltungsberechtigten ausging, nämlich von dem Ehemann, Vater, Niesbraucher oder Vorerben (§§ 1056, 1423, 1546, 1550, 1663, 1686, 2135 BGB.) 1 1 6 . Hier stützt sich das Recht des Mieters von vornherein nur auf dieses Verwaltungsrecht, er kann also nicht über dessen Beendigung hinaus Schutz beanspruchen. Deshalb ist auch hier bestimmt, daß zwar das Mietverhältnis entsprechend §§ 571ff. BGB. auf den Eigentümer der Sache übergeht, daß dieser aber in der gesetzlichen Frist kündigen kann. § 88. Erst jetzt, nachdem die einzelnen Sätze des Übergangs festgestellt sind, können wir an die streitige Frage herantreten, wie dieser rechtlich aufzufassen sei. Die Vorschrift des §571 BGB., daß der Erwerber in die ,,sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Verpflichtungen eintritt", gibt deutlich zu erkennen, daß es sich um eine Übertragung von Rechten und Pflichten handelt. Nun ist diese allerdings nicht auf alle vorher entstandenen Ansprüche, z. B. wegen rückständigen Mietzinses, gerichtet, diese bleiben viel116 118

R G . 63, 67. 65, 31ff. Abweichend J a c o b i , JheringsJ. 75, 81ff. G s c h n i t z e r , ZivArch. 123, 5 0 f f . ; L ö n i n g a. a. O. 170ff.

Bei Veräußerung.

171

mehr bei dem ursprünglichen Vermieter zurück. Aber es dürfte doch voreilig sein, deshalb den Gesichtspunkt der Übertragung zu verwerfen. Das Hauptrecht, das Besitzrecht des Mieters, ist ja schon zur Zeit der Übereignung gegenwärtig vorhanden und auch der Gegenanspruch auf den Mietzins doch wenigstens als befristeter. Überdies können sogar auch künftige Ansprüche abgetreten werden (I, 655). So steht nichts im Wege, hier eine eigentliche Übertragung der Rechte und Pflichten nach §§ 398ff., 414ff. BGB. die durch Gesetz erfolgt, anzunehmen — wobei nur die Rückstände ausgeschlossen sind. Und doch wird gerade diese Auffassung am wenigsten vertreten 117 . Statt dessen denkt man sich den Vorgang so, daß das ganze zweiseitige Schuldverhältnis als solches übertragen werde 118 . Aber dagegen ist zu sagen, daß ein solcher Vorgang unserem Rechte nicht bekannt ist. Eine Übertragung ist dort nur für die einzelnen Rechte und Pflichten vorgesehen. Zwar können die Parteien an Stelle eines Vertrags einen andern schließen : aber das bestimmt sich nicht nach dem Rechte der Übertragung, erfordert vielmehr die Zustimmung des Schuldners 1 1 9 . Man hat sich zwar dagegen auf die Vertragsfreiheit berufen 1 2 0 : aber diese gilt nur im Schuldrecht, während die Abtretung ein dingliches Rechtsgeschäft ist. Es ist daher nicht möglich, ein ganzes Vertragsverhältnis einheitlich zu übertragen. Richtig ist, daß man bei dem Worte Schuldverhältnis bisweilen auch an das gesamte Vertragsverhältnis d e n k t 1 2 1 : aber daraus folgt noch nicht, daß dies auch als Einheit abgetreten werden kann. Wer alles dies anerkennt, also die Abtretung eines ganzen Vertragsverhältnisses verwirft, der kann mit dieser Rechtsform nicht den Übergang der Miete nach § 571 BGB. erklären 122 . Wie man nun aber auch diesen Vorgang auffassen möge: keinesfalls wird dadurch das Hauptbedenken beseitigt, daß das Mietrecht gegen den dritten Erwerber wirkt. Denn man muß doch den Übergang der Rechte erklären, d. h. auf eine Ursache zurück117

R . L e o n h a r d zu E c k 495, 500; R e i c h e l , Schuldmitübernahme 92,

439; 118

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 132; R o m e i c k a. a. O. 53ff.; M i t t e l s t e i n 624, P l a n c k 5 zu § 571; D e m e l i u s , JheringsJ. 72, 248ff. 119 I , 655 u n d Genannte. 120 ν , T u h r 1, 220; K r e ß Allgemeines Schuldrecht 151r P l a n c k 2 a vor § 398. 121 122

I , 56 u n d Genannte. W i e E n n e c c e r u s - L e h m a n n einerseits § 79, andererseits § 132.

172

Miete.

führen. Unmöglich kann diese allein in dem Umstände gefunden werden, daß das vermietete Grundstück auf den Erwerber übereignet worden ist. Denn dieser Übergang reicht ja doch sonst bei Schuldverhältnissen nicht aus, um die über die Sache eingegangenen Verpflichtungen übergehen zu lassen. Die Ursache, aus der die Wirkung gegen den Ersteher entspringt, ist vielmehr in dem Mietrecht zu erblicken. Und so werden wir wieder daran erinnert, daß man die Rechte, die eine solche Drittwirkung haben, als dingliche bestimmt. Der vorhegende Fall darf daher auch nicht etwa mit dem Schuldübergang verglichen werden, den das Gesetz in § 419 BGB. vorschreibt : denn dort ist es eben die Übernahme des Vermögens, das die Mithaftung des Erwerbers erklärt und rechtfertigt. Wie bedenklich die Gegenansicht ist, erhellt besonders daraus, daß man danach auch die dinglichen Rechte als schuldrechtliche auffassen könnte, bei denen lediglich ein gesetzlicher Übergang der Pflichten und Rechte auf jeden Nachfolger vorgeschrieben sei. So würde auch der Nießbrauch nur gegen den Besteller wirken, und nur die daraus entstehenden Pflichten und Rechte auf jene übergehen. Dadurch würde die ganze Unterscheidung zwischen persönlichen und dinglichen Rechten, die Grundlage unseres Privatrechts, verwischt und zerstört. Durch diese Deutungen wird also nicht der Umstand aus der Welt geschafft, daß das Mietrecht in der Tat gegen einen Dritten wirkt, also mehr als einseitig ist. Man kann dagegen auch nicht einwenden, daß es nicht gegen jeden Menschen, sondern nur gegen einen einzelnen gerichtet sei. Denn auch das dingliche Recht wirkt nicht gegen alle, sondern immer nur gegen den, den es angeht (I, 8). Und man darf sich auch nicht mit der sehr verbreiteten Wendung beruhigen, daß hier eine an das Eigentum geknüpfte Zustandsobligation vorliege 123 . Denn das könnte man ebenso bei jedem dinglichen Rechte behaupten, wenigstens bei einem solchen, das, wie die Rçallast, auch mit einer persönlichen Verpflichtung verbunden ist. Außerdem läßt diese Auffassung unerklärt, weshalb das Mietverhältnis nur auf den übergeht, der das Grundstück durch Veräußerung vom Vermieter erwirbt. Und endlich paßt sie nicht auf den Fall, wo das Grundstück nur mit einem Rechte belastet wird. 123

S c h o l l m e y e r a. a. O. 75; C r o m e , System § 242; D e r n b u r g § 222; O e r t m a n n 2 zu § 571 u n d Genannte; R G . 102, 177ff. 103, 166.

Bei Veräußerung.

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So scheint es in der Tat, als ob das Recht des Mieters hier allwirksam sei. Aber dann müßte man unbedingt daraus auch die Folgerung ziehen, daß es ein dingliches Recht sei: denn das ist das Merkmal, wodurch sich dieses vom Schuldrecht unterscheidet. I n der Tat haben manche Schriftsteller diese Folgerung gezogen 124 . Aber sie ist, wie schon oben dargelegt, unhaltbar (S. 143). Das Mietrecht ist nach seiner Geschichte, seiner Stellung im Gesetze und der Gesamtheit seiner Regelung durchaus als ein bloßes Schuldrecht anzusehen. — Vielmehr ist die Schwierigkeit auch hier nur dadurch zu lösen, daß ein mehrwirksames Recht vorliegt (I, 8ff.). Das Mietrecht wirkt nicht nur gegen den ursprünglichen Vertragsgegnerj ist also mehr als ein einseitiges Recht. Aber es wirkt doch auch nicht gegen alle: vor allem nicht gegen die Gläubiger, die vielmehr das Grundstück mit Kündigungsrecht versteigern dürfen, aber auch nicht gegen Nachbarn und andere Störer. Es ist also ein Mittelding zwischen einem einseitigen und einem allwirksamen Recht. Und zwar wird es nach den Regeln des Schuldrechts behandelt. — § 89. Die Pacht (§§ 581ff. B G B . 1 2 5 ) ist eine Abart der Miete. Es gelten dafür im wesentlichen die gleichen Regeln. Der Hauptunterschied liegt darin, daß nicht nur der Gebrauch einer Sache, sondern auch ihr Fruchtgenuß zu gewähren ist. Einzelne unbedeutende Früchte werden dabei nicht in Betracht gezogen. So wird ein Haus vermietet, obschon in dem zugehörigen Garten ein paar Obstbäume stehen. — Hiernach ist die Pacht auf solche Sachen beschränkt, die Früchte abwerfen. Aber es kommen dabei auch die mittelbaren Früchte in Betracht, die nur vermöge eines Rechtsverhältnisses gewonnen werden (§ 99 I I I BGB.). Daher kann man von der Verpachtung eines Betriebes, z. B. einer Wirtschaft, eines Gasthofs oder eines Theaters reden 126 . Sie ist dann anzunehmen, wenn dem Betreibenden nicht nur der Raum, sondern auch die Einrichtung zum Gebrauch überlassen wird — und dann nicht, wenn er selbst dies Inventar mitbringt. Nicht selten erwirbt er aber auch das Inventar von dem Vermieter oder von seinem eigenen Vormann. Auch in solchen Fällen hat man in der Recht124

C o s a e k - M i t t e i s 2 § 105; F u c h s , Grundbegriffe des Sachenrechts § 1; GruchBeitr. 46, 566ff., i n abgeschwächter Weise auch L ö n i n g 167ff. 125 K u h l e n b e c k , J W . 1902, 553ff. * 2 e R G . 81, 24ff. ; W a r n e y e r 1913 N r . 89, 1914 N r . 78, 116, 1915 N r . 47, 1918 N r . 29, 1919 N r . 9; SeuffA. 73, 366 u. ö.

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Miete.

sprechung eine Pacht angenommen, weil hier doch der alte Betrieb fortgesetzt und mithin ein fruchttragendes Unternehmen zum Gebrauch überlassen werde 127 . Aber zum Gebrauche überlassen ist hier doch nur der Raum, die andern Stücke sind vielmehr durch Veräußerung erworben. Daß der Betrieb fortgesetzt wird, kann nicht entscheidend sein; sonst müßte ja auch der Erwerb des ganzen Betriebes als Pacht anzusehen sein. Hiernach kommt es vielmehr darauf an, ob der Mieter die Sache nur benutzen oder aber durch Fruchtziehung oder Vermietung verwerten will: im zweiten Falle liegt Pacht vor. Damit hängt zusammen, daß auch Rechte Gegenstand der Pacht sein können. Denn sie können Früchte abwerfen, während sie nicht Gegenstand eines Gebrauchs und daher einer Vermietung sein können. Eine solche Verpachtung liegt aber nur da vor, wo die Überlassung des Rechts zeitlich beschränkt wird. Wird dagegen ein Recht, z. B. aus einem Patent, endgültig überlassen, so liegt eine Veräußerung vor, und der darauf gerichtete Schuldvertrag ist ein K a u f 1 2 8 . Auch kann ein solcher Vertrag unter Umständen als ein Verkauf der Früchte angesehen werden. Er wird aber regelmäßig als Pacht aufzufassen sein, wenn es sich um die gewöhnlichen Erträge der Sache handelt und das Entgelt lediglich für die Überlassung der Nutzung, ohne Rücksicht auf den Erfolg gewährt w i r d 1 2 9 . So wird die Einräumung des Rechts, Steine aus einem Steinbruch zu gewinnen, als Verpachtung anzusehen sein 130 . Auch ein Inbegriff von Sachen und Rechten, also ein Vermögen kann verpachtet werden, z. B. ein Handelsgeschäft oder Landgut 1 3 1 . Der Verpächter ist nur verpflichtet, die Fruchtziehung dem Gegner zu ermöglichen. Er haftet nicht dafür, daß er sie ihm wirklich gewährt, also daß Früchte entstehen und geerntet werden können. Er ist daher auch, wenn dies nicht eintritt, berechtigt, den Pachtzins zu verlangen. Die Vorschrift des römischen Rechts, 127 R G . 81, 24. 91, 310. 114, 243; W a r n e y e r 1913 N r . 89, 1914 N r . 78, 116, 1915 N r . 48, 217, 1921 N r . 84, 1923/24 N r . 100, 103, 1925 N r . 22, 1926 N r . 45, 117, 183; GruchBeitr. 69, 483ff. Dagegen O e r t m a n n , Vorbem. 5 vor § 582. 128 R G . 122, 70. 129 O e r t m a n n , Vorbem. 5 vor § 581; J u n g , JheringsJ. 69, 69. 130 R G . 89, 116; 94, 280; SeuffArch. 67 N r . 220; J W . 1903, 131. 1909, 451. 131 R G . 82, 342ff.; W a r n e y e r 1914 N r . 78.

Pacht.

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daß der Pächter bei außerordentlicher Mißernte Nachlaß an der Pacht fordern kann, ist bedauerlicherweise vom Gesetz nicht übernommen worden. Nur dann, wenn eine Fruchtziehung überhaupt nicht möglich ist, würde auch die Gegenleistung nach § 323 BGB. fortfallen 132 . —Die wichtige Frage, auf welche Sachen der Pächter ein Recht hat, hängt davon ab, ob sie unter die Früchte (§§ 99ff. BGB.) fallen. Zu den natürlichen Früchten einer Sache rechnet das Gesetz alle organischen Erzeugnisse. Abgesehen davon entscheidet, ob es sich um den wirtschaftlichen Ertrag der Sache handelt : d. h. ob die Gewinnung eine wirtschaftliche Ausnutzung der Sache unter Erhaltung ihres Wertes oder aber eine Zerstörung oder doch Wertminderung bedeutet. So ist das im Walde geschlagene Holz als Frucht anzusehen, nicht aber das aus dem Abbruch eines Hauses gewonnene. Ersteres fällt dem Pächter zu, letzteres nicht. Wie steht es, wenn die Art der Gewinnung eine solche wirtschaftliche, aber ihr Umfang ein übermäßiger ist ? Es wird z. B. aus dem Walde mehr Holz entnommen, als einer ordentlichen Wirtschaft entspricht. Auch solche Erträge sind nach § 99 BGB. als Früchte anzusehen. Anderseits hat der Pächter sicherlich keinen Anspruch darauf, weil der Verpächter nach § 581 die Früchte nur insoweit zu gewähren hat, als sie „nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind". Aber es fragt sich, ob ihm nicht dennoch zunächst das Eigentum auch an diesen Früchten zufällt. Das wird zwar allgemein bestritten, aber ohne genügenden Grund 1 3 3 . Es spricht dafür die Analogie des § 1039 BGB., der dies für den Nießbrauch bestimmt. Gerade daraus will zwar die herrschende Lehre einen Gegenschluß ableiten : aber sie übersieht dabei, daß das Fruchtrecht des Pächters dem des Nießbrauches völlig gleichartig ist. Die Unterschiede, die für beide Rechte gelten, kommen bei diesem Punkte nicht in Betracht. Vor allem aber ist es weit zweckmäßiger, das Eigentum von der heiklen Frage, ob der Ertrag ein übermäßiger ist, unabhängig zu machen. Endlich hat unser Gesetz in bewußter Abweichung vom römischen Recht den Fruchtbegriff von der Frage des Übermaßes losgelöst. Diese Neuerung hätte keinen Sinn gehabt, wenn man nun nicht dem Fruchtberechtigten diese Stücke zusprechen wollte. 132

138 B a r t e l s , Recht 1904, 411. R i c h t i g K o h l e r , Lehrbuch 2, 332; mein Lehrbuch des bürgerlichen Rechts 27.

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Miete.

§ 90. Für die Pacht gelten die Regeln der Miete nur mit einzelnen Abweichungen (§ 581 I I BGB.). Wird ein Grundstück verpachtet, so ist dafür die Form des § 566 BGB. einzuhalten. Das gilt aber nicht, wenn nicht das Grundstück selbst, sondern nur ein daran bestehendes Recht, z, B. das Jagdrecht verpachtet wird. Wird das verpachtete Grundstück veräußert, so t r i t t der Erwerber nach §§ 571ff. BGB. i n den Pachtvertrag ein. Aber auch das kann nicht auf eine Verpachtung des Jagdrechts oder anderer Grundstücksrechte bezogen werden 134 . Für die besonders wichtige Pacht von landwirtschaftlichen Grundstücken gelten mehrere Besonderheiten: 1. Die gewöhnlichen Ausbesserungen hat hier der Pächter zu bewirken und zu tragen, da er ihre Kosten ja aus den Früchten entnehmen kann, § 582 BGB. 2. Er darf keine eigenmächtigen Veränderungen vornehmen, die auf die spätere Bewirtschaftung Einfluß haben, § 583 BGB. 3. Ist der Pachtzins nach Jahren bemessen, so ist er auch jährlich zahlbar, § 584 BGB. 4. Das Pfandrecht des Verpächters wird auf die Früchte erstreckt (§ 585 BGB.). Dies kann nach § 94 BGB. erst dann gelten, wenn diese von der Hauptsache getrennt und dadurch Gegenstand eigener Rechte geworden sind. Aber dennoch muß man annehmen, daß das Pfandrecht einer Pfändung der Früchte auf dem Halm (§810 ZPO.), vorgeht, weil schon vorher ein schutzwürdiges Anrecht des Verpächters besteht 1 3 5 . Ferner gilt es auch für die Sachen, die sonst als landwirtschaftliches Inventar der Pfändung entzogen sind. 5. Da der Pächter für die Ausbesserungen verantwortlich ist, darf er auch das Grundstück nicht — wie der Mieter — in einem abgenutzten Zustand zurückgeben, sondern so wie er sich aus einer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung ergibt (§ 591 BGB.). Daher hat er auch soviel Erzeugnisse zurückzulassen, als zur Fortführung der Wirtschaft erforderlich sind, auch wenn solche bei der Übernahme nicht vorhanden 134

R G . 70, 7 I f f . Dagegen v . S e e l e r , Festschrift für Gierke 345ff.; W o l f f , Sachenrecht § 80 I V . 136 B u n s e n , B ü r g A . 29, 37ff.; O e r t m a n n , ZZP. 41, 1; E n n e c c e r u s L e h m a n n a. a. O. A n m . 1 u n d Genannte.

Pacht.

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waren (§ 593 BGB.). Wenn die Pacht während des Pachtjahres endigt, so sind ihm anderseits die ordnungsmäßigen Bestellungskosten bis zum Werte der Früchte zu ersetzen (§ 592 BGB.). § 91. Mit einem Grundstück wird häufig auch dessen Inventar mit verpachtet. Das ist freilich nicht ohne weiteres anzunehmen, da die Regel des § 314 BGB. sich nur auf eine Veräußerung, aber nicht auch auf eine Verpachtung erstreckt. Daher ist es insbesondere auch bei der Verpachtung von Landgütern keineswegs überall üblich, das Inventar mitzuliefern, sondern das ist in den einzelnen Teilen Deutschlands verschieden. I n der Tat hat beides seine Vorteile. Für das Vieh ist es oft vorteilhaft, wenn es im Gut bleibt; auch gibt es tüchtige Pächter, die kein Inventar und kein Geld besitzen. Anderseits kann es umgekehrt für den Pächter vorteilhaft sein, seine eigenen Pferde und Maschinen zu behalten. — Für die Fälle, wo das Inventar mit verpachtet ist, gibt das Gesetz (§§ 586ff.) Regeln, die sich nicht nur auf Landgüter, sondern auch auf Wirtschaften und derartige Betriebe beziehen. Der Verpächter bleibt hier Eigentümer des Inventars; der Pächter hat es zu erhalten, der Verpächter dagegen fehlendes zu ergänzen (§ 586 BGB.). Diese Regelung ist aber i m allgemeinen recht unzweckmäßig. Über die Frage, ob ein Stück ausgebessert oder ersetzt werden muß, wird gar zu leicht Streit entstehen. Außerdem entspricht es der Stellung des Pächters wenig, wenn er sich bei jeder Ergänzung an den Verpächter wenden muß, und es ist viel zweckmäßiger, ihm ein freies Verfügungsrecht zu geben. Deshalb hat sich schon seit dem frühen Mittelalter der sogenannte Eisernvieh-Vertrag entwickelt, wobei der Pächter die Gefahr, aber auch die Verfügung über das Inventar hat. Hier ist er überhaupt nicht verpflichtet, gerade die ihm ausgehändigten Stücke wieder abzuliefern. Sondern es wird der Gesamtwert des Inventars durch Schätzung festgestellt und mit dem Schätzungswert am Ende der Pacht verglichen. Der Pächter erlangt dadurch eine freiere Stellung und wird doch angehalten, das Inventar nicht zu verschlechtern; im Gegenteil, er hat sogar ein eigenes Interesse daran, es möglichst zu verbessern. Bei dieser Regelung bleibt das Inventar zwar im Eigentum des Verpächters und auch die neu angeschafften Stücke gehen durch die Einverleibung ins Inventar kraft gesetzlicher ÜberB i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

12

Miete.

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tragung 1 3 6 auf ihn über. Aber der Pächter kann über die einzelnen Stücke nach den Regeln einer ordentlichen Wirtschaft verfügen (§ 688 I BGB.). Anderseits trägt er die Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung — nicht nur während der Pachtzeit 137 (§ 588 I I BGB.). Daher muß er bei Beendigung der Pacht ein Inventar von gleichem Schätzungswerte zurückgeben: bleibt es hinter dem Anfangswerte zurück, so muß er den Unterschied ersetzen, auch wenn er an dem Mißerfolg keine Schuld trägt. Anderseits kommt es ihm freilich auch zugute, wenn der Endwert des Inventars höher als der Anfangs wert ist (§ 589 I I I BGB.). Hieraus sind große Schwierigkeiten in der Inflationszeit erwachsen Die alte Schätzung des Inventars war nach der Goldmark erfolgt und hatte etwa auf 4000 Mark gelautet, die neue belief sich etwa auf 1 Million. Nach dem Wortlauf des Gesetzes schien es* als ob der Verpächter dem Pächter nun 996000 Mark als Mehrwert des Inventars ersetzen müßte, und dies wurde auch zuerst, besonders in der Rechtsprechung' 138 , angenommen. Aber das ist offenbar verkehrt. Die ganze Berechnung durch zweimalige Schätzung hat doch den Zweck, festzustellen, ob das Inventar im Wert gestiegen oder gefallen ist. Nun kann es sein, daß es ganz genau gleich geblieben ist, es sind vielleicht sogar noch ganz dieselben Stücke vorhanden: hier ist klar, daß sein Wert sich nicht verändert hat. Was sich geändert hatte, war vielmehr die Mark, die sich inzwischen in eine Papiermark verwandelt und daher eine ganz andere Bedeutung angenommen hatte. Die alte Summe und die neue sind zwei gar nicht vergleichbare Größen, die nur den Namen Mark gemein haben. Außerdem hätte dies Verfahren zum völligen Ruin aller Verpächter führen müssen. Daher wendete sich eine ganze Reihe von Gutachten gegen diese Auffassung 139 , und ihnen ist es gelungen, auch das Reichsgericht zur Aufgabe seiner früheren Ansicht zu bewegen 140 . Aber der entscheidende Punkt wurde damals von uns allen noch nicht 138

S p r e n g e r , Eigentumswert durch Einverleibung u n d herrschende Meinung. 137 O e r t m a n n 1 zu § 688 gegen P l a n c k daselbst 1. 138 R G . GruchBeitr. 62, 108; SeuffA. 75 N r . 151; W a r n e y e r 1920 N r . 141. 138 Gutachten von E n d e m a n n , K r ü c k m a n n , O e r t m a n n , „einem Juristen" u n d m i r . Dagegen besonders R i c h t e r , J W . 1921, 1195ff. 140 R G . 104, 394ff.; J W . 1922, 1514; W a r n e y e r 1923/24 N r . 71.

Pacht.

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erkannt. Man trug allgemein Bedenken, die Verschiedenheit der damaligen Mark von der früheren anzuerkennen, und suchte sie auf verschiedene Weise zu überwinden. Aber man verkannte dabei, daß der Satz „Mark = Mark", genauer die grundlegende Verordnung des Bundesrats über die Währung, hier gar nicht anwendbar war. Wenn diese dem Papiergeld Zwangskurs beilegte, so bestimmte sie damit lediglich etwas über das Geld als Zahlungsmittel. Hier aber, bei der Pacht, hat das Geld eine ganz andere Bedeutung. Es dient lediglich als Wertmesser. Hierbei aber mußte — ohne Rücksicht auf die Währungsbestimmungen — in Betracht gezogen werden, daß dieser Wertmesser sich völlig verändert hatte und daß daher die beiden verschiedenen Summen nicht miteinander verglichen werden konnten. Durch diese Summen konnte man jetzt nicht mehr das feststellen, worauf es ankam : nämlich ob sich der wahre Wert des Inventars während der Pachtzeit verändert hatte. Dies mußte daher jetzt auf andere Weise ermittelt werden. War der Wert der gleiche geblieben, so war nichts herauszuzahlen, war er gestiegen oder gefallen, so war der Unterschied auszugleichen in einer Summe, die sich nach dem damaligen Stande der Mark richtete. Bisweilen wird das Inventar an den Pächter verkauft, so daß er Eigentum daran erlangt. Aber auch das konnte an dieser Berechnung nichts ändern, da diese Übertragung hier nur fiduziarisch erfolgt. Es kann auch der gesamte Wirtschaftsstand des Landguts unter Schätzung gestellt und mit dem Endergebnis verglichen werden. Hier wird nicht etwa der Wert des ganzen Grundstücks, sondern nur seiner Wirtschaftslage geschätzt. — Wenn der Pächter nicht Eigentümer des Inventars ist, so hat er daran ein Pfandrecht wegen seiner Forderungen, die sich darauf beziehen. Der Verpächter kann es aber durch Sicherheitsleistung abwenden (§ 590 BGB.). Die Kündigung der Pacht ist im Zweifel nur für den Schluß des Pachtjahrs mit halbjährlicher Frist zulässig (§ 595 BGB.). Die vorzeitige Kündigung ist eingeschränkt: sie fällt fort bei Beamten, wo sie nicht paßt, und bei Weigerung der Abverpachtung, weil letztere ganz fernliegt: auch ist beim Tode des Pächters die Kündigung des Verpächters aus sozialen Gründen ausgeschlossen (§ 596 BGB.). Wenn der Pächter die Sache nicht rechtzeitig zurückgibt, so muß er für diese Zeit mindestens die Pachtsumme bezahlen (§ 557 BGB.), aber es ist außerdem auch in Betracht zu ziehen, was er darin an Nutzungen gezogen hat und ziehen konnte (§ 597). 12»

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Miete.

§ 92. Die Entstehung des Mietvertrags richtet sich gemäß der allgemeinen Regel nach dem Recht, das damals galt. Dagegen ist seine Wirkung nicht nach demselben zu beurteilen. Es greift hier der Gedanke unseres Gesetzes ein, daß Verhältnisse, die auf die Dauer angelegt und im BGB. geregelt sind, schon von 1900 ab i n das neue Recht überführt werden: es soll vermieden werden, das alte Recht in diesen Verhältnissen noch weit in das neue Jahrhundert fortzuschleppen. Daher werden die dinglichen und familienrechtlichen Verhältnisse inhaltlich regelmäßig nach neuem Recht beurteilt: die Schuldverhältnisse dagegen, weil sie sich meist schnell erledigen, nach altem Recht (Art. 170 EG., oben I , 757). Davon wird aber bei der Miete und anderen ähnlichen Verhältnissen, eben weil sie auf Dauer berechnet sind, eine Ausnahme gemacht. Es gilt hier neues Recht, falls nicht nach 1900 auf den ersten zulässigen Termin gekündigt wird (Art. 171 EG.). Wenn der Termin für beide Parteien ein verschiedener war, so ist der letzte maßgebend 141 . — Wird die vermietete Sache nach 1900 veräußert, so gilt auch für die daraus entstehenden Folgen das neue Recht (Art. 172 EG.). Das Gesetz sagt zwar dort nur, daß der Mieter oder Pächter dann gegen den Erwerber die im BGB. bestimmten Rechte habe. Aber daraus darf man nicht etwa schließen, daß die übrigen Rechtsfolgen der §§ 571ff. BGB. nicht eintreten sollten 1 4 2 . I n örtlicher Beziehung gilt für die Miete und Pacht eines Grundstücks das Recht des Staats, wo dieses hegt: denn dieser Ort ist offenbar der maßgebliche Schuldort. Dagegen muß bei der Vermietung beweglicher Sachen immer erst im Einzelfall der maßgebliche Ort aufgesucht werden. I n Ermangelung anderer Anhaltspunkte ist es für jeden Schuldner sein Wohnsitz (§ 269 BGB., oben I , 234). — § 93. Die bisher dargestellte Behandlung der Miete und Pacht nach den Vorschriften des BGB. ist durch die Not der Nachkriegszeit sehr stark beeinträchtigt worden. Da der Weltkrieg den Bau von Wohnhäusern jahrelang unterbrochen hatte und da nach dem Krieg plötzlich ein dringender Bedarf an zahlreichen Wohnungen erwuchs, war eine schwere Wohnungsnot entstanden. Ihr konnte 141

R G . 54, 170. H a b i c h t , E i n w i r k u n g 286ff.; M i t t e l s t e i n a. a. O. 758ff.; N e u m a n n zu A r t . 172 E . G . ; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 136; anders P l a n c k zu A r t . 172; R G . J W . 03 Beil. N r . 291. 142

Not-Mietrecht.

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man nur durch einschneidende Maßnahmen eines Not-Mietrechts begegnen 143 . Der Zweck aller dieser Vorschriften war der gemeinsame, Wohnungen zu schaffen und die Mieter gegen Bedrückung zu schützen. Aber die Rechtsformen waren sehr verschiedenartig. Teils handelte es sich um verwaltungsrechtliche Vorschriften, die die Behörden zur Beschlagnahme und sonstigen Beschaffung von Wohnungen ermächtigten, zuletzt geregelt im Wohnungsmangelgesetz vom 26. Juli 1923. Teils um den Schutz der Mieter, besonders gegen Kündigungen, zuletzt geordnet durch das Mieterschutzgesetz vom 1. Juni 1923 in der Fassung vom 17. Februar 1928. Endlich galt es die Regelung des Vertragsinhalts, die durch das Reichsmietengesetz vom 24. März 1923 —jetzt Fassung vom 20. Februar 1928 — erfolgte. Eine eingehende Erörterung dieser Vorschriften verbietet sich durch den Zweck des vorliegenden Werks. Dagegen spricht die vorübergehende Natur der Bestimmungen, ihre fortwährende Änderung und ihr ganzer Charakter, der sich überwiegend auf Einzelheiten richtet. Wir müssen uns daher darauf beschränken, die Grundzüge des Notrechts darzustellen, soweit es bürgerlich-rechtliche Sätze enthält. Die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen über die Beschaffung von Wohnungen sind dagegen ganz auszuscheiden. Der Inhalt des Mietvertrags wird besonders durch das Reichsmietengesetz beeinflußt. Danach kann jeder Teil dem anderen erklären, daß der Mietzins nach dessen Vorschriften geregelt werden soll. Dann gilt die „gesetzliche Miete". Sie berechnet sich nach der Friedensmiete vom 1. Juli 1914: dazu t r i t t ein Zuschlag für die Steigerung der Zinsen, Betriebskosten und laufende Erhaltung, der von der Behörde jeweilig festgesetzt wird. Für die großen Arbeiten der Instandsetzung wird durch einen weiteren Zuschlag ein besonderer Geldbetrag geschaffen, über den nur der Vermieter und die Mieter zusammen verfügen können. Sodann gilt nach dem Mieterschutzgesetz die wichtige Vorschrift, daß die Zustimmung zur Untervermietung an einen selbständigen Haushalt durch das Mieteinigungsamt ersetzt werden kann. Noch einschneidender sind die Vorschriften, die das freie Kündigungsrecht des Vermieters beseitigen. Nach dem Mieter143 S t e r n , Kommentar zum Mieterschutzgesetz; das Reichsmietengesetz; H e r t e l , Mieterschutz u n d Wohnungszwangswirtschaft ; M e y e r o w i t z , Das gesamte Miet- u. Wohnungsnotrecht; K r ü g e r - H e r b e r t , Das gesamte Mietnotrecht i n Preußen; R u t h , Mietrecht der Wohn- u n d Geschäftsräume; D e r s e l b e , Reichsgerichts-Praxis 3, I f f .

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Miete.

Schutzgesetz kann dieser nur durch eine Klage bei dem Mietschöffengericht kündigen, und zwar regelmäßig nur bei erheblicher Belästigung des Vermieters, unbefugter Überlassung und Verzug mit der Zinszahlung. Bei dringendem eigenen Bedürfnis kann er auch kündigen ; aber dies Urteil ist regelmäßig nur vollstreckbar, wenn er dem Mieter einen angemessenen Ersatzraum beschafft. Die Notbestimmungen sollten von vornherein nur vorübergehend gelten. Sie sind schon jetzt wesentlich dadurch eingeschränkt worden, daß immer mehr Neubauten entstehen, für die sie nicht gelten; außerdem ist ihre Anwendung für wertvolle Wohnungen immer weitergehend ausgeschlossen worden. Es ist aber sehr zu wünschen, daß sie sobald als möglich ganz beseitigt werden. Sicherlich waren sie in den ersten Jahren nach dem Kriege nicht zu entbehren. Aber jetzt treten immer mehr die Nachteile hervor. Der Schutz des Mieters ist unvollkommen; denn wenn er an Miete spart, so muß er oft noch viel mehr Geld anzahlen, um eine Wohnung zu erlangen. Anderseits ist jeder zwangsweise Eingriff in das Verkehrsleben schädlich und ungerecht, um so mehr, wenn er nur ganz bestimmte Vermögensstücke trifft. Ja, vielfach wird dadurch sogar die Wohnungsnot erhöht. Der übermäßige Preisunterschied zwischen den alten und neuen Wohnungen schreckt vor den letzteren ab, und dies muß wieder die Baulust stark hemmen. Oft wird Wohnraum ohne Bedürfnis zurückgehalten, so daß an vielen Orten, die keinen Zuwachs an Einwohnern gehabt haben, dennoch Wohnungsnot herrscht. Daher wird es auch nicht geraten sein, irgend etwas von dieser künstlichen Zwangsregelung dauernd beizubehalten. — Auch für die Pacht hat sich ein Notrecht herausgebildet 1 4 4 . Vor allem sind nach der Pachtschutzordnung vom 23. Juli 1925 (geändert 1926, 1927, 1930) Pachtschutzämter errichtet. Sie können die Bestimmungen der landwirtschaftlichen Pachtverträge, die den heutigen Verhältnissen nicht mehr entsprechen, nach Billigkeit verändern. Bei kleineren Besitzungen dürfen sie sogar über die Aufhebung oder Fortsetzung des Vertrages bestimmen. 144 P o n f i c k u n d W e n z e l , Pachtschutz; M a r w i t z , Die neuen Vorschriften der Reichspachtschutzordnung; W a g e m a n n - M a r w i t z , Die preußische Pachtschutzordnung; K a i s e r b e r g , Kleingarten- u n d Kleinpachtordnung.

Leihe.

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Viertes Kapitel.

Leihe. § 94. Verpflichtungen. § 95. Trödelvertrag.

§ 94. Die Leihe 1 (§§ 598ff. BGB.) enthält eine unentgeltliche Gebrauchsüberlassung. Sie kann sich auf ein Grundstück beziehen, auch auf Teile davon, wie bei der Überlassung von Flächen für Firmenangabe oder Reklame. Auch verbrauchbare Sachen können verliehen werden, wenn sie durch den Gebrauch nicht aufgezehrt werden, wie Eßwaren, die nur ausgestellt werden sollen. Dagegen ist, falls sie zum Verbrauch dienen sollen, ein Darlehen gegeben. Die Art des Gebrauchs ist je nach dem Zwecke des Vertrags verschieden, auch eine Fruchtziehung kann gestattet sein. —Die Leihe ist regelmäßig ein Realvertrag, kommt also erst mit der Aushändigung der Sache zustande. Dafür spricht schon der Wortlaut des § 598 BGB., wonach der Verleiher verpflichtet ist, den Gebrauch der Sache zu „gestatten" (nicht zu überlassen). Außerdem sprechen dafür entscheidende Gründe des geschichtlichen Zusammenhangs und der Billigkeit 2 . Freilich darf dies nur in dem Sinne verstanden werden, daß im Zweifel die bloße Abrede noch nicht als fertiger Leihvertrag anzusehen ist. Dagegen muß es den Parteien freigestellt sein, auch in dieser Weise eine Leihe zu schließen (I, 288ff.). Überdies ist die bloße Vereinbarung niemals nichtig, sondern jedenfalls als Abschließungsvertrag (sogenannter Vorvertrag) anzusehen. Der Verleiher ist nur verpflichtet, den Gebrauch zu gestatten, nicht, ihn zu gewähren, insbesondere also nicht verpflichtet, die Sache in brauchbaren Zustand zu versetzen 3. Weil er vom Geschäfte keinen Vorteil hatj haftet er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 599 BGB.). Für Mängel der Sache haftet er nicht einmal, wenn er sie kennt; nur bei Arglist ist er für den Irrtumsschaden des Gegners verantwortlich (§ 600 BGB.). Der Entleiher muß die Sache ordnungsmäßig verwahren, er haftet für schuldhafte Schädigung ; dagegen hat er Veränderungen, die durch den Gebrauch herbeigeführt werden, nicht zu vertreten (§ 602 BGB.). Er darf von der Sache nur den vertragsmäßigen 1

K l e i n , BürgArch. 22, 355; Z a b e l , Leihvertrag; R e i c h e l , LeipzZ. 22,

543 ff. 2

L i t e r a t u r bei E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 137 A n m . 3. Herrschende Meinung; vgl. O e r t m a n n , Vorbem. 1 vor § 598; anders D e r n b u r g § 231. 8

Leihe.

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Gebrauch machen (§ 603 BGB.). Er darf sie nicht ohne Erlaubnis einem Dritten überlassen. Wenn er dagegen schuldhaft verstößt, muß er den daraus entstehenden Schaden ersetzen. Hater erlaubterweise die Sache einem anderen überlassen, so ist er für dessen Verschulden nicht haftbar, weil § 549 I I BGB. hier nicht Aufwendung findet 4 . — D e r Entleiher hat ferner die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen (§ 601 BGB.), andere Kosten nicht, auch nicht, wenn sie notwendig waren 5 . Macht er andere Aufwendungen, so hat er nur die Ersatzansprüche eines Geschäftsführers ohne Auftrag (§ 601 I I BGB.). Endlich muß er die Sache zurückgeben, nach dem Ablaufe der bestimmten Zeit oder nachdem er davon Gebrauch gemacht hat oder hätte machen können (§ 604 BGB.). Auch schon vorher kann er in gewissen Fällen fristlos kündigen (§ 605 BGB.). Der Verleiher hat auch einen unmittelbaren Anspruch gegen einen Dritten, dem der Entleiher die Sache überlassen hat; sein Anspruch ist also mehrwirksam (I, 8ff., oben S. 156). § 95. Nicht geregelt ist im Gesetz der sogenannte Trödelvertrag, besser Verkaufsleihe. Hier wird eine Sache zum Verkaufen mit einer Preisangabe ausgehändigt mit der Abrede, daß der Empfänger entweder die Sache oder aber den Preis zurückgeben soll. Es liegt hier offenbar ein gemischter Vertrag vor ; aber es fragt sich, welche Geschäftsart überwiegt. Dabei pflegt man eine ganze Reihe von Geschäftsarten anzuführen 6 ; aber gerade die bezeichnendste wird überall fortgelassen, die Leihe. Der Hauptinhalt des Geschäfts besteht doch gerade darin, daß die Sache dem anderen übergeben wird, damit er sie ausbietet, also zur Gewinnung vonKäufernbenutzt. Statt dessen sucht man den Vertrag meistens unter das Recht des Auftrags zu stellen. Aber von diesem unterscheidet er sich wesentlich dadurch, daß der Übernehmer dadurch nicht verpflichtet wird, sich um den Verkauf zu bemühen 7 . Man geht vielmehr davon aus, daß sein eigenes Interesse ihn schon dazu veranlassen wird; denn er erhält die Sache zu einem billigeren Preis, verdient also den Unterschied. Er haftet für Verschulden, nicht aber für zufälligen Untergang. Der Hauptfall ist das buchhändlerische Konditionsgeschäft, das freilich auch mancherlei Eigentümlichkeiten zeigt 8 . 4

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 138 A n m . 3; anders K i p p bei W i n d s c h e i d 2, 596; R e i c h e l Schuldmitübernahme 115. 5 6 R G . 65, 277. Vgl. Motive 2, 517. 7 D e r n b u r g , Pandekten 2 § 120 A n m . 5; anders W i n d s c h e i d § 383. 8 B u h l , Z H R . 6, 142; W e i d l i n g , Das Konditionsgeschäft.

Darlehen.

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Fünftes Kapitel.

Darlehen. § 96. Realvertrag. § 97. Übertragung des Wertes. § 98. Vereinbarung. § 99. Ansprüche. § 100. Abschließungsvertrag.

§ 96. Die beiden ersten Verträge bezogen sich auf die Veräußerung, die darauffolgenden auf die Gebrauchsüberlassung von Sachen. Das Darlehen 1 enthält dagegen eine Mischung von beiden. Die Sachen werden dem anderen zu Eigentum übertragen : insofern ist es eine Veräußerung. Aber anderseits soll er den gleichen Betrag wieder erstatten : also ist es wirtschaftlich als eine Kapitalleihe anzusehen. Das Darlehen (§§ 607ff. BGB.) bezieht sich nur auf Geld oder andere vertretbare Sachen. Bei andersartigen Sachen ist es nicht verwendbar, weil die Frage, ob die zurückgegebene Sache der ersten gleichwertig ist, dort unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten würde. Diese Sachen müssen nach § 607 übergeben und übereignet werden. Das Darlehen ist also ein Realvertrag (I, 288ff.). Dies entspricht auch der herrschenden Lehre 2 , die aber mehrfach angefochten ist 3 . Dafür sprechen sehr stark der Wortlaut des Gesetzes : „wer Geld. . . empfangen hat" und die Anlehnung an das römisch-gemeine Recht, aber auch praktische Gründe. Nach der Gegenansicht würde der Versprecher eines Darlehens schon Schuldner einer Geldsumme sein, er könnte daher auf Grund einer Aufrechnung mit einer anderen Geldforderung die Auszahlung des Geldes verweigern. Auch würde er danach, wenn er das Geld nicht auszahlt, rücksichtslos der Vollstreckung wegen einer Geldschuld unterworfen sein, während er billigerweise nur auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung belangt werden darf. Die Gegner berufen sich besonders darauf, daß es allzu umständlich sei, zwei Klagen, eine auf Vertragsschluß und eine auf Auszahlung nacheinander durchzuführen. Aber es steht nichts im Wege, eine Klage 1 L ü b b e r t , JheringsJ. 52, 313ff.; K o h l e r , B ü r g A . 33, I f f . ; L a m m f r o m m , Teilung, Darlehen usw.; S c h ö n i n g e r , Leistungsgeschäfte. 2 Besonders R G . 71, 117, 103, 286; SeuffA. 53 N r . 99, 71 N r . 112; Recht 1909 N r . 2380, 2381; W a r n e y e r 1909 N r . 481; R e g e l s b e r g e r , JheringsJ. 52, 410ff.; K i n n e , GruchBeitr. 56, 466ff. 8 K o h l e r , B ü r g A . 2, 211. 31, 1 ; H ö n i g e r , daselbst 33, 278ff.; S c h l o ß m a n n , JheringsJ. 45, I f f . B ö h m e r , B ü r g A . 38, 375ff. L ü b b e r t , JheringsJ. 52, 313ff.; K r e ß , Allgemeines Schuldrecht 90 A n m . 23; R G . 32, 365 (für französisches Recht); SeuffA. 22 N r . 121.

Darlehen.

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auf Abgabe einer Willenserklärung sofort mit der auf ihre Erfüllung zu verbinden (oben S. 72). Allerdings muß es wegen der Formfreiheit des Gesetzes den Parteien auch möglich sein, einen Darlehns vertrag ohne Auszahlung abzuschließen. Der Realvertrag bildet also nur die Regel, nicht die einzig mögliche Form des Darlehens. Soweit die herrschende Lehre darüber hinausgeht, ist ihr nicht beizutreten (I, 288). § 97. Diese reale Leistung kann zunächst dadurch erfolgen, daß Sachen übergeben und übereignet werden (§ 607 BGB.). Es ist nicht unbedingt erforderlich, daß sie im Eigentum des Gebers standen, vielmehr genügt es, wenn der andere sie, vor allem auf Grund des Vertrauensschutzes, zu Eigentum erwirbt. Wenn Geld übersandt und unterwegs verloren wird, kommt ein Darlehen nicht zustande 4 . Dafür spricht eben, daß eine wirkliche Leistung für das Darlehen gefordert wird, so daß ihr Versuch nicht genügen kann. Zwar hat man die Haftung nicht aus diesem, sondern schon aus dem ihm zugrunde liegenden Verpflichtungsverhältnis ableiten wollen; aber dies ergibt nichts dafür, d^ß der Nehmer für Zufall haften solle. Ferner bestimmt § 270 BGB. gerade umgekehrt, daß die Übersendung von Geld auf Gefahr des Absenders erfolge. Und endlich ist es höchst unbillig, daß jemand Geld zurückzahlen soll, das er niemals erhalten hat. Aber der Wert kann auch auf andere Weise übermittelt werden ; auch damit wird dem Erfordernis der realen Leistung Genüge getan. I m heutigen Verkehr wird die bare Auszahlung von Geld längst nicht mehr die Regel bilden, sondern meist ersetzt werden, besonders durch Überweisung auf das Bankkonto des anderen. Es kann ihm auch sonst eine Forderung gegen einen anderen, z. B. eine Wechselforderung, überlassen werden : dies ist aber regelmäßig so aufzufassen, daß der andere erst versuchen soll, diese einzuziehen, und daß erst damit das Darlehen fertig sein soll. Endlich kann auch eine Forderung des Darleihers gegen den Nehmer hierzu verwendet werden, indem eine solche in eine Darlehnsforderung umgewandelt wird (§ 607 I I BGB.). Dieser Vorgang wurde von den Römern nicht als eigentliche Novation aufgefaßt — dazu hätte es der Stipulationsform bedurft — aber doch entsprechend dieser auch in dem Sinne, daß die alte Schuld dabei getilgt wird. Das aber ist unzweckmäßig, 4

Mein Erfüllungsort 59 u n d Genannte; dagegen Κ ο h i e r , BürgA. 2, 238; R e g e l s b e r g e r a. a. O. 415 u n d Genannte.

Leistung.

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weil dabei deren Nebenrechte untergehen. Unser neueres Recht gewährt deshalb einen besseren Weg. Die Schuld wird nicht durch eine andere ersetzt, sondern sie wird nur umgewandelt und bleibt daher dieselbe wie vorher. Eine solche Umwandlung in die einer anderen Vertragsart kann erfolgen, wenn beide Schulden so viel gemeinsam haben, daß im wesentlichen die gleichen Bestimmungen darüber gelten (I, 649). Und zwar ist das dann der Fall, wenn beide Verträge sehr starke Ähnlichkeit miteinander haben oder aber, wenn die eine Schuld so farblos ist, daß sich daraus keine wesentlichen Abweichungen ergeben. Letzteres trifft nun gerade bei der Darlehnsschuld zu, deren Inhalt so einfach wie möglich gestaltet ist. Daher steht hier einer Umwandlung nichts im Wege, und in diesem Sinne ist denn auch die Vereinbarung des § 607 I I BGB. aufzufassen 5, nicht im Sinne der Begründung eines neuen Schuldverhältnisses 6 . Deshalb ist die Forthaftung der Bürgen und Pfänder möglich und im Zweifel anzunehmen7. Die Darlehnsschuld ist davon abhängig, daß eine gültige Schuld bestanden hatte 8 . Anders wäre es, wenn eine abgelöste (abstrakte) Schuld begründet ist: aber dies kann nicht ohne weiteres angenommen9 und auch nicht aus der Ausstellung eines Schuldscheins gefolgert werden. Endlich kann der Wert des Darlehens auch dadurch gewährt werden, daß eine Sache übertragen wird 1 0 . Und zwar ist das wieder in zweifacher Weise möglich. Entweder wird für die Sache ein Schätzungswert festgesetzt, derart, daß dieser als Darlehnssumme gelten soll — ein Geschäft, das leicht zu wucherischen Zwecken mißbraucht werden kann. Oder aber der Empfänger soll die Sache verkaufen und ihren Erlös als Darlehen behalten. Dies Geschäft schließt die Ermächtigung zur Übertragung in sich. Ein Darlehen entsteht aber erst, nachdem der Erlös ausgezahlt ist. Wenn die Sache vorher untergeht, braucht der Darlehnsnehmer nicht die Gefahr zu tragen 11 . 6 M a r t i n , Verwandlung bestehender Schulden; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 139; anders P l a n c k I I zu § 305. • Wie R ü m e l i n , ZivArch. 97, 258. 309ff.; K l e m p e r e r , GruchBeitr. 43, 567ff.; O e r t m a n n 2 zu § 607. 7 R G . 62, 51 ff.; O L G . 24, 366; SeuffA. 67, 134. 8 R G . 62, 50. 76, 60. 78, 168, 95, 10; GruchBeitr. 51, 941. 9 W i e R ü m e l i n a. a. O.; S c h ö n i n g e r a. a. O. 207ff. 10 K i n n e , GruchBeitr. 56, 463ff. 11 O e r t m a n n 2 zu § 607; P l a n c k 5b zu § 607.

Darlehen.

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Wer aus einem Darlehen Anspruch erhebt, muß die Zuwendung des Werts darlegen. Dazu dient häufig ein Schuldschein. Er wird freilich durch den Nachweis entkräftet, daß er schon vor der Auszahlung, lediglich in ihrer Erwartung ausgestellt worden ist 1 2 . Aber auch hier kann sich daraus, daß der Schuldner ihn unangefochten in der Hand des Gläubigers beläßt, unter Umständen eine Wahrscheinlichkeit dafür ergeben 13. Wenn zweifelhaft ist, ob die umgewandelte Forderung rechtsgültig gewesen ist, so trifft ebenfalls den Darlehnskläger die Beweislast. Aber der Schuldner hat doch eben durch die Darlehnsabrede, womöglich auch noch durch Ausstellung eines Schuldscheins jene Schuld anerkannt. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit ihres Bestehens begründet, und regelmäßig ist darin auch ein Verzicht auf die Einreden zu finden 14 . § 98. Zu dieser Zuwendung muß ferner die Abrede hinzutreten, daß Sachen gleicher A r t zurückgegeben werden sollen (§ 607 BGB.). Sind etwa andere Sachen zurückzuleisten, so liegt kein Darlehen, sondern ein Tausch vor. Die Vereinbarung muß gültig sein, sonst wäre das Darlehen ungültig und die Summe, wenn sie schon gezahlt ist, nach § 812 BGB. zurückzugeben. Auch für diese Abrede trägt der Darlehnskläger die Beweislast. Wenn der Beklagte behauptet, das Geld geschenkt bekommen zu haben, so liegt darin nicht eine Einrede, sondern ein Leugnen des Klagegrundes 16 . Aus der Abrede ergibt sich auch, an wen die Rückleistung zu erfolgen hat. Die Parteien geben entweder nur eine Zahlstelle an, die keinen eigenen Anspruch hat, meistens eine Bank: diese Bestimmung kann von ihnen beliebig aufgehoben oder geändert werden. Oder es wird einem Dritten ein eigenes B-echt auf die Leistung eingeräumt, so daß ein Vertrag zu Rechten Dritter vorliegt. Dieses kann nicht ohne weiteres angenommen und auch noch nicht allein aus dem Interesse des Dritten gefolgert werden (I, 352). Auch wenn der Dritte ein eigenes Recht hat, so ist es dennoch nicht ausgeschlossen, daß die Vertragsparteien sich noch das Recht, den Vertrag zu ändern, vorbehalten (§ 328 I I BGB.). Wenn Geld auf das Sparkassenbuch eines anderen eingezahlt wird, so ist das dahin zu 12 13 14 16

R G . 68, 357. Meine Beweislast 360, 371; SeuffA. 59 N r . 122. R G . 56, 237. Meine Beweislast 371 u n d dort angeführte Entscheidungen.

Rückgabe.

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deuten, daß dieser ein selbständiges Recht daraus erlangen soll 1 6 . Dagegen kommt es nicht darauf an, wer Eigentümer des Geldes gewesen i s t 1 7 : denn wir haben keinen Rechtssatz, daß der mit einem Vermögensstück erzielte Erwerb auch nur im Zweifel dem ursprünglich Berechtigten zufalle. Wird die Spareinlage aber von den Eltern für ein minderjähriges K i n d gemacht, so stellt sich die Lage wesentlich anders dar 1 8 . Die Schenkungen, die Eltern an ihre Kinder machen, haben sehr oft nicht die Natur eines rechtlich verbindlichen Geschäfts und sind dann nach ihrem Ermessen abänderbar (oben S. 120). Auch auf die Zuwendung an eine Pflegetochter läßt sich dieser Gesichtspunkt noch anwenden. — Die Vorschriften über Darlehen sind auch auf die wichtigen Anleihen des öffentlichen Rechts meist anwendbar (vgl. Art. 97, 98 EG.). § 99. Aus dem Darlehnsvertrag entspringt der einseitige Anspruch des Darleihers auf Rückzahlung. Zinsen werden nur geschuldet, wenn sie bedungen sind, außer bei beiderseitigen Handelsgeschäften (§ 353 HGB.). Sie sind bei der Rückgabe des Geldes oder nach einem Jahr zu zahlen (§ 608 BGB.). Wenn für die Rückzahlung des Kapitals keine Frist bestimmt ist, so darf der Schuldner auch vorher zahlen (§ 271 I I BGB.), freilich ohne dabei einen Abzug zu machen (§ 272). Diese Regel des Gesetzes wird aber hier auf unverzinsliche Darlehen eingeschränkt (§ 609 I I I ) . Außerdem kann jede Partei kündigen : die Prist beträgt bei Darlehen über 300 Mk. 3 Monate, bei geringeren einen Monat (§ 609 I I BGB.). Die Kündigimg des Gläubigers kann durch den Vertrag ausgeschlossen werden, was bei Schuldverschreibungen auf den Inhaber häufig geschieht. Ein solches Papier kann dann nicht durch Einziehung des Betrags vom Schuldner, sondern lediglich durch Verkauf verwertet werden. Nicht selten auch wird diese Kündigung nur zeitweise ausgeschlossen. Hier wird oft ausgemacht, daß sie bei Verzug in der Zinszahlung dennoch zulässig werden soll: aber ohne weiteres ist das nicht anzunehmen19. Dagegen kann nicht vereinbart werden, daß das Kündigungsrecht des Schuldners fortfallen soll. Denn es wäre eine übermäßige unerträgliche Belastung, wenn es ihm verwehrt würde, 16 R G . GruchBeitr. 62, 242; O L G . 22, 158. 27, 130; v . T u h r , LeipzZ. 1910, 861. 17 Anders R G . W a r n e y e r 1916 N r . 121. 18 R G . 11, 241; W a r n e y e r 1908, 149; anders O L G . 22, 152. 19 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 140; anders O L G . 3, 91; P l a n c k 2 zu § 609; auch O e r t m a n n zu § 609.

Darlehen.

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sich von seiner Schuld zu befreien. Hier gilt vielmehr die gesetzliche Kündigungsfrist 20 . § 100. Da das Darlehen regelmäßig ein Realvertrag ist, ist die bloße Abrede, ein solches zu geben, meistens noch kein eigentlicher Darlehnsvertrag, sondern nur ein darauf gerichteter Abschließungsvertrag (sogenannter Vorvertrag). Oft bezeichnet man diesen als ein Darlehnsversprechen : so drückt sich sogar das Gesetz selbst in § 610 aus. Aber das erweckt den Anschein eines einseitigen Rechtsgeschäfts, und dies reicht nicht aus, auch dann nicht, wenn sich lediglich der eine zum Geben des Darlehens verpflichtet (§ 305 BGB.). Falls sich umgekehrt auch der andere zum Nehmen verpflichtet, so liegt dennoch nicht ein gegenseitiger Vertrag v o r 2 1 : denn diese beiden Pflichten werden nicht als Austausch gegeneinander begründet. Ein gegenseitiger Vertrag wäre nur dann gegeben, wenn eine Gegenleistung für das Darlehnsversprechen vereinbart würde. Aus diesem Vertrag entspringt, wie aus jedem Abschließungsvertrag, ein Anspruch auf Abschluß des Haupt Vertrages. Die Forderung ist also auf eine Handlung und nicht auf Geld gerichtet: es kann deshalb nicht mit einer Geldschuld dagegen aufgerechnet werden. Das ist auch durchaus sachgemäß, da dem Darleiher nicht damit gedient ist, wenn er kein Geld, sondern nur Befreiung von einer Schuld bekommt. Dies wird auch von der herrschenden Meinung durchaus anerkannt 22 . Aber man schwächt es meistens dahin ab, daß es doch umgekehrt zulässig sei, mit dem Anspruch aus dem Abschließungsvertrag aufzurechnen 23. Und damit wird dann auch der ersten Entscheidung die Grundlage entzogen. Wollen wir folgerichtig sein, so müssen wir in beiden Fällen die Aufrechnung ausschließen. Nun ist freilich dann, wenn die beiden Verhältnisse wirtschaftlich zusammenhängen, ein Rückhaltungsrecht nach § 273 BGB. gegeben. Wer also mit einer Bank in Geschäftsverbindung steht, kann gegen einen Geldanspruch von ihr einwenden, daß er gegen sie ein Anrecht auf ein Darlehen 20

E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O.; anders D e r n b u r g § 235; O e r t m a n n 1 z u § 609 (30 Jahre). 21 W i e E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O.; vgl. auch R G . SeuffA. 65 N r . 93. 22 Oben S. 185, anders n u r L ü b b e r t a. a. O. 374ff. 23 So R e g e l s b e r g e r , JheringsJ. 52, 417; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O.

Abschließungsvertrag.

191

habe. Wenn aber diese Voraussetzung nicht vorliegt i so kann zwar auch die Einklagung als treuwidrig und daher unzulässig erscheinen; aber es ist das keineswegs nötig. Eine landwirtschaftliche Genossenschaft z.B., die ihren Mitgliedern Darlehen zu geben verpflichtet ist, wird darum doch berechtigt sein, gegen eines von ihnen eine Klage aus einem ganz andersartigen Rechtsgrund, z. B. wegen einer nachbarlichen Schädigung, zu erheben. Der Beklagte kann dagegen nicht mit seinem Anspruch auf Darlehnsgewährung aufrechnen. Ob der Anspruch aus dem Abschließungsvertrage abgetreten werden kann, ist sehr bestritten. Die Abtretung ist nach § 399 BGB. ausgeschlossen, wenn die Leistung an einen anderen nicht ohne wesentliche Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Und dies ist sicherlich dann zu bejahen, wenn der Anspruch jetzt darauf gehen sollte, daß der Darlehnsvertrag nun mit dem neuen Gläubiger abzuschließen wäre: denn es ist ein sehr großer Unterschied, ob ich das Geld dem A oder dem Β leihe und je nachdem eine recht verschiedene Sicherheit habe. Völlig anders aber, wenn die Abtretung nur bedeutet, daß der Darlehnsvertrag zwar noch mit dem alten Gegner (A) zu schließen und nur die Auszahlung an einen anderen (B) erfolgen soll. Denn es macht doch keinen wesentlichen Unterschied, an wen das Geld ausgezahlt wird. I n diesem Falle kann der Erwerber unmittelbar darauf klagen, daß das Geld an ihn ausbezahlt werde — wie besonders das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat 2 4 . Denn in dieser Klage verlangt und erlangt der Kläger gleichzeitig den Abschluß des Darlehnsvertrags zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien. Man hat dagegen eingewendet, daß der Erwerber (B) nicht diesen Vertrag für A schließen könne, und die Klage demgemäß auf den Fall beschränken wollen, wo die Darlehnseinigung schon vorher erklärt war 2 5 . Aber in der Abtretung des Anspruchs kann man unbedenklich auch die Ermächtigung des A an Β finden, den Darlehnsvertrag für ihn abzuschließen. Dafür spricht besonders, daß es sicher zweckmäßig ist, die Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ohne eine Mitwirkung des ursprünglichen Gläubigers zu ermöglichen. 24

R G . 66, 359ff. 68, 356ff. 77, 407ff.; W a r n e y e r 09, 14ff.; J W . 1902, 143. 1909, 309ff. 1910, 747; vgl. R e g e l s b e r g e r a. a. O. 417 oben I , 658. Abweichend O e r t m a n n 1 zu § 399; SeuffA. 19 N r . 35; R G . 32, 386. 85 P l a n c k 1 zu § 610.

Darlehen.

Wer die Hingabe eines Darlehens versprochen hat, kann dies widerrufen, wenn nachträglich im Vermögen des anderen eine wesentliche Verschlechterung eintritt, wodurch sein Anspruch gefährdet würde (§ 610 BGB.). Es erklärt sich das aus dem Bestreben des Gesetzes, bei Dauergeschäften einen Rücktritt im Fall einer grundstürzenden Änderung der Verhältnisse zu gewähren (I, 419). — Wenn die Vermögenslage schon von Anfang an schlecht war und der Gegner sich darüber irrte, so ist es ihm nicht möglich, seine Verpflichtung deswegen umzustoßen. Man könnte zwar daran denken, daß er sich hier über eine wesentliche Eigenschaft geirrt habe, und ihm auf Grund dessen ein Anfechtungsrecht nach § 119 I I BGB. geben 26 . Aber dies dürfte hier doch durch die Sonderbestimmung des § 610 ausgeschlossen sein. Das Gesetz beschränkt die Umstoßung des Vertrags gar zu deutlich auf den Fall, daß die Verschlechterung nachher „eintritt' c . — Die Vorschrift kann auch auf andere Fälle von Kreditgeschäften, z. B. auf das Versprechen, jemandes Wechsel einzulösen, angewendet werden 27 . Unter Kredit versteht man jedes Opfer, das im Vertrauen auf eine künftige Leistung eines anderen gebracht wird, also auch die Lieferung von Waren ohne Barzahlung. Man unterscheidet Personal- und Realkredit, Verbrauchs- und produktiven Kredit, Anlage- und Umlaufskredit. 26 27

So wenigstens für gewisse Fälle E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 141 u. a. D a n z , B a n k A . 6, 97ff.

Zweiter

Abschnitt.

Arbeitsverträge. Erstes

Kapitel.

Dienstvertrag. § 101. Arbeitsrecht. § 102. Dienst- u n d Werkvertrag. § 103. Dienste. § 104. Anstellung. § 105. Pflichten des Arbeiters. § 106. L o h n . § 107. Fürsorge. § 108. Unmöglichkeit. § 109. Tarifvertrag. § 110. Beendigung. § 111. Sonderrechte.

§ 101. Den Sachverträgen stellen wir die Arbeitsverträge 1 gegenüber. Das BGB. regelt diese in den Titeln über Dienstvertrag, Werkvertrag, Mäkler ver trag, Verwahrung und Auftrag. Es gibt wie überall nur diejenigen Regeln, die sich gleichmäßig auf alle Lebensverhältnisse beziehen, und überläßt diejenigen, die nur für bestimmte Lebenskreise gelten, einer gesonderten Darstellung. Dieser Zustand ist aber leider durch die Schaffung eines besonderen A r b e i t s r e c h t s durchbrochen worden. Nachdem die Reichs Verfassung (Art. 157) ein ^einheitliches Arbeitsrecht" gefordert, hat sich über dies Gebiet eine sehr umfangreiche Wissenschaft entwickelt 2 . Der Ausgangspunkt hierfür dürfte das Bestreben gewesen sein, die Bedeutung der Arbeit, besonders auch der Angestelltenarbeit, mehr zu betonen. Aber der Wert eines Gutes wird nicht dadurch gehoben, daß man es in eine Lehre zusammenfaßt: so würde durch eine solche einheitliche Darstellung des Grundstücksrechts schwerlich die Schätzung des Bodens gesteigert werden. Sodann wollte man mit Recht die Aufmerksamkeit der Juristen auf das Recht der industriellen Arbeiter richten. 1

L O t m a r , Der Arbeitsvertrag; H a c h e n b u r g , Dienstvertrag u n d Werkvertrag; G. R ü m e l i n , Dienstvertrag u n d Werkvertrag; G i e r k e , Festschrift für Brunner 37ff.; A d l e r , ArchSozWiss. 35, 701ff. 2 H u e c k - N i p p e r d e y , Lehrbuch des Arbeitsrechts ; K a s k e l , Arbeitsrecht; J a c o b i , Grundlehren des Arbeitsrechts; S i n z h e i m e r , Grundzüge; O e r t m a n n , Arbeitsvertragsrecht; M o l i t o r , Das Wesen des Arbeitsvertrages ; Ν i k i s c h , Die Grundformen des Arbeitsvertrags ; H o e n i g e r - W e h r l e , Arbeitsrecht. B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

13

194

Arbeitsrecht.

Aber man verkannte dabei, daß dies nicht nur bezüglich des Rechts der Arbeitnehmer, sondern nicht minder auch der Arbeitgeber angezeigt war: daß man also richtiger statt dessen ein Industrierecht schaffen mußte. Ein solches konnte dann mit dem Handels- und Bergrecht und ähnlichen Gebieten zu einem Wirtschaftsrecht zusammengefaßt werden. Denn dieser Begriff kann nur als das Recht der besonderen Wirtschaftsgebiete verstanden werden. Ohne diesen Zusatz führt er zu dem ungeheuerlichen Fehler, den eigentlichen Kern des Wirtschaftsrechts, den das Bürgerliche Gesetzbuch enthält, zu übergehen. Dagegen hatte es keinen Sinn, gerade nur das Recht der Arbeitnehmer auszusondern und zu einer eigenen wissenschaf tUchen Lehre zu erheben. Eine solche kann auf zweierlei Weise abgegrenzt werden. Entweder folgt man der Ordnung der Wissenschaft und stellt die rechtlich gleichartigen Rechtssätze zusammen. Davon ist hier gewiß nicht die Rede. Das Arbeitsrecht enthält die verschiedenartigsten Rechtssätze, überschreitet insbesondere kühn die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Recht, zwischen materiellem und Prozeßrecht. Man kann andererseits eine Lehre deshalb zusammenfassen, weil sie einheitliche Lebensverhältnisse regelt. Das kann besonders für solche Männer zweckmäßig sein, die sich eben nur gerade mit diesen beruflich zu beschäftigen haben. Aber auch dieser Anforderung wird das Arbeitsrecht nicht gerecht. Es stellt die verschiedenartigsten Lebenskreise zusammen: das Hausgesinde, den Fabrikarbeiter, den Landarbeiter, Lehrling, Bankleiter, Handlungsgehilfen und Schauspieler. Es kann kaum größere Unterschiede geben, immer von der Seite des Lebens her gesehen. Nun wollte man freilich gerade wohl das betonen, daß alle diese einander gleich stünden, daß zwischen einem Bibliothekar und einem Gartenarbeiter kein sachlicher Unterschied sei. Aber es handelt sich hier ja nicht um die Frage nach dem ethischen Wert der Arbeit, der allerdings für jede Art zu bejahen ist, sondern lediglich darum, ob überall ein gleiches Lebensverhältnis vorliegt : und das ist doch sicher zu verneinen. Man könnte nur den Zusammenhang darin suchen, daß doch wenigstens ein gleicher Grundgedanke das ganze Arbeitsrecht beherrschte. Einen solchen könnte man darin finden, daß hier überall eine gewisse Abhängigkeit des Angestellten vorliegt. Aber das ist ja vom Standpunkt der herrschenden Lehre, die das Arbeitsrecht eben auf die abhängigen Arbeiter beschränkt, danach ganz selbstverständlich. Man hat

Begriff.

195

ferner einen gemeinsamen Grundgedanken darin gesucht, daß das Arbeitsrecht die „Tendenz vom Individual- zum Kollektivrecht" aufweise 3. Aber das trifft nur für einen Teil desselben, nämlich für die Industrie zu. Einer Übertragung der dort herrschenden, wenig erfreulichen Verhältnisse und Anschauungen auf andere Dienstverträge, insbesondere auf den Handelsstand oder gar das Hausgesinde, ist durchaus entgegenzutreten. — Daher ist es auch gar nicht möglich, gemeinsame Rechtssätze über Arbeitsrecht aufzustellen. Wohl gibt es solche über den Dienstvertrag (sie stehen eben im Bürgerlichen Gesetzbuch), aber nicht für den Teil der Dienstvertrage, die man als Arbeitsrecht zu bezeichnen pflegt. Es gibt vielleicht diesen oder jenen Satz, der nur im Bereich dieses Arbeitsrechts gilt : aber es müßte wieder auch noch dargetan werden, daß er für dessen sämtliche Gebiete anwendbar sei. Freilich läßt sich das alles sehr schwer nachprüfen, da schon über die Abgrenzung des Arbeitsrechts allgemeine Uneinigkeit herrscht (S. 196). Sollten sich aber auch einzelne solcher Sätze auffinden lassen, so sind sie jedenfalls nicht so wesentlich, um die Zusammenfassung in eine besondere Rechtslehre zu rechtfertigen. So wird das Arbeitsrecht weder durch einen rechtlichen noch durch einen lebensmäßigen Inhalt vereinigt. Vielmehr sind darin Teile aus verschiedenartigen Gebieten ohne inneren Zusammenhang zusammengeworfen. Es ist nicht anders^ als wenn man eine besondere Rechtslehre über das Recht der Frauen und Kinder, über die Behandlung der Grundstücke aufstellen wollte — oder etwa ein Feuerrecht, das die Brandstiftung, die Schadenshaftung, die Versicherung und die Stellung der Feuerwehr zusammenfaßte. Aus dieser willkürlichen Bildung sind nun schwere Schäden erwachsen, wie eine unrichtige Gruppierung immer verhängnisvoll sein wird. Die bisherige scharfe Scheidung zwischen den allgemeinen Rechtssätzen und besonderen Rechtsgebieten hat großen Wert für das Verständnis und den Überblick. Vor allem werden die lernenden Juristen in erster Linie an den Grundregeln ausgebildet, und es wird ihnen nur zugemutet, sie genauer zu kennen. Die Einzelheiten eines Sondergebietes zu lernen, überläßt man denen, die gerade damit beruf lieh zu tun haben. Die Abtrennung solcher Sondergebiete aber führt nur zu leicht zu übertriebenen Ansprüchen, die die Prüfungen in bedenklicher Weise mit Wissens 8

H u e c k - N i p p e r d e y a. a. O. 1, 24ff. 13*

Dienstvertrag.

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stoff belasten. Ferner aber hat die Ablösung des Arbeitsrechts von den sonstigen Formen der juristischen Einteilung und Begriffsbildung zu der Auffassung geführt, daß es sich hier um ein ganz eigenartiges „Sozialrecht" handle, das anderen Normen unterstehe. Dieser Gedanke hat in Verbindung mit der bedauerlichen Überweisung an Sondergerichte zu einer höchst bedenklichen Rechtsprechung geführt. Vor allem betont das Reichsarbeitsgericht wiederholt, daß die sozialrechtlichen Gesetze mehr nach dem Sinne des Verkehrs als nach ihrem rechtlichen Inhalt auszulegen seien4. Auch für den Unterricht der Studenten und für die wissenschaftliche Vorbildung der Universitätslehrer bedeutet es eine schwere Gefahr, wenn man die Grundlehren unseres Rechts, insbesondere die Scheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht, aufgibt. — Weiterhin ist man, weil man den Blick nur auf die Arbeitnehmer richtete, in den Fehler verfallen, das Recht der Arbeitgeber zu vernachlässigen, insbesondere im Industrierecht. Und endlich ist es gar nicht einmal möglich, das Gebiet des Arbeitsrechts scharf abzugrenzen. Es handelt sich um eine Unterart der Dienstverträge; aber welches Merkmal dafür bestimmend sein soll, darüber herrscht allgemein Streit. Die herrschende Meinung will es in der Abhängigkeit oder Unselbständigkeit des Arbeiters finden 5 . Aber diese ist auch bei anderen Dienstverträgen und oft sogar auch bei Werkverträgen vorhanden 6 . Außerdem ist die Frage, ob ein Angestellter selbständig gestellt ist, eine ganz unsichere. Es kommen hier ganz persönliche und schwer zu erfassende Beziehungen in Betracht : nicht selten erlangt auch der Angestellte erst während seiner Dienstzeit eine solche selbständige Stellung. Auch die Merkmale, die man für den Begriff der Anstellung erfordert hat, sind zur Abgrenzung nicht geeignet (unten S. 199). — Wir werden uns im folgenden darauf beschränken, das allgemeine Recht der Arbeitsverträge, das also nicht nur für einzelne Sondergebiete gilt, darzustellen. § 102. Das BGB. trennt vor allem den entgeltlichen Arbeitsvertrag von dem unentgeltlichen, den es Auftrag nennt. Bei den ersteren unterscheidet es Dienst- und Werkvertrag. Den Unter 4

Insbesondere Β e n s h - S a m m l u n g 4, 127ff. u n d dort genannte E n t scheidungen. 5 H u e c k - N i p p e r d e y a. a. Ο. 1, 4 f f . u n d Genannte. β M o l i t o r a. a. O. 96ff.; N i k i s c h , Grundformen 144ff. u n d daselbst Genannte.

Begriff.

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schied zwischen beiden bestimmt es dahin, daß man beim Dienstvertrag „Dienste zusagt" (§ 611 BGB.), beim Werkvertrag dagegen „zur Herstellung des versprochenen Werks verpflichtet" ist (§ 631 BGB.). Hiernach ist maßgebend, ob der Arbeiter im Vertrage auch die Herstellung eines Erfolgs versprochen hat 7 , ob die Arbeitsleistung nach der Zeit oder dem Erfolge bestimmt wird 8 . Allerdings ist der Dienstvertrag auch zur Herbeiführung eines solchen bestimmt, z. B. zur Herstellung eines Baues. Aber der Arbeiter geht hier nicht die Verpflichtung ein, diesen Erfolg zu erreichen. Denn er ist meistens gar nicht in der Lage, dafür einstehen zu können. Daher ist auch die Tätigkeit des Arztes, abgesehen etwa von ganz einfachen äußeren Eingriffen, unter den Dienstvertrag zu stellen 9 . Das ändert sich auch noch nicht dadurch, wenn er, etwa um die Angehörigen zu beruhigen, versichert hat, daß er den Kranken durchbringen werde; denn das ist eben nicht als eine rechtsverbindliche Erklärung aufzufassen. Zwar ist ein Arzt, der eine Operation übernommen hat, wohl verpflichtet, sie sachgemäß auszuführen. Aber für ihren glücklichen und erfolgreichen Ausgang hat er sich nicht verpflichtet. Nach einer anderen Ansicht 1 0 soll die Art der Lohnberechnung maßgebend sein: ob dieser nach der Zeit oder nach dem, was der Arbeiter geleistet hat, bestimmt wird (Akkordvertrag). Aber dieser Gegensatz fällt nicht mit dem zwischen Dienst- und Werkvertrag zusammen. Beim ersteren ist die Akkordvereinbarung außerordentlich häufig. Es geht nicht an, alle diese Fälle aus dem Recht des Dienstvertrags auszuscheiden — um so weniger, als dem Akkordarbeiter dadurch die sozialen Wohltaten der §§ 617ff. BGB. entzogen würden. Andererseits kann es beim Werkvertrage vorkommen, daß die Bezahlung nach der aufgewendeten Zeit bestimmt w i r d 1 1 : ein Schreiner übernimmt es z. B., eine Laube in einem Garten gegen Zahlung von 2 Mark für die Arbeitsstunde zu bauen. Freilich erwähnt der grundlegende § 631 BGB. diese Art der Vergütung nicht besonders, aber er schließt sie auch nicht aus. — Ferner wird die Ansicht vertreten, daß die Gefahr für die 7

Herrschende Meinung, insbesondere R G . 72, 179. 86, 77. N i k i s c h a. a. O. 13, 23., 37ff. 9 Herrschende Meinung; anders L o t m a r a. a. O. 2, 877ff.; O e r t m a n n , Vorbem. 1 vor § 611. 10 L o t m a r a. a. O. 2, 422ff. 11 V o n L o t m a r 2, 422ff. 862ff. bestritten. 8

Dienstvertrag.

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Abgrenzung maßgebend sei 12 . Beim Werkvertrage wird der Arbeiter im Falle zufälligen Mißerfolgs nicht bezahlt. Das ist richtig, aber eben nur eine Folge davon, daß er sich zur Herstellung verpflichtet hatte : deshalb kann er nun, bei ihrem Mißlingen, nach § 323 BGB. nicht die Gegenleistung fordern. Vor allem aber ist die Regelung der Gefahr nicht ausschließlich entscheidend. Sie kann im Vertrage auch anders geregelt sein, ohne daß dieser dadurch seine Natur verändert. Schon jeder Akkordvertrag enthält ein gewisses Zufallsmoment: wenn der Arbeiter wegen schlechten Wetters oder Erkrankung weniger leisten kann, so trifft ihn hier der Schaden: und dennoch bleibt es ein Dienstvertrag. Umgekehrt ist es möglich, daß bei einem Werkvertrage die Gefahr anders geregelt ist, so daß gewisse Zufälle die Lohnzahlung nicht hindern sollen. Es hat z. B. jemand in Kriegszeiten versprochen, die Waren für einen bestimmten Lohn ins Ausland zu schaffen, doch soll dieser auch im Falle einer Beschlagnahme durch den Feind gezahlt werden. — Endlich ist auch nicht etwa in der Abhängigkeit das unterscheidende Merkmal zu sehen; es gibt auch DienstVerträge trotz voller Selbständigkeit, so beim Arzt und Rechtsanwalt. § 103. Beim Dienstvertrage werden Dienste, also irgendwelche Tätigkeiten für den Arbeitgeber, geschuldet. I m römischen Recht waren hiervon Dienste höherer A r t ausgenommen. Dagegen hat das BGB. ausdrücklich in § 611 I I bestimmt, daß auch solche Dienste Gegenstand des DienstVertrags sein können. Danach wird allgemein angenommen, daß damit ein jeder Unterschied aufgehoben sei. Aber das trifft nicht zu. Wenn jemand seine Tätigkeit dem Publikum zur Verfügung stellt, so kann er dies unentgeltlich oder gegen Lohn tun. Dazwischen aber stehen Fälle, wo ihm zwar auch etwas bezahlt wird, dies aber nicht als Entgelt dafür anzusehen ist. Bei dem gegenseitigen Vertrage ist es zwar nicht nötig, daß die beiden Leistungen wirklich einander gleichwertig seien: aber der Gedanke ist doch darauf gerichtet (I, 334ff.). Nun kann man aber doch, wenn ein Arzt einem teuren Angehörigen das Leben rettet, dessen Bezahlung unmöglich als eine irgendwie gleichwertige Leistung betrachten. Ebenso, wenn ein Anwalt für eine schwierige und langwierige Arbeit nach der Gebührenordnung nur ein paar Mark erhält. Vielmehr ist es so, daß auch diese Männer ihre Hilfe unentgeltlich leisten: es wird ihnen nur, damit 1

.

.

Dienste.

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sie dies können, das Recht gegeben, von den Beteiligten einen Zuschuß zum Leben zu erheben. Für diesen ist nicht der Gedanke der Gegenleistung und Gleichwertigkeit bestimmend. Sondern eine entscheidende Rolle spielen dabei Umstände, die bei der gegenseitigen Leistung ganz außer Betracht bleiben, besonders die Vermögensverhältnisse des Betroffenen und die Höhe des Objekts. So sind auch die Anwaltsgebühren vorwiegend nach dem letzteren Gesichtspunkte geregelt. Der Unterschied zeigt sich ferner deutlich dann, wenn einer von diesen Leuten seine Tätigkeit im Wege der Geschäftsführung jemandem widmet. Eine Aufwendung von Vermögen ist darin nur dann enthalten, wenn er es gleichzeitig versäumt hat, anderen Verdienst zu machen. Und doch wird man ihm auch im entgegengesetzten Falle einen Anspruch aus seiner Arbeit zubilligen müssen (unten § 234). — Hiernach werden diese Fälle zwar noch unter den Begriff des Dienstvertrags eingereiht werden können, aber es muß ihre Eigenart betont werden : die Vergütung ist hier nicht als eigentliche Gegenleistung anzusehen, sondern als ein „Honorar", ein Z u s c h u ß , der es dem Arbeitenden ermöglicht, seine Dienste dem Publikum zur Verfügung zu stellen. Damit soll nicht etwa der Wert der Handarbeit zugunsten der geistigen herabgesetzt werden. Schon deshalb nicht, weil sich diese Unterscheidung gar nicht mit der obigen deckt. Wer als Leiter eines großen Unternehmens angestellt ist, leistet sicherlich geistige Arbeit, aber die Eigenart der vorher geschilderten Personen trifft auf ihn nicht zu. § 104. Innerhalb der Dienstverträge kann man ferner solche Fälle herausheben, wo der Arbeiter als Angestellter in ein fremdes Unternehmen eingetreten ist. Diese Unterscheidung ist für das öffentliche und private Versicherungsrecht und für das Steuerrecht von Bedeutung. Außerdem aber hat man versucht, danach die ganze rechtliche Natur dieses Verhältnisses zu bestimmen, es von den übrigen Dienstverträgen zu scheiden und eben darauf die Abgrenzung des Arbeitsrechts aufzubauen. Aber dagegen spricht, daß sich diese Anstellung gar nicht so scharf abgrenzen läßt. Meist sucht man das entscheidende Merkmal in der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Arbeiters 13 : aber eine solche ist oft auch bei anderen Dienstverträgen und sogar auch bei Werkverträgen gegeben14. Man hat das Wesen der Anstellung darin 13 14

H u e c k a. a. O. N i k i s c h , Grundformen 90ff.; J a c o b i a. a. O. 51ff.

200

Dienstvertrag.

finden wollen, daß die Tätigkeit des Arbeiters hier nur der Art nach bestimmt sei 1 5 : aber auch das trifft für manche nicht Angestellte, z. B. die Agenten zu 1 6 . Und auch die Bestimmung, daß der Arbeiter hier seine Arbeitskraft auf Zeit zur Verfügung stelle 17 , kann nicht anerkannt werden. Denn auch das ist bei anderen Dienstverträgen nicht selten der Fall. Es trifft ebenfalls für den Agenten zu, aber auch für die Gasthausbedienten, die dem Gast zur Verfügung stehen, und auch für einen Fuhrherrn, der seine Fahrten einem Arzte zur Verfügung stellt. Das unterscheidende Merkmal dürfte vielmehr nur darin zu sehen sein, ob diese Überlassung sich auf die gesamte oder doch überwiegende Arbeitskraft oder nur auf einen geringeren Teil bezieht. Wer sich einem anderen verpflichtet, täglich eine Stunde Maschine zu schreiben, wird damit noch nicht bei ihm angestellt. Aber daraus folgt weiter, daß es sich nicht um ein ganz festes Merkmal handelt, sondern daß die Grenze dehnbar ist. Wie, wenn sich eine Aufwartung verpflichtet, täglich oder doch regelmäßig zwei Stunden zu kommen ? Jedenfalls ist der Gegensatz nicht ein so wesentlicher, daß man danach die rechtliche Natur des Geschäfts bestimmen kann. Es ist daher auch durchaus nicht zuzugeben, daß dieser Anstellungsvertrag einen ganz anderen Inhalt als der Dienstvertrag habe. Man behauptet zwar, daß dadurch nicht eine Verpflichtung zur Dienstleistung, sondern ein Gewaltverhältnis begründet werde 18 . Aber eine solche Abhängigkeit des Arbeiters ist bei manchen Anstellungen gar nicht vorhanden, nämlich nicht bei dem leitenden Direktor eines Unternehmens: und andererseits ist sie auch bei mancher vorübergehenden Beschäftigung gegeben. Auch von einem personenrechtlichen Verhältnis kann gerade in der neueren Zeit oft keine Rede mehr sein : und es sind auch die Verpflichtungen, die man aus einem solchen abzuleiten pflegt, keineswegs auf die Fälle einer Anstellung zu beschränken. Danach dürfte deren eigentlichen Inhalt doch auch hier nur die Pflicht zu Dienstleistungen ausmachen. Und damit zeigt sich, daß sich ein grundlegender Unterschied der Anstellung und damit des Arbeitsrechts vom Recht des Dienstvertrags nicht gewinnen läßt. — 15

N i k i s c h , Grundformen 144 ff. So j e t z t N i k i s c h , JheringsJ. 80, 5 A n m . 9; ferner die daselbst S. 1. Genannten. 17 N i k i s c h , JheringsJ. 80, I f f . 18 N i k i s c h , JheringsJ. 80, 2ff. 28ff. 125ff. 16

Anstellung.

201

Der Abschluß des Dienstvertrags kann formlos erfolgen. Niemand ist dazu verpflichtet, auch der nicht, der sich zur Geschäftsbesorgung öffentlich erboten hat oder dazu bestellt ist. Er ist nur verpflichtet, einen eingehendem Vertragsantrag unverzüglich abzulehnen, widrigenfalls er auf Schadensersatz haftet (§§ 663, 675 BGB.). Manche Beamte, z. B. die Gerichtsvollzieher, sind freilich zur Übernahme verpflichtet, aber diese Pflicht ist nur eine öffentlichrechtliche. § 105. Der Arbeiter ist verpflichtet, die übernommenen Dienste zu leisten. Ihr Inhalt richtet sich nach dem Vertrag und der Verkehrssitte. Er ist vielfach den Weisungen des Arbeitgebers unterworfen. Aber diese sind für ihn nicht maßgeblich, wenn sie den Strafgesetzen oder der Sittlichkeit widersprechen. Bei manchen Tätigkeiten hat der Arbeiter sogar ein eigenes Ermessen, er hat die Pflichten seines Standes zu berücksichtigen, selbst einer entgegenstehenden Anordnung des Arbeitgebers gegenüber. Deshalb gibt ihm das Gesetz bei Diensten höherer Art, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen werden, ein Kündigungsrecht (§ 627 BGB.). Allerdings gilt dies nicht für dauernde Dienstverhältnisse mit festen Bezügen. Aber auch bei einem solchen kann der Angestellte, z. B. ein Arzt oder Syndikus, in einen schweren Widerstreit zwischen den Befehlen seines Dienstherrn und seinem eigenen Gewissen kommen. Hier wird man ihm mit der Kündigung aus wichtigem Grunde (§ 627 BGB.) helfen müssen. Den Arbeiter treffen daneben auch verschiedene Nebenpflichten, die darauf abzielen, die Zwecke des Dienstes zu fördern und im Vertrage nicht im einzelnen festgesetzt werden können, insbesondere die Pflicht zum Gehorsam, zur Erweisung der gebührenden Achtung und Verschwiegenheit. Man kann sie in einer allgemeinen Treupflicht des Dienstleistenden zusammenfassen 19. Vielfach stellt man auch als eine besondere Verpflichtung auf, daß er jede Handlung, die den Betrieb stören könnte, zu unterlassen habe. Aber das ist nicht als eine selbständige Verbindlichkeit zu betrachten, sondern nur die Kehrseite seiner eigentlichen Vertragspflicht (I, 47). Hiernach darf der Geschäftsherr auch nicht darauf klagen, daß sein Angestellter nicht für einen anderen tätig werde 20 . Nur wenn durch den Vertrag ein solches Konkurrenzverbot aus19 20

G i e r k e a. a. O. 46ff. R G . Vereinigte Zivilsenate, R G . 72, 393.

Dienstvertrag.

202

gesprochen war, ist eine solche Klage auf Unterlassung begründet 21 . Nicht selten macht der Angestellte eine Erfindung, zu der ihm die Dienstleistung die Gelegenheit geboten h a t 2 2 . Das allein kann aber nicht ausreichen, um dem Dienstherrn einen Anspruch darauf zu geben 23 . Man wird es vielmehr nur dann bejahen dürfen, wenn das Erfinden mit zu den im Vertrage vorgesehenen Tätigkeiten gehörte (Diensterfindung) 24 . Wesentlich anders verhält es sich bei der sogenannten Betriebserfindung: sie erfolgt durch allmähliches Zusammenwirken mehrerer Angestellter unter Benutzung der bei dem Unternehmen vorhandenen Einrichtungen, ohne daß sich ein einzelner Erfinder feststellen läßt 2 5 . Der Angestellte hat die Dienste im Zweifel persönlich zu leisten, er ist weder berechtigt noch verpflichtet, einen Vertreter dafür zu bestellen (§613 BGB.). Sie sind an den Arbeitgeber zu leisten; der Anspruch darauf ist nicht übertragbar (§ 613 2 BGB.), außer im kaufmännischen Angestelltenverhältnis 26 , und daher auch nicht pfändbar (§851 ZPO.). Ähnlich wie bei der Miete ist die Arbeit vorzuleisten (§ 614 BGB.). Für Verschulden ist der Arbeiter haftbar. Ein solches kann auch darin hegen, daß er Arbeiten übernimmt, denen er nicht gewachsen ist. Aber auch ohne eine solche Schuld muß er für die Folgen seines ursprünglichen Unvermögens haften (I, 314). Auf die Leistung der Dienste kann er verklagt werden, doch ist das Urteil nicht durch Geldstrafen erzwingbar (§ 888 I I ZPO.). § 106. Der Lohn wird entweder nach dem bemessen, was der Arbeiter opfert (Zeitlohn), oder nach dem, was er leistet : und das kann wieder entweder nur nach der mechanischen Messung des Produkts (Akkordlohn) bemessen werden oder aber nach dem erzielten Gewinn (Beteiligung). Der Lohn ist im Zweifel hinterher zu zahlen, wenn er nach Zeitabschnitten bemessen ist, je nach deren Ablauf (§ 614 I I BGB.). Er ist der Beschlagnahme nur insoweit unterworfen, als die Dienstleistung gemacht und der Lohn fällig 21

R G . B l f R A . 76, 635. E n g l ä n d e r , Die Angestellten-Erfindung; Verhandlungen des 28. Juristentages; K i s c h , Patentrecht 66ff. 23 München SeuffA. 65 N r . 196. Teilweise weitergehend R G . B l f R A . 69, 248; SächsArch. 1914, 625ff. 24 H u e c k - N i p p e r d e y , a . a . O . 1, 245ff. R G . 131, 331 ff. u n d Genannte. 25 R G . 131, 330; F i s c h e r , Betriebs-Erfindungen. 26 T i t z e , H a n d b H R . 2, 698; SeuffA. 66 N r . 129. 22

Lohn.

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geworden ist, ohne daß der Berechtigte ihn eingefordert hat (Lohnbeschlagnahme-Gesetz vom 21. Juni 1869). Frei pfändbar ist ein gewisser Betrag, der fortwährend erhöht worden ist; nach dem Gesetz vom 27. Februar 1918 ist der Lohn bis zum Betrag von 195 Mark monatlich, 45 Mark wöchentlich oder 7,50 Mark täglich und, soweit er diese Beträge übersteigt, zu einem Drittel des Mehrbetrags von der Pfändung befreit. Ebenso sind rechtsgeschäftliche Verfügungen über unpfändbare Lohnansprüche unwirksam (§ 2 Lohnbeschlagnahme-Gesetzes), Aufrechnung gegen solche Forderungen (§ 394 BGB.) und regelmäßig auch die Ausübung eines Rückhaltungsrechts 2 7 . Häufig werden Dienstverträge abgeschlossen, die dem Arbeiter gerade nur den unpfändbaren Teil des Lohnes zuwenden, dann aber einen Überschuß an dessen Ehefrau (nach der früher maßgebenden Summe 1500-Mark-Verträge genannt). Hier fragt sich zunächst, ob dies ernstlich gemeint ist, ob also die Ehefrau wirklich ein festes Recht darauf erhalten soll. Aber auch wenn dies anzunehmen, ist der Vertrag dennoch entgegen dem Reichsgericht und Reichsarbeitsgericht für ungültig zu halten 2 8 . Richtig ist, daß der Arbeiter dadurch nicht sein vorhandenes Vermögen schädigt und daß daher die Gläubigeranfechtung und die Annahme einer Schenkung ausgeschlossen ist. Sein Verhalten kann auch nicht als unsittlich bezeichnet werden, da es die Sicherstellung seiner Familie bezweckt. Aber es Hegt eine Umgehung der gesetzlichen Vorschriften über die Pfändbarkeit vor — besonders auffällig, wenn, wie in einem der entschiedenen Fälle, der Ehefrau mehr als ihrem Manne zugesprochen wird. Endlich ist dem verständlichen Wunsche, die Familie des Arbeiters zu sichern, schon dadurch Rechnung getragen, daß die Verordnung von 1928 selbst schon den Betrag festsetzt, um den sich der unpfändbare Teil des Lohnes mit Rücksicht auf die Angehörigen erhöht. — Die Lohnansprüche werden im Konkurs des Dienstherrn und der Zwangsversteigerung vor anderen bevorzugt (§ 61 1 KO., § 10 2 Zwangsverst.Ges.). § 107. Der Arbeitgeber ist ferner verpflichtet, für eine geordnete Erledigung des Arbeitsverhältnisses zu sorgen. Bei schuld27

I , 255ff., wo auch die L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung. B e c k e r , GruchBeitr. 58, I f f . ; S t a u d i n g e r V I I I zu § 611 u n d Genannte; vgl. auch H u e c k - N i p p e r d e y a. a. O. 209ff. (Anfechtbarkeit). Anders R G . 69, 59ff. 81, 41; Reichsarbeitsgericht B e n s h . 6, 364. 7, 314; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 142, A n m . 7. 28

Dienstvertrag.

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hafter Pflichtverletzung haftet er auf Schadensersatz. Nur einen Ausfluß hiervon enthält die Fürsorge, die § 618 BGB. anordnet. Danach hat der Dienstberechtigte die Räume und Vorrichtungen so zu unterhalten, daß der Verpflichtete nach Möglichkeit gegen Gefahren geschützt ist. Es bezieht sich das auch auf die Zugänge zur Arbeit 2 9 und auf Diensträume, die einem öffentlichen Beamten überlassen sind 30 . Ferner hat der Dienstherr nach § 618 die Dienstleistungen, die unter seiner Leitung stehen, so zu regeln, daß ebenfalls Gefährdungen verhütet werden. Alles dies gilt auch für die Gehilfen, die vertragsgemäß zur Arbeit herangezogen werden 31 . Ist der Arbeiter in die häuslichen Gemeinschaft aufgenommen, so hat der Dienstherr die nötigen Maßnahmen wegen der Unterbringung, Verpflegung und Arbeitszeit zu treffen (§ 618 I I BGB.). Auch dies ist auf die Dienstwohnungen der öffentlichen Beamten entsprechend anzuwenden 32 . Wenn der Dienstherr diese Verpflichtungen bezüglich des Lebens und der Gesundheit nicht erfüllt, so soll er nach § 618 I I I BGB. entsprechend den dafür bei Unrechtshandlungen gegebenen Vorschriften (§§ 842ff. BGB.) haften. Das Gesetz sagt nicht, daß die Verletzung eine schuldhafte oder doch vom Dienstherrn zu vertretende sein müsse. Aber dennoch ist dies zu erfordern 33 . Denn das entspricht durchaus dem allgemeinen Grundsatz des Schuldprinzips, der unserem Gesetz innewohnt, der Billigkeit und der geschichtlichen Entwicklung. Das Gesetz will auch nicht etwa bestimmen, daß der Dienstherr lediglich für Verletzungen der Person des Arbeiters hafte — sicherlich haftet er auch für schuldhafte Beschädigung seiner Kleider und anderen Sachen —, sondern nur die besonderen Bestimmungen anwenden, die in §§ 842ff. für Personen Verletzung gegeben sind. Dabei läßt es offensichtlich die Vorschrift über das Schmerzensgeld (§ 847 BGB.) aus. Man hat dazu allerdings bemerkt, daß, wenn im übrigen der Tatbestand einer Unrechtshandlung (§§ 823ff. BGB.) gegeben sei, dann auch ein Anspruch 29

R G . 18, 173; GruchBeitr. 46, 928. 48, 346; SächsArch. 14, 211; SeuffA. 60, 390. 80 R G . 71, 246ff. 111, 22; GruchBeitr. 61, 664ff.; W a r n e y e r 17 N r . 53, 137; SeuffA. 77 N r . 68. 31 Recht 1908 N r . 727; H a h n , GruchBeitr. 45, 217ff. 32 R G . 63, 430. 71, 243. 97, 44. 104, 60; W a r n e y e r 1915 N r . 97, 1917 N r . 137; J o s e f GruchBeitr. 64, 285. 33 R G . 103, 374ff. ; Recht 1909 N r . 3336.

Fürsorge.

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auf Schmerzensgeld erwachsen müsse. Aber man darf dies nicht auch auf den Fall ausdehnen, wo der Dienstherr eine solche eben durch die Übertretung des § 618 begangen und sich dadurch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 I I BGB. haftbar gemacht h a t 3 4 . Denn eben weil § 618 ein solches Schutzgesetz darstellt, würde sonst immer auf diesem Umwege der § 847 zur Anwendung gelangen: und das hat doch das Gesetz gerade ausgeschlossen. Andere kommen zum selben Ergebnis dadurch, daß sie dem § 618 die Natur eines Schutzgesetzes absprechen 35. — Die Haftung aus § 618 BGB. ist auf den Vertrag gegründet: der Arbeitgeber ist deshalb auch für seine Gehilfen nach § 278 haftbar 3 6 . Wesentlich anders gestaltet sich die Haftung bei Unfällen, die die nach öffentlichem Recht gegen Unfall versicherten Personen betreffen (§§ 898ff. Reichs-Versicherungsordnung). Hier haftet die Berufsgenossenschaft. Der Dienstgeber ist nur haftbar, wenn er vorsätzlich gehandelt hat und dies durch das Strafgericht festgestellt ist, auf den Schaden, der über die Versicherungsentschädigung hinaus erwächst. Dazu t r i t t die Pflicht des Dienstgebers zur Krankenfürsorge (§ 617 BGB.): aber nur da, wo das Verhältnis dauernd, d. h. von vornherein auf Dauer angelegt ist oder schon länger gedauert h a t 3 7 , und die Erwerbstätigkeit ganz oder hauptsächlich in Anspruch nimmt. Nicht zu erfordern ist, daß die Krankheit erst während der Dienststellung e i n t r i t t 3 8 : denn dies würde nur schwierige und unerfreuliche Streitigkeiten hervorrufen. Es ist Verpflegung und ärztliche Behandlung bis 6 Wochen, aber nicht über den Ablauf des Vertrags hinaus zu leisten. Der Anspruch wird aber durch die Fürsorge einer öffentlich-rechtlichen Krankenkasse ausgeschlossen, was regelmäßig der Fall ist, und durch grobe Schuld des Arbeiters. Die Kosten können außerdem vom Lohn abgezogen werden. Die sozialen Schutzvorschriften der §§ 617 und 618 enthalten zwingendes Recht (§ 619). 34

Recht 1909 N r . 2383; SeuffA. 61, 139ff. O L G . 20, 200; Recht 1910 N r . 3749; O e r t m a n n 5; L e h m a n n § 143 A n m . 13. 88 R G . 22, 224. 77, 408. 87 S c h u l z e n s t e i n , B ü r g A . 23, 237ff.; O L G . 7, 472. 9, 290; S p r i n g e r , GruchBeitr. 50, 753ff. 38 O L G . 9, 289; S c h u l z e n s t e i n , B ü r g A . 23, 275; anders P l a n c k 3 u n d andere. 35

Dienstvertrag.

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Der Arbeiter ist verpflichtet, die Dienste zu leisten, aber er hat regelmäßig nicht ein Recht darauf. Daher kommt der Dienstgeber, der sie nicht annimmt, nur in Gläubiger-, aber nicht i n Leistungsverzug. I n diesem Falle wird man ihm nicht zumuten können, die Nebenleistungen, wie eine Wohnung, dem Arbeiter zu leisten; er kann ihn durch Geld abfinden 39 . Eine eigentliche Verpflichtung zur Beschäftigung ist besonders bei den Anstellungen der Schauspieler anzunehmen40. — Für die öffentlichrechtlichen Pflichten, z. B. zum Kleben der Invalidenmarken, ist der Dienstgeber privatrechtlich nur haftbar, wenn er dies durch Vertrag übernommen h a t 4 1 . § 108. Falls dem Arbeiter seine Dienstleistung unmöglich wird, sind — wie überall beim gegenseitigen Vertrage — zwei Fragen zu unterscheiden: ob eine Schadenshaftung begründet und ob die Vergütung zu zahlen ist (I, 480). Für den Schaden kann jede Partei haftbar werden, wenn sie den Umstand zu vertreten hat. Für die Lohnzahlung ist zu unterscheiden: Entweder hat keine der Parteien den Umstand zu vertreten; dann braucht der Lohn nicht gezahlt zu werden (§ 323 BGB.). Insofern trägt der Arbeiter die Gefahr. Dies wird aber dann gemildert, wenn er ohne seine Schuld durch einen in seiner Person liegenden Grund für eine verhältnismäßig unerhebliche Zeit verhindert wird (§616 BGB.). Dabei ist nicht nur die Dauer der Gesamtleistung, sondern auch das sonstige Interesse des Gregners in Betracht zu ziehen 42 . Wer für erhebliche Zeit gehindert ist, kann gar keinen Lohn beanspruchen, nicht etwa den Teil, der für eine unerhebliche Hinderung entfallen würde 43 . Wenn der Grund der Hinderung nicht in der Person des Arbeiters hegt, sondern aus objektiven Gründen, z. B. Verkehrsstörungen, erwachsen ist, wollen manche den Lohnanspruch erst recht zubilligen 44 . Aber das ist doch ab89

R G . 42, 235; P l a n c k 6 zu § 628. K l e i n , ÖstZBl. 28, 24ff.; O p e t , ZivArch. 86, 155ff.; M a u r i t z , Bühnen-Engagementsvertrag; F i n k e l s t e i n , Das Recht des Bühnen- u n d Filmschauspielersauf Beschäftigung ; R G . GruchBeitr. 55, 1057; W a r n e y e r , 1910 N r . 433; KGB1. 1913, 30. 41 R G . 58, 102. 63, 55; B r ü c k n e r , GruchBeitr. 50, 783ff.; anders O L G . 10, 151. 40

42 48 44

K G . O L G . 17, 406; C r o m e § 259 A n m . 24; H u e c k 79; O e r t m a n n 1. R G . J W . 1929 N r . 3327. D e r n b u r g § 305; E n d e m a n n § 174 A n m . 2 8 b ; S c h o l l m e y e r 95.

Unmöglichkeit.

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zulehnen 45 . Nicht nur spricht der Wortlaut des Gesetzes bestimmt dagegen, sondern auch die Erwägung, daß man damit eine eng begrenzte Ausnahmevorschrift auf eine sehr viel größere Zahl von Fällen ausdehnen würde. Auch bleibt dem Arbeiter, der nicht durch persönliche Gründe verhindert ist, viel öfter die Möglichkeit, anderweit etwas zu verdienen. — Wenn der Dienstpflichtige hiernach den Lohn bekommt, so muß er sich darauf anrechnen lassen, was ihm für diese Zeit aus der öffentlich-rechtlichen Versicherung zufällt (§ 616 2 BGB.). Auf andere Versicherungen, Zeugengebühren und derartige Einnahmen ist das nicht auszudehnen 46 : umgekehrt werden solche Ansprüche dadurch ausgeschlossen, daß dem Arbeiter sein Lohnanspruch verbleibt. Der § 616 ist für Angestellte insoweit für zwingend erklärt worden, als er sich auf Krankheitsfälle bezieht 4 6 a . Er ist in Preußen auch auf Arbeiter, Handlungsgehilfen und Gesinde anwendbar (PrAG. Art. 14 § 1). — Ist die Unmöglichkeit vom Arbeiter zu vertreten, so erhält er keinen Lohn (§ 325 BGB.). Wenn vom Dienstgeber, so muß er den Lohn zahlen ; aber der Arbeiter muß sich anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung erspart oder durch andere Verwendung seine Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (§ 324 BGB.). Das letztere gilt auch dann, wenn der Dienstgeber in Annahmeverzug kommt (§ 324 BGB.). Das Gesetz (§ 615) betont dabei noch, daß der Arbeiter dann nicht etwa verpflichtet ist, nachträglich die Dienste zu leisten. Die Abgrenzung zwischen Unmöglichkeit der Leistung und Unmöglichkeit der Annahme macht gerade beim Dienstvertrage oft Schwierigkeiten 47 . Wenn man allgemein annimmtj daß die Unmöglichkeit der Leistung einen Annahmeverzug ausschließe, so kann man dabei unter Leistung nicht den gesamten Vorgang einschließlich der Annahme verstehen; sondern man kann hier nur an einen gewissen Teil der Leistung denken, der möglich sein muß. Und zwar kommt es darauf an, ob es ein solches Stück der 45 G r o h , Koalitionsrecht 174ff.; H u e c k a. a. O. 77; H u e c k - N i p p e r d e y a. a. O. 189; P l a n c k 5; O e r t m a n n 1. 46 P l a n c k 3 zu § 616; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 144 A n m . 4; T i t z e , H a n d H R . 756; anders v . B l u m e , Recht 1902, 8. 48a Notverordnung v o m 1. Dezember 1930, Teil 1, K a p i t e l I I , A r t . 3, m i t dem seltsamen Druckfehler RGes.Bl. 517, 608. 47 I , 563ff., wo auch die L i t e r a t u r .

Dienst vertrag.

208

Leistung ist, das der Schuldner oder das der Gläubiger zu beschaffen hat. Nicht richtig ist es, statt dessen danach zu unterscheiden, ob es in der Person des einen oder anderen hege. Dadurch wird der Gläubiger zu sehr belastet: er muß z. B. auch dann, wenn die umzuarbeitende Sache untergeht, den Lohn für die nicht geleistete Arbeit bezahlen. Was nun besonders den Dienstgeber anlangt, so muß er sicherlich dann den Lohn bezahlen, wenn er die Dienste nicht entgegennehmen will. Und zwar auch dann, wenn er sie deswegen abweist, weil sie für ihn unwirtschaftlich geworden sind. Daher kann insbesondere ein Fabrikant nicht deshalb bestehende Verträge brechen, weil sich die Fortführung des Betriebes nicht mehr rentiert. Wesentlich anders dagegen, wenn der Kranke, der behandelt, der Schüler, der unterrichtet werden soll, stirbt. Da er nicht oder nur nebenher zum Erfolg mitzuwirken hat, ist es nicht sowohl seine Annahme, was unmöglich wird, sondern die Leistung des Gegners: der Lohn wird daher nicht geschuldet. Und nicht anders ist es auch, wenn eine Fabrik abbrennt und dadurch die Arbeit in ihr unmöglich wird 4 8 . Auch hier wird in erster Linie die Leistung der Arbeiter dadurch verhindert. Allerdings ist der Fabrikant verpflichtet, die Räume und das Gerät für die Arbeit zu stellen. Aber das bedeutet nur, daß er die vorhandenen Betriebsmittel zur Verfügung stellen und bei deren Verlust neue besorgen muß. Aber es trifft ihn keineswegs die unmögliche Verpflichtung, die Fabrik in einer Nacht wieder aufzubauen. Die Gegner lassen sich wohl von dem Mitgefühl für die Arbeiter leiten. Aber das wirkt eigentlich nur für die Verhältnisse der großen Industrie überzeugend — und gerade dort hat die Frage keine große Bedeutung, weil die Kündigungsfrist hier meist sehr kurz ist. Ganz besonders unbillig erscheint die Verpflichtung zur Bezahlung da, wo ein Teil der Arbeiter durch einen Teilstreik der anderen an der Arbeit gehindert ist. Man hat diese unbillige Entscheidung dadurch zu vermeiden gesucht, daß man sich auf die Arbeitsgemeinschaft aller Arbeiter berufen hat 4 9 . Aber das ist ein sehr bedenklicher Rechtssatz: er widerspricht durchaus dem gesunden Grundgedanken des BGB. (§ 425), daß ein Schuldner nicht für die Schuld des anderen einzustehen brauche. 48

I , 568, wo die L i t e r a t u r . R G . 106, 272; J W . 1923, 831; Reichsarbeitsgericht vgl. H e d e m a n n , Mitteilungen des I n s t i t u t s für Wirtschaftsrecht 1928 N r . 16 S. 41 ff. Weitere Angaben bei O e r t m a n n 2 zu § 615; wo auch die Gegner. 49

Tarifvertrag.

209

Wenn man ihn durchführte, müßte auch der Schaden, den einzelne Arbeiter schuldhaft anrichten, von den übrigen ersetzt werden. Vielfach glaubt man auch die Lösung der ganzen Frage aus der Annahme einer Arbeits- und Betriebsgemeinschaft zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitern gewinnen zu können 50 . Auch auf diesem Wege will man dem ersteren die Verantwortung für diejenigen Störungen aufbürden, die er von vornherein in Rechnung zu stellen hat. Aber man leugnet sie dann doch für die übrigen Fälle, z. B. das Abbrennen der Fabrik, und außerdem auch für solche Störungen, die der Betrieb nicht mehr zu tragen vermöge 51 . Diese Ausnahmen lassen deutlich erkennen, daß jene Auffassung gar nicht ernstlich durchgeführt werden kann. § 109. Seit dem vorigen Jahrhundert herrscht ein Kampf um die Arbeitsbedingungen zwischen den Arbeitgebern und -nehmern, besonders in der Industrie, der meist durch Streiks und Aussperrungen geführt wird. Als störend für den Wirtschaftsfrieden hat es sich vor allem erwiesen, wenn die erkämpften Vorteile von einzelnen Arbeitern unterboten und so wieder erschüttert werden. Dagegen richten sich die T a r i f v e r t r ä g e 5 2 , die eine einheitliche Regelung für alle Angestellten erstreben und die wegen ihrer allgemeinen Bedeutung auch hier, wenigstens in den Hauptpunkten, dargestellt werden müssen. Diese Verträge, schon seit längerer Zeit verbreitet, sind durch die Verordnung vom 23. Dezember 1918 geregelt worden, wobei einige sehr streitige Fragen entschieden wurden. Hiernach ist eine Vereinigung, die am Vertrage beteiligt ist, nicht als rechtliche Vertreterin der einzelnen Arbeiter anzusehen, so daß sie auch nicht einer Vollmacht bedarf : sondern sie t r i t t als wirtschaftliche Vertreterin auf (Verbandstheorie). Ferner sind Vereinbarungen, die gegen den Tarifvertrag verstoßen, nicht nichtig, sondern sie werden ohne weiteres in die Bestimmungen dieses Vertrags umgedeutet. Dieser schafft also zwingendes Recht für den Inhalt aller einzelnen Arbeitsverträge. Er verpflichtet nicht etwa die Parteien, irgendeinen Dienstvertrag 50 Reichsarbeitsgericht Bensh. Sammlung 3, 116ff. 4, 249. 5, 32, 34, 38, 41, 110. 6, 103, 260, 441. Vgl. dagegen N e u m a n n , J W . 1928, 2890. 51 So insbesondere Reichsarbeitsgericht, daselbst 3, 116ff. 52 L o t m a r a. a. O. 755ff.; S i n z h e i m e r , Der korporative Arbeitsvert r a g ; H u e c k , Recht des Tarifvertrages; H a n d b u c h des Arbeitsrechts I I I ; N i p p e r d e y , Beiträge z u m Tarifrecht; H u e c k - N i p p e r d e y a. a. O.; K a s k e l , Arbeitsrecht 15ff.

B i n d i n g , Handb. X , 2. Π : Leonhard, Schuldrecht I I .

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Dienstvertrag.

210

abzuschließen, ist also kein Abschließungsvertrag : sondern er bestimmt den Inhalt der geschlossenen Verträge und ist daher ein Normenvertrag (I, 29 Iff.). Endlich kann der Vertrag durch den Reichsarbeitsminister auch auf andere gleichhegende Fälle ausgedehnt werden, was im Interesse der Gleichmäßigkeit vorteilhaft ist. Nach der Schlichtungsordnung vom 30. Oktober 1923 haben, wenn die Parteien sich über den Abschluß eines Tarifvertrags nicht einigen können, staatliche Schlichtungsstellen Hilfe zu leisten und einen Schiedsspruch zu fällen. Wird dieser von den Parteien nicht angenommen, so kann er vom Schlichter für verbindlich erklärt werden, wenn die Regelung auf gerechter Abwägung der Interessen beruht und die Durchführung aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen erforderlich ist. — Da der Tarifvertrag den Inhalt der Dienstverträge bestimmt, ist er als ein privatrechtlicher Vertrag anzusehen53. Und zwar ist es ein schuldrechtlicher Vertrag 54 . Dem steht nicht entgegen, daß er den Inhalt anderer Verträge bestimmt : denn da diese eben schuldrechtlichen Inhalt haben, so ist ihm selbst auch der gleiche Charakter zuzusprechen. Dennoch wird letzteres von der herrschenden Lehre verkannt: sie will den ,,normativen" Teil des Vertrags als eine autonome Rechtsregel auffassen. Aber das Bezeichnende der Autonomie wie einer jeden Rechtsnorm hegt ja gerade darin, daß eine höhere Stelle die Verhältnisse der Beteiligten ordnet. Dieser Begriff kann also dort nicht angewendet werden, wo diese selbst sie durch ihre Vereinbarung geregelt haben. § 110. Die Beendigung des Dienstverhältnisses tritt mit dem Ablauf der etwa vereinbarten Zeit ein (§ 620 BGB.), ferner überall, wo die Dienste persönlich zu leisten sind, mit dem Tode des Arbeiters. Der Tod des Dienstgebers kann ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde hervorrufen. Sonst genügt er nicht, um das Verhältnis zu beendigen. Zwar sagt das Gesetz, daß der Anspruch auf die Dienste ,,nicht übertragbar" ist (§ 6132). Aber das kann nicht allgemein auch auf die Vererblichkeit bezogen werden. Vielmehr werden da, wo es sich um Dienstleistungen für ein Geschäft oder sonstiges Unternehmen handelt, die Verträge regelmäßig fortdauern 55 . Und selbst bei der Übertragung eines 53 54 55

H u e c k - N i p p e r d e y a. a. O. 2, 115ff. u n d Genannte. J a c o b i , Grundformen 243ff. O e r t m a n n , GewKaufmG. 29, 127; SeuffA. 66 N r . 129.

Beendigung.

211

solchen Unternehmens wird nicht selten dasselbe anzunehmen sein 56 . I m Konkurse endigen die Dienstverhältnisse auf Geschäftsbesorgung für das zur Masse gehörige Vermögen (§§ 23, 27 KO.). Meistens endigt der Vertrag durch Kündigung, eine einseitige, festgerichtete Erklärung ohne Bedingung (I, 239ff.). Sie kann auch schon gleich vor dem Beginn des Verhältnisses abgegeben werden, aber nur so, daß die ganze Frist davor abläuft. Auch hier ist — wie bei der Miete — vor allem zu unterscheiden, ob das Kündigungsrecht nur ergänzend, beim Schweigen des Vertrags eintritt oder aber auch ihm gegenüber wirkt. Das ergänzende Kündigungsrecht ist verschieden, je nachdem, wie die Vergütung bemessen ist (§621 BGB.). Ist hier nach Monaten berechnet, wie meistens, so kann am 15. auf den nächsten Monatsersten gekündigt werden. Wenn nach Vierteljahren oder längeren Zeiträumen, ist nur sechswöchige Kündigung auf den Vierteljahrsersten zulässig. Handelt es sich um eine Leistung höherer Art, die mit festen Bezügen bezahlt wird und die Tätigkeit ganz oder hauptsächlich in Anspruch nimmt wie der Lehrer, Privatbeamten, Gutsverwalter 57 , Bürovorsteher 58 , so ist die ebengenannte Kündigung immer einzuhalten (§ 622 BGB.), und das gleiche gilt für Handlungsgehilfen (§ 66 HGB.). Denn solche Stellungen müssen erst sorgfältig aufgesucht werden, unter Umständen in einer anderen Stadt. Ist die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bestimmt, so kann jederzeit gekündigt werden: doch sind bei einem Verhältnis, das die Erwerbstätigkeit ganz oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, 2 Wochen einzuhalten (§ 623 BGB.). I n anderen Fällen ist die Kündigung auch entgegen der Vereinbarung zulässig. Ein Dienstvertrag, der für Lebenszeit oder länger als 5 Jahre eingegangen ist, kann nach 5 Jahren mit sechsmonatlicher Frist gekündigt werden (§ 624 BGB.). Auch durch eine Mehrheit von Verträgen kann eine längere Bindung nicht erzielt werden. Allerdings steht nichts im Wege, den Vertrag während seiner Dauer wieder um 5 Jahre zu verlängern. Doch wird diese Abrede erst zugelassen werden dürfen, nachdem der Vertrag schon eine längere Zeit gelaufen ist 5 9 . — Bisweilen ist 56

H u e c k - N i p p e r d e y 1, 248ff.; anders R G . 58, 257. SeuffA. 67, 360. 58 SächsArch. 1908, 221. 59 R G . 80, 277; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 145 A n m . 7; anders O e r t m a n n 5. 57

14*

Dienstvertrag.

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sogar eine sofortige Aufhebung zugelassen. So allgemein dann, wenn ein wichtiger Grund vorhegt (§ 626 BGB.). Darunter sind Umstände verstanden, bei denen einer Partei die Fortsetzung nicht mehr zugemutet werden kann 6 0 . Besonders gehören dazu Pflichtverletzungen, wie Unredlichkeit, unsittliches Verhalten. Aber es ist nicht nötig, daß ein Verschulden vorhegt, sondern es kommen auch unverschuldete Ereignisse und auch solche i n der Person des Kündigenden i n Betracht, wie Heirat, besonders bei weiblichen Angestellten 61 , Krankheit des Arbeiters, Tod des Dienstherrn 62 , Aufgabe des Geschäfts 63. Zu Unrecht hat man verlangt, daß der Grund immer mit den Pflichten aus dem Vertrage zusammenhängen müsse 64 . Die Vorschrift enthält sicherlich zwingendes Recht 6 5 : aber aus den Vereinbarungen der Parteien kann sich doch ergeben, ob der Umstand für diesen Vertrag erheblich ist 6 6 . Ob gewisse Tatsachen vorhegen, entzieht sich sicherlich der Prüfung des Revisionsgerichts: nicht aber ob eine von ihnen als wichtig zu betrachten ist; denn das ist zwar nicht eigentlich eine Rechtsfrage, wohl aber eine solche der Lebensbeurteilung, die ebenso wie diese zu behandeln i s t 6 7 . Bei den industriellen Arbeitern sind die einzelnen Gründe für eine solche Kündigung genau bestimmt — hauptsächlich wohl, um die Einmischung politischer und sozialpolitischer Fragen auszuschalten (Art. 123, 124 Gewerbeordnung). Hat der Dienstpflichtige, ohne in einem dauernden Verhältnisse mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer A r t zu leisten, die ein besonderes Vertrauen erfordern, so ist eine solche sofortige Kündigung auch ohne einen wichtigen Grund zulässig (§ 627 BGB.). Bei solchen Verhältnissen, z. B. bei Anwälten, Ärzten, ist eine ersprießliche Fortsetzung nur möglich, wenn beide in fortdauerndem Einvernehmen miteinander bleiben. Auch kann sich hier leicht ein Gegensatz zwischen den Wünschen des Arbeitgebers und der pflichtmäßigen Überzeugung des anderen ergeben, das ein 60

R G . W a r n e y e r 1919 N r . 166; D e r n b u r g § 308 A n m . 6 u n d viele. R G . GruchBeitr. 54, 935. 62 R G . 58, 256. M O L G . 2, 503; R G . Recht 1912 N r . 1773. 64 So R ü m e l i n a. a. O. 292ff.; O e r t m a n n 2 u n d Genannte. βδ R G . 69, 365. 75, 238; W a r n e y e r 1916 N r . 290; 1919 N r . 34. · · R G . 75, 238. 87 R G . W a r n e y e r 1916 N r . 49. 61

Kündigung.

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weiteres Zusammenarbeiten unmöglich macht (oben S. 201). Doch soll der Dienstpflichtige hier nicht zur Unzeit kündigen, der Anwalt z. B. nicht mitten im Verhandlungstermin sein Mandat niederlegen, außer bei einem wichtigen Grund : sonst ist er schadens pflichtig (§ 627 I I ) . Auch dies Kündigungsrecht ist als zwingend anzusehen68. Es muß dem Dienstpflichtigen auch trotz eines Verzichts freistehen, das unhaltbar gewordene Verhältnis aufzuheben : es genügt nicht, wenn man ihn dann auf die Kündigung wegen wichtigen Grundes verweist. Endlich kann der Ehemann einen Dienstvertrag seiner Frau, der die Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten beeinträchtigt, nach Ermächtigung des Vormundschaftsgerichts kündigen (§ 1358 BGB.). — Bei einer Kündigung nach §§ 626 oder 627 ist der Teil der Vergütung zu zahlen, der der gemachten Leistung entspricht (§ 628 BGB.). Der schuldige hat aber keinen Anspruch darauf, falls dieser Teil für den Gegner kein Interesse hat. Außerdem ist er dem Gegner zum Ersätze des ihm erwachsenden Schadens verpflichtet, wenn er die Kündigung durch sein vertragswidriges, d. h. schuldhaftes 69 Handeln verursacht hat (§ 628 I I BGB.). I n der Fortsetzung des Dienstverhältnisses ist der Abschluß eines neuen verlängernden Vertrags zu erblicken (§ 625 BGB., oben S. 165). Dem Dienstpflichtigen muß Zeit zum Aufsuchen eines neuen Dienstes gewährt werden (§ 629 BGB.): dies muß auch auf einen Vertrag von festbestimmter Dauer angewendet werden 70 , aber nicht auch auf einen kündbaren Vertrag, der noch nicht gekündigt i s t 7 1 . Der Arbeitgeber muß dem Gegner ein Dienstzeugnis 72 ausstellen (§ 630 BGB.). Da dieser es schon braucht, um sich daraufhin zu bewerben, so muß er es schon einige Zeit vor dem Ablauf des Dienstverhältnisses fordern können 73 . Der Wortlaut des Gesetzes könnte gegenüber diesem sachlichen Grunde 68

L o t m a r a. a. O. 1, 615; S t a u d i n g e r V I ; anders R G . 69, 365; 80, 29; 105, 417; J W . 1924, 43. 69 R G . W a r n e y e r 1914 N r . 80. 70 T i t z e a. a. O. 766; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 145; anders L o t m a r a. a. O. 2, 322ff. 71 T i t z e a. a. O.; dagegen H u e c k a. a. O. 233. 72 M ö l l m a n n , Dienstzeugnis; P f e i f f e r , B ü r g A . 39, 314; S c h m a l t z , Arbeitszeugnis; K r ü c k m a n n , LeipzZ. 1927, 73ff.; K r ö n i g , HansGZ. 1925, 21 ff. 73 O e r t m a n n 2 zu § 630; L e h m a n n § 145 A n m . 22; B e n d i x , B ü r g A . 28, 94ff.

Dienstvertrag.

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nicht den Ausschlag geben 74 : aber es sagt ja auch nur vorsichtig, daß es „bei der Beendigung" zu erteilen sei. Das Zeugnis bezieht sich zunächst nur auf die Angabe des Dienstes und seiner Dauer : nur auf Verlangen des Arbeiters ist es auf seine Leistungen und Führung zu erstrecken. Durch dieses Gesetz wird also der Arbeitgeber genötigt, die schwersten Vergehungen des Arbeiters zu verschweigen! Wenn das Zeugnis auf nähere Angaben erstreckt ist und diese nicht der Wahrheit entsprechen, kann der Arbeiter auf Ausstellung eines wahrheitsgemäßen Zeugnisses klagen. I m Falle eines Verschuldens kann er auch Schadensersatz fordern. Dagegen kann ein Dritter, der durch eine unrichtige, allzu günstige Bescheinigung getäuscht und geschädigt ist, gegen den Aussteller nur dann vorgehen, wenn darin eine Unrechtshandlung nach §§ 823ff. BGB. hegt. Dies ist bei vorsätzlichem unsitthchem Verhalten sicher zu bejahen (§ 826), im übrigen aber zu verneinen, da § 630 BGB. nicht als ein Gesetz zum Schutze der späteren Arbeitgeber angesehen werden kann (unten § 307). § 111. Zum Schluß ist noch einmal darauf hinzuweisen, welche große Bedeutung die Sondergesetze für den Dienstvertrag haben. Es kommen hier zunächst die wichtigen Reichsgesetze i n Betracht, die für bestimmte Gruppen von Arbeitern gelten, nämlich die Gewerbeordnung für die gewerblichen Arbeiter und Angestellten (§§ 105ff.), das Handelsgesetzbuch für die kaufmännischen Angestellten und Schiffer (§§ 84ff., 511ff.), das Binnenschiffahrtsgesetz (§§ 7ff.) und die Seemannsordnung, und endhch die vorläufige Landarbeitsordnung vom 24. Januar 1919. Die öffentlichrechtlichen Beziehungen sind besonders durch die Reichsversicherungsordnung und das Betriebsräte-Gesetz vom 4. Februar 1920 geregelt. — Dem Landesrecht ist die Regelung des Gesinderechts überlassen (Art. 95 EG.). Allerdings sind die alten Gesinde Verordnungen durch die Verordnung der Volksbeauftragten vom 12. November 1918 aufgehoben worden; aber es ist doch die Möglichkeit zur Schaffung neuer gebheben, und einige Länder haben auch davon Gebrauch gemacht. Ferner regelt sich das Bergrecht und daher auch das Recht der Bergarbeiter nach Landesrecht (Art. 67 EG.). Ebenso auch das Recht der öffentlichen Beamten, das nicht auf einen privaten Vertrag, 74

Wie E n n e c c e r u s i n der vorhergehenden Auflage u n d viele (Angaben bei O e r t m a n n a. a. O.).

Sondergesetze.

215

sondern einer öffentlichrechtlichen Anstellung beruht. Zwar hat der Beamte das Recht, seinen Gehalt und andere Bezüge vor den sogenannten ordentlichen, d. h. den bürgerlichen Gerichten einzuklagen 75 . Aber das ändert doch nichts an dem öffentlichrechtlichen Charakter des Verhältnisses. Immerhin werden manche Vorschriften aus dem vorhegenden Abschnitt darauf entsprechend anzuwenden sein 76 . Auch der Gerichtsvollzieher wird kraft seines Amtes, nicht auf Grund eines privaten Dienstvertrags tätig 7 7 . Beim Notar ist zu unterscheiden, ob er als Urkundsperson oder nur als Ratgeber auftritt. Zweites

Kapitel.

Werkvertrag. § 112. Erfolg. Vergütung. § 113. Herstellung. § 114. Sachmängel. § 115. Pflicht zur Bezahlung. § 116. Gefahr. § 117. Abnahme. § 118. Pfandrecht. § 119. Beendigung. § 120. Abarten.

§ 112. Der Werkvertrag 1 ist auf Herstellung eines Erfolges gegen Vergütung gerichtet (§ 631 BGB., oben S. 196ff.). Es kommt jeder Erfolg in Betracht, der durch Tätigkeit hergestellt werden kann: nicht nur die Anfertigung oder Veränderung von Sachen, sondern auch die Beförderung von Personen oder Sachen oder die Herstellung eines wirtschaftlichen oder künstlerischen Werks. Nicht nur menschliche Arbeit gehört hierher, sondern auch die von Tieren und Maschinen. Daher ist auch die Lieferung elektrischen Stroms dahin zu rechnen: nicht nur wenn die Beleuchtung eines Raums, sondern auch wenn die Lieferung einer gewissen Menge versprochen ist 2 . Andere wollen darauf Kaufrecht unmittelbar oder wenigstens entsprechend anwenden3. Aber es fehlt dafür durchaus an dem erforderlichen Gegenstand (oben S. 4/5): 75 § 149 Reichsbeamtengesetzes; § 70 G V G ; R G . 18, 174. 22, 288. 28, 85. 57, 352. 76 R G . 111, 23. 182; GruchBeitr. 61, 664ff; W a r n e y e r 17 N r . 53, 137; SeuffA. 77 N r . 67. 77 R G . Vereinigte Zivilsenate 82, 85ff. 1 L o t m a r , Arbeitsvertrag; G. R ü m e l i n , Dienstvertrag u n d Werkvertrag; R i e z l e r , Der Werkvertrag; B r ü c k n e r , Recht 1908, 839; O e r t m a n n , D J Z . 1908, 455. 2 O e r t m a n n , Vorbem. 2 vor § 631. 3 Z. B . E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 147.

evertrag.

216

gerade dadurch unterscheidet sich ja die erste große Gruppe der Sachverträge von den auf Arbeit gerichteten. Andere betrachten den Vertrag als ein der Miete ähnliches Geschäft 4. Dagegen spricht derselbe Grund und außerdem, daß es sich ja nicht um eine vorübergehende, sondern eine endgültige Überlassung des Stroms handelt. Wenn eine Sache erst hergestellt werden soll, so ist das ein reiner Werkvertrag, falls der Besteller den Stoff dazu liefert. Wenn daraus nun eine neue Sache geschaffen wird, so wird dennoch nicht der Arbeiter zum Eigentümer durch Verarbeitung (§ 950 BGB.): denn er nimmt diese ja nicht für sich, sondern für den Besteller vor 5 . Das wird besonders auch dadurch bestätigt, daß das Gesetz (§ 647) dem Hersteller der Sache noch eigens ein Pfandrecht gibt, was sonst ganz unnötig und unmöglich wäre. Wird der Stoff vom Arbeiter mit geliefert, so hegt Werklieferung vor (§ 651 BGB., unten S. 233). Auch sonst kommen of t Mischungen des Werkvertrags mit anderen Leistungen vor: teils handelt es sich um gleichmäßige Artmischungen, z. B. bei der Lieferung eines Autos mit Fahrer, einer Maschine oder eines Schiffes mit Bedienung 6 , teils um einen Werkvertrag mit bloßer Beimischung anderer Leistungen, wie beim Theater- und Eisenbahnvertrag — teils um einen anderen Vertrag mit Beimischung von Werkleistungen, wie beim Verkauf von Maschinen7 oder Beleuchtungsanlagen8 mit deren Anbringung, bei Miete mit Bedienung, Vermietung eines erst noch zu errichtenden Hauses9. Die Vergütung braucht nicht gerade in Geld zu bestehen. Sie gilt als stillschweigend vereinbart, wenn sie nach den Umständen zu erwarten ist (§ 632 BGB.). Ein Kostenanschlag dient regelmäßig nur zur Vorbereitung des Abschlusses. Diese Arbeit ist daher nur dann besonders zu vergüten, wenn sie einen eigenen erheblichen Wert hat, und auch dann regelmäßig nur, wenn es nicht zu dem endgültigen Vertragsschlusse kommt 1 0 . — Wenn 4

P f l e g h a r t , E l e k t r i z i t ä t als Rechtsobjekt 291ff. O L G . 4, 312; R i e z l e r a . a . O . 28ff. 6 SeuffA. 58, 315; R G . 25, 108. 48, 91. 56, 361. 82, 429. 7 R G . J W . 1902, 219; Recht 1918 N r . 48; K G . B l . 1910, 118. 8 R G . RheinArch. 97 I I , 41; anders Recht 1902, 588. ö R G . 13, 209. 10 O L G . 20, 206ff. ; 22, 147; R G . GruchBeitr. 55, 936; W a r n e y e r 1914 N r . 117; B l f R A . 72, 847; Recht 1909 N r . 1476; SeuffA. 69 N r . 236. Weitergehend O e r t m a n n 3 zu § 631. 5

Leistungen.

217

die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist, so sind die Taxen maßgebend, sonst die Üblichkeit (§§ 632 I I BGB.). I m allgemeinen wird hier der Unternehmer den Lohn innerhalb des Rahmens des Üblichen zu bestimmen haben (§ 316 BGB., I , 85. 89). Der Arbeiter kann auch am Gewinn beteiligt werden 11 . Der Abschluß des Werkvertrags erfolgt formfrei. Verpflichtet dagegen ist die Post und Telegraphenverwaltung wegen ihres Monopols, und die Eisenbahn, weil sie wenigstens ein tatsächliches Monopol hat. Sondervorschriften gelten für den Frachtvertrag (§§ 425ff. HGB.), insbesondere der Eisenbahnen (§§ 453ff. daselbst), und den Verlagsvertrag (Verlagsgesetz v. 19. Juni 1901). § 113. Der Unternehmer hat das Werk so herzustellen, daß es den Anforderungen des Vertrags entspricht. Das Gesetz (§ 633) erwähnt nur, daß es die zugesichterten Eigenschaften haben und mangelfrei sein müsse. Aber das allein kann nicht genügen: so wird, wer die Herstellung eines Kunstwerks gegen hohe Vergütung übernommen, schwerlich seinen Vertrag schon damit erfüllen, daß er diesen Anforderungen genügt. Wenn die Leistung nicht ausreicht, kann der Besteller Herstellung fordern. Auch hier erwähnt das Gesetz nur, daß er Beseitigung eines Mangels fordern könne (§ 633 I I BGB.) ; aber auch dies ist auf jede unzureichende Erfüllung auszudehnen. Der Verkäufer einer mangelhaften Sache ist nur zur Wandelung oder Minderung verpflichtet, nicht aber auch dazu, den Mangel zu beseitigen; diese Einschränkung erscheint schon deshalb notwendig, weil der Verkäufer sehr oft nur Zwischenhändler und gar nicht fähig ist, die Herstellung auszuführen (oben S. 78). Wer dagegen die Herstellung eines Werks übernimmt, muß für diese Fähigkeit einstehen. Zwar kommt es auch hier nicht selten vor, daß ein solcher dazu gar nicht imstande ist und die Arbeit lediglich weitergibt. Aber dann muß er eben auch dafür sorgen, daß die Ausbesserung richtig erfolgt. Er kann sie nur dann ablehnen, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (§ 633 I I 2 BGB.): ein Bau, in dem sich einzelne Fehler zeigen, braucht deshalb regelmäßig nicht wieder heruntergerissen zu werden. Wenn der Unternehmer schuldhaft einen Schaden anrichtet, so ist er dafür haftbar (§ 280 BGB.). Bei Verzug kann der Besteller auch den Mangel selbst beseitigen und Ersatz seiner Aufwendungen verlangen (§ 633 I I I BGB.). 11

SeuffA. 61, 186.

218

evertrag.

Streitig ist, ob bei einem Mangel nur dessen Beseitigung oder aber auch statt dessen Lieferung einer neuen Arbeit verlangt werden kann. Die ältere Lehre, die besonders vom Reichsgericht vertreten wird, verneint dies: wenn das geschuldete Werk hergestellt ist, kann der Besteller nur noch die Beseitigung fordern 12 . Eine neuere Ansicht macht demgegenüber geltend, daß eine mangelhafte Herstellung keine Erfüllung, sondern nur einen untauglichen Versuch darstelle und daß der Besteller daher auch noch jetzt seinen Anspruch auf richtige Erfüllung behalte 13 . Der Vordersatz dieser Lehre ist richtig, aber nicht der Nachsatz: denn das Gesetz hat diesen Anspruch ausdrücklich abgeschnitten durch die Bestimmung, daß der Besteller hier (nur) ,,die Beseitigung des Mangels verlangen" kann (§ 633 I I 1 ) . Dafür spricht ferner, daß es für den Hersteller eines Werks sehr hart ist, wegen einiger Mängel das ganze Werk noch einmal machen zu müssen. Die Gegner wenden zwar ein, daß er es dann nicht zu tun brauche, wenn dies einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordere. Aber diese Einschränkung (§ 633 I I 2 ) ist nur für den Ausbesserungsanspruch gegeben. Auf den Herstellungsanspruch kann sie nicht ausgedehnt werden: sonst könnte der Unternehmer schon gleich von vornherein die Erfüllung deshalb ablehnen, weil sie zu schwierig sei. Außerdem ist auch hiermit dem Unternehmer noch nicht genügend gedient. Denn es kann leicht zweifelhaft sein, ob der Aufwand übermäßig sein wird — und auch wo dies nicht feststeht, muß es ihm gestattet werden, eine völlige Wiederholung der Arbeit abzulehnen. Es wird ferner geltend gemacht, daß die Rechtslage der beim Gattungskauf ähnlich sei und daß auch dort der Käufer nach § 480 BGB. die Lieferung einer anderen mangelfreien Sache verlangen könne. Das ist richtig — und auch das, daß dieser Anspruch nicht nur aus der positiven Vorschrift des § 480, sondern schon aus der Erfüllungspflicht abzuleiten ist. Aber der Unterschied hegt eben darin, daß beim Gattungskauf dieser Anspruch ausdrücklich aufrechterhalten wird, während er beim Werkvertrage in § 633 I I umgekehrt verneint wird. Außerdem ist beim Gattungs12

R G . 57, 275. 95, 329. 107, 339; ebenso P e t r i , ZivArch. 109, 209ff.; P l a n c k 2 zu § 633 u n d viele. 13 R ü m e l i n a. a. O. 77ff.; K o r i n t e n b e r g , Der Mängelbeseitigungsanspruch u n d der Anspruch auf Neuherstellung beim Werkvertrag (auch SächsRpf 1 Arch . 1927, 321ff.); zustimmend S t a u d i n g e r I I I zu § 633; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 148; teilweise auch O e r t m a n n 3 zu § 633.

Mängel.

219

kauf auch nicht das gleiche praktische Bedenken vorhanden: der Lieferer bekommt hier eine Sache zurück, die meist verwendbar sein wird, nicht — wie beim Werkvertrag — eine solche, die eigens nach den Wünschen des Bestellers angefertigt ist. Nur wenn ein Werklieferungsvertrag auf eine vertretbare Sache abgeschlossen ist, dann ist nach § 651 BGB auch der § 480 anwendbar: hier kann der Besteller also sehr wohl die Lieferung einer mangelfreien Sache fordern. Es fragt sich nur noch, von welchem Zeitpunkt an das Recht auf Lieferung eines anderen Werkes ausgeschlossen ist. Der grundlegende § 633 I I trifft zu, sobald ein Werk von solcher Beschaffenheit hergestellt ist — also ein Werk, das annähernd der Aufgabe genügt, wenn es auch noch Mängel hat. Es genügt also, daß die ,,Erfüllungspflicht wenigstens in der Hauptsache erfüllt ist". So sagt das Reichsgericht treffend 14 : aber es verlangt danach, was damit nicht in Einklang steht, „grundsätzlich" auch noch, daß schon die Abnahme des Werks erfolgt sei. Diese Abnahme kann indessen ein Recht des Bestellers nicht zerstören, da sie überhaupt nicht einen Verzicht auf seine Rechte enthält (unten S. 228). Es wird vielmehr daran festzuhalten sein, daß schon mit der wesentlichen Herstellung des Werks der Anspruch auf wiederholte Ausführung ausgeschlossen ist 1 5 . § 114. Diese Herstellungspflicht gilt für jedes Werk, z. B. auch für einen Umzug oder die Lieferung eines Zeitungsartikels. Besondere Pfhchten erwachsen aber weiterhin, wenn eine Sache hergestellt wird und Mängel hat (§§ 634ff. BGB.). Zwar scheint das Gesetz durch seine Bezugnahme auf § 633 ganz allgemein von Mängeln eines jeden Werks zu reden, und so wird es denn auch überall darauf bezogen. Aber für die Einschränkung auf Sachen sprechen alle die Erwägungen, die uns auch beim Kaufe veranlaßt haben, die Mangelhaftigkeit nur auf Sachen zu beziehen (oben S. 45). Es ist eben durchaus nicht ein Satz des allgemeinen Vertragsrechts, daß Verträge über mangelhafte Leistungen aufgelöst werden können, sondern es beruht auf einem besonderen Vorrecht für den Kauf und die verwandten Sachverträge. Dafür sprechen vor allem Gründe der Billigkeit. Es kann nicht zugelassen 14

R G . 107, 343. So auch die Entscheidung R G . 57, 275 i n i h r e m ungedruckten T e i l ; vgl. R G . 107, 344 oben. 15

evertrag.

220

werden, daß man wegen der Mängel einer Theater- oder anderen Vorstellung oder wegen der Schlechtigkeit des aufgeführten Werks vom Vertrage zurücktritt. Hier wird allerdings oft eine unzureichende Erfüllung von seiten des Unternehmers vorhegen, insbesondere bei Anstellung mangelhafter Kräfte, und dafür darf er allerdings kein volles Entgelt fordern, wie sich aus §§ 323 und 325 BGB. ergibt. Wenn aber das nicht der Fall ist, so kann ein Fehler allein, z.B. der Mangel des Redners an Geist und Schlagfertigkeit, den Besuchern nicht das Recht geben, ihr Geld zurückzufordern. Man wende nicht ein, daß es dazu doch erst einer Fristsetzung bedürfen würde: denn diese würde sich regelmäßig nach § 634II BGB. erübrigen: überdies kann auch nach Fristsetzung, etwa bei einer Mehrheit von Vorstellungen, nichts anderes gelten. Auch die Mängel in der Fahrt des Schiffes, des Autobus berechtigen nur dann zum Rücktritt, wenn der Unternehmer dabei seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Besonders deutlich zeigt sich der Unterschied zwischen Sachmängeln und anderen Fehlern der Leistung bei der Frage der Verjährung. Die kurze Verjährungsfrist des § 638 kann nur auf die Schäden bezogen werden, die eben durch Mängel der gelieferten Sachen entstehen: und es führt dort zu ganz unhaltbaren Folgerungen, wenn man die Unterscheidung übersieht (unten S. 221). Wenn nun ein solcher Sachmangel vorhegt, so hat der Besteller wesentlich dieselben Rechte wie beim Kaufe: er kann — auch wenn ein Verschulden des Unternehmers nicht vorhegt — wandeln oder mindern (§ 634 BGB.) Ein bedeutsamer Unterschied hegt aber darin, daß er zunächst eine Frist setzen und dem Unternehmer dadurch Gelegenheit zur Ausbesserung geben muß. Man geht davon aus, daß beim Werkvertrag die Sache oft nach den besonderen Wünschen und Bedürfnissen des Bestellers angefertigt wird; daher ist es für den Unternehmer besonders hart, wenn sie ihm auf dem Halse bleibt: und aus diesem Grunde soll zunächst eine Beseitigung des Mangels versucht werden. So darf ein nach Maß gearbeiteter Anzug nicht sofort zurückgewiesen werden. Die Fristsetzung ist aber nicht erforderlich, wenn die Beseitigung unmöglich ist oder wenn der Unternehmer sie verweigert, z. B. den Mangel in Abrede stellt 1 6 , oder wenn die sofortige Geltendmachung durch ein dringendes Interesse des Bestellers 18

W a r n e y e r 1919 N r . 159.

Mängel.

221

gerechtfertigt wird, wenn er insbesondere die Sache sofort gebraucht. — Wenn die Frist fruchtlos verstreicht, kann der Besteller nach Wahl wandeln oder mindern. Die Wandelung ist ausgeschlossen, wenn die Entwertung nur unerheblich ist (§ 634III); auf eine zugesicherte Eigenschaft ist das aber nicht zu beziehen 17 . Bei der Minderung wollen manche den Wert nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses bemessen18. Aber zu diesem ist das Werk noch gar nicht angefertigt, und es ist kaum möglich, ein Werk, das noch gar nicht vorhanden ist, unter Berücksichtigung von Mängeln, die es noch gar nicht hat, abzuschätzen. Deshalb wollen viele die Zeit der Abnahme entscheiden lassen 19 . Aber das ist deshalb nicht immer möglich, weil es oft eben wegen des Mangels gar nicht zur Abnahme kommt. Man wird also statt dessen die Zeit der Vollendung für maßgebend erklären müssen20. — Wenn der Unternehmer den Mangel zu vertreten hat, kann er statt dessen Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 635 BGB.). Bei der Zusicherung einer Eigenschaft gilt dasselbe dann, wenn sie als Garantie aufzufassen ist, nicht aber bei einer bloßen Zusage (oben S. 5Iff.). Alle Gewährsansprüche verjähren in 6 Monaten, bei Arbeiten an einem Grundstück in einem Jahr, bei einem Bauwerk in 5 Jahren (§ 638 BGB.). Das gilt auch für die Ansprüche auf Schadensersatz — aber nur soweit sie „wegen des Mangels des Werkes" dem Besteller zustehen. Auch hier ist wie i n § 634 nur an den Mangel einer hergestellten oder bearbeiteten Sache gedacht und darauf die kurze Verjährung zu beschränken. Auch hier zeigt sich also, wie notwendig diese Unterscheidung ist (oben S. 219). Da man sie bisher übersehen hat, hat das Reichsgericht zunächst die kurze Frist auf alle Schädigungen aus Werkverträgen, also auch auf die Beschädigung eines Fahrgastes angewendet21. Aber das widerspricht dem Gesetz, das eben nur Ansprüche aus dem „Mangel des Werks" betrifft, und der entsprechenden Vorschrift beim Kaufe (§477 BGB.). Vor allem ist diese Ausdehnung sachlich ganz unberechtigt; denn der Grund für die kurze Verjährung hegt lediglich darin, die Frage 17

R G . 66, 169; J W . 1913, 480; O L G . 7, 477; SeuffA. 65 N r . 140. P l a n c k 4; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 148; K i s c h , Unmöglichkeit 173; B r ü c k n e r , Recht 1908, 840; R i e z l e r a. a. O. 119. 10 C r o m e § 265 A n m . 58; D e r n b u r g § 320. 20 O e r t m a n n 4 zu § 634. 21 R G . B l f R A . 71, 119; J W . 1905, 484. 18

evertrag.

222

der Sachmängel, deren spätere Prüfung imverhältnismäßig schwierig ist, schnell zu erledigen. Ja, es erscheint überaus bedenklich, die bedeutsamen Ansprüche aus sonstigen schuldhaften Schädigungen, insbesondere Verletzungen bei einer Beförderung, so rasch abzuschneiden. Daher hat sich das Reichsgericht erfreulicherweise zu einer sehr starken Einschränkung entschlossen und die kurze Verjährung für die Ansprüche aus der Beschädigung bei Auto- und Schiffstransporten und aus unrichtiger Abgabe einer Taxe davon ausgeschlossen22. Es stützt dies jedoch nicht auf die obige Unterscheidung, sondern es erklärt als maßgebend, ob der Schaden in „direktem Zusammenhang mit den beiderseitigen Leistungen aus dem Werkvertrage steht" 2 3 . Aber dies Merkmal ist nicht nur sehr unsicher 24 , sondern es würde auch in den entschiedenen Fällen durchaus bejaht werden müssen. Wenn der Fahrer das Auto in den Straßengraben fährt, ist doch der Schaden sicherlich unmittelbar durch die fehlerhafte Leistung bewirkt worden. — Unter einem Bauwerk ist hier nicht nur ein Gebäude zu verstehen, sondern jede unbewegliche Sache, die durch Verwertung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellt wird, also auch Brücken, Kanäle, Mauern 25 . Auch auf die Herstellung von Teilen eines Bauwerks ist dies zu beziehen, wie das Neudecken eines Daches und die Anbringung einer Heizanlage 26 . Aber man wird nicht so weit gehen dürfen, auch eine bloße Ausbesserung oder gar das Anstreichen dahin zu rechnen, da dies vielmehr nur „Arbeiten an einem Grundstück" sind. Erst recht gilt das von Ausschachtungen und dergleichen Bodenarbeiten 27 . Der Anspruch auf Fertigstellung des Werks ist der kurzen Verjährung nicht unterworfen. Wenn aber der Besteller nach der Abnahme das Werk bemängelt und Änderungen fordert, so ist das als ein Anspruch auf Beseitigung von Mängeln anzusehen und kurz verjährbar 28 . Die Frist kann durch Vertrag verlängert werden. Eine „Garantie" für gewisse Zeit soll oft nicht mehr als eine solche Verlängerung bedeuten 29 . —Die vorbehaltlose Annahme 22 23 24 25 26 27 28 29

R G . 62, 119, 210ff. 64, 41ff. 66, 12. 71, 175. 93, 158ff. Ebenso auch G a n z , D J Z . 1909, 1434. O e r t m a n n 4 zu § 638. R G . 56, 42 vgl. Recht 1908 N r . 1782, 1783; GruchBeitr. 54, 937 usw. R G . 57, 377; O L G . 22, 310; W a r n e y e r 1913 N r . 92, 1916 N r . 305. R G . 56, 41; SeuffA. 60, 11; Recht 1905, 801. 1906, 369. R G . 95, 329. R G . GruchBeitr. 53, 81; W a r n e y e r 1911 N r . 370.

Verjährung, Vergütung.

223

einer mangelhaften Leistung trotz Kenntnis des Mangels gilt als Verzieht (§ 640 I I BGB.). Doch genügt auch ein vorher erklärter Vorbehalt, wenn er bei der Annahme aufrechterhalten bleibt 3 0 . Ein Verzicht auf Mängelhaftung ist nichtig, wenn er durch Arglist herbeigeführt ist (§ 637 BGB.). Endlich haftet der Unternehmer für jeden Schaden, den er zu vertreten hat 3 1 . Dies gilt für Unmöglichkeit, Verzug und sonstige Begleitschäden. Bei Verzug hat der Besteller die Rechte aus §§ 286ff., 326 BGB.; er kann also insbesondere nach fruchtloser Fristsetzung zurücktreten. Aber dies darf er sogar auch, wenn kein Verzug vorliegt, der Unternehmer also den Umstand nicht zu vertreten hat, nach fruchtloser Fristsetzung (§ 636 BGB.). Der Unternehmer haftet endlich auch für sein Verschulden beim Vertragsschlusse (I, 544ff.), insbesondere wenn er als Sachverständiger den Gegner nicht auf die Fehler aufmerksam macht, die dieser bei seiner Bestellung begeht 32 . § 115. Der Besteller hat die Vergütung zu zahlen, und zwar bei der Abnahme des Werks und, wenn eine solche nicht stattfindet, nach dessen Vollendung (§ 641 BGB.). Wenn das Werk in einzelnen Teilen abzunehmen ist, so ist zu unterscheiden, ob die Vergütung für diesen einzelnen bemessen oder aber für das ganze Werk berechnet ist. I m ersten Fall ist sie bei jeder Teilabnahme zahlbar (§641 BGB.). Wenn sie in Geld besteht — wie gewöhnlich —, ist sie nach § 641 I I BGB. von der Abnahme an zu verzinsen, wenn sie nicht gestundet ist. Auch hier gelten dieselben Bedenken gegen die gesetzliche Vorschrift wie beim Kaufe (oben S. 91). Auch hier wird man sehr häufig dadurch helfen müssen, daß man eine stillschweigende Stundung annimmt. So werde ich die Kosten für Anstreichen und Bücherbinden regelmäßig nicht sofort zu verzinsen brauchen. Wenn das Werk nicht ausgeführt wird, so gilt der allgemeine Grundsatz des § 320 BGB., daß die Lohnzahlung ebenfalls verweigert werden kann. Wird seine Ausführung unmöglich, so gelten die Regeln der §§ 323ff. BGB. Ist die Unmöglichkeit von dem Unternehmer zu vertreten, so bekommt er keinen Lohn (§ 325). Ist sie vom Besteller zu vertreten oder war er in Annahmeverzug, so muß er trotz der Unmöghchkeit die Vergütung bezahlen (§ 324). 30 31 32

R G . 73, 147. R G . 62, 120ff. 64, 34. 66, 16. 71, 173ff. 93, 160. 95. 3ff. R G . W a r n e y e r 1919 N r . 96.

evertrag.

224

Damit steht nun anscheinend § 642 BGB. in Widerspruch: danach kann nur eine angemessene Vergütung gefordert werden, wenn bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich ist und er durch deren Unterlassen in Annahmeverzug kommt. Man könnte diesen Widerspruch dadurch lösen wollen, daß man dies nur auf eigentliche, bedeutsame Arbeitsleistungen bezöge. Es bedeutete dann eine Erleichterung für den Besteller, daß er, wenn ihm diese Leistung nicht gelingt, nur zu einer angemessenen Vergütung verpfhchtet würde. Aber das Gesetz gibt doch gar zu wenig Anhalt für diese Unterscheidung, da es ganz allgemein von einer Handlung des Bestellers spricht. Daher ist das Verhältnis dieser Vorschrift zu der allgemeinen des § 324 BGB. doch wohl ein anderes. Letztere bezieht sich nur auf den Fall, wo während des Annahmeverzugs die Leistung unmöglich geworden ist —das Schiff ist z. B. abgefahren: hier muß der Besteller die ganze Vergütung bezahlen. I n anderen Fällen aber ist die Leistung jetzt noch möglich, z. B. wenn der Besteller des Anzugs eine Anprobe versäumte oder die ihm obliegenden Angaben verzögert hatte. Hier könnte der Unternehmer allerdings auch Ersatz seiner Aufwendungen verlangen (§ 304 BGB.), aber das wird ihm nicht immer genügen. Denn er hat außerdem noch immer seine Arbeitskraft zur Verfügung halten müssen und durch nutzloses Warten seine Zeit verloren. Deshalb soll ihm eine Entschädigung für die lästige Verlängerung der Herstellungszeit gegeben werden. Das Gesetz gibt ihm daher einen Anspruch, der sich als ein beschränkter Schadensersatzanspruch darstellt 33 . Er ist auf eine angemessene Entschädigung gerichtet, die sich nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung bestimmt (§ 641 I I BGB.). Doch ist anderseits abzuziehen, was er infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft verdienen kann. Dieser Abzug reicht weiter als der nach § 324 BGB., der auf den Fall eines böswilligen Unterlassens beschränkt ist; denn die Entschädigung soll ja nur einen Ersatz für die Lähmung der Arbeitsmöglichkeit bedeuten. Auch wenn die Arbeit dann ausgeführt und die Vergütung gezahlt ist, bleibt der Anspruch aus § 642 BGB. daneben bestehen, da er ja eine Vergütung für die frühere Schädigung enthält 3 4 . Außerdem kann 88

O e r t m a n n , Vorteilsausgleichung 41; 2 z u § 642 u n d Genannte.

84

R G . 100, 47.

Annahmeverzug.

225

sich aber auch der Unternehmer von diesem unerfreulichen Vertrag ganz losmachen. Er kann dem Gegner eine Frist setzen mit der Erklärung, daß er den Vertrag kündige, wenn die Handlung nicht bis dahin vorgenommen sei. Wenn dies dann nicht geschieht, ist der Vertrag aufgehoben, und der Unternehmer kann einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz für die darin nicht einbegriffenen Auslagen verlangen (§§ 643, 645 BGB.). Dagegen kann er nicht Schadensersatz fordern; denn der Besteller ist —wie ein jeder Gläubiger — nicht zur Mitwirkung verpfhchtet, also auch nicht in Leistungsverzug 3 5 — außer wenn er die Abnahme verweigert, zu der er ja als Schuldner verpfhchtet ist. Nicht anders, wenn der Besteller seine Mitwirkung nicht ganz versagt, aber schlecht ausführt; denn überall, wo der Gläubiger die ihm obliegende Tätigkeit nicht leistet, t r i t t Annahmeverzug ein (I, 564ff.). So gewiß in dem Falle, den das Gesetz in § 645 erwähnt, daß er eine falsche Anweisung erteilt hat. Dem stellt es dann auch den anderen gleich, daß der von ihm gelieferte Stoff Mängel hatte. Es leuchtet das besonders dann ein, wenn der Stoff gattungsmäßig zu beschaffen war, wie Steine und Bauholz. Zweifelhafter kann es erscheinen, wenn er eine bestimmte Sache zu stellen hatte, z. B. eine Maschine zur Umänderung, die dann wegen eines Fehlers dabei zerbricht. Doch sieht das Gesetz auch das als Annahmeverzug an, und eben daraus rechtfertigt sich, daß der Besteller eine wenn auch nur entsprechende Vergütung zu zahlen hat 3 6 . Man hat zwar diese Auffassung bestritten und die Vorschrift vielmehr dahin aufgefaßt, daß hier auch ohne einen Annahmeverzug eine gewisse Vergütung zu zahlen sei 37 . Aber dagegen spricht eben, daß in den beiden zuerst genannten Fällen, wo der Besteller eine falsche Anweisung erteilt oder einen gattungsmäßig bestimmten Stoff schlecht geliefert hat, er doch sicher in Annahme verzug gekommen ist. Hiernach ist es auch nicht richtig, die Vorschrift des § 645 als Ausnahme von § 644 zu betrachten, wie es meist geschieht. Vielmehr enthält sie umgekehrt eine Milderung: der Besteller braucht, wenn er schuldlos ist (Absatz I I ) , nur eine Vergütung zu leisten, die der schon 85

S c h ö l l e r , GruchBeitr. 46, 33; R G . 53, 222ff.; J W . anders R i e z l e r a. a. O. 139ff. 36 I , 565; K o h l e r a. a. O. 259. 37 O e r t m a n n , Z i v A r c h . 116, 34 u n d zu § 645. B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

1921, 460;

15

evertrag.

226

geleisteten Arbeit und den im Lohne nicht einbegriffenen Aufwendungen entspricht. § 116. Endlich ist möglich, daß die Unmöglichkeit von keiner der beiden Parteien zu vertreten ist. Hier kann es zunächst ihm schon unmöghch sein, die Arbeit zu leisten. Dann erhält er keine Vergütung. Es ergibt sich das schon aus der Regel des § 323 BGB. Dagegen bezieht sich § 644 BGB. nur auf den anderen Fall, daß er schon etwas, vielleicht schon seine ganze Arbeit geleistet h a t 3 8 . Erst hier taucht die Frage auf, ob er sich dadurch schon seinen Lohn verdient hat oder aber nur für die gelungene und abgelieferte Arbeit etwas fordern darf. Das Gesetz geht in seiner grundlegenden Unterscheidung (oben S. 197) davon aus, daß der Werkvertrag gerade das Versprechen des Erfolges in sich schließt. Erst damit hat der Unternehmer seine Verpfhchtung erfüllt. Er kann daher nur dann den Lohn fordern, er trägt die Gefahr (§ 644 BGB.). Hat er nur einen Teil des Enderfolges erreicht, so erhält er nur einen dementsprechenden Teil der Vergütung. Eine Milderung ergibt sich daraus, daß schon mit der Absendung nach einem anderen Ort als dem Schuldorte die Gefahr übergeht (§ 644 I I BGB.) — eine Vorschrift, die dem § 447 BGB. entspricht und ebenso verkehrt ist wie diese (oben S. 27). Dagegen ist es, wie wir soeben sahen, nicht als eine Ausnahme von § 644 zu betrachten, daß der Besteller nach § 645 bei Mängeln in seinen Anweisungen und der Stoffheferung eine Vergütung bezahlen muß. — Aus der Aufbürdung der Gefahr können sich große Härten für den Unternehmer ergeben, besonders wenn er die Arbeit schon ganz oder annähernd beendigt und nur noch nicht abgehefert hatte. Man hat daher das Gesetz mehrfach getadelt. Aber es wäre auch wiederum sehr hart für den Besteller, wenn er ein Werk, das er nicht bekommt, bezahlen müßte. Wenn die Uhr, die ich zur Ausbesserung gegeben, dort ohne Schuld des Uhrmachers gestohlen wirdj bekomme ich dafür keinen Ersatz: soll ich außerdem noch die Ausbesserung bezahlen ? — Man hat sogar versucht, durch Auslegung das Gesetz dahin einzuschränken, daß der Unternehmer nur die seinem Betriebskreise angehörenden Gefahren zu tragen habe 39 . Aber das würde auf eine volle Abänderung des Gesetzes hinauslaufen 40 . 88

O e r t m a n n 1 zu § 644. R ü m e l i n a. a. O. 99ff., 126ff.; ebenso B r ü t t , K u n s t der Rechtsanwendung. 40 F i s c h e r , Z H R 58, 364ff.; M ü l l e r - E r z b a c h , ZivArch. 106, 422ff. 89

Gefahr.

227

Man hat zwar betont^ wie unbillig die Gefahrtragung in Fällen sei, wo der Schaden wesenthch durch ein Verhalten des Bestellers verursacht werde. Aber in solchen Fällen hegt eben nach richtiger Ansicht ein Annahmeverzug des Bestellers vor, und es ist schon daraus das richtige Ergebnis zu gewinnen. Für den Übergang der Gefahr ist die Abnahme des Werks maßgebend. Dieselbe Wirkung hat der Annahmeverzug des Bestellers, der meist grade durch die Versäumung der Abnahme entsteht. Bei Werken, bei denen eine Abnahme ausgeschlossen ist, t r i t t die Vollendung der Arbeit an deren Stelle. — Die Gefahrtragung bedeutet auch hier nur die Preisgefahr, also, daß die Gegenleistung gemacht werden muß : nicht etwa, daß der Gefahrtragende zum Schadensersatz verpfhchtet sei (I, 480). Ganz selbstverständlich ist daher, daß er auch für die Beschädigung des gelieferten Stoffes nicht verantworthch ist. Wenn das Gesetz das noch ausdrücklich sagt (§ 6441 2 ), so ist diese Vorschrift überflüssig, ja geradezu irreführend, weil man daraus entnehmen könnte, daß er für den übrigen Schaden zu haften habe. § 117. Der Besteller ist zur A b n a h m e des vertragsmäßig hergestellten Werks verpfhchtet (§ 640 BGB.). Dies ist, wie beim Kaufe, eine wirkliche Schuldnerpflicht und daher von der Annahme eines Gläubigers sorgfältig zu unterscheiden (oben S. 93). Jedoch ist hier unter der Abnahme nicht dasselbe wie beim Kaufe zu verstehen. Dort bedeutet sie nur das Entgegennehmen der Sache. Hier aber schließt sie auch noch eine Erklärung über die Richtigkeit der Leistung in sich 41 , sie enthält also mehr als eine bloß tatsächliche Übernahme des Werks 42 . Daher kann sie auch bei solchen Arbeiten gefordert werden, bei denen eine Wegnahme von Sachen gar nicht in Betracht kommt, z. B. bei einem Umbau, der in einem Haus vorgenommen ist, oder einem Umzug. Das Wort ,,Abnahme" kann sprachlich sowohl auf eine Tätigkeit bezogen werden, die etwas von mir fortnimmt, als auch auf das prüfende Besichtigen (Abnehmen einer Front). Für diese Ausdehnung spricht, daß das Gesetz (§ 640) hier ausdrücklich auf 41 Herrschende Meinung, insbesondere R G . 57, 339. 62, 214. 107, 343. 110, 406ff. ; SeuffA. 63, 274; Recht 1908 N r . 3589; O L G . 24, 383. 34, 39. Weitere Angaben bei O e r t m a n n 2 zu § 640. 42 M i t letzterer stellen die Abnahme gleich H e l l m a n n , K r V s c h r . 44, 126; J a c o b i , JheringsJ. 45, 278ff.; L o t m a r a. a. O. 2, 844ff.; S i b e r , Rechtszwang 44ff.; T i t z e , Unmöglichkeit 299.

15*

evertrag.

228

die vertragsmäßige Herstellung des Werks hinweist, ferner die Geschichte, vor allem aber das praktische Bedürfnis. Der Unternehmer hat ein berechtigtes Interesse daran, daß sein Gegner seine Arbeit sofort prüft und billigt, wodurch die Beweislast auf ihn übergeht (§ 363 BGB.), und es ist durchaus erwünscht, daß diese Frage alsbald geklärt werde. Beim Kaufe ist dies Interesse nicht ebenso stark. Hier ist die Ware entweder schon beim Vertragsschluß besichtigt und gebilhgt worden oder aber sie ist regelmäßig nach so einfachen Merkmalen beschrieben, daß ein Zweifel über die Richtigkeit selten ist. Der herrschende Lohn nimmt also mit Recht an, daß in der Abnahme auch eine Erklärung über die Güte des Werks enthalten ist. Aber welches deren Inhalt sei, darüber herrscht wiederum Streit. Nach der einen Ansicht bedeutet sie eine wirkhche Billigung der Ware 4 3 . Aber danach müßte sie alle Mängelansprüche, soweit sie nicht vorbehalten sind, ausschließen. Und das geht entschieden zu weit 4 4 . Denn nach dem Absatz I I des § 640 t r i t t diese Wirkung nur bezüghch der Mängel ein, die dem Besteller bekannt waren. Es wäre auch sehr bedenklich, dem Besteller die sofortige Abgabe einer so weittragenden Erklärung zuzumuten. Deshalb ist der anderen Richtung der herrschenden Lehre der Vorzug zu geben. Die Abnahme bedeutet lediglich die Annahme als Erfüllung und bewirkt daher nur, daß die Beweislast nach § 363 BGB. auf den Besteller übergeht 45 . Die Abnahme fällt da fort, wo sie „nach der Beschaffenheit des Werks ausgeschlossen ist" (§ 6401). Es ist das auf solche Fälle zu beziehen, wo weder eine Entgegennahme des Besitzes stattfindet, noch eine Erklärung über die Beschaffenheit dem Besteller zugemutet werden kann. Ist nur eins von beiden ausgeschlossen, so hat die Abnahme in der anderen Richtung zu erfolgen. Dies ergibt sich ohne weiteres eben daraus, daß die Abnahme eine doppelte Verpflichtung enthält. Dennoch werden statt 43

Cr o m e , Partiarische Rechtsgeschäfte 312 ff.; R i e z l e r a. a. O. 135; R o s e n b e r g , JheringsJ. 43, 255ff.; R ü m e l i n a. a. O. 214ff. 44 R G . 107, 343; L e h m a n n , D J Z . 1902, 493ff.; A d l e r , ZivArch. 109, 341 ff. 45 L e h m a n n a. a. O.; P l a n c k 1; D o c h n a h l , JheringsJ. 48, 299; S c h ö l l e r , GruchBeitr. 46, 36ff.; O e r t m a n n 2 zu § 640 u n d die genannten Entscheidungen; jetzt auch E n n e c c e r u s § 149 A n m . 3 u n d D e r n b u r g § 318.

Abnahme.

229

dieser einfachen Auffassung mehrfach andere, einseitige vertreten. Nach der einen soll die Abnahmepflicht schon deshalb ganz wegfallen, weil eine körperhche Entgegennahme nicht stattfindet 46 . Es ist aber gar nicht einzusehen, warum ich nicht auch eine in meinem Hause gemachte Arbeit abnehmen soll 4 7 . Nach einer anderen soll dasselbe schon deshalb gelten, weil eine Bilhgung nicht in Frage kommt 4 8 . Aber da ist wieder nicht zu begreifen, warum dann nicht doch die Sache zu übernehmen ist. Endhch wird vielfach behauptet, daß die Grenze zwischen materiellen und anderen Werken zu ziehen sei 49 . Aber auch bei den letzteren kann eine Prüfung und Beurteilung der Arbeit in Betracht kommen, z. B. bei einem Aufsatz für eine Zeitung oder einer wirtschaftlichen Statistik. Der Unternehmer kann, wenn seine Leistung vertragsmäßig ist, auf die Abnahme klagen (oben S. 94). Außerdem kommt der Besteller, der diese Pflicht schuldhaft verletzt, nicht nur in Gläubiger-, sondern auch in Schuldnerverzug und ist daher auf Schadensersatz haftbar. Nur das Rücktrittsrecht nach §§ 325 und 326 BGB. ist ihm versagt (S. 94ff.). — Durch die Abnahme wird die Beweislast beeinflußt (§ 363 BGB.), bei der Abnahme ist die Vergütung zu zahlen (§ 641 BGB.), die Gefahr geht mit ihr über (§ 644 BGB.), mit ihr beginnt die Verjährungsfrist (§ 638 BGB.). § 118. Der Unternehmer muß regelmäßig die Arbeit vor der Bezahlung ausführen. Allerdings braucht er eine hergestellte Sache nur gegen bar abzuliefern; aber dadurch allein wird er noch nicht für seine Arbeit befriedigt. Deshalb gibt ihm das Gesetz (§ 647) noch für seine Forderungen aus dem Werkverträge ein Pfandrecht an der Sache, die er hergestellt oder ausgebessert hat. Hieraus folgt zugleich, daß auch die neuen Sachen, die er für den anderen hergestellt hat, nicht dem Arbeiter, sondern dem anderen durch ihre Verarbeitung zufallen. Nötig ist aber dabei, daß die Sache in den Besitz des Arbeiters gelangt ist: das Gesetz verlangt also auch hier, wie überall im Sachenrecht, im Interesse des Verkehrs die Kenntlichkeit. Ein Handwerker, der Arbeiten im Hause des Bestellers ausführt, wird also dadurch nicht geschützt. 4e

P l a n c k 1 zu § 640; R G R K . 1 zu § 646; SeuffA. 64 N r . 191. R i c h t i g R G . 110, 407. 48 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 149 u n d A n m . 3. 49 R i e z l e r a. a. O. 133ff.; D o c h n a h l a. a. O. 302; O e r t m a n n 3 zu § 640; z u m T e i l auch O L G . 6, 84. 47

evertrag.

230

Noch bedeutsamer ist es, die Bauhandwerker dinglich zu sichern. Das BGB. (§ 648) gibt ihnen nur einen Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek. Es erfordert dabei, daß eine Arbeit an einem Bauwerk 49 a , also auch eine Ausbesserung, ein Anstrich 5 0 gemacht ist, während der nicht geschützt wird, der nur Material oder nur Vorarbeiten, z. B. Anschläge geliefert h a t 5 1 . Die Arbeit ist schon begonnen, wenn die Baugrube ausgeschachtet oder Baustoffe angefahren werden 52 : formalistisch ist es, dagegen einzuwenden, daß das eigentliche Bauen damit noch nicht angefangen habe 53 . Die Einräumung der Hypothek kann erst nach der Ausführung der betreffenden Arbeit gefordert werden; aber im Falle einer Gefährdung kann man sich schon vorher durch eine Vormerkung sichern 54 . Ist die Arbeit nur teilweise geleistet, so ist die Eintragung nur bezüglich des betreffenden Teils einschließlich der Auslagen zu fordern (§ 6482 BGB.). Wenn der Eigentümer die Bewilhgung verweigert, so kann der Unternehmer darauf klagen. Er kann sich aber auch durch eine einstweilige Verfügung die Eintragung einer Vormerkung verschaffen. Dieser ganze Schutz ist indessen unzureichend, denn diese Sicherung der Bauhandwerker wird meistens schon durch die vorangehenden alten Hypotheken vereitelt. Oft nimmt der Eigentümer schon beim Erwerb des Grundstücks eine Hypothek auf, meist dann auch noch während des Baus, und die Handwerker haben das Nachsehen. Daher wurde schon seit Jahrzehnten eine bessere Sicherstellung gefordert. Diese wurde dann auch durch das Reichsgesetz vom 1. Juni 1909 in ganz befriedigender Weise erzielt. Aber dessen wichtigster Teil, der eben die dingliche Sicherung regelt, sollte erst allmählich für die einzelnen Städte eingeführt werden : und das ist noch nirgends geschehen. Man fürchtete anscheinend, daß die Bautätigkeit darunter leiden könnte. Bei der wirklichen Durchführung erlahmte der sozialpohtische Eifer. So finden wir den grotesken und unerhörten Zustand, daß ein wichtiges Gesetz schon seit über 20 Jahren gilt und doch nicht gilt ! 49a

Näheres darüber oben S. 222; O e r t m a n n , B ü r g A . 38, 3 zu § 648. 60 .OLG, 13, 427. 51 R G . 63, 315ff. ; SeuffA. 62 N r . 83; O L G . 12, 80. 52 R G . Recht 1908 N r . 1137; F r a n k f R . 43, 53. 63 So O L G . 13, 426. 64 R G . 54, 164; GruchBeitr. 34, 1091. Anders R G . 68, 303.

169ff.;

Bauhandwerker.

231

I n wirklicher Geltung sind nur die allgemeinen Vorschriften des Gesetzes (§§ 1—8). Wer Geld als Baugeld erhalten hat, darf es nur zur Befriedigung der Bauhandwerker verwenden. Er darf den Anspruch darauf auch nicht abtreten 55 . Anders nur, wenn er die Handwerker anders befriedigt oder selbst derartige Leistungen gemacht hat. Wer vorsätzlich dagegen verstößt, wird, wenn die Handwerker dadurch geschädigt werden, strafbar und nach § 823 I I BGB. zum Schadensersatz verpfhchtet 56 . Zur Sicherung ist die Führung eines Baubuchs vorgeschrieben, die Unterlassung ist ebenfalls strafbar und haftbar. Viel wichtiger würde die im zweiten Teil des Gesetzes geplante dingliche Sicherung sein. Danach ist für die Bauhandwerker ein Bauvermerk einzutragen, ohne den die polizeiliche Bauerlaubnis nicht gewährt wird. Es wird auch verhindert, daß sie durch schon vorhandene übermäßige Belastungen beeinträchtigt werden: denn es muß festgestellt werden, daß diese nicht % des Baustellenwertps überschreiten. Durch den Vermerk erhalten die Bauhandwerker den Anspruch auf Eintragung einer Hypothek mit diesem Range, die später, nach Ausführung der Arbeiten eingetragen wird. Diese Vorschriften würden den erstrebten Schutz in der Tat recht wohl erzielen können. § 119. Außer in den schon erwähnten Fällen (S. 225) hat der Besteller ganz allgemein das Recht, den Werkvertrag zu kündigen. Allerdings muß er dann den Lohn bezahlen — und zwar als Vergütung, nicht etwa als Schadensleistung57. Aber der Unternehmer muß sich anrechnen lassen, was er an Aufwendungen erspart oder durch andere Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (§ 649 BGB.). Diese Minderung t r i t t von selbst ein 58 * Die Parteien können durch Vertrag das Kündigungsrecht ausschließen59. — Insbesondere kann der Besteller auch wegen Überschreitung des Kostenanschlages kündigen (§ 650 BGB.) 6 0 . Es gilt dies für einen Anschlag, der nur eine 55

B r e i t , J W . 1909, 352ff.; K i e s e , daselbst 382; H a g e l b e r g , daselbst 446ff.; R G . W a r n e y e r 1911 N r . 320; O L G . 20, 364. 56 R G . 84, 188. 91, 72.; O L G . 33, 325. 57 O e r t m a n n 1 zu § 649 und Genannte; anders L o t m a r a. a. O. 148ff., 639ff. " R G . 74, 199. 59 R G . 86, 110. 60 R e n t n e r , GruchBeitr. 56, 492ff.

evertrag.

232

Schätzung der voraussichtlichen Kosten, aber nicht eine bindende Verpflichtung enthalten soll. Wenn sich bei diesem nachher eine wesentliche Überschreitung herausstellt und der Besteller nun von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht, braucht er nicht, wie sonst, die volle Vergütung zu bezahlen, sondern nur einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil (§§ 650, 645 BGB.). Wenn der Unternehmer diese Überschreitung voraussieht oder voraussehen muß, hat er dem Besteller unverzüglich Anzeige davon zu machen, widrigenfalls er auf Schadensersatz haftet (§ 650 I I BGB.). Eine stärkere Haftung des Unternehmers kann sich daraus ergeben, daß er sich bei der Aufstellung des Anschlags einer Fahrlässigkeit schuldig gemacht hat : er muß dann für sein Verschulden beim Vertragsschlusse einstehen. Endlich aber kann der Kostenanschlag auch die Bedeutung haben, daß der Unternehmer sich fest verpflichtet, zu diesem Preise zu hefern. Wenn der Besteller ihn so auffaßt, so tut er gut, dies deutlich zum Ausdruck zu bringen ; denn von selbst versteht sich das nicht. Man hat freilich behauptet, daß überhaupt nur bei der letzten Abrede ein eigentlicher Werkvertrag vorliege 61 . Aber das beruht auf einer unrichtigen Unterscheidung zwischen Dienst- und Werkvertrag und steht i n einem auffallenden Widerspruch zu § 650 BGB. § 120. Von den Abarten des Werkvertrags ist besonders der Frachtvertrag im HGB. (§§ 425ff.) geregelt. Ferner spielt eine große Rolle die Verdingung oder Vergebung von Arbeiten, die auf Grund einer öffentlichen Ausschreibung erfolgt und die bei den öffentlichen Behörden als Regel vorgeschrieben ist. Hier fragt sich, ob in dem Ausschreiben schon ein Vertragsantrag oder erst eine Aufforderung zu Anträgen erblickt werden kann. Jenes wird man nur dann bejahen können, wenn nach ihm der Zuschlag an den Mindestfordernden oder doch einen der Bewerber erfolgen muß; ist das nicht vorgesehen, so fehlt die für einen Vertragsantrag erforderliche Bindung. Nicht selten werden Vereinbarungen unter den interessierten Firmen darüber abgeschlossen, daß sich einzelne nicht an der Bewerbung beteiligen sollen. Eine solche wird man dann als unzulässig und nichtig anzusehen haben, wenn sie einen unberechtigten Gewinn bezweckt, nicht aber, wenn sie nur zur Herbeiführung sachlich entsprechender Preise führen soll. 61

R ü m e l i n a. a. O. 155, 300; O e r t m a n n 3 zu § 650.

Werklieferung.

233

Wenn zugleich eine Pflicht zur Lieferung und Verarbeitung des Stoffes besteht, so ist ein zwischen Kauf und Werkvertrag gemischter Vertrag vorhanden (Werkheferung, § 651 BGB.) 6 2 . Aber die Hauptsache ist die Lieferung, weil sie das Ziel darstellt, zu dem die Verarbeitung nur eine Art Vorbereitung bedeutet. Daher ist ein Kauf mit bloßer Beimischung anzunehmen (I, 328). Die herrschende Lehre bestreitet das freilich und will statt dessen darin einen gleichmäßig zwischen beiden Arten stehenden Vertrag erblicken. Aber für den Fall, daß eine vertretbare Sache zu liefern ist, hat man dennoch die Kaufnatur bejahen müssen und auch überwiegend bejaht 63 . Es dürfte aber kaum anzunehmen sein, daß auf Grund dieses einen Merkmals der ganze Vertrag zu einem ganz anderen werde. Richtig ist freilich, daß bei der Anfertigung einer nicht vertretbaren Sache teilweise abweichende Sätze gelten. Der Grund für diese Unterscheidung liegt nicht sowohl darin, daß hier dem Besteller die Herstellung gleichgültig sei 64 , sondern in der Rücksicht auf den Unternehmer. Wenn er eine eigenartige Sache herzustellen hat, so ist diese regelmäßig den besonderen Wünschen und Bedürfnissen des Bestellers angepaßt und daher anderweit nicht ebenso gut verwertbar. So ist ein nach Maß gefertigter Anzug nur für diesen Besteller von vollem Werte, im Gegensatz zu einem fertig zu verkaufenden Mantel. Deshalb wäre es im ersteren Fall hart für den Unternehmer, wenn der Anzug wegen eines Fehlers sofort zurückgewiesen werden könnte. Vielmehr gilt hier die mildere Vorschrift des Werkvertrags (§ 634 BGB.), wonach vorerst durch Fristsetzung versucht werden muß, den Mangel zu beseitigen. Und ebenso gilt überall da das Recht des Werkvertrags, wo die Eigenart der Herstellung in Betracht kommt : nämlich bezüglich der Abnahme (§ 640), des Rücktritts (§ 636), des Übergangs der Gefahr (§ 644) und der besonderen Kündigungsrechte (§§ 643, 645, 649, 650). Dagegen gilt auch hier Kaufrecht für alles das, was mit der Lieferung zusammenhängt. Für die vertretbaren Sachen sind umgekehrt fast durchweg die Regeln des Kaufs anzuwenden : nur bezüghch der Arbeitsleistung auch die des Werkvertrags, wie überall, wo ein Kauf nebenher auch zu einer Tätigkeit verpflichtet. Die nach Handelsrecht geltenden 62

E m e r i c h , K a u f u n d Werklieferungsvertrag ; W i t t i c h , GruchBeitr. 49, 276ff.; A d l e r , daselbst 328ff.; P e t r i , ZivArch. 109, 202ff. 68 E m e r i c h a. a. O.; O e r t m a n n 3 zu § 651 u n d andere. 64 So E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 153.

evertrag.

234

besonderen Vorschriften über den Handelskauf, vor allem also die Rügepflicht der Kaufleute, sind auf alle Fälle der Werklieferung anwendbar (§ 381 I I HGB.). Anders, wenn der Besteller den Stoff liefert; dann liegt ein reiner Werkvertrag vor, auch wenn dem Unternehmer gestattet ist, statt dessen einen anderen zu verwenden. Und ebenso, wenn der Unternehmer sich nur zur Beschaffung von Zutaten oder sonstigen Nebensachen verpfhchtet (§ 651 I I BGB.). Es kommt darauf an, ob die Sache, an der die Arbeiten zu machen sind, gegenüber dem, was der Unternehmer anfügt, als Hauptsache erscheint 65 . Nicht darf man diesen Stoff mit der Arbeitsleistung vergleichen — und nicht auch mit dem, was sonst noch bei der Arbeit an Stoff hinzugefügt wird 6 6 . — Wird der Hauptstoff von beiden geliefert, so kommt es darauf an, ob die Sache nur hergestellt oder geliefert werden soll. I m ersten Fall liegt immer nur ein Werkvertrag vor, und so ist er auch im Stempelrecht zu behandeln 67 . Das kann aber nicht für die Bauhandwerker gelten, auch wenn sie das ganze Material stellen 68 . Denn eine Werklieferung setzt doch immer auch voraus, daß eine Sache nicht nur angefertigt, sondern auch überliefert werden soll. Daher ist eine Werklieferung bei ihnen nur dann anzunehmen, wenn sie nach der Vollendung des Baues etwa das Grundstück übereignen sollten 69 . Wer den Bauhandwerker auch sonst als Werklieferer betrachtet 70 , gelangt zu dem ganz unhaltbaren Ergebnis, ihm das Recht auf die Sicherungshypothek zu versagen. 66 88 67 88 69 70

O e r t m a n n 2. W i e R i e z l e r a. a. O. 63ff.; L o t m a r a. a. O. 213. R G . 94, 128. O e r t m a n n 2 zu § 651; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 153. R G . 94, 128. So L o t m a r a. a. O. 1, 213.

Lohnversprechen.

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Drittes Kapitel.

Lohnversprechen. § 121. Mäklervertrag. § 122. Lohnanspruch. § 123. Verpflichtungen. § 124. Auslobung. § 125. Belohnung. § 126. Widerruf.

