Über die Wirkungsmacht der Rede: Strategien politischer Eloquenz in Literatur und Alltag 9783737097949, 9783899718621, 9783862348626

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Über die Wirkungsmacht der Rede: Strategien politischer Eloquenz in Literatur und Alltag
 9783737097949, 9783899718621, 9783862348626

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Jan C. L. König

Über die Wirkungsmacht der Rede Strategien politischer Eloquenz in Literatur und Alltag

Mit 17 Abbildungen

V&R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-89971-862-1 ISBN 978-3-86234-862-6 (E-Book) Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein Ð 2011, V&R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: REUTERS / Michael Urban Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Meinen Eltern

Es lebe, was auf Erden nach Freiheit strebt und wirbt, von Freiheit singt und saget, für Freiheit lebt und stirbt. Hoffmann von Fallersleben, Das Lied von der Freiheit

Hätten wir das Wort, hätten wir die Sprache, wir bräuchten die Waffen nicht. Ingeborg Bachmann, Fragen und Scheinfragen

Man sollte immer sagen, was man denkt, aber davor ein bißchen was gedacht haben. Harry Rowohlt

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Politische Reden, gute und schlechte: zum Geleit . . . . . . . . . . . . .

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1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die Wirkungsmacht des Wortes: Thema und Ziel der Arbeit . . 1.2 Problematik, Stand der Forschung und Forschungsansätze . . . 1.3 Gang der Arbeit, Material, Redenvergleich und weiterführende Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2 Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die pragmatischen und hermeneutischen Instrumentarien einer rhetorisch-diskursiven Analyse als Fundament für gelingende Sprachkunst und eine gute Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Die Wirklichkeit ist ein Diskurs: Die Kritische Diskursanalyse und die Notwendigkeit einer rhetorischen Textdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Das klassische rhetorische Analysemodell im Kontext seiner wirkungsorientierten Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.1 Die Gliederungen des rhetorischen Systems . . . . . . 2.1.2.2 Das Setting von Redner, Rede, Situation und Auditorium: aptum und Adressatenorientierung . . . 2.1.2.3 Logos, ethos, pathos: Die Wirkungsmächte der Rede . 2.1.2.3.1 Im Anfang war der logos: Sprachliche Mittel, sachlogische Persuasion und die Macht der logoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.3.2 Vox et motus: Die para- und außersprachlichen Mittel der actio . . . . . . 2.1.2.3.3 Die Macht des Gefühls: Affektenlehre . . . .

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74 85 91

10 2.1.3 Reading Close and from a Distance: Das Close Reading und die Historische Dialoganalyse . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Die Wirkungsästhetik der Rede . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Was ist eine gute Rede? Eine aktuelle Rhetorik als Geburtshelfer eines guten Gedankens. Eine Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die Rhetorische Diskursanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhalt

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3 Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden: Material, Analyse, Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Rede und politische Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Den Menschen einen Spiegel vorhalten: Das Problem der politischen Gedenkrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Nicht das, was gemeint war : Rhetorische Diskursanalyse der Rede Philipp Jenningers anläßlich der Gedenkstunde des Deutschen Bundestags am 10. November 1988 zum 50. Jahrestag der Judenpogrome in Deutschland . . . . . . . 3.2.1.1 Makroebene: Diskurs und Setting . . . . . . . . . . . 3.2.1.2 Mesoebene: Redetext . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.4 Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Du sollst dir kein Bildnis machen: Rhetorische Diskursanalyse der Verteidigungsrede des Doktors in Max Frischs Andorra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.1 Makroebene: Diskurs und Setting . . . . . . . . . . . 3.2.2.2 Mesoebene: Redetext . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.4 Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Den Menschen einen Spiegel vorhalten: Wirkungsmechanismen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . 3.3 Auf allen Kanälen: Die Doppelmedialisierung der Rede . . . . . . . 3.3.1 Die Einheit unserer Nation: Rhetorische Diskursanalyse der Rede Helmut Kohls vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche am 19. Dezember 1989 . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1.1 Makroebene: Diskurs und Setting . . . . . . . . . . . 3.3.1.2 Mesoebene: Redetext . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3.3.1.4 Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Geben Sie Gedankenfreiheit: Die Rede Marquis Posas in Friedrich Schillers Don Carlos . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1 Makroebene: Diskurs und Setting . . . . . . . . . . . 3.3.2.2 Mesoebene: Redetext . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.4 Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Die Doppelmedialisierung der Rede: Wirkungsmechanismen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Wenn der Wind sich dreht: Die Wirkungsmacht des Wortes . . . . 3.4.1 Wir sind im Krieg: Rhetorische Diskursanalyse der Fernsehansprache Gerhard Schröders vom 24. März 1999 . . 3.4.1.1 Makroebene: Diskurs und Setting . . . . . . . . . . . 3.4.1.2 Mesoebene: Redetext . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1.4 Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . 3.4.2 An Honourable Man: Rhetorische Diskursanalyse der Rede des Marc Anton in Shakespeares Julius Caesar . . . . . . . . 3.4.2.1 Makroebene: Diskurs und Setting . . . . . . . . . . . 3.4.2.2 Mesoebene: Redetext . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.4 Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Wenn der Wind sich dreht: Wirkungsmechanismen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Schlußbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Rhetorische Diskursanalyse und politische Rede . . . . . . . . 4.2 Resümee der Analysen und Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die wundervolle Erfindung einer wirkungsvollen Sprache: Ein Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5 Redencorpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Philipp Jenninger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Max Frisch: Zeugenaussage des »Doktors« in Andorra – Stück in zwölf Bildern von Max Frisch; nach dem Elften Bild . . . . . . . 5.3 Helmut Kohl: Rede des Bundeskanzlers vor der Frauenkirche in Dresden, öffentliche Kundgebung am 19. Dezember 1989 . . . .

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Inhalt

5.4 Friedrich Schiller : Die Rede des Marquis von Posa in Friedrich Schillers Don Carlos, Infant von Spanien; III. Akt, 10. Auftritt . 5.5 Gerhard Schröder : Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Lage im Kosovo, Fernsehansprache am 24. März 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 William Shakespeare: Die Rede Marc Antons in William Shakespeares The Tragedy of Julius Cæsar ; III. Akt, 2. Szene . . 5.7 Ignatz Bubis: Ansprache anläßlich der Gedenkstunde der 51. Wiederkehr der Synagogenzerstörung 1938 in Deutschland, am 09. November in der Westend-Synagoge in Frankfurt / Main . .

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6 Interviews und Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Nach Vorlage genehmigte Abschrift des Gesprächs mit Dr. Philipp Jenninger am 16. 05. 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Nach Vorlage genehmigte Abschrift des Gesprächs mit Dr. Dirk Ippen am 26. 01. 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Nach Vorlage genehmigte Abschrift des Gesprächs mit Dr. Thilo von Trotha am 23. 02. 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Nach Vorlage genehmigte Abschrift des Gesprächs mit Dr. Jeffrey Gedmin am 27. 02. 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Brief von Jutta Oesterle-Schwerin, 5. Februar 2009 . . . . . . . . . 6.6 Brief von Wolfgang Lüder, 3. Februar 2009 . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Brief von Dr. Hans-Jochen Vogel, Januar 2009 . . . . . . . . . . . . 6.8 Brief von Dr. Werner Hill, 23. Dezember 2006 . . . . . . . . . . . .

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8 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7 Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . 7.2 Abkürzungsverzeichnis antiker Literatur . 7.3 Abkürzungsverzeichnis neuerer Literatur 7.4 Verzeichnis abgekürzter Medientitel . . .

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Danksagung

Ich danke meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. hc. Ernest W. B. HessLüttich, für die ausgezeichnete Lehre und die engagierte und kollegiale Betreuung meiner Dissertation. Ich danke meinen Eltern – für alles. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ich danke der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Unterstützung meines Promotionsstudiums im Rahmen der Begabtenförderung. Zudem danke ich Prof. Dr. Hans Adler, Madison, USA Prof. Dr. Arnulf Baring, Berlin Prof. Dr. Chris Bezzel, Hannover Johanna Louise Arnaud de Calavon und Hans Vette, Uelzen Dr. Reimer Egge, Uelzen Laura Esser, Tübingen Dr. Jeffrey Gedmin, London Sven Haarmann, Willy-Brandt-Archiv, Bonn Dr. Werner Hill, Barsinghausen Prof. Dr. Walter Hinderer, Princeton, USA Horst Hoffmann, Uelzen Prof. Dr. Hans-Otto Hügel, Hildesheim Dr. Dirk Ippen, München Dr. Philipp Jenninger, Stuttgart Prof. Dr. Christine Janowski, Tübingen Prof. Dr. Manfred Kienpointner, Innsbruck Barbara Klemm, Frankfurt am Main Philip Klingler v / o Bilbo, Bern Prof. Dr. Joachim Knape, Tübingen Ilse D. König, Isenbüttel

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Danksagung

Dr. Lutz König, Uelzen Wolfgang Lüder, Berlin Lukas von Nordheim, Göttingen Dr. Joachim von Meien, Exten Dr. Dieter Meyer, Wrestedt Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, Berlin Dr. Walter Obschlager, Max Frisch-Archiv, Zürich Jutta Oesterle-Schwerin, Berlin Henning Otte, MdB sowie Markus Flasche und Dr. Wolf-Rüdiger Biernert, Berlin Dr. Claus Penschuk, Fintel Daniel Salzmann v / o Animus, Bern Prof. Dr. Yasushi Suzuki, Aichi, Japan Prof. Dr. Wilfried Stroh, München Dr. Thilo von Trotha, Berlin Prof. Dr. Jürgen Udolph, Göttingen Prof. Dr. Gert Ueding, Tübingen Dr. Hans-Jochen Vogel, München Prof. Dr. Joachim Whaley, Cambridge, Großbritannien Ina Welzel, Rotenburg Zæhringia Bernensis, Bern und allen meinen Freunden, die mich während der Promotionszeit unterstützt und ertragen haben. J.K. Hamburg, Bern und Uelzen, im Sommer 2011

Politische Reden, gute und schlechte: zum Geleit

Das Interesse der Rhetorik gilt seit der Antike der Wirksamkeit menschlicher Rede. In der vorliegenden Arbeit von Jan C. L. König richtet es sich auf einen Vergleich zwischen realen und fiktiven politischen Reden, die als literarisch bzw. historisch bedeutungsvoll gelten, und dabei auf die Frage, was genau eine Rede eigentlich zu einer jeweils sogenannten ›guten Rede‹ macht – oder was sie fatal mißlingen läßt. Dies freilich nicht im Stile moderner Rhetorik-Ratgeber oder Handreichungen zur Personalführung (»Wirksam reden«), sondern eingebettet in die (in Deutschland) von Walter Jens begründete und von Gert Ueding entfaltete Tübinger Tradition rhetorisch geschulter Textanalyse. Zu Recht fragt der Autor zunächst, was genau mit der ›Wirksamkeit‹ des (politischen) Redens gemeint ist. Dazu sichtet er einschlägige Vorschläge der sozialwissenschaftlich-empirischen Rezeptionsforschung in den Kommunikationswissenschaften, der Wirkungsästhetik in den Literaturwissenschaften sowie der aktuellen Medienwirkungsforschung und arbeitet deren unterschiedliche Erkenntnisinteressen heraus. Ihr gemeinsamer Gegenstand indes erfordert interdisziplinäre Kooperation (die oft beschworen, selten praktiziert wird). Um diese jedoch nicht nur zu fordern, sondern die Forderung auch einzulösen, sucht er nach einem methodologisch gesicherten Scharnier, um das sich die dabei zu involvierenden Ansätze aus den tangierten Disziplinen der Sozial-, Sprach-, Literatur-, Medien- und Textwissenschaften drehen können. Er findet es in einer ganz eigenen Verbindung zwischen klassischer Rhetorik und kritischer Diskursanalyse. Wer einen Vergleich literarisierter und alltäglicher Rede anstrebt, hat zuverlässig die Frage zu gewärtigen, inwieweit das überhaupt erlaubt sei. Man dürfe Äpfel und Birnen nun mal nicht vergleichen. Warum eigentlich nicht? Es kommt wohl in erster Linie darauf an, im Hinblick worauf ein Vergleich versucht wird (eben das tertium comparationis) unter Offenlegung des komparativen Instrumentariums. Jan C. L. König erledigt denn die Debatte auch zügig unter Verweis auf die (in der deutschsprachigen Germanistik lange strittige, aber seit den 1980er Jahren mit den umfangreichen Untersuchungen von Hess-Lüttich

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Politische Reden, gute und schlechte: zum Geleit

1981, 1984, 1985 und Betten 1985 entschiedene) Frage nach der Fruchtbarkeit etwa der Anwendung gesprächsanalytischer Verfahren der Diskurslinguistik auf literarische Dialoge, deren Analyse umgekehrt wiederum die gesprächsanalytische Begriffsbildung beeinflußt hat (cf. Ungeheuer 1980). Dennoch nimmt der Verfasser die damit aufgeworfenen methodologischen Probleme ernst und widmet ihnen – nach einem schnellen Überblick über sein Vorhaben, sein Material, seine Ziele – ein ausführliches (fast 100-seitiges) Methodenkapitel, in dem er das zu entwickeln sucht, was er »die rhetorische Diskursanalyse« nennt. In gründlicher Kenntnis des elaborierten Arsenals rhetorischer Textanalyse (und immer in direktem Rekurs auf die Quellen) schlägt er gekonnt die Brücke zu den modernen Ansätzen etwa der sogenannten critical discourse analysis (CDA), wie sie heute vor allem von Lancaster aus (Fairclough, Chilton, Wodak) in der Linguistischen Pragmatik großen Einfluß ausübt, einerseits oder der seit kurzem unter diesem Namen als Zweig der Angewandten Linguistik firmierenden Politolinguistik (Burkhardt, Girnth, Klein) andererseits. Zum Abschluß des umfangreichen Kapitels stellt der Verfasser ein prägnantes Analyseraster vor, das ihm als Leitfaden und Richtschnur für die anschließende Untersuchung der drei ausgewählten Reden-Paare dient. Deren Auswahl und Zusammenstellung hatte er schon in der Einleitung begründet: Philipp Jenningers Gedenkrede zum 50. Jahrestag der Judenpogrome in Deutschland und des Doktors Verteidigungsrede in Max Frischs Andorra, Helmut Kohls Dresdner Rede am 19. Dezember 1989 und die des Marquis Posa in Schiller Don Carlos, die Jugoslawien-Rede Gerhard Schröders vom 24. März 1999 und die Rede des Marc Anton in Shakespeares Julius Caesar. Vorgeschaltet ist eine Betrachtung über die Besonderheiten der politischen Rede allgemein und – zur Einführung in das Jenninger-Kapitel – speziell zur Gedenkrede. Jenningers spektakulär mißglückte Rede (die 1988 seinen sofortigen Rücktritt erzwang) hat die Aufmerksamkeit zahlreicher Linguisten erfahren, deren Ergebnisse hier neu interpretiert und durch neues Material (u. a. auch durch ein aufschlußreiches Interview des Verf. mit dem Redner selbst, das die renommierte amerikanische Zeitschrift Monatshefte als Dokument abgedruckt hat) ergänzt werden. Die Analyse läßt die Ursachen der fatalen Wirkung auf die seinerzeitige Öffentlichkeit und deren Echo in den Medien teilweise in neuem Licht erscheinen. Von zusätzlichem Interesse ist die gründliche Aufarbeitung der Wissenschaftsgeschichte der (rhetorischen und linguistischen) Untersuchungen zur Jenninger-Rede. Vor deren Hintergrund wäre es vielleicht gar nicht nötig gewesen, noch einmal so ins Detail zu gehen (das Kapitel umfaßt fast 90 Seiten), man muß auch nicht jeder Bewertung des Autors im Detail zustimmen, aber die Ergebnisse insgesamt illustrieren anschaulich, warum und inwiefern der politische Redner Jenninger scheiterte (während Redner wie Willy Brandt oder

Politische Reden, gute und schlechte: zum Geleit

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Richard von Weizsäcker, beispielsweise, mit ihren Mahnungen zum selben Thema so überzeugend wirkten). Nach dieser exemplarisch detaillierten Durchführung des Analyseprogramms können die Folgekapitel knapper ausfallen. Als Beispiel für das Mißlingen einer versuchten Verteidigung und mangelnde Wirksamkeit intendierten Überzeugens dient dem Verfasser als Gegenstück zum Jenninger-Eklat die Rede des Doktors in Frischs Andorra, die einer gründlichen Analyse auf den im Programm postulierten Ebenen unterzogen wird (die auf der Makroebene überwiegend diskursanalytisch, auf der Mesoebene textrhetorisch, auf der Mikroebene linguistisch-phonetisch instrumentiert ist). König weist nach, wie geschickt Frisch die lexikalischen, argumentativen, rhetorisch-pragmatischen (ethos, pathos) Kunstgriffe verwendet, um auf Scheinbegründungen fußende Rechtfertigungsreden zu demaskieren. Um so interessanter nun (aber leider vergleichsweise knapp) der Vergleich der beiden Reden, die dieselbe Fragestellung leitet (Wie konnte es dazu kommen?) und in dieselbe Begründung münden (Das Wesentliche wurde gewußt und selbst verschuldet). Den Unterschied zwischen erklärender und rechtfertigender Rede vermochte Frisch indes ›wirksamer‹ zu markieren als es Jenninger gelang (zumindest für das europäische Publikum, in den USA wurde das Stück zunächst auch mißverstanden). Es folgen zwei Beispiele für die Wirkung dessen, was König »doppelmedialisierte rhetorische Kommunikation« in der politischen Öffentlichkeit nennt: Helmut Kohls Rede zur Einheit der Nation vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche am 19. Dezember 1989 und die ›Rede‹ des Marquis von Posa in Schillers Don Carlos. Der Verfasser zeigt auf, wie der Kanzler in politisch brisanter Situation den »affektischen Spagat« schaffte, zugleich Emotionen zu dämpfen (damit sie nicht entgleisen) und zu entfachen (um sein Anliegen zu stärken), gerade weil er – zumal im Kontrast zu dem stilsicheren Präsidenten Richard von Weizsäcker – nicht eben als begnadeter Rhetor galt und mit seiner sprachlichen Unbeholfenheit dennoch beim Publikum in situ identifikationsstiftend wirkte, während das zugleich adressierte Publikum der Medienöffentlichkeit und der Führung der Alliierten die an es gerichtete Botschaft verstand. Ähnlich komplex die Konstellation im Don Carlos, in welcher der Marquis als des Autors »polito-dramatisches Medium« figuriert, mittels dessen er über sein Theaterpublikum hinaus auch die politische Führung mit seiner Botschaft zu erreichen sucht. Es gelingt dem Verfasser überzeugend, die eigentliche ›Wirkungsmechanik‹ der ›Rede‹ des Marquis (Philipp II. nimmt in dem berühmten Dialog eine auditoriale Sonderfunktion ein) zu enthüllen, die das fugenlose Ineinandergreifen aller aptum-Kriterien voraussetzt, um zugleich für das Auditorium als Identifikationsimpuls zu wirken und außerhalb des Theaters politische Brisanz zu entfalten.

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Politische Reden, gute und schlechte: zum Geleit

Ein drittes Beispiel für die Wirksamkeit politischer Rede sind Situationen, in denen eine vorherrschende »Stimmung gedreht werden muß«, um ein politisch als unausweichlich erkanntes Ziel (und damit das eigene politische Überleben) zu erreichen. Als Paradebeispiel für Reden dieses Typs gilt die literarische Adaptation der brillanten Rede des Marc Anton auf dem römischen Forum in Shakespeares Julius Caesar, in der es ihm gelang, eine festgelegte opinio communis in ihr Gegenteil zu verkehren. In einer solchen Situation sah sich auch der deutsche Kanzler Gerhard Schröder, der im Zeichen des eskalierenden Kosovo-Konflikts in einer dramatischen Fernsehansprache das alles andere als bellizistisch gestimmt Volk für den seit Kriegsende ersten Einsatz deutscher Soldaten in Kampfhandlungen im Ausland einzunehmen suchte. König analysiert die Ansprache genau und macht dadurch verständlich, warum und mit welchen Mitteln dem Kanzler gelang, was zuvor niemand für möglich gehalten hatte: mehrheitlich eine Zustimmung für den Kriegseintritt seines Landes zu erhalten. Die heikle Balance zwischen moralischem Anspruch authentisch-empathischer Argumentation und politischer Manipulation demagogischer war rhetoric tritt dabei deutlich zutage. Gleichsam nebenbei wird die Übernahme eines (für Deutschland noch) neuen Genres beobachtet, die TV Address nach amerikanischem Vorbild als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Die berühmte Rede des Marc Anton ist demgegenüber so oft sachkundig analysiert worden, daß man wenig neue Einsichten erwarten würde. Dennoch liest man die genaue Rekonstruktion der rhetorischen Finessen, mit denen der Autor seine Figur agieren läßt, mit Gewinn. Es ist das Wie, das hier interessiert, die Antwort auf das Warum der Wirksamkeit von Sprache, der eine nur literarästhetisch motivierte Lektüre (und Vermittlung in schulischen Kontexten!) oft zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Der abschließende Vergleich widerlegt die Skepsis des kritischen Lesers, dem die Gegenüberstellung der beiden so grundverschiedenen Reden, ihrer Konstellationen und medialen Voraussetzungen, nicht von vornherein geheuer war. Man kann eben doch Äpfel mit Birnen vergleichen, wenn man einleuchtend klar macht, im Hinblick worauf. Bern und Berlin, im Mai 2011

Ernest W. B. Hess-Lüttich

1 Einleitung

1.1

Die Wirkungsmacht des Wortes: Thema und Ziel der Arbeit Schläft ein Lied in allen Dingen, Die da träumen fort und fort, Und die Welt hebt an zu singen, Triffst du nur das Zauberwort. Joseph von Eichendorff, Wünschelrute

Die Sprache, mit der sich der Mensch verständigt, ist ein unvergleichliches Medium, und obwohl sie so alltäglich ist, bleibt ihre Erscheinung noch immer außergewöhnlich. Antoine Arnauld und Claude Lancelot, zwei französische Philologen aus dem Kloster Port Royale de Champs, beschrieben im 17. Jahrhundert den Grund für diese Faszination treffend mit der einzigartigen Beschaffenheit der menschlichen Sprache: C’est l’usage que nous en faisons pour signifier nos pens¤es, & cette invention merveilleuse de composer de 25. ou 30. sons cette infinie variet¤ de mots, qui n’ayant rien de semblable en eux-mesmes, ” ce qui se passe dans nostre esprit, ne laissent pas d’en d¤couvrir aux autres tout le secret, & de faire entendre ” ceux qui n’y peuvent p¤netrer, tout ce que nous concevons, & tous les divers mouvemens de nostre ame (Arnauld / Lancelot 1966: 27).1

Obwohl die französischen Sprachwissenschaftler das Phänomen Sprache in selten erreichter Eleganz definieren, sollte aus der Perspektive dieser Arbeit ein weiterer Aspekt hinzugefügt werden, der zum Wesen der Sprache ebenso gehört 1 »Es ist der Gebrauch, den wir von der Sprache machen, um unsere Gedanken zu teilen, und es ist diese wunderbare Erfindung, aus 25 oder 30 Lauten diese unendliche Vielfalt von Wörtern formen zu können, die, obwohl sie keinerlei Ähnlichkeit mit dem haben, was in unserem Geist vor sich geht, es zulassen, daß anderen hierdurch all unsere Geheimnisse enthüllt werden und wir vermögen, jenen, die nicht in unseren Geist blicken können, all das mitzuteilen, was wir ersinnen und in unserer Seele empfinden« (eigene Übers., J.K.).

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Einleitung

wie zu der Bedeutung, die ihr in der menschlichen Gesellschaft zukommt: ihre Wirkungsmacht. Schon die frühen schriftlichen Zeugnisse menschlicher Kulturen zeugen von einem Glauben an die ungeheuren Wirkungsmöglichkeiten von Sprache, denen geradezu magische Kräfte zugesprochen wurden: Zahlreiche römische und griechische Philosophen hinterließen für die Nachwelt Formeln, die erst durch gesprochene, beschwörende Sätze ihre Wirkung erzielen konnten (cf. Önnerfors 2000), von ähnlichen Bräuchen bei den Germanen berichten z. B. die Merseburger Zaubersprüche. Die wirkende Sprache übernimmt dabei nicht nur in der übernatürlichen Mystik einen handelnden Charakter, sondern wird auch im alltäglichen Leben zu einem festen Bestandteil performativer sprachlicher Akte: Zur Freilassung von Leibeigenen werden bei dem germanischen Stamm der Langobarden neben dem physisch-gestischen Akt stets vorgegebene Worte gesprochen, mit denen sich das Ritual erst erfüllt (cf. König 2003: 95 f.). Die christlich-jüdische Theologie weist darüber ein ganz besonderes Verhältnis zur wirkungsvollen Sprache auf: Im 1. Buch Mose läßt Gott die Welt entstehen, indem er spricht:2 »Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht« (1 Mos 1,3).3 Doch noch innerhalb der Genesis beweist die Rede der Schlange,4 welche Gefahren das gesprochene Wort mit sich bringen kann: Der Weg von rhetorisch bewußt geformter, überzeugender Sprache bis zur kommunikativen Manipulation ist mitunter kurz; im genannten Beispiel mit bekanntlich weitreichenden Folgen. Es ist kaum verwunderlich, daß manche Beobachtungen sprachlichen Wirkens teilweise zu einem bedingungslosen Glauben an die Allmacht von Sprache geführt haben mögen, der zur Zeit der Sophistik in der Annahme gipfelt, mit Sprache alles nur Denkbare erreichen zu können. Gorgias von Leontinoi ist für diese Feststellung fast als »Musterbeispiel« zu nennen, denn er vertrat die Meinung, eine »bekehrende Rede« könne die Seele prägen, »wie sie will« (Gorgias 1989: 11; Hel. 11,13); die wirkungsvolle Sprache wird bei ihm schließlich mit Zauberei gleichgesetzt: Die göttlichen Beschwörungen durch Reden nämlich werden zu Freudebringern und Entführern von Leid; denn vereinigt sich die Wirkkraft der Beschwörung mit der Ansicht der Seele, so betört und bekehrt und gestaltet sie die Seele um durch Zauberei (ibid.: 9; Hel. 11,10). 2 Cf. 2.1.2.3.1. 3 Die zitierten Bibeltexte in dieser Arbeit richten sich nach Lutherbibel erklärt, Evangelische Kirche in Deutschland (1987). 4 »Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott, der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?« (1 Mos 3,1); Wilfried Stroh notiert: »So stammt denn die erste persuasive Rede nicht von Gott, sondern von der Schlange […]« (Stroh 2009: 477).

Die Wirkungsmacht des Wortes: Thema und Ziel der Arbeit

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Aus dem alltäglichen Leben, aber auch aus Beobachtungen von Bereichen, in denen eine wirkungsvolle Sprache zum professionellen Berufsbild gehört – wie z. B. in der Politik –, ist aus heutiger Sicht zumindest festzustellen, daß Sprache keineswegs immer so wirkt, wie es ein Redner intendiert; eine »Allmacht« erscheint aus dieser Perspektive eher ein Wunsch als eine realistische Möglichkeit. Dennoch bleibt die Vorstellung von Sprache, die bei einem Zuhörer ein gewünschtes Resultat erreicht, bis heute real und ist gerade wegen des gelegentlichen Widerspruchs von Wunsch und Wirklichkeit ein lohnenswertes Forschungsobjekt, mit dem sich auch immer die Frage stellen sollte: Wie wird aus einer Rede eine gute Rede, und was ist eigentlich eine »gute« Rede? Sigmund Freud versuchte, seine Arbeiten an die frühere Überzeugung anzuknüpfen, daß der Sprache ein »Zauber« innewohne, und es gelang ihm: Wir wollen übrigens das Wort nicht verachten. Es ist doch ein mächtiges Instrument, es ist das Mittel, durch das wir einander Gefühle kundgeben, der Weg, auf den anderen Einfluß zu nehmen. Worte können unsagbar wohltun und fürchterliche Verletzungen zufügen. […] Aber das Wort war doch ursprünglich ein Zauber, ein magischer Akt, und es hat noch viel von seiner alten Kraft bewahrt (Freud 2007: 279 f.).