§ 121. Wenn das Gesetzbuch den Mäklervertrag 1 und die Auslobung zusammenstellt, so haben diese beiden Rechtsgeschäfte in der Tat etwas Gemeinsames. Es handelt sich bei beiden um die Belohnung einer Arbeit: aber diese Arbeit selbst wird nicht versprochen und geschuldet, sie bildet ledighch eine Voraussetzung für die Pfhcht zur Lohnzahlung. So ist es zunächst bei dem Mäklervertrag (§§ 652ff. BGB.). Es kann freihch sein, daß der Mäkler sich zu einer Tätigkeit verpfhchtet, nämhch die Gelegenheit zu einem Vertragsschluß nachzuweisen oder einen Vertrag zu vermitteln. I n diesem Falle kann ein Werkvertrag vorhegen, indem er den Erfolg verspricht, oder auch (häufiger) nur ein Dienstvertrag. Aber in der Regel wird der Mäkler überhaupt nicht zu einer Arbeit verpfhchtet. Man hält dies für unnötig, in der Annahme, daß ihn sein eigenes Interesse schon genügend zur Tätigkeit anspornen wird. Kann er doch, wenn ihm der Nachweis oder Abschluß gelingt, damit verhältnismäßig viel verdienen. I n der Tat sind die meisten Berufsmäkler eher zu eifrig als umgekehrt. Hiernach steht es fest, daß ein Mäklervertrag ohne eine Tätigkeitspflicht des Mäklers jedenfalls möglich ist. Aber es ist sehr streitig, ob dies zum Wesen des Mäklervertrags gehört und welches daher seine rechthche Natur ist. Nach der einen Auffassung handelt es sich dabei lediglich um ein einseitiges Lohnversprechen des Bestellers, das durch die erfolgreiche Tätigkeit nur bedingt ist 2 . Nach der herrschenden Lehre dagegen ist der Mäklervertrag eigentlich zweiseitig verpflichtend, wenn auch die Tätigkeitspflicht nicht notwendig sei. Die einen fassen das wieder so auf, 1

B u r c h a r d , Verhandlungen des 24. Juristent. 2, 235ff.; R e i c h e l , Die Mäklerprovision; R i e s e n f e l d , GruchBeitr. 36, 700ff. 37, 27ff.; R e u l i n g , GruchBeitr. 40, 193ff.; D ö r r , B l f R A . 70, 620ff.; S i b e r , Rechtszwang IS ff.; C r o m e , Partiarische Rechtsgeschäfte 411 ff.; R u m p f , ZivArch. 119, 95ff.; J a c u s i e l , Agenten, Mäkler. 2

B u r c h a r d a . a. O. 289; E n d e m a n n § 176; R e u l i n g a . a. O.; R i e z l e r a. a. O. 91; S i b e r a. a. O. 18ff.

236

evertrag.

daß diese nur fortfallen könne oder auch regelmäßig fortfalle 3 , die andern, daß sie ausfallen müsse, widrigenfalls der Vertrag nicht mehr ein reiner Mäklervertrag, sondern mit einem Werkoder Dienstvertrag gemischt 4 oder gar ein reiner Werkvertrag sei 5 . Es herrscht nun, wie gesagt, allgemeines Einverständnis darüber, daß die Pflicht zur Tätigkeit wegfallen kann. Dadurch wird aber die herrschende Ansicht schon widerlegt. Zwar beruft sie sich darauf, daß den Mäkler doch andere Treuepflichten, insbesondere zur richtigen Information des Bestellers, zur Verschwiegenheit, zur Unterlassung störender Eingriffe treffen (unten S. 239). Aber das alles sind, wie sie auch von den Gegnern selbst oft genannt werden, nur Nebenpflichten. Die eigentlich entscheidende Leistung, für die das Entgelt bezahlt wird, ist offenbar die Erwirkung des beabsichtigten Vertrages. Diese Hauptpflicht kann, wie nicht bezweifelt wird, fehlen: und damit ist es unvereinbar, daß der Vertrag ein beiderseitig verpfhchtender sein könne. Man beruft sich freilich darauf, daß beim Mäklervertrage doch auch eine solche Tätigkeitspflicht vorkommen könne; aber es fragt sich ja eben, ob der Vertrag dann noch mit diesem Namen zu benennen ist. Endhch macht man geltend, daß das Gesetz die Gegenleistung als Lohn bezeichnet; aber das ist auch mit einem einseitig bedingten Versprechen durchaus vereinbar. Hiernach scheint es am richtigsten, mit der zuerst genannten Lehre als Mäklervertrag nur einen solchen zu bezeichnen, der einseitig nur den Besteller unter der Bedingung des Erfolges verpfhchtet. Dafür spricht auch, daß das Gesetz diesen Vertrag als ein eigenartiges Gebilde aus den sonstigen Arbeitsverträgen herausgehoben hat. Vor allem hat es ihn neben die Auslobung gestellt, die gleichfalls ein solches einseitig verpflichtendes Versprechen enthält. Diese beiden Geschäfte haben wir daher unter den Begriff des „Lohnversprechens" zusammengefaßt. § 122. Beim Mäklervertrage wird für den Nachweis einer Gelegenheit oder für die Vermittlung eines Vertragsschlusses ein Lohn versprochen. Der Vertrag kann formlos abgeschlossen werden; es gilt dabei ein Lohn vereinbart, wenn nach der Natur 8

D e r n b u r g § 338; L o h m a r a. a. O. 283ff.; C r o m e a. a. O. 415ff.; S t a u d i n g e r , Vorbem. 6; O e r t m a n n , Vorbem. 3. 4 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 154. 5 R i e s e n f e l d a. a. O. 277, 847; R e i c h e l a. a. O. 9, 133; ähnlich P l a n c k IV, V.

Begriff.

237

der Leistung ein solcher zu erwarten ist (§ 653 BGB.). Dies ist freilich nicht unbedenklich, da nicht selten sich unerwünschte Vermittler aufdrängen und daraufhin Vergütung fordern. Wenn der Mäkler unsittliches verspricht, z. B. dem Gegner seines Auftraggebers treuwidrig Hilfe zusagt, so ist dies nach § 138 BGB. nichtig 6 . — Der Lohn kann auch in anderen Leistungen als Geld bestehen, z. B. in der Überlassung des Gewinns oder eines Teils davon 7 . Ist er nicht bestimmt, so gilt die Taxe, hilfsweise der übliche Lohn (§ 653 I I BGB.). Er ist nur dann zu zahlen, wenn der Vertrag, um dessen Herbeiführung es sich handelt, wirklich zustande kommt (§ 652 BGB.). I m anderen Falle geht der Mäkler leer aus — gleichviel aus welchem Grunde der Vertragsschluß scheitert. Dies sogar, wenn der Auftraggeber selbst sich aus nichtigen Gründen weigert, ihn abzuschheßen : denn es muß ihm doch schließhch immer freistehen, seinen Plan aufzugeben 8. Nicht einmal die gemachten Aufwendungen werden dem Mäkler ersetzt (§ 652 I I BGB.). Danach ist in dem ganzen Geschäft für ihn ein zufälliges Moment enthalten. Es kann freilich auch das Gegenteil vereinbart werden 9 , insbesondere auch, daß ihm die Aufwendungen erstattet werden sollen. Wenn der Mäkler die Vermittlung versprochen, so genügt es nicht, daß er eine Gelegenheit nachweist: es muß wirklich zum Abschluß kommen 10 . Der Vertrag muß auch vollgültig sein 1 1 : durch seine Anfechtung wird auch der Mäkellohn aufgehoben, auch wenn sie von dessen Auftraggeber selbst ausgeht 12 . Ein Darlehnsvertrag muß schon durch die Auszahlung wirksam geworden sein 13 . Ist der Vertrag nur aufschiebend bedingt geschlossen, so ist der Mäkellohn erst bei Eintritt der Bedingung zu zahlen (§ 651 I 2 BGB.) — außer wenn er eben schon für den bedingten Abschluß versprochen wäre 14 . Für den Fall der Endbedingung ist sehr streitig, ob bei ihrem Eintritt 6

R G . SeuffA. 55, 148; O L G . 4, 238. 9, 7. R G . GruchBeitr. 49, 619ff.; W a r n e y e r 1918 N r . 31. 8 R G . 95, 137. 101, 211; O e r t m a n n 2 u n d Genannte. 9 Vgl. O L G . 12, 89; J W . 1926, 2008. 10 O L G . 39, 208. 11 R G . GruchBeitr. 56, 121. 12 R G . 76, 355ff.; Recht 1903 N r . 670; a. M . R e i c h e l , a. a. O. 37ff. u n d Genannte. 13 Anders R e i c h e l a. a. O. 18ff. 14 O L G . 40, 329. 7

evertrag

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der Mäkellohn zurückgegeben werden muß 1 5 . Es ist das zu verneinen 16 . Denn der Vertrag ist doch erreicht und die Bedingung daher erfüllt worden. Spätere Änderungen, die vielleicht erst nach Jahren eintreten, dürfen nicht mehr dahin führen, daß diese längst erledigte Frage wieder aufgerollt wird. Dafür spricht insbesondere, daß das Gesetz eben nur für den Fall der aufschiebenden Bedingung die Abhängigkeit des Lohnanspruchs vorschreibt. Man hat auch versucht, i n dieser Frage danach zu unterscheiden, ob der durch den Vertrag erzielte Zweck schon erreicht worden w a r 1 7 : aber dies läßt sich oft nicht mit Sicherheit beantworten. Ebenso ist zu entscheiden, wenn ein Rücktrittsrecht auf Grund eines vertragsmäßigen Vorbehalts 18 oder gar wegen Verzugs besteht. — Wird ein anderer Vertrag geschlossen, so ist zu fragen, ob er den erstrebten Erfolg auch erreicht 19 ; doch kann schon daraus, daß der Auftraggeber die bisherige Tätigkeit des Mäklers benutzt, sich der Abschluß eines neuen Mäklervertrags ergeben 20. Sodann ist nötig, daß der Vertrag „infolge des Nachweises oder der Vermittlung des Mäklers" zustande gekommen ist (§ 652 BGB.). Es muß also, wie es auch meistens aufgefaßt wird 2 1 , ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beiden bestehen. Allerdings hat man es statt dessen darauf abstellen wollen, ob dem Mäkler das Verdienst des Abschlusses zugesprochen werden kann 2 2 . Aber es ist auch möglich, daß ein Mäkler das Glück hat, einen Vertrag ohne jede Arbeit zum Abschluß zu bringen. Auch hier hat er Anspruch auf die Belohnung — obwohl man hier doch von seinem Verdienste nicht sprechen kann. — Zweifelhaft ist endlich, ob der Geschäftsherr beim Abschluß des vermittelten Vertrags von der Tätigkeit des Mäklers gewußt haben muß. Es wird das 16

F ü r Rückgabe D e r n b u r g § 399; D J Z . 1904, 822, O L G . 14, 28. O L G . 22, 320. 28, 196. 32, 210; SeuffA. 71 N r . 248. 73 N r . 100; O e r t m a n n , C r o m e , S c h o l l m e y e r , jetzt auch P l a n c k 3 zu § 652. 17 R e i c h e l a. a. O. 54ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 155. 18 Herrschende Meinung; insbesondere R G . Recht 1909 N r . 3054; O L G . 1, 403. 23, 51; anders S c h o l l m e y e r a. a. O.; R o s p a t t , GruchBeitr. 45, 555; v e r m i t t e l n d wieder R e i c h e l a. a. O. 19 R G . Recht 1903, 504; LeipzZ. 1911, 547; J W . 1916, 1475; W a r n e y e r 1925 N r . 62; R e i c h e l a. a. O. 87ff. 20 R G . J W . 1920, 491. 21 Z. B . R G . W a r n e y e r 1908 N r . 626; 1914 N r . 118. 22 R e i c h e l a. a. O. 16

Lohnanspruch»

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23

vielfach schlechthin gefordert ; man macht dafür geltend, daß er bei der Festsetzung der Vertragsbedingungen seine Provisionspflicht mit in Betracht ziehen müsse. Aber dagegen ist zu sagen, daß er doch mit der Möglichkeit dieser Verpfhchtung zu rechnen hat und sich deshalb danach erkundigen muß. Gibt ihm der Vertragsgegner darüber eine unrichtige Auskunft, so ist er wegen Verschuldens beim Vertragsschlusse haftbar 24 . Auch kann der Mäkler selbst dafür haften, daß er es schuldhaft unterlassen hat, den Geschäftsherrn von seiner Tätigkeit zu benachrichtigen. — Die Ansprüche des Mäklers sind ausgeschlossen, wenn er dem Inhalte des Vertrags zuwider auch für den Gegner tätig geworden ist (§ 654 BGB.). Dabei wird besonders zu fragen sein, ob die Interessen der beiden Parteien sich hier widerstreben: dies wird bei der Vermittlung eines Vertrags meist anzunehmen sein, dagegen beim bloßen Nachweis nicht. Auch die Höhe des Lohns kann für die Auslegung erheblich sein 25 . § 123. Wenn auch der Mäkler zur Tätigkeit nicht verpfhchtet ist, so muß er doch, wenn er tätig wird, die Treupflicht wahren 26 . Es darf nicht gegen den Vertrag und die Interessen seines Auftraggebers wirken und die Bedingungen nicht nachteihg beeinflussen. Er muß ihm die wichtigen Tatsachen, die er kennt, mitteilen 27 . Jedoch ist eine Verletzung dieser Pflicht nicht schon darin zu erblicken, daß er einem Dritten, der kaufen will, auch noch andere Gegenstände vorschlägt 28 . Durch diese Verpfhchtungen wird der Mäklervertrag noch nicht zum gegenseitigen, denn der Lohn wird nicht dafür, sondern für den Abschluß gezahlt (oben S. 236). Bei erheblicher Verletzung der Pflichten wird der Anspruch auf den Mäklerlohn aufgehoben, wie entsprechend § 654 BGB. anzunehmen ist 2 9 . Da es im Belieben des Auftraggebers steht, ob er einen Vertrag abschließen will, ist er auch berechtigt, seinen Auftrag an den 28

R G . 31, 291. 47. 255. 68, 202. 83, 35ff.; GruchBeitr. 48, 344. 59, 120; J W . 1906, 741; SeuffA. 79 N r . 183. 24 R e i c h e l a. a. O. 195ff.; O e r t m a n n 2 zu § 652. 25 SeuffA. 64 N r . 89; O L G . 22, 323; GruchBeitr. 24, 983ff. 28 R G . SeuffA. 56 N r . 73, 148; J W . 1910, 284; O L G . 40, 330; SeuffA. 57 N r . 211. 2 ' R G . J W . 1912, 515; Recht 1921 N r . 539. 28 R G . SeuffA. 56 N r . 24; O L G . 6, 87. 12, 86. 29 R G . Recht 1917 N r . 3489, 1910 N r . 3337, 1911 N r . 2863; D J Z . 1912, 515; O L G . 24, 387.

rvertrag.

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Mäkler jederzeit zu widerrufen 30 . Es kann dies freilich vertragsmäßig ausgeschlossen werden, aber nicht schon dadurch, daß er dem Mäkler eine Sache an die Hand g i b t 3 1 . Und selbst hier kann dieser nicht ohne weiteres die volle Vergütung fordern, sondern nur Ersatz seines Schadens, wenn er beweist, daß er den Vertrag hätte vermitteln können 32 . Auch der Mäkler kann beim eigenthchen Mäklervertrag jederzeit kündigen, bei einem Dienstvertrag nur wegen eines wichtigen Grundes (§ 627 BGB.). Durch die Heirats Vermittlung 3 3 wird ein Anspruch nicht begründet (§ 656 BGB.). Das Gesetz betrachtet diese Tätigkeit als unerwünscht, aber nicht geradezu als unsittlich 3 4 , und daher sind seine Vorschriften nicht auf frühere und ausländische Rechtsverhältnisse anzuwenden 35 . Auch ein Anspruch auf Auslagen ist nicht zuzubilligen 36 . Eine Bestätigung durch ein abgelöstes Schuldversprechen oder Anerkenntnis nützt ebenfalls nicht (§ 656 I I ) , was auch für den Wechsel g i l t 3 7 . — Dagegen kann eine darauf gemachte Leistung auch nicht zurückgefordert werden (§ 656 I 2 ). Der Grund liegt wohl darin, daß die Gerichte mit diesem unerfreulichem Verhältnis nach keiner Seite hin beschäftigt werden sollen. Man pflegt hier von einer natürlichen Verbindlichkeit zu sprechen, was aber irreführend ist (I, 16 ff.). Keinesfalls darf man daraus folgern, daß die dafür bestellten Pfänder und Bürgen gültig seien 38 . — Für Handels- und Börsenmäkler gelten besondere Vorschriften (§§ 93ff. BGB., §§ 29 ff. des Börsengesetzes). Bei der Stellenvermittlung kann die Vergütung, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, durch Richterspruch herabgesetzt werden (§ 655 BGB.). Aber die gewerbsmäßige Stellenvermittlung ist Privatpersonen jetzt verboten und durch die öffentliche Arbeitsvermittlung ersetzt worden (§ 55 des Arbeitsvermittlungsgesetzes vom 16. Juli 1927). 30

R G . 101, 211; O L G . 8, 76. 12, 88. 13, 392; R o s p a t t a. a. O. 547ff. O L G . 8, 77. 18, 16 22, 317. 318; R G . 76, 361ff.; J W . 1922, 1323. 32 R G . 76, 3 6 I f f . ; W a r n e y e r 1911 N r . 397; GruchBeitr. 56, 118ff. 33 K o h l e r , BürgA. 12, 316ff. ; S c h i n d l e r , Die gewerbsmäßige HeiratsVermittlung. 34 Anders K o h l er a. a. O. 35 R G . 46, 153. 36 R G . B l f R A . 71, 577ff. 37 O L G . 4, 236; Recht 1910 N r . 1936. 38 R i c h t i g R G . B l f R A . 71, 577ff. 31

Auslobung.

241

§ 124. Die A u s l o b u n g 3 9 ist insofern nahe verwandt, als auch sie nur das Versprechen eines Lohnes für eine Handlung enthält. Aber sie ist noch dadurch eigenartig, daß sie nicht in einem Vertrag, sondern einem einseitigen Rechtsgeschäft besteht. Für diese herrschende Auffassung spricht zunächst die geschichtliche Entstehung aus dem römischen Versprechen zugunsten einer Stadtgemeinde oder der Götter (pollicitatio, votum). Vor allem aber wird die Belohnung nach § 657 BGB. durch die bloße Vornahme der Handlung, also auch dann verdient, wenn sie ,,nicht mit Rücksicht auf die Auslobung" ausgeführt worden ist. Infolge dieser ausdrücklichen Vorschrift verbietet sich die naheliegende Auffassung, daß eben diese Vornahme als die Annahme eines Vertrags aufzufassen sei. Allerdings hat man behauptet, daß ein Antrag auch ohne seine Kenntnis angenommen werden könne, wenn er lediglich einen Vorteil bringe 4 0 : aber das ist nicht richtig, wie man an den Hauptfällen (Schenkung und Verzicht) ersehen kann. Auch ist nicht nötig, daß, wer die Handlung ausführt, dabei geschäftsfähig ist. So bhebe denn nur noch der Weg, in die spätere Geltendmachung die Vertragsannahme zu verlegen 41 . Aber auch dies würde meistens daran scheitern, daß die Frist für eine solche Annahme schon abgelaufen wäre: außerdem würde der Antrag durch den Tod des Berechtigten erlöschen. Die Behauptung, daß die Annahme hier rückwirkende Kraft habe, ist durchaus unbewiesen. Endhch spricht gegen die Vertragstheorie, daß der ganze Begriff der Auslobung und die Bestimmungen darüber dann überflüssig wären. Denn es steht ja ohnehin fest, daß ein Vertragsantrag auch durch Ausführung der geforderten Handlung angenommen werden kann. Ja, jene Vorschriften wären dann sogar unrichtig, insoweit sie die Einschränkung auf eine öffentliche Bekanntmachung enthalten. Eine stillschweigende Annahme eines Vertrags kann auch dann erfolgen, wenn der Antrag in einem Freundeskreis gestellt war. Es muß also doch noch eine Besonderheit sein, die nur für die öffentlichen Ausschreiben gilt. Sie liegt nicht etwa darin, daß hier nur die eine Partei verpflichtet wird; denn auch ein Vertrag, der dies bestimmte, könnte gleichfalls stillschweigend 39 O e r t e l , Lehre v o n der Auslobung; v. M a y r , Die Auslobung; E l s t e r , BürgA. 18, 125ff.; H e i n s h e i m e r , D J Z . 1904, 623ff.; K ö h l e r , B ü r g A . 25, Iff. 40 K ö h l e r a. a. O. 1 ff.; Lehrbuch 2, 356 vgl. J u n g JheringsJ. 69, 62ff. 41 J a c u b e z k y , K r i t i k z u m ersten E n t w u r f , 141.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

16

Auslobving.

242

durch Ausführung angenommen werden. Also kann die Eigenart dieses Geschäfts nur in der einseitigen Natur des Versprechens hegen. § 125. Das Versprechen muß, wie eben erwähnt, öffentlich abgegeben sein (§ 657 BGB.), d. h. in einer Weise, die geeignet ist, weite Verbreitung zu finden, wobei es nicht nötig ist, daß dieser Erfolg wirklich eingetreten ist. Verfehlt wäre es, die Öffentlichkeit überall da zu verneinen, wo nicht jedermann freien Zutritt hat, wie in einer großen Parteiversammlung oder dem Juristentage. Auch das ist nicht erforderlich, daß die Tätigkeit von jedem beliebigen ausgeführt werden kann. Es soll eine Handlung herbeigeführt werden, z. B. die Entdeckung eines Verbrechens, die Lösung einer Preisaufgabe oder auch nur das Besuchen einer Ausstellung. Immer aber muß sie von dem Urheber abhängig sein. Keine Auslobung hegt also vor, wenn ein Preis für Zwillinge ausgesetzt wird. — Die Handlung muß dem Auslobenden erwünscht sein, denn nur dann kann eine „Belohnung" erfolgen. Anders also, wenn durch die Aufforderung umgekehrt festgestellt werden soll, daß etwas nicht möglich sei: wie bei dem Versprechen des Kaplans Dasbach für den Nachweis, daß der Satz „der Zweck heihgt die Mittel" der jesuitischen Lehre entspreche. Hier hegt vielmehr eine Wette vor, die nicht klagbar ist 4 2 . Man hat dagegen eingewendet, daß eine einseitige Wette nicht nach der Vorschrift des § 762 BGB. zu behandeln sei 4 3 : hier sei nicht zu befürchten, daß der Versprechende sich durch die Hoffnung auf Gewinn zu leichtsinnigen Behauptungen hinreißen lasse. Aber der Grund, weshalb das Gesetz der Wette die Klagbarkeit abspricht, ist ein anderer: es soll eine Verpflichtung nicht auf ungewisse Umstände gegründet werden (unten § 156), und das trifft auch hier zu. — Wesentlich anders hegt der Fall, wo der Herausgeber einer Logarithmentafel für die Auffindung eines Fehlers eine Belohnung aussetzt. Denn hier liegt ihm doch auch daran, wenn ein Fehler darin stecken sollte, ihn zu ermitteln. Die Abgabe der Erklärung unterhegt den allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte. Danach ist eine Auslobung dann, wenn sie nicht ernst genommen werden sollte, nach § 118 BGB. 42

B l f R A . 72, 36; K o h l e r a. a. O. 3ff.; K ö t t g e n , Recht 1904, 380; v. M a y r , a. a. O. 27; D e r n b u r g § 211; H a m m , D J Z . 1905, 393. 48 E n n e c c e r u s § 156 A n m . 6; P l a n c k , Vorbem. I I I ; O e r t m a n n , Vorbem. 5; W i n k l e r , Recht 1Θ09, 355.

Erfordernisse.

243

nichtig: doch haftet der Erklärende auf den Irrtumsschaden, wenn der Gegner dies ohne seine Schuld verkannte (§ 122). Wollte der Auslobende dagegen, daß seine Erklärung ernst genommen werde, so ist sie trotz seines geheimen Vorbehalts gültig (§ 116 BGB.). Verfehlt ist es auch hier, wenn man die Frage auf die Einwirkung des „Scherzes" abstellt: ein Scherz kann sowohl im ersten wie im zweiten Fall vorliegen, und die Wirkungen sind beidemal ganz verschieden. Bei einem Irrtum über den Inhalt seiner Erklärung kann der Auslobende anfechten (§ 119 BGB.), aber er muß dem Gegner den Irrtumsschaden ersetzen (§ 122 BGB.). Bei der Auslegung ist — wie stets — nicht der innere Wille, sondern der objektive Sinn der Erklärung maßgebend. Das wird hier sogar auch von denen anerkannt, die es sonst für nichtfestgerichtete Erklärungen in Abrede stellen 44 . — Die Auslobung kann auch unsittlich und deshalb nichtig sein. Man kann dies aber nicht schon deshalb annehmen, weil sie Reklamezwecken dient 4 5 . Einmal wäre es oft recht mißlich, diesen Hintergedanken festzustellen und die richtige Grenze zu ziehen. Sodann aber würden diese dadurch nicht gehemmt, sondern umgekehrt gerade gefördert werden: denn es wäre dann ganz ungefährlich, solche Versprechungen in die Welt zu setzen. § 126. Der Lohn kann von dem gefordert werden, der die Handlung ausgeführt hat. Haben mehrere sie mehrmals vollbracht — z. B. das Preisrätsel gelöst — so kann der Sinn des Versprechens dahin gehen, daß jeder den ganzen Lohn bekommen soll. I n andern Fällen soll die Belohnung nur einmal gezahlt werden. Nur auf sie paßt die Vorschrift des Gesetzes (§ 659), wonach den Lohn der erhält, der die Handlung zuerst ausgeführt hat : bei gleichzeitiger Vornahme soll Teilung oder aber Entscheidung durch das Los eintreten. Haben mehrere zu dem Erfolge zusammengewirkt, so soll der Auslobende den Lohn nach Billigkeit unter ihnen verteilen (§ 660 BGB.). Bei offenbarer Unbilligkeit muß statt dessen Entscheidung durch Urteil erfolgen. Haben mehrere die Auslobung erlassen, so ist für die Entscheidung nicht Einstimmigkeit zu fordern 46 , was wenig zweckmäßig erscheint, sondern wie bei einem Schiedsgericht zu verfahren, 47. 44 45 48 47

So E n n e c c e r u s 1 § 192. So D e r n b u r g § 335. So O e r t m a n n zu § 660 B G B . E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 156. 16*

Auslobung.

244

Bis zur Vornahme der Handlung kann die Auslobung widerrufen werden. Der Widerruf wirkt nur, wenn er in derselben Form wie die Auslobung erfolgt, sonst nur gegen den, dem er besonders mitgeteilt ist (§ 658 BGB.). Danach erwächst daraus kein Anspruch mehr, auch nicht auf Ersatz von Aufwendungen. Auf den Widerruf kann in der Auslobung (und doch wohl auch noch nachher) verzichtet werden: ein solcher ist schon in der Festsetzung einer Frist für die Handlung zu erblicken (§ 658 I I BGB.). Auch dieser Verzicht kann wegen Irrtums nach § 119 BGB. angefochten werden. — Eine solche Fristbestimmung ist besonders bei jedem Preisausschreiben 48 notwendig (§ 661 BGB.). Hierunter sind solche Fälle zu verstehen, wo die Leistung erst durch einen Entscheidenden beurteilt, also ein Werturteil abgegeben werden muß 4 9 . Wird eine Belohnung einfach demjenigen versprochen, der etwas ausgeführt, z. B. eine Prüfung bestanden hat, so liegt ein Preisausschreiben nicht vor, insbesondere bleibt hier kein Raum für die in § 661 I I BGB. bezeichnete Entscheidung 50 . Anderseits darf man nicht erfordern^ daß es sich immer um eine unbegrenzte Möglichkeit von Lösungen handeln müsse 51 : ein Preis kann auch für den ausgesetzt werden, der eine Autofahrt oder andere Sportleistung ganz einwandfrei ausführt. — Die Bestimmung hat hier durch die dafür bestimmten Preisrichter zu erfolgen; auf mehrere sind auch hier die Vorschriften über Schiedsrichter anzuwenden 52 . Sind Richter nicht bestellt, so entscheidet der Auslobende selbst. Auch hier haben wir einen Fall vor uns, wo die Entscheidung über die Verpflichtung von dem Schuldner selbst abhängt (oben S. 96). Die Entscheidung ist stets verbindlich, aber natürlich wegen eines Willensmangels anfechtbar. Der Auslobende hat ein Recht auf die hergestellte Arbeit nur dann, wenn er sich dies vorbehalten hat (§ 661 I V BGB.). 48 49 60 61 52

E b e r t y , B ü r g A . 39, 82ff. v . M a y r a. a. O. 97ff.; H e i n s h e i m e r a. a. O. 625. Anders E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 156 A n m . 12. So v . M a y r , a. a. O. 79. E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O.; G i e r k e 3, 324.

Auftrags vertrag.

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Viertes Kapitel.

Anftragsvertrag. § 127. Geschäftsbesorgung. § 128. Fremdes Geschäft. § 129. Pflichten des Übernehmers. § 130. Pflichten des Geschäftsherrn. § 131. Beendigung. § 132. Wirtschaftsgeschäft. § 133. R a t .

§ 127. Der unentgeltliche Arbeitsvertrag wird vom Gesetz (§§ 662ff.) als Auftrag 1 bezeichnet. Leider ist dieser Ausdruck, der eine Übersetzung des römischen madatum bedeuten soll, verfehlt. Die Natur der Unentgeltlichkeit kommt in ihm nicht zum Ausdruck. Vor allem aber wird der Eindruck erweckt, als ob es eine einseitige Handlung sei, denn beauftragen bedeutet eben eine solche einseitige Tätigkeit und wird daher regelmäßig nur von den Anweisungen eines Vorgesetzten gebraucht. Um wenigstens dies Mißverständnis auszuschließen, habe ich den Vertrag schon früher als „Auftragsvertrag" bezeichnet, und das ist auch von anderen übernommen worden 2. — Auf demselben schiefen Gedanken beruht es, wenn das Gesetz und die Wissenschaft vom Auftraggeber und Beauftragten sprechen: auch dies erweckt den Anschein, als ob die Erteilung des Auftrags eine einseitige Handlung sei. Daher wird man auch diese Ausdrücke besser ganz vermeiden und von dem Geschäftsherrn und Übernehmer sprechen. Die Pfhcht des Beauftragten wird vom Gesetz (§ 662) dahin bestimmt, er habe j,ein ihm von dem Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen". Es liegt nun gewiß sehr nahe, hier unter „ G e s c h ä f t " dasselbe wie in § 675 BGB. zu verstehen. Wie später zu zeigen (S. 254ff.), meint die letzte Bestimmung hierbei lediglich Geschäfte höherer Art mit wirtschaftlichen Inhalt. Insbesondere ist es unmöglich^ darunter sämtliche Arbeiten einzubegreifen, weil es sonst überhaupt keine Dienst- und Werkverträge mehr gäbe. Man hat demgemäß auch den Geschäftsbegriff des § 662 BGB. ebenso wie den des § 675 begrenzen wollen 3 — und in der Tat ist ja gewiß zunächst anzunehmen, daß derselbe Ausdruck an beiden Stellen das 1 S c h e y , Obligationsverhältnisse I I I ; D n i e s t r z a n s k i , Aufträge zugunsten D r i t t e r ; JheringsJ. 77, 48ff.; I s a y , Geschäftsführung. 2 Mein Lehrbuch i n kurzen Sätzen 93; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 157 u n d andere. 3 O e r t m a n n , Vorbem. 2 vor § 662; I s a y , Geschäftsführung 96; L e n e l , JheringsJ. 44, 35, B e r n a u , JehringsJ. 44, 233ff.; R G R K . , Vorbem. 2 vor § 662 u n d Genannte.

Aftragsvertrag.

246

gleiche bedeute. Aber dagegen spricht vor allem, daß man ihn dann auch bei der freiwilligen Geschäftsführung (§§ 677ff. BGB.) ebenfalls in den gleichen Sinne verstehen müßte und so zu einer unhaltbaren Einschränkung dieser Lehre gelangte. Und auch beim Auftrage selbst wäre es äußerst mißlich, Tätigkeiten, die nicht wirtschaftlicher oder nicht höherer A r t sind, völlig auszuschließen: es würde dann für diese zahlreichen Fälle ganz an einer Norm fehlen. Daher haben sich denn auch manche Gegner dazu entschheßen müssen, doch eine entsprechende Anwendung des Auftragsre'chts auch dort zuzulassen4 — womit sie im Grunde ihre Ansicht aufgeben. Ähnhch hat man behauptet, daß ein verbindlicher Auftrag nur da vorliege, wo ein Vermögensinteresse des Auftragsgebers berührt werde 5 , oder wo eine wirtschaftliche Tätigkeit für einen andern besorgt werde 6 . Aber die Einschränkung auf Vermögensangelegenheiten findet keinen Anhalt im Gesetz und muß außerdem auch als unbillig bezeichnet werden. Es ist nicht einzusehen, weshalb eine Verpfhchtung, eine wichtige persönliche Nachricht zu überbringen oder Familienpapiere abzuschreiben und zu übersenden, ungültig sein solle; wenn sie auch beim Mangel eines Vermögensschadens nicht zum Geldersatz verpfhchtet, kann sie doch jedenfalls als Grundlage eines Rückhaltungsrechts dienen. — Daher nimmt die herrschende Lehre an, daß Geschäft im Sinne von § 662 BGB. jede beliebige Tätigkeit bedeute7. Aber auch dieser Auffassung stehen schwere Bedenken entgegen. Zunächst ist nicht zu verstehen, weshalb das Gesetz dann statt Auftrag nicht einfach Tätigkeit oder Handlung gesagt hat. Außerdem ist es sprachlich kaum möglich, jede mechanische Arbeit als ein „Geschäft" zu bezeichnen. Ferner hebt das Gesetz hervor, daß das Geschäft „von dem Auftraggeber übertragen" und „für ihn besorgt" werden müssen. Es sagt damit deutlich, daß es eine Beziehung auf eine bestimmte Person enthält und eine schützende Tätigkeit für ihn bedeutet. I n der Tat ist eine solche F ü r s o r g e für den Geschäftsherrn für den Auftragsvertrag wesentlich. Daher sind insbesondere Abmachungen, die sich ledighch auf den Geschäftskreis des Übernehmers beziehen, nicht dazu zu rechnen (unten S. 247ff.). End4 6 6 7

Z. B . O e r t m a n n a. a. O.; C r o m e § 253. L e n e l , ZivArch. 129, 6ff. Insbesondere R G R K . Vorbem. 2 vor § 662; R G . 97, 65. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 157; P l a n c k I I u. a.

Geschäft.

247

lieh spricht für diese Einschränkung, daß auch bei der freiwilligen Geschäftsführung unter dem Geschäft nicht eine jede, sondern nur eine solche Fürsorgetätigkeit verstanden werden darf (unten § 218). Diese wichtige Einschränkung des Geschäfts auf eine fürsorgende Tätigkeit ist bisher nicht erkannt oder doch nicht genügend betont worden. Gerade diese Beschränkung macht die Eigenart der Geschäftsbesorgung aus. Es ist zwar behauptet worden, daß es sich auch bei den Arbeiten des Dienst- und Werkvertrages um eine Tätigkeit im Interesse des Dienstberechtigten handeln müsse8. I n der Tat wird es sich auch hier meistens um eine solche drehen, da jeder regelmäßig nur eine solche Arbeit, die ihm nützt, bezahlen wird. Aber notwendig ist es nicht. A kann dem Β ein Entgelt auch dafür versprechen, daß dieser in seinem eigenen Garten Bäume umschlägt. Weshalb er dies verspricht, ist seine Sache. Der Vertrag kann nicht etwa deshalb für ungültig erklärt werden, weil das Interesse des Gläubigers und sein Vorteil nicht ersichthch ist (I, 45 ff.). § 128. So werden wir ein Geschäft nur dort anzunehmen haben, wo eine Sorge für einen bestimmten Interessenkreis vorliegt. Erst nach dieser Bestimmung können wir weitergehen und fordern, daß es sich bei dem Geschäft des § 662 BGB. um den Kreis des Geschäftsherrn handelt. Das Gesetz deutet es klar dadurch an, daß es von dem „Auftraggeber übertragen" sein und „für ihn" besorgt werden müsse. Daher wird denn auch allgemein anerkannt, daß es sich nicht um ein Geschäft des Übernehmers handeln dürfe. Zwar schadet es nichts, wenn auch dessen Interessen dadurch mit betroffen werden: so kann man in der Abtretung einer Forderung zur Sicherheit gewiß auch den Auftrag zur Einziehung erblicken 9 . Anders aber, wenn lediglich dessen Interessen berührt werden (mandatum tua gratia). Hier wird eine Verpflichtung des Auftraggebers meistens schon dadurch ausgeschlossen werden, daß er den andern gar nicht verpflichten, sondern ihm nur einen Rat erteilen will. Aber es ist doch auch denkbar, daß eine verpflichtende Abrede getroffen wird. Der Gläubiger wird z. B. ausdrücklich verpfhchtet, die ihm zufallenden Gelder in bestimmter Weise zu erheben oder anzulegen. Oder es wird zwischen dem früheren Geschäftsinhaber und seinem Nachfolger ganz ernst8 9

R G R K . Vorbem. 2 vor § 662. R G . 59, 190ff.

Auf tragsvertrag.

248

haft vereinbart, daß dieser sich gewisser Geschäfte zu enthalten oder die rückständigen Schulden alsbald zu tilgen habe. Man darf die Gültigkeit eines solchen Vertrags nicht deshalb leugnen, weil darin keine Leistung an den Gläubiger enthalten sei. Denn es muß den Vertragsparteien selbst überlassen bleiben, was sie als Leistung gelten lassen wollen (I, 45ff.). Ein solcher Vertrag wäre also wohl gültig — aber kein Auf tragsvertrag. Wer den andern zu solchen Maßnahmen bestimmt, ist insbesondere nicht verpflichtet, die dafür notwendigen Aufwendungen zu bezahlen und Vorschuß zu leisten : so braucht, wer den anderen zur Bezahlung seiner Schulden verpflichtet hat, diesem nicht etwa selbst die Kosten dafür zu ersetzen. Daß eine solche Beziehung auf die Interessen des Geschäftsherrn vorhegen müsse, ist auch schon von anderer Seite erkannt worden. Schon in der zweiten Kommission wurde gefordert, daß die Einwirkung innerhalb seines Rechts bereichs liegen müsse10. Aber das ist zu eng gefaßt, weil es sich nicht nur um rechtliche Beziehungen zu handeln braucht. Eher könnte man stattdessen vom wirtschaftlichen Bereiche sprechen 11 : aber damit werden wieder die sonstigen, persönlichen Beziehungen außer acht gelassen. Auch eine Einwirkung auf das fremde Recht 1 2 braucht nicht vorzuliegen, so fehlt sie bei der Führung eines nur subjektiv fremden Geschäfts. Durch alle diese Wendungen wird richtig betont, daß das Geschäft überhaupt eine Beziehung auf den Herrn haben müsse: aber es wird verkannt, daß jede beliebige Form der Fürsorge für dessen Interessen genügt. Der hier aufgestellte Begriff der Geschäftsbesorgung — Fürsorge für einen fremden Interessenkreis — ist auch für die freiwillige Geschäftsführung und manche andere Fälle einer ähnlichen Tätigkeit, z. B. den Testamentsvollstrecker, anwendbar. Dennoch geht es nicht wohl an, eine ganz einheitliche Lehre über die Geschäftsführung aufzustellen, wie es versucht worden ist 1 3 . Denn die Regeln des Auftragsrechts können zwar zum Teil auf die andern Fälle übertragen werden 14 . Aber anderseits finden sich doch wieder zahlreiche und grundlegende Unterschiede 15 . 10 11 12 13 14

ι5

Protokolle 2, 377; ebenso P l a n c k 2 zu § 675. B e r n a u a. a. O. 233ff.; vgl. L e n e l , ZivArch. a. a. O. L e n t , Geschäftsbesorgung 11 ff. V o n I s a y a. a. O. u n d C r o m o 2 zu § 252. Vgl. §§ 27, 86, 713, 1835, 1878, 2218 B G B . Meine K r i t i k , K r V S c h r . 44, 408 ff.

Geschäft. Pflichten.

249

Besonders bedenklich ist, daß jene Lehre das Geschäft nur auf wirtschaftliche Handlungen beschränkt hat: so gelangt sie zu der ganz unhaltbaren Folgerung, die Fürsorge für die Person eines Menschen von der freiwilligen Geschäftsführung auszuschließen (unten § 218). § 129. Der Vertrag wird formfrei geschlossen. Eine Verpflichtung dazu besteht nicht. Wer aber zur Besorgung von Geschäften öffentlich bestellt ist oder sich öffentlich dazu erboten hat, muß, wenn er ablehnen will, dies dem Gegner unverzüglich mitteilen (§ 663 BGB.). Unter der öffentlichen Bestellung ist, wie beim Erbieten, lediglich gemeint, daß sie allgemein kenntlich ist, nicht aber eine öffentlich-rechtliche Übertragung 16 . Wenn er diese Pflicht versäumt, so wird er nur schadenspflichtig. Nicht etwa gilt der Vertrag dann als zustande gekommen. Dies kann sich aber aus den Deutungsregeln des Verkehrs ergeben; insbesondere wenn er sich gerade gegenüber diesem Gegner dazu erboten hatte. Auch ist für einen Kaufmann, dessen Betrieb in Geschäftsbesorgungen besteht und der mit dem Gegner in Geschäftsverbindung steht, bestimmt, daß sein Schweigen als Annahme gilt (§ 362 HGB.). Der Übernehmer des Auftrags hat das Geschäft zu besorgen. Er haftet für jedes Verschulden —eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß wer vom Geschäft keinen Nutzen hat, nur milder zu haften pflegt (I, 446/47). Der Anspruch auf Ausführung ist im Zweifel nicht übertragbar (§ 664 I I BGB.). Ebenso ist die Ausführung regelmäßig durch den Übernehmer selbst zu bewirken (§ 664 I BGB.): er darf einen Ersatzmann nur bestellen, wenn der Vertrag dies gestattet. Falls er selbst an der Ausführung behindert ist, kann man dies schon daraus ableiten, daß er überhaupt berechtigt ist, nötigenfalls von den Bestimmungen des Gegners abzuweichen (§ 665 BGB.). Für ein Verschulden eines solchen Ersatzmannes haftet er nur, wenn ihn selbst eine Schuld bezüglich seiner Bestellung trifft. Ob der Auftraggeber einen unmittelbaren Anspruch gegen den Ersatzmann hat, hängt davon ab, wie der erste Übernehmer mit ihm abgeschlossen h a t 1 7 . Hat er diesen im eigenen Namen beauftragt, so ist jener Anspruch zu verneinen, und umgekehrt ist es, wenn er als Vertreter des 18 17

O e r t m a n n 2 zu § 663 u n d Genannte gegen S e u f f A . 2 zu § 407ZPO. R G . 78, 312ff.

Auftragsvertrag.

250

ersten Geschäftsherrn gehandelt hat. Wenn die Bestellung des Ersatzmannes unberechtigterweise geschehen ist, so ist er für allen daraus entstehenden Schaden verantwortlich. Dagegen ist die Zuziehung bloßer Gehilfen im Zweifel erlaubt: für deren Verschulden ist der Übernehmer nach § 278 BGB. haftbar (§ 664 I 3). Der Übernehmer muß sich nach den Anweisungen richten, die der Gegner ihm beim Vertrag oder später erteilt. Aber er darf davon abweichen, wenn er nach den Umständen annehmen durfte, daß dieser bei Kenntnis der Sachlage dies billigen würde (§ 665 BGB.). Er hat dabei jedoch seine Entscheidung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, und sonst nachher Anzeige zu machen. Oft wird er sogar verpfhchtet sein, von den erteilten Anweisungen abzuweichen. Eine unberechtigte Abweichung verpfhchtet zum Schadensersatz; doch kann sich der Übernehmer erbieten, die dadurch entstehenden Nachteile zu übernehmen, und dann ist die Geschäftsbesorgung für den andern verbindlich 18 . Der Übernehmer muß auf Verlangen und wenn das Interesse es fordert, dem Gegner Nachricht geben. Er hat ihm Rechenschaft über die Ausführung zu erteilen, und zwar nach Ausführung des Auftrages (§ 666 BGB.) oder auch vorher, wenn der Vertrag endigt 19 . Für verwickelte Verwaltungen bestimmt sich die Rechenschaft nach den Vorschriften der §§ 259ff. BGB. Er hat alles herauszugeben, was er zur Ausführung oder aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat (§ 669 BGB.). Nicht selten bezahlt der Geschäftsgegner mehr als wozu er verpflichtet ist. Hier ist zunächst zu unterscheiden, ob er dies dem Geschäftsherrn zuwenden will, wie beim Rabatt. Dazu gehört auch nicht selten der Fall, wo ein Fahrgast für eine besonders schnelle Beförderung eine Zulage verspricht: denn diese wird oft in erster Linie für die stärkere Abnutzung gewährt und muß daher dem Eigentümer der Pferde zugute kommen. I m Gegensatz dazu stehen die Zuwendungen, die dem Beauftragten selbst zugedacht sind, wie Trinkgelder und Provisionen. Sie müssen diesem verbleiben 20 . Eine Ausnahme ist nur dort zu machen, wo sie als Schmiergelder gegeben werden, d. h. zur Bestechung dienen sollen, oder 18

R G . 57, 392. R G . 56, 118. 20 Herrschende Meinung, insbesondere R G . 55, 91; D J Z . 1903, 525; SeuffA. 55 N r . 84; anders C o s a c k § 144; Protokolle 2, 360. 19

Pflichten.

251

auch nur in einer Weise gegeben werden, die den Verdacht dieser Absicht begründet 21 . — Wenn der Beauftragte Geld für sich verwendet, so macht er sich schadenspfhchtig, mindestens aber muß er es verzinsen (§ 688 BGB.). Die Rechte aus einem mit einem Dritten geschlossenen Vertrage stehen dem Auftraggeber nur dann zu, wenn dieser in seinem Namen nach § 164 BGB. abgeschlossen war. Wenn der Beauftragte dagegen nicht als Vertreter, sondern nur als Geschäftsmittler abgeschlossen hatte, ist er selbst der Forderungsberechtigte. Der Auftraggeber kann auch nicht auf Grund seines Treuhandverhältnisses diese Forderung im Konkurse aussondern; denn die Vorschrift des § 392 HGB., die dies für den Kommissionär bestimmt, enthält offenbar nur eine Ausnahme 22 . § 130. Wenn wir demgegenüber die Pflichten des Geschäftsherrn betrachten, so kommt ein Anspruch auf Belohnung der Tätigkeit nicht in Betracht. Denn die Eigenart des Vertrags besteht ja gerade in seiner Unentgeltlichkeit. Freilich wird ein bedeutsamer Teil der Dienst- und Werkverträge, nämlich die auf höhere wirtschafthche Tätigkeit gerichteten, in § 675 BGB. gleichfalls dem Auftragsrecht unterstellt. Eine Schenkung enthält die Übernahme nur, wenn darin ein Vermögensopfer enthalten ist (oben S. 115). Wohl aber können andere Pflichten aus dem Vertrage für den Geschäftsherrn erwachsen. Indessen sind diese nicht als Gegenleistung für die Arbeit anzusehen; ein gegenseitiger Vertrag liegt also nicht vor. Vor allem muß er dem Gegner die notwendigen Aufwendungen ersetzen, und sogar auch solche, die dieser den Umständen nach für erforderlich halten durfte (§ 670 BGB.). Sogar schon vorher muß er ihm, wenn Aufwendungen zu erwarten sind, auf Verlangen Vorschuß leisten (§ 669 BGB.). Wenn er diese Pfhcht nicht erfüllt, kann der Gegner entweder die Ausführung unterlassen oder auf den Vorschuß klagen 23 oder aber die Aufwendung machen und ihren Ersatz verlangen. Der Auftraggeber haftet für jedes Verschulden, insbesondere beim Vertragsschlusse, wenn er schuldhaft einen schädlichen Auftrag erteilt. Ja, es wäre zu denken, daß er bei einem gefährlichen Auf21 22 23

R G . 96, 55. 99, 31 ff.; SeuffA. 63 N r . 133, 69 N r . 12, 75 N r . 153. R G . 1, 314. 24, 307. 58, 273; J W . 1911, 581. SeuffA. 67 N r . 227; O e r t m a n n 3 zu § 660, wo die L i t e r a t u r .

Auftragsvertrag.

252

trag selbst für zufälligen Schaden haften sollte 24 . Dafür kann man geltend machen, daß die Verpflichtungen beim Auftragsvertrage besonders gesteigert seien: der Übernehmer haftet strenger als nach der Regel (oben S. 249), und danach müßte auch die Haftung des anderen um eine Stufe erhöht werden. Außerdem aber lassen sich dafür auch Erwägungen der Billigkeit anführen: wenn jemand ein gefährliches Geschäft, z. B. das Abholen von Geldern in unsicherer Gegend übernimmt, müsse er für die ihm dabei zustoßenden Unfälle entschädigt werden. Aber dennoch wird man diese Haftung nicht annehmen können 25 . Denn das Gesetz schweigt, und so muß es bei der Regel der Schuldhaftung (§ 276 BGB.) bleiben. Manche glauben damit helfen zu können, daß sie die Übernahme der gefährlichen Tätigkeit als eine Aufwendung bezeichnen26. Aber dagegen ist einzuwenden, daß man bei diesem Ausdruck nur an ein absichthches Opfer denken kann. Die Gegner geben dies selbst zu 2 7 , meinen aber, daß, wer seine Sachen einer Gefahr aussetze, damit schon eine „bedingte" Aufwendung mache. I n der Tat aber hat er damit ein Opfer noch nicht gebracht. Von einer Aufwendung wird man vielmehr nur bei den Schäden sprechen können, die mit Sicherheit vorausgesehen werden. Diese Einschränkung wird durch den sprachlichen Sinn des Ausdrucks gefordert — vor allem auch durch ein schwerwiegendes sachliches Bedenken. Wenn man hier den Begriff der Aufwendung so weit ausdehnen wollte, so müßte man das gleiche auch in allen anderen Fällen annehmen. Danach würde der Vermieter dem Mieter dafür haften müssen, wenn dieser bei einer notwendigen gefährlichen Ausbesserung zum Fenster herausfällt — und das ist gewiß unhaltbar. Andere wollen dadurch helfen, daß sie die stillschweigende Übernahme einer Garantie in den Vertrag hineindeuten 28 . Das kann freilich unter Umständen 24

Dafür D e r n b u r g § 279; S t a m m l e r , Richtiges Recht 339ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 159; R G . 94, 169ff. 98, 199. 122, 298; Recht 1921 N r . 1867/68; LeipzZ. 1921, 266. 26 P l a n c k 5; S t a u d i n g e r 6 zu § 670 B G B . ; R ü m e l i n , Z i v A r c h . 88, 314; B o c k e l , daselbst 96, 396ff.; J W . 1909, 311; W a r n e y e r 1909 N r . 390; Recht 1909 N r . 1769; GruchBeitr. 53, 975. 26 E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O.; O e r t m a n n zu § 670; H o e n i g e r , B ü r g A . 35, 272; R G . 94, 169ff. 98, 199; Recht 1921 N r . 1867, 1868. 27 E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O.; R G . 53, 97. 75, 212ff. 95, 33. 28 Vgl. P l a n c k u n d O e r t m a n n a. a. O. u n d die dort angeführten E n t scheidungen.

H a f t u n g . Ende.

253

aus dem Sinne des Vertrags entnommen werden; aber man kann es nicht schon allein daraus schließen, daß den Parteien die Gefahr bekannt war. § 131. Der Auftragsvertrag kann von beiden Seiten jederzeit beendigt werden: der Geschäftsherr kann jederzeit widerrufen, der Übernehmer kündigen (§ 671 BGB.). Der erste Satz gründet sich darauf, daß der Auftraggeber von der Ausführung, die ja nur in seinem Interesse liegt, Abstand nehmen darf: der andere darauf, daß dem Übernehmer, der ja keine Vergütung erhält, aus Billigkeitsgründen der Rückzug gestattet wird. Der Ausdruck „Widerruf" wird regelmäßig nur für die Aufhebung eines einseitigen Geschäfts gebraucht (I, 42 Iff.): seine Verwendung hier beruht wieder auf der ungenauen Vorstellung, daß ein Auftrag eine einseitige Handlung des Auftraggebers sei. Wenn von mehreren Geschäftsherren nur der eine widerruft, so scheidet er allein aus: ob der Vertrag mit den übrigen fortbesteht, ist nach § 139 BGB. zu beurteilen 29 . Manche halten zwar einen solchen Widerruf des einen für nichtig 3 0 ; aber es kann ein Bedürfnis dafür bestehen: z. B. wenn zwei Gesellschafter einen Geschäftsauftrag erteilt haben und sie dann ihre Gesellschaft auflösen. — Der Übernehmer des Auftrags soll nur so kündigen, daß eine andere Fürsorge möglich ist. Kündigt er anders ohne wichtigen Grund, so wird er ersatzpfhchtig (§ 671 I I BGB.). Er kann auf das Kündigungsrecht verzichten, vorbehaltlich eines wichtigen Grundes (§671 I I I BGB.). Kann aber auch der Geschäftsherr auf sein Widerrufsrecht verzichten? Das wird teils allgemein bejaht 3 1 , teils verneint 32 . Man wird wohl danach unterscheiden müssen, ob er durch diese Bindung in unzulässiger Weise eingeschränkt wird, z. B. wenn er die Verwaltung seines ganzen Vermögens einem anderen dauernd übertragen hat 3 3 . Eine Bedingung kann weder dem Widerruf noch der Kündigung zugefügt werden; denn eine solche ist bei allen den einseitigen Rechtsgeschäften, die eine Entscheidung enthalten, unzulässig (I, S. 265). Dennoch will man sie vielfach bei dem Widerruf zulassen, weil es ja dem Gegner dann freistehe, 39 30 31 32 33

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 160 A n m . 1. D e r n b u r g § 248 A n m . 2; O e r t m a n n 2 zu § 671. S c h o l l m e y e r 124. O e r t m a n n 1 zu § 671 u n d Genannte. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 160.

254

Auf tragsvertrag.

zu kündigen, und teilweise auch bei der Kündigung 3 4 . Aber auch hier wird durch solche bedingte Erklärungen nur Verwirrung hervorgerufen. Der Vertrag erlischt ferner im Zweifel durch den Tod des Übernehmers (§ 673 BGB.). Sein Erbe hat den Tod unverzüghch anzuzeigen und, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden, die Ausführung fortzusetzen. Ähnhches gilt, wenn der Übernehmer geschäftsunfähig wird: hier trifft die Pflicht den gesetzhchen Vertreter 35 . Der Tod des Auftraggebers ist dagegen im Zweifel ohne Einfluß auf den Vertrag ; doch erlischt bei dessen Konkurs ein Auftrag, der sich auf die Masse bezieht (§ 23 KO.). Falls der Auftrag erlischt, muß der Übernehmer dennoch die Besorgung fortsetzen, bis anderweit Fürsorge getroffen werden kann (§ 672 2 BGB.). Außerdem gilt der Vertrag zugunsten des Übernehmers als fortbestehend, bis dieser von dem Erlöschen erfahren hat oder doch erfahren mußte (§ 674 BGB.). Daraus kann aber nicht eine Verpfhchtung für ihn erwachsen, da die Vorschrift ja nur zu seinen Gunsten wirkt. § 132. Auf einen entgeltlichen Vertrag, also Dienst- und Werkvertrag, der eine ,,Geschäftsbesorgung" betrifft, finden die meisten Vorschriften des Auftragsrechts ebenfalls Anwendung (§ 675 B G B . ) 3 6 : nämlich über die Anzeige der Ablehnung (§ 663), das Abweichungsrecht (§ 665), die Pfhchten zur Rechenschaft, Herausgabe und Verzinsung (§§ 666—668), Vorschuß und Erstattung (§§ 669, 670), Tod und Geschäftsunfähigkeit (§§ 672—374). Da die meisten Geschäfte nur entgeltlich übernommen werden, ist diese Ausdehnung des § 675 von großer Tragweite. Um so bedeutsamer ist die streitige Frage, was hier unter Geschäftsbesorgung zu verstehen ist. Nach der einen Ansicht 3 7 sind damit alle Handlungen jeder Art gemeint. Aber das ist schon deswegen unhaltbar, weil dann sämtliche Dienst- und Werkverträge darunter fallen würden. Dann hätte das Gesetz die eben genannten Vorschriften sogleich für diese Verträge treffen müssen. Außerdem wäre ihre Anwendung auf viele Werkverträge wenig sachgemäß, so daß 34

O e r t m a n n 2 zu § 671; D e r n b u r g § 298. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 160; anders P l a n c k 2 zu § 673 B G B . 86 L e n e l , JheringsJ. 44, 32ff.; ZivArch. 129, I f f . ; D n i e s t r z a n s k i , JheringsJ. 77, 48ff. 87 H a c h e n b u r g , V o r t r ä g e 7 7 ; P l a n c k 3 . A u f l . ; L e n e l , JheringsJ.44, 31. 35

255

Geschäftsbesorgung. 38

auch manche der Gegner diese davon ausschließen wollen . Dazu kommen noch die Gründe, die uns genötigt haben, auch das Geschäft des § 662 BGB. nicht auf Handlungen jeder Art zu erstatten (oben S. 246). Es ist daher wohl sicher geboten, den § 675 BGB. nicht auf alle Tätigkeiten, sondern nur einen Teil von ihnen zu beziehen. — Nach manchen ist damit nur die Vornahme von Rechtsgeschäften und anderen rechtlich bedeutsamen Handlungen gemeint 39 . Aber das dürfte wiederum zu eng sein: auch Handlungen von nur wirtschafthcher Bedeutung fallen darunter, wie die Verwaltung eines Hauses 40 , die Tätigkeit eines Aufsichtsrates 41 , Auskünfte, Beförderungen 42 : sie werden sowohl sprachlich wie nach dem ganzen Zweck der Vorschrift mit betroffen. — Wieder andere denken bei dem Geschäft nur an die Erledigung einer einzelnen oder einer Mehrheit bestimmter Angelegenheiten43. Aber es ist nicht einzusehen, weshalb die allgemeine Übernahme, z. B. durch einen Generalvertreter, anders behandelt werden sollte. — Eher läge es nahe, das Geschäft ebenso wie in § 662 und 676 BGB. dahin zu begrenzen, daß es sich um eine Fürsorge für einen bestimmten Interessenkreis handeln müsse (oben S. 246). Und das wird auch in der Tat insoweit anzunehmen sein, daß nur eine derartige Fürsorge unter § 675 BGB. fällt. Aber es fragt sich doch noch, ob diese Einschränkung ausreicht: ob eine jede Art von Sorgetätigkeit dahin gehört, auch eine ganz mechanische Arbeit, wie Holzhacken und Umgraben. Dagegen spricht schon der Ausdruck „Geschäftsbesorgung", und außerdem ist es sachlich nicht berechtigt, die Vorschriften des Auftragsrechts hierauf anzuwenden, insbesondere über die Pfhcht zu unverzüglicher Antwort (§ 663 BGB.) und über die Befugnis, von den erteilten Anweisungen abzuweichen (§ 665). Auch auf die Tätigkeit des Arztes und Künstlers will der Ausdruck „Geschäft" schlecht passen44. Daraus ergibt sich die Einschränkung, daß damit nur wirtschafthche Geschäfte gemeint sind: und ferner darf 38

L e n e l a. a. O. E n n e c c e r u s i n den bisherigen Auflagen; R i e z l e r , Werkvertrag 76ff.; M a t t h i a ß 1, 612; S i m é o n 1, 443ff. 40 R G . SeuffA. 16, 13; R G . 70, 335. 41 R G . 81, 335. 42 R G . LeipzZ. 1923, 275ff. 43 H e l l w i g , Verträge517 A n m . 42; Stellung des Arztes 10. 20ff.; L e n e l a. a. O. 35. 44 O e r t m a n n 1 zu § 675; C r o m e § 252. 39

256

Auf tragsvertrag.

es sich nicht um untergeordnete Arbeiten handeln, sondern um eine selbständige Tätigkeit 4 5 oder noch richtiger um Leistungen höherer A r t 4 6 . Man wird diese als W i r t s c h a f t s g e s c h ä f t e bezeichnen können. Bei diesen und nur bei ihnen ist die Anwendung des Auftragsrechts angemessen. Vor allem ist eine Verpfhchtung zu unverzüglicher Ablehnung eines Antrags (§ 663 BGB.) beim Anwalt, Kaufmann, Gastwirt, Auktionator, Reisebureau gerechtfertigt, dagegen nicht beim Künstler, Arzt und beim kleinen Handarbeiter. Ebenso ist dort die Berechtigung, von den Weisungen abzuweichen (§ 665), das Recht auf Rechenschaft, Vorschuß (§§ 666ff.) und dergleichen zu bejahen. Ein Bedenken gegen unsere — wie gegen jede andere — einschränkende Auslegung ergibt sich allerdings daraus, daß sie das Wort Geschäftsbesorgung hier anders als in § 662 BGB. versteht. Aber so mißlich es auch sein mag, diesen Gesetzen so eine verschiedene Deutung zu geben, hier ist es doch unvermeidlich. Denn einerseits müssen eben unter § 662 alle möghchen Fürsorgetätigkeiten gestellt werden — und anderseits ist eine Einschränkung des § 675 auf gewisse Arten von Tätigkeit gar nicht zu umgehen. § 133. Nach § 676 BGB. wird, wer einem anderen einen R a t oder eine Empfehlung erteilt, unbeschadet der sich aus Vertrag oder unerlaubten Handlung ergebenden Verantwortlichkeit zum Schadensersatz nicht verpflichtet 47 . Diese Bestimmung sagt nur etwas rein Selbstverständliches, denn eine Verpflichtung kann überhaupt immer nur aus Vertrag oder Unrechtshandlung entstehen, wenn man von den wenigen anderen, hier offenbar nicht vorliegenden Ausnahmen absieht. Insbesondere ist es ganz undenkbar, daß die bloße Leistung an einen andern allein schon verpflichten könnte — ebenso wie man nicht etwa durch die Hingabe einer Sache ohne Vertragsabrede verpflichtet werden kann. Hier könnte immer nur die Frage aufgeworfen werden, ob darin eine Unrechtshandlung nach §§ 823ff. BGB. enthalten ist. Diese 45

D n i e s t r z a n s k y , JheringsJ. 77, 44ff.; C r o m e 612; E n d e m a n n § 172 A n m . 22ff.; L e h m a n n bei E n n e c c e r u s § 161. 46 B e r n a u a. a. O. 233; auch R G . 100, 301; O e r t m a n n a. a. O. 47 B e n d i x , B l f R A . 71, 2ff.; B r u n s w i g , Z H R . 56. 77ff.; B r ü c k n e r , Recht 1903, 295 ff.; K ö n i g s b e r g e r , Berufliche Auskunftserteilung ; K a h n , LeipzZ. 1919, 988; S o n n t a g , HoldhMschr. 12, 141ff.; A l s b e r g , daselbst 3 2 I f f . ; v . Z i e g l e r , daselbst 20, I f f . ; B a r t h , daselbst 21, 287; S c h m i d t , Z H R . 70, 266; S e f r i n , Die H a f t u n g für Rats- u n d Auskunftserteilung.

Rat.

257

Frage kann aber bei der Raterteilung nur dann bejaht werden, wenn sie vorsätzlich unsittlich oder unter Verletzung eines besonderen Schutzgesetzes oder der Amtspfhcht erfolgt (§§ 823 I I , 826, 839) : geschieht sie sonst nur fahrlässig, so hegt in ihr lediglich eine fahrlässige Verletzung des fremden Vermögens, die nicht den Tatbestand einer Unrechtshandlung bildet (unten § 291). So mündet die Untersuchung in die ganz einfache Frage ein, ob ein Vertrag der îlaterteilung zugrunde hegt. Diese Frage muß aber ebensogut bei jedem anderen Tatbestand, also auch bei jeder anderen Tätigkeit und bei jeder Überlassung von Sachen oder Rechten, gestellt werden. Es hat keinen Sinn, es für diese besondere A r t der Tätigkeit noch besonders auszusprechen. Bei dieser Deutung wäre die Vorschrift also ohne jeden sachlichen Inhalt. Man hat aber wohl etwas anderes damit ausdrücken wollen, nämlich den Satz, daß in der Erteilung von Rat und Empfehlung im Zweifel, in der Regel noch kein Vertragsschluß zu finden sei, und so wird es auch meistens verstanden 48 . Aber nicht einmal diese Regel kann als richtig anerkannt werden. Zunächst ist sicherlich überall da anders zu entscheiden, wo ein Entgelt für den Rat gegeben wird. Die wichtigen Beratungen der Ärzte, Anwälte, Auskunftsbüros und dergleichen beruhen ohne Zweifel auf Verträgen und machen bei Verschulden ersatzpflichtig. Das gilt auch da, wo das Entgelt nicht eigens nur für diesen Rat gegeben wird, sondern wo dieser einen Teil einer entgeltlichen Gesamtleistung bildet, insbesondere also bei den Ratschlägen, die ein Arzt vor und nach einer Operation gibt. Manche von diesen Erklärungen beziehen sich schon auf den Abschluß des Hauptvertrages, so die Auskünfte und Empfehlungen, die ein Verkäufer über die Beschaffenheit der Ware, etwa eines Geschäfts oder Wertpapiers, erteilt. Es ergeben sich daraus besonders wichtige Fälle eines Verschuldens beim Vertragsschlusse, das zum Schadensersatz verpfhchtet (I, 544ff.). — Schon dadurch werden die meisten, jedenfalls wichtigsten Fälle einer Raterteilung von der angeblichen Regel ausgeschlossen. Aber sie läßt sich auch nicht einmal, wie es meistens versucht wird, für unentgeltliche Erteilungen aufrecht erhalten 49 . Auch bei einer solchen ist ein Vertrag sehr oft anzunehmen, insbesondere bei dem Bankmann. Dessen Verpflichtung 48 49

M o t i v e 2, 554ff. ; K R GR. 1 zu § 676; O e r t m a n n 1 u n d die meisten. Dagegen r i c h t i g B r u n s w i g a. a. O. 85.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

17

258

Rat.

wird sich freilich häufig schon aus einem Hauptvertrage ergeben, insbesondere aus einem Verkauf von Wertpapieren. Aber auch wenn ein solcher nicht zustande kommt, z. B. gerade weil er davon abrät, so muß dennoch nicht selten die Haftung bejaht werden. Man hat versucht, sie aus der Geschäftsverbindung abzuleiten 50 : aber das ist kein rechthches Verhältnis, das allein schon zu Leistungen verpfhchtet. Und auch gegenüber fremden Kunden ist die Haftung begründet : der Bankmann ist ihnen zwar nicht verpfhchtet, Auskünfte zu geben, wenn er es aber tut, muß er dabei Sorgfalt beobachten 51 . Und dennoch erfolgen diese Auskünfte fast immer kostenlos. Man hat letzteres zwar bestritten und ein Entgelt hier in der Aussicht erblickt, ein Geschäft zu schließen 52 : aber eine solche bloße Hoffnung kann noch nicht als Entgelt gewertet werden. Ebenso ist die Beratung durch die Auskunfteien, Reisebüros, Rechtsberatungsstellen und dergleichen auch dann, wenn sie unentgelthch erfolgt, als verbindlich anzusehen. Man wird also wohl allgemein die Regel aufstellen können, daß Auskünfte durch Personen, die dazu öffenthch bestellt sind oder sich dazu allgemein erboten haben, als vertragsmäßig anzusehen sind. Die Regel des Gesetzes trifft dann aber nur noch für rein private unentgeltliche Ratschläge zu : also nur für die am wenigsten wichtigen und häufigen Fälle. Hiernach ist die allgemein aufgestellte Regel, daß eine Raterteilung im Zweifel nicht auf einem Vertrage beruhe, ebenfalls nicht zu halten. Danach muß man sich ernstlich fragen, wie man zu der Bestimmung des § 676 BGB. gekommen ist. Hier verweisen die Motive auf Windscheid und dieser wieder auf die bekannten Stellen des römischen Rechts, wonach ein mandatum tua gratia nicht verpfhchtet, weil es „consilium magis est quam mandat u m " 5 3 . Diesen Zusammenhang bestätigen auch die Motive durch die Wendung, daß eine Raterteilung ,,an sich" unverbindlich sei. Hierbei sind aber die Verfasser des Gesetzes und die Wissenschaft — auch schon die gemeinrechtliche — einer bedauerlichen Verwechslung zum Opfer gefallen. Das Wort „ R a t " ist hier zweimal 50

R G . 27, 118ff. 65, 141. 67, 394ff.; J W . 1910, 183; LeipzZ. 1921, 164; Recht 1907 N r . 136, 1431; O L G . 13, 432. 51 R G . W a r n e y e r 1908 N r . 462, 1909 N r . 85; J W . 1915, 240. 52 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 161 A n m . 6, auch B r u n s w i g a. a. O. 82ff. 53 M o t i v e 2, 554; W i n d s c h e i d § 412 A n m . 21, dig. 17, 11. 2 § 6; instit. 3, 26 § 6.

R a t u n d Beratung.

259

in ganz verschiedenen Bedeutungen verwendet worden. Einmal, in den römischen Quellen, bedeutet es, daß keine Vertragsverpflichtung (sondern nur der Ausspruch einer Ansicht) vorliege. Das andere Mal bezeichnet es einen bestimmten Leistungsinhalt, nämlich die Angabe, was in einer gewissen Lage zweckmäßig zu tun sei. Beim ersten Male ist Raterteilung das, was der Handelnde tut, im andern Fall das, wozu er sich verpfhchtet. Das erstemal handelt es sich um einen bloßen Ratschlag, das andere Mal um die Verpflichtung zu einer Beratung. Die Frage nun, ob dem eine Vertragspflicht zugrunde hegt, ist für beide Begriffe sehr verschieden zu beantworten. Für den Ratschlag kann die Antwort nur lauten: niemals, denn er bedeutet ja eben die unmittelbare Verneinung einer solchen Verpfhchtung. Bei der Beratung dagegen ist es genau ebensogut möglich, daß sie auf einer Vertragspflicht beruht, wie das Gegenteil. Schief ist es daher, wenn die herrschende Lehre den Rat als unverbindlich hinstellen und für den Fall eines Vertragsschlusses eine Ausnahme zulassen will. Es handelt sich durchaus nicht um eine Regel und deren Ausnahme, sondern vielmehr um zwei ganz verschiedene Fälle. Die UnVerbindlichkeit trifft beim Ratschlag immer zu und bei der Beratung überhaupt nicht. — U m dies Mißverständnis künftig auszuschheßen, empfiehlt es sich, das doppeldeutige Wort „ R a t " hier möglichst zu vermeiden. Man beschränkt es besser auf den Fall, wo es ausdrücken soll, daß nur ein Rat und keine vertragsmäßige Bindung vorliegt. Die Fälle des § 676 aber bezeichnet man dann ausschheßlich mit „Beratung". Auch wo nach dem oben Dargelegten ein Vertrag anzunehmen ist, wird dadurch noch nicht ohne weiteres eine Haftung für unrichtige Beratung begründet : sondern nur dann, wenn der Berater dies zu vertreten hat, also regelmäßig nur bei Verschulden. Insbesondere kann daraus, daß ein Bankmann eine sachhch nachteilige Beratung erteilt hat, eine Haftung noch nicht abgeleitet werden. Auch wenn er bedenkliche Umstände verschweigt, so braucht darin noch nicht immer ein Verschulden zu hegen — insbesondere wenn er annehmen konnte, daß sein Kunde ohnehin genügend darüber Bescheid wisse 54 . — Der Beratungsvertrag kann Dienstoder Werkvertrag sein, je nachdem, ob nur die Tätigkeit oder aber auch das Erreichen eines nach der Lebensanschauung zuverlässigen 54

R G . J W . 1905, 502, 1909, 360; W a r n e y e r 1908 N r . 146; 1919 N r . 35; LeipzZ. 1916, 592. 1*

Verwahrung.

260

Erfolges versprochen wird. Nicht notwendig ist für den Werkvertrag, daß dadurch die Richtigkeit des Rats versprochen ist 5 5 . Denn auch die Erzielung eines sorgfältig ermittelten Ergebnisses kann schon als ein wirtschaftlicher Erfolg angesehen werden. Durch den Zusatz ,,ohne Obligo" wird also die Annahme eines Werkvertrages nicht ausgeschlossen. Fünftes Kapitel.

Verwahrung. § 134. Voraussetzungen. § 135. Verpflichtungen. § 136. VerwahrungsDarlehen. § 137. Aufnahme i m Gasthof. § 138. Ausschluß dieser H a f t u n g .

§ 134. Das Gesetz behandelt eine bestimmte Art von Tätigkeit, die Verwahrung von Sachen 1 besonders (§§ 688ff. BGB.). Es geschieht dies im Anschluß an das römische Recht, das aber nur die unentgelthche Verwahrung gesondert regelte. Da das BGB. auch die entgeltliche Verwahrung mit inbegreift, ist die Eigenart nur noch in der besonderen Art der Tätigkeit zu sehen. Diese liegt darin, daß Raum und Obhut für eine bewegliche Sache gewährt werden. Die bloße Überlassung eines Raumes stellt sich als Vermietung dar, oder, wenn sie unentgeltlich erfolgt, als Leihe 2 ; auch kann sie sich auf die bloße Duldung des Belassens von Sachen in dem Raum beschränken (oben S. 137). Alle solchen Abreden sind noch nicht als Verwahrungsverträge zu betrachten. Es muß vielmehr noch eine Tätigkeit, die Obhut, dazu treten, und zwar so, daß dies einen bedeutsamen Teil des Vertragsinhalts ausmacht. Anders wenn der Hauptzweck der Hingabe auf Benutzung gerichtet ist. Zwar steht es nicht entgegen, daß dem Verwahrer gestattet wird, nebenher oder im Notfalle die Sache in Gebrauch zu nehmen. Wird aber von vornherein die Verwendung der Sachen beabsichtigt oder doch ins Auge gefaßt, wie beim Verwahrungsdarlehen (§ 700 BGB.), so ist ein Verwahrungsvertrag nicht gegeben. Auch der Zweck der Sicherung schheßt in gleicher Weise die Verwahrung aus 3 . Daher 65

Anders B r u n s w i g a. a. O. 87ff. C o h n , H a n d b H R . 3, 884ff.; D e l i u s , Recht 1920, 33; B o v e n s i e p e n , H a f t u n g für Garderobe; B r a n d i s J W . 1929, 1737; W e i g e r t , GruchBeitr. 69, 303ff. 2 SeuffA. 37 N r . 305. 3 D e r n b u r g § 350; S c h o l l m e y e r 135; O e r t m a n n , Vorbem. 6 vor § 688; anders K ö h l e r 386 u n d andere. 1

Begriff.

261

ist es irreführend, die Obhutspflicht des Pfandgläubigers (§ 1215 BGB.) auf einen Verwahrungsvertrag zurückzuführen. Man hat sich hierzu dadurch verleiten lassen, daß das Gesetzbuch dort sehr ungenau diese Pfhcht dem „Pfandgläubiger" auferlegt — statt dem Pfandnehmer — und überhaupt die schuldrechtlichen Beziehungen aus dem Verpfändungsvertrag meistens übersieht. Aber diese Lücke muß man eben dadurch ergänzen, daß man, entsprechend dem römischen Recht, neben der dinghchen Pfandbestellung noch einen schuldrechtlichen, von der dinghchen Wirkung unabhängigen Verpfändungsvertrag annimmt. — Die Verwahrung wird fast allgemein als Realvertrag angesehen4 — und mit Recht : es spricht dafür der Wortlaut des § 688 (eine ihm übergebene Sache), die Geschichte und die Auffassung des Verkehrs. Doch ist auch hier zu beachten, daß damit nur eine Regel und nicht ein notwendiges gesetzliches Erfordernis aufgestellt wird, daß die Parteien also nach der im Schuldrecht herrschenden Vertragsfreiheit auch anders bestimmen können (I, 288). — Das hierdurch erforderte reale Moment erbhckt man nun allgemein darin, daß die Sachen in den Besitz des Verwahrers gelangt sein müssen. Aber das halte ich nicht für notwendig. Vielmehr genügt es, wenn eine äußere Lage hergestellt wird, kraft derer der Verwahrer die Obhut über der Sache ausüben kann — B e w a c h u n g s lage. Denn es gibt zahlreiche wichtige Fälle der Verwahrung, wo jener Besitz nicht entsteht. Besonders deuthch ist dies, wenn jemand eine verschlossene Kiste oder verschlossene Papiere zur Verwahrung übernimmt. Hier erstreckt sich der Vertrag nicht nur auf die Umhüllung, sondern auch auf den Inhalt : für ihn ist er nach Vertragsrecht, z. B. für ein Verschulden seiner Gehilfen haftbar. Und dennoch ist er nicht Besitzer dieses Inhalts geworden. Er hat keinen Eigenmachtsanspruch und keine Besitzverlustklage bezüglich der Sachen, die herausgenommen werden, und diese sind nicht ihm abhanden gekommen, er kann sie nicht durch Ersitzung erwerben. Das gleiche gilt von Sachen, die-in eine Gastwirtschaft und damit in die Obhut des Wirts gebracht worden sind. Auch hier hegt ein Verwahrungsvertrag vor (unten § 137), und doch ist auch hier sicherhch ein Besitz des Wirts zu verneinen. Und ebenso vom Schrankfachvertrag : auch hier erhält die 4

Anders C o s a c k § 216; W a r n e y e r strakte Forderung 16.

2 zu § 688; B r ü t t ,

Die ab-

Verwahrung.

262

Bank ebenfalls nicht Besitz an den eingelegten Stücken, und doch ist auch hier ein Verwahrungsvertrag gegeben. Allerdings nehmen die meisten hier einen eigenartigen Vertrag an, der aus Miete und Verwahrung gemischt sei 5 . Aber der Vertragsinhalt ist doch hauptsächlich auf die Aufbewahrung gerichtet. Man macht geltend, daß dabei doch ein Raum überlassen werde. Aber das trifft im Grunde bei jedem Verwahrungsvertrag zu. Daß der Raum dem Hinterleger ausschließlich zusteht, macht ebenfalls keinen wesentlichen Unterschied. Auch in Badeanstalten und ähnlichen Betrieben wird nicht selten jemandem ein ganzes Fach mit eigenem Verschluß eingeräumt: schwerlich kann man alle solche Fälle vom Verwahrungsvertrage ausschließen. So hat unsere Lehre den großen Vorzug, daß bei ihr die alltäglichen und wichtigen Fälle, besonders der Schrankfach- und Gastauf nähme vertrag, ihre gesetzliche Regelung finden. Die herrschende Lehre muß sich dagegen gerade bei diesen Hauptfällen einer Verwahrung mit dem unbefriedigenden Ergebnis begnügen, daß hier eigenartige, nicht geregelte Vertragsarten gegeben seien. — Allerdings beruft sie sich anderseits darauf, daß das Gesetz (§ 688) von einer „ihm übergebenen" Sache spricht. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß sie notwendig zum Besitz übergeben sein müsse. Man kann es auch darauf beziehen, daß sie ihm zur Obhut übertragen sei — wie ein Wachtposten seinem Nachfolger das Pulverhaus übergibt. Außerdem darf man die Wendungen des Gesetzes überhaupt nicht allzu wörtlich auslegen — was unsere Handbücher in den allgemeinen Lehren stark zu betonen pflegen, nachher aber oft vergessen. Daher sind auch die Vorschriften über die Rückgabe der Sache (§§ 695ff. BGB.) in demselben Sinne erweiternd zu deuten. Der Verwahrungsvertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden. Dies ist oft zweifelhaft bei den Kleidern, die in Speiseoder Unterrichtsanstalten, Wartezimmern und ähnlichen Räumen abgelegt werden. Es ist zunächst überall da zu bejahen, wo eine besondere Person dafür bereitgestellt ist und ihr, wenn auch unentgeltlich, die Kleider übergeben werden. Aber auch sonst überall, wo die Eintretenden genötigt werden, sie ohne eigene Aufsicht abzulegen, im Theater 6 , Restaurant 7 , einer Badeanstalt 8 oder 5 6 7 8

R e g e l s b e r g e r , B a n k A . 7, 2ff.; R G . 77, 336. 94, 74; vgl. oben S. 138. R G . W a r n e y e r 1920 N r . 77. R G . J W . 1924, 1870. R G . Leipz.Z. 1923, 600.

Stillschweigender Abschluß.

263

einem geselligen Verein, der ein eigenes Zimmer dafür anweist 9 : und auch in einer Unterrichtsanstalt, die die Besucher zum Ablegen auf dem Flur zwingt. Wenn dagegen nach der Lebensauffassung nicht die Notwendigkeit besteht, die Kleider abzulegen, so ist ein Verwahrungsvertrag nicht anzunehmen: so kann, wer einen Arzt oder Anwalt aufsucht, seine Sachen mit zu diesem hineinnehmen 10 . Überdies ist stets festzuhalten, daß auch, wo ein Vertrag anzunehmen ist, sich daraus allein noch nicht eine Haftung ergibt: sondern es muß der Verwahrer auch den Umstand zu vertreten haben. — Wieder anders steht es bei Sachen, die auf Grund eines öffenthch-rechthchen Verhältnisses in den Besitz einer Behörde gelangen, wie die im Strafverfahren beschlagnahmten Sachen. Hier wäre es ganz verkehrt, einen privatrechtlichen Verwahrungsvertrag anzunehmen. Vielmehr beruht die Obhutspflicht hier auf einer öffenthch-rechtlichen Verpflichtung, auf die die Regeln jenes Vertrags nur teilweise angewendet werden können 11 . So kann die Behörde hier, wenn der Empfangsberechtigte unbekannt ist, die Sache versteigern lassen (§ 983 BGB.). — Auch die Vergütung kann stillschweigend vereinbart werden (§ 689 BGB.). Ein Verwahrungsvertrag mit Vergütung ist ein gegenseitiger Vertrag (§§ 320ff. BGB.), nicht aber ein anderer. Denn dadurch, daß der Verwahrer Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann, wird eine Gegenseitigkeit noch nicht begründet (I, 334). — Besondere Vorschriften gelten für die Aufbewahrung von Wertpapieren durch Kaufleute (Depotgesetz vom 5. Juli 1896), für die Aufbewahrung durch den Kommissionär, Spediteur und Lagerhalter (§§ 388, 407, 417 HGB.) und durch die Post und Eisenbahn (§§6ff. des Reichspostgesetzes, §39 der Eisenbahn-Verkehrsordnung). § 135. Der Verwahrer hat Raum und Aufsicht zu stellen. Er haftet für jedes Verschulden, bei der unentgeltlichen Verwahrung jedoch nur für seine eigene Sorgfalt (§ 690 BGB.), weil es sich hier um eine vorwiegend persönliche Beziehung handelt (I, 442). Er ist im Zweifel nicht berechtigt, bei einem Dritten zu hinterlegen; tut er es erlaubtermaßen, so haftet er nur für sein eigenes Verschulden (§ 691 2 BGB.). Ob er Gehilfen zuziehen darf, hängt vom Vertrage ab; für deren Schuld ist er haftbar (§ 691 3 ). Er darf die 9

R G . 103, 265. R G . 99, 35. 11 W e i g e r t , GruchBeitr. 69, 303ff.; 80 N r . 80; R G . 108, 250ff. 10

SeuffA. 76 N r . 69, 78 N r . 131,

Verwahrung.

264

vereinbarte A r t der Aufbewahrung ändern, wenn er die Zustimmung des Gegners dazu annehmen konnte (§ 692 BGB.). Nach Beendigung ist er zur Rückgabe verpfhchtet. Wenn er die Sache bei einem anderen hinterlegt hat, so kann der Anspruch des ersten Hinterlegers auch gegen diesen Dritten gerichtet werden; das ist aus den Vorschriften, die dies für die ganz ähnhchen Fälle der Untermiete und -leihe bestimmen (§§ 556, 604) zu schließen 12 . Wenn der Verwahrer selbst Eigentümer der Sache ist, so macht das zwar den Vertrag nicht nichtig ; aber er hat dann eine Einrede gegen den Herausgabeanspruch, außer wenn dem Hinterleger ein Recht auf den Besitz zusteht. Ebenso kann der Beklagte sich auf ein anderes Besitzrecht, z. B. aus Pfandrecht oder Miete berufen. — Die Rücknahme kann jederzeit erfolgen, auch vor Ablauf der bestimmten Zeit (§ 695 BGB.). Der Verwahrer kann seinerseits die Sache jederzeit zurückgeben, falls keine Zeit bestimmt ist, sonst nur bei einem wichtigen Grund (§ 696 BGB.). Die Rücksendung wird meistens als eine Holschuld bezeichnet. Aber in Wahrheit wird auch hier der Schuldner verpfhchtet sein, die Rücksendung zu bewirken, nur auf Gefahr und Kosten des Gläubigers 13 . Der Hinterleger ist verpfhchtet, die etwa vereinbarte Vergütung zu bezahlen, bei Beendigung der Verwahrung oder, wenn sie nach Zeitabschnitten bemessen ist, jedesmal nach einem solchen (§ 699 BGB.). Er hat dem Gegner die Aufwendungen zu ersetzen, die dieser für erforderhch halten durfte (§ 693 BGB.). Bei der entgeltlichen Verwahrung werden sie aber meistens durch die Vergütung abgegolten sein. Er haftet für sein Verschulden, wenn die Sache dem Gegner Schaden zufügt (§ 694 BGB.). Das Verschulden kann entweder schon im Abschluß des Vertrages hegen, falls er gefahrdrohende Sachen zur Verwahrung hingibt, oder auch in der späteren Erfüllung seiner Pfhchten. § 136. Wenn vertretbare Sachen so hinterlegt werden, daß der Empfänger Eigentum erlangen und nur gleichwertige zurückgeben soll (Verwahrungsdarlehn, § 700 BGB.) 1 4 , so liegt ein Verwahrungsvertrag nicht vor. Einmal deshalb nicht, weil dies Geschäft regel12

v . T u h r , D J Z . 1901, 426; O e r t m a n n 3 zu § 695; anders P l a n c k 1 zu § 691. 13 Mein Erfüllungsort 40; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 167 A n m . 6; D e r n b u r g § 350. 14 N i e m e y e r , Depositum irreguläre; K u h l e n b e c k , J W . 1910, 641ff.; H eu ß η e r , Übergang der regelmäßigen Verwahrung i n eine unregelmäßige.

Verwahrungs -Darlehen.

265

mäßig nicht nur eine Obhut, sondern wesenthch auch eine Nutzung bezweckt, also mindestens auch im Interesse des Empfängers hegt (oben S. 260). Außerdem aber auch deshalb, weil nicht die hingegebenen Sachen, sondern andere zurückgegeben sind. Es fragt sich nur, ob es ein Darlehen ist. Nach dem Gesetz finden darauf die Vorschriften über das Darlehen Anwendung außer denen über Zeit und Ort der Rückgabe. Das ist dahin zu verstehen, daß das Geschäft wirklich ein Darlehen ist 1 5 . Denn die Natur eines Geschäfts bestimmt sich eben danach, welche rechthchen Bestimmungen dafür gelten. Die abweichenden Vorschriften über Zeit und Ort der Rückgabe sind nicht sehr bedeutsam und werden in den wichtigsten Fällen, besonders bei den Banken, meist durch Fristen wegbedungen. Außerdem läßt sich gar kein sachhcher Unterschied vom Darlehen finden. Man sieht ihn darin, daß der Zweck ein anderer sei: die Hinterlegung erfolge zum Schutze und i m Interesse des Hingebers, das Darlehen zur Nutzung und im Interesse des Empfängers. Aber meistens werden hier beide Gesichtspunkte nebeneinander maßgebend sein. Wer Geld auf die Bank legt, will es aufbewahren und zugleich auch nutzen. Welcher Zweck der vorwiegende sei, das läßt sich regelmäßig gar nicht bestimmen. Die Auffassung wechselt sogar mit der Höhe des Zinsfußes. Jedenfalls fehlt es hier an einem deuthch feststellbaren Merkmal für die Abgrenzung. — Der Vertrag kann auch in der Weise geschlossen werden, daß die Sache zunächst nur zur Verwahrung gegeben wird, der Empfänger aber berechtigt ist, sie zu verbrauchen, so daß von da ab Darlehensrecht gilt (§ 700 I 2 ) 1 6 . Auch hier wird, freilich erst durch die Aneignung, ein Darlehensvertrag abgeschlossen. Bei Wertpapieren ist es ganz besonders wichtig, festzustellen, ob eine Verwahrung oder ein solches Verwahrungsdarlehen vorhegt. Der Hinterleger hat das größte Interesse daran, den Vertrag i m ersten Sinne zu deuten, weil er dann Eigentümer des Papiers bleibt und so durch sein dingliches Recht und das Strafgesetzbuch gegen Verlust geschützt wird. Der Empfänger hat dagegen meistens umgekehrt den Wunsch, mit dem Papier Geschäfte zu machen. Um diesen gefährlichen Irrtum aufzuklären, schreibt das Gesetz (§ 700 I I ) vor, daß der Vertrag im ersten Sinne aufzufassen ist, 15

C o s a c k § 216; K u h l e n b e c k , V o n den Pandekten 2, 219. Anders die herrschende Meinung, Angaben bei O e r t m a n n 1 zu § 700. 18 v . T u h r , D J Z . 1901, 446.

266

Verwahrung.

wenn nicht das Gegenteil ausdrücklich vereinbart ist. Darunter ist nach richtiger Ansicht zu verstehen, daß die Abrede mit den eigens dafür bestimmten Sprachzeichen getroffen sein muß : es soll nicht genügen, daß die Absicht nur durch bloße Schlüsse gefolgert werden kann. Für den Hauptfall, die Hinterlegung bei Banken, ist im Depotgesetz (§2) bestimmt, daß die Abrede sogar schriftlich erfolgen muß, wenn nicht der Hinterleger ebenfalls ein Bank- oder Geldwechselgeschäft betreibt. Dadurch ist ein starker Schutz für die Kunden der Bank geschaffen: leider finden sich aber immer wieder solche, die dies nicht benutzen, sondern die gefährlichsten Bestimmungen verständnislos unterschreiben. — Auch beim Sammeldepot werden die Sachen (meist Wertpapiere) zur eigentlichen Verwahrung gegeben. Zwar besteht nicht die Verpflichtung, diese bestimmten Stücke, sondern nur ebensoviel Stücke derselben Art zurückzugeben. Aber die Hinterleger haben hier Miteigentum an den verwahrten Papieren dieser Gattung. Wer also seiner Bank zehn Farbenaktien übergeben hat, dem gehört ein entsprechender Teil aller der gleichen Aktien im Depot der Verwahrungsbank, bei der sie von der ersten Bank hinterlegt sind. Er hat mithin im Konkurse der letzteren ein Aussonderungsrecht und ist also geschützt. § 137. Nichts anderes als ein Verwahrungsvertrag ist auch in der Gasthofverwahrung (§§ 701ff. BGB.) enthalten 17 . Die Eigenart liegt nur darin, daß der Wirt hier auch für Zufall haftet. Diese strenge Haftung der Wirte wurde von den Römern auf deren Unzuverlässigkeit gestützt. Aber auch heute, wo dieser Grund sicher nicht mehr zutrifft, ist sie beibehalten worden, und zwar, weil die Gäste selbst ihre Sachen nicht bewachen und schützen können, da sie doch ihr Zimmer oft verlassen müssen. Dagegen ist es unrichtig, wenn man die Vorschrift oft aus einem Beweisnotstand des Gastes ableitet; denn die Beweislast für die Schuldfrage trägt ja nach § 282 BGB. gar nicht dieser, sondern der Wirt. Diese Betrachtung ist deshalb wichtig, weil sich daraus ergibt, für welche Fälle der ,,Beherbergung" das Gesetz zutrifft: nämlich überall da, wo der Gast dadurch gefährdet wird, daß er regelmäßig seine Sachen ohne Aufsicht lassen muß. Daher gilt die Haftung sicher nicht für die 17 Über die H a f t u n g des Gastwirts: L a n g e n , Die privatrechtliche Stellung der W i r t e u n d der Gastauf nähmevertrag ; S t u r m , Einbringung v o n Sachen bei Gastwirten; B r ü c k n e r , Recht 1907, 1106ff.; L a n g s d o r f f , D J Z . 1903, 334ff.; P o l e n s k e , Gastschaftsverträge; ZivArch. 114, 415.

Gastwirte.

267

Speisewirtschaft 18 , aber auch nicht für Schlafwagen und Schiffe 19 . Man hat letzteres darauf gegründet, daß die Wohnung hier nur nebensächlich gegenüber der Beförderung sei 20 . Aber darauf kommt es nicht an: denn auch in dem ärztlichen Sanatorium muß die strenge Haftung gelten 21 . Wird ein Zimmer im Gasthof nur zu einer Versammlung oder anderer zeitweiser Benutzung vermietet, so ist eine Beherbergung nicht gegeben. — Es müssen „Fremde" aufgenommen werden, also ein regelmäßiger häufiger Wechsel der Besucher stattfinden. Daher t r i t t die Haftung bei der Vermietung möbherter Wohnungen nicht ein. Bei einer Pension ist zu unterscheiden, ob in ihr ein solcher ständiger Wechsel erfolgt 22 . Dagegen steht es der Haftung nicht entgegen, daß der geschädigte Gast selbst dauernd in dem Gasthof wohnt 2 3 . Endlich muß der Wirt gewerbsmäßig die Beherbergung gewähren, also planmäßig Nutzen daraus ziehen. Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß er damit auch andere Leistungen und andere Zwecke verbindet. Eben deshalb muß die Haftung auch für das ärztliche Sanatorium gelten, vorausgesetzt, daß hier ein regelmäßiger Wechsel der Besucher Platz greift. Dagegen haftet ein Gebirgsverein, ein Schülerheim nicht, wenn sie ohne eigenen Nutzen Räume zur Verfügung stellen 24 . Die Sachen müssen „eingebracht" sein. Darin ist nach richtiger Ansicht ein V e r w a h r u n g s v e r t r a g zu erblicken, und auf ihm beruht die Haftung des Gastwirts. Freihch wird das allgemein bestritten. Am einfachsten erscheint es, die Haftung auf den Hauptvertrag zu gründen 25 . Aber danach müßte sie den Abschluß eines solchen voraussetzen. Und dabei kann doch kein Zweifel sein, daß sie auch dann eingreift, wenn dem Hausdiener Gepäck übergeben wird, es aber dann doch nicht zum Abschluß des Mietvertrages kommt. Das läßt auch das Gesetz selbst erkennen, nach dem es genügt, wenn die Sachen den „zur Entgegennahme der Sachen bestellten Leuten" übergeben sind. Außerdem müßte 18

R G . 104, 46. P l a n c k , Vorbem. I I ; B r ü c k n e r , Recht 1902, 305; C r o m e § 278, A n m . 3; L a n g e n a. a. O. 6, E n n e c c e r u s - L e h m a n n , § 170 A n m . 3; EisenbEntsch. 24, 195, 319. Dagegen O e r t m a n n 1 zu § 701; F u l d , EisenbEntsch. 24, 324ff.; HansGZ. 1905, 58. 126. 20 E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. 21 Anders freilich R G . 112. 59ff.; J W . 1926, 798; O L G . 20, 226ff. 22 R G . 103, 10; O L G . 41, 129. 23 SeuffA. 75 N r . 154; O L G . 40, 306; K l e i n , J W . 1921, 459. 24 25 O L G . 43, 80. L a n g e n a. a. O. 23ff. u n d Genannte. 19

268

Verwahrung.

hiernach die Haftung sofort mit der Beendigung der Miete aufhören. Sie kann aber noch fortdauern, wenn die Parteien eine weitere Aufbewahrung, etwa bis zur baldigen Rückkehr des Gastes oder zwecks Nachsendung, vereinbaren (unten S. 269). Die herrschende Meinung betrachtet die Haftung nicht als eine vertragsmäßige, sondern eine gesetzliche, die sich unmittelbar auf die Tatsache der Einbringung gründet. Aber dies scheint mir ebenfalls unhaltbar. Danach müßte die bloße Tatsache genügen, daß der Gast die Sache in den Gasthof hineingetragen hat. Es ist aber vielmehr eine Erklärung beider über eine Obhut erforderlich. Wenn der Gast ohne Zustimmung des Wirts oder seiner Leute Sachen in den Bereich des Gasthofs schafft, so genügt das nach § 701 I I BGB. nur dann, wenn dieser Ort dafür angewiesen oder sonst bestimmt ist, wenn also der Wirt einer solchen Einbringung stillschweigend zugestimmt hat. Wenn aber der Gast sein Auto oder Fahrrad einfach in einen Schuppen des Gasthofes einstellt, so ist die Haftung nicht begründet. Ebenso genügt es nicht, die Sache irgendwelchen Leuten des Wirts zu übergeben, sondern sie müssen zur Entgegennahme bestellt oder doch als bestellt anzusehen sein (§ 701 I I ) . Es sind übereinstimmende Erklärungen erforderhch, also ein Vertrag. Daher ist die Einbringung auch nach den Regeln über Rechtsgeschäfte zu behandeln. So kann der Wirt die Übernahme anfechten, wenn er über den Inhalt der eingebrachten Sachen getäuscht worden ist. Daher ist auch Geschäftsfähigkeit der Parteien zu fordern. Allerdings beruft sich die herrschende Lehre darauf, daß es sehr unbilhg sei, einem geisteskranken Gast diesen Schutz zu versagen. Aber mir scheint es umgekehrt äußerst unbilhg, daß der Wirt, der von diesem Gaste keine Bezahlung erhält, auch noch für Zufall haften solle. Auch müßte man dann ebenfalls dem Wirte das Pfandrecht (§ 704) an den eingebrachten Sachen des geisteskranken Mieters einräumen, was gleichfalls bedenklich wäre. Ganz unhaltbar wäre es auch, einer geisteskranken Vermieterin von Zimmern, die etwa törichterweise ein Auto eingestellt hat, die strenge Haftung aufzubürden. Auch die Regeln über Vertretung und Vollmacht sind anzuwenden. Zwar macht man geltend, nach § 701 I I genüge es schon, daß die Leute nach den Umständen als zur Entgegennahme bestimmt anzusehen waren. Aber hier hegt eben einer der Fälle vor, wo das Vertrauen auf den Rechtsschein geschützt wird. Für diese Vertragsnatur der Einbringung spricht ferner wesentlich, daß auch das römische Recht, aus dem die ganze Lehre stammt,

Gastwirte.

269

die Haftung auf einen solchen Einbringungsvertrag —receptum — stützte. Und ebenso schließen sich die Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch offenbar an den vorhergehenden Verwahrungsvertrag an. Endlich gelten auch für die Haftung die Vorschriften des Vertragsrechts, nicht —wie die herrschende Lehre annehmen müßte — die über schuldlose Unrechtshandlungen. So ist, wie allgemein anerkannt wird, ganz sicher nicht die kurze Verjährung für Unrechtshandlungen anzuwenden. Dieser Vertrag ist auf Verwahrung der Sachen gerichtet. Zwar scheint es nach § 7011, als ob es auf die Aufnahme des Gastes ankomme. Aber es ist ja, wie schon erwähnt, gar nicht nötig, daß er selbst als Mieter aufgenommen wird. Danach ist der Vertrag als eigentlicher Verwahrungsvertrag anzusehen, nicht etwa als ein auf Duldung und Schadensersatzleistung gerichteter „Gastschaftsvertrag" 26 . Wenn sich die herrschende Lehre gegen unsere Auffassung sträubt, so hegt das jedenfalls daran, daß sie eine Verwahrung ohne Besitzübergabe nicht anerkennen will. Aber wir sahen oben (S. 261), daß für sie eine bloße Bewachungslage ausreicht. § 138. Die Haftung endigt, wenn die Sache vom Gast wieder entfernt wird. Läßt er sie nach der Beendigung der Miete aus Versehen zurück, so wird der Gastwirt sie ihm, wenn möghch, nachzuschicken haben und bis dahin noch haften. Wenn beide vereinbaren, daß sie noch einige Zeit, etwa zwecks Nachsendung, dort bleiben soll, so dauert die strenge Haftung auch noch fort, falls die Verwahrung als Fortsetzung der bisherigen anzusehen ist. Es kann darin aber auch der Abschluß eines neuen gewöhnlichen Verwahrungsvertrags zu sehen sein 27 — und das wird man besonders dann annehmen, wenn es für längere Zeit vereinbart wird. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Schaden von dem Gast oder dessen Begleiter verursacht worden ist (§ 7 0 1 1 1 BGB.). Das Gesetz verlangt nicht, daß dieser schuldhaft gehandelt hat. Anderseits kann sich der Wirt, auch wenn der Schaden nicht vom Gast verursacht ist, auf dessen eigenes Verschulden nach § 254 BGB. berufen 28 . Auch eine Beschädigung durch Sachen des Gastes — z . B . seinen Hund — muß von diesem getragen werden, und ferner höhere Gewalt. Darunter sind typisch unabwendbare Ereignisse zu verstehen (I, 448ff.). Es kommt also nicht darauf an, 2e 27 28

So P o l e n s k e a. a. O.; ähnlich G i e r c k e , Privatrecht 3, 742ff. R G . W a r n e y e r 1921 N r . 144. R G . 75, 394.

Verwahrung.

270

ob der Wirt im vorliegenden Falle schuldhaft gehandelt hat, sondern ob es sich um einen Unfall handelt, der nach seiner Natur im allgemeinen vermieden werden kann. Dazu gehören Diebstähle nicht, auch nicht, wenn sie sehr geschickt ausgeführt werden — wohl aber ein Überfall durch eine aufrührerische Menge. Die Haftung kann auch durch Vertrag ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Eine einseitige Erklärung des Wirtes kann dazu nur dann ausreichen, wenn der Gast sich ihr stillschweigend unterwirft ; Anschläge sind dazu nicht ausreichend (§701 I I I BGB.). — Für Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten haftet der Wirt nur in Höhe von 1000 Mk. (§ 702 BGB.). Der Gast kann sich aber dadurch helfen, daß er diese als Wertsachen dem Wirt zur gesonderten Verwahrung anbietet: dann haftet der Wirt für diese unbeschränkt, gleichviel, ob er die Verwahrung übernimmt oder ablehnt. Unter einer Kostbarkeit ist im allgemeinen jede Sache zu verstehen, die im Verhältnis zu ihrer Größe besonders wertvoll ist. Aber es ist dabei zu berücksichtigen, daß es sich um Sachen handeln muß, die dem Wirte zu gesonderter Aufbewahrung übergeben werden sollen. Das ist unmöglich bei Sachen, die der Gast regelmäßig benutzt : die Kostbarkeit steht hier im Gegensatz zu den Gebrauchsgegenständen. Daher wird ein Pelz, der zum täglichen Gebrauch dient und nicht ganz unverhältnismäßig kostspielig ist, nicht dahin zu rechnen sein 2 9 ; sonst müßte der Wirt eines großen Hotels in der Nacht fortwährend aufstehen, um die Pelze in Verwahrung zu nehmen. Sind mehrere Gäste aufgenommen, so ist für jeden einzelnen die Summe von 1000 Mk. zu rechnen 30 . Recht unbilhg ist es, wenn man für alle Familienmitglieder nur 1000 Mk. rechnen w i l l 3 1 ; und wenn man dies auf die unselbständigen beschränkt 32 , so ist damit keine feste Abgrenzung gewonnen. — Der Gast muß den Verlust oder die Beschädigung unverzüglich anzeigen, widrigenfalls sein Anspruch erlischt (§ 703 BGB.). Der Gastwirt hat ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen, soweit sie dem Gaste gehören (§ 704 BGB.). Das ist um so mehr nötig, als er die Fremden, die bei ihm einkehren, und ihre Zahlungsfähigkeit regelmäßig nicht kennt. Es finden darauf die Vorschriften über das Pfandrecht des Vermieters Anwendung. 29 30 31 32

R G . 75, 190. 105, 202. LeipzZ. 1922, 710. K R G R ; P l a n c k , S t a u d i n g e r zu § 702; L a n g e n a. a. O. 114. S t u r m a. a. O. 29; F u l d , Miete 268. K i p p bei W i n d s c h e i d zu § 384; O e r t m a n n zu § 702.

Dritter

Abschnitt.

Gesellschaft. § 139. Sozialrecht. § 140. Zweck der Gesellschaft. § 141. Aufgabe. § 142. Zusammenwirken. § 143. Leistungen. § 144. Gegenseitiger Vertrag. § 145. Rechte der Gesellschafter. § 146. Gesellschaftsvermögen. § 147. Gesamthand. § 148. Anteile der Gesellschafter. § 149. Schulden. § 150. Ende. § 151. Folgen. § 152. Ausscheiden eines Gesellschafters. § 153. Anwendungsgebiet.

§ 139. Bei der Gesellschaft (§§ 705ff. BGB.) 1 werden Sachen oder Arbeitsleistungen versprochen. Dieser Vertrag reiht sich daher als dritter Abschnitt den Verträgen auf Sachleistung und auf Arbeitsleistung an. Durch die Gesellschaft wird ein Gemeinschafts Verhältnis geschaffen, und daraus hat man die Forderung abgeleitet, sie mit dem Recht anderer Verbände zu einem Sozialrecht zusammenzuschließen2. Aber dabei wird nicht genügend gewürdigt, daß der rechthche Inhalt der Gesellschaft wesentlich in der Begründung von Verpflichtungen besteht, also dem Schuldrecht angehört. Richtig ist allerdings, daß durch sie auch dingliche Wirkungen geschaffen werden, indem ein besonderes Vermögen von eigenartiger dinglicher Beschaffenheit gebildet wird. Aber das kommt auch bei anderen Schuldverträgen vor : so wird beim Darlehen Geld zu Eigentum übertragen, und schließlich laufen sogar alle Veräußerungspflichten auf eine dingliche Übertragung hinaus. Freihch beruft man sich auch darauf, daß gerade bei der Gesell1

G i e r k e , Genossenschaftsrecht, Genossenschaftstheorie, Privatrecht 1, 660ff.; Vereine ohne Rechtsfähigkeit; A d l e r , Zur Entwicklungsgeschichte u n d Dogmatik des Gesellschaftsrechts; J o r g e s , Z H R . 49, 140ff. 51, 47ff., K a u f m a n n , Eigentum a m Gesellschaftsvermögen; K n o k e , Das Recht der Gesellschaft; N a g l e r , SächsArch. 10, 695ff.; A f f o l t e r , B ü r g A . 35, 225ff.; S i l b e r s c h m i d t , Beteiligung u n d Teilhaberschaft; E h r e n b e r g , HandwStaatswiss.; K l a u s i n g , BürgA. 43, 155ff.; S c h a f h e u t l e , Gesellschaftsbegriff u n d Erwerb i n das Gesellschaftsvermögen (Hoenigers Abhandlungen). 2 G i e r k e , a. a. Ο., C o s a c k , S t e i n b a c h , Rechtsgeschäfte der w i r t schaftlichen Organisationen 3; H o e n i g e r , Gemischte Verträge 2 7 I f f . ; J u n g , JheringsJ. 69, 44.

272

Gesellschaft.

schaft eine eigenartige Form der Gemeinschaft, die Gesamthand geschaffen wird, und daß eben diese deutschrechtliche Gestaltung ihr Wesen verändere. Aber die Gesamthand kommt doch auch bei der Gütergemeinschaft und der Erbengemeinschaft vor, wo doch sicher kein Sozialrecht vorhegt. So bleibt schheßhch als das, was die Gesellschaft mit anderen Vereinigungen verbindet, nur die soziale Vereinigung. Aber wir dürfen bei der rechthchen Gruppierung nicht übersehen^ daß die rechthchen Formen hier eben sehr verschiedenartig sind. Mögen auch die Vereine mit oder ohne Rechtsfähigkeit im Sozialleben oft einander sehr ähnlich sein: um so mehr muß die Rechtslehre betonen, daß es sich rechtlich um verschiedene Gebilde handelt. Keinesfalls dürfen die Verbände des Privatrechts mit den ganz andersartigen des öffentlichen Rechts zusammengeworfen werden. § 140. Jede Gesellschaft muß eine Aufgabe haben, die erstrebt werden soll. Es kann das ein dauernder Betrieb sein, aber auch eine einzelne Maßnahme, z. B. ein gemeinsamer Einkauf oder eine gemeinsame Autofahrt. Das Gesetz (§ 705) drückt das nun so aus, daß die Gesellschafter sich verpflichten, „die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten". Diese Fassung, die auch in der Rechtslehre allgemein übernommen und gebilligt wird, ist ungenau oder doch mißverständlich. Denn eben dadurch, daß der Zweck hier den im Vertrage versprochenen Leistungen gegenübergestellt ist, wird der Anschein erweckt, als ob damit der durch den ganzen Betrieb erstrebte Endzweck gemeint sei. I n der Tat scheint das auch die allgemeine Auffassung zu sein; in diesem Sinn wird z . B . gelehrt, daß der Zweck ein wirtschaftlicher oder idealer sein könne 3 . Aber wir meinen, daß es nicht auf diesen ankommen könne, sondern vielmehr auf die unmittelbare A u f g a b e , die der Vertrag der Gesellschaft stellt. Der Unterschied zwischen beiden Auffassungen ist mehrfach bedeutsam. Über jenes Endziel braucht gar keine Vereinbarung herbeigeführt zu werden, z. B. ob der Betrieb hauptsächhch den eigenen oder gemeinnützigen Interessen dienen soll: die Ansichten der Parteien darüber können ganz unklar sein oder auseinandergehen. Dagegen muß über die Aufgaben der Gesellschaft volle vertragsmäßige Einigungjjherrschen. Ferner muß die Aufgabe auf ein gemeinsames 3

R G R K . 3 zu § 705; O e r t m a n n , Vorbem. 3 und andere.

Zweck.

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Zusammenwirken gerichtet sein. Dagegen ist es keineswegs nötig, daß auch der Endzweck ein gemeinsamer sei — trotz des Wortlauts des § 705. Es können sich zu einer Gesellschaft, z. B. zur Erbauung von Wohnhäusern, sehr wohl verschiedene Leute zusammen tun, von denen der eine Gewinn durch die Vermietung, der andere Erschließung des ihm gehörigen Hintergeländes, der Dritte den Nutzen der Stadt, ein anderer die Bekämpfung der Wohnungsnot bezweckt. Und selbst in dem häufigsten Falle, wo nur wirtschaftliche Ziele erstrebt werden, ist doch jeder im Grunde auf seinen eigenen Vorteil bedacht 4 . Nicht das Ziel ist gemeinschaftlich, sondern die darauf gerichtete Tätigkeit. — Ferner erlischt nach § 726 BGB. die Gesellschaft, wenn ihr Zweck erreicht oder seine Erreichung unmöghch geworden ist. Auch das kann nicht für den Endzweck gelten. Wenn ein Verein die Besserung der Wohnungsverhältnisse erstrebt, so geht er nicht etwa unter, wenn er dies Ziel erreicht hat, und ebensowenig, wenn sich dem unüberwindliche Hindernisse entgegenstellen. Vielmehr paßt die Vorschrift des § 726 nur auf solche Fälle, wo die Aufgabe, die der Verein sich gesetzt hat, erreicht oder weggefallen ist: wenn z. B. der vereinbarte Betrieb der Gesindevermittlung gesetzlich verboten wird. Dasselbe gilt von dem allgemein gelehrten Satze, daß schon beim Vertragsschlusse der „Zweck" nicht ein unmöglicher sein dürfe. Auch das ist nur insofern richtig, als man es auf die der Gesellschaft gesetzte Aufgabe bezieht : wenn z. B. die Sache, die gemeinsam verkauft werden soll, nicht vorhanden ist. Dagegen steht es der Gültigkeit sicherhch nicht entgegen, wenn der geplante Betrieb außerstande ist, den beabsichtigten Gewinn zu erzielen. Hiernach ist es richtiger, statt von dem Zweck, von der Aufgabe der Gesellschaft zu sprechen. Richtig ist nur, daß die Aufgabe der Gesellschaft in der Form bestimmt werden kann, daß ihr Inhalt durch eine allgemeine Zielsetzung beschrieben wird. Aber das ist keineswegs notwendig. Die Parteien können vielmehr auch die Leistungen der Gesellschafter im einzelnen festsetzen. Wenn zwei Hausfrauen gemeinsam Waren einkaufen wollen, so können sie es so machen, daß sie nur dies Ziel bestimmen, so daß sich daraus die einzelnen erforderlichen Tätigkeiten ergeben. Sie können aber auch statt dessen genau verabreden, was jede im einzelnen zu tun hat: dann ist die Angabe 4

J h e r i n g , Zweck i m Recht 1, 212; H o e n i g e r , Gemischte Verträge 214ff.; W i e l a n d , Handelsrecht 1, 460; S c h a f h e u t t l e a. a. O. 22ff. B i n d i n g , Handb. X , 2. I I :

Leonhard, Schuldrecht I I .

18

Gesellschaft.

274

eines allgemeinen Zieles unnötig. Man wende nicht ein, daß eine Gesellschaft überhaupt nur da vorhege, wo ein solches allgemeines Ziel erstrebt werde. Denn sie kann sich auch lediglich auf die Vornahme eines einzelnen festbestimmten Geschäftes richten, z. B. den Ankauf eines Loses5, die Miete eines Autos oder die Bestellung einer Flasche Wein. Daß solche Gelegenheitsgesellschaften möglich sind, wird allseitig anerkannt. I n der Tat muß auch darauf Gesellschaftsrecht angewendet werden; vor allem muß eine dabei gebildete Kasse den Beteiligten zur gesamten Hand gehören, so daß der einzelne auch nicht teilweise darüber verfügen kann. Das ist schon deshalb notwendig, weil eine scharfe Abgrenzung sonst gar nicht durchgeführt werden könnte. § 141. Hiernach bleibt nur soviel richtig, daß in irgendeiner Form der Gesellschaft eine Aufgabe, ein Ziel gesetzt sein muß: und das will § 705 BGB. besagen. Ohne dies Erfordernis käme man dazu, jede Vermögensgemeinschaft als eine Gesellschaft zu betrachten. Und das ist sicher nicht richtig, da das Gesetz in einem besonderen Abschnitt (§§ 74Iff.) die anderen Fälle der Gemeinschaft behandelt und wesentlich abweichend regelt, und ebenso in einem anderen Abschnitt (§ 1008ff.) gewisse Fälle des Miteigentums. Man könnte nun etwa meinen, daß jede durch einen Vertrag begründete Gemeinschaft eine Gesellschaft enthalte 6 . Aber auch das wäre nicht haltbar. Wenn zwei Personen nichts weiter vertragsmäßig vereinbaren, als daß sie ein Recht zusammen erwerben, so wird dadurch allein noch keine Gesellschaft begründet : so wenn zwei Vermächtnisnehmer verabreden, daß sie ein ihnen vermachtes Grundstück zu gleichen Teilen durch Auflassung erwerben oder das vermachte Geld auf ein gemeinsames Bankkonto anlegen wollen. Sonst könnte ja auch ein Miteigentum nach § 1008 ff. BGB. nicht durch Einigung, also eigenthch überhaupt kaum jemals entstehen. Anders hegt es freilich — trotz äußerer Ähnlichkeit — in den eben erwähnten Fällen, wo mehrere den gemeinsamen Ankauf einer Sache, sei es nun eines Landgutes oder auch nur eines Buches vereinbaren. Denn hier haben sich die Parteien zunächst doch eine, wenn auch nur begrenzte Aufgabe gesetzt, und das Erfordernis für eine Gesellschaft ist daher erfüllt. Aber diese Gesellschaft hat dann eben durch die Erfüllung der 5 6

R G . GruchBeitr. 48, 797ff.; O e r t m a n n 2 zu § 705. So H e n s e l e r JheringsJ. 80, 373; ferner J W . 1925, 392 u n d andere.

Aufgabe.

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Aufgabe ihr Ende gefunden. Oder richtiger: sie kann beendigt worden sein, falls ihr nun nicht noch weitere Aufgaben durch die gemeinsame Verwaltung und Benutzung gesetzt worden sind. Es kann sein, daß die Vermächtnisnehmer sich darauf beschränkt haben, den gemeinsamen Erwerb zu vereinbaren: sie können aber auch weitere Abmachungen über die fernere gemeinsame Verwendung getroffen haben, und darin wäre dann ein Gesellschaftsvertrag zu erblicken. Dies ist auch dann zu bejahen, wenn zwei Nachbarn gemeinschaftlich ein Grundstück erwerben, lediglich um dessen Bebauung zu verhindern : denn auch hierdurch ist eine gemeinsame Aufgabe begründet worden: das Grundstück in anderer Weise zu verwalten 7 . Wenn aber solche Abreden über die fernere Gestaltung nicht getroffen sind, so ist lediglich eine lose Gemeinschaft vorhanden. Das gleiche trifft endlich auch da zu, wo die Gemeinschaft zwar dauernd fortgesetzt wird, wo dies aber nicht auf einer Abrede beruht, sondern die Rechtsbeziehungen der Gemeinschafter schon anderweit durch Gesetz geregelt sind. Dies gilt vor allem bei der Gemeinschaft von Ehegatten oder zwischen Eltern und Kindern. Wenn Ehegatten zusammen ein Grundstück erhalten, insbesondere durch bäuerhchen Übergabevertrag, so ist das als lose Gemeinschaft aufzufassen. Ebenso ist in dem alltäglichen Fall, daß sie gemeinsam die ehehche Wohnung mieten (oben S. 139ff.), dies als Gemeinschaft und nicht etwa als Gesellschaft anzusehen8. Dies wird zwar vereinzelt bestritten 9 , aber es ist schon aus praktischen Gründen dringend geboten. Denn sonst wären nicht die einzelnen Ehegatten, sondern die Gesellschaft als Mieterin anzusehen. Daraus würde sich unter anderem ergeben, daß die Sachen der Ehegatten dem Pfandrecht des Vermieters nur in dem ganz seltenen Falle hafteten, wo sie beiden gemeinsam gehörten, und daß wegen Todes oder Versetzung des Ehemannes nicht gekündigt werden könnte. Bei der Frage, ob eine Gesellschaft vorhegt, muß also genau unterschieden werden, 1. ob sie schon in dem Erwerbsakte enthalten war und 2. ob die spätere Gemeinschaft auf einer solchen Vereinbarung oder auf einer anderen Beziehung beruht. 7 H e l l w i g , Lehrbuch 3, 110 A n m . 46; j e t z t auch O e r t m a n n , Vorbem. vor § 741. l c . 8 H e n s e l e r a. a. O. 371 ff. m i t zahlreichen Angaben 374 A n m . 27. • E c c i u s , GruchBeitr. 54, 686; weitere Angaben bei H e n s e l e r 372.

18*

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Gesellschaft.

§ 142. Die Mittel zur Erfüllung dieser Aufgabe bestehen darin, daß jeder Gesellschafter in irgendeiner Form mitwirkt, sei es durch Leistung von Sachen, Arbeit, Sicherheiten oder anderen Beiträgen. Häufig kommt es vor, daß der eine Gesellschafter wesentlich Geld einbringt, während der anderej jüngere den Hauptteil der Arbeit leistet. Es ist nicht notwendig, daß sich jeder durch die Leistung von Vermögensstücken beteiligt und daß so ein Gesellschaftsvermögen gebildet wird 1 0 . Aber er muß dann eben auf andere Weise, durch seine Tätigkeit oder seinen Kredit das Ganze unterstützen. Hiernach sind von der Gesellschaft die Fälle auszuscheiden, wo nur der eine die Herbeiführung dieses Erfolges zu bewirken hat und der andere lediglich am Gewinn und Verlust teilnimmt. (Beteiligungs- oder partiarisches Geschäft.) So ist, wer lediglich das Geld für ein Unternehmen leiht, deshalb noch nicht als Gesellschafter anzusehen. Er ist nicht Teilhaber des Geschäfts, er kann es nicht vertreten, er hat nicht das Recht mitzubestimmen. Zwar spricht das HGB. (§§ 335ff.) von einer stillen Gesellschaft überall, wo jemand an einem Handelsgewerbe mit einer bloßen Einlage beteiligt ist — und demgemäß wird fast allgemein angenommen, daß es sich hier um eine wirkliche Gesellschaft (des bürgerlichen Rechts) handle 11 . Aber das ist unannehmbar. Die meisten und wichtigsten Vorschriften des Gesellschaftsrechts sind hier nicht anzuwenden. Von einem gemeinsamen Vermögen und der dabei geltenden Gemeinschaft zur gesamten Hand kann hier gar nicht die Rede sein 12 . Aber der stille Gesellschafter hat auch nicht das Recht auf Einsicht in die Geschäfte. Er darf zwar eine Abschrift der Bilanz und ihre Prüfung fordern (§ 338 HGB.), aber er ist nicht befugt, Rechnungslegung zu verlangen und noch weniger, die Geschäftsführung zu bemängeln 13 . Er muß daher von einem eigentlichen Gesellschafter streng unterschieden werden, der, auch wenn er von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, dennoch alle diese Rechte hat (§ 716 BGB.). Selbst das ist schon bedenklich, eine ! R G . 56, 206. 77, 223. 80, 271ff. 91, 431. 93, 342. 109, 381; J W . 1905, 719. 1909, 656, 933; W a r n e y e r 1909 N r . 403; B l f R A . 77, 245; LeipzZ. 1904, 817. 11 Allgemeine A n s i c h t ; dagegen n u r L ü b b e r t , Z H R . 58, 511; zum T e i l auch L a n g , Die Typen der stillen Gesellschaft. 12 G i e r k e , BürgA. 19, 135; M a r c u s , H o l d h Z . 20, 257; S t a u b 2 zu § 335; L a n g a. a. O. 20ff. 13 M a r c u s , H o l d h Z . 23, 112.

Zusammenwirken.

277

solche Vereinigung, die nicht auf eine gemeinsame Tätigkeit gerichtet ist, auch nur als gesellschaftsähnhch zu bezeichnen14. Denn gerade in dem entscheidenden Punkte ist sie von der Gesellschaft durchaus verschieden. Ob nun eine solche bloße Beteiligung oder eine wahre Gesellschaft vorhegt, ist davon abhängig, ob alle Beteiligten in selbständiger Weise zu den Aufgaben mitwirken. Allerdings trägt ja auch derjenige, der nur ein Darlehn gibt, dazu bei. Aber es ist doch ein greifbarer Unterschied zwischen einem solchen bloßen Geldgeber und denjenigen, die sich selbst auch durch Arbeit oder doch durch Rat an der Geschäftsführung beteiligen. — Nicht dagegen kommt es darauf an, ob die Geschäfte nach außen hin im Namen der Gesellschaft geführt werden. Man hat zwar die Vereinigungen, bei denen der Handelnde nur im eigenen Namen auftritt, als bloße Innengesellschaft bezeichnet und sie von dem Gesellschaftsrecht ausschheßen wollen, insbesondere von dessen Rechtssatz, daß das Gesellschafts vermögen eine Gesamthand bildet 1 5 . Man beruft sich besonders darauf, daß bei einer solchen Innengesellschaft der Gläubiger ja nur einen Anspruch gegen den Abschließenden habe und daß es daher bedenklich sei, die von diesem gemachten Einlagen ihrem Zugriff zu entziehen. Aber ihm wird — wie allen Gläubigern eines Gesellschafters — dadurch geholfen, daß er nach § 725 seinen Anteil pfänden und sich so befriedigen kann. Gegen die Unterscheidung spricht anderseits erheblich, daß das Gesetz in seiner Begriffsbestimmung (§ 705) nichts davon erwähnt, daß die Gesellschaft nach außen hin als solche auftreten müsse. Endlich scheiden aus dem Kreise der Gesellschaften alle die zahllosen Fälle aus, wo ein Überordnungsverhältnis besteht, also beide nicht in gleichartiger Weise zusammenwirken. Ein solches ist auch dann anzunehmen, wenn ein Arzt einen Gehilfen annimmt, aber nicht, wenn er sich mit einem jüngeren Kollegen verbindet 16 . Der Vertrag kann formlos abgeschlossen werden. Er bedarf nur dann der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, wenn er auf das gesamte gegenwärtige Vermögen oder die Übertragung von 14

So J o s e f , HoldhMschr. 1917, 97 u n d andere. D e r n b u r g - R a a p e 2, 2 § 356; S o h m , Der Gegenstand 66, A n m . 3; v . T u h r , D J Z . 1900, 348; S t a u d i n g e r , Anhang A zum T i t e l Gesellschaft; F l e c h t he i m , Organisation der Kartelle 274. — Dagegen besonders Hoeniger, Z H R . 84, 463ff. 16 R G R K . 2 vor § 705 u n d das dort angeführte U r t e i l des R G . 15

Gesellschaft.

278

Grundstücken gerichtet ist (§§ 311, 313 BGB.). Anders dagegen ist es, wenn ein Gesellschafter lediglich die aus seiner Geschäftsführung erwachsene Verpfhchtung, ein Grundstück zu übertragen, anerkennt: dies bedarf nicht der Form 1 7 . Ebensowenig ein Vertrag, durch den sich die Gesellschafter verpfhchten, Grundstücke anund zu verkaufen. § 143. Die Verpfhchtungen der Gesellschafter untereinander bestimmen sich nach dem Vertrage. Ihre Leistungen können einen sehr verschiedenen Inhalt und Umfang haben, im Zweifel sind sie gleich (§ 706 BGB.). Sie nehmen am Gewinn und Verlust teil. Auch dies geschieht in der Regel gleichmäßig; ist ein anderer Verteilungssatz für den Gewinn bestimmt, so ist er im Zweifel auch für den Anteil am Verlust maßgebend (§ 722 I I BGB.). Ob der Gesellschafter zur Erhöhung des Beitrages oder Ergänzung einer verminderten Einlage verpfhchtet ist, entscheidet der Vertrag: ohne weiteres ist es nicht anzunehmen (§ 707 BGB.). Eine solche Zubuße kann daher nicht einfach von der Mehrheit beschlossen werden, auch dann nicht, wenn sie zur Erreichung des erstrebten Zwecks notwendig ist. Auch die Bestimmung in der Satzung, daß die Mehrheit den Vertrag abändern dürfe, genügt allein nicht; vielmehr muß ihr gerade diese bestimmte Befugnis eingeräumt sein 18 . Dagegen bleibt es dem einzelnen unverwehrt, seine Einlage ohne Zustimmung der anderen zu erhöhen 19 : eine solche Leistung wäre also nicht als ein Darlehen, sondern als Leistung des Gesellschafters anzusehen20. Die Gesellschafter sind verpfhchtet, die gemeinsamen Interessen zu fördern und alles Zuwiderlaufende zu unterlassen. Der Betrieb von Konkurrenzgeschäften ist den kaufmännischen Gesellschaftern verboten (§§ 112, 113 HGB.), anderen nicht schlechthin. Werden Sachen oder Rechte eingebracht, so ist das entweder so möglich, daß das Eigentum daran oder daß nur der Gebrauch übertragen wird. Jenes ist bei vertretbaren oder verbrauchbaren Sachen, besonders Geld, anzunehmen : bei anderen nur dann, wenn sie unter einer, nicht nur für die Gewinnverteilung bestimmten Schätzung eingebracht werden (§ 706 I I BGB.). Hier geht das Eigentum und damit die Gefahr auf die Gesellschaft über, und zwar 17 18 19 20

R G . 68, 262; LeipzZ. 60, 740. R G . 91, 166; GruchBeitr. 58, 965. O e r t m a n n 4 zu § 707, wo die L i t e r a t u r . R G . 105, 299ff.

Pflichten.

279

nach denselben Regeln wie beim Kauf (§ 446 BGB.). Wenn der Gesellschafter dagegen das Eigentum behält, so trägt er auch die Gefahr. Aber er ist nicht verpfhchtet, statt der zufällig zerstörten Sache eine andere in die Gesellschaft einzubringen (§ 707 BGB.). Daher kann er auch trotz dieses Verlustes die Gegenleistung, nämlich seinen Gewinnanteil fordern : insofern trägt die Gesellschaft die Gefahr 21 . Für Rechts- und Sachmängel haftet der Gesellschafter, der Eigentum übertragen hat, wie beim Kaufe (§§ 445, 493); bei der bloßen Gebrauchsüberlassung werden die Vorschriften über die Miete entsprechend anzuwenden sein. § 144. Jede Leistung eines Gesellschafters bedeutet einEntgelt für die der andern: die Gesellschaft stellt daher einen gegenseitigen Vertrag dar. Dies wird auch überwiegend anerkannt 22 , aber teilweise bestritten. Ganz sicher sind die Leistungspfhchten im Entstehen voneinander abhängig. Aber auch ihre Geltendmachung muß Zug um Zug erfolgen : ein verklagter Gesellschafter kann sich darauf berufen, daß der andere ebenfalls zugleich leisten müsse. Gerade das wird allerdings vielfach in Abrede gestellt 23 . Man beruft sich darauf, daß die Forderung der Gesellschaft als Gesamthand zustehe, dagegen die Verpfhchtung, auf deren Nichterfüllung der Beklagte sich beruft, den einzelnen anderen Gesellschaftern. Aber in der Tat ist auch die Gesellschaft selbst Schuldnerin; denn sie trifft die Pflicht, die Leistung von den anderen beizutreiben. Hierfür spricht in hohem Maße die Billigkeit: denn es wäre doch sehr ungerecht, wenn nur der eine Gesellschafter seine Einlagen machen soll und die anderen nichts leisten. Man denke etwa, daß jeder ein Grundstück einzubringen hat: hier muß jeder fordern können, daß der andere gleichzeitig auch leiste. Dies gilt auch, wenn mehr als zwei Gesellschafter vorhanden sind und ein Geschäftsführer gegen den einen klagt. Hier kann freihch nicht eine Verurteilung Zug um Zug erfolgen, aber doch dahin, daß auch die übrigen gleichzeitig verklagt werden müssen 24 . — Nur dann ist 21

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 174 A n m . 6; P l a n c k 4 zu § 707; S c h o l l m e y e r 146. Anders O e r t m a n n 4 zu § 706. 22 Insbesondere R G . 78, 305, 100, 3. GruchBeitr. 56, 1126; J W . 1911, 808; 1912, 533; 1913, 486; 1926, 2529. 23 S t e i n b a c h , Rechtsgeschäfte der wirtschaftlichen Organisationen 3ff. ; G i e r k e a. a. Ο. 830; B r o d m a n n , Z H R . 4, 2, 307; D e r n b u r g § 357; K i p p bei W i n d s c h e i d 1 zu § 406; S c h o l l m e y e r 147. 24 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 173; O e r t m a n n 4 zu § 705. Anders P l a n c k , Vorbem. zu T i t e l 14, 3; K n o k e a. a. O. 42ff.

Gesellschaft.

280

es anders, wenn es sich um die Einziehung kleinerer regelmäßiger Beiträge handelt. Hier wäre allerdings kein Durchkommen, wenn jeder sich weigern könnte, bis die andern geleistet haben oder verklagt werden. Hier muß vielmehr als vereinbart gelten, daß der Kassenführer von allen nacheinander beitreiben dürfe. — Wird die Leistung des einen unmöglich, so werden auch die anderen im gleichen Umfang frei (§ 323 BGB.). Dies kann unter Umständen dahin führen, daß die ganze Erfüllung unmöglich erscheint oder aber ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben ist 2 5 . Man kann die Unbilligkeit nicht dadurch ausgleichen, daß man auf die Bereicherungsansprüche (§§ 812ff. BGB.) verweist 26 ; denn dann können sich immer noch bedenkliche Folgen daraus ergeben, daß die Bereicherung fortfällt. — H a t ein Gesellschafter die Unmöglichkeit oder Verzögerung zu vertreten, so hat der andere die Rechte aus §§ 325, 326 BGB. Aber dem steht anderseits die Bestimmung des § 723 BGB. entgegen, wonach bei einer solchen Pflichtverletzung nur die Gesellschaft gekündigt werden kann : dadurch wird also das Rücktrittsrecht der allgemeinen Bestimmungen ausgeschlossen. Man wird diesen Gegensatz dahin aufzulösen haben, daß dieses Recht nur gegeben ist, solange die Gesellschaft noch nicht ihre Tätigkeit begonnen hat 2 7 . I n der Tat würde es zu den größten Verwicklungen und Störungen des Verkehrs führen, wenn es auch nachher noch möghch wäre, das rückwirkende und daher einschneidende Recht zum Rücktritt zuzulassen. Besonders bei Gesellschaften, die schon längere Zeit bestanden haben, wäre es kaum durchführbar, alle entstandenen Wirkungen nachträglich wieder aufzulösen. Insofern werden also die allgemeinen Vorschriften durch das Sonderrecht des § 723 BGB. eingeschränkt. Die Gesellschafter haften einander nur für die Sorgfalt, die sie in ihren eigenen Angelegenheiten aufzuwenden pflegen (§ 708 BGB.). Es erklärt sich daraus, daß die Beziehungen der Gesellschafter persönhche sind (I, 442). Es gilt auch dann, wenn einem von ihnen die Geschäftsführung oder einzelne Geschäfte übertragen worden sind. § 145. Die Rechte der Gesellschafter sind besonders auf Anteil am Gewinn gerichtet; er ist im Zweifel für jeden Gesellschafter 25

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 173. So P l a n c k , Vorbem. I V ; O e r t m a n n a. a. O. 27 R G . 78, 303. 81, 303. 89, 334. 398. 112, 283; J W . 1926, 2529; LeipzZ. 1913, 579; W a r n e y e r 1917 N r . 289. 26

Rechte.

281

gleich, auch wenn die Beträge verschieden hoch sind (§ 722 BGB.). Sodann haben sie das Recht zur Geschäftsführung, d. h. jeder hat gegenüber den anderen das Recht zur Mitwirkung. Regelmäßig erfolgt sie gemeinschaftlich, so daß jeder dabei tätig wird (§709 BGB.); doch wird man die dringlichen Maßregeln zur Erhaltung auch dem einzelnen entsprechend § 744 I I BGB. gestatten müssen 28 . Ist die Mehrheit der Gesellschafter bestimmungsberechtigt, so ist sie im Zweifel nach der Zahl, nicht nach dem Gewinnanteil zu berechnen (§ 709 I I BGB.). Oft aber wird die Führung der Geschäfte einem bestimmten Gesellschafter oder einzelnen übertragen, dann sind die andern ausgeschlossen (§ 710 BGB.). Aber auch diese haben das Recht, sich jederzeit über die Lage zu unterrichten, die Bücher einzusehen und sich daraus Auszüge zu machen (§716 BGB.). Dies wichtige Recht ist zwar persönlich auszuüben; doch muß es dem Gesellschafter gestattet sein, dabei den Ehemann oder einen Sachverständigen zuzuziehen29. Ist dies Recht durch den Vertrag ausgeschlossen, so kann es im Falle eines wichtigen Grundes dennoch ausgeübt werden (§ 716 I I BGB.). Gerade diese Befugnisse beweisen deutlich, daß ein jeder Gesellschafter, auch der von der Geschäftsführung ausgeschlossene, doch ein Recht zur Mitherrschaft hat, das nicht ganz aufgehoben werden kann — im vollen Gegensatz zu bloßen Angestellten und Beteiligten, insbesondere auch zum sogenannten stillen Gesellschafter (oben S. 276). Noch stärker sind die Befugnisse der anderen, wenn nicht gerade der Handelnde mit der Geschäftsführung betraut, sondern nur bestimmt ist, daß jeder Gesellschafter allein handeln dürfe. Hier kann jeder der anderen die Vornahme durch seinen Widerspruch verhindern (§ 711 BGB.). Wenn die Geschäftsführung mehreren übertragen ist, so kann das entweder in dem Sinn erfolgen, daß sie alle zusammen handeln müssen oder daß Stimmenmehrheit entscheidet (§§ 709, 710 BGB.). Die Geschäftsführung umfaßt alle laufenden Geschäfte, insbebesondere auch die Einziehung der Beiträge 30 . Allerdings hat man dagegen eingewendet, daß diese nach § 705 BGB. den einzelnen Mitgliedern geschuldet würden 3 1 : aber dennoch sind sie an die 28

K n o k e a. a. O. 57. P l a n c k 1 zu § 716; K n o k e a. a. O. 60; R O G G . 7, 71 ff. 30 R G . 76, 279; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 175 A n m . 10; GrünhZ. 29, 360. 31 P l a n c k , Vorbem. vor §§ 709ff.; R G . SeuffA. 81 N r . 27. 20

Kisch,

282

Gesellschaft.

Gesellschaft zu leisten. Ausgeschlossen ist, was die Grundlagen der Gesellschaft berührt, wie eine Änderung ihres Zwecks oder die Aufnahme eines neuen Mitghedes. Die Rechte und Pflichten der geschäftsführenden Gesellschafter bestimmen sich nach den Vorschriften der §§ 664—670 BGB. über den Auf tragsvertrag (§713 BGB.). Das gilt nicht nur, wenn ihnen die gesamte Führung, sondern auch, wenn nur einzelne Geschäfte übertragen sind. Insbesondere kann der Gesellschafter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen (§ 670 BGB.). Dafür haftet das Gesellschaftsvermögen, aber auch die einzelnen Gesellschafter, wenn jenes nicht ausreicht, z.B. wenn er eine Gesellschaftsschuld bezahlt h a t 3 2 . Man hat das zwar bestritten, weil die Gesellschafter nach § 707 nicht zur Erhöhung ihrer Einlagen verpfhchtet seien 33 . Aber hier handelt es sich nicht um eine solche, sondern um die Bezahlung einer vorhandenen Schuld. — Durch die Bestimmung des § 713 BGB. darf man sich aber nicht verleiten lassen, die Übertragung der Geschäftsführung als einen eigentlichen Auftragsvertrag anzusehen. Vielmehr beruht sie durchaus auf dem Gesellschaftsvertrage. Es gelten daher auch in mancher Hinsicht andere Vorschriften. So beschränkt sich die Haftung auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten (§710 BGB.). Vor allem bedeutet aber die Geschäftsführungsbefugnis ein eigenes Recht des Führers, das ihm nicht ebenso wie beim Auftrags vertrage (§ 671 BGB.) beliebig entzogen werden kann. Es kann vielmehr nur aus einem wichtigen Grunde aufgehoben werden, wozu besonders Pflichtverletzung oder Unfähigkeit gehört (§712 BGB.). Der Beschluß muß von den Gesellschaftern einstimmig gefaßt werden: die Mehrheit genügt nur, wenn sie i n der Satzung überhaupt für ausreichend erklärt ist. Der Führer kann auch seinerseits kündigen, wenn ein wichtiger Grund vor hegt; unzeitige Kündigung ohne Grund verpfhchtet (§§ 712 I I , 671 I I , I I I BGB.). Wenn mehrere zur gemeinschaftlichen Führung bestellt sind, so muß beim Wegfall des einen die ganze Übertragung hinfälhg werden 34 . — Alles das bezieht sich zunächst nur auf das Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander. Über ihre Beziehungen nach außen wird unten zu sprechen sein (S. 283ff.). 32 E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. A n m . 11, teilweise auch D e r n b u r g § 350; O e r t m a n n 5 zu § 713 u n d Genannte. 33 R G . 8 0 , 2 7 2 ; P l a n c k z u § 7 1 4 ; K n o k e a . a . 0 . 3 6 f f . ; C r o m e § 281 Anm.4. 34 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 175 A n m . 9, j e t z t auch P l a n c k .

Rechte.

283

Die Rechte der Gesellschafter aus der Gesellschaft untereinander sind ohne Zustimmung der anderen nicht übertragbar, weil sonst ein unerwünschter Fremder hineingebracht werden könnte (§ 717 BGB.), und daher auch nicht pfändbar (§ 851 ZPO.). Nachträgliche Genehmigung der anderen genügt 35 . Insbesondere gilt das auch von dem Anspruch auf Rechnungslegung36. Wohl aber sind solche Ansprüche abtretbar, die sich aus der Gesellschaft herauslösen lassen: also Geldansprüche, die aus der Geschäftsführung erwachsen, soweit ihre Befriedigung vor der Auseinandersetzung verlangt werden kann, und die Ansprüche auf den Gewinnanteil oder das, was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt (§ 717 2 BGB.). —-Die Verteilung von Gewinn und Verlust kann regelmäßig erst nach der Beendigung der Gesellschaft verlangt werden (§ 721 BGB.). Bei einer länger dauernden Gesellschaft hat der Abschluß und die Gewinnverteilung im Zweifel nach jedem Geschäftsjahr zu erfolgen (§ 721 I I ) : aber nicht eine Verteilung des Verlustes, da die Gesellschafter nicht zur Erhöhung ihrer Einlage verpflichtet sind (§ 707 BGB.) § 146. Durch die Gesellschaft werden nicht nur — wie im römischen Recht — Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander begründet. Sondern es erwächst daraus auch eine dingliche Wirkung, indem ein besonderes Vermögen mit eigenartiger Stellung geschaffen wird. Dies beruht auf einem gesunden Rechtsgedanken des altdeutschen Gemeinschaftsrechts: es sollen nicht nur die einzelnen in ihren Interessen geschützt, sondern auch die Gemeinschaft erhalten werden. Deshalb wird sie zu einer einheitlichen Masse zusammengeschlossen und dadurch gegen eine Zersplitterung durch die einzelnen Gesellschafter und deren Gläubiger geschützt. Diese feste Gemeinschaft bezeichnet man als Gesamthand. Mit Recht hat unser Gesetzbuch diesen Gedanken bei der Gesellschaft verwertet, um dadurch diese wichtigen Gemeinschaften zu erhalten. Es wird ein besonderes Gesellschaftsvermögen gebildet. Dazu gehören die Beiträge der Gesellschafter (§ 718 BGB.) und auch schon die darauf gerichteten Ansprüche 37 . Man hat letzteres zwar 85

36 R G . J W . 1919, 933. R G . 52, 36ff.; GruchBeitr. 48, 914; LeipzZ. 6, 558. A . M . M a r c u s , Recht 1903, 425; O e r t m a n n 3 zu § 717. 37 G i e r k e , Vereine 21, A n m . 30a, P r i v a t r e c h t 3, 842; K i s c h , GrünhZ. 29, 360; R G . 76, 278ff.; 111, 83; Recht 1921 N r . 1876/77; E n n e c c e r u s L e h m a n n § 176; v . T u h r , 1, 349, A n m . 9; jetzt auch O e r t m a n n 2 zu § 718.

Gesellschaft.

284

bezweifelt, weil der Wortlaut des Gesetzes nur die Beiträge selbst nennt 3 8 . Aber es steht der Ausdehnung doch auch nicht entgegen, und anderseits wird diese durch praktische Gründe dringend gefordert. Denn es darf nicht einem Gesellschafter gestattet sein, über den auf ihn fallenden Teil der Beitragsansprüche zu verfügen. Anderseits muß ein Gesellschafter, dem die Verwaltung des Gesellschaftsvermögens übertragen ist, befugt sein, die Beiträge einzuziehen (oben S. 281). — Ferner gehören zum Gesellschaftsvermögen die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände (§ 718 BGB.). Dies erfordert nicht, daß der Erwerb nach außen hin auf den Namen der Gesellschaft erfolgte 39 . Für eine Einschränkung auf diese Fälle spricht zwar, daß nach der allgemeinen Regel des Gesetzes (§ 164) für eine Vertretung das Handeln „ i m Namen" des Vertretenen notwendig ist. Aber es dürfte hier doch einer der Ausnahmefälle vorliegen, wo auch ohne eine solche Kenntlichkeit eine dingliche Ersatzberechtigung (Surrogation) eintritt. Es sind das solche Fälle, in denen man eine Nennung des Vertretungsverhältnisses nicht wohl verlangen kann, weil sie im Verkehr meistens unterbleibt : so besonders beim Erwerb des Ehemanns mit Vermögen seiner Frau oder des Vaters mit dem seiner Kinder (§§ 1381, 1646 BGB.) und dem Erwerb der Miterben aus dem Nachlasse (§ 2041 BGB.). Ein ähnlicher Fall liegt auch hier, bei der Gesellschaft, vor. Eine Gesellschaft hat vielfach gar keinen besonderen Namen : um so weniger kann man von dem Abschließenden fordern, daß er auf ihn Bezug nehme. Da ein solcher Hinweis sehr häufig fehlt, würde nach der Gegenansicht wohl in der Mehrzahl aller Fälle die lose Gemeinschaft des § 741 ff. BGB. eintreten, was den Absichten des Gesetzes sicher zuwiderläuft. Endlich spricht für unsere Auffassung besonders die Vorschrift des § 720 BGB., wonach ein gutgläubiger Schuldner die Zugehörigkeit der Forderung zum Gesellschaftsvermögen nicht gegen sich gelten zu lassen braucht. Falls nur eine solche Forderung zu diesem Vermögen gehörte, die im Namen der Gesellschaft erworben ist, würde diese Bestimmung gar keinen Sinn haben. Hiernach genügt es, wenn der Erwerb nach der Absicht der Gesell38

P l a n c k 1 zu § 718; K n o k e a. a. O. 14. 33, 77; B e y e r a. a. O. 328. D e r n b u r g § 259; B e y e r , Surrogation 329ff.; O e r t m a n n 2 zu § 718; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O., A n m . 2. Anders R G . 54, 105ff.; J W . 1903, 58; O L G . 10, 185; D e r n b u r g § 359; P l a n c k 1; S t a u d i n g e r I I zu § 718; N e u d e g g e r , B ü r g A . 34, 55. 39

Gesellschaftsvermögen.

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schafter oder ihres Geschäftsführers für die Gesellschaft erfolgen sollte, auch wenn dies dem Gegner gegenüber nicht hervortrat. — Auch das ist nicht zu erfordern, daß dieser Wille der erwerbenden Gesellschafter gerade auf Erwerb i n die gesamte Hand gerichtet war 4 0 . Auch danach würde sehr häufig gegen die Absicht des Gesetzes nur eine lose Gemeinschaft eintreten. — Endlich gehört zum Gesellschaf tsver mögen alles, was auf Grund eines dazugehörigen Rechtes oder als Ersatz für einen dazugehörigen Gegenstand erworben wird (§ 718 I I BGB.). Hier t r i t t die Ersatzberechtigung sogar auch ohne eine darauf gerichtete Absicht der Gesellschafter ein. § 14. Das Gesellschaftsvermögen gehört den Gesellschaftern zur gesamten Hand. Das Gesetz bezeichnet es als „gemeinschaftliches" Vermögen der Gesellschafter (§ 718); es ist aber unbestritten, daß damit eben die Gesamthand gemeint ist. Die Gesamthand ist eine feste Gemeinschaft, die die Gesamtinteressen schützt : der einzelne kann dabei nicht verfügen, nicht nur nicht über den ganzen Gegenstand, sondern auch nicht über einen Teil daran. Aber wie diese Gemeinschaft rechtlich aufzufassen sei, ist sehr streitig (I, 742ff.). Es genügt nicht, wenn man den Begriff rein geschichtlich erfaßt oder als ein personenrechtliches Verhältnis bezeichnet 41 ; denn das setzt uns nicht i n den Stand, die auftauchenden Rechtsfragen zu beantworten. Außerdem kann man bei mancher Handelsgesellschaft heute kaum noch von einer persönlichen Beziehung der Gesellschafter sprechen. Richtig ist, daß die Gemeinschaft hier lediglich eine Folge der Mitgliedschaft ist : aber daraus kann man noch nicht, wie die Gegner, ihren personenrechtlichen Charakter folgern. Der gemeinrechtlichen, römisch eingestellten Auffassung liegt es am nächsten, jedem Genossen ein Teilrecht zu zusprechen, das lediglich seiner Verfügung entzogen sei 42 . Aber dagegen spricht insbesondere, daß nicht nur solche rechtsgeschäftliche Akte, sondern auch die gesetzlichen Folgen einer solchen Rechtsteilung ausgeschlossen sind. So müßte, wenn ein Gesellschafter gegen das Gesellschaftsvermögen Rechte oder Pflichten hat, danach ein entsprechender Teil dieser Schuld durch Zusammentreffen erlöschen — was aber ganz sicher nicht der Fall 40

W i e P l a n c k A zu § 718 verlangt. G i e r k e I , 160ff.; S o h m , Festschrift für Degenkolb 60ff.; m a n n , Vorbem. 3 vor § 705. 42 Angaben I , 542 A n m . 3. 41

Oert-

Gesellschaft.

286

ist. So werden wir genötigt, statt dessen eine Gemeinschaft zu ungeteiltem Rechte anzunehmen. Freilich ist dies wieder mehrdeutig (I, 744). Am nächsten hegt es, das so zu verstehen, daß einer Gesamtheit das Recht zusteht 43 . Aber diese Auffassung muß daran scheitern, daß ein solches Gebilde nichts anderes als eine juristische Person sein würde; denn das ist ja eben nichts anderes als ein Verband, dem einheitlich Rechte zustehen können. Man hat zwar geltend gemacht, daß es auch Zwischenstufen gebe; doch ist das unserem Recht durchaus fremd. Die Annahme einer juristischen Person verbietet sich aber deshalb, weil diese nach A r t und Entstehung genau und ausschließlich im Gesetz geregelt ist. Daher ist auch im Fall der Gesellschaft die Auffassung unhaltbar, daß sie eine juristische Person und damit Trägerin der Rechte und Pfhchten sei. Gerade an diesem Fall läßt sich die Unrichtigkeit der Gegenansicht besonders deutlich nachweisen. Denn die Gesellschaft und die juristische Person stehen ja in einem unmittelbaren Gegensatz; die scharfe Scheidung zwischen ihnen ist eine der Grundlagen unserer Rechtsordnung. Besonders klar wird sie betont in der Vorschrift, daß der nicht-rechtsfähige Verein wie eine Gesellschaft behandelt wird (§ 54 BGB.). Deutlicher kann gar nicht der Gegensatz zwischen dieser Rechtsform und der juristischen Person ausgedrückt werden. Daher sind denn auch die Rechtsfolgen bei beiden ganz verschieden. Die Gesellschaft kann nicht als solche Rechte und Pfhchten erwerben, klagen oder verklagt werden, nicht in Konkurs fallen. Die Gesellschafter haften persönhch für die Schulden. Die Gesellschaft endigt aus Gründen, die eine juristische Person nicht berühren würden 44 . Alles dies drückt das Gesetz selbst sehr deutlich aus, wenn es in § 718 sagt, daß es sich um ein gemeinschaftliches Vermögen der „Gesellschafter"handelt. Allerdings fügt es hinzu „Gesellschaftsvermögen". Aber damit ist nicht etwa gemeint, daß es der Gesellschaft gehöre, sondern es dient der Gesellschaft. Es ist ein Genitivus objectivus, wie bei dem Wort Gesellschaftsanzug. — Hiernach bleibt nichts anderes möglich, als das Vermögen als Gesamtheit aufzufassen (I, 748ff.). Das Recht der Gesamthänder besteht nicht an den einzelnen Gegenständen, sondern an dem ganzen Vermögen. Freilich kann man auch die Gegenstände nicht als herrenlos bezeichnen. Sie gehören allen Genossen gemeinsam, aber in der Art, 43 44

Angaben I , 745. Weitere Einzelunterschiede I , 746.

Gesamthand.

287

daß es noch ungewiß ist, wem die einzelnen zufallen. Der einzelne hat an dem Gegenstand nur ein Mitrecht, das aber augenblicklich noch keine Wirkungen hervorruft, noch „unpraktisch" ist 4 5 . § 148. Dies ist auch in unserem Falle, bei der Gesellschaft, die rechtliche Lage. Jeder Gesellschafter hat einen Anteil nur an dem gesamten Gesellschaf tsver mögen. Dieser wird im Gesetze wiederholt erwähnt (§§ 725, 738). Allerdings kann der Gesellschafter nicht selbst über ihn verfügen (§719 BGB.), er kann daher auch nicht Teilung verlangen. Wohl aber kann der Anteil von einem seiner Gläubiger gepfändet werden (§ 725 BGB., § 859 ZPO.). Dieser kann freilich nicht die Rechte des Gesellschafters aus dem Vertrage geltend machen, solange die Gesellschaft besteht (§ 725 I I BGB.). Es scheint also, als ob sein Recht sich darauf beschränkte, die Gesellschaft aufzukündigen (§ 725 I). Aber dennoch findet dabei eine wirkliche Verwertung dieses Anteils statt. Denn nach der Kündigung erlangt der Gläubiger ein Pfandrecht an dem nun freigewordenen Recht auf Auseinandersetzung und Auszahlung. Und selbst schon vorher hat er ein Recht auf den Gewinnanteil des Gesellschaftsvermögens (§ 725 I I ) . Es wird also i n der Tat der Anteil am Gesellschaftsvermögen durch die Pfändung voll« ständig erfaßt insoweit, als überhaupt eine Übertragung der Gesellschafterrechte zugelassen werden kann. I n diesem Sinne wird man daher auch eine freiwillige Verpfändung des Anteils anerkennen dürfen 46 . Dagegen sind die Rechte der Gesellschafter auf Rechnungslegung und eigene Mitwirkung nicht übertragbar; sie gehen daher auch durch die Pfändung nicht auf den Gläubiger über, auch nicht, nachdem die Gesellschaft aufgekündigt ist 4 7 . Dagegen hat der Gesellschafter an den einzelnen Gegenständen,, außer dem erwähnten wirkungslosen Mitrecht, noch keinerlei Rechte. Er kann daher nicht über einen Gegenstand oder dessen Teil verfügen (§ 719 BGB.). Er kann auch nicht einen Teil der Forderung abtreten oder einziehen oder aufrechnen. Zwar ist i n dem ähnlichen Fall der Miterbengemeinschaft jedem einzelnen gestattet, Zahlung an alle zu fordern (§ 2039 BGB.). Aber das darf nicht auf die Gesellschaft entsprechend übertragen werden 48 . Denn 45

R G . 9, 144. 68, 413. R G . 67, 332ff. 47 R G . 95, 231 ff. 48 J o s e f , B ü r g A . 38, 83ff.; F r a n k e l J W . 1911, 410ff.; K a u f m a n n a. a. O. 97ff., O L G . 22, 336; Recht 1908 N r . 482. Anders R G . 70, 33ff. 76, 280. 46

288

Gesellschaft.

dort liegen ganz andere Verhältnisse vor. Die Miterben sind — im Gegensatz zu Gesellschaftern — oft eine zwiespältige, geschäftsunkundige Mehrheit ; auch ist nur selten einer von ihnen besonders zur Verwaltung berufen. So könnte es leicht vorkommen, daß die Verfolgung von Ansprüchen durch die Saumseligkeit oder Ängstlichkeit einzelner Miterben verhindert würde, wenn man nicht dem einzelnen ein eigenes Beitreibungsrecht verhehe. Bei der Gesellschaft ist dagegen die Geschäftsführung geregelt, und so wird diese Tätigkeit ebenso wie jede andere durch ihre Organe ausgeführt werden können. Zahlt ein Schuldner in Unkenntnis, daß die Forderung zum Gesellschaftsvermögen gehört, so muß er geschützt werden — ähnlich wie der, welcher die Abtretung der Forderung nicht kennt ; es finden daher die dafür geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§§ 720, 406ff. BGB.). Dies gilt aber nicht, wenn ein Anspruch z. B. aus Unrechtshandlung der Gesellschaft zusteht und der Schuldner irrtümlich einen Gesellschafter als berechtigt angesehen hätte. Das Mitrecht des Gesellschafters kann auch nicht gepfändet werden (§ 859 I I ZPO.). Vielmehr steht die Verfügung über die einzelnen Gegenstände nur dem berufenen Organ der Gesellschaft zu, also entweder allen Gesellschaftern oder den Geschäftsführern oder deren Vertretern. Wer im Innenverhältnis zur Führung der Geschäfte berechtigt ist, der hat im Zweifel auch das Recht, nach außen die Gesellschaft zu vertreten (§ 714 BGB.) und Prozesse für sie zu führen. Anders dagegen, wo nach dem Vertrage zwar jeder allein zu handeln berechtigt ist, aber jeder andere Widerspruch erheben kann (§711 BGB.): hier ist keine Ermächtigung des einzelnen, die Gesellschaft zu vertreten, anzunehmen 49 . Wesentlich anders ist es bei der offenen Handelsgesellschaft: hier ist jeder berechtigt, die Gesellschaft nach außen zu vertreten (§§ 125ff. HGB.). —Streitig ist, ob die Gesamthand durch Vertrag ausgeschlossen werden kann 5 0 . Man wird hier unterscheiden müssen. Es kann allerdings die Bildung eines Gesellschaftsvermögens ausgeschlossen werden derart, daß der Erwerb einem einzigen Gesellschafter oder auch mehreren nach Bruchteilen zufällt (oben S. 276). Sobald aber ein Erwerb für die Gesellschaft als solche bestimmt ist, also ihren Gemeinschaftszwecken 49 P l a n c k 6 zu § 714; O e r t m a n n 1 zu § 711; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 175 A n m . 12. 50 Dafür die herrschende Meinimg, insbesondere R G . 92, 342; J W . 1927, 1410, 2117.

Gesamthand.

289

dienen soll, greift die Vorschrift des § 718 zwingend ein: es gilt dann nur das Recht der gesamten Hand. Dafür spricht besonders, daß diese rechthche Gestaltung auch im Interesse der Gläubiger getroffen ist. Und außerdem wäre es bedenklich, wenn jedesmal behauptet werden könnte, daß im Einzelfall eine lose Gemeinschaft vereinbart sei. § 149. Dementsprechend ist auch die Schuldenhaftung geregelt. Da der einzelne nicht über das Gesamthandsvermögen verfügen kann, darf er es auch nicht verpfhchten. Dies haftet also nicht für seine Schulden. Ein Urteil gegen ihn ist nicht in das Gesellschaftsvermögen vollstreckbar, sondern es ist dazu ein Urteil gegen alle Gesellschafter erforderlich (§ 736 ZPO). Da die Aufrechnung eine zwangsweise Beschlagnahme enthält, so ergibt sich hieraus, daß gegen eine Forderung der Gesellschaft nicht mit einem Anspruch gegen einen einzelnen Gesellschafter aufgerechnet werden kann (§ 719 I I BGB.). — E i n Urteil, das gegen alle Gesellschafter ergangen ist, genügt zur Vollstreckung, auch dann, wenn die Schuld mit der Gesellschaft gar nicht zusammenhängt, sondern z. B. aus einem Autounfall, für den sie beide haften, stammt 5 1 . Denn § 736 ZPO., der diese Haftung regelt, macht zwischen beiden Arten von Schulden keinen Unterschied. Auch haben die eigentlichen Gesellschaftsforderungen nicht den Vorrang vor den anderen ( § 5 1 KO.). Daher ist die Unterscheidung der besonderen Gesellschaftsschulden nur für die Beziehungen der Gesellschafter untereinander, aber nicht nach außen hin von Bedeutung. Außerdem aber haften alle Gesellschafter persönlich für die Schulden der Gesellschaft. Denn diese sind ja eben gar nichts anderes als Schulden der Gesellschafter. Und zwar haften sie für die Vertragsschulden nach § 427 BGB. als Gesamtschuldner. Wenn der Gläubiger selbst einer der Gesellschafter ist, kann er doch die übrigen belangen, muß sich aber seinen Ausgleichsteil abziehen lassen 52 . Gerade diese Haftung der einzelnen ist wieder ein bezeichnendes Merkmal, das die Gesellschaft scharf von der juristischen Person unterscheidet. Eigenartig ist, daß dieser wichtige Satz im Gesetz gar nicht deutlich ausgesprochen ist. Er ist aber doch nicht zu bezweifeln. 51 Herrschende Meinung; vgl. die Angaben bei O e r t m a n n 2 zu § 718, der selbst abweicht. 52 R G . 85, 16Iff.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

19

Gesellschaft.

290

§ 150. Die Gesellschaft endigt durch vertragsmäßige Aufhebung. Ihr Bestand kann auch durch eine Endbedingung aufgelöst werden, und das ist darin zu finden, wenn ihr eine Aufgabe gesetzt ist und diese erreicht ist oder aber unmöghch wird (§ 726 BGB., oben S. 273). Außerdem ist wie bei allen Zeitgeschäften eine Kündigung möglich. Wenn keine Zeitdauer und keine Kündigungsfrist vorgesehen ist, kann jeder jederzeit ohne Frist kündigen (§ 723 BGB.). Dies gilt auch, wenn die Gesellschaft auf Lebenszeit geschlossen ist, da das Gesetz eine solche Ausdehnung nicht anerkennt (§ 724 BGB.). Anders, wenn die Dauer der Gesellschaft bestimmt ist, wenn auch nur durch ein Ereignis, z. B. die Abwicklung bestimmter Geschäfte 5 3 . Hier muß diese Frist eingehalten werden, außer wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 723 BGB.): insbesondere wenn ein Gesellschafter seine Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt oder diese Erfüllung unmöghch wird. Auch darin, daß das Geschäft sich nicht mehr rentiert, kann ein solcher Grund zu sehen sein 54 . — Die Kündigung soll nicht zur Unzeit geschehen, außer wenn ein wichtiger Grund es rechtfertigt (§ 723 I I BGB.); jede andere Beschränkung des Kündigungsrechts ist unzulässig, z. B. durch Festsetzung eines Austrittsgeldes 53 . Der Wegfall eines Gesellschafters durch Tod oder Konkurs beendigt im Zweifel die ganze Gesellschaft, weil sie auf diese Person zugeschnitten ist (§§ 727, 728 BGB.). Der Erbe des Verstorbenen hat jedoch die Geschäfte einstweilen fortzusetzen, und auch die übrigen haben die ihnen übertragenen Aufgaben noch fortzuführen (§ 727 I I ) . Wenn die Gesellschaft endigt und ein geschäftsführender Gesellschafter es nicht erfährt, so gilt sein Führungsrecht und seine Vollmacht zunächst als fortbestehend (§§ 714, 729 BGB.). Letzteres kommt aber einem bösgläubigen Gegner nicht zugute (§ 169 BGB.). § 151. Nach der Auflösung der Gesellschaft findet die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt (§ 730 BGB.) 5 6 . Die Gesellschaft „ g i l t " nach der Ausdrucksweise des Gesetzes als fortbestehend. Unter dieser verschrobenen Wendung ist aber i n Wahrheit zu verstehen: sie besteht noch fort, soweit der Zweck 53

R G . J W . 1906, 741; W a r n e y e r 1911 N r . 470, 1912 N r . 425; R G . 82,

399 ff. 64 56 66

R G . J W . 1913 N r . 265. R G . 61, 328. W i m p f h e i n e r , Gesellschaften i m Stadium der L i q u i d a t i o n .

Ende.

291

der Auflösung es erfordert 57 . Denn ein Rechtsverhältnis, das vom Gesetz als fortwirkend behandelt wird, ist damit eben noch fortbestehend. Der Bestand eines Rechts ist gar nichts anderes als seine Geltung und kann davon gar nicht unterschieden werden. Für diese Auslegung spricht besonders auch, daß das Gesetz auch beim rechtsfähigen Verein die gleiche Wendung gebraucht (§ 49 I I ) : und dort muß man unbedingt eine Fortdauer des Vereins annehmen, weil es sonst überhaupt an einem Rechtssubjekt fehlen würde. Es ist daher in beiden Fällen die Lage so zu denken, daß der Verband zwar aufgehoben wird, aber im Stadium der Abwicklung noch bis zu deren Erledigung fortbesteht. Die Übertragung der Geschäftsführung dauert in dieser Zeit nicht mehr fort, diese geht vielmehr jetzt auf alle Gesellschafter über (§ 730). Die Art der Ausführung bestimmt sich nach der Vereinbarung der Gesellschafter. Wird eine solche nicht getroffen, so gelten gesetzliche Aushilfsregeln (§§ 732—735 BGB.). Gegenstände, die ein Gesellschafter zur Benutzung überlassen hat, sind ihm zurückzugewähren: die Gesellschaft haftet für Verschulden, aber nicht für ihren zufälligen Untergang oder Verschlechterung (§ 732). Es sind zunächst die Schulden einschließlich der Ansprüche einzelner Gesellschafter zu berichtigen: erst danach darf verteilt werden (§ 735 BGB.). Wenn die Gesellschafter dies versäumen und dennoch teilen, so trifft jeden von ihnen die Gefahr, daß er für die ganze Schuld haftbar gemacht werde: hierdurch wird die Befolgung der gesetzlichen Vorschrift indirekt, aber wirksam erzwungen. Wenn nach außen nur einer der Gesellschafter haftet, so kann der Gläubiger nicht nur diesen auf Zahlung belangen, sondern auch seinen Deckungsanspruch gegen die übrigen Gesellschafter pfänden lassen 58 . Wenn aber auch im Innenverhältnis deren Haftung durch den Vertrag ausgeschlossen ist, so ist es dennoch bilhg, daß diejenigen, die mehr, als ihnen gebührte, erhielten, den Gläubigern haften. Aber aus der Billigkeit allein 5 9 oder aus einem Bereicherungsanspruch (§§ 812ff. BGB.) 6 0 läßt sich das nicht ableiten. Vielmehr hilft hier nur eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Übernahme eines Vermögens (§419 BGB.): 57 C8 59 80

W i e l a n d , Handelsrecht 1, 679, 693; G i e r k e a. a. Ο. 851. C r o m e , B l f R A . 72, I f f . So P l a n c k 4 zu § 735. So E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 178 A n m . 4. 19*

Gesellschaft.

292

da die Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen übernommen, müssen sie für seine Schulden mithaften 61 . Erst nach dieser Berichtigung sind die Einlagen der Gesellschafter zurückzuerstatten, aber nicht in Natur, sondern nur in Geld, nach dem Wert, den sie zur Zeit der Einbringung hatten (§733 BGB.). Dabei ist das Vermögen, soweit erforderlich, in Geld umzusetzen. Bleibt dann noch ein Gewinn, so gebührt er den Gesellschaftern nach dem Verhältnis ihrer Gewinnanteile (§ 734 BGB.). Wenn dagegen das Vermögen nicht ausreicht, so müssen die Gesellschafter für den Fehlbetrag nach dem Verhältnis ihrer Verlustanteile aufkommen (§ 735 BGB.). Kann von einem Gesellschafter nichts erlangt werden, so haften die übrigen für den Ausfall nach demselben Verhältnis. Daraus ist aber nicht etwa zu folgern, daß die Gesellschafter auch sonst nur subsidiär für die Gesellschaftsschulden hafteten. § 152. Beim Wegfall eines Gesellschafters durch Kündigung, Tod und Konkurs wird im Zweifel die ganze Gesellschaft aufgelöst, weil es sich um eine persönliche Beziehung dieser Genossen handelt. Aber durch den Vertrag kann die Gesellschaft auch mehr unpersönlich gestaltet, also das Gegenteil bestimmt werden: dann bleibt beim Ausscheiden des einen die Gesellschaft bestehen (§736 BGB.). Falls dies für die Kündigung bestimmt ist, ist auch ein Ausschluß des einen Gesellschafters durch einstimmigen Beschluß der anderen zulässig* wenn ein wichtiger Kündigungsgrund besteht (§ 737 BGB.) ; diese Befugnis kann auch einem Organ der Gesellschaft, insbesondere einem Ehrengericht, übertragen werden 62 . Es fragt sich, ob das gleiche auch dann gilt, wenn eine unpersönliche Natur der Gesellschaft, d. h. die Fortdauer trotz Kündigung, nicht bestimmt ist. Man wird es dann zulassen, wenn der Gesellschaftsvertrag Bestimmungen über die Ausschheßung eines Genossen enthält: denn das beweist, daß man mit einem Fortbestand der Gesellschaft trotz des Ausscheidens gerechnet hat. Sonst aber muß es verneint werden. Denn das Gesetz geht offenbar von der Regel aus, daß die Loslösung eines einzelnen Gesellschafters nicht zulässig ist, und läßt daher ausdrücklich nur bei abweichender Vereinbarung eine Ausschließung zu (§ 737). I n der Tat können auch die Interessen eines anderen Gesellschafters schwer dadurch geschädigt 61 62

K n o k e a. a. O. 123. SeuffA. 63, 345.

Anwachsung.

293

werden, daß sein Freund ausgeschlossen wird. Es bleibt daher in diesem Falle nichts anderes übrig, als die ganze Gesellschaft aufzukündigen und danach unter denen, die es wollen, eine neue zu gründen. Hier überall wächst der Anteil des Ausscheidenden den anderen kraft Gesetzes an (§ 738 I BGB.). Es bedarf dazu nicht eines Übertragungsaktes, also z. B. nicht der Auflassung von Grundstücken. Der Ausscheidende muß seine Einlagen, die er zur Benutzung gegeben, zurückerhalten und von den Schulden befreit werden, soweit deren Bestand feststeht 63 . Und dazu bekommt er noch soviel* wie ihm bei der Auseinandersetzung gebührte, wenn die Gesellschaft jetzt aufgelöst würde (§ 738). Umgekehrt muß er soviel bezahlen, als das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der Schulden und Einlagen nicht ausreicht (§ 739 BGB.). A m Erfolg der noch schwebenden Geschäfte nimmt der Ausscheidende noch teil, aber er hat keinen Einfluß mehr auf sie; es ist darüber am Schlüsse des Geschäftsjahres Rechnung zu legen (§ 740 BGB.). — Alles dies gilt auch dann, wenn alle Gesellschafter vereinbaren, daß der eine ausscheiden und die Gesellschaft unter dem anderen fortbestehen soll. Und auch, wenn sie verabreden, daß das Gesellschaftsvermögen auf einen übergehen soll 6 4 . Man hat hier zwar die Anwachsung bestritten, weil ja eine Gesellschaft nicht mehr fortbesteht 65 . Aber die Anwachsung beruht nicht gerade auf dem letzten Umstand, sondern lediglich auf der Absicht, eine möglichst tatkräftige Form der Abwicklung zu ermöglichen. Auch die Bestimmungen über das Verhältnis der Gesellschafter zueinander können hier entsprechend angewendet werden 66 . Über den Eintritt eines Gesellschafters in eine bestehende Gesellschaft enthält das Gesetz keine Bestimmungen: er ist entsprechend zu behandeln. Der Eintritt erfolgt durch Vertrag mit den übrigen Gesellschaftern. Die Befugnis zur Aufnahme neuer Mitglieder kann auch einem einzelnen übertragen werden, ist aber in dem Recht auf Geschäftsführung nicht schon ohne weiteres enthalten (im Gegensatz zu den Vereinen). Auch hier ist anzunehmen, daß die Gesellschaft trotz der Veränderung fortbesteht « R G . 60, 156ff. β4 R G . 65, 234ff.; v g l . a u c h 68, 415ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 179 A n m . 6; W a r n e y e r 1913 N r . 138; W i e l a n d a. a. O. 652. ec SeuffA. 57, 454. 60, 97; O L G . 9, 254. 255. ββ R G . 60, 156; J W . 1904, 37.

Gesellschaft.

294

und dem neuen Mitglied ein entsprechender Anteil durch bloße Anwachsung anfällt 6 7 . Es ergibt sich dies eben aus der entsprechenden Anwendung der für das Ausscheiden geltenden Vorschriften. Daher sind die Formen der rechtsgeschäftlichen Übertragung auch hier entbehrlich, und der Vertrag bedarf auch nicht der Form des §313 BGB. Ebenso haftet das neue Mitglied ohne besonderen Schuldbeitritt für die schon bestehenden Schulden mit dem Gesellschaftsvermögen, während es für diese mit seinem Privatvermögen nicht haftbar ist. § 153. Die Rechtsform der Gesellschaft ist von großer Bedeutung im Wirtschaftsleben. Unter den Vereinigungen ist vor allem scharf danach zu unterscheiden, ob dadurch eine rechthche Einheit, eine juristische Person oder bloß eine Personenmehrheit, eine Gesellschaft, geschaffen wird (oben S. 272). Mag dieser Unterschied auch im Wirtschaftsleben bisweilen weniger betont werden, für die rechtliche Auffassung ist er der grundlegende. Daher wird ein Verein auch nur dann dem Gesellschaftsrecht unterworfen, wenn er nicht-rechtsfähig ist (§ 54 BGB.). Ein solcher Verein ist aber von der Gesellschaft immerhin doch verschieden. Er muß schon deshalb von ihr unterschieden werden, weil dafür einige abweichende Sätze gelten: der Verein kann verklagt werden (§ 50 I I ZPO.) und der für ihn Abschließende haftet persönlich (§ 542 BGB.). Man wird den Unterschied darin zu finden haben, daß ein Verein eine korporative Verfassung h a t 6 8 . Praktisch aber wird es meist darauf ankommen, ob er nur auf bestimmte Mitglieder berechnet ist. Ein Verein wird auch zur Aufnahme neuer bereit sein: er mag vielleicht sehr hohe Anforderungen an diese stellen, aber er lehnt sie nicht grundsätzlich ab. Die Gesellschaft dagegen ist lediglich auf diese bestimmten Personen zugeschnitten. Eine Veränderung der Personen führt hier zur Auflösung der Gesellschaft. Allerdings kann, wie wir sahen, auch das Gegenteil eintreten: aber das bedarf einer ausdrücklichen Abrede und bildet auch dann nur eine Ausnahme. Unter den Gesellschaften ist die wichtigste die auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschafthcher Firma gerichtete, 87

G i e r k e , Vereine 24; K n o k e , B ü r g A . 20, 180ff.; E n n e c c e r u s L e h m a n n § 179; P l a n c k zu § 736; O e r t m a n n 3 zu § 736 u n d Genannte; Recht 1908 N r . 2810; R G . 82, 160. 68

G i e r k e , Vereine lOff.; R G . 60, 94; SeuffA. 69 N r . 28.

Bedeutung.

295

die offene Handelsgesellschaft (§§ 105ff. HGB.). Aus ihr sind die wichtigsten Sätze unseres Gesellschaftsrechts erwachsen. Freilich hat gerade sie eigenartige Sätze, die über ihre Rechtsnatur Zweifel erzeugt haben. Daneben stehen die Kommanditgesellschaft und die Reederei (§§ 161 ff. HGB.). Dagegen sind die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung juristische Personen — es ist bedauerhch, daß man dafür die irreführende Bezeichnung als Gesellschaft gebraucht hat. Auch für die sogenannte stille Gesellschaft paßt dieser Ausdruck noch weniger (oben S. 276). — Die Kartelle, Vereinigungen von Konkurrenten, die Produktion und Absatz regeln, bedienen sich meist der Gesellschaftsform 69. Sie kann auch beim Gruppenakkord vorkommen, wo mehrere Arbeiter gemeinsam einen Werkvertrag schließen70. 69 70

R G . 53, 19ff. 70, 166. 74, 33ff. L i t e r a t u r bei O e r t m a n n 2 zu § 705.

ZWEITER

TEIL.

Glücksverträge.

Erstes K a p i t e l .

Leibrente. § 154. Begriff. § 155. Entstehung, I n h a l t .

§ 154. Leibrente 1 bedeutet soviel wie Lebensrente (lif = Leben). Dies wird auch für die Regel überall anerkannt. Das Gesetz bestimmt aber lediglich, daß sie,,im Zweifel''für dieLebensdauer des Gläubigers zu entrichten sei (§ 759). Und daraus wird allgemein gefolgert, daß sie auch in anderer Weise bestimmt, z. B. auf die Lebensdauer des Schuldners oder eines Dritten gestellt werden könne. Aber damit wird der eigenartige Inhalt dieses Vertrages zerstört. Es bleibt nun nichts weiter als eine Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen übrig. Unmöglich kann man aber eine jede solche als Leibrente bezeichnen. Das wäre nicht nur völlig sprachwidrig, sondern führte auch zu dem geradezu ungeheuerlichen Ergebnis, sie alle der Schriftform zu unterwerfen, also z. B. alle Dienst- und Mietverträge ! Man hat sich dagegen freilich auf anderem Wege schützen wollen: von der Leibrente sollen alle Fälle ausgeschlossen sein, wo nur eine Vergütung für künftig zu leistende Dienste vorliege 2 . Aber das ist ganz willkürlich; es macht gar keinen Unterschied, ob die Gegenleistung schon gemacht ist oder noch nicht. Deshalb wollen andere noch weiter gehen und sie überall ausschließen, wo als Gegenleistung eine Dauerleistung in Betracht kommt, gleichviel ob sie schon erbracht ist 3 . Aber auch das ist willkürlich; denn es besteht kein Grund, weshalb es hier anders als bei einer einmaligen Gegenleistung sein soll. Außerdem würde es auch nach dieser Ansicht eine Leibrente sein, wenn die allmähliche Abzahlung des Preises für ein Haus oder Auto versprochen wird. Da auch das ganz unmöglich ist, müßten die Gegner schließlich dahin gelangen, bei jeder Gegenleistung die Leibrente auszuschließen, diese also nur bei Unentgeltlichkeit anzunehmen. Das aber wäre wieder ganz sicher unrichtig; denn die Schriftform, die §761 BGB. vorschreibt, 1 2 8

E c e i u s , GruchBeitr. 45, 11 ff.; S e p p , Leibrenten vertrag. E c c i u s a. a. O. 14. L o t m a r , Arbeitsvertrag 150ff.; O e r t m a n n , Vorbem. 3 vor § 759.

Leibrente.

300

paßt überhaupt nur auf die entgeltlichen Leibrentenverträge* da bei den anderen die strengere Form für die Schenkung (§518 BGB.) eingreift. Man wird einwenden, daß es nur ausgeschlossen werden solle, für die Leibrente eine eigentliche Gegenleistung zu vereinbaren; dagegen könne sie doch i n dem Sinn entgeltlich sein, daß sie für eine frühere Leistung, z. B. frühere Dienste oder eine früher erfolgte Gutsübergabe, versprochen werde. Indessen würde auch hier eine Schenkung vorhegen: denn diese wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie eine Belohnung für frühere Leistungen enthält (oben S. 121 u. 122). —Ähnlich hat das Reichsgericht damit helfen wollen, daß es für die Leibrente eine ganz selbständige Vereinbarung, „unabhängig und losgelöst von den sonstigen Beziehungen und Verhältnissen der Parteien" erfordert 4 . Aber auch hiernach wäre nur noch eine unentgeltliche Leibrente denkbar. Die entgelthche, auf die sich § 763 allein bezieht, ist nur im Rahmen eines größeren Vertrages, z. B. bei Gutsübergabe- oder Anstellungsverträgen denkbar. Das Reichsgericht glaubt freilich unter ihnen solche unterscheiden zu sollen, wo die Parteien ein davon unabhängiges, einheithches Grundrecht schaffen wollten. Aber dies dürfte eine völlig unfaßbare Vorstellung sein, die weder im Willen noch den Abreden der Parteien vorkommt — einer der bekannten Versuche, die Lösung der rechthchen Schwierigkeiten in den Parteiwillen zu verschieben. Aus demselben Gedanken heraus soll die Leibrente da ausgeschlossen sein, wo sie auf Grund einer bestehenden Schadensersatzpflicht versprochen wird 5 . Aber auch das scheint mir wenig zweckmäßig : ein solches Versprechen einer lebenslänglichen Unterstützung muß der Schriftform auch dann unterworfen sein, wenn es zur Erfüllung einer, vielleicht sehr streitigen Ersatzpflicht erfolgt. — Endlich reicht es auch nicht für die Abgrenzung der Leibrente aus, wenn man erfordert, daß sie nicht über den Tod des Berechtigten fortdauere 6 . Denn das trifft zwar für die Leibrente zu, aber auch für sehr viele andere wiederkehrende Leistungen, z. B. aus einem Dienstvertrage oder einem Zuschußversprechen, das ein Onkel seinem Neffen für dessen Ausbildung gibt. 4

R G . 111,287 ; auch schonRG. 67, 207ff. (vgl. aber darüber unten S. 301). Ebenso E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 184. Dagegen R G . 63, 323; Titze, J W . 1919, 184. * R G . 89, 261. 91, 6. β S e p p a. a. O.; O e r t m a n n 1 zu § 759.

Begriff.

301

Es ist also ganz unmöglich, diesen Begriff und damit auch die Schriftform scharf abzugrenzen, wenn man nicht den Zweck des Vertrages, die Lebensversorgung des Berechtigten, als wesenthches Erfordernis betrachtet 7 . Die Ausdrucksweise des § 759 BGB., daß er nur im Zweifel auf die Lebensdauer des Gläubigers abgestellt sei, ist dahin zu verstehen, daß die Abgrenzung nicht unmittelbar auf die Lebensdauer abgestellt sein muß, sondern auch in einer etwas anderen Form getroffen werden kann, z. B. durch Zuwendung bis zum achtzigsten Jahre oder auf die Dauer von 30 Jahren. Aber immer muß dabei der Zweck, den Berechtigten auf Lebenszeit zu versorgen, erkennbar sein. Daher ist eine Leibrente da ausgeschlossen, wo die Unterstützung nur bis zur Erlangung der wirtschaftlichen Selbständigkeit zu zahlen ist. Ungenau und unnichtig ist es daher, wenn die herrschende Lehre diesen Zweck der Lebensversorgung nur als den regelmäßigen der Leibrente bezeichnet. Hier ist es unmöglich, die zahllosen anderen wiederkehrenden Leistungen dagegen abzugrenzen. Insbesondere gilt dies auch von einem Zuschuß versprechen, das der Vater einer verheirateten Tochter dieser oder dem Schwiegersohn gibt. Nach der herrschenden Lehre müßte man das als Leibrente ansehen, und in der Tat ist mehrfach so entschieden worden 8 . Aber es führt dazu, daß ein solches nur in schrifthcher Form abgegeben werden könnte: es würde daher in den meisten Fällen nichtig sein. Die richtige Entscheidung ergibt sich daraus, daß der Vater ein solches Versprechen höchstens für die Dauer seines eigenen Lebens abgibt und also damit nicht seine Kinder für deren Lebenszeit versorgen kann. Das Reichsgericht 9 hat solche Erwägungen treffend angestellt, dann aber die Entscheidung doch wieder auch von der unlösbaren Frage abhängig gemacht, ob der Vater ,,sich dabei mit einer einheitlichen Kapitalschuld belasten wollte". Vielmehr ist zu sagen, daß dies Versprechen niemals eine Leibrente enthält. Inwieweit es eine Schenkung ist, wurde schon früher (S. 118) erörtert. — Eben weil die Leibrente von der Lebensdauer abhängt, enthält sie ein Moment des Zufalls, und deshalb gehört sie zu den Glücksverträgen. § 155. Die Leibrente entsteht durch Vertrag. Das Versprechen muß schriftlich erteilt werden (§761 BGB.), seine Annahme kann 7 8 9

R G . 67, 208ff. R G . 63, 323; D J Z . 1910, 487; Recht 1911 N r . 1295. R G . 67, 208ff.; vgl. 111, 286ff.