Selbst wenn also in einer modernen Auffassung von verbaler Kommunikation nicht davon ausgegangen wird, daß Sprache immer und überall alles erreichen kann, so wird hierdurch dennoch deutlich, daß immer noch die Möglichkeit gegeben ist, bei einem Kommunikationspartner schwerwiegende Veränderungen hervorzurufen. Daß die Bedingungen für eine wirkende Sprache dabei nicht nur bei den Kommunikationspartnern selbst, sondern auch im sie umgebenden historischen, sozialen und politischen Kontext zu suchen sind, ist eine Erkenntnis, die für die Methodik einer Betrachtung von Sprachwirkung erhebliche Folgen hat. Nicht nur die Kommunikation selbst ist damit Bestandteil einer Erörterung, sondern auch der sie umgebende Diskurs. Wie wichtig allerdings diese erweiterte Perspektive ist, läßt sich deutlich an den Worten Hugo von Hofmannsthals erkennen, der in etwa zu der Zeit, in der Freud vom alten »Zauber« der Sprache spricht, gerade jenen schwinden sieht, wie ihn Carl Jacob Burckhardt nach einer Begegnung mit ihm zitiert: Es ist nicht das Wollen, nicht das Können, nicht die Berufung, die über das Werk entscheiden. Man kann in ein Klima, in eine Zeit geraten, die kein Gedeihen mehr zulassen. Es geht wie mit der Vegetation, der Fauna – ganze Reihen sterben aus. Das Wort, das gestern noch Zauberkraft hatte, fällt heute sinnlos zu Boden (Burckhardt 1963: 143).

Die Kritik am Verfall der Redewirkung, die sowohl die Effektivität als auch den ästhetischen Stil meint, ist im deutschsprachigen Raum insbesondere für jenen Berufszweig besonders ausgeprägt, in dem das wirkende Wort mehr als nur ein »Handwerkszeug« ist, sondern vielmehr fester Bestandteil von Berufsbild und

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Arbeitsweise: die Politik. Die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Rede läßt sich bereits im 18. und 19. Jahrhundert mit teils drastischen Beurteilungen nachweisen (cf. e. g. Müller 1967a), die sich bis ins 20. Jahrhundert fortsetzen (cf. e. g. Jens 1969 und Hinderer 1981).5 Daß die wirkungsvolle Rede nicht nur im interfraktionellen Austausch, in der Überzeugung des Gegners und vor allem in der Gewinnung von Legitimation durch das Volk als wichtigstes Mittel der Politik gelten muß, wird dabei nicht erst seit der Demokratisierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg erkannt; der Begriff der »Zauberkraft« der Rede, der eine romantische Faszination der Macht von Sprache widerspiegelt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Macht auch in der Politik allen Akteuren zur Verfügung steht. Insbesondere mit Blick auf Diktaturen wird klar, wie gefährlich eine bewußt wirkungsvoll genutzte Sprache werden kann; ein Zitat Hitlers belegt dies eindrucksvoll: »Die Macht aber, die die großen historischen Lawinen religiöser und politischer Art ins Rollen brachte, war stets urewig nur die Zauberkraft des gesprochenen Wortes« (Hitler 1934: 116). Durch die hier geschilderte Macht der Sprache wird deutlich, daß es aus mehrerlei Gründen notwendig ist, sich wissenschaftlich mit der Wirkungsbeschaffenheit der politischen Rede auseinanderzusetzen, denn natürlich hat die politische Rede, trotz aller Mängel, bis heute nichts von der bereits in der Antike durch Gorgias proklamierten, generell möglichen Wirkungsmacht eingebüßt. Wenn also Politiker durch Rede die Möglichkeit erhalten, die Wirklichkeit entscheidend zu gestalten und zu verändern, so muß man sich darüber bewußt sein, daß diese Möglichkeit, zunächst einmal grundsätzlich, für alle Politiker, alle politischen Motivationen und alle politischen Situationen gilt. Daher ist es sowohl für den (redenden) Politiker als auch für seinen Adressaten, also vor allem das Volk, von entscheidender Wichtigkeit, die Wirkungsmöglichkeiten der Rede zu kennen und zu verstehen, um den Möglichkeiten der unmoralischen Manipulation durch Sprache entkommen und bestenfalls sogar entgegenwirken zu können: Die breite Masse eines Volkes vor allem unterliegt immer nur der Gewalt der Rede. Alle großen Bewegungen aber sind Volksbewegungen, sind Vulkanausbrüche menschlicher Leidenschaften und seelischer Empfindungen, aufgerührt entweder durch die grausame Göttin der Not oder durch die Brandfackel des unter die Masse geschleuderten Wortes und sind nicht limonadige Ergüsse ästhetisierender Literaten und Salonhelden (ibid.).

Gerade durch ein Postulat des Entgegenwirkens zu so gearteten despotischen Äußerungen wird ersichtlich, wie wichtig es ist, die Elemente der Sprachwirkung zu kennen, zu erkennen, um mit ihnen nicht nur arbeiten, sondern eben auch 5 Zur Entwicklung der politischen Rede in Deutschland werden in Kapitel 3.1 genauere Beobachtungen folgen.

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entgegenwirken zu können. Darüber hinaus stellt sich bereits an dieser Stelle heraus, daß die ethisch-moralische Problematik geplanter, wirkungsvoller Reden dabei sowohl in die Methodologie von Analyseinstrumentarien als auch in die Erörterungen von Reden einbezogen werden sollte, denn die Ergebnisse einer Arbeit über die Thematik sprachlicher Wirkungskonstruktion müssen auch diesem Aspekt Rechnung tragen. Hitlers Bemerkung über die »ästhetisierenden Literaten« belegt indes, wie beispiellos er jene Berufsgruppe unterschätzte, oder genauer : unterschätzt wissen wollte, für die die wirkende Sprache ebenso zum Beruf gehört wie für den Politiker, und gerade die Literaten haben auch im deutschsprachigen Raum stets eine Funktion der politischen Meinungsbildung übernommen. Dies ist ihnen zweifellos nur durch eine bewußt gewählte und konstruierte Wirkungsästhetik gelungen, die sich in vielen meisterhaften literarisch-dramatischen Werken der Dichtkunst wiederfindet. Wenn zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur zahlreiche Werke von Schriftstellern verboten wurden, so beweist das vor allem: Die Worte der Autoren waren keineswegs unwirksame, »limonadige Ergüsse«, sondern eine ernstzunehmende Gefahr für das Unrechtsregime. Auch hierdurch wird noch einmal klar : Wer die Wirkungsmechanismen der Sprache versteht, und wer sie einsetzen kann, ist in der Lage, (politisches) Unrecht zu entlarven und zu bekämpfen. Es ist offenkundig, daß Sprache auf einen Adressaten eine beabsichtigte Wirkung haben kann, es ist aber ebenfalls offenkundig, daß dies kein Automatismus ist, sondern eine bestimmte Wirkungsintention nur dann gelingen kann, wenn die Kommunikation an bestimmten, definierbaren Parametern ausgerichtet ist. Kommunikationsbereiche, in denen Sprache eine Wirkungsfunktion übernimmt, sind dabei genau so vielfältig wie die Anwendungsbereiche der Sprache generell; dies bedeutet also, daß sowohl die Wissenschaft als auch die alltägliche Praxis verschiedener sozialer und beruflicher Bereiche ein fundamentales Interesse an nutzbaren Forschungsergebnissen haben müssen. Die Politik nimmt hierbei einen Sonderstatus ein: Obwohl die politische Disziplin klar einen bestimmten Arbeitsbereich umfaßt, sind die Möglichkeiten kommunikativen Wirkens dabei äußerst zahlreich, da sich Politik mit unterschiedlichsten Themenbereichen fast aller öffentlichen Interessensgebiete auseinandersetzen muß. Dies bedeutet schier unerschöpfliche inhaltliche Themenbereiche und Kontextvariationen, die in der politischen Kommunikation zu finden sind; die Erforschung der Wirkung politischer Kommunikation kann also auch für andere Disziplinen einen exemplarischen Charakter aufweisen. Darüber hinaus nimmt die verbale Kommunikation in der Politik einen solch signifikanten und zentralen Status ein, daß hiermit eine hohe Relevanz des Forschungsvorhabens gewährleistet ist. Politische Kommunikation stellt sich also für die Philologie als relevantes und lohnendes Forschungsgebiet heraus; poli-

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tische Reden wiederum sind für eine Erörterung als bekanntester und konstitutiver Musterfall politischer Sprachwirkungsbereiche besonders geeignet. Für einen politischen Redner ergibt sich, wie in den vorangehenden Abschnitten bereits erwähnt, stets die Schwierigkeit, daß es durch eine wirkungsästhetisch geformte Sprache zwar grundsätzlich möglich erscheint, eine bestimmte Wirkung zu erreichen, bis hin zu einer Überzeugung des Auditoriums von der eigenen Sache, daß es aber einer genauen Kenntnis der sprach-kompositorischen (also rhetorischen) Methodik bedarf, um das Ziel auch erreichen zu können. Verbale »Fehltritte«, ungewollte Mißwirkungen, finden sich gerade in der Politik zur Genüge, und sie sind ein weiteres Indiz dafür, daß eine Erforschung dieses Gegenstands auch aus praxisbezogener Sicht bis heute relevant, aktuell und notwendig ist. Die Erörterung der Wirkungsästhetik politischer Reden kann also dazu beitragen, den Verlauf von intendierter, konstruierter und tatsächlich erfolgter Wirkung beobachtbar zu machen, und sie kann gleichzeitig erfolgreiche Strategien aufzeigen sowie mögliche Diskrepanzen zwischen Intention und Wirkung nachvollziehbar dechiffrieren. Um verläßliche Ergebnisse zu gewährleisten, ist es hierfür notwendig, nicht nur einzelne sprachliche Aspekte zu beobachten, sondern den gesamten Kommunikationsprozeß mit seiner Einbettung in den historischen Kontext der Redesituation zu betrachten sowie mittels auszuwertenden Rezeptionen und Reflexionen kritisch zu überprüfen. Wird bedacht, welchen Anteil literarische Texte bis heute an der öffentlichen politischen Meinungsbildung haben und mit welcher handwerklichen Präzision ein Autor bei ihrer Konstruktion vorgeht, erscheint es gerade durch das Potential der Philologie folgerichtig, wenn diese Textprodukte schließlich in eine Studie wie diese einbezogen werden. Zweifelsfrei müssen untereinander vergleichbare Texte gefunden werden; in der dramatischen Literatur finden sich hierzu allerdings durchaus genügend Beispiele: Die politische Rede existiert nicht nur in der »realen« politischen Welt, sie wird seit Jahrhunderten auch auf der Bühne praktiziert. Der erhoffte Nutzen der vergleichenden Analysen läßt sich somit präzise beschreiben: Ein Dichter muß hinsichtlich einer wirkungsästhetisch geformten Sprache als »Profi« bezeichnet werden; seine Arbeit ist in jedem Fall auch als zielgerichtet wirkende Kommunikation zu verstehen. In diesem Sinne erscheint es als logische Schlußfolgerung, wenn für die erwarteten Ergebnisse dieser Arbeit aus den Produkten literarischer »Sprach-Profis« im Vergleich mit realen6 Reden Lehren für die politische Praxis gewonnen werden können. Im 6 Um zwischen tatsächlich in der Politik gehaltenen Reden und Reden aus der Literatur zu unterscheiden, wird in diesem Zusammenhang in dieser Arbeit das Attribut »real« verwendet. Dies geschieht in Anlehnung an die Dialogforschung, in der die Verwendung des Begriffs »real« zur vergleichbaren Unterscheidung von realen, fiktiven und fiktionalen Dialogen dient (cf. Hess-Lüttich 1980a, darin z. B. Hess-Lüttich 1980d: 175).

Problematik, Stand der Forschung und Forschungsansätze

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Umkehrschluß wäre es ein lohnenswertes Experiment, durch die Ergebnisse der Analysen realer politischer Reden neue hermeneutische Ansätze für die literarischen Reden zu gewinnen und bisherige Interpretationen aktualisieren und neu ausloten zu können.

1.2

Problematik, Stand der Forschung und Forschungsansätze

Sprachlich orientierte Wirkungsforschung, vor allem in einem politischen Diskurs, ist eine Teildisziplin der Philologien, die sich insbesondere mit der pragmatischen Wende bzw. des linguistic turn entwickelte, welche die Sprache als pragmatisches Medium eines handelnden Sprechers in den Fokus der literarischen und sprachlichen Geisteswissenschaft stellte: It was for too long the assumption of philosophers that the business of ›statement‹ can only be to ›describe‹ some state of affairs, or to ›state some fact‹, which it must do either truly or falsely. Grammarians, indeed, have regularly pointed out that not all ›sentences‹ are (used in making) statements […] But now in recent years, many things which would once have been accepted without question as ›statements‹ by both philosophers and grammarians have been scrutinized with new care. […] It has come to be commonly held that many utterances which look like statements are either not intended at all, or only intended in part, to record or impart straightforward information about facts: for example, ›ethical propositions‹ are perhaps intended, solely or partly, to evince emotion or to prescribe conduct or to influence it in special ways (Austin 1975: 1 – 3).

Die Sprachwissenschaft widmet sich damit wieder einem Aspekt, der »für Rhetoriker seit zweieinhalbtausend Jahren selbstverständlich [ist]: Sprache bildet nicht nur Sachverhalte ab, sondern handelt immer auch« (Knape 2000a: 118); exakt formuliert: Mittels Sprache können Menschen handeln. Die wissenschaftlichen Bemühungen teilen sich nun aber, in bezug auf den Begriff der Wirkung, in verschiedene Teildisziplinen auf, denen gemeinsame Ergebnisse kaum gelingen wollen. Das Vorhaben, (politische) Reden auf ihre Wirkung zu überprüfen, um daran Strategien zu erkennen, die sich auch auf zukünftige Redenintentionen übertragen lassen, ist daher nicht unproblematisch. Das liegt vor allem auch an dem Begriff der Wirkung, der in der Fachliteratur kontrovers und zum Teil semantisch unterschiedlich verwendet wird. Während kommunikationswissenschaftliche Rezeptionsforschung empirische Beobachtungen der Adressatenreaktionen vornimmt, fokussiert sich die literaturwissenschaftliche Rezeptions- und Wirkungsästhetik vor allem auf die Textkonstruktionen. Beide Methoden weisen bezüglich einer verläßlichen Aussage über die Verbindung von Rednerintention, Redebotschaft und Rezeption durch die Adressaten einen gravierenden Mangel auf, denn gerade jene

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Verbindung aller Bestandteile, mit der nachvollziehbare und wahrheitsgemäße Ergebnisse möglich sind, werden weder von der einen noch von der anderen Forschungsperspektive genügend berücksichtigt: Die analytische Poetik kann sich auf die Frage beschränken, was mir ein Text sagt, welche virtuelle Welt er in meinem Bewusstsein evoziert usw.; demgegenüber muss die analytische Rhetorik der sehr viel schwierigeren Frage nachgehen, was ein Autor mithilfe seines pragmatischen Textes auslösen will (Knape 2000a: 135).

Wenn sich die Wirkungsanalyse nun also nur auf den Redner und seinen Text beschränkt, muß die Wirkung einer Rede anhand von rhetorischen Indizien angenommen werden. Natürlich wurde die Rhetorik aus empirischen Beobachtungen entwickelt; es wird bei dieser »linksseitigen« (Knape 2000a: 111 – 114) Orator-Perspektive dennoch nur von einem intendierten Rezipienten bzw. »impliziten Leser« (Iser 1972: 8 – 10 und 1994: 58 f.) ausgegangen. Die Ergebnisse bleiben damit natürlich bis zu einem gewissen Grad spekulativ, und es sollte in diesem Fall eher von einer intendierten und von einer angebotenen bzw. konstruierten Wirkung gesprochen werden. Die Medienwirkungsforschung konzentriert sich dagegen insbesondere auf die postkommunikative Phase (cf. Bonfadelli 2001: 19 f.) und hat dabei die Reaktionen des Rezipienten im Fokus. Es handelt sich bei Ergebnissen dieser Forschung also um zwar tatsächlich erfolgte Wirkung, die allerdings auf Reaktionen beschränkt ist, die u. U. schon Folgereaktionen anderer Einflüsse beinhalten. Die Herstellung einer Verbindung zu einzelnen Textelementen, die auf den Rezipienten wirken, ist dabei in der Medien- und Kommunikationswissenschaft nicht unumstritten und wird erst seit den 1980er Jahren wieder diskutiert (ibid.: 25 f.). In der Tat erscheint es als schwierige Aufgabe, allein durch die empirisch erfaßten Reaktionen des Adressaten Rückschlüsse auf einzelne, mitunter grundverschiedene Elemente des Textes und deren spezielle Wirkung ziehen zu wollen. Der Analyst, der dagegen die intendierte und angebotene Wirkung beobachtet, steht vor demselben Problem wie der Redner selbst: Für den Orator sind kommunikative Mittel Instrumente, sie stellen sein Organon dar, mit dem er sehr bewußt umgehen muss. Der Orator kann sich mit eigener projektischer Vernunft in sein Gegenüber hineinphantasieren, sich so auf die spezifische Strukturdeterminiertheit von Kommunikationspartnern einstellen und versuchsweise kalkulieren, welche Reaktion die von ihm eingesetzten Mittel der Beeinflussung beim Gegenüber selegieren könnten (Knape 2000a: 55).

Bedenkt man hierbei, daß ein politischer Orator oftmals vor einem großen, heterogenen Publikum spricht, wird deutlich, wie schwierig die Kalkulation der Wirkung wird. Während die literaturwissenschaftliche wirkungsästhetische Forschung somit vor allem eine Wirkung vermutend feststellt, bevor sie stattgefunden hat,

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lokalisiert die Kommunikationswissenschaft die Wirkung erst, nachdem sie längst erfolgt ist. Daraus ist zu schließen: Wirkung geschieht in einer schwer zugänglichen Grauzone, nämlich dort, wo der medialisierte Text auf den interpretierenden Adressaten trifft. Schlußfolgernd muß also angenommen werden, daß sich eine Wirkungsanalyse politischer Reden aus verschiedenen Disziplinen zusammensetzen muß, um verläßliche, exemplarische Ergebnisse liefern zu können. Werden zudem die heterogene Zusammensetzung des wirkenden Textes und der Diskurs, in dem die Kommunikation stattfindet, berücksichtigt, wird deutlich, daß verschiedene methodologische Ansätze notwendig sind, um eine zufriedenstellende Analyse zu gewährleisten. Unter anderem werden sich in dieser Arbeit für das Prozedere der Untersuchungen Rhetorik, Kritische Diskursanalyse, Wirkungsästhetik und empirische Rezeptionsbetrachtungen im folgenden als sinnvolle Kombination herausstellen, um eine geeignete Analysestruktur zu entwickeln, die beide »Seiten« der Wirkung miteinander abgleichend verbindet: Die Beschaffenheit des Forschungsgegenstandes verlangt eine Rhetorische Diskursanalyse, die eine kritische Erörterung der Ergebnisse gestattet. Insbesondere die Rhetorik und die Diskursanalyse haben sich als probates Mittel zur Redenanalyse herausgestellt; dies gilt auch in einer Kombination beider Methoden. In dieser Arbeit bietet sich nun die Gelegenheit, die Instrumentarien fest miteinander zu verknüpfen und eine Struktur zu erarbeiten, welche die für die Aufgabenstellung gewünschten Ergebnisse ermöglicht. Es ergibt sich dafür die Möglichkeit, beide Analysemethoden zu einer gemeinsamen Struktur sinnvoll zu verbinden und mit Blick auf die Forschungsgegenstände dieser Arbeit zu erörtern. Der Unterschied zu vielen bisherigen Analysen läßt sich damit eindeutig beschreiben: Die klassisch geprägte Rhetorik betrachtet einen Text nicht nur in der Mikrostruktur, sondern auch in seiner Gesamtheit, und sie beachtet dabei stets auch den Kontext, der einen Text umgibt. Hierdurch wird eine umfangreiche, wirkungsorientierte Textanalyse möglich, die sich in das Gefüge der Diskursanalyse problemlos integrieren läßt. Die Diskursanalyse wiederum wird durch empirische Rezeptionen und Reflexionen komplettiert. Dies gewährleistet eine zuverlässige Beobachtung, Erörterung und Beurteilung der geplanten, im Text angelegten und der resultierenden Wirkung einer Rede. Die geplante vergleichende Analyse von realer und literarischer Rede ermöglicht nun zusätzlich eine neue Betrachtung von Methodik und Forschungsgegenstand: Für die klassische Rhetorik werden z. B. aktuelle Anwendungsgebiete und Kombinationsvariationen sichtbar, für die Politik können Expertisen der (dramatischen) Literatur kompetente und erfolgversprechende Strategien zur Verfügung stellen; Erörterungen der literarischen Texte werden durch die Erkenntnisse von realen Reden und Redesituationen um eine neue, unabhängige Perspektive erweitert. Obwohl sich somit eine lohnende Vergleichsmöglichkeit ergeben hat, ist die

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Frage berechtigt, inwieweit ein Vergleich realer und literarischer Reden überhaupt möglich und (sprach-)wissenschaftlich zulässig ist; dies kann an dieser Stelle klärend erläutert werden. Der Vergleich läßt sich aus drei verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven begründen und zufriedenstellend rechtfertigen: aus der sprachwissenschaftlich-dialoganalytischen, aus der rhetorischen und aus der literaturwissenschaftlichen. In der Sprachwissenschaft hat sich zu dieser Fragestellung nach der pragmatischen Wende die Diskussion ergeben, ob es wissenschaftlich gestattet sein darf und nützlich ist, literarische und reale Gespräche miteinander zu vergleichen. Insbesondere die Erörterungen Hess-Lüttichs (1980 und 1984), Bettens und Ungeheuers (beide 1980) erwiesen sich für diese Arbeit als ausgesprochen nützliche Grundlage. Obwohl sich die genannten Autoren mit der Vergleichsmöglichkeit fiktiv-literarischer und realer Konversation beschäftigen, sind die Ergebnisse für diese Arbeit einschlägig, da die geschlußfolgerten Regeln (verbale) Kommunikation im allgemeinen betreffen bzw. sich hierauf exakt übertragen lassen; dies schließt nun explizit die kommunikative Spezialität der Rede mit ein. Während reale Dialoge spontaner Natur sind und sich aus den Sprach- und Dialoghorizonten der Partizipienten entwickeln, unterliegen fiktiv-literarische Gespräche der geplanten ästhetischen Bearbeitung des Autors und sind unveränderbare, subjektiv und autopoietisch festgesetzte Sprechakte: Die Sprecherbeiträge werden nicht kontrolliert durch spontane Bekundungen von Verstehen, Mißverstehen, Rückfragen, u. ä. des Gesprächspartners; die sprachlichen Formulierungen zielen daher nicht auf das von der Situation mitbedingte Verständnis des unmittelbaren Gegenübers auf der Bühne ab, sondern auf die wirkungsvolle Übermittlung der Worte an die Hörer im Zuschauerraum (Betten 1980: 206).

Dies kann deshalb gelingen, weil für eine literarisch-dramatische Konversation nicht nur dieselben semantischen, syntaktischen und pragmatischen Regeln zur Geltung und Anwendung kommen müssen wie bei einer realen, damit sie überhaupt als sprachliche Konversation gelten kann, sondern ein Autor kann seinen Text auch nur deshalb verfassen, weil er dieselben empirischen Konversationsinstrumente zur Verfügung hat wie die Partizipienten eines realen Gesprächs: »Die Konstruktion von Dialogen in Dramen und Lustspielen, die Vorführung von Gesprächen in Romanen sind aber nichts anderes als die Projektion der kommunikativen Gesamterfahrung des Autors« (Ungeheuer 1980: 46). Dies muß also auch gelten, obwohl Elemente einer realen, natürlichen Kommunikation, wie z. B. Verzögerungsphänomene oder Wiederholungen, in einem fiktiven Gespräch äußerst selten zu finden sein mögen (Hess-Lüttich 1980b: 9); Kommunikation in der Literatur ist zwar ästhetisch verdichtet, sie

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muß aber nach den allgemeinen Sprach- und Sprechregeln trotzdem noch immer Kommunikation sein: Solche Dialoge sind keinesfalls ›künstlich‹ in dem Sinne, daß sie gegen die Regeln kommunikativen Gebarens verstoßen. Sie sind freilich (oder können es sein) unrealistisch in ihrer Konzentration, aber gerade dieses Merkmal macht sie für eine Analyse zum Zwecke kommunikationswissenschaftlicher Begriffsbildung interessant (Ungeheuer 1980: 46).

Die fiktive Kommunikation mag also künstlich konstruiert und idealisierend komprimiert sein, sie muß sich aber trotzdem sowohl an die Regeln der Sprache als auch an die Syntax spezifischer Sprechakte halten, um noch als wahrhaftige und reale Kommunikation wahrgenommen und verstanden werden zu können. Literarische bzw. literarisierte Kommunikation ist also ein Beispiel für »menschliche Kommunikationspraxis« (Hess-Lüttich 1980b: 10); sie folgt den »›Basisregeln‹ der Interaktion, die auch in literarischen Dialogen befolgt werden müssen, sollen sie als solche dem Rezipienten und Interpreten erkennbar bleiben« (ibid.). Dies gilt folgerichtig auch für literarisierte und dramatisierte Reden, und ebenso muß es für die Handlungspragmatik, -syntax und Redenwirkung innerhalb eines dramatischen Stückes gelten: »Medien (Körper, Schriftträger, Bildträger usw.) sind sozial-distributive Tragflächen von verbalen oder nonverbalen Texten. Für den Orator werden auch Medien zu kalkuliert eingesetzten kommunikativen Instrumenten« (Knape 2000a: 62). Selbstverständlich muß sich der (verbale) Text dabei stets an die »Basisregeln« halten, die »kommunikativen handlungstheoretischen Kategorien unterworfen sind bzw. die Prämissen des jeweiligen sozialen Systems konstituieren« (Hess-Lüttich 1984: 24). Kommunikation auf der Bühne, einerlei, ob es sich dabei um einen Dialog, einen Monolog oder eine Rede handelt, kann dramatisch und dramenästhetisch traditionell nur gelingen, wenn sie als Kommunikation mit den realen Adressaten des Verfassers verstanden wird: Da der Dialog auf dem Theater letztlich Medium der einseitigen Kommunikation eines Autors mit seinen stumm bleibenden Zuhörern / Zuschauern ist, konstituiert sich sein Sinn nicht unmittelbar aus der Interaktion der auf der Bühne agierenden Personen, sondern nur mittelbar aus der Rekonstruktion der Mitteilung, die der Autor mit der Gesamtheit der demonstrierten verbalen und nicht-verbalen Interaktionsabläufe beabsichtig (Betten 1980: 206).

Zwischen Autor, Text und Publikum besteht in diesem Sinne eine Vereinbarung, die von normativen Regeln abhängig ist, also »soziokulturellen und soziohistorischen Kategorien« unterliegt (Hess-Lüttich 1984: 24): »Nahezu allen [wissenschaftlichen Standpunkten, J.K.] gemeinsam aber ist die Annahme eines ›kognitiven Konsensus‹ oder ›geteilten Einvernehmens‹ qua mutuellen Regelwissens und der triadischen Struktur seiner wechselseitigen Unterstellung«

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(ibid.: 24 f.). Die »Vereinbarung« zwischen Autor und Publikum muß letztlich auch dazu führen, daß das Publikum die Kommunikation auf der Bühne und damit auch die dortige Rede als Kommunikationsakt versteht und akzeptiert. Diese gesammelten sprachwissenschaftlichen Begründungen aus der Dialogforschung münden nun direkt in die Rechtfertigung des Vergleichs von realen und literarisch-dramatischen Reden aus der Perspektive der Rhetorik: Die (szenische) Theaterbühne (cf. Hess-Lüttich 1985: 126) ist für den Autor eines Stückes das bzw. ein Medium, der Autor selbst ist als »reales Aussageobjekt« (Pfister 2001: 149) Kreateur der dramatischen Kommunikationsakte und damit auch der dramatischen Reden. Der Protagonist, der eine Rede innerhalb eines Dramas hält, wird als »fiktives Aussageobjekt« (ibid.) zu einem Element dieses Mediums und aus Perspektive der Rhetorik für die rhetorische actio zum (fiktiven) Orator des medialisierenden Autors, und das muß auch für die weiteren Protagonisten und Antagonisten auf der Bühne gelten, die gleichermaßen zum medialisierten Text des Autors gehören. Für die kommunikative Interaktion auf der Bühne stehen, wie bereits erörtert, dieselben Regeln wie in der Realität fest, somit gelten diese Normen auch für eine dramatisierte Rede. Eine nach den Regeln der Rhetorik konstruierte Rede, ob es sich dabei um eine reale oder fiktive handelt, folgt darüber hinaus nicht oder nur bedingt der Natürlichkeit und Spontaneität eines Gesprächs: Sie ist stets ein wirkungsorientiert geplantes und konstruiertes Kommunikationsprodukt. Die Kategorien, Elemente und Regeln der Rhetorik sind dabei so universell und allgemeingültig definiert, daß sie in jeder Redesituation und jedem Redesetting angewendet werden können. Das rhetorische System definiert für Kommunikation in Verbindung mit kommunikativen Bedingungen auf verschiedenen Ebenen feststehende Elemente, die aber aus einer hohen Vielfalt, Variabilität und Kombinationsmöglichkeiten bestehen und der Thematik und dem Redesetting stets aufs neue anzupassen sind. Keine Rede mag deshalb einer anderen vollkommen gleichen, durch die Rhetorik werden Reden aber vergleichbar. Wenn ein Autor eine Rede innerhalb eines Dramas konstruiert, muß er sich an dieselben formalen rhetorischen Bedingungen, Verfahren und Ansprüche halten, wie sie für eine reale Rede gelten, wenn er ein wirkungsästhetisch gelingendes, in den Kontext integriertes und damit rhetorisch korrektes Redeprodukt kreieren will. Das System der Rhetorik ist dabei nicht nur »ein formales Instrument« (Pörksen 2005: 9): »Es ist ein Erkenntniswerkzeug« (ibid.). Dies gilt äquivalent sowohl für den realen Redner als auch für den Autor, es gilt für die actio des Schauspielers (cf. Hess-Lüttich 1985: 50 f.), und es gilt für das Publikum realer Politik ebenso wie für das Publikum einer dramatischen Dichtung: […] zu allen direkten Dialogteilnehmern [tritt] noch ein weiterer Beteiligter [in Form des Publikums, J.K.] […], der schweigt, aber doch wichtig ist, denn alles, was im

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Theaterdialog gesagt wird, zielt auf ihn und soll auf sein Bewußtsein wirken (Mukarˇovsky´ 1967: 151).

Ist die allgemeine Wirkungsorientierung vergleichbar, muß auch ein Vergleich verschiedener rhetorischer Reden zulässig sein, selbst wenn es sich um einen Vergleich zwischen einer realen und einer literarisch-dramatischen Rede handelt. Die resultierende Wirkung, die ein Autor seiner fiktiven Rede als interaktive Kontrollfunktion zuschreibt, ist sowohl aus sprachwissenschaftlicher als auch aus rhetorischer Perspektive eine konsekutive und realistische Möglichkeit, die genau wie die Rede selbst auf der operativen Chance »des Orators beruht […], dass im Bereich symbolischer Kommunikation doch gemeinsame Bedeutungszuschreibungen, gemeinsame Kodes existieren« (Knape 2000a: 57). Die wissenschaftliche Motivation für den Vergleich besteht auch in der Beobachtung der handwerklichen Qualität einer dichterischen Rede, denn ein professioneller Autor konstruiert einen Text natürlich nicht nur nach funktionellen Aspekten, sondern ist sich der Wirkungsästhetik seines Produkts in hohem Maße bewußt: Andererseits ist der Text, besonders für einen Dichter, trotz allem das auktoriale Reich der Freiheit, in dem sich die Systemzwänge der Sprache bändigen oder gar ausmanövrieren lassen und wo mittels Über- oder Unterdetermination auf bestimmte Textebenen ganz eigene Bedeutungskonstruktionen eingerichtet werden können (ibid.: 62).

Hieraus ergibt sich der Reiz des Vergleichs: Obwohl sich der Autor fiktiver, dramatischer Reden an dieselben sprachlichen und rhetorischen Regeln halten muß wie ein realer Redner, ist ihm mitunter ein kunstfertigerer Umgang gestattet, der für die Realität wiederum nützliche methodische Ansätze und Gedankenspiele zuläßt; die reale Rede dagegen bietet im Vergleich die Möglichkeit, die Ergebnisse zu dem literarischen Produkt um Erkenntnisse aus der realen Redenpraxis zu erweitern. Es wurde im vorangehenden bereits angedeutet, daß die politische Rede als wirkungsästhetisches Instrument in den vergangenen Jahrhunderten fast ganz automatisch den Weg auf die dramatische Bühne finden mußte, und es wird sich in der Betrachtung der Entwicklung politischer Reden in Deutschland noch genauer herausstellen lassen, welche Relevanz dies Instrument im politischen und gesellschaftlichen Diskurs bis heute einnimmt.7 Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ist die Rede in jedem Fall fester Bestandteil des Repertoires der Kommunikation auf und von der Bühne; für Dramenästhetik und Handlung ist sie von traditionell gültiger und völlig natürlicher Bedeutung: Doch ist nicht alles Monolog, was sich wie ein Monolog anhört. Der Sinn des Dialogs ist es nicht nur, den Menschen dahin zu bringen, wo er handeln oder erleiden muss, 7 Siehe hierzu insbesondere Kapitel 3.1.

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sondern bisweilen auch in die große Rede zu münden, in die Erklärung seines Standpunktes. […] Die Rede vermag wie kein anderes Kunstmittel über die Rampe zu dringen (Dürrenmatt 1963: 34 f.).

Die fiktiv-dramatische Rede ist damit ein genuines und probates Instrument einer politisierenden Literatur, die ganz natürlich mit rhetorischer Wirkungsästhetik operiert. Hiermit spannt sich nun der Bogen zu der von Betten formulierten Feststellung über die rezeptionelle Funktion des Dialogs auf der Bühne (v.s.), mit der sich auch die Funktion der literarischen Rede und ihre fiktionale Wirkung definieren läßt. Die politische Rede in der dramatischen Literatur ist die rhetorische Kommunikation des als Politiker agierenden Autors mit seinem Publikum, und ein rhetorisch-literarischer Text und eben jener Autor stehen in der Tat in Konkurrenz zu einer realen politischen Kommunikation: Der Autor hat gegenüber anderen Lesern oft eine Sonderstellung; man hört auf ihn […] Als ›Führungspersönlichkeit‹ oder – trivialer ausgedrückt – als Meinungsmacher unterscheidet er sich aber in nichts von seinen angesehen Dichterkollegen, von den anerkannten Kritikern oder dem als Kunstkenner geschätzten Politiker (Kloepfer 1975: 18 f.).

Hierbei darf die vielleicht allzu offensichtliche Tatsache nicht übersehen werden, daß es sich auch bei einer fiktiven Rede auf der Bühne, trotz aller zusätzlichen literarischen Verdichtung, um wirklich gesprochene Worte handelt (cf. Ingarden 1972: 406), die innerhalb einer Handlung (auch) die »Funktion der Kommunikation (der Mitteilung)«8 ausüben (ibid.: 408): »Die lebendige Rede ist – sofern sie in ihrer natürlichen Verwendung gebraucht wird – immer an einen Anderen (an den Mitmenschen) gerichtet« (ibid.). Die dramatische Kommunikation und die dramatische Rede übernehmen also innerhalb der Handlung eine selbstverständliche pragmatische Funktion, und da die dramatische Kommunikation auf der Bühne wirklich geschieht, wird der Zuschauer auch wirklich zu ihrem Zeugen: »Die im Theaterschauspiel dargestellte und zur Erscheinung gebrachte Welt bildet einen merkwürdigen intentionalen Überbau und eine Umdeutung dessen, was während der Aufführung auf der ›Bühne‹ realiter geschieht« (ibid.: 410). Ingarden stellt zudem fest: »Das gesprochene Wort kann […] eine Form des Wirkens auf denjenigen sein, an den es gerichtet ist, manchmal auch auf diejenigen, die bloß Zeugen des Gesprächs sind« (ibid.: 415). Insbesondere für die Sonderform der literarisch-dramatischen Rede muß daher gelten: Nicht nur die Protagonisten innerhalb einer Handlung sind zu diesen Zeugen zu rechnen, sondern ebenso das Theaterpublikum. 8 Hervorhebung in der zitierten Ausgabe nicht kursiv, sondern durch gesperrten Zeichenabstand; dies gilt für alle folgenden Zitate dieser Quelle.

Gang der Arbeit, Material, Redenvergleich und weiterführende Ziele

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Gang der Arbeit, Material, Redenvergleich und weiterführende Ziele

Um an ausgewählten Reden exemplarische und verläßliche Analysen durchführen zu können, müssen zunächst verschiedene methodische Ansätze zu einem einheitlichen Analyseinstrumentarium zusammengefügt werden. Es empfiehlt sich hierfür, die einzelnen Methoden aktualisierend zu erörtern. Dies sichert zum einen die fokussierte Relevanz der Ergebnisse, zum anderen können die verschiedenen Instrumente recht genau bestimmten Aufgabenbereichen zugeordnet werden; auch die Trennschärfe der verschiedenen Wirkungsabschnitte und die Beachtung von kontextuellen und textuellen Makro-, Meso- und Mikroebenen sind damit sichergestellt. Das Analyseinstrumentarium schließt dabei explizit auch Aspekte mit ein, die die Textwirkung nicht nur aus sprachkompositorisch-technischer, sondern auch aus empirischer, ethisch-moralischer und sprachphilosophischer Perspektive betrachtet und bewertet. Hierdurch können Rückschlüsse auf die Beziehung dieser verschiedenen Parameter zueinander und auf ihre Bedeutung für die resultierenden Redenwirkungen gezogen werden, zudem können sie mit den neuen Erkenntnissen aus dieser Arbeit mitunter auch voneinander unabhängig neue Konturen hinzugewinnen. Es wird sich somit z. B. die Notwendigkeit ergeben, die Abhängigkeit einer guten Rede von einer guten Wirkung zu erörtern, und es ist dadurch deutlich, daß an dieser Stelle auch ethisch-moralische Aspekte berücksichtigt werden müssen, wenn eine umsichtige und verantwortungsvolle Forschung gewährleistet sein soll. Hierdurch werden die Ergebnisse auch für andere, verwandte Disziplinen wertvoll und könnten neue Forschungs- und Lösungsansätze bieten. Die einzelnen Instrumentarien werden am Ende des Methodikteils zu einer rhetorischen Diskursanalyse zusammengefügt, mit der alle Wirkungsinstanzen und -ebenen einer Rede untersucht und kontrollierend miteinander in Verbindung gesetzt werden können. Es muß dabei selbstverständlich sichergestellt sein, daß sich die Methodik sowohl für reale als auch für literarische Reden eignet; bei Bedarf sind Unterschiede oder Besonderheiten darzustellen. Im zweiten Teil der Arbeit werden an beispielhaften Materialien mit dem erarbeiteten Instrumentarium Analysen und Diskussionen vorgenommen, deren Ergebnisse die Möglichkeiten, Strategien und Grenzen für aktuelle politische Redenwirkung aufzeigen sollen. Hierfür wurden drei reale politische Reden der jüngeren Vergangenheit ausgewählt; die Auswahl geschah nach unterschiedlichen Kriterien. Zunächst ist festzustellen, daß die politische Rede in Deutschland, die auch die Öffentlichkeit erreicht, in den letzten zwei Jahrhunderten eine deutliche Genese erfahren hat und sich in den vergangenen Jahrzehnten Tendenzen neuer Nutzungsbereiche abzeichnen; eine genauere Be-

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Einleitung

trachtung zur Situation und mutmaßlichen Entwicklung der öffentlichen politischen Rede wird daher zum einen zu Beginn des Diskussionsteils, zum anderen den einzelnen Analysen vorangehend vorgenommen. Die Entwicklung der politischen Rede muß auch Auswirkungen auf die Auswahl des Redencorpus haben, damit die Ergebnisse sowohl für die aktuelle als auch für die zukünftige politische Praxis relevant sind. Ausschlaggebend für die Auswahl der einzelnen Reden war die öffentliche Wirkung, die in der Rezeption und Reflexion empirisch nachweisbar und nachvollziehbar war, und der in einem bestimmten, historisch und öffentlich relevanten politischen Diskurs eine wesentliche Bedeutung zugekommen ist. Zudem wurden für die Aktualität der Ergebnisse nur Reden in dem Zeitraum der letzten 25 Jahre ausgesucht; eine Beschränkung auf eine bestimmte Vortragsform und Medialisierung wurde dagegen nicht vorgenommen, um neuere Tendenzen der politischen Rede nicht durch eine unzweckmäßige Einengung auszuschließen. Es mußte sich aber stets um politisch, historisch und gesellschaftlich wichtige Reden halten, deren Wirkungen im Diskurs eine entscheidende Bedeutung zukam. Es ergab sich jetzt allerdings die Möglichkeit, bedingt durch den eher grundsätzlichen Charakter dieser Kriterien, die Reden so auszuwählen, daß die historischen, gesellschaftlichen und politischen Parameter sowie die Art der Medialisierung dabei durchaus verschieden sein konnten, um ein breiteres Spektrum der Ergebnisse zu erzielen und hiermit die Relevanz der Analysen zu erhöhen. Zusätzlich förderte dies die Möglichkeit, die Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren für eine Redenwirkung genauer ausloten und beobachten sowie (kontext-)spezifische Unterschiede in Strategie und Resultat deutlich machen zu können. Es stellten sich in diesem Zusammenhang die Reden Philipp Jenningers (1988)9, Helmut Kohls (1989)10 und Gerhard Schröders (1999)11 als lohnenswerte und reizvolle Analysegegenstände dar, die politisch, historisch und gesellschaftlich besonders signifikante Redesituationen und Redewirkungen aufweisen; zu einer unmißverständlichen und klaren Übersicht erfolgt die Abfolge der Analysen in chronologischer Reihenfolge. Die Rede Philipp Jenningers, die dieser anläßlich der Gedenkveranstaltung des Bundestages zum 50. Jahrestag der »Reichpogromnacht« hielt, bietet sich insofern als hervorragendes Beispiel an, weil das Resultat der Rede in der Ge9 Rede zur Gedenkveranstaltung aus Anlaß der Pogrome des nationalsozialistischen Regimes gegen die jüdische Bevölkerung vor 50 Jahren, Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestages am 10. November 1988; Jenninger (10. 11. 1988). 10 Rede des Bundeskanzlers vor der Frauenkirche in Dresden, öffentliche Kundgebung am 19. Dezember 1989; Kohl (1989c). 11 Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Lage im Kosovo, Fernsehansprache am 24. März 1999; Schröder (1999).

Gang der Arbeit, Material, Redenvergleich und weiterführende Ziele

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schichte der Bundesrepublik Deutschland sicherlich einzigartig ist: Jenninger trat nur wenige Stunden nach der Gedenkveranstaltung zurück, nachdem ihm vorgeworfen wurde, er habe mit seiner Rede das Gedankengut der Nationalsozialisten übernommen und die Verbrechen gerechtfertigt. Die Forschung zu diesem Thema ist bereits reichhaltig; nachdem in der ersten Zeit nach der Rede sowohl journalistische als auch wissenschaftliche Erörterungen glaubten, Jenninger ein grobes rednerisches Fehlverhalten nachweisen zu können, weist die Forschung allerdings gerade in den letzten Jahren die Tendenz auf, Jenningers Redeleistung wesentlich positiver zu bewerten. Für diese Arbeit bedeutet das die besondere Möglichkeit, die Rede in Gänze noch einmal neu zu erörtern, zu bewerten und die Ergebnisse mit den voraufgegangenen Forschungen zu vergleichen und jene auf ihre möglichen Fehler zu überprüfen. Das Resultat der diskursrhetorischen Wirkungsanalyse wird dabei ein Gesamtbild ermöglichen, das eine komplexe und verläßliche Schlußfolgerung zuläßt. Eine ganz andere Rolle als die der Rede Jenningers kommt der Ansprache zu, die Helmut Kohl im Winter 1989 anläßlich seines Besuchs in der DDR vor der aufgebrachten ostdeutschen Bevölkerung in Dresden hielt: Kohl mußte dafür Sorge tragen, daß die Situation nicht außer Kontrolle geriet, gleichzeitig wollte er den Menschen aber Hoffnung auf eine politische Veränderung geben und sein Bemühen um eine baldige Wiedervereinigung Deutschlands versprechen. Es war dabei nicht nur daß erste Mal nach der Aufstellung seines »10-PunktePlans«, daß Kohl hierzu in einer öffentlichen Rede und zudem vor der Bevölkerung Ostdeutschlands Stellung nahm, sondern gleichzeitig wurde die Rede auch weltweit für ein ganz anderes Publikum live übertragen. Es bot sich für Kohl also die Möglichkeit, mit seiner Rede nicht nur die Bürger Dresdens, sondern ebenfalls die Regierungsvertreter in aller Welt zu erreichen – insbesondere auch diejenigen, die einer Wiedervereinigung Deutschlands ablehnend gegenüberstanden; die Aufgabe der Rede bestand also auch darin, die internationale Staatengemeinschaft von der Machbarkeit und Notwendigkeit einer Wiedervereinigung zu überzeugen. Als politische Rede nimmt die Kundgebung im politischen Umbruch eine neuralgische Position ein, und die Analyse wird aufzeigen können, durch welche Strategien und Elemente Kohl die unterschiedlichen situationsbedingten und kontextuellen Faktoren einkalkulierte, um für das signifikant heterogene Publikum verschiedene Wirkungen zu konstruieren. Die Fernsehansprache, mit der Gerhard Schröder im Frühjahr 1999 den Eintritt der deutschen Bundeswehr in den Kosovo-Krieg rechtfertigte und die Bevölkerung von dessen Erforderlichkeit überzeugen wollte, weist für die Erforschung politischer Reden ebenfalls in mehrfacher Hinsicht eine besondere Relevanz auf: Zunächst ergab sich 1999 die historisch bedeutsame Situation, daß deutsche Soldaten erstmals nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder an

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Einleitung

Kampfhandlungen beteiligt waren. Gerade in den 1980er und 1990er Jahren gab es in Deutschland aber eine ausgeprägte öffentliche und umfassende pazifistische Bewegung, die jede kriegerischen Akte, insbesondere mit deutscher Beteiligung, ablehnte; jene Bewegung muß dabei politisch gerade auch in der parteipolitischen Klientel Schröders verortet werden. Die Rede des damaligen Bundeskanzlers hatte damit letztlich die Aufgabe, die Adressaten von der absolut gegenteiligen Meinung überzeugen zu müssen: Dies wohl schwierigste aller rednerischen Ziele muß sicherlich als Meisterstück jeglicher rhetorischer Wirkungskonstruktion betrachtet werden; da Schröders Rede als gelungen bezeichnet werden darf, kann an ihr somit eine exemplarische Erörterung einer solchen rhetorischen Aufgabenstellung vorgenommen werden. Zudem bietet die Rede in ihrer besonderen Medialisierung als Fernsehansprache die Möglichkeit, die Herausforderungen, Chancen und Risiken neuer politischer Redeformen zu untersuchen. Alle drei Reden nehmen als kommunikatives Ereignis im politischen, historischen und gesellschaftlichen Diskurs eine herausragende Position ein und können als beispielhafte zeitgenössische rhetorische Kommunikationsvarianten betrachtet werden, die eine hohe öffentliche Rezeption und Reflexion ermöglichen. Damit stellen sich die Reden, gerade auch hinsichtlich ihrer Wirkung, als relevante und exemplarische Forschungsgegenstände heraus, an denen mögliche Wirkungsstrategien beobachtet und erörtert werden können. Zusätzlich macht die Auswahl dieser unterschiedlichen Redeformen auf die modernen rhetorischen Möglichkeiten der Politik aufmerksam, die außerhalb des internen politischen Arbeitsalltags eine breite Öffentlichkeit wirkungsvoll erreichen können. Für die Wahl der zu Analyse und Vergleich hinzugezogenen literarisch-dramatischen Reden reicht es natürlich nicht hin, wenn sie einerseits eine allgemein gültige und anerkannte ästhetische Bedeutung und Herkunft aufweisen und andererseits grundsätzlich einer politischen Thematik folgen, auch wenn dies für die Auswahl selbstverständlich eine Grundbedingung darstellt. Damit für die literarischen Beispiele nicht nur eine eigenständige rhetorische Diskursanalyse durchgeführt werden kann, sondern ein sinnvoller Vergleich mit einer realen politischen Rede möglich ist, stellt die Wirkung der literarischen Reden das entscheidende Kriterium dar : Erst wenn Wirkungsintention und resultierende Wirkung vergleichbar sind, ergibt sich eine lohnende Möglichkeit, die Anwendung rhetorischer Elemente und Strategien zum Erreichen eines vergleichbaren Ziels zu diskutieren. Darüber hinaus weist jede der realen Reden zusätzlich einige spezifische Merkmale auf, die von dem zum Vergleich angeführten literarischen Gegenstück zu erfüllen waren, um den Nutzen der Vergleichbarkeit zu optimieren.

Gang der Arbeit, Material, Redenvergleich und weiterführende Ziele

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Mit der Rede des »Doktors« aus Max Frischs Andorra ergibt sich für die Ansprache Philipp Jenningers die äußerst interessante Möglichkeit eines Vergleichs, der den angeführten Ansprüchen hervorragend genügt.12 Dies liegt an zwei besonderen Übereinstimmungen: Zum einen hält der Doktor zwar eine Rede, mit der er sich rechtfertigt und die Vorgänge in »Andorra« verteidigt; Frisch will das Publikum damit aber nicht überzeugen, sondern vielmehr verdeutlichen, daß diese Rechtfertigung mißlingen muß. Zum anderen beinhalten sowohl das Stück als auch die Rede selbst eine vergleichbare Thematik, zu der auch Jenninger Stellung nimmt. Darüber hinaus ist die Rede des Doktors nicht direkter Bestandteil der eigentlichen Handlung des Stücks, sondern nimmt im episch verfremdeten Theater eine auf das Publikum gerichtete Perspektive ein. Damit wird nun ein einzigartiger Vergleich möglich: Während Jenningers Ansprache unbeabsichtigt mißlingt, konstruiert Frisch eine Rede zu einem inhaltlich äquivalenten Thema, deren Wirkungsintention mißlingen soll. Der Vergleich wird eine Untersuchung ermöglichen, in der erörtert werden kann, ob Jenninger vielleicht dieselben rhetorischen Fehler begeht, die Frisch in der Rede des Doktors bewußt vornimmt, und er wird dazu beitragen, die Wirkungsästhetik beider Reden neu beurteilen zu können. Das wohl wichtigste rhetorische und wirkungsästhetische Merkmal der Rede Helmut Kohls ergibt sich wiederum aus der doppelten Medialisierung, also der Möglichkeit, mit einer einzigen Rede über verschiedene Kanäle verschiedene Adressaten zu erreichen, für die unterschiedliche Botschaften ausgesendet werden sollen. Für solche doppelten Medialisierungen ist die Bühne ohnehin hervorragend geeignet, da es im traditionellen Drama stets »interne« Adressaten innerhalb der Handlung, aber auch stets das externe Publikum, nämlich die Zuschauer, gibt. Es ist offensichtlich, daß für einen Dichter also die Möglichkeit gegeben ist, politische Parolen und Überzeugungen in die Handlung eines Stücks zu integrieren, die damit automatisch von dem Theaterpublikum wahrgenommen werden. In dem Stück Don Carlos findet sich zu dieser Überlegung der Marquis von Posa, der vor dem König von Spanien eine leidenschaftliche Rede hält, um ihn von der Notwendigkeit eines neuen politischen Systems zu überzeugen.13 Schiller arrangiert hier eine Rede, die nicht nur den König auf der Bühne für die Idee gewinnen soll; ihre Botschaft soll gleichzeitig auch die realen Herrscher und das reale Volk außerhalb der Bühne erreichen. Es wird sich in der Analyse herausstellen lassen, wie Schiller nicht nur die Rede selbst, sondern auch die Handlung und die Reaktionen des Königs zu einem neuen Text kombiniert, 12 Zeugenaussage des »Doktors« in Andorra – Stück in zwölf Bildern von Max Frisch; nach dem Elften Bild; Frisch (1998c). 13 Die Rede des Marquis von Posa in Friedrich Schillers Don Carlos, Infant von Spanien; III. Akt, 10. Auftritt. Schiller (1989).

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um damit sein Theaterpublikum von seiner politischen Idee zu überzeugen; durch den Vergleich mit der Ansprache Kohls wird es möglich, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Strategien beider Reden aufzuzeigen, durch die mit einer einzigen Rede, in der unterschiedliche Wirkungen konstruiert werden, verschiedene Adressaten zu verschiedenen Zwecken gleichzeitig erreicht werden können. Gerhard Schröder steht mit seiner Fernsehansprache vor der schwierigen Wirkungsherausforderung, seine Rede so zu konstruieren, daß er sein Publikum im Zweifel von dem genauen Gegenteil dessen überzeugen kann, was als bisher vorherrschende Meinung gilt. Eine äquivalente Situation ergibt sich für Marc Anton in William Shakespeares Julius Caesar:14 Nachdem Caesar einem Attentat zum Opfer gefallen ist, gelingt es Brutus als einem der Verschwörer, das Volk von Rom von der Notwendigkeit des Mordes zu überzeugen und es auf die (politische) Seite der Attentäter zu bringen. An dieser Stelle tritt Marc Anton auf und hält eine Rede, mit der er das Volk vom genauen Gegenteil überzeugen kann: Am Ende seiner Ansprache auf dem Forum ist das Volk von Rom überzeugt, Caesar sei Unrecht geschehen und die Verschwörer müßten zur Verantwortung gezogen werden. Beide Redner, Schröder und Antonius, müssen ihr Publikum von einer gegenteiligen Meinung überzeugen, und beiden gelingt es. So unterschiedlich ihre politische Situation und Motivation auch sein mag; letztlich ist die Aufgabe ihrer Reden damit gleich: Sie müssen bei ihren Zuhörern einen politischen Meinungsumschwung bewirken. Mit dem Vergleich wird sich untersuchen lassen, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Gewichtung verschiedener Elemente und Strategien eine solche Aufgabe gelingen kann, und insbesondere bei diesen beiden Reden wird sich damit nicht nur die Gelegenheit ergeben, die Chancen und Möglichkeiten eines solchen Unterfangens abzuwägen, sondern gleichzeitig auch die Grenzen und die hierbei auftretende ethisch-moralische Problematik aufzuzeigen. Damit wird im Vergleich der Reden Schröders und Marc Antons für eine Königsdisziplin der Rhetorik ein aktueller, beispielhafter Lösungsansatz ermöglicht, der wertvolle Ergebnisse für die Praxis liefert und gleichzeitig notwendige ethisch-moralische Aspekte in die Forschung integriert. Wenn Sprache, Kommunikation und Rede ein arbiträres, unkalkulierbares Medium wären, dann könnte man getrost auf das alte Shakespeare-Wort verweisen: Der Rest ist Schweigen – oder er sollte es zumindest sein. Sämtliche Bemühungen der Interaktion wären damit hoffnungslos und ihr Gelingen reiner Zufall. Die »Erfindung« der Sprache, wie sie die französischen Philologen in Grammaire g¤n¤rale et raisonn¤e beschreiben (v.s.), ist aber gerade deshalb so erfolgreich und in der Anthropologie so entscheidend, weil sie die Verständi14 Die Rede Marc Antons in William Shakespeares The Tragedy of Julius Cæsar ; III. Akt, 2. Szene. Shakespeare (1966).

Gang der Arbeit, Material, Redenvergleich und weiterführende Ziele

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gung der Menschen untereinander möglich macht. Die Erforschung der Wirkung von Reden ist damit auch Bestandteil einer Wissenschaft, deren Aufgabe es ist, das Phänomen Sprache untersuchen, erörtern und erklären zu können. Damit die Schlußfolgerungen einer konstruierten sprachlichen Wirkung nicht nur Spekulation sind, bietet sich für die diese Arbeit die Verbindung von rhetorisch-textanalytischer, empirischer und diskursiver Methodik an. Wenn die Ergebnisse damit auch nur exemplarisch bleiben, so wird doch erkennbar werden, welche Möglichkeiten einem (politischen) Redner zur Verfügung stehen, und wo seine kalkulierbaren Grenzen liegen. Die qualitativen Analysen werden zudem auf die Frage eingehen können, welche neuralgischen Punkte es in der Konstruktion und kontextuellen Integration einer Rede gibt, die das Gelingen ihrer Wirkungsintention wahrscheinlicher machen. Die Untersuchung des Einflusses und der Bedeutung derjenigen Elemente, die nicht unter der Kontrolle des Orators stehen, sollten weitere nützliche Erkenntnisse zur Einschätzung erörternder und persuasiver Kommunikationsakte erbringen. Am Ende könnten die Ergebnisse dieser Arbeit somit dazu beitragen, nicht nur dem Phänomen wirkungsvoller Sprache ein Stück näher zu kommen, sondern auch die Relevanz philologisch-sprachwissenschaftlicher Forschung sowohl für die interdisziplinäre Wissenschaft als auch für die Praxis zu erhöhen.