302

Leibrente.

formlos erfolgen. Bei unentgeltlicher Zuwendung ist die Form der Schenkung (§518 BGB.) einzuhalten. Wenn einzelne Raten geleistet werden, so wird der Mangel der Schriftform nach § 518 I I geheilt; und das wird man auch auf die Schriftform übertragen dürfen 10 . — Der Anspruch kann auch durch eine einseitige Auslobung oder eine Verfügung von Todeswegen begründet werden. Vor allem kennt das Gesetz wichtige gesetzliche Leibrenten, so die Ansprüche aus Körperverletzung (§ 843), auf Unterhalt der geschiedenen Frau, der Verwandten und der unehelichen Kinder (§§ 1580, 1612, 1710 BGB.). Auch der Inhalt der Leibrentenschuld ist sehr umstritten. Es liegt hier eine Wiederholungsleistung vor — und bei dieser ist zwar die einzelne Leistung selbständig, aber doch sind alle schon vornherein geschuldet (I, 84). Daraus wird man aber nicht den Schluß ziehen dürfen, daß schon ein einheitliches Hauptrecht auf die gesamten Leistungen bestehe. Denn dies wäre ja von den Ansprüchen auf die einzelnen gar nicht verschieden Dies gilt auch für die Leibrente: auch hier ist kein Grund vorhanden, neben den einzelnen Leistungen noch ein allgemeines Grundrecht anzunehmen. Dennoch wird dies ganz überwiegend behauptet 11 . Man beruft sich darauf, daß der Verzug mit einer einzelnen Rate nicht zum Rücktritt vom ganzen Vertrage berechtige : aber das ist nach richtiger Ansicht bei allen Wiederholungsleistungen nicht anders (I, 533ff.). Man stützt sich darauf, daß das Gesetz (§ 1073) einen Nießbrauch an einer Leibrente erwähnt: aber das Gesetz spricht sogar von einem Nießbrauch an einem Vermögen (§ 1085). Man stützt sich darauf, daß der Beklagte den Tod des Berechtigten als Endbedingung zu beweisen habe. Aber dem ist nicht zuzustimmen. Wenn das Fortleben des Berechtigten — der vielleicht im Ausland wohnt — ernstlich zweifelhaft bleibt, muß die Klage abgewiesen werden. — Gegen diese Auffassung spricht anderseits, daß die Sachlage keine andere als bei den übrigen Wiederholungsleistungen ist, wo man ein solches Gesamtrecht verwirft. Auch hier ist dies Gesamtrecht gar nichts anderes als die Summe der einzelnen Leistungen. Man darf das Verhältnis zwischen beiden nicht dem zwischen einer Forderung 10 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 184; O e r t m a n n 4 zu § 761. Anders R G . 67, 208; R i e z l e r , Z H R . 5 8 , 619 u n d andere. 11

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 185; O e r t m a n n , 67, 207ff. 68, 342ff. 104, 272. 106, 95. 111, 287.

Vorbem.

5;

RG.

Spiel.

303

und deren Zinsleistungen gleichstellen 12 : denn dort hat die erstere ihren eigenen Inhalt und Wert, und das ist es eben, was dem Gesamtrecht auf Leibrente fehlt. Endlich führt die Gegenansicht zu der Folgerung, daß schon die Einräumung des Leibrentenrechts die Erfüllung des Versprechens bedeute, und sie wird in der Tat von manchen Gegnern gezogen13. Aber dann könnte der Schuldner, der dies Recht eingeräumt hat, die Leistung der Raten und zwar aller verweigern, ohne einen Rücktritt vom Vertrage fürchten zu müssen. — Hiernach ist außer den einzelnen geschuldeten Leistungen kein besonderes Recht anzuerkennen. Die Leistungen können aber schon vorher eingeklagt werden (§ 258 ZPO.). Sie verjähren binnen vier Jahren vom Schluß des Jahres, wo sie fällig sind (§§197, 201 ZPO.). Die Rente ist zur Lebensversorgung des Gläubigers bestimmt und eben deshalb auf sein Leben gestellt (§ 759 BGB.). Ist sie auf längere Zeit versprochen, so fällt sie mit dem Tode fort. Ist nur ein Betrag genannt, so ist er im Zweifel als Jahresbetrag aufzufassen (§ 759 I I . BGB.). Die Leistungen sind im voraus zu machen, Geldzahlungen für ein Vierteljahr (§ 760 I I BGB.). Zweites

Kapitel.

Spiel und Wette 1 . § 156. Begriff. § 157. Wirkungen. § 158. Differenzgeschäft.

§ 156. Nach römischem und gemeinem Recht war das Spiel unklagbar. Für die Wette wurde allgemein die Klagbarkeit behauptet, aber schwerlich mit Recht. Es beruhte auf einer Verwechslung mit der klagbaren römischen sponsio, die aber nicht durch ihren Inhalt bestimmt war, sondern nur eine Form bedeutete. Nach dem Gesetz (§ 762) ist jedenfalls sicher, daß keiner von beiden Verträgen einen Anspruch erzeugt: wohl aber ist auch die Rückforderung des Geleisteten ausgeschlossen (§ 762 I I ) . Bei beiden Geschäften geben zwei Personen einander Versprechungen unter der entgegengesetzten Bedingung ab. Aber das 12

E n n e c c e r u s a. a. O. E n n e c c e r u s a.a. 0 . ; R G . 67, 211; S e p p a . a . O. 91 ff. ; anders O e r t m a n n a. a. O. u n d Genannte. 1 M e n g e l , Spiel u n d W e t t e ; S e e l e r , B ü r g A . 24, 11 ff.; N u ß b a u m , daselbst 325ff. E l s t e r ; B ü r g A . 26, 34ff.; T r u m p l e r , Z H R . 60, 388ff.; F a l k e n b e r g , Κ GBl. 1919, 73ff. 18

304

Spiel.

allein genügt nicht, um sie von anderen, klagbaren Verträgen abzugrenzen. Es kann z. B. in einem Pachtvertrage vereinbart sein, daß der Pächter, wenn er den Ertrag des Gutes gesteigert hat, am Schluß eine Summe erhalten, im umgekehrten Falle aber bezahlen soll. Oder zwei Bewerber um dieselbe Arbeit machen aus, daß wer den Auftrag erhält, dem anderen eine Entschädigung zahlen soll. Hier handelt es sich nicht um Spiel oder Wette. Sondern es muß noch etwas hinzukommen, was deren Eigenart ausmacht. Manche wollen die Absicht der Parteien entscheiden lassen, die beim Spiel auf Gewinn oder Unterhaltung, bei der Wette auf Bekräftigung einer Behauptung gerichtet sei 2 . Aber eine Gewinnabsicht herrscht bei fast allen Verträgen vor und kann daher nicht zur Abgrenzung dienen; außerdem kann auch ein Spiel die Bekräftigung einer Behauptung bezwecken und eine Wette Gewinn oder Unterhaltung. Näher kommt dem richtiger schon die Bestimmung, daß das Spiel auf Zufall abgestellt sei 3 . Aber auch dies ist nicht genau. Denn es spielt dabei auch die Klugheit und Geschicklichkeit eine große Rolle : zum Spiel gehört auch der sportliche Kampf, das Schachspiel4, und auch bei dem Kartenspiel kommt es auf Kenntnisse und Berechnung an. Außerdem genügt es auch nicht, daß die Leistung von einem ungewissen Umstände abhängig ist. Denn das ist bei vielen anderen Geschäften auch der Fall : so besonders bei den Versicherungsverträgen, die den Einfluß der Zufälle ausgleichen sollen. I m Gegensatz dazu ist bei Spiel und Wette gerade das beabsichtigt, daß die Ungewißheit das Entscheidende sein soll. Und das ist auch der Grund, weshalb das Gesetz diese Geschäfte nicht anerkennt. Es entspricht nicht dem Ernst eines vernünftigen Wirtschaftens, sich so geflissenthch von ungewissen Ereignissen abhängig zu machen. Dieser Grund trifft auch dann zu, wenn nicht beide Parteien, sondern nur eine ein derartiges Versprechen abgibt. So bei der einseitigen Wette, wo nur einer dem anderen für den Fall, daß dieser mit einer Behauptung nicht recht hat, etwas verspricht. Auch hier ist es durchaus sachgemäß, ebenfalls die Klagbarkeit zu versagen 5. Auch hier zeigt sich, daß die Eigenart von Spiel und Wette nicht in der Abgabe gegensätzlich bedingter Versprechen hegt. 2 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 186; O e r t m a n n , Vorbem. 1; R G . 40, 259; O L G . 4, 232, 12, 276. 3 P l a n c k , Vorbem.; E n d e m a n n 1 § 187. 4 ß R G . Strafs. 40, 21 ff, Oben S. 242, wo auch die L i t e r a t u r .

Begriff.

305

Eine andere Frage ist, wie sich nun wieder Spiel und Wette von einander unterscheiden. Aber sie hat nach der Gestaltung unseres Rechts keine praktische Bedeutung mehr. Man darf den Unterschied nicht in den Absichten der Parteien suchen (oben S. 304), auch nicht darin, daß die Wette nicht auf die Zukunft gerichtet sei 6 , weil dies nicht immer zutrifft. Vielmehr dürfte maßgebend sein, ob die Parteien dabei eine Tätigkeit entfalten oder nur Behauptungen aufstellen. § 157. Durch Spiel und Wette wird eine Verbindlichkeit nicht begründet (§ 762 BGB.). Die Schuld ist ungültig, nicht nur durch eine Einrede entkräftet. Sie kann nicht durch Bürgen, Pfänder oder Vertragsstrafe gesichert werden 7 . Eine Aufrechnung mit ihr ist ausgeschlossen8: wohl aber kann man gegen sie aufrechnen 9, schon deshalb, weil eine Aufrechnung gegen eine Nichtschuld nach richtiger Ansicht überhaupt nicht ungültig ist 9 a . Wenn in der Anerkennung eines Kontokorrentsaldos Spielschulden stecken, so hat die Verrechnung auf die Posten verhältnismäßig zu erfolgen 10 . — Ebenso ist ein Darlehen ungültig, das durch Umwandlung einer Spielschuld entstanden i s t 1 1 . Wenn ein Vergleich das Bestehen einer Spielschuld feststellt, so kann daraus kein gültiger Anspruch entstehen: wohl aber, wenn er gerade die Frage klärt, ob eine solche vorliegt 1 2 . Und selbst eine abgelöste (abstrakte) Forderung, die auf Grund des Spiels eingegangen wird, ist nach § 762 I I BGB. ungültig. Das Gesetz spricht zwar nur von dem Schulderkenntnis, aber das ist sicherlich auch auf das abgelöste Schuldversprechen und auf den Wechsel zu beziehen 13 . Auch dieser kann also zurückgefordert werden. Wenn er schon indossiert ist, so wird dem gutgläubigen Erwerber sein Anspruch gewahrt, aber der ursprüngliche Gläubiger ist wegen grund6

P l a n c k a. a. O. R G . 47, 48. 52, 39. 8 R G . 38, 238. 9 J W . 1902 Beil. 199; 1903, 123; HansGZ. 1919, 11. ®a Meine Abhandlung B ü r g A . 21, 171 ff. 10 R G . 56, 24. 59, 193; R e g e l s b e r g e r , JheringsJ. 49, 407; H a g e n , D J Z . 1905, 109; T r u m p l e r , Z H R . 50, 489; K l i n g m ü l l e r , Z H R . 58, 178ff. Anders O e r t m a n n 4 zu § 762; R ü m e l i n , Z i v A r c h . 98, 200. 11 R G . J W . 1902, 369. 12 R G . 49, 192, J W . 1902 Beil. 254. 264. O L G . 2, 211. 13 R G . 51, 159. 7

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

20

Spiel.

306

loser Rechts Verschiebung (§ 812 B G B . ) h a f t b a r 1 4 . M a n h a t zwar dagegen eingewendet, es sei diesem dadurch, daß er m i t

Wissen des Schuldners den Gegenwert der Indossierung erhalten, schon die Leistung gemacht und dadurch der Mangel nach § 762 I 2 BGB. geheilt worden 1 5 ; aber diese Leistung ist ja nicht durch den Schuldner erfolgt. Ob ein Auftragsvertrag zum Spielen gültig sei, ist sehr bestritten. Man ist zwar einerseits darüber einig, daß nicht auf Ausführung des Auftrags oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung geklagt werden kann — und anderseits auch darüber, daß der Beauftragte den Gewinn, den er erzielt hat, herausgeben muß. Streitig ist aber, ob dieser auch Ersatz seiner Aufwendungen, also dessen, was er auf das Spiel aufgewendet hat, verlangen kann. Die herrschende Ansicht verneint es 1 6 — u n d wohl mit Recht. Zwar darf man sich nicht darauf berufen, daß es sich um eine Hilfe zu einer unsittlichen oder doch rechtswidrigen Tätigkeit handle : denn das Spiel ist ja keineswegs verboten, wie sich besonders darin zeigt, daß seine Erfüllung wirksam ist. Aber die Gefahr, die im Spiele liegt, ist genau die gleiche, ob man es persönlich oder durch Vermittlung eines Beauftragten tut. Wenn der Auftraggeber diesem für die dabei gemachten Aufwendungen haften muß, so begibt er sich damit ganz in die gleiche Gefahr. Besonders bedenklich ist es, wenn man gestattet, auf diese Weise durch die Banken Diffenzgeschäfte abzuschließen. Allerdings ist dem Auftraggeber, wie gesagt, ein Anspruch auf Herausgabe des Spielgewinns zu gewähren 17 . Aber das erklärt sich dadurch, daß er hierdurch eben nicht gefährdet wird. Nicht darf man es damit rechtfertigen, daß durch die Zahlung an den Beauftragten der Mangel geheilt worden sei; denn dann müßte man dasselbe auch in dem umgekehrten Falle annehmen, wo der Beauftragte verloren und gezahlt hat. — E i n Darlehen, das zum Spielen gegeben wird, ist gültig 1 8 : eben deshalb, weil das Spiel nicht unsittlich oder verboten ist. Aber es kann darin auch eine ver14

R G . 51, 361. 87, 280. P l a n c k , 3. A u f l . zu § 762 (anders 4. Aufl.). 16 R G . 40, 259. 51, 159. 59, 195; GruchBeitr. 50, 957; O L G . 10, 187. 12, 94ff. 14, 30; SeuffA. 15, 625. - Dagegen O e r t m a n n 4 zu § 762, wo die L i t e r a t u r ; Recht 1912 N r . 2230. 17 R G . 40, 256. 51, 156; O L G . 4, 282. 12, 275. 14. 30. 18 Herrschende Meinung, insbesondere R G . 67, 355ff; O L G . 20, 233. SeuffA. 57 N r . 172, 60 N r . 74. 15

Wirkungen.

307

steckte Beteiligung am Spiel liegen, und dann ist es unwirksam 19 . Auch kann das Darlehen sich als unsittlich darstellen: wenn der Geber damit bewußt die Spielwut erregt, wenn etwa ein Klub während des Spiels seinen Mitgliedern Geld borgt 2 0 , oder wenn es zum Zwecke eines verbotenen Spiels gegeben w i r d 2 1 . Wenn aber die Spielschuld erfüllt ist, so kann das Geleistete nicht zurückgefordert werden (§ 762 I 2 BGB.). Das Interesse der Rechtsordnung geht nur so weit, daß der Spieler nicht zur Erfüllung gezwungen werden soll. Wenn er aber freiwillig leistet, so liegt kein Grund vor, das wieder rückgängig zu machen. Die herrschende Lehre spricht hier von einer ,,natürlichen Verbindlichkeit". Es wurde aber früher gezeigt, daß das ein unklarer und unnötiger Begriff ist (I, 16ff.). Es hegt vielmehr überhaupt keine Verpflichtung vor. Das Gesetz selbst sagt das gerade in § 762 so deutlich wie nur ein Gesetz sprechen kann. Außerdem erhellt es daraus, daß eine Verpflichtung ohne Zwang nicht denkbar ist, und daß die Wirkungen einer Verpflichtung nicht eintreten. Daß die Rückforderung ausgeschlossen ist, läßt sich auch ohne diese Annahme erklären. — Ganz ähnlich liegt der Fall, wenn die Spielschuld nicht hinterher, sondern schon vorher erfüllt wird: wenn also die Leistung im voraus für den Fall des Verlustes bewirkt wird. Und gerade weil die Sachlage fast die gleiche ist, muß auch hier die Leistung als endgültig betrachtet und die Rückforderung ausgeschlossen werden 22 . Allerdings ist dabei vorausgesetzt, daß die Zahlung wirklich schon als Erfüllung gedacht ist und nicht bloß als Sicherung, als ein unregelmäßiges Pfandrecht, dessen Bestellung für die Spielschuld ungültig wäre 23 . Das Strafgesetzbuch bestraft das gewerbsmäßige Glücksspiel, die Veranstaltung einer Lotterie oder Ausspielung ohne obrigkeitliche Erlaubnis und das unbefugte Halten von Glücksspielen an öffenthchen Orten (§§ 284, 286, 360 14 ). Der Spielvertrag ist in den beiden ersten Fällen nichtig, während die letzte Bestimmung nur eine Ordnungsvorschrift enthält. Ebenso sind auch Wetten über Pferderennen und deren geschäftliches Vermitteln ohne staatliche Erlaubnis nichtig (Reichsgesetz 8. Appiel 1922). Hier i® O L G . 8, 83. 20 R G . 70, I f f . ; W a r n e y e r 1914 N r . 74; J W . 1914, 296. 21 O L G . 5, 103. 6, 448. 22 O e r t m a n n 1 zu § 762, wo auch die L i t e r a t u r . 23 C r o m e § 289; P l a n c k 4; v . T u h r 3, 175; SeuffA. 73 N r . 20. 20*

308

Spiel.

überall ist auch die Rückforderung der Leistung möglich. Denn § 762 schließt sie nur insoweit aus, als sie sich schon aus der Spielnatur ergeben werden würde. Bei der Lotterie 2 4 wird der Spieltrieb im öffentlichen Interesse ausgenützt. Sie erfolgt meistens durch Verlosung; die eigentliche Lotterie ist auf Geldgewinn gerichtet. Wenn sie staatlich genehmigt ist, ist der Vertrag vollgültig und klagbar (§ 763 BGB.), einschließlich der Auftragsverträge und Gesellschaften, die darauf gerichtet sind. Die Genehmigung erfolgt durch den Bundesstaat, in dessen Gebiet sie veranstaltet wird. Ist dies geschehen, so ist sie im ganzen Reich gültig 2 5 . Allerdings haben die Verfasser des BGB. das sicher nicht beabsichtigt und auch die damaligen Gesetzgeber nicht : aber auf deren inneren Willen kommt es eben nicht an. Nur die Strafandrohung ist noch bestehen geblieben. Ist die Lotterie nicht genehmigt, so wird sie wie die anderen Spiele behandelt. § 158. Unter einem Differenzgeschäft 26 versteht man ein solches, das in der äußeren Form eines Kaufvertrags erscheint, aber sachlich ein Spiel oder richtiger eine Wette enthält. Es wird daher auch gemäß der Regel über verdeckte Geschäfte (§ 117 I I BGB.) wie Spiel und Wette behandelt (§ 764 BGB.). Es werden dabei Waren oder Wertpapiere für einen bestimmten Tag verkauft: aber der Sinn des Geschäfts geht nicht darauf, daß diese wirklich geliefert werden sollen, sondern es soll nur der Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem am Stichtage maßgebenden Börsen- oder Marktpreis gezahlt werden — oder zwischen dem vereinbarten Preis und dem, der sich aus einem Gegengeschäft ergeben wird. Auch dann ist es nicht anders, wenn der Kaufpreis gestundet ist und die Ware an einem bestimmten Tage für Rechnung des Käufers wieder verkauft werden soll 2 7 . Obwohl das Gesetz nur den ersten, selteneren Fall erwähnt, sind ihm die anderen gleichzustellen. Immer kommt es darauf an, ob der Vertragssinn 24 E n d e r m a n n , Beiträge zur Geschichte der Lotterie u n d zum heutigen Lotterierecht; E i c h h o r n , D J Z . 1904, 520ff.; J e ß , D J Z . 1905, 492; F r o s c h m a n n , J W . 1914, 1065; W a s s e r m a n n , LeipzZ. 1927, 232ff. 25 R G . 48, 175; GruchBeitr. 46, 1184. 26 W i e n e r , Das Differenzgeschäft; L e i s t , ZivArch. 83, 133ff.; B e n d i x e n , M S c h r H R . 4, 106ff.; N u ß b a u m , H a n d b H R . 4, 2, 591ff.; T r u m p l e r , Z H R . 50, 388ff. 27 R G . 52, 252. 59, 322ff.; J W . 1906, 14ff.

Differenzgeschäft.

309

auf wirkliche Lieferung oder nur auf den Unterschied gerichtet ist. Dagegen genügt es für die Annahme eines Differenzgeschäfts nicht schon, daß den Parteien beim Vertragsschluß wesentlich der Gewinn dieses Unterschiedes vorgeschwebt hat. Ein solches nur „wirtschaftliches Differenzgeschäft" ist trotz dieser Absicht als gültiger Kauf zu behandeln 28 . Welches nun der Sinn des Vertrages ist, muß wie immer durch Auslegung ermittelt werden. Dabei sind nicht nur die offensichtlichen Erklärungen zu berücksichtigen, sondern die ganzen Umstände des Falles 29 . Aus ihnen ist der objektive Sinn des Vertrags festzustellen. Nicht kommt es auf den inneren Willen der Parteien oder gar der einen von ihnen an. Wenn man auch hier von dem Parteiwillen zu reden pflegt, so ist damit, wie überall, der aus den Umständen und Vorverhandlungen erhellende Sinn des Vertrages gemeint. Wenn aber eine Partei die Absicht hatte, daß nur die Differenz zu zahlen sei, und die andere dies erkannt und nicht widersprochen hat, so hat sie sich dem unterworfen. Nach den allgemeinen Regeln gilt dies nicht auch, wenn sie sie lediglich hätte erkennen müssen. Aber das Gesetz geht gerade hier noch einen Schritt weiter und dehnt es auch auf den letzteren Fall aus (§ 764) — und nur in diesem zweiten Satz des Paragraphen liegt der besondere Inhalt seiner Vorschrift 30 . Bisweilen geht schon aus den äußeren Umständen hervor, daß eine wirkliche Lieferung nicht beabsichtigt ist, z. B. wenn der Käufer kein Kaufmann ist oder wenn übergroße Mengen verhandelt werden. Das Anwendungsgebiet des § 764 BGB. wird aber wesentlich dadurch eingeengt, daß es nicht für die eigentlichen Börsentermingeschäfte gilt, nämlich solche Lieferungsgeschäfte von Waren oder Wertpapieren auf bestimmte Zeit, die den Bedingungen der Börse unterhegen (Börsengesetz vom 22. Juni 1896 in der Fassung vom 27. Mai 1908). Diese sind überhaupt nur den eingetragenen Vollkaufleuten und Börsenbesuchern zugänglich, und bei ihnen ist der Spieleinwand ausgeschlossen. Nicht betroffen dadurch wird der inoffizielle Terminhandel: unter den nicht zugelassenen Personen oder unter wesentlich anderen als den amtlichen Bedingungen der Börse 31 . Hiernach kann der Spieleinwand nur noch erhoben 28

T r u m p l e r a. a. O. 395ff. R G . 79, 237ff. 80 Vgl. B e n d i x e n u n d T r u m p l e r a. a. O. 3 1 R G . 86, 406; J W . 1915, 791. 1005. 29

310

Spiel.

werden bei Waren und Wertpapieren, die nicht zum Börsenhandel zugelassen sind, bei nicht börsengeschäftsfähigen Personen und beim Handel unter anderen Bedingungen. — Das alte Börsengesetz hatte ein besonderes Börsenregister geschaffen und nur den dort Eingetragenen das Differenzspiel gestattet. Aber dies Register, das man als ein Spielerregister bezeichnete, wurde wenig benutzt. Deshalb hat das neue Börsengesetz statt dessen zweckmäßiger bestimmt, daß es auf die Eintragung im Handelsregister ankommt. Dadurch wird es erreicht, die Laien davon fernzuhalten.

DRITTER

TEIL.

Zweckbestimmte Geschäfte.

Erstes

Kapitel.

Bürgschaft. § 159. Begriff. § 160. Vertrag. § 161. Abhängigkeit. § 162. Zweithaftung. § 163. Verhältnis z u m Hauptschuldner. § 164. Kreditauftrag. § 165. Garantievertrag.

§ 159. I n den ersten 14 Titeln sind die Verträge nach dem Inhalt der Leistungen bestimmt. I n denen vom 18. bis 22. ist nicht dieser Inhalt maßgebend, sondern der Artzweck, den ein Geschäft typisch verfolgt (I, 321ff.). Er ist von dem Rechtsgrund durchaus zu unterscheiden. So ist der Artzweck eines Wechsels immer, die Beitreibung der Leistung zu erleichtern und zu sichern : sein Rechtsgrund dagegen kann Schuldtilgung, Rechtserwerb oder Schenkung sein. Zu den zweckbestimmten Geschäften gehört die Bürgschaft 1 : sie verfolgt den Artzweck, die Durchsetzung einer Forderung durch Zufügung eines Nebenschuldners zu sichern. Der Bürge verpflichtet sich selbst. Allerdings ist es eine fremde Schuld, für die er haftet. Darin liegt der Unterschied von dem Falle, wo jemand als eigener gleichwertiger Hauptschuldner neben einem anderen steht, sei es von vornherein oder auf Grund eines nachträglichen Aktes (Schuldbeitritt), wo also eine eigenthche Gesamtschuld besteht. Bei dieser stehen sich die beiden Schuldner durchaus gleich. Man möchte einen so Beitretenden als Selbstschuldner bezeichnen, aber dieser Ausdruck ist im Gesetz (§ 773) und Leben für einen anderen Fall festgelegt. I m Gegensatz hierzu enthält die Bürgschaft nur eine N e b e n s c h u l d , und das äußert sich darin, daß diese 1. von der Hauptschuld abhängt, 2. nur hilf s weise eingreift und 3. im Innenverhältnis ganz auf den Hauptschuldner abgewälzt werden kann. Man hat dies oft dahin ausgedrückt, daß der Bürge nicht 1

H a s e n b a l g , Bürgschaft; G e i b , Zur D o g m a t i k der römischen Bürgschaft; K r e m e r , Mitbürgschaft; W e s t e r k a m p , Bürgschaft u n d Schuldb e i t r i t t ; S c h n e i d e r , B a y r R p f l Z . 1909, I f f . ; R e i c h e l , Schuldmitübernahme; B a y r R p f l Z . 1910, 125; L i p p m a n n , Z i v A r c h . 111, 135ff.; O p i t z , Abhängigkeit der Bürgenhaftung.

314

Bürgschaft.

schlechthin zu zahlen, sondern nur für die Zahlung der Hauptschuld einzustehen verspreche. Aber hieraus ergibt sich nicht mehr, als daß die Verbürgung einen verweisenden Vertrag enthält, sich nämlich auf eine andere Schuld stützt (I, 85). Daraus folgt aber weder die Abhängigkeit — sie fehlt bei anderen Verweisungsverträgen, z. B. beim Vergleiche — noch die Zweithaftung und die Regelung des Innenverhältnisses. Noch weitergehend hat man behauptet, daß der Bürge überhaupt nicht schulde, sondern nur hafte 2 . Das ist aber durchaus unrichtig 3 : denn er „verpfhchtet sich" (§ 765 BGB.), und es finden darauf alle Vorschriften einer Schuldpflicht Anwendung. Wenn man hier dennoch von einer Haftung spricht, so ist das nur in dem Sinne richtig, daß seine Pflicht den Ersatz einer anderen Leistung bildet. Eine solche Ersatzverpflichtung ist aber etwas ganz anderes als die Haftung ohne Schuld, die die Gegner behaupten: eben weil sie eine Verpflichtung ist. Die Lehre der Gegner beruht also auf einer Verwechslung zweier verschiedener Begriffe, die beide mit dem Worte Haftung bezeichnet werden (I, 30ff., 35). Freilich kann jemand für eine fremde Schuld lediglich eine Haftung ohne Schuld übernehmen, nämlich dadurch, daß er ein Pfand dafür setzt, ohne die Schuld zu übernehmen. Aber dem ist der Fall der Bürgschaft gerade entgegengesetzt: der Bürge geht eine eigentliche Verpflichtung ein, wenn es auch nur eine Nebenpflicht ist. Daher erfüllt auch der Bürge, wenn er zahlt, seine eigene Verpflichtung, für die Hauptschuld einzustehen, wobei er freilich zugleich auch diese mit tilgt. Zu Unrecht hat man darüber gestritten, welche von beiden er erfülle: solvit et suo nomine 4 . Eben dieser Gegensatz zwischen der Gesamtschuld und der bloßen Nebenschuld und seine wichtigen praktischen Folgen nötigen uns, genau zu unterscheiden, worauf der Vertrag gerichtet ist. Dazu kommt noch, daß nur das eine dieser Geschäfte, die Verbürgung, der Schriftform bedarf. Das unterscheidende Merkmal muß man darin sehen, ob der Verpflichtete die Stellung eines vollen Hauptschuldners übernehmen sollte. Das ist besonders dann anzunehmen, wenn er selbst an dem Geschäft ganz oder doch annähernd ebenso sachlich beteihgt ist (I, 702ff.). So ist 2

I s a y , JheringsJ. 48, 198ff.; G i e r k e , Privatrecht 3, 13ff.; M a r e k , J W . 1915, 31 I f f . 3 I , 35 u n d Genannte. 4 dig. 17, 1 1. 28; G i e r k e , a. a. Ο. 775 A n m . 32.

Begriff. Abschluß.

315

die Ehefrau, die den Mietvertrag von vornherein oder nachträglich unterschreibt, nicht als bloße Bürgin, sondern als Mitmieterin, also Gesamtschuldnerin anzusehen. Dies Unterscheidungsmerkmal wird auch vorwiegend anerkannt, aber mit mancherlei Unklarheiten und Abweichungen (I, 703). § 160. Der Bürgschaf tsvertrag wird zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen geschlossen. Denkbar wäre auch ein Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner, der dem Gläubiger unmittelbar ein Recht verschafft (§ 328 BGB.). Aber er ist sehr selten. Die Abmachungen dieser beiden richten sich in aller Regel nur auf ihre eigenen Beziehungen und dienen nur zur Vorbereitung des Bürgschafts Vertrags. Das Versprechen des Bürgen bedarf der Schriftform (§ 766 BGB.). Dies Geschäft gilt mit Recht als besonders gefährlich. Gerade weil der Bürge selbst sachlich nicht beteihgt ist, erscheint seine Haftung mißlich; sie wird oft nur aus übertriebener Gutmütigkeit oder Schwäche übernommen. Außerdem wiegt sich der Übernehmer meist in der Hoffnung, daß er nicht i n Anspruch genommen werde, daß es sich nur um eine „Formsache" handle. Darin bestärkt ihn eben der Umstand, daß ihn selbst die Schuld nichts angeht, und auch daß er erst an zweiter Stelle haftet. Gegenüber solcher Vertrauensseligkeit ist es gewiß zweckmäßig, den Ernst der Sache durch die Schriftform zu betonen. Außerdem wird dadurch ein deutlicher Strich gezogen zwischen den Freunden, die nur dem Gläubiger zureden und den Schuldner empfehlen, und dem, der sich wirklich dafür haftbar machen will. Diese Gründe treffen beim Schuldbeitritt zum größten Teil nicht zu, und deshalb ist die Formvorschrift auf diesen nicht auszudehnen (I, 700). — Die Urkunde muß nicht notwendig den ganzen Inhalt des Vertrags vollständig und richtig enthalten, wohl aber seinen wesentlichen Inhalt: und was dazu gehört, ergibt sich aus dem Zwecke, den die Formvorschrift verfolgt (I, 272ff.). Bei der Bürgschaft besteht er vor allem darin, daß der Bürge auf die Folgen dieses gefährlichen Geschäfts hingewiesen werden soll, also in dem W a r n u n g s z w e c k . Deshalb muß die Urkunde alles das enthalten, was hierfür nötig ist: insbesondere die Erklärung, daß er für die Schuld einstehe6, während die bloße Wechselzeichnung6 6

R G . 57, 261. 63, 148. 76, 195. 78, 37. 94, 89. • R G . 94, 89.

Bürgschaft

316

oder Mitunterzeichnung einer Schuldurkunde nicht genügt 7 . Ferner muß der Schuldner 8 und die Schuld derart angegeben werden, daß die Tragweite der Verpflichtung daraus hervorgeht. Es ist nicht gerade nötig, daß sie in Zahlen benannt ist, aber ihr Umfang muß doch einigermaßen ersichtlich sein. Eine Verbürgung für „alle Forderungen des X an meinen Sohn" würde daher nichtig sein 9 . — Außerdem aber muß die Urkunde noch so viel Angaben enthalten, daß man daraus auch den sonstigen Inhalt des Vertrags mit einiger Sicherheit feststellen kann. Es kann nicht schon genügen, daß für den Bürgen selbst der Inhalt seiner Verpflichtung deutlich ist. Wenn sich eine Mutter für die „mir bekannte Schuld meines Sohnes von 1000 Mark" verbürgt, so kann das nicht genügen, weil kein Dritter, sei es ein Richter, Gläubiger oder Mitbürge, daraus irgendwie erkennen kann, worum es sich handelt. Diesem F e s t s t e l l u n g s z w e c k kann auf verschiedene Weise genügt werden, wenn sich daraus nur der Inhalt erkennen läßt. Es kann dazu die Nennung des Gläubigers, des Schuldgrundes oder auch des Entstehungstages genügen10. Die eine Angabe kann die fehlenden anderen ergänzen 10. Falls dieser Zweck schon anderweit erreicht ist, ist die Angabe des Schuldgrundes unnötig 1 1 , sofern sich nicht gerade daraus eine Verschärfung der Haftung ergibt. Unter derselben Voraussetzung ist auch die Angabe des Gläubigers entbehrlich. Diese Unterscheidung ist bedeutsam für die umstrittene Frage, in welcher Weise der Inhalt der Verbürgung angegeben werden muß. Sie ist — was man bisher fast ganz verkannt hat — für beide Teile der Erklärung verschieden zu beantworten. Diejenigen Umstände, die dem Bürgen seine Haftung und ihren Umfang einschärfen sollen, müssen unmittelbar in der Urkunde stehen; denn das ist ja der Zweck der Schriftform, ihn auf diese Gefahr hinzuweisen. Dort muß also angegeben sein, daß er haften wolle, der Schuldner und die Schuld: diese muß „ i n der Urkunde selbst" bezeichnet sein 12 . Auch der Schuldgrund und der Gläubiger 7

R G . 62, 175. 77, 378ff. 78, 37ff. 94, 89. Weitere Entscheidungen bei P l a n c k 2 zu § 766. 8 R G . 82, 71. 9 A . M . E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 188 A n m . 8. 10 R G . 61, 343. 62, 172. 71, 115ff. 11 R G . 59, 217; J W . 1911, 401; SeuffA. 59 N r . 80; Recht 1903 N r . 2923, 1907 N r . 745; anders R G . 82, 70ff. 12 R G . 57, 261.

Form.

317

müssen ebenso angegeben werden, wenn sich daraus eine besondere Verschärfung der Haftung ergibt wie bei einer Wechselschuld. Dagegen bei den Angaben, die nur zur Peststellung des Inhalts dienen, ist es zulässig, Mängel aus sonstigen Umständen, z. B. den mündlichen Vorverhandlungen zu ergänzen. Denn der Feststellungszweck der Urkunde wird auch dann erreicht, wenn auf diesem Wege der Inhalt vervollständigt werden kann. Eine ähnliche Unterscheidung findet sich in einigen Urteilen des Reichsgerichts, die fordern, daß „die Verbürgung selbst", „der konkrete rechtsgeschäftliche Inhalt der Verpflichtung", „die wesentlichen Merkmale der Bürgschafts Verpflichtung" aus der Urkunde selbst hervorgehen müsse, während im übrigen die Heranziehung anderer Umstände zulässig sei 13 . Meist aber werden in dieser Frage beide Teile des Inhalts gleichmäßig behandelt 14 . Dies führt dahin, daß oft übermäßige Anforderungen an die Beurkundung derjenigen Punkte, die nur zur Feststellung des Inhalts dienen, erhoben werden. Besonders wird verlangt, daß die Person des Gläubigers in der Urkunde selbst genannt werde 15 . Von anderen Entscheidungen wird dies bestritten 1 6 : auch innerhalb des Reichsgerichts gehen hier die Ansichten auseinander. Der letzteren Meinung ist beizutreten : die Angabe des Gläubigers kann, weil sie nur dem Feststellungszweck dient, auch aus außerhalb liegenden Momenten entnommen werden. Anderseits werden aber vielfach auch umgekehrt die Ansprüche an die Beurkundung zu sehr herabgesetzt, bezüglich der Teile, die zur Warnung des Bürgen dienen. So hat man für den ganzen Inhalt die Beurkundung dessen als genügend bezeichnet, was zu einer mündlichen Vereinbarung ausreichen würde 17 . Dabei ist nicht hinreichend gewürdigt, daß die Urkunde dem Bürgen seine Verpflichtung deutlich vor Augen führen soll. Nach dieser Ansicht müßte auch eine Erklärung, die über den Inhalt und Umfang der Schuld gar nichts erkennen läßt, genügen 18 . — Wenn hiernach verlangt wird, daß ein Umstand aus 13

R G . 57, 261. 71, 115. So z . B . v o n O e r t m a n n 1, P l a n c k 2 zu § 766. R G . 71, 116, vgl. 62, 383ff.; SeuffA. 64 N r . 90, 193; O L G . 18, 39; HansGZ. 1907 N r . 183. 16 R G . 76, 195ff. u n d genannte Entscheidungen; SeuffA. 57 N r . 148; O L G . 22, 345. 17 O e r t m a n n a. a. O. 18 So i n der T a t SeuffA. 57 N r . 268, wogegen aber O e r t m a n n selbst a. a. O. 14

318

Bürgschaft.

der Urkunde selbst hervorgehe, so ist damit freihch noch nicht gesagt, daß er dort ganz vollständig und genau richtig angegeben sein müsse. So kann eine Ungenauigkeit in der Namensangabe des Schuldners unschädlich sein, wenn über die Person selbst kein Zweifel herrscht. Auch bei dieser Frage kann die Abgrenzung immer nur aus dem Zweck der einzelnen Formvorschrift entnommen werden. Hier, bei der Bürgschaft, kommt es eben darauf an, ob durch die Urkunde dem Bürgen seine Verpflichtung und ihr Umfang deutlich eingeschärft wird. Wenn dem Genüge geschieht, ist die Form erfüllt. Der genannte Unterschied zeigt sich besonders auch i n dem Falle, wo in der Verbürgung auf eine andere Urkunde verwiesen ist. Eine solche Verweisung reicht nicht etwa aus, um diese zu einem Teil der Haupturkunde zu machen 19 . Wohl aber genügt es, wenn beide Erklärungen auf demselben Blatte stehen 20 oder das eine dem anderen dauernd als Anlage beigefügt ist 2 1 . Dem wird man auch den Fall gleichstellen können, wo dieselben Parteien vorher eine andere Urkunde vollzogen hatten, auf die sie jetzt Bezug nehmen 22 : denn hier ist ohne weiteres davon auszugehen, daß der Bürge diese seine eigene frühere Erklärung kennt oder doch kennen muß. Anders aber, wenn auf eine von anderen Personen errichtete Urkunde verwiesen würde 2 3 . Zwar ist es auch hier möglich, daß der Bürge davon Kenntnis genommen hat. Aber es ist auch dann noch recht ungewiß, ob er sie auch richtig gelesen und verstanden und bei der Unterzeichnung noch deutlich in Erinnerung hatte. Jedenfalls aber ist dies alles ganz unsicher und erst besonderer Beweise bedürftig, und die For m Vorschriften sind eben dazu da, um solche Unklarheiten zu vermeiden. — Unzweifelhaft kann der Gläubiger auch i n einer bloßen Blanketterklärung bezeichnet werden. Hier darf sich der Hauptschuldner daraufhin einen Gläubiger suchen. Füllt er die Urkunde vertragswidrig aus, so ist die Verbürgung dennoch gültig, aber nach §§ 119, 123 BGB. anfechtbar 24 . Mündliche Nebenabreden sind 19

H G . 67, 258. 80, 400. 105, 292. 107, 294. 20 R G . 59, 219. 61, 343. 62, 172; SeuffA. 59 N r . 80; Recht 1904 N r . 267. 21 R G . 105, 292, 107, 294; vgl. § 176 I I F . G. 22 R G . 76, 305; ähnlich auch 77, 418. 28 R G . 76, 305ff. 24 v . T u h r , Festschrift für L a b a u d 93, A n m . 1; S i e g e l , B l a n k e t t erklärung 45 ff.

Form.

319

wirksam, wenn sie die Verpflichtung des Bürgen einschränken; denn solche sind immer nur insoweit dem Formzwang unterworfen, als sie den Zweck, den die Formvorschrift verfolgt, gefährden 25 . I m Rechtsstreit ist die Aufnahme ins Protokoll genügend 26 . Auch der auf Verbürgung gerichtete Abschließungsvertrag bedarf der Form 2 7 . Durch die Erfüllung wird der Mangel der Form geheilt. Wenn die Verbürgung ein Handelsgeschäft ist, so ist sie formfrei (§ 350 HGB.). Durch den Bürgschaftsvertrag wird nur eine einseitige Verpflichtung des Bürgen begründet. Aber es ist auch möglich, dabei eine Gegenleistung des Gläubigers zu vereinbaren 28 . Manche wollen darin nur einen Abschheßungsvertrag auf Verbürgung erblicken. Aber selbst wenn man das annimmt, muß man auch dafür die Schriftform erfordern 29 . § 161. Die Bürgschuld ist von der Hauptschuld a b h ä n g i g , eben weil sie nur eine Nebenschuld ist (S. 313). Sie erfordert also eine gültige Hauptschuld. Eine nur zahlbare Verbindlichkeit genügt nicht, und gerade hier zeigt sich, daß dies gar keine rechtliche Schuld ist (I, 16ff.). Wohl aber ist Verbürgung für eine künftige oder bedingte Schuld, z. B. aus der Geschäftsverbindung, zulässig (§ 765 I I BGB.). Hier ist die Verpflichtung des Bürgen noch in der Schwebe. Man hat es zwar so aufgefaßt, als ob eine Verpflichtung des Bürgen überhaupt noch nicht vorhanden sei, sondern nur eine Ermächtigung, die noch widerruflich sei 30 . Aber das widerspricht geradezu der angeführten Bestimmung des Gesetzes und ist wegen der Widerruflichkeit sehr unbefriedigend. Ebenso wird der Bürge durch jede Tilgung der Hauptschuld befreit, auch beim Erlaß zur Abwendung des Konkurses 31 oder bei Unmöglichkeit. Wie aber, wenn letztere vom Bürgen selbst verschuldet ist ? Nach dem allgemeinen Grundsatz der Abhängigkeit müßte man annehmen, daß er trotz seines Verschuldens 25

Oben I , 274ff.; R G . 65, 46ff. 71, 415ff. 95, 9ff.; W a r n e y e r , 1909 N r . 340, 1910 N r . 114. 28 R G . 64, 85; O L G . 12, 191. 27 R G . 76, 304. 28 R G . 66, 426. 29 Abweichend E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. Ο. I , 4, anders aber I I . R i c h t i g P l a n c k , Vorb. I I , R G R K . 4, SächsArch. 1903, 95. 30 E c c i u s , GruchBeitr. 46, 53ff. 31 R G . 92, 123ff.; J W . 1916, 47 9.

320

Bürgschaft.

befreit werde, und in der Tat wird diese Ansicht vertreten 32 . Aber das ist doch gar zu unbillig. Allerdings kann man in manchen Fällen damit aushelfen, daß der Bürge dem Hauptschuldner aus einer Unrechtshandlung verpflichtet wird und dieser seinen Anspruch daraus dem Gläubiger abtreten muß. Aber das paßt doch eben nur für die Fälle, wo eine Unrechtshandlung des Bürgen, also eine Verletzung von Personen oder Sachen gegeben ist. Auch in den übrigen muß er haftbar gemacht werden können. Und das rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß er verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was die Erfüllung der Hauptschuld vereiteln kann und für die Verletzung dieser seiner Pflicht einstehen muß. Auch auf die Einreden, die gegen die Hauptschuld gerichtet sind, kann sich der Bürge berufen (§ 768 BGB.), da auch dadurch jene entkräftet wird 3 3 . Ausgenommen sind gewisse Einreden, die sich auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners stützen, nämlich aus der beschränkten Haftung des Erben und dem Zwangsvergleich im Konkurse (§ 768 I 2 BGB., § 193 KO.): denn diese Unfähigkeit ist es ja gerade, wogegen die Bürgschaft schützen soll. Auf andere Einreden, die auf diesem Grunde beruhen, wie die Einrede des Notbedarfs bei der Schenkung, kann man das aber nicht ausdehnen34, weil die Vorschriften des Gesetzes allzu bestimmt sind. Auf die Einrede der Verjährung kann sich der Bürge berufen, wenn letztere nach der Verbürgung eingetreten ist — nicht aber, wenn er sich für eine schon verjährte Schuld verbürgt hat (§ 222 I I BGB.). — Der Hauptschuldner kann durch seine Abmachungen nicht dem Bürgen die Einreden entziehen (§ 768 I I BGB.). Das gilt auch für Einwendungen anderer Art, z. B. die Stundung. Falls der Gläubiger dem Hauptschuldner Frist gewährt, aber sich seine Rechte gegen den Bürgen vorbehält, so ist letztere Bestimmung jedenfalls ungültig 3 5 . Fraglich ist nur, ob damit auch die erste hinfällt, und das ist nach § 139 BGB. im Zweifel zu bejahen. Weder darf man die Abrede immer als nichtig erklären 36 noch umgekehrt als stets für den Schuldner wirksam 37 . — 82

K i s c h , Unmöglichkeit. 43; W e s t e r k a m p a. a. O. 94ff. S t a m m l e r , Einrede aus dem Recht eines D r i t t e n 33; R a p p a p o r t , Einrede aus dem fremden Rechtsverhältnis. 34 Wie D e r n b u r g § 287. 35 Herrschende Meinung; anders D e r n b u r g § 287 A n m . 7; O e r t m a n n 2 zu § 768. 36 So R G . 56, 312ff. 37 So E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 189 A n m . 17. 33

Abhängigkeit.

321

Weiter kann sich der Bürge darauf berufen, daß dem Hauptschuldner ein Anfechtungsrecht zusteht, z. B. wegen Betruges (§ 770 BGB.). Allerdings ist damit nicht etwa dem Bürgen ein eigenes Anfechtungsrecht gegeben; aber man mutet ihm doch nicht zu, zu bezahlen, solange es noch nicht feststeht, ob der Schuldner die Anfechtung ausüben wird. Auch das Recht zur Aufrechnung steht dem Bürgen nicht zu, weil er nicht über die fremde Forderung verfügen kann (I, 613, 614). Aber anderseits ist es unbilligj daß ein Gläubiger, der sich durch Aufrechnung befriedigen könnte, statt dessen gegen den Bürgen vorgeht (§ 770 I I BGB.). Es greift hier derselbe Gedanke ein, der zur Zweithaftung des Bürgen geführt hat (unten S. 322ff.). Anders ist es daher, wenn nicht der Gläubiger, sondern nur der Hauptschuldner aufrechnen kann 3 8 . Die Ausdrucksweise des Gesetzes schließt deutlich diesen Fall aus, und vor allem auch die Begründung, die wir eben für die Vorschrift gegeben haben: wer diese anerkennt, darf jene Ausdehnung nicht vertreten 39 . Manche wollen die Vorschrift auch auf das Minderungsrecht 40 oder gar auf das Wandelungsrecht und das vorbehaltene Rücktrittsrecht erstrecken: aber dort liegt die Ausübung keineswegs ebenso nahe wie bei einer Anfechtung. — Diese Abhängigkeit ist es vor allem, was die Bürgschaft scharf von dem Schuldbeitritt unterscheidet: denn dort ist jede Schuld ganz selbständig, durch die Gültigkeit der anderen nicht bedingt (I, 701). Es ist ein wesentliches Merkmal der Bürgschaft. Würde vereinbart, daß die Haftung von der Hauptschuld unabhängig sei, so würde eine Bürgschaft nicht vorliegen, sondern ein Schuldbeitritt 4 1 . Endlich richtet sich auch der Umfang der Bürgschuld nach dem der Hauptschuld, gleichviel ob diese herabgesetzt oder durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners erweitert wird (§ 767 I 2 BGB.), und das gilt entsprechend auch da, wo dieser für Zufall haftet. Nicht ist aber dasselbe auch für Verzugszinsen an38

P l a n c k , R G R K . , S t a u d i n g e r zu § 770; anders E n n e c c e r u s L e h m a n n § 190; D e r n b u r g § 287; C r o m e § 296 A n m . 46; j e t z t auch O e r t m a n n 4 zu § 770. 39 Dies gegen E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. 40 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 189 A n m . 16; R G . 66, 333ff. Dagegen D e r n b u r g , C r o m e a. a. O . ; F r i e d e n t h a l , J W . 1908, 132ff.; P i n g s h e i m , GruchBeitr. 53, 13 ff. 41 R G . W a r n e y e r 1909 N r . 88. B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

21

322

Bürgschaft.

zunehmen, die schon vor der Verbürgung erwachsen waren: hier ist es vielmehr eine Frage der Auslegung, ob sich diese auch darauf beziehen soll 4 2 . Ebenso gilt letzteres für Nebenforderungen, die aus besonderen Abreden erwachsen, wie Vertragszinsen und Vertragsstrafen 43 . Wenn der Bürge diese Verpflichtungen kannte, ist die Erstreckung auf sie im Zweifel zu bejahen 44 . Endhch bezieht sich die Bürgschaft auch auf die Kosten der Kündigung und Rechts Verfolgung, die der Hauptschuldner dem Gläubiger ersetzen muß (§ 767 I I BGB.). Dagegen kann der Schuldner durch Rechtsgeschäft nicht die Haftung des Bürgen erweitern (§ 767 I 3 BGB.), und daher hat auch das gegen jenen ergangene Urteil nicht Rechtskraft gegen den Bürgen 45 . Doch kann der Schuldner immerhin dem Bürgen sein Weigerungsrecht nach § 770 I I BGB. dadurch entziehen, daß er selbst aufrechnet 46 . Aus der Abhängigkeit der Bürgschuld ist nicht etwa zu folgern, daß ihr Erfüllungsort sich nach der Hauptschuld bestimme 47 . Vielmehr muß auch hier zwischen dem Schuldort und dem Vollzugsort unterschieden werden 48 . Der Ort der tatsächlichen Leistung muß für beide Schulden der gleiche sein, weil beide ja auf dieselbe Leistung gerichtet sind. Der Schuldort dagegen richtet sich für jeden Schuldner nach seinem Wohnsitz 48 . § 162. Mehrere Bürgen haften als Gesamtschuldner: auch wenn sie die Bürgschaft nicht gemeinschaftlich übernommen haben (§ 769 BGB.). Es ist das ein besonders deutliches Beispiel einer Gesamtschuld, die nicht aus einem einheithchen Rechtsgründe erwächst (I, 732ff.). Etwas anderes ist die Rückbürgschaft: hier haftet dem Gläubiger nur der Bürge, und diesem wieder ein anderer für seinen Ausfall. — Der Bürge haftet erst in zweiter Linie hinter dem Hauptschuldner. Der Gläubiger muß vorerst gegen diesen vorgehen und 42

R G . LeipzZ. 1917, 802. R G . W a r n e y e r 1912 N r . 472; SeuffA. 67 N r . 5. 44 O L G . 23, 53. 46 R G . 56,109. Recht 1909 N r . 2048; W a r n e y e r 1909 N r . 448. 46 R G . 62, 54. 47 So T ü r k , GruchBeitr. 44, 837ff. 46, 49ff.; vgl. R G . 18, 282. 30, 299. 34, 17. 54, 315. 71. 59. 73, 262ff. Dagegen O e r t m a n n 2 zu § 767; W e s t e r k a m p 396ff. 48 Mein Erfüllungsort 148ff.; zustimmend E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 189 A n m . 13. 43

Zweithaftung.

323

sogar auch die Vollstreckung versuchen, ihn also ausklagen. Deshalb gibt das Gesetz (§ 771) dem Bürgen die Einrede der VorAusklage (nicht Voraus-Klage, wie man meistens fälschlich sagt). Das Gesetz und die allgemeine Lehre bezeichnen dies als eine Einrede; dennoch wird überall angenommen, daß der klagende Gläubiger die geschehene Ausklage zu beweisen hat. Gerade daraus folgt aber, daß es sich nicht um eine Einrede handelt 49 . Denn jede Einrede hat einen besonderen Tatbestand, der von dem der Klage verschieden ist und vom Beklagten bewiesen werden muß. Vielmehr ist es nur eine Rüge, durch die der Beklagte auf einen Mangel des Klagegrundes hinweist. — Bei einer Geldforderung genügt es, wenn die gewöhnliche Vollstreckung in bewegliche Sachen durchgeführt ist, und zwar am Wohnsitz oder gewerblichen Niederlassungsort des Schuldners (§ 772 BGB.). Es wird dem Gläubiger also nicht zugemutet, die langdauernde und verwickelte Vollstreckung in Grundstücke, Rechte und an anderen Orten zu versuchen. Nur muß er sich auch an die Sachen halten, an denen er ein Pfand- oder Rückhaltungsrecht hat (§ 772 I I BGB.). Ohne jeden Vollstreckungsversuch kann er gegen den Bürgen dann vorgehen, wenn der Hauptschuldner in Konkurs ist, die Vollstreckung aussichtslos erscheint oder durch Wegzug des Schuldners wesentlich erschwert ist (§ 773 BGB.). Bei der Annahme, daß die Zwangsvollstreckung erfolglos erscheint, ist das gesamte Vermögen des Schuldners in Betracht zu ziehen. Meistens wird freilich angenommen, daß auch hier nur die beweglichen Sachen zu berücksichtigen seien 50 . Aber der Schluß aus der Bestimmung des § 772 BGB. ist nicht zwingend. Wenn der Gläubiger einen Versuch mit der Vollstreckung machen muß, dann wird ihm nur das nächstliegende und einfache Vorgehen zugemutet. Dadurch wird aber doch noch nicht gesagt, daß der Richter, der die Aussichten einer künftigen Vollstreckung abschätzt, auf das — vielleicht bedeutende — Vermögen in Grundstücken und Rechten keine Rücksicht nehmen soll. — Außerdem kann der Bürge auf sein Rügerecht verzichten (§ 771 1 BGB.), was man als selbstschuldnerische Bürgschaft bezeichnet. Der Verzicht ist formlos, weil darin nicht die Begründung einer Bürgschaft enthalten ist: ebenso wie der Verzicht auf Einreden gegen 49 50

Meine Beweislast 150, 376. R G . 92, 219ff.; O L G . ; 18, 41. 42; O e r t m a n n 2 zu § 773. 21*

324

Bürgschaft.

eine Wechselforderung nicht der Form bedarf 51 . Bei der Verbürgung eines Kaufmanns, die ein Handelsgeschäft ist, ist die Rüge ausgeschlossen (§§ 349, 350 HGB.). — Der Gedanke der Zweithaftung kann noch stärker dadurch betont werden, daß der Bürge nur eine Ausfallsbürgschaft eingeht. Hier muß der Kläger gleich schon in der Klage darlegen, daß er vom Hauptschuldner nichts erlangen konnte. § 163. Das Verhältnis zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner 52 ergibt sich nicht aus dem Bürgschaftsvertrag, sondern aus ihrer Innenbeziehung, die meist auf einem Auftragsvertrag oder einer Geschäftsführung beruhen wird. Hieraus hat der Bürge, der für den Schuldner gezahlt hat, einen Anspruch gegen ihn wegen seiner Aufwendung (§§ 670, 683 BGB.). Dieser Anspruch kann unter Umständen für den Bürgen vorteilhafter sein, als der aus der übergehenden Forderung — von dem gleich zu sprechen ist — z. B. wenn diese kurz verjährbar ist. Zur Sicherung des Anspruchs kann eine Rückbürgschaft dienen. Um dem Bürgen den Rückgriff zu erleichtern, ist weiter bestimmt, daß der von ihm bezahlte Anspruch des Gläubigers auf ihn übergeht (§ 774 BGB.). Nach römischem Recht konnte er nur die Abtretung dieses Anspruchs fordern; jetzt erfolgt kraft Gesetzes ein Erstattungsübergang (I, 249). Der Bürge muß den Gläubiger durch irgendein Tilgungsmittel 53 befriedigt haben. Dagegen genügt es nicht, daß die Schuld erlassen ist; außer wenn darin eine Schenkung zugunsten des Bürgen lag 5 4 . Wenn der Bürge auf Grund des Übergangs gegen den Hauptschuldner vorgeht, so braucht er nicht auf sein Grundverhältnis gegenüber ihm zurückzugehen. Aber umgekehrt kann dieser geltend machen, daß laut dieses Verhältnisses der Anspruch ausgeschlossen erscheint, z. B. weil der Bürge auf Erstattung verzichtet hat (§ 774 I 3 BGB.). Die Forderung geht wie bei einer Abtretung über mit allen Einreden, aber auch allen Nebenrechten (§§ 412, 401 BGB.), einschließlich der zur Sicherung übertragenen Rechte 54 . 51 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 190 A n m . 4; anders die herrschende Meinung (Angaben bei O e r t m a n n 2 zu § 773. 52 K o b a n , Regreß des Bürgen; S t r o h a l , D J Z . 1903, 373; JheringsJ. 61, 59 ff. ; B r e i t , GruchBeitr. 48, 283; S c h u l z , Rückgriff u n d Weitergriff ; T a c k e n , Ausgleichsanspruch des Mitbürgen. 53 R G . 53, 403ff. 106, 31 I f f . 54 R G . LeipzZ. 1917, 389; R G . 89, 195; vgl. 102, 52.

Rückgriff.

325

Daraus können sich wesenthche Vorteile für den Bürgen ergeben, der sich nun an andere Bürgen oder Pfänder halten kann. Der Übergang wird aber durch den Zweck, den Bürgen zu sichern, begrenzt : daher kann er, auch wenn die übergegangene Forderung höher verzinslich war, nur die gesetzlichen Zinsen von 4%fordern 5 5 . Der Übergang darf nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden (§ 774 I 2 BGB.). Es sind daraus große Zweifel darüber entstanden, ob der Bürge, der einen Teil der Schuld bezahlt hat, die auf ihn übergegangene Forderung im Konkurse des Hauptschuldners geltend machen kann. Hier ist zunächst der Fall auszuscheiden, wo die Zahlung erst während des Konkurses erfolgt ist. Dann ist nämlich der Gläubiger nach § 68 KO. berechtigt, trotz der Teilzahlung seine ganze ursprüngliche Forderung im Konkurse anzumelden, so daß der Bürge nur den Rest bekommt. I n dem gewöhnhchen Fall dagegen, wo die Zahlung vor dem Konkurse erfolgt, wird der Bürge wohl sicher die übergegangene Forderung anmelden können. Streitig ist aber, ob er dann nicht hinter den Gläubiger zurücktreten muß. Die vorherrschende Ansicht bejaht es — eben weil der Übergang nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden dürfe 56 . Das Reichsgericht 57 hat sich dagegen erklärt: aus einem treffenden Rechtsgefühl heraus, aber ohne seine Entscheidung richtig zu begründen und abzugrenzen. Auszugehen ist davon, was die Einschränkung, die sich in § 268 und 774 findet, erzielen will: der Gläubiger soll durch den Übergang nicht schlechter gestellt werden als er ohne ihn dastünde 58 . Es fragt sich nun, ob der Gläubiger eben durch den Übergang benachteiligt wird, falls ein Dritter einen Teil der Forderung im Konkurse geltend macht. Und da zeigt sich ein großer, bisher übersehener Unterschied zwischen der Ablösung des § 268 und der Zahlung des Bürgen. I n den ersteren Fällen hat der Zahlende regelmäßig keinen Ersatzanspruch gegen den Schuldner : hier erlangt er ihn erst durch den Erstattungsübergang, der Gläubiger wird also durch diesen benachteiligt. I n der gleichen Lage befindet sich aber der Bürge nur in dem seltenen Falle, wo er keine Ersatzforderung gegen den Hauptschuldner aus dem Grundverhältnis hatte. Wenn er aber schon ohnehin einen solchen 55 66 57 58

R G . 61, 347ff. O e r t m a n n 3 zu § 774 u n d Genannte. R G . 83, 403, ebenso die dort Genannten. I , 251.

Bürgschaft.

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Anspruch hatte, so konnte er diesen auch ohne den Übergang im Konkurse geltend machen: durch diesen wird der Gläubiger also nicht geschädigt. Wohl aber dann, wenn der Bürge ein mit der Forderung übergegangenes Pfandrecht in Anspruch nehmen wollte. Aus dem Übergang der Forderung würde sich auch ergeben, daß die Rechte des Gläubigers gegen andere Mitbürgen auf den zahlenden Bürgen übergingen. Jedoch schränkt das Gesetz (§ 774 I I ) es dahin ein, daß er gegen diese nur einen Anspruch nach § 426 BGB., also nur auf eine entsprechende Verteilung hat. Wohl aber geht ein Pfandrecht, das für die Forderung bestellt war, auf den zahlenden Bürgen über. Zweifel entstehen indessen i n dem Falle, wo ein Dritter das Pfandrecht bestellt hatte. Nach den Bestimmungen des Gesetzes möchte man zunächst annehmen, daß der Bürge, der zahlt, das Pfandrecht erwirbt (§§ 774, 412, 401 BGB.) und umgekehrt, daß der Eigentümer des Pfandes, wenn er zahlt, mit der Hauptforderung auch den Anspruch gegen den Bürgen erwirbt (§§ 1143, 1249, 412, 401). Das käme also darauf hinaus, daß immer, wer zuerst zahlt, von dem anderen volle Erstattung verlangen könnte. Aber dies Ergebnis ist verkehrt. Sachgemäß kann es doch nur sein, daß die Haftung gleichmäßig auf die mehreren Haftenden verteilt wird 5 9 . Dafür spricht die Vorschrift des § 426 BGB., die entsprechend anzuwenden ist, und insbesondere auch des § 774 I I BGB., der seine Anwendung auf mehrere Mitbürgen noch besonders betont. Andere meinen, daß zwar der zahlende Bürge das Pfandrecht erwerbe, aber nicht umgekehrt auch der Pfandschuldner, so daß dieser allein die ganze Last trägt 6 0 . Sie berufen sich darauf, daß der Bürge, weil er besonders gefährdet sei, deshalb auch erhöhten Schutz genieße: sowohl durch seine Zweithaftung als auch seinem Befreiungsanspruch nach § 776 BGB. Aber aus diesen Vorschriften folgt nur, daß er besondere Rechte gegenüber dem Gläubiger genießt, nicht aber auch, daß er vor anderen Mithaftenden bevorzugt werden solle. Da dieser Übergang der Nebenrechte für den Bürgen sehr wertvoll ist, darf er ihm nicht von dem Gläubiger dadurch verkümmert werden, daß er die Nebenrechte aufgibt. Tut er dies 59

W o l f f , Sachenrecht § 140 A n m . 17; B r e i t , GruchBeitr. 48, 283ff.; S c h u l z , Rückgriff 62ff. 60 S t r o h a l , JheringsJ. 61, 59ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 191; O e r t m a n n 8 zu § 774; ähnlich SeuffA. 76 N r . 85; S t e r n b e r g , GruchBeitr. 52, 545 ff.

Übergang.

327

doch, so wird der Bürge insoweit frei, als er aus dem aufgegebenen Recht hätte Ersatz erlangen können (§ 776 BGB.). Dies gilt sogar auch dann, wenn dieses Recht erst nach der Verbürgung entstanden ist: auch hier ist es nämlich möglich, daß der Bürge im Vertrauen auf dies Recht Schritte zu seiner sonstigen Deckung unterlassen, es z.B. versäumt hat, den Befreiungsanspruch gegen den Schuldner (§ 775 BGB.) zu erheben. —Daraus darf man aber nicht den Satz ableiten, daß der Gläubiger auch positiv zur sorgfältigen und schnellen Beitreibung verpflichtet sei und sonst seine Ansprüche gegen den Bürgen verliere 61 . Denn eine solche Verpflichtung besteht eben nicht 6 2 . Sie kann nicht schon daraus entnommen werden, daß es ihm nicht gestattet wird, geradezu seine vorhandenen Rechte aufzugeben. Und auch nicht aus der Einrede der Vor-Ausklage : sie beruht nicht etwa auf dem Gedanken, daß ein Gläubiger, der vorher Befriedigung durch den Hauptschuldner hätte erlangen können, dadurch seine Rechte gegenüber dem Bürgen verliere. Vielmehr muß es im Belieben des Gläubigers stehen, ob er rücksichtslos und schnell gegen den Schuldner vorgehen will. Er kann dabei auch nachsichtig verfahren, gleichviel aus welchem Grunde, und der Bürge darf sich darüber nicht beschweren. Fühlt sich dieser dadurch gefährdet, daß der Gläubiger solange wartet, so kann er selbst die Schuld bezahlen und Erstattung fordern, oder er kann, wenn sich die Lage wesentlich verschlechtert, von dem Hauptschuldner Befreiung (§ 775 BGB.) verlangen. Auch kann er sich dadurch sichern, daß er die Bürgschaft nur auf eine bestimmte Zeit eingeht (§ 777 BGB.). Dann muß der Gläubiger die Einziehung unverzüglich betreiben, widrigenfalls der Bürge frei wird. Wenn sich die Bürgschaft auf zukünftige Schulden bezieht, so müssen diese vor Ablauf der Frist zur Entstehung gelangt sein 63 . Die Bürgschaft endigt mit dem Untergang der Hauptschuld (S. 319) und mit dem Zusammentreffen von Haupt- und Bürgschuld, außer wenn diese besondere Vorteile bietet. Ein Kündigungsrecht steht dem Bürgen nicht zu. Hat er sich für künftigen Kredit 61

W i e U n g e r , JheringsJ. 33, 303; M a r c u s , Recht 1902, 456; v g l . C r o m e § 298 A n m . 19. 62 R G . 65, 136ff. 397. 87, 328.88, 411; GruchBeitr. 54, 967ff.; Recht 1907 N r . 3493; 1914 N r . 2870; SeuffA. 69 N r . 5, 245; 70 N r . 103 u n d die herrschende Meinung. 63 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 192.

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Bürgschaft.

verbürgt, so darf dies freilich nicht ins Ungemessene ausgedehnt werden, er kann vielmehr nach angemessener Zeit kündigen 64 . Und außerdem wird man ihm, wenn sich die Verhältnisse des Schuldners wesentlich verschlechtern, auch das Recht einräumen müssen, die Bürgschaft für die künftigen Kredite aufzukündigen 65 . Das Gesetz (§§ 321, 610) gibt bei ähnlichen Kreditgeschäften ein solches Widerrufsrecht. Es beruht auf dem Gedanken, daß ein Dauer Verhältnis, das durch die Umstände unhaltbar geworden ist, aufgekündigt werden kann (I, 419). Der Gläubiger wird durch eine solche Aufhebung nicht beeinträchtigt, weil diese sich nicht auf die schon gewährten Kredite bezieht. Es spricht auch nicht dagegen, daß das Gesetz (§ 775) bei einer Verschlechterung der Verhältnisse nur einen Befreiungsanspruch gegen den Hauptschuldner gewährt. Denn dabei ist lediglich an die Verbürgungen gedacht, die für schon entstandene Forderungen wirksam erfolgt sind. § 164. Ein ähnhches Geschäft ist der Kreditauftrag (§ 778. BGB.) 6 6 , bei dem jemand dem anderen verspricht, auf eigene Rechnung und im eigenen Namen einem Dritten Kredit zu geben. Wird der Vertrag unentgeltlich geschlossen, so ist er ein Auftragsvertrag, also frei widerruflich (§ 671 BGB.). Er wird im Zweifel durch den Tod des Beauftragten beendigt (§ 673 BGB.), doch wird man das bei einem Kaufmann, dessen Betrieb nach seinem Tode fortgesetzt wird, im allgemeinen nicht annehmen können 67 . Ist der Vertrag entgeltlich geschlossen, so ist er ein Dienst- oder Werkvertrag. Da er aber eine Geschäftsbesorgung enthält, wird er im wesentlichen ebenfalls nach Auftragsrecht behandelt (§ 675 BGB.). Da diese Vorschrift jedoch nicht auf § 671 BGB. verweist, so erstreckt sich dies nicht auf die Kündigung: für diese sind die Regeln des Dienst- und Werkvertrags maßgebend. Doch wird man hier bei einer wesentlichen Verschlechterung der Verhältnisse dem Auftraggeber ein Kündigungsrecht geben können, 64

R O H G . 19, 110; R G . W a r n e y e r 1911 N r . 236, 1913 N r . 289. 1914 N r . 158. 65

R G . W a r n e y e r 1913 N r . 289; G i e r k e a. a. Ο. 3, 789; E n n e c c e r u s L e h m a n n § 192. ββ W e i d e m a n n Z H R . 53, 429; L i p p m a n n , JheringsJ. 48, 315; E c c i u s , GruchBeitr. 46, 55; M a r t i n i u s , GruchBeitr. 49, 181; B e n d i x , B ü r g A . 20, 155; F ö r s t e r , Kreditauftrag. 67 Noch weiter geht W e i d e m a n n , Z H R . 53, 465.

Kreditauftrag.

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solange der andere noch nicht den Auftrag ausgeführt hat (oben S. 328). Der Kreditauftrag enthält keine Bürgschaft 68 . Diese beruht auf dem Gedanken, daß eine Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner schon vorhanden ist oder doch anderweitig entsteht, und daß derBürge dieser nur beitritt.Hier aber wird erst durch die Kreditabrede der Gläubiger genötigt, die Forderung zu begründen. Hierbei macht er eine Aufwendung, die der andere ihm ersetzen muß (§ 670 BGB.). Vorausgesetzt ist freilich, daß er dabei sorgfältig verfahren ist, besonders die Kreditwürdigkeit des Dritten ausreichend geprüft hat. Dann haftet der Auftraggeber ,,als Bürge" (§ 778 BGB.), richtiger in demselben Umfang wie dieser. Es gelten also alle Vorschriften über Einreden, Rückgriff, Erstattungsübergang 69 , Anspruch auf Befreiung. Ferner fallen alle weitergehenden Ansprüche aus dem Auftragsvertrage fort: der Übernehmer hat nicht Anspruch auf Vorschuß (§ 669 BGB.), der Auftraggeber kann vom Gegner nicht das fordern, was dieser durch die Ausführung erlangt, insbesondere also nicht die Forderung gegen den Dritten, da der Kredit ja auf Rechnung des Gegners und nicht des ersteren gegeben wird 7 0 . Da eine Bürgschaft nicht vorliegt, ist auch die Formvorschrift des § 766 BGB. nicht anzuwenden 71 . Immerhin fragt sich, ob nicht entsprechende Anwendung geboten ist. Aber die Gründe, die dort für die Form sprechen (S. 315), treffen hier nicht zu. Bei der Bürgschaft wird ein Außenstehender in die Schuld hineingezogen, und es erscheint angebracht, ihn gegen diese Gefahr zu schützen. Hier aber hat der Auftraggeber umgekehrt den Gläubiger erst zur Kreditgewährung verpflichtet und dazu genötigt. Daher ist es auch nicht notwendig, ihn von anderen solchen Personen, die nur dem Gläubiger zureden wollen, zu unterscheiden. Erst diese Erwägungen berechtigen uns, den Vertrag als formlosen anzuerkennen. — Viel zweifelhafter liegt der Fall, wenn sich der Gläubiger nicht verpflichtet hatte, Kredit zu geben, sondern wenn ihm dies nur anheimgestellt worden ist. Man hat dies als einen Kreditauftrag, der durch die Kreditierung bedingt sei, aufgefaßt 72 : aber es ist widerspruchsvoll, einen Auf tragsvertrag ohne Aus68 69 70 71 72

Herrschende Meinung; anders nur Ε c c i us u n d L i p p m a n n a. a. O. Herrschende Meinung; dagegen O e r t m a n n 2 zu § 778. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 194 gegen W e i d e m a n n a. a. O. 474ff. Herrschende Meinung, insbesondere R G . 50, 160. 51, 122. E n n e c c e r u s i n der früheren Auflage; anders j e t z t L e h m a n n § 193.

Bürgschaft.

330

führungspflicht anzunehmen. Vielmehr werden wir hierin einen Kreditauftrag nicht erblicken dürfen. Zwar spricht das Gesetz allgemein davon, daß jemand den anderen „beauftragt", aber das ist eben nach seiner Sprachweise so zu verstehen, daß der andere auch die Ausführung übernommen hat (oben S. 245). Es bleibt vielmehr nur die Erklärung des ersten übrig, daß er für die Kreditierung einstehe. Dies betrachten manche als eine Ermächtigung 73 : aber es ist nicht möglich, durch eine Ermächtigung eine Schuld zu begründen (unten § 233). Wieder andere als einen Garantievertrag 74 : aber dessen Eigenart, daß nur für den endgültigen Ausfall gehaftet wird (S. 331), trifft hier nicht zu. Vielmehr enthält diese Erklärung gar nichts anderes als eine Verbürgung. Daher wird hier auch die Form des § 766 zu erfordern sein. I n der Tat fehlt hier gerade das Moment, das uns vorher zur Ablehnung der Form bestimmt hatte: der Gläubiger wird hier nicht zur Kreditgewährung genötigt, es wird ihm nur anheimgestellt und Deckung versprochen. — Anders dagegen, wenn lediglich der Auftraggeber auf sein Widerrufsrecht verzichtet hat. Zwar hat man auch hier den Kreditauftrag geleugnet und demgemäß die Formvorschrift anwenden wollen 75 . Aber hier ist doch ebenfalls der Kredit durch den Auftraggeber erzwungen worden. Zudem ist ein Verzicht auf Widerruf auch mit einem Auftragsvertrag vereinbar (oben S. 253). § 165. Bei einem G a r a n t i e v e r t r a g 7 6 verpfhchtet sich jemand, für den aus einem Unternehmen drohenden Schaden einzustehen. Er ist eine Unterart eines allgemeinen Begriffs, den ich Haftungsvertrag nennen möchte, der Abrede, für einen Schaden zu haften. Sie kommt in sehr verschiedenen Formen vor : teils als selbständiger Vertrag, besonders als Haftpflichtversicherung, teils als Nebenabrede beim Kauf und anderen Verträgen. Man bezeichnet dies meist als Garantie- oder Haftungsversprechen. Diese Ausdrücke sind jedoch nicht gut, denn sie erwecken den unrichtigen Anschein, als ob es sich um einseitige Versprechen handle. I m Leben wird übrigens unter Garantie oft etwas ganz 73

E c c i u s , GruchBeitr. 46, 55ff. O e r t m a n n zu § 778 B G B . ; L e h m a n n a. a. O. 76 O e r t m a n n , 4. Aufl., 2 zu § 778 B G B . (anders i n der 5. Aufl.). 78 S t a m m l e r , ZivArch. 69, I f f . ; U n g e r , JheringsJ. 33, 299ff.; W i e n s t e i n , B ü r g A . 31, I f f . ; E b b e k e , Recht 1911, 817ff.; F ö r s t e r , K r e d i t auftrag. 74

Garantievertrag.

331

anderes bezeichnet. Wenn der Verkäufer einer Uhr oder eines Autos für 1 Jahr Garantie leistet, so soll das meistens nicht bedeuten, daß er für den Schaden aufkommen solle, sondern nur eine Verlängerung der Verjährungsfrist bewirken (oben S. 58). Aus diesen vielen Haftungsverträgen ist nun aber der Garantievertrag als ein besonderer Unterfall herauszuheben. Denn diesen Ausdruck kann man keineswegs für alle diese Fälle verwenden. Wenn ein Verkäufer für gewisse Eigenschaften der Ware einsteht, so wird das niemand einen Garantievertrag nennen. Wodurch ist nun dieser von den übrigen zu unterscheiden ? Man hat die Unentgeltlichkeit für maßgebend erklärt 7 7 : aber es kommt nicht selten vor, daß dem Garantierenden dafür Gegenleistungen, z. B. Vorzugsplätze im Theater gewährt werden. Man hat auf die Selbständigkeit des Vertrags Gewicht gelegt: aber der Garantievertrag bildet nicht selten nur ein Stück eines umfassenden Vertrags 78 . Näher kommt man dem richtigen, wenn man ihn auf den Fall beschränkt, wo für den Erfolg eines Unternehmens gehaftet wird 7 9 . Aber darin kann auch wieder eine Versicherung gegen die Schäden enthalten sein. Der Unterschied hiervon hegt darin, daß der Garant nicht Ersatz des entstehenden Schadens verspricht, sondern nur des A u s f a l l s , der sich am Ende der Unternehmung ergibt. Diese Verpflichtung kann, wie gesagt, im Rahmen eines größeren Vertrags übernommen werden. Es kann dies auch ein solcher sein, wodurch sich der andere zur Ausführung des Unternehmens verpfhchtet. Aber dies ist keineswegs notwendig und gehört nicht zum Inhalt des Garantievertrags 80 . I n diesem Sinne kann man sagen, daß er einseitig verpflichtend sei. Aber nicht in dem andern, daß es überhaupt nicht zuläsisg sei, eine Gegenleistung zu vereinbaren. Wenn jemand versprochen hat, für den Eingang einer Forderung einzustehen — insbesondere bei deren Abtretung —, so ist er für den Ausfall haftbar. I n dieser Endwirkung steht der Vertrag also einer Bürgschaft nahe. Aber die Rechtsform ist doch eine ganz andere. Der Bürge haftet, weil er sich selbst zum Schuldner der gesicherten Forderung gemacht hat, der Garant, weil er den 77 78 79 80

S t a m m l e r a. a. O. S t a m m l e r a. a. O. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 194 u n d Angeführte. SeuffA. 71, 64.

332

Vergleich.

Ersatz des Ausfalls versprochen hat. Daher ist das Recht der Bürgschaft nicht anwendbar, weder die Formvorschrift noch der Übergang der Forderung auf den Zahlenden 81 . I n der Tat treffen auch die Gründe, die die Formvorschrift sonst rechtfertigen, hier nicht zu. Die Abrede ist hier durchaus nicht so geeignet, den Versprechenden in Sicherheit zu wiegen, wie bei der Bürgschaft. Denn sie betont gerade umgekehrt, daß ein Ausfall möglich ist und daß der Versprechende für ihn aufkommen muß. Zweites

Kapitel.

Vergleich. § 166. Begriff. § 167. Rechtsfolgen. § 168. Unwirksamkeit. § 169. Der zugrunde gelegte Sachverhalt. § 170. Stillschweigende Bedingung. § 171. Voraussetzuung. § 172. Andere FeststellungsVerträge. § 173. Deren W i r k u n g .

§ 166. Der Vergleich (§ 779 BGB.) 1 wird ebenfalls durch seinen Artzweck bestimmt : nämhch eine Ungewißheit durch beiderseitiges Nachgeben zu klären. Es ist also zunächst die Ungewißheit eines Rechtsverhältnisses wesenthch. Nicht nötig ist, daß darüber ein Streit zwischen den Parteien besteht, daß sie also entgegengesetzte Behauptungen aufstellen. Es genügt auch, daß dem Berechtigten selbst sein Recht zweifelhaft ist. Ebenso auch, wenn er nur zweifelt, ob er es wird durchsetzen können; dieser Fall wird i m Gesetz ausdrücklich erwähnt (§ 779 I I ) . Dabei ist auch nicht nötig, daß beide Parteien hierüber zweifeln 2 : es genügt, daß es nur dem Gläubiger ungewiß ist, und das wird sogar meistens der Fall sein. — Wenn die Ungewißheit fehlt, so liegt kein Vergleich vor, sondern die Partei, die auf ihr Recht verzichtet oder eine Verpflichtung übernimmt, bringt damit ein volles Opfer — was entweder entgeltlich oder schenkungsweise erfolgen kann. 81 R G . 61, 160. 72, 140ff.; GruchBeitr. 51, 595ff.; W a r n e y e r 1913 N r . 9, 344; Recht 1905 N r . 1933; SeuffA. 69 N r . 6, 70 N r . 148. 1 R i s c h , Die Lehre v o m Vergleich; S t u r m , Die Lehre v o m Vergleich; O e r t m a n n , Der Vergleich; H e d e m a n n , Vergleichsirrtum; S e i l n e r , B l f R A . 69, 28ff. ; R i e t s c h , Der besondere Voraussetzungstatbestand beim Vergleich; K r e t z s c h m a r , Vergleich i m Prozesse, JheringsJ. 69, 213ff.; L e h m a n n , Prozeß vergleich ; S c h n o r r v. C a r o l s f e l d , Beiträge zur Lehre v o m Vergleiche. 2 W i e H e d e m a n n a. a. O. 65 a n n i m m t ; dagegen v. Carolsfeld a. a. O. 28 ff.

Voraussetzungen.

333

Ob nun eine Ungewißheit anzunehmen ist, das hängt vom Inhalte des Vertrages ab. Wenn er einen Umstand als ungewiß bezeichnet, so genügt das. Nicht kann maßgeblich sein, ob eine oder beide Parteien es wirklich geglaubt haben. Zwar hat man als entscheidend hingestellt, was die Parteien dachten: so daß eine Schenkung vorläge, wenn sie überzeugt waren, daß ihre Festsetzung der wahren Rechtslage widersprach 3 . Ebenso hat man danach entscheiden wollen, ob die Parteien in erster Linie der Gedanke einer Freigebigkeit leitete 4 . Aber dies kann nur dann erheblich sein, wenn es beim Vertragsschlusse hervorgetreten ist: ein innerer Wille kann sonst nicht berücksichtigt werden 5 . AVenn ich eine zu hohe Rechnung bezahle, so kommt es nicht darauf an, ob ich oder mein Gegner es im Innern als eine Nachgiebigkeit oder eine Unterstützung betrachtete. Unmöglich kann man ein solches Versprechen, das in einem Vergleich erteilt wurde, auf Grund des inneren Willens als Schenkung bezeichnen und wegen Formmangels für nichtig erklären. — Ferner ist nicht maßgebend, ob eine Ungewißheit objektiv gegeben war, d. h. ob ein richtiger Beurteiler wirklich über die Rechtslage im unklaren sein durfte. Vielmehr kommt es nur darauf an, wie die Parteien selbst nach dem Vertragsinhalt die Sache ansahen. Daß sie hiernach zweifelhaft war, ist notwendig und ausreichend 6. Falls die Frage schon durch ein rechtskräftiges Urteil entschieden war, so kommt es darauf an, ob die Parteien dies kannten: wenn dies zutrifft und sie auch nicht über die Durchführbarkeit zweifelten, so fehlt die Ungewißheit und es liegt kein Vergleich vor. Waren aber die Parteien darüber im Zweifel, so ist ein Vergleich gegeben, der aber wegen Irrtums über seine Grundlage nach § 779 BGB. ungültig sein wird. Das Rechtsverhältnis, worüber der Vergleich geschlossen wird, kann nicht nur schuldrechtlich, sondern auch anderer A r t sein. Aber es muß der Bestimmung der Parteien unterliegen, sonst ist der Vergleich auf eine unmögliche Leistung gerichtet. So kann er nicht über eine Ehescheidung, das Zusammenleben von Ehegatten 7 , den unverzichtbaren Unterhaltsanspruch der Verwandten 3 4 c 6 7

Z i t e l m a n n , Allgemeiner T e i l 147. R ü m e l i n , ZivArch. a. a. O. 297ff. Mein Aufsatz, Z i v A r c h . 120, 14ff. Herrschende Ansicht, insbesondere R G . GruchBeitr. 45, 366. R G . Recht 1914 N r . 636.

334

Vergleich.

(§ 1614 BGB.) geschlossen werden, wohl aber über die Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten 8 . Ist der Verzicht auf eine Forderung verboten, so damit auch ein Vergleich, der sie aufheben oder einschränken soll 9 . Zwar hat man im Interesse einer guten Vermögensverwaltung solche Vergleiche zulassen wollen 1 0 ; aber dadurch würde der erstrebte Schutz in bedenklicher Weise vereitelt werden. Das Rechtsverhältnis muß zwischen den abschließenden Parteien bestehen; doch genügt es, wenn der Vergleich durch einen anscheinend Berechtigten geschlossen wird, der kraft des Rechtsscheins darüber verfügen kann 1 1 . — Wesentlich ist ferner, daß jeder von beiden etwas nachgibt, worunter jede Einräumung von Vorteilen zu verstehen ist. Falls der Gläubiger seinen Anspruch fallen läßt oder der Schuldner seine Schuld restlos anerkennt, ist ein Vergleich nicht gegeben: wohl aber, wenn ihm im letzteren Falle eine Frist oder erleichterte Abzahlung gewährt wird. Eine Form ist für den Vergleich nicht vorgeschrieben. Sie kann sich aber aus dem Inhalt der Verpflichtung ergeben, so, wenn sie ein abgelöstes Schuldversprechen enthält oder auf Übereignung eines Grundstückes gerichtet ist. Wird diese Verpflichtung jedoch nicht erst neu begründet, sondern nur anerkannt, so ist die Einhaltung der Form nicht nötig 1 2 . Ein Vergleich zwischen dem Erzeuger und dem unehelichen K i n d über dessen Unterhaltsanspruch bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1714 BGB.). § 167. Der Vergleich ist ein reiner Schuldvertrag und hat nur einseitige Wirkung. Durchaus davon zu trennen sind die dinglichen Erfüllungsakte, auch wenn sie gleichzeitig erfolgen ; sie sind von der Gültigkeit des Vergleichs unabhängig 13 . Der Inhalt der Verpflichtungen kann sehr verschiedenartig, z. B. auf Übertragung von Sachen oder Rechten, Arbeitsleistungen, Verzichte gerichtet sein. Dennoch ist der Vergleich im besonderern Teil des Schuldrechts zu behandeln, weil dieser Abschnitt die Verträge ja nicht nach dem Inhalt der Leistungen, sondern nach ihrem Artzweck bewertet. 8

R G . 56, 124. O L G . 8, 439; Κ GBl. 1895, 93. 10 v . C a r o l s f e l d a. a. O. 14ff. 11 v . C a r o l s f e l d a. a. O. lOff. 12 R G . 109, 26. 13 Herrschende Meinung; anders v . C a r o l s f e l d a. a. O. 88ff.

9

Rechtsnatur.

335

Da der Vergleich ein anderes Rechtsverhältnis regelt, stellt er einen verweisenden Vertrag dar 1 4 . Von der Gültigkeit dieses Verhältnisses ist er nicht abhängig: gerade darin besteht ja der Zweck des Vergleichs, daß diese Frage nun nicht mehr aufgeworfen werden soll. Dennoch darf man ihn nicht als einen abstrakten, von dem Rechtsgrund abgelösten Vertrag bezeichnen. Denn unter dem Rechtsgrund darf man nur diejenige Bestimmung betrachten, die wirtschaftlich zum Geschäfte selbst gehört, nicht aber auch ein anderes Rechtsverhältnis, auf das dies nur Bezug nimmt (I, 381). Aber man darf ihn auch nicht umgekehrt als ein kausales Geschäft bestimmen 15 . Denn die ganze Unterscheidung zwischen abstrakten und kausalen Rechtsgeschäften kann überhaupt nur bei solchen Geschäften auftauchen, die selbst farblos und daher der Erklärung bedürftig sind 1 6 . Verträge wie Kauf oder Miete können weder das eine noch das andere sein; denn sie haben gar keinen besonderen Rechtsgrund, von dem sie abgelöst werden könnten, und keine Rechtsordnung könnte sie für abstrakt erklären. Ebensowenig ist das bei den Geschäften denkbar, die nach ihrem Artzweck bestimmt sind, wie Vergleich und Bürgschaft. Man darf nicht etwa diesen Artzweck als ihren Rechtsgrund ansehen. Beides ist voneinander verschieden: so ist der Artzweck eines Wechsels, die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, sein Rechtsgrund dagegen ist Schuldtilgung, Rechtserwerb oder Schenkung (oben S. 313). — Eine andere Frage ist, ob der Vergleich selbst als Rechtsgrund für die in ihm versprochenen Leistungen bezeichnet werden kann, was man meistens annimmt. Auch das ist abzulehnen. Unter dem Rechtsgrund ist nicht alles zu verstehen, was ein Geschäft veranlaßt oder hervorruft, sondern nur, was es wirtschaftlich erläutert, einem mehrdeutigen Akte die eigentliche Richtung gibt (I, 385ff.). Dazu ist aber der Vergleichszweck nicht ausreichend. Es genügt für diese Erläuterung nicht, zu sagen, daß A durch Vergleich eine Zahlung von 1000 Mk. übernommen hat: sondern es muß nun noch dabei gesagt werden, ob dies zwecks Erfüllung einer Schuld und welcher, zum Erwerb eines Rechts oder zur Schenkung geschehen ist. Auch wenn das im Vergleich nicht ausdrücklich gesagt ist, so ergibt sich doch aus den Verhandlungen, wie diese Zahlung gemeint ist. Wenn sich kein anderer Anhalts14 15 16

v . C a r o l s f e l d 46ff.; oben I 85. So v . C a r o l s f e l d 97ff. u n d Angeführte. I , 378; auch v . C a r o l s f e l d selbst 97.

336

Vergleich.

punkt finden läßt, so ist anzunehmen, daß A sie zahlt, um die ihm im Vergleiche eingeräumten Vorteile zu erlangen, also mit dem Zwecke des Rechtserwerbs. Diese Bestimmung des Rechtsgrundes für jede einzelne Leistung ist deshalb nötig, weil sich daraus verschiedene Rechtsfolgen für sie ergeben. So ist eine im Vergleiche ausgesprochene Schenkung der Form des § 518 BGB. unterworfen und der Rückforderung wegen eigener Bedürftigkeit und wegen Verfehlungen ausgesetzt. Daher ist es nicht richtig, wenn man meistens in dem Vergleich einen besonderen Rechtsgrund sehen will (I, 387ff.). Der Vergleich wird gewöhnlich als ein entgeltlicher Vertrag bezeichnet. Das ist insofern richtig, als eben jeder Teil dem anderen ein Opfer bringt. Allerdings können beide recht verschieden sein; aber das ist kein ausreichender Grund dagegen17. Auch wenn er über die Höhe einer gültig erfolgten Schenkung geschlossen wird, trifft dies zu : denn auch hier gibt der Gläubiger etwas von einer ihm zustehenden Forderung auf 1 8 . Aber ein gegenseitiger Vertrag ist er nicht, denn dazu gehören zwei Leistungen, die gegeneinander ausgetauscht werden. Solche aber sind in dem Vergleich nicht oder doch nicht notwendig enthalten. § 168. Wie jedes Rechtsgeschäft kann der Vergleich nach §§ 119ff. BGB. angefochten werden. Außerdem aber ist er unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrages zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewißheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (§ 779 BGB.). Es wird z. B. ein Vergleich lediglich über die Höhe einer Schenkung geschlossen, während diese überhaupt nichtig ist — oder über den Inhalt einer zum Nachlasse gehörigen Schuld, während der betreffende gar nicht Erbe ist. — Es muß sich hierbei um eine Tatsache handeln, die der Vergangenheit oder Gegenwart angehört — nicht aber um eine zukünftige, die nur erwartet wird 1 9 . Dafür spricht schon der Wortlaut des Gesetzes: daß „der als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht" — was auf bloße Erwartungen nicht paßt. Vor allem aber wäre diese Ausdehnung sehr bedenklich. Wenn eine Sache nach 9 Monaten geliefert werden soll, so darf der Vergleich nicht deshalb umgestoßen werden, weil diese in der Zwischen17

W i e C o s a c k 1 § 160 meint. v . C a r o l s f e l d a. a. O. 96ff. 19 E n d e m a n n 1 § 120 A n m . 2; P l a n c k 3 zu § 779 B G B . ; BraunschwZ. 54, 2. Dagegen v . C a r o l s f e l d a. a. O. 44ff., 113. 18

Unwirksamkeit.

337

zeit beschädigt oder gar nur durch wirtschaftliche Verschiebungen entwertet wird. Es würde dies eine unerträgliche Unsicherheit solcher Vergleiche zur Folge haben. Dies ändert sich auch noch nicht dadurch, daß bei der Festsetzung der Vergleichssumme ein bestimmtes Ziel angegeben wurde, z. B. zum Ankauf einer Nähmaschine: es kann nichts daran ändern, daß die Preise hierfür später steigen. Und nicht anders auch, wenn dies Ziel darin besteht, daß ein Schaden ersetzt oder eine Unterhaltspflicht erfüllt werden soll und hinterher sich die Kosten der Anschaffung oder des Lebens erhöhen. Wenn eine feste Summe hierfür festgesetzt war, so muß das im Interesse der Rechtssicherheit dabei bleiben 19 a . Die Gegenmeinung beruft sich auf den „Äquivalenzgedanken", wonach jede Leistung eines der Billigkeit entsprechenden Lohnes wert sei 20 . Dieser Satz ist aber — wenigstens nach unserem Rechte — durchaus nicht zutreffend. Die Gegenleistung wird durch den Vertrag bestimmt, nicht durch die Billigkeit. Bedenklich ist auch die ähnliche Begründung des Reichsgerichts, daß sich aus dem Zweck, Unterhalt zu gewähren, die Höhe der Leistung ergebe 21 . Eine solche Bemessung nach Billigkeit kann vielmehr lediglich da einsetzen, wo der Vertrag die Leistung offen läßt. Sonst müßte immer die Höhe der Leistung nach dem bestimmt werden, was zur Erreichung des angegebenen Zwecks erforderhch erscheint. — Nur dann wird man anders zu entscheiden haben, wenn die Verpflichtung nicht auf eine einmalige, sondern auf w i e d e r kehrende Leistungen gerichtet ist und später eine außerordentlich hohe wirtschaftliche Verschiebung erfolgt. Hier kann man es dem Schuldner in der Tat kaum zumuten, durch Jahre hindurch immer wieder neue Lieferungen gegen ganz unzureichende Bezahlung zu machen. I n solchen Fällen hat daher auch das Reichsgericht mit Recht eine Umstoßung oder doch Abänderung des Vertrages zugelassen22. Für diese besondere Behandlung der Dauerleistungen spricht die Analogie der gesetzlichen Vorschriften für die Kündigung, insbesondere aus wichtigem Grunde (§§ 626, 723) und über den Widerruf einer Kreditgewährung (§§ 321, 610; vgl. I , 419). Vor allem aber haben wir gerade hier, beim Vergleiche, 19a

R G . 131, 282. v . C a r o l s f e l d 134ff. 21 R G . 106, 235. 22 So auch i n dem eben erwähnten Falle, ferner i n der bekannten E n t scheidung J W . 1921, 1080 u n d oft. 20

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

22

338

Vergleich.

eine äußerst wertvolle Bestätigung unseres Gedankens in der Novelle zu § 323 ZPO., wonach vollstreckbare Vergleiche über wiederkehrende Leistungen wegen einer wesentlichen Änderung der maßgebenden Verhältnisse geändert werden können. Zwar wird von der herrschenden Lehre immer wieder betont, daß diese Vorschrift kein materielles Recht zur Änderung des Vertrages schaffen, sondern nur die prozessuale Form für deren Geltendmachung regeln wollte. Dem wird man auch deshalb zustimmen müssen, weil die Vorschrift in dem Prozeßgesetz steht. Aber wenn sie auch nicht ein solches Änderungsrecht begründet, so setzt sie es doch voraus. Und dessen Inhalt kann nur auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sein. Denn wenn das gleiche auch für einen Vergleich mit einer einmaligen Leistung gälte, so hätte eben die Prozeßordnung auch für diesen Fall eine Form der Änderung vorsehen müssen. Also geht aus § 323 I V ZPO. in der Tat deutlich hervor, daß eine solche Umänderung nur bei einem Vergleich auf wiederkehrende Leistungen zulässig ist. Dagegen ist nicht einzusehen, wie der Satz auf vollstreckbare Vergleiche beschränkt werden solle. Gerade weil es ein Satz des materiellen Rechts ist, erscheint das undenkbar. Außerdem wäre es ganz unbegreiflich, daß der vollstreckbare Vergleich, also gerade der verstärkte, leichter als andere umgestoßen werden könnte, § 169. Der Umstand muß ,,nach dem Vertrage" vorausgesetzt sein, also sich aus dessen Inhalt ergeben. Wenn nur die eine Partei sich über den Inhalt geirrt hat, z. B. statt 53 35 gelesen, so bleibt ihr lediglich die Anfechtung nach § 119 BGB. Hat sie sich aber gar nur über die Grundlagen ihrer Erklärung, z. B. über den Wert einer versprochenen Sache, geirrt, so ist das ein bloßer Irrtum im Beweggrunde, also unerheblich 23 . Es kann ferner sein, daß beide im Innern von derselben irrigen Annahme, z. B. über den Wert des zu leistenden Hauses, ausgingen; nach der richtigen Ansicht, wonach sich der Vertragsinhalt nicht nach den inneren Gedanken, sondern dem erklärten bestimmt, kann das nicht ausreichen. Vielmehr muß aus dem Inhalt der Abmachungen hervorgehen, daß dieser Umstand vorausgesetzt wurde. Doch ist es sehr wohl möglich, daß das nicht ausdrücklich ausgemacht ist, sich aber stillschweigend aus dem ganzen Zusammenhang des Vertrages ergibt. Wenn sich zwei Nachbarn über eine dauernde Regelung ihrer Grenzen vergleichen, so ist 23

R G . SeuffA. 73 N r . 180.

Unwirksamkeit.

339

in der Regel stillschweigend vorausgesetzt, daß sie beide Eigentümer der Grundstücke sind. — Der Sachverhalt muß ferner als „feststehend zugrunde gelegt" sein. Er darf also vor allem nicht zu dem Gebiet gehören, das ungewiß war und worüber man sich verglichen h a t 2 4 . Wenn im Vergleiche eine streitige Forderung fallengelassen war und sich hinterher eine deutlich beweisende Schuldurkunde findet, so kann der Vergleich deshalb nicht umgestoßen werden. Was nun alles zum Bereich der Ungewißheit und Schlichtung gehört hat, muß durch Auslegung des Vergleichs festgestellt werden. Wenn z. B. ein Jagdgast einem angeschossenen Treiber 25 Mk. zahlt, so fragt sich, ob auch über die Frage der Täterschaft durch den Vergleich entschieden werden soll oder nur über die Höhe des Anspruchs. Ohne eine solche Auslegung läßt sich die Wirksamkeit des Vergleichs nicht feststellen 25 . Endlich muß der Irrtum für den Abschluß des Vergleichs ursächlich gewesen sein. Das Gesetz drückt das so aus, daß „der Streit oder die Ungewißheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde". Es kommt aber darauf an, ob es bei dieser Kenntnis zum Abschlüsse gerade dieses Vergleichs gekommen wäre 26 . Wenn sich die Parteien z. B. über die Größe einer Hypothek vergleichen und es sich nachher herausstellt, daß diese dem Abschließenden nur zur Hälfte zustand, so hat der Irrtum lediglich die eine Hälfte des Vergleichs verursacht, und nur diese ist ungültig 2 7 . Ohne Einfluß ist es, ob bei Kenntnis der Unrichtigkeit ein anderer Streit entstanden wäre. Wenn sich zwei Brüder über ihr Erbrecht vergleichen und dann das Erbrecht des einen angefochten wird, so kommt es nicht darauf an, daß auch jetzt wieder unter den beiden ein neuer Streit über sein Pflichtteilsrecht entsteht: ungeachtet dessen ist der Vergleich ungültig. § 170. Falls diese Voraussetzungen vorliegen, ist der Vergleich „unwirksam". Sehr streitig ist, wie dies rechtlich aufzufassen ist. Man wird den Grund darin finden, daß der Umstand s t i l l schweigende B e d i n g u n g des Vergleichs war 2 8 . Man könnte 24

Allgemeine Meinung, z. B . R G . 114, 120; O L G . 36, 127; J W . 1910, 10. Gegenstandslos ist daher der Streit zwischen H e d e m a n n a. a. O. 89ff. u n d v . C a r o l s f e l d a. a. O. 117ff. Vgl. auch R G . 131, 282 ff. 28 R G . LeipzZ. 1923, 316; R G . 114, 120ff. 27 R G . 114, 120ff. 28 R . L e o n h a r d , Allgemeiner T e i l § 435; S t r o h a l , Relative U n wirksamkeit 754; S e i l n e r , B l f R A . 69, 35; mein Lehrbuch 101; vgl. auch Protokolle 2, 521ff.; v . T u h r , Allgemeiner Teil 2, 1, 200. A n m . 4. 22* 25

Vergleich.

340

das schon aus den Worten des Gesetzes ableiten wollen, daß er nach dem Gesetz „als feststehend zugrunde gelegt" sein muß. Aber das ist nicht möglich : wenn das allein schon eine Bedingung bedeutete, so müßte sich daraus schon ohne weiteres die Abhängigkeit des Vergleichs ergeben, ohne daß noch eine weitere Voraussetzung dafür aufgestellt sein könnte. Das Gesetz verlangt aber außerdem noch, daß der Irrtum über diesen Umstand die Ungewißheit verursacht hat. Alles in allem wird also gefordert eine gemeinsame, vertragsmäßige Bestimmung, kraft deren ein Umstand als Ursache des Vertragserfolgs gesetzt wird. Das aber ist gar nichts anderes als eine Bedingung. Es ist keineswegs willkürlich, eine solche in den Vergleich hineinzudeuten. Denn eine Vereinbarung, die bestimmte Punkte klären soll, läßt sich gar nicht treffen, ohne daß die Grundlagen, von denen diese abhängt, festgelegt werden. Wenn sich ein Erbe mit einem Nachlaßgläubiger vergleicht und ihm 1000 Mk. zu zahlen verspricht, so ist dies stillschweigend auf die Bedingung gegründet, daß er auch wirklich Erbe ist. Diese Bedingung ist tatsächlich in der Abmachung enthalten: es ist das eine Auslegung, die sich aus dem Sinn der Abrede ergibt. Für die Annahme einer Bedingung spricht auch das Wort „unwirksam", das auf eine solche deutet. — Man hat dagegen eingewendet, daß die Parteien diese Abhängigkeit des Vergleichs meistens nicht gewollt, vielmehr an die Möglichkeit eines Irrtums gar nicht gedacht hätten 2 9 . Aber die Auslegung eines Vertrages erfolgt nicht nach dem, was diese Parteien innerlich wollen, sondern nach dem, was der Sinn ihrer Erklärung ist. Eher läßt sich einwenden, daß der zugrunde gelegte Sachverhalt nicht selten, ja wohl immer (S. 336) nicht in der Zukunft, sondern in der Gegenwart oder Vergangenheit belegen ist. I n der Tat ist dies Bedenken öfters geltend gemacht worden. Aber es beruht auf der Vorstellung, daß eine Bedingung lediglich auf zukünftige Ereignisse abgestellt sein müsse: aus ihr heraus hat man die anders eingestellten Abreden nur als „uneigentliche" Bedingungen oder gar als Voraussetzungen30 bezeichnen wollen. Für diesen Sprachgebrauch hat man sich auf die römischen Quellen bezogen. Aber diese rechnen die auf vergangene und gegenwärtige Tatsachen abgestellten Abreden regelmäßig mit zu den condiciones31 : nur ganz ausnahms29 30 81

H e d e m a n n a. a. O. 100; v . C a r o l s f e l d a. a. O. 120 u n d andere. v . T u h r , 2, 1, 199. 2, 2, 280. dig. 12, 1 1. 37ff. ; inst. 3, 15 § 6, dig. 45, 1 1. 100.

Stillschweigende Bedingung.

341

weise findet sich die entgegengesetzte Auffassung 32 . Sie untersuchen die Frage, ob diese A r t von condiciones gleichfalls die Verpflichtung aufschieben. Ihnen sind also diese Klauseln auch condiciones — von besonderer Art, aber nicht uneigentliche. Ebenso dürfte es auch für unsere Rechtssprache empfehlenswerter sein, sie mit zu den Bedingungen zu rechnen. Denn sie haben mit ihnen den wesentlichen Grundgedanken gemeinsam : auch hier wird das Rechtsgeschäft durch seine Bestimmung von einem ungewissen Ereignis abhängig gemacht. Richtig ist, daß der Wortlaut des § 158 BGB. sich zunächst auf ein nachher eintretendes Ereignis bezieht: aber er schließt doch die Ausdehnung auch nicht aus. Jedenfalls wollen wir den Ausdruck „Bedingung" stets in diesem weiteren Sinne verwenden — und danach ist die Grundlage des Vergleichs stets als Bedingung anzusehen. — Es läßt sich dagegen endlich noch geltend machen, daß die Berücksichtigung einer Bedingung ohnehin selbstverständlich und der § 779 danach überflüssig wäre. Aber seine Bedeutung liegt in der Vorschrift, daß das Zugrundelegen eines für den Streit kausalen Tatbestandes als stillschweigendes Setzen einer Bedingung aufgefaßt werden soll. Er enthält die Auslegungsregel, daß die vertragsmäßige Festsetzung von Umständen, die als feststehend und entscheidend bezeichnet werden, als Bedingung des Vergleichs gilt. Diese Regel haben wir besonders daraus abgeleitet, daß der Zweck des Vergleichs, die Aufklärung einer Ungewißheit, eine solche feststehende Grundlage erfordert. Und daraus ergibt sich, daß die Vorschrift eben nur für den Vergleich und nicht auch für andere Verträge gilt. Wenn die Parteien sonst über ihr Vermögen verfügen, so sind ihre Voraussetzungen, auch wenn sie beide darin übereinstimmen, als bloße Beweggründe ohne Einfluß. Wenn ein Bild verkauft wird, das beide als echt ansehen und auch im Vertrage bezeichnen, so wird die Gültigkeit des Vertrags nicht dadurch berührt, wenn es sich später als eine Nachbildung herausstellt, sofern sich nicht bei besonders starker Abweichung ein Anfechtungsrecht aus § 119 I I BGB. ergibt. Soll die Wirksamkeit des Vertrags davon abhängig sein, so muß dies eigens bestimmt werden. Beim Vergleich ist es dagegen ohne weiteres aus der Unrichtigkeit der Grundlagen zu entnehmen. 32 dig. 45, 1 1. 120. Dagegen heißt es i n dig. 12, 11. 39 condictionis — nicht, wie W i n d s c h e i d § 87 A n m . 6 zitiert, condicionis, u n d dig. 28, 7 1. 10 dürfte sich aus der Eigenart des Testamentsrechts erklären.

Vergleich.

342

§ 171. Man hat statt dessen versucht, die Vorschrift aus der Annahme einer gemeinsamen V o r a u s s e t z u n g abzuleiten 33 . Aber eine Voraussetzung hat keinen Einfluß auf die Wirksamkeit des Vertrages; denn ihr Unterschied von der Bedingung liegt eben gerade darin, daß die Parteien nicht davon die Wirksamkeit abhängig gemacht haben. Dies ändert sich auch nicht dadurch, daß beide Parteien im Vertrage von ihr ausgegangen sind. Wenn ein Grundstück zum Zwecke des Bebauens verkauft ist und beide Parteien über diesen Zweck einig waren, so ist der Kauf doch nicht hinfällig, wenn er nicht erreicht wird. Und es genügt selbst nicht, wenn der Käufer zu erkennen gab, daß er nur in diesem Falle das Grundstück erwerben wollte: denn es ist nötig, daß auch der Gegner sich dem unterwarf. Nicht einmal das kann genügen, daß beide Parteien innerlich von der gleichen Erwartung ausgingen und sie für jeden von ihnen kausal war 3 4 . Allerdings wird hier regelmäßig dieser Umstand auch in den Verhandlungen geäußert werden und sich dann daraus oft die stillschweigende Setzung einer Bedingung ergeben. Und auch, wenn nicht darüber gesprochen ist, wird sie sich hier nicht selten schon aus dem ganzen übrigen Sinn des Vertrages ergeben. So wird ein Vertrag, durch den beide Parteien den Unterhalt eines Verwandten regeln wollen, durch dessen Fortleben bedingt sein. Wo aber nichts davon vorliegt, kann diese bloße innere Übereinstimmung, wie auch sonst, nicht von Einfluß sein. Dies t r i t t besonders deutlich bei solchen Erwartungen hervor, die jeder der Abschließenden dem anderen sorgsam geheim gehalten hat. Jeder geht z.B. von der Überzeugung aus, daß eine dritte Konkurrenzfirma demnächst eingehen werde, will das aber aus triftigen Gründen dem anderen nicht verraten. Solche geheimgehaltene Voraussetzungen können den Vertrag nicht beeinflussen — auch nicht, wenn sie bei beiden Parteien vorhanden waren. Diese scharfe Grenze zwischen Bedingung und Voraussetzung wird auch dann in bedenklicher Weise verwischt, wenn man den Umstand als ,,Geschäftsgrundlage" bezeichnet und darauf die Ungültigkeit des Vertrages stützt 3 5 . Wenn man verlangt, daß sich 33

H e n l e , J W . 1923, 141; v . C a r o l s f e l d a. a. O. 142ff. u n d dort genannte Entscheidungen. 34 So v . T u h r , LeipzZ. 1921, 158; J W . 1923, 825; M a n i g k , J W . 1927, 300; v . C a r o l s f e l d a. a. O. 142. 35 O e r t m a n n , Geschäftsgrundlage 63ff. u n d 3 zu § 779 B G B . ; L e h m a n n , Prozeßvergleich 86ff. u n d bei E n n e c c e r u s § 196.

Voraussetzung.

343

auf einem solchen Umstand der Geschäftswille „aufbaut", so bleibt dabei gerade der Hauptpunkt ungeklärt: ob nämlich ausgemacht ist, daß der Vertrag davon abhängig sein soll, ob also der Tatbestand einer Bedingung vorliegt. Man kann freilich den Unterschied dieser Grundlage von der Bedingung lediglich darin finden, daß die Bedingung nicht auf ein zukünftiges Ereignis gestellt ist : dann läuft der Gegensatz nur auf eine Verschiedenheit in der Ausdrucksweise heraus (oben S. 340ff.). Aber das Wort „Grundlage" ist mehrdeutig und wird nicht selten auf Fälle bezogen, wo sich aus dem Inhalt des Vertrages eine Abhängigkeit nicht ergibt. — Diese Ableitung der Vorschrift ist aber auch besonders deshalb gefährlich, weil sie zu dem Schluß verleitet, daß der § 779 nicht nur ein Sonderrecht für den Vergleich enthalte, sondern auf einem allgemeinen, für alle Verträge geltenden Gedanken beruhe. Das ist aber durchaus abzulehnen: es spricht dagegen eben, daß die Vorschrift an einen ganz besonderen, scharf abgegrenzten Tatbestand anknüpft, und außerdem in hohem Grade die Gefährdung der Rechtssicherheit. Wenn man aber meint, daß sie nur für den Vergleich „ausnahmsweise" getroffen sei 36 , so wird wiederum nicht das Ziel erreicht, die Vorschrift zu erklären und zu begründen. — Auch auf dem Wege läßt sich nicht die Voraussetzung heranziehen, daß man in der Absicht der Parteien, diese gemeinsamen Grundlagen zu regeln, eine Zwecksetzung erblickt, deren Vereitelung zur Aufhebung des Vergleichs führt 3 7 . Denn ein Anspruch aus § 812 I 2 BGB. ist nur bei einem dinglichen Geschäft denkbar, dessen schuldrechtliche Auflösung vereinbart wird (unten §§ 270ff.), bei dem Vergleich also ausgeschlossen. Ohne eine solche Zwecksetzung ist aber die Gültigkeit eines Geschäfts von der Erreichung seines Zwecks nicht abhängig. Daher kann man einen Vergleich, der auf falscher Annahme aufgebaut ist, zwar als „wertlos" bezeichnen, als nicht geeignet, die Erledigung des Streits herbeizuführen: aber man darf daraus allein noch nicht seine Ungültigkeit folgern 38 . — Ähnlich ist die Ansicht, daß es einem solchen Vergleiche an dem Gegenstande fehle 39 . 38 37

So L e h m a n n a. a. O. u n d i m Grunde auch O e r t m a n n a. a. O. 126. L e n e l , ZivArch. 79, 81ff.; dagegen L e h m a n n , Prozeßvergleich

87 ff. 38

Wie O e r t m a n n , Geschäftsgrundlage 64ff. E n n e c c e r u s i n den früheren Auflagen, § 419; ähnlich v . C a r o l s f e l d a. a. O. 129ff. 39

Vergleich.

344

Aber Gegenstand des Vergleichs ist das zu regelnde Rechtsverhältnis und nicht der zugrunde gelegte Sachverhalt. Freilich kann in manchen Fällen auch das erste fehlen. Wenn sich ein Vergleich auf die Fälligkeit „der Forderung" bezieht und eine solche überhaupt nicht besteht, dann kann man allerdings sagen, daß sein Gegenstand nicht vorhanden sei. Ganz anders aber, wenn sich ein Grundbesitzer über die Grenze oder eine Hypothek verglichen hat und es sich dann herausstellt, daß er nicht Eigentümer ist. Hier ist als Gegenstand des Vergleichs die Grenze oder die Hypothek, aber nicht etwa das Eigentum anzusehen. Man hat dagegen freilich eingewendet, daß das Pfandrecht nur als „Ausschnitt" aus dem Eigentum in Betracht komme 40 . Aber das ist recht gewagt — und ganz unhaltbar, wenn es sich um ein bloß schuldrechtliches Versprechen des Eigentümers handelt ; und doch ist der Vergleich, wenn die Eigentumsfrage grundlegend war, auch hier unwirksam 4 1 . A m bedenklichsten scheint es mir, die Vorschrift des § 779 aus dem „Äquivalenzgedanken" abzuleiten 42 . Denn dieser ist eben nur insoweit berechtigt, als bei gegenseitigen Verträgen die Leistungen voneinander abhängen (§§ 320ff. BGB.)j nicht aber auch in den anderen hier genannten Fällen. Daß eine Dienstleistung bezahlt werden muß, soweit dies üblich ist (§§ 612, 632 BGB.), ergibt sich z. B. nicht schon daraus, daß dies billig ist, sondern erst daraus, daß der Vertrag in diesem Sinne zu deuten ist. Besonders scheint es mir nicht möglich, die Aufwertungslehre aus einem solchen allgemeinen Grundsatze abzuleiten. Der Vergleich im Prozesse beendigt diesen und ist vollstreckbar (§ 794 ZPO.)· Über seine rechthche Natur herrscht ein lebhafter Streit, der aber dem Prozeßrecht angehört 43 . § 172. Außer dem Vergleiche kommen auch sehr häufig andere Verträge vor, die ebenfalls dem gleichen Zweck, eine Ungewißheit zu klären, dienen, bei denen aber nicht beide Parteien, sondern nur die eine etwas aufopfert. Der Schuldner erkennt z. B. den streitigen Anspruch an, oder der Gläubiger räumt ein, daß der Gegner nur weniger oder gar nichts schulde. Man hat diese unter \

40 41 42 43

v . C a r o l s f e l d 130. Anders freilich v . C a r o l s f e l d 129 ff. Wie v . C a r o l s f e l d 134ff. L i t e r a t u r siehe L e h m a n n , Prozeß vergleich u n d bei E n n e c c e r u s

S 1Ö7.

Feststellungsverträge.

345

den Begriff der F e s t s t e l l u n g s v e r t r ä g e zusammengefaßt. Aber eine solche Begriffsbildung erscheint nur dann berechtigt, wenn sich über diese Fälle gemeinsame Regeln aufstellen lassen. Und das muß bezweifelt werden. Zunächst ist schon der Inhalt dieser Abmachungen ein sehr mannigfacher. Sie können auf die Begründung einer Verpflichtung, auf eine Regelung oder Änderung ihres Inhalts, auf Verzicht oder Herabsetzung der Schuld hinauslaufen. Auch die Frage der Form läßt sich nicht einheithch beantworten. Die Begründung einer neuen Forderung unterliegt den gesetzlichen Formvorschriften, insbesondere die einer abgelösten Forderung der Schriftform des § 781 B G B . 4 4 , die übrigen Abmachungen sind formfrei. Man hat endhch gemeint, auf alle diese Verträge die Vorschrift des § 779 BGB. entsprechend anwenden zu können 45 , aber auch das ist abzulehnen. Wir haben diese Bestimmung des Gesetzes dahin erklärt, daß der Vergleich durch die grundlegenden Umstände stillschweigend bedingt ist. Dabei spielte eine große Rolle die Erwägung, daß sein Zweck in der Klärung der Ungewißheit besteht : wenn etwas klargestellt werden soll, muß vorerst abgegrenzt werden, von welchen Umständen als feststehend ausgegangen wird. Hieraus möchte man freihch zunächst schließen, daß auch die übrigen Feststellungsverträge, denen ja dieser selbe Zweck innewohnt, ebenso zu behandeln seien. Und doch dürfte hier noch ein wesentlicher Unterschied vorhanden sein. Denn es genügt nicht, daß die eine Partei von einer solchen Grundlage ausgeht; sondern besonders wesenthch ist zweitens, daß auch die andere sich dieser Bestimmung unterworfen hat. Dies haben wir beim Vergleiche bejahen können. Hier haben die Parteien zunächst verschiedene Standpunkte vertreten, danach aber sich auf eine mittlere Linie geeinigt: die nun abgegebene Erklärung ist jetzt eine gemeinschaftliche Erklärung beider, die sich auf eine gemeinsam angenommene Grundlage stützt. Das ist aber wesenthch anders da, wo nur eine Partei etwas opfert. Zwar ist auch hier vom Standpunkt des Opfernden nicht selten zu erkennen, daß er von gewissen Voraussetzungen ausgeht und daß sie ihn dazu veranlassen. Hier ist aber keineswegs so sicher, daß auch der Gegner — gegen seine Interessen — auf diese Einschränkung eingeht. Denn dieser Gegner ist hier nicht, wie beim Vergleich, mit der Urheber der Erklärung, sondern er 44 45

R ü m e l i n , ZivArch. 97, 297; unten S. 346. R ü m e l i n a. a. O. 299.

346

Vergleich.

nimmt sie nur an. Daß er sich dabei den beim Gegner erkennbaren Annahmen unterwerfe, davon ist nicht ohne weiteres auszugehen. Der Schuldner bemerkt z. B., daß die Nachgiebigkeit seines Gegners wesenthch durch eine Rücksichtnahme auf seinen Onkel bestimmt ist, und es stellt sich hinterher heraus, daß dieser daran gar nicht interessiert ist. Hier ist keineswegs anzunehmen, daß dieser Umstand auch vom Schuldner als maßgeblich und für die Gültigkeit bestimmend anerkannt worden sei. Freilich kann sich auch hier unter Umständen aus dem ganzen Inhalt des Vertrages die stillschweigende Setzung einer Bedingung ergeben. Wenn ein Autofahrer für die Tötung des Überfahrenen eine hohe Rente verspricht und es stellt sich hinterher heraus, daß dieser gar nicht tot ist, so ist dies Versprechen offenbar durch den Ausfall einer stillschweigenden Bedingung hinfällig geworden. Aber anders ist schon dann zu entscheiden, wenn der Versprechende nur die Schwere der Verletzung überschätzte. Es ist also hier nicht ohne weiteres die Regel des § 779 anzuwenden, daß die Richtigkeit der vorausgesetzten Umstände als Bedingung gelten soll — und somit überhaupt nicht möglich, für alle Feststellungsverträge eine gemeinsame Regel aufzustellen. Die Hauptfrage bleibt aber noch, ob durch einen solchen Feststellungsvertrag eine Verpflichtung begründet werden kann; sie ist bisher nur wenig und kaum befriedigend behandelt worden. Man muß hier durchaus unterscheiden, ob ein selbständiges, abgelöstes Schulderkenntnis (§ 781 BGB.) vorliegt. Dazu ist notwendig, daß die Absicht, eine unabhängige Verpflichtung zu schaffen, im Vertrage hervortritt. Überdies muß dabei die schriftliche Form, außer dem Falle der Abrechnung, gewahrt werden. Wenn dies zutrifft, ist ein Anerkennungsvertrag nach § 781 geschlossen, gleichviel, ob dadurch eine ganz neue Verpflichtung geschaffen oder nur der Inhalt einer Schuld geregelt werden soll (unten § 175). — Wenn aber ein solcher abgelöster Vertrag nicht vorliegt, so ist das Anerkenntnis unwirksam. Nicht selten erkennt jemand an, etwas schuldig zu sein, z. B. ein Mieter, der vom Vermieter für einen Schaden haftbar gemacht wird, oder ein Darlehnsschuldner, von dem Zinsen angefordert werden. Aber dadurch allein wird er nicht verpfhchtet. Anders liegt es freilich, wenn ein Autofahrer dem Verletzten eine Summe zwecks völliger Abfindung verspricht. Denn hier kommt ihm auch der Gläubiger entgegen, eben dadurch, daß er auf weitere

Feststellungsvertrag.

347

Ansprüche verzichtet. Es liegt daher ein Vergleich vor, der rechtsverbindlich ist. Auch dann trifft das zUj wenn der Verletzte nicht schon eine höhere Forderung aufgestellt hatte: denn auch hier war zwar kein Streit, wohl aber doch eine Ungewißheit vorhanden, auch hier ist der Gläubiger durch seinen Verzicht auf weitere Ansprüche dem Schuldner entgegengekommen. Wieder anders aber, wenn in dem Versprechen gar keine Summe genannt wird oder aber wenn über die Höhe der Schuld gar kein Zweifel bestehen kann. Dann ist das schlichte Versprechen des Schuldners unverbindlich. Denn gerade darin liegt ja der Unterschied eines solchen von dem abgelösten Anerkenntnis: dies begründet eine eigene Verpflichtung, auf die man sich stützen kann, und jenes nicht. Deshalb wird ja auch bei diesen regelmäßig die Schriftform erfordert, um den Schuldner vor Übereilung zu schützen. Unmöglich darf man ihn in die gleiche Gefahr dadurch stürzen, daß man ein anderes formfreies Anerkenntnis zuläßt. Es wäre auch gewiß wenig erfreulich, wenn eine solche bloß mündliche Einräumung, die auf Rechtsirrtum oder Übereifer beruht, schlechthin verpflichten sollte. Man darf auch nicht etwa meinen, daß dadurch doch wenigstens ein Beweis der Forderung erbracht werde. Denn es ist eben nicht möglichj durch einen Vertrag eine solche Feststellung zu schaffen, ein Beweisvertrag ist für den Richter unverbindlich 46 . Freilich kann eine falsche Erklärung eine Wahrscheinlichkeit dafür begründen, daß die schuldbegründenden Tatsachen wahr sind. Aber das hängt sehr von den Umständen ab. Wenn jemand einen Diebstahl eingesteht und den Schaden zu ersetzen verspricht, so wird es dadurch meistens wahrscheinlich werden, daß er der Täter war. Wenn aber ein Vater einen von seinen Kindern angerichteten Schaden zu ersetzen verspricht, so wird dadurch noch schwerlich wahrscheinlich gemacht, daß er seine Aufsichtspflicht verletzt habe: seine Handlung kann vielmehr recht wohl auf dem verbreiteten Rechtsirrtum beruhen, daß er für sein K i n d schlechthin hafte. Daher bleibt es dem Versprechenden hier noch unbenommen, seine Verpflichtung zu bestreiten. Das nicht-abgelöste Anerkenntnis ist also ohne jede Rechtswirkung — ebenso wie das gleiche Schuldversprechen (unten § 175). Freilich kann gleichzeitig mit ihm eine Abänderung der ursprünglichen Forderung oder ein Verzicht auf Einreden er46 H e g l e r , Beiträge zur Lehre v o m prozessualen A n k e n n t n i s ; meine Beweislast 198 u n d Angeführte.

348

Abgelöster Schuldvertrag.

folgen, welche beide keiner Form bedürfen. Aber dann sind es eben diese Akte selbst, die einen Rechtserfolg erzeugen, und nicht das Anerkenntnis, das daneben steht. — Auch bei der Anerkennung klagloser Verbindlichkeiten ist ebenso zu unterscheiden, ob damit lediglich auf eine Einrede (z. B. der Verjährung) verzichtet wird — das ist formlos zulässig — oder ob eine Schuld erst begründet werden soll — das bedarf eines abgelösten, schriftlichen Anerkenntnisses 47. Drittes Kapitel.

Abgelöste Sclraldbegrimdung. § 173. Abgelöste Schuldverträge. § 174. Form. § 175. Versprechen u n d Anerkenntnis. § 176. Rechtswirkungen. § 177. Bei unsittlicher Schuld. § 178. Selbständige Schuld.

§ 173. Der gemeinsame Artzweck jeder Ablösung besteht darin, ein Rechtsverhältnis möglichst sicherzustellen, indem man es von einem anderen unabhängig macht. Hierbei ist aber sehr wohl darauf zu achten, wovon es so abgetrennt wird. Sehr oft läßt sich beobachten, daß ein Recht von einem anderen unabhängig ist, wie z. B. die Grundschuld von der zu sichernden Forderung. Aber darin ist noch keine Ablösung (Abstraktion) zu erblicken. Sie hegt nur da vor, wo jenes andere Rechtsverhältnis wirtschaftlich ein Stück des Rechtsgeschäfts selbst bildet, das es erklärt und ergänzt; wo es also erst einer künsthchen Loslösung eines zugehörigen Teils bedarf. Das trifft nur zu bei den farblosen Akten, wie der Eigentumsübertragung, die noch einer näheren Bestimmung bedürfen und erst durch ihre Zweckbestimmung ihre Richtung, ihre wirtschaftliche Erläuterung erhalten. Als solche Zwecke kommen nur drei in Betracht: Schuldtilgung, Rechtserwerb und Schenkung. Der Wert der Ablösung hegt darin, daß dadurch die Geltendmachung des Rechts vorläufig erleichtert und außerdem 47

Teilweise abweichend R ü m e l i n a. a. O. 301ff.; vgl. I , 16ff. I , 377ff. ; B a h r , Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund ; C o l l a t z , JheringsJ. 40, 127ff.; K l i n g m ü l l e r , Schuldversprechen u n d Schuldanerkenntnis; Z H R . 58, 152; v . T u h r , Zur Lehre v o n den abstrakten Schuldverträgen; N e u b e c k e r , Der abstrakte Vertrag; B ü r g A . 22, 34ff.; S t a m p e , Z H R . 55, 387; K a u s a p r o b l e m ; R ü m e l i n , ZivArch. 97, 211. 98, 109; S c h ö n i n g e r , Leistungsgeschäfte; S c h r e i b e r , SächsArch. 15, 573ff.; B r ü t t , Die abstrakte Forderung; D e g e n k o l b , JheringsJ. 56, 183ff. 1

Ablösung.

349

in gewissem Umfange ein endgültiger Schutz für Dritte gewährt wird. Auf Grund dieser schon früher (I, 377ff.) festgelegten Sätze ist weiter zu fragen, ob dieser Erfolg durch einen Schuldvertrag erreicht werden kann. I m römischen Recht diente dazu besonders die stipulatio, eine sehr zweckmäßige Geschäftsform, die eine wertvolle Sicherheit mit großer Bequemlichkeit verband. Bei der Aufnahme des römischen Rechts in Deutschland wurde diese Form nicht etwa, wie es oft heißt, ausgeschlossen. Wohl aber wurde sie von den Praktikern des 17. Jahrhunderts, als sie die Anpassung des römischen Rechts vollzogen, durch den formlosen Vertrag ersetzt. Damit verschwand aber auch der abgelöste Schuldvertrag, und es wurde im gemeinen Recht gelehrt, daß ein Schuldversprechen ohne Angabe des Schuldgrundes nur in der Form des Wechsels zulässig und sonst ungültig sei. Jedoch stellte sich immer mehr ein Bedürfnis nach solchen selbständigen Verpflichtungen heraus: besonders forderte der Handelsverkehr die weitere Zulassung solcher klaren und sicheren Papiere. So wurden sie in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts mehrfach anerkannt, und danach, vor allem auf Grund der bahnbrechenden Schrift von Bähr 2 , auch in der Wissenschaft. Dem folgt auch unser Gesetz, das das abgelöste Schuldversprechen und — Anerkenntnis zuläßt, aber regelmäßig nur in schriftlicher Form (§§ 780ff.). Beide Geschäfte haben eben das gemeinschaftlich, daß eine Verpflichtung unabhängig von dem Rechtsgrund erzeugt wird. Dies muß sich aus dem Inhalt des Vertrages ergeben : ein gewöhnliches Versprechen oder Einräumen der Schuld hat diese Wirkung nicht. Man pflegte früher dafür zu verlangen, daß der Parteiwille auf die abstrakte Natur gerichtet sein müsse. Aber das ist in dieser Form überhaupt gar nicht durchführbar, weil den nichtjuristischen Parteien dieser Begriff nicht bekannt ist. Daher ist heute ganz überwiegend anerkannt, daß diese Formel unhaltbar ist 3 . Indessen geht es doch wieder zu weit, wenn man den Gedanken der Ablösung ganz ausschaltet und lediglich fragt, welche Zwecke das Geschäft verfolgt 4 . Dieser Zweck ist sicherhch ein wichtiger Faktor für die Auslegung, aber allein kann er auch nicht ausreichen, um die Ablösung zu begründen. Als einen der 2 3 4

Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund. R ü m e l i n , ZivArch. 97, 275 u n d Genannte. So R ü m e l i n a. a. O. 275ff.

350

Abgelöster Schuldvertrag.

wirksamsten Zwecke wird man hier wohl den der Feststellung (Außerstreitsetzung) betrachten — und er wird auch hier immer in erster Linie genannt. Diesen selben Zweck verfolgt aber doch auch ein gewöhnliches, nicht-abgelöstes Anerkenntnis. Man sieht: es kommt nicht nur darauf an, welchem Zweck die Erklärung dienen, sondern auch, auf welchem rechthchen Wege sie dies erreichen soll. Der Zweck der Erklärung bildet nur ein Mittel, um das zu erschließen, worauf es schließlich ankommt. Und das ist eben doch der Gedanke, daß eine Verpflichtung schlechthin aus der Abrede erwachsen soll, unbekümmert um das, was ihr zugrunde lag 5 . Für die Auslegung dessen sind auch andere Umstände von Bedeutung: insbesondere daß die Erklärung schriftlich abgegeben wird und daß in der Urkunde die grundlegende andere Forderung nicht erwähnt wird. Die Erklärung: ,,ich verspreche, meine rückständige Miete bis zum 1. November zu bezahlen", spricht stark gegen die Annahme einer abgelösten Schuld — und umgekehrt dafür, wenn die Schuld nicht genannt ist 6 . Aber man darf nun wieder nicht den abstrakten Vertrag dahin bestimmen, daß „ i n ihm ein besonderer Verpflichtungsgrund nicht angegeben i s t " 7 . Denn auch hier handelt es sich nur um eins der Auslegungsmittel: daneben spielt auch der Zweck des Geschäfts eine Rolle. Ist dies offensichtlich darauf gerichtet, eine ganz glatte, sichere Forderung zu schaffen, so ist daraus auch trotz einer Schuldangabe die Ablösung zu bejahen: so bei der Massenausgabe eines handelbaren Wertpapiers mit Orderklausel 8. Noch verfehlter ist es, die abstrakte Natur schon deshalb zu leugnen, weil die Schuld als Ersatz einer schon bestehenden anderen Schuld, z. B. wegen eines angerichteten Schadens, dienen soll 9 . Denn die meisten abgelösten Schulden (Wechsel) werden gerade nur auf Grund einer schon vorhandenen Schuld begründet — und als Ersatzschulden kann man sie nur deshalb nicht bezeichnen, weil sie im Zweifel nicht an deren Stelle, sondern neben sie treten (§ 364 I I BGB.). — Anderseits ist die Annahme einer abgelösten c K l i n g m ü l l e r a. a. O. 169ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n ; P l a n c k zu § 780; R G . W a r n e y e r 1910 N r . 151. 6 R G . 61, 319; W a r n e y e r 1909 N r . 89, 1910 N r . 151; O L G . 25, 28. 7 So § 683 I . E n t w u r f . 8 R G . 74, 34, vgl. 67, 263. 8 SeuffA. 65 N r . 141; Recht 1909 N r . 666; dagegen J o s e f , ZivArch. 109, 193ff.; O e r t m a n n , Vorbem. 8 vor § 780.

Inhalt.

351

Schuld häufig dort abzulehnen, wo der Gedanke eines Umlaufs völlig fern liegt, z. B. bei dem Anerkenntnis eines Zimmermieters. Und noch mehr, wo die Gegenleistung noch gar nicht gemacht ist. Wenn ein Reisender von verschiedenen Kunden Bestellungen entgegennimmt und sich von jedem einen glatten Schuldschein über 100 Mk. ausstellen läßt, so ist das nicht als eine abgelöste Verpflichtung aufzufassen. Endlich sind manche Papiere ohne weiteres abstrakt, besonders der Wechsel. Das abgelöste Versprechen kann bedingt oder befristet sein. Nur von der Gültigkeit des Rechtsgrundes kann es nicht abhängig gemacht werden — denn dann wäre es eben nicht mehr abstrakt. Streitig ist, ob es von einer Gegenleistung abhängig gemacht werden kann 1 0 . Man wird hier unterscheiden müssen. Zulässig ist es, die versprochene Leistung von einer Gegenleistung abhängig zu machen, z. B. gewisse Waren unter den allgemeinen Lieferungsbedingungen zur Verfügung zu stellen, wodurch freilich nur eine Einschränkung der Leistungspflicht geschaffen wird, und nicht eine Gegenleistungspfhcht, auf die geklagt werden könnte 1 1 . Man darf jedoch nicht etwa einzelne Verpflichtungen aus einem gegenseitigen Vertrage herausreißen und als besondere abgelöste Schuldversprechen behandeln 12 : sonst kommt man zu dem verfehlten Ergebnis, für solche die Schriftform zu erfordern 13 . § 174. Die Erklärung des Schuldners bedarf hier der Schriftform, während deren Annahme formlos erfolgen kann (§§ 780, 781 BGB.). Diese Formvorschrift ist mit Recht aufgestellt, weil die bloß mündliche Erklärung eine solche Tragweite nicht haben darf. Auch könnte eine solche fast in jedem Rechtsstreit behauptet werden, so daß zahllose Eide nötig würden. Ich kann mich noch aus der Praxis des gemeinen Rechts an diesen Mißbrauch erinnern. Von der Form befreit sind die Verpfhchtungen auf Grund einer Abrechnung oder im Wege eines Vergleichs (§ 782 BGB.). Abrechnung ist jede Berechnung auf Grund einer beiderseitigen Mitwirkung, auch wenn die Gutposten alle nur auf einer Seite stehen 14 . 10 Dagegen K l i n g m ü l l e r a. a. O. 109ff.; gegen i h n R ü m e l i n a. a. O. 245 ff. » R G . 108, 412. 116, 336; W a r n e y e r - 1 9 1 0 N r . 277; SeuffA. 61 N r . 244; O e r t m a n n , Vorbem. 5 v o r § 780; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 198; R G R K . 3 zu § 780. 12 Dagegen m i t Recht R ü m e l i n a. a. O. 247ff.; R G . 108, 107ff. 13 So selbst R G . 48, 133ff.; J W . 1901, 382. 14 R e g e l s b e r g e r , JheringsJ. 46, 5; R G . J W . 1908, 31; R G . 95, 20.

Abgelöster Schuldvertrag.

352

Dieser Fall wird deshalb begünstigt, weil hier durch das vorhergehende Zusammenwirken die Ernstlichkeit der Abrede bestätigt ist. Man hat gemeint, es liege darin gar keine Ausnahme, weil hier der Rechtsgrund in der Abrede liege, daß nur der abgerechnete Saldo geschuldet werde 15 . Aber dagegen spricht schon, daß die Abrechnung im Zweifel gar nicht eine Schuldersetzung enthält (I, 640). Und auch für den Fall des Vergleichs läßt sich nicht behaupten, daß der Rechtsgrund in der Abrede, daß nur noch die anerkannte Forderung geschuldet werde, enthalten sei 16 . Denn der Rechtsgrund hegt beim Vergleich gar nicht hierin, sondern er ist für jede einzelne darin enthaltene Verpfhchtung nach dem, was diese bewirken soll, zu bestimmen (oben S. 335). So ist in § 782 in der Tat eine Ausnahme von der Regel der Schriftform gegeben17. Ebenso ist die Form unnötig, wenn ein Vollkaufmann durch Handelsgeschäft solche Schulden begründet (§§ 350, 351 HGB.). Falls für die Schuld, die anerkannt werden soll, eine andere Form vorgeschrieben ist, muß diese eingehalten werden (§ 7812 BGB.): dies gilt besonders für eine Schenkung und eine Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstücks (§§ 313, 518 BGB.). Daraus darf man aber nicht etwa folgern, daß das Anerkenntnis einer durch formfreien Vertrag zu begründenden Schuld schon deshalb von der Form befreit sei 1 8 : dies würde die Formvorschrift der §§ 780, 781 fast ganz aufheben. Diese Schriftform gilt nicht für alle abstrakten Verträge, sondern nur für solche, die eine Schuld begründen. Daher ist es unrichtig, wenn man sie auch auf den Schuldbeitritt und ähnliche Geschäfte anwenden will (I, 700). Noch weniger bedarf die dingliche Einigung der Form, obwohl sie ebenfalls abstrakt ist. § 175. Das Gesetz unterscheidet das abgelöste Schuldversprechen (§ 780) von dem Anerkenntnis (§ 781). Beide stimmen aber darin überein, daß sie eine unabhängige Schuld begründen. Der Unterschied hegt lediglich in der Form des Ausdrucks. Beim Anerkenntnis wird angedeutet, daß zuerst ein gewisser Streit oder doch Zweifel über das Bestehen einer Schuld geherrscht hatte 15

v . T u h r , Zur Lehre v o n dem abstrakten Schuldversprechen 4; C r o m e § 30 A n m . 36. 16 N u r für diesen F a l l h ä l t v . T u h r , Allgemeiner T e i l 3, 116 seine Ansicht noch fest. 17 Ä h n l i c h E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 199 A n m . 4. 18 SeuffA. 77 N r . 71; vgl. v. T u h r 3, 262 u n d Genannte,

Arten.

353

und nun beseitigt worden ist. Es handelt sich also um einen Feststellungsvertrag (oben S. 345). Bei dem bloßen Schuldversprechen ist eine solche Beziehung auf eine andere Schuld nicht ausgedrückt, wenn sie auch meistens vorhanden ist. Das Verhältnis des Anerkenntnisses zu der ursprünglichen Schuld läßt sich so bestimmen, daß eine neue, selbständige begründet wird. Aber das ist nur insofern zutreffend, als die Verpflichtung von der alten unabhängig ist. Dagegen hat man daraus auch das entnehmen wollen, daß es auf Begründung eines ganz neuen Schuldverhältnisses gerichtet sein müsse. Wenn von der Schuld nur einzelne Fragen geregelt würden, so soll dagegen ein Feststellungsvertrag vorliegen, der nach Analogie des Vergleichs und der Schuldabänderung formlos sei 19 . Aber dem kann nicht zugestimmt werden. Auch wenn nur ein einzelner Punkt der Verpflichtung geregelt wird, z. B. die Höhe der Zinsen, so liegt darin doch auch das Anerkenntnis einer Verpflichtung. Zwischen diesem Fall und dem anderen, wo das gesamte Schuldverhältnis anerkannt wird, darf füglich kein Unterschied gemacht werden. Denn die Gefährdung des Versprechenden ist schließlich auch dann gegeben, wenn er durch eine mündliche Zusage die — vielleicht übergroße — Höhe seiner Schuld anerkennen kann. Richtig ist, daß die Abänderung der Schuld allein keiner Form bedarf. Hier aber t r i t t zu ihr eben noch ein zweiter wesenthcher Inhalt hinzu: daß die neue Regelung ohne Rücksicht auf den Schuldgrund gelten soll — und deshalb wird die Einhaltung der Schriftform nötig. Sowohl ein Schuldversprechen wie ein Anerkenntnis können auch ohne Ablösung von der ursprünglichen Verpfhchtung abgegeben werden. Aber dann sind sie ohne rechtliche Wirkung. Für das Anerkenntnis ist dies schon oben dargelegt (S. 346), beim Schuldversprechen ist es nicht anders. Beide Akte können nur unter Umständen eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit erzielen, aber ein Recht können sie allein nicht begründen. Daher ist ein kausales Schuldversprechen, das auf Grund einer ungültigen Schuld abgegeben wird, ebenso nichtig wie das kausale Anerkenntnis einer ungültigen Schuld 20 . Wer es erhält, hat damit 19

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 198 A n m . 14; anders R ü m e l i n a. a. O.

297.

20

v . T u h r , LeipzZ. 1921, 153; O e r t m a n n , Geschäftsgrundlage 50ff.; R G . 86, 305. 108, 107. B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

23

Abgelöster Schldvertrag.

354

nur einen Beweisvorteil, aber weder eine Leistung, noch eine Rechtszuwendung, also auch kein ,,etwas" im Sinne des § 812 BGB. erlangt und es kann infolgedessen daraus auch nicht ein Ausgleichsanspruch entspringen (unten § 241). Zu Unrecht hat man dem Schuldner gegen ein solches Anerkenntnis diesen Ausgleichsanspruch gewähren 21 oder ihm mit der Analogie des Vergleichsrechts (§ 779 BGB.) helfen wollen. Denn solcher Hilfen bedarf es gar nicht erst, um diesen wirkungslosen A k t zu entkräften. — Allerdings kann ein solches Schuldversprechen auch mit einer Schuldänderung oder einem Verzicht auf Einreden verbunden sein. Aber dann sind es eben diese Geschäfte, woran sich die Rechtswirkung knüpft. Wieder anders ist es, wenn jemand die Erfüllung einer fremden Schuld verspricht. Geschieht das mit Wirkung gegenüber dem Schuldner, so ist es eine Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB.), wenn gegenüber dem Gläubiger, so kann es Schuldübernahme, Schuldbeitritt, Bürgschaft oder Annahme einer Anweisung auf Schuld sein. § 176. Die Rechtswirkung ist, daß eine Schuld auch dann entsteht, wenn der Rechtsgrund nicht besteht, insbesondere die grundlegende Schuld ungültig ist. Dadurch wird die Geltendmachung dem Gläubiger sehr erleichtert. Er braucht den Rechtsgrund nicht zu beweisen. Aber er braucht ihn auch nicht einmal zu behaupten, was unter Umständen auch recht bedeutsam ist: so kann ein Erbe aus einem Schuldschein, den er im Nachlasse findet und dessen Grundlagen er nicht kennt, dann klagen, wenn dieser eine abgelöste Verpflichtung enthält. Aber diese Erleichterung der Durchsetzung ist nur eine v o r l ä u f i g e (I, 392). Wenn der Rechtsgrund ungültig, z. B. die grundlegende Forderung nichtig ist, so enthält die Begründung der abgelösten Schuld eine grundlose Rechtsver Schiebung, die einen Ausgleichsanspruch nach §§ 812ff. BGB. erzeugt. Der Schuldner kann auf Schuldbefreiung und Rückgabe der Urkunde klagen. Er kann auch gegenüber der Klage aus der abgelösten Verpflichtimg die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erheben. Mit Recht wird diese Einrede neuerdings in der Rechtssprache so bezeichnet 22 . Noch vor kurzem pflegte man sie ganz irreführend 21

R G . J W . 1917, 34 u n d besonders R G . 108, 332 i n der Begründung; die Entscheidung selbst bezieht sich auf den ganz andersartigen F a l l einer nichtigen Auflassung. 22 R G . 86, 304 usw.

Wirkungen.

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Einrede der Arglist zu nennen. Dies war überall da unrichtig, wo der Kläger selbst an das Vorliegen eines Rechtsgrundes glaubte : denn nur wo eine wirkliche Arglist vorhegt, darf man diese Einrede geben. Richtig ist, daß der römische Prätor auch in anderen Fällen eine exceptio doh verwendete, wie häufig, um seine Neuerungen zu verschleiern. Aber wir dürfen dieses eigenartige Vorgehen nicht nachahmen, um so weniger als dadurch anständige Parteien grundlos beleidigt werden. — Auch hier bleibt noch die große Erleichterung für den Kläger, daß nicht er den Rechtsgrund darzulegen und nachzuweisen hat, sondern dem Gegner beides überlassen darf. Außerdem ist der Ausgleichsanspruch und daher auch die darauf gegründete Einrede ausgeschlossen, wenn der Schuldner die Ungültigkeit des Rechtsgrundes kannte (§814 BGB.). Und ebenso, wenn die grundlegende Schuld zwar nicht rechtsgültig war, aber doch eine sittliche oder Anstandspflicht vorlag, wenn also z. B. jemand seinem Bruder einen Unterhaltszuschuß versprochen hatte. Hiernach würde auch ein Versprechen zur Sicherung eines Spiel-, Wett- oder Differenzgeschäfts vollgültig sein. Es leuchtet aber ein, daß dadurch die Absicht des Gesetzes, solche Geschäfte ohne Rechtsschutz zu lassen, gar zu leicht vereitelt werden könnte : der Gewinner brauchte sich nur einen solchen Schein ausstellen zu lassen und wäre dadurch schon rechtlich gedeckt. Deshalb dehnt das Gesetz die Ungültigkeit des Spiels auch auf die darauf gegründeten abgelösten Verpflichtungen aus (§ 762 I I BGB.). Diese Vorschrift drückt sich so aus, als ob dadurch überhaupt keine Verbindlichkeit begründet werde, und so wird sie auch allgemein verstanden. Aber das würde mit der Ablösung i n vollem Widerspruch stehen. Daher wird man es vielmehr so auffassen müssen: die abgelöste Schuld ist entstanden, aber es steht ihr — abweichend von §§ 762 I , 814 BGB. — die Einrede der Grundlosigkeit entgegen. Eine ähnliche Bestimmung enthält das Gesetz (§ 656 I I ) für den Anspruch des Heiratsvermittlers. § 177. Auch wenn die zugrunde Kegende Schuld wegen Verstoßes gegen die Sittlichkeit oder ein gesetzliches Verbot (§§ 134, 138 BGB.) nichtig ist, wird dadurch ebenfalls eine Bereicherungseinrede gegen die abgelöste Verpflichtung begründet. Zwar wollen hier manche noch weiter gehen und die Gültigkeit der letzteren überhaupt leugnen 23 . Über den Einfluß der Unsittlichkeit herrscht 23 D e r n b u r g § 90; C r o m e § 309; G i e r k e 867; C o s a c k § 224; K l i n g m ü l l e r a. a. O. 131 ff.; dagegen die herrschende Meinung. 23*

356

Abgelöster Schuldvertrag.

nämlich lebhafter Streit bei allen abstrakten Rechtsgeschäften. Nach der einen Ansicht ist dies Geschäft wegen der Unsittlichkeit der Grundforderung ebenfalls nichtig 2 4 , nach der entgegengesetzten niemals 25 . Die herrschende Ansicht nimmt an, daß es von dem Mangel des Grundgeschäfts auch hier unberührt bleibe, wohl aber auch selbst unsittlich und deshalb nichtig sein könne 26 . Damit ist aber noch nicht sehr viel gewonnen. Denn es fragt sich eben noch, wann denn eine solche Unsittlichkeit des dinghchen Geschäfts anzunehmen sei. Nur allzuleicht kann man dahin geraten, dies zu weit auszudehnen und so zu einer bedenklichen Erschütterung der dinglichen Rechtsakte zu kommen. Es soll diese Abgrenzung unten i n der Lehre vom Ausgleichsanspruch, wo die Frage näher zu behandeln ist, versucht werden (§ 254). Dabei wird sich zeigen, daß ein abstrakter Akt nur dann als unsittlich anzusehen ist, wenn dies gerade i n ihm, also der Verfügung liegt. I n unserem Falle, bei der abgelösten Schuldbegründung ist danach zu unterscheiden, ob eben gerade in dem Eingehen der selbständigen Verpflichtung die Unsittlichkeit liegt. Es kann z. B. gerade das sich als unsittlich darstellen, daß jemand unter Mißbrauch seiner Unerfahrenheit oder Notlage zur Eingehung einer Wechselschuld gepreßt wird. Dies wird aber nur selten anzunehmen sein. I n dem gewöhnlichen Falle, wo lediglich die zugrunde liegende Schuld unsittlich ist, kann daraus noch nicht die Nichtigkeit der abstrakten Verpflichtung, sondern nur eine Bereicherungseinrede abgeleitet werden. § 178. So wichtig auch diese Vorteile der abgelösten Schuld sind, so darf man doch nie vergessen, daß es sich nur um eine vorläufige Erleichterung des Gläubigers handelt. Der Schuldner kann, wie wir sahen, doch immer noch die Grundlosigkeit des Versprechens geltend machen, nämlich daraus eine Einrede gegen seine Verpflichtung ableiten. Es ist also demjenigen, der ein sicheres Recht erlangen möchte, auch mit dem Erwerb einer abstrakten Forderung allein noch nicht gedient. Wohl aber hat unser Recht auch eine Form geschaffen, wo der gutgläubige Erwerber ein völlig sicheres und unanfechtbares Recht erhält: das Indossament. Bei den indossabeln (Order-) Papieren ist also das 24 D e r n b u r g § 127; N e u b e c k e r , B ü r g A . 22, 67ff.; R u m p f , Z i v A r c h . 117, 315. 25 E c c i u s , D J Z . 1903, 41; R G . 63, 185. 28 E n n e c c e r u s § 178 u n d Genannte.

Wirkung.

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abstrakte Recht nicht nur mit vorläufigem Schutz ausgestattet, sondern in der Hand eines Dritten auch endgültig geschützt. Die Wirkung der Ablösung wäre also dahin zu bestimmen, daß sie immer eine vorläufige Erleichterung schafft, bei den Orderpapieren aber auch einen Drittenschutz (I, 393ff.). Eben wegen dieser Beschränkung in der Wirkung ist es ungenau, zu sagen, daß die abstrakte Schuld von dem Rechtsgrund völhg losgelöst sei (I, 390ff.). Diese Beobachtung hat einzelne Schriftsteller zu der Behauptung geführt, daß der ganze Begriff der abstrakten Schuld widerspruchsvoll sei und daß es sich lediglich um eine Erleichterung des Beweises handle 27 . Aber das ist schon deswegen unhaltbar, weil unser Gesetz doch offenbar einen Unterschied macht zwischen einem bloßen Beweismittel und einer nach §§ 780ff. eingegangenen selbständigen Verpflichtung. Und es ist durchaus nicht ein leeres Wort, wenn man dieser Schuld ein eigenes selbständiges Bestehen zuspricht. Dies zeigt sich z. B. sehr deutlich darin, daß sie einer eigenen Verjährung unterhegt. Dies trifft auch dann zu, wenn die alte Schuld in der Urkunde der neuen erwähnt worden i s t 2 8 . Wenn ein solches abgelöstes Geschäft zur Sicherung einer bestehenden Schuld geschlossen wird, so stehen regelmäßig zwei Forderungen nebeneinander, die auf dasselbe Ziel gerichtet sind (I, 598, 638). Allerdings ist es auch möglich, daß die alte durch die neue ersetzt werden soll, aber das Gesetz lehnt diese Auslegung für die Regel ab (§ 364 I I BGB.). Viertes Kapitel.

Anweisung. § 179. Begriff. § 180. E i n w i l l i g u n g zur Geschäftsführung. § 181. Andere Auffassungen. § 182. Die E r k l ä r u n g an den Anweisungsempfänger. § 183. Annahme. § 184. Geschäftsanweisung. § 185. Deren Vollzug. § 186. W i r kungen; § 187. der Annahme. § 188. Mangel i n beiden Rechtsbeziehungen. § 189. W i r k u n g auf das Deckungsverhältnis.

§ 179. Unter Anweisung 1 versteht man eine einseitige Auf27

K i n d e l a. a. O.; N e u b e c k e r , B ü r g A . 22, 34ff.; W i e l a n d , Wechsel 75ff. Dagegen die herrschende Lehre. 28 W i e n s t e i n , GruchBeitr. 48, 484 A n m . 21; anders Protokolle 2, 56; R ü m e l i n , Z i v A r c h . 98, 239ff. 1 W e n d t , Das allgemeine Anweisungsrecht; A d l e r , Z H R . 64, 159ff.; L e n t , Die Anweisung als Vollmacht u n d i m Konkurse; R i e h l , Anweisung;

358

Anweisung.

forderung an einen anderen, daß er an einen Dritten leiste. I m Leben gebraucht man den Ausdruck freihch auch für andere Befehle, z. B. über die Ausführung einer Arbeit; aber die Rechtssprache hat sich auf die erste Bedeutung zu beschränken. Hiernach sind drei Personen beteiligt, der Anweisende (A), der Angewiesene (B) und der Empfänger (C) : hiermit ist der Empfänger der Leistung gemeint, nicht der der Anweisungsurkunde, um so mehr als eine solche gar nicht bei allen Anweisungen vorhanden ist. Der Zweck jeder Anweisung ist die Benutzung eines Dritten bei einer Zahlung, also eine D r i t t z a h l u n g . Eine solche Heranziehung ist besonders dann praktisch, ja unentbehrhch, wenn die Parteien an verschiedenen Orten sind. Außerdem empfiehlt es sich im modernen Verkehr, Geldzahlungen nicht i n bar, sondern unter Benutzung der für den Geldverkehr eingerichteten Institute, der Banken, zu machen. Man kann dies nun in der Weise ausführen, daß man einen Vertreter heranzieht, entweder einen solchen des Zahlenden oder des Empfängers, der also im Namen des anderen zahlt oder empfängt. Meistens aber wählt man statt dessen die Form der Anweisung und zieht den Dritten durch eine eigene selbständige Leistung mit i n den Zahlungskreis hinein. Das empfiehlt sich schon deshalb, weil man den Dritten dann für seine Hilfe nicht zu bezahlen braucht, vor allem aber, weil man so zwei Leistungen durch eine Zahlung erledigt. Denn die Zahlung wirkt sowohl auf die Beziehung, auf die die Anweisung abzielte — also die Leistungsbeziehung A : C — als auch für die eigene Deckungsbeziehung des Zahlenden, Β : A. Es wird also eine abgekürzte Zahlung erzielt. Für jede der beiden Beziehungen kann der Rechtsgrund (wie stets) in Schuldtilgung, Rechtserwerb oder Schenkung liegen. So liegt doppelte Schuldtilgung i n dem einfachsten Fall vor, wo ich eine Schuld durch Banküberweisung erledige: wenn hier die Bank (B) an C zahlt, so tilgt sie zugleioh meine Schuld an C und ihre an mich. Das Gesetz regelt nun in §§ 783ff. nur einen bestimmten Fall der Anweisung, nämlich wo sie auf vertretbare Sachen gerichtet und eine Urkunde darüber dem Empfänger ausgehändigt ist. Dies hat gewisse bedeutsame Rechtsfolgen: aber es ist nicht der L ö w e n f e l d , Anweisung i m Gesetz u n d Verkehr; L e n e l , JheringsJ. 36, 113ff.; v . T u h r , JheringsJ. 48, I f f . ; B r e i t , B l f R A . 77, 381ff.; J u n g , JheringsJ. 69, 82ff.; U l m e r , ZivArch. 126, 129ff.; W i e l a n d , Der Wechsel; ZivArch. 95, 160ff.; M e y e r , Das A k z e p t ; L u d e w i g , Die Ermächtigung.

Begriff.

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einzige und nicht einmal — was allgemein verkannt wird — der häufigste Fall einer Anweisung. Denn alltäglich sind die mündlichen oder brieflichen Anweisungen der Käufer an ihre Verkäufer, daß sie die Ware an einen Dritten übersenden sollen. Diese sind nicht etwa unzulässig ; sie sind nur den besonderen Bestimmungen der §§ 783ff. nicht unterworfen, insbesondere können sie nicht abstrakt angenommen werden (unten § 187). Man muß daher diese einfache Anweisung unterscheiden von der im Gesetz besonders geregelten, die man, weil sie auf den eigentlichen Geschäftsverkehr berechnet ist, Geschäftsanweisung nennen kann. Während die meisten Darstellungen von dieser verwickeiteren Form ausgehen, scheint es mir nötig, zunächst die Grundgedanken einer jeden Anweisung darzulegen. Nur so können wir hoffen, in dieser umstrittenen Lehre zu klaren Gedanken vorzudringen. § 180. Die Anweisung soll den Β veranlassen, an C eine Leistung zu machen. Diesen Vorgang werden wir uns am besten klar machen, wenn wir die Anweisung dabei zunächst wegdenken und uns auch an den einfachsten Fall halten, wo beide Leistungen auf Schuldtilgung gerichtet sind. Hier ist deutlich ersichtlich, daß die Leistung des Β an C auf die Bezahlung der Schuld des A an C (der Leistungsbeziehung) gerichtet ist, daß also die Bezahlung einer Schuld durch einen Dritten (§ 267 BGB.) vorliegt. Denn der Sinn dieser Zahlung ist: ich bezahle dir das, was du von A zu bekommen hast. Ein solcher Hinweis, daß er für den anderen zahle, ist freilich nach § 267 BGB. unentbehrlich (I, 245ff.). Aber er liegt hier eben darin, daß Β angibt, auf Anweisung oder im Auftrag des A zu zahlen: damit bezeichnet er deutlich dessen Beziehung als diejenige, worauf sich die Zahlung richtet. Allerdings gibt er dabei nicht immer an, welches diese Beziehung im einzelnen sei, ja sie wird ihm oft gar nicht einmal bekannt sein. Aber das hindert ihn dennoch nicht, für A zu zahlen. Denn auch unter denselben Parteien ist es gar nichts Seltenes, daß jemand a Conto zahlt, d. h. zur sachgemäßen Verrechnung, zunächst zur Deckung der vorhandenen Schulden und darüber hinaus zwecks Kreditierung. Wohl aber wird er doch stets angeben, daß er für A zahle, und ein Angewiesener ist auch dazu verpfhchtet, diesen Zusatz bei seiner Zahlung zu machen 2 . Würde er etwa im eigenen Namen ohne 2

G o t t s c h a l k , JheringsJ. 78, 296, 313ff. entgegen P l a n c k , Vorbem. zu §§ 328ff.

Anweisung.

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solchen Hinweis zahlen, dann hätte er die Anweisung nicht richtig ausgeführt. Falls er ihn aber gemacht, so ändert sich auch dadurch nichts, daß er etwa auch seine eigene Beziehung zu A erwähnt. Auch dadurch würde er sie noch nicht zum Rechtsgrund seiner Zahlung machen. Die Leistung hat also nicht zwei Rechtsgründe 3 ; sondern die Deckungsbeziehung bildet immer nur den Beweggrund für das Verhalten des B. Bezahlt wird nicht auf beide Beziehungen, sondern nur auf die Leistungsbeziehung. Wäre die Zahlung auf die Deckungsschuld gerichtet, so läge ja gar nicht eine Zahlung durch einen Dritten vor, sondern ein ganz anderer Tatbestand: eine Zahlung durch den Schuldner an einen anderen als den Gläubiger. Für unsere Auffassung spricht endlich auch die Regelung des Ausgleichsanspruchs (§§ 812ff. BGB.). Die Leistung erscheint als ungerechtfertigt dann, wenn die Beziehung des A zu C ungültig war; dagegen nicht, wenn C wirklich einen Anspruch gegen A hatte und Β nur irrig glaubte, dem A dazu verpflichtet zu sein (unten § 255). Hieraus ergibt sich, daß die Zahlung gar nicht auf die Deckungsforderung (A/B), sondern ausschließlich auf die Leistungsforderung (C/A) erfolgt. Es liegt also eine gewöhnliche Zahlung durch einen NichtSchuldner nach § 267 vor. Durch diese wird aber ohne weiteres die gezahlte Schuld getilgt; das ergibt sich schon aus § 267, und einer Anweisung bedarf es dazu nicht. Der Inhalt der Anweisung kann sich mithin nicht auf diese Tilgung beziehen: vielmehr lediglich darauf, daß diese Zahlung zur Erledigung der Deckungsbeziehung A / B verwertet werden soll. Man hat diesen ihren Inhalt schon öfters bemerkt und ihn damit wiedergeben wollen, daß der Β für Rechnung oder Konto oder auf Kosten des A zahlen dürfe. Aber alles das sind keine festen Rechtsbegriffe. Wir werden statt dessen die rechtliche Begründung darin suchen müssen, daß Β mit seiner Zahlung eine A u f w e n d u n g für A macht und zu deren Deckung berechtigt sein soll, die Zahlung auf sein Innenverhältnis zu verrechnen. Aber es bleibt nur noch zu erklären, auf Grund welches Rechtsverhältnisses hier Β zum Ersatz seiner Aufwendung befugt ist. Der bloße Umstand, daß ich für jemand etwas ausgebe, ζ. B. seine Schuld bezahle, gibt mir noch nicht das Recht zur Erstattung. Wenn zwischen A und Β durch Vertrag die Drittzahlung vereinbart ist, so ergibt sich die nc

G t c h

.

Aufwendung.

361

Ersatzpflicht aus § 670 BGB. Aber es muß auch erklärt werden, weshalb sie auch ohne einen solchen Vertrag eintritt und die einseitige Erklärung der Anweisung hierfür genügt. Und das ist bisher noch nicht gelungen. Die Lösung ist darin zu finden, daß jede Fürsorge im fremden Interesse eine G e s c h ä f t s f ü h r u n g ist. Sie kann ohne jede Ermächtigung des Geschäftsherrn lediglich deshalb, weil sie seinem Willen entspricht, diesen verpflichten (§ 683 BGB). Sie verpflichtet ihn aber erst recht, wenn er seine Zustimmung dazu erteilt. Daß die nachträgliche Genehmigung hierzu ausreicht, sagt das Gesetz (§ 684) ausdrücklich. Aber die Zustimmung kann auch vorher erteilt werden und verpflichtet den Herrn in derselben Weise (unten § 233). Nichts anderes hegt auch bei der Anweisung vor. Sie erklärt dem B, daß er diese Zahlung mit verpflichtender Wirkung gegenüber A vornehmen und von diesem Ersatz seiner Aufwendung durch Verrechnimg in ihrem Innenverhältnis erlangen könne. Genau die gleiche Wirkung könnte auch ohne Anweisung dann eintreten, wenn die Geschäftsführung dem Willen des Herrn entspricht (§ 683) oder nachträglich genehmigt wird (§ 684). Aber hier liegt eben eine vorhergehende Einwilligung vor, die ebenfalls genügt. Die Anweisung verpflichtet zum Ersatz, weil sie eine E i n w i l l i g u n g zur Ges c h ä f t s f ü h r u n g ist. Dies ist bisher allgemein verkannt worden. Man könnte gegen diese Auffassung etwa einwenden, daß die Anweisung gar nicht schlechthin zur Erstattung der Aufwendung, sondern nur zu einer bestimmten A r t der Verrechnung verpflichtet. So sei, wer eine Anweisung auf Schuld mache, lediglich verpfhchtet, auf diese sich die Leistung anrechnen zu lassen. Aber das wäre durchaus nicht richtig. Es wird wohl bei der Anweisung oft angegeben, auf welche Beziehung zwischen dem Anweisenden und Angewiesenen gezahlt werden soll. Aber das bedeutet nicht mehr als eine Erwartung, wie sich das Deckungsverhältnis abwickeln werde. Das zeigt sich, wenn die Schuld, die als Grundlage der Deckung bezeichnet wurde, etwa nicht besteht. I n diesem Falle ist die Zahlung, die der Angewiesene für Rechnung des Anweisenden ausführt, dennoch für das Verhältnis der beiden zueinander wirksam und nur in anderer Weise zu verrechnen: nämlich so, daß eine andere Schuld getilgt oder der Betrag als kreditiert anzusehen wäre. Der eigentliche Inhalt der Anweisung liegt also darin, daß die Zahlung in irgendeiner Form vom Anweisenden erstattet werden muß : sei es durch Verrechnung

362

Anweisung.

auf die bestimmte oder eine andere Schuld, sei es durch Rückzahlung des aufgewendeten Betrages. Die Erstattung seiner Aufwendung ist es, wozu der Anweisende durch seine Einwilligung verpflichtet wird. § 181. Da man dies allgemein verkannt hat, hat man nach anderen rechtlichen Gesichtspunkten gesucht, die die Verpflichtung des Anweisenden zur Anrechnung erklären sollen. Früher suchte man es aus einem Auftragsvertrag abzuleiten. Das ist aber schon deshalb ganz unrichtig, weil der Angewiesene sich vielfach gar nicht verpfhchtet, an den Dritten zu zahlen. Noch weniger wird, wie jene Lehre vom ,,Doppelmandat" behauptet, der Empfänger verpfhchtet, die Anweisung zu erheben. Diese alte Lehre ist jetzt allgemein aufgegeben. Aber nun gilt es zu erklären, weshalb denn eine einseitige Erklärung des Anweisenden seine Verpflichtung erzeugt. Ist doch im allgemeinen dazu nur ein Vertrag geeignet (§ 305 BGB.). Die herrschende Lehre sucht es durch die Rechtsform der Ermächtigung zu erklären. Nun kann man vielleicht eine Ermächtigung darin erblicken, wenn ein Gläubiger dem Schuldner Erleichterungen seiner Schuld gewährt. Aber daran wird es bei der Anweisung regelmäßig fehlen, weil es dem Schuldner gleich ist, an wen er leistet. Jedenfalls wird dadurch noch nicht der eigentlich entscheidende Umstand erklärt, daß der Β für Rechnung des A leisten darf. Die herrschende Lehre glaubt nun auch darin eine Ermächtigung erblicken zu können, daß ich jemandem die Befugnis erteile, eine Handlung auf meine Kosten auszuführen. Aber dem muß durchaus widersprochen werden. Die einseitige, formlose Ermächtigung wird im Gesetz (§§ 182ff.) nur bei dem unwirksamen Rechtsgeschäft, insbesondere also der dinglichen Verfügung eines Nichtberechtigten anerkannt. Man hat freilich geglaubt, daraus einen allgemeinen Rechtsbegriff entnehmen zu können, der jede Einwirkung auf fremdes Vermögen umfaßt, insbesondere die Ermächtigung, einen fremden Rechtsstreit zu führen und durch eigenes Schuldgeschäft einen anderen zu verpflichten 4 . Aber gerade das halte ich für unzulässig. Wer für einen anderen einen Prozeß führen will, muß das als dessen Vertreter tun (I, 674ff.). Und wenn ich mich für die Schuld eines anderen haftbar machen will, so muß ich dies durch einen Schuldvertrag tun. W i l l jemand die Kosten für die Beseitigung eines 4

E n n e c c e r u s § 175 u n d Genannte; L u d e w i g , Ermächtigung 4 ff.

Ermächtigung.

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Schadens oder für die Bestellung eines Anzugs übernehmen oder überhaupt für eine fremde Schuld einstehen — immer bedarf es eines Vertrages nach § 305 BGB. Eine einseitige Ermächtigung kann dazu nicht genügen. Außerdem muß — im Gegensatz zu der formlosen Ermächtigung — die Form des betreffenden Schuldvertrages gewahrt werden. Wenn ich jemanden mündlich ermächtige, mein Haus zu verkaufen, und er schließt den Vertrag im eigenen Namen notariell ab, so werde ich dadurch nicht verpfhchtet. Anders nur, wenn er in meinem Namen abschheßt, wozu eine formlose Vollmacht genügt. Auch wenn ich ihn ermächtige, mein Haus zu vermieten, so werde ich durch den von ihm abgeschlossenen Mietsvertrag nicht verpfhchtet — schon deshalb nicht, weil ich dessen Form nicht erfüllt habe: ich muß vielmehr erst dessen Pflichten durch einen eigenen Vertrag übernehmen 5 . Man darf sich dagegen nicht auf die Analogie des § 182 BGB. berufen; denn dort handelt es sich um einen unwirksamen Vertrag, der erst genehmigt werden soll. Und ebensowenig auf die einseitige Zustimmung des Ehemanns nach § 1399 I I BGB., wo es ebenso liegt. Dagegen ist der Schuldvertrag, den der andere im eigenen Namen geschlossen hat, nicht etwa unwirksam, sondern von vornherein gültig und wirksam. Es handelt sich vielmehr um den Hinzutritt eines andern Schuldners: er kann nicht durch einseitige Erklärung erfolgen. Andere fassen die Erklärung des Anweisenden an den Angewiesenen als eine Vollmacht auf 6 . Dies scheitert aber schon daran, daß die Vollmacht sich lediglich auf ein Handeln im fremden Namen bezieht, was hier nicht vorhegt. Richtig ist es dagegen, wenn man sie einfach als eine Zustimmung bezeichnet hat 7 . Nur wird auch hierdurch nicht erklärt, wie es kommt, daß diese einseitige Erklärung entgegen dem § 305 BGB. ein Schuldverhältnis erzeugt. Dies läßt sich nur durch die Verweisung auf die Geschäftsführung begründen. Denn eben dort ist ausnahmsweise die Wirksamkeit der einseitigen Zustimmung anerkannt. § 182. Nicht weniger umstritten ist die Rechtsnatur der anderen Erklärung, die der Anweisende an den Anweisungsempfänger richtet. Die herrschende Lehre will auch darin eine zweite Ermächtigung erblicken. Auch das ist unhaltbar. Zunächst ist eine 5 6 7

J h e r i n g , JheringsJ. 1, 307. 2, 125ff. Anders dagegen R G . 80, 395ff. W i e l a n d , Wechsel 205ff.; A r c h i v a. a. O. 164ff. A d l e r a. a. O.; J u n g a. a. O.; L u d e w i g a. a. O. 65ff.

364

Anweisung.

solche Erklärung überhaupt nur bei der Geschäftsanweisung notwendig, wo dem Empfänger eine Urkunde ausgehändigt wird: bei der sonstigen Anweisung kann sie ganz fehlen. Und dann kann man unter einer Ermächtigung doch nur eine solche Erklärung verstehen, die jemandem eine Macht verleiht: das ist schon aus dem Sprachsinn des Wortes zu entnehmen. Nun wird aber durch die Anweisung allein dem Empfänger noch gar keine Rechtsmacht verschafft. Er kann gegen den Angewiesenen erst dann vorgehen, wenn dieser die Anweisung annimmt: also erst die Annahme und nicht schon die Anweisung verleiht ihm diese Stellung. Die Gegner berufen sich darauf, daß er nun doch schon i n die Lage gebracht ist, durch die Entgegennahme der Leistung auf die beiden Forderungen C/A und A / B einzuwirken. Das erstere aber ergibt sich schon daraus, daß er ja selbst der Gläubiger dieser Forderung ist : er ist daher ohne weiteres zur Annahme der Leistung berechtigt, auch von Seiten eines Dritten (§ 267 BGB.). Und ein Recht, auf die Deckungsforderung einzuwirken, wird dem C durch die Anweisung noch nicht gegeben. Man könnte es höchstens mittelbar daraus ableiten, daß der A dem Β diese A r t ihrer Erledigung gestattet hat. Aber dadurch wird nicht mehr verursacht als die bloße Möglichkeit, daß diese Einwirkung erfolgen wird. Das ist aber noch ganz ungewiß, da es noch nicht feststeht, ob Β die Anweisung annehmen wird. Deshalb kann man durchaus nicht sagen, daß schon durch die Anweisung allein der C diese Macht erlangt habe. Er erhält sie erst durch die Annahme, also die Erklärung des B. Endlich könnte ein solches Verfügungsrecht überhaupt nur da in Frage kommen, wo es sich bei der Deckungsbeziehung um die Zahlung einer Schuld handelt — nicht auch bei Rechtserwerb und Schenkung. Dieselben Bedenken gelten gegenüber der Ansicht, daß die Anweisung eine Bevollmächtigung an C zum Einziehen enthalte 8 . Ja, hier treten sogar noch weitere starke Gegengründe hinzu. Die Vollmacht bezieht sich auf eine Vertretung: hier aber handelt es sich um ein Handeln im eigenen Namen. Man darf dagegen nicht einwenden, daß der Begriff der Vollmacht auch auf solche Fälle angewendet werden könne. Denn dann würde auch die Zustimmung der §§ 182ff. BGB. mit unter die Voll8 So L e n e l a. a. O.; H e l l w i g , Verträge 100, 130; L e h r b u c h 2, 459; L e n t a. a. Ο. I f f . , 33ff. ; dagegen die herrschende Lehre.

Vollmacht.

365

macht gerechnet werden müssen, was der Ausdrucksweise des Gesetzes und der Wissenschaft durchaus zuwider liefe. Der entscheidende Gegengrund bleibt freilich auch hier, daß der C durch die Anweisung allein noch kein Recht, gegen Β vorzugehen, erhält. Wenn die Gegner glauben, eine Vollmacht ohne diese Leistungspflicht verteidigen zu können, so ist es gewiß „überraschend" 9 . Eher läßt sich darauf hinweisen, daß dem C durch die Aushändigung der Urkunde ein Ausweis verschafft wird. Durch diese Urkunde wird die Anweisung an Β dargetan und dieser ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zu leisten verpflichtet (§ 785 BGB.). Aber diese Ausweisrechte knüpfen sich lediglich an die Verschaffung des Besitzes an der Urkunde, nicht an eine an C gerichtete Erklärung an (unten § 184). Jedenfalls ist es nicht möglich, die Anweisung lediglich als Ausweis zu bezeichnen und danach ihr Wesen zu bestimmen 10 . Das verbietet sich schon deshalb, weil bei der einfachen Anweisung, die nicht unter § 783 fällt, ein solcher Ausweis gar nicht erfolgt. Und dann bleibt auch hier unerklärt, weshalb die Zahlung des Β auf das Deckungsverhältnis A / B wirkt. Aus § 267 BGB. kann man das nicht ableiten. Er sagt nur, daß die Zahlung des Dritten die Schuld tilgt, aber nicht etwa, daß der Zahlende einen Ersatzanspruch gegen den Schuldner hat. Vielmehr bedarf es dazu erst der Einwilligung des A, wodurch er dieser Geschäftsführung zustimmt. — Wenn die Anweisung hiernach dem C weder eine Macht noch eine Vollmacht verschafft, so fragt sich, was denn die Erklärung des A an C überhaupt bedeutet. Am besten gehen wir hier wieder von dem einfachen Falle einer mündlichen Anweisung aus, die nicht unter die Geschäftsanweisung der §§ 783 ff. fällt. Hier finden wir die bemerkenswerte Tatsache, daß eine solche Erklärung an C überhaupt nicht abgegeben zu werden pflegt: also ist sie überflüssig. Daraus werden wir weiter schließen, daß sie auch bei der Geschäftsanweisung, die ja sachlich nichts anderes ist, ebenfalls nicht wesentlich ist. Allerdings verlangt dort das Gesetz, daß die Urkunde von A an C ausgehändigt wird: dies Verfahren ist zweckmäßig und üblich, um den C zu unterrichten und auszuweisen: 9 O e r t m a n n , Vorbem. 1 vor § 783 gegen L e n t a. a. Ο. 55ff. u n d H e l l w i g , Lehrbuch 2, 450. 10 So A d l e r , Z H R . 64, 159ff.; J u n g , JheringsJ. 69, 82. 70, 207ff.; L u d e w i g a. a. O. 65ff.

Anweisung.

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und es wird vom Gesetz erfordert, um die besonderen Vorschriften der §§ 783ff. i n Anwendung zu bringen. Aber die eigentliche Anweisung kann darin nicht erblickt werden, weil eine rechtsgeschäftliche Erklärung an C darin überhaupt nicht zu finden ist. Dem C gegenüber enthält dieser A k t nichts als die Übergabe des Besitzes und die Mitteilung von einer für Β abgegebenen Erklärung, mit dem Anheimgeben, sie als Bote dem Β vorzulegen — alles Handlungen, die keine Rechtsfolgen erzeugen und deshalb keine Rechtsgeschäfte sind. Weiter enthält er nichts (unten § 185). Wenn sich freilich der C dabei auch verpfhchtete, die Anweisung dem Β vorzulegen, dann würde damit auch noch ein Auftragsvertrag geschlossen werden: aber eine solche Verpflichtung erfolgt ja nur selten und ist jedenfalls nicht wesenthch. So bleibt von der ganzen Anweisung nur eine einzige rechtsgeschäftliche Erklärung übrig : die des A an B, daß dieser die Leistung an C bewirken und wegen dieser Aufwendung Ersatz von A verlangen könne. Der ganze, angeblich so verwickelte Vorgang wird damit auf eine einfache und zwar rechtliche Formel gebracht. — § 183. Der Angewiesene kann die Anweisung annehmen: er verspricht, daß er die Schuld des A an C bezahlen wolle. Auch diese Erklärung bezieht sich lediglich auf das Verhältnis, auf das sich die Anweisung richtete, also auf die Beziehung zwischen A und C; dies folgt schon daraus, daß die Annahme keinen anderen Gegenstand als die Anweisung haben kann. Sie kann gegenüber dem Anweisenden abgegeben werden. Das Gesetz und der Verkehr verstehen aber unter Annahme meist etwas anderes, nämhch eine solche Erklärung gegenüber dem Empfänger (C). Über die Frage, ob die Annahme einseitig oder durch Vertrag erfolgt, herrscht ein lebhafter Streit zwischen der Kreations- und der Vertragstheorie 11 . Man muß hier aber, was meist versäumt wird, zwischen der einfachen und der Geschäftsanweisung (§§ 683ff. BGB.) unterscheiden. Wir wollen zunächst wieder von dem einfachen Falle der ersten ausgehen (vgl. unten § 187). Bei ihr ist wieder zu unterscheiden, ob die Erklärung gegenüber dem Anweisenden erfolgt: alsdann ist i n ihr die Annahme eines i n der Anweisung hegenden Vertragsantrags zu erblicken. Anders dagegen, wenn sie gegenüber dem Empfänger (C) abgegeben wird. Hier wird die Erklärung des B, daß er der Anweisung gemäß 11

Angaben bei E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 201 A n m . 6.

Annahme.

367

liefern werde, regelmäßig nur die Bedeutung einer Mitteilung, aber noch nicht einer rechthchen Verpflichtung haben. Wenn A die Firma Β anweist, an C eine Maschine oder ein Buch zu hefern, und Β erklärt sich dem C gegenüber dazu bereit, so ist darin meist noch nicht eine Verpflichtung zu finden. Er kann daher hinterher doch noch die Leistung verweigern, insbesondere weil A die Anweisung inzwischen widerrufen hat. Sollte aber doch eine Verpflichtung des Β gegenüber C begründet werden, so bedarf es dazu eines Vertrages, wie sich aus der allgemeinen Regel des § 305 BGB. und der Analogie von Schuldbeitritt und Bürgschaft ergibt. Dieser Vertrag ist formfrei, im Gegensatz zur Annahme der Geschäftsanweisung (§ 784 I I BGB.). Er ist, wieder im Gegensatz zu dieser, abhängig von dem Rechtsgrund, was aber erst später (§ 187) dargelegt werden kann. Er unterscheidet sich sehr deutlich von der Schuldübernahme dadurch, daß der ursprüngliche Schuldner A dadurch noch nicht befreit wird: denn Annahme ist noch keine Zahlung. Dagegen hat er große Ähnlichkeit mit dem Schuldbeitritt und der Bürgschaft. Von ersterem unterscheidet er sich dadurch, daß der Annehmende nicht seine eigene, sondern eine fremde Schuld erfüllt, von der Bürgschaft dadurch, daß er nicht für fremde Leistung einzustehen, sondern selbst zu leisten verspricht. § 184. Erst jetzt dürfen wir die Besonderheiten der Geschäftsanweisung (§§ 783ff. BGB.) ins Auge fassen. Die Voraussetzungen einer solchen sind (§ 783): 1. es muß sich um Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen handeln, 2. es muß darüber eine Urkunde ausgestellt und 3. diese dem Empfänger mit der Ermächtigung ausgehändigt sein, die Leistung zu erheben. Eine solche Anweisung kann dann abstrakt angenommen werden: d. h. diese Annahme ist von der Rechtsbeziehung A/C, auf die sich die Anweisung bezieht, abgelöst und unabhängig. Es wird hierdurch für den eigentlichen Geschäftsverkehr eine Form geschaffen, die dem Empfänger der Urkunde eine große Sicherheit bietet. Ein Akzept eines sicheren Schuldners erlangt dadurch fast die Natur des Geldes, denn der Empfänger wird schon hierdurch berechtigt und braucht nicht Einwendungen aus dem Grundverhältnisse zu befürchten. Besonders schlagend ist dieser Vorteil für einen Gläubiger, dem an dem pünktlichen Eingang sehr viel

Anweisung.

368

gelegen ist, sei es zur Erfüllung von Terminsschulden, sei es bei Abhebung von Geld auf der Reise, etwa im Ausland. Hierbei ist nun die Anweisung an Β in nichts von der einfachen Anweisung verschieden. Ihre Wirkung ist, daß der Angewiesene ,,für Rechnung des Anweisenden" an den Empfänger leisten darf (§ 783 BGB.); das bedeutet gar nichts anderes, als daß er wegen seiner hierdurch gemachten Aufwendung Erstattung von dem Anweisenden fordern kann. Das Gesetz und die herrschende Lehre bezeichnen das als eine Ermächtigung, aber, wie oben (S. 361ff.) dargelegt, kann es sich nicht um eine solche handeln, sondern um eine Einwilligung zur Geschäftsführung. Mit dieser Anweisung verbindet sich eine andere sogenannte Ermächtigung an den Empfänger, „die Leistung bei dem Angewiesenen im eigenen Namen zu erheben" (§ 783). Auch hierin kann eine Ermächtigung nicht erblickt werden. Dem Dritten wird dadurch nicht das Recht verhehen, gegen den Angewiesenen Β vorzugehen: ein solches Recht entsteht noch nicht durch die Anweisung, sondern erst durch dessen Annahme. Ebensowenig wird ihm ein Recht verliehen, auf das Vermögen des A einzuwirken. Das könnte man nur dann bejahen, wenn er dessen Forderung gegen Β einzöge. Aber die Zahlung erfolgt ja, wie mehrfach betont, nicht auf diese Forderung des A, sondern auf die Forderung des C gegen A. Daß C über diese Forderung verfügen kann, ergibt sich ohne weiteres daraus, daß er ihr Gläubiger ist. Man könnte höchstens etwa bezweifeln, daß ein Gläubiger auch durch Empfang von einem Dritten über die Forderung verfügen könnte: aber dieser Zweifel wird ja durch § 267 BGB. zerstört. — Dagegen ist es nicht richtig, hier den § 362 I I BGB. heranzuziehen und auf Grund dessen das Vorliegen einer Ermächtigung abzulehnen 12 . Denn dieser bezieht sich auf einen anderen Fall: daß die Forderung von einem anderen als dem Gläubiger eingezogen wird. Er wäre wieder nur dann anwendbar, wenn die Zahlung auf die Forderung des A gegen Β erfolgte. Nicht eine Zahlung an einen Nichtgläubiger (§ 362 I I ) liegt vor, sondern die Zahlung durch einen NichtSchuldner (§ 267). Daher hat diese ganze Aushändigung an C einen rechtsgeschäftlichen Inhalt nur in der an den Angewiesenen gerichteten Erklärung, die dem C als Boten zur Weitergabe an Β überlassen wird {oben S. 365). Ohne rechtliche Wirkung ist es, daß er dabei dem C 12

So L u d e w i g a. a. O. 65.

Aushändigung.

369

von dieser Anweisung Mitteilung macht. Er erweckt dadurch allerdings in ihm auch die Hoffnung, daß Β sich durch Annahme verpflichten oder leisten werde. Aber das ist doch zunächst noch gar nicht sicher. Verpflichtet ist Β dazu nicht, auch dann nicht, wenn er dem Anweisenden ebensoviel schuldet (§ 787 I I BGB.). Allerdings kann der Gläubiger von seinem Schuldner auch Zahlung an einen Dritten verlangen, wenn ihn das nicht belastet (I, 223ff.). Aber letzteres trifft nicht immer zu: und überdies gilt das nur gerade für diesen einen Rechtsgrund, die Schuldtilgung. Freilich kann Β sich außerdem durch Vertrag zur Annahme verpflichtet haben, aber das ist für den Begriff der Anweisung durchaus nicht nötig. So kann man keineswegs sagen, daß dem Dritten immer schon eine sichere Aussicht aus der Anweisung erwachse. Die gegnerische Lehre faßt allzusehr nur den Fall der Bankanweisung auf ein vorhandenes Konto ins Auge, wo die angewiesene Bank zur Ausführung verpflichtet ist. Da sich hier alles so glatt abwickelt, entsteht der Anschein, als ob schon die Anweisung mit Sicherheit das Recht des C herbeiführe. Selbst wo aber ein solcher sicherer Schluß berechtigt ist, darf man doch nicht verkennen, daß rechtlich der Erfolg erst durch die Handlung des Annehmens begründet wird. So ist es auch in dem letzteren Falle nicht die Anweisung, was das Recht des C erzeugt. Und falls es die Anweisung wäre, so doch jedenfalls nur die darin enthaltene Erklärung an B, daß er für Rechnung des A zahlen dürfe — denn nur sie bewegt ihn dazu —, keinesfalls aber die sogenannte Ermächtigung an C, die für den Erfolg gleichgültig ist. — Allerdings wird auch durch die Aushändigung der Urkunde ein Ausweis für den Empfänger begründet. Durch die Urkunde wird die Anweisung dargetan, und die Auszahlung braucht nur gegen deren Aushändigung zu erfolgen (§ 785 BGB.). Aber die hier entstehenden Rechtsfolgen knüpfen sich lediglich an die Verschaffung des Besitzes an der Urkunde an. Nicht ist es eine Erklärung anC, die sie hervorruft — und deshalb kann man diese nicht als ein Rechtsgeschäft bezeichnen oder ihr überhaupt rechtlichen Inhalt zusprechen. — Es bestätigt sich also, daß auch die Geschäftsanweisung in nichts anderem besteht als der Erklärung an den Angewiesenen, die eine Zustimmung zu seiner Geschäftsführung enthält. Alles übrige ist nur äußeres Beiwerk. § 185. Der Vollzug der Geschäftsanweisung gestaltet sich nun wie folgt : der Anweisende A erklärt in der Urkunde, die er dem C B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

24

Anweisung.

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als Boten aushändigt, dem Angewiesenen, daß er auf seine Rechnung an C zahlen dürfe. Diese Erklärung kann einseitig erfolgen. Dafür spricht, daß auch die einfache Anweisung, von der sie doch nur eine Unterart ist, regelmäßig einseitig abgegeben wird, und ebenso die einseitige Natur der Zustimmung zur Geschäftsführung (§ 684 BGB.). Ferner gebraucht das Gesetz das Wort „anweisen", das auf eine einseitige Tätigkeit deutet, während es bei der ganz ähnlichen Übertragung der Anweisung ausdrücklich das Erfordernis des Vertrages erwähnt (§ 792). Zweifelhafter ist, ob nicht durch die Aushändigung der Erklärung an C ein Vertrag mit diesem geschlossen wird 1 3 . Die eben erwähnte Ausdrucksweise des Gesetzes spricht gegen diese Annahme. Vor allem aber ist entscheidend, daß hier überhaupt keine rechtsgeschäftliche Erklärung mit rechtlichen Folgen abgegeben wird. Man hat zwar dagegen eingewendet, daß der Empfänger einer Anweisung nach § 789 BGB. zu einer Anzeige verpfhchtet ist. Aber eine solche Nebenpflicht nötigt noch nicht, ein Rechtsgeschäft anzunehmen: sonst müßte man auch dieVerpflichtung eines jeden Gläubigers, die Schuldurkunde zurückzugeben oder Quittung zu erteilen, auf einen besonderen Vertrag zurückführen. Deshalb ist es auch nicht richtig, diese Erklärung an C als ein einseitiges Rechtsgeschäft 14 oder als einen Vertragsantrag 1 5 zu bezeichnen: sie stellt überhaupt gar kein Rechtsgeschäft dar. Die Einwilligung an Β erteilt der Anweisende deshalb, weil er dem C eine Leistung machen will, um dadurch eine der drei bekannten Zwecke zu erreichen. Nun kann es sein, daß dies mißlingt, ζ. B. weil er nur irrigerweise dem C etwas zu schulden glaubte. Hier ist die Anweisung an Β dennoch gültig: der Angewiesene darf auf die Anweisung hin leisten, und es kann ihm nicht zugemutet werden, die Gültigkeit jener Schuld zu prüfen. Man drückt es vielfach dahin aus, daß die Anweisung abstrakt sei 16 — aber schwerhch mit Recht. Zwar ist die Zahlung der Schuld abstrakt, so daß auch trotz deren Ungültigkeit Eigentum über18

Dafür L e h m a n n bei E n n e c c e r u s § 201; P l a n c k 2 zu § 783; C o s a c k § 151. 14 So E n n e c c e r u s i n den früheren Auflagen § 424; O e r t m a n n , Vorbem. 1 u n d viele. 15 M e y e r , Akzept 98ff. 16 v . T u h r , JheringsJ. 48, I f f . ; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 201 u n d viele.

Vollzug.

371

geht. Hier handelt es sich aber um die ganz andere Frage, ob A eine gültige Zustimmung zu der Geschäftsführung gegeben hat. Für diese Erklärung bedeutet aber die Schuld des A gegen 0 nur den Gegenstand, an dem sich Β betätigt, aber nicht ihren Rechtsgrund. Diese Schuld dient nicht dazu, sie wirtschaftlich zu erläutern, sondern steht ganz außerhalb des Rechtsgeschäfts. Daß dies von ihr unabhängig ist, ergibt sich also nicht erst aus einer künstlichen Ablösung, und nur wo dies der Fall, darf man von einem abstrakten Rechtsgeschäft sprechen (I, 378ff.). — Übrigens kann die Anweisung auch von dem Bestände einer gültigen Beziehung, insbesondere einer Schuld des A gegen C abhängig gemacht werden, durch Hinzufügen einer Bedingung. Es kann dies nicht selten in Fällen angenommen werden, wo die zu tilgende Forderung ausdrücklich bezeichnet wird (sogenannte tituherte Anweisung), aber allein daraus kann man es nicht ableiten. Die von der Schuld abhängige Anweisung darf man nicht als Vollmacht bezeichnen 17 ; denn deren Unterschied von der Anweisung liegt in einem ganz anderen Punkt : daß im Namen des Vollmachtsgebers gehandelt werden soll. Auch andere Bedingungen sind zulässig, insbesondere daß nur gegen Vorlegung eines Frachtbriefduplikats geleistet werden soll (I, 344; oben S. 90). I n der Anweisung kann bestimmt sein, daß an den Empfänger oder den Überbringer der Urkunde zu leisten ist. Dadurch wird dieser aber noch nicht zum Gläubiger, es kann daher nicht mit einer gegen ihn gerichteten Forderung aufgerechnet werden. Außerdem kann der Empfänger seine Rechte durch Vertrag abtreten, wenn dies nicht ausgeschlossen ist (§ 792 BGB.). Es ist dazu auch Schriftform und Aushändigung der Urkunde erforderlich. Die Wirkung der Abtretung wird von der vorherrschenden Lehre als Übertragung der Einziehungsermächtigung bestimmt. Aber eine solche Übertragung dieses Rechts kann nicht als zulässig anerkannt werden (I, 674ff.). Vielmehr muß man unterscheiden 18 , ob zur Zeit der Abtretung schon die Annahme erfolgt war. Falls dies noch nicht geschehen, kann der Empfänger noch kein Recht übertragen ; im anderen Fall t r i t t er seine Forderung aus der Annahme ab. Die dagegen begründeten Einwendungen gehen mit über. Wenn der Angewiesene aber dem Erwerber gegenüber annimmt, so sind sie dadurch ausgeschlossen. 17 18

So v . T u h r a. a. O.; dagegen E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 201 A n m . 3. O e r t m a n n 1 zu § 792, wo die L i t e r a t u r . 24*

372

Anweisung.

§ 186. Betrachten wir die Wirkungen der Geschäftsanweisung, so wird zunächst das Leistungsverhältnis A : C durch die Anweisung allein noch nicht beeinflußt. Wenn insbesondere der A dem C schuldet, so wird diese Schuld durch die Anweisung noch nicht getilgt, und auch noch nicht durch die Annahme (§788 BGB.), denn das sind alles nur Versuche zur Erledigung. Erst die Zahlung befreit. Das gleiche gilt, wenn es sich um einen Rechtserwerb oder eine Schenkung handelt. Anweisung ist noch keine Zahlung. — Nicht selten ist der Empfänger verpfhchtet, die Anweisung vorzulegen. Es ergibt sich das aus dem Grundverhältnis; auch das, ob der Anweisende ihm bei Nichteingang haftet. Jedenfalls muß der Empfänger Anzeige machen, wenn der Angewiesene die Annahme oder Leistung verweigert (§ 789 BGB.). § 187. Eine Rechtsbeziehung zwischen dem Angewiesenen und dem Empfänger — wir nennen sie die Ausführungsbeziehung — kann natürlich noch nicht durch die Anweisung entstehen: vielmehr bedarf es dazu erst der Annahme. Das Gesetz denkt hierbei in erster Linie an die Erklärung, die dem Dritten (C) gegenüber abgegeben wird. Zwar kann die Annahme schon vor der Begebung der Urkunde erfolgen, aber hier wird sie erst mit deren Aushändigung an C diesem gegenüber wirksam (§ 784 I I BGB.). Dadurch wird nun freilich die Annahme gegenüber dem A noch nicht gänzhch verneint, aber sie hat jedenfalls nicht die Hauptwirkung der Annahme, dem Dritten gegenüber zu verpflichten. Die Annahme ist als einseitige Erklärung wirksam 19 . Dafür spricht vor allem der klare Wortlaut des § 784 BGB.: „Die Annahme erfolgt durch einen schriftlichen Vermerk auf der Anweisung", und die entsprechende Vorschrift für den Wechsel (Artikel 21IV WO.). Auch ist es bedenklich, sie wegen der Geschäftsunfähigkeit des Gegners für ungültig zu erklären. Die Annahme ist von der Gültigkeit der Anweisung unabhängig; sie kann aber bedingt oder befristet sein. Durch sie wird der Annehmende dem Dritten gegenüber selbständig verpfhchtet. Dieser erlangt dadurch ein abgelöstes, sicheres Recht: der Schuldner kann ihm keine Einwendungen aus der Leistungs- oder Deckungsbeziehung entgegenhalten. Das ist ja gerade der Zweck dieses ganzen Instituts der Geschäftsanweisung : 19

Herrschende Meinung, jetzt stark angefochten ( P l a n c k 1 zu § 784; L e n t a. a. Ο. 82; M e y e r a. a. Ο. 80, 98; G i e r k e a. a. O. 873; L e h m a n n bei E n n e c c e r u s § 201).

Annahme.

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dem Inhaber der Urkunde ein glattes, geldähnhches Recht zu geben, das ihn gegen zeitraubende Einwendungen schützt. — Deshalb stehen dem Schuldner nach § 784 BGB. nur solche Einreden zu, die die Gültigkeit der Annahme betreffen, z. B. daß sie durch Betrug erschhchen sei, oder die sich aus dem Inhalt der Anweisung oder Annahme ergeben, so wenn dort eine Bedingung oder Frist beigefügt ist, oder die dem Beklagten unmittelbar gegen den Kläger zustehen, z . B . wenn er mit einer gegen ihn gerichteten Forderung aufrechnet. Dagegen kann er sich nicht auf Einwendungen aus den beiden genannten Innenverhältnissen berufen. Dieser Satz wird allgemein erkannt, bedarf aber noch einer viel genaueren Begründung und Abgrenzung. Der Annehmende kann sich zunächst nicht auf Mängel im Deckungsverhältnis stützen, also z. B. nicht vorbringen, daß das Konto des Anweisenden erschöpft sei. Dies ergibt sich einfach schon daraus, daß diese Rechtsbeziehung ganz außerhalb des AnnahmeVersprechens hegt. Zwar kann man gegen eine abgelöste Forderung Einwendungen wegen Mangels des Rechtsgrundes (§ 812 BGB.) erheben. Aber der Rechtsgrund der Anweisung und der darauf erfolgenden Annahme liegt eben nicht in diesem Deckungsverhältnis B/A, sondern allein in dem Leistungsverhältnis A/C (oben S. 359). Dem C wird auf seine Forderung gegen A geleistet, und wenn diese in Ordnung ist, erhält er nur, was ihm gebührt. Daher könnte von ihm eine erfolgte Leistung nicht zurückgefordert werden — auch nicht mit der Begründung, daß Β irrig dem A gegenüber dazu verpfhchtet zu sein glaubte. Der Mangel liegt nicht im Rechtsgrund, sondern nur in dem Beweggrund des B. Folgeweise ist auch gegenüber dem Leistungsversprechen nicht eine Einrede des mangelnden Rechtsgrundes statthaft. Auch bei einer einfachen Anweisung würde dieser Rechtssatz gelten. Er ergibt sich also nicht — wie allgemein behauptet wird — aus der besonderen Natur der Geschäftsanweisung und ihrer Annahme. Anders steht es dagegen mit solchen Einwendungen, die aus dem LeistungsVerhältnis A/C entspringen. Dieses bildet in der Tat den Rechtsgrund der Leistung: auf es ist die Anweisung und die Annahme gerichtet, also ζ. B. auf Tilgung einer Darlehnsschuld des A an C. Wenn dies ungültig ist, so entspringt daraus ein Ausgleichsanspruch auf die erfolgte Zahlung, und zwar steht er dem zu, der die Leistung gemacht hat, also dem Β : und deshalb würde Β

374

Anweisung.

nach der allgemeinen Regel auch gegen seine Schuld aus der Annahme die Einrede der Grundlosigkeit vorbringen können. Freilich weicht die herrschende Meinung durchaus hiervon ab. Weil Β auf Grund der Anweisung von A Deckung verlangen kann, deshalb meint man, daß die Leistung nicht auf seine Kosten erfolge, sondern auf Kosten des A, so daß nur diesem der Ausgleichsanspruch zustehe: und das sei der Grund, weshalb diese Einrede gegen die Annahme versagt werde 20 . Aber das ist nicht schlüssig. Wer eine Leistung grundlos macht, ist als der Geschädigte nach § 812 BGB. auch dann zu betrachten, wenn er von einem andern Ersatz verlangen kann, etwa weil er gegen diesen Schaden versichert ist (unten § 243). Die Gegenansicht müßte dahin führen, daß die Einrede aus dem Grundverhältnis auch dann ausgeschlossen wäre, wenn eine einfache Anweisung (nicht nach § 783) erteilt ist. Wenn ζ. B. der Käufer eines Fahrrades den Verkäufer angewiesen hat, es seinem Neffen zu hefern, und dieser dem Neffen schon die Lieferung auf Samstag zugesagt hat, so könnte er dagegen nicht mehr einwenden, daß der Onkel seine Absicht der Schenkung aufgegeben und die Anweisung widerrufen hat. Das aber erscheint äußerst bedenklich und wird mit Recht allgemein abgelehnt 21 . Wenn man mündlich nicht die Zahlung einer eignen Schuld ohne Grund versprechen kann, so darf das erst recht nicht für die Bezahlung einer fremden Schuld angenommen werden. Außerdem würde dann durch die abstrakte Natur der Annahme gar kein Vorteil geschaffen und das ganze Institut der Geschäftsanweisung wertlos sein. Dessen Bedeutung besteht ja gerade darin, daß diese Einwendung, die sonst zulässig ist, gegenüber der abgelösten Annahme abgeschnitten wird. Hierbei zeigt sich, daß der Vorteil der Abstraktion bei der Annahme nicht nur, wie gewöhnlich, darin besteht, dem Begünstigten eine vorläufige Erleichterung in der Geltendmachung zu verschaffen. Sondern es liegt einer der Fälle vor, wo außerdem ein endgültiger Rechtsschutz für einen Dritten gewährt wird (I, 393ff.). Der Gläubiger kann aus der Annahmeschuld nicht nur vereinfacht klagen, sondern auch endgültig durchdringen. Allerdings muß er doch noch befürchten, daß ihm das eingezogene 20 Ζ. B . E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 202 A n m . 1; G o t t s c h a l k a. a. O. 298ff. ; R G . Recht 27 N r . 2416. 21 Motive 2, 560; Protokolle 2, 382; S c h o l l m e y e r 196; L a n d s b e r g , Recht des B G B . 2 § 148.

Annahme.

375

Geld nachher wieder von A durch Ausgleichsanspruch abgenommen wird, und insofern ist sein Erwerb nicht ein endgültiger (I, 393/94). Aber dennoch bleibt es wahr, daß er sich im Verhältnis gegenüber dem Annehmenden nicht nur einstweilen, sondern dauernd behauptet. Die Annahme begründet also nicht nur eine gewöhnhche Ablösung, sondern auch einen Drittenschutz. Dies ist bisher allgemein verkannt worden. Es zeigt sich das besonders bei einer wichtigen, aber bisher nur unzulänglich behandelten Frage: ob nämhch auch bei der schhchten Anweisung, die nicht unter § 783ff. fällt, eine solche Gestaltung der Annahme möghch ist. Zunächst ist davon auszugehen, daß die Annahme hier nicht ohne weiteres abstrakt ist, sondern vom Rechtsgrund, also der Beziehung zwischen A und C, abhängt (oben S. 374). Wenn der Verkäufer auch dem Dritten versprochen hat, das verkaufte Auto an ihn zu hefern, so kann er dennoch die Leistung unter Berufung darauf verweigern, daß die Schuld oder die Schenkung zwischen A und C ungültig ist. Aber es fragt sich weiter, ob er nicht seine Verpflichtung dadurch zu einer unabhängigen im Sinne des § 784 BGB. machen kann, daß er ein selbständiges Schuldversprechen (§ 781) in schriftlicher Form eingeht. Dies wird in der Tat meistens bejaht 2 2 . Aber dem muß widersprochen werden. Allerdings kann der Annehmende durch Ausstellung eines Schuldversprechens nach § 781 seine Verpflichtung vom Schuldgrunde ablösen. Aber was er dadurch nicht erreichen kann, das ist der Drittenschutz : denn dieser wird nicht schon durch die Ablösung der §§ 780 ff. hergestellt, sondern t r i t t nur in vom Gesetz festbestimmten Sonderfällen ein. Dies Ergebnis wird dadurch bestärkt, daß bei der bekämpften Ansicht es wieder unerklärt bleibt, weshalb das besondere Institut der Geschäftsanweisung und ihrer abstrakten Annahme geschaffen ist. Diese Annahme muß ja ohnehin schrifthch erfolgen und stellt sich auch durch ihre Ausdrucksform als abstrakt dar: sie genügt daher schon den Anforderungen des § 781. Wenn nun auch bei allen anderen Anweisungen dasselbe Ergebnis durch eine solche Erklärung nach § 781 erzielt werden könnte, so ist wieder nicht einzusehen, wozu die Geschäftsanweisung besonders geregelt und von bestimmten Vorbedingungen abhängig gemacht ist. Es ist auch nur bei der 22

Besonders R ü m e l i n , ZivArch. 97, 259ff. ; ferner O e r t m a n n , Vorbem· 2 vor § 783 u n d andere.

Anweisung.

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letzteren e ; n Bedürfnis für eine solche Ausgestaltung der Annahme vorhanden, wie auch die Gegner selbst zugeben 23 . § 188. Wenn endlich in beiden Beziehungen (A/C und B/A) ein Mangel steckt, dann will die allgemeine Lehre anders als sonst entscheiden und dem Annehmenden eine Einwendung daraus zubilligen 24 . Aber dies scheint mir ganz unhaltbar. Es widerspricht aufs schärfste dem Gesetz, das „ n u r " die dort genannten Einwände zuläßt — widerspricht nicht etwa nur seinem Wortlaut, sondern auch seinem Inhalt. Außerdem ist die Ansicht nicht logisch 25 : wenn keine der beiden Einwendungen rechtserhebhch ist, so können es auch nicht beide zusammen sein. Vor allem aber wird der ganze Zweck des Instituts, dem Empfänger ein sicheres und glattes Recht zu geben, dadurch schwer gefährdet. Der Inhaber eines Akzepts, z. B. bei einem Kreditbrief, soll gegen die Gefahr einer Bemängelung und Verzögerung geschützt werden; er soll nicht genötigt sein, über die zweifelhaften Innenbeziehungen einen Rechtsstreit zu führen. Es wird das besonders deuthch, wenn man sich einen Ausländer denkt, der sich die Hälfte seines Reisegeldes hat unterwegs auf eine dortige Bank anweisen lassen und es nun dort auf Grund seines Akzepts erheben will. Er muß gegen solche Bemängelungen geschützt sein — und es macht dabei keinen Unterschied, ob die Bank einen oder mehrere Einwände geltend macht. Die Gegner wenden freilich ein, daß ein unnötiges Hin- und Herzahlen vermieden werden müsse. Aber dieser Grund beweist zuviel: er würde dahin führen, daß der Anweisungsgläubiger niemals eine Summe erheben dürfte, die er nachher wieder herausgeben muß : sie also auch dann nicht fordern könnte, wenn ihm kein Leistungsanspruch zusteht und daher das Geld doch wieder entrissen werden kann. Die Unbilligkeit der Gegenansicht wird noch dadurch verschärft, daß sie nicht nur für ungültige Beziehungen, sondern auch für unentgeltliche Zuwendungen gelten soll. Hinzu gelangt sie dadurch, daß sie die ganze Frage aus der persönlichen Natur des Ausgleichsanspruchs beantworten will: sie muß daher auf Grund des § 822 BGB. eine Ausnahme von der abstrakten Natur 23

R ü m e l i n a. a. O. 265 A n m . 91. v. T u h r a. a. O. 50ff.; O e r t m a n n 4 zu § 784; G o t t s c h a l k a. a. O. 318; P l a n c k 2 zu § 784. 25 L e h m a n n bei E n n e c c e r u s § 202 A n m . 2, der aber anscheinend dennoch ebenso entscheidet. 24

Annahme.

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gelten lassen. Aber dadurch wird der unentgeltliche Gläubiger der Sicherheit durch die Annahme fast ganz beraubt. Wenn ein Vermächtnisnehmer oder ein mit einem Zuschuß ausgestatteter Künstler von einer Bank ein Akzept erhalten, muß er dennoch gewärtigen, daß diese ihm den Mangel ihrer Deckung einwendet: und der Schuldner kann diesen ja jederzeit leicht dadurch herbeiführen, daß er sein Konto abhebt. Ja, man wird die Gegenansicht selbst auch auf den Fall erstrecken müssen* wo beide Beziehungen gültig, aber unentgelthch sind: so daß der Bankier hier sogar auch das einwenden könnte, daß er mit seinem Akzept eine Schenkung gegenüber dem Anweisenden bezweckt habe. Bei solcher Rechtslage könnte sich der unentgelthche Gläubiger auf das Akzept überhaupt nicht verlassen. Endlich muß man noch bedenken, daß dies alles doch auch für das Wechselakzept gelten müßte, das sachlich doch nichts anderes als die Annahme einer Anweisung ist. Dort aber wären diese Folgen geradezu unerträglich. — Die angewiesene Schuld braucht nur gegen Aushändigung der Urkunde bezahlt zu werden (§ 785 BGB.). Es ist das schon deswegen nötig, damit der Schuldner gegen nochmahge Ansprüche gesichert ist; außerdem erleichtert es die Geltendmachung des Deckungsanspruchs. Die Urkunde ist also ein Wertpapier. Wenn die Annahme schon erfolgt war, ist der Annehmende schon Schuldner gewesen, er kann daher auch noch Quittung verlangen (§ 368 BGB.). Der Anspruch aus der Annahme verjährt in 3 Jahren (§786 BGB.). War die Annahme aber schon vor der Aushändigung erfolgt, so entsteht erst mit dieser der Anspruch (§ 784 I I 2 ) : also beginnt auch dann erst die Verjährung. § 189. Endhch ist die Beziehung des Anweisenden zum Angewiesenen, das Deckungsverhältnis zu betrachten. Diese Leistung soll ,,für Rechnung" des Anweisenden erfolgen. Wie schon dargelegt (S. 359ff.), muß dies rechtlich erklärt werden, und zwar dadurch, daß der Anweisende in die vom Angewiesenen erfolgende Geschäftsführung einwilligt und sich dadurch für dessen Aufwendung haftbar macht. Die bisherige Lehre, die dies verkennt, kann die einseitige Natur der Anweisung nicht erklären. Vielfach ist sie genötigt, noch einen besonderen Auftragsvertrag zwischen den Parteien zu konstruieren 26 . Das ist besonders da nicht zu ent28

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 202 u n d Genannte.

378

Anweisung.

behren, wo zwischen ihnen eine Kausalbeziehung nicht besteht. Aber auch wenn eine solche vorhanden, der Β ζ. Β. Schuldner des A ist, würde daraus allein noch nicht folgen, daß er für dessen Rechnung an einen Dritten zahlen dürfe. So wird die herrschende Lehre in allen Fällen zur Annahme eines besonderen Vertrags gedrängt — entgegen ihrem eigenen Satz, daß die Anweisung ein einseitiger A k t sei. — Endlich erklärt sich aus unserer Auffassung, weshalb der Angewiesene erst durch seine Leistung befreit wird (§ 787 BGB.): erst damit hat er eben seine Aufwendung gemacht. Also genügt nicht schon, daß er die Annahme vollzogen und sich dadurch verpfhchtet hat; denn auch jetzt ist ja noch ungewiß, ob C die Leistung von ihm oder nicht doch von A erheben wird. Bis zur Leistung oder Annahme kann der Anweisende seine Anweisung widerrufen (§ 790 BGB.). Freilich kann er damit unter Umständen eine Vertragspflicht gegenüber dem Empfänger verletzen, die ζ. B. bei der Ausstellung eines Kreditbriefs ohne weiteres anzunehmen ist 2 7 . Aber dadurch wird die Gültigkeit des Widerrufs nicht verhindert, sondern lediglich ein Ersatzanspruch des Empfängers begründet 28 . Der Angewiesene ist zur Annahme nicht ohne weiteres verpflichtet, auch nicht, wenn er Schuldner des Anweisenden ist (§ 787 I I BGB.): sondern jene Pfhcht muß sich erst aus einem besonderen Vertrag, insbesondere für die Bank aus dem Kundenvertrag, ergeben. I n der Annahme hegt ja, eben wegen ihrer abstrakten Natur, eine unangenehme Verschärfung, die der Angewiesene nicht ohne weiteres zu übernehmen braucht. Nach § 787 scheint es, daß er auch zur Zahlung an den Dritten nicht gezwungen werden könne. Aber wenn man das mit der herrschenden Lehre annimmt, so setzt man sich damit in den schärfsten Widerspruch gegenüber der Wirklichkeit des Rechtslebens, die solche einseitigen Anweisungen des Gläubigers täglich anerkennt. Vielmehr wird man dem Gläubiger das Recht zu einseitigen Änderungen einräumen müssen, soweit sie sich nur auf die Modahtät der Leistung beziehen und den Gegner nicht belasten (I, 223ff.). Die Vorschrift des § 787 I I läßt sich damit auch vereinigen; sie besagt nur, daß die Weisung des Gläubigers hier nicht unter allen Umständen maßgebend ist. 27 28

R G . 64, 111. SeuffA. 58 N r . 32; R G . 64, 108ff.

Wertpapiere.

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Die Anweisung erlischt durch Zahlung oder Widerruf. Durch den Tod oder die Geschäftsunfähigkeit eines Beteiligten wird sie nicht aufgehoben (§791 BGB.), auch nicht durch den Konkurs. — Die wichtigsten Fälle einer Anweisung sind in besonderer Weise geregelt, nämlich der gezogene Wechsel und der Scheck.β Jener dient in erster Linie zum Gewähren von Kredit, dieser nur als Zahlungspapier; er ist daher auf ein bei einer Bank oder Sparkasse vorhandenes Konto gerichtet. Auch über die kaufmännische Anweisung enthält das HGB. (§§ 363ff.) besondere Vorschriften. Dagegen stellt die sogenannte Postanweisung rechthch ein anderes, eigenartiges Verhältnis dar 2 9 . Fünftes Kapitel.

Wertpapiere. § 190. Begriffsbestimmungen. § 191. Verfügung ans Papier geknüpft. § 192. Rechtsnachfolge-Papiere. § 193. Rechtsschein-Papiere. § 194. Vertragstheorie. § 195. Kreationstheorie. § 196. Verfügungsrechtstheorie. § 197. Inhaberpapier. § 198. Staatliche Genehmigung. § 199. Recht des Verfügungsberechtigten. § 200. A b s t r a k t . § 201. Ausweis. § 202. Aufgebot. § 203. Zahlungssperre. § 204. Vorlegungsfrist. § 205. Zinsschein. § 206. Bloße Ausweispapiere. § 207. Orderpapier. § 208. Eigentumstheorie. § 209. Abarten. § 210. Rektapapiere.

§ 190. Der Begriff des Wertpapiers 1 muß schon deshalb genau bestimmt werden, weil unsere Gesetze öfters darauf Bezug nehmen. Er stammt aus dem germanischen Recht 2 . Es handelt sich dabei um eine Urkunde, die ein Beweismittel bildet: aber sicherhch genügt dies nicht allein, sondern es muß noch etwas dazutreten. Man hat es dahin bestimmt, daß das Papier selbst Vermögenswert habe3 : aber dieser läßt sich auch einer Vollmacht, Quittung und einem Testament nicht absprechen. Oft pflegt man das Wertpapier als 29

R G . 60, 27; LeipzZ. 3, 718. K u n t z e , Lehre v o n den Inhaberpapieren; B r u n n e r , H a n d b H R . 2, 496ff.; Z H R . 22, I f f . ; G o l d s c h m i d t , Z H R . 28, 63ff.; L e h m a n n , Theorie der Wertpapiere; S t r o h a l , JheringsJ. 33, 316ff.; J a c o b i , Wertpapiere, Wertpapier als L e g i t i m a t i o n s m i t t e l ; H a n d b H R . 4, 125ff.; Grundriß des Rechts der Wertpapiere; O e r t m a n n , D J Z . 1904, 1127ff.; L a n g e n , Kreationstheorie, B ü r g A . 27, 161ff. 30, 7ff.; R i e z l e r , B l f R A . 1906, 29ff.; B a c m e i s t e r , Recht der Wertpapiere; v . S c h w e r i n , R e c h t der W e r t papiere. 2 B r u n n e r , Z H R . 22, I f f . 8 T h ö l , Handelsrecht § 632. 1

Wertpapiere.

380

Träger des Rechts oder in ähnlicher Weise zu bezeichnen. Indessen einmal ist dies Bild nicht glücklich gewählt, da man sonst als Rechtsträger die Person bezeichnet. Vor allem aber ist es gefährlich, mit solchen Bildern zu arbeiten, weil sie dazu verleiten, auf eine genaue Bestimmung zu verzichten 4 . Das gilt auch von der verbreiteten Wendung, daß das Wertpapier eine Verkörperung des Rechts darstelle. Schon wesenthch deuthcher ist die Bestimmung, daß das Recht aus dem Papier sich nach dem Recht am Papier bestimme 5 : aber sie trifft schon nicht mehr zu. Denn dieser Satz kann höchstens nur für das Inhaber- und Orderpapier gelten, aber sicher nicht für das sogenannte Rektapapier, wie den Hypothekenbrief. Allerdings hat man dem letzteren mehrfach die Eigenschaft eines Wertpapiers abgestritten: aber sie folgt schon daraus, daß das Gesetz (§ 1819) ihn ausdrücklich zu den Wertpapieren der §§ 1818ff. rechnet. Eine Bestimmung des Wertpapiers, die das Namenspapier nicht umfaßt, ist hiernach unzureichend. Außerdem ist es gar nicht genau, daß das Herrschaftsrecht aus der Forderung dem Eigentum am Papier folge, nicht einmal für das Inhaberpapier. Wir werden später sehen, daß es nicht dem Eigentümer, sondern dem dinglich Verfügungsberechtigten zusteht (S. 392ff.). Aber auch die Schriftsteller, die das bestreiten, müssen zugeben, daß nicht jeder Eigentumserwerb, z. B. durch feste Verbindung des Papiers mit einer anderen Sache, das Forderungsrecht beeinflußt. Auch beim Wechsel wäre es durchaus irrig, das Recht schlechtweg nach dem Eigentum zu bestimmen 6 . Insbesondere ist der Pfand- oder Nießbrauchsberechtigte, obwohl er kein Eigentum hat, dennoch aus dem Wechsel berechtigt. Außerdem müßte sich aus der Gegenansicht ergeben, daß mit dem Untergang des Papiers auch das Recht erlösche — und in der Tat wird das sogar von bedeutenden Schriftstellern behauptet 7 . Aber es trifft bei keinem einzigen Wertpapier zu. Vielmehr wird in einem solchen Falle nach dem Aufgebot statt des alten Papiers ein neues ausgestellt — das Recht bleibt also bestehen. I n ähnlicher Weise hat man als Wertpapiere solche Urkunden bezeichnet, die die Person des Berechtigten bestimmen 8 . Auch 4

Treffend B r u n n e r , H a n d b H R . 142ff.; G i e r k e , Z H R . 29, 255. G i e r k e , Privatrecht 2, 107. 116 u n d angeführte, dagegen Β r u n η er a. a. Ο. 142ff. 6 G r ü n h u t , Wechselrecht 1, 289ff. 7 G i e r k e a. a. Ο. 120; E n n e c c e r u s § 117. 8 G i e r k e , Privatrecht 1 § 264. 5

Begriff.

381

das ist unhaltbar. Dem Wortlaut nach würde es auch auf eine Abtretungsurkunde und ähnliche zutreffen, die doch sicherhch keine Wertpapiere sind. Anderseits gibt es Wertpapiere, deren Recht ohne Überschreibung übergehen kann, z. B. ein Sparkassenbuch. Gemeint ist daher wohl, daß der im Papier Bezeichnete als Berechtigter angesehen wird. Darin stecken aber wieder zwei verschiedene Sätze. Einmal, daß er sein Recht nicht zu beweisen braucht: aber dies gilt ja auch für jede andere Beweisurkunde, wie einen einfachen Schuldschein. Gemeint ist also weitergehend, daß man an den dort Bezeichneten mit befreiender Wirkung zahlen kann. Aber dieser Satz gilt ja überhaupt gar nicht. Für das Inhaberpapier gilt er nicht, weil dort gar kein Berechtigter bezeichnet ist. Für die Orderpapiere und sogenannten Legitimationspapiere nicht: denn wenn darin eine ungültige Übertragung auf X vermerkt wäre, so dürfte der Schuldner dennoch an diesen nur dann befreiend zahlen, wenn er auch Inhaber des Papiers wäre. Für das Rektapapier trifft er noch weniger zu: ist im Hypothekenbrief eine ungültige Abtretung an X schriftlich vermerkt, so darf man an diesen nicht befreiend zahlen, auch nicht, wenn er den Brief besitzt (§ 1155 BGB.). — Ähnliches gilt, wenn man das Wertpapier als Mittel der Legitimation bezeichnet. Hierunter kann man nicht nur den bloßen Anschein des Rechts verstehen, denn der wird ja auch durch andere Beweispapiere, z. B. einem Schuldschein, begründet: sondern man meint auch wieder, daß man an den durch das Papier Ausgewiesenen leisten dürfe 9 . Aber das trifft nur für einen Teil der Wertpapiere zu, für die Legitimationspapiere im weiteren Sinn, aber nicht für den Hypothekenbrief. Anderseits gibt es viele andere Papiere, die zur Leistung an den Ausgewiesenen berechtigen und dennoch keine Wertpapiere sind, wie Vollmacht, Anweisung, Quittung, Erbschein. I n ganz anderer Weise hat man endlich die Eigenart des Wertpapiers darin gesucht, daß das Recht erst durch die Urkunde entsteht: Dispositivurkunde im Gegensatz zur Beweisurkunde. Diese behebte Unterscheidung ist insofern schief, als auch die erste zu Beweiszwecken dient: der Gegensatz beschränkt sich daher auf den ganz bedeutungslosen Umstand, daß das begründende Geschäft dort schriftlich abgefaßt ist. Es ist zwar ferner darin • A d l e r , GrünhZ. 26, 20.

Wertpapiere.

382

auch die Vorstellung enthalten, daß die Urkunde den Rechtserfolg erzeuge : aber in Wahrheit bewirkt dies doch das dort niedergeschriebene Rechtsgeschäft. Jedenfalls aber ist dieser Gegensatz ein völlig anderer als der zwischen Wertpapieren und bloßen Beweisurkunden. Dispositivurkunden sind z. B. die Bürgschaftsurkunde und das Testament, die keine Wertpapiere sind — während beim Hypothekenbrief und Sparkassenbuch beides umgekehrt ist. § 191. Statt aller dieser Bestimmungen ist das Wertpapier mit der herrschenden Lehre dahin zu definieren, daß die Verwertung des verbrieften Rechts, also seine Verfügung und Geltendmachung an das Papier geknüpft ist 1 0 . Dies trifft für alle Wertpapiere, auch die Namenspapiere zu. I n diesem Sinn wird der Ausdruck regelmäßig von unseren Gesetzen gebraucht 11 . Eine Ausnahme macht der § 702 BGB., der darunter wohl alle wertvollen Papiere, auch Schuldscheine, Vertragsurkunden, Bestallungen versteht. Welches ist nun der eigenthche Vorteil, der hierdurch erzielt wird ? Er hegt nicht darin, daß der darin Bezeichnete als legitimiert gilt (oben S. 381). Auch nicht darin, daß der Inhaber der Urkunde als legitimiert gilt, denn das trifft ja nur für einzelne Arten der Wertpapiere zu (oben S. 381). Allerdings hat man eben aus den Rechtssätzen, die die Verfügung an das Papier binden, folgern wollen: daraus, daß der Inhaber das Papier noch hat, sei zu schließen, daß er es nicht weggegeben habe, also n o c h berechtigt sei 12 . Aber dadurch wird gar kein besonderer Vorteil erzielt, weil ein Berechtigter überhaupt nicht zu beweisen braucht, daß ihm sein Recht noch zustehe. Übrigens ist der Schluß auch nicht zwingend: denn das Papier könnte, auch wenn inzwischen darüber verfügt wäre, dennoch durch Rückgabe oder Wegnahme wieder an den früheren Berechtigten zurückgekommen sein. Vielmehr liegt der Wert der genannten Rechtssätze darin, daß sie den berechtigten Papierbesitzer gegen die R e c h t s a n m a ß u n g anderer schützen. Wer auf das verbriefte Recht Anspruch erheben will, muß dazu das Papier haben. Er kann also nicht einen Rechtsschein, der ihm sonst zur Seite stände, mißbrauchen. Auf einen solchen könnte sich z. B. ein früherer Gläubiger, der das Recht abgetreten hatte, stützen (§ 407 BGB.), 10 11 12

B r u n n e r , Z H R . a. a. O.; J a c o b i , Wertpapiere 20ff. u n d Genannte. Z. B . §§ 234, 764, 1807, 1817 B G B . § 821 ZPO. § 251 H G B . J a c o b i a. a. O. 79ff.

Deren Nutzen.

383

oder jemand, der auf Grund einer unrichtigen Anzeige oder Abtretungsurkunde als Gläubiger erscheint (§ 409 BGB.) oder ein angebhcher Erbe, der einen Erbschein erlangt hat (§ 2367 BGB.). Da er aber das Papier nicht besitzt, kann er die Forderung nicht einziehen. I n anderen Fällen wird der Anmaßende zwar nicht gerade rechtlich durch Rechtsschein geschützt, aber er könnte doch auch ohne das auf Grund eines tatsächlichen Anscheins unerfreulich auf das Recht einwirken. So kann, wer in einem nichtigen amthchen Testamente eingesetzt ist, sich als Erbe aufspielen und sogar Verfügungen beim Grundbuchamte treffen, z. B. eine Hypothek löschen lassen. Bei der Buchhypothek ist das in der Tat möghch. Bei der Briefhypothek ergibt sich aber das Gegenteil daraus, daß der Brief ein Wertpapier ist. Wer ihn nicht besitzt, kann das Recht weder einziehen noch abtreten. Er müßte also erst gegen den Besitzer auf seine Herausgabe klagen, und dabei würde die wahre Rechtslage schon zur Prüfung des Gerichts gelangen. Solange der wahre Berechtigte den Besitz hat, ist er also gegen Eingriffe Scheinberechtigter gedeckt. — Darin liegt, wie bisher nicht erkannt oder wenigstens nicht genügend betont worden ist, der eigenartige Nutzen des Wertpapiers. Er liegt nicht darin, daß sein Besitz das Recht beweist oder daß es ihn als Berechtigten ausweist: überhaupt nicht in dem, was sein Besitz ihm nützt, sondern darin, woran er andere hindert. Daß er ohne Besitz nicht über sein Recht verfügen kann, ist für ihn kein Vorteil, sondern umgekehrt eine Erschwerung. Es nötigt ihn, ein Papier, das er verloren hat, aufbieten und erneuern zu lassen. Am dringendsten geboten ist dies bei den Wertpapieren, bei denen an jeden Inhaber geleistet werden darf. Hier ist das Aufgebot sogar möghchst schnell zu erwirken, weil hier die starke Gefahr besteht, daß die Forderung durch Einziehung eines Nichtberechtigten verloren geht. — Neben dem eigenthchen Wertpapier gibt es noch eine Nebenform, bei der nicht für eine jede, sondern nur eine einzelne bestimmte Ausübung das Papier erforderlich ist. So kann die Namensaktie nur unter Vorlegung der Aktie in das Aktienbuch eingetragen werden — und diese Eintragung ist wiederum nötig, um die Mitgliedschaftsrechte gegenüber der Gesellschaft auszuüben (§§ 222ff. HGB.). Man bezeichnet ein solches Papier als relatives 13 13

B r u n n e r a. a. O. 181.

384

Wertpapiere.

oder unvollkommenes 14 Wertpapier. Richtiger aber erscheint es, hier überhaupt nicht von einem Wertpapier zu sprechen. Man muß bedenken, daß in der freiwilligen Gerichtsbarkeit sehr häufig die Vorlegung bestimmter Urkunden gefordert wird: so die Beibringung von standesamtlichen Bescheinigungen für das Aufgebot (§ 45 Personenstandsgesetz) oder den Erbschein (§ 2356 BGB.). Niemand aber wird deshalb diese als Wertpapiere oder etwas Ähnliches ansehen. Auch die Regeln über Wertpapiere sind sicherlich nicht darauf anzuwenden. A m besten sind alle solche Papiere nur als Bescheinigungen zu bezeichnen. — § 192. Die Wertpapiere zerfallen in zwei große Klassen. Bei der einen vollzieht sich der Rechtserwerb nach den allgemeinen Regeln der Rechtsnachfolge: er muß also regelmäßig von einem gültigen Recht abgeleitet und durch den wahren Berechtigten bewirkt werden : so der Hypothekenbrief und das Sparkassenbuch. Man pflegt diese Rektapapiere zu nennen. Der Name ist unverständlich: ja, da man recta am ehesten mit unmittelbar übersetzen möchte, geradezu irreführend. Andere sagen statt dessen Namenspapiere. Aber diese Bezeichnung stellt nur auf eine Äußerlichkeit ab und ist außerdem auch sehr ungenau. Denn ein Name wird auch in den Orderpapieren genannt, und das wichtigste von ihnen, das geborene Orderpapier enthält den Namen des Gläubigers meistens sogar ohne weiteren Zusatz. Anderseits gibt es solche ,,Namenspapiere", die den Namen nicht enthalten, wie viele Versicherungsscheine und alle die Marken und Zeichen, die nicht Inhaber-, sondern nur Legitimationszeichen sind. Alles dies zeigt, daß auch diese Benennung ungenau und äußerhch ist. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, daß hier eben die allgemeinen Regeln über die Rechtsfolge gelten — und deshalb möchten wir dies Papier als R e c h t s n a c h f o l g e - P a p i e r bezeichnen. Hierbei ist also erforderlich, daß das Recht nach den sonst geltenden Regeln übertragen ist: daß der Vormann verfügungsberechtigt war und ein gültiger Übertragungsakt stattgefunden hat. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß bei diesem Erwerbsakt in gewissem Umfang ein Schutz des Rechtsscheins eingreift : so wird der Erwerber einer Hypothek in seinem Vertrauen auf das Grundbuch geschützt (§ 892 BGB.). Aber es ist nicht das Papier, woran sich dieser Schutz anschheßt. Weder auf seinen 14

J a c o b i a. a. O. 81ff.

Rechtsscheinpapiere.

385

Inhalt noch auf seinen Besitz kann sich der Erwerber verlassen. Wenn im Hypothekenbrief ein anderer Gläubiger als im Grundbuch steht, so wird ein verbindlicher Rechtsschein dadurch nicht begründet (anders nur bei öffentlich beglaubigter Übertragung nach § 1155 BGB.). Darin liegt eben das unterscheidende Merkmal von der zweiten Gruppe der Wertpapiere, bei denen sich der Verkehr auf das Papier verlassen kann. § 193. Diese kann man am besten als R e c h t s s c h e i n p a p i e r e bezeichnen. Es gehören dazu vor allem die Inhaber- und Orderpapiere. Hier begründet das Papier selbst, nämlich sein Besitz allein oder in Verbindung mit dem Inhalt, einen Rechtsschein für gültigen Rechtserwerb. Da nun zum wirklichen Rechtserwerb zweierlei gehört : Verfügungsrecht und Übertragung, so fragt sich, worauf sich hier der Rechtsschein erstreckt. Es wäre dreierlei denkbar. Er könnte sich darauf beschränken, daß der Übertragungsakt gültig gewesen sei. Aber das würde dem Zweck der Wertpapiere, ein sicheres Recht zu schaffen, nicht gerecht werden. Umgekehrt wäre es möglich, daß nur das Übertragungsrecht als gültig angesehen würde — so wie im Sachenrecht nur ein Rechtsschein zugunsten dieses, aber nicht auch des Übertragungsaktes besteht (§§ 892, 932 BGB.). Dann würde man der Forderung aus einem Inhaberpapier entgegensetzen können, daß die Ausgabe nicht gültig gewesen sei: es sei vielmehr von dem Aussteller nicht begeben, sondern dort gestohlen worden, oder aber dieser sei bei der Begebung geschäftsunfähig gewesen. Aber auch dadurch würde der Verkehrsschutz, der doch erzielt werden soll, sehr beeinträchtigt werden. Deshalb hat sich unser Gesetz der dritten, schärferen und verkehrsfördernden Gestaltung angeschlossen, wonach auch in den beiden letzten Fällen der Erwerber geschützt wird (§ 794 BGB.). Dies ist dort zwar nur für die schuldrechtlichen Inhaberpapiere bestimmt, aber wegen der sachlichen Gleichartigkeit auf alle Arten von Inhaberpapieren auszudehnen15. Es fragt sich nur, wie dies rechtlich aufzufassen sei, durch welchen A k t die Forderung aus solchen Papieren entsteht. Darüber herrscht ein lebhafter Streit. Wenn auch einige Hauptfragen im Gesetz entschieden sind, so hat diese Klarstellung doch auch noch praktischen Wert; jedenfalls ist sie für das Verständnis der ganzen Lehren nicht zu entbehren. 15 J a c o b i , Wertpapiere 282ff. 311 ff.; Grundriß 42ff.; b a c h , Handelsrecht 2, 441; C o s a c k - M i t t e i s 1, 447ff.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

Müller-Erz25

Wertpapiere.

386

§ 194. Der Denkweise des römisch-gemeinen Rechts entspricht es am meisten, die Forderung auf einen Vertrag zu stützen, der durch die Begebung geschlossen wird, sei es zugunsten des ersten Nehmers oder auch zugunsten der nachfolgenden Erwerber 16 . Das ist der Standpunkt der Vertragstheorie 17 . Nahe verwandt ist die Begebungstheorie, die statt des Vertrages nur einen einseitigen A k t erfordert 18 . Gegen beide spricht der erwähnte Umstand, daß das Gesetz (§ 794) gerade die beiden Hauptfragen umgekehrt entscheidet. Wenn es eines Vertrages bedürfte, so würde da, wo kein solcher abgeschlossen oder wo er wegen Geschäftsunfähigkeit nichtig wäre, kein Recht entstehen. Man darf nicht dagegen einwenden, daß diese Bestimmung nur aus bloßen Nützlichkeitsgründen getroffen sei. Daß das Gesetz sich nach der Zweckmäßigkeit richtet, ist ganz selbstverständlich: es folgt hier wie überall nur ihr und nicht dem Begriff, der umgekehrt erst aus ihm zu entnehmen ist. Aber eben deshalb ist eine Begriffsbildung nur dann tauglich, wenn sich in ihr die Bestimmungen des Gesetzes ausdrücken, wenn deren Inhalt sich in ihr abspiegelt. Man kann die Vorschriften des § 794 auch nicht aus einer daneben einhergehenden gesetzlichen Verpflichtung ableiten 19 : denn damit ist eben schon der Standpunkt der Vertragstheorie verlassen. Und er wird erst recht aufgegeben, wenn man anerkennt, daß auch ohne Vertrag auf Grund eines Rechtsscheins das Recht entsteht. Leider aber ist diese Ansicht dennoch auch als Vertragstheorie bezeichnet worden 20 und wird auch noch heute meistens so oder doch als modifizierte Vertragstheorie bezeichnet 21 . Man will damit ausdrücken, daß ein Vertrag fingiert werde 22 oder daß lediglich die Wirkungen dieselben wie bei einem Vertragsschluß seien 23 : aber das ist keine Antwort auf die gestellte Frage, wodurch die Schuld entsteht. Oder man will damit nur besagen, daß das Recht entweder durch einen Vertrag oder durch Rechtsschein begründet 16

So B r u n n e r a. a. O. J a c o b i , Wertpapiere 179ff. u n d Genannte.; G i e r k e , Privatrecht 2, 108; M a n i g k , Willensgeschäft 324ff. 18 S t o b b e , Deutsches Privatrecht 3 §§ 253ff. 10 So M a n i g k a. a. O. 20 Vor allem v o n J a c o b i , Wertpapiere a. a. O.; r i c h t i g aber derselbe H a n d b H R . 4, 282ff. 21 So v o n L e h m a n n bei E n n e c c e r u s §§ 205, 206. 22 J a c o b i , Wertpapiere 166ff., 181ff. 23 J a c o b i , Legitimationsmittel 46 ff. 17

Vertragstheorie.

387

werden könne. Aber auch das läßt sich durchaus nicht als Vertragstheorie bezeichnen. Denn damit hebt man gerade den Fall hervor, der der gewöhnlichen Gestaltung entspricht, und übergeht denjenigen, in dem sich die Eigenart des Inhaberpapiers betätigt, nämlich den Erwerb kraft Rechtsscheins. Viel anschaulicher und richtiger ist es daher, wenn man den Vorgang nach diesem letzteren bezeichnet (unten S. 389). § 195. I m vollen Gegensatz zur Vertragstheorie behauptet die sogenannte Kreations-, besser Herstellungstheorie, daß schon die Ausstellung des Papiers das Recht begründe 24 . Indessen wird sie in dieser schroffen Form kaum vertreten — wohl nur von denen, die das Papier selbst als berechtigt betrachten 25 . Man beruft sich darauf, daß das Gesetz die Ausstellung des Papiers als Rechtsgeschäft bezeichnet (§ 1825): aber es gibt auch Rechtsgeschäfte, die erst beim Hinzutritt eines weiteren Tatbestandes Rechtsfolgen erzeugen wie das Testament. Noch weniger beweist, daß das Gesetz wiederholt die Ausstellung als bedeutsamen A k t betont (z. B. §§ 796, 18229). Anderseits aber ist gegenüber dieser schroffen Herstellungstheorie zu fragen : welche Rechtsfolge ergibt sich denn daraus, daß ich ein Inhaberpapier angefertigt habe ? wer hat daraus ein Recht gegen wen ? soll etwa ein Vertreter für das Papier bestellt werden, der gegen mich klagt ? Man sieht deutlich, daß die Ausstellung allein noch keine Rechtsfolgen erzeugt. Sie schafft noch kein Recht, sondern nur einen Rechtsschein. Sie ist daher auch, solange noch kein weiterer Erwerb erfolgt ist, nicht als Rechtsgeschäft, wohl aber als Rechtshandlung anzusehen26. — Freilich hat man dennoch versucht, auch schon vorher eine Rechtswirkung festzustellen, die Begründung einer Forderung, die nur einstweilen durch Konfusion gelähmt sei 2 7 . Es soll hier ähnlich sein wie bei der Bestellung einer Eigentümer-Grundschuld, die auch noch kein fertiges Recht erzeuge, aber doch schon ein schuldschöpferischer A k t sei. Dabei wird aber ein wesentlicher Unterschied übersehen. Das Pfandrecht des Eigentümers ist schon ein wirkliches Recht mit bestimmter 24 K u n t z e , Inhaberpapiere; D e r n b u r g § 147; L a n g e n , Kreationstheorie; O e r t m a n n , Vorbem. 5 vor § 793 u n d Genannte. 25 B e k k e r a. a. O. 288ff.; vgl. S i e g e l , Versprechen 108. 26 G i e r k e a. a. Ο. 2, 111; M e y e r , Akzept 26ff. ; L e h m a n n a. a. Ο . ; E c k h a r d , Z H R . 89, 260ff. 27 E c k h a r d a. a. O.; dagegen J a c o b i , Z H R . 91, 233ff.

25*

Wertpapiere.

388

Wirkung: der Berechtigte hat ein Recht auf einen Teil des in der Zwangsversteigerung gewonnenen Erlöses — und gerade dies Recht ist es, was nach §§ 1113, 1191 BGB. den Inhalt eines Grundpfandrechts ausmacht. Deshalb hegt in dieser Bestellung auch schon ein Rechtsgeschäft, das Geschäftsfähigkeit erfordert und wegen Willensmängeln angefochten werden kann. Bei der Ausstellung des Inhaberpapiers sind aber noch keine Rechts Wirkungen entstanden. Man hat sie darin gesucht, daß es schon durch Sicherungshypothek geschützt werden kann : aber das beweist nichts, da eine Hypothek auch zur Sicherung einer noch nicht entstandenen Forderung bestellt werden kann (§ 1113 I I BGB.). Ferner darin, daß man das Recht schon verpfänden kann: aber dann würde eben schon mehr als eine bloße Ausstellung vorliegen und schon der Verkehrslauf des Papiers begonnen haben. Richtig ist also an der Gegenansicht nur soviel, daß schon ein Rechtsschein begründet ist. Man könnte nun ja auch das schon als die „Kreation" bezeichnen wollen. Aber das meint die Lehre der Gegner nicht: sie bezieht sich ja doch, wie alle diese Theorien, auf die Frage, wodurch das Recht aus dem Papier entsteht. Daher sind ihre Anhänger genötigt, außer der bloßen Ausstellung des Papiers immer noch ein weiteres Erfordernis zu verlangen: einen anderen Akt, wodurch der Umlauf des Papiers beginnt. So wird von der Lehre, die man gewöhnlich als Kreationstheorie bezeichnet, gefordert, daß das Papier an einen anderen gelangt ist 2 8 . Abgesehen davon, daß man dies eigenthch Besitztheorie nennen müßte : vor allem ist es sehr unbilhg, auch einem völlig unberechtigten Besitzer, dem Finder oder gar dem Dieb das Forderungsrecht zuzusprechen. Andere verlangen deshalb, daß er auch Eigentum erlangt haben müsse. Dies ist aber wieder nicht genau, da es nicht auf das Eigentum, sondern nur auf das Verfügungsrecht des Besitzes ankommt. Vor allem aber kann man eine Lehre, die ein dingliches Recht des Erwerbers erfordert, schon nicht mehr als Kreationstheorie ansehen. Denn bei dieser Auffassung t r i t t der bloße A k t der Ausstellung ganz in den Hintergrund, er kann daher nicht als das rechtserzeugende Moment bezeichnet werden. 28

K u n t z e , Inhaberpapiere 58ff.; E n n e c c e r u s i n den bisherigen Auflagen, § 429; O e r t m a n n , Vorbem. 5 vor § 794. Weitere Angaben bei G i e r k e a. a. Ο. 2, 108, A n m . 19.

Theorien.

389

§ 196. So bleibt nur die schon angedeutete Erklärung: die Ausstellung des Papiers begründet einen Rechtsschein, auf ihn hin kann ein Erwerber sich verlassen. Diese Auffassung, die man als Rechtsscheinstheorie bezeichnen kann, wird neuerdings immer mehr anerkannt 29 . Man hat dagegen eingewendet, daß sie mit einer Fiktion arbeite, und dies dann wieder bestritten 30 : indessen schlägt der ganze Einwand nicht durch, weil ein jeder Vertrauensschutz auf Fiktionen beruht. Wohl aber läßt sich ein anderes Bedenken gegen die Bezeichnung,,Rechtsscheinstheorie" erheben 31 . Es entsteht dadurch der Anschein, als ob man sich in allen Richtungen auf die Urkunde verlassen könne: also auch darauf, daß sie gültig ausgestellt sei und von dem Bezeichneten herrühre. Soweit reicht aber der Vertrauensschutz nicht: er setzt vielmehr voraus, daß die Ausstellung richtig erfolgt ist, und spricht nur aus, daß der Inhaber als berechtigt aus diesem Papier angesehen wird. Diese Wirkung erwächst ihm aber nur dann, wenn er ein dingliches Verfügungsrecht über das Papier erlangt (unten S. 392ff.). Deshalb werden wir am besten von einer V e r f ü g u n g s r e c h t s t h e o r i e sprechen. Sie ist mit der Rechtsscheinstheorie verwandt: doch wird diese dahin eingeschränkt, daß nicht jeder Rechtsschein geschützt wird, und es wird das den Rechtsschein begründende Merkmal genauer bestimmt. § 197. Diese Sätze gelten für alle Papiere, bei denen der Rechtsschein geschützt wird, vor allem also für die Inhaber- und Orderpapiere. Wir wollen nun zunächst die I n h a b e r p a p i e r e im einzelnen betrachten. Bei ihnen ist die Umlaufsfähigkeit am weitesten, so weit als nur denkbar entwickelt. Das Gesetz (§§ 793ff.) behandelt nur die schuldrechtlichen Inhaberverschreibungen. Es gibt daneben auch solche mit einem dinglichen Recht (Grundschuldbrief auf den Inhaber) oder Mitgliedschaftsrecht (Inhaberaktie). Die Bestimmungen dieses Titels finden auf diese nur zum Teil Anwendung : so bedarf es zur Ausstellung einer solchen Aktie nicht staathcher Genehmigung. Erfordert wird die Herstellung einer Urkunde, also schriftliche Form: doch genügt die mechanische Vervielfältigung der Unterschrift, nicht aber ein gewöhnlicher Druck, der gar keine 29

G i e r k e , Privatrecht 2, 112; J a c o b i , H a n d b H R . a. a. O.; M e y e r , Akzept a. a. O.; L e h m a n n a. a. O. §§ 205, 206. 80 Vgl. J a c o b i , Wertpapiere 179ff.; Legitimationsmittel 46ff. 81 E c k h a r d a. a. O.

Wertpapiere.

Gewähr für die Echtheit bietet (§ 793 I I 2 BGB.). Außerdem können noch andere Erfordernisse für die Urkunde aufgestellt werden, aber sie müssen sich aus ihr selbst ergeben (§ 793 I I 1 ) . Für die Papiere öffentlich-rechtlicher Körperschaften kann auch das Landesrecht besondere Erfordernisse festsetzen (Art. 100 EG.). — I n der Urkunde wird eine Leistung an den Inhaber versprochen (§ 793). Diese Inhaberklausel kann sich auch stillschweigend daraus ergeben, daß ein Gläubiger nicht genannt wird 3 2 , so bei Staats Schuldverschreibungen, Zinsscheinen und Lotterielosen 33 . Aber auch die Benennung eines Gläubigers schließt sie nicht aus, wenn ersichtlich ist, daß jeder Inhaber berechtigt sein soll. Zum Erwerb des Rechts ist nach dem oben Gesagten nötig eine Ausstellung und ein Akt, der dem Besitzer Verfügungsrecht gibt. Wie aus § 794 deutlich hervorgeht, ist zur Ausstellung Geschäftsfähigkeit nötig, zu der Ausgabe aber nicht. Zweifelhaft ist, wie es zu halten sei, wenn ein Geschäftsunfähiger das Papier ausstellt und vor der Begebung geschäftsfähig wird. Nach der Kreationstheorie, die die Herstellung als das allein begründende Rechtsgeschäft betrachtet, würde das nicht genügen, sondern es müßte das Papier erst nochmals angefertigt werden — und so ist in der Tat geurteilt worden 34 . Aber dies Ergebnis ist so unpraktisch, daß auch manche Anhänger der Kreationstheorie es nicht haben annehmen mögen 35 . — Das Rechtsgeschäft kann wegen eines Willensmangels angefochten werden. I m Falle des Betrugs ist das nur gegenüber einem Dritten zuzulassen, der die Täuschung kannte oder kennen mußte (§ 123 I I BGB.); diese Vorschrift ist hier anwendbar, weil die Begebung eine festgerichtete Erklärung enthält 3 6 . Auch eine Anfechtung wegen Irrtums ist möglich 3 7 : die daraus drohende Gefährdung des Verkehrs wird durch den Ersatzanspruch (§ 122 BGB.) abgewendet. § 198. Außerdem ist, wenn die Schuldverschreibung auf eine bestimmte Geldsumme lautet, staatliche Genehmigung erforderlich, um sie in den Verkehr zu bringen (§ 795 BGB.). Dies bedeut32

R G . 13, 154; SeuffA. 63, 397. R G . J W . 1912, 861; O L G . 22, 347. 34 L a n g e n , Kreationstheorie 121. 35 Z. B . E n n e c c e r u s i n den früheren Auflagen § 428. 36 I m Ergebnis ebenso, aber nicht folgerichtig E n n e c c e r u s a. a. O.; anders L a n g e n a. a. O. 138ff. 37 L i t e r a t u r bei L a n g e n 129ff. 33

Inhaberpapier.

391

same Recht soll nur zuverlässigen Personen und Verbänden eingeräumt werden. Zuständig ist die Zentralbehörde des Landes, wo der Aussteller zur Zeit der Ausstellung seinen Wohnsitz oder gewerbliche Niederlassung hat. Die Genehmigung soll durch den Reichsanzeiger veröffentlicht werden (§ 795 I I BGB.), dies ist aber für ihre Gültigkeit nicht erforderlich. I n Ermangelung der Genehmigung ist die Verschreibung nichtig (§ 795 I I I ) , auch ein gutgläubiger Erwerber wird nicht geschützt. Der Aussteller haftet aber jedem Inhaber für den daraus entstehenden Schaden. Streitig ist, ob er auch haftet, wenn das Papier ohne sein Wissen in den Verkehr gebracht wird. Die einen wollen ihn schlechthin haften lassen 38 ; aber das ist eine unbillige Härte und widerspricht dem Schuldprinzip, das unserem Gesetz innewohnt. Die anderen fordern, daß es mit seinem Willen oder Wissen geschehen sei 39 . Das ist aber wieder zu eng, da es den Verkehr zu wenig schützt. Wir werden daher gemäß der allgemeinen Regel es darauf abstellen müssen, ob ihn bei der Ausgabe ein Verschulden — Vorsatz oder Fahrlässigkeit — trifft. Ist der Erwerber selbst auch in Schuld, so greift demgemäß der Einwand aus § 254 BGB. ein. Für die Papiere des Reichs oder eines Landes gelten diese Vorschriften nicht (§ 795 IV). Auf die Zinsscheine, die mit einem Inhaberpapier ausgegeben werden, erstreckt sich die staatliche Genehmigung ebenfalls. Für Zinsscheine zu Order- und Rechtsfolgepapieren ist dagegen eine Genehmigung nicht zu erfordern 40 . Man wird es daraus ableiten können, daß hier kein Bedürfnis für eine solche Prüfung besteht und daß der Verkehr dadurch unbillig erschwert würde. Auch hat man tatsächlich, schon im früheren Recht, eine solche Genehmigung niemals eingeholt und erteilt. Aber nicht darf man es damit begründen, daß es sich hier gar nicht um Inhaberpapiere, sondern nur um bloße Zeichen nach § 807 BGB. handle 41 . Denn der Unterschied zwischen beiden Urkunden besteht doch darin, 38 L a n g e n a. a. O. 23 A n m . 46; BürgA. 30, 27ff.; D e r n b u r g § 148, A n m . 10; G i e r k e a. a. O. 164; E n n e c c e r u s i n den früheren Auflagen §429. 39 L e h m a n n bei E n n e c c e r u s § 206, A n m . 9; O e r t m a n n 4 zu § 795; P l a n c k 6 zu § 795; R G R K . 2. 40 O e r t m a n n 1 zu § 795; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 211; G i e r k e 2, 164; dagegen R G . 74, 341; J a c o b i , H a n d b H R . 4, 1, 521. 41 L i e b m a n n , D J Z . 1900, 524; P l a n c k , 3. Aufl. 1 zu § 795; ähnlich S i m o n , Die namenlosen Zinsscheine der Orderpapiere 35.

Wertpapiere.

392

daß das Papier selbst den wesentlichen Inhalt der Verpflichtung enthält: und das ist beim Zinsschein durchaus zu bejahen. Noch viel mehr ist die Ausgabe von Banknoten eingeschränkt, weil sie mindestens tatsächhch der Schaffung von Geld gleichsteht. Sie darf ausschließlich durch die Reichsbank und vier bestimmte Notenbanken erfolgen (§ 1 des Reichsbankgesetzes vom 30. August 1924). Alle diese bieten besondere Gewähr dadurch, daß sie eine bestimmte Deckung für die Noten haben und sich von gefährlichen Geschäften fernhalten müssen (§ 27 des Reichsbankgesetzes, § 7 Privatnotenbankgesetzes vom 30. August 1924). Eine Banknote ist ein Inhaberpapier über eine unverzinshche Geldschuld; also auch ein Wertpapier. Man streitet darüber, ob man sie in dieser Weise oder aber als Geld zu bestimmen habe 42 . Aber das ist gar kein Gegensatz, sie ist beides 43 . § 199. Das Recht aus dem Papier steht dem Inhaber zu (§ 793 BGB.). Darunter ist jeder zu verstehen, der es in seiner Gewalt hat, so daß er es vorlegen k a n n 4 4 : Also auch der Besitzdiener, wenn er tatsächhch eine ungehinderte Herrschaft darüber hat. Dagegen ist der mittelbare Besitzer, dem es eben hieran fehlt, nicht als berechtigt anzusehen. Aber nicht jeder Inhaber ist berechtigt. Gegenüber einer früheren Lehre 4 6 und dem ersten Entwurf schränkt das Gesetz es ein mit den Worten „es sei denn, daß er zur Verfügung über die Urkunde nicht berechtigt ist" (§ 793). Sicherlich ist das sehr richtig; es wäre ganz verkehrt, einem Dieb oder bloßem Finder den Anspruch zuzubilligen. I n dem genannten Einwand wird man eine eigentliche Einrede zu erblicken haben 46 . Zwar reicht dazu die Fassung des verneinenden Nebensatzes allein nicht aus; aber hier ist eben die materielle Rechtslage derart, daß das Klagerecht schon durch die Innehabung begründet wird. — Die Hauptfrage ist aber, welches denn der Tatbestand dieser Einrede ist, i n welchen Fällen der Anspruch ausgeschlossen ist. Darauf antwortet das Gesetz ganz deuthch; es kommt darauf an, ob der Inhaber „zur Verfügung über die Urkunde berechtigt ist", ob 42 43

L i t e r a t u r bei J a c o b i a. a. O. 25ff. W o l f f , H a n d b H R . 4, 1, 631ff.; R G . SeuffA. 80 N r . 182; R G . 114,

27 ff. 44 45 46

W o l f f , H a n d b H R . 4, 25; Sachenrecht § 6. S i e g e l a. a. O. 155; S t o b b e , Privatrecht 3, 205ff. Meine Beweislast 376 ; i m Ergebnis ebenso die herrschende Meinung.

Inhaberpapier.

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er also ein dingliches V e r f ü g u n g s r e c h t hat. Trotzdem behauptet die allgemeine Lehre, daß der Inhaber vielmehr E i g e n t ü m e r des Papieres sein müsse 47 . Aber dagegen spricht schon aufs bestimmteste der klare Wortlaut des Gesetzes, der eben das Verfügungsrecht für maßgebend erklärt. Wie könnte es einen solchen Ausdruck gebrauchen, wenn es einfach das Eigentum bezeichnen wollte! Außerdem ist es ein dringendes Bedürfnis des Verkehrs, nicht nur dem Eigentümer das Klagerecht zu geben, sondern auch anderen, die für ihn handeln, vor allem einer Bank, die mit seiner Ermächtigung das Papier im eigenen Namen einzieht. Daß sie das kann, wird wohl auch von niemandem beanstandet. Man glaubt es so erklären zu können, daß sie zur Einziehung von dem Eigentümer ermächtigt sei: aber eine solche Ermächtigung, im eigenen Namen fremde Rechte einzuklagen, ist nicht als zulässig anzuerkennen (I, 678ff.). Vielmehr muß die Bank auf Grund ihres eigenen Rechts klagen — und das kann siej da ihr der Eigentümer durch seine Zustimmung (§§ 182ff. BGB.) das Verfügungsrecht über die Urkunde verliehen hat. Aber auch der am Papier Pfandberechtigte ist als Forderungsberechtigter anzusehen. Die Gegner wollen ihm zwar auch nur ein Pfandrecht an der Forderung zugestehen. Aber dagegen spricht, daß er betreffs der gesamten Forderung, nicht nur in Höhe seines eigenen Anspruchs, zur Einziehung berechtigt ist, und daß der letztere auch nicht fähig und auf Geld gerichtet zu sein braucht (§ 1294 BGB.). Dagegen hat der bloße Verwahrer freilich kein Forderungsrecht, eben weil er nicht über die Urkunde verfügen darf. Gegen die herrschende Lehre spricht ferner entscheidend, daß nicht ein jeder Eigentumserwerb das Gläubigerrecht begründet, sondern nur, wenn dadurch auch eine Befugnis zur Rechtsausübung geschaffen wird. So ist eine feste Verbindung oder Vermischung des Papiers oder seine Ersitzung nicht genügend. Auch die Gegner müssen dies anerkennen, obwohl es mit ihrer Lehre ganz unvereinbar i s t 4 8 . Endlich ist völlig schlagend, daß ein Eigentümer, dem das Verfügungsrecht entzogen ist, z. B. die Ehefrau, der Gemeinschuldner, auch nicht zur Einziehung des 47 J a c o b i a. a. O. 34ff. (anders aber 31ff.); G i e r k e , Privatrecht 2, 167; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 207, besonders L a n g e n a. a. O. 36ff. — Abweichend nur M a t t h i a ß § 137, aber ohne Begründung u n d ohne die herrschende Meinung zu erwähnen, z u m T e i l auch G i e r k e 2 §111, A n m . 40 u n d Genannte. 48 Z. B . J a c o b i , Wertpapiere 249, i m Gegensatz zu 41 ff.

Wertpapiere.

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Papiers berechtigt ist. Überall ist nicht das Eigentum, sondern das Verfügungsrecht maßgebend. Freilich hat die herrschende Lehre allerlei Gründe für ihre Ansicht ins Feld geführt 4 9 . Aus der Vorschrift, daß der Schuldschein dem Gläubiger gehört (§ 952 BGB.), sei das Bestreben zu ersehen, Eigentum und Forderungsrecht in einer Hand zu vereinigen. Aber dies ist nur als Regel anzuerkennen, die Parteien können z. B. etwas anderes vereinbaren 50 . Bei der gewöhnlichen Forderung werden sie das nur selten tun, weil sie kein Interesse daran haben. Hier aber besteht ein bedeutendes Bedürfnis für den Eigentümer, einem anderen das selbständige Verfügungsrecht zu übertragen. — Ferner beruft man sich darauf^ daß der gutgläubige Erwerb des Inhaberpapiers nach § 935 I I BGB. gerade nur zugunsten des Eigentumserwerbs besonders geschützt werde. Aber das ist gar nicht richtig, da diese Vorschrift auch dem Nießbraucher und Pfandgläubiger zugute kommt (§§ 1032, 1207 BGB.). Man macht geltend, daß das Gesetz den Besitzer des Inhaberpapiers gerade als Eigentümer vermute (§ 1006 BGB.): aber das erklärt sich einfach daraus, daß die Vermutung des § 1006 eben überhaupt auf das Eigentum abgestellt ist. Man betont, daß gerade für den Eigentumserwerb besondere Schutzvorschriften in §§ 1362, 1381, 1646 BGB. aufgestellt seien: aber es ist doch ohnehin schon aus sachlichen Gründen geboten, dem, der die Mittel zum Erwerb gestellt hat, das Eigentum und nicht bloß ein Verfügungsrecht zuzusprechen. Auch daß der Schuldner, der das Papier bezahlt, damit dessen Eigentum erwirbt (§ 797 I I BGB.), beweist durchaus nicht, daß der Gläubiger, der es einzieht, Eigentümer sein muß. Endlich befürchtet man, daß die Forderung im Konkurse eines Treuhänders verwertet werden könnte. Aber dagegen schützt das bekannte Gewohnheitsrecht, das dem Treugeber ein Aussonderungs- oder doch Absonderungsrecht in diesem Konkurse einräumt. — Auch das ist nicht genau, wenn man statt des Eigentums redlichen Besitz erfordert: denn solchen hat auch ein Finder oder Verwahrer, die aber doch nicht forderungsberechtigt sind. § 200. Das Recht aus dem Papier ist unabhängig von dem Rechtsgrund, der mit der Begebung verfolgt wurde, z. B. von der 49 50

Besonders L a n g e n a. a. O. 36ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. B i e r m a n n 3 zu § 952 u n d Genannte, dagegen L a n g e n a. a. O.

Inhaberpapier.

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Gültigkeit einer Forderung, die damit getilgt werden sollte. Daher läßt das Gesetz (§ 796) dagegen nur solche Einwendungen zu, 1. welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen, z. B. daß der Aussteller geschäftsunfähig war. Dem muß auch gleichgestellt werden, wenn die Ausgabe wegen Mangels der staatlichen Genehmigung nichtig ist (§ 795 BGB.) oder wenn das Papier für kraftlos erklärt ist ; 2. die sich aus den Inhalt der Urkunde, z. B. aus einer darin enthaltenen Bedingung oder Befristung ergeben, 3. die unmittelbar gegen den Inhaber gerichtet sind, wie eine Aufrechnung mit einer gegen ihn bestehenden Forderung. Dahin gehört auch eine Einrede der Grundlosigkeit (§ 812 BGB.) dann, wenn der Anspruch sich eben gegen den Inhaber richtet. Das ist auch dann der Fall, wenn ein Kläger nur als Treuhänder die Interessen eines Dritten geltend macht, gegen den die Einwendung begründet ist, oder wenn er das Papier nur erworben hat, um die ihm bekannten Einreden dem Schuldner abzuschneiden51 oder wenn er unentgeltlich erworben hat (§ 822 BGB.). Diese Rechtssätze pflegt man dahin zusammenzufassen, daß die Forderung aus dem Inhaberpapier abstrakt ist. Doch muß man dabei beachten, daß es sich dabei nicht nur um die gewöhnliche Wirkung der abstrakten Forderung handelt, dem Kläger lediglich die Geltendmachung zu erleichtern. Sondern es liegt einer der besonderen Fälle vor, wo sich die Wirkung dahin steigert, einem Dritten endgültigen Schutz zu gewähren (I, 393). Das ist auch der Grund, weshalb § 796 BGB. danach unterscheidet, ob die Einwendungen gegen den Kläger gerichtet sind oder nicht. Nur im letzteren Falle ist der Kläger ein Dritter, dem der Schutz zuteil werden kann. § 201. Der Schuldner kann an jeden Inhaber mit befreiender Wirkung zahlen, auch wenn dieser in Ermangelung eines Verfügungsrechts nicht Gläubiger ist. Auch dann wird er befreit und Eigentümer der Urkunde (§ 797 2 BGB.). Man bezeichnet dies meist als L e g i t i m a t i o n . Aber dieser Ausdruck ist mehrdeutig. Die einen verstehen darunter eben dies, daß an den Legitimierten wirksam gezahlt werden kann 5 2 , die anderen da51 52

R G . 4, 101. 11, 9; P l a n c k 2 zu § 796. T h ö l , Handelsrecht 668; J a c o b i a. a. O. 93.

Wertpapiere.

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gegen, daß dadurch das Recht erwiesen wird 5 3 . Mir scheint der Ausdruck nur im ersten Sinne brauchbar zu sein. Richtig ist, daß diese Urkunden auch einen Beweis liefern. Aber das leisten eben auch sehr viele andersartige Urkunden, die nicht einmal Wertpapiere sind, wie ein Schuldschein, eine Vollmacht. Außerdem wird der Beweis durch den Inhalt der Urkunde erbracht, nicht durch ihren Besitz — und bei den Legitimationspapieren denkt man doch an solche, die deren Besitzer legitimieren. Durch den Besitz dieser Papiere wird dagegen noch kein Beweis erbracht: so wird der Besitzer eines Sparkassenbuchs noch nicht als Berechtigter vermutet. — Danach ist es unmöglich, den Begriff der Legitimation auf die Beweiskraft zu beziehen. Vielmehr muß man sie auf den anderen Satz beschränken, daß befreiend gezahlt werden kann. Man könnte auch den ganzen Begriff fallen lassen 54 ; doch bedarf es eines gemeinsamen Ausdruckes für alle die genannten Fälle. Aber es dürfte doch richtiger sein, das Wort Legitimation zu vermeiden, eben weil es in verschiedenem Sinn gebraucht und überdies ein Fremdwort ist. Zwar gebraucht die Wechselordnung (Art. 36) den Ausdruck „legitimieren", und zwar gerade in dem hier bezeichneten Sinne; aber das darf uns doch nicht hindern, das Wort zu verdeutschen. Es wäre daher besser von A u s w e i s p a p i e r e n zu sprechen. Dadurch wird besonders die Verwechslung mit einem bloßen Beweispapier vermieden; denn diese beiden Ausdrücke werden in der deutschen Sprache deutlich unterschieden. — Manche Unklarheiten sind auch dadurch entstanden, daß man das Legitimationspapier in einen Gegensatz zu dem Inhaber papier gestellt hat. Man denkt dabei an gewisse Rechtsfolge- (Rekta-) Papiere, denen die Ausweiskraft innewohnt, wie das Sparkassenbuch. Aber diese Gegenüberstellung ist deshalb ungenau, weil die Inhaberpapiere ja auch die gleiche Wirkung haben. Es ist daher richtiger, das Ausweispapier als den Oberbegriff hinzustellen : zu ihm gehört das Inhaberpapier und das bloße Ausweispapier. Fraglich ist, ob der Schuldner an den Inhaber auch dann zahlen darf, wenn er genau weiß, daß dieser nicht verfügungsberechtigt ist. Die ältere Lehre bejaht das grundsätzlich, nur mit Ausnahme des Falles, daß der Zahlende arglistig zur Schä58 64

B r u n n e r , H a n d b H R . 271. So K u n t z e , ArchWechselR. 14, 11.

Inhaberpapier.

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digung des Berechtigten handelt und daher gegen § 826 BGB. verstößt 55 . Aber das ist bedenklich: denn danach würde auch der befreit, der aus voller Gleichgültigkeit die fremden Interessen schwer verletzt. Man hat daher umgekehrt gemeint, daß die Kenntnis des Zahlenden seine Befreiung verhindere 56 . Aber das geht wieder zu weit. Denn dadurch kann der Schuldner i n eine recht mißliche Lage geraten. Er ist etwa ganz überzeugt, daß er einen Dieb vor sich hat, kann es ihm aber nicht beweisen und muß nun fürchten, durch seine Weigerung in den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit zu geraten, was besonders für eine Bank geradezu verhängnisvoll sein kann. Man darf ihm nicht zumuten, solche Gefahren auf sich zu nehmen. Dies Bedenken wird auch noch nicht ganz dadurch beseitigt, wenn man eine Ausnahme für den Fall macht, daß der Aussteller den Rechtsmangel nicht beweisen kann 5 7 . Denn auch wenn ihm dieser Beweis nicht unmöglich ist, kann er doch — wie das Beispiel der Bank zeigt — durch die Weigerung schon schwer geschädigt werden. Man wird ihm daher das Zahlungsrecht überall da einräumen müssen, wo ihm daraus sonst ein Schaden erwachsen könnte. — Streitig ist ferner ob auch eine Zahlung an einem geschäftsunfähigen Empfänger befreit. Man hat auch hierauf die Bestimmung des § 797 BGB. anwenden wollen 58 . Aber die Vorschrift bezieht sich nur auf den Fall, daß der Empfänger nicht zur Verfügung „berechtigt" ist — und das paßt nur auf das Verfügungsrecht und nicht auf die Fähigkeit. Und auch sonst ist unser Gesetz zwar oft geneigt, über einen Mangel des Verfügungsrechts im Interesse Gutgläubiger wegzusehen, niemals aber über einen solchen der Geschäftsfähigkeit 59 . § 202. Der Schuldner braucht nur gegen Aushändigung der Urkunde zu leisten (§ 797 BGB.). Deshalb wird dem Gläubiger das Recht gegeben, eine durch Beschädigung oder Verunstaltung untauglich gewordene Urkunde umzutauschen (§ 798 BGB.). 55

P l a n c k 3 zu § 793; J ä g e r zu § 8 K O . ; E n n e c c e r u s i n den früheren Auflagen § 430. 56 Angaben bei O e r t m a n n 4 zu § 793. 57 W i e O e r t m a n n a. a. O.; L e h m a n n bei E n n e c c e r u s § 207 u n d andere. 58 G i e r k e , D J Z . 1905, 92; E n n e c c e r u s - L e h m a n n , § 207; P l a n c k V I ; v . T u h r 357. 59 O e r t m a n n , D J Z . 1905, 1127ff.

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Bei einer Banknote kann das nur verlangt werden, wenn die größere Hälfte vorgelegt oder der Nachweis erbracht wird, daß der Rest vernichtet ist (§4 des Bankgesetzes). Ist die Urkunde abhanden gekommen oder ganz zerstört, so muß die alte entkräftet und eine neue statt ihrer ausgestellt werden (§ 799 BGB.). Das Verfahren bei dieser Kraftloserklärung 6 0 ist in der ZPO. (§§ 1003ff.) geregelt. Die Urkunde wird öffentlich aufgeboten, mindestens sechs Monate; nach fruchtlosem Verlauf ergeht ein Ausschlußurteil, wodurch sie für kraftlos erklärt wird. Wer dies erwirkt hat, kann das Recht aus der Urkunde geltend machen oder Ausstellung einer neuen verlangen (§ 800 BGB.). Unzulässig ist dies Verfahren bei Zinsscheinen und ähnhchen, weil bei solchen kleinen Beträgen dem Erwerber nicht eine genaue Prüfung zugemutet werden kann (§ 799 I 2 BGB.). Daher sind die Zinsscheine im Falle eines Verlustes stärker gefährdet als das Stammpapier. Nur einen schwachen Ersatz bietet die Vorlegungsfrist (unten S. 400). Außerdem ist die Kraftloserklärung auch bei den Banknoten ausgeschlossen, weil bei diesen geldartigen Scheinen erst recht eine Nachforschung untunlich ist (§ 799 I 2 BGB.). Für diese wird, wenn sie verloren sind, überhaupt nicht Ersatz geleistet. Gegen den Verlust eines Inhaberpapiers durch Untergang kann man sich also durch das Aufgebot helfen. Aber noch größer wird die Gefahr, wenn das Papier verschwunden ist. Denn es ist sehr leicht möglich, daß es nun in die Hand eines Gutgläubigen kommt: dieser würde dann durch Vertrauensschutz Eigentum daran erwerben, und zwar nach der Ausnahme des § 935 I I BGB. auch trotzdem es abhanden gekommen ist. Ebenso besteht die Gefahr, daß der Schuldner die Forderung bezahlt und dadurch befreit wird (§ 797 BGB.). Deshalb muß ein Weg gegeben werden, beides zu verhindern. Es kann daher zugleich mit dem Aufgebotsverfahren eine Zahlungssperre beantragt werden, wodurch dem Aussteller verboten wird, an den Inhaber zu zahlen (§ 1019 ZPO.); sie wird in derselben Weise wie das Aufgebot, insbesondere auch im Reichsanzeiger bekannt gemacht. Dadurch wird der Erwerb eines solchen Papiers verboten: wer es trotzdem erwirbt, ist als bösgläubig anzusehen, falls er das Verbot kannte oder in grobfahrlässiger Unkenntnis war. Und zwar wird bei einem Papier, daß im Reichsanzeiger gesperrt war, dieser böse Glaube 60

A d e l m a n n , Kraftloserklärung v o n U r k u n d e n ; R ö n n b e r g , 70, 219ff.; J a c o b i , Z H R . 72, 44ff.

ZHR.

Inhaberpapier.

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binnen eines Jahres von da an für jeden Bankmann angenommen, außer wenn er infolge besonderer Umstände diese Veröffentlichung nicht kannte und zu kennen brauchte (§ 367 HGB.). Eine Bank wird also genötigt sein, sich Auszüge aus dem Reichsanzeiger zu machen und sie bei jedem Erwerb von Inhaberpapieren zu vergleichen. Diese Vorschriften sind von größtem Wert für den, der ein Inhaberpapier, besonders durch Diebstahl, verloren hat. Sobald die Sperre veröffentlicht ist, ist er dagegen geschützt, daß eine Bank es erwirbt. Andere Erwerber können aber kaum in Betracht kommen, da bei einem solchen privaten Ankauf in der Regel wenigstens grobe Fahrlässigkeit vorliegen wird. Wesentlich größer ist die Gefahr beim Verlust von Zinsscheinen und Banknoten, weil bei ihnen ein Aufgebot nicht zugelassen ist (§ 799 BGB.). Diese muß man also besonders sorgfältig aufbewahren. Am meisten empfiehlt es sich, die Zinsbogen auf einer Bank und die Stammpapiere im eigenen Hause zu verwahren. Die besondere Gefahr des Inhaberpapiers kann dadurch aufgehoben werden, daß man es in ein Rechtsfolgepapier umwandelt. Nach den meisten früheren Rechten konnte der Gläubiger es so außer Kurs setzen. Dies ist aber durch das BGB. beseitigt (Art. 176 EG.). Es kennt nur noch eine vertragsmäßige Änderung des Inhalts, die durch einen Vermerk des Ausstellers auf dem Papier vollzogen wird (§ 806 BGB.). I n der Regel ist keiner von beiden hierzu verpflichtet. Doch ist auf der Gläubigerseite gewissen Verwaltern, denen die gefährliche Verfügung entzogen werden soll, auferlegt, das Papier zu hinterlegen oder außer Kurs setzen zu lassen (§§ 1667, 1814, 1815, 2216, 2117, BGB.). Der Schuldner kann nur durch Landesrecht dazu verpflichtet sein (Art. 101 EG.); so öfters die öffentlichen Behörden im Interesse der Mündel. Durch die Umschreibung wird das Papier in ein Rechtsfolgepapier umgewandelt, es bleibt aber Wertpapier. § 204. Wenn im Inhaberpapier, wie gewöhnlich, keine Leistungszeit angegeben ist, so läuft gegen es lediglich die gewöhnliche Verjährung. Sie beginnt mit der Entstehung des Anspruchs (§ 198 BGB.), also mit dem Besitzerwerb dieses Gläubigers. Man hat zwar gemeint, daß da, wo die Zeit der Ausstellung angegeben sei, schon von da an die Verjährung laufe 61 . Aber das steht in Wider61

W e n d t , Z i v A r c h . 92, 216.

400

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sprach mit den §§ 198, 801 BGB. und ist sehr bedenklich, weil es zu einer Überalterung besonders der Banknoten führen würde 62 . Nur dann, wenn im Papier eine Leistungszeit angegeben ist, läuft noch eine besondere Vorlegungsfrist von 30 Jahren (§801 BGB.). Innerhalb ihr muß das Papier dem Aussteller zur Einlösung vorgelegt werden. Danach läuft eine zweijährige Verjährungsfrist. Diese Vorschriften kommen — was fast nirgends betont wird — für Stammpapiere kaum in Betracht, da diese nur sehr selten eine Zahlungszeit enthalten. Dagegen sind sie wichtig für die Zinsscheine, die wohl immer einen Zahlungstermin benennen. Die Vorlegungsfrist beträgt hier vier Jahre, und ebenso die nachfolgende Verjährungsfrist (§ 801 I I BGB.). Wenn ein solcher Schein verloren oder vernichtet ist, so hat der Inhaber das vor dem Ablauf der Vorlegungsfrist dem Aussteller anzuzeigen. Wenn der Schein dann innerhalb dieser Frist nicht anderweit geltend gemacht wird, so kann er die Leistung verlangen (§ 804 BGB.). § 205. Während eine Zinsforderung sonst von der Hauptschuld abhängig ist, ist der Zinsschein des Inhaberpapiers im Interesse der Verkehrssicherheit unabhängiger gestellt. Er bleibt gültig, wenn die Hauptforderung erlischt oder die Zinspflicht aufgehoben wird (§ 803 BGB.). Wenn bei der Bezahlung der Hauptschuld Zinsscheine fehlen, darf deshalb der Aussteller deren Betrag einbehalten. Dennoch bleiben für die Zinsen die Vorschriften der §§ 248, 289 BGB. in K r a f t ; nur die Verjährung ist durch die Vorschriften des § 801 BGB. ersetzt. Die Zinsscheine zu Inhaberpapieren über Geld bedürfen staatlicher Genehmigung, nicht aber die zu Rechtsfolge- und Orderpapieren (oben S. 391). Mit dem Zinsschein wird regelmäßig ein Erneuerungsschein ausgegeben, als Ausweis für den Empfang neuer Zinsbogen. Allerdings kann der Inhaber des Hauptpapiers deren Ausgabe an den Inhaber des Erneuerungsscheins verbieten und selbst ihre Aushändigung verlangen (§ 805 BGB.). Aber dennoch ist dieser Schein als ein Inhaberpapier anzusehen63. Daß das dort verbriefte Recht daneben auch einem anderen zusteht, schließt diesen Begriff nicht aus. Eine Platzkarte verliert diesen Charakter noch nicht dadurch, daß auch andere Leute ohne solche zugelassen werden, selbst 62

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 209, A n m . 3; j e t z t auch O e r t m a n n 5 zu § 801. 63 B r u n n e r , H a n d b H R . 2, 140, 205; J a c o b i , H a n d b H R . 4, 1, 537; D e n e k e , JheringsJ. 42, 353.

Inhaberpapier.

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wenn der Inhaber dadurch beeinträchtigt wird. Man hat die Stellung der beiden Berechtigten mit der von Gesamtgläubigern verglichen 64 . Aber ein wesentlicher Unterschied liegt darin, daß diese einander gleichstehen, während der Besitzer des Stammpapiers den Vorrang vor dem anderen hat. — Viele wollen statt dessen den Erneuerungsschein als bloßes Ausweis- (Legitimations-) Papier ansehen65. Aber dessen Unterschied vom Inhaberpapier besteht ja gerade darin, daß der Inhaber die Leistung nicht zu fordern berechtigt ist. Und das ist bei unserem Schein anders, wie deutlich in § 805 gesagt ist. Solange kein Widerspruch erfolgt, kann der Inhaber von dem Schuldner den Zinsschein fordern. Sein Recht ist diesem gegenüber stark, nur dem anderen gegenüber schwach. Auch daß der Erneuerungsschein kein selbständiges Papier, sondern nur ein Anhängsel des Hauptpapiers ist, schließt die Natur als Inhaberpapier nicht aus, wie der Zinsschein beweist. Jedenfalls ist der Erneuerungsschein als Wertpapier anzusehen. Freilich hat man auch das bestritten, eben weil außer dem Inhaber auch noch ein anderer das Forderungsrecht h a t 6 6 . Aber dadurch wird das eigentlich bestimmende Merkmal des Wertpapiers, daß die Ausübimg nur mit dem Papier möglich ist, nicht ausgeschlossen. So haben zwei Theaterkarten die Natur eines Wertpapiers auch dann, wenn derselbe Platz zweimal verkauft ist. Jedenfalls kann, wer den Erneuerungsschein als Inhaberpapier ansieht, ihm die Eigenschaft als Wertpapier nicht abstreiten 67 . Für die Inhaberpapiere der öffentlichen Verbände kann das Landesrecht verschiedene Abweichungen vorschreiben (Art. 100, 101 EG.). Bei einer öffentlichen Anleihe verkauft der öffentlichrechtliche Verband die Anleihescheine an eine Bank, die sie dann weiter veräußert. Es handelt sich also trotz des äußeren Anscheins nicht um ein Darlehen. Oft sind sie für längere Zeit unkündbar. Von erheblicher Bedeutung sind endlich die Zeichen, die den Inhaber berechtigen, wie Karten und Marken (§ 807 BGB.). Der Unterschied von dem Inhaberpapier liegt darin, daß in ihm der Inhalt der Schuld nicht angegeben, sondern höchstens nur angedeutet ist. Sachlich aber stehen sie dem Inhaberpapier gleich. 64

D e n e k e a. a. O. 390. K u n t z e , Inhaberpapiere 616; D e r n b u r g 2, 345; E n n e c c e r u s L e h m a n n § 211; R O H G . 10, 315ff.; R G . 3, 153ff. 4, 141. 74, 341. ββ D e n e k e a. a. O. 396ff. 67 Widerspruchsvoll daher D e n e k e 396ff u n d 397, Z. 5. 65

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

26

Wertpapiere.

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Auch hier kann der Inhaber die Leistung fordern, wenn er ein dingliches Ver fügungsrecht über die Sache hat. Das Zeichen ist auch dann verbindlich, wenn es wider Willen des Ausstellers in dem Verkehr gekommen ist. Die Leistung braucht nur gegen seine Aushändigung zu erfolgen. Dagegen braucht die Form des Inhaberpapiers nicht erfüllt zu werden, Unterschrift, staatliche Genehmigung sind nicht nötig. Eine Kraftloserklärung erfolgt nicht, wohl aber ein Austausch nach Landesrecht (Art. 102 EG.). — Wohl zu unterscheiden sind von ihnen die Ausweis- (Legitimations-) Zeichen, die den bloßen Ausweispapieren sachlich gleichstehen. Hier ist der Inhaber nicht berechtigt, die Leistung zu fordern, es kann nur befreiend an ihn geleistet werden. Stets ist also zu prüfen, ob der Inhaber eines Zeichens genötigt ist, seine Berechtigung darzulegen oder sich einfach auf den Besitz des Zeichens stützen kann. Es ist danach zu beantworten, ob im einzelnen Fall nach der Verkehrsauffassung dem Inhaber zugemutet werden kann, diesen Beweis zu erbringen. Das ist im allgemeinen zu verneinen, wenn die Marke von geringem Wert ist, wie Biermarken und Briefmarken, aber auch sonst dann, wenn sie im Massenverkehr ausgegeben werden, so daß es regelmäßig nicht möglich ist, ihren Erwerb darzulegen. Deshalb sind auch Eisenbahnfahrkarten zu den Inhaber zeichen zu rechnen. Daß die Fahrkarte nicht übertragbar ist, spricht nicht dagegen, weil es sich nur auf den Fall bezieht wo der Fahrt schon angetreten war. Umgekehrt ist zu entscheiden bei Rundreise- oder Dauerkarten und Aufbewahrungsscheinen. § 206. Die bloßen Ausweispapiere (S. 396, § 808 BGB.) sind keine Inhaberpapiere, daher auch nicht als hinkende Inhaberpapiere zu bezeichnen, vielmehr Rechtsfolge- oder Orderpapiere. Es gehört dazu vor allem das Sparkassenbuch und der Pfandschein 68 . Auch hier darf mit befreiender Wirkung an den Inhaber gezahlt werden; wenn der Zahlende den Mangel seines Rechts kennt, gilt dasselbe wie beim Inhaberpapier 69 . Der große Unterschied von den Inhaberpapieren liegt aber darin, daß der Inhaber nicht berechtigt ist, die Leistung zu fordern 70 . Wer z. B. aus einem Sparkassenbuch klagen will, muß darlegen, daß das Recht im Wege der Rechtsnachfolge, also durch Übertragung nach 68 69 70

R G . 75, 357. 89, 402ff.; SeuffA. 12, 338. R G . 89, 403; vgl. oben S. 396. R G . SeuffA. 66 N r . 47; W a r n e y e r 1910 N r . 143.

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§§ 398ff. BGB. auf ihn übergegangen ist. Nicht einmal eine Vermutung wird durch seinen Besitz begründet. Demgemäß erfolgt auch die Verpfändung eines solchen Papiers nach den Vorschriften über die Verpfändung einer Forderung (§§ 1274ff. BGB.) und nicht, wie beim Inhaberpapier, nach sachenrechtlichen Bestimmungen (§ 1293 BGB.). — Auch hier ist der Schuldner nur gegen Aushändigung der Urkunde zu zahlen verpflichtet (§ 808 I I BGB), es handelt sich also ebenfalls um ein Wertpapier. Auch hier wird daher eine Kraftloserklärung zugelassen. Aber der Schuldner kann auch ohne eine solche an den wahren Gläubiger befreiend zahlen 71 . Aus einem solchen Papier ist zu entnehmen, daß der Besitzer ein Recht auf die Leistung habe. Anders steht es dagegen mit einem Papier, das nicht ein eigenes Recht, sondern nur eine Vertretungsmacht ausweist. Daher ist die Vollmachtsurkunde, obwohl sich der Verkehr auch auf sie nach § 171 BGB. verlassen kann, nicht als ein solches Ausweispapier zu betrachten. Dasselbe gilt von der quittierten Rechnung (§ 370 BGB.), die ja lediglich als eine A r t Vollmacht anzusehen i s t 7 2 . Es sind dieses ja auch keine Wertpapiere : auch ohne Vorlegung der Vollmachtsurkunde kann das Vertretungsgeschäft abgeschlossen werden. § 207. Beim O r d e r p a p i e r ist das Recht zwar nicht, wie beim Inhaberpapier, schlechthin an den Besitz mit Verfügungsrecht geknüpft, sondern es muß noch ein Schriftvermerk, das Indossament, dazutreten. Immerhin ist doch auch bei dieser Gestaltung der Umlauf sehr vereinfacht und gesichert. Der Erwerber und der zahlende Schuldner brauchen nicht zu prüfen, ob für den Indossatar wirklich eine gültige Rechtsnachfolge stattgefunden hat, sondern nur ob das Papier gültig ausgestellt und überschrieben ist. Eben darin liegt die Eigenart des Orderpapiers und sein Unterschied vom gewöhnlichen Rechtsfolgepapier. So wertvoll diese Gestaltung für den Verkehr ist, so gefährlich ist sie für dem Schuldner. Wenn er einen Wechsel ausgestellt hat, ohne den Gegenwert erhalten zu haben, so muß er dennoch an den gutgläubigen Indossatar zahlen. Wegen dieser Gefahr sind die meisten Orderpapiere auf die Kaufleute beschränkt (§ 363 HGB.); anderen Personen sind nur der Wechsel, Scheck und die Inhaberaktie, die schon durch ihre eigenartige Form zur Vorsicht mahnen, zugänglich. 71 72

P l a n c k 3 z u § 808; anders B e n d i x , ZVersWiss. 4, 270. Ebenso m i t anderer Begründung R e i c h e l , J W . 1931, 551 ff. 26*

Wertpapiere.

404

Die genauere Darstellung dieser wichtigen Rechtsgebiete kann hier nicht erfolgen, wir müssen uns darauf beschränken, die Grundlagen des Orderpapierrechts zu prüfen. Die Frage, wodurch das Wechselrecht entsteht, ist wiederum sehr umstritten 7 3 . Zunächst wird die gültige Ausstellung des Papiers erfordert (Artikel 4, 96 Wechselordnung). Aber dadurch allein wird ebensowenig wie durch die Ausstellung eines Inhaberpapiers schon eine Forderung geschaffen: es bedarf auch hier, ebenso wie dort, noch eines weiteren Aktes. Die alte Vertragstheorie 74 kann nur auf gekünstelten Umwegen zur Konstruktion eines Vertrages gelangen; außerdem führt diese und die Emissionstheorie 75 zu Entscheidungen, die den redlichen Verkehr bedenklich beeinträchtigen. Anderseits ist die Kreationstheorie auch hier unhaltbar. Sie muß einräumen, daß die bloße Ausstellung allein nicht genügt, sondern daß der Wechsel auch noch i n die Hand eines anderen gekommen sein muß : nur meint man, daß schon vorher bereits ein „konzipiertes Nomen" entstanden sei! 7 6 Den Vorzug verdient auch hier die Lehre, die das Recht erst durch einen rechtsgültigen Erwerb des Wechsels entstehen läßt 7 7 . Es gilt also auch hier die Verfügungsrechtstheorie, die wir oben für alle Rechtsscheinspapiere entwickelt haben (S. 392ff.). Der Unterschied vom Inhaberpapier liegt nur darin, daß hier, beim Wechsel, der Inhaber nicht schon ohne weiteres als verfügungsberechtigt gilt, sondern nur, wenn er durch den Wechsel oder ein Indossament als solcher bezeichnet ist. Allerdings glaubt die herrschende Lehre statt dessen auch hier den Erwerb an das Eigentum am Papier knüpfen zu sollen. Aber es wird sich gleich zeigen, daß es nicht gerade darauf ankommt (unten S. 406). Der Übergang des Wechselrechts erfolgt durch Indossament. Nach Artikel 36 der Wechselordnung wird der Inhaber eines indossierten Wechsels schon durch die zusammenhängende Reihe der Indossamente „legitimiert". Das bedeutet nicht etwa nur, daß er dadurch einstweilen als berechtigt nachgewiesen werde. 78

Über die verschiedenen Theorien vgl. G r ü n h u t , Wechselrecht 1,

266ff. 74

Anführungen bei G r ü n h u t a. a. O. 266ff. H . L e h m a n n , Theorie der Wertpapiere u n d Genannte. 76 K u n t z e , A r c h i v für Wechselrecht 8, 345ff. 11, 128ff. 14. I f f . ; Inhaberpapiere § 53. 77 G r ü n h u t a. a. O. 279 u n d Genannte. 76

rpapier.

405

Denn Artikel 74 fügt ausdrücklich hinzu, daß er nur dann, wenn er den Wechsel bösgläubig erwarb, zu dessen Herausgabe angehalten werden kann. Der Erwerb des Rechts ist also auch hier wieder daran geknüpft, daß durch Übertragung oder Vertrauensschutz ein Verfügungsrecht an dem Papier erworben wird. Wie ist nun dieser Vorgang rechtlich aufzufassen ? Das Indossament darf durchaus nicht als die Übertragung eines vorhandenen Rechts betrachtet werden. Denn das Recht des Indossatars ist ja von dem des Vormanns unabhängig (Artikel 82 Wechselordnung, § 364 I I HGB.), und gerade darin liegt das unterscheidende Merkmal der Orderpapiere. Auch die meisten übrigen Erklärungen sind nicht stichhaltig (I, 682ff.). Vielmehr ist anzunehmen, daß schon in der Ausstellung des Grundpapiers ein Recht auch für die späteren Indossatare mit begründet wird, das daher von den Rechten der Zwischenmänner unabhängig i s t 7 8 . Allerdings bedarf es dann noch eines Indossaments, aber dadurch wird nur eine Bedingung für den Erwerb erfüllt und nicht das Recht erst geschaffen. Die Ausstellung enthält also ein Rechtsgeschäft zu Rechten Dritter — und als ein solches ist auch die Orderklausel seit altersher ausgedrückt und aufgefaßt worden (vel cui ordinaveris). Statt dessen könnte man den Erwerb des Indossatars auch auf einen Schutz des Rechtsscheins zurückführen. Aber dagegen spricht, daß bei der Übertragung von Forderungen ein solcher Vertrauensschutz nicht stattfindet. Allerdings wird durch das Indossament außerdem oft auch Eigentum übertragen : nicht selten aber auch nur ein bloßes Verfügungsrecht (unten S. 406), und in diesem Falle wird der Rechtsschein außerhalb des Handelsrechts nicht geschützt. Der Vertrauensschutz kann daher nur zur Erklärung des dinglichen Erwerbs, nicht aber auch des der Forderung verwertet werden. Dieser starke Schutz des Papiererwerbers wird allgemein als abstrakter Rechtserwerb bezeichnet. Es ist indessen dabei zu beachten, daß diese abstrakte Natur sich auch hier in zwei verschiedenen Richtungen auswirkt. Zunächst ist die grundlegende Erklärung, die Ausstellung des eigenen oder die Annahme des gezogenen Wechsels, von dem Rechtsgrund abgelöst und dadurch die Klage des Gläubigers erleichtert. Darüber hinaus wird aber 78 I , 683; ähnlich T h ö l , Wechselrecht 428; G r ü n h u t , Wechselrecht 1, 284, dessen Lehre m a n wenig bezeichnend Redlichkeitstheorie zu nennen pflegt; R O H G . 17, 159ff. 19, 31; R G . 2, 5.

Wertpapiere.

406

auch ein Drittenschutz begründet: so daß der Indossatar nicht nur eine erleichterte Rechtsverfolgung genießt, sondern endgültig sein Recht behaupten kann (I, 393). Gerade darin liegt der eigenartige Vorzug dieser Papiere. § 208. Statt des Verfügungsrechts glaubt die herrschende Lehre auch hier das Eigentum an dem Papier als maßgebend bezeichnen zu sollen, aber zu Unrecht 7 9 . Allerdings sagt die Wechselordnung (Art. 36), daß der Indossatar als Eigentümer des Wechsels legitimiert werde : aber damit ist eben nur der Regelfall bezeichnet worden. Anderseits ist kaum zu bezweifeln, daß die Verpfändung eines Wechsels oder anderen Orderpapiers nach § 1292 BGB. lediglich ein Pfandrecht an dem Papier gewährt 80 . Denn das Gesetz spricht dort ausdrücklich von einer Verpfändung (§ 1292): außerdem gibt es dem Pfandgläubiger ein Beitreibungsrecht (§ 1294), das für einen Eigentümer ganz selbstverständlich wäre. Und dennoch folgt eben aus dieser letzteren Vorschrift, daß der Pfandgläubiger des Wechsels wirklicher Wechselberechtigter wird. Besonders bezeichnend ist, daß die Einziehung von den Voraussetzungen des Pfandverkaufs unabhängig ist: es ist nicht nötig, daß die gesicherte Forderung fällig ist und auf Geld lautet. Ferner erkennt die Wechselordnung ausdrücklich ein bloßes Prokuraindossament an, das kein Eigentum überträgt (Artikel 17 Wechselordnung). Dagegen ist bei einem Vollindossament, das lediglich zu Treuhandzwecken dient, allerdings eine Eigentumsübertragung anzunehmen 81 . Richtig ist, daß auch hier der Schuldner gegenüber dem Treuhänder auch solche gegen den Indossaten begründeten Einreden vorbringen kann, die ihm erst nachträglich bekannt werden 82 . Aber das läßt sich mit einer Einrede der Arglist begründen:' es wird dem Treuhänder ein Vorwurf daraus gemacht, daß er, auch nachdem er von dem Rechtsmangel seines Hintermannes erfahren, noch dessen Interessen weiter geltend macht. § 209. Neben dem wirklichen Indossament, das dem Erwerber ein selbständiges Recht verschafft, kennt unsere Gesetzgebung auch ein bloß formelles Indossament, das zwar auch auf die Rück79

I , 683, oben S. 393; G i e r k e , Privatrecht § 111; daselbst die L i t e r a t u r . B i e r m a n n 2 zu § 1292 u n d Genannte. 81 Herrschende Meinung; dagegen G i e r k e 2 § 111 A n m . 40 u n d A n geführte. 82 R G . 4, 100. 11, 9. 23, 125 u n d öfters. 80

rpapier.

407

seite geschrieben wird, aber die besondere Wirkung eines Indossaments nicht hat. So wird von manchen Papieren gesagt, daß sie in der Form des Indossaments übertragen werden können (z.B. der Reichsbankanteil nach §§ 4, 5 des Statuts der Reichsbank). Danach pflegt man neben den eigentlichen Orderpapieren noch unvollkommene 83 und neben dem technischen Indossament ein einfaches 84 zu unterscheiden. Zu den ersteren rechnet man außer den genannten Anteilscheinen die protestierten Wechsel und die Papiere, bei denen die Orderklausel nur auf Parteibestimmung beruht — während die Namensaktie jetzt zu einem wirklichen Orderpapier geworden ist (§ 222 HBG. im Gegensatz zu Artikel 182 V des alten HGB.). Aber dieser ganze Begriff des formellen Indossaments scheint mir verfehlt zu sein. Denn diese Papiere können, wenigstens der Regel nach, auch in anderer Form übertragen werden. Und selbst wenn vereinbart ist, daß zur Übertragung nur die Form des Indossaments genüge, so ist dies zwar nach § 1252 BGB. verbindlich. Aber es würde immer noch nicht rechtfertigen, diese Papiere als eine Gattung eigener Art zu bezeichnen : so wenig, wie man solche Verträge, für die Schriftform vereinbart ist, unter einen Begriff zusammenfaßt. Jedenfalls aber scheint es mir unhaltbar, diese Papiere als unvollkommene Orderpapiere zu bezeichnen. Denn von ihrem Inhalt gilt ja gar nichts Besonderes. Für den Begriff des Orderpapiers ist aber doch sicher nicht die äußere Gestalt des Indossaments, sondern die sachliche Eigenart des dabei geltenden Rechtserwerbs maßgebend. Nicht selten kommt beim Orderpapier einBlankoindossament vor, das den Namen des neuen Berechtigten nicht nennt. Der Erwerber eines solchen Papiers kann es leicht auf seinen Namen ausfüllen. Er ist daher tatsächlich ziemlich ebenso gestellt wie der Erwerber eines Inhaberpapiers. Daraus hat man die Ansicht abgeleitet, daß ein solches Papier wirklich ein Inhaberpapier sei 85 . Aber dem ist nicht zuzustimmen 86 . Freilich der Grund, daß es hier nicht nur einer Hingabe, sondern auch eines Schriftvermerks bedarf, wiegt 83 B r u n n e r , H a n d b H R . a. a. O. 189ff.; J a c o b i , H a n d b H R . a. a. O. 154; Wertpapiere 231ff.; S t a u b , E i n l e i t u n g zu § 364 H G B . 84 J a c o b i a. a. O. 85 Τ h ö l , Wechselrecht § 127; P a p p e n h e i m , Inhaberpapier 72 A n m . 209 u n d Genannte. 88 B r u n n e r , H a n d b H R . a. a. O. 2, 193ff.; J a c o b i , Wertpapiere 250ff. u n d Genannte.

408

Wertpapiere.

nicht schwer. Auch ist darauf, daß unsere Gesetze oft beide Papiere nebeneinander nennen, nicht großes Gewicht zu legen. Aber in der Tat gelten nicht dieselben Rechtssätze für beide Arten von Papieren. Das leer indossierte Papier ist weiter indossabel, was das Inhaberpapier nicht ist. Anderseits ist für jenes nicht staatliche Genehmigung erforderlich. Endlich wird eine Namensaktie, die leer indossiert ist, dadurch noch nicht zu einer Inhaberaktie und den für sie geltenden Vorschriften nicht unterworfen. — § 210. Das Rechtsfolge- (Rekta-) Papier ist ein solches, das den allgemeinen Regeln über den Rechtserwerb untersteht, aber doch auch Wertpapier, d. h. zur Ausübung des Rechts unentbehrhch ist. Aus dem ersten Grunde steht es im Gegensatz zu den Inhaber und Orderpapieren, aus dem letzteren zu dem gewöhnlichen Schuldschein, dem Testament, der Bürgschaftsurkunde usw. Das Recht steht hier nur dem zu, der es nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts erworben hat. Sein Übergang vollzieht sich also meist durch Abtretung (§ 398 BGB), so daß die gegen den Vormann begründeten Einwendungen auch gegen den Nachfolger wirken (§ 404). Das Eigentum an dem Papier steht dem Gläubiger der Forderung zu (§ 952 BGB), geht also bei deren Übertragung ohne weiteres auf den neuen Gläubiger über, auch ohne Rückgabe des Papiers. Den Inhaberpapieren nähern sich erheblich die bloßen Ausweispapiere, wie das Sparkassenbuch (oben S. 402ff.). Sie gehören aber dennoch zu den Rechtsfolgepapieren, weil nur, wer einen gültigen Rechtserwerb gemacht, das Recht daraus beanspruchen kann. Die Ähnlichkeit liegt nur darin, daß sie auch zum Ausweis des Rechts dienen. Wegen der dadurch begründeten Gefährlichkeit ist auch bei ihnen die Kraftloserklärung zugelassen (§ 808 BGB.). Dasselbe gilt für den Hypothekenbrief (§ 1162 BGB.) und den Rektawechsel (Art. 74 Wechselordnung), aber nicht für alle anderen Rechtsfolgepapiere.

VIERTER

TEIL

Nurgesetzliche Schulden.

Erstes Kapitel.

Lose Gemeinschaft. § 211. Formen der Gemeinschaft. § 212. Rechtsteilung. § 213. Einheitstheorie. § 214. Gemeinschaft an Forderungsrechten. § 215. Ausübung des Teilrechts. § 216. N u t z u n g u n d Verwaltung. § 217. Aufhebung.

§ 211. Die Verpflichtungen, die zu ihrer Entstehung eines Rechtsgeschäftes nicht bedürfen, pflegt man allgemein als gesetzliche zu bezeichnen. Dieser Ausdruck ist aber ungenau, denn auch alle Rechtsgeschäfte und ihre Folgen beruhen schließlich auf dem Gesetze und sind, wenn sie nicht gesetzlich sind, ungültig. Gerade der bezeichnende Umstand, daß sie lediglich auf Gesetz beruhen, ist in jener Bezeichnung weggelassen, und daraus müssen sich Unklarheiten ergeben. Wir möchten deshalb genauer von ,,nurgesetzlichen" Schulden sprechen. Die Gemeinschaft 1 (§ 741ff. BGB.) bezieht sich auf Fälle, wo ein Recht mehreren Personen gleichzeitig gehört. Aber nicht alle dahin gehörenden Fälle werden durch diesen Abschnitt des Gesetzes betroffen, sondern nur die, wo eine lose Gemeinschaft besteht. Während das römische Recht nur diese Rechtsform kannte, hat das germanische Recht den bedeutsamen Gedanken geschaffen, daß in den Fällen eines engeren Zusammenschlusses eine festere Gemeinschaft, die die Gesamtinteressen stärker berücksichtigt, eintreten müsse. I h m ist unser Gesetz gefolgt: es hat in den Fällen der Gesellschaft (§ 718 BGB.), der ehelichen Gütergemeinschaft (§ 1438 BGB.) und der Miterbengemeinschaft (§ 2033 BGB.) die sogenannte Gesamthand, also eine festere Gemeinschaft gewählt (I, 740ff.). Dasselbe kann in einigen Fällen nach Landesrecht eintreten (Art. 113, 119ff. EG.). Dagegen kann durch Vertrag allein, soweit er nicht eine Gesellschaft begründet, eine Gesamthand nicht geschaffen werden 2 . 1

L a m m f r o m m , Teilung; v . S e e l e r , Das M i t e i g e n t u m ; P i n e l e s , GrünhZ. 29, 689; C r o m e , B l f R A . 72, I f f . ; S a e n g e r , Gemeinschaft u n d Rechtsteilung ; E n g l ä n d e r , Die regelmäßige Rechtsgemeinschaft. 2 Anders anscheinend O e r t m a n n , Vorbem. 1 vor § 741.

412

Gemeinschaft.

Die lose Gemeinschaft greift also nur da ein, wo keine solche engere Beziehung besteht. Es ist das zunächst dort der Fall, wo sie nicht durch ein Rechtsgeschäft, sondern nur durch einen Zufall oder rein tatsächliche Handlungen entstanden ist, z. B. durch Verbindung oder Verarbeitung (§§ 946ff. BGB.). Aber auf solche selteneren Fälle ist sie nicht zu beschränken. Man könnte zwar denken, daß jede auf Vertrag beruhende Gemeinschaft eine Gesellschaft enthalte und daher die lose Gemeinschaft ausschließe. Aber wie wir sahen (S. 274), ist doch nicht jede vertragsmäßige Gemeinschaft ohne weiteres als eine Gesellschaft anzusehen : sondern nur dann, wenn dabei eine gemeinsame Aufgabe vereinbart worden ist. Wenn zwei Ehegatten durch ein Vermächtnis oder einen Gutsübergabevertrag ein Haus zugewandt ist und sie es sich auf Grund ihrer Vereinbarung zu gleichen Teilen übertragen lassen, so ergibt sich daraus allein noch kein Gesellschafts Verhältnis. Ebenso wenn zwei Brüden denen 1000 Mark vermacht sind, sie gemäß ihrer Abrede auf ein gemeinsames Konto überweisen lassen. Auch hier ist zwar eine Vereinbarung erfolgt, aber sie richtet sich lediglich darauf, daß und in welcher Weise der gemeinsame Erwerb erfolgen soll. Eine greifbare Aufgabe, wie sie die Gesellschaft erfordert, ist damit noch nicht vereinbart worden. Dazu müßte erst weiter ausgemacht werden, daß sie weiter mit dem Gelde gemeinschaftlich arbeiten wollen. Deshalb ist auch in dem Erwerb von Miteigentum zunächst noch nicht eine Gesellschaft enthalten (§ 1008 BGB.). Hiernach wäre es nicht richtig, als Fälle der losen Gemeinschaft alle zu bezeichnen* wo ihr kein Rechtsgeschäft zugrunde liegt. Es ist daher nicht genau, wenn man sie als die „zufällige" Gemeinschaft bestimmt hat, und im Grunde auch nicht ganz genau, sie schlechthin in die nurgesetzhchen Schulden einzureihen. Vielmehr muß die Abgrenzung danach erfolgen, ob der Gemeinschaft eine festere Beziehung zugrunde liegt oder nicht. Unser Gesetz läßt die lose Gemeinschaft in Ermangelung einer solchen anderen Regelung eintreten (§ 741). Danach wird sie allgemein als die „regelmäßige" Gemeinschaft bezeichnet. Aber man muß bedenken, daß die Fälle der Gesamthand bei weitem die häufigsten und wichtigsten sind. Daher liegt hier nur eine Scheinregel vor, die nicht mehr besagt, als daß sie in allen nicht besonders geordneten Fällen eingreift. Wenn eine solche feste Beziehung fehlt, so ist überall, wo mehreren Personen ein Recht zusteht, die Gemeinschaft gegeben.

Fälle.

413

Man hat das zwar bezweifelt und z. B. in dem Falle, daß mehreren ein Wohnrecht im selben Räume zugewendet ist, die Gemeinschaft verneint 3 . Aber nicht nur, daß die Begriffsbestimmung des Gesetzes (§ 741) darauf paßt — vor allem wäre gar nicht zu sagen, nach welchen Regeln sonst die Beziehungen dieser beiden zu ordnen wären. Daher ist auch bei mehreren, die an einer Sammelheizung, an einem Sammeldepot4, einem Urheberrecht 5 beteiligt sind, Gemeinschaft anzunehmen. Tritt die Gemeinschaft hiernach überall ein, wo eine engere Beziehung fehlt, so kann man sie in diesem Sinne als die Fälle einer ,,bloßen" Gemeinsamkeit bestimmen — nicht aber auch, wie wir sahen, in dem andern Sinne, daß sie ohne Vertrag eintrete 5 . § 212. Bei der gesamten Hand stehen durchaus die Interessen der Gesamtheit im Vordergrund (I, 740ff.). Insbesondere wird sie dagegen geschützt, daß ein einzelner Teilhaber über seinen Anteil an den Gegenständen verfügt. Wenn dieser z. B. das ihm gehörige Viertel des gemeinsamen Hauses mit einer Hypothek belasten wollte, so würde dadurch auch die Gesamtheit schwer beeinträchtigt : es würde kaum gehngen, für die unbelasteten drei Viertel einen Käufer zu finden. Daher wird eine solche Verfügung bei der Gesamthand ausgeschlossen. — Dagegen steht bei der losen Gemeinschaft durchaus das Interesse des einzelnen Genossen im Vordergrund. Es wird ihm daher gestattet, über sein Viertel zu verfügen. Es wird ihm an Verfügung und Nutzung so viel eingeräumt, als mit Rücksicht auf die übrigen überhaupt möghch ist. Die herrschende Lehre drückt dies durch das Bild aus, daß jedem der Gemeinschafter ein s e l b s t ä n d i g e s T e i l r e c h t zusteht. I n der Tat ist diese Ausdrucksweise deshalb treffend, weil sie gerade die Eigenart dieser Rechtsform und ihren Unterschied von den Gesamthandsfällen scharf hervorhebt. Jede Begriffsbildung verfolgt den praktischen Zweck, gerade das Eigenartige, Bezeichnende hervorzuheben, und deshalb ist diese Auffassung die am besten geeignete. Allerdings sind gerade in neuerer Zeit scharfe Angriffe dagegen erhoben worden. Man hat eingewendet, daß eine unmittelbare Einwirkung auf die Sache nicht nach Bruchteilen erfolgen könne 6 . 3

B a y r O L G . B a y r R p f Z . 4, 186; O e r t m a n n , Vorbem. 1 vor § 741. J W . 1923, 771; O p i t z - S c h u l t z , J W . 1926, 473ff.; E i c h h o l z , daselbst 1512 ff. 5 R G . J W . 1924, 1430. 6 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 180. 4

Gemeinschaft.

414

Aber es wurde schon betont, daß die Teilung der Rechtsbefugnisse eben nur so weit, als es ausführbar ist, stattfinden kann. Vor allem hat man geltend gemacht, daß, wenn das Recht i n Teile zerlegt wäre, man überhaupt nicht mehr von einer Rechtsgemeinschaft sprechen könne 7 . Richtig ist, daß die Gemeinsamkeit des Gegenstandes allein hierzu noch nicht ausreicht, sondern es muß auch noch unter den Teilen eine Rechtsbeziehung bestehen, die sie durch eine innere Ordnung zu einem System zusammenschließt 8 . Darin liegt der Gegensatz zu den Fällen der Kolhsion, wo sich die beiden Rechte lediglich feindlich entgegenstehen, wie bei zwei Pfandrechten. Die Gemeinschaft verbindet, die kollidierenden Rechte bleiben getrennt. Es sind also noch Momente erforderlich, die einen Zusammenhang zwischen den Teilrechten begründen. Aber sie sind in der Tat hier auch vorhanden. Die Teilrechte sind durch Zerlegung aus einem einheitlichen Rechte entstanden und verfolgen alle denselben Zweck wie jenes: dadurch wird ein genügender Zusammenhang geschaffen. — Ferner hat man der herrschenden Lehre vorgeworfen, daß sie zu einer Verdopplung des Rechts führen: so nehme sie z. B. beim Miteigentum ein ganzes Eigentum an der Sache und außerdem noch teilweise Eigentumsrechte der Genossen an. I n der Tat ist die dahingehende ältere Fassung der herrschenden Lehre nicht zu halten. Man kann unmöghch das Gesamtrecht und die Teilrechte als wesensgleich behandeln 9 . So kann das Eigentumsrecht unmöglich in beiden zugleich stecken, sondern es muß entweder im Ganzen oder in den Teilrechten enthalten sein. Beide Auffassungen sind denkbar. Wir werden aber derjenigen folgen, die die in unserem Recht geltenden Sätze am deutlichsten widerspiegelt. Wenn man nun die große Selbständigkeit der Teilrechte bei der losen Gemeinschaft beachtet und deren Gegensatz zur Gesamthand hervorheben will, so wird man die Zerlegung des Rechts in seine Teile betonen und in sie den Kern, also das Eigentumsrecht verlegen (I, 712ff.). Auch hier ist wieder zu berücksichtigen, daß die Begriffsbildung den praktischen Zweck verfolgt, die wesenthchen und unterscheidenden Merkmale hervorzuheben. Endlich hat man gemeint, daß die Rechtsteilung zu einer Herrenlosigkeit der gemeinsamen Sache führe: aber sie 7

E n g l ä n d e r , Rechtsgemeinschaft 126ff. u n d Genannte. E n g l ä n d e r a. a. O. 34ff. 293. 9 R i c h t i g v . T u h r 1, 82ff.; P e r r o z z i , Filangieri 15, I f f . ; weitere Angaben bei Engländer a. a. O. 274. 8

Rechtsteilung.

415

gehört ja doch den einzelnen Mitgliedern und ist daher keineswegs herrenlos. § 213. I m vollen Gegensatz zur herrschenden Teilungslehre steht die Auffassung, daß das gemeinschaftliche Recht ein einheitliches bleibe und nur seine Zuständigkeit geteilt sei - Einheitstheorie 1 0 —. Sie legt übertriebenes Gewicht auf den Wortlaut des § 741, wonach das ,,Recht mehreren gemeinschaftlich zusteht" und auf die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen. Anderseits ist nach ihr nicht verständlich, wieso ein jeder über ein Teilrecht, das ihm doch gar nicht zustehen soll, verfügen kann. Das gleiche gilt gegenüber der Auffassung, daß der einzelne nicht ein geteiltes, sondern nur ein beschränktes Eigentum habe 1 1 oder daß ihm ein Eigentum zustehe, das noch bis zur Teilung hinausgeschoben sei 12 . Alle diese Ansichten sind mit der freien Verfügung über die Anteile unvereinbar. Sie geben nicht die Rechtslage bei der losen Gemeinschaft wieder, sondern im wesentlichen die bei der gesamten Hand. I n der Tat wird auch behauptet, daß beide Rechtsformen sich nur in schuldrechthcher Beziehung unterschieden 13 oder daß die Gemeinschaft nur eine Unterart der Gesamthand s e i 1 3 \ Hierbei werden aber eben gerade die Unterschiede verwischt, die durch die Begriffsbildung scharf hervorgehoben werden sollten. § 214. Ein Hauptfall der Gemeinschaft ist der, daß ein Forderungsrecht mehreren Gläubigern zusammen zusteht. Aber gerade hier ist es wieder sehr streitig, ob überhaupt eine Rechtsgemeinschaft vorliegt. Die herrschende Lehre verneint es und nimmt statt dessen an, daß durch die Teilung lauter völlig voneinander unabhängige Teilforderungen entstanden seien 14 . Aber dagegen spricht schon die klare Bestimmung des § 754 BGB., die die gemeinsame Forderung mit zu den Fällen der Gemeinschaft rechnet. Außerdem wird nicht genügend gewürdigt, daß doch zwischen diesen immer noch ein sachlicher Zusammenhang besteht. Er zeigt sich insbesondere darin, daß, wenn eine Leistung an mehrere zu erfolgen hat, dem einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Erfüllung der ganzen 10

W i n d s c h e i d §§ 142, 169a; v . S e e l e r , Miteigentum; E n g l ä n d e r , Rechtsgemeinschaft; O e r t m a n n a. a. O. 11 E i s e l e , ZivArch. 63, 27ff. 12 S c h u l z , Gemeinschaft u n d Miteigentum 13ff. 13 S c h u l z a. a. O. 37ff. i m Anschluß an P r i n g s h e i m , Rechtsstellung des Erwerbers eines Erbteils 22 ff. 1Sa S a e n g e r , Gemeinschaft u n d Rechtsteilung. 14 E n g l ä n d e r a. a. O. 128 m i t zahlreichen Anführungen.

416

Gemeinschaft.

Gegenleistung verweigert werden kann (§ 320 I 2 BGB.) 1 5 . Das gilt selbst dann, wenn eine Forderung von vornherein für mehrere Gläubiger begründet worden ist: also muß ein Zusammenhang um so mehr in solchen Fällen angenommen werden, wo der eine Teil der Forderung erst nachträghch abgesphttert worden ist. Wird ferner das Eigentum der geteilten Forderung verletzt, so steht der Schadensanspruch auch wieder allen Teilgläubigern gemeinsam zu. Für unsere Auffassung spricht weiter besonders, daß es sonst ganz an jeder Regel fehlen würde, um diese häufigen Gemeinschaftsfälle zu ordnen. Und endlich würde dieser ganze Abschnitt des Gesetzes dann überhaupt kaum jemals zur Anwendung gelangen, da der andere Hauptfall, das gemeinsame Eigentum, ja schon in den §§ 1008ff. besonders geregelt ist. § 215. Die Selbständigkeit des Teilrechts zeigt sich besonders darin, daß der einzelne darüber gesondert verfügen kann (§ 747 BGB.). Daher kann es auch von seinen Gläubigern zwangsweise verwertet werden. Die anderen Genossen haben kein Recht an diesem Teil, auch kein Vorkaufsrecht. Über den ganzen Gegenstand können nur alle zusammen verfügen. Wenn dabei die Verfügung des einen ungültig ist, so wird dadurch nach der Regel des § 139 BGB. im Zweifel das ganze Geschäft hinfällig 1 6 . Ferner kann jeder sein Teilrecht gegen Dritte geltend machen. Die Geltendmachung des gesamten Rechts steht nur allen zu. Jedoch darf beim Miteigentum jeder einzelne allein vorgehen, freilich nur so, daß er Leistung an alle fordert (§ 1011), er ist also gesamtleistungsberechtigt (I, 708). — Jeder Genosse hat ferner Recht auf Anteil an den Nutzungen entsprechend seinem Anteil (§ 743 BGB.). Auch die Lasten werden i m Zweifel ebenso verteilt (§ 748 BGB.). Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß jeder, der gemeinschafthche Schulden ausgelegt hat, von den übrigen anteilmäßig Ersatz verlangen kann 1 7 . Endlich zeigt sich die Trennung der Anteile auch darin, daß jeder Genosse dem anderen für Verschulden haftet. § 216. Anderseits aber sind die Einzelrechte doch auch durch die Rücksicht auf die Rechte der übrigen Genossen beschränkt. 15

Oben I , 712; H e l l w i g , Lehrbuch des Z i v P r . 3, 1, 110 A n m . 48; M ü l l e r , JheringsJ. 48, 209ff.; L e n t , Gesetzeskonkurrenz 160ff. 16 R G . J W . 1910, 473ff. 17 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 181; O e r t m a n n 1 zu § 748; j e t z t auch Planck.

Rechtsfolgen.

417

Die tatsächliche Benutzung steht dem einzelnen nur insoweit zu, als es die Mitberechtigung der anderen gestattet (§ 743 I I BGB.). Vor allem aber läßt das Gesetz — entgegen dem römischen Recht — zu, daß die Benutzung durch einen Mehrheitsbeschluß geregelt wird (§ 745 BGB.). Dem ist nur die Schranke gesetzt, daß dadurch weder eine wesentliche Veränderung des Gegenstandes herbeigeführt noch einem Genossen sein Anteil an den Nutzungen ohne seine Zustimmung entzogen werden darf (§ 745 I I I BGB.). Anderseits kann es wohl beschlossen werden, daß die Genossen von der unmittelbaren Benutzung völlig ausgeschlossen werden — z. B. wenn die Sache vermietet wird. Liegt ein solcher Beschluß nicht vor, so kann jeder Genosse ohne weiteres die Sache nutzen, soweit die anderen dadurch nicht benachteiligt werden. Die Verwaltung steht, falls nicht anders beschlossen ist, allen gemeinschaftlich zu. Der einzelne kann solche Handlungen nur vornehmen, wenn sie notwendig sind (§ 744 BGB.). Wohl aber kann jeder verlangen, daß die Verwaltung nach billigem Ermessen den Interessen aller entspricht (§ 745 I I BGB.). Jedoch kann das Verwaltungsrecht ebenfalls durch Mehrheitsbeschluß der Genossen anders geregelt werden ; es gelten dafür dieselben Einschränkungen wie vorher. Die Regelung der Nutzung und Verwaltung wirkt auch für und gegen einen Rechtsnachfolger (§ 746 BGB.), beim Miteigentum an Grundstücken bedarf es dazu der Eintragung im Grundbuch (§ 1010 BGB.). § 217. Die Aufhebung der Gemeinschaft kann durch freiwillige Einigung aller Genossen erfolgen. Außerdem aber kann jeder sie jederzeit verlangen. Er hat einen klagbaren Anspruch gegen die übrigen, daß sie ihr zustimmen (§ 749 BGB.). Es handelt sich also um einen Anspruch auf Vertragsschluß — nicht etwa um ein einseitiges Gestaltungsrecht. Es ist daher ungenau, von einer Kündigung zu sprechen (wie §§ 749, 750). Der Anspruch steht jedem Genossen selbständig zu und ist unverjährbar (§ 758). Freilich kann vereinbart werden, daß dieser Anspruch für eine gewisse Zeit ausgeschlossen oder von einer vorherigen Aufkündigung abhängig sein soll. Aber auch dann kann er im Falle eines wichtigen Grundes oder des Todes geltend gemacht werden (§§ 749, 750 BGB.). Die Vereinbarung hat auch hier Wirkung gegenüber den Rechtsnachfolgern (§ 750, vgl. § 1010 BGB.), aber nicht gegenüber einem Gläubiger, der den Anteil gepfändet hat (§ 751 I I BGB.). Über die Art der Teilung können sich die Genossen verstänB i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

27

418

Gemeinschaft.

digen. Für den Fall, daß dies nicht gelingt, kann man ja die teilbaren Sachen in Natur unter die Genossen verteilen; aber bei den unteilbaren muß ein anderer Weg gesucht werden. Nach römischem Recht wurde der Richter ermächtigt, die Verteilung nach seinem Ermessen vorzunehmen. Aber dies erscheint immerhin bedenklich, weil bei der Bewertung der Gegenstände leicht Irrtümer vorkommen können. Deshalb hat es das Gesetz vorgezogen, für diese Sachen eine Versteigerung und Verteilung des Erlöses vorzuschreiben. Allerdings wird bei einer solchen oft nur wenig erzielt werden: aber gerade diese Befürchtung wird die Genossen oft dahin bringen, daß sie sich gütlich einigen. Wenn eine Forderung gemeinschafthch ist, kann deren Einziehung verlangt werden, worauf der erlangte Gegenstand wieder gemeinsam wird (§ 754 BGB.). Der Forderung eines Gläubigers gegen einen Teilhaber ist nicht das Recht einer abgesonderten Befriedigung aus dem gemeinsamen Gegenstand eingeräumt, auch nicht, wenn die Forderung aus dem Gemeinschafts Verhältnis entsprungen ist. Dagegen können die Teilhaber untereinander bei Auflösung der Gemeinschaft verlangen, daß die Gesamtverbindlichkeiten, die alle treffen, aus den gemeinsamen Gegenständen bezahlt werden. Und wenn ein Genosse gegen einen anderen einen Anspruch aus der Gemeinschaft hat, so kann er fordern, daß er aus dem auf den anderen entfallenden Anteile befriedigt werde. Beide Ansprüche können auch gegen einen Sondernachfolger geltend gemacht werden (§§ 755 I I , 756 I I , vgl. § 1010 I I BGB.). Einige von diesen Vorschriften sind auch auf die Fälle der Gesamthand anwendbar. Vor allem gelten auch dort die Bestimmungen über die Auseinandersetzung: für die Gesellschaft mit einigen Abweichungen (§§ 731 ff. BGB.), für die Gemeinschaft der Ehegatten (§ 1477) und Miterben (§§ 2042 I I , 20441). Bei den letzteren sind auch die meisten Vorschriften über die Verwaltung der Gemeinschaft anwendbar (§ 2038 I I ) . Aber das darf doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß während der Dauer der Gemeinschaft beide Rechtsformen grundsätzlich verschiedenartig sind (I, 711, 740ff.). Wir werden daher allen den Auffassungen, die die Unterschiede verwischen, entschieden entgegentreten müssen (oben S. 415). Der Gegensatz ist besonders in der Verschiedenheit der dinglichen Gestaltung enthalten. Zu Unrecht hat man ihn in die schuldrechtlichen Beziehungen der Genossen untereinander verlegen wollen. Gerade diese sind bei den beiden Rechtsformen viel

Geschäftsführung.

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ähnlicher und können durch Vertrag sogar ganz gleichartig gestaltet werden. Aber nach außen ist die Gesamthand viel fester geschlossen und gegen Verfügungen, die die Gesamtinteressen verletzen, geschützt. Zweites Kapitel.

Freiwillige Geschäftsführung. I . Erfordernisse: § 218. Geschäft. § 219. N u r Fürsorge, n i c h t N u t z u n g ; § 220, oder Schädigung. § 221. Fremdes Geschäft: Wille, zu nützen, n i c h t erforderlich; § 222, auch n i c h t ausreichend. § 223. Mehrere Geschäftskreise. § 224. Bewußtsein der F r e m d h e i t ; sog. unechte Geschäftsführung. § 225. Ohne Rechtsbeziehung. § 226. K e i n Rechtsgeschäft. — I I . Verpflichtungen des Geschäftsführers: § 227. Bei der Übernahme. § 228. H a f t u n g dafür. § 229. Bei der Ausführung. § 230. Einschränkungen. — I I I . Verpflichtungen des Geschäftsherren: § 231. Wirklicher u n d mutmaßlicher W i l l e . § 232. W i l l e u n d Interesse. § 233. Zustimmung des Geschäftsherren. § 234. Aufwendungen.

§ 218. Darunter ist die Besorgung von Geschäften zu verstehen, die ohne eine bestimmte Rechtsbeziehung, daher freiwillig erfolgt. Der Ausdruck des Gesetzes „ohne Auftrag" ist schon deshalb ungenau, weil eine Verpflichtung zur Geschäftsführung nicht gerade auf einem Auftrag im Sinne der § 662ff. BGB. zu beruhen braucht und sogar meistens nicht beruht. Aus einer solchen Geschäftsführung können Ansprüche für den Geschäftsherrn oder den Geschäftsführer entspringen. Wenn man nun die Voraussetzungen einer Geschäftsführung bestimmen will, so darf man nur solche aufstellen, die für beide Gruppen von Ansprüchen erforderlich sind. Man muß sich hüten, auch solche Merkmale hier anzuführen, die nur für eine der beiden Seiten verlangt werden. So ist es verkehrt, hier die Nützlichkeit der Geschäftsführung zu nennen, da sie nur für die Ansprüche des Führers, aber nicht die des Herrn erheblich sein kann. Ebenso wäre es unrichtig, die Geschäftsfähig1

R u h s t r a t , Negotiorum gestio; Z i m m e r m a n n , Echte u n d unechte negotiorum gestio, stellvertretende negotiorum gestio; v . M o n r o y , Vollmachtlose Ausübung fremder Vermögensrechte; A a r o n s , Beiträge zur Lehre v o n der negotiorum gestio; W l a s s a k , Zur Geschichte der negotiorum gestio; S t u r m , Negotiun u t i l i t e r gestum, Grundprinzip der negotiorum gestio, Lehre v o n der Geschäftsführung; K o h l e r , JheringsJ. 25, 42ff.; I s a y , Geschäftsführung nach dem B G B . ; B r ü c k m a n n , Geschäftsführung ohne A u f t r a g ; Z i t e l m a n n , ZivArch. 99, 192ff.; S t r e b e r , W i l l e u n d Interesse des Geschäftsherren; L e n t , Begriff der auftraglosen Geschäftsführung; E b b e k e , Recht 1918, 385. 27*

Geschäftsführung.

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keit dahin zu rechnen, da sie umgekehrt nur für die Verpflichtungen des Führers erfordert wird. Das erste Erfordernis ist: es muß ein „Geschäft für einen anderen besorgt" sein (§ 677 BGB.). Über die Bedeutung des Geschäfts herrscht auch hier, wie beim Auftrag (S. 245), lebhafter Streit. Zu eng ist zunächst die Ansicht, daß es sich um eine Handlung von rechtlicher Bedeutung, um eine Einwirkung auf ein Rechtsverhältnis handeln müsse2. Ähnlich wird behauptet, daß sie nicht außerhalb der Rechtssphäre liegen dürfe, wie etwa das Zurückbringen eines fortgewehten Hutes 3 . Aber es ist nicht einzusehen, weshalb nicht auch hier für ein Verschulden bei der Übernahme oder Ausführung gehaftet werden soll. Andere wollen bei dem Geschäft lediglich an eine Tätigkeit von wirtschaftlicher Bedeutung denken 4 . Aber auch diese Einschränkung ist, wie auch beim Auftragsantrag, abzulehnen: sie führt dahin, dem Lebensretter oder dem Arzt, der eine Behandlung freiwillig übernimmt, die Ersatzansprüche abzuschneiden. Und wenn man bei solchen Handlungen eine entsprechende Anwendung der Lehre verteidigt, so hat damit die ganze Unterscheidung ihren praktischen Wert verloren. Anderseits ist es nach anderer Richtung auch wieder zu weitgehend, alle wirtschaftlichen Handlungen hierher zu rechnen. — Nach einer anderen Ansicht ist eine Tätigkeit im fremden Interesse gemeint 5 . Aber dies ist nur richtig für die Ansprüche des Geschäftsführers — während seine Haftung auch aus einer gegen diese Interessen verstoßenden Handlung erwachsen kann 6 . Es wird also hier nur die eine Seite des Rechtsverhältnisses berücksichtigt. Weiter hat man sie als Einwirkung auf fremde Rechte bestimmen wollen 7 . Aber dadurch werden die Fälle, wo die Beziehung auf den Geschäftsherrn sich nur aus der Absicht des Führers ergibt (Führung eines subjektiv-fremden Geschäfts), nicht mit betroffen. Es ist allerdings weiter auch behauptet worden, daß darin nicht oder doch nur unter Umständen eine eigentliche Geschäftsführung liege 8 . Aber dafür fehlt es durchaus am Beweise. 2 8 4 5 6 7 8

A a r o n s a. a. O. E n d e m a n n 1 § 178 A n m . 4 ; B r ü c k m a n n a. a. O. 14. I s a y a. a. O. 43ff.; C o s a c k § 143; O e r t m a n n , Vorbem. 2 vor § 677. M o n r o y a. a. O . ; v . T u h r , A c t i o de i n rem verso 25ff. L e n t a. a. O. 21ff. L e n t a. a. O. l l f f . 34ff. 59ff. L e n t a. a. O. 100; vgl. u n t e n S. 424ff.

Geschäft.

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§ 219. Die herrschende Meinung will von allen solchen Einschränkungen absehen ; sie betrachtet als Geschäft eine jede Handlung, die auf die Interessen des Geschäftsherrn einwirkt. Aber das ist nun wieder viel zu weit gegriffen. Vielmehr bedarf es hier einer Einschränkung, die bisher noch nicht erkannt worden ist. Unter einer Geschäftsbesorgung sind nach meiner Ansicht nur solche Handlungen zu verstehen, die eine F ü r s o r g e enthalten, die zur Erhaltung oder Vermehrung von Rechtsgütern dienen. Für diese Einschränkung spricht schon der Wortlaut des Gesetzes (§ 677). Schon in dem Worte ,,Geschäft" liegt, daß es sich um eine opfervolle Tätigkeit handelt; jedermann weiß, daß man das Geschäft vom Vergnügen unterscheidet. Noch mehr aber betont denselben Gedanken das Wort „besorgen", das deutlich auf die planvolle Fürsorge hinweist. Dasselbe Bild ergeben die römischen Quellen. Sie erwähnen als Geschäftsführung lauter Handlungen, die sich auf Erhaltung von Rechtsgütern beziehen, wie reficere, fulcire, debitum solvere, litem agere 9. Sie bezeichnen als gleichbedeutend mit ihr das suscipere negotiorum administrationem, curam negotiorum mandare, occupatio negotiorum und ähnliche Ausdrücke, die stets die Fürsorge betonen 10 . Endlich ist auch beim Auf tragsvertrag unter dem Geschäft nur eine solche sorgende Tätigkeit zu verstehen (oben S. 245ff.). Dort freilich wird sich das meistens schon daraus ergeben, daß ein Auftraggeber sich regelmäßig nur solche Handlungen ausbedingen wird, die ihm seine Fürsorge abnehmen. Und ebenso wird eine Geschäftsführung, die lediglich im Interesse des Geschäftsherrn unternommen wird, meist nur bei solchen Tätigkeiten vorkommen, die eine Fürsorge für dessen Interessen enthalten. Es scheint daher, als ob dies Merkmal fast immer vorliegen werde und daher keine große Bedeutung habe. Aber es wird sehr bedeutsam bei der Geschäftsführung, die lediglich die eigenen Interessen des Geschäftsführers verfolgt und die man zu Unrecht als unechte bezeichnet. Sie ist nur bei solchen Handlungen gegeben, die zur Erhaltung von Rechtsgütern dienen, wie Bewachen, Ausbessern — aber nicht auch bei solchen, die auf Ausnutzen oder Schädigen gerichtet sind. Dies ist freilich bisher ganz verkannt worden. Man nimmt hier allgemein auch bei den Handlungen letzterer Art, insbesondere bei der Benutzung fremder Sachen und Rechte, eine Geschäftsführung 9 10

B r ü c k m a n n a. a. O. 8. dig. 44, 7, 1. 3. — 40, 4 1. 51 § 1. — 4, 8 1. 15. — 33, 1 1. 13.

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Geschäftsführung.

an. Man hat das Benutzen eines fremden Platzes im Theater oder einer Verkehrsanstalt als Geschäftsführung bezeichnet 11 , das Einziehen fremder Forderungen 12 , die Aneignung von Waren, die an eine andere Stelle geliefert werden sollten 13 . Vor allem ist die mißbräuchliche Benutzung einer fremden Erfindung 1 4 , eines Musters 15 oder Kunstwerks 16 und unerlaubter Nachdruck 17 fortwährend als Geschäftsführung behandelt worden — und wo man es (bei Warenzeichen) abgelehnt hat, ist es mit anderer Begründung geschehen 18 . Dabei ist besonders bezeichnend, daß selbst die gegen die obigen Entscheidungen eingelegten Revisionen gegen die Anwendung des Geschäftsführungsrechtes nichts einzuwenden wußten. So sehr haben sie im Banne dieser allgemeinen Auffassung gestanden. Und doch sind die Folgen unhaltbar. Hiernach würde der unberechtigte Benutzer fremder geistiger Güter nicht nur auf Schadensèrsatz haften, sondern außerdem auch zur Herausgabe des durch den Gebrauch erzielten Gewinnes verpflichtet sein 1 9 : denn was aus der Geschäftsführung erlangt ist, muß an den Geschäftsherrn abgeliefert werden (§ 681 I I BGB.). Schon diese Folgerung erscheint sehr bedenklich: es besteht die Gefahr, daß der wahre Berechtigte in Ruhe abwartet, bis der Gegner mit der Erfindung viel Geld verdient hat, und es ihm dann entreißt. Immerhin kann man darüber zweifelhaft sein, ob nicht nach § 35 des Patentgesetzes und § 18 des Urhebergesetzes ein solcher Anspruch gerechtfertigt ist. Aber nach der Begründung der Gegner müßte dasselbe auch bei der Benutzung fremder Sachen gelten. Wer unter Mißbrauch eines fremden Fernsprechers, Autos oder Fahrrades Geschäfte abschließt, müßte deren Eigentümer den dabei gemachten Gewinn herausgeben. Wer mit meinem Gelde Geschäfte macht, müßte mir deren Erlös abhefern. Es würde sich daraus im weitesten Umfange eine Ersatzberechtigung (sog. Surrogation) ergeben, wonach dem Eigentümer einer Sache der damit erzielte Gewinn zufällt. Ein solcher n K o h l e r , JheringsJ. 25, 124. 12 SeuffA. 37, 308. 40, 103. 18 R G . 100, 145; richtiger R G . 92, 203. 14 R G . 37, 41 ff. 43, 56. 70, 249. 83, 42. 15 R G . 84, 49. 16 R G . 84, 150. 17 R O H G . 22, 338; R G . 35, 63. 18 R G . 47, 100. 58, 323. 83, 42. 19 Über den Unterschied zwischen beiden Ansprüchen I , 137ff.

Geschäft.

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Grundsatz ist aber unserem Rechte durchaus fremd. Dies beweisen am deutlichsten die Sondervorschriften, die es ausnahmsweise für einige bestimmte Fälle, nämlich den Erwerb mit Mitteln der Ehefrau und der Kinder bestimmen (§§ 1381, 1646 BGB.). Ja, dasselbe müßte auch dann gelten, wenn die Sachen dem Geschäftsherrn nicht zu Eigentum gehören, sondern nur erst geschuldet werden. Denn immerhin wird doch auch dann schon in seine Vermögensrechte eingegriffen. Daher müßte auch ein Verkäufer oder Vermieter eines Autos oder Schuppens, der die Lieferung verzögert, allen Verdienst, den er noch damit erzielt, an den Käufer oder Mieter herausgeben. Und selbst der Geldschuldner, der nicht rechtzeitig bezahlt, würde auf das, was er damit noch verdient, haften. Er würde daher auch sofort zur Zahlung von Zinsen verpflichtet sein (§§ 668, 681 BGB.) — während diese doch erst von Verzug oder Rechtshängigkeit an laufen. Alle diese Folgerungen sind ganz unannehmbar und werden sicherlich von niemandem vertreten. Daraus folgt aber, daß ein Eingriff in fremdes Vermögen durch mißbräuchliche Benutzung keine Geschäftsführung enthält — auch nicht, wenn er bewußt erfolgt. Dazu reicht eben nicht eine jede Handlung aus, die ein fremdes Vermögen berührt, sondern es muß eine Tätigkeit fürsorgender Natur sein. § 220. Nach der Gegenansicht müßte ebenso eine Handlung genügen, die das Vermögen des Geschäftsherrn beschädigt. Aber auch das ist unhaltbar. Denn danach würde z. B., wer den Angestellten des A verletzt, da er doch bewußt auf das Vermögen des A einwirkt, diesem als Geschäftsführer haften. Das aber stände im starken Widerspruch mit dem feststehenden Rechtssatz, daß eine solche Beschädigung fremden Vermögens, auch wenn sie schuldhaft ist, noch nicht verpflichtet (unten § 291). Wer durch Fahrlässigkeit einem Konkurrenten die Zufahrt zu einem von ihm gemieteten Schuppen absperrt, haftet diesem nicht auf Schadensersatz. Auch wer den Erwerb eines Patents verhindert, ist nicht Geschäftsführer und dafür haftbar 20 . Vor allem aber ist es unhaltbar, hierüberall einen Anspruch auf das dadurch Erlangte zu gewähren. Wer Geschäfte macht, die einem andern vorbehalten sind, kann nicht auf den daraus erzielten Gewinn verklagt werden. Allerdings hat das Reichsgericht einer Firma, der die Einfuhrbefugnis im Kriege zustand, einen solchen Anspruch gegen einen Zuwiderhandelnden 20

R G . 83, 42.

Geschäftsführung.

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zugesprochen 21. Aber gerade hier zeigt sich, wie bedenklich diese Auffassung ist. Man müßte den gleichen Anspruch auf den Gewinn auch dann geben, wenn jemand seine Geschäfte über die vereinbarten Grenzen ausdehnt. Wenn z. B. ein Vertreter außerhalb seines Bezirks Autos verkauft, so könnte der dadurch geschädigte Konkurrent die ganzen Gewinne in Anspruch nehmen. Er könnte daher auch jahrelang warten und Material sammeln, um dem anderen dann mit einmal den Verdienst seiner ganzen Arbeit zu entreißen. Fast ebenso bedenklich ist es auch, in allen diesen Fällen einen Anspruch auf Rechenschaft anzuerkennen. Endlich kann in ihnen auch nicht ein Gegenanspruch des Geschäftsführers auf Ersatz seiner Aufwendungen zugelassen werden. Allerdings ist er bei der eigennützigen Geschäftsführung ohnehin nur auf die Bereicherung beschränkt (§§ 687II, 684 BGB.). Aber selbst in diesem Umfange ist er nicht berechtigt. Wer bewußt ein fremdes Auto benutzt, darf von dem Berechtigten nicht die Erstattung seiner Kosten fordern : auch dann nicht, wenn diesem dadurch ein Vorteil erwächst, weil die Maschine z. B. dadurch auf die ersten 1500 km eingefahren wird. Wer in eine fremden Wohnung unberechtigt einzieht, kann die Umzugs- und Heizungskosten auch dann nicht ersetzt verlangen, wenn diese durch das Trockenwohnen wertvoller geworden ist. Dies alles bestätigt unsere Ansicht, daß zur Geschäftsführung nicht jede Einwirkung auf fremde Interessen genügt, sondern daß es sich um eine für sorgende Tätigkeit handeln muß. § 221. Das Geschäft muß ein fremdes sein. Diese Beziehung zu einer fremden Person kann sich schon aus der Sachlage ergeben, so wenn ich einen Menschen verpflege oder eine ihm gehörige Sache ausbessere — ein objektiv fremdes, auf deutsch : ein sachlich fremdes Geschäft. Oder das Geschäft selbst enthält eine solche Beziehung noch nicht, sondern diese Beziehung wird nur künstlich durch den Willen des Geschäftsführers geschaffen: z.B. wenn jemand im Interesse eines anderen etwas einkauft — subjektiv fremdes oder fremdgewolltes Geschäft. Hier muß dieser Wille nach außen hervortreten 22 . Daß es diese beiden Arten eines fremden Geschäfts gibt, wird allseits anerkannt. Doch ist vereinzelt behauptet worden, daß das subjektiv-fremde Geschäft nur insoweit i n Betracht komme, als es unmittelbar gegen den Geschäftsherrn wirke 2 3 . 21 22 28

R G . 100, 142. Motive 2, 855; B r ü c k m a n n a. a. O. 51 ff. L e n t a. a. O. 68ff.

Fremdes Geschäft.

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Aber das ist nicht erwiesen: und ebensowenig die Annahme, daß in den anderen Fällen die Vorschriften über Geschäftsführung nur entsprechend anzuwenden seien. Dies ist überdies belanglos, da zwischen einer unmittelbaren und entsprechenden Anwendung gar kein sachlicher Unterschied besteht. I m übrigen herrscht hier allgemeine Übereinstimmung. Und dennoch liegt dieser herrschenden Lehre ein Fehler zugrunde, der mit dem vorher besprochenen eng zusammenhängt. Sie glaubt, daß ein fremdes Geschäft ein solches sei, das im fremden Interesse geführt werde. Danach wäre ein subjektivfremdes Geschäft ein solches, bei dem der Geschäftsführer den Nutzen des anderen bezweckt. So wird es in der Tat allgemein bestimmt 2 4 . Besonders wird auch in den Fällen, wo die eigenen und fremden Interessen nebeneinander stehen, überall betont, daß es darauf ankomme, welchen der Geschäftsführer vorwiegend genügen wollte 2 5 . Aber das ist unrichtig. Auf die Absicht des Führers, dem Herrn zu n ü t z e n , kommt es nicht an. Sein Wille kömmt nur insoweit in Betracht, als er bei einer mehrdeutigen Handlung bestimmt, auf wessen Rechtskreis sie wirken soll. Maßgeblich ist also der Wille über die Richtung des Geschäfts, aber nicht der, wem es nützen soll. Beim Einkauf von Waren entscheidet also die Absicht des Geschäftsführers darüber, in wessen Vermögen sie kommen sollen, aber nicht darüber, zu wessen Vorteil dies dienen soll. Die Absicht, dem anderen zu nützen, ist zunächst nicht erforderlich : die Handlung kann vielmehr ganz überwiegend zum eigenen Nutzen ausgeführt werden. Wer für seinen Freund Wein einkauft, ist auch dann Geschäftsführer, wenn ihn hierbei wesentlich die Aussicht bestimmte, von ihm dazu eingeladen zu werden. Wenn der Vater für sein verletztes K i n d sorgt, so tut er das sicherlich weitaus in erster Linie aus seinem eigenen Interesse, das Elternliebe und -pflicht erzeugen: und dennoch hat er gegen den Verletzer einen Aufwendungsanspruch aus Geschäftsführung 26. Wer eine fremde Schuld bezahlt, um seine eigene Sache frei zu machen 27 oder sich von seiner Mithaftung zu befreien 28 oder die haftende Pfandsache zu erwerben 29 , ist Geschäftsführer, obwohl er dabei seine 24 25 28 27 28 2β

Z. B . E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 162. Insbesondere K o h l er a. a. O. 11 I f f . R G . J W . 1909, 137. 1910, 389; W a r n e y e r 1909 N r . 86. Cod. 2, 18 o. 3. dig. 3, 5 1. 29. dig. 3,5 1. 31 pr.

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Geschäftsführung.

eigenen Zwecke verfolgt. Besonders anschaulich ist letzteres bei dem Gefangenen, der, um frei zu werden, auch für einen anderen mitbezahlen muß 3 0 . Weil die eigennützige Absicht hier überaus klar ist, haben manche Juristen hier die Geschäftsführung verneinen und stattdessen einen Anspruch aus Gemeinschaft geben wollen 3 1 — was aber den Quellen durchaus widerspricht 32 . Hier zeigt sich besonders deutlich, daß die Absicht des eigenen Vorteils die Geschäftsführung nicht ausschließt33. Dagegen läßt sich auch nicht etwa einwenden, daß dann eine sogenannte unechte Geschäftsführung (§ 677 I I BGB.) vorliege. Denn diese erfordert ein unredliches Handeln und ist überdies auch gar nicht von der sonstigen Geschäftsführung verschieden (unten S. 429). — Gegenüber diesen Bedenken hilft sich die herrschende Lehre mit der Wendung, daß ein objektives fremdes Geschäft ohne weiteres, auch trotz entgegenstehenden Willens des Führers, als fremd anzusehen sei. Aber dies dürfte nicht folgerichtig sein. Wenn der Wille des Geschäftsführers, einem Fremden zu nützen, ausreicht, um das Geschäft zum fremden zu machen, so müßte auch sein eigennütziger Wille umgekehrt genügen, um ein fremdes Geschäft zum eigenen zu stempeln. Vielmehr erklären sich die obigen Entscheidungen so, daß alle diese Handlungen das Vermögen des anderen betreffen und daß dies auch dem Willen des Führers entspricht. § 222. Wie der Wille, dem anderen zu nützen, zur Geschäftsführung nicht nötig ist, so reicht er anderseits auch dazu nicht aus. Ein Geschäft, das nicht die Fürsorge für einen Rechtskreis betrifft, wird nicht schon dadurch zum fremden, daß ich dabei lediglich oder ganz überwiegend von dem Wunsche, ihm zu nützen, geleitet werde. Der Vermieter läßt das Haus anstreichen, um seinen Mietern eine Freude zu bereiten, jemand reißt eine alte Wand ab, um seinem Nachbarn gefällig zu sein. Dennoch bedeutet das nicht ein fremdes Geschäft. Selbst das ändert daran nichts, daß der Nachbar dadurch auch einen wirklichen Vorteil erlangt; denn es bleibt darum doch wahr, daß dieser nur mittelbar eintritt und daher von dem Hauptcharakter des Eigengeschäfts zurückgedrängt wird 3 4 . Es zeigt sich somit, daß der Wille, der das Geschäft zum 30 81 82 88 84

dig. 3, 5, 1. 20. J h e r i n g , Jahrb. 10, 334ff. W i n d s c h e i d § 431 A n m . 13a. W i n d s c h e i d § 431, 4. K ö h l e r a. a. O. 113ff.

Fremdes Geschäft.

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subjektiv fremden macht, wieder nicht der Wille ist, dem anderen zu nützen, sondern der Wille, auf seinen Rechtskreis (Vermögen oder Person) einzuwirken. Wenn jemand Wein einkauft, um ihn seinem Freunde zu überlassen, so handelt er als Geschäftsführer : kauft er dagegen, um ihn dazu einzuladen, so ist er es nicht, auch wenn er ganz allein i n dessen Interesse handelt. Wer ein von A gemaltes Bild für die städtische Sammlung ankauft, ist Geschäftsführer der Stadt und nicht des A — obschon er dabei vielleicht nur dessen Förderung bezweckte. § 223. Hiernach wird auch in den Fällen, wo mehrere Interessen in Betracht kommen, nicht maßgebend sein, wem der Geschäftsführer nützen, sondern auf welchen Rechtskreis er einwirken wollte. Es sind hier wesentlich zwei verschiedene Gruppen von Fällen zu unterscheiden. 1. Neben der Geschäftsführung besteht noch ein andersartiges Pf licht Verhältnis des Geschäftsführers. Wenn ein Arzt von einem Gastwirt zur Behandlung eines erkrankten Gastes herbeigerufen wird, so wird er teils in Erfüllung des Dienstvertrags, teils als Geschäftsführer für den Gast tätig. Durch die erste Verpflichtung wird die Geschäftsführung nicht ausgeschlossen35. Das ändert sich auch dann nicht, wenn diese Pflicht des Geschäftsführers auf Gesetz beruht. Der Vater oder Ehemann, der für sein verletztes K i n d oder seine Frau sorgt, tut dies kraft seiner gesetzlichen Verpflichtung — und doch ist er zugleich als Geschäftsführer für den Verletzer oder die Krankenkasse zu betrachten 36 . Ebenso kann der Staat, der als Kirchenpatron eine durch Brand beschädigte Kirche ausbessert, sich als Geschäftsführer an den Täter halten 3 7 . Eine Stadt, die Fürsorgezöglinge verpflegt, ist Geschäftsführer für den Provinzialverband, obwohl sie damit auch ihrer eigenen Verpflichtung zur Armenfürsorge genügt 38 . — Immer aber ist dabei vorausgesetzt, daß die eigene Verpflichtung des Geschäftsführers durchaus in zweiter Linie steht. Daher hegt keine Geschäftsführung vor, wenn er eine gleichartige eigene Schuld erfüllt. So wenn einer von mehreren Gesamtschuldnern die gemeinsame Schuld bezahlt ; diesen Fall regelt das Gesetz in anderer Weise, nämlich durch gleichmäßige Verteilung (§ 426 BGB.). 35 36 37

•8

dig. RG. RG. RG.

3, 5 1. 3 § 11, 1. 5 § 6, 1. 45. J W . 1909, 137. 1910, 389; W a r n e y e r 1909 N r . 86 u n d anderswo. 82, 206; SeuffA. 68 N r . 212. 75, 283.

Geschäftsführung.

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Dagegen handelt ein Zweitschuldner, z. B. ein Bürge allerdings als Geschäftsführer, wenn er die Hauptschuld zahlt, ebenso die geschiedene Ehefrau, die dem gemeinsamen Kinde Unterhalt gewährt 39 , der Unterhaltspflichtige gegenüber dem, der den Unterhaltsberechtigten durch Unrechtshandlung verletzt hat. Sehr streitig war, ob hiernach der öffentliche Armenverband wegen seiner Ausgaben gegen die unterhaltspflichtigen Verwandten vorgehen kann 4 0 . Die Frage ist jetzt aber wesentlich dadurch entschieden, daß das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz i n seiner Fassung vom 30. Mai 1908 einen Anspruch gegen die Verwandten zubilligt. 2. Es liegt lediglich eine Führung fremder Geschäfte vor, die aber die Rechtskreise verschiedener Personen berührt. Das ist zunächst in der Weise möglich, daß sie alle annähernd gleichmäßig betroffen werden. Es wird eine Kolonne zur Rettung verschiedener Personen oder mehrerer Sachen, die verschiedenen gehören, ausgesendet. Hier ist eine Geschäftsführung und der daraus hervorgehende Anspruch gegenüber allen diesen Geschäftsherren gegeben. Anders aber, wenn dadurch in erster Linie nur der Kreis des einen berührt wird. Wenn der Arzt für einen Verletzten tätig wird, so handelt er dabei ganz überwiegend für diesen. Zwar werden dadurch auch noch andere mit betroffen, so der Verletzer, die Versicherungsanstalt, der Dienstherr oder Mieter des Verletzten. Aber diese stehen doch so sehr zurück, daß man sie nicht als Geschäftsherrn ansehen kann. Besonders häufig kommt es vor, daß ein Vater aus Lieferungen an seinen Sohn, ein Ehemann aus solchen an seine Frau belangt wird. Ist z. B. der Vater dem haftbar, der seinem Sohn Wohnung oder Essen liefert ? Man wird hier wohl unterscheiden müssen. Für ein K i n d zu sorgen ist zunächst Sache des Vaters: hier handelt es sich also um seine Angelegenheit. Dagegen ist es bei einem erwachsenen Sohn anders, obschon der Vater auch hier zum Unterhalt verpflichtet ist. Noch weniger wird man darin eine Geschäftsführung für solche Personen sehen können, die sich lediglich durch Vertrag zur Versorgung des Betreffenden verpfhchtet haben. § 224. Das Geschäft muß nicht nur ein fremdes sein, sondern der Geschäftsführer muß sich auch dessen b e w u ß t sein. Wenn er glaubt, für seinen eigenen Rechtskreis zu handeln, so liegt eine 89 40

SeuffA. 64 N r . 69. Ausführliche Angaben bei O e r t m a n n , Vorbem. 5 vor § 677.

Bewußt fremd.

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Geschäftsführung nicht vor (§ 687 I BGB.). Besonders ist, wer gutgläubig fremde Sachen besitzt und an ihnen Veränderungen oder Verbesserungen vornimmt, nicht als Geschäftsführer zu behandeln. Vor allem ist er dafür nicht haftbar, auch nicht im Talle eines Verschuldens (§ 993 BGB.). Er kann die fremden Sachen sogar zerstören oder wegwerfen und er haftet doch nicht — auch nicht, wenn er sowohl beim Erwerb der fremden Sache als auch bei der Zerstörung schuldhaft gehandelt hat. Anderseits sind auch seine Gegenansprüche wegen Aufwendungen abweichend von denen des Geschäftsführers geregelt (§§ 994ff. BGB.). Wohl aber genügt es, daß der Geschäftsführer sich der Fremdwirkung seiner Handlung bewußt ist 4 1 . Allerdings steht auch hier die herrschende Lehre auf einem anderen Standpunkt : auf Grund der vorher (S. 425 ff.) dargestellten Auffassung fordert sie, daß der Geschäftsführer im Interesse des Geschäftsherrn handelte. Wenn er seinen eigenen Vorteil verfolgt, so soll nur eine ,,unechte" Geschäftsführung vorliegen 42 . Diese ganze Unterscheidung hat man den römischen Quellen entnommen. Aber sie geben ein völlig anderes Bild. Die Hauptstelle 43 sagt, daß, obschon der Führer hier zu seinem eigenen Vorteil handelt, ,,nihilo minus imno magis et is tenbitur negotiorum gestorum actione" : er haftet trotzdem um so mehr als Geschäftsführer. Hiermit, besonders mit dem imno magis, ist die herrschende Auffassung ganz unvereinbar. Es handelt sich durchaus nicht um eine bloße Nebenform, die der Geschäftsführung eben noch gleichgestellt wird, sondern umgekehrt um einen Fall, der erst recht die Haftung aus Geschäftsführung begründet. Daraus muß man folgern, daß der Wille, dem Herrn zu nützen, nicht erforderlich ist. Auf dieser Grundlage ist auch der § 687 I I BGB., der aus diesem römischen Recht entnommen ist, auszulegen. Er sagt: wer ein fremdes Geschäft ,,als sein eigenes behandelt, obwohl er weiß, daß er nicht dazu berechtigt ist", unterliegt den Ansprüchen aus §§ 677, 678, 681, 682. Daß das kein Fall wirklicher Geschäftsführung sei, ist daraus nicht zu entnehmen : vielmehr ist auch das Gegenteil durchaus möglich. Allerdings hat man dagegen gefragt, wozu es dann einer besonderen Vorschrift bedurfte. Aber sie war nötig, 41

I s a y a. a. O. 97ff.; B r ü c k m a n n a. a. O. 39ff.; meine K r i t i k K r V S c h r . 44, 417. 42 Herrschende Lehre, begründet v o n Z i m m e r m a n n , Echte u n d unechte negotiorum gestio. 43 dig. 3, 5, 1. 5 § 5.

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Geschäftsführung.

um den Gegensatz zu den Fällen des Absatz I zu betonen, und deshalb, weil die Gegenansprüche hier herabgesetzt werden. Anderseits spricht für unsere Auffassung eben das, daß diese Fälle wesenthch ebenso wie die der wohlwollenden Geschäftsführung behandelt werden. Auch hier ist der Führer denselben Ansprüchen unterworfen. Anderseits hat er auch die gleichen Gegenansprüche. Wenn der Nachsatz diese auf die Bereicherung beschränkt, so erklärt sich das vollauf daraus, daß einem unredlichen Eingreifer zur Strafe die weitergehenden Rechte entzogen werden sollen. Denn nur ein solcher ist hier gemeint, ebenso wie in der entsprechenden Digestenstelle (depraedandi causa, improbe accessit) : es genügt nicht, daß der Führer aus eigensüchtigen Zwecken gehandelt hat (oben S. 426). So enthält die ganze Vorschrift nichts weiter, als daß die Gegenansprüche eines unredlichen Führers auf die Bereicherung eingeschränkt werden; im übrigen greifen hier durchaus alle Regeln der Geschäftsführung ein. Man hat freilich noch einen weiteren Unterschied darin finden wollen, daß der Führer die Gegenansprüche nur dann erheben könne, wenn der Herr seinerseits Ansprüche erhoben habe. Dies scheint zwar dem Wortlaut des Gesetzes zu entsprechen, aber es ist doch gar zu widersinnig 44 . Schon aus den allgemeinen Regeln des Ausgleichsrechts (§§ 812 ff. BGB.) ergibt sich, daß der Geschäftsherr das, worum er zufälhg bereichert ist, herausgeben muß. Vor allem ist gar nicht einzusehen, weshalb der Anspruch des Geschäftsführers von dem ganz zufälligen Umstände abhängig sein soll, ob der Geschäftsherr gerade auch einen Anspruch gegen ihn hat. Auch i n diesem Falle des § 687 I I BGB. muß es sich um ein Geschäft handeln, das in den Rechtskreis des Geschäftsherrn eingreift. Das ist z. B. auch dann der Fall, wenn er als dessen Vertreter ohne Vollmacht ein Geschäft abschließt. Anders aber, wenn er sich selbst fälschlich für den Geschäftsherrn ausgibt: dies berührt den anderen gar nicht und ist daher nicht als sein Geschäft anzusehen. Die entgegengesetzte Annahme, daß dieser dennoch Ansprüche aus Geschäftsführung erheben könne 45 , mag i n dem dort angenommenen Falle, wo ein Angestellter statt seines Dienstherrn auftritt, haltbar scheinen (obwohl die Frage sich hier schon durch den Anspruch aus dem Dienstvertrage erledigt). Sehr 44

R i c h t i g O e r t m a n n 3 zu § 687; B r ü c k m a n n a. a. O. 226. L e h m a n n bei E n n e c c e r u s § 165 A n m . 2; Grundriß des A l l gemeinen Teils 275; O e r t m a n n 3 zu § 687. 45

Freiwillig.

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seltsam aber müßte die gleiche Entscheidung dann erscheinen, wenn der Geschäftsführer sich den Namen irgendeines ihm fremden Mannes angeeignet hätte. Wenn ein Schwindler Geldgeschäfte unter irgendeinem adligen Namen macht — sollte dessen wirklicher Träger dann Herausgabe der erzielten Gewinne fordern können? § 225. Die Geschäftsführung muß ferner eine freiwillige sein. Sie darf nicht auf einer anderweiten Rechtsbeziehung beruhen; der Führer muß handeln „ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein" (§ 677 BGB.). Diese Beziehung wird nur selten ein Auftrag sein — weshalb die gesetzhche Beziehung irreführend ist —, sondern meistens ein Dienst- oder Werkvertrag, elterliche Gewalt oder Amt. Wenn der Geschäftsführer gegenüber dem einen i n einer solchen Beziehung steht, kann sie sich doch einem anderen gegenüber als Geschäftsführung darstellen (oben S. 427). Wenn er nur aus Irrtum glaubt, daß eine solche Beziehung bestehe, so wird die Geschäftsführung dadurch nicht verhindert 46 . Dafür spricht, daß sie auch bei einem Irrtum über die Person des Herrn nach § 686 BGB. vollgültig ist. Es gibt Rechtsverhältnisse, die zur Besorgung eines Geschäfts nur berechtigen, aber nicht verpflichten, z. B. ein Auf tragsvertrag, der diese Verpfhchtung ausdrücklich ausschließt. Auch wenn ein solches vorliegt, ist eine selbständige Geschäftsführung nicht gegeben. Denn das Gesetz (§ 677) sagt ausdrücklich „ohne ihm gegenüber dazu berechtigt zu sein"; ja man hat die Fassung des ersten Entwurfs „ohne dessen Auftrag und ohne Amtspflicht" geflissentlich in dieser Weise geändert. Danach ist wohl nicht zu bezweifeln, daß es auf die Berechtigung, nicht etwa auf die Verpflichtung zur Geschäftsführung ankommt, und daß schon die erstere die Anwendung dieser Lehre ausschließt. — Hiernach scheint es, als ob sie auch bei einer einseitigen Ermächtigung zur Besorgung unanwendbar sei, und i n der Tat wird dies allgemein angenommen47. Man beruft sich insbesondere auch darauf, daß der Geschäftsführer hier nicht nur im Falle einer nützlichen Führung, sondern schlechthin Ersatz seiner Aufwendungen verlangen könne. Dies ist richtig, erklärt sich aber daraus, daß diese 48

R G . 90, 215; GruchBeitr. 52, 1002; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 162 A n m . 7. — Anders R G R K . 2 zu § 686; S t a u d i n g e r 2 zu § 686. 47 Z. B . K i p p bei W i n d s c h e i d 3 zu § 430 u n d eingehend L e n t a. a. Ο. 161ff.

Geschäftsführung.

432

vorherige Zustimmung ebenso wie die nachträgliche Genehmigung (§ 6842 BGB.) die Nützlichkeit der Aufwendungen ersetzt (unten S. 445). Dagegen sprechen andere Gründe durchaus dafür, auch hier die Lehre der Geschäftsführung anzuwenden. Von großem Gewicht erscheint es uns, daß die römischen Juristen, die doch diesen Begriff geschaffen haben, in diesem Sinne entscheiden 48 . Sodann wäre es überaus unbefriedigend, den Fall ohne jene Vorschriften zu regeln. Der zur Führung Ermächtigte würde alsdann durch die Geschäftsführung nicht verpflichtet: er könnte nur nach dem Recht der Unrechtshandlungen haftbar gemacht werden, also nicht für fahrlässige Vermögensschädigung. Anderseits hätte er auch keinen Ersatzanspruch für seine Aufwendungen, da aus einer einseitigen Ermächtigung ja keine Verpflichtungen entspringen (§ 305 BGB.). Alles dies ist so verkehrt, daß wir den nur einseitig Ermächtigten auch mit dem Rechte der Geschäftsführung unterstellen müssen. Die Abgrenzung ist also daraus zu gewinnen, ob eine Regelung der zugrunde liegenden Beziehungen erfolgt war oder nicht. Sie wird meist durch einen Vertrag getroffen werden, doch reicht ebenso auch eine gesetzliche Regelung, z. B. bei Eltern und Ehegatten, aus. Eine bloße Ermächtigung, die das Pflichtenverhältnis der Parteien nicht regelt, ist aber nicht genügend. Eben daß eine solche rechtliche Regelung nicht vorliegt, soll durch unsere Beziehung „freiwillige" Geschäftsführung ausgedrückt werden. Wenn dagegen eine anderweite Ordnung erfolgt ist, so sind deren Regeln maßgebend, z . B . wenn ein Gemeinschaf ter im allgemeinen Interesse handelt. Soweit er aber über seine bestehenden Pflichten hinausgeht, ist er als Geschäftsführer anzusehen49. § 226. Endlich fragt sich, ob die Geschäftsführung ein Rechtsgeschäft darstellt und daher dessen Erfordernisse vorhegen müssen. Die herrschende Lehre nimmt mit Recht an, daß die Führung als solche nicht die Natur eines Rechtsgeschäfts habe, sondern nur einer bloßen Rechtshandlung. Aber es finden sich auch abweichende Meinungen 50 . Die Abgrenzung zwischen beiden Arten von Handlungen haben wir darin gesehen, daß das Rechtsgeschäft auf den Schutz der Rechtsordnung berechnet ist, während die 48

dig. 3, 5, 1. 30 pr., 1. 5 p r . ; W i n d s c h e i d § 430 A n m . 18. R G . 63, 280ff. 50 Z i m m e r m a n n a. a. O. 7; E n d e m a n n § 178; H e l l m a n n , JheringsJ. 42, 441; SächsArch. 14, 534ff. 49

Rechtshandlung.

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Rechtshandlung auch ohne eine solche eigene Bedeutung hat (I, 260ff.). Der Schutz der Güter, den die Geschäftsführung enthält, ist nun an einen solchen Rechtsschutz nicht geknüpft. Die Heilung eines Kranken, die Ausbesserung eines Hauses sind Handlungen von eigenem Wert. Auch das ändert nichts daran, daß sie für einen anderen vorgenommen werden. Auch bevor eine Lehre der Geschäftsführung entstand, hat es barmherzige Samariter gegeben. Man könnte einwenden, daß zur Geschäftsführung das Bewußtsein der Fremdheit gehöre (S. 428), also ein Begriff von rechtlichem Inhalt. Aber auch diese Vorstellung ist nicht erst durch die Rechtsordnung geschaffen worden. Daß der Körper und die Familie eines anderen für mich fremd sind, das brauche ich nicht erst durch die Rechtssetzung zu erfahren. Daher sind denn auch die Regeln über das Rechtsgeschäft nicht oder doch nur teilweise anwendbar. Die Verpflichtungen des Geschäftsführers sind nach § 682 BGB. von seiner Geschäftsfähigkeit abhängig. Doch gelten auch hier nicht dieselben Regeln wie für die Rechtsgeschäfte der nicht Geschäftsfähigen. Denn hier reicht die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht aus, um den Minderjährigen zu verpflichten. Allerdings wird wohl allgemein die Gegenansicht verteidigt 51 , aber schwerlich mit Recht. Wenn ein Vater seinem 13jährigen Jungen erlaubt, bei einem Brande zu retten, so kann daraus noch nicht geschlossen werden, daß dieser für die Fehler, die er dabei macht, haften soll. Daß diese Zustimmung bei einem Rechtsgeschäft genügt, rechtfertigt sich lediglich deshalb, weil dieses für den Mündel vorteilhaft sein kann und dann soll wirksam gemacht werden können. Ganz anders aber hier, wo es sich nur um die Haftung dreht. Hier liegt die Analogie der Unrechtshandlungen viel näher, und darum verweist auch § 682 auf sie. Bei diesen aber wird der jugendliche, noch nicht verantwortliche Täter auch dadurch nicht haftbar, daß ihm sein Vater die gefährliche Tätigkeit, z. B. das Rodeln, erlaubt hat. Die Gegner berufen sich darauf, daß der minderjährige Vertreter, der ohne Vertretungsmacht abschließt, hierfür nach § 179 I I I BGB. dann haftet, wenn der Vater zugestimmt hat. Aber dort liegt der Fall ganz anders: dort bezieht sich die Zustimmung gerade auf eben die Handlung, die die Rechtsverletzung 51

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 163; P l a n c k zu § 682; O e r t m a n n 1 zu § 682; K l e i n , ÖstZBl. 28, 651, Rechtshandlungen 92 u n d Angeführte; L e n t a. a. O. 52ff. B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

28

Geschäftsführung.

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enthält — nämlich den Abschluß ohne Vollmacht. Dagegen hat der Vater in den vorher genannten Fällen nur der Geschäftsführung, aber nicht der dabei begangenen Schädigung seine Zustimmung erteilt. Auch sonst sind die Bestimmungen der Rechtsgeschäftslehre nicht anzuwenden. Die Geschäftsführung ist nicht wegen Irrtums anfechtbar. Für den Irrtum über die Person des Herrn ist das ausdrücklich bestimmt 5 2 ; es muß aber auch für den Irrtum über die Sache oder deren wesentliche Eigenschaften gelten. Von Unsittlichkeit, Bedingung, Vertretung kann hier keine Rede sein. Der Wille, Erstattung zu verlangen, braucht beim Geschäftsführer nicht vorhanden zu sein. Freilich schließt das Gesetz seinen Erstattungsanspruch dann aus, wenn er die Absicht des Ersatzes nicht gehabt hat (§ 685). Aber es ist eben nur dieser eine Anspruch, der hier fortfällt, und zwar weil er darauf verzichtet hat 5 3 . Die Geschäftsführung selbst bleibt bestehen — wie daraus erhellt, daß der Geschäftsführer auch hier verpflichtet bleibt. — § 227. Die Verpflichtungen des Geschäftsführers erwachsen zunächst aus seinem Verhalten bei der Übernahme des Geschäfts (§ 678 BGB.). Schon bei dieser soll er sorgfältig handeln, er soll sich nicht schuldhaft in fremde Dinge einmischen und ist für ein solches Verschulden haftbar. Dies Verschulden bei der Übernahme ist von dem bei der späteren Ausführung zu unterscheiden: es verhält sich zu ihm ebenso wie das Verschulden beim Vertragsschlusse zu dem bei der Erfüllung des Vertrages. Maßgeblich ist nun, ob sein Verhalten gegen den Willen des Geschäftsherrn verstößt. Denn das Gesetz stellt es darauf ab, ob die Übernahme ,,mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch" steht und der Führer dies erkannte oder erkennen mußte. Er haftet also nicht, wenn der Herr damit einverstanden war, gleichviel, ob er es nachträglich genehmigte (§ 684 BGB.) oder vorher einwilligte (unten S. 445). Sonst muß er danach forschen, ob dem Herrn die Übernahme erwünscht ist. Es genügt nicht, daß diesem überhaupt die Herbeiführung des Erfolges erwünscht ist, sondern es muß ihm auch recht sein, daß der Geschäftsführer sie übernimmt. Es kann wohl sein, daß der Hausherr die Anlegung einer Grotte in seinem Garten wünscht, aber er will sie selbst machen oder durch einen 52 63

§ 686 B G B . ; vgl. L e n t a. a. Ο. 51 ff. R G . Recht 1920 N r . 2377; P l a n c k I I zu § 685.