2 Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

2.1

Die pragmatischen und hermeneutischen Instrumentarien einer rhetorisch-diskursiven Analyse als Fundament für gelingende Sprachkunst und eine gute Rede

»›Meine Damen und meine Herren! Bevor ich zum Thema des heutigen Abends komme, lassen Sie mich Ihnen kurz…‹« (Tucholsky 2003: 464). So lautet das Beispiel für den ersten Ratschlag, den Kurt Tucholsky einem schlechten Redner zur Gestaltung einer Rede nennt; er solle nämlich »nie mit dem Anfang« beginnen, »sondern drei Meilen vor dem Anfang!« (ibid.). So humorvoll sich Tucholskys kurze Persiflage auf die Rednerkunst ausnimmt, so ernsthaft und beispielhaft können seine einzelnen Thesen – invertiert – als Ratschläge für einen guten Redner betrachtet werden, und so erstaunlich genau stimmen sie dann mit einer allgemeinen Vorstellung einer guten Rede überein. Dies mag auch gar nicht verwundern, denn so klischeehaft schlecht seine beispielhafte schlechte Rede erscheint, so klar läßt sich aus ihr auch erkennen, was denn nun einen guten Redner und folglich eine gute Rede ausmacht. Tucholsky listet im Verlauf seines Textes auf, welche Fehler ein Redner begehen kann: in bezug auf Inhalt und Ausführung eines Redeinhalts, Komplexität des Stoffes, Vortrag, Syntax und Grammatik, den historischen Kontext, Interaktion mit dem Auditorium, Umfang der Rede sowie sprachliche, parasprachliche und außersprachliche Mittel – all diese Merkmale nur unter einem Gesichtspunkt, nämlich eine Rede schlecht zu gestalten. Mit schlecht ist in diesem Zusammenhang eindeutig gemeint: nicht unterhaltend, langweilig und nicht überzeugend. Tucholsky knüpft also an eine schlechte Rede auch eine Mißwirkung bzw. schlechte Wirkung, was er in seinem Text mit Blick auf die Beziehung von Redner und Zuhörer freilich ironisch darstellt: »So gewinnst du dir im Nu die Herzen und die Ohren der Zuhörer« (ibid.), »Wenn einer spricht, müssen die andern zuhören – das ist deine Gelegenheit. Mißbrauche sie« (Tucholsky 2003: 467).

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Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

Aus Tucholskys Ratschlägen für einen schlechten Redner ergibt sich also zwangsläufig, daß eine schlechte Rede auch immer eine schlechte Wirkung auf die Zuhörer hat – et vice versa, wie in einem stilisierten Idealfall anzunehmen wäre. Hier schließt sich nun sofort und notwendigerweise die Frage an, was eigentlich mit schlechtem Redner und schlechter Rede und somit natürlich gutem Redner und guter Rede gemeint ist; einerseits sind gut und schlecht sehr allgemeine Attribute, die einer differenzierten wissenschaftlichen Prüfung auf den ersten Blick kaum standhalten können. Auf der anderen Seite ist es aber gerade für eine Studie, die sich die Aufgabe gestellt hat, Reden und deren Wirkung zu untersuchen, eine Notwendigkeit, zwischen einer guten und einer schlechten Rede letztendlich unterscheiden zu können. Anhand des Vorangegangenen läßt sich das positive und negative Erscheinungsbild von Redner und Rede formal an der Gestaltung und Ausführung, also dem Vortrag der Rede, festmachen, aus wirkungsorientierter Perspektive an der Rezeption des Zuhörers und dem Einfluß, den die Rede auf ihn hat. Es entsteht aus diesen wenigen Informationen, die sich aus Tucholskys Text ergeben, also bereits ein komplexes Beziehungsgefüge aus Akteur und Rezipient, aus Zeichen und Inhalten, aus intendierter und tatsächlicher Wirkung, die in der Gestaltung und im Vortrag einer Rede durch eine Vielzahl verschiedenartiger Elemente enthalten und angelegt sind. Eine Studie, die Reden auf ihr Wirkungspotential untersuchen will, muß also dementsprechend diesen Code entschlüsseln und dadurch die einzelnen Elemente unterscheiden können, die eine Rede gelingen oder mißlingen lassen. Es wird schnell deutlich, daß eine solche Decodierung nur mittels eines interdisziplinären, mehrere Instrumentarien umfassenden Analysemodells möglich sein kann, wenn man ein erschöpfendes und eindeutiges Ergebnis erwartet. Bereits Harold D. Lasswell stellte in seiner Abhandlung The Structure and Function of Communication in Society fest, daß die einzelnen Komponenten der Kommunikation singulär betrachtet und erforscht werden: The scientific study of the process of communication tends to concentrate upon one or another of these questions. Scholars who study the ›who‹, the communicator, look into the factors that initiate and guide the act of communication. We call this subdivision of the field research control analysis. Specialists who focus upon the ›says what‹ engage in content analysis. Those who look primarily at the radio, press, film and other channels of communication are doing media analysis. When the principal concern is with the person reached by the media, we speak of audience analysis. If the question is the impact upon audience, the problem is effect analysis (Lasswell 1964: 37).

Diese gern zitierte Feststellung Lasswells, die er aus seiner zunächst aufgestellten Formel des Act of Communication folgert, ist zwar lückenhaft und unvollständig, da sie eine genauere Einteilung von Redesituationen und -zusammenhängen erst gar nicht unternimmt, dennoch ist aus ihr exemplarisch ersichtlich, daß sehr

Pragmatische und hermeneutische Instrumentarien rhetorisch-diskursiver Analyse

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verschiedene wissenschaftliche Disziplinen an der Entschlüsselung des erwähnten »Codes« beteiligt sein müssen. Lasswell ignoriert in seinen Ausführungen allerdings, daß die verschiedenen Disziplinen grundsätzlich verschiedene Analyseansätze haben können, die – vorläufig – schwer vereinbar erscheinen. Dies gilt auch für die hermeneutisch-interpretativen und pragmatisch-handelnden Ansätze (cf. Klein 2006: 17 ff.) einer linguistische Wissenschaft, die die Sprache (in) der Politik erforscht. Ende des 20. Jahrhundert wurde hierfür der Begriff Politolinguistik etabliert (cf. Burkhardt 1996: 75 – 100), zu welcher auch Methodenkombination und Analysegegenstände dieser Arbeit gerechnet werden müssen.15 Dennoch ist es notwendig, gerade mit Blick auf eine Wirkungsanalyse von (politischen) Reden, beide zuvor genannten Analyseinstrumente anzuwenden: Das Untersuchungsfeld läßt auch keine andere Wahl: Undeutlichkeiten und Mehrdeutigkeiten im kommunikativen Handeln auf der einen, ideologisch und strategisch geleitetes Verstehen und Mißverstehen auf der anderen Seite prägen politische Kommunikation in einem Maße, dass die Politolinguistik ihren Gegenstand verfehlen würde, wenn sie nicht zumindest auf der Analyseebene Ressourcen aus beiden ›Disziplinen‹ in Anspruch nehmen würde (ibid.).

Leider unterläßt es Klein im folgenden seines Textes, die beiden Methoden zu verbinden oder konkrete Ansätze dafür darzulegen. Dabei sind diese durchaus vorhanden: Insbesondere die moderne Auffassung einer rhetorischen Analyse weiß beide Herangehensweisen zu vereinigen, und Rhetorik muß im Falle der hier vorliegenden Fragestellung eine wichtige Rolle spielen – »Woran sonst sollte auch die theoretische Besinnung auf das Verstehen anschließen als an die Rhetorik, die von ältester Tradition her der einzige Anwalt eines Wahrheitsanspruches ist […]?« (Gadamer 1975: 63). Daß hier nun klassische Rhetorik, die immerhin rund zweieinhalbtausend Jahre alt ist, und die dagegen noch relativ junge Pragmatik miteinander verknüpft werden, muß dabei als notwendige und logische Konsequenz der Thematik begriffen werden: Schon die klassische Rhetoriktheorie konzentrierte sich auf jene Probleme, die mit der Erfolg versprechenden Ausarbeitung und Performanz von Äußerungen des kommunikativ Handelnden verbunden sind (Knape 2005b: 18). 15 »Politische Linguistik« nutzt »various subdisciplines (linguistics of pragmatics, text linguistics, media linguistics) and theories of theoretical concepts (e. g. theory of speech acts, conversational implicatures, theory of language functions, conversation analysis, rhetoric and argumentation theory, theory of the language in institutions; concept of competition, multiple addressing (Mehrfachadressierung), staging (Inszenierung), intertextuality for analysing political discourse« (de Cillia / Wodak 2005: 1641); sie ist eine »Teildisziplin im Grenzgebiet zwischen Linguistik und Politologie« (Burkhardt 1996: 75).

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Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

Gerade die Rhetorik muß dabei nicht nur als Vorläufer der Pragmatik angesehen werden, sondern sie war auch immer schon ein pragmatisches Sprachhandlungsmodell, das sich ganz selbstverständlich mit der Bedeutung von Sprache in ihren Handlungen beschäftigte (cf. Knape 2000a: 116): »[…] so kann man wohl zu dem Urteil kommen, die Rhetorik bestehe im Handeln; denn sie vollzieht das, was zu ihrer Aufgabe gehört, und so ist es denn auch von allen gesagt worden« (Quintilian 2006a: 265; inst. II 18,2). Quintilian stellt sich hiermit in die pragmatische Tradition der griechisch geprägten Wissenschaftsdefinitionen und der griechischen Rhetorik: »›Von den Wissenschaften sind die einen betrachtend, die anderen handlungsleitend und die dritten hervorbringend‹« (Aristoteles 2004: 241; top. VIII 1,10). Dieselbe pragmatische Auffassung von Rhetorik muß dabei auch für dramatische Dialoge gelten: Muss der Dialog aus einer Situation entstehen, so muss er in eine Situation führen, in eine andere freilich. Der dramatische Dialog bewirkt: Ein Handeln, ein Erleiden, eine neue Situation, aus der ein neuer Dialog entsteht usw. (Dürrenmatt 1963: 34).

Auch für dramatische Reden kann diese Feststellung übernommen werden: »Der Sinn des Dialogs ist es nicht nur, den Menschen dahin zu bringen, wo er handeln und erleiden muss, sondern bisweilen auch in eine grosse Rede zu münden, in Erklärung seines Standpunktes« (ibid.: 34 f.). Die oben angeführte Betrachtungsweise der klassischen Rhetorik entspricht einer modernen Auffassung von pragmatischer Texttheorie; eine Zusammenführung von Rhetorik, moderner Pragmatik und Diskurstheorie erscheint somit leistbar und wünschenswert: Wenn hier Texte (Zeichenreihen) [cf. 2.1.1, J.K.] als grundsätzlich intentional hergestellt bzw. intentional realisiert definiert werden, so mag das vom Standpunkt einer semantisch-sigmatisch orientierten Literaturwissenschaft einseitig erscheinen und gewissen ›zweckfreien‹ Textsorten nicht den geforderten Respekt zollen. Doch ergibt sich diese Definition folgerichtig aus dem pragmatischen Ansatz; sie ist die Prämisse für eine pragmatische Texttheorie und ermöglicht erst eine Operationalisierung des Prozesses ›Textherstellung‹. Diese Operationalisierung von Textkonstitution bietet sich schon deshalb als der geeignete Weg zur Bildung pragmatischer Kategorien an, weil sie auf den Vorarbeiten der traditionellen rhetorischen Texttheorie aufbauen kann (Breuer 1974: 139).

Breuer reklamiert dabei auch, daß die Rhetorik keine »generell anwendbaren pragmatischen Kategorien« (ibid.: 140) biete, da sie sich auf antike und nicht auf aktuelle Texte beziehe. Er fordert daher, sie als »Modellcharakter zu erkennen und nach Art der Modellmethode für die Bildung pragmatischer Kategorien zu benutzen« (ibid.: 141). Hierzu sollte angemerkt werden, daß Analysen mit Hilfe der klassischen Rhetorik in den letzten Jahrzehnten empirisch belegt haben, daß

Pragmatische und hermeneutische Instrumentarien rhetorisch-diskursiver Analyse

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sich diese durchaus auch auf aktuelle Texte anwenden läßt; um aber eine zeitgemäße Methodik zu schaffen, sollen für diese Arbeit aktuelle Theorien zur historischen Dialogbestimmung hinzugezogen werden (cf. 2.1.3). Die Zuverlässigkeit der klassischen Rhetorik steht dabei jedoch außer Frage: Die neuere Rhetoriktheorie hat von deren Einsichten [die der antiken Theorie, J.K.] nichts zurückzunehmen, wie ja generell gilt, dass die antiken Theoretiker im Bereich der interpersonalen Kommunikation nach wie vor gültige, auf Grund empirischer Beobachtungen aufgestellte Prinzipien und Regeln formuliert haben. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Rhetoriktheorie hatte sich damals wie heute in der Praxis zu bewähren (Knape 2005b: 22).

Auch für die im folgenden noch zu betrachtende Diskursanalyse hat sich die Rhetorik inzwischen zumindest als erprobtes Hilfsmittel für einige Aspekte ihrer Vorgehensweise etabliert; die vollständige Fusion beider Methoden stellt also auch aus dieser Perspektive die notwendige Folge dar, wenn, wie in dieser Arbeit, die Wirkungen von Reden zur Diskussion stehen. Hermeneutik und Pragmatik stellen dabei für die Rhetorik keinen Widerspruch dar ; es ist evident, daß gerade die Rhetorik von beiden Ressourcen zehren muß: Sowohl die streng pragmatisch-formalistische als auch die interpretative Analyse gehören zum Werkzeug einer rhetorischen Erörterung; wenn auch Plett bemerkt, daß »der ›Hermeneutiker‹ Dockhorn« den »›Formalisten‹ Lausberg« verdrängt (Plett 2000: 249).16 Dennoch ist das Bestreben der deutschen Philologen seit Mitte des 20. Jahrhunderts eindeutig; alle »drei Autoren – Dockhorn, Curtius, Lausberg – verfolgten im Grunde die gleiche Absicht: eine Renaissance der antiken Rhetorik für die Geschichte von Poetik und Literatur« (ibid.): Mit der letztgenannten Strömung [»eine lebensbezogene Praxis rhetorischer Kritik«, J.K.] in Verbindung steht die amerikanische ›neue‹ oder ›wissenschaftliche Rhetorik‹, die auf der interdisziplinären Zusammenarbeit von Kommunikationswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Politologie und klassischer Rhetorik beruht […] (Plett 2001: 9).

Die Interdisziplinarität, wie sie bereits Lasswell anstrebte und Klein für die Politologie beschreibt, stimmt hiermit überein und findet sich also explizit in der modernen Auffassung für rhetorische Analysen wieder. Grundsätzlich ist es folglich erwünscht und erforderlich, diese Erkenntnisse für eine Analyse, die das Zusammenspiel von intendierter, rednerisch konstruierter und tatsächlich erzielter Wirkung von Reden untersucht, zu beachten und anzuwenden.

16 Gemeint sind hierbei insbesondere auch die Standard- bzw. Grundlagenwerke der genannten Autoren; nämlich Lausbergs Handbuch der literarischen Rhetorik (1990) und Dockhorns Macht und Wirkung der Rhetorik (1968).

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Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

Darüber hinaus sind jene Komponenten der rednerischen Wirkung – intendierte Wirkung, angelegte bzw. angebotene Wirkung und tatsächlich erzielte bzw. erfolgte Wirkung – ein Indiz für die notwendige Doppelwertigkeit einer Wirkungsanalyse: Um Übereinstimmungen und Fehler aufzudecken, müssen Redetext und -situation sowohl mit Blick auf die intendierte und im Text konstruierte Wirkung als auch auf die tatsächlich erzielte Wirkung von Redetext, Vortrag und Redner analysiert werden. Benennt man nun eine bestimmte Rede, deren Wirkungsmechanismen zu verifizieren sind (aut vice versa), erschließen sich automatisch drei wesentliche, komplexe Bedingungen, die eine Rede idealiter erfüllt: Es gibt einen Redner, es gibt einen Redetext, und es gibt eine Redesituation. Hieraus ergibt sich nun ein Erwartungsmodell für das zu entwickelnde Analyseinstrumentarium, das eine Makroebene enthalten sollte, um den Redekontext und die daraus resultierende intendierte Wirkung zu erörtern, eine Mesoebene, die die Ausgangslage der Rede, die nötige Planung des Redetexts und die Einordnung in die Makroanalyse beinhaltet, und schließlich die Mikroebene, in der exemplarisch die Elemente des Redetexts und des Vortrags analysiert werden, die zu einer bestimmten Wirkung führen können. Die Diskussion aller drei Analyseebenen ermöglicht sowohl die Begründung einer wirkungsästhetisch geglückten als auch einer mißlungenen Rede sowie eine Erklärung für die tatsächlich erfolgte Wirkung. Die hierzu erstellte Illustration des Erwartungsmodells verdeutlicht diese notwendigen Elemente der Wirkungsanalyse (cf. Abbildung 1). Dem Erwartungsmodell zufolge durchläuft die Wirkung also drei Stadien, die sich wechselseitig bedingen und beeinflussen. Intendierte und angelegte Wirkungen sind letztlich hypothetische Größen, die sich, zumindest im Normalfall, durch die reale Wirkung verifizieren oder falsifizieren lassen. Die Wirkungsanalyse muß also darauf angelegt sein, daß ein Abgleich der Ergebnisse möglich und überschaubar bleibt, und daß alle wesentlichen Komponenten einer Wirkung einbezogen werden können. Die Analyse sollte, um eine Überprüfung überhaupt zu ermöglichen, mit der Erörterung des Kontexts und der daraus resultierenden Annahme der intendierten Wirkung der Rede beginnen. Wie oben bereits angemerkt, handelt es sich dabei um eine vermutete Größe, die einerseits durch die Analyse des Redetextes angenommen werden kann, andererseits durch eine hermeneutische Herangehensweise aus der Redesituation und des Redediskurses interpretiert wird. Hierzu eignen sich für die Makroanalyse insbesondere die Kritische Diskursanalyse nach Wodak und Fairclough. Um eine Bearbeitung zu gewährleisten, die alle Aspekte der Fragestellung berücksichtigt, sollen wirkungsästhetische Überlegungen, wie z. B. von Turk, hinzugezogen werden. Die zu vergleichenden Reden bestehen je aus einer historischen und einer literarischen Rede; in der Makroebene stellt sich also die

Pragmatische und hermeneutische Instrumentarien rhetorisch-diskursiver Analyse

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Erwartungsmodell zur Erfassung von Redewirkungen

intendierte Wirkung Makroanalyse

Kontext von Redner, Rede, Situation und Publikum resultierende Wirkung

Mesoanalyse

Inhalt, Aufbau, Formulierung und Vortrag der Rede im allgemeinen konstruierte Wirkung

Mikroanalyse

Redetext und Vortrag im konkreten, beispielhaften Detail

Abbildung 1

Herausforderung, daß sowohl für reale als auch für literarisch-dramatische Reden verläßliche Einschätzungen möglich sein sollen. Der hieraus gewonnene Nutzen ist eindeutig benennbar : Die gewonnene Methodik wird so variabel und praktikabel sein, daß sie sich auf verschiedene Möglichkeiten der Rede bzw. Kommunikation anwenden läßt. Den Rahmen der Analyse auf der Meso- und Mikroebene bildet idealerweise das klassische Modell der Rhetorik mit seinen verschiedenen Einteilungsprinzipien, die für diese Studie formatiert und an geeigneten Positionen um moderne Ansätze erweitert werden sollen. Mittels dieser Methoden lassen sich nun Parameter feststellen, die eine gesicherte Einschätzung der intendierten Wirkungsabsicht des Redners zulassen. Nun muß sich die Überprüfung der Einschätzung anschließen, und zwar insofern, als daß die tatsächliche Wirkungsleistung der Rede festgestellt wird. Dies heißt allerdings nicht, daß sich dadurch die vorherige Einschätzung relativiert,

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Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

sondern daß durch die Analyse entweder die Übereinstimmung von intendierter und tatsächlicher Wirkung festgestellt werden kann oder eben deren Divergenz. Ziel der Analyse ist es, am Ende die Gründe für die sich hieraus ergebende gelungene oder mißlungene Wirkung benennen zu können und, im günstigsten Fall, moderne grundlegende Parameter für eine glückende Rede zu finden. Es empfiehlt sich hierbei, den Rahmen des klassischen rhetorischen »Redenbaukastens« beizubehalten. Sowohl für den Redetext als auch für die Analyse des Vortrags bietet sich für eine wissenschaftliche Beobachtung das Verfahren des Close Reading an, das an exemplarischen Stellen die wirkenden Elemente erkennt und definiert. Das ermöglicht zudem, diese Methode, entstanden aus der Forschungsrichtung des New Criticism, zu aktualisieren, nach den Bedürfnissen aktueller Sprach-, Literatur- und Kommunikationswissenschaft zu beurteilen, sie endgültig in die moderne Diskurs- und Rhetorikforschung einzuführen und mit wirkungsästhetischen Theorien, z. B. nach Turk und Iser, zu kombinieren. Der Akt des Vortrags selbst muß auf die Elemente der para- und außersprachlichen Mittel sowie dessen Inszenierung überprüft werden; zudem läßt sich die klassische Methodik der Affektenlehre, ebenso wie andere Teile der klassischen Rhetorik, für die angestrebte Methodik um aktuelle Theorien und Modelle ergänzen. Die einzelnen Analysemethoden werden nun im folgenden dargestellt und sinnvoll miteinander verknüpft, so daß das Ziel der Arbeit – die Erfassung und Definition sowohl bei wirkungsästhetischer Übereinstimmung als auch bei der Divergenz zwischen intendierter und tatsächlich geleisteter Wirkung der Rede – erreicht werden kann. In jedem Fall muß die Analyse dieser politolinguistischen Wirkungsstudie sowohl mittels Hermeneutik als auch mittels pragmatischen Ansätzen durchgeführt werden, denn: Gegenstand der Pragmatik ist das Handeln, Gegenstand der Hermeneutik das Verstehen. Handeln ist menschliches Verhalten unter Sinnzuschreibung. Sinnzuschreibung aber ist identisch mit Verstehen. Daher gehören die Begriffe des Handelns und Verstehens zusammen (Klein 2006: 17).

Dies ist nicht nur im Sinne zeitgemäßer politolinguistischer Forschung, sondern auch mit einer differenzierten Auffassung von Hermeneutik und Pragmatik vereinbar : […] und selbst wenn es anginge, die humanities aus dem Umkreis von science ganz zu entfernen, so kämen die Handlungswissenschaften nicht daran vorbei, empirischanalytische Verfahrensweisen mit hermeneutischen zu verbinden (Habermas 1975: 46).

Zum Abschluß der Methodikbestimmung darf selbstverständlich nicht der Versuch einer Definition fehlen, was denn nun eine Rede gut und was sie schlecht macht. Tucholsky beließ es in seinem eingangs erwähnten Text nicht einfach bei

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seiner Aufzählung der negativen Möglichkeiten einer Rede – er schloß ihnen, kurz und knapp, Ratschläge für einen guten Redner an, die, wie sich im folgenden noch zeigen wird, erstaunlich eindeutig mit einer heutigen, wissenschaftlich und empirisch fundierten Definition übereinstimmen (cf. Tucholsky 2003: 467).

2.1.1 Die Wirklichkeit ist ein Diskurs: Die Kritische Diskursanalyse und die Notwendigkeit einer rhetorischen Textdefinition Das im vorangehenden Kapitel genannte Beziehungsgeflecht zwischen Redner, Rede und Auditorium macht deutlich, daß die Wirkungsanalyse einer Rede nur dann signifikante Resultate erbringen kann, wenn sie sich eben nicht ausschließlich auf die Mikroanalyse des Redetexts beschränkt, sondern vielmehr alle Parameter zur Erfassung von Rede und Redekontext berücksichtigt, um anhand eines alle Ebenen berücksichtigenden Analyseinstrumentariums repräsentative Ergebnisse zu ermöglichen. Die Diskursanalyse und insbesondere die Kritische Diskursanalyse bieten diese Möglichkeit einer hervorragend geeigneten Methodik, miteinander in Verbindung stehende Texte zu erforschen. Die zu analysierende Rede steht dabei als Diskursstrang im Mittelpunkt der Erörterung; es werden aber Kontext von Redner, Text, Situation und Auditorium ebenso erfaßt wie die Reflexion von Rede und Redemoment. Analog zu der Definition von Texten als mündliche oder schriftliche Sprachproduktionen, wie sie sich beispielsweise bei Jäger findet (cf. Jäger 1994: 23 f.),17 ist die Rede als Text in den Kontext vieler mit ihr verknüpfter Texte integriert. Hierbei handelt es sich um jene Texte, welche die diskursive Grundlage einer Rede bilden; die Texte der Situation, des Auditoriums und der Reflexion der Rede: Jeder Text ist in eine diskursive Praxis der Textproduktion, -verbreitung und -konsumption eingebettet, und diese wiederum in eine soziale Praxis, einen Zusammenhang von Situation, institutionellem und gesellschaftlichem Kontext […] (Keller 2007: 29).

Jägers Textdefinition erweist sich mithin als nicht mehr ausreichend, wenn man am Beispiel Rede bereits Bestandteile benennen kann, die weder eine verbale noch eine schriftliche Sprachform besitzen, sondern darüber hinaus durch eine

17 Zweifellos kann die Reduzierung von Text auf gesprochene und geschriebene Sprache der Bedeutung des Begriffs letztlich nicht ausreichend gerecht werden. Es müßte dringend darüber nachgedacht werden, ob jener nicht vielmehr – im Sinne der Ästhetik – auf künstliche bzw. künstlerische Objekte in ihrer Gänze und ihrer Wirkung im Diskurs ausgeweitet werden sollte (cf. Kos„k 1976: 121 ff.).

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para- oder gar außersprachliche und inszenierte Form definiert werden; dasselbe gilt auch für einen Dramentext: Der dramatische Text als ein ›aufgeführter‹ Text bedient sich, im Gegensatz zu literarischen Texten, nicht nur sprachlicher, sondern auch außersprachlich-akustischer und optischer Codes; er ist ein synästhetischer Text (Pfister 2001: 24 f.; cf. Rieder 2005).

Es ist also zunächst notwendig, den dieser Arbeit zugrunde liegenden Textbegriff zu klären, um ihn in einer Diskursanalyse verwenden zu können. Dies ist auch im Sinne einer aktuellen Philologie, die bereits danach trachtet, das »Problem des Textbegriffs in der germanistischen Zunft« zu erörtern (HessLüttich 2006 / 2007: 177), disziplinsystematische Grenzen zu überwinden und den terminus technicus »Text« neu zu definieren. Hier muß nun eine erweiterte Form der Definition greifen, welche die nicht-linearen Aspekte der Rhetorik berücksichtigt. Hierfür gibt es auch aus wirkungsästhetischer und rezeptionsanalytischer Sicht gewichtige Gründe: Dem Orator stehen eben nicht nur die linearen verbalen Textstrukturen zur Verfügung, sondern genau so auch die bereits erwähnten para- und außersprachlichen Mittel. Als dritte (kon- und ko-)textuale Größe ließen sich all die Aspekte subsumieren, auf die der Redner zwar keinen direkten Einfluß hat, die er also nicht im Sinne einer Redengestaltung für seine Intention konstruieren kann, die aber zur Wirkung der Rede beitragen, die er in der Redenplanung »einrechnen« muß und gegebenenfalls auch dafür nutzen kann; für die Rhetorik wären dies die Aspekte des (äußeren) aptum bzw. rhetorischen Settings (cf. 2.1.2.2). Es ergibt sich also ein Text aus verschiedenen Zeichensystemen, dem semiologischen Beispiel Umberto Ecos – der Arzt als Bezughersteller und Interpret verschiedener Zeichensysteme bei der Anamnese (cf. Eco 1977: 9 ff.) – nicht unähnlich (cf. auch Hess-Lüttich 1985: 52). Eine Kombination unterschiedlicher Textsysteme und theoretischer Ansätze stimmt dabei mit der Entwicklung des philologischen Textverständnisses der letzten Jahrzehnte überein: »In der Objektkonstitution der Textanalyse ist […] der […] konstatierbare systemlinguistische Reduktionismus überwunden« (Hess-Lüttich 1981: 50 f.). Obwohl diese Arbeit die produktionstheoretischen Wirkungsaspekte analysiert, muß an dieser Stelle die Perspektive des Adressaten zur Textdefinition maßgeblich sein, denn die »[…] Instanz zur Herstellung dieser Bezüge ist vielmehr der Leser […]« (Hess-Lüttich 2006 / 2007: 182 f.) – oder eben das Auditorium; »Text, engerer Kontext und Diskursframe sind nicht zu trennen« (Knape 2000a: 130). Es mag der Eindruck entstehen, daß sich die hier angestrebte Textdefinition von der für die Tübinger Rhetorik etablierten Orator- oder auch »linksseitigen« Perspektive (cf. Knape 2000a: 111 – 114; Knape 2005b: 17 f.) entfernt. Diesem Eindruck muß entschieden widersprochen werden; auch für die hier gefundene

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Textdefinition gilt der Orator als maßgebliche Definitionsinstanz, denn er ist der Produzent der Rede, gleichzeitig aber untrennbar in das (ebenfalls wirkende) Setting der Rede eingebunden: Was sich im Bereich der Semiotik solcherart […] ansiedeln läßt, muss für den rhetorischen Zusammenhang handlungstheoretisch transformiert und in eine produktionstheoretische Betrachtungsweise überführt werden. Der Grund ist in den operativen Anforderungen der rhetorischen Praxis zu suchen (Knape 2005b: 19 f.).

Bemüht man sich nun, die Wirkungselemente eines Redetextes zu definieren, zu analysieren und zu beurteilen, nimmt man idealiter – automatisch – die Perspektive des Auditoriums ein. Hiermit ist gewährleistet, daß alle wirkenden Elemente der Rede-Textur in der Analyse erfaßt werden, denn eine Trennung zwischen Text und Medium darf für den wirkungsorientierten Orator nicht gelten, da sie auch für das Auditorium nicht gilt. Mit anderen Worten: Der Orator muß bei seiner Rede alle Wirkung erzielenden Aspekte einplanen; jene, die er durch Inhalt, Sprache, Gestik, Mimik usw. beeinflussen kann, ebenso wie jene, die sich aus dem Setting (cf. 2.1.2.2) ergeben, und die er zwar nicht beeinflussen kann, aber für sein telos (cf. 1.4) und damit für alle von ihm herstellbaren Aspekte seiner Rede durchaus einplanen muß, damit seine Intention gelingen kann. Als semiotische Rede-Textur sind somit alle Wirkungsaspekte einer Rede zu definieren, die von dem in einem rhetorischen Setting agierenden Orator ausgesendet werden. Hierbei handelt es sich, wie bereits festgestellt, um komplexe und unterschiedliche Zeichensysteme, die untersucht werden müssen. Je genauer sie vom Orator berücksichtigt und eingeplant werden, desto besser kann er sein telos mittels seiner Rede verfolgen. Die Verifizierung dieser These wäre eines der wünschenswerten Ergebnisse der im späteren Verlauf der Arbeit folgenden Analyse. Insbesondere aus diesen genannten Gründen ist es für eine überschaubare und logisch aufgebaute Analyse notwendig, sie in eine Makro- (Setting der Rede) sowie Meso- und Mikroebene (eigentlicher Redetext, mediale Umsetzung und Performanz) zu gliedern.18 Man muß den einer wirkenden Rede zugrunde liegenden Text also als »›konstruktive Gestalt‹, als Gefüge, Gewebe, eben als Netzwerk […]« auffassen (Hess-Lüttich 2006 / 2007: 185); diese semiotische Textauffassung ist für diese Arbeit ausschlaggebend. Das Auditorium unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Zeichensystemen, sondern die Rede wirkt in ihrer Gänze, und dies stellt für den Orator die Maxime dar, nach der er 18 Eine Trennung von eigentlichem Redetext sowie medialem und performativem Textbereich (cf. Knape 2005b: 22) kann zwar zur Übersichtlichkeit einer Analyse geschehen, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß alle Aspekte zusammen die wirkende Rede-Textur ausmachen und daher unter diesem Begriff zusammengefaßt und als wirkender rhetorischer Text definiert werden.

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sich zu richten hat. Die verschiedenen Wirkungselemente der Gesamttextur zu destillieren und zu unterscheiden ist dabei die Aufgabe der Wissenschaft, nicht die des Hörers. Also muß eine Gesamttextur angenommen werden, die auf den Hörer wirkt: »Denn der Text ist das, was bei einer Kommunikation wirklich aufgenommen wird« (Volli 2002: 80). Daß die Verschiedenartigkeit der Systeme im Text – von modellierbaren sprachlichen Werkzeugen bis zum feststehenden Kontext – als problematisch für den Redner aufzufassen ist, wird bereits jetzt deutlich und sollte sich in der Analyse noch klarer belegen lassen. In der Tradition der Semiotik muß die Bestimmung des Begriffs Text demnach viel umfassender als bei Jäger geschehen und all die Formen von (kommunikativen) Zeichen beinhalten, die als Bestandteil eines Diskurses möglich scheinen: »Ein Text ist also jedes Teilstück des Prozesses, das von jemandem als ein Text behandelt wird« (ibid.). Die Beobachtung aller Texte in ihrer Gesamtheit – bzw. der Gesamtheit, in die sie durch die Analyse gesetzt werden –, beschreibt den (Gesamt-)Diskurs; die repräsentative, exemplarische Analyse stellt sich dabei als Erörterung des Diskursfragments dar. Ein hiermit vergleichbares Konzept entwickelte auch G¤rard Genette: Ein Epitext ist jedes paratextuelle Element, das nicht materiell in ein und demselben Band als Anhang zum Text steht, sondern gewissermaßen im freien Raum zirkuliert, in einem virtuell unbegrenzten physikalischen oder sozialen Raum. Der Ort des Epitextes ist also anywhere out of the book […] (Genette 1989: 328).

Genettes Vorstellungen des Para- bzw. Epitextes können dabei analog zu einer diskursiven Kontextbetrachtung definiert werden: Die zweite Bemerkung […] lautet, daß der Epitext ein Ganzes bildet, dessen paratextuelle Funktion keine genau umrissenen Grenzen besitzt und in dem der Kommentar zum Werk in einem biographischen, kritischen oder irgendeinem anderen Diskurs aufgeht, der eine mitunter indirekte und im äußersten Fall unerkennbare Beziehung zum Werk unterhält (ibid.: 330).

Daß die Bedeutung von Texten und somit auch deren Wirkung nur im Kontext ihrer Entstehung und ihrer Kommunikation erfolgreich betrachtet werden können, läßt sich bereits mit Wittgensteins Feststellung zur Bedeutung von Sprache nachvollziehen und erklären: »Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache« (cf. Wittgenstein 1999, 262; PU I,43.). Hiermit vergleichbar ist Wittgensteins Definition der »Sprachspiele« (cf. Wittgenstein 1999: 241; PU I,7.): »Der Diskursbegriff bezeichnet […] die Verknüpfung von einzelnem Sprachereignis und kontextabhängiger Bedeutungszuweisung: Zeichen haben Bedeutung nur im Kontext umfassender ›Sprachspiele‹« (Keller 2007: 14). Daraus folgt natürlich, daß Diskurse in der Lage sind, eine Wirklichkeit zu produzieren, welcher die einzelnen Texte wiederum untergeordnet sind und

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deren Bedeutung hier erst festgelegt wird. Gerade unter diesem Aspekt stellt es sich als sinnvoll heraus, die Texte auf den Kontext der Diskurswirklichkeit hin zu überprüfen und zu erörtern: Es geht bei der Diskursanalyse folglich auch nicht (nur) um Deutungen von etwas bereits Vorhandenem, also nicht (nur) um die Analyse einer Bedeutungszuweisung post festum, sondern um die Analyse der Produktion von Wirklichkeit, die durch die Diskurse – vermittelt über die tätigen Menschen – geleistet wird (Jäger 2005: 59).

Daraus folgt, daß Diskurse und somit die handelnden (sprachlich agierenden) Personen innerhalb des Diskurses also durchaus die Macht besitzen, Wirklichkeit zu verändern oder gar zu erstellen: »Since discourse is so socially influential, it gives rise to important issues of power« (Fairclough / Wodak 2003: 258). Eine zusätzliche Perspektive ergibt sich hieraus auch für die Wirkung eines Textes. Jene muß also nicht nur im Kontext der sie umgebenden Texte betrachtet werden, sondern auch signifikant unter dem Aspekt der sich innerhalb und außerhalb des Diskurses ergebenden und darstellenden Wirklichkeit: Jedes künstlerische Werk hat in unteilbarer Einheit einen doppelten Charakter : es ist Ausdruck der Wirklichkeit, aber es bildet auch die Wirklichkeit, die nicht neben dem Werk und vor dem Werk, sondern gerade nur im Werk existiert. […] Aber das Kunstwerk ist nicht eine Illustration von Vorstellungen über die Wirklichkeit. Als Werk und als Kunst stellt es die Wirklichkeit dar und bildet gleichzeitig und untrennbar damit die Wirklichkeit […] (Kos„k 1976: 123 f.).

Die Wirkung eines Textes beeinflußt und produziert nicht nur die Wirklichkeit in einem Diskurs, sondern dieser Effekt muß demnach auch vice versa gelten: Der Diskurs produziert auch die Wirkungswirklichkeit des Textes, also dessen tatsächliche Wirkung. Die in dieser Studie folgende Wirkungsanalyse wird diese Feststellung an gegebener Stelle anhand der zu erörternden Reden noch genauer beobachten und überprüfen. Daß hierdurch für den Textproduzenten – den Redner – Gefahren entstehen, die er für sein Textprodukt – die Rede – berücksichtigen muß, wird sich anhand der erwarteten Ergebnisse belegen lassen. Die Feststellung Wittgensteins, daß die Bedeutung von Sprache nur im Kontext von spezifischen Regeln und Beziehungsgeflechten identifiziert werden kann, greifen auch Meyer, Titscher, Vetter und Wodak auf (Titscher / Wodak et al. 1998: 181), insbesondere mit Verweis auf § 7 der Philosophischen Untersuchungen. Die Komplexität von Regeln und verschiedenen Bedeutungen für die Sprache im Kontext der Sprachspiele findet sich bei Wittgenstein auch in § 23 (Wittgenstein 1999: 250, PU I,23.); Wodak beschreibt mit Referenz auf diese Stelle, Diskurse seien:

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[…] multi-layered, verbal and non-verbal, they are rule-bound, the rules being either manifest or latent, they determine actions and also manifest them, they are embedded in forms of life (cultures), of which they are simultaneously co-constituent (Wodak 1996: 17).

Gerade Ruth Wodak erweist sich mit ihren Ergebnissen in den letzten Jahren als eine führende Kraft in der Diskursforschung und Erarbeitung diskursanalytischer Methoden. Zusammen mit Norman Fairclough prägte sie den Begriff der Critical Discourse Analysis (CDA) bzw. der Kritischen Diskursanalyse, die Diskurse als Texte mit wechselseitigen Bedingungen und Effekten begreift: CDA sees discourse – language use in speech and writing – as a form of ›social practice‹. Describing discourse as social practice implies a dialectical relationship between a particular discursive event and the situation(s), institution(s) and social structure(s) which frame it. A dialectical relationship is a two-way relationship: the discursive event is shaped by situations, institutions and social structures, but it also shapes them (Fairclough / Wodak 2003: 258).

Die Kritische Diskursanalyse erfaßt diese Beziehungsgeflechte und deren Bedeutung, indem sie den zu erörternden Text (bzw. die Texte) in den umgebenden Textrahmen setzt: »[…] sie [die Texte, J.K.] werden im Hinblick auf ihren Produktions- und Rezeptionsprozeß und dessen Kontexteinbettung, auf Form, Bedeutung, strategischen Sprachgebrauch, Vokabular usw. analysiert« (Keller 2007: 29). Die Methodik ist dabei vor allem hermeneutisch-erläuternd angelegt; denn »Diskursanalyse ist interpretativ und erklärend« (Titscher / Wodak et al. 1998: 181). Insbesondere im Bereich einer Mikroanalyse der Sprache ist sie i. S. ihrer erklärenden Funktion ebenso pragmatisch ausgerichtet; Pragmatik und Hermeneutik stehen für die Kritische Diskursanalyse deshalb in keinem Gegensatz zueinander, sondern ergänzen sich. Die zu leistende Verknüpfung der verschiedenen miteinander in Beziehung stehenden Texte geschieht hierbei hermeneutisch: Kritische Analyse impliziert eine systematische Methodologie und eine Verbindung des Textes mit seinen sozialen Bedingungen, Ideologien und Machtbeziehungen. Interpretationen sind immer dynamisch und offen für neue Kontexte und Information (ibid.).

Wodak hebt zudem die Bedeutung des historischen Kontextes für einen Diskurs hervor, denn »Diskurse sind historisch und können nur im Zusammenhang mit dem Kontext verstanden werden« (ibid.). Ein weiteres, hervortretendes Merkmal der Kritischen Diskursanalyse ist ihre ergebnisorientierte Ausrichtung, nicht nur zu beobachten und eine deskriptive Funktion zu übernehmen, sondern vielmehr als »engagierte Forschung mit emanzipatorischem Anspruch: Sie will in die soziale Praxis und die sozialen Bedingungen eingreifen […]« (ibid.). Um dabei keine parteiische Perspektive einzunehmen, sondern Objektivität zu

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wahren, werden hingegen keine pauschalen Urteile über falsche und richtige Textproduktionen gestellt: »Begriffe sind ja bekanntlich weder ›wahr‹ noch ›falsch‹, sondern entweder den Fragestellungen und dem Untersuchungsgegenstand angemessen oder nicht angemessen« (Wodak 2004a: 652; cf. Kapitel 2.1.2.2). Die sich hieraus ergebende Schwierigkeit einer objektiven Analyse löst Wodak durch die Transparenz von Erörterung und Ergebnissen: »CDA – in my view – should make these choices transparent. It should also justify theoretically why certain interpretations of discoursive events seem more valid than others« (Wodak / Meyer 2005: 65). Mit dieser Prämisse kann sich die Kritische Diskursanalyse von journalistischen und pseudowissenschaftlichen Analysen eines Diskurses abgrenzen und evaluieren, was gerade im Hinblick auf moralisch oder politisch geprägte Diskurse und den diffizilen Umgang mit ihnen die nötige wissenschaftliche Neutralität gewährleistet. Per definitionem sind insbesondere auch politische Reden Texte innerhalb eines Diskurses und in diesem zu betrachten; gerade die Politik, die sich überhaupt erst durch Texte ereignet, steht in einem exponierten Fokus heutiger Diskursforschung und -betrachtung: »It is surely the case that politics cannot be conducted without language, and it is probably the case that the use of language in the constitution of social groups leads to what we call ›politics‹ in a broad sense.« (Chilton / Schäffner 2003: 206) Für diese Arbeit, in der politische Reden und deren Wirkungen im Mittelpunkt der Erörterung stehen, eignet sich die Kritische Diskursanalyse somit als hervorragendes Mittel, um die Komplexität von Rede und Kontext zu erfassen und zu beschreiben, die wissenschaftliche Distanz dabei aber zu wahren. Für die Kritische Diskursanalyse wurden in den letzten Jahren verschiedene Analysegliederungen aufgestellt, die zwar miteinander vergleichbar sind, aber je nach Präferenz des Analysten variieren (cf. Fairclough 1989: 109 ff.; 1992: 225 ff.; Jäger 1999: 172 ff., 2007: 104 ff; Keller 2007: 27 ff.) Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die verschiedenen Modelle grundsätzlich alle eine Darstellung von Diskursstrang und -fragment beinhalten, eine Definition der Frage- bzw. Problemstellung, Benennung des Datenkorpus, Beziehungen der Texte auf der Makroebene und eine Analyse auf der Mikroebene. Im Hinblick darauf, daß es sich bei Texten im bisherigen Verständnis der Diskursanalyse um sprachliche Produktionen handelt, erscheint es nicht weiter verwunderlich, daß rhetorische Ansätze in den Analysemodellen längst vorhanden sind, wenn sie auch im Vergleich zu ihren Möglichkeiten noch eine viel zu geringe Ausprägung haben und ihre Nutzbarkeit bei weitem nicht ausgeschöpft wird: »Textlinguistische Forschungen kümmern sich nur äußerst spärlich um die Erkenntnisse der Antike, und ihre Forschungsgeschichte schaut nur selten und dann zu flüchtig auf die Rhetorik-Tradition« (Kalverkämper 2000: 9). Gerade die klare und stringente Struktur der (antiken) Rhetorik ermöglicht aber eine ausgeprägte Nutzung für die Diskursanalyse, bis hin zu einer Verschmelzung beider Systeme:

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Rhetorik als strukturbildendes System, das sich sowohl mit den prosodischen, phonotaktischen, lexikalischen, syntaktischen, semantischen, textologischen, pragmatischen Strukturen wirksamer Rede befaßt als auch mit den logischen Strukturen einer persuasiven Argumentationstechnik, deckt als Technik zur Textproduktion zugleich die Regeln auf, nach denen sie funktioniert, und beschreibt mit der Analyse des Codes zugleich die Bedingungen von dessen Wirksamkeit im Gebrauch von Zeichen zum Zwecke der Verständigung über (ggfs. strittige) Sachverhalte (Hess-Lüttich 2009: 202).

Hess-Lüttich nennt in dieser Definition die Rede unter dem Aspekt der Rhetorik explizit als wirkendes bzw. wirksames Produkt. Damit ergibt sich also eine zusätzliche Bestätigung für die Nutzung der Rhetorik als ausgeprägtes methodisches Mittel innerhalb der Diskursanalysen dieser Studie, handelt es sich doch um eine wirkungsorientierte Erörterung. Die von Hess-Lüttich genannten Einzelaspekte der Rhetorik korrespondieren wiederum mit den Einzelaspekten der Kritischen Diskursanalyse, insbesondere im Bereich der Meso- und Mikroebene, und ergänzen ihre methodische Herangehensweise. Während die Rhetorik in den gängigen kontemporären kritisch-diskursanalytischen Modellen nur in einzelnen Teilaspekten der Analyse zu finden ist (cf. Fairclough 1989: 109 ff.; 1992: 225 ff.; Jäger 1999: 172 ff., 2007: 104 ff.), erscheint es also äußerst ratsam, die Struktur der Rhetorik im Hinblick auf eine Wirkungsanalyse für die Meso- und Mikroebene ausschöpfender zu nutzen und sie angemessen zu integrieren, auch im Hinblick darauf, daß die politische Rede seit der Antike fest in den rhetorischen Schulen verankert ist (cf. Klein 2003: 1465 ff.).

2.1.2 Das klassische rhetorische Analysemodell im Kontext seiner wirkungsorientierten Verwendung Lange Zeit war die Rhetorik, auf deutsch: Redekunst, fast nur eine Randnotiz von Wissenschaft und öffentlichem Leben in Deutschland. Kant gestand ihr zwar in bezug auf »Beredtheit und Wohlredenheit« zu, also der grundsätzlich eher ästhetischen Seite der Rhetorik, eine schöne Kunst zu sein, die »Rednerkunst (ars oratoria)« dagegen mißbilligte er zutiefst: Als Kunst bediene man sich »der Schwächen der Menschen zu seinen Absichten«, deshalb sei sie »gar keiner Achtung würdig«19 (Kant 1968: 327 f.). Die Rhetorik stellte für Kant die »hinterlistige Kunst« dar, »welche die Menschen als Maschinen in wichtigen Dingen zu einem Urtheile zu bewegen versteht […]« (ibid.). Goethe notierte in seinem Werk West-östlicher Divan: Die Redekunst aber, im eigentlichen Sinne, ist eine Rede und eine Kunst; sie beruht auf einer deutlichen, mäßig leidenschaftlichen Rede, und ist Kunst in jedem Sinne. Sie 19 Hervorhebung im Original durch gesperrten Zeichenabstand.

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verfolgt ihre Zwecke und ist Verstellung vom Anfang bis zu Ende. Durch jene von uns gerügte Rubrik ist nun die Poesie entwürdigt, indem sie der Redekunst bey- wo nicht untergeordnet wird, Namen und Ehre von ihr ableitet (Goethe 1994: 205).

Kurz: Die Rhetorik war der deutschen Philologie zu technisch, zu künstlich, zu handwerklich. Das mag heute, gerade mit Blick auf die klassischen Ästhetiker – allen voran wohl Aristoteles, auch aufgrund seiner Schriften zur Dramenästhetik – unverständlich erscheinen, da die Ästhetik im klassischen Sinne immer sowohl Kunst als auch (positiv) künstlich ist. Bereits seit der griechischen Antike, seit Gorgias und insbesondere Platon, galt die Rhetorik als hohe Kunst: »[…] Rhetorik wird jetzt als wahre Kunst verstanden […]« (Hellwig 1973: 186). Platon stellte fest: »Deshalb behaupte ich, dass die Rhetorik eine Kunst ist, die es mit Worten zu tun hat, und es ist richtig, was ich behaupte«20 (Platon 2004a: 17; Gorg. 450c. Cf. Platon 2004b: 597 ff.; Phaidr. 270aff.); Quintilian zeigte sich gar empört darüber, die Rhetorik als wahre Kunst anzuzweifeln: […] wer ist so weit […] von der Bildung, […] daß er es zwar für eine Kunst hält, zu bauen, zu weben und aus Lehm Gefäße zu machen, es aber glauben könnte, die Rhetorik, die größte und schönste Leistung des Menschen, […] sei ohne Kunst zu so erhabener Höhe gelangt? (Quintilian 2006a: 251; inst. II 17,3).

Allerdings mag die spätere Ablehnung der Rhetorik auch dadurch erklärt werden, daß sich im Verlauf des Mittelalters in der Tat eine Wendung in ihrer Funktion ereignete; mit der Abkehr von der Persuasion mittels Argumentation und Affekterregung aristotelischer Prägung rückte die Künstlichkeit der Rede in den Vordergrund: »Die Rhetorik identifizierte sich mit den Problemen des Aufbaus und Stils, nicht mit denen des ›Beweises‹: die Literatur […] wird durch den schönen Stil definiert« (Barthes 1988: 25; cf. 2.1.2.3.1). Hieraus läßt sich schlußfolgern, daß der eigentliche Sinn, nämlich die persuasive Wirkung, zugunsten einer (starren) Poetisierung mehr und mehr entfiel. Während die Rhetorik in anderen Ländern im 18. und 19. ein bedeutender Gegenstand von Forschung und Praxis war und dadurch bis heute fester Bestandteil des öffentlichen Lebens ist, z. B. im politischen Alltag – man denke nur das englische Parlament –,21 blieb die Redekunst in Deutschland lange Zeit ein Stiefkind der Sprach-, Kultur- und Literaturwissenschaft, also der gesamten Germanistik bzw. deutschen Philologie (cf. Ueding / Steinbrink 2005: 160). Während es für die Rhetorik insbesondere in den USA ab Mitte des 20. Jahrhunderts im Rahmen der New Rhetoric neue, intensive Forschungsimpulse gab, änderten sich mit Klaus Dockhorn, Hans-Georg Gadamer, Jürgen Habermas 20 Platon locutus, causa finita. 21 Cf. Schubart 1781: 210; Lehrbuch der schönen Wissenschaften § 286. Ueding und Steinbrink vermuten hierfür die durchgehende demokratische Tradition des angelsächsischen Raums als einen wichtigen Grund, cf. Ueding / Steinbrink 2005: 159.

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und anderen, die die Rhetorik für die deutsche Philosophie und Philologie wiederentdeckten und nutzbar machten, auch im deutschsprachigen Raum Akzeptanz, Qualität und Quantität der Rhetorikforschung. Es ist kaum verwunderlich, daß diese Rückbesinnung auf die Rhetorik, die sich an dieser Stelle ebenfalls für die Sprachwissenschaft feststellen läßt, in die Zeit des Linguistic Turn in den Kultur- und Geisteswissenschaften fällt; schließlich bedeutete diese Wende einen Fokus auf Sprache, ihre Bedeutung, Definition, Wirkung und somit zwangsläufig auf Schlußfolgerungen, die sich hieraus für die gesamte philosophische Wissenschaft ergaben: Der bedeutendste Wendepunkt […] dürfte dabei in der grundlegenden Neubewertung der R[hetorik] in der Linguistik seit den sechziger Jahren des 20. Jh. liegen. Dabei ist es sicher kein Zufall, daß der explizite Rückgriff auf die rhetorische Tradition gerade in dem Moment stattfindet, in dem der Versuch unternommen wird, die Systemlinguistik zugunsten neuer Teildisziplinen wie der Textlinguistik, der Soziolinguistik oder der Pragmalinguistik zu überwinden (Ueding / Wilhelm 2005: 1650 f.).

Wie erwähnt, entspricht Sprache im Sinne Aristoteles’, trivial ausgedrückt, einem ästhetischen Handwerkszeug. Der Linguistic Turn stellte sich folglich durchaus erkennbar in die aristotelische Tradition, Sprache sowohl als Kunst als auch als Schlüssel für philosophische Fragestellungen zu betrachten: Für die neueren Richtungen der Linguistik hatte der Verweis auf die R[hetorik] nicht zuletzt eine legitimatorische Funktion. Die Neuorientierung seit den späten sechziger Jahren steht zudem in einem engen, im einzelnen bislang kaum geklärten Zusammenhang zur gleichzeitig zu beobachtenden Renaissance der R[hetorik] (ibid.).

Heute ist die Rhetorik zwar wieder fester Bestandteil der philologischen Forschung, allerdings immer noch in einer relativ kleinen Nische.22 Es bleibt abzuwarten, ob das große Potential in Zukunft erkannt wird, das die rhetorische Forschung interdisziplinär und für viele verschiedene wissenschaftliche Techniken und Modelle bereithält.23 Das System der klassischen Rhetorik bietet nicht nur deshalb eine ideale Grundlage für eine wirkungsorientierte Analyse von (politischen) Reden, weil sie eine mehrere Jahrtausende umfassende Tradition, Erfahrung und inzwischen

22 Bisher gibt es z. B. in Deutschland nur einen einzigen Lehrstuhl für Rhetorik an der Universität Tübingen; cf. Ueding / Steinbrink 2005, 198 ff. 23 Die antiken Rhetoriker waren sich des Nutzens der Redekunst für eine Vielzahl an Disziplinen bewußt; als Beispiel kann hier Gorgias von Leontinoi hinzugezogen werden: »Nämlich gar oft bin ich mit meinem Bruder oder anderen Ärzten zu einem Kranken hingegangen, der entweder keine Arznei nehmen oder den Arzt nicht wollte schneiden und brennen lassen, und da dieser ihn nicht überreden konnte, habe ich ihn doch überredet, durch keine andere Kunst als die Redekunst« (Platon 2007: 355 f.; Gorg. 456b).

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zeitgemäße Modernisierung erfahren hat, sondern insbesondere deshalb, weil der »Tatbestand« der Überzeugung durch Sprache ihr Hauptanliegen ist: Sie ist die auf Alltagserfahrung und systematisch-empirische Forschung gegründete Theorie, Lehre und Praxis der wirkungsvollen verbalen (und nonverbalen Persuasion), d. h. genauer : des auf die Verwirklichung eines bewusst intendierten Kommunikationsziels bei Adressaten gerichteten und dabei strategisch-zweckrational an maximaler Effektivität der Auswahl und Anordnung verbaler (und nonverbaler) Mittel orientierten Handelns in der monologischen, dialogischen, mündlichen und schriftlichen, situativen und dimissiven Kommunikation (Becker 2009: 23 f.).24

Diese Beschreibung Beckers, in der eindeutig auch die Anliegen zeitgenössischer wirtschaftswissenschaftlicher Persuasionstheorien und des Marketing anklingen (cf. Kapitel 2.1.2.3.1), und die daher folgerichtig als eine moderne Definition von Rhetorik gelten kann, steht trotzdem zweifelsfrei in der Tradition der klassischen antiken Rhetorik: »Ganz knapp könnte man als systematisches Programm der Rhetorik auch formulieren: Die Rhetorik untersucht, wie und warum ein Kommunikator effizient und erfolgreich kommunizieren kann« (Knape 2005b: 17). Auch das deutsche Wort Beredsamkeit wird »von Anfang an mit der praktischen Fähigkeit, gut und wirkungsvoll zu reden, identifiziert« (Robling 1992: 1455). Dennoch stand die Persuasion als Hauptgedanke der Rhetorik lange Zeit im Hintergrund der Forschung; erst in den letzten Jahrzehnten wurde sie wieder verstärkt berücksichtigt: Die Persuasion als begrifflicher Ausdruck der fundamentalen Charakteristik der Rhetorik, der intentionale und womöglich bewußte Einsatz sprachlicher Mittel zur Erreichung von individuell nicht realisierbaren Zielen, scheint aber erst allmählich ins Zentrum der aktuellen theoretischen Reflexion zu rücken (Ortak 2004: 5).

Dieser Fokus ist mehr als berechtigt und überfällig. Bereits die griechischen Philosophen sahen die Beeinflussung und Überzeugung (Manipulation und Argumentation) des Rezipienten als Hauptzweck der Redekunst an; ein Anliegen, das Gorgias von Leontinoi ad ultimum definierte: Gorgias war wohl der erste, der Wirkungsmöglichkeit und Wirkungsweise des gesprochenen Wortes durchdachte. Er gewann die Überzeugung, daß jede Rede die vom Redner beabsichtigte Wirkung erzielen könne, wenn sie nur die Affekte der Zuhörer anspreche (Nüßlein 1998: 322).25

Ebenso bestimmt Aristoteles als Zweck einer Rede eindeutig deren Wirkung auf den Zuhörer : 24 Insofern hatte Goethe also recht: Die Rhetorik ist eine Kunst in jedem Sinne und allein dazu gegeben, eine Rede wirkungsorientiert gestalten zu können. 25 Der besondere Bezug zur Erregung von Affekten als persuasives Mittel wird in Kapitel 2.1.5 noch genauer erörtert.

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Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

Es gibt drei Arten der Beredsamkeit, dieser Zahl entsprechen auch die Arten von Zuhörern. Eine Rede besteht nämlich aus dreierlei: einem Redner, einem Gegenstand, worüber er spricht, und einem Publikum; und der Zweck der Rede ist nur auf ihn, den Zuhörer, ausgerichtet (Aristoteles 2005a: 19; rhet. I 3,1).