Pflichten bei der Übernahme.

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bestimmten Gärtner machen lassen. Auch hier wäre der Eingriff des Führers unberechtigt, und er muß, wenn er den Willen schuldhaft verfehlt hat, haften. Nur dann ist der entgegenstehende Wille des Herrn unerheblich, wenn „ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde" (§ 679 BGB.). So darf man auch gegen den Widerspruch des Eigentümers dessen baufällige Mauer niederreißen, wenn sie dem ganzen Straßenverkehr Gefahr droht. Es ist aber dabei eine Pflicht des Geschäftsherrn vorausgesetzt, also eine Rechtspf licht. Zwar hat man dies auch auf nur sittliche Pflichten ausgedehnt und daraus insbesondere gefolgert, daß das Verbot eines Selbstmörders, ihn zu retten, unbeachtlich sei 54 . Aber diese Ausdehnung erscheint sehr bedenklich 55 . Wenn das Gesetz von einer Pflicht ohne Zusatz spricht, meint es doch wohl nur rechtliche Pflichten 56 . Vor allem sind aber die Folgen jener Ansicht kaum auszudenken. Gegen eine sittliche Pflicht verstößt auch, wer übermäßig trinkt oder raucht, wer seine Tiere mißhandelt, wer trotz seiner Famihenpflichten sein Leben aufs Spiel setzt und selbst, wer seine ererbten Güter verfallen läßt. Und dennoch wird man nicht jedem beliebigen Menschen das Recht zusprechen dürfen, gegen diesen Willen einzuschreiten, z. B. einen bedauernswerten Hund zu befreien. Es wäre das ein gefährlicher Freibrief für fanatische Tierfreunde oder Alkoholgegner. Bezeichnend ist, daß zwar die Verletzung einer Unterhaltspflicht gegen Menschen, aber nicht eine Fürsorge für Tiere in § 679 berücksichtigt wird. Selbst ein Arzt darf ein Kind nicht gegen den Willen des Vaters operieren: wenn dessen Weigerung unsittlich wäre, bleibt dagegen nichts übrig, als das Vormundschaftsgericht anzurufen. Man hat dagegen eingewendet, daß es in solchen Fällen an dem anderen Erfordernis des Gesetzes, dem öffentlichen Interesse fehle. Aber es kann auch dies recht wohl gegeben sein: z. B. wenn der Trinker gemeingefährlich ist, der Verschwender ein großes Unternehmen mit zahlreichen Arbeitern gefährdet, der festgemachte Hund die Nachtruhe des ganzen Stadt54

Z i t e l m a n n , ZivArch. 99, 113ff.; K i p p bei W i n d s c h e i d 3 zu § 430; H e l l w i g , Stellung des Arztes 13; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 163, A n m . 5; O e r t m a n n 2 zu § 679 u n d Genannte. 55 Protokolle 2, 735ff.; R G . 92, 201. 56 So Z i t e l m a n n selbst 114. 28*

436

Geschäftsführung.

teils stört. Besonders bedenklich wäre dabei, daß hiernach selbst der haftungsfrei wäre, der nur ohne Schuld an die Unsitthchkeit des anderen glaubte. Die Zimmerwirtin meint z. B. irrig, daß die Versuche ihres Mieters an Vögeln nur aus Grausamkeit geschähen, und läßt diese deshalb fliegen. — Gegen solche Folgerungen suchen sich die Gegner zwar durch die Behauptung zu schützen, daß eben gerade nur dies eine Gut, die Erhaltung des Lebens, so besonders ausgezeichnet werde. Aber es ist nicht einzusehen, warum das Leben eines gebrochenen Menschen so einzig bewertet werden soll. Überdies käme dies Interesse ja auch dann in Betracht, wenn jemand nur aus Leichtsinn sein Leben aufs Spiel setzt: so müßte man zu der überaus bedenklichen Folgerung gelangen, daß jeder andere ihn gegen seinen Willen an solchen lebensgefährlichen Unternehmungen verhindern dürfte. Außerdem beweist diese Lehre gar nicht einmal das, was sie beabsichtigt: nämlich das Eingreifen zur Hinderung eines Selbstmordes zu rechtfertigen. Denn es erscheint unmöglich, ja beinahe verwerflich, jeden Selbstmord ohne Unterschied als unsittlich zu bezeichnen. Es gibt im Leben so verzweifelte Lagen, daß man sich hüten muß, über jeden Selbstmörder ein sittliches Verdammungsurteil zu fällen. Auch muß sehr bezweifelt werden, daß immer ein öffentliches Interesse an der Erhaltung dieses Menschenlebens bestehe — und der Hauptvertreter der Gegenansicht scheint es selbst zu bezweifeln 57 . — Anderseits sprechen allerdings die stärksten Gründe der Billigkeit dafür, die Rettung eines Selbstmörders als erlaubte Geschäftsführung zu behandeln. Ganz ungeheuerlich müßte es erscheinen, wenn der Selbstmörder seinen Retter dafür haftbar machen wollte, daß dieser bei der Rettung eine Fensterscheibe eingeschlagen oder seine Hose zerrissen hätte — oder wenn er gar von ihm eine lebenslängliche Rente fordern wollte. Aber es läßt sich dies auf andere Weise begründen. Wenn das Gesetz den Willen des Geschäftsherrn im allgemeinen für maßgeblich erklärt, so setzt es dabei voraus, daß dieser über das betreffende Rechtsgut verfügungsberechtigt ist. Es gilt also nicht für einen Geschäftsunfähigen, es gilt aber auch nicht für Güter, die seiner Bestimmung entzogen sind. Soweit diese ausgeschlossen ist — wie die Selbstverstümmlung im Kriege — insoweit sind seine Erklärungen darüber unwirksam, gleichviel, ob er die Einwirkung 57 Z i t e l m a n n a. a. O. 116: „ E i n e Anschauung, die freilich manchen Leuten gegenüber sehr g ü t i g erscheint."

Übernahme.

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erlaubt oder umgekehrt das Einschreiten dagegen verbietet. Es fragt sich nun, ob er über sein Leben verfügen darf. Dafür spricht freilich, daß der Selbstmord nach unserem Rechte nicht strafbar ist. Aber er ist darum doch keineswegs erlaubt, vielmehr auch insofern rechtswidrig, als jeder Sicherheitsbeamte gegen ihn einschreiten darf, auch wenn er nicht öffentlich erfolgt 58 . Selbst wenn man aber ein Recht dazu annehmen will, so bezieht es sich doch nur auf die eigentliche Handlung des Selbstmörders. Er darf sich töten, aber nicht andere dazu ermächtigen. Das spricht das Strafgesetzbuch unmittelbar aus, indem es dem, der einen anderen auf dessen Verlangen tötet (§216) und auch den Zweikampf trotz der Einwilligung bestraft (§§ 201ff.). Die Erklärung, die die Tötung erlaubt, ist ungültig: sein Verfügungsrecht kann durch Worte nicht ausgeübt werden. Das spricht aber in hohem Maße dafür, daß auch seine ganz ähnliche Erklärung, die anderen das Einschreiten verbietet, ebenso unwirksam ist. Es ist nicht wesenthch verschieden, ob er sagt: ,,Du darfst mich töten" oder ,,Du sollst mich nicht am Töten hindern' 4 . Denn beide Erklärungen sind auf dasselbe Ziel gerichtet, und wenn unser Gesetz jene Verfügung durch Worte verbietet, so wird es auch diese nicht gestatten. Es kann sein, daß den Geschäftsherrn eine solche Pflicht nach § 679 BGB. trifft, er sie selbst aber nicht kennt. Er ist z. B. als Großvater zum Unterhalt seines Enkels verpflichtet, ohne dies zu wissen. Auch hier ist der Eingriff des Geschäftsführers berechtigt. § 228. Wenn nun ein schuldhafter Verstoß gegen den Willen des Herrn vorliegt, so haftet der Geschäftsführer lediglich wegen dessen, „auch dann, wenn ihm ein sonstiges Verschulden nicht zur Last fällt" (§ 678). Das bedeutet: auch ohne daß er bei der Ausführung einen Fehler begeht, haftet er lediglich wegen seiner unberechtigten Einmischung. Und zwar liegt deren Fehler eben schon darin, daß er gegen den Willen des Herrn gehandelt hat. Sein Eingreifen kann ganz zweckmäßig und vorteilhaft gewesen sein; aber dadurch wird es, wenn es schuldhaft gegen den Willen verstößt, nicht gerechtfertigt. Wer sachgemäße Verbesserungen in einem fremden Hause oder Garten anbringt — vielleicht als Mieter — muß sie dennoch, wenn sie dem Eigentümer nicht passen, auf seine eigenen Kosten wieder beseitigen. Wer in den Körper eines 58

Z i t e l m a n n a. a. O. 119.

438

Geschäftsführung.

anderen eiren Eingriff macht, den dieser nicht will, macht sich haftbar. Dies muß auch für den Arzt gelten. Er ist zum Eingriff berechtigt, wenn er von dem Behandelten oder dessen gesetzlichen Vertreter dazu ermächtigt ist. Aber er ist auch dann frei von Haftung, wenn er deren Einverständnis ohne Verschulden annehmen konnte, z. B. gegenüber einem bewußtlosen Verletzten oder einem Kind, dessen Vater abwesend ist. Dagegen darf er nicht gegen den Willen des Betroffenen handeln. Man hat sein Vorgehen zwar aus einem Recht seines Berufsstandes oder aus seiner besseren Einsicht rechtfertigen wollen: aber beides ist unberechtigt und äußerst bedenklich. Man kann es ja verstehen, wenn ein Arzt einem halsstarrigen Kranken gegenüber seine wohlerwogene Ansicht durchsetzen will — aber man kann es nicht billigen. Denn nach § 678 BGB. ist der Wille des Geschäftsherrn und nicht der des Fachmannes maßgebend. So kann diese umstrittene Frage nur nach den Regeln der Geschäftsführung entschieden werden, und ich halte es für einen großen Fortschritt, daß man sie herangezogen und so feste Rechtssätze gewonnen h a t 5 9 . Und zwar müßte dies auch für die strafrechtliche Behandlung gelten — auf die wir hier aber nicht näher eingehen können 60 . § 229. Ferner trifft den Geschäftsführer die Verpflichtung, das übernommene Geschäft ordnungsgemäß zu besorgen (§ 677 BGB.). Daraus wird sich oft die Pflicht ergeben, ein einmal begonnenes Geschäft fortzusetzen und zu Ende zu führen. Allgemein aber läßt sich diese Verpflichtung nicht aufstellen 61 . Er hat ferner die Übernahme, sobald tunhch, dem Herrn mitzuteilen und möglichst dessen Entschließung abzuwarten (§ 681 BGB.). I m übrigen treffen ihn hier wesentlich dieselben Verpflichtungen wie beim Auftragsvertrage (§ 681 2 ). Danach hat er dem Geschäftsherrn auch von dem Fortgang Kenntnis zu geben, Auskunft zu erteilen und hinterher Rechenschaft zu legen (§§ 681 2 , 666 BGB.). Was er aus der Geschäftsführung erlangt, hat er an den Herrn herauszugeben (§§ 681 2 , 667 BGB.). Wenn er Geld für sich verwendet, muß er es verzinsen (§§ 681 2 , 668 BGB.). Das Geschäft ist so zu führen, ,,wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen 59 60 61

Besonders Z i t e l m a n n a. a. O. Vgl. dazu L i s z t , S traf recht § 35 u n d Angeführte. Vgl. R G . 63, 283ff. u n d Genannte.

Ausführung.

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Willen es erfordert" (§ 677 BGB.). Hiernach ist auch bei der Ausführung in erster Linie der Wille des Herrn bestimmend und nicht, was sachlich angemessen ist. Andere verstehen das Gesetz dahin, daß in erster Linie das objektive Interesse maßgebend sei und beim Widerstreit zwischen beiden entscheide62. Sie berufen sich darauf, daß, wer ein krankes K i n d aufgenommen, es von einem gelernten Arzt behandeln lassen müsse und nicht von einem Kurpfuscher, den der Vater wünsche. Das ist richtig, aber nur deshalb, weil das Verbot des Vaters seine Unterhaltspflicht verletzt und deshalb nach § 679 BGB. unwirksam ist. Ganz anders aber liegt es, wenn es sich um die Behandlung eines Tieres oder den Ausbau eines Hauses handelt. Hier muß der Geschäftsführer die ihm bekannten Ansichten und Absichten des Herrn berücksichtigen. Wenn dieser einen altmodischen und vielleicht recht schlechten Geschmack hat, so muß er sich dennoch danach richten. Auch das ist nicht zu billigen, daß die Gegner meinen, er müsse sich bei einem solchen Widerstreit der Geschäftsführung enthalten. Denn es sind nicht zwei gleichartige Pflichten, die miteinander streiten, sondern der Wille des Herrn geht vor. § 230. Eine mildere Haftung — sowohl bei der Übernahme wie bei der Ausführung — t r i t t dann ein, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer drohenden dringenden Gefahr bezweckt: hier haftet der Geschäftsführer nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 680 BGB.). Die Gefahr muß dem Geschäftsherrn, nicht einem Dritten drohen. Streitig ist, ob es auch genügt, wenn sie einen seiner nahen Angehörigen betrifft. Man wird hier unterscheiden müssen, ob dieser unmittelbar mit zum Lebenskreis des Herrn gehört — was für seine Frau und Kinder im Hause zu bejahen, für außerhalb Lebende aber zu verneinen ist. Wenn die Gefahr gar nicht bestand, sondern vom Geschäftsführer nur irrig angenommen wurde, so genügt das dann, wenn diese seine Annahme schuldlos war. I m anderen Fall haftet er aber nach der allgemeinen Regel für jede Fahrlässigkeit 63 . Man darf dagegen nicht einwenden, daß man dem, der in der Gefahr rasch eingreift, niemals einen Vorwurf daraus machen dürfe 64 . Aber das paßt nicht auf den, der sich eine solche Gefahr ganz törichterweise einbildet, z. B. auf den 62 63 64

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 163; O e r t m a n n 1 zu § 677 u n d Genannte. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 163 u n d Genannte. So P l a n c k I I I . Aufl. zu § 680.

Geschäftsführung.

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ganz haltlosen Verdacht eines Brandes hin einen Feuerlöscher in Gang setzt. Der geschäftsunfähige oder -beschränkte Führer macht sich nicht haftbar (§ 682 BGB., vgl. oben S. 433). Er ist nur nach den Regeln über Unrechtshandlungen und Bereicherung verantwortlich. Die erstere Haftung erfordert, daß der Täter zurechnungsfähig (§§ 827ff. BGB.) oder aus besonderen Bilhgkeitsgründen haftbar zu machen ist (§ 829 BGB.). Außerdem muß aber der bestimmte Tatbestand einer Unrechtshandlung vorhegen, wozu eine fahrlässige Vermögensschädigung nicht genügt (§§ 823ff. BGB., unten §§ 290ff.). — Durch den Tod des Geschäftsführers wird seine Verpfhchtung beendigt, aber seine Erben haben den Tod dem Herrn anzuzeigen und, soweit Gefahr im Verzuge, das Geschäft einstweilen fortzusetzen. Dies ist entsprechend den Vorschriften beim Auftragsvertrag (§ 673 BGB.) anzunehmen. § 231. Der Geschäftsführer hat demgegenüber seinerseits Gegenansprüche (§ 683 BGB.). Sie setzen voraus, daß „die Übernahme der Geschäftsführung dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn" entspricht. Hier ist streitig, ob es genügt, daß der Geschäftsführer diesen Willen gemutmaßt hat und ohne Schuld mutmaßen konnte 6 5 . Dafür scheint die billige Rücksichtnahme auf den Führer zu sprechen. Ferner spricht dafür, daß ein Beauftragter auch für solche Aufwendungen, die er für erforderlich halten durfte, nach § 670 BGB. Ersatz fordern darf. Und dennoch wird man mit der herrschenden Meinung 6 6 umgekehrt entscheiden müssen. Mit dem „mutmaßlichen" Willen ist nicht der vom Geschäftsführer zu mutmaßende gemeint, sondern derjenige, den der Richter in Ermangelung sicherer Feststellung mutmaßt. Hierfür sprechen die römischen Quellen und die Protokolle, die beide bei irriger Annahme des Willens den Anspruch verweigern 67 . Noch schlagender ist der Beweis, der sich aus der Ausdrucksweise des § 678 BGB. ergibt. Er spricht auch von dem mutmaßlichen Willen und wirft dabei die Frage auf, ob der Führer den Widerspruch mit ihm erkennen mußte. Wenn nun unter dem mutmaßlichen Willen der, den der Führer annehmen mußte, zu verstehen 85

S t u r m , Negotiorum gestio 3ff.; D e r n b u r g a . a . O.; B r ü c k m a n n a. a. O. 133ff.; P l a n c k I I I . Aufl. zu § 683; S c h u l z , Rechte des Geschäftsführers 29 ff. 66 E r n s t , ZivArch. 96, 443ff.; O e r t m a n n 1 zu § 683 u n d daselbst Genannte. 67 dig. h. t . 1. 9 § 1; Protokolle 2, 729ff.

Aufwendungen.

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wäre, hätte sich das Gesetz so unmöglich ausdrücken können: es hätte dann ja zweimal hintereinander dasselbe gesagt. Endlich ist zu erwägen, wie unbilhg die Gegenansicht gegenüber dem Geschäftsherrn ist. Er muß nach ihr alle Aufwendungen bezahlen, die jemand schuldlos macht. Ein Mieter läßt z. B. während einer längeren Abwesenheit des Eigentümers das ganze Haus mit großen Kosten streichen und umbauen, lediglich weil ihm ein Dritter — vielleicht der Anstreicher — glaubhaft versichert hat, daß jener dies wünsche. Allerdings ist diese Rechtslage für den Geschäftsführer wenig günstig, sie muß ihn zu großer Vorsicht mahnen. Wenn er seiner Sache nicht sicher ist und sich über die Absichten des Herrn irrt, muß er selbst die Kosten tragen. Dagegen haftet er anderseits auf Schadensersatz, wie wir sahen, nur dann, wenn ihn eine Schuld trifft. Auch hier ist der Wille des Geschäftsherrn dann belanglos, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Herrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse hegt, oder eine Unterhaltspflicht nicht rechtzeitig erfüllt würde (§§ 679, 683 2 BGB.). Wenn z. B. ein Vater sein K i n d verstößt — was er nach unserem Gesetz in keinem einzigen Falle darf (§ 1611 BGB.) — so darf jedermann es aufnehmen und von dem Vater Erstattung der Unterhaltskosten fordern. Auch hier ist das Bestehen einer rechtlichen Pfhcht zu fordern und das einer sittlichen Pflicht nicht ausreichend. Man kann es wohl für die sittliche Pflicht eines reichen Mannes erklären, daß er seine Geschwister und vielleicht auch Personen, die ihm lange treu gedient haben, in der Not unterstützt. Aber unmöglich kann es jedem Beliebigen gestattet werden, diese Leistungen für ihn zu erfüllen und sie ihm in Rechnung zu stellen. § 232. Das Gesetz (§ 683) verlangt, daß die Übernahme der Geschäftsführung ,,dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn" entspricht. Danach scheint es, als ob sie sowohl diesem Willen als auch der objektiven Nützlichkeit entsprechen müsse. Über die Frage, welches von beiden entscheide, herrschte schon in der gemeinrechtlichen Wissenschaft ein lebhafter Streit. Die vorherrschende Ansicht betonte mit Recht das subjektive Moment, also den Willen des Geschäftsherrn, und legte der objektiven Nützlichkeit nur die Bedeutung bei, daß man aus ihr auf den Willen des Herrn schheßen könne 6 8 . Doch stand ihr 68 W i n d s c h e i d § 430 u n d Angeführte; besonders v . M o n r o y a. a. O. 26; O g o n o w s k i , Geschäftsführung 17ff.

Geschäftsführung.

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auch eine verbreitete Lehre entgegen, die umgekehrt die sachliche Nützlichkeit erforderte 69 . Nach unserem Gesetz kann wenigstens darüber, daß der Wille des Herrn von Einfluß ist, ein Zweifel kaum noch möglich sein. Nicht nur daß das Gesetz das deutlich und ausführlich ausspricht: es folgt auch aus seinen Bestimmungen über die Haftung des Geschäftsführers (§ 678). Wenn dieser gegen den Willen des Herrn schuldhaft verstößt, macht er sich sogar schadensersatzpflichtig : es ist daher ausgeschlossen, daß er seinerseits noch Ansprüche aus diesem Verhalten ableiten könnte. Abzulehnen ist daher die Ansicht, daß nur alternativ der Wille oder die Nützlichkeit zu erfordern sei 70 —und die andere,daß der Wille nur entscheide, soweit er feststellbar sei, sonst aber die objektive Nützlichkeit 7 1 . An letzterem ist nur soviel richtig : wenn der Wille nicht deutlich erhellt und es den „mutmaßlichen" zu ermitteln gilt, kann man nicht selten einen Rückschluß daraus machen, daß das Geschäft vorteilhaft war. Aber es ist das eben nur ein Anzeichen, das nicht immer den Ausschlag gibt ; denn es kommt auch auf die besonderen Ansichten und Bedürfnisse des Geschäftsherrn an. Hiernach ist wohl soviel sicher, daß die Voraussetzung für die Ansprüche des Geschäftsführers ein dem Wunsche des Herrn entsprechendes, willensgemäßes Handeln ist. Aber nun bleibt doch noch die Frage, ob es nicht außerdem auch der sachlichen Nützlichkeit entsprechen müsse. Der Wortlaut des § 683, wonach die Übernahme dem „Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn" entsprechen muß, scheint dafür zu sprechen, und so wird es auch ganz überwiegend bejaht 7 2 . Doch stehen dem auch einige Schriftsteller gegenüber, die auch heute noch der subjektiven Theorie anhängen und nur auf den Willen des Herrn allein das entscheidende Gewicht legen 73 . Freilich tun sie es meistens nur mit Einschränkungen; so wird behauptet, daß der Geschäftsführer, der bewußt gegen das Interesse des Herrn, wenn auch nach seinem Willen handle, keinen Anspruch auf Ersatz habe 74 . Wir wollen dagegen die subjektive Lehre ohne alle Einschränkung vertreten und be69

Anführungen bei W i n d s c h e i d § 430 A n m . 17. K ö l l n e r a. a. O. 82. 71 B r ü c k m a n n a. a. O. 133. 72 O e r t m a n n 1 zu § 683 u n d Genannte. 73 S c h o l l m e y e r , Schuldverhältnisse 99ff.; E n d e m a n n 1 § 122; I s a y a. a. O. 13ff. 134ff.; E r n s t , ZivArch. 96, 440ff.; S c h u l z a. a. O. 26ff. 74 I s a y a. a. O. 138, vgl. 133. 70

Wille und Interesse.

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haupten; daß es auf die Nützlichkeit gar nicht und nur auf den Willen des Herrn ankommt: daß eine willensgemäße Übernahme auch dann verpflichtet, wenn sie sachlich verkehrt ist. Dafür spricht zunächst der Standpunkt des römischen Rechts. Nach ihm sind auch unnütze Ausgaben dem Geschäftsführer dann zu ersetzen, wenn er ,,domini voluntatem h a b u i t " 7 5 . Zwar erfordern sie anderseits ein utiliter gestum, und man glaubt meistens, dies im Sinne des sachlich Nützlichen verstehen zu sollen. Aber utilis bedeutet nicht nur dies, sondern auch wirksam, erfolgreich 76 — z. B. in den Wendungen utihter agere, obligari, stipulari, legari. Auf diese Bedeutung weist es besonders, daß es in den Quellen immer heißt „negotium utiliter gerere", nicht, wie es nach der Gegenansicht heißen müßte „negotium utile gerere" — was bisher nicht beachtet worden ist. Ja, es wird ausdrücklich bestätigt, daß eine Ausbesserung, die der Herr nicht für nötig hält, nicht als utihter geführt anzusehen sei 77 . Zwar prüfen die Römer auch gelegentlich die Präge, ob die Maßnahme notwendig war — aber nur, um daraus einen Rückschluß auf den Willen des Herrn zu ziehen. Es genügt ihnen nicht, daß der Geschäftsführer die Notwendigkeit kannte, sondern er muß außerdem auch den zustimmenden Willen des Herrn gekannt haben: „quae necessaria scirem et te eius voluntatis esse, ut emptum habere velles" 78 . — Zu dieser bedeutsamen geschichtlichen Grundlegung t r i t t für unser Recht der Hinweis, daß es in unserer Lehre auch sonst den Willen des Herrn für maßgebend erklärt. Für die Frage, ob der Geschäftsführer aus seiner Einmischung und aus seiner Ausführung haftet, kommt es, wie wir sahen, nicht darauf an, ob er sachlich richtig, sondern ob er nach jenem Willen gehandelt hat: also muß auch hier dieser allein entscheiden. Endlich aber spricht auch die Billigkeit dafür in hohem Maße. Wenn ein Geschäftsführer den wahren Willen des Herrn richtig erfüllt — den er genau kennt — so muß er seines Ersatzanspruches sicher sein. Er weiß genau, daß dieser sein Auto umtauschen, seinen Garten vergrößern, bestimmte Sammelstücke kaufen möchte. Wenn er das für ihn ausführt, muß er einen Anspruch erlangen — und es darf ihm nicht eingewendet werden, daß diese Maßnahmen überflüssig oder gar nachteilig gewesen seien. 75 76 77 78

dig. 15, 3 1. 3 § 4. H e u m a n n - S e c k e l , H a n d l e x i k o n 608. dig. 3, 5 1. 9 (10) § 1. dig. 3, 5 1. 45.

Geschäftsführung.

444

Dagegen wird man freilich einwenden, daß im Gesetz (§ 683) doch außer dem Willen auch das Interesse des Geschäftsherrn genannt und gefordert wird, daß ihm die Übernahme entspreche. Aber wir erklären das so, daß auch das Interesse nicht nach dem sachlichen Maßstabe der Nützlichkeit, sondern nach der Ansicht des Herrn zu beurteilen ist. Das ,,Wort Interesse" wird auch und zwar vorwiegend in diesem persönhchen Sinne gebraucht: ,,Herr A hat Interesse an diesem Bauplatz." Und diese Bedeutung ist hier gemeint. Denn das Gesetz wollte die Lehre Windscheids wiedergeben 79 , und dieser führt aus, daß die utilitas nach den besonderen Auffassungen des Geschäftsherrn zu bestimmen sei 80 . Die Fassung des Gesetzes lautete auch vorher so, daß „die Übernahme mit Rücksicht auf die Zwecke und Verhältnisse des Geschäftsherrn dessen Nutzen entsprechen" müsse 81 . Hier t r i t t völlig klar hervor, daß die Frage der Nützlichkeit in erster Linie von den Absichten des Herrn abhängig sein soll. — Jedoch bleibt nun immer noch die Gegenfrage, weshalb denn dann das Gesetz neben dem Willen noch das Interesse nenne, und darin ist überhaupt der wesenthchste Grund der herrschenden Lehre enthalten. Man hat es so zu erklären versucht, daß das Interesse nur die Bewertung eines Gutes für die Zwecke des Handelnden bedeute, also zwar eine notwendige Voraussetzung für das Wollen bilde, aber dies noch nicht notwendig nach sich ziehe 82 . Indessen kann diese Unterscheidung nicht recht befriedigen. Es wird dabei eingeräumt, daß ein Wille ohne Interesse nicht denkbar sei. Dann aber wird mit dem Willen ohne weiteres auch das Interesse mit bejaht — und es ist wieder nicht zu verstehen, wozu dann dies selbstverständliche Erfordernis noch einmal genannt zu werden braucht. Vielmehr ist dies zweifache Erfordernis in folgender Weise zu erklären. Das Interesse bezieht sich auf den Wunsch des Herren, daß dies Werk überhaupt ausgeführt werde. Mit dem Willen aber ist der Wunsch gemeint, daß es von dem anderen besorgt werden soll. Diese Deutung liegt deshalb nahe, weil auch im § 678 unter dem „Willen" gerade der verstanden ist, der sich auf die Übernahme der Geschäftsführung richtet, also eben darauf, daß der andere es besorgen soll. Jenes Interesse und dieser Wille brauchen durchaus nicht immer zusammenzufallen; vielmehr ist 70 80 81 82

Protokolle 2, 730ff. Pandekten § 430 A n m . 17. Protokolle a. a. O. E r n s t a. a. O. 462ff.

Wille und Interesse.

445

es nicht selten, daß jemand zwar einen Erfolg wünscht, aber nicht auch seine Herbeiführung durch einen anderen, oder doch nicht durch diesen anderen. — Nach alledem ist nur die Absicht des Herrn, aber nicht auch die sachhche Nützhchkeit der Handlung zu erfordern. Man darf daher auch nicht, wie es meist geschieht, eine „nützliche" Geschäftsführung verlangen. Man wird sie vielmehr eher als „gerechtfertigt" zu bezeichnen haben. § 233. Wenn der Wille fehlte, wird er durch die nachfolgende Genehmigung des Herrn ersetzt (§ 684 BGB.). Die Genehmigung erfolgt einseitig. I n ihr ist nicht etwa der Abschluß eines Auftragsvertrags zu erblicken 83 . Ob nur die Übernahme genehmigt wird oder zugleich auch die A r t der Ausführung, kann nur die Auslegung entscheiden84. Manche wollen sie immer nur auf die Übernahme beziehen 85 ; aber man wird einem Geschäftsherrn, der eine Besorgung schlechthin gebilhgt hat, oft nicht mehr deren Bemängelung gestatten dürfen. Der nachträglichen ist auch die vorherige Zustimmung gleichzustellen. Dies wird allgemein verkannt, weil man meint, daß dann überhaupt keine Geschäftsführung ohne Auftrag vorhege. Aber es wurde schon oben (S. 432) dargelegt, daß eine bloße Ermächtigung, die nicht auch eine Regelung der Vertragspflichten enthält, die Geschäftsführung noch nicht ausschheßt. — Daß nun auch hier eine einseitige Einwilhgung genügt, um den Ersatzanspruch zu begründen, ist wohl kaum zu bezweifeln. Dafür sprechen die römischen Quellen 86 — außerdem aber der naheliegende Schluß aus § 684 BGB.: wenn schon die nachträgliche Genehmigung dazu ausreicht, dann um so mehr die vorherige Zustimmung. Endlich ist es ein dringendes Erfordernis der Billigkeit, daß der Geschäftsführer, der auf eine solche Ermächtigung hin tätig wird, entschädigt wird. Allerdings wird sich das nicht selten schon daraus ergeben, daß i n dem Handeln auf Ermächtigung hin der Abschluß eines Vertrages zu erbhcken ist. Aber es ist das keineswegs immer der Fall. A schreibt vor seiner Abreise an B, er möchte seine Interessen bei 83 dig. 3, 5 1. 8; 46, 3 1. 12 § 4. Das Gegenteil ist nicht aus dig. 50, 17 1. 60 zu folgern, die sich n u r auf I n t e r v e n t i o n i m Prozeß bezieht. Abwegig daher R u h s t r a t a. a. O. 228ff.; S t u r m a. a. O. 67ff. 84 M o t i v e 2, 867. 85 K r i t z a. a. 0 . 3 5 3 ; R u h s t r a t , JheringsJ. 19, 283; i m wesentlichen auch B r ü c k m a n n a. a. O. 173. 86 dig. 3, 5 1. 30 pr.

446

Geschäftsführung.

der bevorstehenden Grenzordnung, Generalversammlung oder Erbteilung wahrnehmen. Wenn Β darauf schweigt, ist darin noch nicht ohne weiteres eine vertragsmäßige Zustimmung zu finden. Aber dennoch wird er dadurch befugt sein, für A Kosten aufzuwenden und ihre Erstattung zu verlangen. Dies träfe ζ. B. auch dann zu, wenn er dabei das von ihm besorgte Geschäft des A irrtümlich für ein städtisches gehalten hätte (§ 686 BGB.) — obwohl in diesem Falle von der stillschweigenden Annahme eines Vertrages gar nicht die Rede sein könnte. — Gegen unsere Ansicht darf man auch nicht einwenden, daß nach § 305 BGB. eine Verpflichtung nur durch einen Vertrag entsteht und wir deshalb auch die Begründung einer Schuld durch einseitige Ermächtigung entschieden abgelehnt haben (S. 362ff.). So richtig dies ist, so gilt eben gerade hier, bei der Geschäftsführung, eine Ausnahme. Sie ergibt sich aus § 684 für die Genehmigung. Auch eine solche würde nach der allgemeinen Regel des § 305 nicht ausreichen, um eine Verpflichtung zu begründen. Wenn mein Neffe A eine Aufarbeitung seines Ledersessels bestellt und dabei sagt, daß ich es bezahlen werde, so werde ich nicht schon durch eine einseitige Zustimmung verpflichtet, sondern erst durch Vertragsschluß. Anders aber, wenn es sich um meinen Stuhl, also meine Angelegenheit handelt : hier ist nach der Ausnahmevorschrift des § 684 die einseitige Erklärung genügend, um einen Erstattungsanspruch zu begründen — freilich nur unter der weiteren Voraussetzung, daß eine solche Aufwendung des Geschäftsführers dabei wirklich erfolgt ist. Und dies muß auch für die vorherige Einwilligung ebenso gelten. — Einen besonders wichtigen Fall einer solchen haben wir oben (S. 361) in der Anweisung gefunden. Gerade dort zeigte es sich, wie dringend notwendig es ist, die Einwilligung zur Geschäftsführung anzuerkennen und in unsere Rechtslehre einzuführen. Weil man das bisher versäumt hat, war man außerstande, dies bekannte und bedeutsame Rechtsgeschäft richtig zu bestimmen. Man suchte seinen Inhalt darin, daß der Angewiesene ,,für Rechnung" des Anweisenden zahlen dürfe: aber das ist gar kein faßbarer Rechtsbegriff. Der Anspruch des Angewiesenen ist vielmehr aus einer Aufwendung abzuleiten — und deren Erstattung kann nur auf die einseitige Einwilligung, die in der Anweisung liegt, gegründet werden. § 234. Falls diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Geschäftsführer Ersatz seiner Aufwendungen wie beim Auftragsvertrag fordern (§ 683, 670 BGB.). Für eine Aufwendung ist nötig,

Aufwendungen.

447

daß er bewußt ein Opfer gebracht hat ; trifft ihn zufällig ein Unfall, so kann er nicht Ersatz dafür verlangen 87 . Ein Opfer liegt auch dann vor, wenn er Arbeiten leistet und dadurch eine andere gewinnbringende Arbeit versäumt. Dagegen ist streitig, ob er auch dann, wenn er nichts versäumt, für die in seinen Beruf fallende Arbeit Bezahlung fordern kann. Es wird das teils allgemein bejaht 8 8 , teils verneint 89 . Eür jenes hat man sich darauf berufen, daß der Vormund für solche Dienste Ersatz verlangen darf (§ 1835 I I BGB.): aber diesem kommt das Gesetz besonders weit entgegen, weil er schon ohnehin viel Arbeit kostenlos liefern muß. Man muß wohl zwischen den Berufen unterscheiden, bei denen die einzelne Leistung vergütet wird, und den anderen, wo das Honorar nur einen Zuschuß zum Leben bedeutet (oben S. 199). Danach kann der Arzt für seine Hilfstätigkeit eine Gebühr berechnen, nicht dagegen der Autofahrer für die Arbeit des Pahrens, wenn er den Verletzten wegbringt, der Dienstmann, der ihm seine Sachen nachträgt, der Fremdenführer, der ein Gasthaus für ihn ermittelt. — Wenn die Voraussetzungen für den vollen Ersatzanspruch nicht vorliegen, haftet der Geschäftsführer doch auf seine Bereicherung (§ 684 BGB.). Falls der Geschäftsführer nicht die Absicht hatte, Ersatz zu verlangen, steht ihm ein Anspruch nicht zu (§ 685 BGB.). Dies erklärt sich daraus, daß er hier auf den Anspruch verzichtet hat 9 0 . Man wird daher fordern müssen, daß dieser Verzicht in hinreichender Weise nach außen hervorgetreten ist: und dafür sprechen auch dringende Gründe der Verkehrssicherheit und Billigkeit. Nach dem Gesetz soll dieser Verzicht ohne weiteres dann anzunehmen sein, wenn Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen oder diese jenen Unterhalt gewähren. Dies kann aber nicht für den gewöhnlichen Fall gelten, wo sie diesen Unterhalt zu geben verpflichtet sind: denn dann liegt überhaupt nicht die Besorgung eines fremden Geschäfts vor, sondern die Erfüllung einer eigenen Verpflichtung. Auch wenn der Leistende nicht von dem Empfänger Ersatz fordern kann, so ist damit nicht gesagt, daß er ihn nicht von einer anderen Person, z.B. derjenigen verlangen kann, die seinen Angehörigen verletzt hat. 87 Oben S. 252; teilweise abweichend O e r t m a n n 3 zu § 683 u n d Genannte. 88

O L G . 8, 343. 12, 272. 18, 23; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 164 A n m . 1.

89

O e r t m a n n zu § 683 u n d Genannte.

90

R G . Recht 1920 N r . 2377; P l a n c k I I zu § 685; oben S. 434.

Vorlegung.

448

Drittes Kapitel.

Vorlegung 1 . § 235. Voraussetzungen. § 236. I n h a l t des Anspruchs. § 237. Vorlegung einer Urkunde.

§ 235. Es handelt sich hier um Fälle, wo jemand nicht die dauernde Herausgabe einer Sache, sondern nur ihre Besichtigung verlangen kann. Voraussetzung dafür ist nach § 809 BGB. zunächst, daß er einen Anspruch hat oder sich doch darüber Gewißheit verschaffen will, ob er ihn hat. Dieses muß durch die Besichtigung festgestellt werden können. Der Anspruch kann dinglich, schuldrechtlich oder anderer A r t sein. Es genügt auch, wenn es nur ein bedingter Anspruch ist, und ebenso ein Gestaltungsrecht, wie das Rücktritts- oder Wandlungsrecht 2 . Dies Recht muß sich eben auf die vorzulegende Sache richten: z. B. der Vermieter einer Sache will sehen, welche Ansprüche er wegen ihrer Beschädigung erheben kann. Dagegen kann nicht etwa der Gläubiger von seinem Schuldner die Vorlegung von dessen Kassenbüchern verlangen, um sich über seine Zahlungsfähigkeit zu unterrichten. Der Anspruch muß eben gegen diesen Besitzer gerichtet sein. Daher bin ich nicht zur Vorweisung einer Sache verpflichtet, die ein Dritter beschädigt hat. Es ist aber nicht nötig, daß der Beklagte gerade auf Grund seines Besitzes verpflichtet ist; auch gegen den, der aus Unrechtshandlung haftet, richtet sich der Vorlegungsanspruch. Endlich muß der Kläger auch ein „Interesse" an der Vorlegung haben. Das bedeutet, sie muß für die Entscheidung über seinen Anspruch von Nutzen sein. Dies wird nur dann zu bejahen sein, wenn für die Annahme einer Verpflichtung mindestens Anhaltspunkte vorliegen. Der Vermieterwird daher die Wohnung besichtigen dürfen, wenn seit der vorigen Besichtigung einige Zeit verstrichen oder wenn ein Anhalt für die Annahme einer Beschädigung gegeben ist. Wer seinen Hund verloren hat, könnte sich über seine Ansprüche etwa dadurch Gewißheit verschaffen wollen, daß er sich von sämtlichen Besitzern ihre Hunde zeigen läßt. Aber da hier die einzelne Besichtigung zu wenig nutzbringend erscheint, wird man 1

D e m e l i u s , Die Exhibitionspf l i c h t ; D i e r s c h k e , Vorlegungspflicht; K ö h l e r , Z i v A r c h . 99, I f f . 2 O e r t m a n n 1 gegen D i e r s c h k e a. a. O. 43, 78.

Anspruch.

449

einem solchen Verlangen nicht nachkommen. Auch wenn jemand sich seine verliehenen Sachen nur ansehen möchte, um sich daran zu freuen, ist der Anspruch ebenfalls nicht gegeben. Denn das Gesetz verlangt, daß die Besichtigung ,,aus diesem Grunde", um sich über seinen Anspruch zu vergewissern, für ihn von Interesse ist. Hier aber hat er zwar auch ein Interesse daran, aber es bezieht sich nicht auf die Geltendmachung seines Anspruchs. Der Anspruch richtet sich gegen den Besitzer, auch gegen den mittelbaren: doch kann sich dieser dadurch befreien, daß er seine Ansprüche gegen den Besitzmittler auf den anderen überträgt 3 . Seine Voraussetzungen sind vom Kläger zu beweisen, nicht nur — wie nach gemeinem Recht — glaubhaft zu machen. § 236. Der Vorlegungsanspruch ist lediglich auf Besichtigung gerichtet, nicht auf dauernde Überlassung und auch nicht auf zeitweise Benutzung. Wird also ein Auto dem A vorgewiesen, so darf er nicht damit fahren, oder doch nur soviel, um sich über Mängel des Ganges zu unterrichten. Dies ist auf ein Schriftwerk, dessen Vorlegung der Urheberberechtigte fordert, dahin anzuwenden, daß er nur Einsicht darin nehmen, es aber nicht veröffentlichen darf. I n diesem Sinne hat auch das Reichsgericht in dem bekannten Rechtsstreit Nietzsche/Overbeck auf Herausgabe der Abschriften von Briefen Nietzsches entschieden4. Es stützt sich aber nicht hierauf, sondern auf einen anderen Gedanken : daß es gegen Treu und Glauben verstoße, wenn der Kläger dadurch die Rechtsstellung des Besitzers beeinträchtigen wollte. So wenig dies einleuchtet 5 , so richtig dürfte die Entscheidung selbst sein. Eine Veröffentlichung würde schon insofern über das durch die Vorlegung begründete Recht hinausgehen, als sie einen gewissen Zeitaufwand erfordern und so lange dem Beklagten den Besitz entziehen würde. Auch würde dadurch der Kläger in die Möglichkeit versetzt, selbst solche Teile, die aus Rücksicht auf den Empfänger ausgeschieden werden müßten, zu veröffentlichen. — Die Gefahr trägt der Vorlegungsberechtigte ; das bedeutet hier, daß er für zufällige Zerstörung und Beschädigung haftet 6 . Ebenso trägt er die Kosten, wegen ihren 3

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 215 A n m . 6. R G . 69, 406. 5 Dagegen treffend J u n g , JheringsJ. 70, 219ff., der aber auch die Entscheidung ablehnt. 8 Mein Erfüllungsort 49; vgl. I , 100. 4

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

29

Vorlegung.

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kann sogar ein Vorschuß und Sicherheit verlangt werden (§811 BGB.). § 237. Inwieweit Urkunden vorzulegen sind 7 , war früher in der ZPO. (§ 387) bestimmt. Jetzt ist es mit Recht im BGB. (§ 810) geregelt, und die ZPO. (§ 422) nimmt darauf Bezug. Auch hier wird ein Interesse des Fordernden vorausgesetzt. Daß dieses ein ,,rechtliches", also besonders geartetes sein müsse, wird im Gesetz nicht gesagt und ohne genügenden Grund behauptet 8 . Außerdem muß der Fordernde eine bestimmte Beziehung zu der Urkunde haben: 1. Entweder ist die Urkunde in seinem Interesse errichtet. Sie kann ausschließlich für ihn bestimmt sein oder auch zugleich für andere Beteiligte : so dient eine Vollmachtsurkunde auch dem Interesse eines jeden, der mit dem Bevollmächtigten abschließt. 2. Die Urkunde kann ein zwischen dem Fordernden und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkunden, wie ein schriftlicher Mietvertrag. Es ist aber nicht nötig, daß sie dies Rechtsverhältnis vollständig ordnet und enthält 9 . Daher gehören auch die Eintragungen in den Geschäftsbüchern von Kaufleuten, die zur Buchführung verpflichtet sind, dazu, aber nicht auch von anderen Personen 10. Auch der Anwalt ist verpflichtet, seine Handakten über einen Rechtsstreit, den er für den Fordernden geführt hat, vorzulegen 11 . Der Einwand, daß dieser damit nur Unterlagen für einen Anspruch sammeln wolle 1 2 , ist verfehlt, da das eben der Zweck eines jeden Vorlegungsanspruchs ist. \f%. 3. Endlich kann die Urkunde Verhandlungen zwischen dem Fordernden und einem anderen oder zwischen beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler enthalten. Dazu gehört besonders der Briefwechsel, der einem Vertragsschluß vorhergeht. Ausgeschlossen sind dagegen Briefe, die zwischen dem Gegner und einem Dritten, z. B. seinem Vertreter oder einem Konkurrenten gewechselt sind. Noch weniger werden die Aufzeichnungen betroffen, die der Gegner für sich gemacht hat. 7

K o h l e r , Z i v A r c h . 79, I f f . ; A p t , Pflicht zur Urkundenedition; J u n g , JheringsJ. 70, 215ff.; S i e g e l , Vorlegung v o n Urkunden. 8 D i e r s c h k e a. a. O. 50ff.; S i e g e l a. a. O. 66. • R G . 56, 112. 87, 14. 10 R G . Recht 1903, 605. 1909 N r . 3764. 11 M ü l l e r , J W . 1903, 368ff.; O e r t m a n n 2 zu § 810; E n n e c c e r u s L e h m a n n § 216 A n m . 3. 12 R G . W a r n e y e r 1912 N r . 304, 1913 N r . 317.

Grundlose Verschiebung.

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Auch hier ist der Anspruch nur auf Vorlegung gerichtet; doch wird man eine Abschrift zu gestatten haben. Wenn die Einsicht in einen Teil der Urkunde genügt, so ist die Vorlegung darauf zu beschränken. Falls die Voraussetzungen des § 809 BGB. vorliegen, kann der Anspruch auch darauf gestützt werden 13 . Weitergehende Verpflichtungen zur Vorlegung von Urkunden ergeben sich aus den Rechten auf Einsicht und Auskunft, die im Gesellschaftsrecht (§716 BGB.), Familien- und Erbrecht bestehen (§§ 1342, 1563, 2146, 2228, 2264 BGB.). Die Vorlegung von Handelsbüchern kann auch durch das Gericht angeordnet werden (§ 45 HGB.). Die öffenthchen Bücher stehen zum Teil jedem offen (z. B. das Vereinsregister (§ 79 BGB.), zum Teil nur dem, der ein berechtigtes Interesse darlegt, z. B. das Grundbuch (§11 GBO.). Viertes Kapitel.

Grundlose Verschiebung 1. I . § 238. Mehrere verschiedene Ansprüche. I I . § 239. Vermögens- u n d Rechtsverschiebung; Besitz. § 240. Gebrauchsvorteile. § 241. Beweisvorteile. § 242. Verschiebung durch Leistung. § 243. A u f Kosten. § 244. U n m i t t e l barer Zusammenhang ? § 245. I m Falle des § 816 B G B . § 246. Verschiebung durch einen einzigen A k t . § 247. Ursache der bisherigen U n k l a r h e i t . — I I I . Ohne rechtlichen Grund. § 248. Herrschende Lehre. § 249. Ohne Schuldrecht. § 250. Bei Verschiebung ohne Leistung. § 251. Bei solcher durch Leistung. § 252. Subsidiär ? — I V . Leistungsverschiebung: § 253. Fehlen des Rechtsgrundes. § 254. Zahlung einer Nichtschuld. § 255. Zahlung durch oder an einen Unrichtigen. § 256. Ausschluß der Rückforderung. § 257. I r r t u m über die Schuld. § 258. Zahlung unter Vorbehalt. § 259. Beweislast. — § 260. Verpönter Empfang. § 261. H i e r n i c h t Mangel des Rechtsgrundes. § 262. 18

R G . 69, 401 ff. v . M a y r , Bereicherungsansprüche des deutschen bürgerlichen Rechts; J u n g , Die Bereicherungsansprüche u n d der Mangel des rechtlichen Grundes, u n d Reichsgerichts-Praxis 3, 143ff.; F i s c h e r , Festschrift für Z i t e l m a n n ; v . d. P f o r d t e n , LeipzZ. 1919, 221ff.; F r e u n d , Eingriff i n fremde Rechte auf Grund des Bereicherungsanspruchs; S t a m m l e r i n der Festschrift für F i t t i n g ; C o l l a t ζ , Ungerechtfertigte Vermögensverschiebung ; Zur Theorie der Realgeschäfte u n d der ungerechtfertigten Bereicherung; H a r t m a n n , B ü r g A . 21, 224ff.; P l e s s e n , Grundlagen der modernen condictio, v . T u h r , Festgabe für Bekker; S c h u l z , Z i v A r c h . 105, I f f . ; S t a m p e , Z i v A r c h . 110, 119ff.; H e d e m a n n , Bereicherung durch Strohmänner; R e i c h e l , Rechtskraft u n d ungerechtfertigte Bereicherung; L a s s e n , BürgA. 40, 286ff.; E b b e k e , Recht 1918, 385; H e y m a n n , JheringsJ. 77, 180ff.; G o t t s c h a l k , JheringsJ. 78, 200ff.; G é r o t a , L a Théorie de l'enrichissement sans cause. 1

29*

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Grundlose Verschiebung.

Verschieden v o m Anspruch aus § 812 B G B . § 263. Ausschluß bei Verstoß des Klägers. § 264. N i c h t , wenn schon Anspruch aus § 812 B G B . § 265. Gründe dagegen. § 266. Unbilligkeit. § 267. Vermittlungsversuche. — V . Verschiebung ohne Leistung. § 268. N a c h § 816 B G B . § 269. Anspruch gegen den D r i t t e n . — V I . Zwecksetzung. § 270. N i c h t Mangel des Rechtsgrundes. § 271. A u c h sonst n i c h t Mangel eines Grundes. § 272. Abhängigkeit des Vertrages. § 273. Stillschweigende Bedingung. § 274. Voraussetzung. § 275. Unterscheidimg v o n den Fällen des mangelnden Rechtsgrundes. § 276. Also hier kein Ausgleichsanspruch. § 277. N i c h t auf Bereicherung beschränkt. § 278. Unterschied v o m Rücktrittsrecht. § 279. Ausschluß, Beweislast. — V I I . § 280. Der Berechtigte u n d Verpflichtete. — V I I I . I n h a l t des Anspruchs : § 281. Ersatzberechtigung. § 282. Einfluß der Befangenheit. § 283. Bereicherung. § 284. Zweikondiktionen-Theorie. § 285. Beweislast. § 286 N i c h t „Bereicherungs-Ansprüche". § 287. I n h a l t des Anspruchs aus Zwecksetzung. § 288. Ausgleichseinrede.

§ 238. Die Lehre von der Ausgleichung grundloser Rechtsverschiebungen stammt aus dem römischen Rechte; sie wurde durch condictiones verwirklicht. Condictio ist ursprünglich eine strenge, einseitige Klage aus formellem Tatbestand: später blieb nur noch das eine Merkmal der Einseitigkeit. Und, was vielfach vergessen wird, diese condictio diente nicht nur zur Ausgleichung, sondern auch zur Klage aus Darlehen und stipulatio und manchen Delikten. Unser Gesetz ist dagegen bestrebt, die zum Ausgleich dienenden Ansprüche von anderen abzusondern, und wir müssen das mit Entschiedenheit durchführen. Die Römer gewährten mehrere verschiedene Ausgleichsansprüche, deren Tatbestand und Wirkungen verschieden waren. Dagegen hat sich unsere Wissenschaft bemüht, für das heutige Recht einen einheitlichen Ausgleichsanspruch aufzustellen. Dies war zwar ein lockendes, aber unerreichbares Ziel. Dadurch ist sie verleitet worden, die notwendigen Unterschiede zu übersehen und undeutliche Merkmale aufzustellen. Dies gilt zunächst für den Tatbestand der Ansprüche. Man hält es für ausreichend, daß der Beklagte irgend ,,etwas" erlangt habe: man verkennt dabei, daß dieser Begriff in den Fällen einer Leistung ein anderer als in den übrigen Fällen sein muß (unten §§ 239ff.). Man versucht, den Begriff ,,Mangel des rechtlichen Grundes ci festzustellen: aber man verkennt, daß dafür verschiedene Gesichtspunkte in den einzelnen Fällen in Betracht kommen, die sich nicht inhaltlich zusammenfassen lassen (unten §§ 248ff.). Man will den Rückforderungsanspruch aus einer Zwecksetzung auf den Mangel eines rechtlichen Grundes zurückführen und übersieht, daß eine solche Ausdehnung

Verschiedene Ansprüche.

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dieses Begriffs zu einer Auflösung unseres ganzen Vertragsrechts führen müßte (unten §§ 270ff.). Man schließt aus der „Einheitlichkeit 4 c des Bereicherungsanspruches, daß der Anspruch aus § 817 BGB. lediglich ein Anwendungsfall des § 812 sei, und kommt dadurch zu den unmöglichsten Folgerungen (§§ 262ff.). Dasselbe gilt von der Wirkung der Ansprüche. Sie ist nicht überall einheitlich, insbesondere keineswegs immer auf die Bereicherung beschränkt (§§ 819ff. BGB.). Deshalb ist die Bezeichnung als Bereicherungsanspruch recht ungenau. Auch kann man nicht etwa alle Ansprüche, die auf die bloße Bereicherung gehen, hierher rechnen. Denn solche können auch aus Vertrag entspringen, aus Unrechtshandlung (§ 851), Geschäftsführung (§ 684), Eigentum (§ 988), Pflichtteil (§ 2329). Da die Ausgleichsansprüche also in Tatbestand und Wirkungen verschieden sind, kann man sie nur als mehrere verschiedene Ansprüche auffassen. Nur insoweit kann man sie zusammenstellen, als sie einem einheitlichen Zweck entspringen. Man darf diesen nicht einfach dahin bezeichnen, daß sie einen gesetzlichen Ausgleich von Unrecht erstreben: denn das würde auf die Klagen aus Unrechtshandlungen (§§ 823ff. BGB.) ebenfalls zutreffen. Aber der Unterschied zwischen beiden liegt darin: die Unrechtshandlung stellt ganz allgemein eine Störung des Gemeinschaftslebens dar. Hier aber liegt der besondere Sachverhalt vor, daß ein Rechtsakt (Gesetz oder Rechtsgeschäft) einen Zustand geschaffen hat, der seinen Zweck teilweise verfehlt. I n solchen Fällen ist der Rechtsakt oft ungültig, z. B. ein Vertrag, der auf etwas Unmögliches gerichtet ist. Bisweilen aber sieht sich unsere Rechtsordnung aus Gründen der Rechtssicherheit dennoch veranlaßt, im allgemeinen einen Erfolg daran zu knüpfen, z. B. das Eigentum an der übertragenen Sache auch dann übergehen zu lassen, wenn der Rechtsgrund fehlt. Eine solche Übertragung ist aber, wenn man sie aus dem Verhältnis der Vertragsparteien betrachtet, dennoch verfehlt, und es müßten sich daraus, wenn man sie auch auf dies Verhältnis anwendete, schwere Fehler ergeben. Deshalb muß der Fehler unter ihnen ausgeglichen werden. Oft geschieht das schon durch die Abmachungen der Parteien. Wenn ein nicht-rechtsfähiger Verein ein Haus auf den Namen eines Mitgliedes erwirbt, so liegt auch hier eine solche Rechtsverschiebung vor, die nicht gegenüber dem Verein wirken, ihn nicht von der Benutzung des Hauses ausschließen kann. Hier wird aber der nötige Ausgleich schon durch die, wenn auch nur stillschweigend

454

Grundlose Verschiebung.

getroffenen Abreden erzielt. Für die dadurch nicht geregelten Fälle muß aber auch ein Ausgleich vorgeschrieben werden, und das ist eben das Ziel der Ausgleichsansprüche. Sie alle beziehen sich also auf den Gegensatz zwischen dem allgemeinen Verkehrsschutz und der genaueren Regelung des Innenverhältnisses und geben einen Ausgleich da, wo er nicht schon vertragsmäßig geordnet ist. — Aber dieser gemeinsame Zweck schließt dennoch nicht aus, daß die einzelnen Ansprüche in Tatbestand und Wirkungen verschieden sind — ganz ebenso wie bei den Unrechtshandlungen nach §§ 823ff. Vielmehr erbhcke ich die Aufgabe der Wissenschaft gerade darin, genau zwischen den einzelnen Fällen zu unterscheiden. Ich möchte diese ganze Betrachtungsweise als U n t e r s c h e i d u n g s l e h r e bezeichnen. Dadurch, daß man über die Verschiedenheiten hinwegging, ist in unserer Lehre die Bildung unscharfer Regeln und eine allgemeine Uneinigkeit hervorgerufen worden. § 239. Eine solche Unterscheidung wird schon bei der ersten Frage erforderlich : welcher A r t die eingetretene Verschiebung sein muß. Das Gesetz (§ 812) erfordert, daß „ e t w a s " erlangt worden ist. Dies wird allgemein dahin verstanden, daß eine jede Vermögensverschiebung dazu genügt, also auch die Verschaffung von Besitz und Arbeitserfolg oder die Ersparnis von Ausgaben. I n demselben Sinn wird auch gelehrt, daß eine jede A r t von Bereicherung zu erstatten sei. Dieser Lehre stelle ich die andere entgegen: man muß scharf unterscheiden, ob die Verschiebung durch eine Leistung erfolgt ist oder nicht. Das Gesetz selbst unterscheidet in § 812 deuthch die L e i s t u n g s v e r s c h i e b u n g und die zufällige Verschiebung: „durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise". Bei der ersteren ist jeder Vorteil ausreichend: wer dem anderen bewußt irgendwelche Güter zuwendet, kann sie, wenn dies grundlos geschehen, zurückfordern. Denn damit wird dem oben bezeichneten Grundgedanken der Lehre genügt : es liegt eine Parteibestimmung vor, die ihr Ziel verfehlt. I n den übrigen Fällen ist nicht jede solche Bereicherung genügend. Hier muß eine Veränderung in der Rechtslage, eine Rechtsverschiebung eingetreten sein: nur dann liegt eine Bestimmung des Gesetzes, die ihr Ziel verfehlt, vor, nur dann wird der Grundgedanke der Lehre erreicht. Das gilt es nun zu beweisen. Wir wollen dazu die verschiedenen Formen einer bloßen Vermögensverschiebung durchgehen und prüfen, ob sie auch in Ermanglung einer Leistung einen Ausgleichsanspruch herbeiführen. Daß diese Verschiebungen im Falle einer

Bloße Vermögens-Verschiebung.

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Leistung genügen, wird ein für allemal eingeräumt und braucht nicht jedesmal wiederholt zu werden. 1. Der Gegensatz t r i t t wohl am deuthchsten bei der Verschiebung des bloßen Besitzes hervor. Daß diese überall genügt, um einen Ausgleichsanspruch zu begründen, wird allgemein angenommen. Wir aber können es nur für den Fall zugeben, wo der Besitz durch Leistung übergeht (unten § 242). Die Gegner berufen sich zum Teil darauf, daß der Besitz ein Recht sei. Aber diese Auffassung ist unrichtig, und gerade hier ist einer der Punkte, wo sich diese Unrichtigkeit zeigt: doch wird die Frage besser an anderer Stelle (unten § 304) erörtert werden. Ferner stützen sie sich auf die Quellenstellen, die eine condictio furtiva auf den Besitz geben. Aber diese ist eine Deliktsklage, und in den genannten Stellen wird immer der Tatbestand der unerlaubten Handlung erwähnt 2 . Auch hier ist vielfach nicht beachtet worden, daß die römische condictio nur eine Klagform enthält und nicht nur die Ausgleichsansprüche, sondern auch sehr andersartige umfaßt (oben S. 452). Gegen die allgemeine Zulassung des Anspruchs bei Besitzverlust müssen anderseits die schwersten Bedenken erhoben werden: danach könnte jeder, der einen Besitz zugunsten eines anderen eingebüßt hat, gegen diesen klagen. Er könnte es auch dann, wenn er bösgläubig war oder die Sache (einem anderen als dem Beklagten) weggegeben hatte. Man sieht sofort, daß das mit unserem ganzen Sachenrecht unvereinbar ist. Dies gibt dem früheren Besitzer einen Anspruch nur dann, wenn er ihm durch Eigenmacht entzogen ist (§ 859ff.): sonst nur im Falle des Besitzverlustes (§ 1007) unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, wozu besonders auch der gute Glaube des Klägers gehört. Ganz offenbar soll der Anspruch allen anderen versagt werden : also besonders dem fehlerhaften Besitzer (§ 859), dem bösgläubigen, dem, der die Sache weggegeben hat. Solche können eine Sache nur dann beanspruchen, wenn sie ein Recht darauf haben. Endlich kann auch der Beklagte gegenüber dem Verlierer sein eigenes Recht darlegen (§ 1007). Diese ganze Grundlage unseres Sachenrechts würde völlig überholt und zerstört, wenn daneben ein Ausgleichsanspruch einherginge, der nicht mehr als eine Verschiebung des Besitzes erforderte! — Geradezu ungeheuerlich wäre dies für den Anspruch, den ein Dieb auf die gestohlenen Sachen erhöbe. Wenn deren Eigentümer nicht er2

deiecit (dig. 13, 3 1. 2), deiectus est (dig. 47, 2 1. 25 § 1), fur (dig. 16 3 1. 31 § 1).

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Grundlose Verschiebung.

mittelt wird, könnte der Dieb noch aus dem Zuchthaus heraus diese Sachen beanspruchen — selbst gegenüber dem Staat, der sie bei ihm beschlagnahmt hat; denn die Voraussetzungen des § 983 BGB. sind hier nicht gegeben. Endlich ist zu einer Verschiebung nicht einmal nötig, daß der Vormann dasselbe Recht hatte: es genügt, daß der Erwerb auf seine Kosten erfolgte (unten § 243). Danach wäre noch nicht einmal zu erfordern, daß der Kläger Besitzer war, falls der Besitzerwerb nur auf seine Kosten ging. Danach könnte ein früherer Käufer gegen den späteren klagen, der die Sache vom Verkäufer bekommen hat ! Man sieht, daß durch diese ,,Besitzkondiktion" unser ganzes Recht umgestoßen wird. Aus der herrschenden Lehre würde ferner folgen, daß überall, wo jemand den Besitz einer fremden Sache erlangt, er dem wahren dinglich Berechtigten nach § 812 haftet, daß also neben jedem dinglichen Anspruch auf Herausgabe auch ein Ausgleichsanspruch einherginge. Das ist aber schon deshalb unhaltbar, weil dieser in vielen Richtungen weit über die Grenzen der sachenrechtlichen Ansprüche hinausgehen würde. Wenn daher jemand auf Kosten eines anderen, aber nicht durch dessen Leistung, Geld erhält, so muß es sich immer fragen, ob es in sein Eigentum oder nur in seinen Besitz kommt : nur im ersten Falle haftet er dem anderen mit dem Ausgleichsanspruch. Das ist besonders auch für den häufigen Fall bedeutsam, wo ein Gläubiger Sachen, die seinem Schuldner nicht gehörten, hat versteigern lassen. Die herrschende Meinung will hier dem ursprünglichen Eigentümer sofort einen Ausgleichsanspruch nach §§ 812, 816 gegen ihn auf Herausgabe des Erlöses geben3. Aber das ist nicht anzuerkennen 4. Der Erlös ist nach § 1247 durch Ersatzberechtigung (Surrogation) an den Sacheigentümer gefallen: dieser hat also die dingliche Klage darauf und braucht keinen Ausgleichsanspruch. Letzterer entsteht erst, wenn der Pfandverkäufer durch Vermischung oder Ausgeben das frühere Eigentum zerstört hat. Nach der herrschenden Lehre müßte der Geschädigte schon vorher einen Ausgleichsanspruch wegen des erlangten Besitzes haben. Aber das ist hier ebensowenig anzuerkennen, wie auch sonst überall, wo jemand ohne Leistung Besitz, aber nicht Eigentum erlangt hat. § 240. 2. Mit dem Besitz pflegen Vorteile aus der Benutzung und Nutzung der Sache verbunden zu sein. Auch deren Einbuße 8 R G . 88, 356ff.; J W . 1906, 15. 1917, 517. 1920, 39; L a n d s b e r g , D J Z . 3, 143; dagegen L o e w y , D J Z . 3, 57ff. * R G R K . 3 zu § 816; W o l f f , Sachenrecht § 166.

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müßte nach der herrschenden Lehre genügen, um einen Ausgleichsanspruch auf diese entgangenen Vorteile zu begründen. Unser Sachenrecht entscheidet auch hier ganz anders. Es spricht dem gutgläubigen Besitzer einer Sache den größten Teil der Früchte zu (§ 1007, 987ff. BGB.). Und die bloßen Gebrauchsvorteile behält sogar ein jeder, auch der bösgläubige Besitzer. Wer eine fremde Sache benutzt, ist dadurch noch nicht auf Zahlung eines Gebrauchszinses haftbar. Das beweist auch die Bestimmung (§ 557 BGB.), die nur ausnahmsweise einem Mieter, der die Sache nicht zurückgibt, diese Pflicht auferlegt. Allen diesen Sätzen würde es völlig widersprechen, wenn man einem jeden früheren Besitzer, sogar einem Dieb, einen Anspruch auf alle diese Vorteile gewährte. Außerdem erscheint es höchst unbillig, demjenigen, dessen Sachen, z. B. Fernsprecher oder Fahrrad, zu Unrecht benutzt worden ist, einen Anspruch auf die dadurch erzielten Gewinne zuzusprechen (oben S. 422). Wer eine fremde Sache vermietet, ist durchaus nicht etwa verpflichtet, den dadurch erzielten Gewinn dem Eigentümer herauszugeben 5. Das gilt selbst für Schwarzfahrten mit einem Auto : der Eigentümer kann nur Ersatz für die Abnutzung, aber nicht das damit verdiente Geld beanspruchen 53,. Nach der entgegengesetzten Ansicht 6 würden alle Erträge von Sachen nicht dem, der sie erzielt, sondern dem Eigentümer zufallen. Eine solche Ersatzberechtigung (Surrogation) ist aber unserem Rechte durchaus fremd und unerwünscht. — Nicht einmal das Verbrauchen eines fremden Rechtsguts reicht allein aus, um einen solchen Anspruch zu begründen 7 . Richtig ist, daß in bestimmten Fällen der Verbraucher für seine Bereicherung haftet, so bei der Verbindung und Vermischung (§ 951 BGB.) und bei der Verfügung eines Nichtberechtigten (§816 BGB.). Aber in diesen Fällen ist die Bereicherung eben darin gelegen, daß eine wirkliche Rechtsverschiebung stattgefunden hat. Sobald sie wegfällt, ist auch keine Bereicherung gegeben. Wenn ich einen fremden Mantel benutze — z. B. als gutgläubiger Besitzer — so bin ich nach dem Gesagten nicht zur Erstattung meiner Bereicherung verpflichtet. Das kann sich aber auch nicht dadurch ändern, daß ich dabei den Mantel aufgetragen und dadurch verbraucht habe. 5 5a 6 7

R G . 105, 408. SeuffA. 67 N r . 178. K G R K . 2 zu § 812. Dafür freilich J u n g , Reichsgerichtspraxis a. a. O. 154ff.

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Grundlose Verschiebung.

3. Nicht selten erlangt jemand Gewinn auf Kosten eines anderen dadurch, daß er dessen Erfindungen oder ähnliche Schöpfungsrechte mißbräuchlich benutzt. Gegen eine schuldhafte Verletzung gewähren unsere Gesetze einen Schadensersatzanspruch. Aber ein Ausgleichsanspruch nach § 812 BGB. würde insofern viel weiter gehen, als er auch diejenigen Vorteile, die dem wahren Berechtigten nicht entgehen, mit umfassen würde. Indessen ist ein solcher Anspruch nicht anzuerkennen. Es wäre sehr bedenklich, wenn ein Erfinder ruhig abwarten könnte, bis ein anderer mit seiner Erfindung Geld verdient hat, um es ihm nachher zu entreißen (I, 87ff., oben 422 ff.). Außerdem würde ein solcher Ausgleichsanspruch nicht einmal Verschulden des Beklagten erfordern und daher doppelt unbilhg sein. Dennoch wird der Anspruch in dieser Ausdehnung vereinzelt vertreten 8 . Aber die herrschende Lehre lehnt ihn entschieden ab, da er den betreffenden Gesetzen durchaus zuwiderläuft 9 . Nur bei einer Verwendung eines fremden Musters hat das Reichsgericht einen Anspruch auf Herausgabe des erzielten Gewinns zugebilligt 10 — was aber sehr bedenklich erscheint und der eben erwähnten Praxis widerspricht. 4. Dem Besitze ähnlich ist die Rechtsstellung, die jemand durch Eintragung im Grundbuch oder einem anderen öffenthchen Buch erlangt. Auch diese hat man als ein „etwas" im Sinn des § 812 BGB. bezeichnet und dem dadurch Beeinträchtigten einen Ausgleichsanspruch gegeben. Aber auch dem ist nicht zuzustimmen. Wenn ein unrichtiger Eintrag gemacht ist, so hat zwar der wahre Berechtigte, der dadurch beeinträchtigt wird, einen Berichtigungsanspruch (§ 894 BGB.). Aber er steht eben auch nur diesem zu und nicht einem solchen, der selbst kein wirkliches Recht am Grundstücke h a t 1 1 . Es ist ζ. Β. eine gelöschte Hypothek des A bei der Übertragung des Grundstücks auf ein anderes Blatt versehentlich mit überschrieben und dann von dessen Gläubiger gepfändet worden. Hier kann nur der Eigentümer Berichtigung des Grundbuchs fordern und nicht etwa der A. Aus der Gegenansicht würde sich auch ergeben, daß die Vorteile, die aus dem Scheinrecht erwachsen, dem, der durch den Eintrag beeinträchtigt wird, zufielen. Wenn 8

R G R K . 2 zu § 812. R G . 15, 132. 35,; 70. 43, 59. 62, 320. 108, 6. 113, 424; J W . 1914, 406. 10 R G . 90, 137. 11 W o l f f , Sachenrecht § 46 A n m . 7; K G . 48, 188. Anders S c h i l d e , Unrichtigkeit 51 ff. 9

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also statt 5000 Mark versehentlich 50000 Mark Hypothek eingetragen wären und der Gläubiger dies Versehen durch eine Verpfändung dieser Hypothek vorteilhaft ausnutzt, so müßte der Gewinn dem Eigentümer zukommen — was gewiß unhaltbar ist. — Allerdings geht das Reichsgericht sogar noch weiter : es betrachtet nicht nur den Eintrag, sondern sogar schon die durch eine Auflassung geschaffene Rechtslage als einen solchen Vermögensübergang 12 , der den Anspruch aus § 812 begründet. Aber auch das kann nur für den — dort vorliegenden — Fall anerkannt werden, daß der Übergang durch eine Leistung des Klägers bewirkt worden ist. § 241. 5. Wenn man den Eintrag im Grundbuch schon als geschützte Rechtslage ansieht, dann muß dasselbe auch von der Eintragung in anderen öffenthchen Büchern gelten, und ebenso von dem Besitz anderer beweisender Urkunden, und schließlich von allen Umständen, die einen Rechtsschein oder auch nur eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit begründen. Denn ein Vermögensvorteil kann schließlich auch schon durch die Erbringung eines Beweises erzielt werden. Nach der herrschenden Lehre müßte also eine bloße Verbesserung der Beweislage ein „Etwas" im Sinne des § 812 bedeuten. Man müßte also auf diesem Wege gegen die nachteilige Aussage eines Zeugen oder Sachverständigen angehen können, vor allem aber auch gegen ein Anerkenntnis oder Zugeständnis des Schuldners selbst. I n dem letzteren ist nicht etwa eine Leistung enthalten. Denn seine Beweiskraft wird^nicht erst dadurch geschaffen, daß es dem Gregner erteilt wird ; vielmehr ist gerade auch ein unversehens abgegebenes Geständnis oft besonders beweiskräftig. Außerdem wird dadurch nicht ein Recht begründet ; denn wie wiederholt betont (S. 346, 353) ist ein nicht-abgelöstes Anerkenntnis oder Schuldversprechen nur geeignet, einen Beweis, aber nicht eine Rechtswirkung hervorzurufen. Daraus folgern wir, daß ein derartiges Anerkenntnis oder Schuldversprechen nicht Gegenstand eines Ausgleichsanspruchs sein kann 1 3 . Dem widerspricht freihch eine Entscheidung des Reichsgerichts 14 : sie hat eben an diesem Falle darzulegen versucht, daß auch eine bloße Rechtslage ohne eigenthches 12

R G . 108, 332. v . T u h r , LeipzZ. 1921, 153; O e r t m a n n , Geschäftsgrundlage 50ff.; R G . 86, 305. 108, 107; Recht 1914 N r . 195; 1917 N r . 385. 14 R G . 108, 332; auch R G R K . 12 zu § 812; K r ü c k m a n n , LeipzZ. 1927, 753ff. 18

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Recht den Gegenstand des Anspruchs bilden könne. Aber gerade hier läßt sich dies besonders schlagend widerlegen. Nach § 812 I I BGB. gilt als Leistung „die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses". Damit ist doch deutlich genug gesagt, daß ein Anerkenntnis ohne Vertrag dazu nicht ausreicht. Ebenso schlüssig ist der schon erwähnte Grund, daß der Gläubiger durch ein solches Anerkenntnis noch gar keinen Rechtserfolg erlangt hat. Man hat dies zwar dahin einzuschränken versucht, daß es doch auch eine Abänderung der Schuld oder einen Verzicht auf Einreden enthalten könne 15 . Aber dagegen ist zu bemerken, daß solche Abreden eben nicht einen Teil des Anerkenntnisses bilden, sondern einen ganz anderen selbständigen Rechtsakt bedeuten. — Anderseits beruft sich das Reichsgericht darauf, daß sogar eine Zahlung zurückgefordert werden könne, daß es also erst recht bei einem Anerkenntnis, das doch weniger enthalte, möglich sein müsse. Aber das ist beinah so, als wenn man aus § 985 BGB. folgern wollte: da der Eigentümer gegen den Besitzer klagen kann, muß er es erst recht gegen den können, der nicht Besitz, also weniger hat. Es beruft sich ferner auf die Verhandlungen der zweiten Kommission, wo aber jener Gedanke nur sehr vorsichtig angedeutet ist (vielleicht) 16 . Es beruft sich endlich zu Unrecht auf die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts, vor allem auf eine Entscheidung, die gerade umgekehrt die Entstehung eines formalen Rechts als Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch bezeichnet 17 . 6. Besonders anschaulich sind die Fälle, wo der Wert einer Sache sich auf Kosten einer anderen steigert: es wird z. B. ein Gasthof ertragreicher dadurch, daß eine Straße oder ein Bahnhof verlegt wird oder daß ein anderer benachbarter Gasthof abbrennt. Aber es wäre das nicht etwa ein ausreichender Grund, um dem Geschädigten einen Ausgleichsanspruch gegen den glücklicheren Nebenbuhler zu geben. Mit Unrecht hat man den Wertzuwachs, insoweit er die Erträge oder den Verkaufswert steigere, als eine solche Bereicherung bezeichnet 18 . Oder der eine Gewerbetreibende wird dadurch begünstigt, daß sein Nebenbuhler stirbt oder das Bein bricht. Oder 15

Z. B . R G R K . a. a. O. Protokolle 2, 699. 17 R G . 51, 422. 18 W i n d s c h e i d § 421 A n m . 4; die v o n i h m angeführten Quellenstellen beziehen sich n i c h t auf die condictio, sondern den Eigentumsanspruch. 16

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der Kläger hat es unterlassen, einen Geschäftszweig auszunutzen, den dann sein Nachbar ausgebeutet hat. Undenkbar ist es, in solchen Fällen einen Ausgleichsanspruch anzunehmen. 7. Endlich wird allgemein behauptet, daß eine Bereicherung schon in der Ersparung von Auslagen zu sehen sei. Aber hier muß man, was bisher nicht geschehen, zwei verschiedene Fälle unterscheiden. Wenn der Bereicherte rechtlich verpflichtet war, diese Ausgabe zu machen, dann wird er durch die Aufwendung des anderen von seiner Verpflichtung befreit : dann liegt also sicher eine Bereicherung vor. Wer also ein abgebranntes Gebäude wiederherstellt, tilgt damit die Verpflichtung des schuldhaften Brandstifters und hat deshalb einen Anspruch gegen i h n 1 9 . Wer das K i n d des A verpflegt, befreit den A von seiner gesetzlichen Unterhaltungspflicht. Freilich ist dabei immer vorausgesetzt, daß die Aufwendung eben zur Tilgung dieser Schuld führt. Wenn also ein Knappschaftsverein oder eine Versicherungsgesellschaft einen Verletzten unterstützt, so erlangen sie daraus noch nicht einen Anspruch gegen den Schädiger 20. — Von diesen Fällen sind nun durchaus die anderen zu unterscheiden, wo eine solche Verpflichtung des Bevorteilten nicht besteht, sondern wo es in seinem Belieben stand, ob er diese Ausgabe machen wollte. Wenn ich einen Weg oder eine Brücke ausbaue, die auch meinen Nachbarn zugute kommen, so kann ich nicht Ansprüche gegen sie deshalb erheben, weil sie dadurch eine Ausgabe erspart hätten: auch dann nicht, wenn anzunehmen ist, daß sie es in ihrem Interesse hätten selbst tun müssen. Auch wer einen Verletzten heilen läßt, kann sich nur an den rechtlich Unterhaltspflichtigen halten, nicht an seinen Wohltäter oder Chef, auch wenn dieser die Kosten sonst sicher übernommen haben würde. Nur auf die erste Gruppe von Fällen beziehen sich die Quellenstellen, die man hier anzuziehen pflegt. I n einigen anderen Stellen ist die Bereicherung darin zu sehen, daß der Schuldner die Leistung einer Nichtschuld vollzogen hat : so wenn ein Erbe das vermachte Haus vor der Leistung noch ausgebessert hatte 2 1 . § 242. Wenn hieraus erhellt, daß eine einfache Vermögens Verschiebung ohne Rechtserwerb nicht ausreicht, so ändert sich dies nur dann, wenn sie auf Grund einer L e i s t u n g des Klägers an den Beklagten erfolgte. Unter einer Leistung ist das absichtliche Ver19 20 21

R G . 82, 215; vgl. J W . 1903, B e i l . 8, 1911, 488. R G . 68, 45. 82, 215. dig. 12, 6 1. 40 § 1; 25, 1 1. 5 § 2, 30, 58ff.

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schaffen von Vorteilen zu verstehen. Bei manchen Handlungen ist diese Absicht sofort klar, z. B. wenn ich jemandem Geld überweise. Bei anderen t r i t t es nicht ohne weiteres hervor: so kann es, wenn ich einen Weg ausbessere, zum Vorteile meines Nachbarn geschehen und dann eine Leistung an ihn enthalten. Auch hier muß es, wie überall, nicht auf die geheimen Gedanken, sondern auf die Erklärung ankommen. Es muß dabei — z. B. bei der Anlage des Weges — zum Ausdruck gebracht sein, daß sie gerade für den Beklagten erfolgt. Anders, wenn dieser dadurch nur mittelbar einen Vorteil erlangt — z. B. wenn ich Geld an A zahle und damit auch dessen Gläubigern Nutzen bringe: das ist nicht als eine Leistung an diese anzusehen. Hier, bei der Leistung, gilt nun die bisherige Einschränkung nicht. Hier werden alle Vermögensvorteile berücksichtigt. Wenn jemand auf Grund eines nichtigen Miet- oder Dienst ver träges dem anderen Dienste leistet, so kann er die Leistung oder ihren Wert zurückfordern. Er kann Ersatz für alle Aufwendungen verlangen, die der andere erspart hat. Wenn z. B. der Verkauf eines Autos wegen Irrtums angefochten ist, kann der Verkäufer vom Käufer Erstattung dessen fordern, was dieser durch dessen Benutzung erspart hat. Wenn sich ein Dienstvertrag wegen Minderjährigkeit als ungültig erweist, muß der Dienstherr erstatten, was er an anderweitigem Lohn gespart hatte. Daher geben auch die Quellen einen solchen Anspruch auf Grund der Leistung von Diensten 22 . Auch andere mittelbare Vorteile sind hier zu berücksichtigen : wenn A an der Grenze Bäume schlägt, weil er irrig glaubt, dem Β dazu verpflichtet zu sein, so kann er wegen des Vorteils, der dem Β dadurch erwächst, Ansprüche erheben. Wenn jemand mit dem anderen einen Vertrag schließt, weil er meint, ihm dazu verpflichtet zu sein, kann er ihn durch Ausgleichsanspruch wieder aufheben 23 . Daher ist hier auch die bloße Übertragung des Besitzes genügend 24 . Auf diesen Fall der Leistung ist der Ausgleichsanspruch wegen Besitzverlustes zu beschränken: wo sonst eine condictio possessionis vorkommt, gründet sie sich auf Delikt (oben S. 455). — Schwierigkeit macht das Verhältnis dieses Ausgleichsanspruchs zum 22

dig. 12, 6 1. 26 § 12. dig. 19, 1 1. 5 § 1; R G . 66, 134; W a r n e y e r 1917 N r . 112; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. A n m . 2. Anders O e r t m a n n , Geschäftsgrundlage 20. 24 dig. 12, 6 1. 15 § 1. 23

itVerschiebung.

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Eigentumsanspruch (§ 985 BGB.). Man muß hier unterscheiden, worin der Mangel enthalten ist. Ist die dingliche Übertragung gültig erfolgt, so kann der Vormann ganz sicherhch nur den ersten Anspruch haben. Ist sie nichtig, aber das Grundverhältnis gültig, so hat er den Eigentumsanspruch, aber keinen Ausgleichsanspruch, weil nichts grundlos übertragen wurde 2 5 . Wenn aber beides mangelhaft ist, also eine Nichtschuld mit fremdem Gelde bezahlt wurde, dann hat er beide Ansprüche nebeneinander, den Eigentumsanspruch und den Ausgleichsanspruch auf Herausgabe des Besitzes — nicht des Eigentums, da dies ja gar nicht übergegangen ist 2 6 . Hiernach kann man die Frage, welcher A r t das ,,Etwas" sein muß, nicht allgemein beantworten, sondern man muß zwischen den Fällen der Leistung und den übrigen unterscheiden. I n jenen ist eine jede A r t von Vorteilen ausreichend. Bei den übrigen muß ein wirklicher Rechtserfolg erzielt sein. Und zwar ist diese Unterscheidung durchaus nicht willkürlich. Sie erklärt sich vielmehr daraus, daß es, wie wir sahen, das Ziel jedes Ausgleichsanspruchs ist, einen Rechtsakt, der sein Ziel verfehlt, richtigzustellen. I n den Fällen der Leistung liegt eine solche rechtliche Bestimmung durch die leistende Partei vor. I n den anderen Fällen muß eine Bestimmung durch die Rechtsordnung gegeben sein, und dies trifft nur da zu, wo ein rechtlicher Erfolg eingetreten war. Wo aber keines von beiden vorliegt, wo also ein bloßer Vermögensvorteil zufällig auf Kosten eines anderen eintrat, da ist kein Ausgleichsanspruch gegeben. § 243. Der dargestellte Erfolg muß „auf Kosten des anderen" erlangt sein, d. h. diesen schädigen. Es ist nicht nötig, daß gerade das gleiche Recht beeinträchtigt wird, das auf den anderen übergeht. Wenn A die Sache des Β veräußert, so verliert Β das Eigentum an der Sache; A erreicht aber etwas ganz anderes, nämlich den Erlös. Und dennoch ist ein Ausgleichsanspruch gegeben (§ 816 BGB.). Auch ist nicht erforderlich, daß der Geschädigte sein Recht schon erworben hatte; vielmehr genügt auch das Ausschlagen eines künftigen Erwerbs 27 . Ja, es ist nicht einmal nötig, daß er überhaupt ein eigentliches Recht einbüßt: denn es handelt sich um einen wirtschaftlichen Begriff. Daher kann als geschädigt auch ein bloßer gutgläubiger Besitzer erscheinen, wenn er wirtschaftlich als der 25 28 27

dig. 24, 1 1. 5 § 18. — 23, 3 1. 67. dig. 12, 6 § 15 § 1. Protokolle 2, 685.

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Herr der Sache zu betrachten ist: so der gutgläubige Erwerber oder Erbschaftsbesitzer, wenn der wahre Berechtigte unbekannt oder dauernd abwesend ist. Auch diese können den Ausgleichsanspruch erheben, z. B. wenn die Sache durch wesentliche Verbindung mit einer anderen verloren geht. Das gilt auch, wenn er die Sache des anderen vermietet hatte. Und so beantwortet sich die Frage, ob auch ein bloßer Schuldberechtigter den Anspruch erheben kann: es ist davon abhängig, ob nach wirtschaftlicher Betrachtung der Verlust ihn trifft. Dieser Gesichtspunkt läßt sich nun zur Klärung einer bedeutsamen Frage benutzen, die bisher noch nicht befriedigend behandelt ist: wer berechtigt ist, Widerspruch gegen eine ungerechtfertigte V o l l s t r e c k u n g zu erheben. I n diesem Falle ist im Konkurse ein Aussonderungsanspruch (§ 43 KO.) und in der sonstigen Zwangsvollstreckung die Widerspruchsklage (§771 ZPO.) gegeben. Beide setzen in erster Linie voraus, daß die beschlagnahmte Sache nicht dem Vollstreckungsschuldner gehört. Aber daneben verlangen sie auch, daß dem Kläger ein eigenes Recht zusteht; es genügt nicht, daß er nur ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat. Das wird in beiden Gesetzen deutlich gefordert. I n § 771 heißt es ausdrücklich: „Behauptet ein Dritter, daß ihm . . . ein Recht zustehe" — und der § 43 KO. verweist auf die außerhalb des Konkursverfahrens geltenden, also auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Es liegt nun am nächsten, dieses Recht, weil es gegen den dritten Gläubiger geltend gemacht werden soll, als ein dingliches anzusehen — und diese Auffassung war denn zuerst auch die vorherrschende. Aber die ausdrücklich entgegengesetzte Vorschrift des § 43 KO. und ein dringendes praktisches Bedürfnis haben dahin geführt, daß sich jetzt fast die gesamte Rechtslehre und Rechtsprechung der Gegenansicht angeschlossen hat und auch für die Klage aus § 771 ZPO. gewisse schuldrechtliche Ansprüche zuläßt 2 8 . Und zwar unterscheidet man bei beiden Gesetzen danach, ob es sich um einen Anspruch auf Herausgabe oder aber nur um einen solchen auf Verschaffung einer Sache handelt: ob die Sache nach wirtschaftlicher Betrachtung noch zum Vermögen des Schuldners gehört oder nicht. I n der Tat ist dies durchaus sachgemäß. Aber wie will man es mit dem Hauptgrundsatz unseres Privatrechts 28

S t e i n I I zu § 771 u n d Genannte; vor allem R G . 18, 365ff. 63, 307. 84, 216; SeuffA. 45 N r . 152; 52 N r . 225 usw.

Aussonderung.

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vereinigen, daß Schuldrechte nicht gegen Dritte wirken ? Diesem schweren Bedenken glaubt die herrschende Lehre durch die Annahme begegnen zu können, daß es sich bei der Widerspruchsklage gar nicht um einen materiellen, sondern einen Anspruch des Prozeßrechts handle, dessen Voraussetzungen sich daher nach diesem bestimmten. Daran ist richtig, daß das Ziel dieses und des Aussonderungsanspruchs auf Freigabe, also einen prozessualen Vorgang gerichtet ist und daß dies in der Tat für die Voraussetzungen und den Inhalt des Anspruchs von Bedeutung ist. Aber dadurch wird das genannte Bedenken durchaus nicht überwunden. Denn es bleibt darum doch wahr, daß beide Klagen auch einen materiellen Anspruch voraussetzen. Denn — wie schon gesagt — § 771 ZPO. erfordert ausdrücklich, daß dem Kläger ein Recht an dem Gegenstande der Zwangsvollstreckung zustehen müsse — und § 43 KO. sagt ebenso deutlich, daß das Recht auf Aussonderung sich nach dem außerhalb des Konkursverfahrens geltenden, also nach dem materiellen Recht bestimmt. Vergebens hat man die Bedeutung dieses Erfordernisses dadurch herabzudrücken versucht, daß man den Klagegrund lediglich in den unberechtigten Eingriff des Staats verlegt 29 oder das Rechtsverhältnis nur als Grundlage des Feststellungsinteresses bezeichnet hat 3 0 . Auch wenn man in allen diesen Richtungen die Klage als eine prozeßrechtliche gelten läßt, so muß dennoch immer noch das vom Gesetz geforderte materielle Rechtsverhältnis aufgefunden werden, und zwar ein solches, das gegen den Beklagten wirkt. Nun sind freilich von einzelnen älteren Schriftstellern vergebliche Versuche gemacht worden, einen solchen gegen den Beklagten wirksamen Schuldanspruch rechtlich zu begründen. Man hat die Haftung auf Rechtsmißbrauch zurückgeführt 31 , was aber für den schuldlosen Beklagten nicht zutrifft, auf eine Art Wiedereinsetzung 32 , was aber jedenfalls dem heutigen Rechte fremd ist, auf einen Konfliktsanspruch 33 , den es überhaupt nicht gibt. Die in der Rechtslehre und Rechtsprechung herrschende Lehre hat diese Versuche mit Recht abgelehnt. Aber sie hat es sehr zu Unrecht unterlassen, etwas Besseres an deren Stelle zu setzen. Seltsamerweise ist man bei all diesen zahlreichen Erörterungen 29 30 31 32 33

Besonders S t e i n , Grundfragen der Zwangsvollstreckung 37ff. S c h m i d t , Lehrbuch § 159. V o ß , Z i v A r c h . 66, 161. 71, 236ff. 76, 284ff.; JheringsJ. 23, 43ff. B u n s e n , MecklZ. 2, 298ff. 3, 274ff. R o c h o l l , Rechtsfälle des Reichsgerichts 1 114. 170.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

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nicht auf den einfachen Gedanken gekommen, die Klagen auf einen Ausgleichsanspruch nach § 812 BGB. zu gründen. Hierdurch wird die gesuchte schuldrechtliche Beziehung zwischen dem Kläger und dem Beklagten hergestellt. Durch den Pfändungsakt ist eine Verschiebung bewirkt und der, zu dessen Vermögen die Sache gehörte, ist dadurch zu Unrecht beeinträchtigt worden. Hierdurch wird nun auch erklärt, weshalb ein Unterschied zwischen den Herausgabe- und den bloßen Verschaffungsansprüchen zu machen, also der Anspruch auf die Fälle zu beschränken ist, wo die Sache wirtschaftlich als zum Vermögen des Klägers gehörig erscheint. Wenn jemand dem Vollstreckungsschuldner eine Sache vermietet oder verliehen hatte, so erscheint sie als zu seinem Vermögen gehörig, und daher ist er, wenn die Sache gepfändet wird, geschädigt. Ihm wird deshalb der Anspruch gegeben. Wenn er sie aber nur erst gekauft hatte, so gehört sie einstweilen noch zum Vermögen des Verkäufers, so daß dieser der zunächst Beeinträchtigte ist. Hier ist daher der Eingriff nicht auf Kosten des Käufers erfolgt und der Ausgleichsanspruch ihm versagt. —· Man könnte auch daran denken, den Anspruch auf § 816 BGB. zu stützen. Aber das dürfte doch nicht angehen. Denn dort wird eine Verfügung eines Nichtberechtigten erfordert, die gegen den „Berechtigten" wirksam ist. Hierunter aber kann — eben wegen des Gegensatzes zu dem Nichtberechtigten — nur ein solcher verstanden werden, der zur Verfügung berechtigt ist, also nicht ein bloß Schuldberechtigter. Nicht selten macht jemand eine Zahlung, für die er von einem Dritten Erstattung verlangen kann: z.B. wenn er von diesem dahin angewiesen war. Man könnte zweifeln, ob die Zahlung dann auf seine Kosten erfolgt — und tatsächlich hat man daraufhin dem Angewiesenen den Ausgleichsanspruch versagt (oben S. 374). Aber dem dürfte nicht zuzustimmen sein. Wer eine Leistung aus seinem Vermögen macht, hat damit schon das vom Gesetz erforderte Opfer gebracht. Der Umstand, daß es ihm anderweit erstattet wird, ändert daran nichts. Sonst müßte man ihm den Ausgleichsanspruch auch dann schon abstreiten, wenn er einen Rückgriff gegen einen schuldigen Angestellten oder eine Versicherungsgesellschaft hätte. Freilich wird man daneben auch dem Anweisenden das Recht zusprechen, die von ihm durch Banküberweisung bewirkte Zahlung einer Nichtschuld unmittelbar selbst rückgängig zu machen (unten § 247). Es wäre wenig

A u f Kosten.

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zweckmäßig, ihn hier erst auf den Umweg über die Geltendmachung durch die Bank zu verweisen. Eine solche Schädigung auf Kosten eines anderen setzt eine Macht voraus, die auf dessen Vermögen einzuwirken imstande ist. Das ist i n erster Linie er selber: daher erfolgt die Verschiebung meistens durch seine eigene Handlung, besonders durch seine Verfügung. Sie kann aber auch durch eine Naturgewalt, z. B. durch eine zufällige Vermischung, bewirkt werden. Endlich kann sie auch durch die Handlung eines anderen Menschen entstehen. Entweder ist dies ein Dritter, der auf das Vermögen des Entreicherten einwirken kann: so besonders in dem Falle, wo dessen Verfügung dem Berechtigten gegenüber wirksam ist (§ 816 BGB.). Oder aber es hegt eine Handlung des Bereicherten zugrunde, dessen Eingriffe freilich oft sogar eine noch stärkere Wirkung, nämlich einen Schadensersatzanspruch hervorrufen werden. Man hat die Behauptung aufgestellt, daß die Verschiebung immer nur durch einen Eingriff des Bereicherten erfolge, und daß man daher die ganze Lehre der Ausgleichung durch eine solche über Eingriff serwerb ersetzen müsse 34 . Aber das will schon auf den gewöhnlichsten Fall, die Zahlung einer Nichtschuld nicht recht passen. Es läßt sich dort nur auf dem Umweg anwenden, daß man die Verschiebung nicht, wie es natürlich ist, auf die Handlung des Zahlenden, sondern auf den Empfang durch den Gläubiger zurückführt 3 5 . Und auch dann noch bleiben die Fälle unerklärt, wo der Bereicherte gar nicht mitwirkt. Ich werde z. B. dadurch, daß jemand meine Schuld bezahlt, oder durch ein bloßes Naturereignis bereichert. Wenn die gegnerische Lehre auch diese Fälle mit unter die Ausgleichsansprüche einbezieht 36 , so hat sie damit ihre Grundauffassung schon preisgegeben. § 244. Zwischen dieser Schädigung und dem Gewinn des Gegners muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Doch darf man dies nicht zu mechanisch auffassen. Wenn A die Sache des Β verkauft und dafür 100 Mark erhält, so könnte man sagen: der Verlust für Β entsteht nicht schon durch den Verkauf, sondern erst durch die Übertragung, der Gewinn des A dagegen schon durch den Kaufvertrag, also nicht durch dasselbe Ereignis. Aber dabei würde man allzusehr die rechtliche Form und zu wenig die 84 35 86

S c h u l z , Z i v A r c h . 105, 473ff. A . a. O. 435. So S c h u l z a . a . O . 440. 30*

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wirtschaftliche Natur des ganzen Vorgangs berücksichtigen. Daß diese maßgebend ist, beweist insbesondere, daß das Gesetz selbst (§ 816) ebenso ungenau von dem „durch die Verfügung erlangten" spricht. Über die Frage, ob die Verschiebung u n m i t t e l b a r erfolgt sein muß, herrscht ein lebhafter Streit 3 7 . Die herrschende Meinung bejaht es mit Entschiedenheit : sie fordert, daß die Wertbewegung sich direkt zwischen den Parteien vollzieht 38 , sie verlangt eine unmittelbare Verschiebung, die nicht auf dem Umweg über ein anderes Vermögen erfolgt ist 3 9 . Auch wenn man einen unmittelbaren Kausalzusammenhang verlangt 40 , so bedeutet das ebenfalls nichts wesentlich anderes 41 . Dieser Lehre t r i t t eine andere entgegen, die dies Erfordernis ebenso entschieden bekämpft 4 2 . — Bei dem ganzen Streit hat man aber fast allseitig verkannt, daß das Erfordernis der „unmittelbaren" Verschiebung zweierlei bedeuten kann, entweder: die Verschiebung muß durch einen einzigen Akt erfolgt sein, oder aber: die Verschiebung muß durch die jetzt streitenden Parteien ohne Mitwirkung eines Dritten erfolgt sein. Wenn man den Satz im ersten Sinne versteht, so ist er richtig, im zweiten Sinne ist er unrichtig. Zunächst ist es unhaltbar, die Mitwirkung eines Dritten bei der Verschiebung für unzulässig zu erklären. Wie wir sahen (S. 467), kann diese durch alle möglichen Umstände, selbst durch Naturgewalten erfolgen. Es wäre also schon deshalb ganz unmöglich, zu fordern, daß sie gerade durch die Parteien bewirkt worden sei. So gibt es denn auch eine Reihe wichtiger Fälle, wo ein Dritter 87

Besonders E n n e c c e r u s 11. Aufl. § 441; L e h m a n n 12. A u f l . § 219; H e d e m a n n , Bereicherung durch Strohmänner; E w a l d , GruchBeitr. 65, 150ff. ; N e b e n z a h l , Das Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung. 38 J u n g a. a. O. 145. 39 v . M a y r a. a. O. 207ff. Ä h n l i c h R G . 66, 80ff. 73, 177. 79, 285. 82, 82ff.; J W . 1908, 432. 1910, 752; W a r n e y e r 1908 N r . 439; P l a n c k , Vorbemerkung 2 b u n d andere. 40 G i e r k e , Privatrecht 3, 1004ff.; R G . 97, 65. 41 N e b e n z a h l a. a. O. 20. 42 E n n e c c e r u s § 441 (anders j e t z t L e h m a n n i n der 12. Aufl. § 219); H e d e m a n n a. a. O. 14ff); E w a l d a. a. O.; G é r o t a , Theorie de l'enrichissement 86ff.; i m wesentlichen auch N e b e n z a h l a. a. O. (dazu L i e b i s c h , Z i v A r c h . 133, 225).

Unmittelbare Verschiebung.

469

mitwirkt und dennoch an dem Ausgleich gar nicht zu zweifeln ist, wie die der Vertretung und Anweisung. Wenn A zur Tilgung seines angeblichen, aber ungültigen Anspruchs den Betrag durch die Bank an C überweist, so ist der Ausgleichsanspruch des A gegen C sicher gegeben. Und doch läßt sich nicht leugnen, daß ein Dritter, nämlich die Bank, bei der Verschiebung mitgewirkt hat. Das ist dermaßen einleuchtend, daß auch die Vertreter der herrschenden Lehre es zugeben müssen. Sie behaupten aber zum Teil, daß diese so gar nicht zu verstehen sei. Sie wolle gar nicht verlangen, daß die Personen des Schuldverhältnisses mit den tatsächlich Leistenden identisch seien, und daß man sie so aufgefaßt habe, sei lediglich ein Mißverständnis 43 . Aber dies trifft keineswegs zu. Die Anhänger der herrschenden Lehre ziehen aus ihr auch solche Folgerungen, die sich eben auf dem hier verworfenen Satz aufbauen. Insbesondere wollen sie aus der Unmittelbarkeit den Satz ableiten, daß bei der Verfügung eines Nichtberechtigten der frühere Eigentümer keinen Anspruch gegen den Dritterwerber hat. Wenn nämlich Β über die Sache des A zugunsten des C verfügt, so ist es nach § 816 BGB. zweifellos, daß A zwar einen Ausgleichsanspruch gegen B, aber nicht gegen C hat — oder doch nur dann, wenn dieser unentgeltlich erworben hat. Und das will die herrschende Meinung daraus erklären, daß die Verschiebung von A an C nicht „unmittelbar" erfolge. Das aber kann nicht i n dem Sinne gemeint sein, daß sie auf mehreren aufeinander folgenden Akten beruhe. Denn tatsächlich hat hier doch nur eine einzige Verschiebung des Eigentums von A auf C stattgefunden. Allerdings heben einige Gegner dabei gerade das hervor, daß der Verlust und Erwerb durch einen einheitlichen Umstand verursacht sein müsse 44 . Aber daran fehlt es ja hier gar nicht : beides wird zugleich durch denselben Vorgang, den Eigentumsübergang auf C, bewirkt. — Danach können die Gegner den Ausschluß des Ausgleichsanspruchs nur dann begründen, wenn sie den Satz in dem anderen Sinne verstehen: es sei nicht zulässig, daß bei der Verschiebung ein Dritter mitwirkt. Zwar wird dabei von ihnen noch weiter auch das Erfordernis betont, daß der Verfügende als der „Urheber der Leistung" erscheine 45 , daß er „als der eigentliche Zuwender anerkannt" 48 44 45

L e h m a n n bei E n n e c c e r u s a. a. O. A n m . 17. G i e r k e , L e h m a n n a. a. O. H a y m a n n , JheringsJ. 77, 263.

Grundlose Verschiebung.

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werde 46 . Aber auch das ist nur von demselben Standpunkte aus erheblich, daß die Verschiebung eben durch den Entreicherten selbst erfolgen müsse. Der Satz wird nur unwesentlich dahin abgewandelt, daß man eine Mitwirkung eines Dritten zwar nicht völhg ausschließen, aber sie doch nur als untergeordnete unwesentliche Beihilfe zulassen will. § 245. Diese Versagung des Ausgleichsanspruchs läßt sich also nicht aus der herrschenden Lehre ableiten, sondern ist anders zu erklären. C ist deshalb nicht zur Herausgabe der Sache verpflichtet, weil er sie nicht grundlos, sondern auf Grund seines Anspruchs gegen Β erworben h a t 4 7 . Allerdings setzt diese Begründung voraus, daß dann, wenn auch die Leistung an C grundlos ist, anders zu entscheiden und der Anspruch zu gewähren sei. Aber das ist in der Tat auch anzunehmen 48 . Die herrschende Meinung lehnt dies freilich ab; insbesondere hat das Reichsgericht einem Ehemann, dessen Frau mit seinen Mitteln eine Nichtschuld bezahlt hat, den Ausgleichsanspruch gegen den Empfänger versagt 49 . Aber dies Ergebnis ist sehr wenig befriedigend. Dagegen spricht auch die Analogie des Falles, wo das Eigentum des A nicht durch den Vertrauensschutz, sondern durch Vermischung verloren geht. Hier ist ihm, wie auch die Gegner nicht bestreiten, der Ausgleichsanspruch gegen den Erwerber gegeben. Diese beiden Fälle liegen aber sachhch völhg gleich. Darauf, wer den A k t der Verschiebung vollzogen hat, soll es ja nicht ankommen; überdies kann in beiden Fällen derselbe Dritte, einmal durch Übertragung, einmal durch Vermischung, tätig geworden sein. Weiter spricht für den Ausgleichsanspruch, daß er nach § 816 I I BGB. auch bei einem unentgeltlichen Erwerb des C begründet ist. Wenn dieser selbst bei einer gültigen Schenkung die Sache an A herausgeben muß, dann doch wohl um so mehr, wenn er gar keinen Grund für sich hat: denn eine Schenkung wiegt doch immer noch mehr als eine ganz grundlose Zuwendung. Man denke nur an den Fall, wo eine Schenkung gemacht, aber ungültig ist. Nach der Gegenansicht müßte der Beschenkte die 46

L e h m a n n a. a. O. 687. E n n e c c e r u s a. a. O. 48 E n n e c c e r u s a. a. O.; O e r t m a n n , Recht 1915, 510ff.; v . T u h r 2, 2 § 75. 49 R G . 60, 287; G i e r k e a. a. Ο. § 218 A n m . 41; H a y m a n n a. a. O. 262; L e h m a n n a. a. O. A n m . 24. 47

Unmittelbare Verschiebung.

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Sache herausgeben, wenn die Schenkung gültig ist, während er sie im Fall der Nichtigkeit behielte: welch neckisches Ergebnis ! Vor allem muß es doch, wie nicht zweifelhaft sein kann, dem geschädigten A ermöglicht werden, die Sache dem grundlosen Erwerber C zu entreißen. Die Gegenansicht sucht es dadurch zu erreichen, daß sie dem A einen Anspruch gegen Β auf Abtretung seines Ausgleichsanspruchs gegen 0 gibt. Aber der Β hat ja einen solchen Anspruch gar nicht: er hat das Eigentum nicht gehabt und also auch nicht verloren. Was er verloren hat, ist lediglich sein Besitz; ihm steht also nur ein Anspruch auf Rückgabe des Besitzes zu, und nur diesen kann er abtreten. Daß er sich infolge des Rechtsscheins in einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums verwandele 50 , ist nicht zuzugeben. — Allerdings wenden die Gregner gegen den Ausgleichsanspruch des A ein, daß nach § 816 I I BGB. der Dritterwerber ausschließlich i m Falle des unentgeltlichen Erwerbs haftbar sei. Aber gerade das entscheidende Wort, worauf sie sich stützen, das „ n u r " , ist im Gesetz nicht zu finden. Das Gesetz regelt hier nur die normalen Fälle, wo der Erwerb des Dritten auf einem Rechtsgrund beruht, und hat dabei keinen Anlaß, auf die übrigen einzugehen. Andere haben dem Einwand der Gegner durch die Annahme zu beseitigen gesucht, daß sein Erwerb ohne Rechtsgrund auch als „unentgeltlicher" im Sinne des § 816 I I anzusehen sei 51 . Aber dem ist nicht beizutreten. Ein grundloser Erwerb ist weder entgeltlich noch unentgeltlich, sondern neutral 5 2 . — Endlich haben die Gegner sich noch darauf berufen, daß bei einer grundlosen Weitergabe der Bereicherung kein Anspruch gegen den Dritten gegeben ist (§ 822 BGB.). Aber dieser Fall liegt ja deswegen ganz anders, weil hier ein zweiter Verschiebungsakt stattgefunden hat und dies i n der Tat einen unmittelbaren Ausgleichsanspruch ausschließt. § 246. Nach den bisherigen Ausführungen ist die herrschende Meinung insoweit im Unrecht, als sie die Mitwirkung eines Dritten ausschließen oder einschränken und in diesem Sinne eine „unmittelbare" Verschiebung fordern will. Wohl aber ist sie insoweit im Recht, als sie den andern Satz aufstellt: die Verschiebung muß durch einen einzigen A k t erfolgt sein. Wenn zwei Ver60

So L e h m a n n a. a. O. A n m . 24. v . T u h r a. a. O. 48, 53, A l l g . T e i l 2, 2, 141 ff. 62 K i p p , Erbrecht § 118 A n m . 13; H a y m a n n a. a. O. 244; L i e b i s c h , Unentgeltliche Zuwendimg 51ff.; K r a w i e l i c k i , GruchBeitr. 71, 156ff., JheringsJ. 81, 257ff. 51

Grundlose Verschiebung.

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Schiebungen hintereinander stattfinden, so kann nicht der zuerst Entreicherte gegen den zuletzt Bereicherten vorgehen. Wenn A grundlos Geld an Β und dieser dasselbe grundlos an C zahlt, so hat A keinen Anspruch gegen C. Freilich bestreiten die Gegner der herrschenden Lehre auch diesen richtigen Satz. Ein Bruder hatte einen Wechsel, den ihm seine Schwester zu einem bestimmten Zwecke übergeben, einer Gesellschaft für einen anderen Zweck übertragen: hier soll nach ihrer Ansicht die Schwester einen Ausgleichsanspruch unmittelbar gegen die Gesellschaft haben 53 . Aber eine solche Erstreckung des Anspruchs auf einen Dritten ist abzulehnen. Dagegen spricht schon, daß die Bereicherung des C gar nicht auf Kosten des A, sondern des Β erfolgt i s t 5 4 — vor allem aber die einseitige (relative) Natur des Schuldanspruchs, der doch nur gegen den Schuldner gerichtet ist. Allerdings gibt § 822 BGB. ihm auch Kraft gegenüber einem späteren Erwerber : aber nur unter zwei ganz bestimmten Voraussetzungen, daß der Ausgleichsanspruch gegen den ersten ausgeschlossen ist und daß der Dritte unentgeltlich erworben hat. Das ist also offenbar nur eine Ausnahme, die den Entreicherten in einem Notfalle gegen einen Beschenkten sichern soll. Man hat zwar dagegen eingewendet, daß das Gesetz den Anspruch gegen den Dritten nur deshalb ausschließen wolle, weil er auf Grund eines gültigen entgeltlichen Verhältnisses erworben habe, sein Erwerb also nicht grundlos sei. Aber selbst wenn das richtig wäre, so bleibt doch noch die zweite Einschränkung, daß der Anspruch gegen den Dritten nur hilfsweise da gegeben wird, wo der gegen den Zweiten versagt. Endlich sprechen auch erhebliche praktische Bedenken gegen die Gegenansicht55. Wenn man sie ernstlich durchführen wollte, müßte man, falls A 1000 grundlos an Β zahlt und dieser wieder 1000 an C, dem A einen Anspruch gegen C geben. Das wäre so verkehrt, daß es auch von den Gegnern abgelehnt wird. Aber sie können das nicht begründen. Man hat sich darauf berufen, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen beiden Verschiebungen fehle 5 6 : aber dieser kann sehr wohl gegeben sein, besonders in 53

E n n e c c e r u s a. a. O., gegenüber der Entscheidung SächsRpflArch. 1908, 467. 54 v. M a y r a. a. O. 207ff.; O e r t m a n n 2 vor § 812. 55 L e h m a n n a. a. O. § 218; H e c k , Schuldrecht § 144. δβ N e b e n z a h l a. a. O. 81.

Unmittelbar

Verschiebung.

473

dem sehr häufigen Falle, wo es die erste Zahlung dem Empfänger erst ermöglicht hat, die zweite zu machen. Ferner ist es nicht glücklich, daß der Anspruch des A in einem Rechtsstreit gegen C ausgetragen wird, da dem Β dadurch die Möglichkeit, seine Einwendungen vorzubringen abgeschnitten wird. Endlich bleibt unklar, ob der Anspruch nur gegen den Dritten oder auch gegen den zuerst Bereicherten erhoben werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die erste Leistung an einen Kommissionär des Dritten erfolgte. Wenn dies auch für dessen Rechnung geschieht, so bleibt dennoch wahr, daß die Leistung zunächst an den Zwischenmann gemacht worden ist. Und auch dadurch ändert es sich nicht, daß der erste Empfänger nur als Strohmann von dem Dritten vorgeschoben ist 5 7 . Eine abweichende Behandlung solcher Fälle wäre schon deshalb sehr mißlich, weil eine scharfe Abgrenzung kaum durchführbar ist, jedenfalls nur durch eine oft unmögliche Erforschung der inneren Absichten erreicht werden könnte. Die weitergehenden Ansprüche des römischen Rechts — actio de in rem verso — und des preußischen Rechts sind ins heutige Recht nicht übernommen worden 58 . § 247. Die ganze Schwierigkeit löst sich also dahin auf, daß man zwischen den beiden oben (S. 468) aufgestellten Erfordernissen unterscheidet und das erste bejaht, aber das zweite verneint. Unmittelbar braucht die Verschiebung nur in dem Sinne zu sein, daß sie auf einen einzigen Verschiebungsakte beruht. Auffallend ist, daß man diesen einfachen Satz und diese Unterscheidung bisher fast ganz verkannt hat. Es erklärt sich wohl aus dem Fehler, den die bisherige Lehre bei der Bestimmung der Verschiebung macht, indem sie diese in jeder Vermögensverschiebung erblickt. Von solchen Vermögensverschiebungen finden sich nicht selten mehrere in einem Tatbestand, der dennoch zweifellos einen Ausgleichsanspruch erzeugt. So schon in dem alltäglichen Falle, wo A durch die Bank Β an C zahlt. Hier macht nicht nur Β eine Übertragung an C, sondern es wird dadurch auch eine Vermögensverschiebung der Bank an A vollzogen. I n diesem und in vielen ähnlichen Fällen liegen in der Tat mehrere Vermögensverschiebungen vor — und wenn man diese als genügend 57

L e h m a n n a. a. O. gegen H e d e m a n n , Bereicherung durch Strohmänner. 58 L e h m a n n a. a. O. A n m . 23; R G . 106, 386; W a r n e y e r 1908 N r . 439; P r i n g s h e i n , Reichsgerichts-Praxis 3 114ff.

Grundlose V e r s c h i e b g .

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bezeichnet, müßte man auf Grund dessen auch eine Mehrheit von Verschiebungen zulassen und so das Erfordernis des unmittelbaren Übergangs auch in diesem Sinne verneinen. Diesen Fehler kann man nur dadurch vermeiden, daß man nur die Rechts- und die Leistungs ver Schiebungen in Betracht zieht. Nur diese können einen Ausgleichsanspruch begründen, nur sie können daher hier mitgezählt werden. Nun findet im Falle der Banküberweisung freilich eine Rechtsverschiebung von Β an C statt, die zugleich auch als eine Leistung des A an 0 aufgefaßt werden kann (oben S. 466). Aber auszuscheiden ist die andere Verschiebung, die aus dem Vermögen der Bank Β in das des A erfolgt. Denn im Verhältnis der beiden zueinander liegt keine Zuwendung eines Rechts vor, sondern nur eine Vermögensverschiebung: und in dem gleichen Verhältnis liegt auch keine Leistung vor, denn die Bank hat ja nicht an A geleistet. Also gehört diese Verschiebung zu denen, die für den Ausgleichsanspruch nicht in Betracht kommen. Eben dies berechtigt uns, nur eine einzige rechtserhebliche Verschiebung anzunehmen und dem A einen Ausgleichsanspruch gegen C zu gewähren. Auch hier bleibt das Erfordernis der Einheitlichkeit gewahrt. — Hieraus ergibt sich : eine reinliche Klärung der ganzen Streitfrage ist nur so möglich, daß man die Fälle einer mehrfachen Verschiebung von den übrigen absondert. Dies aber ist nur dann durchführbar, wenn man lediglich die Verschiebungen in Betracht zieht, die durch eine Leistung erfolgen oder in einer Rechtszuwendung bestehen. Und so wird denn auch hierdurch unsere Lehre bestätigt, die nur diese beiden Arten der Verschiebungen für ausreichend erachtet. § 248. Noch größere Schwierigkeiten entstehen bei der weiteren Frage, wann eine Rechtsverschiebung ohne r e c h t l i c h e n G r u n d erfolgt ist. Auch hier hat das Streben nach Gewinnung einer einheithchen Formel, das durchaus begreiflich ist, in die Irre geführt: denn diese Aufgabe ist unlösbar 59 . Die althergebrachte Lehre geht dahin, daß es sich darum handle, das „formale Recht, welches der tieferen, der materiellen Begründung entbehre", zu verbessern 60, oder „das äußerhch gültige Recht", dem der innerlich gerechtfertigte Grund fehlt 6 1 , „den formalen Rechts59

O e r t m a n n , Vorbemerkung 1 vor §§ 8 1 2 f f . ; E n n e c c e r u s - L e h m a n n

§ 219. 60 81

D e r n b u r g § 138· P l a n c k , Vorbem. 1.

Ohne Grund.

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zustand, der der inneren Rechtfertigung entbehrt" 6 2 . Alle diese und ähnhche Bestimmungen sind nicht nur unklar, sondern auch widerspruchsvoll. Ein solcher Gegensatz zwischen materiellem und formalem Recht ist gar nicht denkbar 63 , Unmöghch kann die Rechtsordnung das eine und gleichzeitig das Gegenteil wollen: wenn sie einen Erfolg mißbilligt, so t r i t t er erst gar nicht ein. Und außerdem kann ein Rechtssatz niemals aus bloß formellen Gründen erlassen werden. Man kann den Gegensatz auch nicht in dem Sinn aufrecht erhalten, daß der eine Erfolg dem starren Recht, der andere der Bilhgkeit entspricht. Denn auch die ersteren Rechtssätze, die im Interesse der Rechtssicherheit gegeben sind, verfolgen Zwecke der Bilhgkeit. Wenn sie das nicht täten, wären sie verfehlt und müßten aufgehoben werden. Und man kann sich auch nicht darauf berufen, daß der Ausgleich den Rücksichten einer höheren Bilhgkeit entspreche: denn auch dann müßten die widersprechenden Sätze beseitigt werden. — Derartige Bestimmungen sind also nicht haltbar. Sie sind aber anderseits auch sehr gefährhch, denn sie müssen schheßhch dahin führen, daß der Richter überhaupt die Gesetze wegen Unbilligkeit abändern dürfe. So hat man in der Tat sogar versucht, die Währungsgesetze des Krieges wegen der nachträghchen Verschlechterung des Papiergeldes und der daraus erwachsenen Unbilligkeiten durch den Anspruch aus §§ 812ff. umzustoßen 64 . Ein solches Verfahren müßte zur Auflösung alles gesetzten Rechts führen. — Man kann den Mangel des Grundes auch nicht dahin bestimmen, daß ein Rechtsgeschäft aus fehlerhaften Beweggründen verursacht sei. Denn einmal würde das nur für die Rechtsgeschäfte passen : vor allem aber reicht ein Irrtum im Beweggrunde keineswegs aus, um ein Geschäft umzustoßen. § 249. Diesen Lehren gegenüber enthält es gewiß einen bedeutenden Fortschritt, wenn man den Gegensatz so faßt, daß ein absolutes Recht entstanden, aber in den relativen Beziehungen kein Grund dafür gegeben ist 6 5 . Dieser Gegensatz deckt in der Tat viele Fälle: aber doch nicht alle. I n einigen wird überhaupt kein Recht erworben, nämlich bei den Tilgungsakten. I n anderen ist es kein 62 E n d e m a n n 1, 894. « S c h u l z , Z i v A r c h . 105, 439. e4 E n n e c c e r u s 11. Aufl. § 231a; dagegen L e h m a n n bei E n n e c c e r u s § 219. 65 J u n g a. a. O. 32ff.

Grundlose Verschiebung.

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absolutes Recht — so wenn ein Wechsel zur Sicherung einer Forderung gegeben wird: den Gegensatz zwischen dem Wechsel und seinem Rechtsgrund kann man unmöghch als solchen zwischen einem allwirksamen und einseitigen Recht bezeichnen. Auch wenn eine Leistung als Schenkung gegeben wird, läßt sich dieser Rechtsgrund nicht als ein schuldrechthches Verhältnis bezeichnen. Man müßte denn das Handgeschenk dahin auffassen, daß damit immer erst eine Schuld begründet und sogleich wieder erfüllt werde. Aber das ist nicht die Auffassung unseres Rechts: es erkennt auch eine unmittelbare Schenkung durch dingliche Leistung an, bei der ein SchuldVerhältnis überhaupt nicht eingreift (oben S. 112). Wird endlich die Leistung zwecks Erwerbs eines Rechts gemacht, so läßt sich dieser Rechtsgrund nur dann als ein schuldrechtlicher bezeichnen, wenn das zu erwerbende Recht ein Schuldrecht ist. Wenn aber Geld gezahlt wird, um dadurch eine Bedingung zu erfüllen und damit eine Sache zu Eigentum Zu erwerben, so hat das wieder mit Schuldrecht gar nichts zu tun. — Man kann die Regel auch nicht etwa darauf abstellen, ob der Erfolg durch ein abstraktes Rechtsgeschäft erzielt ist. Denn auch dann würden wieder alle Fälle einer Verschiebung ohne Rechtsgeschäft außer Betracht bleiben. So passen alle diese Regeln gar nicht auf den Fall, wo jemand dem anderen, etwa weil er ihm durch Dienstvertrag dazu verpfhchtet zu sein glaubte, Arbeiten geleistet hat. Dieser Leistung kann man weder eine absolute noch eine abstrakte Natur beimessen: und dennoch ist hier ein Ausgleichsanspruch gegeben. — I m Anschluß an diese Lehre hat man es als endscheidend bezeichnet, ob ein widerrechtlicher Eingriff zugunsten des Eingreifenden erfolgt ist 6 6 . Aber diese ganze Auffassung, die das Ausgleichsrecht durch die Lehre vom Eingriff ersetzen will, erscheint überhaupt unberechtigt. Die meisten Fälle der Ausgleichsansprüche lassen sich dadurch nicht oder doch nur recht künsthch erklären (oben S. 467). Allerdings enthält die zuerst dargestellte Lehre einen richtigen Gedanken für die Fälle, wo die Verschiebung im Erwerbe eines Rechts besteht: daß hier ein Rechtserfolg im allgemeinen eintritt, aber in einer einzelnen Richtung umgestoßen werden kann. Es ist undenkbar, daß die Rechtsordnung denselben Erfolg gleichzeitig ganz billigt und mißbilligt: wohl aber ist es möglich, daß 66

S c h u l z a, a, O, 439,

Ohne Grund.

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sie ihn im allgemeinen anerkennt, aber in einer einzelnen Richtung verwirft. So ist die Übereignung nach unserem Rechte von der Gültigkeit des Rechtsgrundes unabhängig gemacht, um die Schädigung der Rechtsnachfolger zu verhüten. Aber im Verhältnis zwischen dem Übereigner und dem Empfänger muß die dadurch entstehende Unrichtigkeit wieder ausgeglichen werden, damit dieser nicht die Sache ohne Rechtsgrund behält. Und nicht anders ist es auch da, wo das Gesetz im Interesse der Rechtssicherheit einen Eigentumsübergang, z . B . durch Verbindung vorschreibt: dies gilt nur nach außen, muß aber in der Innenbeziehung wieder richtig gestellt werden. Der allgemeine Verkehrsschutz und das besondere InnenVerhältnis werden beide berücksichtigt : jener durch den Eigentumsübergang, dieser durch den schuldrechtlichen Ausgleich. Alles dies ist zutreffend und für das Verständnis der ganzen Lehre von großer Bedeutung: aber es reicht nicht aus, um alle Fälle zu umfassen und daher eine vollkommene Bestimmung des mangelnden Rechtsgrundes zu geben. § 250. Zu diesem Zwecke ist es vielmehr wieder notwendig, zwischen den Fällen, wo die Verschiebung durch eine Leistung des Entreicherten an den Bereicherten erfolgt, und den übrigen zu unterscheiden. Diese Unterscheidung rechtfertigt sich hier schon dadurch, daß bei der Leistung eine Bestimmung des Rechtsgrundes durch den Leistenden stattfindet, in den übrigen Fällen aber nicht. Wenn wir zunächst die letzteren betrachten, so kann die Verschiebung dabei auf ganz mannigfaltige Weise, durch die Handlung einer der Parteien oder eines Dritten oder sonstige Umstände bewirkt werden. Es dürfte sich aber nicht empfehlen, danach zu unterscheiden 67 . Denn es ist ohne Belang, durch welchen dieser Umstände die Verschiebung eintrat: z . B . ist es im Falle einer Vermischung gleichgültig, ob sie durch den Bereicherten oder einen Dritten oder ein Naturereignis geschah — oder auch durch den Entreicherten selbst, falls er damit nicht eine Leistung ausführen wollte. Die Mitwirkung des letzteren kann zwar für die Frage bedeutsam werden, ob er sich dadurch zur Übertragung verpfhchtet hat: aber nicht darauf kommt es an, ob gerade die Verschiebung selbst durch ihn erfolgte. — Bei allen diesen RechtsVerschiebungen ohne Leistung ist der Eintritt eines Rechtserwerbs erfordert (oben S. 454ff.). Hier taucht also das vorher erörterte 67

Wie E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 212.

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Grundlose Verschiebung.

Problem auf, wie die Rechtsordnung denselben Erfolg gleichzeitig vorschreiben und aufheben kann. Wie wir sahen, ist das nur in dem Sinne denkbar, daß der Erfolg i m allgemeinen eintritt, und nur nicht relativ, zwischen den Parteien. Die Frage kann also nun so gestellt werden: besteht neben der Rechtsverschiebung noch ein zweiter schuldrechtlicher Satz, der auf den gleichen Übergang gerichtet ist? So ist im Falle des Funderwerbs zu fragen, ob nur der Eigentumserwerb des Finders vorgeschrieben ist (§ 973ff. BGB.) oder gleichzeitig auch, daß er im Innenverhältnis zum Verlierer wirken soll. Aus § 977 BGB. ist zu ersehen, daß diese letzte Wirkung erst nach drei weiteren Jahren eintritt. I m Falle der Verbindung ist zu fragen, ob der Erwerber gegen den Verherer einen schuldrechthchen Anspruch auf den Erwerb hatte. Dies wäre zu bejahen, wenn der Verlierer ihm die Sache verkauft hatte oder etwa auf Grund einer Geschäftsführung schuldete. Immer ist also entscheidend, ob neben dem Übergang des Eigentums ein auf denselben Erfolg gerichtetes Schuldverhältnis besteht. Damit kommen wir auf festen juristischen Boden. Statt der nebelhaften Frage, ob der Übergang materiell gerechtfertigt sei, prüfen wir, ob ein Schuldverhältnis gegeben ist. Es können sich freilich auch darüber Zweifel ergeben: aber sie können dann aus der einzelnen Lehre heraus beantwortet werden, eben weil eine bestimmte Frage gestellt ist. Ob ein Vertrag vorliegt, wird meistens leicht zu entscheiden sein. Eher kann man oft zweifeln, ob ein gesetzliches Schuldverhältnis vorhegt. Es müssen dafür stets greifbare Anhaltspunkte geboten sein. Man kann es also nicht annehmen, wenn weiter nichts feststeht, als daß der Bereicherte in das Vermögen des andernn eingegriffen hat (§ 852 I I BGB.), daß ein Dritter über das Vermögen des Entreicherten verfügt hat (§816 BGB.) oder daß auch der Entreicherte selbst versehenthch, ohne eine Leistung machen zu wollen, etwas veräußert hat. Ebenso, wenn eine Verschiebung lediglich durch Verbindung, Vermischung und ähnliche Umstände erfolgt ist (§951 BGB.). Dem stehen die anderen Fälle gegenüber, wo das Gesetz ein gesetzhches Schuldverhältnis zwischen den Parteien ausdrücklich oder stillschweigend anerkennt. So wird der dingliche Funderwerb auch unter ihnen dann berechtigt, wenn seit ihm drei Jahre verstrichen sind (§ 977). Der gutgläubige Besitzer einer Sache erlangt nicht nur Eigentum an den Früchten (§ 955 BGB.), sondern er ist auch dem Sacheigentümer gegenüber berech-

Ohne Grund.

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tigt, sie in einem gewissen Umfang zu behalten (§§ 988, 993). Die Verjährung soll gerade das Verhältnis zwischen dem Gläubiger und Schuldner regeln; es ist daher ausgeschlossen, daß ihr Erfolg durch einen Ausgleichsanspruch wieder aufgehoben würde. Sehr streitig ist aber die Frage bei der Ersitzung. Man wird zwar auch hier grundsätzlich davon ausgehen müssen, daß der Rechts erwerb dort auch gegenüber dem ursprünglich Berechtigten erfolgen soll und die Sache damit erledigt ist. Und dennoch hat man mit Recht einen Ausgleichsanspruch da bejaht, wo der Besitz durch eine Zuwendung überging und diese des Grundes entbehrte 68 . Dies erscheint schon aus Bilhgkeitsgründen notwendig. Der Nichteigentümer, der die fremde Sache grundlos übertrug, kann noch 30 Jahre lang durch Ausgleichsanspruch ihren Besitz fordern. Deshalb ist es unannehmbar, dem wahren Eigentümer, dem die Sache abhanden kam, den Anspruch schon nach zehn Jahren Ersitzung zu versagen. Auch hier zeigt sich also, daß zwischen den Fällen der Leistung und denen einer sonstigen Verschiebung sorgfältig unterschieden werden muß. — Das Ergebnis ist also: eine Rechtsverschiebung ohne Leistung ist dann ohne Rechtsgrund erfolgt, wenn sie nicht durch ein Schuldrecht auch auf das Verhältnis zwischen den Beteiligten erstreckt ist. Nichts anderes kann es also hier bedeuten, wenn das Gesetz (§ 812) verlangt, daß die Verschiebung „ohne rechthchen Grund" erfolgt sei. Dieser Ausdruck scheint zwar auf das zu deuten, was man in der Wissenschaft als „Rechtsgrund" einer Leistung bezeichnet. Aber diese Bedeutung kann er hier nicht haben. Denn hier ist ja gar keine Leistung erfolgt, sondern die Verschiebung ist ohne eine solche planvolle Übertragung erfolgt. Ja, sie kann sogar ohne eine menschhche Handlung bewirkt sein, wie eine Vermischung von Wertpapieren durch einen Windstoß. Unmöglich, ja geradezu komisch wäre es, hier nach einen Rechtsgrund zu fragen. § 251. Wesenthch anders steht es da, wo die Verschiebung auf einer Leistung — d. h. einem planmäßigen Opfer für einen anderen — beruht. Hier kann der Gegensatz zwischen absolutem und relativem Recht nicht maßgebend sein — und auch nicht der zwischen dem allgemeinen Rechtserfolg und der besonderen Beziehnung unter ββ

W o l f f , Sachenrecht § 71; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 219 A n m . 19; O e r t m a n n , Recht 1910, 585ff. — Dagegen G i e r k e , Privatrecht 3, 999 A n m . 19; P l a n c k 3 zu § 937; H a y m a n n a. a. O. 272ff.

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Grundlose Verschiebung.

den Beteiligten. Alles das ist schon deswegen unzureichend, weil es sich hier oft gar nicht um den Erwerb eines Rechts, sondern ledighch andere wirtschafthche Vorteile handelt (oben S. 462). Wenn jemand dem anderen Dienste, die er ihm zu schulden glaubte, geleistet hat und daraus einen Ausgleichsanspruch ableitet, so können die vorher betonten Gegensätze gar nicht in Betracht kommen. Vielmehr ist es hier etwas ganz anderes, was den Mangel des rechthchen Grundes bedeutet. Hier ist darunter wirklich der R e c h t s g r u n d der Leistung zu verstehen. Hier ist es also genau zutreffend, wenn das Gesetz (§ 812) sagt ,,ohne rechthchen Grund". Allerdings gebraucht es diesen selben Ausdruck auch für die anderen Fälle, wo eine Verschiebung ohne eine Leistung erfolgt. Aber wie wir soeben zeigten, kann er dort nicht dieselbe Bedeutung haben. Vielmehr muß trotz des gleichen Wortlauts der „rechtliche Grund" in beiden Fällen etwas verschiedenes bedeuten. Eine Leistung erlangt überhaupt erst durch ihren Rechtsgrund ihren wahren Inhalt. Erst durch dessen Angabe erhält sie ihre wirtschafthche Bestimmung (I, 385ff.). So ist die Zahlung von Geld zunächst noch unfertig, der Erklärung bedürftig — man muß noch wissen, was sie bewirken soll. Daher bildet die Angabe dieses Rechtsgrundes eigentlich mit einen Teil des ganzen einheitlichen Aktes. Zwar haben wir uns daran gewöhnt, die Übereignung des Geldes als einen besondern selbständigen Rechtserfolg zu betrachten. Aber das beruht erst auf einer künstlichen Loslösung eines Stücks, das wirtschaftlich mit zum Geschäft gehört. Und eben wo eine solche Ablösung vom Rechtsgrund erfolgt, da spricht man von abstrakten Geschäften. Man muß sich davor hüten, auch da von Abstraktion und Rechtsgrund zu reden, wo es sich um außerhalb des Aktes hegende Momente handelt. Man kann freilich auch hervorheben, daß ein Rechtsgeschäft von einer anderen Forderung unabhängig ist — wie der Schuldbeitritt von der ursprünglichen oder die Grundschuld von der gesicherten Forderung — aber das beruht nicht erst auf einer Ablösung, da es sich schon ohnehin um außenhegende Stücke handelt. Man kann hervorheben, daß das Geschäft nicht von seinen Beweggründen abhängig ist; aber man darf das nicht als Abstraktion bezeichnen und den Beweggrund nicht mit dem Rechtsgrunde verwechseln. Und selbst da, wo ein Beweggrund ausnahmsweise von rechtlichem Einfluß ist, auch da ist er vom

Ohne Grund.

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Rechtsgrund zu unterscheiden (I, 378ff.). Das gilt nicht nur, wo er zur Bedingung erhoben ist, sondern auch für den Fall der Zwecksetzung (unten §§ 270ff.). Hiernach ist als Rechtsgrund nur das zu betrachten, was zur wirtschaftlichen Erläuterung der Leistung notwendig ist. Und eben dies ist hier, in den Fällen einer Verschiebung durch Leistung als der rechthche Grund anzusehen. § 252. Nachdem wir die Erfordernisse des Ausgleichsanspruchs: Verschiebung und Grundlosigkeit untersucht, bleibt noch zu prüfen, ob dieser Anspruch, wie vielfach behauptet w i r d 6 9 , nur hilfsweise (subsidiär) gegeben wird. Man beruft sich dabei besonders darauf, daß im Falle einer nichtigen Übereignung nur der Eigentums- und nicht der Ausgleichsanspruch bezüglich des Besitzes gegeben werde. Aber das trifft eben nur insoweit zu, als der Rechtsgrund der Übertragung gültig ist und dadurch der Ausgleichsanspruch ausgeschlossen wird. Wenn aber sowohl der dingliche A k t wie der Rechtsgrund ungültig sind, so sind in der Tat beide Ansprüche nebeneinander gegeben (oben S. 463). So entscheidet das römische Recht, auf das sich auch die Gegner stützen, ausdrücklich für den Fall, daß die Schuld irrtümhch angenommen wurde : si nummi aheni dati sunt, condictio competet ut vel possessio eorum reddatur 70 . Auch neben einer Unrechtshandlung wird der Ausgleichsanspruch auf die Bereicherung gegeben, falls jener Anspruch verjährt ist (§ 852 BGB.). Alles dies zeigt, daß er durch das Bestehen eines anderen Anspruchs nicht schlechthin ausgeschlossen wird. Richtig ist an der Gegenansicht nur soviel, daß ein Ausgleichsanspruch da nicht eingreifen kann, wo das Rechtsverhältnis durch die übrigen Rechtsbeziehungen vollständig und befriedigend geregelt ist. Er ist doch nur dazu bestimmt, eine Ungenauigkeit, die in einer Bestimmung der Gesetze oder Rechtsgeschäfte vorgekommen ist, zu beseitigen (oben S. 453). Wenn also die Parteien selbst schon die Auflösung ihrer Beziehungen einwandfrei geregelt haben, so ist für einen Ausgleichsanspruch kein Bedürfnis und kein Raum mehr. Und ebenso wenn das Gesetz sie anderweit geregelt hat, wie bei dem Rücktrittsrecht auf Grund eines hartnäckigen Verzugs (§ 326 BGB.) oder auf Grund einer Wandelung (§ 467 BGB.). 69 v . M a y r , Condictio 354ff.; O e r t m a n n , Vorbem. 4 u n d Genannte. Dagegen J u n g a. a. O. 42ff.; P l a n c k , Vorbem. 5 u n d Angeführte. 70 dig. 12, 6 1. 15 § 1.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

31

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Grundlose Verschiebung.

§ 253. Wenn wir nun auf die allgemeine Lehre der Ausgleichansprüche zurückblicken, so finden wir, daß durchaus zwei Gruppen in ihnen unterschieden werden müssen: die Fälle einer Leistung und die übrigen. Und in der Tat entspricht dies auch der Fassung unseres Gesetzes. Es unterscheidet ebenfalls gleich am Anfang der Lehre (§ 812), ob ,,durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise" etwas erlangt ist. Außerdem beziehen sich die §§ 813, 814 und 817 ausschließhch auf den ersten, der § 816 nur auf den zweiten Fall. Hiernach empfiehlt es sich, auch bei der Darstellung der einzelnen Ausgleichsansprüche diese beiden Gruppen zu trennen. Wir beginnen zunächst mit den Fällen der Leistung, die die wichtigeren sind. Hier ist zur Vervollständigung des Akts die Bestimmung seines Rechtsgrundes erforderlich. Solcher Gründe gibt es nur drei: Schuldtilgung, Rechtserwerb und Schenkung (I, 387). Damit der A k t seine volle Wirksamkeit erhalte, ist nun dreierlei nötig: es muß eine Bestimmung des Rechtsgrundes erfolgt sein, der dadurch bezeichnete Rechtsgrund muß gültig und die Bestimmung muß gesetzhch zulässig sein. Eben daraus, daß eine dieser Voraussetzungen fehlt, kann sich ein Ausgleichsanspruch ergeben. Zunächst muß eine Bestimmung über den Rechtsgrund erfolgt sein. Und zwar geschieht diese durch ein einseitiges Rechtsgeschäft des Leistenden. Für den Fall der Schuldtilgung ist das schon früher dargelegt worden (I, 587ff.) ; aber auch für die anderen Gründe kann nichts anderes gelten. Freilich kann es oft dennoch eines Vertrages bedürfen, um die zu erfüllende Schuld erst zu begründen oder den Rechtserwerb oder die Schenkung erst zu vollziehen. So kommt ein Darlehen oder eine Schenkung erst dadurch zustande, daß der Gegner sich damit einverstanden erklärt. # Wenn ihm ohne seine Zustimmung Geld auf sein Bankkonto überwiesen wird, so wird ein Darlehen oder eine Schenkung nicht geschaffen und die entsprechende einseitige Bestimmung des Überweisenden ist wirkungslos. Sobald aber der Rechtsgrund, den der Zahlende angibt, schon wirksam besteht, ist die Bestimmung des Rechtsgrundes auch gegen den Willen des Empfängers wirksam: so wenn er zur Tilgung einer schon bestehenden Schuld oder aber auf Grund eines schon abgeschlossenen Darlehnsvertrags den Betrag überweist. Diese Bestimmung kann gleichzeitig mit der Leistung oder auch vorher oder nachher getroffen werden. Oft kann sie ohne

Zahlung ohne Rechtsgrund.

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weiteres schon aus dem ganzen Zusammenhang zu ersehen sein. Wenn z. B. jemand, der 57,80 Mark schuldet, gerade diesen Betrag überweist, so ist ohne weiteres klar, was diese Leistung bezweckt. Wenn aber jede Bestimmung fehlt, dann ist die Leistung ohne Rechtsgrund und daher der Rückforderung durch den Ausgleichsanspruch unterworfen. § 254. I n dem zweiten Fall, der viel öfter vorkommt, hat der Zahlende eine Bestimmung über den Rechtsgrund getroffen, aber dieser Grund ist ungültig. Der Hauptfall davon wieder ist die Z a h l u n g einer N i c h t s c h u l d : er leistet zur Tilgung einer Schuld, die nicht besteht (§813 BGB.). Diese Verbindlichkeit kann dem Schuldrecht, Sachenrecht oder einem anderen Rechtsverhältnis entstammen. Selbst bei öffenthch-rechthchen Verhältnissen, insbesondere zu Unrecht gezahlten Steuerforderungen 71, hat man früher allgemein den Ausgleichsanspruch angewendet. Indessen sind die Hauptfälle jetzt durch die Vorschriften des öffentlichen Rechts geregelt worden 72 , und daneben kann nicht etwa noch ein privatrechthcher Ausgleichsanspruch angenommen werden 73 . Auch für die Rückzahlung zuviel gezahlter Gehälter gilt öffentliches Recht : hier ist daher der Anspruch keineswegs auf die bloße Bereicherung beschränkt 74 . — Gleichgültig ist, ob die bezahlte Forderung niemals bestanden hat oder erst nachträghch erloschen ist. Es genügt auch, daß ihr eine Einrede entgegenstand, wodurch ihre Geltendmachung dauernd ausgeschlossen wurde (§813 BGB.). Anders ist es dagegen, wenn ihr eine nur zeitweihg wirkende Einwendung gegenüberstand. Für den Hauptfall, die befristete Verpfhchtung, ist das ausdrücklich ausgesprochen (§ 813 I I ) . Zwar erlangt der Gläubiger auch hier einen ungerechtfertigten Vorteil dadurch, daß er die Zahlung zu früh erhält und damit die Zwischenzinsen gewinnt. Aber das Gesetz erachtet diese Ungenauigkeit nicht für so wichtig, um deshalb eine Rückforderung zuzulassen. Wird eine anfechtbare Schuld bezahlt, so ist die Rückforderung erst zulässig, nachdem die Anfechtung erfolgt und dadurch die Schuld nichtig geworden ist (§ 143 BGB.). Die bloße Möglichkeit der Anfechtung genügt dagegen noch nicht : und noch viel weniger die Möghchkeit einer Aufrechnung, da sie den Bestand der Forderung nicht berührt (I, 629ff.). 71 72 73 74

L a s s a r , Erstattungsanspruch i m Verwaltungs- u n d Finanzrecht. Insbesondere § 227 Reichs-Abgabenordnung. R G . 101, 132. 103, 59, 134. 104, 408. 105, 35, 38. R G . 83, 159. 85, 196. 90, 316. oi «

Grundlose Verschiebung.

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Besonders häufig kommt der Fall vor, daß die bezahlte Schuld wegen U n s i t t l i c h k e i t nichtig ist. Hier aber muß zunächst sorgfältig geprüft werden, ob dadurch nicht schon der dingliche A k t selbst vernichtet wird. Denn in diesem Falle ist überhaupt keine Verschiebung eingetreten, so daß es gar nicht zu einem Ausgleich kommen kann. Wenn die Übereignung wegen ihrer Unsittlichkeit nichtig ist, so ist der Vormann Eigentümer geblieben und für einen Ausgleichsanspruch kein Raum und kein Bedürfnis vorhanden. Leider herrscht über diese Abgrenzung viel Streit und Unklarheit. Nach der einen Ansicht soll die Unsitthchkeit des Rechtsgrundes stets auch das dingliche Geschäft unsitthch und deshalb nichtig machen 75 . Aber dies steht mit der bekannten Regel von dessen abstrakter Natur in vollem Widerspruche. Außerdem regelt der § 817 BGB. ausführhch den Ausgleichsanspruch für eine Leistung, deren Zweck unsitthch ist : und daraus folgt zwingend, daß es Fälle geben muß, in denen die Leistung dennoch erfolgt, also dinglich wirksam ist. Besonders wäre es unbegreiflich, wie dies Gesetz den Ausgleichsanspruch bei einem abgelösten Schuldversprechen regeln könnte : da dies Versprechen ja schon selbst nichtig wäre und gar nicht aufgehoben werden könnte. Nach der entgegengesetzten Ansicht wäre das dingliche Geschäft immer gültig. Aber dies widerspricht der Bestimmung des § 138 I I BGB., wonach Wucher auch in der Leistung enthalten sein kann: „versprechen oder gewähren läßt". Außerdem führt es zu dem sehr unerfreulichen Ergebnis, daß der Bewucherte gegen den, der vom Wucherer erwarb, auch dann nicht, wenn dieser bösgläubig ist, vorgehen kann. So hat sich denn die herrschende Lehre zu der Mittelansicht bekannt, daß zwischen den einzelnen Fällen zu unterscheiden sei: das dingliche Geschäft könne unter Umständen selbst unsitthch sein und sei dann ebenfalls nichtig 7 7 . Diese Unterscheidung ist gewiß richtig. Aber im Grunde ist damit zunächst noch nicht viel gewonnen; denn diese Lehre setzt nur ein Rätsel an die Stehe des anderen. Es bleibt immer noch die 75 D e r n b u r g 1 § 127; N e u b e c k e r , B ü r g A . 22, 67ff.; R u m p f , Z i v A r c h . 117, 315. Dagegen die herrschende Meinung, besonders R G . 36, 318. 57, 96. 68, 104. 75, 74. 78, 41. 86, 148; GruchBeitr. 63, 635; W a r n e y e r 1911 N r . 167. 1920 N r . 147. 76 77

E c c i u s , D J Z . 1903, 41; R G . 63, 185.

E n n e c c e r u s § 178 u n d Genannte; R G . 75, 74; W a r n e y e r N r . 167; GruchBeitr. 53, 911, 63, 635.

1911

Unsittliche Leistung.

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Hauptfrage, wann eine solche Unsittlichkeit des dinghchen Geschäfts anzunehmen ist. Nach einer Ansicht soll dazu schon genügen, daß es zeithch mit dem Grundgeschäft zusammenfällt: aber das würde diese wichtige Entscheidung von einer belanglosen Äußerlichkeit abhängig machen. Andere wollen es darauf abstellen, ob das Geschäft in untrennbarem Zusammenhang mit dem Rechtsgrund gewollt sei 78 . Aber hier wird wieder einmal auf einen Parteiwillen verwiesen, der fast nirgends vorhanden ist und noch weniger geäußert wird. Wo man aber wirklich die Ansicht der Parteien darüber feststellen kann, da wird man den Zusammenhang kaum jemals verneinen können: denn ihnen, besonders den Nichtjuristen, muß sich der ganze A k t als Einheit darstellen. Dazu kommt noch, daß § 139 BGB. die Einheitlichkeit geradezu als Regel aufstellt. So muß man auf diesem Wege dazu gelangen, daß das Erfüllungsgeschäft so gut wie immer nichtig i s t 7 9 — obwohl die meisten Gegner das gerade bestreiten. So sind die bisherigen Ansichten sämthch unbefriedigend. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Übereignung nach ihrer abstrakten Natur von der Gültigkeit des Rechtsgrundes unabhängig ist. Die Frage kann also nur sein, ob sie selbst unsitthch ist. Und diese kann niemals aus der Beschaffenheit des Rechtsgrundes heraus bejaht werden, sondern nur, wenn gerade das dinghche Weggeben, die E n t ä u ß e r u n g selbst der Sitthchkeit widerstrebt. Das trifft vor allem beim Wucher zu: hier wird gerade das mißbilligt, daß dem Opfer die Vermögensstücke entrissen werden. Deshalb ist hier — wie auch der erwähnte Wortlaut des § 138 I I BGB. betont — eine Umstoßung des dinghchen Geschäfts möglich 80 . Dasselbe ist dann anzunehmen, wenn jemand eine Abtretung vornimmt, um dem Gegner im Falle seines Sieges die Einziehung seiner Kosten unmöghch zu machen 81 oder um als Zeuge auftreten und dabei die Unwahrheit sagen zu können 82 , oder wenn er sich seines Vermögens entäußert, um seine Gläubiger zu schädigen 83 . So bietet die Rechtsprechung des Reichsgerichts 78

E n n e c c e r u s a. a. O. B r e y h a n , Abstrakte Übereignung (Göttinger Abhandlungen, H e f t 9) ; N e u n e r , ZivArch. 133, 229. 80 Ebenso R G . 75, 74ff. 81 R G . 81, 175ff. 82 R G . GruchBeitr. 53, 911. 88 R G . GruchBeitr. 49, 452ff. 79

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Grundlose Verschiebung.

schon genügend Anhaltspunkte für die richtige Abgrenzung. Die Unsittlichkeit der Übereignung kann nur darauf beruhen, daß die Weggabe von Vermögensstücken anstößig ist, aber nicht schon darauf, daß der Rechtsgrund gegen die Sittlichkeit verstößt. § 255. Nicht selten kommt es auch vor, daß eine Schuld zwar besteht, aber an einen Nichtgläubiger oder durch einen Nichtschuldner bezahlt wird. I m ersten Fall ist aber die Rückforderung dann ausgeschlossen, wenn durch die Zahlung der Schuldner doch befreit würde, z. B. wenn sie an den Inhaber eines Sparkassenbuchs erfolgte. Falls ein anderer als der Schuldner zahlt, so ist durchaus zu unterscheiden, ob er damit dessen Schulden zu tilgen erklärt hat. I n diesem Falle wird nach § 267 BGB. die Schuld getilgt — nicht dagegen, wenn er die bezahlte Schuld als eigne bezeichnet hat (I, 245ff.). Danach bestimmt sich nun auch, ob er seine Zahlung zurückfordern kann 8 4 . I m ersten Falle ist eine Rückforderung ausgeschlossen — schon deshalb, weil der Gläubiger ja durch die Zahlung seine Forderung verloren hat. I m zweiten dagegen kann der Zahlende zurückfordern. Der Gläubiger kann nicht etwa dagegen einwenden, daß er nur bekommen habe, was ihm zustehe; denn es stand ihm nicht zu, es von diesem zu erhalten : quamvis enim debitum sibi quis recipiet, tarnen si is, qui dat, non debitum dat, repetitio competit 85 . Dieser Fall ist durchaus von dem anderen zu unterscheiden, wo der Zahlende für den wahren Schuldner gezahlt hat — aber in dem irrigen Glauben, ihm dazu verpfhchtet zu sein. Er gehört mit zu den vorher genannten, wo eine Rückforderung nicht stattfindet 8 6 . Was den Zahlenden dazu bewogen hat, das ist für seine Beziehung zum Zahlungsempfänger gleichgültig. So auch, wenn die Post auf Grund einer gefälschten Postanweisung an einen Gläubiger etwas gezahlt hat, was er von dem Überweisenden zu fordern hatte: auch hier ist auf diese Schuld hin richtig gezahlt worden und eine Rückforderung nicht zulässig 87 . — Anders dagegen, wenn der Gläubiger gar nichts zu fordern hatte : hier hegt wieder die Zahlung einer Nichtschuld vor. Und zwar hat die Rückgabe an den zu 84

O e r t m a n n , Z i v A r c h . 82, 460ff. u n d Genannte. dig. 12, 6 1. 19 § 1; vgl. R G . 44, 143. 86 Hierauf bezieht sich 1. 44 dig. eodem, die also n i c h t i n Widerspruch m i t der ersten Stelle steht; O e r t m a n n a. a. O. 460ff.; vgl. auch R G . 18, 311; OAG. R o s t o c k , Buddes Entsch. 9, 96ff. 87 R G . 60, 24ff. ; W a r n e y e r 4, 122ff. 85

Zahlung einer Nichtschuld.

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erfolgen, der gezahlt hatte ; denn er ist es ja, der das Opfer gebracht hat. Allerdings wird er regelmäßig auch einen Rückgriffsanspruch gegen den vermeintlichen Schuldner haben. Aber das ist noch ungewiß — und es ändert auch nichts daran, daß doch zunächst aus seinem Vermögen geleistet worden ist. Hat er dagegen als Vertreter des Schuldners gezahlt, dann ist dieser der eigenthch Geschädigte und daher zur Rückforderung berechtigt. I m Falle der Anweisung kann sowohl der Anweisende als der Zahlende zurückfordern 88 . — Es kann auch vorkommen, daß statt des geschuldeten ein falscher Gegenstand gehefert wird. Hier kann der Gläubiger gegenüber dem Ausgleichsanspruch einwenden, daß er die Rückgabe bis zur Leistung des wirklich Geschuldeten zurückhalte (§ 273 BGB.). Nicht anders liegt es auch, wenn der nur wahlweise Verpflichtete (§ 262 BGB.) eine der Sachen in dem irrigen Glauben leistet, daß er nur diese schulde (I, 128). Allerdings hat er durch die Leistung objektiv die Wahlerklärung abgegeben, aber nur auf Grund eines Irrtums, der ihn zur Anfechtung nach § 119 BGB. berechtigt. Noch günstiger ist er dann gestellt, wenn sein Gegner recht wohl gemerkt hatte, daß eine Wahl gar nicht erklärt werden sollte: hier muß dieser gegen sich gelten lassen, was er als den Sinn der Erklärung erkannt hatte. § 256. I n manchen Fällen ist die Rückforderung der Zahlung ausgeschlossen, obwohl das Gesetz eine erzwingbare Forderung nicht anerkennt. Nach § 814 BGB. t r i t t dies sogar überall ein, wo „die Leistung einer sitthchen Pfhcht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht" entspricht: z. B. wenn ein Gemeinschuldner mehr, als er nach dem Zwangsvergleich mußte, leistet 89 . Die herrschende Lehre faßt das so auf, daß es sich hier um minder vollkommene, sogenannte natürliche Schulden handle, die zwar nicht klagbar, aber doch zahlbar seien. Aber diese Auffassung ist nicht zu billigen (I, 16ff.). Gegen sie spricht insbesondere, daß der Zwang einen unentbehrlichen Teil jeder Rechtsnorm, also auch der schuldrechtlichen, bildet, und daß es nicht statthaft ist, auf diese Verbindhchkeiten die Regeln über wirkliche Schuldrechte anzuwenden. Daß die Rückforderung ausgeschlossen ist, nötigt noch nicht zur Annahme eines Schuldverhältnisses. Auch die betagte Forderung kann nach § 813II BGB. schon bezahlt werden, obwohl hier nach richtiger Ansicht ein 88 89

Oben S. 466. R G . W a r n e y e r 1909, 683. O L G . 8, 89.

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Anspruch noch nicht vorhanden ist. Zudem ist noch zweifelhaft und unter den Gegnern selbst streitig, ob in allen Fällen, wo die Rückforderung ausgeschlossen ist, eine solche natürliche Verbindlichkeit anzunehmen sei. — Vielmehr wird hier die Rückforderung versagt, obwohl eine rechtliche Pfhcht nicht vorliegt. Der Grund ist zum Teil der in § 814 genanntej daß doch eine sitthche oder Sittenpflicht gegeben ist und daß der ihr entsprechende Zustand nicht wieder aufgehoben werden soll. I n einigen Fällen, besonders dem des § 817 BGB., sind es dagegen ganz andere Gründe. Der Anspruch wegen verpönten Empfangs stützt sich darauf, daß der Empfänger wegen seiner Schuld weniger Recht auf die Leistung habe als der Hingeber: er wird daher ausgeschlossen, wenn auch diesen der gleiche Verstoß trifft. Außerdem soll dies anstößige Geschäft die Gerichte in keiner Weise beschäftigen. Ist es noch nicht erfüllt, so kann es nicht eingeklagt, ist es schon erfüllt, so kann nicht auf Rückzahlung geklagt werden (unten § 263). — Wenn dagegen ein wegen Formmangel nichtiges Geschäft erfüllt wird, so gilt die besprochene Regel nicht: hier findet der Anspruch auf Rückleistung ungehindert Anwendung 00 . § 257. Endlich kann die Zahlung der Nichtschuld nur dann zurückgefordert werden, wenn sie aus I r r t u m erfolgte — also nicht, wenn der Zahlende „gewußt hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet war" (§ 814 BGB.). Wer seine Tilgungsbestimmung bewußt auf eine ungültige t Forderung richtet, hat keinen berechtigten Grund, dies später wieder umzustoßen 91 . Vielmehr wäre es sehr bedenklich, wenn er das Geld erst einmal zahlen dürfte, um es dann jederzeit, bis zu 30 Jahren, zurückfordern zu können. Der Gläubiger mußte hier annehmen, daß die Sache erledigt sei, und darf nicht einer steten Ungewißheit ausgesetzt bleiben. Nur da, wo der Zahlende aus Irrtum handelte, ist sein Interesse als überwiegend anzusehen. I n ähnlicher Weise hat man denselben Satz daraus abgeleitet, daß die Zahlung eine Anerkennung der Schuld enthalte 9 2 . Aber ein rechtsbegründendes Anerkenntnis würde eines Vertrages und der Schriftform bedürfen und außerdem, wie § 812 I I BGB. zeigt, gar nicht einmal gegen den Ausgleichsanspruch schützen — und ein anderes Anerkenntnis würde es daher erst recht nicht können. Manche wollen denselben Satz 90 01 92

R G . 52, 5. 58, 218. 72, 343, D J Z . 1903, 32; Reichel, Z i v A r c h . 104, 3ff. Meine Abhandlung, B ü r g A . 21, 202 ff. B ä h r , Anerkennung 175ff. u n d andere.

Zahlung einer Nichtschuld.

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darauf stützen, daß die bewußte Zahlung einer Nichtschuld eine Schenkung sei. Aber dies läßt sich aus einem abgerissenen Ausspruch des Paulus 93 um so weniger ableiten, als er nur von dem Anschein einer Schenkung spricht. I n der Tat enthält die Schenkung einen ganz anderen Tatbestand; vor allem ist dazu nötig, daß der Gläubiger das Geleistete als Schenkung annimmt. Wenn nach einem Streit über das Bestehen der Forderung der Schuldner mit den Worten zahlt: ,,ich schenke es Ihnen", so kann der Gläubiger dem widersprechen und erwidern, er nehme nichts geschenkt, wohl aber nehme er die Bezahlung seiner Forderung an. Dann ist eine Schenkung nicht zustande gekommen, aber dennoch die Rückforderung nach § 814 ausgeschlossen. Sie ist es ebenso auch dann, wenn ein bösgläubiger Erbschaftsbesitzer Nachlaßschulden bezahlt 9 4 — und hier kann doch sicherlich von einer Schenkung nicht die Rede sein. Die Beweggründe, weshalb der Leistende eine Nichtschuld zahlt, können eben sehr verschieden sein. Besonders gehört dazu auch der Fall, daß er nur aus Furcht vor einem Prozeß bezahlt. Der Schuldner muß sich darüber schlüssig werden, ob er wirklich schuldet oder nicht. Ist er von letzterem überzeugt, so bleibt ihm nur die Wahl: den Rechtsstreit anzunehmen oder aber zu zahlen und damit endgültig seine Rechte aufzugeben. Nicht kann es ihm gestattet sein, zu zahlen und hinterher nach langen Jahren zu einer ihm gelegenen Zeit die Frage nochmals aufzurollen. Allerdings wird dies nicht überall anerkannt. I n der Rechtsprechung wird die Frage gewöhnlich dahin gestellt, ob durch bloße Zweifel an der Schuld der Anspruch ausgeschlossen werde, und dies wird meistens verneint 9 5 . Aber es müssen hier mehrere Fälle unterschieden werden. Entweder der Zahlende glaubt an seine Schuld und ist sich dessen nur nicht ganz sicher: hier ist die Klage in der Tat gegeben: denn er hat eben doch geglaubt, daß er schuldig sei. Umgekehrt aber liegt es, wenn er glaubte, nicht verpfhchtet zu sein und auch nur seiner Sache nicht ganz sicher war. Hier ist er im Grunde von seiner Nichtschuld überzeugt und die Klage daher ausgeschlossen. A m zweifelhaftesten ist der Fall, wo ihm beides als gleich möghch vorschwebte. Diesen Fall hat Justinian dahin entschieden, daß er 93 94 95

dig. 50, 17 1. 53. W i n d s c h e i d 2 § 426 A n m . 13 u n d Genannte. Z. B . R G . 59, 352. 72, 199.

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alsdann zurückfordern könne 96 . Aber diese Entscheidung kann für uns um so weniger maßgebend sein, als sie sich auf eine verfehlte Begründung stützt und als sie ergibt, daß unter den weit bedeutenderen klassischen Juristen die Frage streitig war. Vielmehr muß der Ausgleichsanspruch auch hier versagt werden. Wer sich über das Bestehen der Schuld völhg unsicher ist, muß sich darüber Aufklärung verschaffen. Es darf nicht zugelassen werden, daß er einfach zahlt und danach jederzeit zurückfordert. Wenn eine Versicherungsgesellschaft nach längerem Streit den Schaden bezahlt hat, um „ m i t der Angelegenheit Schluß zu machen", so darf es ihr unmöglich freistehen, nachher die Zahlung wieder zurückzuverlangen. Dies hat auch das Reichsgericht nicht verkennen können 97 . Aber die richtige Begründung, daß die Schuldnerin das Bestehen ihrer Schuld als möghch ansah, hat es dafür nicht gegeben und konnte es nicht, da es ja bei Zweifeln über die Schuld den Ausgleichsanspruch zubilligt. Um das notwendige Ergebnis zu erlangen, hat es sich daher darauf gestützt, daß das Verhalten der Schuldnerin als Erledigung der Angelegenheit aufgefaßt werden müßte. Das aber ist keine greifbare rechtliche Begründung. Man müßte denn darin schon geradezu den Abschluß eines Verzichtsvertrages erbhcken. Das aber kann in den Äußerungen der Parteien nicht gefunden werden. Diese Annahme wäre nur dann berechtigt, wenn der Zahlende erklärte, daß er sich auf einen Mangel seiner Schuld nicht berufen wolle 9 8 . Außerdem hätte gerade in dem entschiedenen Falle wie in vielen anderen der Zahlende einwenden können, daß er an einen Verzicht gar nicht gedacht habe. Wenn das Reichsgericht demgegenüber betont, daß es auf seinen inneren Willen nicht ankomme, so ist das zwar bezüglich der Auslegung richtig, aber nicht bezüglich der Anfechtung, die § 119 BGB. zuläßt. So muß die dort gegebene Begründung beanstandet werden. Sie übergeht die gesetzliche Vorschrift, die bei bewußter Bezahlung einer Nichtschuld die Rückforderung ausschheßt. Dann aber konstruiert sie, um dem mißhchen Ergebnis zu entgehen, einen Vertrag, der weder der Erklärung noch den Absichten der Parteien entspricht. Eine verwandte Frage ist, ob der Schuldner zahlen darf, wenn er zwar von seiner Nichtschuld überzeugt ist, aber an der Mög96 97 98

Cod. 4, 5 c. 11. R G . 97, 142ff. R e i c h e l , Z i v A r c h . 104, 23ff.

Zahlung einer Nichtschuld.

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lichkeit, deren Tilgung zu beweisen, zweifelt. Auch hier wird ebenso davon auszugehen sein, daß es dem Gläubiger nicht zugemutet werden kann, nach der Erledigung durch Zahlung noch eine Wiederaufnahme des Streits gewärtigen zu müssen. Vielmehr muß auch der Schuldner sich schon jetzt darüber schlüssig machen, ob er die Führung seines Beweises übernehmen will. Die Schwierigkeiten, die ihm dabei erwachsen, werden regelmäßig auch nicht dadurch vermindert, daß er die Entscheidung auf später verschiebt, ja meistens werden sie dadurch noch gesteigert. Daher ist auch hier der Anspruch auf Rückzahlung ausgeschlossen". § 258. Die soeben vertretene Auffassung wird besonders noch dadurch bestärkt, daß es ein eigenes Mittel gibt, wodurch sich der Schuldner trotz seiner Kenntnis die Rückforderung erhalten kann : wenn er nämhch unter V o r b e h a l t zahlt. Der Vorbehalt hat gerade diesen Zweck, und er ist nötig, um dem Schuldner auch über den Fall des Irrtums hinaus den Anspruch zu retten. Freilich braucht der Gläubiger eine solche Leistung unter Vorbehalt nicht anzunehmen 100 . Denn damit wird der Tilgungsbestimmung eine Bedingung beigefügt — und dies ist bei einseitigen Rechtsgeschäften, die eine Entscheidung enthalten, nicht zulässig (I, 265ff.). Der Schuldner darf die Lage nicht dadurch verwickeln, daß er zunächst zahlt und sich dabei die Rückforderung vorbehält. Vielmehr soll er sich vorher überlegen, ob er schuldet oder nicht. Und auch dann, wenn er darüber ernsthch im Zweifel ist, wird man ihm nicht das Recht auf Zufügung des Vorbehalts geben dürfen 101 . Nur dann ist anders zu entscheiden, wenn er sich in einer Zwangslage befindet, die ihn nötigt, auch trotz seines Bestreitens der Schuld sofort zu bezahlen — wie man denn in einer solchen Not überhaupt zur bedingten Abgabe von Entscheidungen berechtigt ist. So kann sich der Schuldner besonders dann helfen, wenn gegen ihn bereits ein vollstreckbarer Titel vorhegt oder wenn ihm ein Verwaltungszwangsverfahren, etwa auf Grund einer Steuerforderung droht. 99

R G . 59, 352; anders für das gemeine Recht R G . 21, 197ff.

100

I , 590ff., meine Abhandlung B ü r g A . 21, 202ff.; E c c i u s , GruchBeitr. 42, 30ff.; L i e b k n e c h t a. a. O. 60ff.; M a r t i n i u s GruchBeitr. 47, 774ff.; P l a n c k 3 zu § 362. Anders Stölzel, Schulung 2, 97ff.; K ö n i g e , LeipzZ. 1919, 401. 101

W i e P l a n c k 3 zu 362.

Grundlose Verschiebung.

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§ 259. Da der Irrtum eine Voraussetzung für das Entstehen des Ausgleichsanspruchs bildet, trifft die Beweislast nach der richtigen Vollständigkeitstheorie den Kläger 1 0 2 . Freilich entscheidet die herrschende Meinung anders 103 . Aber der Satzfassung des § 814 BGB., auf die sie sich stützt, kann eine solche Bedeutung nicht beigemessen werden; sie ist nur für die prozessuale Darlegung erhebhch. Richtig ist nämlich an der herrschenden Lehre soviel, daß der Kläger seinen Beweis regelmäßig schon auf die Umstände des Falls stützen kann. Es muß ja ohnehin feststehen, daß er zum Zwecke der Schuldtilgung geleistet hat und daß diese Schuld nicht besteht; beides muß er im Streitfall beweisen. Daraus ist aber meistens schon zu entnehmen, daß er sich im Irrtum befunden hat. Der Beklagte könnte nur noch einwenden, daß der Kläger zwar den Bestand der Schuld behauptet, aber insgeheim ihre Ungültigkeit gekannt habe: dafür trifft ihn die prozessuale Beweispfhcht, aber nicht die materielle Beweislast. Daher muß, wenn die Frage des Irrtums rechthch zweifelhaft bleibt, wie überall, wo ein Merkmal des Klagegrundes ungeklärt bleibt, die Klage abgewiesen werden. Die herrschende Meinung, die das bestreitet, führt besonders bei dem negativen Anerkennungsvertrag zu den bedenkhchsten Folgen 104 . Wenn der Gläubiger hier wegen Mangels des Grundes einen Ausgleichsanspruch erhebt, so brauchte er nach dieser Lehre nur zu beweisen, daß die Schuld in Wahrheit bestand und daß er das Anerkenntnis zum Zwecke einer Schuldtilgung abgegeben hat. Das letztere erhellt aber schon daraus, daß er die Form des Anerkenntnisses gewählt hat. Danach könnte er den Anerkennungsvertrag schon durch den einfachen Nachweis entkräften, daß die Scliuld bestanden hat 1 0 5 . Aber dadurch wird der Wert des Anerkenntnisses völlig aufgehoben. Vielmehr muß man — was hier selbst viele Gegner anerkennen müssen 106 — vom Kläger auch den Beweis seines Irrtums fordern. — Endhch kommen nicht selten Fälle vor, wo ein Rechtsgrund zur Zeit der Zahlung gültig bestand, aber hinterher wegfällt. Es ist 102 108

Meine Beweislast 3 8 I f f . R G . 60, 420; GruchBeitr. 55, 355; weitere Angaben Beweislast 382

A n m . 1. 104 106 106

Meine Beweislast 361. P l a n c k a. a. O. u n d andere. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 74; E n d e m a n n § 149 A n m . 12.

Zahlung einer Nichtschuld.

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z. B. der Kaufpreis für eine Sache bezahlt, und danach wird der Vertrag durch Wandelung oder Anfechtung aufgehoben. Oder es ist schenkungshalber geleistet und die Schenkung wird hinterher wegen eigner Bedürftigkeit oder Verfehlungen widerrufen. Diese Fähe sind genau ebenso zu behandeln wie die anderen, wo der Grund von vornherein fehlt. Das Gesetz (§ 812) stellt ausdrücklich beide einander gleich: ,,Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt." Freilich fährt es sogleich fort: ,,oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt". Aber dieser letzte Fall hängt nicht etwa sachlich mit dem vorgenannten zusammen: im Gegenteil handelt es sich hier, wie wir sehen werden (§§ 270ff.), um einen Anspruch ganz anderer Art. — § 260. Bisher wurden die FäUe erörtert, wo eine Bestimmung des Rechtsgrundes ganz fehlte oder wo sie ungültig war. Wir kommen nun zur dritten Gruppe, wo diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, wo aber die Verwendung der Leistung zu diesem Zwecke unzulässig ist. Der Leistende hat hier auf einen Rechtsgrund verwiesen und dieser ist auch gültig: z. B. es hat jemand zum Zwecke einer Schenkung geleistet, die angenommen und rechtsgültig ist. Aber die Annahme der Leistung ist unstatthaft, weil sie gegen ein Gesetz oder gegen die Sittlichkeit verstößt. Diese Fälle des v e r p ö n t e n Empfanges regelt der § 817 BGB. Allerdings kann es auch sein, daß außer dem letzteren Mangel ebenfalls der angezogene Rechtsgrund nichtig ist — falls z. B. im genannten Falle auch die Schenkung selbst ungültig ist oder wo zur Tilgung einer nichtigen Schuld gezahlt wird. Aber hier ergibt sich dieser Ausgleichsanspruch schon aus dem letzten Umstand allein. Die Eigenart der für den verpönten Empfang geltenden Rechtssätze betätigt sich also hier nicht (sondern nur da, wo der Rechtsgrund selbst gültig ist) ; doch werden dort beide Vorschriften nebeneinander Anwendung finden (unten § 262). Die erste Voraussetzung ist auch hier, daß eine Verschiebung durch eine Leistung stattgefunden hat. Diese kann in der Herstellung eines Rechtserfolgs oder in tatsächlichen Vorteilen bestehen. I m ersten Falle ist nötig, daß der rechtliche Erfolg gültig eingetreten ist. Nicht selten wird schon dieser selbst vom Gesetz verhindert: so wenn die Übereignung selbst schon wucherisch und daher nichtig ist. I n solchen Fällen kann es natürlich gar nicht erst zu einer Ausgleichung kommen. Es muß daher auch hier

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Grundlose Verschiebung.

sorgfältig geprüft werden, ob dieser dingliche A k t nicht schon selbst unsitthch und nichtig ist (oben S. 484). Wir haben es hier mit den Fällen zu tun, wo der Erfolg dinglich eingetreten ist. Das Gesetz geht hier nicht so weit, die Übereignung zu vernichten, aber es mißbiUigt doch ihre Verwendung zu diesem Zwecke und gibt dem Leistenden daher einen schuldrechthchen Aufhebungsanspruch. Es handelt sich also um ein abgeschwächtes Verbotsgesetz, das lediglich schuldrechthch wirkt. Und zwar ist dies auch beim Verstoß gegen die Sittlichkeit der Fall: wenn auch die unsittlichen Geschäfte im allgemeinen nach § 138 BGB. ganz nichtig sind, so wird das Gesetz hier eben nur mit abgeschwächter Wirkung angewendet. Nach § 817 scheint es so, als ob sich die Mißbilligung immer nur aus dem Zwecke der Leistung ergeben könnte: ,,war der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt." Aber es ist auch möglich, daß sie auf anderen Gründen beruht: daß insbesondere ein Gesetz die Annahme auch ohne Rücksicht auf ihren Zweck verbietet. So ist landesrechthch bisweilen den Beamten untersagt, von ihren Untergebenen Geschenke anzunehmen, gleichviel zu welchem Zweck. Auch hier wird der Ausgleichsanspruch ebenso zu geben sein. Wenn nun der Erfolg unerwünscht erscheint, so soll er wieder aufgehoben, die Leistung dem Empfänger wieder entrissen werden. Das Gesetz beruht auf dem Gedanken: wer eine verpönte Leistung annimmt, ist ihrer weniger würdig als der Geber. Dies trifft freilich nur unter zwei Voraussetzungen zu: daß der Geber schuldlos und der Empfänger schuldhaft gehandelt hat. I n der Tat ist beides erforderlich. Das erste Erfordernis wird im Gesetz ausdrücklich ausgesprochen (§ 8172) — und das andere, das Verschulden des Empfängers, ist ebenfalls in ihm enthalten 107 . Denn das Gesetz spricht von einem „Verstoß, der dem Leistenden zur Last fällt" — das kann nichts anderes als ein schuldhaftes Verhalten bedeuten — und dies Verschulden wird auch bei dem Empfänger erfordert: denn das Gesetz verlangt, daß es ihm j,gleichfalls" zur Last fällt. Demgegenüber kann man doch wirklich nicht behaupten, daß der Wortlaut des § 817 in keiner Weise das Erfordernis des Verschuldens zum Ausdruck 107 Motive zu § 747 Ε . I . ; R G . GruchBeitr. 66, 98. Anders R G . 72, 49 für § 181 K O . , wo aber das A b k o m m e n nichtig, ein Ausgleichsanspruch daher überhaupt n i c h t gegeben ist.

Verpönter Empfang.

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bringe . Hinzu t r i t t noch ein erheblicher sachlicher Grund. Wenn das Gesetz sich lediglich auf eine objektive Verletzung stützte, so wäre es unbegreiflich, wie es dann bei einer weiteren Verletzung von Seiten des Klägers den Anspruch ausschheßen könnte. Denn ein objektiver Mangel kann nicht dadurch beseitigt werden, daß noch ein zweiter hinzutritt. Es wäre das ebenso verkehrt wie die sogenannte Kompensation der Ehescheidungsgründe, die das frühere Recht zuließ. Dadurch wird die Aufhebung des fehlerhaften Aktes nicht ausgeschlossen, sondern erst recht notwendig. Vielmehr kann dieser Satz nur aus dem Gedanken verstanden werden, daß das Verschulden der Parteien abgewogen wird. Endlich sprechen dafür auch praktische Gründe: wenn der Empfänger schuldlos ist, darf er nicht zur Rückgabe verpfhchtet sein. So, wenn jemand ahnungslos Geschenke von dem Liebhaber seiner Frau oder seiner Mutter annimmt. Freilich muß er sie auch später wieder herausgeben, wenn er dies nachträghch erfährt, weil er sonst jetzt unsitthch handeln würde. Aber es ist auch möghch, daß in dem Behalten keine Unsitthchkeit liegt: der Empfänger der Geschenke ist z. B. gestorben und die geschenkten Gelder sind durch Erbgang an eine mildtätige Stiftung gefallen. Hier hegt kein ausreichender Grund vor, um die Rückzahlung zu rechtfertigen. Daraus erhellt, daß der Ausgleichsanspruch des § 817 sich auf das schuldhafte Verhalten des Beklagten stützt. Nicht selten hat man hier von einem Strafzweck gesprochen. Aber das ist deshalb ungenau, weil der Beklagte nicht geschädigt wird, sondern nur, was er zu Unrecht erhielt, herauszugeben hat. Eine Strafe enthält das so wenig wie die Pfhcht eines Diebes, die gestohlene Sache zurückzugeben. § 261. Schon aus dieser Begründung ergibt sich, daß es nicht der Mangel des Rechtsgrundes ist, was den Anspruch rechtfertigt. Vielmehr ist ein Rechtsgrund in vielen Fällen gegeben. Wenn ein vorgesetzter Beamter in verbotener oder unanständiger Weise Geschenke von seinen Untergebenen annimmt, so ist die Schenkung ernsthaft und gültig vereinbart und ein Rechtsgrund also vorhanden. Wer einem Spieler unter Ausnutzung seiner Leidenschaft sein ganzes Geld abnimmt, handelt damit unsitthch : und doch ist auch hier ein Rechtsgrund gegeben, der die Rücki° 8 So R G . a. a. O.

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Grundlose Verschiebung.

forderung ausschließt (§ 762 BGB.). Der Gläubiger hat einen Anspruch, und es ist nur unstatthaft, daß er seine Erfüllung annimmt : ähnhch einem Gläubiger, der durch die Einklagung seiner Forderung gegen die Sittlichkeit verstößt und daher durch eine Einrede der gegenwärtigen Arglist zurückgewiesen wird. Dieselbe Erwägung, die hier zur Abweisung der Klage führt, bewirkt nach vollzogener Leistung deren Rückgabe. Allerdings faßt die herrschende Lehre dies ganz anders auf. Sie meint, daß der Anspruch des § 817 BGB. sich auf einen Mangel des Rechtsgrundes stütze. Eben weil die Annahme gegen ein Gesetz oder die Sitthchkeit verstoße, sei die Leistung als „ohne rechthchen Grund" erfolgt anzusehen und aus diesem Grunde zurückzugeben. Hiernach stellt sich die Vorschrift des § 817 lediglich als ein einzelner Anwendungsfall der allgemeinen Regel des § 812 dar: ja sie ist neben ihr eigenthch überflüssig 109 . Diese „Einheitslehre" ist durchaus vorherrschend 110 . Sie stützt sich im wesenthchen auf die allgemeine Auffassung, daß alle Ausgleichsansprüche nur Ausflüsse eines einheithchen Bereicherungsanspruchs seien. Aber sie ist eben unbewiesen und mit den Vorschriften des Gesetzes und der Bilhgkeit unvereinbar. Wir haben vielmehr gefunden, daß es sich überall um verschiedene Ansprüche handelt, daß insbesondere die Frage, was unter dem „etwas" und dem „rechthchen Grund" zu verstehen sei, bei ihnen verschieden beantwortet werden muß. Diese Regelung entspricht nicht der Einheits-, sondern der Unterscheidungstheorie. Und gerade auch der Anspruch aus § 817 ist von dem aus § 812 sehr scharf zu unterscheiden 111 : 1. Er stellt sich schon im römisch-gemeinen Recht als ein besonderer, eigenartiger dar, der nicht auf den Mangel des Rechtsgrundes zurückgeführt wird. Ebenso erscheint er auch im BGB. durchaus als ein eigener Anspruch. Nirgends wird angedeutet, daß er nur ein Sonderfall des allgemeinen § 812 sei und auf dem Fehlen eines Rechtsgrundes beruhe. I m Gegenteil werden beide scharf auseinandergehalten. Wenn jemand eine grundlose Leistung in Kenntnis dieses Umstandes annimmt, handelt er fast immer unanständig. Nach der Gegenansicht müßte hier also nur die Vorschrift des § 817 als die besondere eingreifen. Aber der 109 110 111

So i n der T a t L u x , LeipzZ. 1919, 563; R G R K . 6 zu § 817. Insbesondere v . M a y r a. a. O. 551 ff.; P l a n c k 1 zu § 817. Treffend H e c k , ZivArch. 124, 15ff.

Verpönter Empfang.

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§ 819 BGB. beweist das Gegenteil. Er behandelt den genannten Fall im Absatz I und die unsitthche Annahme der Leistung, also den Fall des § 817, im Absatz I I . Deutlicher kann es gar nicht ausgedrückt werden, daß die Annahme einer Nichtschuld, auch wenn sie sittenwidrig ist, nicht lediglich nach § 817 erledigt wird. 2. Der Zweck beider Gesetze ist verschieden. § 812 will eine wirtschafthch verfehlte Zuwendung rückgängig machen, § 817 gegen einen schuldhaften Verstoß vorgehen. 3. Daher ist denn auch der Tatbestand der beiden Vorschriften durchaus verschieden. § 812 erfordert, daß der rechtliche Grund fehle. Für § 817 dagegen ist mindestens zu sagen, daß er dies nicht erfordert: denn es kann hier sehr wohl eine gültige Schuld oder Schenkung zugrunde hegen und nur die Annahme der Leistung verpönt sein. Umgekehrt stellt § 817 subjektive Erfordernisse auf: der Geber muß schuldlos und der Empfänger schuldhaft sein — und diese sind wieder dem § 812 fremd. Auch die Wirkungen des § 817 sind viel einschneidender (§ 819 I I BGB.). Von diesen Unterschieden ist der wichtigste: die Bestimmung des § 8172, wonach der Anspruch bei eigener Schuld ausgeschlossen ist, ist nur eben auf diesen § 817, also nicht auch auf den Anspruch aus § 812 anzuwenden (unten S. 500ff.). Gerade hier zeigt sich am klarsten, zu welchen schweren Fehlern die Einheitstheorie führt. § 262. Aus dem bisherigen folgt, daß der Anspruch des § 817 ein eigenartiger und nicht bloß ein Anwendungsfall des § 812 ist. Es gibt Fälle, wo nur § 812 , und andere, wo nur § 817 anwendbar ist. Allerdings gibt es auch viele Fälle, wo der Tatbestand beider vorhegt: z. B. wenn die Unsitthchkeit sowohl die Gültigkeit der Schenkung ausschheßt, als auch die Annahme als verpönt erscheinen läßt. Diese Fähe kann man nun verschieden auffassen. Entweder man nimmt an, daß hier lediglich § 812 eingreife — weil § 817 nur für die Fälle eines gültigen Rechtsgrundes bestimmt sei. Diese Auffassung hat viel für sich, aber sie läßt sich nicht mit genügender Sicherheit erweisen. Es bleibt auch die andere Möghchkeit, daß in solchen Fällen beide Ansprüche miteinander konkurrieren. Aber auch dann ist jeder nach seinem Tatbestand und Erfolg von dem anderen sorgfältig zu trennen. Dies Verfahren ist auch sonst bei einem Zusammentreffen zweier Ansprüche durchaus notwendig und anerkannt. Wenn ein Dieb über das gestohlene Inhaberpapier wirksam verfügt, so hat der Eigentümer gegen ihn zwei verschiedene Ansprüche: aus Unrechtshandlung (§ 826 BGB.) B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

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Grundlose Verschiebung.

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und Rechtsverschiebung (§ 816 BGB.). Für jeden sind Tatbestand und Wirkungen gesondert festzustellen. Ausgeschlossen ist, daß man etwa das Erfordernis der Verantwortlichkeit, das für den ersten Anspruch gilt (§§ 827ff. BGB.), auch auf den anderen übertragen könnte — oder umgekehrt die Voraussetzung, daß die Verfügung rechtswirksam war (§ 816), auf den ersten. So ist es auch unzulässig, die Erfordernisse des § 812 BGB. für den Anspruch aus § 817 aufzustellen, insbesondere das Erfordernis des mangelnden Rechtsgrundes. Und ebenso verfehlt ist es, die Voraussetzungen des § 817 auf den Anspruch, der durch § 812 gerechtfertigt wird, zu übertragen. Für den letzteren ist nicht zu erfordern, daß der Empfänger schuldhaft gegen ein Verbotsgesetz oder die Sittlichkeit verstoßen hat (§ 817 1 ): und ebensowenig, daß der Leistende von einem solchen Verschulden frei ist (§ 8172). Dies ist bisher allgemein verkannt worden. Die meisten haben sich durch die Einheitstheorie irreführen lassen, nach der der Anspruch aus § 817 nur einen Sonderfall des § 812 darstellt. Daraus würde sich allerdings ergeben, daß auf ihn nur die Sondervorschriften des § 817 anzuwenden wären. Aber diese Einheitstheorie ist eben, wie dargelegt, unhaltbar. Eine neuere Lehre hat dies richtig erkannt und die selbständige Natur der beiden Ansprüche betont 1 1 2 . Aber auch sie glaubt, bei der Konkurrenz beider Tatbestände die Ausnahme Vorschrift des § 8172, wonach der eigne Verstoß des Klägers den Anspruch ausschließt, auf beide Ansprüche, also auch auf den aus § 812, anwenden zu sollen 113 . Und damit versäumt sie es, die Folgerungen aus ihrer richtigen Grundsanschauung zu ziehen : und so wird sie zu eben den unhaltbaren Entscheidungen der herrschenden Lehre getrieben, die es umzustoßen gilt und die sie selbst entschieden bekämpft (unten S. 508ff.). § 263. Der Anspruch aus § 817 BGB. ist nämhch ausgeschlossen, wenn dem Leistenden „gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt". Dies trifft besonders dann zu, wenn jemand dem anderen Geld geschenkt hat, um ihn zu einer strafbaren oder unsittlichen Handlung zu bestimmen. Auch diese Vorschrift stammt aus dem römischen Recht. Sie beruht auf dem Gedanken, daß nur ein schuldloser Kläger jenes Übergewicht gegenüber dem schuldigen Beklagten hat, das den Anspruch aus § 817 rechtfertigt. Wenn 112 113

H e c k a. a. O. 5ff. H e c k a. a. O. 27ff.