Es ist signifikant, daß die Rhetorik als klassische Disziplin der Philologie es als gegeben annimmt, in jedem Fall mittels wirkungsorientierter Rede eine bestimmte Wirkung erzielen zu können, während jüngere wissenschaftliche Disziplinen, die durch ihre praktisch ausgerichtete Forschung viel eher eine zwangsläufige Wirkungsmöglichkeit voraussetzen müßten, diese anzweifeln: Tatsächlich gleicht der Weg dieser […] Disziplinen [gemeint sind die Kommunikationswissenschaften, J.K.] der Anekdote jenes einsam aufgewachsenen Sonderlings, der das Wagenrad (nochmals) erfindet, wo es doch in der übrigen Welt längst von Kutschen, Karren und dergleichen wimmelt (Ueding / Steinbrink 2005: 165).

Das ist insofern verwunderlich, als die Kommunikationswissenschaft nun zweifellos ein Interesse daran hätte, nicht erst nach der Möglichkeit zu fragen, ob überhaupt eine Wirkung mittels Rede erzielt werden kann, sondern vielmehr danach zu fragen, wie sie sich erzielen läßt: Der Glaube daran, es ließen sich gerichtete und vorhersagbare Wirkungen erzielen auf Wissen, Einstellung und Handeln von Menschen, insbesondere im politischen und ökonomischen Bereich, war und ist der eigentliche Motor der Kommunikationsforschung. Entsprechend gewichtig war das Ausmaß an Aufmerksamkeit und wissenschaftlicher Unterstützung, das der Wirkungsforschung zuteil geworden ist. Um so mehr muß es überraschen, daß nach fünfzig Jahren Wirkungsforschung die Substanz gesicherter Erkenntnisse eher einer Konkursmasse denn einem prosperierenden wissenschaftlichen Fundus gleicht (Merten 1982: 26).

Um also nicht in die kommunikationswissenschaftliche Zwickmühle zu geraten nur Theorien zu erörtern, die das Für und Wider abwägen, ob überhaupt eine Wirkung (mittels einer – politischen – Rede) erreicht werden kann (und damit zwangsläufig keine Ergebnisse im Sinne einer wirkungsästhetischen Analyse erbracht werden können), muß sich diese Arbeit an das Instrumentarium der Rhetorik halten, das die Möglichkeit der Beeinflussung mittels Rede nicht nur annimmt, sondern mit dieser praktisch arbeitet. Daß hiermit auch wieder Forschung betrieben wird, die – über Umwege – zu gängigen Theorien der Kommunikationswissenschaft führt, erklärt die bereits unter 2.1 erwähnte Formel Lasswells, die zweifellos auf den hexametrischen Inventions-Merkspruch des Matthieu de Vendúme zurückzuführen ist: »Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando« (Matheus Vindocinensis 1988: 128).26 Auch Ueding und 26 »Wer,« so Vendúme weiter, »beinhaltet elf Attribute zur Person; was beinhaltet die Menge an Fakten und die dreifache Beschreibung der Handlung, nämlich vor dem Ereignis, während

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Steinbrink stellen fest, daß jeder Rhetoriker in der Lasswellschen Formel »unschwer die simplifizierte und dem anderen Zweck entsprechend modifizierte Topik-Merkformel erkennt« (Ueding / Steinbrink 2005: 165).27 Dennoch kann diese Kommunikationsformel (wie auch andere kommunikations- und medienwissenschaftliche Wirkungstheorien) einer genaueren wirkungsästhetischen Analyse nicht genügen. Um ihren Forschungsansatz erfüllen zu können, muß die Arbeit die klassische Rhetorik als Grundlage der Analyse festlegen: »[…] theoretische Differenziertheit, Problembewußtsein, methodischer und technischer Rang der antiken Rhetorik übertreffen den Standard der Kommunikationswissenschaft bis heute bei weitem […]« (ibid.). Daß die klassische Rhetorik auch den Ansprüchen und Forderungen aktueller, rein praktischer (und somit ohne direkten Bezug zur Wissenschaft geführter) Redekunst genügt, erschließt sich aus den Darlegungen Thilo von Trothas, der zu den erfolgreichsten kontemporären deutschen Redenschreibern zählt: Ich bin versucht zu sagen, daß ich antike Elemente der Rhetorik überhaupt nicht nutze. Das wäre aber so nicht ganz richtig, denn schließlich haben sich alle neueren Methoden aus den antiken Modellen entwickelt, die schon seit Jahrtausenden ihre Gültigkeit haben, sodaß man von ›neuen Methoden‹ eigentlich gar nicht reden darf (Trotha 23. 02. 2007: s. Anhang).

Der entscheidende Vorteil (klassischer) Rhetorik – sowohl für den wirkungsorientierten Redner als auch für dessen Analysten – liegt in der perfektionierten Gliederung und Anpassungsfähigkeit des Systems: Das Baukastenprinzip der Redekunst ermöglicht zum einen eine strukturierte Vorgehensweise, zum anderen hierdurch vergleichbare Analysen. Dies ist insbesondere deshalb dringend notwendig, weil sich eine hermeneutische Herangehensweise immer auf die Besonderheiten eines Textes einstellen muß, wodurch u. U. ein Vergleich erschwert werden kann. Dies Problem wird durch die strenge Strukturierung des klassischen Rhetoriksystem, eben jenes rhetorischen Baukastenprinzips, praktisch gelöst: Hermeneutische und pragmatische Ansätze werden in der Rhetorik vereint und ermöglichen der Analyse eine fundierte und vergleichbare Diskussion verschiedener Texte.

des Ereignisses und nach dem Ereignis; wo den Ort; wodurch die Möglichkeit des Handelns; warum den Grund der Handlung; wie die Art oder die Eigenschaft; wann den Zeitpunkt« (Matheus Vindocinensis 1988: 128; Übers. durch J.K.). 27 Wer, Was, Wo, Warum, Wie, Wann ? (cf. Plett 2001: 14 f.). Die Topik-Formel ist heute auch fester Bestandteil des angewandten Journalismus; hier wird sie, offensichtlich inspiriert durch die klassischen Topoi und in der Reihenfolge nur leicht verändert, W-Fragen oder Journalistische Ws genannt (cf. Friedrichs / Schwinges 1999: 58 f.; Schult / Buchholz 2006: 76 f.).

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Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

2.1.2.1 Die Gliederungen des rhetorischen Systems Diese ideale Ausgangslage wird indes erschwert, weil es natürlich kein einheitliches und seit der Antike allgemein gültiges einziges rhetorisches System gibt. Verschiedene Gliederungen, Vorstellungen und Präferenzen ergeben sich aus den verschiedenen Rhetorikschulen und philosophischen Schriften der Antike, was bereits mit verschiedenen Begrifflichkeiten beginnt: Die altgriechischen Philosophen verwendeten – selbstverständlich – altgriechische Termini, die römischen lateinische, und bis heute werden diese verschiedenen Fachbegriffe sowohl unabhängig voneinander als auch vermischt benutzt.28 Um die für diese Arbeit angestrebte strukturierte und vergleichbare Arbeitsweise nun erfüllen zu können, ist es ratsam, die rhetorischen Schulen (i. e. bestimmte rhetorische Schriften bzw. antike Lehrbücher) zu wählen, in denen ein besonders hohes Maß an Struktur und umfassender Analysemöglichkeit vorgegeben ist. Die ausgewählten Schulen sollten selbstverständlich dort, wo es angebracht erscheint, durch andere Schulen ergänzt werden. Grundsätzlich lassen sich die meisten antiken Rhetorikschulen in zwei Bereiche einteilen: den der Entstehung, Herstellung und des Vortrags, kurz: den des Entstehungsprozesses der Rede, die officia oratoris oder auch opera oratoris, sowie den des Aufbaus der Rede, die partes orationis (cf. 2.1.2.3.1).29 Von diesen beiden Gliederungen hängen grundsätzlich alle restlichen Bedingungen ab. Für britische Rhetoriker des 19. Jahrhunderts gab es daher auch generell nur den zweigliedrigen rhetorischen Kanon: Indeed, early current-traditional rhetoricians acknowledged this likeness between the two canons by submerging their treatment of arrangement within that given to style. […] Thus many current-traditional authors maintained that rhetoric, and hence composition, had only two canons: invention and style (Crowley 1995: 266).

Diese beiden Gliederungen finden sich – grundsätzlich – sowohl bei den griechischen als auch bei den römischen Rhetorikern; diese Einteilung ist zudem äußerst sinnvoll, da sie einerseits alle Umstände – auch im Sinne der topoi – berücksichtigt und andererseits einen festen Aufbau, vergleichbar mit einer Dramaturgie, ermöglicht: 28 Natürlich versuchen gerade Überblicksmonographien und Einführungen, die verschiedenen klassischen Rhetorikschulen sinnvoll miteinander zu verbinden (cf. e. g. Ueding / Steinbrink 2005 und Plett 2001). 29 Als eine dritte Säule der klassischen Rhetorik kann die Einteilung in Redegattungen gelten; sie findet sich bei den antiken Rhetorikern wie beispielsweise Cicero und in Rhetorica ad Herennium und wird ebenso in heutigen Standardwerken zur klassischen antiken Rhetorik aufgeführt (cf. e. g. Ueding / Steinbrink 2005, Plett 2001, Fuhrmann 2003); Fuhrmann nennt in Die antike Rhetorik insgesamt sechs Einteilungsprinzipien (Fuhrmann 2003: 77). Unter 3 wird in der Erörterung zur politischen Rede noch einmal auf die Redengattungen bezug genommen.

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Two developments characterized mature current-traditional treatments of the arrangements of discourse on a page: the hardening and reduction of methodical principles into the trinity of unity, coherence, and emphasis and the emergence of what I call the ›nesting approach‹ to composing (ibid.).

Für diese Arbeit erwiesen sich insbesondere die Gliederungen aus Rhetorica ad Herennium, Ciceros De inventione und De oratore30 sowie Quintilians Institutio oratoria als besonders treffende, übersichtliche und einheitliche Einteilung des Entstehungprozesses; alle Schriften gleichwertig und verbindend miteinander zu benutzen, läßt sich ohne weiteres aus der Entstehung der Werke als naheliegend begründen, denn der Autor der Rhetorica ad Herennium hat Ciceros De inventione benützt. […] Cicero hatte bei der Abfassung von De inventione die Rhetorica ad Herennium vor Augen. […] Die Übereinstimmungen in den beiden Schriften sind dadurch bedingt, daß beide Verfasser von demselben römischen Rhetoriklehrer unterrichtet wurden (Nüßlein 1998: 335).

Da Quintilian wiederum Ciceros Schriften als Grundlage für seine Institutio oratoria wählte,31 ergibt sich mit den genannten Schriften also eine chronologisch und strukturell zueinander passende und sich ergänzende Werkauswahl. So geeignet das klassische System der Rhetorik mit seinen klar strukturierten Modellen der officia oratoris und partes orationis auch zur Analyse von Reden erscheint, so sehr ist es wegen seines Alters – und eben seiner Ausrichtung auf die Reden in der Antike – nötig, es während der Analyse ständig auf seine zeitgemäße Nutzbarkeit zu überprüfen und nach aktuellen Bedürfnissen anzuwenden.32 Eine moderne Variante des Modells zur Entstehung von Reden, die auf dem antiken System basiert, entwickelte der Homiletiker Gert Otto.33 Es ist nicht weiter verwunderlich, daß die Rhetorik in der Homiletik, der evangelischen Predigtlehre, im Gegensatz zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen eine durchgängige und etabliertere Tradition aufweist, denn durch die Reformatoren der christlichen Kirche im 16. Jahrhundert, insbesondere Luther, Melanchthon, Calvin und Zwingli, rückte das Wort und damit die Predigt in den Mittelpunkt des evangelischen Gottesdienstes.34 30 In De oratore erstellt Cicero im übrigen eine äußerst prägnante und definierende Auflistung der officia oratoris (cf. Cicero 2003: 121; de orat. I,142). 31 cf. e. g. Fantham (1982); zudem zitiert Quintilian Cicero häufig auch namentlich. 32 Beispielsweise erscheint die bei Cicero unter den partes orationis genannte reprehensio für die moderne politische Rede als statischer Redeakt nicht mehr zeitgemäß; inwiefern sie dennoch genutzt wird und ob ihr in den literarischen Reden noch eine Bedeutung zukommt, bleibt abzuwarten (cf. 3.4.2.2). 33 Otto 1976, 88 ff. 34 Melanchthon schreibt: »Denn der allergrößte, heiligste, nötigste, höchste Gottesdienst,

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Ottos Ansatz ergibt sich vor allem aus der Überlegung, daß die antike Einteilung zur Entstehung einer Rede eine stringente Abfolge von einzelnen Stadien ist, welche nacheinander erarbeitet werden und aufeinander aufbauen; die Wechselwirkungen und Beziehungen der einzelnen Stadien werden aber nach Ottos Ansicht nur unzureichend erfaßt: Der Tatsache, daß in der Praxis ausgewählt werden kann und muß, von Fall zu Fall anders, kommt unser Versuch insofern entgegen, als der Vorbereitungsgang nicht als ein System verstanden wird, in dem ein Schritt auf den anderen logisch aufbaut, sondern als ein Kreis […] Konkret heißt es etwas, was jeder weiß: Spätere Überlegungen können mich nötigen, zu vorhergehenden, vielleicht scheinbar schon geklärten Fragen noch einmal zurückzukehren und sie erneut zu stellen (Otto 1976, 89).

Während sich Ottos Rhetorischer Zirkel in der Homiletik etabliert hat,35 wird er bisher in der philologischen Rhetorik noch nicht beachtet. Gerade die Erfassung der Beziehung und Einflüsse der Entstehungsstadien untereinander sollten allerdings dazu ermutigen, den Rhetorischen Zirkel als weiteren Ansatz für die hermeneutisch-pragmatische Analyse von Reden zu nutzen.36 Gewiß ist es hierfür notwendig, die Einteilungen37 des Zirkels nach den Kriterien einer allgemeinen Redesituation sinnvoll zu abstrahieren und predigtbezogene Bezeichnungen durch generell gültige Begriffe zu ersetzen.38 Hieraus ergibt sich ein Allgemeiner Rhetorischer Zirkel mit folgenden aufeinander wirkenden Stadien: Anlaß, Wirkungsintention der Rede, Voraussetzungen durch Situation und Auditorium, Wirkungen durch die Beziehungen Redner – Text – Situation – Auditorium, Inhalte und Materialien, Form und Sprache, Aufbau (cf. Abbildung 2).39 Die wichtigste Aussage dieses Zirkels ist die Aufforderung, während der Analyse auf die wechselseitigen Beziehungen der Stadien zu achten und auf Schlüsselverbindungen zum Gelingen und Mißlingen der Rede, die sich hieraus ergeben, hinzuweisen. Resultierend durch die Beziehungen der Stadien zu einander kann es also zu möglichen positiven, aber auch negativen Einflüssen auf die Wirkung einer Rede kommen. Diese Feststellung ist insofern für die Dar-

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welchen Gott im ersten und andern Gebot als das Größte hat gefordert, ist Gottes Wort predigen; denn das Predigtamt ist das höchste Amt in den Kirchen« (Die Bekenntnisschriften 1959: 305; Apologia confessionis Augustanae XV). Auch in aktuellen Predigtlehren wird Ottos Rhetorischer Zirkel angeführt und erörtert, cf. e. g. Oskamp / Geel (2001: 19 ff.). Dies ist selbstverständlich im Sinne einer analysierenden Studie gedacht; zweifellos mag es ebenso sinnvoll erscheinen, den Zirkel auch für die praktische Erstellung von Reden im allgemeinen zu verwenden, und somit auch außerhalb des Bereichs der Predigt. Otto 1976, 90. Im Gegensatz zu Ottos Zirkel aus dem Jahre 1976 ersetzen spätere Autoren die Begriffe der Stadien durch stark predigtgebundene Bezeichnungen (cf. e. g. Oskamp / Geel 2001: 19 ff.) Ein vergleichbares Modell, allerdings nicht (explizit) an Ottos homiletischem Rhetorischen Zirkel orientiert, entwickelte auch Uwe Pörksen (Pörksen 2004: 35).

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Abbildung 2

stellung der weiteren, nun folgenden rhetorischen Analyseinstrumente wichtig, da sie verdeutlicht, daß die Instrumente nicht nur einzeln, sondern auch im Wechselspiel mit den anderen Komponenten gesehen und die Ergebnisse eines späteren Analyseabschnitts auch immer im Kontext der übrigen erörtert werden müssen. Damit fügt sich die Meso- und Mikroebene der Analyse nahtlos in die Makroebene der Kritischen Diskursanalyse ein, wie sie van Dijk definierte: »Discourse Analysis thus moves from macro to micro levels of talk, text, contexts or society, and vice versa« (van Dijk 1997: 32). Darüber hinaus könnte diese Feststellung ebenso Rückschlüsse auf mögliche typische Schlüsselsituationen zum Gelingen oder Mißlingen einer Rede zulassen.

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2.1.2.2 Das Setting von Redner, Rede, Situation und Auditorium: aptum und Adressatenorientierung In der Homiletik spielen die Situation, in der eine Predigt gehalten wird, sowie die Orientierung an den Hörern eine wichtige Rolle: »[…] die Vorbereitung [hängt] wesentlich an der intensiven Wahrnehmung und bewußten Aufnahme der Situation« (Otto 1976: 93). Oskamp und Geel sprechen sogar von dem Zuhörer als zweiten Text »neben dem Bibeltext« (Oskamp / Geel 1999: 26). Ottos Feststellungen, sein Rhetorischer Zirkel und deren Weiterentwicklung zum Allgemeinen Rhetorischen Zirkel (cf. 2.1.2.1) lassen eine angemessene Beziehung zwischen Rede, Redesituation und Wirkung als evident und zwingend annehmen; allein fünf der sieben Parameter beschäftigen sich direkt mit dieser Relation, die anderen beiden können indirekt durch die dargestellten internen Wechselwirkungen ebenfalls dazugerechnet werden. Der Zirkel zeigt also signifikant, wie wichtig das angemessene Verhältnis von Rede und Kontext ist, wenn die intendierte Wirkung glücken soll. Das aptum einer Rede, Deutsch: die Angemessenheit, wird bereits von Aristoteles beschrieben: »Angemessenheit wird der Stil [der Rede] haben, wenn er pathos und ethos vermitteln kann, und das analog dem zugrundeliegenden Sachverhalt« (Aristoteles 2005a: 165; rhet. III 7,1). Das heißt also, daß die Rede nur dann wie gewünscht wirken kann, wenn die Rede dem Thema und der Situation gegenüber angemessen formuliert und dargeboten ist. Das aptum gilt als wichtiges Stilelement der antiken Redekunst und wird heute oft der elocutio (cf. Ueding / Steinbrink 2005) zugeordnet, da die elocutio das Einkleiden des in der inventio aufgefundenen Stoffes beinhaltet, wie es Cicero in De oratore definiert, denn der Redner müsse das Gefundene und Geordnete »schließlich drittens in wirkungsvolle Worte kleiden« (Cicero 2003: 121; de orat. I,142). Auch hieraus ergibt sich, daß das aptum ein stark wirkungsbedingendes Element der Rede ist; durch die alleinige Zuordnung zur elocutio erhält das aptum allerdings fast eine untergeordnet erscheinende Stellung, die seiner herausragenden und immens wichtigen Rolle für die Rhetorik im allgemeinen und für diese Arbeit, wie sich im folgenden noch zeigen wird, nicht gerecht werden kann. Sehr viel angemessener erscheint an dieser Stelle die prominente Positionierung in Quintilians Institutio oratoria, in der der Autor das elfte Buch fast ausschließlich dem aptum widmet (cf. Quintilian 2006b; inst. XI): »Quintilian räumt der A[ngemessenheit] den ersten Platz unter den Stilqualitäten ein« (Asmuth 1992: 579). Lausberg notiert daher auch treffend, daß sowohl das innere als auch das äußere aptum (v.i.) »nicht nur die

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elocutio« betreffen, »sondern alle Bearbeitungsphasen der Rede […]«40 (Lausberg 1990: 508; HLR § 1057). Während also das aptum in der klassischen Rhetorik eine starke Beachtung für alle Aspekte einer Rede erfuhr, nahm diese in der Neuzeit immer mehr ab: Durch die Umdeutung des Begriffs in der Barockzeit als vor allem sozial bedingtes Element der Rhetorik und wiederum durch die Auflösung bestehender sozialer Konventionen mit dem Beginn der Aufklärung und den divergierenden ästhetischen Vorstellungen in der Zeit der Weimarer Klassik wurde das aptum langsam verdrängt (cf. Ottmers 1996: 155; Asmuth 1992: 601): »Die deutsche Redenlehre wußte nichts vom Publikum; die Dimension der Angemessenheit war ihr nur stilistisch vertraut« (Jens 1969: 29). Heute taucht das aptum in einigen rhetorischen Werken fast nur noch als Randnotiz auf; in einigen fehlt es sogar ganz (cf. e. g. Plett 2000), obwohl es bei Ueding und Steinbrink, selbstverständlich insbesondere bezüglich der antiken Redekunst, als »das grundlegende regulative Prinzip der Rhetorik« (Ueding / Steinbrink 2005: 221) hervorgehoben wird: »[…] sein Geltungsbereich geht weit über den einer Stilqualität hinaus, als welche es in den rhetorischen Systematiken meist erscheint« (ibid.). Sanders beschreibt das aptum gar als »eine Art ›Superprinzip‹« der Redekunst (Sanders 1986: 176). Die ansonsten eher beiläufige Anführung des aptum verwundert mit Blick auf die politische Rede insbesondere auch deshalb, weil gerade die angemessene Thematik, Ausarbeitung und Darbietung eines Stoffes als elementares Fundament von wirkungsorientierten Sprachhandlungen in diesem Bereich erscheint. Während der Angemessenheit in der modernen Darstellung der Rhetorik also nicht mehr die Bedeutung zuzukommen scheint, die sie in der Antike hatte, hat sich im Bereich der Politolinguistik als Analogie zum aptum der Begriff Adressatenorientierung etabliert, der sich (eingeschränkt) mit dem Begriff der Angemessenheit gleichsetzen läßt. Heinemann und Viehweger definieren Textproduktionen (offenbar unbewußt in der aristotelischen Tradition, cf. 2.1.2.1), zu denen selbstverständlich auch politische Reden gezählt werden dürfen, als auf den Adressaten bezogene Handlungen: Im Unterschied zu anderen Tätigkeiten ist die sprachliche Tätigkeit jedoch stets auf andere Menschen gerichtet, die in unterschiedlicher Weise in diese spezifische Tätigkeitsform einbezogen werden. Sprachliche Tätigkeit ist somit seit ihrem Ursprung eine interaktionale, kooperative Tätigkeit, die sich grundsätzlich an den gesellschaftlichen Verhältnissen und den darin existierenden interpersonellen und sozialen Beziehungen orientiert […] (Heinemann / Viehweger 1991: 87). 40 Lausberg verwendet an der zitierten Stelle synonym zum Begriff aptum das altgriechische pq]pou.

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Insbesondere Harvey Sacks prägte in diesem Zusammenhang bereits einige Jahre zuvor den Begriff des recipient design, der sich ebenfalls als eine moderne Variante des aptum begreifen läßt: With ›recipient design‹ we intend to collect a multitude of respects in which the talk by a party in a conversation is constructed or designed in ways which display an orientation and sensitivity to the particular other(s) who are the coparticipants. In our work, we have found recipient design to operate with regard to word selection, topic selection, the admissibility and ordering of sequences, the options and obligations for starting and terminating conversations, and so on […] (Sacks / Schlegloff / Jefferson 1978: 43).

Sacks hob zudem das recipient design als Grundbedingung bzw. Anweisung zum Glücken einer Redewirkung hervor : »[…] one – if not the most – general maxim for talk production in conversation is ›speakers should design their talk for recipients.‹« (Sacks 1992b, 445). Die Angemessenheit läßt sich in einer zeitgemäßen Definition in ein inneres und ein äußeres aptum einteilen (cf. Ueding / Steinbrink 2005: 221 ff.). Diese Unterteilung wurde von den antiken Rhetorikern freilich nicht vorgenommen, da dem »griechischen Denken eine mechanische Trennung von inneren und äußeren Beweggründen fremd war« (ibid.: 222). Für den analytischen Teil dieser Arbeit scheint es ratsam, die Erörterung des inneren und äußeren aptum innerhalb der Diskussion jeweils für die grundlegenden Analyseabschnitte vorzunehmen, und damit nicht nur für die der Meso- und Mikroanalyse, sondern auch im Rahmen der diskursanalytischen Abschnitte in der Makroanalyse. Insbesondere das äußere aptum kann folglich analog zum moderneren Begriff Setting betrachtet werden: (1) ein rhetorisch Handelnder (Orator) tritt in einer auf (2) Konsensstiftung (rhetorisches Ziel) ausgerichteten (3) Kommunikationssituation hervor (rhetorisches Setting), um dem (4) Bewusstsein der Beteiligten eine Orientierung zu geben (rhetorische Handlung).41

Wenn, wie bereits festgestellt, die antike Rhetorik zwar nicht nominell zwischen äußerem und innerem aptum unterschied, so ist eine Betrachtung der zweigeteilten Variante für die Methodikbeschreibung aber sinnvoll, um die wichtigsten Grundsätze der Angemessenheit überschaubar darstellen zu können. Ottmers definiert das aptum in seiner Gesamtheit treffend als Text und Kontext erfassende Richtlinie: Zum einen balanciert das aptum das richtige Maß zwischen den einzelnen Bestandteilen der sprachlichen Äußerung innerhalb einer Rede oder eines Textes aus, beispielsweise das zwischen Klarheit und Redeschmuck. Zum anderen regelt es die Beziehung zwischen den verschiedenen Komponenten der Rede, ihren Inhalten und In41 Knape 2000a: 16; Hervorhebung von mir, J.K.

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tentionen, und den außersprachlichen Kontexten, also der konkreten Redesituation, aber auch der übergeordneten sozialen, politischen und historischen Situation (Ottmers 1996: 152 f.).

Die natürlich erscheinende Zweiteilung des aptum ist in dieser, auf den antiken Quellen basierenden Definition bereits erkennbar und verdeutlicht, daß sie mit der klassischen Rhetorik vereinbar ist, auch wenn sie in der Antike explizit so nicht vorgenommen wurde. Ottmers’ Definition unterteilt das aptum bereits in einen Bereich, der die inneren Zusammenhänge einer Rede betrifft sowie den Kontext, in dem sie gehalten wird. Die innere Angemessenheit einer Rede betrifft also die sprachlichen und »dramaturgischen« Komponenten eines Redetexts und deren zu einander passenden Abstimmungen. Diese Feststellung steht völlig in der ästhetischen Tradition der Antike, da das Unterscheidungsvermögen zur Bewältigung der textlichen Anpassung – das iudicium – eine in der klassischen Ästhetik fest verankerte Konstante war : »Iudicium heißt die Fähigkeit, das, was Kunst und Sprache zur Verfügung stellen, zu beurteilen und zu unterscheiden hinsichtlich der Brauchbarkeit für das Kunstwerk« (Ueding / Steinbrink 2005: 223). Im Sinne des inneren aptum muß also der in der inventio aufgefundene und in der dispositio angeordnete Stoff innerhalb des Redetexts in die passenden Relationen gebracht werden; hierzu können der Rhetorik entsprechend die partes orationis herangezogen werden. Die innere Angemessenheit einer Rede beinhaltet also zum einen die passende Aus- und Anrichtung des Stoffes, zum anderen aber auch die passende Wortwahl, Formulierung und Vortragsweise: Denn da ja der Redeschmuck vielgestaltig und vielfältig ist und sich zu jeder Rede in anderer Form schickt, wird er, falls er den Gegenständen und Personen der Rede nicht angemessen ist, die Rede nicht nur nicht besser zur Geltung bringen, sondern sie sogar entwerten und die Kraft der Gedanken, die sie enthält, gegen sie selbst richten. Denn was nützt es, daß ihre Worte gut lateinisch klingen, treffend gewählt und schön sind, ja auch mit Redefiguren und Rhythmen vollkommen ausgestattet sind, wenn sie nicht zu dem stimmen, was wir bei dem Richter erreichen und in ihm erzeugen wollen (Quintilian 2006b: 545; inst. XI 1,2).

Hieraus läßt sich schließen, daß Grammatik, sprachliche Auswahl und Anordnung eben nicht nur korrekt sein müssen, sondern daß sie vielmehr den Umständen angepaßt sein sollen. Diese Feststellung Quintilians bestimmt darüber hinaus den Grund bzw. das Ziel, warum das aptum so wichtig für eine Rede ist: Wird die Angemessenheit nicht behutsam und richtig berücksichtigt, ist es nicht nur möglich, daß die Rede nicht wirkt, wie es vom Redner intendiert war, sondern daß sie sogar eine völlige konträre Mißwirkung nach sich ziehen und dem Redner schaden kann. Während sich mit dem inneren aptum also sowohl die sprachliche als auch

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(innertextlich) parasprachliche Angemessenheit bestimmen lassen, werden mit dem äußeren aptum vor allem die außersprachlichen Aspekte bezeichnet; darüber hinaus auch jene parasprachlichen, die sich nicht direkt auf den Vortragstext, sondern auf Redner, Publikum und Situation beziehen: »Das äußere aptum betrifft das Verhältnis zwischen der Rede (und ihren werkinternen Bestandteilen) und den außersprachlichen Systemen und Gegebenheiten« (Ueding / Steinbrink 2005: 224). Im Gegensatz zum inneren aptum, für das das iudicium als maßgebende Instanz gilt, ist für das äußere aptum das consilium bestimmend; wobei Quintilian schon bemerkte: Zwischen Urteil und Überlegung ist [iudicium und consilium, J.K.], glaube ich, kein großer Unterschied. Er liegt nur darin, daß das Urteil stattfindet über Dinge, die schon offenbar sind, die Überlegung aber über solche, die verborgen, und zwar entweder überhaupt noch nicht gefunden oder noch zweifelhaft sind. Auch steht das Urteil in den häufigsten Fällen fest, während die Überlegung eine weitausholende Form der Beweggründe ist, die meistens mehrere Möglichkeiten abwägt und vergleicht und Erfindungs- und Urteilskraft in sich vereint (Quintilian 2006a: 771; inst. VI 5,3).

Ueding und Steinbrink führen fünf grundsätzliche Unterteilungen des äußeren aptum auf: Publikum, Ort, Zeitpunkt, Redner und Gegenstand der Rede (Ueding / Steinbrink 2005: 225 f.). Diese Einteilung, die Ueding und Steinbrink vor allem auf Quintilian zurückführen, steht recht genau in Äquivalenz zum Allgemeinen Rhetorischen Zirkel, mit dem bereits auf die wechselseitigen Beziehungen und die daraus folgenden Wirkungen einer Rede hingewiesen wurde (cf. 2.1.2.1); eine mit Quintilian vergleichbare Einteilung leistet auch Cicero prägnant definierend in Orator: Der Redner muß aber den Gesichtspunkt der Angemessenheit nicht nur bezüglich des gedanklichen Inhalts, sondern auch hinsichtlich des sprachlichen Ausdrucks beachten. Denn nicht jede Lebensstellung, nicht jedes Ehrenamt, nicht jede Autorität, nicht jedes Lebensalter, aber auch nicht jeder Ort, jeder Zeitpunkt, jedes Publikum ist mit derselben Art von Worten oder von Gedanken zu behandeln, und in jedem Abschnitt der Rede wie des Lebens ist zu beachten, was sich ziemt42 ; das hängt zum einen von der Sache ab, um die es geht, zum andern von der Person sowohl derjenigen, die reden [sic!], als auch derer, die zuhören43 (Cicero 2004: 67; orat. 21,71).

Der erste Gliederungspunkt Quintilians, das Publikum, steht dabei besonders in Kongruenz zur modernen Definition der politolinguistischen Adressatenorientierung; es findet sich neben einigen weiteren hierzu stellungnehmenden Textpassagen im 1. Kapitel des 11. Buches folgende Bemerkung: 42 Deceat; besser : was – abhängig von der Situation – paßt. 43 Cave! Korrekt muß es heißen: »zum anderen von den Personen, sowohl von denen, die reden, als auch denen, die zuhören« (eigene Übers., J.K.).

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Aber nicht nur wer spricht und für wen, sondern auch vor wem man spricht, ist wichtig; einen Unterschied macht nämlich der Segen des Glückes und auch die Amtsgewalt, und es empfiehlt sich nicht das gleiche Verfahren vor dem Fürsten, einem Magistrat, einem Senator, einem Privatmann oder einem der nichts ist als frei, und es werden nicht im gleichen Ton die Verhandlungen vor öffentlichen Gerichtshöfen geführt wie die im Schlichtungsverfahren vor Schiedsmännern (Quintilian 2006b: 563; inst. XI 1,43).

Was freilich an dieser Definition – insbesondere für die reale moderne Rede – hinzugefügt werden muß, ist die Tatsache, daß Quintilian das Auditorium in dieser Textstelle als homogen annimmt. Dies ist in der modernen Politik – insbesondere in einer öffentlichen politischen Rede – so kaum noch gegeben: Befürworter und Gegner der eigenen politischen Position können genauso und gleichzeitig zum Publikum gehören wie Anhänger der eigenen Partei, Oppositionelle und Vertreter der Medien. Bedenkt man die weiteren Aspekte des äußeren aptum, handelt es sich bei der Angemessenheit also um eine schwierige Gradwanderung; Quintilian selbst empfiehlt dem Redner, stets »auf der Hut zu sein« (ibid.: 569; XI 1,55).44 Wie wichtig auch das äußere aptum insbesondere hinsichtlich der glückenden Wirkung einer Rede ist, stellen Ueding und Steinbrink fest: Wirken kann die Rede nur, wenn sie den außer ihr liegenden Gegebenheiten angemessen ist, wenn sie die Realität berücksichtigt und in der sie umgebenden Realität als wahr erscheinen kann. (Erscheint sie nicht als wahr, so nützt es nichts, daß sie wahr ist.) (Ueding / Steinbrink 2005: 226)

Eine exakt festgelegte Methodik zur Erlangung des korrekten aptum bieten die antiken Rhetoriker allerdings nicht, und damit entfällt auch eine Analysevorgabe: »In jedem Fall bezeichnet das aptum einen äußerst flexiblen Regelapparat, der die Frage, was ›angemessen‹ ist, nicht mechanisch und allgemein, sondern nur in jeder Situation neu beantworten kann« (Ottmers 1996: 154). Stets wird von dem Redner »Fingerspitzengefühl« und »ein Rest Einfühlungsvermögen in die jeweilige Situation« verlangt (ibid.) – und selbiges mag bei der Analyse auch für den Analysten gelten. Aus dem Gesagten erschließt sich, daß die Erörterung der Angemessenheit einer Rede folglich nur hermeneutisch erfolgen kann und sich damit schlüssig in die angestrebte Methodik einfügt.

44 An der zitierten Stelle insbesondere für Deklamationsvorträge.

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2.1.2.3 Logos, ethos, pathos: Die Wirkungsmächte der Rede Als entscheidende Fragestellung wirkender und wirkungsvoller Rede muß ermittelt werden, welche allgemeinen maßgeblichen Instrumente einem Redner zur Verfügung stehen, um eine Rede zu halten, die eine bestimmte Wirkung auf sein Auditorium ausüben soll – und mittels welcher entscheidenden Instrumente der Redner also selbst auf sein Publikum einwirkt. Die drei Instrumente, die Wirkungsfunktionen der Rede, die in der Tat alle einzelnen Elemente der actio umfassen, sind definiert als logos, ethos und pathos.45 Dies sind die Stützpfeiler ; durch sie wird eine Rede im Sinne antiker Rhetorik zu einer wirkenden Rede. Wenn sie auch im folgenden einzeln erörtert werden sollen, bilden sie für die Wirkung der Rede dennoch eine Einheit: […] die drei Überzeugungsmittel […] sind keine ontologisch unterscheidbaren, von einander unabhängigen Funktionsgrößen, die ggf. wechselseitig substituierbar sind. Im persuasiven Sprachspiel spielen sie faktisch immer zusammen (Ortak 2004: 15).

Wie bereits in 2.1.2 dargelegt, stellt die Persuasion, die bewußte und intendierte Wirkung einer Rede, das wesentliche Charakteristikum der Rhetorik dar ; die drei genannten Instrumente können folgerichtig auch als Überzeugungsmittel bezeichnet werden. Covino und Jolliffe bezeichnen diese, angelehnt an Aristoteles, als die drei pisteis.46 Diese werden wiederum in zwei grundsätzlichen Wirkungskategorien unterschieden, nämlich zum einen die logisch-argumentativen (sachlogischen) Beweismittel – hierzu zählt das logos-Instrument als durch (argumentative) Sprache erzeugte Wirkung – und zum anderen die Emotionen auslösenden Redefaktoren, die vor allem durch ethos, die als Rednerbezogene Wirkung aufzufassen ist, und durch pathos, der Rede-bezogenen Wirkung, erreicht werden: Von den durch die Rede geschaffenen Überzeugungsmitteln gibt es drei Arten: Sie sind zum einen im Charakter des Redners angelegt, zum anderen in der Absicht, den Zuhörer in eine bestimmte Gefühlslage zu versetzen, zuletzt in der Rede selbst, indem man etwas nachweist oder zumindest den Anschein erweckt, etwas nachzuweisen (Aristoteles 2005a: 12; rhet. I 2,3 / 1356a; cf. ibid.: 13; rhet. I 2,7 / 1356b).

45 Bei einigen modernen Autoren werden ethos und pathos erst im Zusammenhang mit der Affektenlehre und den officia oratoris genannt (cf. e. g. Ueding / Steinbrink 2005). Die unter 2.1.2 erörterte aristotelische Wirkungsmaxime der Rhetorik legt aber die hier vorgenommene Gliederung mit einer Voranstellung aller drei pisteis nahe, um zunächst die alles dominierende und allumfassende Funktion der actio bzw. der Rhetorik im allgemeinen zu unterstreichen, nämlich Wirkung bzw. Persuasion. 46 Die drei pisteis dürfen allerdings nicht verwechselt werden mit den pisteis bzw. probationes Quintilianscher Prägung. Jene beziehen sich auf die Argumentation, also die sprachliche Beweisführung, die dem logos untergeordnet ist; cf. hierzu 2.1.2.3.1.

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Diese aristotelische Dreiteilung der Wirkungsinstrumente wandelt sich in der römischen Antike. Die Überzeugungsmittel werden »affektisch ›aufgeladen‹« (Ottmers 1996: 123); sie stehen nun gleichsam für die Stärke der Affekte, die sie beinhalten: Logos ist die »emotionslose«, dafür sachlogische Beweistechnik, ethos nicht nur die »ethische Selbstpräsentation des Redners« (ibid.), sondern auch die mittlere, milde Affekterregung, und pathos wird zur stärksten, besonders ausgeprägten Affekterregung. Während Aristoteles ethos und pathos dem logos unterordnete, erscheinen sie bei den römischen Rhetorikern mehr und mehr gleichberechtigt (cf. ibid.: 120, 124). Entscheidend prägte auch Quintilian die Dreiteilung der Wirkungsinstrumente in der römischen Antike: »It was Quintilian who most explicitly related the figures to the logos, pathos, and ethos of argument« (Corbett / Connors 1999: 41 f.). Insbesondere im 1. Kapitel des IX. Buches seiner Institutio oratoria beschreibt Quintilian, hier in bezug auf Figuren und Tropen, die dreigliedrige Wirkung der Rede. Stellvertretend sollen hier nur »Beweisführung mit einer logischen Schlußfolgerung« (Quintilian 2006b: 267; inst. IX 1,42), das Werben »für die Person des Prozeßredners« (ibid.: 259; inst. IX 1,21) und Gefühlsregungen, die sich »durch nichts stärker lenken lassen« als durch Redefiguren (ibid.), genannt sein. Hieraus geht hervor, daß auch Quintilian drei Wirkungsfunktionen der Rhetorik definierte und sie direkt in seiner Lehre an Beispielen erläuterte. Auch bei Cicero findet sich insbesondere für die beiden affektiven pisteis eine ähnliche Definition wie bei Quintilian: Des weiteren erwäge ich die folgenden zwei Fragen mit besonderer Sorgfalt: Die eine richtet sich darauf, was mich und meine Klientel empfiehlt, die andere gilt der Beeinflussung des Publikums in meinem Sinn (Cicero 2003: 277 f.; de orat. II,114).

Während die Bezüge der drei Instrumente bei Aristoteles deutlicher unterschieden werden – ethos bezeichnet das Charisma, die Ehrenhaftigkeit, Aufrichtigkeit und die emotionale Kraft des Redners selbst, pathos den rezeptionsästhetischen Gegenpart und logos die rein argumentative Sprechhandlung (cf. Ortak 2004: 22) –, wird diese Gliederung bei den römischen Rhetorikern zusehends verwässert. Dies wird auch deutlich durch Quintilians Aussage, daß das »Geheimnis der Kunst, Gefühlsempfindungen zu erregen« darin liege, »sich selbst der Erregung hinzugeben« (Quintilian 2006a: 709; VI 2,26). Dieser Einwand mag berechtigt erscheinen; dennoch stellt gerade die aristotelische Darstellung indirekter Emotionalität (ethos) und direkter Emotionalität (pathos) eine hervorragende Gliederung dar, den Unterschied zwischen Redner und Text treffend definieren zu können. Analog werden den drei pisteis die drei Wirkungsfunktionen oder officia

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oratoris gegenübergestellt.47 Während dem logos die Funktion docere, also belehren, zukommt, ist delectare (erfreuen) als mildere affektive Wirkung folgerichtig dem ethos zugeordnet, movere dagegen als starke emotionale Bewegung des Zuhörers dem pathos (cf. e. g. Ueding / Steinbrink 2005). Eine genauere Betrachtung aller drei Wirkungsfunktionen wird in den folgenden Unterkapiteln erfolgen. 2.1.2.3.1 Im Anfang war der logos: Sprachliche Mittel, sachlogische Persuasion und die Macht der logoi Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Joh 1,1

Ein entscheidender Aspekt für den Text einer Rede und dessen Definition in der Rhetorik ist, daß der logos nicht mit dem verbalen Akt der Rede gleichgesetzt werden darf, sondern die logische Argumentation meint, denn die Erregung von Emotionen geschieht ebenfalls (unter anderem) mit Worten. Eine Gleichsetzung des rhetorischen Logos-Begriffs mit der deutschen Übersetzung Wort darf also nicht ohne weiteres erfolgen, wenngleich logos sich ausschließlich über das Wort, also über verbale Kommunikation definiert. Die Problematik der Übertragung des Logos-Begriffs in den deutschen Sprachgebrauch ist nicht neu, und auch literarisch ist sie längst aktenkundig. Schönstes Beispiel dafür ist wohl die Szene im Studierzimmer in Goethes Faust: Geschrieben steht: ›Im Anfang war das Wort!‹48 Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, Ich muß es anders übersetzen, […] (Goethe 1999: 61).

Bekanntermaßen sind Faust auch Sinn und Kraft als Übertragung nicht recht, und am Ende beschließt er, den logos aus Joh 1,1 mit Tat zu übersetzen. Die Gründe hierfür sind sicherlich auch interpretatorisch im Charakter des Faust zu suchen, dennoch verdeutlicht diese Szene, wie schwierig der Begriff semantisch und definitorisch zu handhaben ist. Der griechische Logos-Begriff beinhaltet 47 Hierbei ergibt sich ein weiteres terminologisches Dilemma, da officia oratoris beispielsweise in Ad Herennium die Produktionsstadien bzw. opera oratoris meint (cf. 2.1.2.1). Um eine Verwirrung zu vermeiden, wird im folgenden für die hier beschriebenen Aspekte der deutsche Terminus Wirkungsfunktionen verwendet. 48 Hervorhebung in der zitierten Ausgabe nicht kursiv, sondern durch gesperrten Zeichenabstand.

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schon in seiner gewöhnlichen Bedeutung weit mehr, als der deutsche Begriff Wort wiederzugeben vermag: Er steht gleichermaßen für das Wort als sprachliche Äußerung als auch für die Rede im allgemeinen, für Beredsamkeit, Wahrheit, Vernunft und sogar als Metapher für Christus und Gott.49 Luther entschied sich in seiner Übersetzung dennoch für den Begriff Wort und stellte den logos damit ganz in die biblische Tradition des Wortes schlechthin: Gott erschafft in der Genesis des Alten Testaments Licht, Erde, Wasser und alles Leben, indem er spricht (1. Mose 1). Allein durch die Kraft seiner Worte erschafft der jüdisch-christliche Gott eine ganze Welt. Wenn Luther also den logos in der Schöpfungsgeschichte des Johannes mit Wort übersetzt, dann erfaßt er damit in der Tat die Tradition des Begriffs und dessen Bedeutung für die gesamte Bibel.50 Aus diesem Einschub geht bereits hervor : Der logos war in der antiken Vorstellung mehr als einfach nur das Wort, mehr als Sprache. Er besteht vielmehr als ein Konglomerat aus Bedeutungsclustern wie vernunftbezogener Gedankengang, sinnvolle Idee, Darstellung durch Sprachgebrauch, Sprechhandlung und durch Sprache erschaffendes Werkzeug. Dies gilt auch folgerichtig für die Bedeutung des logos in der antiken Rhetorik: Das Wort Logos […] umfaßt eine große Bedeutungsbreite. Es meint Wort, Rede, Satz, Behauptung, Erzählung, Gespräch usw., aber auch Sache, Stoff, Vorfall, Ereignis, Verhältnis, Proportion u. ä. und schließlich Erwägung, Überlegung, Bedeutung, Vernunft. Die Aufgabe der Annäherung an den griechischen Logosbegriff besteht darin, diese Aspekte zusammenzudenken (Pleger 1998: 184).

Covino und Jolliffe weisen ausdrücklich auf die schwierige und oftmals irreführende Übersetzung des Logos-Begriffs hin, der zwar nicht nur das Wort beinhaltet, aber dem darüber hinaus auch mit einer rein kognitiven Sinnzuschreibung nicht Genüge getan wird:51 49 Cf. logos in Gemoll (1965), Langenscheidt Taschenwörterbuch Altgriechisch (LangenscheidtRedaktion 2007) sowie Ruffing (2007: 26 f.). 50 Eine genauere Erörterung der Bedeutung des Wortes in der Bibel hielte erstaunliche Ergebnisse bereit; das Wort erscheint bei näherer Betrachtung als einer der zentralen Begriffe – wenn nicht gar als der zentrale Begriff – der jüdisch-christlichen Religionen. Insbesondere auch im Hinblick auf die Bedeutung des Begriffs in der Rhetorik drängt sich eine zukünftige genauere Untersuchung auf. Frühere Darstellungen des Themas finden sich z. B. bei Gadamer (1975) und Knape (2000a), allerdings erscheint die Beweisführung mit Kenntnis der antiken Rhetorik und moderner Interpretationen noch nicht vollständig und ausgereizt. Eine genauere Erörterung des Themas müßte allerdings an anderer Stelle separat erfolgen, da sie die in dieser Arbeit eingeschlagene Forschungsrichtung überschreitet. 51 Aus dieser, auf der einen Seite die biblische Bedeutung, auf der anderen die bereits unter 2.1.2.3 dargestellte rhetorische berücksichtigend, geht bereits eindeutig hervor, daß eine Trennung zwischen Leib und Seele und damit zwischen Kognition und realer Stoffligkeit, wie sie Gadamer (1975) für logos herleitet, letztendlich nicht ohne weiteres festgestellt werden kann; wenngleich die vollständige und damit einzigartige Einheit von Wort und Körper als Maximum des Logos-Begriffs, wie sie durch Christus erreicht wird – »Und das Wort ward

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Although it is common to translate logos into its cognate, the ›logical‹ appeal, such a translation is imprecise an potentially misleading. Logos in ancient Greek means more than simply logic or reasoning; it means something like ›thought plus action.‹ […] so logos, accompanied by the other two appeals [i.e. ethos und pathos, J.K.], mobilizes the powers of reasoning (Covino / Jolliffe 1995: 17).

Wie im vorangegangenen Kapitel bereits beschrieben, soll in dieser Arbeit jegliche sprachlogische Wirkung auf den Zuhörer – also Persuasion durch Argumentation – der pistis logos zugeteilt werden. Hierzu ist es notwendig zu bestimmen, was mit Persuasion eigentlich gemeint ist. Eine anfangs einfach und eindeutig erscheinende Übersetzung gibt es für den lateinischen Begriff persuadere nämlich nicht: Er läßt sich gleichermaßen mit überzeugen und mit überreden, natürlich auch im Sinne von beeinflussen, übersetzen. Die Problematik dieser »Dichotomie« (cf. Ortak 2004: 47 ff.) rückt vor allem ein ethisches Problem mit der Rhetorik in den Fokus; sie demonstriert aber auch, wie wichtig eine pragmatische Herleitung des Begriffs zur Verständnis seiner Funktion und der Rhetorik insgesamt ist. Eine beispielhafte, detaillierte und aktuelle Erörterung findet sich bei Ortak (2004). Für die Bedeutung des Begriffs in der antiken Rhetorik ist auch an dieser Stelle noch einmal vorzuheben, daß es sich bei den deutschen Übersetzungen, genau wie bei dem Begriff logos, nun einmal um Übersetzungen handelt, die die ursprüngliche Bedeutung oftmals nur durch deren einzelne Bestandteile wiedergeben können. Um vor allem die ethische Problematik der verschiedenen deutschen Begrifflichkeiten eindeutig klären zu können, ist ein Blick in die ethische Auffassung der Rhetorik im allgemeinen erforderlich. Beispielhaft ist hierzu ein Zitat Quintilians: »Für uns soll also der Redner, den wir heranbilden wollen, von der Art sein, wie ihn Marcus Cato definiert: »›ein Ehrenmann, der reden kann‹ […]« (Quintilian 2006b: 685; inst. XII 1,1). Es ist also (scheinbar) evident, daß die rhetorische Bedeutung des Begriffs klar als ethisch vertretbare Variante der Überzeugung definiert werden muß. Daß diese Feststellung wiederum eine recht gutgläubige ist, steht dabei sicherlich außer Frage;52 Ortak schlußfolgert gar ein »Scheitern ethischer Lösungsversuche« des Problems (Ortak 2004: 35). Da die sprachliche bzw. argumentative Persuasion in dieser Arbeit allerdings dem logos untergeordnet ist, ergibt sich eine weitere, recht elegante Lösung des Problems; der logos wird bei Sokrates direkt mit den Begriffen des Arguments und des topos in Verbindung gebracht: »[…] und indem ich jedesmal den Gedanken [= logos = Argument, J.K.] zugrunde lege, den ich für den stärksten halte: so setze ich, was mir scheint mit diesem übereinzustimmen, als wahr […]; was aber nicht, als nicht wahr« (Platon 2004b: 162; Phaid. 100a). Fleisch […]« (Joh. 1 1,14) –, und wie sie Gadamer erörtert, auch im Hinblick auf die antike Rhetorik ein lohnenswertes Forschungsprojekt ergäbe. 52 Hierzu wird unter 2.1.2.3.3 noch genauer Stellung genommen.

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Ein Argument indes impliziert eine Persuasion als Überzeugung, denn überzeugen ist im Gegensatz zu überreden stets durch die Anbringung von Argumenten definiert: »[…] durch Beweisgründe zu einer Meinung bringen« (Grimm, Deutsches Wörterbuch 1999); »[…] jmdn. durch Argumente dahin bringen, daß er etw. als richtig, notwendig anerkennt […]« (Klappenbach / Steinitz: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache 1980); »[…] durch einleuchtende Gründe, Beweise dazu bringen, etw. als wahr, richtig, notwendig anzuerkennen […]« (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 1999a). Im Gegensatz zur mittelalterlichen Rhetorik, in der die künstlerische Form der Rede eine immer größere Rolle spielte, übernahm die Argumentation in der klassischen Rhetorik aristotelischer Prägung, die für diese Arbeit und ihre angestrebten Ziele bewußt ausgewählt wurde, für den Redetext die zentrale persuasive Wirkungsfunktion: »Die aristotelische Rhetorik legt das Gewicht auf die Beweisführung« (Barthes 1988: 25; cf. 2.1.2). Im Hinblick auf zu analysierende politische Reden mag zudem ohnehin zu unterstellen sein, daß jene – im Gegensatz zu einer reinen Werbebotschaft – sprachlich vielmehr durch Argumente überzeugen und somit erfolgreicher wirken müssen, als ihnen dies durch eine argumentlose Überredung gelingen könnte. Schon in dem frühen Produktionsstadium der inventio, in der das Thema der Rede explizit nicht kreativ erfunden, sondern in der bereits existierenden Wirklichkeit entdeckt wird (cf. Barthes 1988: 54 und 2.1.2.3.2), spielt die Auffindung der das Thema stützenden Argumente und deren topoi eine wesentliche Rolle. In der Phase der dispositio werden diese nun geordnet, in der elocutio in den Redetext verwandelt und mit Worten »eingekleidet« (cf. Barthes 1988: 49 ff.): Ein […] Berührungspunkt zwischen disposition und elocutio liegt in der Notwendigkeit, die Worte den Redeteilen und deren charakteristischen Aufgaben im Hinblick auf die Wirkungsintention, das docere, delectare oder movere [und damit dem logos, ethos und pathos! J.K.], anzupassen (Ueding / Steinbrink 2005: 220).

In der actio entfalten die Argumente im Sinne des argumentativen logos schließlich ihre persuasive Wirkung.53 Die actio, die im Mittelalter fast gänzlich ihre Existenz verlor (cf. ibid.: 53), stellt in der hier angestrebten aktuellen (politischen) Rhetorik nun wieder den Hauptfokus der gesamten officia oratoris: Auf den wirkenden Vortrag muß die Produktion der Rede von Anfang an ausgerichtet sein; dies entspricht ohnehin auch der Auffassung des unter 2.1.2.2 erläuterten aptum.

53 In der antiken Rhetorik lag zwischen elocutio und actio noch der Schritt der memoria, also – vereinfacht – des wirkungsorientierten Einstudierens der Rede.

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Die partes orationis sollten indes nicht nur auf schlichte und streng einzuhaltende Abschnitte der Rede reduziert werden. Sie erinnern sicherlich nicht durch Zufall an die poetische Dramaturgie, sondern sind als »wirksame Anordnung« selbst bereits Bestandteil der wirkenden Rede (cf. Plett 2001: 18; Fuhrmann 2001: 61 ff. und 65 ff.). Obwohl die römische Rhetorik nach wie vor an den aristotelisch geprägten officia festhielt, wurden sie insbesondere durch Cicero »ent-reglementiert«: Man kann die ciceronische Rhetorik mit folgenden Charakteristika versehen: […] die Angst vor dem ›System‹; Cicero verdankt alles Aristoteles, aber desintellektualisiert ihn, möchte in die Spekulation ›Geschmack‹ und ›Natürlichkeit‹ einfließen lassen […] (Barthes 1988: 28).

Cicero will eindeutig »mehr an der Wahrheit festhalten als an Begriffen« (ibid.). Das bedeutet, daß die Regeln der Rhetorik kein starres System mehr darstellen, kein – wie später noch zu Goethes Zeiten – zu künstlich erscheinender Käfig, sondern eher ein für Redner, Situation und Publikum angepaßtes Grundgerüst. Es ist signifikant, daß auch dies Resultat eindeutig die Relevanz des aptum aufzeigt. Das heißt natürlich auch, daß die Argumentation nicht auf den dritten der Teil der partes orationis, die argumentatio, beschränkt ist; vielmehr wird sie in allen vier Teilen – exordium, narratio, argumentatio und peroratio – angewendet. Eine aktuelle und knappe Beschreibung der einzelnen partes findet sich bei Plett (2001); die einzelnen Aufgaben der Redeteile – Einleitung in das Thema, Erzählung des Hergangs, Beweis (der eigenen Meinung) und Schluß der Rede – finden sich in Ad Herennium (Nüßlein 1998: 11; rhet. Her. I,III), bei Cicero (2003: 405 ff.; de orat. II 307 ff.), bei Quintilian (2006: 403 ff.; inst. IV–VI 1) und bei Aristoteles (2005a: 183 ff.; rhet. III 13 ff. / 1414aff.) erschöpfend diskutiert. Barthes stellt für den zweiten Teil der Rede fest: Die narratio […] ist natürlich die Erzählung der mit der Angelegenheit verknüpften Tatsachen […], aber diese Erzählung wird ausschließlich vom Standpunkt des Beweises abgefaßt […] Die Narration ist also keine Erzählung (im romantischen und gleichsam uneigennützigen Sinn des Terminus), sondern eine Argumentationsprotase (Barthes 1988: 82 f.).

Hieraus folgt also, daß die narratio durchaus bereits argumentative Elemente enthält. Allerdings sollte eine moderne Auffassung des erzählenden Teils der Rede eine romantische bzw. prosaische Erzählung zulassen; dies wäre ohnehin auch im Sinne der bereits dargelegten Regelauffassung Ciceros (cf. ibid.: 28) – einzig und allein muß die innere und äußere Angemessenheit der Rede gewährleistet sein:

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Vor allem die klare Scheidung der ›inneren‹ Redeteile [cf. Barthes 1988: 79, J.K.] in narratio und argumentatio läßt sich außerhalb der Gerichtsrede kaum ausmachen, und die Frage, ob hier noch ›erzählt‹ oder schon ›argumentiert‹ wird, läßt sich selten eindeutig beantworten (Ottmers 1996: 53 f.).