Verpönte Hingabe.

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auch der Geber ebenso schuldig ist, so wird die Schuld des einen durch die des anderen aufgewogen — ähnlich wie die Schuld des Schädigers durch eine Schuld des Verletzten nach § 254 BGB. oder der Rentenanspruch des geschiedenen Ehegatten durch sein eigenes Verschulden (§ 1578 BGB.). Das Übergewicht des Klägers wird dadurch ausgeschlossen, daß er sich in der par condicio befindet, daß ihm „gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt". Außerdem wird das ganze Verhältnis so mißbilligt, daß es auf keiner Seite die Gerichte beschäftigen soll. Weder kann der Beamte die Schmiergelder einklagen, noch der Gegner sie zurückfordern. Daraus ergibt sich, daß auch bei dem Geber nicht ein objektiver Verstoß genügt, sondern ebenfalls Verschulden erfordert wird. Dies wird in hohem Maße durch die Ausdrucksweise des Gesetzes bestätigt, wonach dem Leistenden „ein solcher Verstoß zur Last fallen" muß. Auch sprechen dafür die Gründe der Bilhgkeit. Wenn ein Verbot zur Annahme von Schenkungen zwar dem empfangenden Beamten, aber nicht dem Geber bekannt ist, so muß die Rückforderung zulässig sein. Wenn der Ausgleichsanspruch von dem Konkursverwalter erhoben wird, darf ihm nicht die Schuld des Leistenden entgegengehalten werden 1 1 4 . So wird denn hier auch allgemein erkannt, daß ein Verschulden nötig i s t 1 1 5 . Aber es wird meistens darauf zurückgeführt, daß die Vorschrift des § 8172 die Natur einer Strafe habe. Und das ist hier ebenso ungenau wie bei der Vorschrift des § 817 1 : um eine Strafe handelt es sich hier so wenig wie bei dem Einwand des eigenen Verschuldens gegen den Schadensanspruch oder die Unterhaltsklage des geschiedenen Ehegatten (§§ 254, 1578 BGB.) — vielmehr um einen Ausgleich, der auf der Abwägung des beiderseitigen Verhaltens beruht 1 1 6 . Man hat die Vorschrift auch so zu erklären versucht, daß nur die Einforderung des sonst begründeten Anspruchs unsitthch und deshalb unzulässig sei, daß also nur ein „Hindernis der Rechts Verfolgung" vorhege 117 . Aber auch dem ist nicht zuzustimmen 118 . Nicht die Rechtsverfolgung ist es, woran der Makel haftet, sondern die Leistung und deren Annahme: das ergibt nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Zweck und die 114 116 116 117 118

R G . 99, 167ff. Z. B . R G . 95, 348ff. 104, 54. R G . W a r n e y e r 1910; H e c k 33ff. R G . 99, 167ff. H e c k a. a. O. 9ff. 32*

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G r n d l o s e Verschiebung.

Vorgeschichte der Bestimmung. Selbst die Römer, die doch sehr leicht zur Annahme einer exceptio doh praesentis neigten, wandten diese Denkform hier nicht an. Außerdem paßt die angegebene Erklärung nur für die Fälle der Unsittlichkeit, nicht die der Gesetzwidrigkeit. Und endlich würde nach ihr die Vorschrift des § 8172 BGB. völhg unnötig sein. Wenn^in diesem .Fallender beiderseitigen Schuld eine reale Leistung vollzogen war, so bleibt sie bei dem Empfänger. Anders, wenn die Leistung nur in der Eingehung einer abgelösten Verbindlichkeit bestand. Der Beamte hat z. B. seinem Vorgesetzten nicht Geld, sondern ein Wechselakzept geschenkt. Hier ist trotz der eignen Schuld des Gebers der Ausgleichsanspruch begründet („es sei denn, daß die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand"): und nur, wenn diese schon durch Leistung erfüllt ist, ist deren Rückforderung ausgeschlossen. Diese Vorschriften beruhen wieder auf dem Gedanken, daß im Falle der beiderseitigen Schuld alles da bleiben soll, wo es ist. Die abgelöste Forderung kann nicht eingeklagt werden, sondern ihr steht die Einrede der Grundlosigkeit entgegen: die auf Grund ihrer gemachte Leistung kann aber auch nicht zurückgefordert werden. Die Gerichte sollen mit dieser Angelegenheit weder im Interesse des Leistenden noch des Empfängers befaßt werden. § 264. Wir kommen nun zu der schon oben erwähnten, äußerst umstrittenen Frage, ob diese Einschränkung nach § 8172 auch in den Fähen gilt, wo die Leistung nicht nur wegen verpönten Empfanges (§ 817), sondern zugleich auch wegen mangelnden Rechtsgrundes (§ 812) zurückzugeben ist. Das deutlichste Beispiel enthält der Fall, daß ein Haus zu Bordellzwecken verkauft und aufgelassen ist. Hier kann der Verkäufer nicht den Kaufpreis fordern, weil der Kaufvertrag unsitthch und daher nach § 138 BGB. nichtig ist. Er kann ferner nicht das Haus mit dem Eigentumsanspruch zurückfordern, weil die Übertragung gültig erfolgt ist (oben S. 484ff.). Nun ist doch wohl das Selbstverständlichste auf aller Welt, daß er dann das Haus mit dem Ausgleichsanspruch zurückfordern kann. Aber nach der herrschenden, ja allgemeinen Ansicht kann er das nicht — und der üble Käufer behält das Haus ohne jedes Entgelt — eine u n g e h e u e r l i c h e F e h l e n t s c h e i d u n g . Man ist gespannt, die Gründe für eine solche Annahme zu hören. Viele berufen sich auf die Einheitstheorie, nach der die Vorschrift des § 817 BGB. nur einen Sonderfall der allgemeinen Regel des

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§ 812 enthält . Aus ihr könnte man in der Tat folgern, daß für diesen besonderen Fall ausschließlich die Sonderbestimmungen des § 817 gelten. Aber diese Theorie ist, wie oben (S. 496) dargelegt wurde, nicht haltbar. Sie bildet jedoch nicht den einzigen Grund der gegnerischen Entscheidung; denn diese wird auch von Schriftstellern, die jene bekämpfen, vertreten. Man beruft sich auf das römische Recht : aber dies ergibt, wie gleich zu zeigen sein wird, gerade das Gegenteil. Ferner stützt man sich darauf, daß § 8172 den Kläger bestrafen wolle und dies für jeden Schuldigen ohne Unterscheidung Anwendung finden müsse. Aber wie wir sahen, beruht die Vorschrift nicht auf dem Gedanken einer Strafe, sondern darauf, daß dieser Anspruch, der sich lediglich auf Verschulden gründet, ein Übergewicht des Klägers erfordert, das er bei seiner eigenen Schuld nicht hat. Daraus folgt nun aber noch nicht, daß derselbe Einwand auch gegenüber einer solchen Ausgleichung durchdringt, die auf dem viel stärkeren Mangel des Rechtsgrundes beruht. Eine Leistung ohne jeden gültigen Rechtsgrund trägt eine so starke Störung in das Wirtschaftsleben hinein, daß sie unbedingt beseitigt werden muß. Eine Leistimg nach § 817 ist nur verpönt, eine grundlose dagegen ganz sinnlos und unmöghch. Weiter hat man geltend gemacht, daß es nicht in der Hand des Klägers hegen dürfe, ob der Einwand aus § 8172 durchgreift: es dürfe ihm daher nicht gestattet werden, die Klage behebig auf § 817 oder § 812 zu stützen 120 . Dagegen ist aber einzuwenden, daß es überhaupt nicht vom Beheben des Klägers abhängt, welche rechthchen Vorschriften anzuwenden sind. Er hat nur die Tatsachen anzugeben, und das Gericht wendet dann von Amts wegen die richtigen Normen a n 1 2 1 . — Man hat sich auf den Willen des Gesetzgebers berufen und dabei, wie üblich, nach den Ansichten ganz anderer Personen, nämhch der Kommissionsmitgheder geforscht. Aber weder ist der Wille des Gesetzgebers, der nicht durch historische Vorgänge in Erscheinung trat, erhebhch, noch sind die Mitglieder der Kommission Gesetzgeber gewesen. Überdies sprechen deren Ausführungen eher gegen die bekämpfte Lehre 1 2 2 . Ferner ist der allgemeine Satz aufgestellt worden, daß 119

Ζ. Β . v . M a y r a. a. O. 43ff.; N e u b e c k e r a. a. O.; R G . 63, 353ff. R G . 63, 355. H e c k a. a. O. 31. 122 H e c k a. a. O. 48ff.

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man niemals aus einem Vorgang, bei dem man sich unrecht benommen habe, Rechte ableiten könne 1 2 3 . Aber dieser Satz ist ganz unbewiesen und unrichtig 1 2 4 . So kann jemand Erbe werden, obwohl er die Erbschaft i n unschöner Weise vom Erblasser erschlichen: es darf nur nicht Betrug, Zwang oder einer der Unwürdigkeitsfälle vorhegen. Ebenso schheßt das eigene Verschulden eines Geschädigten nicht schlechthin seine Ansprüche aus, sondern es führt regelmäßig nur zu einer Herabminderung (§ 254 BGB.). Der eigentliche Hauptgrund der Gegner dürfte aber wohl der sein, daß für § 817 BGB. kaum noch ein Anwendungsgebiet bliebe, wenn man die Fälle des mangelnden Rechtsgrundes (§ 812) davon ausschlösse. Aber selbst wenn dies richtig wäre^ so würde es nicht die Richtigkeit der Gegenansicht beweisen. Es gibt im Gesetz viele Bestimmungen, die nur sehr selten anwendbar sind: so kann z. B. § 17722 BGB. so gut wie niemals in Anwendung kommen. Vor allem aber irrt die herrschende Meinung darin, daß für § 817 dann kein Raum mehr bliebe. Es ist ihr Grundfehler, daß sie fast immer nur auf die Fälle gesehen hat, wo die Unsittlichkeit zur Ungültigkeit des Rechtsgrundes führt. Daneben gibt es aber viele Fähe anderer Art. Ein Beamter nimmt von seinem Untergebenen eine gültige Schenkung an, obwohl diese Annahme verboten ist oder unanständig erscheint. Ein Beamter nimmt bei einer Handlung, zu der er amthch verpfhchtet ist, Geschenke entgegen § 331 StGB. an. Dasselbe kommt häufig bei Angestellten vor, die sich von den Lieferanten „schmieren" lassen 125 . Auch sonst kommt es vor, daß jemand sich zu einem Verhalten, zu dem er verpfhchtet ist, erst durch Schenkungen bewegen läßt: er nimmt z. B. Geld dafür, daß er die Nachbarn nicht rechtswidrig belästigt. Nicht selten wird die Annahme von Schenkungen deshalb unsitthch erscheinen, weil sie von jemandem ausgehen, mit dem man sich nicht einlassen darf, z. B. vom Verführer der Frau oder Tochter. Jemand nimmt dem anderen beim Spiel solche Summen ab, daß dieser ruiniert wird, unter Ausnutzung der Leidenschaft und Trunkenheit des anderen: wegen der Spielnatur kann eine Rückforderung nicht stattfinden (§ 662 128

K r ü c k m a n n , BürgA. 40, 44ff.; BayRpflZ. 1915, 189ff. R G . 101, 308; J W . 1913, 734; W a r n e y e r 1920 N r . 145, 1922 N r . 64; H e c k a. a. O. 59ff. 125 R G . 58, 204; W a r n e y e r 1909 N r . 63, 1915 N r . 41; SeuffA. 58 N r . 94, 77 N r . 98. Recht 1906 N r . 3191, 1912 N r . 2002, 1915 N r . 1934. 114

Verpönte Hingabe.

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BGB.), wohl aber wegen des Verstoßes, der in der Annahme hegt. Selbst die Annahme einer gewöhnlichen Schuldzahlung kann unter Umständen unsitthch erscheinen, wenn sie unter Ausnutzung der Trunkenheit oder jugendlichen Unerfahrenheit des Schuldners erfolgt und diesen ruiniert. Unsitthch erscheint es, wenn die Eltern sich für einen Verzicht auf Ausübung eines Elternrechts bezahlen lassen 126 . Auch kann eine Annahme durch die Kriegsgesetze verboten sein 1 2 7 . Ahe diese und ähnliche Fähe hat man bisher meistens übersehen und so ein ganz falsches Bild von der Tragweite und Bedeutung des § 817 erhalten. § 265. Anderseits sprechen die stärksten Gründe gegen die herrschende Lehre. Wie wir sahen, enthalten die §§812 und 817 BGB. zwei ganz selbständige Ansprüche, die ihren verschiedenen Tatbestand haben. Der erste verlangt eine Leistung ohne Rechtsgrund, der andere eine verpönte Annahme. Allerdings können beide Tatbestände gleichzeitig vorhegen und daher beide Ansprüche konkurrieren. Aber auch dann ist — wie bei jedem solchen Zusammentreffen — jeder Anspruch nur an seinen eigenen Tatbestand gebunden (oben S. 497ff.). Wollte man ein Erfordernis des einen Anspruchs auch auf den anderen übertragen, so müßte man auch da, wo der Anspruch aus § 812 mit einem Deliktsanspruch konkurriert, dessen besondere Voraussetzungen, z. B. Verantwortlichkeit nach §§ 827ff., verlangen. Von großer Bedeutung ist ferner die Stellung des römischen Rechts, auf das sich die Gegner zu Unrecht berufen 128 . Der Titel der Digesten de condictione ob turpem vel iniustam causam (12, 5) enthält nicht solche Fälle, wo auch der Rechtsgrund fehlt, sondern umgekehrt solche, wo nur die Annahme ungehörig ist. I m Vordergrund stehen hier die Fälle, wo jemand in unanständiger Weise Geld dafür nimmt, daß er dem anderen kein Unrecht t u t oder seine Schuldpfhcht erfüllt : ne sacrilegium facias, ne furtum, ne honinem occidas (1. 2 pr.), ne mihi iniuriam facias (1. 4 § 2), ne furtum indicaret (1. 5), ut rem mihi reddas depositam (1. 2 pr.), ut vestimenta commodata reciperem (1. 9 pr.). Nur ganz vereinzelt stehen daneben Fälle, in denen wir heute eine unsitthche Verpfhchtung sehen würden (1. 3, 4). Aber auch hier gehen die Römer nicht von dieser Annahme eines mangelhaften Rechtsgrundes aus. Wir 126 127 128

R G . W a r n e y e r 1913 N r . 183. R G . 89, 65. 97, 82. N e u b e c k e r a. a. O.; dagegen H e c k a. a. O. 39ff.

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würden beim Empfang von Bestechungsgeldern einen auf die Ausführung gerichteten Vertrag annehmen, der aber wegen Unsittlichkeit nichtig wäre, und danach einen Anspruch wegen Zahlung einer Nichtschuld geben. Aber dem Römer war diese Auffassung dadurch versperrt, daß jene formlose Abrede ungültig war. Er konnte den Vorgang nur als Leistung zu einem Zweck (ob rem datum) auffassen — nach dem Satze, daß bei allen Austauschverträgen (sog. Innominatkontrakten) die erfolgte Leistung einen Anspruch auf die Gegenleistung gibt. I n diesem Sinne wird unterschieden, daß eine Leistung „aut ob rem datur aut ob causam" und ausdrücklich hinzugefügt: ,,et ob rem aut turpem aut honestam" (1. 1 dig. h. t.). Es kommt also nicht darauf an, ob die causa turpis ist, sondern die res, die Leistung. Daher wird auch in den genannten Stellen überhaupt nicht die Zahlung einer Nichtschuld angenommen. Es wird daher nicht die condictio indebiti gegeben und es hegt keiner der Fähe vor, wo beide Kondiktionen in Konkurrenz treten könnten. — Vielmehr scheint es hiernach, als ob die Römer die condictio ob turpem causam überhaupt nicht auf Fälle, wo der Rechtsgrund fehlt, angewendet hätten. Anderseits haben sie aber, wenn der Rechtsgrund fehlte, die condictio indebiti auch in Fällen verwendet, wo die Annahme der Leistung unanständig erschien: so wenn jemand die Zahlung einer Schuld annimmt, obwohl er deren Ungültigkeit kennt, oder eine Zahlung von seiten eines Unmündigen oder Geisteskranken 129 . Für das römische Recht erhalten wir daher sogar das Bild, daß immer nur die eine oder die andere Klage stattfindet : beim Fehlen eines Rechtsgrundes nur die condictio indebiti, auch wenn die Annahme unsitthch ist, und die condictio ob turpem causam nur, wenn ein Rechtsgrund vorhegt. Hier wurden also die beiden Ansprüche sogar noch schärfer voneinander getrennt, und eine Konkurrenz kam gar nicht in Betracht. Es erklärt sich das aus der römischen Art, jede Klage genau von vornherein rechthch zu bestimmen, um danach die Formel zu wählen. Unser Recht ermöghcht es dagegen, einen Rechtsstreit derart zu führen, daß mehrere Klaggründe in ihm konkurrieren und vom Richter nebeneinander berücksichtigt werden können. — Wie dem aber auch sei, jedenfalls haben die Römer dort, wo der Rechtsgrund fehlte, die condictio auch dann gegeben, wenn der Empfang an129

dig. 12, 6 1. 20, 1. 41.

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stößig war. Es ist Geld als Aussteuer für eine Ehe naher Verwandter gegeben worden. Auf den ersten Bhck, sagt der Römer, scheint es, als ob die condictio durch die eigene turpitudo des Gebers ausgeschlossen würde: aber dennoch ist sie zulässig, weil die dos nichtig ist und also nicht eine turpis causa, sondern nulla causa vorhegt 130 . Man hat diese Stelle viel behandelt, aber leider nicht aus ihr das gelernt, was sie besagt. Denn sie zeigt deuthch, daß das römische Recht die beiden condictiones wegen mangelnden Rechtsgrundes und wegen turpitudo sehr scharf auseinander hält und da, wo der erstere fehlt, trotz der eigenen turpitudo des Gebers die condictio zuläßt. Wenn dagegen eine stipulatio nicht des Grundes entbehrt, sondern nur auf einer turpis causa beruht, ist die Rückforderung ausgeschlossen131. Was endlich die berüchtigte Stehe von der meretrix betrifft 1 3 2 , so handelt es sich dort ledighch um die ethische Frage, ob ihr Verhalten unsitthch sei — bei der übrigens die antike Auffassung für uns nicht maßgebend sein kann. § 266. Was aber entscheidend gegen die herrschende Lehre spricht, ist ihre namenlose Unbilligkeit. Es wurde schon der Fall des Bordellkaufes erwähnt: nach jener Lehre behält der Käufer das ganze Haus kostenlos und braucht nichts zu erstatten. Ähnliches gilt, wenn eine Hypothek für eine solche Kaufschuld bestellt ist. Sie ist wegen der Unsitthchkeit der Forderung eine Eigentumshypothek (§ 1163 BGB.): der Verkäufer geht also auch hier leer aus. I n diesem Sinne hat das Reichsgericht tatsächhch öfters entschieden 133 . Zu gleichen Ergebnissen kommt es in den ähnhchen Fällen der Miete eines Bordells 134 und des auf dessen Betrieb gerichteten Gesellschafts Vertrags 135 , und bei der Belohnung für einen Geschlechtsverkehr 136. Und ebenso entscheidet es bei den Verboten der Kriegsgesetze: wenn eine Partei geleistet hat, kann sie nicht die Gegenleistung verlangen, aber auch nicht ihre eigene Leistung zurückfordern 137 . Dasselbe hat es bei einem Ge1 3 0 dig. 12, 7 1. 5. 181 dig. 12, 5 1. 8. 132 eodem 1. 4 § 3. * 8 3 Z. B . R G . 63, 353ff. 71, 433. 184 R G . 38, 199; LeipzZ. 1916, 689. 180 SeuffA. 51 N r . 259. 186 R G . 111, 154, J W . 1913, 6S3. 187 R G . 95, 126. 347. 100, 159. 250. 105, 270; W a r n e y e r LeipzZ. 13, 858. 1073. 15, 567. 17, 565.

1917, 59;

Grundlose Verschiebung.

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schäft entschieden, das gegen die Devisenverordnung verstieß 138 . Jemand gibt dem anderen in unsittlicher Weise ein Darlehen zum Spiel: der Empfänger behält das Geld, auch wenn er damit große Gewinne erzielt h a t 1 3 9 . Alle diese Entscheidungen kann ich nur als außerordenthch ungerecht bezeichnen. Dasselbe gilt, wenn sonst Leistungen aus einem unsitthchen Vertrag gemacht werden, der gar nicht zustande kommt — oder wenn jemand, um seine Gläubiger zu schädigen, grundlose Verschiebungen an einen anderen vornimmt. Überall darf der Empfänger die Leistung, auf die er gar kein Recht hat, behalten! Dazu kommen noch die wichtigen Fähe, wo die Unsittlichkeit lediglich auf selten des Gebers liegt, wie besonders bei den Leistungen, die der Wucherer seinerseits gemacht hat. Denn auch hier will die herrschende Leistung die Vorschrift des § 8172 anwenden 140 . Und dann kann man auch in den Fähen des Betrugs und Zwangs nicht anders entscheiden. Wenn der Käufer aus einem dieser Gründe den Vertrag anficht, so dürfte er danach die gelieferte Ware ohne jede Bezahlung behalten: er macht also ebenfalls ein glänzendes Geschäft. Weshalb alle diese Entscheidungen so verkehrt sind, ist leicht einzusehen. Wo nur ein Anstandsgefühl der Annahme entgegensteht, da kann diese Unbilligkeit durch einen gleichen Verstoß des Gebers aufgewogen werden. Ganz anders aber, wenn der Leistung der Rechtsgrund fehlt: eine solche ist ganz sinnlos und muß ohne Rücksicht auf das sittliche Verhalten des Gebers zurückgegeben werden. Wenn man das bisher so ganz verkannt hat, so hegt es größtenteils daran, daß man hier immer nur allein die krassen Fähe, wo beide Mängel vorhegen, in Betracht gezogen hat. Aber zum Teil wohl auch daran, daß unsere Juristen es sich angewöhnt haben, die Trennung von Leistung und Rechtsgrund zu überschätzen. Richtig ist, daß nach unserem Recht das dingliche Geschäft von seinem Rechtsgrund künstlich abgelöst ist. Aber das darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß wirtschaftlich der Rechtsgrund dem Geschäft erst seine Richtung gibt: daß nicht die abstrakte Übereignung, sondern erst diese in Verbindung mit ihrem Zweck den eigenthchen Inhalt des Vorgangs ausmacht (I, 385). Das ist der Grund, weshalb eine Zahlung ohne Rechts138 139 140

R G . 104, 50. J W . 1921, 2, 1307. R G . 79, 1. Angaben bei H e c k a. a. O. 3.

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grund ein sinnloser oder doch unfertiger Vorgang ist und daher unter aUen Umständen wieder rückgängig gemacht werden muß. § 267. Es sind nun von den Gegnern verschiedene Versuche gemacht worden, um diese groben Unbilligkeiten zu vermeiden. A m gründlichsten geschieht das wohl durch die Annahme, daß eine Partei, die selbst unsitthch gehandelt hat, sich nicht auf die Vorschrift des § 8172 berufen darf — daß sie sonst als arglistig betrachtet und daher nicht gehört wird 1 4 1 . Das ist freilich ein recht radikales Mittel: denn wenn es zuträfe, so würde es damit diese Vorschrift so gut wie ganz beseitigen. Den Empfänger der Leistung trifft ja immer ein Verschulden und in den meisten Fähen ein sitthcher Vorwurf. Aber die erwähnte Auffassung scheitert schon daran, daß es regelmäßig gar keiner Berufung auf den § 8172 bedarf. Wenn der Geber seine Leistung zurückfordert, so muß der Richter von Amts wegen diese Bestimmung anwenden und die Klage abweisen. Der Beklagte braucht gar nichts geltend zu machen, kann also auch gar nicht mit seinem Vorbringen ausgeschlossen werden. Nur gerade in dem entschiedenen Fähe lag es ausnahmsweise anders, weil dort der Empfänger der Leistung eine negative Feststellungsklage erhoben hatte. — Vor allem aber ist eine Einrede oder Rephk der Arglist nur da berechtigt, wo die Partei wirklich arghstig handelt (I, 70ff.). Und einen solchen Vorwurf kann man nicht daraus ableiten, daß sie sich auf die Vorschriften des Gesetzes beruft. — Verwandt ist auch die Auffassung, daß § 8172 nicht den Rückforderungsanspruch selbst, sondern nur seine Geltendmachung ausschheße, und daß er daher dort nicht anwendbar sei, wo in dieser keine Unsitthchkeit hege 142 . Diese ganze Anschauung ist schon früher (S. 499) zurückgewiesen worden. Sodann hat das Reichsgericht die Anwendung des § 8172 dort ausschheßen wollen, wo eine Leistung nur für eine gewisse Zeit gegeben sei, wie eine Kaution für einen Wirtschaftsbetrieb 143 . Hier soll sich die Rückforderung schon aus dem Inhalt der Vereinbarung ergeben. Aber wenn man daraufhin die Rückforderung zuläßt, so müßte man es auch in dem anderen Falle, wo sie sich 141 R G . 71, 436; ähnlich E n n e c c e r u s § 446 (anders L e h m a n n daselbst § 223). 1 4 2 R G . 99, 161 ff. 148 R G . 67, 326; W a r n e y e r 4, 115. 10, 296. 13, 32. 14, 93. 16, 89. 161; J W . 1912, 862.1921, 461; GruchBeitr. 58, 891; LeipzZ. 1916, 689. 1917, 792.

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aus der Nichtigkeit des Rechtsgrundes ergibt. Denn dieser Umstand ist mindestens ebenso bedeutsam wie die zeitliche Beschränkung, die aus der Abrede hervorgeht. Außerdem müßte die Gegenansicht auch für einen Darlehnsgläubiger gelten, der sein Geld auch nur auf Zeit ausgehehen h a t 1 4 4 — und es ist nicht folgerichtig, daß das Reichsgericht diese Ausdehnung ablehnt 1 4 5 . Einen beachtenswerten Versuch, die herrschende Lehre einzuschränken, hat Heck (a. a. 0. 20ff.) unternommen. Während jene den § 8172 für alle Fähe anwendet, wo der Rechtsgrund fehlt, unterscheidet er die Fähe, wo der Rechtsgrund eben wegen eines Verstoßes gegen die Sitthchkeit oder ein Verbotsgesetz nichtig ist (Verstoßfähe), von den übrigen: und nur auf die ersteren will er § 8172 anwenden. I n dem, was er gegen die Anwendung auf die letzten Fähe und überhaupt gegen die Grundanschauung der herrschenden Lehre vorbringt, hat er entschieden Recht. Aber leider räumt er dann der letzteren viel zu viel ein, indem er die Anwendung auf die Verstoßfähe anerkennt. Was er für diese Ausdehnung vorbringt, ist nicht schlüssig. Sein Hauptgrund, daß dann für § 8172 überhaupt kein Anwendungsgebiet mehr bleibe, ist schon oben (S. 502) widerlegt worden. Ferner beruft er sich darauf, daß das Verbot des Grundvertrags durch §§ 134, 138 BGB. demselben Rechtsgedanken wie der § 817 diene, da sie beide Schutz gegen unsittliches und ungesetzliches Handeln erstrebten. Das ist freilich richtig: aber es schließt keineswegs aus, daß beide Vorschriften Wirkungen von verschiedener Stärke hervorrufen: die ersteren zerstören das grundlegende Rechtsverhältnis, die anderen nicht. Auch die Haftungsvorschriften der §§ 280 und 823 haben denselben Zweck und sind doch verschiedenen Regeln unterworfen. Gegen Heck spricht aber, daß seine Lehre das nicht leistet, was sie beabsichtigt : nämhch die schweren Unbilligkeiten der herrschenden Lehre zu beseitigen. Nachdem sie diese deuthch hervorgehoben, ist sie danach doch nicht imstande, ihre Ergebnisse zu vermeiden. So kommt es, daß man das Gesetz (§ 8172) als einen „Hohn auf die Gerechtigkeit" bezeichnet und seine Beseitigung gefordert h a t 1 4 6 . Aber der Fehler steckt gar nicht im Gesetz, das für die Fähe des § 817 sehr gut paßt, sondern in seiner fehlerhaften Aus144 145 146

So i n der T a t SeuffA. 08 N r . 81. R G . 70, 4; vgl. dazu R G R K . 3 zu § 817. K R G R . zu § 817; L e h m a n n a. a. O. u n d andere.

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dehnung auf die Fälle, wo der Rechtsgrund mangelt. Man braucht nur diese Lehre zu beseitigen — und das ist freilich aufs entschiedenste zu fordern. — Umgekehrt hat man vereinzelt versucht, die Bestimmung des § 8172 BGB. noch weiter, auch auf ganz andersartige Ansprüche auszudehnen, insbesondere auf Dehktsansprüche 147 . Aber das ist noch weniger begründet und vom Reichsgericht mit Recht für den Delikts- 1 4 8 , Eigentums- 149 und Wandelungsanspruch 150 abgelehnt worden. Es läßt sich dagegen noch entschiedener einwenden, daß jeder Anspruch nach seinen eigenen Erfordernissen und nicht nach denen des anderen konkurrierenden beurteilt werden muß. Ein Einwand, der diesem entgegensteht, braucht darum noch nicht zu genügen, um den andern, stärkeren Anspruch auszuschheßen. Die Ansicht, daß man niemals auf einen Vorgang, bei dem man sich unrechtmäßig verhalten, Ansprüche ableiten könne, wurde schon oben (S. 502) zurückgewiesen. Sogar auf den dinghchen Anspruch hat man die Klausel des § 8172 anwenden wollen 1 5 1 . Aber hier t r i t t wohl am allerdeutlichsten hervor, daß ein solcher, völhg andersartiger Anspruch seinen eigenen Gesetzen unterhegt 1 5 2 . — § 268. Nachdem wir die Verschiebungen durch Leistung betrachtet, gehen wir zu den anderen Fähen über, wo eine Verschiebung ohne Leistung erfolgt. Daß beide Gruppen scharf auseinandergehalten werden müssen, ist oben (S. 454ff.) dargelegt worden. Die Fähe solcher Verschiebungen sind sehr verschiedenartig. Es sei nur an die der Verbindung, Verarbeitung, des Funderwerbs erinnert. Sehr häufig wird ein Gläubiger dadurch geschädigt, daß er bei der Vollstreckung auf Kosten eines anderen ungerecht zurückgesetzt wird. Auch hier kann er gegen diesen einen Ausgleichsanspruch erheben 153 . Der Anspruch kann aber nicht schon darauf gestützt werden, daß in dem Vohstreckungs147

K r ü c k m a n n , B ü r g A . 40, 44ff.; B a y r R p f l Z . 1915, 189ff. R G . 70, 5. 85, 293; J W . 1919. 34; W a r n e y e r 1914 N r . 74; Recht 1917 N r . 195, 1922 N r . 53. 149 W a r n e y e r 1911 N r . 115; O L G . 8, 423. 150 R G . 105, 67. 151 v > T u h r , ZSchweizR. N . F . 40, 59; Schweizer Obligationenrecht 400 A n m . 37. 148

152 153

H e c k a. a. O. 6 A n m . 15. R G . 23, 61. 39, 379. 42, 247. 58, 156. 64, 196.

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Grundlose Verschiebung.

verfahren formelle Mängel enthalten waren 1 5 4 . — Besonders sind im Gesetz die Fähe geregelt, wo eine Verfügung durch einen Nichtberechtigten erfolgt, die aber dem Berechtigten gegenüber wirksam ist und so eine Verschiebung bewirkt (§816 BGB.). Den Hauptfall hiervon bildet die dingliche Verfügung eines Nichteigentümers, die nach § 892 oder § 932 BGB. Eigentum überträgt: z. B. ein an X unter Eigentumsvorbehalt übertragenes Motorrad wird von diesem an einen gutgläubigen Dritten veräußert oder auch verpfändet. Nicht selten sind auch die Fähe, wo auf Grund einer Scheinvollmacht, eines unrichtigen Erbscheins oder eines Rechtsscheinpapiers wirksame Verfügungen erfolgen. Hier wird der unberechtigt Verfügende dem wahren Berechtigten oft schon aus einem Vertrag oder aus Unrechtshandlung auf Schadensersatz haften. Mindestens aber ist er nach § 816 verpfhchtet, ihn das zu erstatten, worum er durch die Verfügung bereichert ist, insbesondere also den Kaufpreis, den er für die Sache bekommen hat. Wenn die Verfügung des Nichtberechtigten nicht gegen den Berechtigten wirkt, wie z. B. bei der Veräußerung gestohlener Sachen(§ 935 BGB.), so kann dieser noch seinen Eigentumsanspruch gegen jeden geltend machen. Es ist also gar keine Verschiebung aus seinem Vermögen erfolgt, und es steht ihm daher auch kein Ausgleichsanspruch zu. Es fragt sich aber, ob er nicht doch auch in diesem Falle, wenn er will, den Verfügenden auf den von ihm erzielten Erlös in Anspruch nehmen kann. Das Reichsgericht und die herrschende Meinung bejahen das mit Recht — mit der Begründung, daß er durch diese Einforderung die Verfügung genehmige und diese dadurch nach § 184 BGB. rückwirkend wirksam mache 155 . Allerdings wenden die Gegner 156 mancherlei dagegen ein, insbesondere daß, wie sich aus der Rückwirkung des § 184 BGB. ergebe, der Verfügende gar nicht mehr als ein „Nichtberechtigter" anzusehen sei. Indessen wird damit der Gedanke der Rückwirkung überspannt : es bleibt doch immerhin wahr, daß er damals, als er verfügte, noch nicht berechtigt 164

R G . 25, 368. 59, 276. R G . 106, 44ff. 115, 311 (entgegen 105, 84); S c h u l z , ZivArch. 105, 338; O e r t m a n n 1 a zu § 816; Recht 1910, 588ff.; R G R K . 1 zu § 816; v . T u h r 1, § 60, A n m . 104. 2, 2 § 78; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 222; D ö l l e , Reichsgerichtspraxis 3, 22ff. 158 J u n g a. a. O. 51; v . M a y r a. a. O. 316ff. ; H a y m a n n , JheringsJ. 77, 276ff.; H e c k , Grundriß des Schuldrechts 427. 155

Verfügung eines Nichtberechtigten.

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war. Ähnlich hat man geltend gemacht, daß die Genehmigung laut § 184 BGB. wie eine vorherige Einwilligung wirke, bei dieser jedoch gar kein Anspruch aus § 816 gegeben sei 1 5 7 . Aber die Gleichstellung erfolgt nur in dem Sinne, daß durch die Genehmigung die Verfügung wirksam gemacht wird. Die stärksten Bedenken hat man dagegen erhoben, daß in der Klage eine Genehmigung erbhckt wird: der Kläger, der den Mangel der Verfügung nicht kenne, könne nicht auf sein Recht zur Herausgabe der Sache verzichten. Dagegen ist zu sagen, daß es, wie überall bei der Auslegung, nicht darauf ankommt, was die Partei denkt, sondern wie ihr Verhalten aufgefaßt werden muß. Aber dennoch liegt in diesem Einwand der Gregner auch etwas Richtiges. Man kann es dem Kläger nicht zumuten, schon bei der Klage endgültig auf sein Recht zur Herausforderung der Sache zu verzichten, weil er nicht weiß, ob er von dem Beklagten etwas erlangen wird. Man wird ihm daher, wenn er nicht gleich darauf verzichten will, auch den anderen Weg einräumen müssen, das durch die Verfügung erlangte nur Zug um Zug gegen Genehmigung der Verfügung zu fordern 158 . Es bleibt ihm dann zunächst noch ein dinglicher Anspruch auf Herausgabe der Sache erhalten. Diese Entscheidung entspricht der, die wir bei dem ganz ähnlichen Fall der Abtretung von Ersatzansprüchen nach § 255 BGB. geben mußten (I, 213ff.). —Abgesehen von dieser Einschränkung sprechen für die herrschende Ansicht wesenthche Gründe der Zweckmäßigkeit. Für jemand, der eine fremde Sache besitzt, kann eine starke Verlockung zu ihrer Veräußerung daraus erwachsen, daß ihm ein hoher Preis dafür geboten wird. Wenn er diesen behalten darf, wird er nicht selten — trotz der Gefahr der Bestrafung — diesen Weg des Unrechts gehen. Wenn ihm aber der Gewinn doch nicht verbleibt, wird er davor um so gewisser zurückschrecken. Jedenfalls erscheint es recht unbilhg, wenn er trotz seiner Unterschlagung den Gewinn behält. Nun ist es freilich wohl möglich, auch auf dem Wege über § 281 BGB. dem Eigentümer zu demselben Erfolg zu verhelfen : aber das ist immerhin recht unsicher, weil sich diese Vorschrift zunächst nur auf ein Schuldverhältnis, das unmöghch geworden, bezieht. Man hat auch versucht, den Anspruch auf andere Weise zu begründen: der Veräußerer habe durch Weggabe des Besitzes eine Verfügung getroffen, die deshalb wirksam 157 168

H a y m a n n , a. a. O. 294. D ö l l e a. a. O. 33; L e h m a n n a. a. O. A n m . 3.

Grundlose Verschiebung.

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sei, weil der gegen ihn gerichtete Herausgabeanspruch dadurch erloschen sei. Aber in der bloßen Fortgabe des Besitzes kann man noch nicht einen Rechtsakt, eine Verfügung erblicken: sonst müßte sie ja Geschäfts- und Verfügungsfähigkeit erfordern. § 270. Der Anspruch des ursprünglichen Eigentümers richtet sich nur gegen den, der verfügt hat. Gegen den Erwerber kann er nicht vorgehen, weil dessen Erwerb ja ein gerechtfertigter ist (oben S. 470). Dann aber entscheidet das Gesetz anders, wenn der Erwerb unentgeltlich geschah: hier ist er verpfhchtet, das Erlangte dem frühern Eigentümer herauszugeben (§ 816 1 2 ) . Es geht mit Recht davon aus, daß die Rechte des Beschenkten hinter denen des Eigentümers zurücktreten müssen; das ist um so notwendiger, als dieser hier ja nichts von dem Verfüger fordern kann. Ein solcher unentgeltlicher Erwerber erlangt freilich auf Grund des Vertrauenschutzes Eigentum, da dieser Schutz auch ihm zugute kommt. Aber sein dingliches Recht hilft ihm nicht endgültig: schließlich muß er dennoch die Sache an den ursprünghchen Eigentümer herausgeben. Ähnhch ist es, wenn ein Nichtberechtigter den Anspruch eines anderen einzieht und das diesem gegenüber wirksam ist: z . B . der frühere Gläubiger zieht die Leistung von dem Schuldner ein, der auf Grund seines guten Glaubens noch an ihn zahlen darf (§ 407 BGB.). Auch darin ist eine Verfügung zu sehen, und es würde sich daher ein Ausgleichsanspruch schon aus § 816 I ergeben. Indessen behandelt das Gesetz diesen Fall noch besonders in § 816 I I . Andere ähnhche Fähe bilden die Zahlung an einen neuen Gläubiger, der auf Grund einer Anzeige oder Urkunde als berechtigt erscheint, ohne es zu sein (§ 409), die Zahlung an den Inhaber eines Inhaber- oder Ausweispapieres (§§ 793ff.), die Zahlung auf Grund eines unrichtigen Erbscheines (§ 2367). — § 270. Wir haben jetzt die Fähe der Leistungs- und der sonstigen Rechtsverschiebung behandelt. Damit sind alle Fälle der Ausgleichsansprüche erschöpft. Anders urteilt freilich die allgemeine Lehre, die außerdem auch nach dem Fah der Z w e c k s e t z u n g 1 6 9 dazu rechnet. Nach § 812 I 2 ist eine Verpfhchtung zur Herausgabe auch dann begründet, wenn „der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt". Es wird hier eine Leistung in einem gewissen Grade von der Er159

L o c h e r , ZivArch. 121, I f f . u n d Genannte.

Zwecksetzung.

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reichung eines Erfolgs abhängig gemacht, z. B. eine Schenkung unter Verlobten von der erwarteten Ehe, oder von der Fortdauer eines Zustandes, z. B. eine Schenkung unter Ehegatten von dem Fortbestehen der Ehe. Dies wird nun allgemein so aufgefaßt, daß auch hierin ein Ausgleichsanspruch wegen mangelnden Grundes hege. Aber es soll gezeigt werden, daß beides nicht zutrifft. Nach der herrschenden Lehre beruht auch dieser Anspruch darauf, daß es dem Geschäft an der Grundlage, der causa, fehle 160 . Zum Teil wird ausdrücklich betont, daß ein Mangel i n seiner ausreichenden Rechtfertigung vorliege 161 . Aber gerade das muß entschieden bestritten werden. Bei diesem Grund des Geschäfts könnte man zunächst an den Rechtsgrund denken. Aber der ist ganz sicher nicht gemeint. Denn wenn dieser mangelt, ist ja schon der erste und grundlegende Ausgleichsanspruch gegeben. Das Gesetz (§ 812) gewährt diesen an erster Stehe da, wo der „rechtliche Grund" fehlt — und fährt erst danach fort, daß diese Verpflichtung „auch dann" besteht, wenn der bezweckte Erfolg nicht eintritt. Es ist daher unbestreitbar und auch wohl unbestritten, daß bei dem zweiten Anspruch, aus Zwecksetzung, nicht der eigentliche Rechtsgrund gemeint ist. Tatsächhch ist letzterer ja auch i n den Fähen, die man hier anzuführen pflegt, fast immer vorhanden. Wenn eine Schenkung im Hinblick auf eine erwartete Ehe gemacht wird, so ist der Rechtsgrund, die Schenkung, vollkommen gültig. Trotzdem dies allgemein anerkannt wird, dürfte es doch zur vollen Klärung nötig sein, nochmals mit Schärfe zu betonen, worin sich der Rechtsgrund von dem nur durch Zwecksetzung eingeführten Erfolg unterscheidet. Gerade daß man dies bisher versäumt hat, hat die hier allgemein herrschende Unklarheit verursacht. Ein Rechtsgrund kommt nur bei solchen Akten vor, die wirtschaftlich noch unvollständig, der Erklärung bedürftig sind, wie z . B . eine Übereignung: sie werden durch den Rechtsgrund erst wirtschaftlich bestimmt und dadurch vervollständigt (I, 385ff.). Die Zwecksetzung dagegen bringt einem Umstand, der außerhalb des Geschäfts liegt, erst hinein. Die Unterschiede zwischen Rechtsgrund und Erfolgszweck sind mannigfaltig. Eigentlicher Rechtsgründe gibt es nur drei : Schuldtilgung, Rechtserwerb 180 161

Z. B . E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 219. L o c h e r a . a . O. 35ff.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

33

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Grundlose Verschiebung.

und Schenkung (I, 387) — während alle beliebigen Erfolge als Zweck gesetzt werden können. Wenn die herrschende Lehre auch für den Rechtsgrund unzählig viele Möglichkeiten annimmt, so beruht das auch wieder auf einer Verwechslung zwischen beiden Begriffen. Ferner wird der Rechtsgrund durch eine einseitige Bestimmung des Leistenden gesetzt, wie besonders für die Schuldtilgung nachgewiesen wurde (I, 587ff.). Dagegen kann die Zwecksetzung nur durch Vertrag erfolgen; eine einseitige Bestimmung würde nur in den seltenen Fähen genügen, wo das Schuldverhältnis selbst durch einseitige Erklärung begründet wird. Endlich kann die Bestimmung des Rechtsgrundes formlos geschehen. Dagegen bedarf der Vertrag, der einen Zweck setzt, der Form, die für das Hauptgeschäft bestimmt ist. Durch ahe diese Sätze soll nochmals besonders klargesteht werden, daß der „bezweckte Erfolg" von dem eigenthchen Rechtsgrund scharf unterschieden werden muß. § 271. Es wäre also nur etwa zu denken, daß in einem anderen Sinne hier von einem Mangel des Grundes zu sprechen wäre. Aber diese allgemein verbreitete Annahme wird durch nichts gerechtfertigt. Sie glaubt sich auf das Gesetz zu stützen. Aber in diesem steht das Gegenteil. Es gewährt zunächst den Anspruch auf Herausgabe für den Fah, daß jemand „etwas ohne rechthchen Grund erlangt" (§ 812): „diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn . . . der mit einer Leistung nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt". Hier ist ganz deutlich gesagt, daß das zweite ein anderer Fah ist, also nicht auf dem Mangel eines rechthchen Grundes beruht. Freilich wird dies etwas dadurch verdunkelt, daß das Gesetz dazwischen noch den Fah einschiebt, wo „der rechthche Grund später wegfällt" und diesen Fall mit dem der Zwecksetzung in einem Satze verbindet. Aber daraus ist noch nicht etwa zu folgern, daß der letztere Fah auch auf einem Mangel des Grundes beruhe. Es läßt sich vielmehr einfach so erklären, daß das Gesetz den Hauptfall zunächst dargesteht und dann zwei minder wichtige Fähe in einem Satze angefügt hat. Auch in den übrigen Bestimmungen, die das Gesetz über die Zwecksetzung enthält (§§ 815, 820), ist in keiner Weise angedeutet, daß dieser Anspruch auf dem Mangel eines Grundes beruhe. — Wenn die Ausdrucks weise des Gesetzes also nicht für die herrschende Lehre spricht, so wird man geltend machen, daß diese Deutung doch den Verfassern des Gesetzes vorgeschwebt

Zwecksetzng.

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hat. Aber es muß entschieden bestritten werden, daß deren Anschauungen für uns bindend seien. Ist schon der innere Wiho des Gesetzgebers nach richtiger Ansicht nicht maßgebhch, so um so weniger der Wille der Männer, die ihn nur beraten haben. Ganz besonders muß das für ihre wissenschafthchen Vorstehungen gelten. Sonst wäre die Wissenschaft überhaupt an jedem Fortschritt verhindert. Die herrschende Lehre, die aus der gemeinrechtlichen übernommen ist, beruht in erster Linie auf der Vorstellung, daß auch die Römer diese Fähe auf den Mangel der causa gestützt hätten. Aber das ist ein großer Irrtum. Vielmehr unterscheiden die Römer scharf unseren Fah von einem dare ob causam. Denn sie lehren: „aut ob rem datur aut ob causam" 1 6 2 — und rechnen unseren Fah, wie schon der Anfang des Titels (dig. 12, 4) und viele andere Stehen klarlegen, gerade zu dem dare ob rem. Auf den Mangel eines Grundes wird er von ihnen nicht zurückgeführt. Denn in der Wendung „sub ca causa ut redderetur" 163 bedeutet causa offenbar eine Abrede, nicht einen Grund. Nur vergleichsweise wird gesagt ,jveluti causa non secuta" 1 6 4 , ,iquasi causa non secuta" 1 6 5 . Gerade diese abschwächenden Zusätze zeigen sehr deuthch, daß ein wirklicher Mangel der causa nicht angenommen wird. Dagegen kann man sich nur auf die Überschriften der T i t e l 1 6 6 berufen: aber sie rühren, wie schon die sprachlich unmögliche Wendung causa data causa non secuta beweist, nicht von den klassischen Juristen, sondern von den Kompilatoren her. § 272. Nach der herrschenden Lehre soll der eigentliche Grund des Geschäfts mangelhaft sein. Aber wie will man diesen Grund bestimmen und abgrenzen ? Unmöghch kann man jedem Beweggrunde einer Partei eine solche Bedeutung beimessen. A m weitesten ging darin Windscheids Lehre von der Voraussetzung, die „die erste Absicht" der Parteien für maßgebhch erklärte 167 . Sicherhch ist dabei nur die Erwartung solcher Umstände gemeint, die wenigstens nach dem Willen einer Partei als unentbehrliche Voraussetzung angesehen wurden. Auch das ist wohl nicht zu bezweifeln, 162

dig. 12, 5 1. 1. " s dig. h. t . 12, 4 1. 15. 184 eodem 1. 2. 164 eodem 1. 6. 166 dig. 12, 4; cod. 4, 6. 167 W i n d s c h e i d , Die Lehre v o n der Voraussetzimg; Pandekten §§ 99ff. 33 *

Grundlose Verschiebung.

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daß die innere Absicht einer Partei nicht genügen kann: sie muß mindestens dem Gegner erkennbar gewesen sein, wie es auch Windscheid selbst, wenigstens für Verkehrsgeschäfte, verlangte. Aber auch das kann noch nicht als ausreichend angesehen werden. Auch wenn der Käufer die Sache ersichtlich nur für einen ganz bestimmten Erfolg braucht, z. B. für die Aussteuer seiner Tochter, so ist das ohne Bedeutung. Es reicht ja nicht einmal aus, wenn er diesen Zweck ausdrücklich angegeben und keinen Zweifel darüber gelassen hat, daß dies für ihn der ahein treibende Beweggrund w a r 1 6 8 . Denn daß der Umstand für die eine Partei bestimmend ist, daraus folgt noch nicht, daß auch der Gegner ihn als maßgebend anerkannt hat. Der Verkäufer wird meist höflich zuhören, wenn ihm der Käufer seine Zwecke mitteilt: aber er wird sofort die Ohren spitzen, wenn das Geschäft davon abhängig gemacht werden soll, und sich dem so leicht nicht unterwerfen. Nur wenn er dies tut, ist die Verbindung geschaffen, die dem Umstand Bedeutung für das Geschäft verleiht. Es muß ,,das Rechtsverhältnis in eine Abhängigkeit von den Umständen gesetzt werden sein' ' 1 6 9 ; sonst sind diese nicht beachthch. Daß ein solcher Irrtum über diese Beweggründe nicht zur Anfechtung berechtigt, ist bekannt. Aber er kann auch nicht einen Ausgleichsanspruch wegen Zwecksetzung herbeiführen. Sonst wäre die eben genannte Regel über die Motive ja ganz gegenstandslos, da es eben doch zu einer Umstoßung des Geschäfts käme. Außerdem wird im Gesetz (§ 812) ausdrücklich erfordert: der Erfolg muß „nach den Inhalte des Rechtsgeschäfts", bei einem Vertrage also nach den Erklärungen beider Parteien, als Zweck gesetzt sein. Allerdings kann, wie jede Abmachung, auch diese stillschweigend geschlossen werden. Wenn nun die eine Partei ihre Absicht als unentbehrhche Grundlage des Geschäfts hinsteht und die andere dazu schweigt, so kann sich daraus unter Umständen eine stillschweigende Zustimmung ergeben 170 . Und selbst ohne eine solche Äußerung kann sich aus dem ganzen Geschäftsinhalt ohne weiteres ergeben, daß es unter gewissen Voraussetzungen wieder aufgehoben werden soll. Und gerade diese Fähe, wo die Aufhebungsabrede nur stillschweigend geschlossen ist, werden bei der Zwecksetzung gemeint (S. 518, 525). Aber immer muß eine Ver168 169 170

L o c h e r a. a. O. 67ff.; ferner I , 416. R G . 66, 132. R G , GruchBeitr. 55, 956ff.; LeipzZ. 1912, 388; L o c h e r a. a. O. 67ff.

Zwecksetzng.

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einbarung festgestellt werden, wodurch der Bestand des Geschäfts von dem Umstand abhängig gemacht wird. Diese Unabhängigkeit des Rechtsgeschäfts von seinen Zwecken war bis zum Weltkriege allgemein anerkannt 1 7 1 und kaum bezweifelt. Man lehnte überall die Lehre Windscheids von der Voraussetzung ab und lehrte, daß ein Beweggrund, der nicht zur Bedingung erhoben sei, keinen Einfluß auf das Geschäft habe, daß vielmehr ein jeder die Folgen seiner irrigen Annahmen tragen müsse. Leider ist diese feste Stellungnahme durch die Erschütterungen der Kriegs- und Inflationszeit ins Wanken geraten. Hierher gehören besonders die nachher (§ 274) zu besprechenden Lehren von der Geschäftsgrundlage 172, vom Geschäftszweck 173 und der virtuellen Voraussetzung 174 . Um so mehr müssen wir betonen, daß die herrschende Lehre im allgemeinen und besonders auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem dargestellten richtigen Standpunkt verharrt — wobei wir die Entscheidungen über die Geldentwertung im wesenthchen beiseite lassen wollen. Das Reichsgericht hält durchaus daran fest, daß ,,das Rechtsverhältnis in eine Abhängigkeit von den Umständen gesetzt" sein m u ß 1 7 5 ; es muß eine Einigung dahin erfolgen, daß die Zwecksetzung das Bestehen des Vertrags bedingen soll 1 7 6 . Es lehnt daher den Ausgleichsanspruch in zahlreichen Fähen ab, wo ein Umstand zwar für die eine Partei bestimmend war, aber der Gegner sich dem nicht unterworfen hatte. Der. Irrtum des einen bezog sich auf die Höhe der Steuer 177 , die Kaufkraft der Mark 1 7 8 , den Rang der bestellten Hypothek 1 7 9 , die Höhe des Konkursausfalls, für den gebürgt wurde 1 8 0 , die Verpflichtung des Konkursverwalters, einen von ihm geltend gemach171

L e n e l , Z i v A r c h . 79, 51 ff. u n d die allgemeine Lehre. O e r t m a n n , Die Geschäftsgrundlage. 178 L o c h e r , ZivArch. 121, I f f . 17 « K r ü c k m a n n , ZivArch. 128, 157ff. 131, I f f . ; J W . 1927, 2404 u n d öfters. 175 R G . 66, 132. 176 R G . LeipzZ. 1926, 747; ebenso W a r n e y e r 1917 N r . 112; J W . 1908, 657; GruchBeitr. 66, 325. 177 R G . 21, 178ff. 178 R G . 111, 257. 179 R G . 89, 29; dagegen v . T u h r , LeipzZ. 1918, 133; K r ü c k m a n n , ZivArch. 128, 198. 180 R G . 85, 322; dagegen v . T u h r a. a. O. 127; S t a m p e J W . 1921, 827; K r ü c k m a n n a. a. O. 196. 172

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ten Vertrag voll zu erfüllen 181 — sicherlich alles Umstände, die für diese eine Partei ausschlaggebend waren. Ein Grundstück war verkauft worden mit dem Plan, daß der Käufer mit dem Ehemann der Verkäuferin ein Geschäft darin errichten sollte. Das Reichsgericht erklärt diese Erwartung nur dann für erhebhch, wenn ersichtlich war, daß diese Zwecksetzung den Vertrag bedingen sollte 1 8 2 . Damit steht es nicht in Widerspruch, wenn es den Anspruch in einem Fähe zubilligt, wo eine Braut nach Auflösung der Verlobung von ihrem Bräutigam das Haus zurückfordert, das sie ihm für ihre Ehe überlassen h a t t e 1 8 3 : denn hier ist es eben klar ersichtlich, daß dies durch die Heirat bedingt war 1 8 3 . Auch wenn ein Vater eine Summe zur Deckung einer von seinem Sohn begangenen Unterschlagung zahlt, damit diese nicht verfolgt werde, ist letzteres als bedingend anzusehen: indem die Behörde das Geld unter dieser Zweckangabe annahm, hat sie sich dem unterworfen 184 . Und so werden auch die bekannten Fähe, wo ein Fenster für einen Festzug vermietet ist und dieser dann ausfällt, und wo ein Ferienaufenthalt in den Vogesen im August 1914 ausgemacht war, zu behandeln sein. — Alle diese Entscheidungen beruhen auf dem richtigen Grundgedanken, daß die Erwartung einer Partei, mag sie noch so bedeutsam für sie sein, dem Gegner gegenüber nur geltend gemacht werden kann, wenn sie auch von ihm als maßgebhch anerkannt worden ist oder sich ohne weiteres aus dem Sinne des Geschäfts ergibt. I m Interesse der Rechtssicherheit ist dies dringend geboten. Der abseitig anerkannte Satz, daß der Irrtum im Beweggrunde nicht zur Anfechtung berechtigt, hätte ja gar keinen Sinn, wenn auf dem Wege der Ausgleichsanspruchs ungefähr dasselbe erreicht werden könnte. § 273. Hiernach ist für die Erhebhchkeit des Beweggrundes zu erfordern, daß die eine Partei ihn als wesenthch hingesteht und die andere dem zugestimmt hat. Das aber bedeutet nichts anderes als eine Vereinbarung darüber, daß die Wirkung des Geschäfts von dem Umstände abhängen sohe. Und so gelangen wir mit Notwendigkeit zu dem überraschend einfachen Ergebnis, 181 182 183

R G . 98, 138 u n d Genannte; dazu v . T u h r a. a. O. 120. R G . LeipzZ. 1926, 747. R G . LeipzZ. 1925, 712; zu Unrecht anders K r ü c k m a n n a. a. O.

178 ff. 184

H i e r unzutreffend R G . LeipzZ. 1923, 130.

Zwecksetzng.

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daß es sich um gar nichts anderes handelt als — die stillschweigende Setzung einer B e d i n g u n g . Dagegen wird man zwar einwenden, daß eben nicht eine solche, sondern eine andere Rechtsform, die Zwecksetzung vorliege. Gerade das Bestreben, jene von dieser abzuscheiden, hat die herrschende Auffassung hervorgerufen. Aber der Unterschied zwischen beiden hegt nicht in der Abrede über die Abhängigkeit — diese ist bei beiden gegeben. Sondern nur darin, wie stark diese Abhängigkeit auf den Bestand des Geschäfts einwirkt. Wenn die Bedingung ausfällt, wird das ganze Geschäft unwirksam (§ 158 BGB.). Bei der Zwecksetzung dagegen bleibt die dingliche Wirkung des Leistungsgeschäfts bestehen und es wird nur ein schuldrechthcher Ausgleichsanspruch gegeben. Dieser einfache Gegensatz ist bisher allgemein verkannt worden — obwohl ihn das Reichsgericht einmal richtig und klar ausgesprochen h a t 1 8 5 : das Rechtsverhältnis muß von der Tatsache i n Abhängigkeit gesetzt sein, ,,sei es in Gestalt einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung, sei es durch Festsetzung bloß obhgatorischer Rechtsfolgen". Die Zwecksetzung enthält also nichts anderes als eine auf schuldrechthche Folgen beschränkte, eine schuldrechthche Bedingung. Allerdings ist bei dieser Lehre vorausgesetzt, daß eine Zwecksetzung nur bei einer Leistung, aber nicht bei einer schuldrechtlichen Verpflichtung vorkommen könne: denn bei einer solchen kann ja diese Unterscheidung von der Bedingung nicht gemacht werden. Aber das ist auch entschieden zu behaupten 186 . Das Gesetz beschränkt den Anspruch aus Zwecksetzung durchaus auf Leistungen (§§ 812 I 2, 815, 820). Es fügt noch ausdrücklich hinzu, daß nur die durch Vertrag erfolgte, also abstrakte Anerkennung eines Schuldverhältnisses als Leistung gelte — wodurch die Anwendung auf gewöhnhche kausale Schuldverträge entschieden ausgeschlossen wird. Auch in den römischen Quellen wird die condictio ob causam datorum nur auf Leistungen bezogen ; die Römer bezeichnen sie geradezu als datio ob rem (oben S. 515). Richtig ist, daß auch ein schuldrechthcher Vertrag stihschweigend von dem Eintritt eines Ereignisses abhängig gemacht werden kann: z. B. der Vater der Braut vermietet dem Bräutigam billig 186

R G . 66, 132. O e r t m a n n , Geschäftsgrundlage 19ff.; Recht 1920, lOff.; v . T u h r 2, 2, 54 u n d andere; auch L o c h e r 44; dagegen E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 219 A n m . 4; R G R K . 10 zu § 812. 18e

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eine Wohnung im Hinblick auf die künftige Ehe. Aber darin ist eben nicht eine bloße Zwecksetzung zu sehen 187 , sondern die stillschweigende Setzung einer gewöhnhchen Bedingung. Aus diesen Gründen ist es auch nicht möglich, auf dem Wege über die Zwecksetzung die Geschäftsgrundlage bei Schuldverträgen zu berücksichtigen 188 . — Auch aus einem anderen Gesichtspunkte könnte man die Gleichstehung mit einer Bedingung bemängeln: weil nämhch das maßgebende Ereignis nicht in der Zukunft zu liegen braucht, sondern auch der Vergangenheit oder Gegenwart angehören kann. Aber es wurde schon früher dargelegt, daß dies keinen wesenthchen Unterschied ausmacht, und daß es deshalb richtiger erscheint, auch solche Fähe mit unter den Begriff der Bedingung einzubeziehen (oben S. 340ff.). § 274. Nach dem bisherigen ist es eine besondere Nebenabrede, was die Berücksichtigung der Zwecksetzung rechtfertigt : also nicht der Mangel des Grundes. Wenn die herrschende Lehre letzteres annimmt, so wird sie dadurch auf den gefährlichen Weg gedrängt, die bloßen Beweggründe als Grund des Geschäfts und damit als maßgebhch zu betrachten. Wir sahen, daß sie im allgemeinen dieser Versuchung widerstanden hat. Aber dann ist es ihr auch nicht mehr möghch, den Anspruch auf den Mangel des „Grundes" zurückzuführen. Sie muß dann offen eingestehen, daß es nicht dieser, sondern eine Abrede der Parteien ist, was den Anspruch rechtfertigt. Viel bedenklicher ist, daß in der Tat manche Schriftsteller aus den zugrunde hegenden Erwartungen einer Partei einen Ausgleichsanspruch abgeleitet haben. Dahin gehörte vor allem die Lehre von der Voraussetzung 189 — worunter jede Annahme verstanden wird, ohne die der Erklärende nicht gehandelt haben würde. Diese Lehre ist schon früher mehrmals widerlegt worden 190 und wird heute so nicht mehr vertreten. Aber einen Zusammenhang mit ihr hat die Ansicht, daß die Verfehlung des „ Geschäftszwecks" genüge, um den Ausgleichsanspruch zu begründen 191 . Hier kommt alles darauf an, wie man diesen Geschäftszweck ermittelt. Wenn man sich auf diejenigen Punkte beschränkt, 187

W i e R G R K . 10 zu § 812. W i e L o c h e r a. a. O. 50ff. 71 ff. lee W i n d s c h e i d , Lehre v o n der Voraussetzung.

188

190

Besonders v o n L e n e l , ZivArch. 79, 49ff. i * 1 L o c h e r , ZivArch. 121, 49.

Zwecksetzng.

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die als wesentliche Vorbedingungen von beiden Parteien anerkannt sind, so stimmt es mit der richtigen, im wesenthchen vorherrschenden Meinung überein. Aber dann bedarf es eben auch nicht mehr eines besonderen Anspruchs, da dann schon eine stillschweigende Vereinbarung einer schuldrechthchen Bedingung vorhegt. Enger schheßt sich an die alte Voraussetzungslehre eine Ansicht an, die zwischen „aktueller" und „virtueller" Voraussetzung unterscheiden w i l l 1 9 2 . Unter der ersten wird das verstanden, was die Partei tatsächhch vorausgesetzt hat, unter der andern: „die Partei würde nicht gewollt haben, wenn sie alles gewußt h ä t t e " 1 9 3 . Diese Unterscheidung ist möglich, aber sie führt nicht weiter. Denn wenn die vorher geschilderte Unterwerfung beider Parteien stattgefunden, so ist die Voraussetzung in beiden Fähen erhebhch, sonst aber in keinem von ihnen. Zwar soll die virtuelle Voraussetzung überall dann einen Anspruch erzeugen, wenn das Gebundensein dem Erklärenden nicht zumutbar i s t 1 9 4 . Aber wann ist das der Fah? die Antwort: was die erklärende Partei „zu tragen die nächste i s t " 1 9 5 , ist nichtssagend; die andere, die solche Umstände, die anzuzeigen sind, ausscheidet, soll doch wohl nicht besagen, daß alle anderen erhebhch seien. So bleibt schließlich alles auf ein allgemeines Bihigkeitsurteil abgesteht. Und daraus erwächst die dringende Gefahr, daß die Sicherheit des Rechtsverkehrs aufgelöst werde. Sie zeigt sich besonders deuthch darin, daß nach dieser Lehre fast alle Zweifelsfähe anders entschieden werden, als vom Reichsgericht und der allgemeinen Meinung. I n allen den vorher angeführten Fähen, wo die Voraussetzung mangels einer Abhängigkeit mit Recht für unerheblich erklärt wurde 1 9 6 , soll nach ihr der Ausgleichsanspruch zugelassen werden. Die Folge davon müßte also eine starke Erschütterung der Vertragstreue und Rechtssicherheit sein. — Schließlich wird diese Lehre noch deshalb als notwendig bezeichnet, um außer der Zwecksetzung auch die Lehre vom Irrtum im Beweggrunde, der Kalkulation und den wesenthchen Eigenschaften zusammenzufassen 197. 192

K r ü c k m a n n , Z i v A r c h . 128, 157ff. 131, I f f . ; J W . 1927, 2404. 2459. 2844. 1928, 605. 1929, 738; LeipzZ. 1927, 763ff. 1928, 145ff. 929ff. 198 K r ü c k m a n n , Z i v A r c h . 128, 176. 194 ZivArch. 131, 11. 277. 196 Daselbst 277. 196 R G . 21,178ff. 85, 322. 89, 29. 98, 138.111, 257; LeipzZ. 1926, 747 usw. 197 K r ü c k m a n n , Z i v A r c h . 131, 278.

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Aber von diesen drei Irrtumsfällen ist überhaupt nur der letzte erhebhch, und dieser ist gar nicht von der Zumutbarkeit abhängig und von der Zwecksetzung sehr verschieden : er setzt keine Vertrags bestimmung voraus und er führt nicht zur Ausgleichung, sondern zur Anfechtung. § 275. Hiernach kann es nicht der Mangel des Grundes sein, was die Berücksichtigung der Zwecksetzung rechtfertigt. Dagegen spricht aber endhch auch noch folgendes. Wenn die Zwecksetzung bei jedem Mangel des Geschäftsgrundes eingriffe, so müßte sie es doch in erster Linie dann, wenn der wichtigste Grund des Geschäfts, nämlich der eigenthche Rechtsgrund fehlte. Wenn Geld zur Begründung eines Darlehens oder zwecks Schenkung gezahlt wird, so sind das doch sicherhch ganz wesentliche Zwecke der Leistung: es müßte also bei deren Ausfall ein Anspruch aus Zwecksetzung erwachsen. Vor allem aber müßte er aus jeder Zahlung einer Nichtschuld entstehen. Denn es läßt sich doch gar nicht bestreiten, daß der eigenthche Zweck dieser Leistung verfehlt ist, wenn die Schuld nicht besteht. Vergebhch hat die herrschende Lehre versucht, zwischen diesem Fah und dem der Zwecksetzung einen Unterschied herauszufinden. Man hat ihn darin gesucht, daß die condictio ob causam sich nicht auf die typischen, normalen Zwecke, sondern nur auf besondere Zwecksetzungen beziehe 198 . Aber diese Unterscheidung ist nicht nur wülkürhch, sondern schon deshalb unmöghch, weil sich beides gar nicht von einander abgrenzen läßt 1 9 9 . Man hat ferner diesen Anspruch nur auf die Setzung künftiger Zwecke bezogen, die condictio indebiti dagegen auf den gegenwärtigen Erfolg 2 0 0 . Aber letztere ist auch dann gegeben, wenn die Zahlung für eine künftig entstehende Schuld geleistet wird, die nachher nicht entsteht: wie die Vorauszahlung von Miete für eine künftige Zeit, für die dann der Gebrauch der Sache nicht gewährt wird. Auch die Römer geben hier die condictio indebiti 2 0 1 und nicht etwa die condictio ob causam 202 . Und sie greift auch dann ein, wenn der Rechtsgrund zur Zeit der Zahlung vorhanden ist, aber nachher fortfällt. Die condictio causa finita, die hier in den Pandektenbüchern 198

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 221 u n d andere. L o c h e r a. a. O. 200 So E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 219. 201 dig. 19, 2 1. 9 § 4 (ut indebitas) 1. 19 § 6 (quai indebitum). 202 w i e W i n d s c h e i d § 427 a n n i m m t . 199

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Zwecksetzng. 203

angenommen wird, findet keinen Beleg in den Quellen . Auch das BGB. rechnet den letzteren Fah ganz sicher nicht zu dem der Zwecksetzung. Vielmehr unterscheidet es beide Fähe ausdrücklich von einander in § 812 I und nochmals sehr bestimmt i n § 820 I . — Hiernach ist es für die herrschende Meinung überhaupt nicht möglich, eine Unterscheidung zwischen der condictio indebiti und der condictio ob causam und den entsprechenden Klagen des heutigen Rechts zu finden. Das widerspricht aber durchaus dem Gesetze, das den Anspruch wegen Mangels des Rechtsgrundes als den grundlegenden hinsteht und den aus Erfüllung einer Nichtschuld (§§ 813, 814) als eine Unterart davon. Diese Rechtslage wird durch die ganze Geschichte der römischen und gemeinrechtlichen Wissenschaft aufs entschiedenste bestätigt. Die Römer scheiden sehr scharf zwischen der condictio indebiti und der condictio ob causam: sie prüfen eingehend, welcher von beiden Ansprüchen vorliege 204 . Richtig ist, daß sie bei den namenlosen Verträgen, bei denen der Formmangel durch die Leistung geheilt wird, die letztere Klage verwenden. Aber das erklärt sich daraus, daß es nach ihrem Rechte hier an einer causa civilis fehlte und sie deshalb nicht eine Zahlung zwecks Schuldtilgung annehmen konnten, sondern genötigt waren, den Anspruch aus der Hingabe, der res abzuleiten. Demgegenüber erscheint es unmöghch, den Anspruch aus Zahlung einer Nichtschuld mit dem aus Zwecksetzung zu vermischen. Aber noch mehr : die herrschende Lehre muß noch weiter gehen und den letzteren Anspruch als den allgemeinen und den ersten nur als einen Sonderfall davon ansprechen. Denn wenn man eben jeden Grund des Geschäfts als Zwecksetzung berücksichtigen will, so muß darunter sicherlich auch der Zweck der Schuldtilgung einen dieser Zwecke bilden. I n der Tat wird diese Folgerung vereinzelt gezogen 205. Aber sie steht im schärfsten Widerspruch zu der ganzen Geschichte der beiden Ansprüche und dem Gesetz. Er ist um so schärfer, als dieser Satz nicht nur für die condictio indebiti, sondern überhaupt für jeden Anspruch aus mangelndem Rechtsgrunde gelten müßte. Man braucht aber nur den § 812 anzusehen, um zu erkennen, daß die letzteren Ansprüche die eigenthch grundlegenden sind: „wer . . . etwas ohne rechthchen Grund erlangt, ist zur Heraus203 204 205

Insbesondere n i c h t i n dig. 12, 7 1. 1 § 2. Insbesondere dig. 12, 4 1. 14. L o c h e r a. a. O. 58ff.

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gäbe verpflichtet. Die gleiche Verpfhchtung besteht auch dann, wenn der . . . bezweckte Erfolg nicht eintritt". Unmöghch kann man die letztere Vorschrift, die durch ein „auch" angeschlossen wird, als die allgemeine und die erste als einen ihrer Anwendungsfähe betrachten. § 276. Das Ergebnis der letzten Abschnitte ist, daß der Anspruch aus Zwecksetzung nicht auf einem Mangel des Grundes beruht. Diese Erkenntnis scheint mir besonders deshalb sehr bedeutsam, weil es erst auf Grund ihrer möghch ist, den Begriff des „rechthchen Grundes" in § 812 BGB. genau zu bestimmen. Wir fanden ihn bei der Leistung in dem eigenthchen Rechtsgrund, bei der gesetzhchen Verschiebung in einem nebenhergehenden Schuldverhältnis (S. 477ff.). Dagegen läßt sich der Begriff nicht auf den Ausfall eines gesetzten Erfolges ausdehnen. Wenn man auch dies als Grund bezeichnen will, so gelangt man nicht nur zu einer sehr gefährlichen Berücksichtigung der bloßen Beweggründe: sondern zu einer vohen Verwässerung des Begriffs „Grund des Geschäfts". Nun wenn man den Fah der Zwecksetzung ganz ausscheidet — bei der Frage der Grundlosigkeit und danach überhaupt aus der ganzen Lehre von den Ausgleichsansprüchen —, kann man zu einer klaren und genauen Regel gelangen. W i l l man ihn mit einbeziehen, so wird der Begriff des mangelnden Grundes immer unscharf und schillernd bleiben. Und das ist nicht nur für die Lehre, sondern auch für die Anwendung überaus gefährlich. Wie bei der Zwecksetzung kein Mangel des Grundes vorhegt, so überhaupt kein Mangel des Geschäfts und seiner Wirkung: sie t r i t t vollkommen ein. Es ist nur eine Nebenklausel vorhanden, aus der eine zweite, neue Wirkung auf seine Aufhebung entspringt. Als Mangel der Hauptwirkung kann man das so wenig bezeichnen als die Beendigung durch eine ausdrückliche Bedingung, Befristung oder Rücktritt. Daraus ergibt sich aber auch die Richtigkeit unser zweiten Behauptung, daß der Anspruch k e i n A u s g l e i c h s a n s p r u c h ist. Denn das Wesen dieser Ansprüche besteht eben darin, daß ein Mangel, der einem rechthchen Erfolge anhaftet, wieder gut gemacht werden soll (oben S. 453). Dafür spricht auch eine andere Betrachtung, die hiermit eng zusammenhängt. Die Ausgleichsansprüche enthalten eine Ausgleichung kraft Gesetzes. Der Anspruch aus Zwecksetzung dagegen beruht auf einem V e r t r a g e . Bei einer Leistung wird

Zwecksetzling.

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ausgemacht, daß der Vertrag unter gewissen Voraussetzungen wieder aufgehoben werden soh. Oben ist dargelegt, daß der Anspruch auf einem solchen Nebenvertrage beruht. Ein Ausgleichsanspruch kann er daher ebenso wenig sein wie der, wodurch sonst die Folgen einer Endbedingung geltend gemacht werden. Den Unterschied zwischen beiden Klauseln fanden wir lediglich darin, daß die Bedingung das dingliche Recht selbst am Entstehen hindert oder aufhebt, während die Zwecksetzung nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Aufhebung gibt. Dieser Unterschied ist aber für die Frage, ob die Aufhebung kraft Gesetzes erfolgt, ohne Belang. — Allerdings scheint noch ein weiterer Unterschied darin zu liegen, daß bei der Zwecksetzung die Aufhebungsklausel nicht ausdrücklich, sondern nur stillschweigend vereinbart ist. Aber dieser Unterschied ist — wie überhaupt der zwischen einer ausdrücklichen und stillschweigenden Erklärung — sachhch ganz belanglos. A schenkt seinem Neffen, der in seinem Geschäfte tätig ist, ein Auto für seine Geschäftsreisen und behält die schuldrechthche Rückforderung für den Fall seines Ausscheidens vor. A schenkt dem Bräutigam seiner Tochter ein Motorrad, vereinbart aber Rückgabe, falls das Verlöbnis zurückgeht. Wenn wir nun i n beiden Verträgen diese Klausel wegstreichen, so ist auch dann nicht minder ein Rückforderungsanspruch kraft Gesetzes gegeben. Denn eben aus der Zweckbestimmung des Geschenks ergibt sich in beiden Fällen, daß beim Wegfall des'Erfolgs die Leistung zurückgewährt werden muß. Einmal ist die Rückgabe ausdrücklich versprochen, beim anderen Mal ergibt sie sich stillschweigend aus der Zwecksetzung des Geschäfts. Es liegt darin also nichts anderes als ein s t i l l s c h w e i g e n d e r A u f l ö s u n g s v e r t r a g . Ein sachhcher Unterschied zwischen beiden Fällen besteht nicht. Es ist auch gar nicht möglich, eine scharfe Grenze zwischen ihnen zu ziehen. Denn in den genannten und allen ähnlichen Beispielen treffen beide Gründe zusammen. Das Geschenk an den Verlobten ist bei der Auflösung der Verlobung zurückzugeben, sowohl deshalb, weil es vereinbart ist, als auch weil es sich ohne weiteres aus seiner Zweckbestimmung ergibt. Man kann auch nicht etwa im Einzelfall dem einen rechthchen Gesichtspunkt deshalb den Vorrang geben, weil er dabei in erster Linie in Betracht komme. Denn wer will sagen, ob hier die ausdrückliche Abrede oder aber die Natur des Geschenks bedeutsamer sei ? Auch das macht keinen Unterschied, ob die Auflösung von dem

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Eintritt eines Ereignisses oder von der Fortdauer abhängig gemacht worden ist; denn beides kann ebensowohl bei der ausdrücklichen wie bei der stihschweigenden Vereinbarung vorkommen. Es ist also nicht möglich, den in der Zwecksetzung enthaltenen Auflösungsvertrag von einem ebensolchen ausdrücklichen zu unterscheiden. Ahes dies ist bisher allgemein verkannt worden. Es erklärt sich das wohl hauptsächhch daraus, daß die Römer einen solchen Auflösungsvertrag nicht angenommen haben. Aber sie konnten es nicht, aus dem einfachen Grunde, daß ein solcher formloser Vertrag nach ihrem Rechte nicht gültig war. So mußten sie den eigenartigen Umweg einschlagen, daß sie die Zwecksetzung als einen Teil des Leistungsgeschäfts, als ein dare ob causam bezeichneten und den Anspruch nicht als einen vertraghchen, sondern lediglich als eine condictio bestimmten. Auch bei den namenlosen Verträgen gründeten sie den Anspruch nicht auf die formlose Abrede, sondern auf die erfolgte Leistung (do ut des) : deshalb stützten sie auch den Rückgabeanspruch beim Ausbleiben der Gegenleistung nicht auf die Zahlung einer Nichtschuld (condictio indebiti), sondern auf die Leistung ohne Erfolg (condictio ob causam). Ähnhch verfuhren sie auch bei der Hingabe an Erfüllungsstatt, wo sie ebenfalls nicht das Mittel einer formlosen Abrede verwenden konnten und daher ebenfalls die Erfüllungsabrede in die Leistung verlegen mußten (I, 594). § 277. Hiernach ist der Anspruch aus Zwecksetzung durchaus von einem Ausgleichsanspruch verschieden. Eine Ähnhchkeit scheint sich nur daraus zu ergeben, daß beide auf den gleichen Inhalt gerichtet, nämhch auf die Bereicherung beschränkt sind. Aber das allein berechtigt uns nicht, einen Anspruch als Ausgleichsanspruch nach §§ 812ff. BGB. anzusehen. Wenn A dem Β vertragsmäßig verspricht, seinen Überschuß aus einem Unternehmen herauszugeben, so ist das deshalb noch nicht ein Ausgleichsanspruch. Ebenso sind die Ansprüche aus Geschäftsführung (§§ 682, 684), Unrechtshandlung (§ 852 I I ) und ähnhche, die nur auf die Bereicherung gehen, nicht etwa als Ausgleichsansprüche anzusehen. Außerdem trifft es gar nicht zu, daß der Rückforderungsanspruch aus Zwecksetzung ebenso wie der wirkliche Ausgleichsanspruch auf die Bereicherung beschränkt sei. Denn aus § 820 BGB. ergibt sich vielmehr, daß der Empfänger hier nach den

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Vorschriften über die Rechtshängigkeit, also über die Bereicherung hinaus haftet. Man kann dies auch nicht etwa daraus erklären, daß er hier den Mangel des Geschäfts kenne, also als bösgläubig behandelt werde. Denn wer nur weiß, daß der Erfolg wegfallen kann, ist deshalb noch nicht bösgläubig. Er wird auch vom Gesetz wesenthch günstiger behandelt als ein wirklich Bösgläubiger. Während dieser für Zinsen und alle gezogenen und zu ziehenden Nutzungen haftet (§ 819)3 braucht jener Zinsen erst von der Zeit, wo er den Wegfall des Erfolgs erfährt, zu leisten und Nutzungen nur insoweit, als er noch bereichert ist, herauszugeben (§ 820 I I ) . Somit ist dieser Anspruch auch in dieser Richtung von den Ausgleichsansprüchen gründlich verschieden. Er ist ein Rückgabeanspruch aus einem Nebenvertrage, am nächsten dem aus dem Rücktritt verwandt. Dagegen spricht auch nicht, daß die Verfasser des Gesetzes auch dies anders angesehen haben; denn ihre wissenschaftlichen Vorstehungen können, wie schon erwähnt, für uns nicht verbindhch sein. § 278. Gegen das Bisherige wird man endlich vieheicht einwenden, daß in den Fähen eines ausdrücklichen Aufhebungsvertrags ein vereinbartes Rücktrittsrecht vorhege und dies in §§ 346ff. BGB. ganz anders als der Bereicherungsanspruch geregelt sei. Aber ein solches Rücktrittsrecht ist nur dann gegeben, wenn beim Ausfall des Erfolges lediglich der einen Partei ein Aufhebungsrecht eingeräumt ist. Ist dagegen vereinbart, daß dann ohne weiters der Vertrag aufgelöst wird, so finden die Vorschriften darüber nicht Anwendung. Dieser Unterschied ist praktisch freilich nicht sehr bedeutsam; denn da eine Zwecksetzung regelmäßig nur im Interesse der einen Partei erfolgt, wird es meist auch von dieser abhängen, ob die Leistung zurückgefordert wird. Aber es bleibt deshalb doch die rechthche Form in beiden Fähen verschieden. Bei dem Aufhebungsvertrag wird die Rückforderung schon durch den Ausfall des Erfolgs selbst begründet, beim Rücktrittsvorbehalt erst durch eine Erklärung des Zurücktretenden. Und nur für diese letzten Fähe ist die besondere Regelung im Gesetz gegeben. — Überdies weicht diese gar nicht so sehr von der der Zwecksetzung ab. Allerdings scheint ein großer Unterschied darin zu hegen, daß beim Rücktritt alles Empfangene, in unseren Falle dagegen nur die Bereicherung zurückzugeben ist (§§ 346, 818 BGB.). Aber nach dem eben erwähnten § 820 BGB. ist auch im letzten Fahe der Empfänger nach den Vor-

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Schriften über die Rechtshängigkeit verpfhchtet, also in ganz ähnhcher Weise wie beim Rücktrittsrecht. Man hat deshalb sogar gemeint, das Rücktrittsrecht als eine Abart dieses Bereicherungsanspruchs bezeichnen zu können. Wenn das auch zu weit geht 2 0 6 , weil doch noch Unterschiede bestehen, so sind diese doch nicht sehr erhebhch. Jedenfalls kann daraus kein triftiger Grund gegen unsere Auffassung abgeleitet werden. § 279. Der Anspruch aus Zwecksetzung ist ausgeschlossen, wenn der Eintritt des Erfolges von Anfang an unmöghch war und der Leistende das gewußt hat (§815 BGB.). Diese Bestimmung des Gesetzes scheint mir sehr bedenklich. Wenn ein Verlobter Geschenke für eine Ehe gemacht hat, deren Abschluß er als aussichtslos ansah, sollte er dann nicht, wenn sich dies endgültig heraussteht, sie zurückfordern können ? Die Begründung der Motive 2 0 7 , daß er dann seine Voraussetzung nicht ernsthch oder wirklich gewollt habe, ist gegenüber der Behandlung des geheimen Vorbehalts in § 116 BGB. verfehlt. Auch die entsprechende Behandlung dessen, der wissenthch eine Nichtschuld zahlt, beweist hier nichts: denn die Zahlung einer Nichtschuld ist sinnlos und schafft nur unnötige Verwicklungen; dagegen hat es wohl Sinn, eine Leistung für einen erhofften Fall zu machen, auch wenn man ihn für nicht möghch hält. Aber das kann uns freilich nicht berechtigen, der Vorschrift des Gesetzes den Gehorsam zu verweigern. — Ferner ist der Anspruch dann ausgeschlossen, wenn der Leistende den Eintritt des Erfolges wider Treu und Glauben verhindert hat (§ 815 BGB.). Das entspricht der Regelung, die auch sonst für die Bedingung getroffen ist (§162 BGB.). Als eine Einschränkung des Anspruchs hat man es ferner bezeichnet, daß bei der Schenkung unter einer Auflage deren Unterlassung den Schenker nur dann zur Rückforderung der Bereicherung berechtigt, wenn ein Rücktrittsrecht bei gegenseitigen Verträgen begründet ist, also wenn der Empfänger die Unmöglichkeit zu vertreten hat (§§ 527, 325ff., vgl. § 2196 BGB.). Aber hier hegt nicht ein eigentlicher Aufhebungsvertrag, sondern wieder nur ein Rücktrittsrecht vor. — Die Beweislast dafür, daß der bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist, trifft den Kläger, der daraufhin seine Leistung zurückfordert. Das folgt vor ahem daraus, daß es sich um ein Erfordernis 200 207

I , 410ff., wo auch die L i t e r a t u r . Motive 2, 844.

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der Anspruchsbegründung handelt und daß diese nach der richtigen Vollständigkeitstheorie sämthch zur Beweislast des Klägers stehen. Außerdem sprechen auch die römischen Quellen, die Analogie des Ausgleichsanspruchs wegen Zahlung einer Nichtschuld und die Bilhgkeit in hohem Maße dafür: den Schaden einer unaufklärbaren Ungewißheit muß der Kläger tragen. Diese richtige Ansicht wird von zahlreichen Schriftstehern vertreten 208 , und es ist daher nicht berechtigt, wenn man die entgegengesetzte als die herrschende Lehre zu bezeichnen pflegt; nur in der Rechtsprechung ist sie überwiegend 209 . Diese Gegenansicht beruft sich darauf, daß die Zuwendung noch nicht vollgültig vohzogen und daher der Anspruch auf Rückgabe schon von Anfang an gegeben sei. Aber das verstößt ganz gegen den Sinn des Geschäfts: die Rückforderung ist erst dann begründet, wenn der Erfolg ausfällt. I m übrigen sind sich die Gegner selbst sehr uneinig darüber, wieweit der Beklagte beweispfhchtig sei 210 . — § 280. Berechtigt aus einem Ausgleichsanspruche ist der, aus dessen Vermögen etwas verschoben worden ist, der Entreicherte. Wenn mehrere betroffen werden, so hat jeder von ihnen einen Anspruch auf Erstattung seiner Entreicherung. Wenn eine Sache des A, die dem Β verpfändet ist, in das Haus des C eingebaut wird, so kann A einen Anspruch wegen des Verlustes seines Eigentums, Β wegen Verlustes seines Pfandrechts erheben. Wenn eine getrennte Rückgewähr nicht möghch ist, insbesondere also, wo eine Sache zurückzugeben ist, wird man analog § 432 BGB. jedem einen Anspruch auf Gesamtleistung oder Hinterlegung für beide geben müssen. Wenn auch dies nicht möghch ist, so bleibt nichts anderes übrig als dem einen Entreicherten einen Anspruch auf das gesamte Erlangte zu geben und den anderen auf einen Erstattungsanspruch gegen diesen zu verweisen 211 . Immer ist aber vorausgesetzt, daß jeder der Gläubiger eben durch dieselbe Vermögensverschiebung entreichert ist. Anders ist es, wenn zunächst eine Verschiebung von A an Β und dann eine zweite von diesem an C erfolgt war (oben S. 468ff.). Verpfhchtet aus dem Ansprüche ist, wer etwas erlangt hat, der Bereicherte. Sind mehrere beteiligt, so haftet jeder auf das, 208 209 210 211

I n meiner Beweislast 378 A n m . 5 habe ich 16 Schriftsteller angeführt. Daselbst 380 A n m . 4. Vgl. daselbst 380, 381. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 224.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

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was er erhalten h a t 2 1 2 . Eine Haftung als Gesamtschuldner ist im Gesetze nicht begründet — auch dann nicht, wenn die Leistung auf Grund eines nichtigen Vertrags erfolgt war 2 1 3 . Zwar sind mehrere, die sich durch Vertrag gemeinschaftlich verpflichten, nach § 427 BGB. im Zweifel als Gesamtschuldner haftbar. Aber das bezieht sich nur auf die Ansprüche, die aus dem Vertrage entspringen, nicht aber auch auf einen Anspruch, der sich umgekehrt auf dessen Ungültigkeit gründet 2 1 4 . Daß in einem solchen Falle jeder ,,als Empfänger des Ganzen zu gelten habe", geht aus § 427 nicht hervor. Wer erst auf Grund einer zweiten Übertragung von dem Bereicherten das Erlangte erwirbt, ist dem zuerst Entreicherten nicht haftbar (S. 472). Davon macht das Gesetz (§ 822) eine Ausnahme für den Fah, daß die zweite Verschiebung unentgeltlich erfolgte und daß infolgedessen die Verpfhchtung des ersten Empfängers ausgeschlossen ist. Hier würde der Entreicherte leer ausgehen : aber er erscheint dann, wenn er mit einem unentgelthchen Erwerber konkurriert, als des Schutzes würdiger. Der schuldrechthche Ausgleichsanspruch geht hier über die Person des Schuldners hinaus und ist daher als „mehrwirksamer" (I, 9) zu bezeichnen. — Dieser Anspruch nach § 822 erstreckt sich auch auf das, was durch Früchte, Schadensleistungen und dergleichen zugewachsen ist. Nicht aber auf den Erwerb, den der Bereicherte erst durch ein weiteres selbständiges Rechtsgeschäft gemacht h a t 2 1 5 : denn dieser Erwerb gehört nicht zu dem, was beim Bereicherungsanspruch an die Stehe des ursprünglich Erlangten t r i t t (unten S. 531). Wenn der zuerst Bereicherte noch haftet, z. B. wegen seines bösen Glaubens, so ist der Anspruch gegen den Dritten nicht gegeben. Wenn aber von jenem nichts zu erlangen ist, wird man aus denselben Bilhgkeitsgründen auch hier analog den Anspruch gegen den Dritten zulassen müssen. — § 281. Zuletzt ist der I n h a l t der Ausgleichsansprüche zu erörtern. Es ist alles zurückzugeben, was auf Grund der Ver212

R G . J W . 1909, 274; Recht 1911 N r . 48. * Wie R G . 67, 260ff. a n n i m m t . 214 I , 717; R G . GruchBeitr. 53, 1003; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 225; S t a u d i n g e r 3 zu § 427. 215 O e r t m a n n 3 zu § 822; S t a u d i n g e r 2 zu § 822. Anders E n n e c c e r u s L e h m a n n § 225 A n m . 5; P l a n c k 2 zu § 822; S t i e w e , Bereicherungsanspruch 46. 21

Inhalt.

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Schiebung erlangt ist. Vorausgesetzt ist dabei, daß eben dies ohne rechthchen Grund erlangt ist: wer 100 Mark schuldet und 150 Mark bezahlt, kann nur 50 Mark zurückfordern. Ferner ist nötig, daß dies gerade aus dem Vermögen des Klägers stammt (oben S. 463ff.). Es sind nun nicht nur gerade die unmittelbar verschobenen Stücke zurückzugewähren, sondern daneben treten kraft Ersatzberechtigung (Surrogation) auch ahe die Werte, die wirtschaftlich mit daraus erwachsen (§ 818 BGB). Dazu gehören die gezogenen Nutzungen — ferner, was der Empfänger auf Grund des erlangten Rechts erwirbt (§818 BGB.). Es ist ζ. Β. eine Forderung grundlos abgetreten und danach eingezogen und so in Geld verwandelt worden. Anders aber, wenn der Erwerb erst durch ein neues selbständiges Rechtsgeschäft gemacht worden, die erlangte Sache ζ. B. verkauft oder aber mit dem erlangten Geld etwas gekauft worden i s t 2 1 6 . Hier ist dieser Erwerb nicht lediglich ,,auf Grund" des Erlangten erfolgt, sondern es hat dabei auch die Tätigkeit des Erwerbers, die vieheicht vieler Klugheit und Mühe bedurfte, mitgewirkt. Für diese einschränkende Auffassung spricht auch der Vergleich mit der ähnlichen Vorschrift über die Ersatzberechtigung beim Vorbehaltsgut. Dort wird ausdrücklich auch der Erwerb durch ein Rechtsgeschäft mit einbezogen (§ 1370BGB.)— in auffallendem Gegensatze zu § 818. I n unserem Fahe kann also nicht der erzielte Preis, sondern nur der Wert des Gegenstandes gefordert werden. Endlich gehört auch dazu, was als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes erworben wird: insbesondere also die Schadensansprüche gegen einen Verletzer oder eine Versicherung. Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möghch, ζ. B. weil Dienste geleistet waren oder das Empfangene aufgezehrt ist, so ist sein Wert zu ersetzen (§ 818 I I BGB.). § 282. Bei der Frage, ob der Schuldner ahes, was er erlangte oder nur was er noch hat, leisten muß, unterscheidet das Gesetz danach, ob er befangen ist oder nicht. Dies ist zunächst der bösgläubige Erwerber, der weiß, daß sein Erwerb grundlos ist, der also ζ. B. wissentlich die Zahlung einer Nichtschuld entgegennimmt (§819 BGB.). Dazu gehört auch, wer grobfahrlässig handelt (§ 932) — ferner wer im Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot 218

Herrschende Meinung, insbesondere R G . 56, 387. 101, 391. 34*

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oder die Sittlichkeit erwirbt (§819 I I ) , wobei ebenfalls Verschulden vorausgesetzt wird (oben S. 494). Endlich ist dem jeder Besitzer vom Augenbhcke der Rechtshängigkeit an gleichgesteht. Er braucht zwar nicht bösgläubig zu sein, wenn er nämlich glaubt, nichts zu schulden. Aber er muß doch immerhin damit rechnen, daß er zur Herausgabe verpfhchtet sei, und ist daher von jetzt ab „befangen": er muß sich nunmehr danach richten und mit den Sachen sorgfältig verfahren. Deshalb haftet er nach den allgemeinen Vorschriften (§818111), daher nach §292 wie der bösgläubige Besitzer beim Eigentumsanspruch (§§ 987ff.). Ein bloßer Verzug ist der Rechtshängigkeit nicht gleichgesteht 217 . Das geht schon daraus hervor, daß § 819 eine grobe Fahrlässigkeit, also ein stärkeres Verschulden als der Verzug erfordert. Wenn der Empfänger zweifelhaft über die Berechtigung der Leistung ist, so kommt es auch hier darauf an, was bei ihm überwiegt: die bejahende oder verneinende Annahme. Wenn sich beides gleichsteht, so vertraten wir oben (S. 490) bei der Zahlung der Nichtschuld die Ansicht, daß ein Irrtum nicht vorhege. Hier aber kommt es nicht auf den Irrtum, sondern umgekehrt auf den bösen Glauben an: und daher werden wir hier doch verlangen müssen, daß er überwiegend die Grundlosigkeit annimmt. Das gilt auch, wenn es sich um die Frage handelt, ob der Rechtsgrund später fortfahen werde: es erfolgt z. B. eine Zahlung auf einen Vertrag, dessen spätere Aufhebung durch Vereinbarung möghch ist. Und nur dann ist es nach § 820 I 2 BGB. anders, wenn der Wegfall des Rechtsgrundes „nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts" als möghch angesehen wurde, also dann, wenn die Auflösung durch eine besondere Abrede vorbehalten ist: dann t r i t t die strenge Haftung des befangenen Besitzers ein. Durch diese Sondervorschrift wird zugleich erwiesen, daß für die sonstigen Fähe das vorher Gesagte zutrifft. Wieder anders steht es in den Fähen der Zwecksetzung (§ 812 I 2 ) , wo die Haftung überhaupt nicht auf Bereicherung beschränkt ist (unten 539). § 283. Der unbefangene Besitzer ist nur auf die B e r e i c h e r u n g haftbar, also auf das, was er aus der Verschiebung noch hat. Das Gesetz (§ 818 I I I ) sagt das zwar nur für den Fah, wo die Bereicherung nachträghch weggefahen, wo er „nicht mehr" bereichert ist. Aber unzweifelhaft wird man hieraus und aus der Überschrift 217

R G . 93, 272. 110. 435.

Bereicherung.

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des Titels folgern müssen, daß der Schuldner sich auch darauf berufen kann, daß eine Bereicherung von vornherein nicht eingetreten oder gemindert worden ist. Unter der Bereicherung ist also das Endergebnis zu verstehen, was sich aus einem wirtschaftlichen Vorgang entwickelt h a t 2 1 8 . Sie ist eine ,,Erfolgsschuld" (I, 40ff.): ihr Gegenstand ist nicht auf einzelne Stücke gerichtet, sondern auf ein Ergebnis, das erst aus dem ganzen Vorgang errechnet werden kann. Der Anspruch wird daher durch jeden Umstand beeinflußt, der an diesem Ergebnis etwas ändert — gleichviel, ob er durch eine der Parteien oder durch Zufall bewirkt wird. Der Schadensersatzanspruch, der gleichfalls eine Erfolgsschuld enthält, wird ja auch dadurch aufgehoben, daß die verlorene Sache zufälhg an den Berechtigten zurückkommt. Und genau ebenso wird die Bereicherung dadurch aufgehoben, daß die erlangte Sache ihm abhanden kommt. Ohne Belang ist dabei, ob sie untergeht oder verloren wird — und ebenfalls, ob dies durch Schuld des Bereicherten geschah; denn trotzdem bleibt es wahr, daß er nicht mehr bereichert ist. Er ist also auch dann befreit, wenn er das erhaltene Geld in leichtsinniger Weise angelegt und dabei verloren hat. Auch dann wird er frei, wenn er die Sache verbraucht hat. Hat er freihch dadurch Ausgaben erspart, so ist er um diese bereichert. Dagegen genügt es nicht, daß er dadurch besser gelebt h a t 2 1 9 . Für zuviel gezahlte Beamtengehälter ist bisweilen etwas anderes vorgeschrieben 220 : aber hier hegt ja überhaupt nicht ein gewöhnlicher Bereicherungsanspruch vor (oben S. 483). § 284. Allerdings ist die vorstehende Auffassung nicht unbestritten. Man hat ihr die andere entgegengesteht, daß die Bereicherung nicht in dem wirtschaftlichem Erfolg, sondern lediglich in der erfolgten Verschiebung zu erbhcken sei 2 2 1 . Man stützt sich darauf, daß die Pfhcht zur Herausgabe, von der § 812 BGB. spricht, sich auf das dort vorher genannte „etwas", das ohne Grund erlangt ist, beziehe. Und dieser Auslegung wird man auch zustimmen müssen: in der Tat soll der Anspruch danach auf das 218

R G . 44. 144. 54, 141. 60. 291. 75, 361. 86, 344. 94, 254. 105, 31; GruchBeitr. 48, 1090. 55, 263. 62, 239. 219 R G . 83, 161 ff. 85, 194. 220 So i n der preußischen Besoldungsordnung 1927; anders dagegen i n der Reichs-Besoldungsordnung 1927; vgl. R G . 124, 155ff. 221 O e r t m a n n , D J Z . 1915, 1063ff.; v. T u h r 2, 358.

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Verschobene gerichtet sein. Dafür spricht schon der sprachliche Zusammenhang des § 812. Außerdem kann die bloße Bereicherung hier deshalb nicht gemeint sein, weil es Fähe gibt, wo der Anspruch nicht nur auf diese, sondern auf mehr gerichtet ist (§ 819). Aber anderseits ist eben doch auch zu berücksichtigen, daß der Beklagte sich auf eine Minderung der Bereicherung berufen kann : das ergibt sich, wie wir sahen, aus dem Sinn des § 818 I I I , wenn er auch in seinem Wortlaut nur von einem späteren Fortfall redet. Es stehen sich hier also zwei Rechtssätze gegenüber: daß das Erlangte herauszugeben ist und daß der Schuldner sich auf eine Minderung der Bereicherung berufen kann. Es dürfte also wohl am richtigsten sein, hier eine Einrede des Beklagten anzunehmen. Aber im Endergebnis behält dann doch die vorher dargestellte Lehre des Reichsgerichts recht: daß sich auf Grund dieser Einrede die Bereicherung — ebenso wie ein Schaden — als ein wirtschaftlicher Erfolg darsteht, der aus Erwerb und Verlust zu errechnen ist. ί Der Gegensatz der beiden Anschauungen t r i t t deuthch in den Fähen hervor, wo dem Empfänger gleichzeitig mit dem Erwerb auch Ausgaben erwachsen sind, insbesondere wenn er dafür eine Gegenleistung gemacht hat. Aus einem ungültigen gegenseitigen Vertrage hat A an Β Waren gehefert und Β dem A eine Gegenleistung gemacht, die bei diesem ohne Ersatz untergegangen ist. Kann sich Β gegenüber dem Ausgleichsanspruch des A darauf berufen, daß seine Bereicherung durch die Gegenleistung aufgehoben oder gemindert sei — und kann nicht A dagegen wieder einwenden, daß er durch diese nicht mehr bereichert sei ? I n der Wissenschaft und Rechtsprechung stehen sich hier zwei Lehren gegenüber. Die sogenannte Saldotheorie lehrt: der Kläger kann nur den Gesamterfolg herausfordern, also wie sich die Lage des Beklagten nach Abzug seiner Gegenleistung heraussteht 222 . Die „Zweikondiktionen-Theorie" beruht dagegen auf der vorher dargestellten Auffassung, daß der Beklagte das Erhaltene herauszugeben habe. Sie kann daher den Abzugsposten nur aus dem 222

S t i e w e , Gegenstand des Bereicherungsanspruchs 89 ff.; P l a n c k , D J Z . 1906, 23; v. M a y r a. a. O. 623ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 224; M a n n s D J Z . 1916, 282ff.; W e i n t r a u b , Saldotheorie (erscheint demnächst i n meinen Studien); vor allem die Rechtsprechung: R G . J W . 1903 Beil. 58, 1927, 36. 1928, 59; GruchBeitr. 55, 963. 67, 316.; Recht 1910 N r . 2817. 1918 N r . 701.

Bereicherung.

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Gesichtspunkt berücksichtigen, daß ein zweiter Ausgleichsanspruch des Β gegen A gegeben sei: und für diesen ist dann eine fortdauernde Bereicherung des A zu erfordern 223 . Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, daß in der Saldotheorie meistens noch eine weitere Unterscheidung gemacht wird. Man unterscheidet die Fälle, wo die Gegenleistung des Β an den Bereicherungskläger A gemacht wird, von den anderen, wo sie an einen Dritten erfolgt. I n der ersten Gruppe kommt zunächst der erwähnte Fah in Betracht, wo der gegenseitige Vertrag ungültig ist und daher der Anspruch wegen Zahlung einer Nichtschuld eingreift; aber auch der andere, wo die dingliche Übertragung nichtig war und nach § 816 ein Ausgleichsanspruch gegen den weiter Verfügenden erwächst. I n diesen beiden Fähen bejahen die meisten Anhänger der Saldotheorie die Anrechnung der Gegenleistung, die an den Bereicherungskläger gemacht ist. Aber sie bestreiten sie für den anderen Fah, wo sie an einen Dritten gemacht wurde 2 2 4 , und nur wenige wollen sie auch für diesen Fah verteidigen 225 . — Die Anhänger der Saldotheorie berufen sich darauf, daß das ,,etwas", das erlangt und herauszugeben sei, nur einen Überschuß bedeute. Aber wir sahen schon, daß die Pfhcht zur Herausgabe nach § 812 nicht nur auf die Bereicherung, sondern auf das Erlangte zu beziehen ist — wie besonders die Fähe beweisen, wo der Anspruch auf mehr als die Bereicherung geht. Es kann also unter dem erlangten „etwas" im Sinne des § 812 nicht nur der bloße Saldo zu verstehen sein. Wohl aber rechtfertigt sich die Saldotheorie für die Regelfähe, wo der Beklagte nur auf Bereicherung haftet, eben aus der Natur des Bereicherungsanspruchs. Dieser ist, wie wir sahen, ein Erfolgsanspruch, auf ein wirtschafthches Ergebnis gerichtet. Wie bei dem Schadensanspruch ist auch hier zu fragen, ob das Ergebnis durch den neuen Umstand berührt wird. Es ist dann zu bejahen, wenn beides zusammen sich als ein e i n h e i t l i c h e r wirtschaftlicher Vorgang darstellt 2 2 6 . Freilich bedarf das 223

O e r t m a n n 3 zu § 818; D J Z . 1915, 106ff.; S c h n e i d e r , JheringsJ. 61, 179ff. ; v . T u h r 2, 358; Festgabe für Bekker 307; D J Z . 1916, 584; R i e h l , GruchBeitr. 60, 804. 808; K r e ß , Allgemeines Schuldrecht 372; Recht 1919 N r . 329; J W . 1918, 132. 1919, 377. 224 R G . J W . 1911, 152; R G . 106, 45. 104; O L G . 26, 278; R G R K . 8 zu

§ 818.

225

S t i e w e a. a. O. 89ff.; v . M a y r a. a. O. 623ff.; W e i n t r a u b a. a. O. Dagegen besonders O e r t m a n n 2 zu § 816; K i p p bei W i n d s c h e i d § 422. 226 I m Ergebnis ebenso W e i n t r a u b a. a. O.

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noch einer näheren Erläuterung und Abgrenzung. Die Zweifel sind hier wesenthch dieselben wie bei der nahe verwandten Frage, wann der Schadensanspruch durch entgegengesetzte günstige Einwirkungen gemindert wird: ob also ein erlangter Vorteil darauf anzurechnen ist. Auch dort kommt es darauf an, ob der schädigende und der nützende Umstand als ein einheithcher Vorgang anzusehen sind; und zwar fanden wir dort (I, 206ff.), daß zwei verschiedene Gesichtspunkte dafür in Betracht kommen. Wenn ein Erfolg zu errechnen ist, so sind dabei zwei Momente in Betracht zu ziehen: das zeithche, bis zu welchem Zeitpunkt noch Ereignisse berücksichtigt werden, und das sachhche des inneren Zusammenhangs. Wir sahen, daß bald der eine, bald der andere Gesichtspunkt maßgebend ist: manche Vorteile sind deshalb zu berücksichtigen, weil sie noch vor Abschluß der Schadensberechnung eintreten, andere, weil sie ursächlich aus dem schädigenden Ereignis entspringen. Ganz ebenso sind auch hier beide Momente in Betracht zu ziehen. Manche Minderungen der Bereicherung sind deshalb zu berücksichtigen, weil sie noch vor Abschluß der Bereicherung eintreten: so die Fracht-, Bank- und Prozeßkosten, die zur Erlangung der Verschiebung notwendig waren. Aber es sind auch noch nachher eintretende Minderungen zu beachten, wenn sie mit dem verschiebenden Umstände in ursächhchem Zusammenhange stehen. Dieser Gesichtspunkt wird auch von der Rechtsprechung ganz überwiegend anerkannt 227 . Es fragt sich nur noch, wann ein solcher Kausalzusammenhang anzunehmen ist. Nach unseren früheren Untersuchungen kommt es bei der Verursachung darauf an, ob das erste Ereignis geeignet war, den Erfolg — hier also die Vermögensminderung — ahgemein zu erklären (I, 142ff.). Dies ist dann zu bejahen, wenn die Gegenleistung eben auf Grund desselben Vertrags wie die Verschiebung erfolgte. Hier muß sich der Kläger diese anrechnen lassen, auch wenn er sie nicht mehr besitzt. Dagegen macht es keinen Unterschied, ob die Gegenleistung an den Kläger selbst oder dem Inhalte des Vertrages gemäß an einen Dritten gemacht worden ist. Es ist daher nicht richtig, wenn die meisten Anhänger der Saldotheorie auf Grund dieses Umstandes einen Unterschied machen wollen. Er wäre nur dann erhebhch, wenn es eben auf die Bereicherung des Klägers ankäme — also nach der gegnerischen Lehre der zwei Ausgleichsansprüche. Aber 227 R G . 94, 254. 105, 29. 106, 4; W a r n e y e r 8, 45. 11, 26, 31; J W . 1918, 132ff. ; SeuffA. 76, 25. 42. 82, 47. 80.

Bereicherung.

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das Entscheidende ist ja eben nicht diese Bereicherung des Klägers, sondern der Wegfall der Bereicherung beim Beklagten. Und für diese macht es keinen Unterschied, ob er das Geld an A oder einen Dritten bezahlt hat. Es kommt nur darauf an, ob diese seine Zahlung ursächhch mit aus dem verschiebenden Ereignis entspringt — und das ist eben zu bejahen. Anders dagegen, wo eine gestohlene Ware ungültig übertragen, dann aber durch Verarbeitung erworben ist und der Erwerber gegenüber dem Ausgleichsanspruch des Bestohlenen die Kosten seines Ankaufs abziehen w i l l 2 2 8 . Auch hier ist das Geld zwar für die Übertragung ausgegeben worden; aber diese Übertragung war es nicht, die die Verschiebung herbeiführte, sondern erst die nachfolgende Verarbeitung. Es können daher die Kosten der Anschaffung nicht abgezogen werden. Dagegen darf der Beklagte die Kosten seiner Verarbeitung dann ersetzt verlangen, wenn von ihm die Herausgabe der verarbeiteten Sache gefordert wird. Wenn der Kläger aber nur den Wert des ihm verlorenen Stoffes einklagt, so kann der Beklagte auch diese Kosten nicht abziehen, da er den Vorteil der Verarbeitung ja selbst behält 2 2 9 . — Endlich ist für die Form der Anrechnung zu unterscheiden, ob die beiderseitigen Leistungen gleichartig waren. I n diesem Falle ist einfach die Gegenleistung abzuziehen. I m anderen ist die verlangte Leistung Zug um Zug gegen Rückgewähr der Gegenleistung oder ihres AVerts herauszugeben. § 285. Für die Beweislast ist zunächst soviel klar, daß der nachträgliche Fortfall der Bereicherung vom Beklagten zu erweisen ist 2 3 0 . Denn es steht ja ahgemein fest, daß für die nachträghchen Gegenwirkungen der Verpfhchtete beweisbelastet ist. Und zwar handelt es sich hier nicht etwa um eine Einrede, sondern um den Einwand der Tilgung 2 3 1 . Zweifelhafter ist es dagegen, wenn der Beklagte geltend macht, daß von vornherein keine Bereicherung eingetreten sei: er behauptet z. B., bei der Aushändigung des erlangten Gegenstandes Frachtausgaben gehabt zu haben. Auch hier wird ahgemein die Beweislast dem Schuldner auferlegt 232 , mit Recht, aber ohne genügende Begründung. Meines Erachtens ist es darauf zu stützen, daß hier eine wirkliche Einrede vor228

R G . 106, 4ff. Seltsamerweise anders R G . 106, 7. 280 R G . 65, 298. 68, 270. 83, 159. 281 R G . 83, 159. 232 Angaben i n meiner Beweislast 383 A n m . 4.

229

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liegt 2 3 3 . Nach § 812 BGB. ist, wer etwas erlangt ist, zur Herausgabe verpfhchtet: dies ist dahin zu verstehen, daß er eben dies „etwas" herauszugeben hat. Demgegenüber steht es sich als ein besonderer Gegenanspruch dar, daß nach § 818 BGB. die Minderungen der Bereicherung abzuziehen sind (oben S. 534). Erst aus dieser rechthchen Gegenwirkung ergibt sich, daß der Anspruch auf die Bereicherung beschränkt ist. § 286. Man kann die Fähe, in denen die Haftung über die bloße Bereicherung hinausgeht, als Ausnahmen betrachten. Aber dennoch ist es nicht angängig, sie bei der Begriffsbestimmung ganz außer Betracht zu lassen. Es ist daher recht ungenau, wenn das Gesetz und die gesamte Rechtslehre die Ausgleichsansprüche als Bereicherungsansprüche und die ganze Lehre als die von der ungerechtfertigten Bereicherung bezeichnet. Es ist aber auch aus anderen Gründen verkehrt. Außer den Ausgleichsansprüchen gibt es auch noch ganz andersartige, die ebenfahs nur auf Herausgabe der Bereicherung gehen. Dahin gehören gewisse Ansprüche aus Geschäftsführung (§ 684 BGB.) und Unrechtshandlung (§ 852 I I BGB.); auch kann durch Vertrag das Recht auf Herausgabe einer Bereicherung begründet sein. Solche Forderungen erlangen aber dadurch noch nicht etwa die Natur eines Ausgleichsanspruchs (S. 526). Endlich ist es überhaupt nicht übhch und sinnvoh, die Ansprüche nach ihrem Inhalt zu bezeichnen, sondern nach ihrem Klagegrund. Durch die Bezeichnung „Schadensanspruch" oder gar „Geldanspruch" ist noch nicht eine brauchbare rechthche Bestimmung erzielt. Wir haben den Anspruch vielmehr nach seiner rechthchen Begründung zu bezeichnen — und deshalb haben wir ihn „Ausgleichsanspruch" genannt. Gegen diese Bezeichnung kann man einwenden, daß dieser Ausdruck schon für einen Anspruch aus dem Aufwertungsrecht gebraucht w i r d 2 3 3 a . Aber dies Bedenken ist nicht ausschlaggebend. Denn einmal handelt es sich hier doch um Rechtssätze von nur vorübergehender Bedeutung : und außerdem ist auch dieser Anspruch ebenfalls als ein solcher aus § 812 oder doch als ein nahe verwandter zu betrachten 2 3 3 b . § 287. Dagegen ist der Anspruch aus einer Zwecksetzung (§ 812 I 2 ) auch bezüghch des Inhalts wesenthch anders zu behandeln. Wie wir sahen, ist er gar kein Ausgleichsanspruch, der 233

Beweislast 383. R G . 128, 370 u n d Genannte; 130, 292ff. 233b y g l > H e d e m a n n I n s t W i r t s c h r . 1931 H e f t 21, 37. 233a

Inhalt.

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sich auf einen Mangel des Grundes stützt, sondern ein Vertrags ansprach, der auf einem Auflösungsvertrag beruht. Dazu paßt durchaus, daß auch sein Inhalt von dem der Ausgleichsansprüche wesenthch abweicht. Nach § 820 BGB. ist er nicht nur auf Bereicherung gerichtet, sondern auf eine strengere Haftung, wie sie sich aus der Rechtshängigkeit ergeben würde. Dies gilt, wenn der Eintritt des bezweckten Erfolges „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als ungewiß angesehen wurde". Man hat dies auf die Fähe beschränken wohen, wo die Parteien ganz besonders stark mit dem Mißhngen des Erfolgs rechneten 234 . Aber es ist vielmehr auf ahe Fähe zu erstrecken, wo der Erfolg nur unsicher erschien 235 . Denn jene starke Einschränkung ist im Gesetz in keiner Weise angedeutet. Vielmehr bezeichnet es in einem ähnhchen Fahe der Satz 2 ausdrücklich als genügend, daß der Wegfall als „möghch" angesehen wurde. Daraus ergibt sich, daß der Anspruch in der Tat überall, wo der Erfolg unsicher war, den strengen Inhalt hat und nicht nur auf Bereicherung geht. — Man könnte einwenden, daß auch der Anspruch aus Fortfall des Rechtsgrundes in derselben Weise ausgedehnt ist (§ 820 I 2 ) , obwohl es sich dabei doch um einen wirklichen Ausgleichsanspruch handelt. I n der Tat folgt daraus, daß diese in § 820 bestimmte Ausdehnung allein nicht ausreichen würde, um den Anspruch aus Zwecksetzung aus dem Kreise der Ausgleichsansprüche auszuscheiden. Immerhin ist aber dieser Umstand geeignet, das oben gewonnene Bild zu bestätigen : daß unser Anspruch kein Ausgleichsanspruch, sondern vielmehr dem aus einem Rücktrittsrecht verwandt ist und einen ihm ähnhchen Inhalt hat. § 288. Zum Schlüsse dieser Lehre ist die Einrede zu erwähnen, die aus den Ausgleichsansprüchen entspringt. Sie ist von großer Bedeutung besonders gegenüber den abgelösten (abstrakten) Verpflichtungen. Wenn aus einer solchen, z. B. aus einem Wechsel ohne Rechtsgrund geleistet worden ist, so entsteht daraus die Klage auf Rückzahlung. Ist aber nur erst das Versprechen erteilt, so wirkt die Grundlosigkeit dahin, daß sie einredeweise gegen den Anspruch vorgebracht werden kann. So kann sich der Schuldner gegen einen Wechsel oder ein abgelöstes Schulderkenntnis verteidigen, das der grundlegenden Forderung entbehrt (oben S. 354). Der römische Prätor behalf sich hier mit der Bezeichnung exceptio 234 285

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 224; O e r t m a n n zu § 820. P l a n c k 1 zu § 820.

Grundlose Verschiebung.

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doli, weil er es überhaupt hebte, seine neuen Rechtsbildungen mit solchen ahgemeinen Wendungen zu verschleiern. Demgemäß sprach auch die deutsche Rechtswelt bis vor wenigen Jahrzehnten von einer Einrede der Arglist. Aber diese Bezeichnung war für die Fähe, wo der Kläger i n gutem Glauben klagte, nicht nur unrichtig, sondern schon fast ruchlos : wie kann ein Gericht einem redlichen Kläger einen solchen schweren Vorwurf machen! I n der letzten Zeit hat sich die Erkenntnis, daß es sich um eine Einrede aus §§ 812ff. BGB. handelt, auch i n der Ausdrucksweise der Rechtslehre und Rechtsprechung immer mehr durchgesetzt. Aber der Ausdruck ,,Bereicherungseinrede", den man nun manchmal dafür gebraucht, scheint mir ebensowenig genau wie der des „Bereicherungsanspruchs" (oben S. 538). Er ist auch wenig bezeichnend und wird daher von vielen vermieden und umschrieben. Richtiger und deuthcher dürfte es auch hier sein, von einer A u s gleichseinrede zu sprechen. — I s t ein Anerkenntnis oder Schuldversprechen nicht abstrakt abgegeben, so ist diese Einrede nicht nötig und zulässig (oben S. 347, 353). Die Einrede greift auch dann durch, wenn der Ausgleichsanspruch verjährt ist (§821 BGB.). Es beruht das darauf, daß Einreden nicht verjähren 236 . Die Verjährung richtet sich gar nicht gegen den Anspruch im ganzen, sondern nur gegen das Klagerecht, das aus einem Anspruch entsteht — und die Römer hatten ganz recht, wenn sie von der Verjährung der actio sprachen. Zwar hat die neue Wissenschaft und die Ausdrucksweise des Gesetzes an Stehe dessen die Verjährung der Ansprüche gesetzt. Aber darin ist nicht ein Fortschritt, sondern nur eine Ungenauigkeit zu erblicken. Fünftes Kapitel.

Unrechtshandlungen. A. Die Unrechtstatbestände. I . § 289. Begriff. § 290. Lauter einzelne Ansprüche. — I I . Verletzung v o n Gegenständen, § 823 I B G B . : § 291. N i c h t Verletzung jedes Rechtsgutes; § 292. auch n i c h t eines Rechtes; § 293. auch n i c h t , wenn m a n unter Verletzung nur ein Zuwiderhandeln versteht. § 297. N u r körperliche u n d rechtliche Gegenstände. § 295. Personen. § 296. Ausdehnung auf andere Persönlichkeitsgüter. § 297. Namen, B i l d . § 298. Ehre. § 299. Geheimnisse. 236

Vgl. §§ 853, 2183 B G B .

Unrechtshandlungen.

541

§ 300. Schöpfungen. § 301. Arbeitskraft. § 302. Familie. § 303. Rechte als Gegenstände. — § 304. Verletzung dieser Güter. § 305. N u r Schutz des allwirksam Berechtigten; § 306. auch des Besitzers ? — I I I . Verstoß gegen ein Schutzgesetz, § 823 I I B G B . § 307. Schutzgesetz. § 308. Abweichungen v o n Absatz I . § 309. Z u m Schutze eines anderen. § 310. Falls dieser n u r generell bestimmt ist. § 311. Z u m Schutze mehrerer. § 312. Erfordernisse dieser H a f t u n g . — I V . Unsittliche Schädigung; § 313. Voraussetzungen. § 314. Rechtswidrigkeit? § 315. Anwendungsgebiet. § 316. Verhalten i m Rechtsstreit. § 317. Erschleichung des Urteils. — V . Sondertatbestände: § 318. Schädliche Nachrede. § 319. Verführung. § 320. Amtsverletzung. § 321. N u r Zweithaftung. § 322. Urteile. § 323. Ausübung der öffentlichen Gewalt. § 324. Mittelbare Schädigimg anderer. (Fortsetzung vor § 325.)

§ 289. Zunächst ist der Begriff der unerlaubten Handlung oder, wie ich statt dessen kürzer sagen möchte, der Unrechtshandlung festzustehen 1. Es handelt sich um Unrecht, das zum Schadensersatz verpfhchtet. Die Haftung ist ferner eine selbständige, sie setzt nicht eine bestehende Rechtsbeziehung voraus. Dadurch unterscheidet sich dieser Anspruch von denen aus Verletzung eines Schuldverhältnisses (§§ 280ff. BGB.) und aus fehlerhafter Geschäftsführung (§§ 678ff. BGB.). Freilich kann auch in diesen Fähen zugleich eine Unrechtshandlung vorhegen, indem beide Ansprüche miteinander konkurrieren (unten § 348). Aber bezeichnend für die Unrechtshandlung bleibt dennoch, daß ein solches Grundverhältnis nicht erforderhch ist. — Streitig ist, ob auch Verschulden zum Begriffe der Unrechtshandlung gehört. Es hängt davon ab, ob man die Fähe der Gefährdungshaftung, z. B. des Tierhalters, mit zu den Unrechtshandlungen rechnen wih oder nicht. Dafür wird in erster Linie maßgebend sein, ob die Vorschriften des Gesetzes über Unrechtshandlungen auch auf diese Fähe anwendbar sind. Und das ist für die meisten von ihnen zu bejahen, insbesondere für die über Haftung mehrerer, Haftung für Gehilfen, Umfang des Schadensersatzes, Verjährung. Dazu kommt, daß das Gesetz selbst in diesem 25. Titel „Unerlaubte Handlungen" einige Fähe solcher Gefährdungshaftungen anführt, 1 Zur ganzen Lehre: J u n g . D e l i k t u n d Schadensverursachung; JheringsJ. 69, 119ff.; L i n c k e l m a n n , Schadensersatzpflicht u n d unerlaubte Handlungen; v . L i s z t , Deliktsobligationen i m B G B . ; H . A . F i s c h e r , Der Schaden; Die Rechtswidrigkeit; O t t o , SächsArch. 9, 8; H e n r i c i , GruchBeitr. 42, 625; T r a e g e r , Kausalbegriff; M ü l l e r - E r z b a c h , ZivArch. 106, 309. 109, 1; F r o m h e r z , H a f t p f l i c h t r e c h t ; E b b e c k e , JheringsJ. 71, 346ff.; R a a p e , JheringsJ. 74, 179ff.

Unrechtshandlungen.

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nämlich die Haftung für Tiere und Wildschaden (§§ 833ff.). Außerdem beziehen sich die meisten Fähe der Gefährdungshaftung auf ganz ähnhche Fähe wie die schuldhaften Verletzungen und haben denselben Gesamtcharakter. Deshalb empfiehlt es sich, auch diese Haftung ohne Schuld mit zu den Unrechtshandlungen „ i m weiteren Sinne" zu rechnen 2. Zwar wird das von manchen bekämpft 3 . Sie berufen sich darauf, daß das Halten von Tieren nicht einen rechtswidrigen Eingriff enthalte. Aber dieser ist eben nicht schon in dem Halten gelegen, wohl aber in der dadurch verursachten Verletzung der fremden Güter. Dagegen ist allerdings zu fordern, daß die Handlung rechtswidrig sei. Dafür spricht schon die Bezeichnung als „unerlaubte" Handlung. Es muß daher die Haftung aus erlaubter Nothilfe (§ 904 BGB.) ausscheiden und erst recht ahe Entschädigungsansprüche, die nur aus einem Vertrag, z. B. einer Versicherung entspringen. Freihch hat man auch dies Erfordernis für entbehrlich erklärt: so sei das Halten eines Tieres nicht rechtswidrig und dennoch werde daraus gehaftet 4 . Aber auch hier wird wieder verkannt, daß es nicht auf das Tierhalten allein ankommt, sondern auf die Verletzung, die durch das Tier zugefügt wird. Diese muß in der Tat rechtswidrig sein. So würde der Tierhalter nicht für seinen Hund haften, wenn dieser einen Einbrecher beißt. Der Anspruch aus Unrechtshandlung ist immer auf Schadensersatz gerichtet. I m römischen Rechte hatte er zugleich die Aufgabe, das bei Privatdelikten unvollkommene Strafrecht zu ergänzen. So wurden dem Täter zugleich Strafen auferlegt, die dem Verletzten mehr als sein Schaden betrug, zuführten, ihn geradezu bereicherten. Dies ist aber im heutigen Recht vohkommen verschwunden. Auch wo der Strafrichter auf eine Buße erkennen kann, z. B. wegen Beleidigung oder Verletzung eines Schöpfungsrechts 5 , ist das nicht als eine Strafe, sondern nur als eine Form für die Entschädigung des Verletzten anzusehen (unten § 349). 2 So vor allem das R G . : R G . 53, 121. 58, 336. 60, 304. 3015; ferner O L G . 5, 250. 14, 47. 18, 83; O e r t m a n n , Vorbem. 3 vor § 833; P l a n c k 6 zu § 823; R G R K . 1, 2 vor § 823; D i t t e n b e r g e r , Schutz des K i n d e s ; E i t z b a c h e r , Rechtswirksames Verhalten. 3

Enneccerus-Lehmann

4

O e r t m a n n , Vorbem. 1.

5

§§ 188, 213 StrGB. ; § 37 Patentgesetzes usw.

§ 226; Z i t e l m a n n , ZivArch. 99, I f f .

N u r bestimmte Fälle.

543

§ 290. Die Hauptfrage der Lehre ist: genügt jede schuldhafte rechtswidrige Verletzung eines anderen, um eine Haftung zu begründen, oder gilt dies nur für bestimmte einzelne Fähe ? Das römische Recht stehte verschiedene festbestimmte Deliktsansprüche auf. Dagegen findet sich eine allgemeine Haftungsregel im preußischen Allgemeinen Landrecht (1, 6 §§ lOff.), im Code civil (art. 1382, 1383) und sächsischen BGB. (§§ 116ff., 773ff., 1483ff.). Nach § 823 I BGB. scheint es, als ob auch unser Gesetz von einer solchen ganz allgemeinen Regel ausginge. Aber es wird gleich zu zeigen sein, daß diese Vorschrift nur einen festbegrenzten Inhalt hat und im wesenthchen der römischen actio legis Aquihae entspricht. Freihch hat man dies gewöhnhch verkannt und daraus eine viel weitergehende Haftung ableiten wollen. Nur so viel ist richtig, daß diese Vorschrift wie auch die der §§ 823 I I und 826 einen verhältnismäßig weiten Kreis von Fähen umfaßt. Man kann sie daher als allgemeinere Tatbestände bezeichnen und den besonderen der §§ 824, 825 und 839 gegenüberstehen. Aber es ist dennoch daran festzuhalten, daß auch die ersten drei Bestimmungen einen ganz festen Tatbestand erfordern und sich nur auf bestimmte Schädigungsfähe beziehen — so daß sie sich von einer ahgemeinen Schadensklage scharf unterscheiden. Unser Gesetz kennt also nicht eine solche, sondern nur lauter einzelne A n s p r ü c h e aus Unrechtshandlung. Es folgt mithin durchaus dem römischen Recht. Man hat das zwar insofern einschränken wohen, als es im Gegensatz zu diesem die ahgemeinen Voraussetzungen und Wirkungen der Unrechtshandlungen gleichmäßig geregelt hat 6 . Aber dies war im römisch-gemeinen Recht auch der Fah. Wenn dort der Umfang der Haftung bei den einzelnen Klagen verschieden war, so galt das im wesenthchen nur insoweit, als sie auch dem Zwecke der Strafe dienten. Nachdem dies weggefahen, sind daher jene Unterschiede von selbst beseitigt worden. Weil unser Gesetz nicht bei jeder beliebigen Verletzung, sondern nur in ganz bestimmten Fähen eine Unrechtshandlung annimmt, muß deren Tatbestand genau festgesteht werden. Wie wir später sehen werden, wird für jede Unrechtshandlung gleichmäßig erfordert Verschulden, Verantworthchkeit und Rechtswidrigkeit. Aber außer diesen gemeinsamen Voraussetzungen hat jede von ihnen noch ihren besonderen festbestimmten Tatbestand, den wir 8

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 226.

Unrechtshandlungen.

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als den U n r e c h t s t a t b e s t a n d bezeichnen. Es gibt solcher, wie schon erwähnt, drei ahgemeinere — nach §§ 823 I , 823 I I und 826 — und drei einzelne — nach §§ 824, 825 und 839 BGB. — § 291. Nach § 823 I BGB. ist zum Schadensersatz verpfhchtet, wer schuldhaft „das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt". So ahgemein dies klingt, so ist doch eine starke Einschränkung geboten. Sicher ist zunächst, daß nicht eine jede schädliche Einwirkung auf ein fremdes R e c h t s g u t genügt 7 . Dafür spricht schon der Zusammenhang mit dem römisch-gemeinen Recht. Nach der lex Aquilia, auch nachdem sie in der Rechtsprechung und Wissenschaft ausgedehnt war, wurde nur die Schädigung an Sachen und menschhchen Körpern, ein damnum corpori datum, berücksichtigt, nicht aber jede Schädigung des Vermögens oder anderer Rechtsgüter. Zwar hat man in der gemeinrechtlichen Lehre zweitweise versucht, auch in den letzten Fällen eine actio utilis zu verteidigen: aber dies ist dann mit Recht ahgemein verworfen worden. Noch deuthcher ergibt sich die gleiche Einschränkung für das Bürgerliche Gesetzbuch daraus, daß es nur in ganz bestimmten Fällen andere Rechtsgüter schützt: in §§ 823 I I , 824, 825, 826 und 839. Ahe diese Vorschriften wären völhg überflüssig, ja in ihrer Beschränkung auf einzelne Fähe sogar ganz unrichtig, wenn ganz ahgemein jede Schädigung ausreichte. — Insbesondere ist eine Beeinträchtigung des Vermögens noch nicht als Unrechtshandlung zu betrachten, wie ahgemein, besonders auch in der Rechtsprechung 8, anerkannt wird 9 . Dafür sprechen die eben genannten Gründe, ferner § 676 BGB., der aus einer falschen Raterteilung regelmäßig keine Haftung entstehen läßt, und besonders auch die §§ 844, 845, die nur ganz ausnahmsweise für ganz bestimmte Fähe eine solche Haftung bejahen. Nur der gesetzhch Dienstberechtigte kann nach § 845 aus einer Verletzung des Dienstpfhchtigen Entschädigung fordern, also offenbar nicht auch andere Interessenten, insbesondere nicht der durch Dienstvertrag Berechtigte. — Hierdurch wird auch die Ansicht widerlegt, daß eine Vermögens7

Allgemeine Meinung: anders nur L i s z t a. a. R G . 51, 92. 58, 28. 65, 213; GruchBeitr. 50, 1907, 1259. 1909, 2483; SeuffA. 57 N r . 186; O L G . 9 Abweichend n u r E i t z b a c h e r a. a. O. 330ff.; spruch 156 ff. 8

Ο. 26. 965; Recht 1906, 505. 8, 17; 12, 110. L a n g h e i n e k e n , An-

Verletzung von Rechtsgütern.

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Schädigung, gegen die man Notwehr üben dürfe, genügend sei 10 . Denn Notwehr darf man auch zum Schutze eines anderen ausüben. Wenn also ein Angestellter angegriffen wird, so darf sein Dienstherr zu seinem Schutze Notwehrhandlungen vornehmen: und dennoch ist ihm ein Schadensanspruch aus § 823 nicht gegeben. Für diese Einschränkung sprechen endlich entscheidende Billigkeitsgründe. Wo nicht durch Vertragspflicht oder Gesetz eine besondere Sorgfaltspflege begründet ist, da darf nicht schon durch bloße Fahrlässigkeit eine Haftung erwachsen : so bei Er- ' teilung eines falschen Rats (oben S. 256), bei unrichtigen schriftstellerischen Ausführungen in rechthchen, wirtschaftlichen oder technischen Fragen, durch Fehler bei einem ungültigen Vertragsschluß (I, 555ff.), durch schlechtes Beispiel und in zahhosen ähnlichen Fähen. Besonders ist auch zu bedenken, daß ein fahrlässiges Verhalten oft auf die Rechtsgüter aller möghchen Dritten einwirken kann: so wird ein unordentlicher Verwalter oder Vorstand durch seine mangelhafte Geschäftsführung auch die Gläubiger des Unternehmens schädigen, ein unfähiger Kaufmann durch das Scheitern seines Geschäfts auch andere Firmen mit beeinträchtigen. Wollte man hier überall Schadensansprüche gewähren, so wäre des Klagens kein Ende. § 292. Aber es fragt sich, wo die Grenze zwischen den schutzlosen Rechtsgütern und den durch § 823 BGB. geschützten ist. Die herrschende Lehre bestimmt sie dahin, daß nur die Verletzung eines Rechts haftbar mache. Dafür spricht allerdings der Wortlaut des Gesetzes : „wer . . . das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines andern verletzt". Aber dieser Begriff der Rechtsverletzung ist nicht brauchbar, um die Abgrenzung zu bestimmen. Zunächst ist die Verletzung eines Rechts nicht notwendig. Dies geht deutlich schon daraus hervor, daß auch die Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit nach § 823 genügt. Denn diese Güter kann man unmöghch als Rechte bezeichnen. Man kann vieheicht annehmen, daß der Mensch ein Recht auf Schonung und Schutz dieser Lebensgüter habe — obwohl auch das sehr zweifelhaft ist. Aber man kann schlechterdings nicht sagen, daß sie selbst Rechte seien. Allerdings scheint die Ausdrucks weise des Gesetzes darauf zu deuten. Denn bei unbefangener Deutung ist aherdings der Nachsatz „und ein sonstiges 10

So J u n g , Reichsgerichts-Praxis 149.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

35

546

Unrechtshandlungen.

Recht" auf ahe vorher genannten Dinge gleichmäßig zu beziehen. Noch deuthcher sagte der erste Entwurf (§ 704 I I ) , daß die Verletzung dieser Güter ,,als die Verletzung eines Rechts angesehen werden" sollte. Danach nehmen in der Tat manche an, daß jene Güter wirklich Rechte seien 11 . Aber das ist unhaltbar 12 . Denn wie man auch den Begriff des Rechts bestimmen möge : unbedingt ist dafür zu erfordern, daß es durch die Rechtsordnung geschaffen sei. — Wenn hier also mehrere Güter geschützt werden, die keine Rechte sind, so ergibt sich schon daraus, daß der § 823 sich nicht nur auf Rechte bezieht. Man ist also genötigt, die dort geschützten Güter in zwei verschiedene Gruppen zu zerteilen: in persönhche Lebensgüter einerseits und Rechte anderseits. Damit ist die Einheithchkeit der Lehre schon zerstört. Man kann sie nicht damit retten, daß man die ersten Güter als Rechte fingiert; denn diese Bestimmung des ersten Entwurfs ist nicht in unser Gesetz übergegangen. Und auch nicht dadurch, daß man beide Gruppen unter dem Begriff einer „Imperativ-Potenz" zusammenfaßt 13. Denn auch danach bleibt es wahr, daß die zuerst genannten Güter keine Rechte sind und daß der § 823 sich also nicht nur auf solche bezieht. Außerdem ist dieser Begriff nicht scharf abgegrenzt und nicht einheitlich 14 . Man kann ihn nicht dahin bestimmen, daß es sich um ein „allseitig geschütztes" Interesse handle. Denn er deckt sich nicht mit dem des allwirksamen (absoluten) Rechts: es gibt auch allwirksame Rechte, die nicht unter § 823 fallen, vor allem die übrigen Persönlichkeitsrechte. Aber auch bei der Beschädigung von Sachen, also dem gewöhnlichsten Fah der Unrechtshandlung, liegt eine eigenthche Verletzung des Rechts gar nicht vor. Wer einen fremden Hund überfährt oder eine Wand beschmutzt, hat die fremde Sache verletzt, aber nicht das Eigentumsrecht des anderen. Dies Recht als solches ist dadurch nicht geschmälert worden. Eine Verletzung des Rechts im genauen technischen Sinne hegt nicht vor. Eine Rechtsverletzung ist also für die Unrechtshandlung nicht erforderlich. 11 D e r n b u r g 2 § 383; v . L i s z t a. a. Ο. 22; L i n c k e l m a n n a. a. O. 18 H a c h e n b u r g , Vorträge 424ff. 12 P l a n c k I I zu § 823; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 227; O e r t m a n n 1 zu § 823 u n d Genannte; R G . 51, 373. 56, 275. 58, 28ff. 60, 4ff. 13 S c h u l z - S c h ä f f e r a . a . O. 111 ff.; übereinstimmend J u n g , Reichsgerichts-Praxis 153. 14 O e r t m a n n , Juristisches L i t e r a t u r b l a t t 1915, 85.

Rechtsverletzung.

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Andererseits ist sie aber auch nicht immer ausreichend, eine Haftung aus § 823 I zu begründen. Ein Vermögensverwalter, der durch seine Nachlässigkeit verursacht, daß ein Recht seines Auftraggebers verjährt oder erlischt, macht sich nicht nach § 823 haftbar. Ebenso, wer den gleichen Erfolg durch einen schlechten Rat oder eine falsche Auskunft herbeiführt. Alles das sind Fähe einer bloßen Vermögensschädigung, die nicht als Unrechtshandlung anzusehen ist. Und doch läßt sich nicht leugnen, daß in ihnen wirklich ein Recht zerstört oder gemindert worden ist. § 293. Dies zeigt, daß es nicht darauf ankommt, ob gerade ein Recht ganz oder teilweise aufgehoben ist. Und das wird auch wohl von der herrschenden Lehre gar nicht gemeint: vielmehr die Verletzung eines Lebensgutes, worauf der Geschädigte ein Recht hat. Denn es dürfte dem ahgemeinen Sprachgebrauch entsprechen, schon die bloße Übertretung des im Rechte enthaltenen Befehls als die „Verletzung des Rechts" zu bezeichnen. Dagegen ließe sich nun freilich sofort schon der Einwand erheben, daß das noch gar kein besonderes Merkmal enthalte, sondern sich schon aus dem Erfordernis der Rechtswidrigkeit ergebe. Aber das wäre doch nicht berechtigt. I n unserer Rechtsordnung finden sich viele Bestimmungen, die etwas befehlen oder verbieten, ohne daß dem Geschädigten dadurch schon ein besonderes subjektives Recht verliehen wird. Nicht jedes geschützte Interesse bedeutet schon ein solches Recht. Besonders schützt das Strafgesetzbuch manche Rechtsgüter, z. B. die Nachtruhe, ohne daß man dies als ein eigenes Recht der Geschützten auffassen dürfte. Also ist es immerhin möglich, daß durch das Erfordernis eines subjektiven Rechts der Kreis enger gezogen würde, so daß gemeint wäre: ein Zuwiderhandeln gegen solche Rechtsvorschriften, die zur Bildung eines eigenen subjektiven Rechts geführt haben. So dürfte es auch von den meisten Anhängern der herrschenden Lehre verstanden werden. Aber auch diese Abgrenzung ist nicht haltbar. Denn es gibt zahlreiche solcher Verletzungen subjektiver Rechte, die nicht unter § 823 fallen: so vor allem das Zuwiderhandeln gegen ein S c h u l d recht. Wenn der Schuldner seine Leistung nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht richtig macht, so ist das ganz sicherhch keine Unrechtshandlung. Wenn ein Mensch verletzt wird, auf dessen Dienste ein anderer vertragsmäßigen Anspruch hat, so wird dieser Dienstherr regelmäßig nicht geschützt, wie deutlich aus der Ausnahme 35*

Unrechtshandlungen.

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der §§ 844, 845 hervorgeht. Wenn eine Sache verletzt wird, auf die ein Dritter ein Forderungsrecht hat, insbesondere als Käufer und Mieter, so hat dieser keinen Anspruch aus § 823. I n allen diesen und zahllosen anderen Fällen ist der nur Schuldberechtigte außerstande, gegen den dritten Verletzer vorzugehen. Und doch trifft es auch hier zu, daß ein durch ein Recht geschütztes Lebensgut verletzt ist. Die herrschende Meinung sucht sich zwar demgegenüber vielfach durch die Annahme zu helfen, daß hier eine bloße Vermögensschädigung vorliege. Aber wenn man unter der Verletzung eines Rechts schon das Zuwiderhandeln gegen ein durch ein Recht geschütztes Gut versteht, so kann doch gar nicht bestritten werden, daß ein solcher Tatbestand hier gegeben ist. Man beruft sich darauf, daß ein Schuldrecht nicht durch einen Dritten, sondern nur durch den Schuldner selbst verletzt werden könne 15 . Aber das ist kaum zutreffend : auch der Käufer kann gegen einen Dieb die Rechte der Notwehr und Selbsthilfe geltend machen. Vor ahem aber bleibt noch unerklärt, warum auch die Verletzung des Gläubigerrechts durch den Schuldner keine Unrechtshandlung enthält. Man pflegt zwar allerlei Gründe darzulegen, weshalb dies nicht annehmbar erscheint (unten § 305). Aber dadurch wird noch niemals das Ergebnis beseitigt, daß bei ahen diesen so bedeutsamen und alltäglichen Fähen die Verletzung eines durch Recht geschützten Gutes vorhegt — und dennoch keine Unrechtshandlung! so daß es also unmöghch ist, darin deren Abgrenzung zu finden. Noch schlagender aber wird diese Lehre dadurch widerlegt, daß sie selbst für allwirksame Rechte nicht überah durchgeführt werden kann. Wie man bisher ahgemein übersehen hat, gibt es auch viele solcher Ansprüche, deren Nichterfüllung noch keine Unrechtshandlung ist: dazu gehören schon die einfachen Ansprüche des Eigentümers auf Herausgabe der Sache (§ 985), Unterlassung von Störungen (§ 1004) und Berichtigung des Grundbuchs (§ 894 BGB.). Der Beklagte, der die Erfüllung dieser Ansprüche verzögert, begeht damit durchaus noch nicht eine Unrechtshandlung. Das gleiche gilt von einem Eigentümer, der die Sicherheit der Hypothek durch Vernachlässigung seines Grundstücks oder durch Entfernung von Zubehörstücken gefährdet (§§ 1133ff. BGB.). Auch bei der Verletzung von Rechten aus der Persönlichkeit ist nicht immer ein Unrechtsanspruch gegeben. Das erhebt schon daraus, daß der § 823 16

Z. B . R G . 53, 356.

Rechtsverletzung.

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nur einzelne bestimmte davon aufführt. Es mag möghch sein, dies noch auf gewisse andere auszudehnen — diese Frage wird später geprüft werden : aber daß sie alle darunter fielen, das erscheint nach dem Gesetz ausgeschlossen. Insbesondere kann die Ehre nicht dazu gehören; denn ihre fahrlässige Verletzung soll nach § 824 nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpfhchten (vgl. unten § 298). Ferner ist auch die Verletzung von Famihenrechten nicht immer als eine Unrechtshandlung anzusehen: z. B. nicht die Verletzung der ehehchen Pfhchten persönhchen und vermögensrechtlichen Inhaltes 16 . Auch gegen den Ehebrecher ist ein solcher Anspruch, z. B. auf Erhaltung des aus dem Ehebruch erzeugten Kindes nicht begründet 17 . Daß endhch auch die fahrlässige Verletzung des Erbrechts, z. B. durch Erhebung unberechtigter Ansprüche auf die Erbschaft, keine Unrechtshandlung enthält, dürfte sicher sein. Hierdurch wird die allgemeine Auffassung völhg widerlegt, daß schon ein Zuwiderhandeln gegen ein Recht ohne weiteres als Unrechtshandlung anzusehen und nur gerade für die Schuldrechte eine Ausnahme zu machen sei. Und danach ist die herrschende Lehre, daß es gerade auf diese Rechtsverletzung ankomme, in keinem Sinne haltbar. Weder ist maßgebend, daß das Recht selbst im eigenthchen Sinne zerstört werde, noch auch, daß ein durch ein Recht geschütztes Lebensgut beschädigt werde. Es ist eine gewaltige Selbsttäuschung der bisherigen Lehre, wenn sie meint, grade auf Rechtsverletzungen den Kreis der Unrechtshandlungen einschränken zu können. § 294. Vielmehr muß auch hier die geschichthche Entwicklung aus dem römisch-gemeinen Rechte unser Wegweiser sein. Nach der lex Aquilia wird nur für die Verletzung von Sachen gehaftet. Die römische Rechtslehre dehnte dies auf die Verletzung von freien Menschen aus, hielt aber daran fest, daß ein corpus, ein körperhcher Gegenstand verletzt sein müsse. Auf demselben Standpunkt verharrte — nach einigen Abirrungen — auch die Rechtslehre des gemeinen Rechts (544). Nach dieser wohlbewährten Grundauffassung ist auch unser Gesetz auszulegen. Auch der § 823 ist in erster Linie auf Sachen zu beziehen. Das ergibt sich schon aus der Erwähnung des Eigentums, da man hierbei mindestens in erster Linie an Sachen denkt. Von da geht eine Anghederung sachähn10

R G . SeuffA. 61 N r . 38; GruchBeitr. 50, 684. R G . 72, 131. R G . 72, 130ff.; SeuffA. 61 N r . 66; O e r t m a n n 3 zu § 823. Näheres unten § 302. 17

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Unrechtshandlungen.

licher Güter aus. Zunächst wird die Haftung wie im römisch-gemeinen Rechte auf die Körper der Menschen ausgedehnt, die zwar keine Sachen sind, aber auch körperhcher Art und daher der Beobachtung als k ö r p e r l i c h e Gegenstände erschienen. Nicht in allen Beziehungen erhält die Persönhchkeit des Menschen diesen Schutz, sondern eben nur, soweit er als Körper in Betracht kommt. So erklärt es sich, daß nur Leben, Körper, Gesundheit und körperliche Freiheit hierher gerechnet werden; nicht aber z. B. die Ehre. Man sage ja nicht, daß jene vier die wichtigsten Güter seien: denn man würde sich damit zu der trostlosen Auffassung bekennen, daß der Körper höher als die Ehre zu schätzen sei ! Nicht auf die Wichtigkeit kommt es an, sondern auf den Zusammenhang mit dem Körper. Allerdings geht das Gesetz hier etwas über die rein physische Abgrenzung hinaus. Zu dem Körper und daher zu den geschützten Gütern rechnet es auch den Namen und das Bild, die ja fast greifbar dem Menschen unmittelbar anzuhaften scheinen. Aber es schheßt diejenigen Eigenschaften und Lebensgüter aus, die ihm erst mittelbar durch eine künstliche Wertung zugesprochen werden, wie die Ehre und die Zugehörigkeit zu einem Stande. I n dieser Weise treten zu den Sachen die ihnen verwandten menschlichen Körper als körperhche Gegenstände hinzu. I n einem etwas anderen Sinne spricht man in der Rechtslehre von Gegenständen, indem man darunter alles das versteht, woran Rechte bestehen können — r e c h t l i c h e Gegenstände: und das sind Sachen, Rechte und Schöpfungen. Auch die beiden letzten Gruppen werden als den Sachen verwandt behandelt und in derselben Weise geschützt. Es ist das für die Schöpfungen ahgemein anerkannt, und auch für die wirtschaftlichen Unternehmungen ganz überwiegend. Aber auch für die Rechte, insbesondere für die Forderungen, läßt es sich füghch nicht bestreiten (unten S. 562ff.). So sehen wir, daß zu den Sachen als ihnen verwandt zugerechnet werden: einerseits die übrigen körperlichen Gegenstände und anderseits die übrigen rechthchen Gegenstände. Den gleichen Schutz wie die Sachen erhalten die sachähnhchen Güter oder — wie man wegen der doppelten Bedeutung dieses Wortes auch sagen kann — die Gegenstände. Der § 823 bezieht sich nicht auf alle Güter, sondern nur auf Sachen u n d andere Gegenstände. Auch den Verfassern des Gesetzes scheint etwas Ähnliches vorgeschwebt zu haben. Der § 704 Absatz I des ersten Entwurfes wollte ahgemein jede Schadenszufügung treffen, der Absatz I I nur die

Rechtsverletzung.

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Verletzung eines Rechts, womit nach den Motiven (2, 726) nur absolute Rechte gemeint waren. Von der zweiten Kommission wurde nun mit Recht der zu ahgemeine Absatz I gestrichen und nur der Absatz I I beibehalten 18 , natürlich in derselben Bedeutung wie bisher. Hieraus ergibt sich, daß man bei dieser Vorschrift nur absolute Rechte meinte, also jedenfalls nur an Sachen dachte. Leider ist das aber doch in der Form ausgedrückt worden, daß man die geschützten Güter als Rechte bezeichnete. Und so ist der Wortlaut des § 823 entstanden, auf dem die herrschende Lehre beruht. Wir glauben aber dargetan zu haben, daß es nicht möghch ist, es so auf die Verletzung des Rechts abzustellen, daß es vielmehr darauf ankommt, ob das verletzte Gut ein Gegenstand ist. Man wird gegen diese neue Lehre einwenden, daß auch andersartige Rechte, z. B. das Recht am Namen und an einem Unternehmen geschützt würden. Aber diese sind, wie schon angedeutet, auch mit unter die genannten Gruppen zu rechnen. Der Name ist ein Teil des Personenrechts und wird als solcher geschützt. Das Unternehmen ist eine Schöpfung wirtschafthcher Art, ähnlich dem Gebrauchsmuster, und daher den geschützten Schöpfungen zuzurechnen. Wie wir schon bei dem Schutz der Persönhchkeit sahen, kommt es hierbei eben darauf an, ob das einzelne Gut unmittelbar mit zu einem Gegenstand gehört; und dieser selbe Gesichtspunkt wird sich auch ferner in den Grenzfähen bewähren. § 295. Unsere Unterscheidung bedarf nämlich noch einer näheren Darlegung und Abgrenzung. Zunächst werden außer den Sachen die k ö r p e r l i c h e n Personen geschützt. Die Abgrenzung dieser Personenrechte von den Vermögensrechten hat wieder Anlaß zu Zweifeln gegeben 18a . Man hat den Unterschied darin finden wollen, ob ein materielles, geldliches oder aber ein geistiges Interesse geschützt wird. Aber das ist deshalb unrichtig, weil es auch Vermögensstücke gibt, wie Grabstätten und Familienbilder, bei denen das Interesse — wenigstens in erster Linie — nicht auf Geldwerte gerichtet ist. Man wird vielmehr als maßgebend anzusehen haben, ob es sich um Güter handelt, die dem Menschen selbst anhaften oder aber außerhalb stehen 19 . — Von solchen Persönhchkeitsgütern führt das Gesetz 4 auf: Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit. 18

Protokolle 2, 566ff.; 6, 200ff. de B o o r , Urheberrecht 22ff.; weitere Angaben bei R e i n h a r d t , Das Persönlichkeitsrecht i n der geltenden Rechtsordnung 9, A n m . 6. 19 de B o o r , Urheberrecht 22ff. 18a

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Unrechtshandlungen.

Diese beziehen sich — und damit bestätigt sich die aufgestellte Unterscheidung — ausschheßhch auf den Körper des Menschen. Bei den ersten drei ist das ohne weiteres kar. Aber auch unter der Freiheit ist nur die körperhche Bewegungsfreiheit verstanden 20 . Man hat zwar behauptet, daß es ganz ahgemein auf jede freie Betätigung des Willens zu beziehen sei 21 . Jedoch wäre es zunächst irrig, jede Beeinflussung eines fremden Willens, z. B. durch Zureden oder Überredung anderer, ohne weiteres für unerlaubt zu erklären: sondern sie wird erst dadurch unzulässig, daß unlautere Mittel, wie Betrug oder Zwang dabei verwendet werden 22 . Selbst wenn aber auch ein solches unrichtiges Verhalten — etwa die Ausstehung eines falschen Zeugnisses oder einer unrichtigen Auskunft — dabei mitwirkt, kann man die sich daraus ergebende Beeinflussung nicht als eine Verletzung der Freiheit bezeichnen und behandeln 23 . Daher ist auch ein Recht auf Arbeitsfreiheit nicht anzuerkennen 24. Vielmehr kann im Fah einer Aussperrung ein Anspruch nur auf § 826 BGB. gestützt werden 25 . Es wäre auch überaus bedenkhch, aus einer bloß fahrlässigen Störung einen Schadensersatzanspruch abzuleiten — z. B. wenn jemand durch eine irrige Auskunft über den Weg zum Bahnhof die Arbeit des anderen beeinträchtigt. Und ebenso ist ein besonderes Recht auf Freiheit der Fabrikation zu verwerfen. So zeigt sich deuthch, daß diese vier im Gesetz genannten Güter sich ausschheßhch auf den Körper des Menschen beziehen. § 296. Derselbe Gedanke muß auch bei der wichtigen Frage maßgebend sein, ob die Haftung auf andere Seiten der Persönlichkeit auszudehnen sei und auf welche. Allerdings wird mehrfach die Ansicht vertreten, daß es ein allgemeines Recht der Persönlichkeit gebe, das in allen Richtungen rechtlich geschützt werde. Daran ist soviel richtig, daß man die Fähe, wo die Person geschützt wird, unter einem einheithchen Oberbegriff zusammenfassen kann ; nicht 20 Herrschende Meinung: R G . 48, 123. 58, 28; S c h u l z - S c h ä f f e r 152ff. u n d Angeführte. 21 D e r n b u r g 2, 721ff.; P l a n c k 2 zu § 823; L i s z t a. a. O. 24ff.; C r o m e , System 2, 1018. 22 R G . 58, 28. 23 R G . a. a. O., 76, 318ff.; J W . 1902 Beil. 276. 1905, 369ff. 1911, 584; D J Z . 1906, 1095. 1911, 651; Recht 1908, 369. 24 Wie R i e z l e r , B ü r g A . 27, 243. 25 R G . 51, 369ff. 76, 44. 64, 155ff. ; GruchBeitr. 58, 426ff.; ebenso die L i t e r a t u r , Anführungen bei S c h u l z - S c h ä f f e r 207 A n m . 1.

Persönlichkeit.

553

aber kann man daraus einen Rechtsschutz für ahe persönlichen Güter ableiten 26 . Die Gegner berufen sich teilweise darauf, daß dies Recht sich aus der Anerkennung des Menschen als Rechts Subjekt ergebe 27. Aber daraus folgt nur, daß er Rechte haben kann, aber keineswegs, welche Rechte ihm zustehen. Andere machen geltend, daß der Mensch auch ohne Beziehung zur Außenwelt Rechte für sich habe 28 . Aber auch daraus folgt nicht mehr, als daß es Persönhchkeitsrechte gibt, aber keineswegs, wieweit sie reichen. Diese Schriftsteher gehen zum Teil sogar über das geltende Recht hinaus und nähern sich einer naturrechthchen Beweisführung. Noch weiter geht darin Kohler 2 9 , indem er für die Persönlichkeit das Recht aufsteht, zu fordern, daß sie als vollgültig anerkannt und nicht angetastet werde. Aber dies würde dahin führen, daß man den Wert anderer Menschen überhaupt nicht anzweifeln dürfte. Indessen gewährt unsere Rechtsordnung hier — mit voller Berechtigung —Ansprüche nur dann, wenn diese Antastung in beleidigender Weise oder durch unwahre Behauptungen erfolgt. Nach der Lehre der Gegner würde man auch gegen wahrheitsgemäße Mitteilungen und Urteile, die eine Persönhchkeit herabsetzen, vorgehen können. Ferner könnte gegen einen Dichter jeder klagen, der durch Anspielungen in seinen Werken unangenehm berührt wird 2 9 a : aber das würde, da der Dichter seine Menschen aus dem Leben entnimmt, zu unheilvohen Einschränkungen dieser Kunst führen. Der Verfasser eines Kunstwerks würde auch gegen diejenigen Verwertungen vorgehen können, die nicht durch die Urhebergesetze geschützt sind, z. B. durch Rundfunk 3 0 oder durch Entlehnung von Figuren für andere Dichtungen oder Filme. Ahe diese Ansprüche wären nicht nur gegen schuldige Verletzer, sondern wegen der allwirksamen Natur des Persönhchkeitsrechts auch gegen andere gegeben. Aber diese Folgen sind sehr unerfreulich und werden mit Recht von der Wissenschaft und Rechtssprechung abgelehnt. 26 R G . 113. 414. Ebenso die sonstige Rechtsprechung: R G . 69, 40ff. 79, 328 u n d die herrschende Meinung: S c h u l z - S c h a f f er a. a. O. 131 ff. u n d Genannte. 27

G i e r k e , Privatrecht 1, 903.

28

R e g e l s b e r g e r , Pandekten § 50.

29

A r c h B ü r g R . 7, 94ff.; L e h r b u c h 2, 1, 522; ähnlich D e r n b u r g 2

§ 383. 29a 80

So O L G . K i e l J W . 1930. 88ff.; vgl. R e i n h a r d t a. a. O. I f f . Dagegen besonders R G . 113, 414.

Unrechtshandlungen.

554

Andere gelangen zu einer gleichen Ausdehnung auf einem anderen Wege: daraus, daß § 823 die vier dort genannten Güter als Rechte bezeichne, gehe hervor, daß alle Güter der Persönlichkeit als Rechte behandelt und daher geschützt würden 31 . Nach der Ausdrucksweise des § 823 scheint es allerdings so, als ob die dort genannten Persönhchkeitsgüter mit zu den „sonstigen Rechten" gerechnet würden. Aber wie schon oben (S. 545) dargetan, ist diese Auffassung doch unmöghch, da diese Güter ja gar nicht durch die Rechtsordnung geschaffen sind. Selbst wenn jedoch unser Gesetz diese vier Güter zu Rechten stempeln würde, so könnte daraus doch gar nichts für die andere Frage folgen, ob dies auch auf die übrigen Lebensgüter auszudehnen wäre. I m Gegenteil: da es sich hier doch nur um eine Fiktion handeln könnte, würde man mit deren Ausdehnung ganz besonders vorsichtig sein müssen. — Hiernach ist es nicht angängig, den Schutz des § 823 ohne weiteres auf alle Persönhchkeitsgüter zu beziehen. Vielmehr muß — wie das auch die herrschende Meinung mit Recht tut — im einzelnen untersucht werden, bezüglich welcher von ihnen dies zulässig ist. § 297. Zu bejahen ist die Ausdehnung für die Verletzung des Namens und des Bildes. Hier gewährt unsere Gesetzgebung deutlich einen allwirksamen Anspruch gegen Beeinträchtigung (§ 12 BGB., §§ 22ff. Kunstschutzgesetz 1. Juh 1907). Demgemäß ist bei schuldhafter Verletzung auch ein Schadensanspruch nach § 823 zu gewähren. Darüber herrscht allgemeine Übereinstimmung. Streitig ist nur, ob ein Persönlichkeits- 32 oder ein Schöpfungsrecht, sogenanntes Immaterialgüterrecht) 33 vorhegt. Den Unterschied sahen wir (S. 551) darin, daß es sich im zweiten Fahe um ein außerhalb des Menschen hegendes Gut handelt. Und danach werden wir im Namen ein persönliches Gut erblicken müssen. Denn der Name des Menschen wird im Leben nicht als eine außer ihm hegende Beziehung, sondern als ein Stück von ihm, als seine sprachliche Verkörperung angesehen. Eben darauf beruht es auch, daß diese Güter Schutz nach § 823 erhalten. Es ergibt sich nicht nur aus ihrer Wichtigkeit und dem 31

D e r n b u r g 2 § 383; L i n c k e l m a n n a. a. O. 18; H a c h e n b u r g , Vorträge 155 ff. 32 Herrschende Meinung, besonders G i e r k e a. a. Ο. 720; K o h l e r , ArchBürgR. 5 , 7 7 ; 0 1 s h a u s e n , Verhältnis d. Namensrechts zum Firmenrecht. 33 L o b e a. a. O. 162; v . T u h r a. a. O. 444; O e r t m a n n 6 z u § 1 2 ; S c h u l z - S c h ä f f e r a. a. O. 179ff.

Persönlichkeit.

555

ihnen deshalb verliehenen Namenschutz. Denn das würde in noch höherem Maße auch bei der Ehre und anderen bedeutsamen Gütern zutreffen, die dennoch nicht unter § 823 fahen. Sondern der Grund liegt eben darin, daß der Name als ein Stück des Menschen selbst angesehen wird. Diese Auffassung, die den Namen mit dem Gegenstand gleichsetzt, mag recht anfechtbar sein, aber sie ist die des Lebens, und ihr folgt das Gesetz. Nach ihr ist der Name — und ebenso das Bild — ein Teil der körperlichen Person, und daher ist auch der Schutz, der dieser gewährt wird, auf ihn auszudehnen. — Ganz anders wird dieser Schutz von der herrschenden Lehre begründet. Auf Grund ihrer Anschauung, daß nur Rechte geschützt werden, will sie die Haftung aus der Verletzung des Namensrechts ableiten. Aber jene Grundauffassung ist eben, wie gezeigt wurde, nicht haltbar. Und gerade auch hier ist sie nicht zureichend. Denn sie würde dahin führen, daß der Schadensanspruch eben nur bei solchen Verletzungen, gegen die sich der allwirksame Anspruch aus § 12 BGB. richtet, gegeben wäre: also nur, wenn der Name bestritten oder unbefugt gebraucht würde. Dies wäre aber zu eng. Ein Schadensanspruch muß auch da gewährt werden, wo jemand einen fremden Namen in anderer Weise antastet, z. B. ihn zu verletzenden Witzen benutzt. § 298. I m Gegensatz zu diesen Gütern, die der Person unmittelbar anhaften, werden die übrigen, die nur losere Beziehungen enthalten, nicht nach § 823 geschützt. Dies gilt besonders von der Ehre. So entscheidet auch die ganz überwiegende Meinung 34 . Freilich ist ihrer Beweisführung aus den Vorarbeiten dee Gesetzes keine große Bedeutung beizumessen. Aber wesenthch ist, daß die fahrlässsige Verletzung der Ehre in § 824 besonders geregelt ist und danach nicht schlechthin verpfhchtet, sondern nur, wenn daraus wirtschafthche Nachteile erwachsen. Man hat zwar dagegen eingewendet, daß § 824 sich nur auf kreditschädigende, aber nicht auf ehrenrührige Tatsachen beziehe — und dies damit begründet, daß die Behauptung der letzteren ja schon nach § 823 I I BGB. (Schutzgesetz) in Verbindung mit § 186 StGB, (üble Nachrede) haftbar mache 35 . Aber diese Vorschriften sind nur bei Vorsatz des Täters 34 R G . 51, 372ff. 60, 5; W a r n e y e r , Erg. 1909, 232; weitere Angaben bei S c h u l z - S c h ä f f e r a. a. O. 161 A n m . 2. — Dagegen D e r n b u r g 2, 722; J W . 1905, 161; L e h m a n n , Unterlassungspflicht 129; F r ä n k e l , Schutz der E h r e ; S c h u l z - S c h ä f f e r a. a. O. 161ff. 35 S c h u l z - S c h ä f f e r a. a, O. 163, 164.

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Unrechtshandlungen.

anwendbar, und die Bedeutung des § 824 BGB. liegt demgegenüber darin, daß er die Haftung auch auf Fahrlässigkeit ausdehnt. Auch § 825 BGB. würde beinah überflüssig sein, wenn die Ehre schon durch § 823 geschützt würde. Denn auch diese Vorschrift schützt nicht nur das freie Bestimmungsrecht der Frau, sondern in erster Linie ihre Ehre. Freilich berufen sich die Gegner darauf, daß die sonstigen Bestimmungen über den Schutz der Ehre unzureichend seien und dringend einer Ergänzung bedürften : nämlich für die Fähe, wo der, der über einen anderen herabwürdigende Tatsachen behauptet, dabei in der Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt. Hier ist die Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (nach § 823 I I BGB., § 186 StGB.) ausgeschlossen, weil § 193 StGB, hier die Rechtswidrigkeit verneint, und ebenso auch die Haftung aus § 824 nach dessen Absatz I I . Und dennoch kann der Angegriffene das ahergrößte Interesse daran haben, die Unwahrheit der Angaben vor Gericht nachzuweisen. Allerdings wird man sich gegen eine hartnäckige Wiederholung der Behauptungen oft wehren können. Wenn nämhch die Unrichtigkeit der Behauptungen bereits festgestellt ist, wird man ihre Wiederholung auch dann als unerlaubt zu betrachten haben, wenn damit berechtigte Interessen verfolgt werden 36 . Immerhin ist der Angegriffene aber noch solange schutzlos, als dieser Beweis noch nicht geführt ist — und er muß gerade deshalb klagen können, um diesen Beweis zu erbringen. Das Reichsgericht will hier mit der sogenannten ahgemeinen Unterlassungsklage helfen, die aber nicht anerkannt werden kann 3 7 . Andere wollen hier eben aus § 823 I einen Anspruch geben 38 . Aber dieser Weg ist auch nicht gangbar, eben weil die Ehre durch diese Vorschrift nicht geschützt wird. Er ist aber auch deshalb unzureichend, weil er nur gegen einen schuldhaften Gegner helfen, also in vielen wichtigen Fähen versagen würde. Außerdem würde er gleichfalls durch die Sondervorschrift des § 824 I I ausgeschlossen werden 39 . Diesen Bedenken kann man nur dadurch entgehen, daß man den Anspruch nicht als einen Schadensanspruch aus Unrechtshandlung betrachtet, sondern als eine objektiven Störungsanspruch, entR G . 61, 369ff.; SeuffA. 69 N r . 105; L e h m a n n , J W . 1929, 2339 gegen R G . 124, 253ff. 37 R G . 60, 6ff.; dagegen unten §§ 357ff. 38 S c h u l z - S c h ä f f e r a. a. O. 171ff. 39 v . L i s z t a. a. Ο. 23.

Ehre.

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sprechend dem aus der Verletzung des Namens nach § 12 BGB. Hier ist ein Verschulden des Beklagten nicht erforderlich. Hier steht auch der § 824 I I nicht entgegen, weil er nur den Anspruch auf Schadensersatz verneint, also nicht einen solchen auf Herstehung. Aherdings könnte man dagegen einwenden, daß die allwirksamen Ansprüche doch auch einen rechtswidrigen Eingriff voraussetzten und daß die Wahrung eines berechtigten Interesses eben dessen Rechtswidrigkeit beseitigte. Aber es ist im Gesetz doch nicht gesagt, daß eine Äußerung, die diesen Zweck verfolgt, dadurch nach allen Richtungen zu einer rechtmäßigen werde. So wird dies i n § 824 I I BGB. ausdrücklich dahin eingeschränkt, daß nur eine fahrlässig unrichtige Behauptung dadurch gerechtfertigt wird. So wäre es auch unberechtigt, die zur Wahrung berechtigter Interessen aufgestehte Behauptung als eine voll rechtmäßige anzusehen. Sie bleibt z. B. insofern rechtswidrig, als man dagegen Notwehr üben darf. Und ebenso muß es dem Angegriffenen gestattet sein, eine bloße Richtigstehung der Behauptung zu fordern. § 299. Ähnhches wie von der Ehre gilt von dem Interesse, das ein Mensch an der Geheimhaltung gewisser Dinge hat. Man hat behauptet, daß auch hier ein Schutz gegen das schuldhafte Eindringen in den Geheimbereich gewährt werde 40 . Aber auch das wird mit Recht fast ahgemein abgelehnt. Dagegen spricht schon, daß nur bestimmte Personen zur Geheimhaltung von Tatsachen verpfhchtet sind, insbesondere Ärzte und Angestellte 41 : diese Vorschriften sind ganz scharf abgegrenzt und können unmöghch auf alle anderen Menschen ausgedehnt werden. Ebenso verbietet das Strafgesetzbuch (§ 299) das unbefugte Eröffnen eines verschlossenen Briefes. Auch dies kann man unmöghch auf offene Briefe und Urkunden erstrecken. Und in erhöhtem Maße gilt das für das sonstige Beobachten und Weitererzählen. Man darf nicht Tatsachen verbreiten, die nicht erweislich wahr sind (§ 186 StGB.): aber das Verbreiten erweishch wahrer Tatsachen ist nicht verboten. Besonders bedenklich wäre es, wenn schon das nur fahrlässige Verraten fremder Geheimnisse, unvorsichtige Bemerkungen zum Schadensersatz verpflichteten. Gegen einen wirklich schhmmen Mißbrauch schützt die Haftung wegen unsitthcher Schädigung (§ 826 BGB.); sie kann z. B. auch bei einer unanständigen Überwachung durch Spitzel 40

G i e s k e r , Das Recht des Privaten an der eigenen Geheimsphäre; auch Kohler a. a. O. 41 § 300 R G B . §§ 17, 20 Ges. Unerl. Wettbewerb, § 141 RVersO.

558

Unrechtshandlungen.

eingreifen. — Von Bedeutung ist besonders die Frage, ob man sich gegen eine Veröffenthchung von Briefen durch den Empfänger wehren kann. Hier kommt zunächst bei solchen Briefen* die sich durch ihren Inhalt oder ihre Formgebung als literarische Erzeugnisse darstellen, der Urheberschutz in Betracht, wie in dem bekannten Fah der Briefe Nietzsches42. Aber manche wollen auch bei anderen Briefen einen Schutz nach § 823 gewähren, soweit diese Geheimnisse enthalten. Man beruft sich darauf, daß, wenn schon das äußere Bild des Menschen gegen Veröffenthchung geschützt werde, dies um so mehr für das Bild von Seelenzuständen gelten müsse. Aber hierbei wird eben der bedeutsame Unterschied übersehen, daß das Bild mit dem Körper des Menschen aufs engste zusammenhängt und aus diesem Grunde den gleichen Schutz genießt. Überdies bezweckt dieser Rechtsschutz auch nicht nur den Schutz von Geheimnissen : ganz abgesehen von diesem Zweck soll der Dargestellte die Verbreitung seines Bildes verhindern können. Anderseits ist gegen die Gegenansicht einzuwenden, daß dann gar keine Abgrenzung zu finden ist. Wenn der Inhalt von Briefen geheim gehalten werden muß, so muß das gleiche auch für andere Urkunden und schließlich auch für mündliche Mitteilungen gelten. Und damit kämen wir wieder zu jener unerträghchen Annahme, daß sogar schon das fahrlässige Mitteilen wahrer Tatsachen, die einen anderen belasten, zum Schadensersatz verpflichte. Auch die Auskunftsbüros könnten dann sofort ihren Betrieb einstehen. Man hat zwar dagegen eingewendet, daß sie solche Tatsachen mitteilen dürften, die der Anfragende auch anderwärts selbst hätte ermitteln können 43 . Aber diese Unterscheidung ist nicht zu begründen — und überdies muß das Büro auch andere ihm bekannte Umstände mitteilen können: ja, es ist sogar dazu verpfhchtet, wenn es sich nicht dem Anfragenden haftbar machen wih. Ahes dies zeigt, daß ein solcher allgemeiner Schutz des Geheimnisses nicht besteht und äußerst bedenklich wäre. Und so können wir rückbhckend feststehen, daß nur die mit dem Menschen unmittelbar zusammenhängenden Güter des Namens und Bildes durch § 823 geschützt werden. § 300. Neben die körperlichen Gegenstände stehen wir die Gegenstände im Rechtssinn — d. h. Dinge, an denen Rechte be42

K o h l e r , ArohBürgR. 7, 105ff.; G i e s k e r a. a. O. 167ff.; M i t t e i s , Gutachten zum 25. Juristentag 49ff.; S c h u l z - S c h a f f er a. a. O. 232ff. 43 S c h u l z - S c h ä f f e r a. a. O. 239.

Schöpfungen.

559

stehen können. Als solche kommen in unserer Rechtsordnung in Betracht: Sachen, Rechte und Schöpfungen. Wir betrachten zunächst die letzteren. Von manchen werden die daraus entspringenden Befugnisse mit zu den Persönhchkeitsrechten gezählt, weil die persönlichen Interessen des Urhebers dabei eine erhebhche Rohe spielten. Aber für die Abgrenzung zwischen beiden Gruppen kann nicht maßgebend sein, ob es sich um Geld und geldwerte Interessen, sondern nur, ob es sich um Güter in dem Rechtssubjekt selbst oder in der Außenwelt handelt 44 . Nach dieser Unterscheidung sind die Schöpfungsrechte nicht zu den Personenrechten zu rechnen. Sie sind auch nicht als Rechte an Sachen anzusehen — denn das künstlerische Erzeugnis ist durchaus verschieden von dem Papier, worauf es geschrieben ist — oder als Rechte an Forderungen. Maßgebend ist auch nicht, welcher Art die schaffende Tätigkeit ist. Auch wenn dies eine künstlerische Arbeit war, so kann sie doch auch zur Herstehung einer Sache, z. B. eines Gemäldes führen. Vielmehr kommt es eben darauf an, was dadurch erzeugt worden ist, ob nur eine körperhche Sache oder ein eigenes Kulturgut. Dies kann künstlerischer oder wirtschafthcher Art sein. Der verbreitete Ausdruck „Immaterialgüterrechte" ist dann richtig, wenn er den Gegensatz zu Sachen bezeichnen soll. Er kann aber auch dahin mißverstanden werden, daß es auf die Frage des Geldinteresses ankomme — und jedenfahs ist er sehr häßlich. Es kommen hier zunächst die künstlerischen und schriftstellerischen Erzeugnisse in Betracht, die durch die verschiedenen Reichsgesetze eingehend geregelt sind, ferner die Erfindungen nach dem Reichs-Patentgesetz, die Gebrauchsmuster und Warenzeichen. Hier überall kann kein Zweifel bestehen, daß ein geschütztes Kulturgut vorliegt — wenn auch im Patentgesetz und einigen verwandten die Haftung auf die Fähe der wissenthchen und grobfahrlässigen Verletzung beschränkt ist 4 5 . Zweifelhaft kann nur sein, ob dies auf andere, im Gesetz nicht genannte Güter auszudehnen ist. Dies ist für den gewerblichen B e t r i e b zu bejahen 45 . Unter Betrieb ist die dauernde erlaubte einheithche wirtschafthche Tätigkeit zu ver44

de B o o r , Urheberrecht 22ff.; 47, 161; oben S. 551. So auch die herrschende Meinung; besonders R G . 28, 228ff. 51, 369. 58, 28ff. 64, 156ff. 65, 210. 71, 108ff. 73, 111. 77, 218. 79, 226. 94, 249. 95, 340. 107, 225; J W . 1920, 590. — Abweichend (nur Schutz nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb): R G . 56, 271; v . T u h r a. a. O. 155ff.; P l a n c k I I zu § 823; S a l i g e r , GruchBeitr. 62, 289ff. 45

Unrechtshandlungen.

560

stehen 46 : er ist selbständig übertragbar 47 und verpachtbar 48 . Von den einzelnen Sachen des ' Betriebsvermögens ist er durchaus zu unterscheiden 49 . Zu seinem Schutze ist ein allwirksamer Anspruch, ähnhch § 1004 BGB. 5 0 , und gegenüber einer schuldhaften Verletzung auch ein Schadensanspruch nach § 823 BGB. zu gewähren. Dafür spricht nicht nur, daß dies Gut durch verschiedene Gesetze geschützt wird 5 1 , sondern vor ahem wieder, daß die Wihensbetätigung darin bereits eine „gegenständliche Verkörperung" gefunden h a t 5 2 . Auch hier ist also der von uns betonte Gesichtspunkt der entscheidende. — Daraus ergibt sich zugleich auch, wie weit dieser Schutz reicht : nämhch nur, soweit der Bestand dieses Gegenstandes bedroht wird. Nur soweit die Gefahr einer Einstehung oder wesenthchen Lahmlegung des Betriebes in Frage steht, ist der Anspruch zu gewähren 53 . Anders dagegen, wenn nur der Ertrag des Betriebes beeinträchtigt wird, z. B. durch Einwirkung auf die Kunden 5 4 oder auf die Lieferanten 55 oder auf die zugehörigen Grundstücke 56 . Daher genügt auch der Boykott einer Gastwirtschaft nicht 5 7 — außer wenn diese dadurch geradezu gesperrt wird 5 8 . Eine solche bloße Beeinträchtigung richtet sich nicht gegen den geschützten Gegenstand, sondern nur gegen das Vermögen : es hegt keine gegenständliche Schädigung und daher keine Haftung vor 5 9 . Auch hier handelt es sich nicht um ein Recht der Persönlichkeit 60 , sondern 48

J a c o b i , Leipziger Festschrift für Ehrenberg; E c k h a r d t , Z b l f H R . 1929 N r . 6; Z H R . 94. 47 E c k h a r d t daselbst. 48

W o l f f , Sachenrecht § 80 A n m . 16. R e g e l s b e r g e r , Z H R . 14, l l f f . ; B i n d e r , Stellung des Erben 31 ff.; R G . a. a. O. 50 R G . 22, 93. 58, 29 u n d dort angeführte Entscheidungen. 51 Insbesondere i m Gesetz über den unerlaubten Wettbewerb u n d i n § 51 Gewerbeordnung. 52 R G . 58, 29. 53 R G . 58, 27ff. 79, 226. 95, 340. 102, 225; J W . 1905, 174. 430. 54 R G . 48, 114ff. 79, 226ff.; J W . 1911, 713. 63 R G . 56, 271; SeuffA. 70, 322ff. 56 J W . 1909, 493. 57 R G . 61, 366ff. 64, 53ff. 58 R G . 76, 35ff. 59 Herrschende Meinung ; weitergehend F i n g e r , UnerlWettbGes. 17; D e r n b u r g § 18; O e r t m a n n 3 zu § 823; D J Z . 1899, 93. 1904, 623. 60 So G i e r k e , K o h l e r a. a. O., S c h u l z - S c h ä f f e r 210ff. 49

Schöpfungen.

561

eine wirtschaftliche Schöpfung 61 : denn sie ist eben außerhalb des Menschen, in seiner Umwelt gelegen. § 301. I m Gegensatz zu einem solchen verkörperten Kulturgut sind alle die anderen Schöpfungen und Güter nicht geschützt. So ist das Anrecht auf Betätigung der Arbeitskraft und Ausübung des Berufes nicht mit Rechtsschutz ausgestattet (oben S. 552): insbesondere macht eine fahrlässige Störung durch einen Dritten nicht haftbar. Auch die sitthchen und religiösen Interessen werden nicht ohne weiteres durch einen solchen Anspruch geschützt. Auch hier reicht eine fahrlässige Verletzung nicht aus: z. B. wenn sich jemand unvorsichtigerweise in mangelhafter Bekleidung am Fenster sehen läßt. Sonst wäre eine gefährliche Gelegenheit für gehässige Klagen der Nachbarn gegeben. Gegen vorsätzhche Verletzungen der Sittlichkeit schützt § 826 BGB. und das Strafgesetzbuch. Dieser Schutz reicht auch vollkommen aus, um die Belästigung durch unzüchtige Betriebe zu verhindern. Allerdings muß der Beklagte hier das Bewußtsein einer schädlichen Einwirkung gehabt haben ; aber dessen Vorliegen wird sich regelmäßig schon aus der Führung des Betriebes ergeben 62. Daher hat die Rechtsprechung sehr mit Recht den Anspruch auf die letzteren Fälle eingeschränkt und einen weitergehenden abgelehnt ; er läßt sich auch nicht auf den Gesichtspunkt einer nachbarhchen Einwirkung (§§ 903, 906 BGB.) gründen 63 . Der Satz, daß man gegen jede Schikane geschützt sei 64 , ist nur insoweit zutreffend, als man ihn eben auf vorsätzhche, unsittliche Schädigungen nach § 826 bezieht. § 302. I m engen Zusammenhang mit den Personenrechten stehen die Beziehungen der F a m i l i e , die ein Anrecht auf eine Person gewähren, also vor allem das Recht der Eltern auf den Besitz des Kindes. Gerade weil es sich auch hier ebenfalls um einen Körper handelt, ist auch hier der Schadensanspruch ebenso gerechtfertigt wie bei der Verletzung des Körpers eines Menschen. Es kann daher wohl nicht bezweifelt werden, daß der Schaden, der aus einer solchen schuldhaften Vorenthaltung des Kindes entspringt, ersetzt 61 I s a y , Recht a m Unternehmen ; L o b e , Festschrift für Gierke 2, 120; O p p i k o f e r , Unternehmensrecht 136; E c k h a r d a. a. O.; R G . a. a. O. 62 R G . SeuffA. 60 N r . 36. 68 R G . 57, 241; R G . SeuffA. 60 N r . 36; Recht 1907, 636. 1908, 973. 1378; O L G . 2, 457; M e y e r ; Recht 1901, 533. Anders SeuffA. 56 N r . 199. 6 0 N r . 11; O L G . 5, 386. 64 K o h l e r , Lehrbuch § 518.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

36

Unrechtshandlungen.

562

werden muß 6 5 . Aber es geht viel zu weit, wenn die herrschende Lehre einen Schadensanspruch aus der Verletzung eines jeden allwirksamen Familienrechts entstehen lassen will 6 6 . Allerdings muß sie dies aus ihrer Grundlehre, daß die Verletzung jedes ahwirksamen Rechts nach § 823 I verpfhchte, folgern ; aber dieses ist eben nicht zutreffend (oben S. 545ff.). Gerade für dieFamilienrechte kann man die Haftung unmöghch aufrecht erhalten. Nach dieser Lehre könnte ein Ehegatte gegen den Ehebrecher nach § 823 auf Schadensersatz klagen — was mit Recht ahgemein abgelehnt wird 6 7 . Man hat das zwar damit zu rechtfertigen versucht, daß das Recht des Ehegatten auf eheliche Treue nur ein relatives gegenüber dem anderen Ehegatten sei 6 8 : aber das wird schon dadurch widerlegt, daß er doch sicherhch zur Notwehr gegen den Ehebrecher berechtigt ist. Ebenso ist auch das Recht des Ehemanns auf Verwaltung und Nutzung ganz sicherhch ein allwirksames, wie daraus hervorgeht, daß er daraus gegen Dritte klagen kann (§ 1380 BGB.) und eine dagegen verstoßende Verfügung der Frau unwirksam ist (§ 1395). Und doch ist eine Verletzung dieses Rechts durch die Ehefrau ganz sicher keine Unrechtshandlung 69 . Man kann das auch nicht darauf zurückführen, daß die Rechtsfolgen der Verletzung im Famihenrecht besonders geregelt seien70. Denn die Folgen einer Verletzung durch den Mieter sind auch im Gesetz genau geordnet — und dennoch ist es, wenn er die Sache beschädigt, auch als Unrechtshandlung anzusehen. Auch hier bleibt also nur soviel richtig, daß ein Eingriff, der gegen den Körper des Kindes gerichtet ist, eine Unrechtshandlung begründet. § 303. Als Gegenstand eines Rechts kommen endlich auch die Forderungen und anderen Rechte in Betracht. Es t r i t t das besonders deuthch dann in Erscheinung, wenn ein solches Recht übertragen wird. Aber es ist zu eng, wenn man den Begriff des Gegenstandes gerade nur auf die Frage der Veräußerlichkeit bezogen h a t 7 1 . Maßgebhch ist vielmehr für ihn, daß ein Recht daran möghch ist. Und das muß für die Forderungen durchaus bejaht werden. Daß 65 66 67 68 69 70 71

R G . J W . 1913, 202; J W . 1925, 377. O e r t m a n n 3 zu § 823; N a w i a s k y i n der Festschrift für Zitelmann. R G . 72, 130 u n d die herrschende Meinung. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 228 A n m . 9. R G . SeuffA. 61, 66. E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. S o h m , Gegenstand.

Verletzung von Forderungen.

563

ein Pfandrecht und Nießbrauch daran bestehen kann, sagt das Gesetzbuch selbst so deuthch als möghch (§§ 1068ff., 1273ff. BGB.). Aber auch ein Eigentum an der Forderung muß anerkannt werden (I, 60ff.). Und gerade unsere Lehre von der Haftung für Unrecht enthält einen der stärksten Beweise dafür. Das Forderungsrecht spielt daher in der Rechtswelt eine doppelte Rohe. Es erzeugt ein Recht des Gläubigers gegen den Schuldner. Dies kann zwar von letzterem verletzt werden : doch ist darin keine Unrechtshandlung gelegen (oben S. 547ff.). Außerdem bildet es aber selbst den Gegenstand eines Rechts: und dessen Verletzung verpfhchtet. Dafür besteht ein sehr starkes Bedürfnis in all denFällen, wo ein Nichtberechtigter über eine fremde Forderung wirksam verfügen kann: z. B. der Abtretende bis zur Kenntnis des Schuldners (§ 407), der Forderungserwerber der durch den Rechtsschein einer Abtretungsurkunde geschützt ist (§ 410), ein Vertreter bei Scheinvollmacht (§§ 170ff.), der Besitzer eines Inhaber- oder sonstigen Ausweispapieres (§§ 793, 808), der in einem Erbschein als Erbe Bezeichnete (§ 2367). Hier überah muß er, wenn er schuldhaft über das fremde Recht verfügt, dem Berechtigten dafür haftbar sein: das ist doch wirklich eine der dringendsten Forderungen der Bilhgkeit. Allerdings hat man versucht dem Geschädigten auf anderen Wegen zu helfen. Der Anspruch soh aus dem Grundverhältnis erwachsen 72 : aber ein solches fehlt bei der Übertragung kraft Gesetzes ganz und ist in anderen Fällen nichtig. Man hat ihn auf § 816 BGB. gründen wollen 7 3 : aber das versagt überah, wo keine Verfügung vorhegt, und würde außerdem nur einen Bereicherungsanspruch gewähren, also ganz unzureichend sein. Für den Fah der Abtretung hat man durch die Analogie von § 402 helfen wollen 7 4 : aber diese Bestimmung schreibt gar nicht eine allgemeine Pfhcht zur Beihilfe, sondern nur ganz festbestimmte äußerliche Pfhchten vor (I, 670). So läßt sich die Haftung aus § 823 hier schlechterdings nicht entlehnen. Dies Gebot der Bilhgkeit ist so zwingend, daß sich auch die meisten Anhänger der herrschenden Lehre ihm nicht haben verschließen können 75 . Aber sie geraten 72

v . T u h r 211; R G . 111, 302. So früher O e r t m a n n . 74 K i p p , Festgabe für G i e r k e 15ff.; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 82. 75 E n n e c c e r u s § 451 (anders L e h m a n n daselbst § 228); G i e r k e , Privatrecht 3, 893ff.; P l a n c k zu § 823; C r o m e , System § 325; H e l l w i g , Anspruch u n d Klagerecht 42 ff.; S t a u d i n g e r i n § 823; G o l d m a n n , Gruch73

36*

564

Unrechtshandlungen.

damit in einen starken Widerspruch mit einer feststehenden Regel, die sie auch nicht bestreiten können: daß nämlich ein bloßes Schuldrecht nach § 823 nicht geschützt wird. Sie suchen sich freihch durch die Bemerkung zu helfen, daß nur die unmittelbare Einwirkung auf das Forderungsrecht eine Haftung begründe. Aber mit Recht hat man dagegen eingewendet, daß es bei der Verletzung nach § 823 sonst keinen Unterschied mache, ob die Einwirkung unmittelbar oder mittelbar erfolgt 76 . Vielmehr ergibt sich der Unterschied eben aus dem Gesagten, daß die Verletzung hier nicht die schuldrechthche Beziehung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger betrifft, sondern das Herrschaftsrecht des Gläubigers an der Forderung — das wir am besten und deuthchsten als Eigentum bezeichnen. Hiergegen könnte man etwa einwenden, daß nicht das Herrschaftsrecht, sondern die Forderung selbst als Gegenstand verletzt werde. Aber auch das ist nicht annehmbar. Wenn man unter der Verletzung eines Rechts das bloße Zuwiderhandeln versteht, so kann in den hier behandelten Fähen davon keine Rede sein — umsomehr als nur der Schuldner selbst verpfhchtet ist, die Forderung zu erfüllen. Wih man aber die Verletzung des Rechts im eigentlichen wörthchen Sinn verstehen, so trifft auch dies nur dort zu, wo die Forderung durch den Nichtberechtigten getilgt, aber nicht da, wo sie übertragen wird: denn dann bleibt das Recht ja unverletzt bestehen. Dies zeigt, daß es vielmehr das Herrschaftsrecht an der Forderung ist, wogegen sich der Eingriff des Dritten richtet. Das Ergebnis ist: der § 823 schützt nicht schlechthin ahe Güter (so gut wie ahgemein anerkannt), er schützt aber auch nicht gerade die durch ein subjektives Recht geschützten Güter — sondern er schützt die Gegenstände. Dazu gehören die Sachen, die Körper der Menschen (körperliche Gegenstände) und die Schöpfungen und Rechte (Gegenstände im Rechtssinn). § 823 enthält nicht den Schutz der Rechte, sondern der Gegenstände. § 304. Nachdem wir den Kreis der geschützten Güter festgesteht haben, fragen wir nun, in welcher Weise eine V e r l e t z u n g ihrer erfolgen kann. Das Gesetz (§ 823) und die Rechtslehre Beitr. 54, 66ff.; D ü m c h e n , JheringsJ. 54, 383ff.; E b b e c k e , Recht 1912, 333; A d l e r , Z H R . 6 4 , 2 2 5 f f . ; R a a p e , JheringsJ. 74, 246; jetzt auch O e r t m a n n , JheringsJ. 66, 157ff.; ZivArch. 123, 143ff.; Vorbemerkung zum Schuldrecht 3. — Dagegen besonders R G . 57, 354. 59, 327. 111, 302. ' · R G . 57, 355.

Verletzung.

565

sprechen von der Verletzung eines Rechts. Wir sahen aber, daß eine solche, wörthch genommen, weder ausreichend noch erforderlich ist (S. 545ff.). Vielmehr ist der Ausdruck „Rechtsverletzung" nur in dem Sinne zutreffend, daß gegen die Bestimmungen der Rechtsordnung gehandelt wird. Was verletzt wird, sind vielmehr die verschiedenen Güter, also die vorher bezeichneten drei Arten von Gegenständen. — Den Hauptfall bilden die Verletzungen von körperhchen Sachen: also Zerstörung oder Beschädigung einer Sache, z.B. Verunreinigung eines Flusses77, Einwirkung durch Anhäufung von Sand 78 oder üble Gerüche 79. Die Einwirkung kann auch unter Mitwirkung eines Dritten, auch einer Behörde erfolgen, wie die unberechtigte schuldhafte Beschlagnahme oder Versteigerung 80. Dagegen ist keine Haftung begründet, wo der Täter nicht auf eine fremde Sache hinüberwirkt, sondern nur auf seiner eigenen einen unsitthchen Betrieb hält 8 1 . Hierbei fragt sich, ob es einer Beschädigung der Sache bedarf oder ob die E n t z i e h u n g ihres Gebrauchs ahein genügt. Wenn diese eine endgültige ist, die Sache also dem Berechtigten verloren geht, so ist das der Zerstörung gleich zu achten, weil das Ergebnis, wirtschaftlich betrachtet, das gleiche ist. Aber auch eine vorübergehende Entziehung wird von der herrschenden Lehre als ausreichend angesehen82. Diese beruft sich darauf, daß nach einer Entscheidung der Quellen für die Entwertung einer Sache der hafte, der durch eine unberechtigte Prozeßführung den Eigentümer an der Veräußerung verhindert habe 83 . Aber dabei ist ganz übersehen, daß diese Stehe in dem Titel de dolo malo steht und auch nach ihrem Inhalt auf ein arglistiges Verhalten deutet. Anderseits ist diese Lehre in diesem Umfang unhaltbar. Allerdings kann die Entziehung einer Sache zu einer Zerstörung oder Beschädigung derselben führen, so wenn Eßwaren durch längere Beschlagnahme verdorben werden. Außerdem kann umgekehrt eine Beschädigung der Sache die Wirkung haben, daß sie dadurch dem Eigentümer entzogen wird: insbesondere wenn die 77

SeuffA. 60, 412. R G . 56, 140. 79 R G . 47, 249ff. 80 R G . 61, 430; SeuffA. 60, 480. 81 R G . 57, 240ff. ; oben S. 561. 82 R G . 22, 208. 47, 249ff.; O L G . 18, 236.; SeuffA. 31, 35; W i n d s c h e i d § 455 A n m . 6. 83 R G . 47, 249ff. unter Berufung auf dig. 4, 3 1. 33. 78

Unrechtshandlungen.

566

Sache nun eine Zeitlang zur Ausbesserung oder Reinigung fortgegeben werden muß. Dahin gehört auch der Fall, daß eine nachteilige Einwirkung auf ein Grundstück erfolgt, wodurch dessen Gebrauch behindert wird. I n diesen beiden Fällen ist freilich überah der Schadensanspruch begründet: aber nicht deshalb, weil der Besitz der Sache entzogen, sondern weil auf die Sache selbst schädigend eingewirkt ist. Wenn aber letzteres nicht vorliegt, so kann die bloße vorübergehende Entziehung des Besitzes nicht nach § 823 verpflichten: vielmehr nur, wenn eine vorsätzhche unsitthche Handlung (§ 826 BGB.) oder die Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 I I ) , also besonders verbotene Eigenmacht gegeben ist. Für diese Einschränkung sprechen schon die römischen Quehen. Sie betonen entschieden, daß das Verbringen einer Sache nur dann haftbar macht, wenn sie nicht wieder erlangt werden kann — und in den übrigen Fähen ledighch, fahs ein furtum vorliegt 84 . Sonst würde ja auch eine bloße Fahrlässigkeit für den Begriff des furtum genügen. Deshalb müssen auch die Gegner zugeben, daß nach römischen Rechte eine körperliche Beschädigung der Sache notwendig gewesen sei 85 . Aber das gleiche muß auch für unser Recht festgehalten werden. Eine Entziehung braucht zunächst gar nicht einmal durch Zerstörung eines beim Eigentümer bestehenden Besitzes zu erfolgen, sondern kann auch so geschehen, daß der Eigentümer nur verhindert wird, den Besitz zu erlangen. Das trifft besonders dann zu, wenn jemand sich grundlos weigert, die Sache dem Berechtigten herauszugeben. I n diesen Fähen wäre es sicher ganz verkehrt, eine Unrechtshandlung anzunehmen: sonst müßte man sie ja in jedem Verzug des Schuldners erbhcken, was mit Recht ahgemein abgelehnt wird. Aber auch wenn dabei dem Eigentumer der Besitz entzogen wird, so ist darin ahein noch nicht eine Unrechtshandlung zu erbhcken (unten § 306). Eine solche Entziehung des Besitzes erfolgt regelmäßig in der Weise, daß der Entziehende selbst ihn erlangt. Für diesen Fah gelten die Sondervorschriften, die für die Stehung des unberechtigten Besitzers gegeben sind (§§ 987ff. BGB.). Ist dieser nun unbefangen — also nicht bösgläubig, grobfahrlässig oder verklagt — so haftet er überhaupt nicht für die Entziehung (§ 993), und auch im anderen Falle haftet er nur für den verschuldeten Schaden, der an der Sache selbst ent84 85

dig. 9, 2 1. 27 § 21. — 19, 5 1. 23. — 4, 3 1. 7 § 7. — inst. 4, 3 § 16. So W i n d s c h e i d a. a. O.

Besitz-Entziehung.

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steht (§§ 989, 990). Also selbst wer böswillig oder grobfahrlässig die Herausgebe einer fremden Sache verweigert, ist nur für den Sachschaden verantwortlich und nicht für den Schaden, der dem Gegner durch die Entziehung der Benutzung entsteht. Für diesen wird nur bei einer strafbaren Handlung oder verbotener Eigenmacht gehaftet (§ 992 BGB.), also wesenthch in denselben Fähen, in denen wir gleichfalls eine Haftung für Entziehung bejahten. Nun sind das allerdings Sondervorschriften, die nur für das Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer gelten. Aber ganz unbegreiflich wäre es doch, wenn man die Fähe, wo der Entzieher nicht selbst Besitzer geworden ist, so ganz abweichend und viel strenger behandeln wollte. Wenn der durch die Entziehung entstehende Schaden dort nicht einmal von dem bösgläubigen und dem grobfahrlässigen Entzieher ersetzt zu werden braucht, dann kann er hier doch nicht sogar dem leichtfahrlässigen auferlegt werden. Ob ich eine fremde Sache für mich erwerbe und sie dadurch dem Eigentümer vorübergehend entziehe, oder ob ich sie für einen anderen erwerbe, das kann doch für meine Haftung keinen wesenthchen Unterschied machen. Auch sonst muß die Ausdehnung auf alle Fälle fahrlässiger Gebrauchsentziehung als sehr unbilhg bezeichnet werden. Es handelt sich hier vielfach um typische Fälle einer bloßen Vermögensschädigung, und es sprechen daher gegen die Haftung alle die Bedenken, die gegenüber dieser auch sonst vorliegen (oben S. 544ff.). Wenn infolge des Offenlassens eines Gatters Tiere vorübergehend ausbrechen, so darf dafür ebensowenig wie für sonstige Vermögensschädigung gehaftet werden. Ebenso wenn jemand durch einen falschen Rat, etwa über die richtige Dressur des Hundes, oder durch eine falsche Auskunft denselben Schaden hervorruft. Schon vorher wurde dargelegt, daß der Beklagte, der durch fahrlässiges Bestreiten dem Kläger den Gebrauch vorenthält, dafür nicht haftbar gemacht werden darf. Ganz besonders unbilhg sind die Folgen der Gegenansicht, die sich aus der Zufallshaftung des § 848 BGB. ergeben. Danach ist der Entzieher auch zum Ersatz des weiteren Schadens verpfhchtet, der ohne Verschulden und ohne ursächhchen Zusammenhang eintritt. Diese strenge Haftung ist für die Fälle der vorsätzlichen Entwendung und der verbotenen Eigenmacht (§§ 823 I I , 826) sehr berechtigt und auch für sie aufgesteht worden (fur semper moram facere videtur). Aber ganz unerträglich ist sie gegenüber jemandem,

568

Unrechtshandlungen.

der lediglich durch Fahrlässigkeit das Abhandenkommen einer Sache verursacht hat. Wenn er z. B. in leichter Schuld ein Tor offen gelassen und dadurch die Entwendung einer Sache oder das Entlaufen eines Hundes oder Huhns ermöghcht hat, so darf er nicht für den zufähigen und unerwarteten Untergang verantwortlich gemacht werden : etwa wenn der Hund danach von einem Auto überfahren wird. § 305. Die Beschädigung eines Gegenstandes darf nur von dem geltend gemacht werden, der an ihm ein a l l w i r k s a m e s Recht hat. Das geht zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz hervor. I m Gegenteil spricht § 823 BGB. ganz ahgemein von einem „sonstigen Recht", so daß sich daraus auch eine Anwendung auf die bloß Schuldberechtigten ergeben würde 86 . Und dennoch ist diese Einschränkung dringend geboten, wie auch fast ahgemein angenommen wird 8 7 . Dafür spricht zunächst die Geschichte des römisch-gemeinen Rechts. Ferner ist eine Verletzung des Schuldverhältnisses durch einen Dritten nicht rechtswidrig, die Verletzung durch den Schuldner aber im ganzen übrigen Schuldrecht so besonders und eingehend geregelt, daß daneben für eine solche ahgemeine Haftungsvorschrift kein Raum mehr ist. So würden die eingehenden Bestimmungen über die Haftung für Unmöglichkeit und Verzug und diejenigen, die bei einzelnen Schuldverhältnissen die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit oder eigene Sorgfalt beschränken, gegenstandslos sein, wenn daneben nach § 823 für jede Fahrlässigkeit gehaftet würde. Völhg sinnlos würde es auch sein, daß § 281 BGB. eine Abtretung der Ansprüche vorsieht: denn der Käufer eines Hauses würde dann ja ohne weiteres einen Anspruch gegen den ersatzpfhchtigen Dritten haben. Der Dienstherr eines getöteten oder verletzten Arbeiters hätte einen Ersatzanspruch gegen den Täter, während ein solcher nach den ausdrücklichen Vorschriften der §§ 844, 845 BGB. nur einem kraft Gesetzes Dienstberechtigten zusteht. Endlich ist die Gegenansicht in ihren Folgen sehr bedenklich. Bei der Beschädigung eines Hauses müßte dann jedem der dort wohnenden 50 Mieter und Untermieter ein Klagerecht gewährt werden. Es würde der Käufer einer Sache auch gegen einen anderen Käufer, der sie ihm 86

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 228 A n m . 11 gegenüber R G . 57, 356. Insbesondere R G . 57, 353ff. 59, 237, 327, 357. 95, 284; J W . 1918, 89; O e r t m a n n , Festschrift für D e r n b u r g 61 ff. ; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 238 A n m . 14, wo auch die Gegner. 87

Allwirksame Rechte.

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fahrlässig weggeschnappt, klagen können: dieser Anspruch ginge sogar noch über das preußische Recht zur Sache hinaus, das von unserer Rechtsordnung schon nicht anerkannt wird. Daher kann ein Käufer, der die Sache noch nicht zu Eigentum erworben, ihre Beschädigung noch nicht geltend machen. Ein Mieter kann nicht ihretwegen aus § 823 klagen, und auch aus Besitz kann er nur dann klagen, wenn ihm wirklich seine Gewalt entzogen oder geschmälert wird 8 8 . Diese Einschränkung trifft auch da zu, wo eine Forderung verletzt wird. Auch hier ist nur der dinglich Berechtigte befugt, Schadensersatz zu verlangen, also der Eigentümer, Nießbraucher oder Pfandgläubiger der Forderung (oben S. 562ff.). Wenn dagegen ein Recht nur verpachtet ist, so gilt das gleiche wie für die Vermietung einer Sache. — Die Befugnisse, die der voh Berechtigte hat, müssen auch dem bedingt Berechtigten zustehen 89 . Die Auffassung, daß ein solches nur ein relatives Recht sei 90 , ist sicherhch verfehlt. Es genügt auch nicht, wenn man ihm nur ein Recht gegen den bedingt Verfügenden auf Abretung seines Schadensanspruchs gewährt 91 . Denn dies würde gegenüber den Gläubigern, also insbesondere im Konkurse versagen. § 306. Streitig ist, ob auch der Besitz nach § 823 I BGB. geschützt wird. Es wird das meistens bejaht, zum Teil, weil er ein Recht sei, aber auch von solchen, die ihn nur als eine Rechtsposition bezeichnen92. Beides ist unbegründet. Als ein Recht kann man ihn nicht betrachten. Er wird nur unter ganz außerordentlichen Umständen (Eigenmacht) und nur um dieser wihen geschützt; außerdem ist es auf diesem Wege kaum möghch, den Gegensatz von Eigentum und Besitz klar zu machen. Vor allem knüpfen sich daran nicht die Folgen eines Rechts an: die Verfügung über den Besitz ist kein Rechtsgeschäft, daher nicht der Geschäftsfähigkeit bedürftig und nicht wegen Willensmängeln anfechtbar; eine Feststellungsklage wegen des Besitzes ist nicht 88

R a a p e , JheringsJ. 74, 228ff., oben S. 144.

89

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 228 u n d Angeführte; R G . Strafs. 23, 89; O L G . 38, 133. 90

v . B l u m e , JheringsJ. 51, 19.

91

W i e S c h u l z - S c h ä f f e r a. a. O. 106ff.

92

Insbesondere R G . GruchBeitr. 50, 968; Recht 1915 N r . 2487; R G . 91, 65. 105, 218; O e r t m a n n 3 zu § 823 u n d Genannte. Dagegen P l a n c k I I zu § 823; E c c i u s , GruchBeitr. 53, 8ff.

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Unrechtshandlungen.

zuzulassen. Also ist die verbreitete Ansicht, daß er ein Recht sei, nicht haltbar: übrigens würde dies nach dem oben Dargelegten (S. 545ff.) auch noch gar nicht zur Begründung der Haftung ausreichen. Noch weniger beweist die Bezeichnung als Rechtsposition, da dies überhaupt kein klarer Begriff ist und keine rechthchen Folgerungen daraus gezogen werden können. Von entscheidender Bedeutung muß auch bei dieser Frage sein, welche praktischen Folgen sich aus der Entscheidung ergeben. Nun wird zwar sehr oft behauptet, daß das Ergebnis für beide Ansichten dasselbe sei: denn nach der bejahenden Meinung ergebe sich die Haftung aus dem Absatz I des § 823 und nach der anderen aus Absatz I I in Verbindung mit dem Schutzgesetz gegen verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB.). Aber dabei wird völhg übersehen, daß nach der zweiten Auffassung sich ein Anspruch eben nur im Fahe einer Eigenmacht, und zwar einer verschuldeten, ergibt. Wer aber den Besitz selbst schon als ein geschütztes Gut bezeichnet, der muß folgerichtig eine Haftung auch dann annehmen, wenn jemand ihn ohne Eigenmacht verletzt. Es müßte also auch aus § 823 haften, wer aus Versehen ein Fenster offen läßt und dadurch einen Vogel entfliegen läßt. Und sogar auch, wer eine ihm geliehene Sache fahrlässig verhert : denn er hat den mittelbaren Besitz des Verleihers verletzt. Ahes das erscheint aber sehr verkehrt: und dies muß uns veranlassen, eine Haftung wegen der bloßen Verletzung des Besitzes abzulehnen. Damit schheßen wir den ersten Abschnitt der Lehre ab, der sich auf dem Absatz I des § 823 aufbaut. Er hat uns das Ergebnis gebracht, daß dort nicht die Verletzung von Rechten als verpflichtend bezeichnet wird, sondern die Verletzung von Gegenständen. — § 307. ,,Die gleiche Verpfhchtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt" (§ 823 I I ) . Die Verletzung eines S c h u t z g e s e t z e s 9 3 verpfhchtet also auch dann, wenn sie nicht gerade auf einen Gegenstand gerichtet ist. Es ist zunächst festzustehen, was unter einem Schutzgesetz zu verstehen ist. Leider wird dies meistens ganz übergangen und nur gefragt, wann es ein Schutzgesetz für einen 93 D e t m o l d i n der Festschrift für R e g e l s b e r g e r 1901, 317; L a n , GruchBeitr. 47, 497ff. ; B r e m e r , ArchBürgR. 28, 271 ; F u l d , SächsArch. 12, 257; B a u e r , Begriff des Schutzgesetzes; L o b e , Unlauterer Wettbewerb 1, 243ff.; T r a e g e r , Kausalbegriff 201 ff., 376ff.

Schutzgesetz.

571

anderen sei. Aber es kann unmöglich genügen, daß ein Gesetz im Interesse einer Person errichtet ist. Denn schheßhch verfolgt eine jede Rechtsvorschrift das Interesse gewisser Menschen, z. B. das Rücktrittsrecht des § 326 BGB. das Interesse des Gläubigers — und so müßte man schheßhch ahes als Schutzgesetz ansehen. Vielmehr muß noch etwas Besonders hinzutreten. Aus dem Worte „Schutz" ergibt sich, daß eine Gefahr vorausgesetzt wird, gegen die Abhilfe gewährt werden soll. Dies wird man bei allen Strafgesetzen annehmen dürfen, da die schärfere Abwehr durch eine staathche Bestrafung nur in solchen bedrohlichen Fähen eintritt. Es trifft aber auch bei vielen Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu, so bei dem Verbot der Eigenmacht (§ 858 BGB.) 9 4 , bei dem Schutz der Angestehten gegen Gefahren im Dienste (§ 618 BGB. 9 5 , § 120a GewO.), beim Schutz gegen Einwirkungen auf ein Grundstück (§§ 903, 906 BGB.) 9 6 , des Hypothekars gegen Entwertungen des Grundstücks (§§ 1134ff. BGB.) 9 7 , der Gläubiger gegen Verzögerung der Konkursanmeldung (§§ 42, 53 BGB.), der Bauhandwerker nach dem Gesetze vom 1. Juni 1909 98 , der Unternehmer gegen unwahre Behauptungen über ihr Geschäft nach § 15 UnerlWettbG. 99 , der Kinder nach der Gewerbeordnung 100 . Dagegen gehören nicht dazu die Vorschriften, die nicht die Abwehr von Gefahren, sondern mehr die Erlangung von Vorteilen bezwecken: vor allem also die Bestimmungen des Schuld- und Sachenrechts über den Inhalt der geschuldeten Leistungen und auch über die Haftung für Unmöghchkeit und Verzug, da diese doch nur einen Ersatz für die Hauptleistung bezwecken. Freilich bleiben manche zweifelhafte Fähe in der Mitte: z. B. ob die Pfhcht zur Ausstehung eines wahrheitsgemäßen Dienstzeugnisses (§ 630 BGB., § 73 HGB.) als ein Gesetz zum Schutze der späteren Dienstherren anzusehen ist. Man hat dies vereinzelt bejaht 1 0 1 , aber 94

R G . 59, 326ff.; GruchBeitr. 51, 985ff. R G . Recht 1907 N r . 3811; O L G . 17, 410 u n d herrschende Meinung ; dagegen H e l l w i g , Lehrbuch 1, 268 A n m . 70; O e r t m a n n 4 b zu § 823. 96 R G . 51, 179; SeuffA. 61, 59; Recht 1904, 447. 1906, 1005; O L G . 12, 123; SeuffA. 73, 22. 97 R G . W a r n e y e r 1910 N r . 281, 1914 N r . 287. 98 R G . 84, 188. 91, 76. 99 O L G . 5, 239; GruchBeitr. 49, 923. 100 R G . 105, 333; O L G . 20, 278. 101 O L G . 12, 421. 95

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Unrechtshandlungen.

schwerlich mit Recht. Richtig ist, daß aus der Anstehung ungeeigneter Personen Gefahren erwachsen können. Aber weit überwiegend erscheint als Zweck dieses Zeugnisses, daß es dem Arbeiter und seinem neuen Dienstherrn zum Abschluß eines vorteilhaften Arbeitsvertrags dienen soll. Die Vorschrift dient daher in erster Linie nicht dem Schutz gegen Gefahr, sondern dem Streben nach Vorteil. Danach ist, wer ein solches Zeugnis fahrlässig unrichtig aussteht, dem späteren Dienstherrn nicht haftbar. Dafür spricht auch, daß die Erteilung einer Empfehlung nach § 676 BGB. regelmäßig nicht als Unrechtshandlung gelten soll (oben S. 256ff.). Und es wäre auch nicht billig, hier bei bloßer Fahrlässigkeit eine Haftung eintreten zu lassen. Man denke nur an den Fah, daß der Dienstherr ledighch vergessen hat, den nachteiligen Vermerk aufzunehmen, oder wo er zwei seiner Angestellten miteinander verwechselt hat. Hat er dagegen bewußt verschwiegen, daß sein Angestellter gestohlen hat, so wird ihn regelmäßig die Haftung wegen vorsätzlicher unsittlicher Schädigung (§ 826 BGB.) treffen 102 . — Zu den Schutzgesetzen gehören endlich auch solche Vorschriften nicht, die wesenthch die formelle Ordnung betreffen: so die Bestimmung über die Pfhchten der Arbeitgeber zum Kleben der Versicherungsmarken 103. § 308. I n vielen der Fälle, wo § 823 I I eingreift, wird gleichzeitig auch die Verletzung eines Gegenstandes und also eine Verpflichtung nach § 823 I vorhegen, so in den häufigen Fähen der Körperverletzung und vorsätzhchen Sachbeschädigung. Aber die Bedeutung des Absatz I I hegt eben darin, daß auch da gehaftet wird, wo es sich um die Verletzung eines anderen Gutes, insbesondere des Vermögens handelt. So kann die Haftung ledighch auf den Absatz I I gegründet werden bei fahrlässigem Falscheid 104 , falscher Anschuldigung, Ehebruch 105 , Beleidigung 106 , Begünstigung und Hehlerei 107 , Betrug 1 0 8 , Urkundenfälschung 109 , Verletzung des Briefgeheimnisses 110 und bei den Verstößen gegen die Gewerbe10

* R G . D J Z . 1905, 697. «» R G . 63, 54. 104 R G . 59, 236ff. u>5 R G . 72, 128. 108 R G . 51, 374ff. 60, 55. 91, 350. R G . J W . 1909, 161; W a r n e y e r 108 R G . 62, 315. 67, 147. 109 R G . GruchBeitr. 56, 893. 110 R G . 94, 2.

1914 N r . 52.

Schutzgesetz.

573

Ordnung und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Allerdings wird in manchen dieser Fähe gleichzeitig ein Anspruch aus vorsätzlicher unsitthcher Schädigung konkurrieren (§ 826), aber nicht ein solcher aus Absatz I des § 823. — Außerdem geht die Haftung noch in einem anderen Punkte über die nach dem Absatz I hinaus. Es braucht sich das Verschulden ledighch darauf zu erstrecken, daß das Schutzgesetz schuldhaft übertreten wird, aber nicht auch auf die Verletzung des Anderen. Wer also vorsätzlich oder fahrlässig die Vorschriften über die Behandlung von Explosivstoffen übertritt, ist für den Schaden auch dann haftbar, wenn seine Handlung selbst nicht als fahrlässig erscheint (unten S. 576). § 309. Ferner verlangt das Gesetz, daß das Schutzgesetz ,,den Schutz eines anderen bezweckt". Es sollten dadurch solche Vorschriften ausgeschlossen werden, die zum Schutz der Gesamtheit gegeben sind, wie insbesondere über Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, groben Unfug. Dabei ist freihch zu beachten, daß die meisten Schutzgesetze, besonders die des Strafgesetzbuches mittelbar auch einem Interesse der Gesamtheit dienen. Aber das ist ahein nicht maßgebhch: es kommt darauf an, ob sie ausschheßhch oder doch ganz vorwiegend in ihrem Interesse erlassen sind. Daher wurden auch die Kriegsverordnungen, die die Verteilung der Lebensmittel regelten, als Gesetze zum Schutze der einzelnen Empfänger angesehen, obwohl sie sicherhch auch dem Ganzen dienen sollten 111 . Ferner ist es nicht genau, wenn man vielfach den Staat in einen Gegensatz zu dem vom Gesetz geschützten „anderen" steht. Denn der Staat ist ja auch ein Rechtssubjekt und ist insoweit ebenfalls zu schützen 112 . So kann kein Zweifel sein, daß der Schutz gegen Diebstahl und verbotene Eigenmacht auch den dem Staat gehörenden Sachen zugute kommt. § 310. Streitig ist, ob auch solche Bestimmungen hierher gehören, die zwar einen einzelnen schützen, aber nicht einen bestimmten einzelnen, sondern jeden, der in eine gewisse Lage kommt, z. B. über eine gewisse Brücke* geht oder in ein Haus eintritt. Es gilt dies vor ahem für die zahlreichen Pohzeiverordnungen, die zum Schutze der an bestimmten Stehen verkehrenden 111 112

R G . 100, 147. D e t m o l d a. a. O. 348; T r a e g e r a. a. O. 380.

Unrechtshandlungen.

574

Personen Vorsichtsmaßregeln vorschreiben. Die Anwendung des § 823 I I auf solche Bestimmungen wird von manchen abgelehnt 113 , von der herrschenden Meinung aber mit Recht bejaht 1 1 4 . I n der Tat ist die Vorschrift, daß der Hauseigentümer seine Treppe beleuchten muß, auch im Interesse „eines andern", nämhch des jeweils dort Gehenden, gegeben. Freilich ist dieser nicht von vornherein individuell bestimmt; aber das ist nicht erforderlich: auch bei einer Urkundenfälschung steht es manchmal noch nicht von vornherein fest, wer dadurch geschädigt werden wird. Ebensowenig steht der Anwendung des § 823 I I entgegen, daß nicht eine Person allein, sondern auch andere gleichzeitig mit geschützt werden (unten S. 575). Dafür spricht aber vor allem das dringende Bedürfnis, einen Schutz gegen solche Übertretungen zu gewähren. Allerdings wird in vielen Fähen auch ein Anspruch aus § 823 I gegeben sein. Aber in manchen anderen liegt die Verletzung eines Gegenstands nicht vor, wie bei dem vorher erwähnten Verstoß gegen die Lebensmittelverordnungen. Und dann setzt die Anwendung des Absatz I voraus, daß der Täter den Schaden vorausgesehen hat oder voraussehen mußte. Es muß aber genügen, daß er den Verstoß gegen die Schutzvorschrift erkennt oder aus Fahrlässigkeit übersehen hat. Wer gegen ein Verbot, z. B. auf einer amthchen Tafel, bewußt verstößt, muß für den entstehenden Schaden haften. Er darf sich nicht darauf berufen können, daß ihm diese Vorschrift unnötig erschien: daß er z. B. nicht einsehen konnte, weshalb das Auto in dieser Straße nur 15 km fahren sollte. Wer sich schuldhaft über solche Anordnungen hinwegsetzt, muß auch dann für den Schaden haften, wenn er sie für übertrieben ängsthch hielt und halten konnte, ja wenn sie das vieheicht wirklich waren. — Durch diese Ausdehnung erhält die Bestimmung des § 823 I I eine außerordentlich große Tragweite, insbesondere für die Vorschriften zum Schutze des Publikums im Fahrverkehr 115 , im Schiff s verkehr 1 1 6 und Eisenbahnverkehr 117 , 113

L i n c k e l m a n n a. a. O. 43; L e n e l , J W . 1897, 410ff.; D e r n b u r g 2 § 383; D e t m o l d a. a. O. 317ff. 114 Insbesondere R G . 59, 237ff. u n d die anderen folgenden E n t scheidungen; T r a e g e r a. a. O. 383ff. u n d Angeführte. 115 Recht 1903, 605. 1906, 1135; J W . 1905, 142. 1909, 276. 116 R G . 55, 316ff. 64, 249ff.; Recht 1910 N r . 1095. 117 R G . Recht 1913 N r . 2723; J W . 1904, 407. 1905, 142. 1911. 759; SeuffA. 60, 100.

Schutzgesetz.

575

über das Streuen bei Glatteis 118 , über Beleuchtung 119 , Sicherung von Kellern und Gruben 120 und Bauten 1 2 1 und die Vorschriften der Gewerbeordnung zum Schutze der Arbeiter. § 311. Viele Schutzvorschriften verfolgen das Interesse mehrerer Personen. Hier sind zwei Fälle scharf zu unterscheiden. Es kann sein, daß diese Mehreren in gleichem Maße geschützt werden sollen : hier steht einem jeden von ihnen, der geschädigt wird, der Anspruch zu. Es trifft das besonders bei den eben besprochenen Vorschriften zu, die zum Schutze aller jeweils betroffenen Personen erlassen sind. Und auch da wird man noch ebenso entscheiden können, wo das eine Interesse zwar erst in zweiter Linie steht aber doch immerhin noch wesenthch erscheint : wie bei der Verordnung über den Verkehr mit Arzneimitteln das Interesse der Apotheker 122 . Ganz anders aber, wo das zweite Interesse völhg in den Hintergrund tritt. Wenn das Allgemeininteresse das weitaus maßgebende ist, z. B. bei Hochverrat, so findet § 823 I I nicht Anwendung, obschon dadurch auch einzelne geschädigt werden. Ist umgekehrt das Einzelinteresse das überwiegende, so wird es geschützt, obwohl auch die Ahgemeinheit dadurch mit betroffen wird (oben S. 573). Wenn es sich nur um die Interessen einzelner handelt oder das des einen ganz im Vordergrund steht, so wird er ahein geschützt. So ist an den Schutzvorschriften für einen Arbeiter sicherhch auch dessen Familie stark interessiert: aber der Arbeiter selbst steht dabei dermaßen in erster Linie, daß er ahein als geschützt angesehen werden kann. Auch die Aufsichtspflicht der Eltern (§ 1627 BGB.) ist vorwiegend im Interesse des Kindes, aber nicht des Publikums gegeben. Daher haften sie für die Untaten ihrer Kinder nicht nach § 823 I I , sondern nur nach Absatz I . Wenn diese eine Sache zerstören, z. B. ein Fenster einwerfen, so ist der Vater, wenn er seine Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt hat, und die Schädigung ursächhch daraus abzuleiten ist, nach § 823 I haftbar. Haben sie aber z. B. ledighch einem Anfragenden verkehrte Auskünfte über den Weg gegeben und ihn dadurch geschädigt, so haftet er nicht. Dafür spricht insbesondere, daß er ja auch nicht 118

J W . 1902 Beil. 221, 1903 Beil. 9, 1905, 284; Recht 1906, 181; J W . 1909, 218. 119 SeuffA. 61, 236. 120 R G . 64, 345; J W . 1910, 148. 1912, 30; R G . 87, 334. 121 R G . 51, 177ff. 70, 206; J W . 1910, 11. 13. 33. 122 Treffend R G . J W . 1927, 2422; R G . 128, 298ff.

576

Unrechtshandlungen.

haftet, wenn er selbst dies aus Fahrlässigkeit getan hat. I m Ergebnis stimmt dem auch das Reichsgericht z u 1 2 3 . Aber es wih es ledighch daraus ableiten, daß in § 832 BGB. eine besondere Regelung über die Aufsichtspflicht der Eltern getroffen sei. Diese Vorschrift verändert indessen nur die Beweislast, während die Grundfrage, ob gehaftet wird, auch hier nur aus den §§ 823 und 826 beantwortet werden kann (unten § 331). Ähnlich steht es bei der Aufsichtspflicht eines Vorstandes und des Aufsichtsrats bei der Aktiengesehschaft. Auch diese ist in erster Linie nur zum Schutze der Gesehschaft gegeben, nicht ihrer Gläubiger und der sonst interessierten Personen 124 . § 312. Die Haftung aus § 823 I I erfordert Verschulden — und zwar nach der ausdrücklichen Vorschrift des Gesetzes auch dann, wenn das Schutzgesetz selbst es nicht verlangt. Es ist also Vorsatz oder Fahrlässigkeit erforderlich. Wenn aber das Schutzgesetz nur die vorsätzhche Handlung verbietet, wie § 303 StGB, die vorsätzhche Sachbeschädigung, so ist auch nur in diesem Falle die Haftung begründet. — Das Verschulden braucht sich nicht auf die Verletzung zu beziehen. Vielmehr genügt es, daß der Täter das Schutzgesetz vorsätzlich oder fahrlässig übertreten h a t 1 2 5 . Darin liegt eine erhebhche Ausdehnung der Haftung gegenüber § 823 I (oben S. 573). Freilich ist es möghch, daß das Schutzgesetz sich selbst nur gegen eine schuldhafte Verletzung eines Rechtsgutes, z. B. eine schuldhafte Körperverletzung richtet: dann ist der gesamte Tatbestand des § 823 I , also auch die dafür erforderliche Schuld, zu verlangen 126 . Ob die Unkenntnis eines Gesetzes oder einer Polizeivorschrift als Schuld anzusehen ist, läßt sich nicht allgemein beantworten. Der römische Satz ,,ignorantia iuris nocet" ist in diesem Sinne nicht mehr rechtens. Immerhin ist in vielen Fähen die Kenntnis der betreffenden Vorschriften zu fordern 127 . So muß, wer Auto fährt oder eine Fabrik errichtet, sich über die dafür geltenden besonderen Bestimmungen unterrichten. Auch wenn der Autofahrer in andere Städte oder Länder kommt, muß er sich nach der dortigen Verkehrsordnung erkundigen. 128 124 125 126 127

R G . 57, 314. R G . 63, 328. 73, 32; SeuffA. 63, 150. R G 66, 251 ff. 91, 67; GruchBeitr. 48, 925; J W . 1915, 38. T r a e g e r a. a. O. 202. R G . W a r n e y e r 1912 N r . 21; J W . 1912, 590; Recht 1913 N r . 2414.

Unsittliche Schädigung.

577

Der Schaden muß endlich durch die Übertretung des Schutzgesetzes entstanden sein, und zwar in der Art, wie sie das Gesetz vermeiden wohte. Wenn dagegen das vorschriftswidrige Verhalten in einer ganz anderen Weise einwirkt, so t r i t t die Haftung nicht ein 1 2 8 . Wenn jemand z. B. gegen die Vorschrift Dynamit lagert und dies bricht durch sein Gewicht durch und verletzt dadurch jemanden, ohne zu explodieren, so hat die Übertretung des Gesetzes nicht den Schaden, den es gemeint hat, hervorgerufen. Ebenso wenn ein Schiff verbotswidrig links fährt und dabei an eine dort festhegende Badeanstalt anstößt. — § 313. Die dritte allgemeine Vorschrift des Gesetzes (§ 826) richtet sich gegen jeden, der „ i n einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzhch Schaden zufügt", also gegen jede unsittliche Schädigung 129 . Ein Teil dieser Verletzungen wird schon durch § 823 I und I I betroffen. Aber auch, wo deren Erfordernisse, Verletzung eines Gegenstands und Schutzgesetzes nicht vorhegen, ist § 826 gegeben. Er greift also auch da ein, wo nur das Vermögen verletzt wird oder nur eine Erwerbsaussieht 130 . Daher kann auch aus einer Verletzung, die sich zunächst gegen A richtet, der dadurch ebenfalls geschädigte Β Ansprüche aus § 826 erheben, ζ. B. eine Versicherungsgesellschaft gegenüber dem Brandstifter 131 . Gleichgültig ist auch, ob die Schädigung durch eine Handlung oder Unterlassung erfolgt 1 3 2 . Selbst die Weigerung, einen Vertrag zu schheßen, kann darunter fallen: so wenn der einzige am Ort wohnende Bäcker die Lieferung weigert 133 . Erfordert wird Vorsatz bezüglich der Schädigung und der Handlung, also der Wihe der Verursachung (I, 429ff.). Nicht nötig ist dagegen, daß der Täter den schädlichen Erfolg gewünscht hat — auch nicht, daß seine Absicht auf Gewinn gerichtet war. Auch ein eventueher Vorsatz, bei dem die Verursachung dieses 128

T r a e g e r a. a. O. 385; SeuffA. 52 N r . 18. F i n g e r , K o m m e n t a r z u m Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs; S t a m m l e r , Richtiges Recht 474ff.: P l a n c k , D J Z . 1907, 7ff.; R o s e n t h a l , LeipzZ. 1919, 515; J u n g , Recht 1919, 319; G r o h Reichsgerichtspraxis 2, 119ff. 130 R G . 111, 156. 131 R G . 79, 57ff. ; W a r n e y e r 1920 N r . 41. 132 R G . D J Z . 1906, 370; GruchBeitr. 50, 970; J W . 1910, 470. iss N i p p e r d e y , Kontrahierungszwang 53ff. 129

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

37

Unrechtshandlungen.

578

Erfolgs nur in zweiter Linie und wahlweise erstrebt ist, genügt 1 3 4 . Ferner muß die Handlung gegen die guten Sitten, richtiger gegen die im Leben herrschenden sitthchen Anschauungen verstoßen. Diese Frage ist nach der ahgemeinen Auffassung zu beurteilen, nicht nach der des Richters oder der Parteien. Der Maßstab des Verkehrs ist nicht sehr feinfühhg : so daß nur erhebhche Verstöße von ihm betroffen werden 135 . Die Regeln des Lebens, nach denen die Frage zu beurteilen ist, sind keine Rechtssätze, aber doch auch keine Tatsachen und daher der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterworfen 136 . Es ist nicht zu erfordern, daß der Täter sich der Unsitthchkeit bewußt w a r 1 3 7 : denn sonst würde ein sitthch abgestumpfter Mensch gegen ahe solche Ansprüche geschützt sein. Wohl aber kann sich der Täter darauf berufen, daß er die Tatsachen, aus denen sich die Unsitthchkeit ergibt, nicht gekannt h a t 1 3 8 . § 314. Nicht erforderlich ist, daß die Handlung rechtswidrig ist. Es ist nicht gerade rechtswidrig, jemandem zum Wechsel seines Glaubens oder zur Kündigung seiner Stehung zuzureden: aber es kann unsitthch sein und verpfhchtet dann. Zweifel sind aber bei solchen Handlungen aufgetaucht, zu denen der Täter kraft eines besonderen Rechts befugt ist, wie bei einer Kündigung des Beklagten. Hierdurch, hat man gemeint, könne er sich nur dann haftbar machen, wenn diese Ausübung infolge des Schikaneverbots (§ 226 BGB.) unzulässig sei 1 3 9 . Aber auch diese Einschränkung ist abzulehnen 140 . Richtig ist nur, daß man bei jemandem, der sein Recht ausübt, nicht so leicht eine Unsitthchkeit bejahen wird 1 4 1 . Aber die Einschränkung auf die Fälle der Schikane geht viel zu weit. Denn diese liegt nach § 226 ledighch dann vor, wenn der Täter „ n u r " die Schädigungsabsicht hat 134 Oben I , 433ff.; R G . 72, 176. 76, 319ff. 90, 108. 170; D J Z . 1906, 1095; GruchBeitr. 52, 1040ff. 135 R G . 48, 124ff. 51, 381. 55, 372. 58, 216. 400ff. 73, 113; W a r n e y e r 1919 N r . 63. 136 S t e i n , Das private Wissen des Richters; R G . 48, 129. 51, 383. 58,

216, 220. 137

R G . 79, 23; J W . 1910, 18; 1912, 538ff. Recht 1915 N r . 313. 139 P l a n c k 2 zu § 826. 140 Herrschende Meinung, insbesondere R G . 48, 124. 51, 382. 55, 372. 56, 277. 58, 216, 220. 60, 103. 62, 139. 141 R G . 98, 71. 101, 325ff. 138

Unsittliche Schädigung.

579

und wenn es sich schon aus der Tat ergibt, daß er nur diese haben „kann". Beides kann hier durchaus fehlen. Ein Hauswirt will sein Recht, die Mietwohnung zu besichtigen, gerade während einer Festlichkeit des Mieters oder in der Sterbestunde eines Familienmitgliedes ausüben : dies kann auch dann unsitthch sein, wenn er dazu nicht nur durch die Schädigungsabsicht, sondern auch durch übermäßige Ängsthchkeit veranlaßt wurde. Die Auflösung einer Verlobung kann unsitthch sein, auch wenn dies sich aus der Art und Weise dieser Rechtsausübung nicht ersehen läßt. Eine andere Frage ist, ob umgekehrt eine Handlung dadurch zur rechtswidrigen wirdj daß sie gegen § 826 verstößt. Dies wird man bejahen müssen 142 : Denn es ist dem damit Bedrohten das Recht zur Notwehr dagegen einzuräumen. Man darf also Leuten, die die Angestellten aufhetzen oder aushorchen wollen, gewaltsam den Zutritt verwehren. § 315. Das Anwendungsgebiet des § 826 ist sehr groß. Es fällt insbesondere darunter: 1. Unrecht im Rechtsverkehr, z . B . : arghstige Verleitung zum Vertragsschlusse 143, Bestimmung zu Scheinangeboten, Scheinabtretung 144 , wissenthch falsche Auskünfte 1 4 5 , Empfehlungen 146 und Dienstzeugnisse147, Bilanzfälschungen 148 , Verschweigen erhebhcher Umstände beim Vertragsschlusse 149 oder Schweigen zu einem erkannten erheblichen Irrtum des Gegners 150 . 2. Schädigung der Gläubiger 151 , insbesondere durch Abhalten vom Bieten in einer Versteigerung 152 . 142

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 230 A n m . 11 gegen O e r t m a n n , D J Z . 1903, 325ff. 148 R G . 63, 268ff. 144 R G . GruchBeitr. 62, 1037ff.; R G . 95, 160. 146 R G . 76, 318; W a r n e y e r 1908, N r . 518. 1916 N r . 76. 148 R G . W a r n e y e r 1911 N r . 376, 1912 N r . 24. 147 R G . J Z . 1905 N r . 697. 148 R G . LeipzZ. 1908, 298. 149 GruchBeitr. 50, 968; O L G . 28, 222. 160 O L G . 4, 204; R G . Recht 1908 I I N r . 991. 151 R G . 79, 195ff. 152 R G . 58, 393ff. ; J W . 1907, 201. 37*

Unrechtshandlungen.

580

3. Verwendung unlauterer Kampfmittel im Interessenwettkampf 1 5 3 . Streik und Aussperrung sind ohne weiteres nicht als unstatthaft anzusehen, können es aber durch die Verwendung unsittlicher Mittel werden oder durch die Verfolgung ungerechter Ziele oder die Absicht, den Gegner vöhig zu ruinieren 154 . Auch der Boykott ist nicht ohne weiteres unerlaubt, kann aber aus denselben Gründen unsitthch sein 1 5 5 . Insbesondere dürfen diese Kampfmittel nicht zum Zwecke der Rache oder pohtischen Hetze verwendet werden. Von den Mitteln sind Gewalttätigkeiten und Lügen zu verwerfen 156 , die sogenannten schwarzen Listen dagegen nicht zu beanstanden 157 . 4. Mißbrauch eines formalen Rechts zum Nachteile eines anderen und Teilnahme daran, insbesondere: Indossament eines Wechsels, um Einreden abzuschneiden 1 5 8 , Abtretung einer Grundschuld in derselben Absicht 1 5 9 , Verpfhchtung eines Handelsgesellschafters für persönliche Zwecke 160 , Eintragung von Warenzeichen, die zur Verwechslung mit anderen Zeichen dienen sollen 161 , 5. Rechtserwerb, um Rechte Dritter zu schädigen, z. B. Erwerb eines Grundstücks, um den Anspruch eines anderen darauf zu vereiteln 162 oder um es den Gläubigern zu entziehen 163 . Damit ist aber nicht gesagt, daß jeder, der eine fremde 158 Verhandlungen des 28. u n d 34. Juristentages, insbesondere O e r t m a n n , 28. J T . 2, 33ff.; N i p p e r d e y , 34. J T . 1, 396ff. 2, 823; O e r t m a n n , Der politische B o y k o t t ; L o b e , D J Z . 1908, 934ff.; P i n c z o w e r , Verhältnis des § 826 zum B o y k o t t ; M a s c h k e , B o y k o t t , Sperre u n d Aussperrung; K i s c h , D J Z . 1911, 1349ff.; K r ü c k m a n n , ZivArch. 113, 167; P o t t h o f , Z b l H . 1928, 382. 154

R G . 119,294.51,381.54.255; J W . 1908,679.1928, 2648, 2910.1929,580. R G . 60, 104ff. 64, 61ff. 66, 384. 76, 35ff. 86, 152; W a r n e y e r 1913 N r . 54, 1914 N r . 160; GruchBeitr. 54, 643ff. 16β R G . 66, 379ff. ; O L G . 14, 41. 167 O e r t m a n n a. a. O. u n d Genannte. 168 R G . 51, 359ff. 56, 321; W a r n e y e r 1912 N r . 386. 159 R G . Recht 1908 I I , 330. 160 R G . 58, 356. 161 R G . 66, 238ff. 106, 250. 162 R G . 62, 138ff.; JRundsch. 1926 N r . 357; GruchBeitr. 50, 971. 163 R G . 78, 14ff. 83, 239ff. 95, 162ff.; GruchBeitr. 49, 353. 155

Unsittliche Schädigung.

581

Sache in Kenntnis eines fremden darauf gerichteten Schuldrechts erwirbt, schon deshalb unsitthch handle. Vielmehr wird ein solches Verfahren in vielen Fähen nicht so verurteilt werden können. Der Käufer einer schon anderweit verkauften Sache wird sich vielfach damit beruhigen dürfen, daß sein Verkäufer schon den ersten Käufer abfinden werde. Auch der Verkäufer selbst begeht ja nicht schon dadurch, daß er die Sache nochmals verkauft, eine Unrechtshandlung. Unmöghch kann man daher denjenigen 164 , der sie ihm abnimmt, strenger beurteilen 164 . § 316. Besonders bedeutsam ist die Frage, inwieweit das Verhalten einer Partei im R e c h t s s t r e i t zu einem Schadensanspruch aus § 826 führen kann. Zunächst kann ein unsitthches Verhalten darin hegen, daß eine Partei eine Klage oder Einrede erhebt, die ihr zwar nach der Rechtsordnung zusteht, aber nach Redlichkeit nicht geltend gemacht werden darf. Dahin gehört es besonders, wenn ein Indossatar aus einem Wechsel klagt, den er erworben hat, um dem Beklagten seine Einreden abzuschneiden. I n ahen solchen Fähen steht dem Kläger eine Einrede der Arglist entgegen. Dagegen darf sie nicht auch auf solche Fähe ausgedehnt werden, wo die Klage nicht unsitthch, sondern nur unbilhg erscheint. Allerdings gab der römische Prätor auch in solchen Fähen eine exceptio doli, um die von ihm eingeführten Neuerungen unter einer solchen ahgemeinen Wendung zu verbergen — und so pflegte man auch noch vor wenigen Jahrzehnten in solchen Fähen von einer Einrede der Arghst zu sprechen. Aber diese Ausdrucksweise ist nicht nur unrichtig, sondern enthält auch ein schweres Unrecht gegen eine anständige Partei, der ganz ohne Berechtigung ein peinlicher Vorwurf gemacht wird. Für alle diese Fähe muß also dieser Ausdruck vermieden werden: ohne wirkliche Arghst keine Einrede der Arglist. I n vielen von ihnen greift dann freihch eine andere Einrede durch, insbesondere die Einrede der Ausgleichung, die man lange verkannt oder doch nicht richtig benannt hat (S. 539ff.)· Wo dies nicht zutrifft, kann die Unbilligkeit ahein nicht eine Einrede begründen. Wesenthch anders als bei der Einrede liegt die Sache bei einem bloßen Klageleugnen und bei einem Einwand, also bei Behelfen, auf die sich der Beklagte nicht zu berufen braucht. Eben weil 164

O e r t m a n n zu § 137; R e i c h e l , Z i v A r c h . 127, 272ff.

Unrechtshandlungen.

582

er hier gar nichts geltend macht, kann man gegen ihn einen Vorwurf nicht erheben. Daß er die Erfüllung aus einem solchen nichtigen Vertrage weigert oder daß er die betreffenden Tatsachen vorträgt, darin kann man noch nicht ein Unrecht erbhcken. Überdies braucht er letzteres gar nicht einmal getan zu haben, falls die Umstände schon vom Kläger vorgebracht sind. Ohne Belang ist es auch, wenn der Beklagte auf diesen rechthchen Gesichtspunkt aufmerksam gemacht hat — weil dies ja eben für die Entscheidung gleichgültig ist. Schon deshalb ist es unzulässig, die Berücksichtigung eines Formmangels aus dem Gesichtspunkte zu verwerfen, weil der Beklagte sich auf diesen nicht berufen dürfe: der Mangel wird ja nicht wegen dieser Berufung, sondern von Amts wegen berücksichtigt. Überdies könnte in einem solchen Vorbringen auch noch nicht ein arglistiges Verhalten gesehen werden 165 . Unsitthch wäre es nur, wenn er schon den formlosen Abschluß in arglistiger Absicht herbeigeführt hätte: aber auch hier wäre er nicht wegen seiner Berufung darauf 1 6 6 , sondern eben wegen jener Einwirkung nach § 826 haftbar. Trifft ihn ledighch der Vorwurf der Fahrlässigkeit beim Abschheßen, so ist das noch weniger genügend, um eine Replik der Arghst gegenüber der Berufung auf den Formmangel zu begründen 167 . Sein Verhalten ist hier nicht unsitthch: außerdem steht auch hier wieder entgegen, daß er sich gar nicht darauf zu berufen braucht. Auch ein Anspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschlusse ist hier nicht gegeben, weil er den Abschluß eines gültigen Vertrags erfordert (I, 560). § 317. Sodann kann eine Partei sich eines Verstoßes dadurch schuldig machen, daß sie durch unlautere Mittel eine günstige Entscheidung herbeiführt. Dahin gehört jedenfalls die Einwirkung durch Meineid 168 , durch Ausnutzung eines Mißverständnisses 169 oder einer öffenthchen Zustehung 170 , die Erschleichung eines Ehescheidungsurteils durch erdichtete Angaben 171 . Aber auch die Verzögerung des Rechtsstreits durch bewußt unrichtige Ein165 1ββ 187 168 169 170 171

1148.

R G . 52, 5. 58, 218. 72, 342. 73, 209. 77, 277. 82, 304. So R G . SeuffA. 63, 349. W i e R G . 107, 357ff.; B a y r R p f l Z . 27, 241. R G . 46, 75. R G . 69, 280. R G . 61, 364. 78. 390ff. R G . 75, 214; W a r n e y e r 1912 N r . 25; 1920 N r . 110; J W . 1926,

Unsittliche Schädigung.

583

Wendungen ist dahin zu rechnen. Wenn auch eine eigenthche Verpfhchtung der Parteien zur Wahrheit nicht aufgestellt ist, kann man doch solche Machenschaften, die nur den Zweck des Hinhaltens verfolgen, nicht durchgehen lassen 172 . Besonders umstritten ist die Frage, ob ein solcher Schadens anspruch auch gegenüber der R e c h t s k r a f t des Urteils durchdringt. Von vielen wird dies schlechthin verneint, weil dadurch die Rechtskraft durchbrochen werde 173 . Von anderen wird es in weitem Umfang zugelassen 174 : von manchen in allen Fällen, wo „ i n der Berufung auf das formehe Recht eine Arghst l i e g t " 1 7 5 . Dies könnte man dahin verstehen, daß schon die bloße Bösgläubigkeit des Gläubigers seinem Anspruch aus dem rechtskräftigen Urteil entgegengestellt werden könnte: aber das wäre sicherhch ganz unhaltbar und wird wohl von niemandem ernstlich vertreten 176 . Aber auch abgesehen hiervon bleibt gegenüber dieser Lehre in der Tat das Bedenken, daß sie zu einer Umstoßung der rechtskräftigen Entscheidung führt. Denn es ist doch eben die Berechtigung des Anspruchs, die jetzt wieder in Frage gestellt wird. Anderseits läßt sich aber auch nicht leugnen, daß in besonders krassen Fähen eine Hilfe geschaffen werden muß. So werden wir dazu gedrängt, zwischen den einzelnen Fällen zu unterscheiden. Am besten tut dies die vom Reichsgericht aufgestellte Mittelansicht: nach ihr soll sich der Verurteilte nur darauf berufen dürfen, daß der Kläger durch arglistige Mittel, z. B. durch Urkundenfälschung, das Urteil herbeigeführt h a t 1 7 7 . Hierfür sprechen in der Tat gewichtige Gründe der Bilhgkeit. Allerdings wird ja auch durch die Restitutionsklage des § 580 ZPO. eine nachträghche Berücksichtigung der schwersten Verstöße ermöghcht. Aber es bleiben doch auch andere Fähe, die dort nicht geregelt sind und dennoch einer Regelung bedürfen, z. B. wo ein Ehescheidungsurteil durch erdichtete Angaben erschlichen ist. Die bloße Behauptung, daß der Gläubiger bei der Klage arg172

R G . 95, 313. H e l l w i g , ZProzeß 1,45; P a g e n s t e c h e r , Rechtskraft 323ff. 395ff. ; J W . 1908, 187ff.; JRundsch. 1926, 729; W u r z e r , JheringsJ. 65, 335ff.; O e r t m a n n , BürgArch. 42, I f f . 174 Angaben bei O e r t m a n n a. a. O. 2ff. 175 K o h l e r , Z i v A r c h . 80, 192ff. 114, 271. ΐ7β Y g i . dazu O e r t m a n n a. a. O. 5ff. 173

177

R G . 46, 75. 61, 359. 67, 152ff. 69, 280. 75, 214. 78, 89.

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Unrechtshandlungen.

listig gewesen sei, kann aber dem nicht gleichgesteht werden 178 . — Bei den wirklich schweren Verstößen erscheint der Anspruch aus § 826 also berechtigt. Aber auch jetzt bleibt immer noch das Bedenken zu überwinden, daß dadurch die Rechtskraft des Urteils erschüttert wird. Man hat zwar dagegen geltend gemacht, daß jetzt gar nicht über die Richtigkeit des abgeurteilten Anspruchs, sondern über eine ganz andere Frage, nämlich das im Rechtsstreit begangene Unrecht entschieden werde. Aber das ist nur insofern richtig, als die Beseitigung des ergangenen Urteils verlangt wird. Und in der Tat kann nur diese erwirkt werden. Die Partei, die es als erschlichen bemängelte, kann aherdings fordern, daß das Urteil ausgeschaltet werde. Aber mehr kann sie nicht verlangen 179 . Hat der Kläger durch eine falsche Urkunde das Urteil herbeigeführt, so wird nur festgestellt, daß er letzteres nicht geltend machen darf: ob er aber wirklich einen Anspruch hat, bleibt noch dahingestellt. Man hat zwar dagegen eingewendet, daß auch dies gegen die formelle Rechtskraft des Urteils verstoße 180 . Aber das Urteil selbst wird ja nicht aufgehoben, es kann z . B . aus ihm vollstreckt werden: doch würde dies Vorgehen jetzt rechtswidrig sein und den Gläubiger zum Schadensersatz verpfhchten. Wenn wir auf die drei ahgemeinen Ansprüche aus Unrecht zurückblicken, so finden wir die Verletzung von Gegenständen (§ 823 I), Schutzgesetzen (§ 823 I I ) und der Sittlichkeit (§ 826). Es zeigt sich dabei, daß keineswegs ein allgemeiner Anspruch wegen jeder Güterverletzung gegeben ist. Zugleich aber auch, daß diese drei Ansprüche wesenthch denen des römischen Rechts entsprechen, den drei Klagen aus der lex Aquilia, furtum und dolus. Eine Erweiterung darüber hinaus ist wesenthch nur darin zu finden, daß die Rechtsordnung sich auch noch auf neue Kulturgebiete ausgedehnt und die Forderungen übertragbar gemacht hat. I m übrigen ist es wesenthch beim alten gebheben. Und das erscheint auch durchaus berechtigt. Diese Beschränkung der Unrechtshandlungen hat sich im bisherigen und heutigen Recht durchaus bewährt. Es klingt ja verlockend, kurz eine allgemeine i™ R G . 67, 162ff.; J W . 1912, 637; 1913, 19; GruchBeitr. 63, 611 f f . ; bedenklich K o h l e r , Z i v A r c h . 80, 193 u n t e n . 179 So D a l b e r g , ZZP. 40, 38ff.; J e l l i n e k , Der fehlerhafte Staatsakt 196 ff. 180 O e r t m a n n a. a. O. 18.

Nachrede.

585

Regel dahin aufzustehen, daß für jede schuldhafte Schädigung gehaftet werde. Aber eine vorsichtige Prüfung zeigt, daß dies ins Ungemessene führt und daß nur bei ganz bestimmten Gruppen von Verletzungen die Haftung berechtigt erscheint. — § 318. Neben diesen drei ahgemeinen Gruppen stehen noch einige besondere Fähe, zunächst der Anspruch aus schädigender N a c h r e d e 1 8 1 . Aus einer vorsätzhchen Beleidigung und üblen Nachrede entsteht ein Anspruch aus § 823 I I in Verbindung mit §§ 185ff. StGB, auf Schadensersatz und auf Buße nach § 188 StGB. Er wird durch die Sondervorschrift des § 824 BGB. nicht ausgeschlossen182. — Daneben gibt aber § 824 BGB. noch weiterhin einen Anspruch aus F a h r l ä s s i g k e i t , wenn daraus Nachteile für das Vermögen erwachsen. Vorausgesetzt ist dabei zunächst, daß eine Tatsache über den anderen behauptet oder verbreitet ist, während bloße Urteile, auch wissenschafthche, nicht genügen 183 . Diese Tatsache muß unrichtig sein; doch kann sich das auch schon daraus, daß etwas fortgelassen wird, ergeben 184 . — Die Tatsache muß geeignet sein, den anderen in seinem Kredit oder Erwerb zu schädigen. Als geeignet erscheint sie nur dann, wenn sie diese Folge gewöhnhch hat — wie z. B. die Bezeichnung eines Arztes als Naturarzt 1 8 5 . Nicht erforderhch ist, daß sie den Charakter des Angegriffenen herabsetzt; so ist die Behauptung, daß jemand vermögenslos sei, ausreichend. Daher ist auch gegenüber juristischen Personen eine solche Nachrede möglich 1 8 6 . — Ferner ist Verschulden erforderhch, Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Es braucht sich nur auf die Unwahrheit der Tatsache, nicht auch auf ihre Schädhchkeit zu erstrecken 187 . Und endlich muß dadurch ein Schaden verursacht sein. I m Falle der bloßen Fahrlässigkeit ist die Haftung ausgeschlossen, wenn der Mitteilende oder der Empfänger ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung hat (§ 824 I I ) . Für wissenschafthche und belehrende Darstellungen 181

B i b e r f e l d , GruchBeitr. 42, 367ff.; K o h l e r , A r c h i v f. Strafrecht 47, 150ff.; T r a e g e r , Kausalbegriff 204ff.; L o b e , a . a . O . 266 ff.; B a r t e l t , GruchBeitr. 69, 437ff. 182 Herrschende Meinung; anders v . L i s z t a. a. Ο. 23, 38. 188 R G . 60, 5. 84, 296ff. 101, 337; J W . 1921, 1530. 184 SeuffA. 59, 183ff. ; J W . 1907, 33. 185 R G . 57, 157ff. * 8 8 R G . 60, 5. 187 Herrschende Meinung; anders T r a e g e r a. a. O. 205ff.

Unrechtshandlungen.

586

ist ein solches Interesse bejaht 1 8 8 , für die Tagespresse und nur zur Unterhaltung bestimmte Bücher dagegen verneint worden 189 . Daß der Täter ein solches Interesse zu haben glaubte, genügt nicht 1 9 0 . I n den durch § 824 I I betroffenen Fällen wird der Angegriffene nicht selten ein erhebliches Interesse daran haben, die objektive Unrichtigkeit der behaupteten Tatsache darzulegen. Wir glaubten^ ihm hier durch einen allwirksamen Anspruch personenrechthcher Art helfen zu können (oben S. 557). — Für alle Tatbestandsmerkmale trifft den Kläger die Beweislast. Die Umkehrung der Beweislast, die nach § 186 StGB, im Strafrecht gilt, ist hier nicht anwendbar. §319. Aus geschlechtlichenVerletzungen entspringt einAnspruch nach § 825 BGB. Allerdings ist in den Fähen, wo die §§ 174, 176, 177, 179, 182 StGB, übertreten werden, insbesondere bei Notzucht, ein Anspruch schon aus § 823 I I BGB. und auch aus § 826 BGB. gegeben. Zwar ist auch hier behauptet worden, daß sie durch die Sondervorschrift des § 825 ausgeschlossen würden 1 9 1 , doch geht das Gegenteil schon aus ihrer ausdrücklichen Erwähnung im § 847 I I BGB. hervor. — Daneben gibt § 825 noch einen besonderen Anspruch in den Fähen unlauterer Verführung. Eine Frau muß zum unehehchen Beischlaf bestimmt worden sein; Unbescholtenheit wird nicht erfordert. Es muß dies durch Hinterlist geschehen sein — der Täter verspricht oder täuscht eine Ehe vor, er verschweigt, daß er verheiratet i s t 1 9 2 — durch Drohung oder Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses. Dies kann auch auf einer sozialen, nicht-rechthchen Beziehung beruhen, wie bei einem Pfarrer 193 . Zwischen dem Verhältnis und der Bestimmung muß ursächlicher Zusammenhang bestehen; doch wird er nicht dadurch ausgeschlossen, daß auch andere Gründe mitwirken 1 9 4 . Endlich ist Vorsatz und eine Schädigung erforderhch, z. B. durch Schwängerung. Es muß bewiesen werden, daß sie durch diese Beiwohnung hervorgerufen ist, die Vermutung des § 1717 BGB. ist hier nicht anwendbar 195 . 188

R G . 60, I f f . 115, 80ff. R G . 83, 362. 115, 80ff. LeipzZ. 1914, 1623. 190 R G . 51, 369. 56, 271. 285. 85, 442; J W . 1915, 91. 191 v . L i s z t a. a. O. 40ff. 192 R G . J W . 1906, 352. 193 O e r t m a n n 1 u n d Genannte. 189

* 9 * O L G . 3, 210. 195 R G . J W . 1909, 415.

Verführung.

587

Anders wird eine Verführung behandelt, bei der diese verwerflichen Mittel nicht benutzt worden sind. Aus einer solchen hat die Frau nur dann einen Anspruch auf billige Entschädigung, wenn sie unbescholten war und wenn ein Verlöbnis vorlag (§ 1300 BGB.). Das Gesetz macht also — mit Recht — einen großen Unterschied danach, ob die Verführte verlobt war, also auf die Eheschließung rechnen konnte. Außerdem sind, wenn ein K i n d geboren wird, der Mutter die Entbindungskosten zu erstatten (§ 1715 BGB.). § 320. Endlich kann ein Anspruch aus einer A m t s v e r l e t z u n g (§ 839 BGB.) entstehen 196 . Aus einer solchen haftet der Beamte gegenüber dem Staat oder dem sonstigen Verbände auf Grund seiner Anstellung. Das Gesetz gibt aber auch Dritten einen Anspruch, freilich mit manchen Einschränkungen. Der Anspruch geht insoweit über die allgemeinen hinaus, als er nicht die Verletzung eines Gegenstandes oder Schutzgesetzes oder der Sittlichkeit erfordert, so daß er insbesondere auch bei einer bloßen Vermögensschädigung eingreift. Er setzt aber voraus, daß es sich um einen Beamten des öffentlichen Rechts, also vom Staat oder einem anderen öffenthch-rechthchen Verband handelt. Wer von deren Angestehten ein Beamter ist, bestimmt sich nach öffentlichem Recht. Einen gewissen Anhaltspunkt bietet dafür § 359 StGB., wonach insbesondere auch die mittelbaren Beamten dazu gerechnet werden. Zu den Beamten gehören auch Gerichtsvollzieher 197 und nach den meisten Landesrechten Notare 1 9 8 ; auch die Offiziere sind dazuzurechnen 199 . Nicht dazu gehören Anwälte (§ 359 StrGB.), Vormünder, Testamentsvohstrecker, Mitgheder einer freiwilligen Feuerwehr 2 0 0 . Geschworene, Schöffen und Schiedsrichter sind ebenfalls nicht Beamte und daher nicht nach § 839 haftbar. Doch wird man ihnen auch die Ausnahme des Absatzes I I zugute halten müssen, wonach ein Richter bei einem Rechtsspruch nur in Ausnahmefähen 198 D e l i u s , Beamten-Haftpflichtgesetz; R e i m e r , Beiträge zur Lehre von der A m t s h a f t p f l i c h t ; S c h n e i d e r , ZivArch. 21, 209ff.; O e r t m a n n , Z b l F G . 1914, 771ff.; J o s e f , ZivArch. 98, 426; JheringsJ. 63, 232. 197

R G . 61, 186ff. 268ff. 82, 85ff.

198

R G . GruchBeitr. 51, 640; dafür auch § 359 StGB.

199

R G . 54, 198. 55, 172. 172, 72 349. 91, 9. 92, 240. 99, 254; 1912, 639. 2°° R G . 124, 159ff.

JW.

Unerlaubte Handlungen.

588

haftet. Das läßt sich zwar nicht aus einer stillschweigenden Vertragsbestimmung ableiten 201 , was ja ohnehin bei Schöffen und Geschworenen versagen würde, wohl aber aus der Erwägung, daß diese nicht strenger als die Berufsrichter haften können 2 0 2 . Sodann muß er eine Amtspfhcht verletzt haben — auch dadurch, daß er die Erfüllung seiner Pfhcht versäumt oder Handlungen vornimmt, die außerhalb seiner Zuständigkeit hegen 203 . Wenn er etwas tut, wozu er berechtigt, aber nicht verpfhchtet ist, z. B. freiwihig eine Auskunft gibt, so muß er auch hierbei sorgfältig verfahren 204 . — Diese Pfhcht muß dem Beamten gerade gegenüber dem Verletzten obliegen. Die Bestimmung, die diese Verpfhchtung schuf, muß in dessen Interesse erlassen sein, und zwar wesenthch und nicht nur nebenher 205 . Es ist also dasselbe Merkmal, das ein Schutzgesetz nach § 823 I I zu dem Geschädigten in Beziehung setzt — und so könnte es scheinen, als ob neben dieser Vorschrift der § 839 überflüssig wäre. Aber er geht in doppelter Richtung über § 823 I I hinaus. Er verlangt nicht ein Gesetz, also eine Norm des objektiven Rechts, vielmehr kann die Verpfhchtung des Beamten auch durch eine bloße^Verfügung begründet sein. Außerdem setzt er nicht ein Schutzgesetz, also eine besondere Gefährdung voraus. Vielmehr bezieht er sich auch auf andere Pfhchten, z. B. einen Termin rechtzeitig anzusetzen und abzuhalten. — Ob eine Bestimmung gerade im Interesse des Beschädigten erlassen ist, kann oft zweifelhaft sein. Es t r i t t besonders deuthch dann hervor, wenn dieser zu den an dem amtlichen A k t Beteiligten gehört oder wenn ihm ein Rechtsmittel dagegen zusteht. Aber es wäre zu eng, wenn man es auf solche Fälle beschränken wollte 2 0 6 . Auch das ist nicht zu erfordern, daß die Amtsverletzung die einzige Ursache des Schadens gewesen sei 2 0 7 . Vielmehr kommt es darauf an, ob der Pfhchtenkreis des Beamten sich auf diesen Dritten mit erstreckt. Man wird das bei einer Testamentserrichtung für alle Personen bejahen können, die in dem Testa201 202 203 204

So R G . 65, 175ff. So E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 234 A n m . 2. R G . 71, 60ff. ; J W . 1909, 494ff. R G . GruchBeitr. 46, 938; R G . 68, 182. 93, 61; W a r n e y e r

N r . 81. 205

206 207

R G . 78, 243 u n d Genannte. R G . 72, 324. 78, 244ff. 95, 219. R G . 66, 109. 95, 219.

1914

tsverletzung.

589

ment eingesetzt sind 2 0 8 . Und auch für solche, die Rechtsnachfolger der bei dem Akte Beteiligten geworden sind 2 0 9 . Zu weit geht es aber, wenn das Reichsgericht es als genügend bezeichnet, daß durch die Amtshandlung ihre „Interessen berührt" werden 210 . Dies ist freilich auch notwendig, weil ihnen ja sonst kein Schaden erwachsen würde. Es genügt aber nicht: denn das Gesetz will unter den Geschädigten doch offenbar nur einen Teil herausgreifen, wenn es eine ,,dem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht" erfordert. Nicht richtig ist es daher, jeden zu schützen, der im Vertrauen auf die Richtigkeit eines beurkundeten Aktes Rechte erworben h a t 2 1 1 . Auch ist dann, wenn durch die Schuld des Beamten der Akt, z. B. die Testamentserrichtung, ganz unterbleibt, nicht ein jeder, der dadurch etwas hätte erlangen können, als geschützt anzusehen212. Ferner muß den Beamten ein Verschulden bezüghch seiner Amtsführung treffen. Es kann dies auch darin hegen, daß er neue Gesetze oder auch eine feststehende Rechtsprechung nicht beachtet h a t 2 1 3 . Wenn es sich um Ermessensfragen handelt, kann ein Verschulden nur unter ganz besonderen Voraussetzungen bejaht werden 214 . Und endlich ist es erforderhch, daß ein Schaden durch dies Verschulden entstanden ist. Der Schaden braucht nicht vorhersehbar gewesen zu sein 2 1 5 . § 321. Diese Haftung des Beamten wird aber in einigen Punkten wieder erleichtert. Sie ist nach § 839 I 2 ausgeschlossen, wenn der Verletzte auf andere Weise Ersatz erlangen kann. Es soh also die Haftung des Beamten erst in zweiter Linie eintreten. Dieser Gedanke ist aber nur da berechtigt, wo sie über die ahgemeinen Fähe einer Haftung hinausgeht. Keinen Sinn hätte es für die anderen, wo sie schon nach §§ 823 und 826 begründet ist. Für den Fah, daß 208

R G . 58, 298. 78. 243; Recht 1904 N r . 904; P l a n c k 3 zu § 2332; S t r o h a l , Erbrecht 1 § 21; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 234 A n m . 5; O e r t m a n n 2 zu § 839. 209

So wäre die Entscheidung R G . 66, 109ff. zu begründen gewesen. R G . 78, 247. 95, 219; vorsichtiger R G . 59, 299. 66, 109; vgl. J o s e f , Z i v A r c h . 98, 434. 211 W i e R G . 78, 247; J o s e f , E n n e c c e r u s a. a. O. O. 212 D e l i u s , Recht 1906, 654. 213 R G . 59, 381. 60, 392. 91, 127. 107, 118; W a r n e y e r 1925 N r . 30; J W . 1927, 2203. 214 R G . 110, 289. 113, 20. 121, 116, 223. 125. 300. 216 R G . W a r n e y e r 1912 N r . 163. 210

Unrechtshandlungen.

590

der Beamte vorsätzlich handelt, ist das ausdrücklich im Gesetz vorgeschrieben; denn es beschränkt die Ausnahme auf den Fall der Fahrlässigkeit. Aber nicht anders ist es auch zu beurteilen, wenn er etwa eine Körperverletzung begeht, z. B. mit dem Dienstauto jemanden fahrlässig überfährt. Dennoch wih die herrschende Meinung die Einschränkung auch auf solche Fähe beziehen 216 . Sie beruft sich zum Teil darauf, daß das Gesetz diese Unterscheidung nicht mache ; aber sie ist eben daraus zu entnehmen, daß der zweite Satz des § 839 sich naturgemäß nur auf die Haftungsfähe bezieht, die durch den ersten geschaffen sind. Sodann macht man geltend, daß durch § 839 überhaupt alle Ansprüche aus §§ 823 und 826 ausgeschlossen würden 2 1 7 . Aber das ist nicht erwiesen und wird vielmehr gerade dadurch widerlegt, daß kein triftiger Grund besteht, jemanden, der gegen die ahgemeinen Haftungsregeln verstößt, deshalb milder zu behandeln, weil er Beamter ist und im Amte gefehlt hat. Das Reichsgericht wih einen solchen Grund zwar darin finden, daß die Beamten sich nicht einer besonderen Ängstlichkeit hingeben dürften 2 1 8 . Aber es wäre umgekehrt recht bedenkhch, wenn sie sich hier eine gewisse Großzügigkeit angewöhnen sohten : und überdies würde die ganz ungewisse Aussicht, daß vieheicht von anderen Seiten Ersatz zu erlangen wäre, sicherhch nicht ausreichen, um eine solche Ängstlichkeit zu beseitigen. Auch die vertragliche Haftung des Beamten wird durch § 839 nicht berührt 2 1 9 . Maßgebend ist, ob zur Zeit der Klageerhebung der Verletzte andere Ansprüche erheben konnte 2 2 0 . Wenn er sie nur früher hätte geltend machen können, so kommt es darauf an, ob er fahrlässig gehandelt hat und deshalb der Einwendung des eigenen Verschuldens (§ 254 BGB.) verfällt 2 2 1 . Auf die bloße Aussicht, daß noch später Ersatz erlangt werden könne, darf der Geschädigte nicht verwiesen werden 222 . Sind mehrere Beamte ersatzpfhchtig, so ist eine Verweisung des einen auf den anderen nicht zulässig, vielmehr 216

Besonders R G . 74, 252. 87, 347. 100, 287. D e l i u s , Recht 1913, 494; R G . 74, 252. 87. 347. 94, 103. 100, 287; j e t z t auch O e r t m a n n 2 zu § 839 u n d L e h m a n n (gegen Enneccerus) § 234 A n m . 13. 217

218 219 220 221 222

R G . 74, 252. K r i e g , J W . 1912, 1087ff. R G . 100, 128ff. R G . 80, 255ff.; anders GruchBeitr. 48, 433. R G . 86, 287ff. R G . 100, 128 ff.

tsverletzung.

591

haften sie ahe als Gesamtschuldner 223. Dafür, daß kein anderer Ersatz zu erlangen sei, trifft den Kläger die Beweislast 224 . § 322. Sodann t r i t t bei einem Urteil in einer Rechtssache eine Haftung nur dann ein, wenn die Handlung mit öffenthcher Strafe bedroht ist (§ 839 I I BGB.). Letzteres trifft aber nur für die vorsätzhche Bestechung und Rechtsbeugung zu (§§ 334, 336 StrGB.). Für Fahrlässigkeit wird also hier nicht gehaftet. Diese Einschränkung erscheint auch sehr berechtigt. Der entscheidende Richter ist durch sein Amt genötigt, ständig in fremde Rechte einzugreifen, wodurch die Gefahr solcher fahrlässiger Schädigungen sehr gesteigert wird. Außerdem würde der bekannte Unmut der unterlegenen Partei sich fortwährend in Ersatzklagen gegen die Richter äußern. Ferner wäre oft sehr schwer zu entscheiden, ob ein unrichtiges Urteil als fahrlässig anzusehen ist. Und schheßhch wäre es recht mißhch, das eine Gericht über die Fehler des anderen entscheiden zu lassen, besonders wenn es diesem untergeordnet ist. Ahes dies ist von Bedeutung für die streitige Frage, wie weit die Bestimmung auszudehnen ist. Richtig erscheint es, sie nur für das eigenthche Urteil, also die sachliche Entscheidung auf Grund mündhcher Verhandlung, gelten zu lassen 225 , während manche sie auf jede Entscheidung, also auch Beweisbeschlüsse und Terminsbestimmungen anwenden wollen 2 2 6 . Die meisten der vorher angeführten Gründe treffen nur für das Urteil im engeren Sinne zu. Insbesondere findet nur bei diesem ein ständiger Eingriff in fremde Rechte statt, und nur bei ihm macht die Feststellung des Verschuldens so erhebliche Schwierigkeiten. Außerdem sagt das Gesetz (§ 839 I I 2) ausdrücklich, daß die Vorschrift auf eine pflichtwidrige Verweigerung der Amtsausübung nicht Anwendung finde — und darin ist doch auch eine Entscheidung enthalten. I n dieser Bestimmung ist nicht eine Ausnahme zu erbhcken, sondern eine Anwendung des maßgebenden Gedankens, daß die Urteile anders als die sonstigen Entscheidungen zu behandeln sind. 228

R G . 51, 262. 85, 41 I f f . ; GruchBeitr. 61, 473. R G . 86, 287. 96, 166; W a r n e y e r 1914 N r . 121. 225 R G . 62, 367ff. 116, 90; O L G . 4, 286ff.; K ü p p bei W i n d s c h e i d , § 470, 3; P l a n c k 6 zu § 839; N ö l d e c k e a. a. O. 839ff. ; H a g e n , GruchBeitr. 43, 848, 856; jetzt auch L e h m a n n (gegen E n n e c c e r u s ) § 234 A n m . 11 u n d S t e i n - J o n a s I vor § 300. 228 S c h n e i d e r a. a. O.; D e l i u s a. a. O. 74ff.; D e r n b u r g § 362; O e r t m a n n 3 zu § 839. 224

Unerlaubte Handlungen.

592

Endlich ist die Haftung dann ausgeschlossen, wenn der Verletzte es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch von Rechtsmitteln abzuwenden (§ 839 I I I ) . Das würde sich eigentlich schon aus der ahgemeinen Vorschrift des § 254 BGB. ergeben. Es bezieht sich nicht nur auf die ordenthchen Rechtsmittel, sondern auch auf ahe ähnlichen Behelfe, wie den Einspruch und die Wiederaufnahme des Verfahrens. Gegenüber einer vorsätzhchen Schädigung greift auch diese Befreiung nicht durch. Mehrere schuldige Beamte haften als Gesamtschuldner und im Innenverhältnis findet gleichmäßige Verteilung statt (§§ 840, 326 BGB.). Freilich kann auch die Pfhcht eines Beamten gerade darin bestehen, daß er einen anderen zu beaufsichtigen hat : dann fällt im Innenverhältnis die Haftung ledighch auf diesen, wenn er Schaden verursacht (§ 841 BGB.). Dies ist aber nur ein Anwendungsfah des ahgemeinen Gedankens, daß überall der im Innenverhältnis allein haften muß; der ganz überwiegend die Schuld trägt (unten § 344). § 323. Die wichtigen Fälle, wo ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten ö f f e n t l i c h e n G e w a l t Schaden zufügt, sind i n der neueren Gesetzgebung etwas abweichend geregelt worden. Hier war ursprünghch den Landesrechten die Möghchkeit gegeben, die Haftung insoweit auszuschließen, als der öffenthche Verband haftete (Art. 77 EinfGes. BGB.). Danach wurde durch ein Preußisches Gesetz von 1909 und später durch ein Reichsgesetz vom 22. Mai 1910 bestimmt, daß an Stehe des Beamten der Staat haften sohte. Diese Gesetze sind dann überholt durch Art. 131 der Reichsverfassung, wonach allgemein der Staat oder die andere Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht, haftbar ist. Dies ist schon jetzt als geltendes Recht anzusehen227. Die nähere Regelung ist dem Landesrecht überlassen (Absatz I I ) . Das Gesetz bezieht sich auf alle Beamte irgendeines öffentlichen Verbandes einschließhch der Soldaten. Der Schaden muß in Ausübung der Gewalt, nicht nur bei deren Gelegenheit, zugefügt sein. Auch das weitere Erfordernis des § 839, daß die amthche Verpfhchtung gegenüber dem Verletzten bestehen muß, wird ebenfalls vorausgesetzt. Sodann aber muß es sich um die Ausübung einer,,anvertrauten öffentlichen Gewalt" handeln. Damit ist eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit gemeint, die zwangsweise in die Rechte 227

R G . 102, 168, 333. 103, 430. 104, 291ff. 106, 31ff. 108, 250.

tsverletzung.

der einzelnen eingreift 228 , insbesondere also die der Polizei 229 , Strafvollstreckung 2 3 0 , Soldaten 231 , Lehrer 2 3 2 . Nicht genügt es ahein, daß es sich um eine Tätigkeit des öffenthchen Rechts handelt 2 3 3 . Um die Anwendung der Vorschrift abzulehnen, wird also nicht etwa erfordert, daß es sich um eine privatrechthche Tätigkeit, die auch einem Privatmann zustehen könnte, handelte 234 . Vielmehr gibt es eine Menge von Tätigkeiten, die sicherhch zum öffenthchen Recht gehören und dennoch ahgemein, insbesondere von der Rechtsprechung nicht zur Ausübung der öffenthchen Gewalt gerechnet werden 235 , z. B. beim Straßenbau 236 und bei der Verwaltung der öffenthchen Gebäude 237 , bei der Tätigkeit der Postbeamten, Verkehrsbeamten, Lotsendampfer. Bedenklich erscheint es auch, die bloße Fürsorgetätigkeit des Staates, wie die Empfangnahme von Versicherungsgeldern, hierunter einzubegreifen 238. Nicht genau ist es auch, wenn man die Grenze zwischen den fiskalischen und Hoheitsrechten zieht 2 3 9 ; denn man kann z. B. den Straßenbau, der doch im ahgemeinen Interesse erfolgt, nicht als eine fiskalische Tätigkeit bezeichnen. I n diesen Fähen des § 131 Reichs Verfassung ist nach außen nur der Staat oder der sonstige Verband, nicht aber der Beamte haftbar» Dadurch sollen die Beamten gegen unberechtigte Bedrohung mit Prozessen geschützt werden. Dieser Zweck wird jedoch nur erreicht, wenn man das Gesetz auch auf die Verletzungen bezieht, die nicht unter § 839, sondern unter §§ 823 und 826 fahen. Daher ist hier die Ausdehnung auf die letzteren Fähe geboten (im Gegensatz zu der oben S. 589ff. behandelten Frage). I m Innenverhältnis ist gegen den schuldigen Beamten der Rückgriff zulässig. Doch ist der Grundbuchbeamte nach preußischem Recht nur für grobe Fahrlässigkeit haftbar ( § 8 PreußAusfGes.). Jeder, der einmal ein Grundbuch geführt hat, wird diese Milderung als wohl berechtigt anerkennen. 228

R G . 106, 100. R G . 32, 145. 55, 306ff. 72, 360; GruchBeitr. 51, 619; O L G . 14, 3. 230 R G . 78, 326ff. 231 R G . 72, 349. 107, 271; W a r n e y e r 1916 N r . 123. 232 R G . 84, 2 7 I f f . 121, 254. 233 R i c h t i g R G . 54, 55ff. 104, 288. 234 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 234 u n d andere. 229

235 236 237 238 239

Gierke R G . 47 R G . 53 So jetzt So R G .

28. Juristentag. 1,116ff. ; meine Ausführungen daselbst 3,156. N r . 54. N r . 72; D J Z . 1910, 699. R G . 68, 285. 102, 32. 114, 201, 120, 162ff. 71, 46. 72, 349.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

38

Unerlaubte Handlungen.

594

Höchst bedenklich erscheint mir, daß diese Haftungssätze regelmäßig ohne jede Einschränkung vorgetragen werden 240 . Nur für die Beamten des auswärtigen Dienstes ist vorgeschrieben, daß sie nicht haften, wenn der Reichskanzler (jetzt der Minister des Auswärtigen) bescheinigt, daß ihr Verhalten politischen oder internationalen Rücksichten entsprochen hat (§ 5 ReichsbeamtenHaftungsgesetz). Aber soll der Staat etwa für die Fehler haften, die bei der Gesetzgebung, in der auswärtigen Politik und Kriegführung gemacht sind? Soweit derartige Ansprüche überhaupt erhoben sind, sind sie so gut wie immer mit Recht abgewiesen worden. Es wäre ja auch ganz unerträglich, wenn die Richtigkeit unserer Staatsführung im Wege des Zivilprozesses der Prüfung der Gerichte unterbreitet werden könnte. Deshalb muß die eigentlich staatsleitende Tätigkeit, insbesondere die Gesetzgebung von den zum Ersatz verpfhchtenden Tätigkeiten ausgenommen werden. § 324. Wir stehen rückblickend noch einmal fest, daß unser Gesetzbuch nicht einen ahgemeinen Schadensanspruch wegen jederlei Schädigung gewährt, sondern nur bestimmte Haftungsgründe aufsteht — und zwar drei ahgemeine Fähe (§§ 823 I , 823II und 826) und drei besondere (§§ 824, 825 und 839). Es muß also immer ein ganz bestimmter Unrechtstatbestand vorliegen. Nun kann es leicht vorkommen, daß durch eine Verletzung des A, die unter einen dieser Tatbestände fäht und den A daher zum Schadensersatz berechtigt, zugleich auch ein anderer, B, geschädigt wird. Es wird z. B. ein Angestehter eines Geschäfts körperlich verletzt und dadurch sein Dienstherr beeinträchtigt. Hier kann der letztere keinen Ersatz verlangen. Es geht das besonders deuthch daraus hervor, daß nur ganz ausnahmsweise dann der Dritte ersatzberechtigt ist, wenn er kraft Gesetzes gegen den Getöteten oder Verletzten einen Anspruch auf Unterhalt oder Dienstleistungen hatte (§§ 844, 845 BGB.). Daraus folgert man ahgemein mit Recht, daß wer nur durch Vertrag dienstberechtigt ist, nicht Entschädigung verlangen kann. Aber man stützt es fast ahgemein auf einen unrichtigen Grund: nämhch daß ein nur m i t t e l b a r Geschädigter nicht ersatzberechtigt sei 2 4 1 . Darauf kommt es aber nicht an, da auch eine 240

Meine Ausführungen i m 28. Juristentag a. a. O. So Protokolle 2, 576 u n d ihnen folgend E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 239 u n d die herrschende Meinimg; Dagegen R G . 79, 58ff.; K l u c k h o h n , ZivArch. 111, 402ff.; auch O e r t e l , D J Z . 1913, 800ff. 241

Übersicht.

595

mittelbare Verursachung zum Ersatz verpfhchtet 242 . Wenn jemand einen Wagen schuldhaft so anfährt, daß dieser auf der Strecke hegen bleibt und später ein zweiter Wagen im Dunkel auf diesen stößt, so kann auch dieser zweite Geschädigte von dem Schuldigen Ersatz verlangen — obwohl eine Schädigung nur mittelbar erfolgte. Wenn jemand eine Firma verleumdet und dadurch schädigt, so kann auch deren Angestehter, der dadurch mittelbar betroffen wird, Ersatz fordern, wenn der Vorsatz des Täters dessen Schädigung mit umfaßte 243 . Vielmehr ist der Umstand, daß der Dienstherr wegen Verletzung seines Angestehten nicht klagen kann, ganz anders zu erklären. Der Täter hat diesen nicht an seinem Körper, sondern nur an einem anderen Gut, nämlich seinem Vermögen beschädigt: es trifft auf ihn keiner der Haftungsfälle des Gesetzes zu. Es kommt nicht auf die Unmittelbarkeit, sondern darauf an, ob der Tatbestand einer Unrechtshandlung erfüllt ist. Auch hier bestätigt sich also unser Grundgedanke, daß ohne einen der bestimmten Unrechtstatbestände keine Haftung stattfindet.

B. Allgemeine Regeln für Unrechtshandlungen. (Fortsetzung der Übersicht oben S. 540.) I . Allgemeine Erfordernisse : § 325. Verantwortlichkeit. § 326. Billigkeitshaftung. § 327. Ursächlicher Zusammenhang. § 328. Verschulden. § 329· Rechtswidrigkeit. — I I . Beweislast: § 330. Regel. § 331. Schuldvermutungen: § 332. Bestellung zu einer Verrichtung. § 333. Entlastungsbeweis. § 334. B e i mehreren Beteiligten. § 335. Aufsichtspflicht. § 336. Einsturz eines Gebäudes. § 337. Kraftfahrzeuge: § 338. H a l t e r . § 339. Unabwendbares Ereignis. § 340. H a f t u n g für Betriebsfehler. § 341. Keine Gefährdungshaftung. § 342. Fahrgäste. § 343. H a f t u n g mehrerer. — I I I . Mehrere T ä t e r : § 344. H a f t u n g aller. § 345. H a f t u n g des Beteiligten. § 346. Gesamt schulden. § 347. Verjährung. § 348. Konkurrenz. — I V . I n h a l t des Anspruchs: § 349. Schadensersatz. § 350. Bei Verletzung von Personen. § 351. Anspruch der Unterhaltsberechtigten. § 352. Schmerzensgeld. § 353. Anwendung auf Vertragshaftung. § 354. Entziehung einer Sache. § 355. Unterlassungsanspruch aus allwirksamen Rechten. § 356. Aus Unrechtshandlung. § 357. A u c h sonst ? § 358. Gegengründe.

§ 325. Wenn der Tatbestand einer Unrechtshandlung gegeben ist, müssen außerdem immer noch mehrere andere Voraussetzungen vorhegen. Zunächst muß der Täter für seine Handlungen v e r 242 243

R G . 79, 59. R G . 79, 58ff. 38 *

Unrechtshandlungen.

596

a n t w o r t l i c h sein (§§ 827ff. BGB.) 2 4 4 . Dies ist ausgeschlossen, wenn er sich bei der Tat im Zustande der Bewußtlosigkeit oder krankhaften Störung der Geistestätigkeit befand. Das Gesetz (§ 827) verlangt sogar, daß dadurch die freie Willensbestimmung ausgeschlossen worden sei. Darin dürfte eine Übertreibung hegen, da ein solcher Ausschluß kaum jemals vorkommt. — Die Störung kann auf einer dauernden Erkrankung (Geisteskrankheit, § 1042) beruhen oder auch vorübergehend sein. Sie ist auch dann erhebhch, wenn der Täter sich selbst , insbesondere durch geistige Getränke, i n einen solchen vorübergehenden Zustand versetzt hat : aber hier ist er, wenn dies schuldhaft geschehen, für Fahrlässigkeit haftbar (§ 8272). Es gilt das auch dann, wenn er die Folgen hierbei nicht voraussehen konnte ; denn nach dem Gesetz kommt es nicht darauf an, ob er die Folgen schuldhaft herbeigeführt, sondern nur darauf, ob er sich durch Schuld in einen solchen Zustand versetzt hat. Hat er sich aber geflissentlich zu dem Zweck betäubt, um darin die Handlung zu begehen, so wird — wie auch in der strafrechthchen Wissenschaft — anzunehmen sein, daß er für Vorsatz haftet 2 4 5 . Denn wenn auch der § 827 BGB. nur eine Haftung für Fahrlässigkeit vorschreibt, so schheßt er damit doch nicht aus, daß, wo Vorsatz vorhegt, auch aus ihm gehaftet werde. Nicht verantworthch sind ferner Kinder bis zu 7 Jahren. Bei Jugendhchen zwischen 7 und 18 Jahren ist zu fragen, ob er die zur Erkenntnis der Verantworthchkeit erforderliche Einsicht gehabt hat (§ 828). Dazu genügt, daß seine allgemeine Entwicklung ausreicht, um das Unrecht und die rechthche Verantworthchkeit zu erkennen: nicht ist erforderhch, daß er diese wirklich erkannt h a t 2 4 6 . Wenn also ein dreizehnjähriger Knabe auf einen anderen, den er nicht genau sehen kann, mit einer Stange einsticht, so ist er auch dann haftbar, wenn er sich dabei die Folgen seiner Handlungsweise und seine Verantworthchkeit nicht klar gemacht hat. Außer der Verantworthchkeit ist hier aber auch immer noch die Schuldfrage zu prüfen. Wenn ein vierzehnjähriges Dienstmädchen Schaden dadurch anrichtet, daß es das Ventil der Zentralheizung schheßt, so ist außer der Frage, ob es die nötige Reife zur Erkenntnis seiner Verantwortung hatte, noch sorgfältig zu erwägen, ob es 244

S c h u l t z e , B ü r g A . 17, 94ff.; D i t t e n b e r g e r , Schutz des Kindes gegen die Folgen eigener Handlungen 57 ff. 245 E n n e c c e r u s 1 § 198; a. M . v . L i s z t a. a. O. 49ff. 246 R G . 51, 30. 53, 159. 76, 187ff.; SeuffA. 78 N r . 23.

Verantwortlichkeit.

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überhaupt diese Anlage verstehen und die drohenden Gefahren erkennen mußte. Auch bei dieser Frage muß ihr ihre Jugend zugute gehalten werden. Die entgegengesetzte Entscheidung 247 beruht auf der irrigen Anschauung, daß die abstrakte Bemessung der Fahrlässigkeit sich nicht nur auf die Sorgfalt, sondern auch auf die Fähigkeiten des Handelnden beziehe (I, 4414ff.). Gerade bei unserer Frage, nach der Berücksichtigung der Jugend, ist der richtige Standpunkt erfreulicherweise auch von der Rechtsprechung des Reichsgerichts vertreten worden 248 . § 326. Ausnahmsweise wird eine Haftung auch ohne Verantworthchkeit aus Bilhgkeitsgründen anerkannt (§ 829 BGB.) 2 4 9 . Vorausgesetzt ist dabei, daß die übrigen Erfordernisse der Unrechtshandlung, insbesondere Verschulden, vorliegen. Die abweichende Vorschrift des zweiten Entwurfs (§ 814) ist gefhssentlich geändert worden. Das Gesetz spricht nur von den Fällen der §§ 823 bis 826, und das hat man wörthch dahin verstanden, daß es gerade nur dort anwendbar sei 2 5 0 . Aber es ist kein sachlicher Grund dafür vorhanden, weshalb es nicht auch auf die übrigen Fähe der Unrechtshandlung angewendet werden sollte, z. B. auf den Mißbrauch einer Frau durch den geisteskranken Wärter. Weiter wird erfordert, daß die Tat von einem wegen Jugend, Bewußtlosigkeit oder geistiger Störung nicht Verantwortlichen begangen ist und daß von dem Aufsichtspfhchtigen nicht Ersatz verlangt werden kann. Endhch aber muß die Haftung durch Gründe der Bilhgkeit geboten sein. Das Gesetz erwähnt dabei die Verhältnisse der Beteiligten, womit wohl in erster Linie ihr Vermögen gemeint ist. Dieser Hinweis ist insofern bedenklich, als er leicht dahin irreführen kann, diesen Gesichtspunkt völhg in den Vordergrund zu stehen. Von großer Bedeutung müssen auch die übrigen Umstände sein, z. B. ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat. Die Bilhgkeit entscheidet auch über die Höhe des zu gewährenden Ersatzes. § 327. Das zweite Erfordernis jeder Unrechtshandlung ist, daß der Täter eine Handlung oder Unterlassung begangen hat, die den 247

E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 198 A n m . 4 i n Widerspruch m i t § 197, 3. R G . 68, 423ff.; J W . 1903 Beil. 76, 101. 1908, 494. 1910, 37 = GruchBeitr. 54, 619 = D J Z . 1910; 79; J W . 1911, 446 = Recht 1911 N r . 3059 = GruchBeitr. 55, 996. Näheres meine Abhandlung Fahrlässigkeit u n d Unfähigkeit i n der Festschrift für E n n e c c e r u s 74ff. 249 S c h w a r t z , Das Billigkeitsurteil des § 829; D i t t e n b e r g e r , Schutz des K i n d e s ; H e i n s h e i m e r , ZivArch. 95, 234ff. 250 R G . 74, 145. 94, 221ff.; W a r n e y e r 1915 N r . 283, 1916 N r . 278. 248

Unrechtshandlungen.

598

schädlichen Erfolg v e r u r s a c h t hat. Als ursächhche Folge haben wir eine solche bezeichnet, die durch eine ahgemeine Regel hinreichend aufgeklärt wird, also eine genereh erklärte Folge (I, 162ff.). Diese meine Lehre hat mit der Adäquatenlehre das gemeinsam, daß sie ebenso wie diese auf einer Regelbildung aufbaut. Aber der Inhalt dieser Regel ist ein ganz anderer. Jene Lehre beruht auf Wahrscheinhchkeitsregeln, die sich darauf beziehen, daß ein Ereignis gewöhnhch dem anderen folgt. Unsere Regeln betreffen dagegen die Frage, in welcher Art und Weise sich die Folge zwischen zwei Ereignissen vollzieht. Als die regelmäßige Folge betrachtet sie daher nicht diejenige, die mit Notwendigkeit oder auch nur überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten wird: sondern eine Folgeart, die in ihrem Verlaufe bekannt ist. Hier können wir uns zwischen dem Ereignis und dem Erfolg die Zwischenglieder des Vorgangs hinzudenken, und deshalb erscheint uns die Folge als erklärt. Obwohl ich diesen Gegensatz zwischen beiden Regeln ausführlich dargelegt habe (besonders I , 163), hat man dennoch gemeint, daß meine Lehre nur eine besondere Fassung der Adäquatenlehre bedeute 251 . Auch eine Unterlassung kann ursächhch wirken und somit zur Haftung verpfhchten. Eine verbreitete Lehre wih dies freihch nur für den Fah anerkennen, daß eine Rechtspfhcht zum Handeln besteht. Aber das ist unhaltbar (I, 176ff.). Es gibt zahlreiche Fähe, wo eine Rechtspfhcht gegeben und der ursächhche Zusammenhang entschieden zu verneinen ist: so wenn jemand es dem § 139 StrGB. zuwider unterläßt, ein geplantes Verbrechen anzuzeigen. Umgekehrt ist in sehr vielen Fällen der Zusammenhang und die Haftung unbedingt zu bejahen — und dennoch eine rechthche Pfhcht nicht aufzufinden. Es läßt sich nicht begründen, daß ein Hausbesitzer rechthch verpfhchtet sei, Schädigungen von Besuchern zu verhindern oder ein Schäfer, seinen Hund zu rufen. Der Tierwärter hat zwar die Verpfhchtung, ein gefährliches Tier zu bewachen: aber sie besteht nur gegenüber seinem Dienstherrn. Dennoch läßt sich nicht bezweifeln, daß sie für diese Unterlassungen haften. Um diese Lücke auszufüllen, hat die Rechtsprechung eine Menge solcher Rechtspfhchten „konstruiert": wer Sachen dem Verkehr eröffnet, ist verpfhchtet, sie in gefahrlosem 251

So selbst L e h m a n n bei E n n e c c e r u s 2 § 11 A n m . 8 u n d O e r t m a n n , Z H R . 96, 113,

Verursachung.

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Zustande zu erhalten 252 , wer am Verkehr teilnimmt, ist verpflichtet, Gefahren zu verhüten 2 5 3 , wer gewerbsmäßig Sachen lagert, für sie zu sorgen 254 . Sogar eine allgemeine Aufsichtspfhcht hat man behauptet 2 5 5 . Aber ahe diese Rechtspflichten sind nirgends im Gesetz aufgestellt. Wer sie als Rechtspfhchten gelten lassen will, müßte erst darlegen, auf welchen Rechtssätzen sie beruhen, ob auf Gesetz oder Gewohnheitsrecht, auf öffenthchem oder Privatrecht, auf Reichs- oder Landesrecht. Vielmehr sind es alles nur Pfhchten des Lebens, die nicht durch Rechtsregeln, sondern durch die Lebensregeln geschaffen sind (I, 47). Die Anschauungen und Bedürfnisse des Verkehrs haben sie erzeugt und bestimmen ihren Inhalt und ihre Abgrenzung. Sie besagen nicht mehr, als wie man sich in jeder Lebenslage zu verhalten habe. Mit gleichem Recht könnte man Rechtssätze darüber aufstellen, wie man die Haustüren zu verwahren oder wie man an ein Pferd heranzutreten habe. Leider hat man es sich ganz angewöhnt, solche Lebensregeln wie Rechtssätze und die darüber ergangenen Entscheidungen als Rechtssprüche zu behandeln 256 . Ein großer Teil der Entscheidungen, die veröffentlicht und massenhaft angeführt werden, enthalten nur Aussprüche über derartige Lebensregeln. Und doch sind sie von wirklichen Rechtsaussprüchen sehr verschieden. Ihre Geltung hängt völhg davon ab, ob sie tatsächhch der Verkehrsauffassung entsprechen, und kann daher von jedem Kenner der letzteren nachgeprüft und in Frage gestellt werden. Auch kann aus der Rechtsprechung über solche Fragen niemals ein Gewohnheitsrecht erwachsen. § 328. Die Unrechtshandlung erfordert weiterhin ein V e r s c h u l d e n des Täters. Unser Gesetz steht sich mit Recht auf den Standpunkt des Schuldprinzips 257 . Verschulden ist Vorsatz oder Fahrlässigkeit (über diese I , 425ff.). Die Schuld braucht sich nur auf die Verletzung selbst zu beziehen. Bezüghch ihrer Folgen dagegen genügt es, daß sie verursacht sind, das Verschulden braucht sich nicht auf sie zu erstrecken. Daher muß ein Täter auch für den 252

R G . 63, 54. 54, 56ff. 55, 27. 58, 334. 62, 33. 68, 358ff.; J W . 1907, 48; 1910, 618. 1912, 143; GruchBeitr. 46, 1186. 57, 692 usw. 253 R G . 84, 415; J W . 1912, 908. 264 R G . 102, 42. 105, 303. 120, 121. 255 R G . 53, 276. 95, 180. 96, 81. 112, 295. 113, 296.; J W . 1911, 487, 542. 1912, 194. 1920, 775. 25β Vgl. dagegen meine Abhandlung ZivArch. 120, 16. 257

I , 424ff. 449 u n d unten § 359.

Unrechtshandlungen.

600

Schaden aufkommen, der durch den darüber geführten Rechtsstreit ursächlich entsteht. Allerdings ist es das gute Recht des Beklagten, seine Haftung zu bestreiten und einen Prozeß darüber zu führen. Aber darauf kommt es eben nicht an, weil er auch für solche Folgen haften muß, die ohne sein Verschulden eintreten (I, 172ff.). — Wenn der Täter über eine Voraussetzung der Unrechtshandlung i m Irrtum war, z. B. über die Rechtswidrigkeit, so ist Vorsatz ausgeschlossen; es kann dann aber Fahrlässigkeit vorhegen. Hat der Verletzte zur Entstehung oder Vergrößerung des Schadens mitgewirkt, so kann dadurch entweder der ursächhche Zusammenhang ausgeschlossen oder eine Einrede des eigenen Verschuldens begründet werden (§ 254 BGB., I , 180ff.). — I n einigen wichtigen Fähen t r i t t ausnahmsweise eine Haftung ohne Schuld ein; auch sie sind dennoch mit zu den Unrechtshandlungen zu rechnen (oben S. 541ff.). Über sie ist unten (§§ 360ff.) eingehend zu handeln. § 329. Endhch muß die schädigende Handlung r e c h t s w i d r i g sein 258 . Diese sachhche (objektive) Widerrechthchkeit muß von der Frage des Verschuldens durchaus getrennt werden. Bei dem „Recht", das in dem Worte rechtswidrig steckt, ist nicht an ein subjektives Recht zu denken; nennt doch das Gesetz selbst in § 823 eine Reihe von Gütern, die gar keine solchen Rechte enthalten. Vielmehr ist es so zu verstehen, daß ein Verstoß gegen die Rechtsordnung, das objektive Recht vorliegt. Nun kann aber auch das wieder in verschiedener Weise gedeutet werden. Entweder man fordert, daß jedesmal ein besonderes Gesetz vorhegt, aus dem sich die Rechtswidrigkeit ergibt — oder man nimmt an, daß jede der in § 823 genannten Verletzungen ohne weiteres zum Ersatz verpflichte, falls nicht ein besonderer Rechtfertigungsgrund gegeben sei. Nach der ersten Ansicht würden die dort genannten Lebensgüter nur dann geschützt werden, wenn noch ein eigenes Schutzgesetz vorhanden wäre; das ist aber schon deshalb unhaltbar, weil für diese Fähe eigens durch Absatz I I gesorgt ist. Daher nimmt die herrschende Meinung mit Recht an, daß jeder der in § 823 I genannten Eingriffe als rechtswidrig gilt, wenn dies nicht besonders ausgeschlossen i s t 2 5 8 a . Aber die gewöhnliche Begründung, 258

Z i t e l m a n n , ZivArch. 99, I f f . ; G r a f D o h n a , Die Rechtswidrigk e i t ; K i p p , Berliner Festschrift für Gierke 13ff.; H o l d v . F e r n e c k , Die Rechtswidrigkeit; H . A . F i s c h e r , Rechtswidrigkeit. 258a J u n g a. a. O. 18; E n d e m a n n § 201; R G . SeuffA. 62 N r . 152; B l f R A . 72, 592; W a r n e y e r 1916 N r . 304,

Rechtswidrigkeit.

601

daß ein jeder Eingriff in die geschützten Interessen eines anderen ,,an sich" rechtswidrig sei, ist mindestens unklar gefaßt. Wohl aber kann man dies Ergebnis daraus ableiten, daß eben schon durch den § 823 die dort bezeichneten Güter gegen Verletzungen, also beeinträchtigende Akte, geschützt werden. Jedoch können mit dieser Vorschrift andere gesetzhche Bestimmungen zusammentreffen, die dem Täter ein Eingriffsrecht gewähren. Es kann ihm zunächst ein Privatrecht darauf zustehen. Doch muß man hier scharf zwischen solchen Rechten unterscheiden, die wirkhch ein Recht zur Vornahme dieser Handlung gewähren — wie das Eingriffsrecht des Vermieters nach § 561 BGB. — und anderen, die ihm ledighch einen Anspruch auf Einräumung eines Rechts geben — wie das Recht eines Käufers. Letzterer hat zwar ein Recht auf Übertragung der gekauften Sachen, aber nicht ein Recht, sie wegzunehmen. Meistens pflegt man hierbei eine scharfe Unterscheidung zwischen allwirksamen (absoluten) und anderen Rechten zu machen 259 . Aber das ist nicht berechtigt. Auch bei den ersteren ist gleichfahs zu unterscheiden, ob sie schon ein Recht zur eigenen Ausübung gewähren. Wenn jemandem ein Nießbrauch an einem Hause durch Grundbuchakt bestellt ist, so hat er zwar schon das dingliche Recht erworben : aber er ist nicht etwa berechtigt, den Besitz gewaltsam zu ergreifen. — Sodann kann der Eingriff durch Vorschriften des öffenthchen Rechts gestattet oder sogar auch geboten sein. Man darf aber nicht allgemein den Satz aufstehen, daß eine hiernach erforderte Handlung unter allen Umständen zu Eingriffen in die Privatrechte berechtige. Vielmehr ist die Grenzziehung viel schwieriger; sie muß den Darstellungen des öffenthchen Rechts überlassen werden. Stets ist dabei vorausgesetzt, daß es sich um eine amthche, also eine Tätigkeit des öffenthchen Rechts handelt. Dagegen ist dies nicht auf Privatpersonen zu übertragen, die sich ledighch auf ihr Berufsrecht stützen, besonders die Ärzte. Der Arzt ist nicht öffenthcher Beamter und nicht berufen, Maßnahmen gegen den Willen der behandelten Kranken vorzunehmen. Seine Eingriffe können daher nur durch deren Zustimmung oder durch schuldlose Geschäftsführung gerechtfertigt werden (oben S. 438). Ferner ist die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen von Notwehr (§ 227 BGB.), Notstand (§§ 228, 904 259

Z i t e l m a n n a. a. O. 31ff.; 43ff.; O e r t m a n n 7 zu § 823.

Unrechtshandlungen.

602

BGB.), oder Selbsthilfe (§§ 229ff. BGB.) vorliegen. Allerdings ist bei dem ahgemeinen Notstand des § 904 der Täter trotz der Rechtmäßigkeit verpfhchtet, den Schaden zu ersetzen. Aber dies kann nicht auf eine Unrechtshandlung zurückgeführt werden : denn eine unerlaubte oder Unrechtshandlung ist nicht denkbar, wenn sie rechtmäßig ist. Das würde schon sprachhch einen vollen Widerspruch enthalten. — Auch durch die Einwihigung des Verletzten wird die Handlung regelmäßig zu einer rechtmäßigen 260 — nämhch überall da, wo dieser über das Rechtsgut verfügen kann. Die Einwihigung ist dagegen unwirksam, wo sie gesetzlich verboten — wie beim Zweikampf — oder unsitthch ist. Die Tötung eines Einwilligenden ist zwar nicht immer unsittlich 2 6 1 , wohl aber ausdrücklich in § 216 StrGB. verboten (oben S. 437). Die Einwihigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das Geschäftsfähigkeit erfordert 2 6 2 . Streitig ist, inwiefern sich der Täter auch darauf berufen kann, daß er auf die Zustimmung des Verletzten gerechnet hat und rechnen konnte. Die richtige Antwort ist aus der Lehre der Geschäftsführung zu gewinnen 263 . Aus § 678 BGB. ergibt sich, daß durch eine Einmischung in den fremden Bereich nur der verpfhchtet wird, der es schuldhafterweise gegen den Willen des Herrn getan hat. Danach ist also von der Haftung frei, wer gemäß diesem Willen handelt oder ihn ohne Schuld vorausgesetzt hat. § 330. Für die B e w e i s l a s t ist die allgemeine Regel maßgebend, daß ahe Entstehungstatsachen zur Beweislast des Klägers stehen. Das gilt: 1. für die Verletzung des Rechtsguts nach §§ 823ff.; 2. für das Verschulden 264 . Aus der abweichenden Bestimmung des § 282 BGB. darf man keine Schlüsse ziehen, da sie auf der materiellen Rechtslage bei der Unmöglichkeit beruht (I, 507). Richtig ist nur, daß die Schuld oft schon ohne weiteres aus der Verletzung selbst zu schließen ist — aber dadurch wird nur die Beweisführung, nicht die Beweislast berührt. 260

2βι 282

R G . 69, 433ff.; Z i t e l m a n n a. a. O. 47ff. E n n e c c e r u s L e h m a n n § 228 A n m . 35. Z i t e l m a n n a. a. O. 47ff.

283

So v o r allem Z i t e l m a n n a. a. O. 104ff.; zustimmend E n n e c c e r u s L e h m a n n § 228 A n m . 36; O e r t m a n n 7 zu § 823; P l a n c k 8 z u § 8 2 3 ; F i s c h e r a. a. O. 281 ff.; v . T u h r 2, 470; oben S. 434ff. 204

Meine Beweislast 383ff. u n d genannte zahlreiche Entscheidungen.

Beweislast.

603

3. Dasselbe muß auch für die Zurechnungsfähigkeit gelten, deren Beweis von dem der Schuld gar nicht getrennt werden kann. Dennoch entscheidet hier die herrschende Lehre anders 265 . 4. Das gleiche gilt für die Rechtswidrigkeit 266 , wo die herrschende Meinung die Rechtfertigungsgründe als bloße Ausnahmen zur Beweislast des Beklagten stehen will. Aber wenn z. B. zweifelhaft bleibt, ob der Beamte widerrechtlich von seiner Waffe Gebrauch gemacht hat, so wäre es sicherhch verkehrt die Ersatzpflicht zu bejahen 267 . 5. Endlich steht der eingetretene Schaden und 6. der ursächhche Zusammenhang zur Beweislast des Klägers. Aherdings wird auch dieser oft schon ohne weiteres aus der Tat und dem eingetretenen Erfolg zu schheßen sein. Aber wie das Reichsgericht mehrfach betont hat, sind das auch wieder nur Erwägungen der Beweiswürdigung, die die Beweislast nicht verändern können 268 . Vor allem ist — ebenso wie bei der Frage des Verschuldens — daran festzuhalten, daß bei unaufklärbarer Ungewißheit immer gegen den Beweisbelasteten, also den Kläger zu entscheiden ist. Nicht selten werden schon die Umstände des Falls, z. B. bei einem Schiffszusammenstoß oder bei einer Explosion, für das Verschulden und den ursächlichen Zusammenhang sprechen. Der Beschuldigte wird daher hier zunächst diesen Verdacht widerlegen müssen. Wenn aber die Frage ernstlich zweifelhaft bleibt, so muß gegen den Kläger entschieden werden: denn gerade darin besteht ja der Inhalt der Beweislast. § 331. Von diesen wichtigen Regeln macht das Gesetz eine Reihe wichtiger Ausnahmen, wo die Beweislast für Verschulden und ursächhchen Zusammenhang auf den Beklagten fällt (§§ 831ff. BGB.), insbesondere bei der Schädigung durch Angestellte und Kinder. Die Bedeutung dieser Vorschriften liegt ausschheßhch hierin, daß diese Änderung der Beweislast eintritt; man kann sie daher, wenn auch nicht ganz erschöpfend, als S c h u l d v e r m u t u n g e n bezeichnen. Dagegen wäre es durchaus irrig, hier eine Haftung für fremde Schuld anzunehmen. Der Vater haftet nach § 832 BGB. nicht für die Schuld des Kindes, sondern für seine eigene bei Versäumung seiner Aufsicht. Das folgt schon daraus, daß 265

A . a. O. 384. 2ββ Angaben für u n d wider daselbst A n m . 7, 8. 267 268

So hier auch r i c h t i g R G . GruchBeitr. 51, 1001 ff. Beweislast 312ff. u n d dort angeführte Entscheidungen.

Unrechtshandlungen.

604

ein Verschulden des Kindes gar nicht erfordert wird. Daß hierin keine Haftung für fremdes Verschulden hegt, wird in der Rechtslehre jetzt wohl ahgemein anerkannt 269 . Aber doch findet sich nicht selten eine ungenaue Ausdrucks weise. Vor ahem aber wird in der unwissenschaftlichen Literatur fortwährend behauptet, daß man für seine Kinder, Dienstboten und Tiere ahgemein hafte. Zum Teil wird dieser Irrtum auch durch Angaben von Versicherungsgesellschaften und deren Agenten genährt. — Ebenso wäre es sehr irrig, aus diesen Bestimmungen besondere Arten von Unrechtshandlungen zu entnehmen. Die Haftung kann auch hier nur aus einer der früher aufgeführten 6 Unrechtshandlungen entspringen, und es muß ihr Tatbestand gegeben sein. Anders dagegen, wenn jemand nur durch eine fahrlässig falsche Auskunft das Vermögen eines anderen schädigt. Hier ist, wie wir sahen, der Täter selbst dafür nicht haftbar, weil dies nicht den Tatbestand einer Unrechtshandlung erfüllt. Wenn das gleiche nun durch einen Angestehten geschehen, so kann daraus nicht etwa eine Verpfhchtung des Herrn nach § 831 BGB. entspringen. Es wäre sinnlos, ihn für eine Verletzung haften zu lassen, die ihn bei eigener Tat nicht verpfhchten würde. Das gleiche gilt, wenn derartige Schädigungen durch Kinder oder sonst Aufsichtsbedürftige erfolgen. Es wird also durch diese Vorschrift nicht ein weiterer Tatbestand einer Unrechtshandlung geschaffen, sondern die Verletzung muß schon eine Unrechtshandlung nach §§ 823ff. enthalten. Und zwar eine solche, die der Beklagte (Geschäftsherr oder Aufsichtspfhchtiger) selbst begangen hat. Wenn er sein Gartenfeuer nicht beaufsichtigt, so haftet er wegen seiner Schuld — und nicht anders ist es, wenn er seine Kinder oder Tiere nicht bewacht. Überall ergibt sich also seine Haftung schon aus §§ 823ff. — und aus §§ 831ff. ergibt sich ledighch die Änderung der Beweislast. Auch dies wird wohl ahgemein anerkannt. Aber nicht selten werden dennoch die hier genannten Fälle als eigene Unrechtshandlungen bezeichnet 270 . — Diese Änderungen der Beweislast enthalten Ausnahmen von den ahgemeinen Regeln und sind deshalb zu den Vermutungen zu rechnen 271 . Allerdings gründen sie sich zum Teil weniger auf eine Wahrscheinlichkeit als auf Gründe der Billigkeit ; aber das trifft auch für viele andere Vermutungen zu. 269 270 271

Anders noch L i s z t a. a. Ο. 102. So z . B . E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 233 bezüglich §§ 836ff. B G B . Meine Beweislast 385.

Bestellung zu Verrichtungen.

605

§ 332. Hiernach haftet ein Geschäftsherr für Unrechtshandlungen der von ihm zu einer Verrichtung bestellten Personen, wenn er nicht die Vermutung seiner Schuld oder deren ursächlicher Wirkung widerlegt (§ 831 BGB. 2 7 2 ). Das Gesetz geht also nicht so weit, ihn für fremde Schuld haften zu lassen (wie das französische Recht). Vielmehr t r i t t eine solche Fremdhaftung nach ihm (§ 278) nur dann einj wenn der Gehilfe zur Erfüllung einer Verbindlichkeit verwendet worden ist. Wenn also der Gesehe eines Handwerkers schuldhaft Schaden anrichtet, so ist zu unterscheiden, ob dieser den Besteller trifft: hier haftet der Herr unbedingt nach § 278 — oder ob einen Dritten : er kann sich durch den Nachweis befreien, daß er die erforderliche Sorgfalt beobachtet habe oder daß der Schaden auch bei deren Anwendung entstanden wäre. Vorausgesetzt ist zunächst, daß der Beklagte einen anderen zu einer Verrichtung bestellt hat. Darunter kann eine dauernde oder vorübergehende, eine Tätigkeit höherer oder niederer Art verstanden werden. Erforderhch ist aber, daß sie von dem Herrn abhängig ist, so daß er einen gewissen Einfluß darauf haben soll 2 7 3 . Denn wo dies fehlt, kann er nicht für eine Versäumnis in dieser Einwirkung haftbar gemacht werden. Unmöghch kann der Verfrachter dadurch verpfhchtet werden, daß die Eisenbahn beim Umladen Schäden verursacht, oder wer Sachen zum Ausbessern an die Fabrik schickt, für deren schuldhaftes Verhalten. Dennoch wird dies Erfordernis von manchen in Abrede gesteht 274 . Sie berufen sich darauf, daß das Gesetz ausdrücklich noch die besonderen Fähe heraushebt, wo der Herr „die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat", und folgern daraus, daß dies nicht für alle Fähe des § 831 zutreffe. Aber es ist hier zu unterscheiden 276 . Es ist allerdings nicht erforderhch, daß dem Geschäftsherrn gerade die Leitung dieser Tätigkeit oblag. Wohl aber muß sich seine allgemeine Aufsicht 272 N ö l d e k e , GruchBeitr. 41, 766ff.; F e d e r , Verantwortlichkeit für fremdes Verschulden; B r ü c k n e r , Recht 1901, 299ff.; K a h n , B ü r g A . 37, 350ff.; J o v y , daselbst 37, 78; D e e t z , GruchBeitr. 64, 161ff; W e i g e r t , Außervertragliche H a f t u n g v o n Großbetrieben; N i p p er d e y , 34. Juristent a g 1, 395ff. 273 R G . 51, 201. 86, 424; Recht 1907 N r . 1404. 1908 N r . 2170; J W . 1909, 276; 1910, 748; GruchBeitr. 54, 1011; SeuffA. 65 N r . 49; W a r n e y e r 1908 N r . 477. 1911 N r . 180. 1912 N r . 27; LeipzZ. 1913, 146; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 236 u n d Genannte. 274 P l a n c k 1 zu § 831; D e r n b u r g § 387; O e r t m a n n 2; J o v y a. a. O. 27δ Vgl. R G . 53, 53. 123ff. 276.

Unrechtshandlungen.

606

über den ganzen Betrieb auch auf diese Verrichtung mit erstrecken 276 . Der Schaden muß ferner in Ausführung der Verrichtung verursacht sein, nicht nur bei deren Gelegenheit. Es muß ein innerer Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der Schädigung bestehen 277 . Dies wird man z. B. bejahen müssen, wenn die Bauarbeiter Steine auf die Straße fahen lassen, aber nicht, wenn sie sich in der Mittagspause streiten. Es ist jedoch nicht etwa zu erfordern, daß der Auftrag zur Verrichtung selbst schon auf die Rechtsverletzung gerichtet sei. Der Herr beauftragt den Knecht, zu fahren, aber nicht, jemanden zu überfahren. Wollte man das Gesetz auf die letzteren Fähe beschränken, so würde es wertlos sein 2 7 8 . — Endhch muß die Schädigung rechtswidrig sein. Dagegen ist nicht erforderhch, daß der Angestellte schuldhaft gehandelt h a t 2 7 9 . Er war vieheicht so jugendhch oder unerfahren, daß er nicht übersehen konnte, wie wenig er der Aufgabe gewachsen war 2 8 0 . U m so größer ist die Schuld des Herrn, der ihn damit betraut hat —• und dessen Schuld ahein ist es ja, auf der die Haftung beruht. Endhch geht auch das Gesetz in § 840 I I von der Möglichkeit aus, daß der Angestehte selbst nicht haftbar ist. Es kann auch sein, daß der Täter selbst unbekannt ist und nur feststeht, daß es einer von den Leuten des Beklagten war. § 333. Dagegen kann der Herr einwenden, daß er die erforderliche Sorgfalt beobachtet habe. Zunächst muß er die Auswahl des Gehilfen ordnungsmäßig treffen. Hier wird er sich meistens auf dessen frühere Zeugnisse berufen 281 ; doch kommt auch das Verhalten während dieses Dienstverhältnisses wesenthch mit in Betracht 2 8 2 . Sodann muß er immer seiner ahgemeinen Aufsichtspflicht genügen (oben S. 605). I m übrigen ist zu unterscheiden, ob er auch selbst verpfhchtet war, persönlich die Ausführung zu leiten oder aber Verrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen: hier ist er 276

R G . a. a. O., 82, 218; J W . 1903; Beil. N r . 21. 294. 1904, 165. 1907, 649. 1909, 659. 1913, 213. 277 R G . 73, 436. 79, 312; J W . 1910, 652. 1913, 327. 278 R G . W a r n e y e r 1910 N r . 152, 1912 N r . 55; GruchBeitr. 51, 605ff.; O e r t m a n n 2 c zu § 831. 279 Herrschende Meinung, insbesondere R G . 70, 75ff.; SeuffA. 63 N r . 115; Recht 1909 N r . 61. 280 R G . 50, 65ff.; 70, 76; W a r n e y e r 1914 N r . 53. 281 R G . 70, 382ff. 84, 423; W a r n e y e r 1912 N r . 211; Recht 1906Nr. 1396. 282 R G . 78, 109. 79, 106.

Bestellung zu Verrichtungen.

607

auch für die Erfüllung dieser seiner Pfhchten beweispfhchtig. Ob ihn aber diese Pfhchten treffen und inwieweit, dafür ist eine Vermutung im Gesetz nicht aufgesteht: dies ist vielmehr vom Kläger darzutun 2 8 3 . Man wird im ahgemeinen davon ausgehen, daß er einem erfahrenen und erprobten Angestellten von selbständiger Stehung die Leitung der Arbeiten überlassen darf. — Die Sorgfalt, die aufzuwenden ist, hängt davon ab, wie wichtig und schwierig die Aufgabe ist (I, 440). Bei gefährlichen Tätigkeiten sind die Anforderungen sehr zu steigern; so ist bei der Anstellung eines Autoführers nicht nur Geschicklichkeit, sondern auch Zuverlässigkeit zu fordern 284 . Wenn die Haftung sich auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt, wie bei Patentverletzungen, braucht auch hier der Herr nur für diesen Grad von Sorgfalt einzustehen 285 . Der Geschäftsherr kann sich ferner darauf berufen, daß der Schaden auch bei der Anwendung von Sorgfalt entstanden sein würde. Es wird etwa angenommen, daß er schuldhaft gehandelt hat, oder er kann es doch wenigstens nicht widerlegen : aber er tut dar, daß seine Schuld nicht Vorbedingung für den Schaden gewesen ist. Er hat z. B. seinem Gesehen untaughches Arbeitsgerät mitgegeben, aber der Schaden ist nicht hierdurch, sondern auf andere Weise entstanden. § 334. Wie der Geschäftsherr, haftet auch derjenige, der für ihn die Bestehung, Leitung oder Ausrüstung von Gehilfen durch Vertrag übernommen hat (§ 831 I I BGB.), insbesondere also ein Geschäftsleiter oder Werkmeister. Auch dieser haftet nur für seine eigene Schuld. Ob der Geschäftsherr daneben haftet, hängt davon ab, ob er bei der Auswahl und Belehrung dieses Leiters das ihm Obhegende getan hat. Wenn der Geschäftsherr, der Leiter und der Angestehte verantwortlich sind, so haften sie als Gesamtschuldner ; i m Innenverhältnis bleibt der Schaden auf dem letzteren hängen (§ 840 I I BGB.). Der nach § 831 Haftende kann sich durch Einrede auf das eigene Verschulden des Verletzten berufen (§ 254 BGB.). Bei dieser Abwägung ist die Schuld des beklagten Geschäftsherrn in Betracht 283

R G . 53, 125ff. u n d die übrigen vorher genannten Entscheidungen des Reichsgerichts. 284 R G . SeuffA. 60 N r . 7; D J Z . 1906, 1372; Recht 1906 N r . 2228/29; 1908 I I , 164; J W . 1912, 385. 1920, 492; GruchBeitr. 51, 1000, 1103ff. 285 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 236 A n m . 2; anders R G . 70, 76; O e r t m a n n 6 zu § 831.

Unrechtshandlungen.

608

zu ziehen — nicht etwa eine solche des Angestellten, auf die es ja gar nicht ankommt 2 8 6 : Hat sich auch der Verletzte eines Gehilfen bedient, so kann auf dessen Verschulden die Einrede nicht ohne weiteres gegründet werden, sondern nur, wenn diese Zuziehung in Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgt war (I, 189ff.). — I n einigen wenigen Fähen haftet man für seine Leute schlechthin, ohne daß man sich befreien kann. So haften die juristischen Personen für ihren Vorstand und andere leitende Organe (§ 31 BGB.), die Fabriken und ähnhche Betriebe für körperhche Verletzungen durch Verschulden der leitenden Personen (§ 2 des Reichshaftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871), der Halter eines Kraftwagens für Schuld seiner Leute (§ 7 KraftfGes. vom 3. Mai 1909), der Reeder für die Schiffsbesatzung (§§ 485, 734 HGB., §§ 3, 92 Binnenschiff ahrtsgesetzes, § 22 Flößereigesetzes). § 335. Ebenso trifft eine Schuldvermutung denjenigen, der zur A u f s i c h t über einen wegen Jugend oder geistiger oder körperhcher Gebrechen ihrer bedürftigen Menschen verpfhchtet ist, wenn dieser einen Schaden anrichtet (§ 832 BGB.) 2 8 7 . Es gilt also nicht auch für die Aufsicht über Arbeiter, Soldaten, Gefangene — seit der Aufhebung der Gesindeordnungen auch nicht mehr für Dienstboten, selbst wenn sie minderjährig sind 2 8 8 . Die Verpfhchtung kann auf Gesetz beruhen, wie besonders bei den Eltern und Vormündern, bei minderjährigen Lehrlingen (§ 127 Gewerbeordnung), bei Lehrern nach Landesrecht. Dagegen hat der Ehemann über seine Frau kein solches Recht, auch nicht, wenn sie geisteskrank wäre. Das gleiche gilt auch, wenn jemand durch Vertrag die Aufsicht über die vorher genannten Personen übernimmt (§ 839II). Auch hier muß der Schaden durch eine rechtswidrige Handlung herbeigeführt sein. Daher ist es auch erforderhch, daß ein Dritter geschädigt wird. Wenn der Aufsichtsbedürftige sich selbst verletzt, so findet § 832 nicht Anwendung, sondern die Haftung des Pflichtigen bestimmt sich ledighch nach den ahgemeinen Vorschriften der §§ 823ff. 289 . Dasselbe gilt dann, wenn der Pflegling von einem 288

R G . 71, 218.

287

J e r u s a l e m , H a f t u n g der Aufsichtspersonen; S c h u l t z e , 17, 99; v . M a y r , B l f R A . 71, 59. 288

BürgA.

O e r t m a n n 1; W e i n r i c h a. a. O. 46; anders E n d e m a n n § 201 A n m . 35. 289

R G . 75, 253.

Aufsichtspflicht.

609

290

Dritten verletzt wird . — Die Haftung gründet sich auch hier nicht auf eine Schuld des Aufsichtsbedürftigen, eine solche ist auch hier nicht zu erfordern 291 . Dagegen kann der Pfhchtige einwenden, daß er seiner Pfhcht genügt hat oder der Schaden auch trotz dieser Pflichterfüllung eingetreten wäre. Es wäre nun ganz verkehrt, wenn man hier an die Eltern und Lehrer übertriebene Anforderungen stehen wollte. Man kann von ihnen nicht verlangen, daß sie fortwährend auf die Kinder acht geben 292 . Der Lehrer insbesondere kann sein Augenmerk nur auf die ganze Schar, aber nicht auf jeden einzelnen richten 2 9 3 . Wenn das Kind selbst wegen seines Verschuldens daneben haftet, so sind sie beide Gesamtschuldner, und im Innenverhältnis ist jenes allein haftbar (§ 840 I I BGB.). Trifft das Kind aber nur eine Bihigkeitshaftung ohne Verantworthchkeit nach § 829 BGB., so fäht umgekehrt die Innenhaftung auf den Aufsichtspflichtigen (§ 840 I I am Ende). § 336. Ledighch um eine Vermutung handelt es sich auch bei der Haftung für E i n s t u r z eines Gebäudes (§§ 836ff. BGB.) 2 9 4 . Unhaltbar ist es, darin eine Gefährdungshaftung zu erblicken 295 — ebenso aber auch, dies als eine besondere Unrechtshandlung zu bezeichnen 29β . Es muß sich hier um ein Gebäude oder ein anderes mit einem Grundstück verbundenes Werk handeln — wozu auch ein Wasserleitungsschacht 297 oder Damm 2 9 8 , Schleusen 299 und Schienen 300 gehören. Bei diesem Werk muß ein Einsturz erfolgt sein oder eine Ablösung von Teilen, ζ. B. von Dachziegeln oder Balken, der Einsturz einer Zimmerdecke, auch wenn der auf ihr 290

R G . 53, 314.

291

R G . 50, 67; SeuffA. 58 N r . 33; J W . 1905, 21. 1907, 255. Anders J W . 1904, 202. 292

R G . 50, 60ff. ; W a r n e y e r 1916 N r . 166; O L G . 2, 258; SeuffA. 57 N r . 216, 63 N r . 114. 293 R G . W a r n e y e r 1908 N r . 316; O L G . 12, 115. 14, 38; D J Z . 1906, 544; SeuffA. 64 N r . 131. 294

R i c h t i g R G . 52, 377; GruchBeitr. 52, 127ff.; J W . 1908, 196.

296

So G i e r k e , Privatrecht 3, 957.

296

So E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 233.

297

O L G . 28, 310; R G . GruchBeitr. 58, 1003.

298

R G . 97, 114.

299

R G . B a y r R p f l Z . 1, 390; Recht 1906 N r . 301; SeuffA. 64 N r . 92.

300

Recht 1908 N r . 978.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

39

610

Unrechtshandlungen.

Stehende herabfällt 301 , oder der Absturz eines Fahrstuhls 302 . Anders ist es dagegen bei Bäumen 303 und Sandmassen304, weil sie nicht als Werke gelten können, und bei Sachen, die nur dem Gebäude angefügt, aber nicht als seine Teile zu betrachten sind, wie Spiegel 305 , Gardinenstangen und Bilder. Bei einem Firmenschild wird dies von seiner Größe und Beschaffenheit abhängen 306 . Ein Rolladen ist wohl ein Teil des Gebäudes; wenn er aber herabfällt, ohne aus dem Rahmen zu geraten, so ist der Tatbestand des Gesetzes nicht gegeben307. — Ferner muß dies die ursächhche Folge einer fehlerhaften Einrichtung oder Unterhaltung sein 308 . Anders wäre es also, wenn der Bhtz Steine losschlägt. Doch genügt es, wenn jene Umstände nur mitgewirkt haben. Es macht nichts aus, wenn dann noch andere dazugetreten sind, z. B. Sturm und Unwetter 3 0 9 oder auch ein unverschuldetes Anstoßen durch den Beklagten 310 . Endhch muß hierdurch eine Verletzung eines Menschen oder einer Sache bewirkt worden sein. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, haftet 1. der Eigenbesitzer; 2. ein früherer Eigenbesitzer, wenn der Einsturz innerhalb eines Jahres nach der Beendigung seines Besitzes eintrat. 3. Wer in Ausübung eines Rechtes ein Gebäude auf einem fremden Grundstück besitzt, haftet statt des Eigenbesitzers (§ 837 BGB.). Es ist nicht nötig, daß das Recht, worauf sich der Besitz stützt, wirkhch gültig i s t 3 1 1 . — Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung müßte man annehmen, daß auch der Mieter oder Pächter eines Hauses hierdurch haftbar gemacht werde. Aber das ist doch schon deshalb unannehmbar, weil diese überhaupt nicht zur Erhaltung des Gebäudes verpfhchtet sind. Und auch wenn der Mieter 801

R G . 52, 239; O L G . 4, 285. 9, 45. R G . W a r n e y e r 1914 N r . 334. 1915 N r . 283; W a r n e y e r 1912 N r . 110. 803 R G . 52, 377; J W . 1903 Beil. 1, 10. 1905, 370. 804 R G . 60, 139. 805 R G . 107, 339. 308 R G . J W . 1906, 423. 1916, 1019. 807 R G . B a y r . R p f l Z . 5, 24. 808 O L G . 14, 52. 309 R G . 76, 262; SeuffA. 57, 104; J W . 1908, 196ff.; W a r n e y e r 1911 N r . 365. 310 SeuffA. 57 N r . 62. 311 R G . J W . 1916, 39. 802

Einsturz.

611

diese übernommen hat, so kann doch nicht § 837 Anwendung finden, weil dieser Fah der vertragsmäßigen Übernahme abweichend in § 838 geregelt ist. Dies wird auch von der herrschenden Meinung richtig erkannt 3 1 2 . Aber sie wih es darauf stützen, daß sie eine verwickelte und bedenkliche Unterscheidung zwischen dem Besitz am Grundstück und dem am Gebäude auf Grund des § 95 BGB. macht; und doch ergibt es sich viel einfacher daraus, daß die Haftung der Nutzungsberechtigten besonders in § 838 geordnet ist. 4. Wenn nämlich ein solcher das Werk zu erhalten hat oder wenn jemand durch Vertrag die Unterhaltung übernimmt, so haftet er danach neben dem Eigenbesitzer. Gegenüber der Haftung kann der Eigenbesitzer einwenden, daß er die erforderliche Sorgfalt beobachtet hat (§ 8361), der frühere Eigenbesitzer, daß er während seiner Besitzzeit sorgfältig war oder daß ein späterer Besitzer durch Sorgfalt die Gefahr hätte abwenden können (§ 836 I I ) . Der Beklagte kann sich auch darauf berufen, daß er nicht verantworthch gewesen sei 3 1 3 . Für seinen gesetzhchen Vertreter ist er nicht haftbar 3 1 4 ; denn die Vorschrift des § 278 BGB. gilt nur für die Haftung in bestehenden Schuldverhältnissen. Der Vertreter selbst kann nach § 823, aber nicht nach § 838 haftbar werden 315 . — Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner, im Innenverhältnis der Täter (§ 840 I I I BGB.). § 337. Hierher ist endhch auch die bedeutsame Haftung des Halters eines K r a f t f a h r z e u g e s nach dem Gesetz vom 3. Mai 1909 316 zu rechnen. Allerdings wird sie regelmäßig als Gefährdungshaftung bezeichnet und daher bei den übrigen Fähen einer solchen dargesteht. Aber es wird sich zeigen, daß eine Gefährdungshaftung darin nicht zu erbhcken ist (S. 618), so daß die 312

R G . 59, 8ff.; J W . 1910, 653; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 233 A n m . 10 u. a. 313 R G . W a r n e y e r 1914 N r . 334; 1915 N r . 283. 314 R G . 113, 296; W a r n e y e r 1915 N r . 283; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 233 A n m . 13; j e t z t auch P l a n c k 3; anders K i p p bei W i n d s c h e i d 4 vor § 451. 315 O e r t m a n n 6 zu § 836 gegen D i t t e n b e r g e r a. a. O. 63ff. 316 I s a a c , K o m m e n t a r z u m Automobilgesetz; E g e r , K o m m e n t a r z u m Automobilgesetz; S e u f f e r t , Gesetz über den Verkehr m i t K r a f t f a h r zeugen; F l a d , LeipzZ. 1916, 1 1 5 3 ; H e u c k e , Verkehr m i t Kraftfahrzeugen; M ü l l e r , Automobilgesetz; K i r c h n e r , Gesetz über den Verkehr m i t K r a f t fahrzeugen; v . S c h i m p f , Die Voraussetzungen der H a f t p f l i c h t des K r a f t fahrzeughalters (Beiheft des Archivs für Rechts- u n d Wirtschaftsphilosophie). 39*

Unrechtshandlungen.

612

Besonderheit wesenthch in der Haftung für fremde Schuld hegt. — Es muß hier ein Mensch oder eine Sache verletzt sein. Ferner muß dies „beim Betriebe" des Fahrzeuges geschehen sein. Das bedeutet, daß es zum Fahren in Benutzung genommen ist; denn erst damit beginnt die besondere Betriebsgefahr dieser Fahrzeuge. Ein Wagen, der in voher Ruhe steht, kann daher einen Betriebsunfall nicht hervorrufen : wenn er z. B. wegen Lockerung der Bremse wegrollt, wenn er die Straße i n gefährlicher Weise versperrt 317 oder wenn er explodiert 318 . Man hat gegen die letzte Entscheidung zwar eingewendet, daß auch dies zu den eigentümlichen Gefahren der Kraftwagen gehöre. Aber es ist das allein eben noch nicht genügend 319 , sondern es muß sich um eine aus dem Betrieb entspringende Gefahr handeln. Auch das Ankurbeln des Motors zum Zwecke der Reinigung oder Prüfung genügt nicht, wenn es nicht den Beginn einer Fahrt einleiten soll 3 2 0 . Anderseits dauert die Benutzung im Betriebe noch fort, wenn der Wagen vorübergehend hält. Ob der Motor dabei abgesteht ist, spielt keine Rolle 3 2 1 : ist doch die Haftung zweifellos auch dann begründet, wenn man beim Fahren den Wagen ohne Motor den Berg herunterlaufen läßt oder wenn der Motorfahrer sein Rad tritt. Eine Benutzung des Wagens zu anderen Zwecken, insbesondere zum Auf- und Abladen ist nicht als Betrieb anzusehen. — Es ist aber ferner auch zu fordern, daß der Unfah in innerem Zusammenhang mit den Gefahren des Betriebes steht 3 2 2 , und es kann nicht genügen, daß er nur zeithch mit ihm zusammenfiel 323 . Dafür spricht die gleiche Einschränkung bei der Haftung der Eisenbahn (unten § 369) und in hohem Maße die Bilhgkeit. Unmöghch kann man den Halter eines Autobus dafür haftbar machen, wenn sich zwei Mitfahrer während der Fahrt prügeln und verletzen. Zu den eigenartigen Gefahren ist, wie gesagt, auch die der Ex817 S18

§ 246. sie

R G . 122, 272. I s a a c a. a. Ο. 68; anders SeuffA. 69, 319; E n n e c c e r u s - L e h m a n n

E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. Ο. v . S c h i m p f f a. a. Ο. 43 u n d Genannte. 821 R G . 122, 270. 126, 335; J W . 1929, 2055. 822 SeuffA. 68, 274; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O.; B e z o l d i n i n den Anmerkungen zu J W . 1929, 914. 2055; v . S c h i m p f f a. a. O. 45 u n d zahlreiche dort angeführte Entscheidungen. 823 W i e das R G . angenommen h a t : J W . 1929, 914. 2055; R G . 122, 270ff. 126, 334ff. 820

Kraftwagen.

613

plosion und des Fortrollens zu rechnen — nur müssen sie während des Betriebs eintreten. Dagegen kann das Ein- und Aussteigen aus dem Auto nicht dazu gezählt werden, und mir scheint es recht unbilhg, den Halter auch dafür haftbar machen zu wollen 3 2 4 . Die Haftung erstreckt sich auch auf solche Schäden, die erst mittelbar durch das Auto verursacht werden. Wenn ein Auto eine Bahnschranke eingerissen hat und diese vom Zuge erfaßte Schranke den Bahnwärter verletzt, so muß der Halter dafür aufkommen 325 . § 338. Als Halter ist, wie jetzt ahgemein anerkannt, nicht nur der Eigentümer anzusehen 326 , sondern z. B. auch ein Käufer, dem das Auto unter Eigentums vorbehält übertragen i s t 3 2 7 . Aber man darf auch nicht Nutzen und Lasten als ahein maßgebend betrachten. Es kommt nicht selten vor, daß jemand ein Auto ledighch zum Gebrauche eines anderen, z. B. seiner Frau, hält oder es jemandem — z . B . dem Reich im Kriege — zur Verfügung steht und dennoch Halter bleibt 3 2 8 . Auch die Kosten eines Wagens können einem anderen, z. B. der Firma, zur Last fahen, ohne daß sie dadurch zum Halter würde. Vielmehr kommt es auch hier — wie beim Tierhalter (unten § 364) — darauf an, wer die Herrschaft, das Verfügungsrecht h a t 3 2 9 . Aber es ist ein Irrtum, wenn man den Begriff des Halters für beide Fähe ganz gleichmäßig bestimmen will. Vielmehr besteht zwischen ihnen ein Unterschied, der bisher noch nicht erkannt worden ist. Das Tier ist schon durch seine bloße Existenz gefährlich : deshalb muß schon der haftbar gemacht werden, der nur darüber bestimmt, ob und wo es gehalten wird. Das Auto aber wird erst durch seinen Betrieb gefährlich : also kommt es hier darauf an, wer über seine Benutzung zu bestimmen hat. Wenn eine Firma einem ihrer Angestellten einen Wagen überläßt, so ist als Halter zu betrachten, wer über dessen Fahrten, nicht wer über die An- und Abschaffung entscheidet. Wer dies Bestimmungsrecht hat, ist auch dann Halter, wenn der Nutzen und die Lasten wesenthch einen anderen treffen. So wird ein kaufmännischer 324

W i e R G . 126, 314ff. R G . 129, 128ff. 328 R G . 78, 182. 79, 314. 93, 222. 327 R G . 87, 137. 328 R G . 91, 271 ff. 93, 222ff. 829 So richtig R G . 77, 348. 78,179. 79, 312. 87, 137ff. 91, 271ff. 93, 222ff., 304; freilich neben dem Erfordernis „ f ü r eigene Rechnung". Ä h n l i c h auch E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 246 (Haus oder Wirtschaft); v . S c h i m p f f a. a. O. 22. 325

Unrechtshandlungen.

614

Direktor nicht selten sein Auto zum Vorteil und auf Kosten seiner Firma halten. Endhch ist es auch möghch, daß mehrere Personen gleichzeitig als Halter erscheinen 330 . Wenn jemand das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Halters zu einer „Schwarzfahrt" benutzt, so ist er an Stehe des Halters verpfhchtet (§ 7 I I I ) . Vor der Novehe von 1923 war statt dessen verlangt, daß der andere es „ i n Betrieb setzt" — woraus sich dann Zweifel für den Fah ergaben, daß er die Benutzung nur ungebührlich ausgedehnt hatte. Der Halter ist neben dem Benutzer haftbar, wenn er diese Benutzung durch sein Verschulden ermöghcht hatte. § 339. Die Hauptfrage ist natürlich, ob die Haftung in allen Fähen einer Verletzung eintritt. Hierüber bestimmt der schwierige Absatz I I des § 7: „Die Ersatzpfhcht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs, noch auf einem Versagen seiner Verrichtungen 331 beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis insbesondere dann, wenn es auf das Verhalten des Verletzten oder eines nicht beim Betriebe beschäftigten Dritten oder eines Tieres zurückzuführen ist und sowohl der Halter als der Führer des Fahrzeuges jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat". Das „unabwendbar" kann hiernach nicht einem ^unverschuldet" gleichgesteht werden. Denn wie die letzteren Worte zeigen, ist die Schuldlosigkeit nur ein Moment, das noch zu einem anderen dazutreten muß, um den Halter von der Haftung zu befreien. Es kann aber auch nicht mit „höherer Gewalt" gleichgesetzt werden. Denn darunter sind Ereignisse zu verstehen, die allgemein unvermeidbar sind. Das Gesetz sieht dabei gefhssenthch von den Umständen des Einzelfalls ab und betrachtet die Unfälle nur nach ihrer ahgemeinen Wirkung, also „generalisierend" (I, 448). Hier aber soll vielmehr die konkrete Sachlage maßgebend sein. I n dem „unabwendbar" muß also ein anderer, eigenartiger Begriff stecken. Um ihn zu bestimmen, müssen wir uns an den zweiten erläuternden Satz halten: es kommt darauf an, ob das Ereignis auf das V e r h a l t e n des Verletzten oder eines betriebsfremden Dritten oder eines Tieres zurückzuführen ist. Unter Verhalten ist nicht 330 331

R G . 127, 174 = J W . 1930, 1953. N i c h t : „Vorrichtungen' 4 .

Kraftwagen.

615

dasselbe wie Verschulden zu verstehen 332 . Denn wenn man den ganzen Absatz liest, sieht man, wie das Gesetz deuthch und geflissentlich zwischen beiden Begriffen unterscheidet. Auch ist ein Antrag, statt Verhalten Verschulden einzusetzen, von der Kommission abgelehnt worden. Hierfür spricht auch die Bilhgkeit: der Halter muß sich darauf berufen können, daß der überfahrene Radfahrer oder Fußgänger falsch ausgewichen ist oder daß der Überfahrene quer über der dunklen Landstraße lag, auch wenn diesen, etwa bei einer plötzhchen Ohnmacht, keine Schuld trifft. Aber anderseits kann unter dem Verhalten auch nicht ein solches Gebaren verstanden werden, das den Regeln eines richtigen Verkehrs entspricht 3 3 3 : also z. B. nicht dasjenige eines Radfahrers, der ganz vorschriftsmäßig fährt. Man könnte zwar auch hier sagen, daß seine Fahrtätigkeit auf der Straße mit zu dem Unfah beigetragen habe. Aber niemand wird behaupten können, daß dieser darauf „zurückzuführen" sei. Auch würde das Ergebnis äußerst unbilhg sein, indem die Haftung gegenüber ahen sich bewegenden Menschen und Tieren ausgeschlossen wäre. Unter dem Verhalten ist daher ein solches, das als Ursache eines Unfahs gelten kann, also ein sachlich unrichtiges zu verstehen. § 340. Den Gegensatz zu dem Verhalten dieser bildet das der „bei dem Betriebe beschäftigten" Personen. Dazu gehört nicht nur der Führer, sondern auch ein solcher Mitfahrer, dem das Bedienen des Richtungsweisers oder der Handbremse übertragen ist, auch ein Fahrlehrer, der mit eingreift. Auch der Halter selbst ist ebenso zu behandeln, weil er kein „Dritter" im Sinne des Gesetzes ist. Nicht aber gehören dazu die sonst Mitfahrenden, die den Fahrer etwa gestört haben, und auch nicht das Personal, das vorher den Wagen instand zu setzen hatte, da es nicht beim Fahrbetriebe beschäftigt i s t 3 3 4 . Auch hier ist wieder streitig, was unter dem Verhalten zu verstehen sei. Nach der einen Ansicht ist es hier mit Verschulden identisch, so daß bei einer plötzhchen Ohnmacht des Fahrers die Haftung ausgeschlossen wäre 3 3 5 . Aber dies erscheint auch hier 332

I s a a c a. a. Ο. V I I C zu § 7; v . S c h i m p f f a. a. Ο. 74; dagegen M ü l l e r a. a. Ο. Α I I I . 333 I s a a c a. a. Ο . ; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. § 246. Anders E g e r a. a. O. 156ff. 334 I s a a c a. a. Ο. V I I , C I I . 336 I s a a c a. a. O.

Unrechtshandlungen.

616

sehr bedenklich 336 . Es spricht dagegen, daß das Wort „Verhalten" hier unmöghch etwas anderes als oben bedeuten kann. Und ebenso ist es unannehmbar, daß derselbe Begriff der Schuld in dem gleichen Absatz mit zwei verschiedenen Ausdrücken bezeichnet würde. Außerdem steht das Gesetz, wie der Schluß des Absatzes zeigt, die Schuldlosigkeit des Führers noch als ein zweites besonderes Ereignis neben der Frage des Verhaltens auf. Daher ist es ausgeschlossen, daß der Beweis der Schuldlosigkeit allein zur Befreiung ausreichen könnte. Danach setzt die Haftung nicht ein schuldhaftes, vorwerfbares Verhalten voraus. Sie t r i t t auch ein, wenn der Fahrer entschuldbare Fehler macht: z. B. in der plötzhchen Überraschung mit dem Fuß von einem Hebel abrutscht, sich bei einer Umleitung oder bei Nebel verfährt, wenn er durch Übermüdung oder Unwohlsein beeinträchtigt und auch wenn er plötzlich ohnmächtig wird. Wer das zu hart findet, möge daran denken, daß der Halter sich gegen seine Haftung versichern kann und dies auch regelmäßig tut. — Andererseits darf aber auch hier wieder nur ein solches Verfahren in Betracht gezogen werden, das objektiv verkehrswidrig ist. Denn sonst müßte ja die Haftung immer eintreten, da in jedem Fahren schheßhch schon ein gewisses Verhalten liegt. Daher ist die Haftung z. B. nicht gegeben, wenn durch das bloße Anlassen des Motors Pferde scheu geworden sind 3 3 7 . Über die Einwirkung von anderen Umständen, insbesondere von Naturereignissen, ist im Gesetz nichts gesagt. Aber es kann wohl kaum zweifelhaft sein, daß sie dem Halter nicht zur Last zu legen sind. Der zweite Satz regelt die Befreiungsgründe nicht ausschheßhch, sondern gibt nur Beispiele („insbesondere"), ist also auf gleichhegende Fähe auszudehnen. Nun macht es sicherhch sachhch keinen Unterschied, ob der Schaden durch ein Tier oder ein Naturereignis, etwa Bhtz oder Erdrutsch, entstanden ist. Daher ist die Haftung auch hier ausgeschlossen: z.B. wenn das Auto einen Stein, den man nicht bemerken oder vermeiden konnte, fortschleudert 338 . Endhch aber ist die Haftung immer begründet, falls das Ereignis auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeuges oder einem Versagen seiner Vorrichtungen beruhte. Es wird also von dem Fahrzeug ebenfalls eine normale Beschaffenheit verlangt. Man streitet darüber, ob ein Schleudern des Wagens dagegen 336

K i r c h n e r a. a. O. 80. O L G . 43, 94. 838 Deutsches Automobil-Recht 1928, 387. 1929, 111.

Kraftwagen.

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verstößt. Auch hier wird man ein Fahrzeug von ordnungsmäßigem Durchschnitt als Maßstab heranziehen müssen. Übrigens ist das Schleudern oft auf Fehler des Fahrers zurückzuführen, bisweilen aber auch auf plötzliches Glatteis oder andere Naturereignisse. Aus ahedem stellt sich nun als der Grundgedanke des Gesetzes heraus: es wird für o b j e k t i v e B e t r i e b s f e h l e r (unrichtiges Verhalten der Betriebspersonen und Mängel des Wagens) gehaftet, für andere Umstände nicht. Diese Abgrenzung ist auch durchaus berechtigt; denn jene Fehler sind besonders gefährlich und lassen sich im ahgemeinen vermeiden. Sie beruht also auf einem ganz ähnhchen Gedanken wie die der höheren Gewalt; aber die Ausgestaltung ist hier doch eine andere, da hier nicht ein allgemeiner (generalisierender) Maßstab angelegt wird. Nur ein Bedenken ließe sich gegen unsere Auffassung erheben : daß es nach dem Schlußsatz des Abschnitts nicht auf die objektive Unrichtigkeit, sondern auf ein Verschulden des Halters und Fahrers ankomme. Aber dieser Satz dürfte auf den Fall zu beziehen sein, daß der Schaden durch das Verhalten eines Dritten erklärt wird, also als dadurch verursacht erscheint, daß aber dann doch noch auch ein Verschulden dieser Personen mitgewirkt hat. Es gehören hierher die typischen Fälle : ein Radfahrer oder ein anderer Wagen hat durch Linksfahren oder ein Kind durch Hineinlaufen den Unfah verursacht, aber der Fahrer hat sich dabei doch auch einer Fahrlässigkeit schuldig gemacht, indem er etwa zu schnell fuhr. Auch hier soh der Autohalter haften. Man wende nicht ein, daß dieser Fall ganz anders im § 9 des Gesetzes geregelt sei, wo auf § 254 BGB. verwiesen wird. Denn dieser bezieht sich nur auf einen einzelnen bestimmten Fall, nämhch wo der Verletzte schuldhaft gehandelt hat — nicht aber auch auf die, wo er schuldlos war und sich nur sachlich unrichtig verhalten hat. Der Halter und der Fahrer müssen „jede nach den Umständen des Fahes gebotene Sorgfalt" beobachtet haben. Man hat das dahin verstanden, daß das Maß von Sorgfalt hier über die sonstigen Regeln ausgedehnt und bis zur Aufbietung einer „äußersten" Sorgfalt gesteigert sei 3 3 9 . Aber das ist nur insofern richtig, als das Autofahren bekanntlich gefährlich ist und sich eben daraus schon eine Erhöhung der Ansprüche ergibt (I, 440). Dagegen ist es sehr bedenklich, hier ebenso wie bei der höheren Gewalt, den verfehlten 839

v . S c h i m p f f a. a. O. 80; dagegen I s a a c a. a. Ο . ; L i p p e r t , die Automobilhaftpflicht.

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Unrechtshandlungen.

Begriff einer äußersten oder erdenklichen Sorgfalt zu verwenden. Wenn man ahe die Vorsichtsmaßregeln verlangt, die man sich ausdenken kann, so dürfte man überhaupt nicht in sehr belebten Straßen oder bei Dunkelheit fahren. Das Gesetz t r i t t selbst solchen übertriebenen Anforderungen entschieden dadurch entgegen, daß es nur die ,,nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt" erfordert. § 341. Es wäre nun bloß noch zu fragen, ob man diese Haftung für Betriebsfehler als eine Gefährdungshaftung bezeichnen soh, wie es ganz ahgemein geschieht. Unter diesem Begriff ist eine Schadenshaftung ohne Verschulden aus gefährlichen Tätigkeiten verstanden (unten S. 648). Eine Haftung für fremdes Verschulden werden wir nicht dazu zu rechnen haben. Denn eben der Grundgedanke jener Haftung, daß sie ohne Schuld ledighch wegen der Gefährdimg eintritt, trifft hier nicht zu. So wird man auch bei der Haftung für Erfühungsgehilfen nach § 278 BGB. nicht von einer Gefährdungshaftung reden können (I, 451). Also ist eine solche Haftung auch noch nicht darin zu erbhcken, daß der Autohalter für die Schuld seines Betriebspersonals haftet. Nun geht seine Haftung freihch noch etwas darüber hinaus: er haftet auch für dessen schuldloses, aber verkehrswidriges Verhalten und für Fehler des Fahrzeuges. Aber es ist dagegen zu bedenken, daß auch hier doch in aller Regel ein Verschulden des Halters oder seiner Leute vorhegen wird. Ein unrichtiges Verhalten des Fahrers wird fast immer auch ein Verschulden enthalten. Und ebenso wird ihn in aher Regel dann eine Schuld treffen, wenn eine Vorrichtung versagt und dadurch ein Schaden verursacht wird. Denn gerade die Teile, deren Versagen am ehesten zu Unglücksfähen führen, nämlich die Bremsen, sohen doch beim Beginn der Fahrt nachgeprüft werden. Auch hier handelt es sich mithin um Ereignisse, die in aher Regel vom Fahrer verschuldet sind — die also zu dem Grundgedanken der Gefährdungshaftung: „Haftung ohne Schuld" nicht passen. Es ist daher allerdings richtig, daß die Haftung hier etwas über die Schuldhaftung hinausragt. Insofern scheint es denkbar, sie als eine Gefährdungshaftung zu bezeichnen. Aber es ist auch hier zu bedenken, daß die Namensgebung die wesenthchen Unterschiede hervorheben soh. Und aus diesem Gesichtspunkt müssen wir sagen, daß diese Benennung nicht bezeichnend und daher geradezu unrichtig ist. Sie legt übermäßige Betonung auf die seltenen Fähe einer Zufallshaftung, übersieht aber die weit zahl-

Kraftwagen.

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reicheren Zufälle, wo eine solche verneint wird. Sie ist daher geneigt, den wesenthchen Grundgedanken zu verdecken: ja sie verleitet geradezu zu dem schweren Irrtum, daß die Haftung von der Schuldfrage unabhängig sei. Gerade das mußte uns nötigen, diese Lehre aus der von der Gefährdungshaftung auszuscheiden. § 342. Die Haftung ist ausgeschlossen bezüglich der zur Zeit des Unfalls beim Betriebe beschäftigten Personen und der durch das Fahrzeug beförderten Personen und Güter (§ 8 des Gesetzes). Diese Leute haben durch ihre Mitwirkung oder Benutzung die Gefahren des Betriebes auf sich genommen. Bei der Eisenbahn ist dieser Gesichtspunkt deshalb nicht maßgebend, weil sie ein tatsächhches Monopol besitzt und daher vom Pubhkum nicht vermieden werden kann. Freilich geht das Gesetz insoweit über diese Fähe der freiwilligen Übernahme hinaus, als es sich auch auf unfreiwillig beförderte Personen (Gefangene) erstreckt. Durch § 8 wird nur die besonders strenge Haftung auf Grund dieses Gesetzes ausgeschlossen, während die aus schuldhafter Vertragsverletzung und Unrechtshandlung bestehen bleibt. Doch kann auch auf diese verzichtet werden. Das ist in dem verbreiteten Anschlage, daß man auf eigene Gefahr mitfährt, zu erbhcken : aber auch in der Verabredung einer Fahrt, die als Weinreise dienen soh 340 . Außerdem gilt die Haftung nicht für langsame Wagen, die in der Ebene nicht über 20 Kilometer kommen (§ 8 2 ). Wenn ein Wagen aber durch einen einfachen Griff höhere Geschwindigkeit erlangen kann, so ist diese Vergünstigung auf ihn nicht anwendbar 341 . § 343. Ebenso wie der Halter haftet auch der Führer, der das Fahrzeug gelenkt hat, fahs er nicht seine Schuldlosigkeit nachweist (§18 des Gesetzes). Halter und Führer haften als Gesamtschuldner — ebenso die Halter mehrerer beteihgter Fahrzeuge (§ 17), und andere, die aus Unrechtshandlung oder Gefährdung haften 342 , aber auch solche, die aus Rechtsverletzung verpfhchtet sind. Auch hier zeigt sich wieder sehr deuthch, daß auch Personen, die untereinander in gar keiner rechthchen oder wirtschaftlichen Beziehung stehen, als Gesamtschuldner in Betracht kommen und dies nicht etwa nur im uneigenthchen Sinne sind (I, 732ff.). Unter ihnen findet eine Ausgleichspflicht statt, je nach dem Verhältnis, wie jeder zur Verursachung des Schadens beigetragen hat (§ 17), und dasselbe 840 841 342

R G . 128, 229ff. R G . 86, 72. §§ 17, 18 des Gesetzes; R G . 82, 438ff. 87, 64.

Unrechtshandlungen.

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gilt auch da, wo einer der beiden Halter verletzt ist (§ 17 2 ). Dagegen kann der Halter eines Fahrzeuges, der sich auf ein unabwendbares Ereignis berufen kann und daher nach außen nicht haftet, auch nicht im Wege dieser Ausgleichspflicht herangezogen werden 343 . Denn der § 17 erfordert ausdrückhch, daß die beiden Halter zum Ersatz des Schadens verpfhchtet sind. Daraus hat das Reichsgericht gefolgert, daß die Verletzung des Fahrers oder eines Fahrgastes dabei auszuschalten sei, weil diese nach § 8 Ansprüche nicht erheben können 344 . Aber es hat diese Einschränkung mit Recht wieder aufgegeben 345. Denn wenn diese Personen durch Benutzung eines Autos die Haftung übernehmen (S. 619), so kann man das doch nur auf die Gefahren beziehen, die ihm von diesem Auto, nicht aber von anderen drohen. Der Inhalt des Anspruchs richtet sich bei der Verletzung von Menschen nach Bestimmungen {§§ lOff.), die wesenthch den §§ 843 und 844 BGB. entsprechen. Außerdem aber sind für alle Arten von Schäden gewisse Höchstbeträge festgelegt (§ 12). Wenn die wegen desselben Ereignisses zu zahlenden Entschädigungen diese Summe übersteigen, so werden sie verhältnismäßig herabgesetzt. Das Wettfahren auf öffenthchen Wegen ist jetzt ahgemein verboten (§ 31 KraftfahrVO.) ; wohl aber sind Zuverlässigkeitsfahrten und Geschwindigkeitsprüfungen mit Genehmigung der Behörde gestattet. Auch bei diesen finden die Haftungsregeln des Gesetzes Anwendung 346 . Das erhebt schon daraus, daß die genannte Verordnung eine solche Einschränkung nicht enthält. Immerhin kann man hier doch nicht die gleichen Anforderungen betreffs der Rücksicht auf den Verkehr stellen wie sonst, wenn während der Fahrt der öffentliche Verkehr polizeihch verboten wird und die Fahrer mit der Durchführung dieser Maßregel rechnen dürfen 3 4 7 . — § 344. Wenn mehrere durch eine gemeinschafthche Unrechtshandlung Schaden stiften, so ist jeder von ihnen verantwortlich (§ 830 BGB.). Und zwar gilt das nicht nur für mehrere Mittäter, sondern auch für Anstifter und Gehilfen (§ 830 I I ) . Sie alle haben die Tat mit verursacht und sind dafür haftbar. Das Maß ihrer 348 344 345 846 847

R G . 79, 312. 90, 290. 114, 73. 123, 164; J W . 1915, 200. 1929, 1462. R G . 96, 69 u n d V I 578/29. R G . 130, 130. R G . 130, 165. N i c h t unbedenklich die eben genannte Entscheidung.

Mehrere Täter.

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348

Beteiligung ist gleichgültig . Dagegen kann ein Hehler nicht für den durch die Tat bewirkten Schaden verantworthch gemacht werden, weil er diese nicht verursacht hat — sondern nur für den weiteren Schaden, der durch seine eigene Tätigkeit entsteht. Dies gilt auch dann, wenn die Mehreren nicht bewußt und planmäßige sondern zufähig zu einer Verletzung zusammenwirken. A hängt fahrlässig eine geladene Büchse an die Wand, Β drückt sie fahrlässig ab. M verkauft schuldhaft Pulver an ein Kind, und dies geht fahrlässig damit u m 3 4 9 . Obwohl der Ausdruck des Gesetzes „gemeinschaftlich begangen" hier nicht paßt, ist doch sicher auch hier die Haftung beider zu bejahen. Etwas anders liegt der Fall, wenn jeder Täter den ganzen Erfolg herbeigeführt, wenn zwei Wilddiebe gleichzeitig geschossen haben. Aber auch hier wird man jede dieser Handlungen als Ursache des Erfolges ansehen müssen, obwohl eigenthch keine von ihnen dessen notwendige Vorbedingung war (I, 143ff.). Auch hier kann man die Haftung weder aus diesem Grunde noch auch deshalb ablehnen, weil die Handlung nicht gemeinschaftlich begangen sei. Dagegen ist es anders zu beurteilen, wenn jeder der Mehreren einen bestimmten Teilerfolg verursacht hat, wenn ζ. B. Wassereinbrüche von zwei verschiedenen Seiten her erfolgten. Hier ist jeder Täter nur für den von ihm verursachten Schaden haftbar 3 5 0 . § 345. Der Kläger trägt die Beweislast für die Handlung des Beklagten, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden (oben 602). Wenn also nicht festzustehen ist, ob der Beklagte an der Tat beteiligt war, ist die Klage gegen ihn abzuweisen. Aber das Gesetz (§ 830 I 2) schreibt eine Haftung aher auch für den Fah vor, daß „sich nicht ermitteln läßt, wer von mehreren B e t e i l i g t e n den Schaden durch seine Handlung verursacht hat". Wie das zu verstehen sei, ist sehr streitig. Unmöghch kann man es als ausreichend ansehen, daß mehrere Personen vorhanden sind, deren eine der Täter sein muß. Es wäre eine unerhörte Ungerechtigkeit, wenn man mit dieser Begründung die gesamten Angestellten eines Geschäfts oder Haushalts für einen Diebstahl verantworthch machen wollte. Aber es 348

R G . 23, 160. 42, 175. 58, 359. 65, 160; GruchBeitr. 51, 994; T r a e g e r , Kausalbegriff 280. 349 R G . 33, 348. 350 T r a e g e r a. a. O. 282ff.; O e r t m a n n 5 zu 830; anders R u m p f , Teilnahme an unerlaubten Handlungen 54.

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Unrechtshandlungen

wird auch dadurch nicht viel besser, wenn man es als genügend bezeichnet, daß sie in irgendwelcher Art zusammengewirkt haben 3 5 1 . Auch das würde ja auf mehrere Angestehte zutreffen, die gleichzeitig dort beschäftigt waren, oder auf mehrere Leute, die in demselben Zimmer übernachtet haben. — Eine andere Lehre fordert wenigstens die Mitwirkung zu einer Tätigkeit, die eine Gefährdung hervorgerufen h a t 3 5 2 . Aber auch das geht noch zu weit. Daß jeder, der als Zuschauer an einer bedrohlichen Ansammlung teilgenommen, schon deshalb für ahe von der Menge begangenen Schädigungen haften solle, erscheint recht bedenklich. Wer von einem Rodelschlitten überfahren ist, kann nicht jeden in Anspruch nehmen, der dort gefahren ist ; wer durch einen Fußball verletzt ist, nicht jeden, der mitgespielt hat. Wenn eine Frau nach einem Verkehr mit mehreren Männern geschlechtlich erkrankt, so haftet nur, wer erweislich krank war — nicht auch die anderen, obwohl auch ihr Verkehr gefährdend war 3 5 3 . Vielmehr ist zu fordern, daß dem Beklagten wirkhch die Begehung einer Unrechtshandlung nachgewiesen i s t 3 5 4 . Es muß feststehen, daß er das Rechtsgut des anderen schuldhaft verletzt hat. Das Gesetz verlangt ja ausdrücklich, daß der Beklagte selbst gehandelt hat: ,,durch seine Handlung". Außerdem spricht für diese Auffassung, daß auch der § 227 StGB, über den Raufhandel, aus dem § 830 BGB. erwachsen ist, in derselben Weise zu verstehen ist und verstanden wird. Vor allem aber ist es, wie schon vorher betont wurde, sehr ungerecht, jemanden verantworthch zu machen, dem ein schuldhafter Eingriff in fremde Rechtsgüter nicht nachgewiesen werden kann. Deshalb ist der Tatbestand einer Unrechtshandlung zu erfordern : freilich ohne die Verursachung des Erfolges, die ja dazu ergänzt werden soil. Dagegen heße sich nun einwenden, daß eine solche Unrechtshandlung ohne Erfolg gar nichts anderes als eine Gefährdung bedeute. Aber es läßt sich da doch eine Grenze ziehen, hinter der erst der Tatbestand der Unrechtshand851 So L i s z t a. a. Ο. 76; ähnlich auch R G . W a r n e y e r 1909 N r . 557; SeuffA. 41 N r . 93. 352

Enneccerus-Lehmann § 235, ähnlich R u m p f a. a. O. 52, 65 ff.

863

M i t anderer Begründung, aber doch i m Endergebnis ebenso R G . 96, 226, vgl. Warneyer 1913 N r . 363. 864 Protokolle 2, 606; T r a e g e r a. a. O. 284ff.; O e r t m a n n 3 zu § 830, meine Beweislast 385ff.; R G . 58, 361; SeuffA. 47 N r . 12; W a r n e y e r 1 N r . 633, 2 N r . 557; Recht 1909 N r . 3381.

Mehrere Beteiligte.

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lung beginnt. Wenn mehrere Lagerer die Vorschriften über Feuersicherheit vernachlässigen, so haben sie schon eine Gefährdung, aber noch keine Unrechtshandlung begangen: ebenso solche, die an einem gefährlichen Platze rodeln oder spielen. Steht dagegen von einzelnen fest, daß sie einen Ball auf die Straße geworfen oder jemand angefahren haben, so sind sie als Beteiligte für den Schaden haftbar. Aber auch eben nur, insoweit ein Zweifel bleibt. Wenn der Beklagte nachweisen kann, daß aus seiner Handlung dieser Erfolg nicht entstanden sein kann, daß er z. B. kein Messer bei sich hatte, dann ist er dafür nicht verantworthch zu machen 355 . — Man hat gegen diese Auffassung eingewendet, daß die Vorschrift dann ganz überflüssig sei. Aber ihre Bedeutung besteht darin, daß der ursächhche Zusammenhang zwischen der Unrechtshandlung und dem Schaden nicht nachgewiesen zu werden braucht. Es handelt sich also um eine Vermutung des Kausalzusammenhanges, ähnhch den Vermutungen, die die §§ 831ff. darüber aufstehen. Unhaltbar ist daher die letzte noch weitergehende Lehre, wonach der Kläger auch den ursächhchen Zusammenhang nachweisen müsse 356 . Nach dieser würde die Bestimmung tatsächhch gegenstandslos sein. Endhch setzt die Vorschrift noch voraus, daß der Schaden durch eine gemeinsame Handlung der mehreren Beteiligten verursacht worden ist. Es muß also eine einheitliche Tätigkeit vorliegen 357 . Wenn z. B. mehrere Autos an verschiedenen Tagen über ein fremdes Grundstück gefahren sind und eins von ihnen den Zaun angefahren hat, so ist die Bestimmung nicht anwendbar. Jedoch genügt es, daß die Handlungen räumlich und zeithch zusammen liegen. Nicht nötig ist, daß sie auf einem gemeinschafthchen Plan beruhen 35711 . § 346. Die mehreren Ersatzpfhchtigen haften als Gesamtschuldner (§ 840 BGB.). Dies gilt auch dann, wenn sie nicht planmäßig, sondern nur zufähig zusammengewirkt haben. Man hat hier zwar nur eine uneigentliche Gesamtschuld annehmen wollen 3 5 8 : 855 T r a e g e r a . a . O. 288; O e r t m a n n a. a. 0 . ; R G . 121,400; j e t z t auch (gegen Enneccerus) L e h m a n n a. a. O. A n m . 7. 858 D e r n b u r g § 386; C r o m e § 338; S c h o l l m e y e r , Schuldverhältnisse

228. 867

R G . 96, 226; W a r n e y e r 1909 N r . 557, 1912 N r . 383; 1913 N r . 363, 1917 N r . 387. 867a W a r n e y e r 1912 N r . 383. 868 Z. B . O e r t m a n n 2; vgl. j e t z t aber auch denselben Z H R . 96, 118.

624

Unrechtshandlungen.

aber dieser ganze Begriff ist überhaupt nicht als berechtigt anzuerkennen 359 . Aus der Gesamtschuld ergibt sich insbesondere auch, daß jeder der Gesamtschuldner im Innenverhältnis im Zweifel nur für seinen Anteil haftet und daher von den übrigen verhältnismäßige Ausgleichung verlangen kann (§ 426 BGB.). Von dieser Regel macht der § 840 einige erhebliche Ausnahmen. Danach haftet der schuldhafte Täter vor dem, der nur wegen Verletzung der Aufsichtspflicht oder als Tierhalter und Jagdherr verantworthch ist — anderseits wer ohne Verantworthchkeit nach § 829 haftet, erst nach dem Aufsichtspflichtigen. Diese Vorschriften sind dahin zu erweitern, daß sich daraus ahgemeine Regeln über die Rangfolge mehrerer Unrechtsschuldner ableiten lassen (I, 728ff.). Aus der zuletzt genannten Bestimmung läßt sich der allgemeine Satz gewinnen, daß auch jede andere Zufallshaftung hinter der eines schuldigen und verantworthchen Täters zurücktritt. Allerdings erwähnt das BGB. hier nur die Fähe, die es selbst geregelt hat. Aber das darf uns nicht abhalten, dies auch auf die in anderen Gesetzen geordneten Fähe, insbesondere Eisenbahnen, Kraftwagen und Luftschiffe anzuwenden. Daß § 840 zu einer analogen Anwendung ungeeignet sei, ist nicht anzuerkennen und läßt sich nicht daraus folgern, daß er sich auf verschiedenartige Tatbestände bezieht 360 . Und doch bedarf dieser Satz und auch schon der Inhalt des § 840 selbst einer erheblichen Einschränkung. Nach dessen Bestimmungen scheint es so, als ob die Haftung immer ganz auf den schuldigen Teil fahen müsse 361 . Es würde dann z. B. ein Schaden, der einem Kinde von einem Auto oder durchgehenden Pferde zugefügt worden ist, ganz von dem Dienstmädchen, das nicht aufgepaßt hat, getragen werden müssen. Aber das wäre doch sehr unbillig : auch der Halter des Wagens oder Tieres muß einen gewissen Anteil daran tragen. Hierfür spricht nicht nur die Bilhgkeit, sondern auch die Analogie des § 254 BGB. Nach diesem ist bei der Frage, wie der Schaden zwischen dem Täter und dem Verletzten zu verteilen sei, nicht durchweg zuungunsten des schuldhaft Handelnden zu entscheiden, sondern es ist auch die Gefährdungshaftung mit zu 359

I , 732ff.; j e t z t auch zustimmend K o r i n t e n b e r g ,

RechtspflArch.

1931. 380

S c h m i d t , JheringsJ. 72, 81 gegen R G . 58, 337; J W . 1915, 324. So i n der T a t D u n g s , GruchBeitr. 54, 550; S c h m i d t , JheringsJ. 72, 80; M e y e r , Recht 1911, 153ff.; Recht 1910 N r . 3177. 1917 N r . 353. 381

Gesamtschuld.

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berücksichtigen. Es ist aber nicht wohl möghch, unsere Frage, wie der Schaden zwischen mehreren Haftenden zu verteilen sei, abweichend hiervon zu entscheiden, da beide Fragen sachhch ganz gleichstehen 362 . So werden wir zu der Entscheidung gedrängt, daß auch bei der Verteilung unter den Schuldnern nicht der ganze Schaden auf den Schuldigen zu wälzen ist, sondern daß ihn auch hier nur der größere Teil davon trifft. So muß der § 840 I I I trotz des entgegenstehenden Wortlautes ausgelegt werden (I, 729ff.). — § 347. Der Anspruch aus einer Unrechtshandlung verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, wo der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpfhchtigen Kenntnis erlangt hat (§ 852 BGB.). Es genügt also nicht — abweichend von § 198 BGB. — die Entstehung des Anspruchs. Und zwar ist es hier deshalb anders als bei den sonstigen Ansprüchen geregelt worden, weil bei diesen, z. B. aus einem Vertrage, die Person des Schuldners regelmäßig dem Gläubiger bekannt ist. Wenn also die Entstehung des Anspruchs ahein nicht ausreicht, so ist sie anderseits doch notwendig, damit die Verjährung beginnen kann. Sie läuft daher noch nicht, wenn der verletzende Eingriff noch nicht geschehen ist — mag auch ein schuldhaftes Verhalten schon erfolgt sein: also z. B. wenn eine Schleuse fehlerhaft angelegt ist, aber die Einwirkung auf das Nachbargrundstück erst später erfolgte 363 . Schwierigkeiten macht oft die Feststehung, ob aus der Einwirkung schon der Schaden entstanden ist. Hier sind zwei Arten von Fähen zu unterscheiden. Entweder hat die Einwirkung schon zu einer Schädigung geführt, deren Höhe nur noch nicht feststeht 364 , die sich insbesondere auch noch vergrößern kann 1 6 5 . Oder aber es kann sich erst später aus der Verletzung ein ganz neuer Schaden, z. B. ein ganz anderes Leiden entwickeln : hier würde von da an eine neue Verjährung für diesen Anspruch zu laufen beginnen 366 . Der Gläubiger muß auch die Person des Schädigers kennen — so genau, daß er daraufhin 862 R G . 71, 7ff. 75, 256. 84, 430. 102, 32; W a r n e y e r 1901 N r . 394, 1912 N r . 12; GruchBeitr. 56, 583; SeuffA. 65, 400ff. 863

R G . 106, 286.

364

R G . LeipzZ. 2, 231; W a r n e y e r 1908 N r . 55, 1909 N r . 558.

366

R G . 83, 360. 87, 306. 106, 285. 119, 207; GruchBeitr. 52, 1050. 53, 690, 1029; J W . 1912, 38. 1914, 355; W a r n e y e r 1913 N r . 83, 143; 1916 N r . 137. 866

R G . W a r n e y e r 1909 N r . 301, 1912 N r . 432; 1913 N r . 143, 1914 N r . 56, 84; Recht 1909 N r . 1497; J W . 1918, 303. Binding, Handb. X, 2. I I : Leonhard, Schuldrecht II. 40

Unrechtshandlungen.

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eine Klage, wenigstens eine Feststellungsklage erheben kann 8 6 7 . — Außerdem läuft daneben eine 30jährige Verjährung von der Begehung der Handlung an (§ 852). Sie kann also wesenthch früher beginnen als die Entstehung des Anspruchs, die sonst nach § 198 BGB. für den Beginn der Verjährung maßgebhch ist: z. B. wenn eine bauliche Anlage fehlerhaft errichtet ist, die aber erst nach Jahren auf das Nachbargrundstück schädlich einwirkt. — Die Vorschriften des § 852 gelten auch für die Fähe der Gefährdungshaftung, soweit sie im BGB. aufgeführt sind, aber auch für die übrigen 368 . Hier zeigt es sich, daß diese auch zu den Unrechtshandlungen zu rechnen sind (oben S. 541). Dagegen gilt die Verjährung nicht für den Ausgleichsanspruch, der unter den Gesamtschuldnern nach § 426 besteht 369 , und nicht für die Ansprüche aus Nichterfüllung des Vertrages und aus Verschulden beim Vertragsschluß 370 . Nach der Vollendung der Verjährung steht dem Klageanspruch eine Einrede entgegen (§ 222 BGB.). Aber was der Täter durch die Tat erlangt hat, muß er doch noch in Höhe der Bereicherung herausgeben (§ 852 I I ) . Eine Einredej die aus einer Unrechtshandlung entspringt, wird durch die Verjährung nicht beeinträchtigt (§ 853 BGB.) — weil nicht der Anspruch im ganzen, sondern nur in seiner Klagewirkung verjährt (oben S. 540). Der Anspruch aus der Unrechtshandlung kann durch vertragsmäßigen Verzicht erlöschen. Dieser kann schon vorher erfolgen. Jedoch kann die Haftung für Vorsatz nicht im voraus erlassen werden (§ 276 I I BGB.), und auch die für Fahrlässigkeit nicht, soweit dadurch gegen ein zwingendes Gesetz oder die Sitthchkeit verstoßen würde. § 348. Bedeutsam ist die Frage, ob und wann eine K o n k u r r e n z der Unrechtshandlung mit einer sonstigen Haftung, insbesondere aus Vertragsverletzung erfolgen kann 3 7 1 . Die jetzt ganz überwiegende und richtige Antwort geht dahin, daß es zu bejahen ist, fahs der Tatbestand beider Ansprüche gegeben ist. Es kann leicht 867

R G . 76, 61. 86, 286; Recht 1917 N r . 631. R G . 70, 157. 889 R G . 69, 422; B a y r R p f l Z . 5, 49; J W . 1910, 235. 870 O e r t m a n n 2 zu § 852. 871 O. C h r . F i s c h e r , Verletzung des Gläubigerrechts als unerlaubte H a n d l u n g ; H e d e m a n n , B ü r g A . 27, 357ff.; P e t e r s , Klagenkonkurrenz; P r y m , Konkurrenz; L e n t , , Gesetzeskonkurrenz; S i b e r , Passivlegitim a t i o n bei der rei v i n d i c a t i o ; F r o m h e r z , ZivArch. 108, 435ff. 868

Konkurrenz.

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sein, daß lediglich eine Vertragsverletzung, aber keine Unrechtshandlung vorhegt, weil deren Tatbestand nicht erfüllt ist: so wenn ein Schuldner nur seine Leistung verspätet macht. Umgekehrt kann es sein, daß nur eine Unrechtshandlung gegeben ist, besonders wo ein gültiger Vertrag nicht vorhegt. Sehr oft aber erfüllt dieselbe Handlung den Tatbestand beider Ansprüche : so wenn ein Fahrgast oder ein Frachtgut durch Verschulden des Beförderers verletzt wird. Freilich ist die Behandlung dieser Fälle sehr umstritten. Nach der ersten Auffassung entsteht hier immer nur ein einziger Anspruch: er ist nach der einen Meinung immer nach Vertragsrecht zu beurteilen 372 , nach der anderen doch regelmäßig, nämlich wenn dies als das speziehere erscheint 373 (Lehre von der Gesetzeskonkurrenz). Dies läßt sich aber nicht triftig begründen. Es ist nicht einzusehen, weshalb das Vorhegen einer Unrechtshandlung dadurch ausgeschlossen sein soh, daß der Täter gerade auf Grund eines Vertragsverhältnisses in Beziehung zu der verletzten Sache gekommen i s t 3 7 4 . Vielmehr werden auch sonst überall, wo der Tatbestand zweier verschiedener Ansprüche gegeben ist, beide nebeneinander gewährt. So können aus derselben Handlung Ansprüche aus Geschäftsführung und Bereicherung entspringen, oder aus Bereicherung und Unrechtshandlung. Auch der Anspruch aus einer Gefährdungshaftung kann mit dem Vertragsanspruch konkurieren: wie die Haftung des Tierhalters oder Autohalters nicht dadurch ausgeschlossen ist, daß der Verletzte in einem Vertragsverhältnis zu ihm steht 3 7 5 . Außerdem gibt es sicherhch gewisse Rechtsfragen, die für jeden der beiden Ansprüche verschieden beantwortet werden müssen. So richtet sich die Haftung für die Gehilfen beim Vertragsanspruch nach § 278, bei den anderen nach § 831 BGB. Die kurze Verjährung des § 852 wirkt nur gegen den Anspruch aus Unrechtshandlung. Bei einer Beschädigung des Mietgrundstücks muß der frühere Eigentümer für die Haftung aus Vertrag einstehen (§ 571 I I BGB.), für die aus Unrechtshandlung nicht. Eine zweite Ansicht will danach unterscheiden, ob die Verletzung mit dem Vertragsverhältnisse in einem inneren Zusammen872

E n d e m a n n , 4. Aufl. § 200 (anders 8. Aufl.). H e l l w i g , Anspruch 98; Lehrbuch 266ff.; System 324; R u m p f , Teilnahme 72ff.; F i s c h e r a. a. O. 106ff.; de B o o r , GruchBeitr. 61, 760; v . T u h r 3, 464; P l a n e k , Vorbem. 6. 874 R G . 88, 434. 875 R G . 50, 250. 58, 412. 878

40*

Unrechtshandlungen.

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hang stehe: im Falle der Bejahung solle nur Vertrags-, im Falle der Verneinung nur Unrechtshaftung gelten 376 . Diese Unterscheidung ist auch vom Reichsgericht früher vertreten 377 , aber später wieder aufgegeben worden 378 . Hieran ist so viel richtig, daß es derartige Fähe gibt, wo in der Tat jede Konkurrenz ausgeschlossen ist: wenn z. B. ein Schenker seine Gabe überbringt und dabei die Kinder des anderen ansteckt. Aber'hier dreht es sich in Wahrheit gar nicht um dieselbe Handlung. Vielmehr hegen zwei ganz gesonderte Tätigkeiten vor — das Übergeben der Sache und der Verkehr mit den Kindern —, die nur zeitlich zusammenfahen. Hier ist es allerdings richtig, die zweite ledighch nach dem Recht der Unrechtshandlungen zu beurteilen, weil sie von der Lieferung der geschenkten Sache tatsächhch ganz verschieden ist. Zwischen solchen Fähen und denen, wo der innere Zusammenhang klar ist, bleibt aber nun eine Menge von eigenthchen zweifelhaften übrig, bei denen sich gar nicht sagen läßt, ob er zu bejahen ist. Die Gegner sehen sich daher genötigt, zwischen die beiden genannten Gruppen noch eine unklare dritte einzuschieben 379 , über deren Abgrenzung und Behandlung nun erst noch zu entscheiden bleibt. Mit Recht nimmt daher die herrschende Lehre für ahe Fähe an, daß beide Ansprüche nebeneinander gegeben sind ( Anspruchskonkurrenz). Daraus ist im allgemeinen zu folgern, daß jeder von den für den anderen geltenden Rechtssätzen unberührt bleibt. Aber es fragt sich nun doch noch, ob dies ausnahmslos gilt: insbesondere ob, wer nach Vertragsrecht milder (nur für grobe oder nur für eigene Schuld) haftet, dennoch nach § 823 für jede Schuld haftbar gemacht werden kann. Viele wohen das bejahen 380 : wenn z. B. der Verwahrer nach § 690 BGB. nur für die ihm eigene Sorgfalt haftet, so meinen sie, daß ihn daneben doch noch die allgemeine Bürgerpfhcht treffe, fremde Sachen nicht zu verletzen, und daß er daher für jedes Verschulden haftbar sei. Aber dabei wird nicht genügend gewürdigt, daß dadurch die Wirkung der genannten Vorschrift fast ganz aufgehoben wird. Das Gesetz wih den, der aus Gefälligkeit, ohne Entgelt fremde Sachen verwahrt, gegen die 878

O e r t m a n n , Vorbem. 5 vor § 823 u n d Genannte. R G . J W . 1904, 166; Recht 1904 N r . 252; O L G . 17, 409; R G . 67, 185. 878 R G . 88, 434ff. 90, 68. 99, 384; J W . 1908, 432ff. 1916, 1276. 379 O e r t m a n n a. a. O.; F i s c h e r a. a. O. 98ff. u n d andere. 880 D e r n b u r g § 64; G o l d e i n Bernhöft-Binders Beiträgen 394ff.; O e r t m a n n a. a. O.; E n n e c c e r u s § 449 (anders L e h m a n n daselbst § 226). 877

Konkurrenz.

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allgemeine Schuldhaftung schützen. Dieses sein Ziel wird wesenthch vereitelt, wenn man ihn dann doch aus § 823 für jede Fahrlässigkeit haftbar macht. Allerdings kann man dagegen einwenden, daß die Beschränkung aus § 690 dadurch noch nicht völhg aufgehoben werde, sondern doch noch für solche Fähe, wo keine Sachbeschädigung erfolgt sei, eine gewisse Geltung behalte. Aber der Schaden, den ein Verwahrer anrichtet, wird fast immer nur in einer Beschädigung der Sache bestehen. Es ist daher leicht zu sehen, daß der Inhalt dieser und ähnlicher Bestimmungen dadurch im wesenthchen vernichtet wird. — Manche suchen diesem Bedenken dadurch Rechnung zu tragen, daß sie in dem Abschluß solcher Verträge einen Verzicht auf die weitere Dehktshaftung erbhcken — was aber eine willkürliche Konstruktion ist. Andere betonen, daß die vertragsmäßige Überlassung so manche Handlung als rechtmäßig erscheinen lasse, die es sonst nicht wäre. Aber auch damit wird nur für diejenigen Fähe geholfen, wo die Schuld gerade in der unberechtigten Besitznahme der fremden Sache gelegen war — nicht aber für die anderen, wo sie in einer unvorsichtigen Behandlung bestand. — So werden wir umgekehrt annehmen müssen, daß auch bei dem Anspruch aus Unrechtshandlung dieselbe Vergünstigung eingreift 381 . Man hat es teilweise darauf gründen wollen, daß es sonst an der Rechtswidrigkeit der Verletzung fehle. Aber der Vertrag hat den Verwahrer nur zur Besitznahme, aber nicht auch zur Beschädigung der Sache berechtigt, und rechtswidrig bleibt es immer, wenn er sie verletzt. Vielmehr muß man die Entscheidung eben daraus ableiten, daß die Erleichterungen des Vertragsrechts hier entsprechend angewendet werden müssen, weil sie sonst ihren Zweck verfehlen würden. Allerdings trifft dies nur da zu, wo der Tatbestand der beiden Haftungen wirkhch der gleiche ist. Wenn beide Vorschriften ein Verschulden erfordern, wie z. B. §§ 690 und 823, dann kann man diesen übereinstimmenden Begriff aus der Sondervorschrift des § 690 bestimmen. Anders ist es dagegen, wenn die Unrechtshandlung überhaupt kein Verschulden erfordert, wie die Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB. Wenn neben ihr eine Vertragshaftung hergeht, der Kutscher z. B. durch Schuld seines Dienstherrn verletzt wird, dann bleibt doch die Zufallshaftung des Tierhalters bestehen, sie wird nicht etwa durch den Vertrag auf eine Schuldhaftung herabgemindert. Denn beide Vorschriften haben 381

v. L i s z t a. a. Ο. 13ff.; R u m p f , Teilnahme 77; S c h o l l m e y e r a. a. Ο. 234; K i p p bei W i n d s c h e i d 950; vgl. R G . 88, 318.

Unrechtshandlungen.

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einen ganz verschiedenen Tatbestand und keiner wird daher durch den anderen berührt 3 8 2 . Bei der behandelten Frage nach der Konkurrenz hat man endhch auch darauf Gewicht gelegt, ob eine solche Handlung den besonderen Vorschriften, die die §§ 842ff. für Körperverletzungen geben, unterhegt. Aber dieser Gesichtspunkt kann nicht als erhebhch angesehen werden. Denn wir werden zeigen, daß diese Bestimmungen für die Verletzung eines Menschen immer gelten müssen — auch dann, wenn die Haftung dafür sich auf Vertragsrecht gründet (unten § 353). — § 349. Der I n h a l t des Anspruchs ist auf Schadensersatz gerichtet (§§ 249ff. BGB.). Zunächst ist also ein Schaden erfordert. Auf einen Gewinn, der ohne Beeinträchtigung des Klägers erfolgt ist, kann dieser keinen Anspruch erheben — auch nicht, wenn er aus seinem Vermögen verdient ist (I, 177ff.). Ebenso ist jeder Strafanspruch ausgeschlossen. Auch die Buße, die im Strafprozeß bei Beleidigung und Körperverletzung festgesetzt werden kann (§§ 188, 231 StGB.) und auch bei Schöpfungsrechten vorkommt (§ 37 Patentgesetz, § 26 UnlWettbGes. usw.), ist keine Strafe, sondern eine Entschädigung. Denn sie kann zwar über den Vermögensschaden hinausgehen, soh aber dann zum Ersätze des sonst erhttenen Schadens dienen — wenn sie auch von einer genauen Darlegung des Schadens nicht abhängig ist. Deshalb wird durch sie überah die anderweite Geltendmachung eines Schadens ausgeschlossen, und zwar regelmäßig schon durch ihre Zuerkennung im Urteil. Aber dies kann nicht zugunsten anderer Schadensersatzpfhchtiger wirken (§ 425 BGB.) ; diese werden erst durch die Zahlung der Buße befreit 3 8 3 . Von den weiteren Voraussetzungen des Schadensanspruchs und seinem Inhalt ist im ersten Teil (I, 139ff.) gehandelt worden. Dort ist dargelegt, daß der Ersatzanspruch in erster Linie nicht auf Geld, sondern auf Herstellung des Zustandes gerichtet ist, der ohne das schädigende Ereignis gewesen wäre. Nur ausnahmsweise kann statt dieser Herstellung Geld gefordert oder aber geleistet werden. § 350. Das Gesetz enthält nun noch einige Sondervorschriften über den Inhalt des Anspruchs, zuerst bei der Verletzung von Personen (§§842ff.). Hier sind zunächst die Kosten zu ersetzen, die unmittelbar durch die körperhche Verletzung entstehen, also 882 888

R G . 50, 250, unten § 366. R G . SeuffA. 68, 18ff. Anders SeuffA. 57, 402.

Personen-Verletzung.

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die Kosten für Arzt und Pflege. Auch im Falle einer Tötung sind die Kosten für die vorhergehende Behandlung und die durch den Fortfall von Rechten entstehenden Verluste zu ersetzen 384 . I n beiden Fähen ist auch der entgangene Gewinn zu erstatten, soweit er gemacht werden konnte und wahrscheinlich gemacht wordne wäre (§ 252 BGB., oben I , 140ff.): wenn jemand z. B. durch seine Verletzung oder Tötung abgehalten wurde, eine gewinnbringende Geschäftsreise zu unternehmen. Aile diese Ansprüche werden vom Gesetz an dieser Stelle nicht erwähnt — weil sie sich eben schon aus den ahgemeinen Vorschriften ergeben. Aherdings spricht der § 842 auch von den Nachteilen, die für den Erwerb des Verletzten herbeigeführt werden. Aber aus der Zusammenstehung mit dem „Fortkommen" und besonders aus der damit zusammenhängenden Vorschrift des § 843 dürfte sich doch ergeben, daß der ganze § 842 nicht den gewöhnhchen entgangenen Gewinn meint, sondern nur die weiteren Nachteile, die dem Verletzten erst später durch seine dauernde körperhche Beeinträchtigung erwachsen. Es soh dadurch der Zweifel, ob auch sie noch als ursächhche Folgen der Verletzung gelten können, behoben werden. Bei Frauen ist auch die Minderung der Aussicht auf Verheiratung in Betracht zu ziehen. Nicht nötig ist, daß der Verletzte vorher schon etwas verdient hatte; es genügt, z. B. bei einem Kinde, daß die Aussicht darauf bestand 385 . Wenn sich der Umfang dieses Anspruchs jetzt noch nicht feststehen läßt, so kann zunächst nur eine Feststellungsklage erhoben werden: läßt er sich aber schon jetzt übersehen, so steht auch einer Leistungsklage nichts im Wege 386 . — Anderseits genügt es nicht, daß der Verletzte die Möghchkeit zum Verdienen hatte, falls er davon keinen Gebrauch gemacht haben würde : denn dann ist er durch die Verletzung eben nicht geschädigt worden 387 . Dies kann aber nicht für eine Ehefrau gelten, die bisher im Haushalt gearbeitet und damit in der Tat doch auch für sich etwas erworben hatte 3 8 8 . — Nicht selten kann ein Verletzter nur dadurch weiter verdienen, daß er einen anderen 884 O e r t m a n n 1 zu § 844; D e r n b u r g § 391. Anders Protokolle 2, 618ff.; P l a n c k 2 zu § 844. 885 R G . SeuffA. 39 N r . 305, 63 N r . 250. 888 R G . J W . 1906, 718ff. 877. 887 R G . J W . 1908, 273. 1910, 19; Recht 1908 N r . 1381; Warneyer 1910 N r . 22. 888 R G . W a r n e y e r 1908 N r . 640; Recht 1908 N r . 2937; R G . 73, 309ff.; SeuffA. 68 N r . 128.

Unrechtshandlungen.

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Beruf ergreift. Ob man ihm das zumuten kann, läßt sich nur auf Grund der Umstände des einzelnen Falles beurteilen — wobei besonders sein Lebensalter eine große Rohe spielt 3 8 9 . Für diese Fälle, wo die Erwerbsfähigkeit des Verletzten vermindert oder seine Bedürfnisse gesteigert werden, schreibt der § 843 BGB. die Erstattung durch eine jährliche Rente vor. Dies geschieht zum Teil deshalb, weil eine Berechnung des erforderlichen Kapitals oft sehr schwierig und unsicher sein würde: sie hängt ja von der Lebensdauer und von der späteren Entwicklung des Leidens ab. Außerdem liegt es im Interesse des Schuldners, daß er nicht eine solche große Summe auf einmal zahlen muß — aber auch im Interesse des Verletzten, da ihn die Auszahlung eines Kapitals nicht selten zu Verschwendung oder törichten Geschäften verleiten würde. Nur aus ganz besonderen Gründen kann er Kapitalzahlung verlangen (§ 843 I I I ) , z. B. wenn er auswandern wih. Auch eine Teilung der Schuld in Kapital- und Rentenzahlung ist zulässig 390 . Wenn mehrere Verpflichtete vorhanden und nur gegenüber dem einen von ihnen ein wichtiger Grund gegeben ist, so kann der Gläubiger von ihm ahein Abfindung verlangen 391 . Die Rente ist in vierteljährlichen Raten vorher zahlbar (§ 760 BGB.) und ist nur beschränkt pfändbar (§ 850 ZPO.). I m Falle einer nachträghchen Änderung der Verhältnisse kann eine spätere Abänderung verlangt werden (§ 323 ZPO.). Nicht selten ist der eben erwähnte Fall, daß für eine körperliche Verletzung mehrere Personen haftbar sind: z. B. der Täter, ein Aufsichtspfhchtiger, ein Unterhaltspfhchtiger, eine Versicherungsgesehschaft. Sie ahe haften als Gesamtschuldner (§ 840 BGB.)* nicht etwa nur als unechte (I, 732ff.). Jeder von ihnen haftet an erster Stelle und kann nicht auf die übrigen verweisen. Das Gesetz erwähnt es besonders für die Rente (§ 843 IV), aber es muß ebenso auch für die übrigen Ansprüche, z. B. auf den Ersatz von Heilungskosten gelten 392 . Wenn aber der eine Pflichtige die Leistung schon gemacht hat, so werden dadurch die übrigen befreit, z. B. die Versicherung dadurch, daß der Vater die Kurkosten bezahlt: doch kann dieser dann von ihr als Geschäftsführer Ersatz ver389

R G . J W . 1909, 495ff. 1914, 757; Recht 1917 N r . 1229; SeuffA. 73,

126. 390 391 392

R G . Recht 1917 N r . 1631. O e r t m a n n 3 zu § 843 gegen R G . 68, 430. R G . 65, 163ff.; R e i n h a r d , Recht 1902, 584; v . T u h r 3, 462.

Personen-Verletzung.

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langen 393 . Insoweit der Geschädigte durch die Verletzung anderweite Ansprüche erwirbt und sie ursächhch darauf zurückzuführen sind, ist dieser Vorteil zur Ausgleichung zu bringen. Jedoch dürfen die Vorteile aus einer Versicherung nur dem Versicherten selbst zugute gebracht werden (I, 209ff.). § 351. Ferner ist die Haftung hier insoweit ausgedehnt, als auch solchen Personen, die selbst nicht körperhch verletzt sind, ein Anspruch zugesprochen wird. Wenn durch eine Körperverletzung gegen A ein Dritter, z. B. sein Dienstherr geschädigt wird, so kann dieser nicht Ersatz verlangen. Es ist das nicht, wie die herrschende Lehre will, darauf zurückzuführen, daß nur ein unmittelbar Geschädigter Ersatzansprüche habe, sondern ganz einfach darauf, daß dieser Dritte nicht an seinem Körper, sondern nur an seinem Vermögen verletzt ist und daß deshalb der Tatbestand einer Unrechtshandlung nicht vorliegt (oben S. 544). Hiervon macht nun das Gesetz einige Ausnahmen. I m Falle einer Tötung kann, wer zur Tragung der Bestattungskosten verpfhchtet ist, deren Erstattung fordern (§ 8441 BGB.). Das geht auch insoweit über den gewöhnhchen Schadensersatz hinaus, als der Getötete ja auch ohne die Verletzung hätte einmal sterben und bestattet werden müssen. Unter Tötung ist hier nicht nur das, was man im Strafrecht so nennt, zu verstehen, sondern jede schuldhafte Handlung, die den Tod verursacht 394 . Auch wer vertragsmäßig die Bestattungskosten übernommen hat, kann diesen Anspruch erheben 395 . — Ferner haben hier einen Anspruch diejenigen, denen der Getötete kraft Gesetzes zum Unterhalt verpfhchtet war, besonders also die Abkömmlinge und der Ehegatte (§ 844 I I BGB.). Wenn der Getötete damals noch nicht fähig war, Unterhalt zu gewähren, so ist der Anspruch erst von dem wahrscheinlichen Eintritt der Fähigkeit an zu bemessen396 — und ebenso, wenn die Bedürftigkeit damals noch nicht vorhanden war 3 9 7 . Was der Unterhaltsberechtigte durch den Tod gewonnen hat, ist ihm anderseits anzurechnen, insbesondere also die Zinsen 393

R G . W a r n e y e r 1909Nr. 86. 1914Nr. 13; Recht 1909Nr.66; SeuffA. 65 N r . 188; O e r t m a n n , Festschrift für G i e r k e I f f . , wo die Literatur. 394

R G . 66, 252ff. 69, 340ff. Anders v. L i s z t a. a. Ο . ; O L G . 14, 54. ses O e r t m a n n 5 zu § 844 gegen P l a n c k ebenda. 396

SeuffA. 47, 409.

397

R G . J W . 1907, 710ff. 1909, 314.

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Unrechtshandlungen.

dessen, was er geerbt h a t 3 9 8 , nicht aber der Stamm der Erbschaft und auch nicht die Wohltaten, die er anläßlich der Tötung empfing 3 9 9 . Die Ersatzpfhcht t r i t t auch dann ein, wenn der Unterhaltsberechtigte zur Zeit der Tötung schon erzeugt war (§ 844 I I 2 BGB.); auch hier ist die Rente nach der vermuthchen Dauer der Unterhaltspflicht zu berechnen 400 , bei einem unehehchen Kind also nur bis zu seinem 16. Lebensjahr (§ 1708 BGB.). Der Ersatzanspruch einer Witwe fäht mit deren Wiederheirat fort 4 0 1 . Wer erst an zweiter Stehe unterhaltspflichtig ist und durch die Tötung in die erste Stehe einrückt, kann den Anspruch aus § 844 nicht erheben 402 . Endhch kann bei Tötung oder Körperverletzung ein Dritter, der einen gesetzlichen Anspruch auf die Dienste des Verletzten i n Haus und Gewerbe hatte, Schadensersatz verlangen (§ 845BGB.) : also besonders Ehemann und Eltern (§§ 1356 I I , 1617 BGB.). Dagegen gilt dies nicht für den, der dies Recht auf Grund eines Vertrages oder einer öffenthch-rechthchen Anstehung hatte. Der Anspruch ist auch hier auf eine Geldrente gerichtet. Er steht nur dem Dritten zu, nicht dem körperhch Verletzten selbst 403 , ist also bei der Verletzung einer im gesetzhchen Güterrecht lebenden Ehefrau nur vom Ehemanne, bei Gütergemeinschaft vom Ehemann als Vertreter des Gesamtgutes geltend zu machen 404 . Doch bleibt dem Verletzten sein Anspruch auf Ersatz der Kurkosten und auf Schmerzensgeld. Da die vorgenannten Ansprüche dem Dritten selbst zustehen, sind sie einer Einwirkung durch den Verletzten nicht ausgesetzt. Dennoch kann sich ihnen gegenüber der Beklagte auf ein eigenes Verschulden des Verletzten berufen (§ 846 BGB.). Außerdem kann auch die eigene Schuld des Klägers erhebhch sein, wenn er es z. B. schuldhaft versäumt hat, ärzthche Hilfe herbeizurufen 405 . 898

R G . J W . 1907, 130ff. R G . 69, 292ff. R G . 92, 57. 400 R G . 5, 108. 7, 51. 13, 7. 23, 217. 64, 33ff. 69, 186ff. 90, 226. 401 Anders R G . SeuffA. 48, 419. 57, 407; GruchBeitr. 49, 943. 402 R G . 64, 344ff. 360.; J W . 1907, 388; Recht 1921 N r . 2184. 408 R G . 47, 87. 97ff. 63, 197; Recht 1906 N r . 2111; W a r n e y e r 1908, N r . 520; B l f R A . 1907, 883ff. 404 R G . 73, 311. 85, 82; W a r n e y e r 1909 N r . 300; J W . 1911, 810. 485 R G . 55, 30ff. 65, 313ff. 899

Personen-Verletzung.

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§ 352. Soweit ein Schaden sich nicht auf das Vermögen bezieht, kann regelmäßig nicht Geldersatz dafür verlangt werden (§ 253 BGB.) Die wichtigste Ausnahme davon macht § 847 BGB., der bei einer körperlichen Unrechtshandlung ein Schmerzensgeld vorsieht 4 0 6 . Es gilt dies nur für die Verletzung des Körpers oder der Gesundheit und Freiheitsberaubung, also insbesondere nicht für den Ärger, der aus einer Sachbeschädigung erwächst. Der Anspruch greift auch bei der Gefährdungshaftung ohne Verschulden ein 4 0 7 — schon deshalb, weil auch diese Fähe mit zu den Unrechtshandlungen zu rechnen sind (oben S. 541). Er erstreckt sich auch auf die seelischen Schmerzen, die der Verletzte erleidet 4 0 8 . Dabei ist aber vorausgesetzt, daß sie sich als ursächhche Folgen der Verletzung darstellen, also z. B. nicht eine ganz unbegründete Todesfurcht 409 . I m gleichen Umfang ist auch die Bedrückung zu berücksichtigen, die durch die Prozeßführung über den Unfall entsteht. Dabei ist allerdings vorausgesetzt, daß gerade durch die Prozeßführung wirklich eine erhebliche Störung des Seelenlebens erwachsen ist. Dies wird meistens nur für nervöse Menschen zutreffen. Daher muß dann weiter noch dargelegt werden, daß auch diese Veranlagung eben durch die Unrechtshandlung hervorgerufen ist: denn nur dann sind diese Schmerzen durch die letztere verursacht worden. Wenn dies aber zutrifft, so muß der Beklagte dafür haften 410 . Er kann nicht einwenden, daß es sein gutes Recht sei, über die Frage der Haftung den Rechtsweg entscheiden zu lassen 411 : denn er muß für die ursächlichen Folgen seiner Unrechtshandlung auch dann einstehen, wenn er sie nicht verschuldet hat. — Der Anspruch auf Schmerzensgeld steht nur dem körperhch Verletzten selbst zu und ist nicht übertragbar 408

S e n g , BürgA. 5, 336ff.; F r o m h e r z , ZivArch. 108, 435; E c k s t e i n , B l f R A . 76, 582. 407 R G . 50, 253; O L G . 9, 46; HansGZ. 1907 Beibl. N r . 169, 1908 N r . 42, 1909 N r . 17,; SeuffA. 63 N r . 43; Recht 1906, 684. Anders O L G . 12, 120; M e r z , B l f R A . 67, 165. 408 SeuffA. 59 N r . 34, 70 N r . 15; Recht 1907 N r . 3313, 3516; O L G . 18, 105; O e r t m a n n 3 u n d Genannte. 409 HansGZ. 1908, Beibl. N r . 131; Recht 1908 N r . 2217; anders daselbst N r . 2822. 410 I , 172ff.; R G . J W . 1908, 405; 526; R G . 75, 21; K r ü c k m a n n , JheringsJ. 55, 126ff. 411 Darauf berufen sich K a i s e r , J W . 1909, 33ff.; P l a n c k 4 zu § 249; O e r t m a n n 3 zu § 847; R G . J W . 1906, 231.

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Unrechtshandlungen.

oder vererblich, daher auch nicht pfändbar oder aufrechenbar (§§ 847, 349 BGB., § 859 ZPO., § 1 KO.). Durch die Zuerkennung einer Buße wird auch dieser Ausspruch ausgeschlossen. § 353. Diese besonderen Vorschriften über den Ersatz der körperhchen Verletzungen (§§ 842—847 BGB.) sind im Gesetz zunächst für die Unrechtshandlungen — einschheßlich der Gefährdungshaftung — aufgestellt. Aber es fragt sich doch noch, ob sie nicht entsprechend auch auf andere Fälle der Ersatzpfhcht, insbesondere auf die der Vertragsverletzung angewendet werden müssen. Das wird von der herrschenden Lehre, insbesondere der Rechtsprechung, ganz ahgemein abgelehnt. Bei dieser Frage ist zunächst zu beachten, daß eine solche aus Vertrag entspringende Pfhcht zum Ersatz eines Körperschadens regelmäßig zugleich auch eine Unrechtshandlung darstellen wird, so daß beide Ansprüche miteinander in Konkurrenz stehen (oben S. 628). Aber es gibt auch nicht wenige Fälle, wo nur aus dem Vertrage gehaftet wird: insbesondere wenn der Schaden durch die Schuld eines Erfüllungsgehilfen und ohne Schuld des Herrn entstanden ist, so daß dieser nur aus dem Vertragsrecht verpfhchtet ist (§§ 278, 831 BGB.). Es wird nun allgemein angenommen, daß hier ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht gegeben sei 4 1 2 . Aber das erscheint sehr unbefriedigend. Denn beide Fähe stehen einander vöhig gleich und ein triftiger Grund für die Unterscheidung läßt sich nicht finden, wie das Reichsgericht selbst zugeben muß 4 1 3 . Meine Schmerzen sind deshalb nicht geringer, weil ich nicht von dem Fuhrherrn, sondern von seinem Kutscher verletzt worden bin. Daß das Schmerzensgeld eine Ausnahme von der Regel des § 253 enthält, ist nicht entscheidend; denn entgegen einer älteren Lehre ist heute anerkannt, daß auch Ausnahmevorschriften auf gleichartige Fälle angewendet werden müssen. Ebenso erscheint es auch verfehlt, die Anwendung der Vorschriften über die Rente (§ 845) hier auszuschließen; es führt zu ganz unhaltbaren Ergebnissen. Man wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit regelmäßig als eine ursächhche Folge der Verletzung betrachten müssen, die auch ohne diese Vorschrift zu ersetzen wäre: so daß letztere, die nur eine Rente zubilhgt, sich als eine Einschränkung des Anspruchs darsteht. Danach aber würde die Gegenansicht dahin führen, 412 R G . 65, 21. 99, 264. 112, 294; J W . 1910, 112; ebenso die Rechtslehre, angegeben R G . 65, 21. 413 R G . 65, 21.

Personen-Verletzung.

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daß in dem Falle der Vertragsverletzung Schadensersatz ohne diese Beschränkung, also durch Forderung des ganzen Kapitals verlangt werden könnte — und das wäre sehr seltsam und würde gegen ahe die vorher angeführten Gründe, die zu der Rentenform geführt haben, verstoßen. Wohte man aber dagegen annehmen, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht zu den kausalen Folgen der Verletzung zu rechnen sei, so würde bei der Vertragsverletzung für sie überhaupt kein Ersatz zu zahlen sein. Diese Abweichung von der Unrechtshandlung wäre ebenso seltsam und durch keinen sachhchen Grund gerechtfertigt. Endlich ist auch nicht einzusehen, weshalb die Erstattung der Beerdigungskosten bei den Vertragsansprüchen wegfallen soll 4 1 4 . Dies führt uns zu der Annahme, daß überah auch auf die bloße Vertragsverletzung die Regeln der §§ 842ff. anzuwenden sind. I n den anderen — regelmäßigen — Fähen konkurrieren beide Ansprüche miteinander. Hier macht die Frage des Schmerzensgeldes keine Schwierigkeiten: der Verletzte kann es sicher verlangen, weil ja auch ein Anspruch aus Unrechtshandlung vorliegt. Aber bei der anderen Frage, nach dem Ersatz der geminderten Erwerbsfähigkeit, taucht wieder das gleiche Bedenken auf. Nach der Gegenansicht müßte der Kläger hier die sofortige Zahlung eines Kapitals fordern können — denn die Vertragsverletzung soll ja nicht der Einschränkung des § 845 unterhegen. Dadurch würden wieder alle die Vorteile, die diese Beschränkung auf die Rente erreichen soh, zerstört und der Zweck der Vorschrift in den aller häufigsten Fähen vereitelt werden. § 354. Sodann gibt das Gesetz noch Bestimmungen über die Entziehung einer Sache durch Unrechtshandlung (§§ 848—851). Eine solche liegt nur dann vor, wenn die Entziehung gegen ein Schutzgesetz verstößt (§ 823 I I ) , insbesondere gegen das Verbot der Eigenmacht (§ 858) oder ein Strafgesetz oder aber gegen die Sittlichkeit (§ 826). Nicht aber kann schon die fahrlässige vorübergehende Wegnahme als Unrechtshandlung nach § 823 I gewertet werden (oben S. 565ff.). Andererseits wäre es zu eng, die Vorschriften nur auf den Diebstahl zu beziehen: insbesondere sind sie auch auf andere Fähe der verbotenen Eigenmacht und auf andere strafbare und unsitthche Handlungen, wie Pfandbruch, anzuwenden 415 . Wer auf Grund einer solchen Handlung zur Rück414 410

Wie SeuffA. 64 N r . 127 u n d die herrschende Meinung annehmen. Vgl. O e r t m a n n 1 zu § 848.

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Unrechtshandlungen.

gäbe einer Sache verpfhchtet ist, haftet für Zufall, wenn diese untergeht, verschlechtert oder verloren wird (§ 848 BGB.). Doch kann er dagegen einwenden, daß dieser Verlust auch ohne die Entziehung eingetreten wäre, wenn z. B. beide Teile in demselben Hause wohnen und dies ganz abbrennt. — Man könnte meinen, daß diese Haftung sich schon von selbst aus der Schadenersatzpflicht des Täters ergebe, da der Untergang lediglich eine ursächhche Folge der Entziehung sei. Aber es ist zu beachten, daß hier kein solcher Kausalzusammenhang erfordert w i r d 4 1 6 . Es ist nicht nötig, daß der Verlust durch die Entziehung erklärt werden kann; vielmehr t r i t t die Haftung auch dann ein, wenn er ganz zufähig, wider alle Lebensregeln eintritt. Es ist also hier ebenso wie beim Verzuge (§ 287 BGB.; I , 525); und in der Tat ist die Haftung des Diebs ja dieser Lehre nachgebildet worden (fur semper moram facere videtur). Ebenso ist auch — wie beim Verzuge — ein Anspruch auf Wertersatz zu verzinsen (§ 849; vgl. § 290 BGB.). Bei Verwendungen richtet sich der Anspruch des Entziehers nach den Bestimmungen über die Rechte des Besitzers gegenüber dem Eigentumsanspruch (§ 850 BGB.): es kommt also darauf an, ob er unbefangen oder befangen war (§§ 994—996 BGB.). Die entzogene Sache ist an den zurückzugeben, dem der Besitz durch Unrechtshandlung genommen war; dies kann auch ein unberechtigter Besitzer, z. B. ein bloßer Finder sein. Dagegen muß der wegen Beschädigung oder dauernder Entziehung zu leistende Schadensersatz eigenthch an den wahren Eigentümer geleistet werden. Eine Zahlung an einen anderen würde nicht befreien. Aber nach § 851 BGB. darf der gutgläubige Schuldner auch hier an den leisten, der zur Zeit der Entziehung Besitzer der Sache war. Der wirklich Geschädigte hat dann gegen diesen einen Anspruch auf Herausgabe seiner Bereicherung (§ 816 I I BGB.). — § 355. Der Schadensersatzanspruch kann auch darauf gerichtet sein, daß der Gegner etwas unterlasse. Diese Fähe sind in den letzten Jahren viel erörtert worden. Und zwar hat man die Frage dahin gesteht, ob eine allgemeine U n t e r l a s s u n g s k l a g e anzuerkennen sei 4 1 7 . Sie wird vielfach dahin beantwortet, daß sie 418

T r a e g e r , Kausalbegriff 224, 262; R ü m e l i n , ZivArch. 90, 274. L e h m a n n , Unterlassungspflicht 119ff., 220ff.; E i t z b a c h e r , Die Unterlassungsklage 72ff.; M a n n h a r d t , D J Z . 1903, 416ff.; O e r t m a n n , D J Z . 1904, 616ff. ; F u l d , GruchBeitr. 47, 373; L a u , GruchBeitr. 47, 491ff.; S t e p h a n , Unterlassungsklage; v . B l u m e , Festschrift für Güterbock 417

Unterlassungsklage.

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gegen jeden objektiv rechtswidrigen Eingriff zulässig sei, wenn weitere Eingriffe zu befürchten sind. Dies ist die Ansicht des Reichsgerichts 418 und mehrerer Gerichte 4 1 8 a und Schriftsteller 419 , der freihch viele andere widersprechen 420. Zunächst ist die Frage, ob es eine allgemeine Unterlassungsklage gebe, schon schief gesteht. Einen Anspruch pflegt man nach seinem Rechtsgrund, aber nicht nach seinem Ziel zu bezeichnen und zu bestimmen. Niemand wird fragen, ob es einen ahgemeinen Anspruch auf Geld- oder Arbeitsleistung gebe. Es läßt sich nur sagen, daß auf Unterlassung gerichtete Ansprüche mehrfach vorkommen. Damit ist aber noch gar nichts über die Frage ausgesagt, welche es sind und von welchen Voraussetzungen sie abhängen. Ein Unterlassungsanspruch kann sich zunächst auf ein Rechtsgeschäft, insbesondere einen Vertrag gründen. Sodann ist er im Gesetze bei mehreren a l l w i r k s a m e n Rechten gegeben, insbesondere beim Eigentum (§ 1004, ferner §§ 12, 862, 1017, 1027, 1065, 1134, 1227 BGB.) und bei vielen Schöpfungsrechten (z. B. §§ 1, 3, 14, 16 UnlWettbewGes.). Dies ist auf ahe ahwirksamen Ausschlußrechte auszudehnen421. Erforderhch ist dafür ein objektiv rechtswidriger Eingriff, und außerdem, daß eine Fortsetzung oder Wiederholung des Eingriffs zu befürchten i s t 4 2 2 . Denn dies Erfordernis ist in den meisten Vorschriften ausdrücklich aufgesteht und in den übrigen zu ergänzen. Man hat zwar gemeint, daß es 383ff.; L i p p m a n n , B l f R A . 1910, 125ff.; L e s s e r , BürgA. 38, 102; H e l l w i g , System 1 § 104; J a c o b s o h n , Unterlassimgsklage; R o s e n t h a l , LeipzZ. 11, 888. 13, 899, J W . 1904, 1059, Unterlassungsklage, J W . 25, 575; L o b e , GewerblRSchutz 15; S a l i n g e r , GruchBeitr. 64, 263ff.; F l a d , JheringsJ. 70, 336ff.; d u C h e s n e , LeipzZ. 1927, 1328ff.; B a r t e l t , GruchBeitr. 69, 437, 458. 418 R G . 48, 118. 60, 7. 61, 369. 71, 86ff. 109, 272ff. 115, 83. 116, l ö l f f . ; J W . 1903, 11. 1907, 505. 1912, 587; GruchBeitr. 49, 923ff.; SächsArch. 13, 74 ff. 418 » O L G . 2, 482. 5, 239. 388; J W . 1905, 140. 174; SächsOLG. 31, 524. 419 E i t z b a c h e r , F u l d , R o s e n t h a l , F l a d a. a. O. O.; E n n e c c e r u s § 465; R ü m p f , Gesetz u n d Recht 62. 420 L a u , S t e p h a n , S a l i n g e r a. a. Ο.; O e r t m a n n a. a. Ο. Ο. u n d Vorbemerkung 4; L e h m a n n a. a. O. u n d bei E n n e c c e r u s (und gegen i h n ) § 242. 421 L e h m a n n a. a. O. 126; SeuffA. 53 N r . 195; R G . 49, 36; J W . 1905, 215. 422 R G . 61, 371; J W . 1908, 33; SeuffA. 69, 196. Dagegen J a c o b s o h n a. a. O. 48ff.

Unrechtshandlungen.

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durch § 259 ZPO., der bei berechtigter Besorgnis auch eine Klage auf künftige Leistung zuläßt, beseitigt worden sei 4 2 3 . Dagegen darf man zwar nicht einwenden, daß diese Vorschrift sich nicht auf Unterlassungsansprüche beziehe 424 . Aber sie ist viel zu ahgemein gehalten, als daß sie die ganz genauen Bestimmungen des BGB. in §§ 12, 1004 usw. verdrängen könnte 4 2 5 . Ein Verschulden wird dagegen für diese ahwirksamen Ansprüche nicht erfordert. § 356. Außerdem kann ein Unterlassungsanspruch aus einer U n r e c h t s h a n d l u n g erwachsen. Denn da diese zum Schadensersatz verpfhchtet, so werden auch die Unterlassungen geschuldet, die zu diesem Ersatz erforderhch sind. Das trifft zunächst in solchen Fähen zu, wo ein Schaden schon eingetreten ist, aber immer noch fortdauert: wenn z. B. eine dauernde Störung durch eine geräuschvolle Anlage oder Rauchzufuhr stattfindet. Hier kann die nach § 249 BGB. erforderliche Herstehung nur durch eine Unterlassung bewirkt werden. Über die Zulassung dieser „wiederherstellenden" Unterlassungsklage kann wohl kein Zweifel bestehen 426 . Die Rechtslage ändert sich auch nicht, wenn die Störung selbst nicht fortdauert, aber eine berechtigte Besorgnis gleichartiger Störungen besteht: wenn z. B. eine regelmäßige Wiederholung der lärmenden Geräusche zu erwarten ist. Aherdings hat man bestritten, daß dies noch als Schadensersatz zu betrachten sei, weil ein solcher sich immer nur auf die Ausgleichung vergangener Eingriffe beziehe. Jedoch ist hier schon doch durch die Beunruhigung ein schädigender Zustand eingetreten, der beseitigt werden soh 4 2 7 . Aber auch, wo noch gar keine Störung eingetreten war und sie ledighch befürchtet wird, auch da wird nicht anders zu urteilen sein: z. B. bei einer feuergefährlichen Anlage, die bisher noch keinen Schaden verursacht hat. Denn hier ist auch doch schon der erwähnte Zustand der Beunruhigung eingetreten, dessen Beseitigung gefordert werden darf. Ob neben ihm schon eine andere Verletzung einherging, kann sachlich nichts ausmachen. Diese Fähe sind daher — obwohl dies vielfach bestritten wird — genau ebenso zu be428

H e l l w i g , Anspruch 378ff.; Lehrbuch 1, 373ff. So F l a d a. a. O. 351; S t e i n , Festgabe für F i t t i n g 333ff. Dagegen V. T u h r 1, 252; S t e p h a n a. a. O. 69; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. A n m . 25. 426 R G . 101, 340. 426 R G . 77, 218. 82, 59. 88, 130. 91, 265. 427 S t e p h a n a. a. O. 255; O e r t m a n n , D J Z . 1904, 622. 424

Unterlassungsklage

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handeln. Es ist also nicht zu fordern, daß das unerlaubte Verhalten schon verwirklicht worden sei 4 2 8 . Und auch die Einschränkung auf solche Fähe, wo ein schädigender Dauerzustand vorhegt 4 2 9 , ist nicht zu billigen. —Aber sonst ist bei den dargestehten Ansprüchen immer zu fordern, daß der gesamte Tatbestand einer Unrechtshandlung vorhegt. Es muß also einer der Unrechtstatbestände gegeben sein, und ferner Verschulden, Verantworthchkeit und Rechtswidrigkeit. § 357. Gerade dagegen richtet sich freihch die Lehre von der ,,ahgemeinen Unterlassungsklage". Nach ihr soh nicht erforderhch sein, daß ein ahwirksames Recht oder eine Unrechtshandlung vorliegt, sondern ihr genügt, daß ein „geschütztes Rechtsgut" verletzt wird und die Gefahr der Wiederholung vorhegt. Diese Lehre läßt sich nur auf die Annahme stützen, daß jedes durch Gesetz geschützte Rechtsgut einen klagbaren Privatrechtsanspruch erzeuge. Dies ist in der Tat behauptet worden 4 3 0 : aber es ist völhg unhaltbar 4 3 1 . Diese Lehre verkennt, daß sehr viele Gesetze einzelnen zugute kommen, ohne ihnen ein eigenes Recht auf gerichtliche Verfolgung einzuräumen. Nach der Gegenansicht müßte jede Vorschrift des Strafgesetzbuches oder des Verwaltungsrechts, die einen einzelnen schützt, diesem eine Klage geben. Es müßte die schuldhafte Verletzung jedes Rechtsgutes eine Unrechtshandlung darstehen — was mit den Vorschriften der §§ 823ff., insbesondere mit den §§ 823 I I und 826 ganz unvereinbar ist (oben S. 544). Diese Lehre verwischt die Unterscheidung zwischen Verträgen zu Rechten und zu Gunsten Dritter, zwischen Vermächtnis und Auflage und ist überhaupt mit unserem ganzen Recht und unserer Wissenschaft völhg unvereinbar. Eher heße sich versuchen, einen der vorher dargestehten Unterlassungsansprüche analog auszudehnen. Man hat das für den Anspruch aus allwirksamem Recht versucht 432 . Aber gerade, was diesen begründet, das allwirksame Recht, fehlt eben hier. Mit demselben Recht könnte man aus dem Eigentumsanspruch auf Herausgabe (§ 985 BGB.) einen gleichen für den Mieter oder Finder ent428 W i e R G . B a y r R p f l Z . 5, 232. R i c h t i g R G . 48, 114. 101, 339ff. u n d viele andere. 429 So O e r t m a n n , D J Z . 1904, 622. 480 E i t z b a c h e r , Unterlassungsklage 104ff. 481 Statt aller L e h m a n n bei E n n e c c e r u s § 242* 482 Insbesondere E n n e c c e r u s § 465. Binding, Handb. X, 2. II: Leonhard, Schuldrecht II. 41

Unrechtshandlungen.

sprechend ableiten. Die Analogie wird auch nicht durch den Hinweis darauf gerechtfertigt, daß die verletzenden Handlungen doch einen Schadensanspruch erzeugen müßten 4 3 3 . Denn das ist eben nicht schlechthin der Fall, sondern nur, wenn die besonderen Erfordernisse einer Unrechtshandlung vorhegen. Auch aus § 259 ZPO. läßt sich die allgemeine Klage nicht ableiten; denn dieser setzt immer das Bestehen eines materieh-rechthchen Anspruchs voraus und regelt nur die Frage, wann dieser eingeklagt werden kann 4 3 4 . So bleibt als einzige Begründung die Berufung auf das praktische Bedürfnis. Aber da muß schon auffallen, daß die grundlegenden Entscheidungen des Reichsgerichts sich fast sämthch nur auf die Aufstellung beleidigender Behauptungen beziehen 435 . Hier ist aber eine solche besondere Klage nicht nötig : denn nach richtiger Ansicht hat der Beleidigte hier einen Anspruch aus seinem ahwirksamen Persönhchkeitsrecht (oben S. 556). Außerdem reicht sie gerade für die dringendsten Fähe nicht aus: nämlich für die, wo der Beklagte sich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen beruft. Denn dadurch wird die Rechtswidrigkeit der Handlung aufgehoben — und daß die Unterlassungsklage einen rechtswidrigen Eingriff erfordert, das wird auch von der bekämpften Lehre durchaus anerkannt 436 . So ist dieser Weg ungeeignet, um dem Beleidigten Schutz gegen unwahre Beschuldigungen zu gewähren. Zu diesem Zwecke ist es sicherhch richtiger, den ahwirksamen Anspruch aus der Ehre auszubauen, wie es oben versucht ist. Keinesfalls aber kann es sich rechtfertigen, deshalb eine „allgemeine" Unterlassungsklage aufzustehen. Wenn so ahe Gründe für diese Lehre versagen, so könnte man schheßhch nur noch behaupten wollen, daß sie bereits durch ein Gewohnheitsrecht gebilligt sei. Aber dem wäre entschieden zu widersprechen. Von einer allgemeinen Übereinstimmung kann hier gar nicht die Rede sein. Ein erhebhcher und wertvoller Teil der Rechtslehre widerstrebt dieser Lehre, und das Reichsgericht ist sich über ihre Abgrenzung selbst durchaus im unklaren (unten S. 645). Vor ahem möge man uns mit Wendungen wie „prätorische Rechts 483

So F l a d , JheringsJ. 70, 365.

484

H e l l w i g , Lehrbuch 150; S i b e r , Rechtszwang 109; Unterlassimgsklage 131.

Lehmann,

486

R G . 60, 7ff. 61, 369. 115, 83. 116, l ö l f f . 124, 253ff.

488

R G . 78, 215; E n n e c c e r u s a. a. O. A n m . 20 u n d andere.

Unterlassungsklage.

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fortbildung" verschonen. Eine Befugnis zur Änderung des Rechts, wie sie der römische Prätor hatte, steht dem Reichsgericht nicht zu. § 358. Wenn wir prüfen, welche Rohe die vorher dargestehten Begründungsversuche in der Rechtsprechung des Reichsgerichts spielen, so sind wir überrascht, sie dort kaum angedeutet zu finden. Besonders die grundlegende Entscheidung, auf die fast ahe späteren Bezug nehmen 437 , begnügt sich eigentlich nur mit einem Hinweis auf die Billigkeit. Dabei erfolgt eine Gegenüberstellung von Gerechtigkeit und Bilhgkeit in recht anfechtbarer Weise. Wenn man eine solche Unterscheidung überhaupt machen wih, kann man die dort geforderte Berücksichtigung eines besonderen Bedürfnisses doch nur als Erfordernis der Bilhgkeit — aber nicht, wie daselbst geschehen, der Gerechtigkeit — bezeichnen. Dagegen wird dort gar nicht dargetan, weshalb ein solches bloßes Rechtsgut einen gleichen Schutz wie die ahwirksamen Rechte haben soh. Die Lehre, die für jedes geschützte Rechtsgut eine Klage geben wih (oben S. 544), hat das Reichsgericht nicht gebihigt — und konnte es auch gar nicht, da es eine solche Gleichstehung von Rechtsgütern und Rechten selbst immer entschieden bekämpft h a t 4 3 8 . Dieses legt die Vermutung nahe, daß jene Entscheidung überhaupt gar nicht eine allgemeine Unterlassungsklage zum Schutze aller Rechtsgüter aufstellen wollte, sondern nur eine besondere zum Schutze der Ehre gegen kreditgefährdende unwahre Behauptungen. Dafür spricht auch die Begründung, daß durch § 824 BGB. der Kredit und das Fortkommen ,,als ein besonderes, der Verletzung zugänghches Rechtsgut" geschützt werde 439 . Auch die darauf folgenden Entscheidungen bauen wesenthch auf dieser ersten auf 4 4 0 . Und so scheint es mir, als ob das Reichsgericht ursprünglich gar nicht eine ahgemeine Unterlassungsklage aufstehen, sondern vielmehr nur den Anspruch aus Beleidigungen weiter ausdehnen wohte — in ähnhcher Weise wie es oben (S. 556) versucht wurde. Indessen ist seine Lehre ahgemein in jenem Sinne verstanden worden. Und daraufhin hat dann später das Reichsgericht selbst ausdrücklich ausgesprochen, daß der Anspruch „auch über den Kreis der absoluten Rechte hinaus" gewährt werde 441 . 487 438 489 440 441

R G . 61, 6ff. R G . 51, 373. 56, 275. 58, 28ff. 60, 4ff. usw. R G . 61, 8 (die Sperrung r ü h r t v o n m i r her). Insbesondere R G . 61, 369; vgl. 115, 83. 116, 151ff. Insbesondere R G . 116, 153. 41*

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Unrechtshandlungen.

§ 358. Dieser schwachen Begründung stehen die schwersten Gegengründe gegenüber. Die Lehre von der ahgemeinen Unterlassungsklage zerstört die Grundlage unseres Rechts, daß kein Anspruch ohne eine ausreichende Rechtsbeziehung anerkannt werden kann. Hier besteht kein rechthches Band zwischen dem Kläger und dem Beklagten, weder aus dinghchem Recht noch einem SchuldVerhältnis. Außerdem sind die praktischen Folgen unerträglich. Wo unser Recht einen Anspruch aus einer schon erfolgten Schädigung versagt, soll dennoch ein solcher aus bloßer Bedrohung gegeben sein. Wer nur in seinem Vermögen oder einem Schuldrecht verletzt wird, kann gegen den Schädiger nicht klagen, z. B. ein Mieter oder Käufer: aber gegen die bloß drohende Schädigung soh er vorgehen können ! Auffahend ist, daß derartige Klagen aus Verletzung des Vermögens oder eines Schuldrechts noch kaum erhoben sind. Dieser krasse Widerspruch wird noch dadurch gesteigert, daß hier nicht einmal ein Verschulden erfordert werden soh. — Aber noch mehr: es müssen sogar auch Ansprüche gegen jeden gegeben werden, der nur einen anderen mit einer strafbaren Handlung bedroht: und so ist tatsächhch schon eine Klage auf Unterlassung ehebrecherischer Handlungen erhoben worden. Das erschien nun freihch auch dem Reichsgericht zu absonderlich. Und so hat es seiner unhaltbaren Regel eine noch weniger haltbare Einschränkung zugefügt : wenn zum Schutz des Bedrohten auch ein Strafgesetz eingreife, sei kein Bedürfnis für eine bürgerliche Klage gegeben und deshalb die Unterlassungsklage unzulässig 442 . Diese Auffassung ist schon deswegen verfehlt, weil ein Bedrohter trotz des strafrechthchen Schutzes ein sehr erhebliches Interesse daran haben kann, selbst seine Rechte zu wahren ; man denke nur an die Fähe, wo die Behörde nicht eingreifen wih. Wie unbilhg sie ist, zeigt sich sehr deutlich in solchen Fähen, wo tatsächhch eine Unrechtshandlung begangen ist. Soh der durch eine schwere Verleumdung Geschädigte nicht auf Unterlassung weiterer Verbreitung klagen können, weil ihm der strafrechthche Schutz genügen muß ? 4 4 3 . Unerträghch erscheint ferner, daß danach auch die Feststellungsklage, die ja ebenfalls ein rechthches Interesse erfordert, durch einen Strafrechtsschutz ausgeschlossen sein müßte. Besonders mißlich ist bei ahedem, daß gerade bei den besonders 442 R G . 71, 85. 77, 222. 82, 59ff. 88, 130. 91, 265. 350. 95, 342. 98, 36; GruchBeitr. 57, 968. Vgl. O L G . 28, 274. 39, 186. 443 So i n der T a t R G . 88, 130ff.

Unterlassungsklage.

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schweren Verletzungen die Unterlassungsklage versagt: denn sie sind es natürlich, die unter das Strafrecht fallen. — So ist denn diese Ansicht des Reichsgerichts auf ahgemeinen Widerspruch gestoßen 444 . Der I I . Zivilsenat hat sie auch erfreulicherweise aufgegeben 445 ; aber neuere Entscheidungen haben wieder die Frage als zweifelhaft hingesteht 446 . Daß die ganze Lehre von der allgemeinen Unterlassungsklage viel zu weit geht, zeigt sich vieheicht am deutlichsten bei dieser Ausnahmeklausel, die ledighch aufgestellt worden ist, um jenes auszugleichen. So müssen wir im Gegensatz zu dieser Lehre daran festhalten, daß ein Anspruch auf Unterlassung, wie ein jeder anderer, nur aus einem hinreichenden rechthchen Grunde entspringen kann: aus einem allwirksamen Recht, einem Vertrag oder einer Unrechtshandlung. I m letzten Falle müssen ahe Voraussetzungen einer solchen gegeben sein: also der Unrechts-Tatbestand, Verantworthchkeit, Verschulden und Rechtswidrigkeit. Daher sind hier auch im übrigen die Regeln der Unrechtshandlungen anzuwenden. Die Strafe, die in der Zwangsvohstreckung für eine Zuwiderhandlung angedroht wird, verfällt nur im Fahe des Verschuldens, und die Verjährung bestimmt sich nach den Vorschriften, die für die Unrechtshandlung gelten. Beide Sätze werden auch von der gegnerischen Lehre anerkannt 447 , obwohl sie ihr durchaus widersprechen.

0. Gefährdungshaftung. (Fortsetzung der Übersicht S. 540.) § 359. Schuld- u n d Verursachungsprinzip. § 360. Gefährdungshaftung. § 361. Deren Abgrenzimg. § 362. H a f t u n g für Tiere. § 363. Verletzung durch das Tier. § 364. Tierhalter. § 365. Nutztiere. § 366. Vertragsmäßiger Ausschluß. § 367. Wildschaden. — § 368. Eisenbahn. § 369. Verletzung i m Betriebe. § 370. Einschränkungen. § 371. Fabriken. § 372. Aufruhrschäden. § 373. L u f t f a h r t . — § 374. Andere Fälle einer Gefährdungshaftung. § 375. Allgemeine H a f t u n g für Gefährdung ? § 376. K r a f t Gewohnheitsrechts ? § 377. Bei Entziehung eines Abwehranspruchs. § 378. Enteignung? 444 R o s e n t h a l , LeipzZ. 1913, 899. 1918, 431; J W . 1914, 1059. 1918, 299; D e l i u s , J W . 1919,6; S c h m i t t , daselbst 699; W e i n m a n n , J W . 1914, 1007. 1915, 212; F i n g e r , Musterschutz 32; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 242; jetzt auch R G R K . 6 zu § 823 ( V I . Auflage). Anders noch P l a n c k I V zu § 823. 446 R G . 116, 151 ff. 446 R G . 123, 274. 124, 250; J W . 1927, 2422. 447 R G . 36, 417; J W . 1898, 172; LeipzZ. 1908, 86ff.; E n n e c c e r u s § 465 I I .

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Unrechtshandlungen .

§ 359. Zuletzt ist die G e f ä h r d u n g s h a f t u n g zu besprechen 448 . Unsere Gesetze stehen auf dem Standpunkt des Schuldprinzips und erkennen eine Haftung für Zufall (unverschuldete Umstände) regelmäßig nicht an (I, 424ff.). Dafür sprechen nicht nur seine ausdrücklichen Bestimmungen (besonders §§ 276, 823 BGB.), sondern auch die Ausnahmen, die es davon aufsteht, und die ganze geschichtliche Entwicklung unseres Rechts. Es spricht dafür aber auch, daß die Schuldhaftung einen hohen sitthchen Wert besitzt. Eine Haftung ohne Schuld würde endhch auch volkswirtschafthch bedenklich sein, da sie die Tatkraft lähmen und von der Gründung gefährlicher Unternehmungen geradezu abschrecken würde. Wer will eine Badeanstalt, eine Stromfähre, eine Bobbahn halten, wenn er für alle zufälligen Schäden haften sohte ? Aus diesen Gründen ist das Veranlassungsprinzip, das die bloße Verursachung für ausreichend erachtet, von unserer Rechtsordnung abgelehnt worden. Dennoch wird es zu Unrecht vereinzelt verteidigt 4 4 9 . Freilich der Einwand, daß auch bei der Schuldhaftung die Verursachung eine Rohe spielt 4 5 0 , kann dies Prinzip nicht umstoßen: durch seinen Namen soh doch nur das bezeichnet werden, daß die Verursachung allein, ohne Verschulden, genügt. Wohl aber wird es durch die obigen Gründe widerlegt. — Auch das genügt nicht, daß der Täter sein Interesse „ a k t i v " betätigt h a t 4 5 1 . Denn unser ganzes Wirtschaftsleben ist voh solcher Betätigungen, die dennoch nicht zum Schadensersatz verpfhchten. Dieselben Gründe sprechen gegen die Annahme eines Gefährdungsprinzips in dem Sinne, daß die Ge448

B i n d i n g , Normen I §§ 58ff.; L ö n i n g , Die H a f t u n g des Staates; U n g e r , H a n d e l n auf eigene Gefahr, JheringsJ. 30, 361 ff.; S t e i n b a c h , Die Grundsätze des heutigen Rechts über den Ersatz v o n Vermögensschäden ; M a t a j a , Das Recht des Schadensersatzes; S j ö g r e n , Zur Lehre v o n den Formen des Unrechts, JheringsJ. 35, 3 4 I f f . ; M e r k e l , Die Kollision rechtmäßiger Interessen; R ü m e l i n , Gründe der Schadenszurechnung; Schadensersatz ohne Verschulden; J u n g , D e l i k t u n d Schadens Verursachung ; M a u c z k a , Der Rechtsgrund des Schadensersatzes außerhalb bestehender Schuldverhältnisse; T r a e g e r , Kausalbegriff 294ff.; A d l e r , Unverschuldetes U n r e c h t ; M ü l l e r - E r z b a c h , Z i v A r c h . 106, 309ff.; F r o m h e r z , Haftpflichtrecht ; M a r t ο η , Verschuldensprinzip, Verursachungsprinzip. 449 B i n d i n g , Normen 1, 472; S j ö g r e n , Das Recht des Schadensersatzes 32ff.; M a u c z k a , Der Rechtsgrund des Schadensersatzes; A d l e r , U n verschuldetes Unrecht. 450 M a r t o n , Verschuldensprinzip, Verursachungsprinzip 22 ff. 451 M e r k e l , K o l l i s i o n rechtmäßiger Interessen; vgl. M a r t o n a. a. O. 3 Iff.

Veranlassung, Gefährdung.

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fährdung allein und immer zur Begründung der Haftung ausreiche. Indessen ist dies sehr streitig, und der Nachweis kann erst später erbracht werden, nachdem die einzelnen gesetzhchen Haftungsfähe erörtert sind (§§ 375ff.). Von dieser Frage sehr verschieden, aber leider oft nicht geschieden ist die andere, ob der Ausdruck Gefährdungshaftung geeignet ist, um die bestimmten gesetzhchen Vorschriften über Zufallshaftung zusammenzufassen. § 360. Damit kommen wir zu den Ausnahmebestimmungen unserer Rechtsordnung, die eine Haftung ohne Verschulden festsetzen. Hierher pflegt man zunächst die Fähe zu rechnen, wo ein Eingriff in fremde Rechte ausnahmsweise erlaubt ist, aber zum Schadensersatz verpfhchtet (§ 904 BGB, § 153 Reichsverfassung). Aber hier wird — was ahgemein verkannt wird — gar nicht für Zufah, sondern vielmehr für Vorsatz gehaftet : denn der Täter haftet hiernach doch sicher nicht, wenn er ohne Verschulden in fremde Güter eingreift, die er z. B. ohne Schuld für seine eigenen hält. Danach bleiben i m wesenthchen nur noch 2 Gruppen einer solchen Haftung übrig: 1. für besonders gefährliche Betriebe : Eisenbahn, Gastwirtschaft, Tierhaltung, Luftfahrzeuge §§ 701, 833, 835 BGB. usw. 2. für eine Vohstreckung vor endgültiger Feststehung, § 231 BGB., § 717 ZPO. Diese beiden werden mit Recht unter dem Namen der Gef ä h r d u n g s h a f t u n g zusammengefaßt 452. Er bringt zum Ausdruck, daß die Gefährdung das gemeinsame und bezeichnende Merkmal dieser Fähe ist. Der Verantwortliche hat zwar nicht schuldhaft eine Verletzung, wohl aber doch bewußt eine besondere Gefahr geschaffen und wird dafür haftbar gemacht. Man darf hiergegen nicht einwenden, daß eine solche Haftung nicht in ahen Fähen einer Gefährdung eintrete: dieser Einwand würde sich nur gegen die vorher (S. 646 u. 647) abgelehnte Auffassung des Gefährdungsprinzips richten. Auch der Nachweis, daß beim Erlaß jener Haftungsvorschriften zugleich andere Zwecke wesenthch mitgewirkt haben 4 5 3 , kann uns nicht an der Bezeichnung als Gefährdungshaftung hindern. Denn es bleibt doch richtig, daß die Gefährdung eine wichtige und stets wiederkehrende Voraussetzung bildet. — Weniger empfiehlt es sich, den Zweck der Vor452 Besonders M . R ü m e l i n , Schadenszurechnung 45ff.; Schadensersatz ohne Verschulden 30ff. ; ebenso die herrschende Lehre u n d Rechtsprechung. 458 Vgl. M a r t o n a. a. O. 35ff.

Unrechtshandlungen.

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beugung (Prävention) als das maßgebliche Merkmal hinzustehen 454 . Dieser spielt zwar hier gewiß eine erhebliche Rolle: aber er ist auch bei der Schuldhaftung nicht minder wichtig 4 5 5 , also als unterscheidendes Merkmal nicht zu brauchen. Und dasselbe gilt von der Ableitung dieser Haftung aus der Nützlichkeit (Utihtät) 4 5 6 : auf diesem Grund beruht auch die Haftung aus Verschulden und überhaupt die ganze Rechtsordnung. § 361. Das Ergebnis ist: es gibt zwar kein ahgemeines Gefährdungsprinzip, kraft dessen man bei jeder Gefahr ohne weiteres eine Haftung ableiten könnte — wohl aber lassen sich die gesetzhchen Eähe der Zufallshaftung als Gefährdungshaftung bezeichnen. Indessen ist es doch nötig, diesen viel gebrauchten Begriff noch genauer zu bestimmen. Es wird dabei zunächst eine gewisse Gefahr vorausgesetzt, die durch den Verantwortlichen hervorgerufen ist. Außerdem aber werden wir noch als zweites Merkmal fordern müssen, daß dieser infolgedessen für Zufall haftet. Es sind also dahin sicher nicht die Bestimmungen zu rechnen, die ihm nur gewisse Sicherungspflichten auferlegen: wie die Bank bei der Aufbewahrung von Wertpapieren eben wegen der damit verbundenen Gefahr zu solchen Maßnahmen verpfhchtet w i r d 4 5 7 . Aber wir werden auch nicht die Fähe dazu rechnen können, wo zwar eine Schadenshaftung, aber nicht für Zufall (unverschuldete Ereignisse) eintritt. Denn der ganze Begriff der Gefährdungshaftung ist eben aus dem Gegensatz zur Schuldhaftung erwachsen. Es empfiehlt sich daher nicht, ihn auch auf Fähe einer Haftung für Schuld, sei es auch für fremde Schuld anzuwenden. Man wird daher die Haftung für das Verschulden der Erfüllungsgehilfen besser nicht als Gefährdungshaftung bezeichnen — auch dann nicht, wenn man sie auf eine besondere Gefahr zurückführen will — und ebenso wenig die Haftung des Fabrikanten und Reeders für Verschulden ihrer Leute (unten § 371) und auch nicht des Autohalters (oben S. 618). Allerdings wird diese Abgrenzung von den meisten nicht anerkannt oder doch nicht beachtet. Aber mir scheint sie geboten, weil ungenaue Bezeichnungen zu schweren Irrtümern führen. Man muß die Begriffe so bilden, daß die wesent454

G. R ü m e l i n , ZivArch. 88, 296ff.; M a r t o n a. a. O. 35ff. So M a r t o n selbst 41. 466 M a r t o n 38; vgl. aber auch 40ff. 457 Vgl. ferner die Sicherungspflichten nach § § 1062ff. 1133, 1391, 2128 B G B , 455

Gefährdungshaftung.

649

lichsten Unterschiede dadurch hervorgehoben werden. Allerdings ist es sprachlich nicht unrichtig, die Haftung des Autohalters eine Gefährdungshaftung zu nennen. Aber es kann eben nicht genügen, daß eine Bezeichnung fehlerfrei ist : sondern sie muß gerade den bezeichnenden Punkt hervorheben. Und das ist bei der ,, Gefährdungshaftung' ' nicht der bloße Umstand, daß eine gefährliche Handlung verpfhchtet, sondern vielmehr, daß dies ohne Verschulden geschieht. Der Autohalter aber ist i m ahgemeinen nur für ein Verschulden von ihm oder seinem Fahrer haftbar. Zwar geht seine Haftung ein wenig darüber hinaus: aber dies reicht nicht aus, um sie danach zu bezeichnen. Eine solche Bestimmung ist, obwohl sie nicht ganz unrichtig ist, dennoch irreführend und daher verfehlt. Es wird durch sie der grundlegende Gegensatz verwischt, der diese Haftung von den Fähen der Zufallshaftung trennt. Wie wir sahen, unterscheidet sich die Gefährdungshaftung von der für die Unrechtshandlungen nach §§ 823ff. BGB. dadurch, daß sie kein Verschulden voraussetzt. Dennoch ist sie auch mit zu den Unrechtshandlungen im weiteren Sinne zu rechnen (oben S. 541). Es müssen daher auch die übrigen Erfordernisse einer solchen vorhegen. Zunächst muß einer der besonderen Unrechtstatbestände gegeben sein: eine Verletzung anderer Güter, z. B. des Vermögens, genügt auch hier nicht. Sodann muß der Haftpflichtige verantworthch sein (§§ 827ff. BGB.), zwar nicht bei der Verletzung, wohl aber bei der Herstellung des gefährdenden Zustandes. Endhch muß die Verletzung rechtswidrig sein. Zwar ist nicht das Tierhalten widerrechtlich : aber die durch das Tier bewirkte Schädigung muß es sein (S. 542). § 362. Wir beginnen mit der Haftung des T i e r h a l t e r s 4 5 8 . Für den durch Tiere verursachten Schaden haftete nach römischem und gemeinen Recht der Eigentümer, der sich aber durch Preisgabe des Tieres befreien konnte. Das preußische Landrecht und das österreichische Recht beseitigten die Zufallshaftung fast ganz, 468

I s a y , JheringsJ. 39, 209ff.; GruchBeitr. 48, 51; T r a e g e r , Kausalbegriff 310ff. ; 28. Juristentag 1, l l ö f f . ; H a g e l b e r g , Begriff des Tierhalters; S c h w a r z , H a f t u n g des Tierhalters; L i t t e n , Ersatzpflicht des Tierhalters; v . B l u m e , Recht 1905, 203; S c h m o l l e r , Z i v A r c h . 98, I f f . ; H e l l w i g , D J Z . 1906, 1289; K r ü c k m a n n , JheringsJ. 52, 459ff. 54, 107ff.; M ü l l e r E r z b a c h , ZivArch. 106, 355ff.; F r a n c k e , Tierhalterhaftung; W ü s t e n d ö r f e r , ZivArch. 110, 286; F ü r n r o h r , J W . 1910, 95; 1911, 793; F ü r s t , daselbst 571; J u n g , ZivArch. 117, 46ff.

650

Unrechtshandlungen.

während nach französischem (art. 1385 code civil) der Eigentümer oder Benutzer des Tieres haftet. Das BGB. (§ 833) hatte ursprünglich dem Tierhalter die volle Zufallshaftung auferlegt, auch ohne die Möghchkeit, sich durch Preisgabe zu befreien. Dagegen erhob sich Widerspruch, vor ahem aus den Kreisen der Landwirtschaft. So wurde dies durch eine Novelle vom 30. Mai 1908 stark eingeschränkt. Nach ihr gilt die Zufallshaftung nicht mehr für ein „Haustier, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt i s t " : für ein solches gilt jetzt nur noch Schuldhaftung, wenn auch mit Umkehrung der Beweislast. Dadurch ist die Gefährdungshaftung in unserer Lehre sehr stark eingeschränkt worden. Doch behalten viele Sätze dieser Lehre auch für die übrigen Fälle, wo nur die Beweislast geändert ist, ihre Bedeutung. § 363. Zunächst muß es sich um ein Tier handeln. Für die Abgrenzung dieses Begriffes ist, wie überall bei der Auslegung der Gesetze, der Sprachgebrauch des Lebens und nicht einer anderen Wissenschaft maßgebend. Deshalb sind Bazihen nicht als Tiere anzusehen 459 . — Es muß eine Person oder Sache verletzt sein. Wenn ein großer Hund mich nur dadurch schädigt, daß er mir den Weg versperrt, so ist der Tierhalter nicht dafür haftbar. Der Schaden muß „durch" das Tier angerichtet sein. Daraus ergibt sich zunächst, daß sicherhch das Tier irgendwie mitgewirkt haben muß. Aber ebenso sicher ist, daß das ahein nicht genügen kann. Denn sonst müßte man den Halter einer Katze auch dann verantworthch machen, wenn sie etwa nur als Wurfgeschoß benutzt worden ist. Es muß also noch ein weiteres Merkmal hinzutreten — und dessen Bestimmung macht erhebliche Schwierigkeiten. Nach der herrschenden Lehre muß ein ursächlicher Zusammenhang vorliegen 460 . Das ist nun gewiß insoweit richtig, als der Erfolg durch das Verhalten des Tieres bewirkt sein muß. Wenn eine ganz unbedeutende Bißwunde zufälhg zum Tode führt, so ist der nötige ursächhche Zusammenhang und daher die Haftung 459 D e r n b u r g 2 § 396; G i e r k e , Privatrecht 3, 944 A n m . 42; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 243; P l a n c k 2 zu 833. Anders O e r t m a n n 3 zu § 833 u n d Angeführte. 460 R G . GruchBeitr. 50, 973. 55, 645; HansGZ. 28, 6; L i t t e n a. a. O. 79ff.; T r a e g e r a. a. O. 312; I s a y , GruchBeitr. 48, 513. — Dagegen I s a a k , J W . 1902, 238ff.; G o s l i c h , GruchBeitr. 1903, I f f .

Tierhaltung.

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zu verneinen. Allerdings ist ein unmittelbarer Zusammenhang auch hier nicht zu fordern : wenn Pferde durchgehen und jemand dann beim Abspringen vom Wagen verletzt wird, so ist der Tierhalter haftbar 4 6 1 . —Aber es handelt sich ja nicht nur darum, ob das Verhalten des Tieres den Erfolg verursacht hat: sondern auch um die andere Frage, ob das Verhalten selbst durch die Tierhaltung verursacht ist. Und soweit auch dies Erfordernis aufgesteht wird, kann dem nicht zugestimmt werden 462 . Denn auch solche Handlungen des Tieres, die durchaus unerwartet und ungewöhnlich sind und daher durch die Tierhaltung noch nicht erklärt werden, müssen eine Haftung herbeiführen, z. B. wenn ein kleiner Hund einen Menschen tötet oder ein Vogel ein Kind schwer verletzt. Ähnhch macht man die Haftung vielfach davon abhängig, ob die Handlung ein Ausfluß der besonderen Tiergefahr gewesen sei 4 6 3 . Wenn man dabei an die Gefahren dieser besonderen Tierart denkt, so ist das eben erhobene Bedenken auch dagegen geltend zu machen. Wohl aber kann man diese Wendung dann gelten lassen, wenn man die Gefahr einer jeden Tierhaltung ins Auge faßt. Aber sie bleibt doch noch unvollständig, wenn man nicht auch hinzufügt, worin denn diese Gefahr besteht. Läßt man diesen Zusatz fort, so kommt man leicht dazu, die Haftung allzuweit auszudehnen, z. B. auf Fähe, wo ein Tier durch sein Gewicht 4 6 4 oder durch Ausrutschen auf glatter Straße 465 Schaden anrichtet. Die besondere Gefährhchkeit der Tiere hegt nämhch darin, daß sie lebende Wesen sind und also von eigenen Wihensentschlüssen bestimmt werden 466 . Es ist daher die Haftung ledighch auf die H a n d l u n g e n von Tieren zu beschränken. Sie ist daher ausgeschlossen, wenn ein Tier nur als Waffe gebraucht wird oder wenn es durch Ansteckung Schaden anrichtet 4 6 7 . Wohl aber können Tiere auch dadurch schädigend handeln, daß sie sich auf die 461

R G . GruchBeitr. 51, 197; W a r n e y e r 1914 N r . 161. Dagegen auch S c h m o l l e r a. a. O. 4ff.; I s a y a. a. O. 308. 483 F l e i s c h h a u e r , J W . 1901, 880ff.; T r a e g e r a. a. O. 318; L i t t e n a. a. O. 79; O e r t m a n n , D J Z . 1904, 136ff.; R ü m e l i n , Gründe der Schadenszurechnung 46; Schadensersatz 30; J u n g a. a. O. 106. 464 So L i t t e n a. a. O. 94 A n m . 35. 465 So T r a e g e r a. a. O. 315. 4ββ L i t t e n a. a. O. 79. 487 R G . 80, 238ff. 482

Unrechtshandlungen.

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Schienen der Bahn legen und diese zum Entgleisen bringen 468 . — Dies erste Erfordernis genügt jedoch allein nicht: so haftet der Halter eines Pferdes gewiß nicht, wenn ein anderer auf ihm über ein fremdes Grundstück reitet 4 6 9 . Man hat freihch vielfach gemeint, daß das Tier hier gar nicht selbst gehandelt habe 470 . Indessen hat es in Wahrheit doch auch hier einen Entschluß gefaßt, wenn auch unter fremdem Einfluß, und das muß genügen. Denn daß nur ein willkürliches, nicht beeinflußtes Handeln in Betracht gezogen werde 471 , das ist eine sehr bedenkliche Annahme. Der Halter muß auch haften, wenn sein Pferd durch einen Motorfahrer scheu gemacht wurde, ja sogar, wenn sein Hund von einem Dritten gehetzt worden ist. A m greifbarsten erscheint es nun, die Frage geradezu nach einem Verschulden des Tieres zu stehen 472 . Diese Auffassung findet sich wohl in den ältesten Rechten, ist aber bei den römischen Juristen schon überwunden 473 . Ihre Beantwortung ist deshalb unmöghch, weil es an jedem Maßstabe für sie fehlt. A m deuthchsten zeigt sich das bei den wilden Tieren: handelt ein Tiger schuldhaft, wenn er sich seine Nahrung sucht ? Allenfalls wäre es denkbar, das einzelne Tier mit anderen seiner Gattung zu vergleichen. So wohten es die Glossatoren darauf abstehen, ob das Tier contra naturam sui generis gehandelt habe — und ihrer Auslegung sind viele Juristen bis heute gefolgt 474 . Aber in den Quehen stehen diese Worte „sui generis" gar nicht, vielmehr heißt es dort „contra naturam fera m o t a " 4 7 5 . Außerdem würde sich hieraus die Einschränkung ergeben, daß für die dieser Tiergattung eigenartigen Schädigungen nicht gehaftet werde: also z. B. nicht für ein Pferd, das scheut, und nicht für einen Stier, der über ein rotes Tuch außer sich gerät. 468

O e r t m a n n 3 gegen Recht 1908 N r . 69. 4ββ Allgemeine Ansicht, insbesondere R G . 50, 180; anders n u r I s r a e l , J W . 1902, 238ff.; G o s l i c h , GruchBeitr. 47, I f f . 470

R G . 50, 180. 221. 54, 60, 68. 61, 317. 65, 106; GruchBeitr. 47, 948. 50, 668ff. u n d viele. 471 E n d e m a n n 1 § 202; A l t s c h u l , J W . 1902, 202ff; B r ü c k m a n n , daselbst 204; R G . 50, 181. 69, 399ff.; GruchBeitr. 47, 404. 651ff.; J W . 1903, Beil. 90. 472 I s a y , JheringsJ. 39, 209ff.; GruchBeitr. 48, 513ff. 473 dig. 9, 1 1. 1 § 3. 474 Ζ. Β . E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 243 I . Gegen diese Auslegung der Glosse treffend E i s e l e , JheringsJ. 24, 480ff. 475 dig. 9, 1 1. 1 § 7; vgl. 1. 1 § 4.

Tierhaltung.

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Das ist aber ganz verfehlt : gerade gegen solche häufigen Unfälle wih das Gesetz in erster Linie schützen. Dennoch hat das Reichsgericht die Haftung für Pferde, die durch einen herabfahenden Koffer oder durch flatternde Wäsche erregt waren, davon abhängig gemacht, ob sie einer solchen Einwirkung nach physischen Gesetzen widerstehen könnten 4 7 6 . Diese Frage aber kann niemand beantworten 477 — und überdies kann sie für die Haftung nicht bedeutsam sein. Wenn alle Pferde infolge eines Sehfehlers die Größe der Gegenstände überschätzen, wenn manche Tierarten durch rote Farben unwiderstehhch erregt werden, so mag das einzelne Tier durch solche Feststehungen entschuldigt werden. Aber es ist nicht einzusehen weshalb dies den Tierhalter von seiner Haftung befreien soh. I m Gegenteil wird die Gefährdung, die die Tierhaltung hervorruft, um so größer^ je weniger Widerstand solche Tiere gegen die Einwirkungen zu leisten imstande sind. Auch darauf, ob die Einwirkung auf das Tier von außen kam, kann es nicht ankommen 478 . Man darf es also nicht gerade darauf abstehen, ob das Tier schuldhaft gehandelt hat. Und doch machen die Römer mit Recht einen Unterschied danach, ob das Pferd auf einen Stich oder aber auf bloßes Streicheln hin ausschlägt. Sie erklären für entscheidend, ob es ,,contra naturam fera mota" ist* ob es j^commota feritate" gehandelt hat 4 7 9 . Diese grundlegenden Wendungen sind in der fast unübersehbaren Literatur seltsamerweise gar nicht beachtet worden. Sie bezeichnen einerseits den Gegensatz zu den wilden Tieren — die nicht unter das dort behandelte Edikt fallen —, vor allem aber, daß das Tier gegen die n a t ü r l i c h e n Verk e h r s r e g e l n gehandelt hat. Diese werden aus dem Vergleich mit dem Verhalten der Menschen entnommen. Es gibt Lagen, wo auch der Mensch wild wird: auch bei ihm kann es vorkommen, daß er bei einem Stich oder bei einer Operation 480 um sich schlägt. Aber er wird dann nicht, wie ein Pferd, die Straße hinunterjagen und ahes überrennen. Wenn sich ein Tier so „untermenschlich" benimmt, dann setzt die Haftung ein. Nicht aber, wenn es etwa nur durch sein Gewicht oder seine Ungeschicklich476 477 478 479 480

R G . 54, 74. 60, 69. GruchBeitr. 47, 648ff. T r a e g e r a. a. O. 314ff.; P l a n c k 2 zu § 833. L i t t e n a. a. O. 90. dig. 9, 1 1. 1 § 7 u n d 1. 1 § 4. R G . 69, 199ff.

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Unrechtshandlungen.

keit einen Schaden anrichtet — außer wenn dies wieder auf einem erhebhchen Mangel an Vorsicht oder Voraussicht beruht. So vereinigen wir die beiden Erfordernisse der Haftung dahin, daß eine verkehrswidrige Handlung des Tieres vorgelegen haben muß. — Dieser Gedanke ist auch in den Fällen maßgebend, wo mehrere Tiere mitgewirkt haben, z. B. wenn ein spielender Hund von einem Pferd getreten wird. Es ist auch hier zu fragen^ welches Tier am meisten gegen die Verkehrsregeln gehandelt hat, und danach ist der Schaden zu verteilen 481 . § 364. Haftbar ist, wer das Tier „hält". Auch dieser Begriff ist sehr umstritten. Die einen denken dabei an den Eigentümer, Besitzer oder Eigenbesitzer 482 . Dies ist aber schon deswegen unannehmbar, weil das Gesetz dann dafür sicherhch die technischen Ausdrücke gebraucht haben würde. Außerdem ist es sowohl sprach- wie sachwidrig, jemanden, der sein Landgut auf Jahre hinaus verpachtet hat, noch als Halter der dortigen Tiere zu behandeln. Andere wohen jeden, der den Nutzen hat, als Halter betrachten 483 . Aber es ist unbihig, auch den haften zu lassen, der ein Pferd ganz vorübergehend gemietet oder enthehen h a t 4 8 4 . Außerdem gibt es auch Tierej die keinen Nutzen abwerfen; hier würde es dann an jeder Regel fehlen. Es reicht auch nicht aus, wenn man eine dauernde Nutzung verlangt. Wenn ein Arzt oder Hauptmann sich die Benutzung eines beim Vermieter stehenden Pferdes gesichert hat, so wird er dadurch noch nicht zum Tierhalter. Daher hat eine weit verbreitete, wohl noch herrschende Ansicht gefordert, daß der Halter dauernd Nutzung und Fürsorge für das Tier habe 4 8 5 . Aber auch das ist nicht genügend. Der Förster, der gegen Entgelt einen Hund aufzieht, hat sowohl Nutzen wie Pflege und ist doch nicht Tierhalter, sondern nur Tierhüter (§ 834). Außerdem gibt es auch Tierhalter, die das Tier nur ganz vorübergehend besitzen, wie besonders ein Zwischenhändler. Es dürfte daher richtiger sein, wenn eine neuere Lehre es darauf absteht, zu welchem Haus oder welcher Wirtschaft das Tier 481

R G . GruchBeitr. 60, 973ff.; J W . 1909, 136ff., unten S. 657 u. 658.

482

Z. B . I s a y a. a, O. 316.

483

D e r n b u r g 2 § 396; R G . 62, 81ff.

484

R i c h t i g SeuffA. 58 N r . 210; 65 N r . 72; S c h w a r z , S t i e r l e a. a. O.; u n b i l l i g R G . 62, 81ff.; J W . 1906, 62; vgl. W a r n e y e r 1912, 292. 485

Z. B . R G . 52, 118. 55, 166; früher auch E n n e c c e r u s .

Tierhaltung.

655

486

gehört . Aber auch diese Ausdrucksform ist nicht ganz gelungen. Das Wort „Haus" paßt nicht auf solche Tiere, die außerhalb gehalten werden, das Wort „Wirtschaft" nicht auf solche, die keinen Ertrag abwerfen. Außerdem ist die Abgrenzung dieser Begriffe sehr unsicher : bezeichnet doch das Reichsgericht einmal ein Pferd, das vorübergehend verliehen ist, als in die andere Wirtschaft eingestellt 487 . Vielmehr wird man als maßgebend anzusehen haben, wer der H e r r des Tieres ist: wer über das Leben und die Verwendung des Tieres dauernd bestimmt. Diese Entscheidung hat der Eigentümer, aber auch der besitzende Pächter, nicht aber ein vorübergehender Mieter und Entleiher oder ein Verwahrer. Für diese Auslegung spricht schon der Ausdruck „halten": er bedeutet soviel wie Dasein gewähren. Vor ahem aber wird die Gefahr eines Tieres eben durch sein Leben geschaffen und durch die Bestimmung, wo und wie es verwahrt und verwendet wird, stark beeinflußt. Es erscheint daher auch richtig, daß der haftet, der die Bestimmungen darüber trifft. § 365. Der Tierhalter ist auch ohne sein Verschulden haftbar. Eine Ausnahme gilt aber nach der Novehe für die wirtschafthch verwendeten Tiere (§ 833 2 BGB.). Vorausgesetzt ist dabei, daß es sich um ein Haustier handelt, also ein Tier, dessen Gattung zahm ist und dem menschhschen Haushalt dient. Dazu gehören nicht die Bienen, die das Gesetz (§§ 960, 961 BGB.) als wilde Tiere behandelt 488 . Das Tier muß ferner wirtschafthch benutzt sein, es muß „dem Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalte des Tierhalters" dienen. Zu der ersteren Gruppe gehört auch das Dienstpferd 480 , zu der letzteren auch das zum Verkauf gezüchtete 490 , das zum Verkauf angeschaffte 491 , das zum Schlachten gekaufte Vieh 4 9 2 , der Wachthund auf dem Lande oder auf einem 48e

R G . 66, I f f . ; W a r n e y e r 1912, 292. 1915, 237; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O.; G i e r k e , Privatrecht 3, 943 A n m . 36. 487

R G . 62, 84ff.

488

Herrschende Meinung; anders Β a l z , D J Z . 1908, 416ff.; O e r t m a n n 9 zu § 833. 489

R G . 76, 225; W a r n e y e r

1913 N r . 321.

490

R G . W a r n e y e r 1912 N r . 389; O L G . 28, 298; R G . Recht 1921 N r . 1368; anders O L G . 20, 272. 273. 491 O L G . 34, 125; 28, 298; F ü r n r o h r , J W . 1911, 702; J o s e f , Recht 1910, 770; anders SeuffA. 65 N r . 96. 492

R G . 79, 247ff.

656

Unrechtshandlungen.

Holzplatz 4 9 3 , aber nicht auch in einem städtischen Hause 4 9 4 . Gleichgültig ist, ob das Tier zur Zeit der Verletzung in dieser Weise verwendet wurde 4 9 5 . Ebenso, ob es für die ahgemeine Volkswirtschaft nützhch war. Wenn jemand Schoßhunde oder Schildkröten vermietet und damit Geld verdient, so ist er auch nur milder haftbar. Deshalb ist es ungenau, von Luxustieren zu sprechen. Außerdem wird dadurch auch der Anschein erweckt, als ob ahe besonders wertvohen Tiere niemals unter die Ausnahme des Satz 2 fielen, wie ein wertvoher Jagdhund 496 . Aber dafür läßt sich nichts weiter anführen als eben der Ausdruck „Luxus", der aber nicht im Gesetz steht. Vielmehr kommt es nach diesem lediglich darauf an, ob das Tier wirtschafthch genutzt wird. Wenn also mit der Jagd ein Gewinn erzielt wird, so trifft die Milderung des Gesetzes zu. — Allerdings erhebt aus dem ahen auch, wie bedenklich diese ganze Unterscheidung ist. Wenn jemand Meerschweinchen hält, die in einem Nachbargarten Schaden anrichten, so kommt es darauf an, ob er damit Geld verdient : wenn das zutrifft, so wird dadurch seine Haftung gemildert! — Hier ist nämhch der Tierhalter nur für Verschulden haftbar: doch trifft ihn die Beweislast dafür, daß er die erforderhche Sorgfalt beobachtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung der Sorgfalt entstanden wäre. Wenn er einem andern die Obhut übertragen hat, so bedarf es zur Befreiung nicht des Nachweises, daß dieser andere schuldlos gewesen sei 4 9 6 a . Anderseits genügt aber auch nicht der Beweis des Tierhalters, daß er den andern ordenthch ausgewählt habe 4 9 6 Vielmehr muß er darlegen, daß er in jedçr Hinsicht die gebotene Sorgfalt beobachtet h a t 4 9 6 c , Falls der Tierhalter für Unrechtshandlungen nicht verantworthch ist (§§ 827ff. BGB.), so ist er auch hier von Haftung frei 4 9 7 . I n demselben Umfang haftet auch der Tierhüter, der durch Vertrag die Aufsicht über ein Tier übernommen hat (§ 834 BGB.). Es gilt dies nur für einen selbständig Verpflichteten, nicht für den, der nur als Knecht seines Herrn handelt 4 9 8 . 493

SeuffA. 67, 398. SeuffA. 67 N r . 224. 495 R G . W a r n e y e r 1912 N r . 430; R G . J W . 1917, 286. 496 So i n der T a t O e r t m a n n 9 zu § 833. 49ea So C o h n J W . 1909, 264. 49eb So O e r t m a n n 9 zu § 833; J o s e f , J W . 1909, 353. 49ec R G . 76, 229; F ü r n r o h r J W . 1910, 95; T ü r k daselbst 571. 497 R G . W a r n e y e r 1916 N r . 278, unten S. 659. 498 R G . 50, 244ff.

494

Tierhaltung.

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§ 366. Die strenge Haftung des Tierhalters kann durch Vertrag ausgeschlossen werden. Dies kann auch stillschweigend geschehen, insbesondere wenn zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis besteht, laut dessen der Verletzte die Gefahr der Tierhaftung auf sich genommen hat. Eine solche Abrede ist aber nur in solchen Verträgen zu finden, wo er es gerade übernommen hat, das Tier zu bändigen und gegen seine Gefahren zu schützen. Das trifft auf den Tierwärter, Trainer und Zureiter z u 4 9 9 . Dagegen genügt es nicht, daß er bloß die Aufsicht über das Tier übernommen hat. Daher kann man das gleiche nicht auch für einen Stallwirt annehmen, der ein Pferd zur Verwahrung einsteht, oder für einen Tierarzt 5 0 0 oder Hufschmied 501 — und noch weniger für einen abhängigen Angestellten, wie einen Pferdeknecht 502 . A m bedenklichsten ist es, dasselbe als allgemeine Regel für ahe Fälle aufzustehen, wo das Tier zum Nutzen eines anderen verwendet w i r d 5 0 3 : wer ein Pferd einem anderen verleiht, ist von der Haftung durchaus nicht befreit. — Insbesondere hat man die Befreiung dann angenommen, wenn jemand einen anderen aus Gefälligkeit auf seinem Wagen mitgenommen hat. Eine Entscheidung, die die Haftung hier bejaht hatte 5 0 4 , ist fast ahgemein mißbilligt worden 505 . Und doch ist sie nach unserem Recht nicht zu vermeiden. Man hat zwar dagegen eingewendet, daß einem Verletzten, der die Gefahr selbst geschaffen habe, dies bei der Gefährdungshaftung entgegengehalten werden könne — so daß eine Gefährdungsaufrechnung stattfinde 506 . Aber dieser Satz ist nur insofern anzuerkennen, als der Verletzte entweder schuldhaft gehandelt hat (§ 254 BGB.) oder nach dem Gesetz ebenfalls für Gefährdung haftet — wie ein Autofahrer gegenüber der Tierhaftung. Gerade diese 499

R G . 50, 245ff. 58, 412ff.; GruchBeitr. 49, 935. BayrRpflZ. 5, 477. 601 R G . W a r n e y e r 1911 N r . 29; abweichend W a r n e y e r 1912 N r . 61, 430; R G . 61, 55ff. 602 R G . 50, 252; W a r n e y e r 1909 N r . 212; J W . 1905, 392ff. 1911, 89; Recht 1908 I I , 451; abweichend J u n g a. a. O. 541. 603 So E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. 604 R G . 54, 73ff. Ebenso HansGZ. 1906, Beibl. N r . 126; SeuffA. 62 N r . 255. 606 R G . 65, 313ff. 67, 433; J W . 1908, 108ff.; W a r n e y e r 1908, 261. 1909, 96; E n n e c c e r u s - L e h m a n n a. a. O. u n d die herrschende Meinung. 506 K r ü c k m a n n , JheringsJ. 52, 428ff. 54, 107ff.; M ü l l e r - E r z b a c h , ZivArch. 106, 309ff.; O e r t m a n n 5 zu § 833; R G . W a r n e y e r 1910 N r . 139. 500

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

42

Unrechtshandlungen.

658

Ausnahmevorschriften beweisen, daß die gewöhnlichen, dadurch nicht betroffenen Fähe dem nicht gleichstehen. Nach dem Gesetz macht es einen großen Unterschied, ob ein durchgehendes Pferd mit einem Motorfahrer oder einem schneh daherkommenden Radfahrer zusammenstößt. Eine weitere Ausdehnung dürfte auch kaum billig sein. Wenn ein Wanderer einen von Hunden bewachten Hof betritt und dabei gebissen wird, so fäht die Haftung gewiß dann fort, wenn er unvorsichtig gehandelt, z.B. die Warnungstafel übersehen oder mißachtet hat. I m anderen Fahe aber scheint es mir ganz unberechtigt, ihn mit seinem Anspruch deshalb abzuweisen, weil er selbst die Gefahr hervorgerufen habe. — Die Rechtsprechung pflegt den Ausschluß mit der Annahme eines stillschweigend abgeschlossenen Vertrages zu begründen 507 . Aber darin dürfte ledighch eine Fiktion hegen; denn eine solche Abrede ist in den meisten Fällen in keiner Weise zum Ausdruck gekommen. Zwar meint das Reichsgericht, „das Einverständnis der Beteiligten habe sich darauf erstreckt, in allen nicht besprochenen Punkten den Bihigkeitsmaßstab als das beiderseits Gewohte gelten zu lassen" 508 . Dies müßte dann aber auch für ahe anderen Verträge gelten und dahin führen, daß sämtliche ergänzenden Vorschriften der Gesetze wegen Unbihigkeit weggedeutet werden könnten. Wenn man sich ferner darauf beruft, daß die Aufnahme in den Wagen keine rechtliche Abmachung enthalte, so ist das einmal nicht richtig (I, 81ff.), vor ahem aber auch nicht beweisend, da die Haftung sich ja gar nicht auf einen Vertrag gründet. Von anderer Seite hat man geltend gemacht, daß alle zur Erfüllung des BeförderungsVertrages vollzogenen Maßnahmen als Erfüllungsmaßnahmen rechtmäßig seien und daher nicht zu einem Ersatzanspruch führen könnten 5 0 9 . Aber es ist ja gar nicht die jetzige Handlung des Tierhalters, worauf sich seine Haftung gründet, sondern ledighch die Tierhaltung und die erfolgte Verletzung. Eher könnte man meinen, daß wie bei der Konkurrenz zwischen Vertrags- und Unrechtshaftung (oben S. 628ff.) auch hier das Sonderrecht des Vertrages vorgehe, und danach im vorliegenden Falle die Haftung sogar auf grobe Fahrlässigkeit einschränken (I, 425). 507

R G . 65, 314; 67, 11; W a r n e y e r 1908 N r . 157, 158; SeuffA. 61, N r . 220; ebenso D a n z , D J Z . 1905, 383ff.; Recht 1909, 225; J u n g a. a. O. 508 R G . 65, 314; ähnlich 67, 433. 509 v. B l u m e , Recht 1908, 648ff.; H e l l w i g , D J Z . 1906, 1289ff.; J u n g a. a. O. 46ff.; O e r t m a n n 5 zu § 833.

Tierhaltung.

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Aber für die Konkurrenz zwischen der Gefährdungs- und der Vertragshaftung kann man nicht dasselbe wie vorher annehmen 510 . Hier handelt es sich ja nicht darum, einen für beide Fähe geltenden Maßstab (der Schuld) festzustehen, sondern hier sind die Voraussetzungen in beiden Fähen ganz verschieden bestimmt und daher getrennt zu prüfen. Man käme sonst auch zu dem Ergebnis, daß sogar die Eisenbahn sich gegenüber einem Anspruch aus dem Haftpfhchtgesetz auf ihre mildere Haftung nach Vertrags recht berufen könnte, was offenbar verkehrt wäre. — Der eigentlich treibende Grund der herrschenden Ansicht liegt gewiß in dem Bestreben, eine große Härte zu vermeiden. Aber sie ist nicht wesenthch größer als in den meisten anderen Fällen der unbedingten Haftung für Tiere. Es kommt nur noch dazu, daß der Beklagte gerade durch seine Gefähigkeit die gefährliche Lage geschaffen. Aber das trifft auch nicht minder zu, wenn er den anderen in sein Haus oder seinen Garten eingeladen oder ihm den Durchgang gestattet hat: und doch muß er auch hier für seinen Hund haften. Übrigens kommt die strenge Haftung bei Pferdewagen jetzt kaum noch in Betracht, da solche heute fast nur noch zu wirtschaftlichen Zwecken gehalten werden. Wie jede Gefährdungshaftung, ist auch diese zu den Unrechtshandlungen zu rechnen 511 . Daher sind deren Regeln auch hier anwendbar. Es müssen alle ihre Voraussetzungen außer dem Verschulden vorliegen (S. 649). Daher muß auch der Tierhalter nach §§ 827ff. BGB. verantworthch sein 512 . Aber dies kann sich nur auf seine Handlung beziehen, durch die er Halter des Tieres geworden, ist. Nicht nötig ist, daß er auch nachher verantworthch bleibt. Wenn er also nach dem Erwerb des Tieres in Geisteskrankheit fällt, so ist er für die späteren Verletzungen haftbar. — Ferner gelten die Regeln über die Mitwirkung mehrerer (§ 830. BGB.) und ihre Haftung als Gesamtschuldner (§ 840 BGB.) Daher findet auch im Innenverhältnis eine Ausgleichung unter ihnen statt, wobei der Hauptteil auf einen schuldigen Mittäter fahen wird (§ 426 BGB.). Nach § 840 I I I BGB. scheint es allerdings so, als ob dieser sogar ganz allein den gesamten Schaden tragen müßte, und so wird es denn auch meistens angenommen. Aber 610

R G . 50, 260, oben S. 629. L i t t e n a. a. O. 136; P l a n c k 6 zu § 823; R G . 57, 121. 58, 336. 60, 304, 315; O L G . 5, 250. 14, 47. 18, 87 oben S. 541. 512 O e r t m a n n 3 zu § 833 u n d Genannte; wo auch Gegner. 42* 611

660

Unrechtshandlungen.

aus dringenden Gründen der Billigkeit wird man dennoch den § 840 dahin einschränken müssen, daß den Schuldigen nur der Hauptteil der Verantwortung trifft (oben S. 624). Wenn Tiere verschiedener Eigentümer einander verletzen, so muß nach § 254 BGB. eine entsprechende Verteilung des Schadens eintreten 513 . Auch für die Verjährung sind die Regeln der §§ 862ff. BGB. maßgebend. § 367. Verwandt ist die Haftung für Wildschaden (§ 835 BGB.) 5 1 4 . Sie ist auf die größeren Tiere beschränkt, insbesondere nicht auf Hasen erstreckt. Der Schaden muß an einem Grundstück oder an seinen zwar schon getrennten, aber noch nicht eingebrachten Erzeugnissen angerichtet sein. Berechtigt ist jeder Geschädigte, auch ein Pächter oder Mieter. Als haftbar bezeichnet das Gesetz i n erster Linie den Jagdberechtigten. Das ist seltsam, weil es ein solches besonderes Jagdrecht in Deutschland gar nicht gibt: es ist in der Mitte des vorigen Jahrhunderts fast überall und neuerdings ganz beseitigt worden. Wenn dem Eigentümer des Grundstücks die Ausübung der Jagd entzogen ist, weil dies nicht die dazu erforderliche Größe hat (in Preußen 75 ha), so haftet, wer statt seiner sie ausüben darf: nämhch entweder die Jagdgenossenschaft oder Gemeinde. Wenn die Grundeigentümer dieserhalb kraft Gesetzes zu einem nicht rechtsfähigen Verbände vereinigt sind, so sind sie nach Verhältnis der Grundstücksgröße haftbar (§ 835). Ist der Eigentümer dagegen selbst jagdberechtigt, so haftet er nicht aus § 835, etwa einem Pächter gegenüber: die Haftung kann sich nur vielleicht aus ihrem Vertrage ergeben. Der Jagdpächter ist ebenfalls nicht haftbar, weil er kein eigentliches Jagdrecht h a t 5 1 5 . Nicht selten wird ihm freihch im Pachtvertrage die Bezahlung der Wildschadensansprüche auferlegt. Nur in einem Ausnahmefah ist der Pächter nach § 835 I I 2 haftbar. Hiernach hat diese ganze Lehre nur eine sehr geringe Bedeutung. Die Vorschriften gelten auch für Tiere, die sich in einem Wildgatter befinden. Werden sie dagegen in einem Garten oder Park gehalten, so greift statt dessen die Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB. ein. Ferner wird die Haftung für Wildschaden durch eigenes Verschulden ausgeschlossen (§ 254 BGB.). Aher613

Oben S. 657ff. K r ü c k m a n n , JheringsJ. 54, 134; anders O e r t m a n n 6 zu § 833 u n d Genannte. 514 S i m o n , Wildschaden. 615 W o l f f , Sachenrecht § 80.

Wildschaden.

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dings ist man regelmäßig nicht verpfhchtet, sich durch Zäune und Gitter gegen Wild zu schützen. Doch wird man annehmen können, wenn solche Zäune zum Schutze von wertvollen Beständen, wie Baumschulen, schon bestanden, daß dann eine mit geringeren Kosten verbundene Ausbesserung nicht versäumt werden dürfe 5 1 6 . — Das Landesrecht kann die Haftung noch weiter, insbesondere auf andere jagdbare Tiere ausdehnen und Vorschriften über die Feststehung des Wildschadens erlassen (Art. 70ff. EG. BGB.). § 368. Unter den gefährlichen Betrieben ist die Haftung am schärfsten bei der E i s e n b a h n gestaltet. Hier greift zunächst für Personenschäden das sogenannte Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 ein 5 1 7 . Dieser Name war ursprünglich wohl berechtigt, da das Gesetz auch die Haftung der Fabriken und ähnhcher Betriebe regelte. Deren Haftung ist aber durch das Unfahversicherungsgesetz und späterhin die Reichsversicherungsordnung ausgeschaltet und durch Sätze des öffenthchen Rechts geregelt worden, mit Ausnahme der Haftung für Verschulden der Betriebsleiter. Seitdem sollte man daher das Gesetz besser „Eisenbahngesetz" nennen. Vorausgesetzt wird eine Eisenbahn, also eine auf Schienen laufende oder an ihnen hängende Bahn 5 1 8 , gleichviel ob diese aus Eisen sind 5 1 9 . Es kommt auch nicht darauf an, ob sie mit Dampf, Elektrizität oder anderen Kräften betrieben wird. Ebenso wenig wird erfordert, daß sie dem öffenthchen Verkehr gewidmet ist: auch Anschlußgeleise und Arbeitsbahnen fahen darunter, wenn sie ähnhche Gefahren herbeiführen 520 . Es muß der Tod oder die Körperverletzung eines Menschen eingetreten sein. Gleichgültig ist, ob es ein Fahrgast, ein Beamter oder ein Außenstehender war. Auch geistige Schädigungen gehören hierher, auch wenn sie erst nachträglich durch die Erschütterung des Unfalls hervorgerufen sind 5 2 1 . Anders werden dagegen Sachbeschädigungen behandelt. Wenn die Sachen durch Frachtvertrag » · R G . 52, 349ff. 517 E g e r , Reichshaftpflichtgesetz; L a ß - M a i e r , Haftpflichtrecht; G e n z m e r , Reichshaftpflichtgesetz, v . W e i n r i c h , H a f t p f l i c h t ; S e n c k p i e h l , H a f t u n g der Eisenbahn; S e l i g s o h n , Haftpflichtgesetz; W ü l f i n g , Die H a f t u n g der Eisenbahn. 518 R G . 86, 95. 519 Anderer Meinung E g e r a. a. O. 46. 620 R G . 1, 249. 2, 38ff. 7, 40ff. 65, 70; W a r n e y e r 1912 N r . 401. Anders E g e r a. a. O. 47ff. 521 R G . J W . 1905, 235; Recht 1911 N r . 1050; vgl. oben S. 635.

Unrechtshandlungen.

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der Eisenbahn übergeben sind, so haftet sie nach § 456 HBG. für Verlust und Beschädigung ebenfalls auch ohne ihr Verschulden. Für andere Sachschäden ist im Reichsrecht keine besondere Haftung vorgeschrieben.· Aber es ist dem Landesrecht eine Ausdehnung gestattet (Art. 135 EG. BGB.). Und davon haben Preußen und mehrere andere Länder Gebrauch gemacht. I n Preußen gilt noch das alte Eisenbahngesetz vom 3. November 1838, das der Bahn ganz ahgemein die Haftung für zufälligen Schaden auferlegt. Dies Gesetz ist insoweit, als es sich auf Körperverletzungen bezieht, durch das Reichsgesetz von 1871 aufgehoben worden, aber für die Sachbeschädigungen noch in Geltung. Wenn also z. B. ein Tier durch die Bahn überfahren wird, so ist die Haftung in den einzelnen Ländern verschieden geregelt. Dazu kommt noch, daß das preußische Gesetz nicht für Kleinbahnen gilt (Kleinbahngesetz 1892). Es herrscht also ein buntscheckiger Rechtszustand, der gewiß beseitigt werden sohte. § 369. Die Verletzung muß ferner ,,beim Betriebe" der Bahn erfolgt sein. Damit ist gemeint, daß sie sich nicht nur äußerhch hier vohzog, sondern auch mit den besonderen Gefahren des Betriebes in innerem Zusammenhange stand. Diese Einschränkung ist aus dem Zwecke des Gesetzes abzuleiten, das gerade gegen jene Schutz gewähren w i l l 5 2 2 . Daher haftet die Bahn nicht dafür, wenn sich zwei Reisende in ihr prügeln. Und für Unfähe bei den Bau- und Ausbesserungsarbeiten und beim Entladen von Wagen haftet sie nur dann, wenn sie aus den besonderen Erschwerungen des Bahnbetriebs (Beschleunigung, Nachtarbeit) erwachsen sind. Die Gefahren des Betriebes hegen nämlich nicht nur in der großen Schnelhgkeit und Kraft der Bewegung, sondern eben auch in der Eile, besonders beim Ein- und Aussteigen der Reisenden: und deshalb erstreckt sich die Haftung auch auf die dabei erfolgenden Unfähe 523 . Aber eine weitere Gefahr ergibt sich auch aus der Absperrung der Abteile und daraus, daß man unterwegs nicht aussteigen und Hilfe herbeirufen kann. Deshalb wird die Haftung auch anzunehmen sein, wenn ein Fahrgast in einem solchen abgeschlossenen Abteil ermordet oder sonst überfallen w i r d 5 2 4 . Man hat die Haftung zwar auf technische Gefahren 522

R G . 50, 92. 55, 229. 68, 47. Bedenklich dagegen R G . 126. 335 R G . W a r n e y e r 1916 N r . 18, 1919 N r . 199; J W . 1918, 227. 624 Anders freilich R G . EisenbEntsch. 25, 305; vgl. W i t t m a a c k , Recht 1906, 493, R e i n d l , daselbst 979; L e n z , D J Z . 1906, 481. 523

Eisenbahn.

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beschränken wollen: aber diese Abgrenzung ist willkürlich und läßt sich auch nicht abgrenzen. § 370. Haftbar ist der Betriebsunternehmer, der Herr des Betriebs 525 . Die wichtigsten Bahnen waren in Deutschland stets die Staatsbahnen. Sie sind durch Staats vertrag von 1920 auf das Reich übergegangen, seit 1924 aber auf eine besondere juristische Person, die Reichsbahn. Nicht haftbar ist die Schlafwagengesehschaft, auch nicht, soweit der Betrieb auf ihre Rechnung geht 5 2 6 , und auch nicht die Post, außer wenn sie einen eigenen Bahnbetrieb h a t 5 2 7 . Bei Zusammenstößen zweier Bahnen haften beide als Gesamtschuldner 528 . Die Haftung wird nicht schon durch die Schuldlosigkeit der Bahn und ihrer Beamten ausgeschlossen, wohl aber durch höhere Gewalt (I, 447ff.), und eingeschränkt durch eigenes Verschulden des Verletzten. Nach dem Wortlaut des Gesetzes scheint es sogar, als ob der schuldige Verletzte gar keinen Anspruch erheben könnte. Aber es sind auch hier die allgemeinen Grundsätze der Haftung zugrunde zu legen, und danach ist bei einem Zusammentreffen von Gefährdungshaftung und Schuld auch die erste mit zu berücksichtigen (I, 192ff.). Das muß trotz des Wortlautes des Haftpfhchtgesetzes auch für die Eisenbahn gelten. Denn auch bei der Haftung der Auto- und Luftfahrer ist ebenso der § 254 BGB. für anwendbar erklärt. Vor allem aber ist es ein dringendes Gebot der Bihigkeit, daß auch die große Gefährlichkeit der Bahnen bei der Verteilung des Schadens mit berücksichtigt wird. Dies wird denn auch von der Rechtsprechung 529 und Wissenschaft 5 3 0 ganz überwiegend anerkannt. Nur bei der entsprechenden Vorschrift des Preußischen Eisenbahngesetzes will das Reichsgericht die Anwendung des § 254 ohne triftige Gründe ablehnen 531 . —Auch wenn die Eisenbahnhaftung mit einer anderen Gefährdungshaftung zusammenstößt, ist ebenso abzuwägen, welche von beiden schwerer wiegt. I m ahgemeinen wird der größere 525

R G . 66, 376. 75, 8ff.; W a r n e y e r 1911 N r . 285, 438, 1912 N r . 221. EisenbEntsch. 18, 15. 68, 66. 627 R G . Recht 1915 N r . 237. 528 R G . 52, 149. 029 R G . 53, 394ff.; J W . 1927, 1141; SeuffA. 81, 176; v g l . R G . 51, 277ff. 56, 155. 62, 146 ff. 630 Oben1,192; O e r t m a n n 3 zu § 254; P l a n c k l z u § 254; E n n e c c e r u s L e h m a n n I I § 12 A . 12. Anders E g e r a. a. O. 205ff. 531 R G . 63, 270. 98, 11; J W . 1921, 1230; GruchBeitr. 65, 73. 528

Unrechtshandlungen.

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Teil auf die Eisenbahn abzuwälzen sein, weil ihr Betrieb besonders gefährlich, aber auch besonders gewinnbringend ist, und die Bahn aus diesem Grunde und wegen ihres Großbetriebes durch den Schaden nicht übermäßig belastet wird. Zu weit geht es aber, wenn das Reichsgericht immer den gesamten Schaden der Eisenbahn auferlegen w i h 5 3 2 . Weil man deren Haftung als Unrechtshandlung i m weiteren Sinne bezeichnen kann, müsse man — so folgert es — sie als „Dritten" im Sinne von § 840 I I I BGB. ansehen und ihr danach den gesamten Schaden aufbürden. Aber das könnte man dann ebenso auch für ahe anderen Fähe der Gefährdungshaftung, z. B. des Luftfahrers, behaupten. Daß die Haftung der Bahn auf einem vermuteten Verschulden beruhe, ist ebenfalls eine willkürliche Annahme. So wird denn diese Ansicht auch fast ahgemein abgelehnt 533 . Der Inhalt der Haftung ist in den §§ 3ff. des Gesetzes geregelt, die zum Teil durch Art. 42 EG. BGB. geändert worden sind. Die Haftung weicht danach in Einzelheiten von den Vorschriften der §§ 842ff. BGB. ab. So steht dem kraft Gesetzes Dienstberechtigten ein Anspruch gemäßt § 845 BGB. nicht z u 5 3 4 . § 371. Für die übrigen gefährlichen Betriebe — Fabriken, Bergwerke, Steinbrüche — gilt nicht die gleiche Zufallshaftung. Hier haftet der Unternehmer für Personenverletzungen nur dann, wenn ihn oder seine Betriebsleiter ein Verschulden trifft (§ 2 des Haftpfhchtgesetzes). Der Schaden muß auch hier im Betrieb, einschließlich der von dort aus geleiteten Arbeiten, erfolgt sein. Aber hier wird nicht erfordert, daß er auch innerlich mit dem Betrieb zusammenhänge 535 : Denn es handelt sich ja nur um eine Haftung für Verschulden, und der sind solche Grenzen nicht gesetzt. Es wird für ahe Personen gehaftet, die zwischen dem Unternehmer und den Arbeitern stehen. Der Beklagte kann sich nicht — wie sonst nach § 831 BGB. — durch den Nachweis seiner eigenen Sorgfalt befreien. Ähnlich haftet der Reeder für ein Verschulden seiner Besatzung 536 . Eine eigenthche Gefährdungshaftung 682

R G . 53, 114. 58, 335. 61, 56; J W . 1915, 324. Oben I , 193; D u n g s , GruchBeitr. 54, 550; M e y e r , Recht 1911, 153ff.; S c h m i d t , ZivArch. 72, 80ff.; Recht 1910 N r . 3177, 1917 N r . 353. 584 R G . 57, 53; J W . 1917, 655. 535 R O H G . 21, 276.; RG.4, 99; S e l i g s o h n a. a. O. § 2 A n m . 19. Anders E g e r a. a. O. 248ff. 586 § 485 H G B . , § 3 BinnenschiffahrtsGes. vgl. auch § 22 FlößGes. 533

Eisenbahn.

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ist hierin nicht zu erbhcken (oben S. 648). Für Unfähe der im Betriebe beschäftigten Arbeiter t r i t t nach dem Unfallsversicherungsgesetz (jetzt nach der Reichsversicherungsordnung) die öffentlich-rechtliche Hilfe der Berufsgenossenschaft ein. Alsdann ist die privatrechtliche Haftung des Unternehmers ausgeschlossen, außer wenn durch Strafverfahren festgesteht ist, daß er oder einer seiner Angestellten vorsätzhch den Unfall herbeigeführt hat (§ 898 ff. der Reichsversicherungordnung). Eine wichtige und zweifelhafte Frage ist, ob diese gefährlichen Betriebe auch sonst über die gewöhnlichen Regeln hinaus für Schaden haften. Sie wird aber wohl besser im Anschluß an die ahgemeine Frage, ob eine Gefährdungshaftung außerhalb der gesetzhchen Vorschriften anzunehmen ist, erörtert werden (unten S. 667ff.). § 372. Für Schäden, die durch innere Unruhen hervorgerufen sind, waren früher meistens die Gemeinden haftbar. Die Haftung wurde durch das Aufruhrschadengesetz, das Gesetz vom 12. Mai 1920, dem Reich auferlegt. Dann aber ist man wieder zu dem richtigen Gedanken zurückgekehrt, die Haftung dem Einzelgebiet, i n dem der Aufruhr geschah, aufzuerlegen (Verordnung vom 29.März 1924). Danach ist das einzelne Land haftbar, und durch Landesgesetz kann die Haftung sogar der Gemeinde auferlegt werden. Es wird aber nur eine Entschädigung gewährt, soweit das „wirtschaftliche Bestehen des Betroffenen gefährdet ist" — was als eine schwere Ungerechtigkeit bezeichnet werden muß. Auch diese Haftung des öffentlich-rechtlichen Verbandes wird man zur Gefährdungshaftung rechnen können. I n unruhigen Zeiten drohen auch dem Privatmann erhebliche Gefahren durch Ausschreitungen. Deshalb kann man die Aufgabe des Staats, gegen Unruhen zu schützen, analog denjenigen behandeln, die den Unternehmer eines gefährlichen Betriebes treffen. — § 373. Endhch haftet der Halter eines Luftfahrzeugs für Zufall bei einer Verletzung von Körpern oder Sachen (Luftverkehrsgesetz vom 1. August 1922) 537 . Sie muß beim Betriebe geschehen sein, wozu aber auch die Vorbereitung der Fahrt und die Einbringung in die Halle gehört 6 3 8 ; sie muß ebenfalls mit dem Betrieb i n einem inneren Zusammenhang stehen (siehe oben S. 662). Als Halter ist 637 B r e d o w - M ü l l e r , Luftverkehrsgesetz; B u s s e , L u f t r e c h t ; G o t t s c h ο , Luftverkehrsrecht. 538 E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 247; anders B r e d o w a. a. O. 220.

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Unrechtshandlun gen.

derjenige anzusehen, der über den Betrieb des Fahrzeugs Bestimmung zu treffen hat ; es gilt hier wesenthch dasselbe wie beim Kraftfahrzeug (oben S. 613). Wer das Fahrzeug ohne Willen und Wissen des Halters benutzt, ist an dessen Stelle zum Schadensersatz verpfhchtet ; doch haftet auch dieser, wenn er durch sein Verschulden die Benutzung ermöglicht hat. Die Haftung ist hier eine vohe Gefährdungshaftung. Sie erfordert weder ein Verschulden noch ein verkehrswidriges Verhalten. Ja, sie wird sogar weder durch höhere Gewalt noch dadurch ausgeschlossen, daß der Verletzte durch das Fahrzeug befördert wurde. Doch pflegen die Luftverkehrsgesellschaften die Haftung gegenüber den Beförderten durch Vertrag auszuschließen. Eine solche Abmachung ist — im Gegensatz zu der Eisenbahn (§ 5 des Haftpflichtgesetzes) — nicht verboten. Sie ist insoweit als gültig anzusehen, als dadurch nicht in unsittlicher Weise die Rechte des Publikums eingeschränkt werden. Trotzdem die Gesellschaften eine tatsächliche Monopolstellung haben, wird man die Einschränkung so lange als zulässig ansehen können, als die Benutzung des Luftweges noch nicht als notwendiges Verkehrsmittel g i l t 5 3 9 . Jedoch kann der bloße Vermerk, daß der Flug auf die Gefahr des Gastes erfolge, nicht ausreichen, um auch die Haftung wegen Verschuldens auszuschließen540. Hier ist eine Haftung nach den allgemeinen Vorschriften wegen Unrechtshandlung begründet. — Über den Umfang der Haftung gibt das Gesetz einschränkende Vorschriften, die im wesenthchen denen für die Eisenbahn entsprechen. Außerdem ist aber auch die Höhe der Haftung auf bestimmte Summen beschränkt. § 374. Zur Gefährdungshaftung können endhch auch die Fälle gerechnet werden, wo eine vorläufige Vollstreckung unberechtigt erfolgt. Wer auf Grund eines nur vollstreckbaren, aber nicht rechtskräftigen Titels eine sachhch ungerechtfertigte Vollstreckung vornimmt, ist auch ohne Schuld haftbar (§§ 917 I I , 945 ZPO.). Und ebenso haftet, wer im Wege der Selbsthilfe vorgeht, obwohl deren Voraussetzungen nicht vorlagen, auch ohne Verschulden (§ 231 BGB.). Der gemeinsame Grundgedanke dieser Bestimmungen ist, daß eine unberechtigte Vohstreckung, die vor der endgültigen Feststellung erfolgt, schlechthin verpfhchtet. Da ein solches Vorgehen auch gefährlich ist, ist darin eine Gefährdungshaftung zu erbhcken. 539 R G . 117, 104; E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 247 A n m . 8 a ; vgl. M e y e r , J W . 1928, 2310. 540 R G . 117, 105ff.

Vollstreckung.

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Dagegen wird man diesen Gesichtspunkt nicht verwenden können bei der Haftung für Organe (§ 31 BGB.), Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB.) und Fehler beim Vertragsschluß {§ 122 BGB.). Denn hier fehlt es durchaus an einer besonders gefährlichen Handlung. Insbesondere kann man schlechterdings nicht behaupten, daß die Zuziehung von Hilfspersonen etwas besonders Gefährliches sei (I, 451). I m Gegenteil wird dadurch sehr oft die Gefahr erhebhch vermindert. Selbst wenn der Gehilfe an Stelle des Schuldners handelt, kann dies zur Sicherung oft nur förderhch sein. Nicht selten wird man sich lieber von einem geübten und jugendhchen Angestellten als von dem Geschäftsherrn selbst fahren lassen. So alltägliche und notwendige Handlungen wie diese Benutzung von Hilfspersonen oder die Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung kann man unmöghch als Gefährdungen bezeichnen. Dadurch müßte dieser Begriff bis zur Unkenntlichkeit verblaßt werden. Aber auch wenn man darüber anders denkt, wird man den Begriff der Gefährdungshaftung in den ersten Fähen auch deshalb ablehnen, weil doch auch hier für ein Verschulden, wenn auch ein fremdes, gehaftet wird (oben S. 648). § 375. Erst jetzt, nach der Erörterung der gesetzhchen Vorschriften, kann die Frage beantwortet werden, ob aus ihnen ein ahgemeiner Rechtssatz abzuleiten ist, der die Haftung auf alle oder doch sehr viele Fähe einer Gefährdung ausdehnt (oben S. 646 u. 647). Bei dieser Frage 5 4 1 muß, weit genauer als bisher meist geschehen, unterschieden werden, wie denn dieser ahgemeine Satz lauten soh. Nach der einen Ansicht soil die Haftung sich auf je de G e f ä h r d u n g erstrecken. Sie wird von ahen den Schriftstehern vertreten, die überhaupt eine Haftung für unverschuldete Verursachung annehmen 5 4 2 , zum Teil aber auch von solchen, die nicht soweit gehen 5 4 3 . Diese Lehre wird aufs deuthchste widerlegt durch die scharf abgegrenzten Vorschriften unserer Gesetze, die gerade nur für ganz bestimmte Betriebe und unter bestimmten Voraussetzungen die Zufahshaftung bejahen. Wie könnte das Gesetz gerade für die 541

B i n d i n g , Die Normen, 1, 4 7 I f f . ; M e r k e l , Die Kollision rechtmäßiger Interessen; U n g e r , JheringsJ. 30, 363; S j ö g r e n , JheringsJ. 35, 343; M a t a j a , Das Recht des Schadensersatzes; M a u c z k a , Der Rechtsgrund des Schadensersatzes; A d l e r , Unverschuldetes Unrecht; M e i ß n e r S t e r n , Preußisches Nachbarrecht; S e l i g s o h n , J W . 1922, 1511; H e r g t , Die Gefährdungshaftung, Marburger Dissertation 1930. 542 B i n d i n g , M a u c z k a , A d l e r a. a. O.; vgl. oben S. 646. 543 Z. B . U n g e r , M e r k e l a. a. O.

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Unrechtshandlungen.

Eisenbahn eine solche Haftung festsetzen, wenn sie ahgemein gälte! Besonders scharf t r i t t der Gegensatz in den §§ 1 und 2 des Haftpfhchtgesetzes von 1871 hervor. Nach § 1 haftet die Eisenbahn für Zufall, nach § 2 die anderen Betriebe, insbesondere die Fabriken, nur für Verschulden der Betriebsleiter. Diese geradezu schlagenden Beweisgründe werden von dem Gegner nicht genügend gewürdigt, zum Teil gar nicht einmal erwähnt. Andere suchen sich mit dem Ausweg zu helfen, daß die Eisenbahnhaftung sich nur auf Personenverletzungen beziehe, die erweiterte Gefährdungshaftung dagegen nur auf Sachschäden zu erstrecken sei 5 4 4 . Aber das steht im vollsten Widerspruch zu den Grundgedanken des Haftpfhchtgesetzes. Dies wih gerade bei der Personenschädigung die Haftung ausdehnen : es ist daher unannehmbar, daß sie bei den übrigen Betrieben umgekehrt eingeschränkt sein sohe. Überdies gibt es auch andere Gesetze, die eine Unterscheidung zwischen Personen- und Sachschäden nicht machen, z. B. das Luftfahrgesetz und das preußische Eisenbahngesetz. Ferner muß noch einmal betont werden, daß eine solche allgemeine Haftung für ahe gefährlichen Handlungen nicht billig, sondern vielmehr sehr ungerecht sein würde. Die Eisenbahn kann solche Schäden tragen, nicht aber ein kleiner Betrieb, wie eine örtliche Schiffahrt, Fähre oder Badeanstalt. Durch eine ahgemeine Zufallshaftung müßten solche Betriebe schwer geschädigt und schheßhch ganz lahmgelegt werden. Es ist das um so bedenklicher, als man den Begriff der Gefährdung gar nicht mit einiger Sicherheit abgrenzen kann. Schheßhch könnte man auch das Radfahren als gefährlich bezeichnen und die Zufallshaftung darauf ausdehnen wollen. § 376. Nun ist allerdings behauptet worden, daß diese allgemeine Gefährdungshaftung durch ein G e w o h n h e i t s r e c h t , insbesondere die Rechtsprechung des Reichsgerichts eingeführt worden sei 5 4 5 . Aber diese Behauptung ist entschieden abzulehnen 646 . Vor ahem ist eine solche allgemeine Haftung in der Rechtsprechung des Reichsgerichts gar nicht aufgesteht worden: sondern die meisten Entscheidungen beschränken die Haftung nur auf die Fähe, wo sie als Ersatz für die Entziehung eines Anspruchs eintritt (unten 644

F ü r diese Beschränkung z. B . R G . 78, 171; J W . 1927, 184; H e r g t a. a. O. 82. 546 M e i ß n e r - S t e r n a. a. O. ö76ff.; ?um T e i l auch H e r g t a. a. O. 66ff. 64e S e l i g s o h n a. a. O.; R G . 116, 287.

Allgemeine Gefährdungshaftung.

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S. 670ff.). Die Gegner suchen nun zwar nachzuweisen, daß diese Einschränkung unberechtigt sei und vom Reichsgericht nicht ernstlich durchgeführt werde. Aber das kann uns doch niemals berechtigen, aus dieser Rechtsprechung einen Satz zu entnehmen, der dort gar nicht ausgesprochen ist. Eine solche Verbesserung heße sich dann vertreten, wenn es sich nur um eine verschiedene A r t der Begründung handelte. Aber es soh vielmehr statt des vom Reichsgericht aufgestellten Rechtssatzes ein ganz anderer untergeschoben werden — und das ist entschieden unzulässig. Außerdem fehlt es dieser Rechtsprechung an der festen Einheitlichkeit, die zu einem Gewohnheitsrecht erfordert werden muß. Der größte Teil der Entscheidungen beschränkt sich auf den vorher angegebenen Satz. Andere gehen in der Tat weiter: so besonders die Entscheidungen über den Funkenflug, die das Vorhandensein eines Abwehranspruchs nicht ernsthch prüfen 5 4 7 . Wieder andere schränken die Haftung mehr ein 5 4 8 . So kann von einer einheithchen klaren Rechtsbildung keine Rede sein. Sehr bemerkenswert ist, daß das Reichsgericht selbst das Bestehen des Gewohnheitsrechts mit Entschiedenheit ablehnt 5 4 9 . Dazu kommt, daß auch die freilich recht dürftige Stehungnahme der Wissenschaft nicht einheitlich ist. Und endhch stehen auch die bestimmten Einzelvorschriften unserer Gesetze der Annahme eines solchen Gewrohnheitsrechtes entgegen. Richtig ist, daß sich auch im Widerspruch zu einem Gesetz ein Gewohnheitsrecht bilden kann. Aber es wird dies dort tatsächhch nicht möghch sein, wo solche deutliche Vorschriften vorhanden sind 6 5 0 . Etwas weniger weit geht die Ansicht, daß zwar nicht für ahe gefährdenden Handlungen, wohl aber für die besonders gefährhchen Betriebe gehaftet werde 651 . Dahin lassen sich auch die Entscheidungen rechnen, die eine Haftung für Funkenflug ohne Vorliegen eines behördlichen Eingriffs bejahen 652 . Auch gegen diese Auffassung sprechen die meisten der vorher genannten Gegengründe. Ganz besonders scharf spricht dagegen die Vergleichung der §§ 1 647

Besonders J W . 1910, 619; W a r n e y e r 1914 N r . 190; 1916 N r . 168; vgl. dazu M e i ß n e r a. a. O. 579ff.; H e r g t a. a. O. 70ff. 548 Z. B . R G . 63, 374. 116, 287; J W . 1927 1590. 549 R G . 116, 287; J W . 1927, 1590. 560 R G . 116, 287. 651 So H e r g t 66ff. u n d Genannte. 552 Vgl. oben A n m . 547.

Unrechtshandlungen.

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und 2 des Haftpflichtgesetzes : der erstere bezieht sich nur auf die Eisenbahn, der zweite auf die übrigen gefährlichen Betriebe. Auch diese Auffassung hat man auf ein Gewohnheitsrecht zu gründen versucht 553 . Aber auch hier ist eine ahgemeine Einigkeit durchaus nicht festzustellen. Endhch müßte die Unterscheidung zwischen gefährlichen und besonders gefährlichen Betrieben unüberwindliche Schwierigkeiten machen. § 377. A m entschiedensten vertritt die Rechtsprechung eine eingeschränkte Haftung für die Fähe, wo dem Verletzten ein A b w e h r a n s p r u c h zustand und durch Gesetz entzogen i s t 5 5 4 . Dies wird besonders auf § 26 der Gewerbeordnung gestützt: „Soweit die bestehenden Rechte zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen, welche von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück geübt werden, dem Eigentümer oder Besitzer des letzteren eine Privatklage gewähren, kann diese Klage einer mit obrigkeithcher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage gegenüber niemals auf Einstellung des Gewerbebetriebs, sondern nur auf Herstehung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen oder, wo solche Einrichtungen untunlich oder mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar sind, auf Schadloshaltung gerichtet werden." Diese Vorschrift kann zwar unbedenklich auch auf solche Betriebe ausgedehnt werden, auf die kraft Landesrechts der § 26 der Gewerbeordnung erstreckt ist (Art. 125 EG. BGB.). Aber man hat sie auch in einer ganz anderen Richtung weiter ausdehnen wollen : man hat daraus gefolgert, daß die durch Unglücksfähe entstehenden Schäden von dem Unternehmer auch ohne dessen Schuld zu tragen seien. Und das ist unhaltbar. Wie aus dem mitgeteilten Inhalt des Gesetzes deutlich hervorgeht, wird dadurch ledighch der Inhalt des Abwehranspruchs (§ 1004 BGB.) bestimmt. Diese Klage, die zur Abwehr der Einwirkungen dient, soh nur auf Schutzeinrichtungen gerichtet werden können. Der danach erwähnte Schadensanspruch dient ledighch zum Ersätze solcher Einrichtungen, fahs sie nicht ausführbar sind. Aus diesem ganzen Gedankengang ergibt sich mit Sicherheit, daß nur der Schaden, der durch die behördliche 653

H e r g t a. a. O. 66ff. R G . 17, 107. 58, 130. 59, 71 ff. 63, 376. 70, 150. 95, 271. 97, 290ff. 98, 347. 100, 69. 101, 102. 108, 310. 113, 306. 122, 137; J W . 1910, 580, 618. 1912, 869. 1926, 364. 554

Allgemeine Gefährdungshaftung.

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Entziehung des Abwehranspruchs verursacht wird, zu ersetzen ist. Dieser Anspruch aber war nicht auf Ersatz der Unfähe, sondern nur auf Beseitigung der Störung und Unterlassung gerichtet (§ 1004 BGB.) 5 5 5 . Deshalb kann auch die Entschädigung, die für seinen Verlust gewährt wird, nicht auf Ersatz anderer Schäden, insbesondere also der Unfälle gehen 556 . Wer z. B. durch die Nachbarschaft einer gef ährhchen Fabrik bedroht wird, kann die durch diese Gefahr verursachte Wertminderung seines Hauses beanspruchen, weil er durch die Entziehung des Abwehrsanspruchs beeinträchtigt wird. Aber er kann nicht für eine unverschuldete Explosion Ersatz fordern. Denn ein Anspruch auf Ersatz dieses Schadens stand ihm ja auch von vornherein nicht zu, ist ihm also durch den Eingriff der Behörde nicht entzogen worden: auf ihn kann sich also nicht die Entschädigung erstrecken, die für diesen Eingriff gewährt werden soll. Daß dies richtig ist, zeigt sich besonders deuthch in den Fähen, wo die Konzession gar nicht wegen einer besonderen Gefährhchkeit, sondern wegen der Störungen durch Gerüche und Lärm verlangt wird, wie bei einer Kläranlage. Es wäre gar nicht zu verstehen, weshalb der Unternehmer hier für einen unverschuldeten Unfall haftbar gemacht werden sohte. — Man hat freilich dagegen eingewendet, der Nachbar hätte einen Anspruch auf Abwehr der besonderen konkreten Gefahr, die zu dem Unfall führte, gehabt 557 . Aber dieser Anspruch ist ihm ja nicht durch die Behörde entzogen worden, sondern nur aus dem rein tatsächhchen Grunde, daß er die Gefahr nicht kannte, unverfolgt geblieben. Nicht selten hat man die Ausdehnung auch auf den § 907 BGB. gestützt, durch den der Abwehranspruch auch auf die Herstellung und Haltung von Anlagen erstreckt ist, die noch keine Einwirkung enthalten, aber sie doch mit Sicherheit voraussehen lassen 558 . Aber auch dieser Beweisgrund kann nicht anerkannt werden. Denn diese Vorschrift dehnt ledighch den sonstigen Anspruch insoweit aus, als auch schon vor dem Auftreten von Störungen ein vorbeugender Anspruch gegeben wird. Aber sein Inhalt ist eben665 i r r i g L i n c k e l m a n n , J W . 1903, 8. 566 So r i c h t i g R G . 101, 102. 105, 213; GruchBeitr. 50, 411; J W . 1905, 503. 1912, 869. 1930, 1209; W a r n e y e r 1915 N r . 81 ; M ü l l e r - E r z b a c h , Z i v A r c h . 106, 336; F u l d a. a. O. 36, 621. — Dagegen R i e h l , GruchBeitr. 51, 155; K r e t z s c h m a r , Sachenrecht 4 zu § 906; P l a n c k 4 zu § 907; R G R K . 1 zu § 823. 557 O L G . F r a n k f u r t , LeipzZ. 1919, 1284; dagegen H e r g t a. a. O. 79. 558 Insbesondere R G . 101, 102. 104, 85; J W . 1907, 299.

Unrechtshandlungen.

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falls nur darauf gerichtet, daß solche Anlagen „nicht hergestellt oder gehalten werden": also gleichfahs nur auf Abwehr und nicht auf Schadensersatz. Auch hier ist die Entschädigung daher ebenso auf den Schaden zu beschränken, der durch die Entziehung dieses Abwehranspruchs bewirkt wird. Für die schuldlos entstehenden Unfähe wird auch durch § 907 keine Haftung begründet : sie wird also auch nicht durch die Konzession beschränkt, und es kann dafür nicht Ersatz geleistet werden. Überdies war die Anwendung des § 907 in ahen entschiedenen Fähen 5 5 9 auch insofern irrig, als eine Schädigung nicht „ m i t Sicherheit" vorauszusehen war. Weder war eine Entgleisung der Kleinbahn mit Sicherheit zu erwarten noch läßt sich behaupten, daß eine Munitionsfabrik sicher in die Luft fhegen wird. § 378. Weiterhin hat man die Zufallshaftung daraus ableiten wollen, daß eine Enteignung vorliege,für die nachArt. 153 der Reichsverfassung eine angemessene Entschädigung geleistet werden müsse. Die Enteignung wird wieder darin gesehen, daß durch die Erteilung der Konzession dem durch Gefahr Bedrohten der unmittelbare Abwehranspruch entzogen wird. Aber dagegen sind dieselben Bedenken wie vorher zu erheben. Der Abwehranspruch enthält kein Recht auf Schadensersatz und daher kann auch seine Entziehung nicht eine solche Entschädigung hervorrufen. — Fahs aber kein Eingriff einer Behörde erfolgt, sondern die Einschränkung durch ein Gesetz geschehen ist, t r i t t dazu noch das weitere Bedenken, ob dies auch unter den Begriff der Enteignung fäht. Viele wohen diesen nur auf einen Eingriff durch Verwaltungsakt beziehen 560 . Allerdings hat das Reichsgericht sich für die Ausdehnung auf die Gesetzgebung ausgesprochen 561. Aber dies kann, wie eine neuere Entscheidung 562 mit Recht ausführt, doch nur für solche Gesetze gelten, die einen bestimmten Personenkreis betreffen. Sonst würde man zu dem ungeheuerlichen Ergebnis kommen, daß fast jeder A k t der Gesetzgebung Schadensansprüche hervorrufe. Denn es gibt ja kaum ein Gesetz, das nicht gewisse Teile der Bevölkerung belastete. Auch wenn dadurch ein einzelner Berufsstand geschützt 559

R G . 101, 102. 104, 85; J W . 1907, 299. Besonders S c h m i t t , Die Auflösung des Enteignungsbegriffs 495; ferner K r ü c k m a n n , LeipzZ. 1926, 325ff.; Enteignung u n d Einziehung 35; R i e ß , Enteignungstypen i n der Rechtsprechung 227. 661 R G . 103, 200ff. 107, 370ff. 109, 310ff. 111, 123, 320. 116, 268ff. 582 R G . 129, 149. 580

Allgemeine Gefährdungshaftung.

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oder gefördert werden soll, werden dadurch regelmäßig andere zurückgesetzt. Außerdem bleibt noch die umstrittene Frage, ob es sich bei der Enteignung nicht um einen Eingriff in das Eigentum handeln muß und ob auch eine andere Form der rechthchen Benachteihgung unter diesen Begriff fällt. Endhch hat man eine Zufallshaftung aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 867, 904 und 962 BGB. ableiten wollen 5 6 3 . Aber in diesen Fähen handelt es sich um bewußt eigenmächtige Eingriffe in fremdes Eigentum, die nur aus besonderen Gründen geduldet werden. Sie werden zwar teilweise als rechtmäßig behandelt : aber insoweit, als der Handelnde für den Schaden haftbar gemacht wird, bleibt die Handlung rechtswidrig. Daher ist diese Verletzung der fremden Rechte, die bewußt erfolgt, als vorsätzlich anzusehen. Eine Haftung für Zufah ist also hierin gar nicht zu erbhcken (oben S. 647). Außerdem handelt es sich, wie deuthch erkennbar, um scharf abgegrenzte Ausnahmevorschriften. So müssen wir uns auch gegenüber dieser neuen Rechtsbildung ablehnend verhalten. Gewiß gibt es einzelne Fähe, wo das Fehlen einer solchen Zufallshaftung als Lücke empfunden wird. Aber man muß sich hüten, darüber die große Menge der ahtäglichen Unfähe zu übersehen, die meistens auch durch irgendwie gefährliche Handlungen oder Betriebe hervorgerufen sind. Unsere Gesetzgebung hat sehr wohl daran getan, nur einige bestimmte hiervon, insbesondere die Eisenbahnen und Tierhalter, herauszugreifen und mit einer solchen Haftung zu belegen. Und selbst wenn sie diese Grenze zu eng gezogen hätte, so ist das nun einmal ihr Standpunkt, nach dem wir uns richten müssen. Denn die Rechtslehre und Rechtsprechung sind zwar berufen, über den Wortlaut der Gesetze hinaus ihren Sinn und Inhalt zu finden : diesen aber dürfen sie nicht nach den eigenen Wünschen abändern. Zwar meint man, daß der Richter auch die Lücken des Gesetzes auszufüllen berechtigt sei. Aber das ist nur für die sogenannten echten Lücken anzuerkennen, wo ein Gesetz unvollständig ist und zu seiner Anwendung einer Ergänzung bedarf. Nicht aber ist das gleiche auch dort berechtigt, wo man ledighch einen erwünschten Rechtssatz vermißt und dessen Fehlen als eine Lücke empfindet. K i p p , J W . 1908, 643 u n d andere.

B i n d i n g , Handb. X , 2. I I : Leonhard, Schuldrecht I I .

43

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Inhaltsregister. (Es sind die Seitenzahlen genannt.) A. Abgaben 16ff. Abhängigkeit 196, 199ff., 319ff., 516ff., 605. Ablieferung 76. Abnahme 93ff., 227ff. Abnutzung 151, 152, 176. Abrechnung 351. Abschließungsvertrag 103, 183, 190. Absolut 143ff., 171ff., 568ff. A b s t r a k t 335, 348ff., 354ff., 372ff., 395, 405, 459, 483ff. A b t r e t u n g 145, 191. Abvermietung 152. Abzahlungsgeschäft 108 ff. Ä d i l e n 44. Äquivalenz 337, 344. Aftermiete 152. A k k o r d 197. A k t i e 403. A k t i v e Betätigung 646. Akzept 372ff. Akzessorisch 140, 319ff. Allgemeine Gefährdungshaftung 667ff., a. Unterlassungsklage 633ff. Allgemeinheit 573. A l l w i r k s a m 143ff., 171 ff., 568ff. Amortisation 398, 408. Amtsverletzimg 587ff. Anderer 573. Anerkenntnis 344ff., 348ff., 459ff., 492. Anfechtung 84, 125, 141, 321, 336ff., 483. Angehörige 147, 439. Angestellte 199ff., 214, 605ff. Annahme 79, 93ff., 107, 108, 152, 154, 206, 207ff., 225. — A . der Anweisung 364ff., 372ff. — verpönte A . 493 ff. Anrechnung 154, 207, 231. Anrechte 95ff. Anschlag 216, 231 ff. Anwachsung 293ff. A n w a l t 115, 198ff., 212, 213, 756. Anweisung 90, 357ff., 473, 486. — A . des Geschäftsherrn 250. Anzeige 152, 169. Arbeiter 193ff., 208, 209ff., 214, 560, 580.

Arbeitsfreiheit 552, 561. Arbeitsgemeinschaft 208. Arbeitsrecht 193ff. Arbeitsverträge 4, 193ff. Arbitrage 57. Arglist 33, 59. Armenpflege 427. Artzweck 313. A r z t 115, 198ff., 201, 212, 255, 257, 420, 435ff., 439, 447. Aufgabe der Gesellschaft 272ff. Aufgebot 398ff. Aufhebung 161. Auflage 133ff. Auflassung 17, 21. Auflösung 292 ff. Aufrechnung 27, 185, 190, 203, 321. A u f r u h r 665. Aufsuchen des Dienstes 213. Aufsicht 575, 599, 605ff., 608ff. Auftrag 245ff., 281, 306, 362. — ohne A . 419, 431. Aufwendungen 145ff., 271, 359ff., 440ff. Ausbesserung 145ff., 176, 217ff. Ausgleichung 451 ff. Auskunft 250, 436, 575. Auskunftsstellen 258, 558. Auslegung 243. Auslobung 241 ff. Ausscheiden 292ff. Außerkurssetzung 399. Aussonderung 464ff. Aussperrung 209, 560, 580. Ausstattung 386ff., 404. Ausweispapiere 396ff. A u t o 61 I f f . Β. B a h n 217, 402, 661 ff. B a n k 257ff., 261, 265ff., 358ff., 399, 473ff. Banknote 292, 398. Barkauf 13ff. Baubeschränkungen 31. Bauhandwerker 229 ff. Bauwerk 222, 609ff. Beamte 163, 587 ff. Bedingung 22, 95ff., 98, 104ff., 237, 339ff., 351, 519ff. B e i t r i t t 139, 140.

Inhaltsregister. Befangen 531 ff. Beförderung 5, 215, 222. Befreiung 327. Begebung 386. Behauptungen 549, 585ff., 643ff. Beiträge 278ff. Beleidigung 549, 585ff., 643ff. Belieben 95ff., 99, 101. Belohnende Schenkung 12Iff. Beratung 258. Bereicherung 451 ff., 532ff., 538. — B.-Einrede 539ff. Bergwerk 664. Beschränkungen 124 ff. Besichtigung 449. Besitz: Verkauf 5. — Übergabe 19. — bei der Miete 166. — als Gegenstand eines Ausgleichsanspruchs 455ff. — einer Verletzung 565ff., 569ff. B e s t a t t u n g 633. Bestellung 605ff. Beteiligte 621 ff. Beteiligung 202, 276. Betrieb 559ff. — des Kraftfahrers 612, 615ff. — der Eisenbahn 662. — des Luftverkehrs 665ff. — gefährliche B . 647, 669. Betriebsgemeinschaft 209. Betriebsleiter 664. Bewachung 261 ff. Beweggründe 516ff., 520ff., 537ff. Beweislast 14, 79, 88, 98, 188, 266, 492, 528ff., 602ff., 621. Beweisurkunde 381 ff., 396, 459. Beweisvertrag 347. B i l d 554. Billigkeitshaftung 597 ff. B l a n k o i n d o s s a m e n t 407 ff. Börse 309ff. B o r d e l l 505. B o y k o t t 209, 560, 580. Briefe 449, 450, 557, 558. Bürgschaft 139, 169, 313ff. Buße 542, 630. C· Causa 335ff., 348ff., 474ff., 482ff., 495ff. Chance 7. Clausula 192. Condictio 452 ff. — e. i n d e b i t i 483ff. — ob t u r p e m causam 493ff. — causa data 512ff. D. Darlehn 185ff., 306. —Verwahrungsdarlehn 264ff. Dauerleistungen 337.

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Deckungsverhältnis 359ff., 373, 377ff. D e l i k t e 540ff. Depotgesetz 2Θ6. Dieb 635ff. Dienste 634. Dienstlohn 197ff., 202ff., 206ff. D i e n s t v e r m i t t l u n g 240. Dienstvertrag 193 ff. Dienstzeugnis 213, 571, 572. Differenzgeschäft 308ff. Dinglichkeit 171 ff. Dispositivsurkunde 381. Drittenschutz 356fS., 374ff., 395, 405ff. D r i t t z a h l u n g 358ff. E. Ehebruch 562, 644. Ehegatten 118ff., 139ff., 158, 203, 275, 412, 562, 624. Ehre 549, 555ff., 585ff., 643ff. Eigene Sorgfalt 263, 280. — e. Verschulden 624, 663. Eigenmacht 569, 570. Eigenschaften 45ff. Eigentum an Forderungen 562ff. — an Wertpapieren 380, 388, 392ff., 406ff. Eigentumsverschaffung 33ff. Eigentumsvorbehalt 19, 25, 41,104ff. Einbringung 157, 268, 278. E i n i g u n g 20. Einrede 76ff., 320, 323ff. — der Arglist 539, 540, 581. Einsturz 609ff. Eintragung 269, 458. E i n t r i t t eines Gesellschafters 293. E i n w i l l i g u n g 361 ff., 431 ff., 436ff., 445ff., 602. Einziehung 284ff., 371. Eisenbahn 217, 402, 661 ff. Eisernvieh 177 ff. Elektrischer Strom 4ff., 215. E l t e r n 117ff., 608ff. Empfehlung 256 ff. E m t i o spei 7. — e.-venditio 15. Enteignung 672 ff. Entgelt 11, 121, 133ff., 137ff., 279. E n t w e h r u n g 36 ff. Entziehung des Besitzes 565 ff., 637ff. Erbfolge 102. Erfolgsschuld 533. E r f ü l l u n g 17 ff. Erfüllungsort 18, 28ff., 322. E r h a l t u n g 145ff., 176, 184. Erheblicher Mangel 55. Ermächtigung 55, 362ff., 431ff., 445. Erneuerungsschein 400ff. 43*

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Inhaltsregiser.

Ersatz der Übergabe 19, 20ff. Ersatzberechtigung 631. Ersitzung 479. Ersparung 461. Erstattungsübergang 324ff. Erwerbstätigkeit 639ff., 655ff. Etwas 454ff., 533ff. E v i k t i o n 36ff. F. F a b r i k 208, 209, 664, 668ff. Fahrgast 619, 627, 631, 666. Fahrkarte 6, 401 ff. Fahrlässigkeit 62ff., 599. Fahrzeug 61 I f f . , 665ff. Familie 548, 549, 561 ff. Fehler 45ff. Fernsprecher 138. Feststellungsverträge 344ff. F o r m 13, 125, 132, 141, 162, 277, 301 ff., 315ff., 329, 334, 351ff., 389ff. Fortsetzung 165. Frachtbrief 90. Frachtvertrag 232, 66Iff. Freiheit 551, 552. Freiwillige Geschäftsführung 419ff., 431. Fremdes Geschäft 247ff., 420ff., 424ff. — f. Sache 9, 32ff., 470ff., 510ff. — f. Schuld 618, 648. Fristen 161ff., 189, 211, 244. Fristsetzung 220ff. Früchte 9, 173ff. F ü h r u n g der Geschäfte 281, 360ff., 419ff. Fürsorge 246ff., 420ff. Funkenflug 669ff. G. Garantie 51ff., 58, 59, 76, 87, 148. Garantievertrag 330ff. Gastwirt 266ff., 647. Gattungskauf 10, 80ff., 97. Gefälligkeitsvertrag 137. Gefährdimg 541ff., 618ff., 622,645ff. Gefahr 16ff., 26ff., 55, 107, 177, 197, 198, 226, 251 ff., 337, 439, 645ff. Gegenleistung 89, 121, 133ff., 251, 279. Gegenstand 3ff., 549ff. Geheimnis 4, 557ff. Gehilfen 202, 249, 605ff. Gehorsam 201. Geisteskrankheit 596, 608ff. Geistige Erzeugnisse 6, 559ff. Geld l l f f . , 48, 88, 110, 185ff., 270, 323.

Gemeinschaft 274ff., 41 I f f . Gemischte Schenkung 129ff. Gemischte Verträge 138, 216, 233. Genehmigung 390ff., 445, 510. Gesamte H a n d 283, 41 I f f . Gesamtschuld 313ff., 322, 623ff. Geschäft (alsTätigkeit) 245ff., 254ff., 328, 420ff. Geschäft (als Unternehmen) 4, 45, 559ff. Geschäftsanweisung 359ff., 367ff. Geschäftsbücher 281, 450. Geschäftsfähigkeit 433, 440. Geschäftsführung 146, 281, 360ff., 419ff. Geschäftsgrundlage 347, 517ff. Geschlechtliche Verfehlungen 586ff. Gesellschaft 27Iff. Gesetzliche Schulden 409ff. Gesundheit 149, 544ff. Gewähr 36ff., 41, 44, 77ff. Gewaltverhältnis 200. — öffentliches G. 592ff. Gewerbsmäßig 307. Gewinn 278ff. Gewohnheitsrecht 668 ff. Gleichwertigkeit 11, 337, 344. Glücksverträge 297ff. Grund 335ff., 348ff., 474ff., 482ff., 495ff., 513ff., 524ff. Grundbuch 458. Grundlage 336ff., 342ff., 345ff. Grundlose Verschiebung 45Iff. Grundstück 13, 21, 141. Güter 544ff. H. H a f t u n g 314. — Aasschluß der H . 657ff. H a l t e r 613ff., 655ff. Handelsgeschäft 4, 45, 559ff. Handelsrecht 263, 294ff. H a u p t m ä n g e l 86. H a u p t s c h u l d 314ff., 324ff. Hausmeister 138. Haustier 655. H e i l u n g 127. H e i r a t 118. H e i r a t s v e r m i t t l u n g 241. H e m m u n g 76. Herstellung 217ff. Herstellungstheorie 68ff., 387. Hinkendes Inhaberpapier 400. Höchstpreise 89. Höhere Dienste 198ff., 212. Hoffnungskauf 7ff. H o n o r a r 115, 198ff., 447. Hypothekenbrief 380ff., 383, 408.

Inhaltsregiser. Ι. Immaterialgüter 551, 554. Indossament 403ff. Industrie 194, 196, 208, 209ff., 580. I n f l a t i o n 178ff. Inhaberpapier 385 ff. Innengesellschaft 277. Interesse 425ff., 429, 441 ff., 448. I n v e n t a r 173 ff. I r r t u m 336ff., 431, 488ff. J. Jagdpacht 660. Jugend 596, 608ff. K. K a m p f m i t t e l 209, 560, 580. K a r t e l l e 295. K a r t e n 6, 400ff. K a u f 3ff. — K . auf Probe 95. — K . b r i c h t n i c h t Miete 165. Kaufpreis 11, 88. Kenntnis 34, 56, 149, 488ff., 528. K i n d e r 117, 119, 561, 562, 596, 608ff., 633ff. Körper 544ff., 551 ff., 630ff. — k . Gegenstände 550ff. K o l l i s i o n 414ff. Kommissionär 473. K o n d i k t i o n 452 ff. Konkurrenz 626ff., 636ff. K o n k u r s 144, 203, 292, 319, 325. Konkursverwalter 13. K o n t o 186, 359. Konzession 670ff. Kostbarkeit 270. Kosten 30. — auf K . 463ff. Kostenanschlag 216, 231ff., 322. Kraftfahrer 61 I f f . Kraftloserklärung 398. Kraftwagen 61 I f f . Krankenfürsorge 205. Kreationstheorie 387ff. K r e d i t 15ff., 89ff., 91, 327ff., 337. K r e d i t a u f t r a g 328ff. K ü n d i g u n g 161ff., 179, 181ff., 211ff. 23 I f f . K ü n f t i g e Sache 7 ff. Kundschaft 4. L. Landwirtschaftliche Pacht 176ff. Lasten 16ff. Leben 299ff., 544, 632. L e g i t i m a t i o n 381, 395ff. Lehrer 593, 608, 609. Leibrente 299ff. Leihe 183ff. Leistung 18ff., 451 ff., 461 ff., 479ff.

677

L o h n 197ff., 202ff., 206ff., 236ff., 251. Lohnversprechen 235ff. Lose Gemeinschaft 274ff., 41 I f f . Lotterie 307, 308. L u f t f a h r t 665ff. Luxustier 655ff. M. Mäklervertrag 235ff. Mancipatio 15. Mangel 31ff., 44ff., 53, 128, 135, 145ff., 217ff., 219ff., 225. — M . des Rechtsgrundes 451 ff., 495ff., 513ff. Marken 401 ff. Marktpreis 88. Mehrheit 2 8 I f f . — v o n Tätern620ff. Mehrwirksame Ansprüche 156, 173, 530. Miete 136ff. Mieterschutz 180 ff. Minderung 65ff., 148, 220. — M . des Vermögens 115 ff. Mißernte 175. Mitbürgen 322, 326. Miteigentümer 416. M i t g i f t 118ff. Mutmaßlicher W i l l e 434, 441 ff. N. Nacherbe 585ff. Nachrede 549, 585ff., 643ff. Nachweis 236ff. Name 554ff. Natürliche Schulden 116ff., 307, 487 ff. Naturereignisse 616. Nebenschuld 313ff. Nebenrechte 326ff. Neulieferung 218. Nichtberechtigter 469ff., 510ff. Nichtschuld 483ff. Notenbank 392. Notlage 123, 124. Not-Mietrecht 180ff. Notwehr 601, 603. Nurgesetzliche Schulden 409ff. Nutzungen 16ff., 25ff., 457ff., 531ff. 0. Obhut 260. Öffentliche Gewalt 592 ff. — ö. Glaube 32, 158, 384, 386ff., 470ff., 510ff. — ö. Interesse 435. — ö. Recht 483. Opfer 115. Option 103, 104. Orderpapiere 391, 402, 403ff. Ort 18, 27, 28ff., 322. Ortschaft 27.

678

Inhaltsregiser.

P. Pacht 173ff., 660. Partiarische Vergütung 197, 202, 276, 277. Persönlichkeit 544, 552ff., 559. Personen-Verletzung 544ff., 630ff. Pfändung 202ff., 287, 288, 416, 417. Pfandrecht 32ff., 57, 139, 157ff.,176, 229ff., 270, 323, 326. Pferd 86, 652ff. Pflichtteil 124. Polizeiverordnungen 573ff. Preis 11, 48. Preisausschreiben 244. Privatstrafe 542. Probe 95ff. Prozeß 581ff., 600, 635ff. Prozeß-Vergleich 327ff., 344. R. R a t 247, 256ff. R a u m 187, 204, 260. Realkauf 13ff. Realschenkung 112ff. Realvertrag 183, 186, 261. Rechenschaft 250, 436. R e c h t : K a u f v o n R . 4ff., 33, 45. — Pacht 174. — Verletzung 545ff. Rechtsanwalt 15, 198ff., 212, 213, 756. Rechtsgrund 335ff., 348ff., 474ff., 482ff., 495ff., 513ff., 524ff. Rechtsgut 544ff., 641 ff. Rechtskraft 583ff. Rechtsmängel 31ff., 128, 150. Rechtsnachfolge-Papier 384, 408. Rechtsschein 32, 158, 384, 386ff., 470ff., 510ff. Rechtsstreit 581ff., 600, 635ff. Rechtsverschaffung 33ff. Rechtswidrig 578, 600ff. Regreß s. Rückgriff. Reichsanzeiger 391. Reichsbahn 663. Reichsbank 392. Remuneratorische Schenkung 12Iff. Rennwetten 307. Rente 632ff. Restitutionsklage 583. Rückbürgschaft 324. Rückforderung 123ff., 451 ff. Rückgabe 155, 188ff. Rückgriff 324ff., 593, 624. R ü c k h a l t u n g 155, 190. R ü c k t r i t t 23, 73, 90, 100, 146, 280, 527. S. Sachmangel 31, 44ff., 219ff.

128, 147ff.,

Saldo 532ff. Sammeldepot 266, 413, Schadensersatz 43ff., 51, 60ff., 74, 83ff., 87, 148, 155, 214, 223, 224, 249, 282, 423, 434ff., 542ff., 630ff. Schätzung 177ff., 187. Scheck 403. Schlafwagen 267. Schmerzensgeld 635ff. Schöpfungen 6, 558ff. Schrankfach 138, 261, 262. Schuldbeitritt 139, 140. Schuldort 18, 27, 28ff. Schuldprinzip 599ff., 646. Schuldrechte: Verletzung 547ff., 562ff. Schuldschein 188, 351 ff. Schuldversprechen 348ff., 352, 353. Schutz der Angestellten 203ff. Schutzgesetz 570ff. Schwarzfahrten 457, 614. Selbstmord 435ff. Sittliche Pflicht 435ff. Sofortige K ü n d i g u n g 164, 212, 253. Sonderrecht 65. Sortiment 184. Sparkassenbuch 402, 408. Sperre 398 ff. Spezieskauf 90. Spiel 303ff. Staat 390ff., 592ff., 665. Staatliche Genehmigung 307, 390ff. Steinbruch 664. Stellenvermittlung 240. Steuer 30ff., 32, 483, 491. Stille Gesellschaft 276. Stillschweigende Bedingung 339, 519ff., 525. Stipulatio 349. Stoff 216, 233ff. Strafrecht 570ff., 641, 644. Straßenkosten 32. Streik 209, 332ff., 580. Stückkauf 90. Submission 232. Subsidiär 321, 322ff., 481, 589ff. Sukzessivleistungen 10, 302, 337. Surrogation 531. T. T a l o n 400ff. Tarifvertrag 209ff. Tatbestand der Unrechtshandlungèn 543 ff. Tausch 11, 12, 110, 111. Taxe 237. Teilleistung 10. Teilstreik 208. Teilung des Rechts 413ff.

Inhaltsregisfcer. Theater 6, 138, 173, 215, 216, 262. Tier 649 ff. T o d 162, 292, 300, 633. Todesfall 128, 129. T ö t u n g 631ff., 633. Transport 5, 74, 215, 222. Treupflicht 201, 239. Trödelvertrag 184. U. Übergabe 16ff., 19ff., 28ff. Übergang des Dienstverhältnisses 202. — der Forderung 324ff. — der Gefahr 26ff. — der Gesellschaftsrechte 283. — des Mietverhältnisses 167 ff. — wirtschaftlicher Ü . 16 ff. Übernahme 434ff. Übersendung 26ff., 28ff., 89. Übertragung 16 ff. Umsatzsteuer 30. Umtausch 97, 397. U m w a n d l u n g 186ff., 399. Unabwendbar 614. U n b e s t i m m t 141 ff. U n d a n k 124. Unechte Geschäftsführung 420ff., 429. Unentgeltlich 114, 470ff. Unerlaubte Handlungen 540ff. Unfallversicherung 661, 665. Ungewißheit 332 ff. Unmittelbare Verschiebung 468 ff. Unmöglichkeit 7, 80, 206ff., 223ff., 319ff. 528. Unpfändbarkeit 8, 158ff., 202ff. Unrechtshandlungen 540ff. Unruhen 665. Unsittliches Benehmen 561. — u. Empfang 493ff. — u. Leistung 484ff. — u. Schädigung 577ff. — u. Versprechen 355ff. U n t e r h a l t 118, 123, 435ff., 633ff. Unterlassung 531ff., 598ff., 638ff. Unternehmen 5, 45, 46, 559ff. Unvermögen 9ff., 43. Urheberrecht 6, 202, 422, 458, 558ff. Urkunde 315ff., 365ff., 379ff., 397, 450ff., 459. Ursache 597ff., 646ff., 650ff. U r t e i l 591 ff. V. Veräußerung 11, 15, 21, 111. Veranlassung 646. Verantwortlichkeit 595 ff. Verarbeitung 216. Verbrauch 457ff. Verdacht 48. Verdingung 232.

679

Verein 294. Verfügung 469ff., 510ff. Verfügungsrechts-Theorie 388, 392, 404. Verführimg 586. Vergleich 332ff., 351, 352. Vergütung 216ff., 223. Verhalten 614ff. Verjährung 75ff., 87, 157, 221, 399, 625. Verkäufer 28ff. Verlängerung 76, 165, 213. Verletzung v o n Rechtsgütern 544ff., 604. — Rechten 545ff. — Gegenständen 550ff. — des Besitzes 569ff. — A r t der V . 564ff. V e r m i t t l u n g 236ff. Vermögen 4. — V.-Verschiebung 454ff. Vermutungen 573ff. Verordnungen 573ff., 493ff. Verpönter Empfang 493ff. Verrichtung 605ff. Verschiebung 451 ff. Verschulden 62ff., 150ff., 204,494ff., 567, 589ff. Verschweigen 59, 61 ff. Versendung 26ff., 28ff. Versetzung 163. Versicherung 304. Verstoß 493ff. Vertrag 122, 160ff. Vertragstheorie 67ff., 386ff. Vertrauensschutz 32, 158, 384, 386ff., 470ff., 510ff. Vertretbare Sachen 185ff., 367. Vertreter 64, 288. Verursachung 598ff., 646ff., 650ff. Verwahrung 260ff. Verwahrungsdarlehn 264ff> Verweisung 318, 335. Verzicht 33, 56, 75, 222. Verzinsung 90ff. Viehmangel 86ff. Virtuelle Voraussetzung 66, 521. Vollmacht 363. Vollstreckung 13, 144, 169, 170, 464ff., 509ff., 666. Voranschlag 216ff., 231ff. Voraussetzung 338ff., 342ff., 512ff., 520ff. Vorausverfügung 168. Vorbehalt 75, 104ff., 149, 222, 491. Vorkaufsrecht 101 ff. Vorlegung 400, 448 ff. Vorleistung 82. Vorsatz 577ff. Vorspiegeln 60, 577ff. Vorteile 5. 454ff. Vorvertrag 103, 183, 190.

680

Inhaltsregiser.

W· W a h r u n g berechtigter Interessen 556ff. Wandelung 65ff., 220. Ware 4, 12. Wechsel 403ff. Wegfall des Grundes 492ff. Werklieferung 233ff. Werkvertrag 196ff., 215ff. W e r t 48ff., 179. Wertmesser 179. Wertpapiere 31, 45, 47, 263, 265ff., 270, 367, 379ff. Wertverhältnis 11. Wertzuwachs 30, 460. W e t t e 242, 303ff. — W e t t f a h r t e n 620. Wichtiger G r u n d 164, 212, 253, 264, 417. Widerrechtlich 578/ 600ff. Widerruf 240, 244, 253ff., 378. Widerspruchsklage 464ff. Wiederholungsleistungen 10, 302, 337. Wiederkauf 98. Wildschaden 660ff. W i l l e 424ff., 434ff., 441 ff. W i r t 266ff. Wirtschaftlicher Übergang 16ff. Wohnsitz 28, 323.

W o h n u n g 149ff., 180ff. Wucher 484, 485, 506. Z. Zahlung einer Nichtschuld 483ff. Zahlungsmittel 12. Zahlungssperre 398. Zeichen 401 ff. Zeitliches Grenzrecht 180. Zettelbanken 392. Zeugnis 213ff., 571 ff. Zinsen 90ff., 321 ff. Zinsscheine 391, 398, 400ff. Zubuße 278. Zufall 151, 251 ff., 304ff., 646ff., 667 ff. Zufallsverträge 8, 297 ff. Zugrunde gelegter Sachverhalt 336ff. Zug u m Zug 89. Zusage 46ff., 49ff., 61ff., 57ff. Zuschuß 115, 118ff., 198, 301, 447. Zusendung 26ff., 28ff., 89. Zusicherung 46ff., 49ff., 51 ff., 57ff., 97, 98, 221. Zuwendung 114ff. Zwangsvollstreckung 13, 144, 169, 170, 464ff., 509, 510, 666. Zweck 272ff., 512ff. Zwecksetzung 512ff. Zwei-Kondiktionen-Theorie 533ff. Zweithaftung 321, 322ff.

681

Gesetzesregister. (Es w i r d auf die Seitenzahlen verwiesen.) BGB. 12: 554ff., 639. 64: 294. 99: 173. 119ff. : 40, 65, 84, 192, 243, 244, 244, 321, 338, 341, 487, 490. § 123: 390. § 134: 355ff. § 138: 355ff., 484ff., 495ff. § 139: 136, 142, 485. § 150: 22. § 168: 339ff., 518ff. § 162: 40, 107. § 171: 403. § 179: 433. § 182ff. : 362, 393. § 184: 510. § 196: 157. § 198: 399. § 222: 626. § 226: 78. § 226: 72, 578. § 227ff. : 601. § 229: 160. § 231: 647, 666. § 243: 10, 41, 80ff. § 248: 400. § 249: 620, 640. § 252: 621. § 254: 600, 617, 624, 657, 663. § 255: 511. § 262: 487. § 267: 108, 359. § 269: 18, 28ff., 180. § 270: 186. § 271: 189. § 273: 190. § 276: 26, 43, 151, 646. § 278: 164, 618, 627, 636, 637. § 280: 80. § 281: 511, 568. § 282f. : 266, 602. § 285: 94. § 287: 638. § 305: 53, 58, 190, 362, 363, 446. § 306: 7ff., 24, 33. § 313: 13, 31, 33, 52, 101. § 314: 177. § 320ff. : 23, 27, 44, 83, 89, 146, 154, 206ff., 223ff., 226, 263, 280, 344, 416.

§ § § §

§ 324: 207ff., 224. § 326: 10, 90. § 328: 315. § 329: 34, 354. § 346ff. : 69, 73, 527. § 362: 368. § 363: 228, 229. § 364: 350, 486. § 370: 403. § 372: 107. § 388 ff. : 190, 203, 321. § 398ff. : 171, 403, 498. § 399: 191. § 407: 382. § 409: 383. § 414: 34, 171. § 419: 172. § 425: 208. § 426: 30, 427, 624, § 427: 289, 530. § 432: 529. § 433: 3ff., 11 ff., 28ff., 31 ff., 42, 93. § 434ff. : 32. § 436: 34. § 437: 9, 33, 34, 47. § 439: 32, 34. § 440: 9, 10, 19, 37ff. § 442: 38. § 443: 33. § 444: 30. § 445: 13. § 446ff. : 16ff. § 4 4 6 2 : 21. § 447: 17, 26 ff. § 448: 30. § 449: 30. § 452: 90ff. § 453: 88. § 454: 90. § 455: 19, 20, 25, 41, 104ff. § 456: 13. § 459ff. : 44ff. § 460: 56. § 461: 57. § 462: 51, 54, 65ff. § 463: 51 ff., 57ff. § 464: 75. § 465: 68ff. § 466: 67. § 467: 73, 74. § 469: 73.

682 § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § §

Gesetzesregister.

470: 73. 471: 73. 472: 74. 475: 75. 476: 57. 477ff. : 75ff. 478: 71, 76. 479: 70. 480: 71, 80ff. 481ff. : 68, 86ff. 487: 69, 87. 493: 13, 65. 494ff. : 97. 495ff. : 95ff. 497ff. : 11, 98ff. 504: 101 ff. 515: l l f f . , l l O f f . 516ff.: 11 I f f . 517: 115. 518: 113, 116., 125ff. 519: 123. 520: 128. 521: 125, 128. 522: 128. 523: 128. 524: 128. 525ff. : 133ff. 528ff. : 123ff. 530ff. : 124. 534: 116. 535ff. : 136 ff. 536: 145. 537: 147, 148. 538: 148. 539: 149. 541: 144, 150. 542: 149, 164. 544: 149. 545: 149, 152. 547: 146. 548: 151. 549: 145, 152. 550: 153. 551: 154. 552: 154. 553: 153, 164. 554: 146, 154. 555: 155. 556: 155, 156. 557: 156. 559ff. : 157ff. 565 ff. : 141, 161 ff. 566: 141 ff. 568: 165. 569: 162. 570: 163. 57 I f f . : 141, 144, 165ff., 176. 578: 166. 580: 137. 58 I f f . : 173ff.

582ff. : 176ff. 586ff. : 177ff. 598ff. : 183 ff. 607ff. : 185ff. 610: 192. 61 I f f . : 193ff. 616: 206ff. 617: 205. 618: 204, 571. 620ff. : 210ff. 625: 213. 627: 201, 212. 629: 213. 630: 213ff., 571. 631 ff. : 193ff., 215ff. 632: 216ff. 633: 217ff. 634ff. : 219ff. 638ff. : 221. 640: 227ff. 641: 223. 642ff. : 224ff. 644: 225ff. 645: 225. 647: 216, 229ff. 651: 216, 233ff. 652ff. : 235ff. 654: 239. 656: 240. 657ff. : 241 ff. 659ff. : 243ff. 662ff. : 245ff. 663: 201, 249. 664ff. : 249ff. 669: 251. 670: 251, 360, 361, 440. 671: 253. 673ff. : 254. 675: 201, 245, 251, 254ff. 676: 256ff., 572. 677ff. : 246, 420ff., 431, 438ff. 678: 434ff. 679: 435ff. 680: 439. 681: 422, 423, 438ff. 682: 433, 440. 683: 121, 361, 366, 440ff. 684: 361, 432, 434, 445ff. 685: 434, 447. 686: 431, 446. 687: 424, 426, 428ff. 688ff. : 260ff. 690: 263, 629. 695ff.: 262, 264ff. 700: 260, 264ff. 701ff. : 266ff., 647. 702: 270. 705ff.: 27Iff. 706ff. : 278. 709ff. : 281.

Gesetzesregister. § 713: 282. § 717: 283. § 718: 283ff., 411ff. § 719: 287. § 723ff. : 280, 290ff. § 723: 277, 287. § 726: 273. § 730ff. : 290ff. § 736ff. : 292ff. § 741 ff.: 274, 284, 41 I f f . § 743: 416ff. § 744: 417. § 745: 417. § 748: 416. § 749ff. : 417ff. § 754ff. : 418. § 758: 417. § 759ff. : 299ff. § 762ff. : 242, 303ff. § 763: 308. § 764: 308 ff. § 765ff. : 313ff. § 766: 315ff. § 767: 321. § 768: 320ff. § 769: 322. § 772: 323. § 773: 323. § 774: 324ff. § 775ff. : 327ff. § 778: 328ff. § 779: 332ff. § 780ff. : 348ff., 352ff. § 781: 345, 346, 348ff., 352ff., 375. § 782: 351ff. § 783ff. : 357ff., 367ff. § 784: 367, 372ff., 377. § 785: 365, 369, 377. § 787: 369, 378. § 788: 372. § 789: 370, 372. § 790: 378. § 791: 379. § 792: 371. § 793ff. : 389ff., 392ff. § 794: 385, 386ff. § 795: 390ff., 395. § 796: 395. § 797ff.: 394, 395ff. § 801 ff.: 400ff. § 803: 400. § 805: 400. § 806: 399. § 807: 391, 401 ff. § 808: 402. § 809ff.: 448ff. § 810: 450. § 811: 26. § 812ff. : 122, 136, 343, 360, 373, 376, 395, 430, 451 ff.

683

812 I 2 : 512ff. 813: 483. 814: 117, 487, 488, 492. 815: 528. 816: 463, 466, 467, 469ff., 478, 482, 510ff., 563. § 816*: 512. § 817: 484, 488, 493ff. § 817 2 : 498ff. § 818: 530ff., 532ff. § 819: 527, 531. § 820: 527, 532, 538, 539. § 821: 540. § 822* 472, 530. § 823ff. : 63, 144, 256ff., 440, 540ff. § 8 2 3 1 : 544ff., 595ff. § 823 I I : 570ff. § 824: 549, 556, 557, 585ff., 643. § 825: 586ff. § 826: 214, 397, 561, 577 ff. § 827ff. : 440, 596ff. § 829: 597ff. § 830: 620ff. § 8302: 62Iff. § 831: 64, 603ff., 605ff. § 832: 576, 608ff. § 833: 647, 649ff. § 834: 656. § 835: 667ff. § 836ff. : 609ff. § 839: 58 7ff. § 839 I I : 591 ff. § 842ff. : 204, 620ff. § 843: 62 I f f . , 659, 660. § 844: 544, 633ff. § 845: 634. § 846: 634. § 847: 204, 635ff. § 848ff. : 637. § 849: 638. § 852: 625, 660. § 853: 626. § 854: 569. § 859: 455, 570. § 862: 639. § 867: 673. § 89 2 ff. : 32, 385. § 894: 458, 548. § 903: 571. § 904: 601, 602, 647, 673. § 928: 167. § 929: 20, 104. § 930: 19, 2 Off. § 931: 166. § 932: 32, 385. § 935: 12, 19, 394, 398, 510. § 946ff.: 412. § 950: 216. § 951: 457, 478. § 952: 394.

§ § § § §

684 § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § §

955: 478. 967: 673. 973ff. : 478. 985: 463, 548. 986: 166. 987ff. : 457, 532. 988: 479. 992: 567. 993ff. : 429. 1004: 569, 639. 670, 1006: 394. 1007: 455. 1008: 274, 412. 1011: 416. 1056: 170. 1094: 103. 1113: 388. 1133 ff. : 548, 571. 1155: 381, 385. 1162: 408. 1163: 505. 1207: 394. 1228: 33. 1247: 456. 1274: 403. 1292: 406. 1293: 403. 1294: 393, 406. 1358: 213. 1362: 394. 1380: 562. 1399: 363. 1423: 170. 1438: 711. 1546: 170. 1611: 441. 1618: 121. 1624: 118ff., 301. 1627: 575. 1646: 394. 1663: 170. 1667: 399. 1686: 170. 1714: 334. 1814: 399. 1818ff.: 380. 1835: 447. 2033: 411. 2034: 102. 2038: 418. 2042: 418. 2135: 170. 2301: 128ff. 2325ff. : 124. 2356: 384. 2367: 383, 563. 2371: 4.

Gesetzesregister. Einführungegesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch· A r t i k e l 42: 664. 77: 592. 100: 390, 401. 101: 399, 401. 102: 402. 113: 411. 119ff. : 411. 125: 670. 170, 171: 180. 176: 399. § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § §

Handelsgesetzbuch. 45: 451. 66: 211. 73: 571. 84ff. : 214. 105ff. : 295. 112: 278. 222: 383, 407. 335: 276. 338: 276. 350: 319, 324. 353: 189. 363: 403. 364: 405. 367: 399. 377: 77. 383: 407. 388: 263. 392: 251. 407: 263. 417: 263. 425ff. : 217, 232. 51 I f f . : 214.

Wechselordnung: 372, 396, 403ff. Gewerbeordnung. § 26: 670ff. § 105ff.: 214. Lohnbeschlagnahme- Gesetz 21. J u n i 1869: 203. Reichs-Haftpflichtgesetz 1871: 661ff. § § § § § § § § § § §

7. J u l i

Zivilprozeßordnung. 50: 294. 68: 38. 74: 38. 259: 640, 642. 323: 338. 580: 583. 717: 647. 736: 289. 771: 464ff. 794: 344. 805: 159.

G ese t zesr egister. § § § § § § § §

806: 33, 57. 810: 176. 851: 145, 202. 859: 288. 888: 202. 917: 666. 1003ff. : 398. 1019: 398.

§ § § § §

21: 23: 27: 43: 61:

Konkurs Ordnung. 170. 211. 211. 464ff. 203.

Abzahlungsgesetz 16. M a i 1894: 108. Börsengesetz 22. J u n i 1896: 309. Depotgesetz 5. J u l i 1896: 263. Zwangsversteigerung- Gesetz. § 10: 203. § 56: 33, 57. § 57: 170.

685

Verlagsgesetz 19. J u n i 1901: 217. Kraftfahrgesetz 3. M a i 1909: 61 I f f . Bauhandwerkergesetz 1. J u n i 1909: 230ff., 571. Tarifverordnung 23. Dezember 1918: 209ff. Reichsyerfassung. A r t i k e l 131: 592. 153: 647, 672. 157: 193. Betriebsrätegesetz 4. Februar 1920: 214. Schlichtungsordnung 1923: 210.

30.

Oktober

Arbeitsvermittlungs-Gesetz 16. J u l i 1927: 240. Notverordnung 1. Dezember 1930: 207.