Barthes’ oben genannte Definition legt allerdings sehr treffend bereits eine weitere wichtige Einteilung der Beweisführung dar : Es gibt offensichtlich Tatsachen, die aufgezeigt werden können, und es muß argumentative Schlußfolgerungen geben. In der Rhetorik werden diese zwei verschiedenen Wege der Beweisführung in probationes inartificiales und probationes artificiales gegliedert,54 also die realen Beweise, Zeugenaussagen, Beweisstücke auf der einen und die argumentativen bzw. (sprach-)kunstfertigen Beweisführungen auf der anderen Seite (cf. Cicero 2003: 279; de orat. II,116). Die artifiziellen Beweisführungen stellen nun einen der interessantesten Aspekte der antiken Rhetorik dar, sind sie es doch letztlich, die die subjektive Wirklichkeitsauffassung zu einer objektiven machen sollen.55 Als zentrale Begrifflichkeiten der argumentativen Persuasion und der textualen Erfassung des Redeinhalts in seiner Gänze müssen an dieser Stelle die topoi erwähnt werden, die nicht umsonst zu den meistzitierten Aspekten der Rhetorik (und gleichzeitig zu den am leichtesten mißverstandenen) zählen dürften. Auch die topoi, die Beweisorte, werden bereits in der inventio entdeckt, in der dispositio geordnet und mit den Argumenten verknüpft. Die topoi sind deshalb von entscheidender Bedeutung, weil sie die Argumentation, also die Beweisführung, mit Relevanz und – im besten Falle – als nicht zu widerlegen untermauern und umschließen (cf. Barthes 1988: 66 ff., insb. 67), sie sind ein »gedanklicher nucleus« (Knape 2000c: 748; cf. Ulrich 2006: 141): S’il est une loi logique, il est un lieu commun; autrement (tout en restant une garantie des passager, par exemple une implication concrºte) il est un lieu prope. […] Ils sont des facult¤s ou des actions de recherche pour trouver ou pour multiplier les donn¤es56 (de Pater 1965: 148). 54 Die probationes werden in der griechischen Rhetorik auch pisteis atechnoi und entechnoi genannt; um einer Verwechslung mit den pisteis logos, ethos und pathos zu vermeiden, wird in dieser Arbeit allerdings der lateinische Begriff verwendet. 55 Diese Definition ist selbstverständlich vereinfacht bzw. zugespitzt, da in einer Rede, wie im nächsten Kapitel dargestellt, nach antiker Auffassung ohnehin die Wirklichkeit dargestellt wird. Gerade nach der vorangegangenen Erörterung der Wirklichkeitsauffassung und -schaffung im Sinne der Kritischen Diskursanalyse kann die hier benutzte Beschreibung allerdings durchaus als moderne Definition angegeben werden. 56 »Wenn er [der topos, J.K.] ein logisches Gesetz ist, dann ist er ein gemeinsamer Ort; andernfalls (es bleibt letztlich eine sichere Möglichkeit zum Herleiten, wie z. B. durch eine bestimmte Verkettung) ist es ein Ort in der Umgebung. […] Sie sind die Befähigungen oder Vorgehensweisen der Suche, mit der die Aspekte eines Falls aufgefunden oder vervielfacht werden« (eigene Übers., J.K.).

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Die Topos-Bestimmung läßt sich ohne weiteres mit Aristoteles’ Bild eines Wagenlenkers vergleichen, das er für die argumentative Induktion aufstellte: »Wenn derjenige Steuermann, der sich auskennt, der beste (Steuermann) ist und so auch beim Wagenlenker, dann ist überhaupt in jedem Bereich derjenige, der sich auskennt, der beste« (Aristoteles 2004: 60; top. I, 12 / 105a). Der gewählte topos muß also gleichsam die Funktion eines richtunggebenden Lenkers der eigenen Argumentation innehaben. Um nun die richtigen – oder sokratisch (v.s.) stärksten – Lenker der eigenen Argumente zu entdecken, lassen sich die topoi nach Quintilian in verschiedene Fundstätten einteilen: grob zum einen in die loci a persona (aus der Person ergebende Fundorte; Quintilian 2006: 557 ff.; inst. V 10,24 ff.), zum anderen in die loci a re (aus der Sache ergebenden Fundorte; ibid.: 559 ff.; V 10,33 ff.). Sowohl die personen- als auch die sachbezogenen topoi werden nun noch einmal in verschiedene Untergruppen unterteilt, darunter unter anderem Abstammung (ibid.: 557; V 10,24), Geschlecht (ibid.; V 10,25) und gesellschaftliche Zugehörigkeit (ibid.; V 10,26) auf der einen, Ursache (ibid.: 559 f.; V 10,33 f.), Ort (ibid.: 561; V 10,37) und Umstände (ibid.: 589; V 10,104) auf der anderen Seite. Es läßt sich also eindeutig der Bezug zur mittelalterlichen rhetorischen Topos-Merkformel, zu den journalistischen W-Fragen und zu heutigen Marketingstrategien feststellen (cf. 2.1.2 und Barthes 1988: 68), wenngleich die Quintiliansche Einteilung wesentlich komplexer, detaillierter und ausschöpfender ist. Wie auch die Formel Lasswells (cf. 2.1.2), so können die modernen Topoi-Nachahmungen kaum die dreieinheitliche Wirkungsfunktion der pisteis logos, ethos, pathos erreichen (wenn dies, wie im Falle der W-Frage, auch kaum intendiert sein mag). Attraktiv wäre aber in der Tat nicht nur eine Neubewertung der medien- und kommunikationswissenschaftlichen Rezeptionsforschung unter den Wirkungsmustern von topoi und pisteis im allgemeinen, sondern auch eine methodologische Erweiterung oder gar Neudefinition wirtschaftswissenschaftlicher Marketing-Strategien: Insbesondere zwischen Rhetorik und Persuasionsmodellen des Marketings, wie der AIDA-Formel (Attention, Interest, Desire und Action; cf. Schneider et al. 2000: 228 f., Bruhn: 2002: 207 f. und Meffert: 2000: 696 f.), könnte durch eine zukünftige Forschung eine fruchtbare Beziehung entstehen. Während aus heutiger Sicht die Gliederung Quintilians bislang als unerreicht gelten kann, hielt er sie selbst für unzureichend: Dies etwa sind im allgemeinen die Sitze der Mittel zur Beweisführung […]; es genügt einerseits nicht, sie nur gattungsweise weiterzugeben, da aus jeder beliebigen Stelle eine unzählbare Fülle von Beweisen entspringt, andererseits erlaubt die Natur der Sache es auch nicht, die einzelnen Arten alle durchzugehen (Quintilian 2006a: 587; inst. V 10,100).

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Gerade auch im Hinblick auf politische Reden mag Quintilians Argumentation überzeugen, da es – trotz einer in toto politischen Ausrichtung der Reden – zu denkbar mannigfaltigen Inhalten und Konstellationen kommen kann, für die in singulare jeweils andere und u. U. völlig neue topoi gefunden werden müssen: […] die meisten Beweisformen [lassen] sich nur so [finden], im ganzen Gefüge der Fälle verflochten, […] daß sie mit gar keinem anderen Rechtsstreit gemeinsam sind und dieses gar die durchschlagendsten und am wenigsten geläufigen Beweise sind, weil wir das, was allgemein gilt, aus den Regeln selbst gelernt habe, das Eigentümliche aber im Einzelfall selbst finden müssen (ibid.: 587 ff.; inst. V 10,103).

Als nächstes stellt sich nun die Frage, wie die Argumente in einer Rede, für die nun die übergeordneten topoi definiert wurden, in der elocutio in das Gefüge der Rede persuasiv möglichst wirkungsvoll einordnen lassen. Hierzu lassen sich unter den probationes arteficales einige verschiedene Beweisführungen definieren, darunter die Zeichen (signa: ibid.: V 9,5), Beispiele (exempla: Cicero 2003: 315; de orat. II,173) und Syllogismen (argumenta: Quintilian 2006a: 551 f.; inst. V 10,11), wobei sich letztere auch noch einmal untergliedern lassen. Dabei fallen vor allem die Enthymeme in den Fokus der rhetorischen Forschungen und Beschreibungen; Aristoteles nennt das Enthymem »das bedeutendste Überzeugungsmittel« (Aristoteles 2005a: 9; rhet. I 1,11 / 1355a), auch Barthes sieht in ihm eine Königsdisziplin der Argumentation:57 Das Enthymem bietet die Annehmlichkeiten einer Wanderung, einer Reise: Man geht von einem Punkt aus, der keines Beweises bedarf, und begibt sich zu einem anderen Punkt, der eines solchen bedarf; man hat das (wenn auch machtbedingte Gefühl), durch eine Art natürliche Ansteckung, eine Kapillarwirkung, die das Bekannte (das Eingebildete) auf das Unbekannte ausdehnt, Neues zu entdecken (Barthes 1988: 62).58

Die Argumentation selbst wird nun eingebettet in den ausgeschmückten Redetext, und dieser Redeschmuck (ornatus) läßt sich grundsätzlich in Figuren und Tropen gliedern. Diese grobe Einteilung ist allerdings nicht so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Ueding und Steinbrink ordnen schon der Beweisführung selbst, also der Argumentation, rhetorische Figuren zu – wie in etwa die Steigerung (cf. Ueding / Steinbrink 2005: 272 ff.) –; eine Trennung zwischen den beiden Schmuckarten gestaltet sich dabei ungleich schwieriger : Selbst Quintilian formulierte, daß die Ähnlichkeit so handgreiflich sei, »daß sie auseinanderzuhalten gar nicht einfach ist« (Quintilian 2006: 251; inst. IX 1,3). Dennoch gelang ihm eine treffende Definition beider Schmuckrichtungen: 57 Eine moderne, detaillierte und fundierte Erörterung zu Enthymemen mit Bezug zu den aristotelischen Beschreibungen findet sich auch bei Wörner (1982). 58 Diese Feststellungen implizieren also die interessante Ausgangsfrage, inwiefern moderne Oratoren von dieser »mächtigsten Sprachwaffe« noch Gebrauch machen und ob sie sie korrekt benutzen.

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Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

Es ist also ein Tropus eine Redeweise, die von ihrer natürlichen und ursprünglichen Bedeutung auf eine andere übertragen ist, um der Rede zum Schmuck zu dienen […] Eine Figur ist, wie es ja schon der Name erkennen läßt, eine Gestaltung der Rede, die abweicht von der allgemeinen und sich zunächst anbietenden Art und Weise (ibid.: 251 ff.; inst. IX 1,4).

Während also zu den Tropen Sprachwendungen wie Metapher, Synonym und Allegorie zählen, werden zu den Figuren z. B. Anapher, Ellipse und Hendiadyoin gerechnet. Eine genauere Erörterung aller Figuren und Tropen soll an dieser Stelle nicht erfolgen, »dafür gibt es Rhetorikwörterbücher« (Barthes 1988: 89). Zudem scheint gerade der Wortschmuck dafür verantwortlich zu sein, daß die Rhetorik wegen ihrer starren Formen immer mehr aus der Mode gekommen ist: »Mit diesen Redefiguren läßt sich anscheinend nichts anderes anfangen, als sie zu benennen und einzuteilen […]« (ibid.: 88). Es wird daher besonders bei der Analyse der realen politischen Reden eine interessante und reizvolle Aufgabe sein, (für die jeweilige Rede) wichtige und deutliche Figuren und Tropen aufzuzeigen, um eine aktuelle Relevanz dieses Aspekts zu betrachten. Die zu starre Form, der übertriebene Schmuck, kurz: die mala affectatio sind allerdings bereits bei Quintilian thematisiert: […] der Hang zum Gesuchten […] treibt sein Unwesen in jeder Art zu reden; denn das Schwülstige wie das Verniedlichende, das Süßliche, das Überflüssige, das Weithergeholte und das Überschwängliche fallen unter diesen Namen (Quintilian 2006b: 173; inst. VIII 3,56).

Quintilian nennt dies übertriebene und falsche Verständnis der Redekunst so auch den schlimmsten »aller Fehler in der Beredsamkeit« (ibid.: 175; ibid.). Zur Lösung dieses Problems gibt es in der rhetorischen Lehre natürlich nicht nur die Angemessenheit, die eine Rede im Sinne des äußeren und inneren aptum (cf. 2.1.2.2) zu erfüllen hat, sondern auch stilistische Prinzipien, die virtutes als positive Tugenden und die vitia als negative. »Art und Anzahl derselben schwanken« (Plett 2001: 27), Ueding und Steinbrink halten es zudem für äußerst schwierig, sie »im einzelnen zu definieren« (Ueding / Steinbrink 2005: 221). Plett (2001: 27) legt indes fünf Stilprinzipien fest, darunter die Angemessenheit, aber auch Sprachrichtigkeit, Klarheit, Schmuck und die Evidenz. Auch moderne sprach- und kommunikationswissenschaftliche Theorien bauen eindeutig auf diesen Stilprinzipien auf; unverkennbar gestaltet Grice seine Kooperationmaxime, die die Kooperation der Gesprächsteilnehmer verlangen, nach den antiken virtutes und vitia: Quantity, Quality, Relation und Manner (Grice 1975: 47). Auch vulgär- und populärwissenschaftliche Kommunikationsansätze stehen in der Tradition der Stilprinzipien; als Beispiel sei hier nur das KiSS-Modell genannt (»Keep it Short and Simple«).

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Auch moderne Argumentationstheorien reflektieren (oder porträtieren schlicht) die antiken Modelle; Toulmin widmete sich insbesondere auch dem Muster des Syllogismus (und jenem der Enthymeme) in seinen Studien: An argument is like an organism. It has both a gross, anatomical structure and a finer, as-it-were physiological one. […] within this time or space [i.e. innerhalb eines Vortrags, J.K.] one can distinguish the main phases marking the progress of the argument from the initial statement of an unsettled problem to the final presentation of a conclusion (Toulmin 1969: 94).

Toulmin verbindet also die klassische Argumentation mit dem Modell der schulmäßigen Erörterung zu einem Organismus. Weitere, neue Ansätze zeigen die Bestrebungen einer Neuen Rhetorik (New Rhetoric, nouvelle rh¤torique) auf; wie aber die bereits erwähnten Modelle der Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaft rekurrieren sie aber immer auf eine Rhetorik der Formen, die dazu tendiert, den Zeichen ihre rhetorische Qualität, und das ist ihre Wirkungsintentionalität, ihre bewußt zweckgerichtete Funktionsweise zu nehmen oder doch allenfalls nur als eine Weise des Bedeutens neben anderen zu berücksichtigen (Ueding / Steinbrink 2005: 170).

Eine bemerkenswerte Feststellung leisten dagegen Young, Becker und Pike (1970), die die Schlüsselqualifikation des Überzeugens durch die Identifikation bzw. ein identifikatorisches Überzeugen in den Mittelpunkt der New Rhetoric stellen (wie auch die meisten anderen Vertreter der amerikanischen New Rhetoric, cf. Ueding / Steinbrink 2005: 171). Dies ist ein folgerichtiger und notwendiger Schritt der wirkungsorientierten Rhetorik, der bei poetischen Wirkungsformationen – wie dem Drama oder Spielfilmen – längst zum Handwerk gehören (cf. Hickethier 1996: 125 und König 2005: 60). Dies ist selbst im Sinne der antiken Rhetorik eine logische Neuerung, die sich, wie Cicero anmerkt, ohnehin aus guten, realen Redevorbildern ergab: Die eigentliche Leistung aller Regeln aber sehe ich nicht darin, daß die Redner, die sich an sie hielten, Ruhm in der Redekunst erlangten, sondern darin, daß gewisse Leute das, was beredte Männer schon von sich aus taten, beobachteten und zusammenstellten. So ist nicht die Beredsamkeit aus einem theoretischen System, sondern das theoretische System aus der Beredsamkeit entstanden (Cicero 2003: 123; de orat. I,146).

Dieser Anspruch der Rhetorik mag nun ebenso für die neu definierte Identifikation bzw. identifikatorische Nähe der Persuasion gelten, und gerade das 20. Jahrhundert weist dafür Beispiele auf.59 Selbstverständlich können diese 59 Die Identifikation als wichtiger Bestandteil von Reden wird heute auch innerhalb moderner sprachwissenschaftlicher Analysemodelle erforscht. Gerade in der CDA nach Wodak (cf. 2.1.1) stellt die Schaffung von Identifikation im Bereich der referentiellen Strategien

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auch moralisch bedenklich sein, wie folgendes vergleichbares Zitat Mao TseTungs zeigt: Die Methode, die Ansichten der Massen zusammenzufassen, sie dann wieder zur beharrlichen Aktion der Massen zu machen, wodurch die Auffassung der Führung zur richtigen wird – das ist die grundlegende Führungsmethode (Mao Tse-Tung 1968: 8).

Die klassische Maxime des vir bonus (cf. Quintilian 2006b: 684; inst. XII 1,1) ist damit natürlich in Frage gestellt, wenn nicht gar vollständig aufgelöst, und die Persuasion wird eindeutig zu einer Überredung: Die Meinung des Volks wird »studiert und in konzentrierte und systematisierte Form gebracht«, um damit die Meinung des Redners zu transportieren und diese wiederum in »Meinungen der Massen selbst zu verwandeln« (Mao Tse-Tung 1968: 6). Es mag nach dem Studium der umfangreichen und bis heute durch ihre Detailliertheit faszinierenden antiken Quellen kaum noch verwundern, daß sich für all diese neu und modern erscheinenden Erkenntnisse längst profunde Erörterungen bei den klassischen Rhetorikern finden lassen: Wir fühlen, daß man Zuneigung gewinnt, wenn man den Eindruck macht, das, was im Interesse des Publikums selbst liegt, gerechterweise zu vertreten, oder sich für verdiente Männer bzw. solche, die für das Publikum wertvoll und nützlich sind, zu engagieren (Cicero 2003: 339; de orat. II,206).

Es ist offenkundig, daß am Ende dieser Strategie ohne jede Frage auch die Stiftung von Identifikation steht, die ein Redner mit seiner Rede erreichen muß. Cha€m Perelman rückt indes als Vertreter der New Rhetoric die Argumentation selbst wieder in den Vordergrund; insbesondere die dialektische Struktur der Argumentation findet bei ihm Berücksichtigung und spielt eine wesentlichere Rolle als in der antiken Rhetorik. Den Schmuck und damit insbesondere die rhetorischen Figuren kritisiert er hingegen als »Einengung« und »Verfall« der argumentativen Leistung (Perelman 1980: 13). Mit seiner neuen Definition der Argumentation weicht er zudem (scheinbar!) zunächst von den griechischen Argumentationsidealen ab, denn es geht ihm nicht darum, »eine notwendige und evidente erste Wahrheit zu suchen«, sondern für ihn gelten als »eigentlicher Bereich« seiner modernen Rhetorik-Auffassung die »Werte« (ibid.: 162). Durch die weiter oben bereits erwähnte sokratische Logos-Auffassung wird allerdings deutlich, daß sich Perelman, bei genauerer Betrachtung seiner Thematik, wieder sehr viel mehr in die Tradition der antiken Rhetorik begibt, als dies auf den ersten Blick erscheinen mag: »[…] es geht nicht um eine korrekte oder inkorrekte Beweisführung, sondern um stärkere oder schwächere Argumente […]« (ibid.: 60). Damit geht es in Perelmans New Rhetoric letzteinen wichtigen Aspekt dar, der durch »Wir- / sie-Diskurse« definiert wird (cf. i. e. Wodak 2005: 142 f.).

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endlich wieder um das stärkste Argument oder, wie es Sokrates formulierte: um den stärksten logos. Eine genauere Erörterung der affektiven Wirkungen von Rede wird unter 2.1.2.3.3 erfolgen; letztendlich ist es aber offensichtlich, daß die Wirkungsfunktion docere und damit die pistis logos nur bedingt frei von jeglicher affektiven Wirkung sind. Die topoi verbinden bereits sachlogische Thematik mit affektgeladenen Fundorten; als Beispiele seien hier nur die Vorgeschichte einer Person (inst. V 10,28), deren Geschlecht (ibid.: V 10,25) und deren schicksalshafter Lebensweg (ibid.: V 10,26) genannt, und auch die Identifikation stiftende Argumentation der New Rhetoric ist – bedenkt man die Emotionalität, die der Begriff Identifikation ganz natürlich und selbstverständlich birgt – keinesfalls ohne eine affektive Wirkungsleistung denkbar. Selbst scheinbar völlig sachlogische Beweisführungsmodelle wie Enthymeme stellen sich bei genauerer Betrachtung zusätzlich zu ihrer Argumentationskraft als durchaus affektiv wirkend heraus; für Barthes stellen sie gar einen »Lustgewinn« dar (cf. Barthes 1988: 62): Diese Unwissenheit [des Zuhörers, J.K.] muß ausgenützt werden, indem man dem Zuhörer das Gefühl gibt, daß er ihr von selbst, durch seine eigene Geisteskraft, ein Ende macht: das gleicht in etwa der Lust am selbständigen Ergänzen eines vorgegeben Rasters (Kryptogramme, Spiele, Kreuzworträtsel).60

Dies ist, betrachtet man die Entwicklung des Logos-Begriffs in der Antike auch außerhalb der Rhetorik, allerdings eine folgerichtige Feststellung: […] der ›logos‹ [macht] selbst eine entscheidende Entwicklung durch. Der erste Abschnitt läßt sich deuten als Übergang der personalen Weltdeutung des Mythos zu einem sachliche Weltverhältnis, bei dem der ›logos‹ die Proportionen der thematisierten Sachverhalte der Welt meint. […] In einem zweiten Abschnitt findet eine Herauslösung des ›logos‹ aus seiner engen Sachbindung statt, um sich bei den Sophisten als ›Macht der Worte‹ auf sich selbst zu stellen (Pleger 1991: 27).

2.1.2.3.2 Vox et motus: Die para- und außersprachlichen Mittel der actio

Als nächstes ist der Ausdruck zu behandeln, denn es genügt nicht zu wissen, was man sagen muß, sondern ist auch notwendig zu wissen, wie man dies sagen muß, und das trägt viel zum Erscheinungsbild der Rede bei (Aristoteles 2005a: 152; rhet. III 1,2).

Olympiodoros definierte, auch im Hinblick auf die Diskussion in Platons Phaidros (cf. Platon 2004b: 596 f.; Phaidr. 269bff.): »Denn, wie ich bereits gesagt habe, besteht Rhetorik nicht nur allein aus Reden, sondern auch aus Schweigen und Bewegung« (Olympiodorus 1998: 88; in Grg. 4,8. Eigene Übers., J.K.).61 60 Ibid. 61 Die zuvor erwähnte Diskussion in Platons Phaidros nimmt insofern eine interessante Sonderstellung im historischen Rhetorikdiskurs ein, da sie die Rhetorik zum einen von anderen

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Parasprachliche und selbst außersprachliche Mittel gehörten in der antiken Rhetorik genauso zur Rednerausbildung und stellten Mittel zum Gelingen einer Rede dar wie die sprachlich-redetextuellen und strukturellen Aspekte: Actio und Pronuntatio […] bezeichnen die gesamte rednerische Praxis vom wirkungsvollen Vortrag mit der Stimme bis zu Mimik, Gestik, der Haltung und Bewegung des Körpers, ja sogar bis zur gesamten Inszenierung des rednerischen Auftritts durch Begleitung wirkungsvoller Raum-, Bild- oder Ton-Arrangements (Ueding / Steinbrink 2005: 236).

Während diese Stilmittel in zeitgenössischen Abhandlungen über antike Rhetorik meist nur am Rande erwähnt werden (wie bereits schon das aptum; cf. 2.1.2.2), finden sie in den bedeutenden antiken Lehrbüchern eine wesentlich größere Beachtung; als Beispiele seien das dritte Kapitel des elften Buches aus Quintilians Institutio oratoria sowie Aristoteles’ Rhetorik und Ciceros orator und De oratore genannt, die die Themen Para- und Außersprache (bzw. z. B. Intonation, Gestik, Mimik; darüber hinaus auch Kleiderordnungen und Inszenierungsmöglichkeiten) sehr ausführlich behandeln. Die para- und außersprachlichen rhetorischen Mittel werden im allgemeinen dem fünften und letzten Sektor der klassischen Produktionsstadien einer Rede zugeordnet, also innerhalb der officia oratoris der pronuntatio bzw. actio.62 Dieser fünfte Punkt der Produktionsstadien beinhaltet also nicht nur den Vortrag der Rede als auswendig gelernte Textwiedergabe, sondern als Ergebnis des Gesamtprodukts wirkende Rede, das überhaupt erst durch die actio zum fertigen rhetorischen Produkt wird. Insbesondere die Bezeichnung actio, als Substantiv analog zum Verb agere, trifft den handelnden, performativen Charakter dieses fünften Abschnitts der Produktionsstadien ausgesprochen passend; ganz im Sinne der scholastischen Formel agere sequitur esse.63 Interpretiert man das Sein in diesem Falle als Beschaffenheit des Textes, wird wiederum deutlich, daß die actio ebenfalls an das aptum (cf. 2.1.2.2) gebunden ist. Aus diesen genannten Aspekten ergibt sich die Definition der actio: »Es handelt sich um die Kunst, Stimme (vox), Gesichtsausdruck (vultus) und Körperhaltung (gestus) in Einklang (aptum) mit dem memorierten Text zu bringen« (Plett 2001: 24). Cicero teilt die para- und außersprachlichen Leistungen, die der Redner während des Vortrags durch Handlung und Formulierung zu vollbringen hat – »[…] in agendo et in eloquendo« (Cicero 2004: 54; orat. 17,55) – grundsätzlich sowohl in sprachliche bzw. stimmliche als auch in motorische Ausdrucksweisen: »Der Vortrag ist ja gleichsam die Körpersprache, da er aus Stimme und BeweKünsten (sic!) abgrenzt und hervorhebt, zum anderen aber aufzeigt, welche Qualitäten und Hilfsmittel sie für andere Disziplinen bereithält (cf. hierzu auch 2.1.2). 62 »[…] pronuntatione sive actione, utroque enim modo dicitur« (Quintilian 2006a: 290; inst. III 3,1). 63 Das Handeln folgt dem Sein.

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gung besteht [vocem atque motu, J.K.]« (ibid.). Diese grundsätzliche Einteilung übernimmt auch Quintilian; hier werden die beiden wesentlichen Aspekte der actio zunächst ebenfalls als vox und motus bezeichnet,64 später auch als vox und gestus (cf. Quintilian 2006b: 612; inst. XI 3,14); »[…] wobei das Letztere auf die Augen, das Erstere auf die Ohren wirkt, auf die beiden Sinne, durch die jede Gefühlsregung in das Innere dringt […]« (ibid.: 613; inst. XI 3,14). In der Institutio oratoria wird die Unterteilung zwischen stimmlicher und körperlicher (nonverbaler) Kommunikation auch innerhalb der Abhandlung über diese Redemittel eingehalten. Quintilian erörtert darin bis ins kleinste Detail zum einen die stimmlichen Aspekte (Quintilian 2006b: 613 ff.; inst. XI 3, insb. 13 – 65), von der Schulung und Vorbereitung der eigenen Stimme bis zur Prosodie, Tonlage und Stimmverstellung, zum anderen sämtliche Möglichkeiten der Mimik (z. B. Bewegung der Lippen und Augenbrauen, aber auch Handbewegungen, Fingerzeichen; selbst die Stellung der Füße wird thematisiert. Ibid.: 633 ff.; 3, insb. 65 – 149). Im letzten Teil der Abhandlung schließt Quintilian auch die außersprachlichen und inszenatorischen Mittel ein – Kleiderordnungen erörtert er genauso wie den Konsum von Speisen und Getränken während der Rede. Zum Ende des Kapitels geht Quintilian wiederum auf die einzelnen Abschnitte der Rede und der hierzu nun jeweils passenden stimmlichen und motorischen Darbietung ein. Grundsätzlich läßt sich feststellen, daß Quintilian mit diesem Teil seines Werks nicht nur eine erschöpfende und bis ins Detail ausgearbeitete Lehrstudie für den agierenden Redner bereithält, sondern gleichermaßen eine beeindruckende Studie über antike Darstellungs- und Rednerkunst. Das Ziel der actio definiert Quintilian mit drei wirkungsästhetischen Spektren: »Dreierlei muß der Vortrag leisten: er soll gewinnend, überzeugend und erregend sein, womit es natürlicherweise zusammenhängt, daß er auch unterhaltend sei« (ibid.: 667; inst. XI 3,154). Eine bemerkenswerte Feststellung zu der Beziehung zwischen Redner und actio unternimmt Cicero in De oratore: Diese Worte trug er [Gracchus, J.K.] bekanntlich mit solchem Ausdruck seiner Augen, seiner Stimme und Gebärden vor, daß seine Feinde sich der Tränen nicht erwehren konnten. Auf diese Dinge gehe ich deshalb ausführlicher ein, weil die Redner, die für die Wahrheit selbst eintreten, dieses ganze Feld geräumt, dagegen die Schauspieler, die die Wirklichkeit doch nur nachahmen, es in Besitz genommen haben (Cicero 2003: 583; de orat. III,215). 64 »Der Vortrag heißt bei den meisten ,actio’ (Auftreten), jedoch scheint er den ersteren Namen von der Verwendung der Stimme, den letzteren von der des Gebärdenspiels zu haben. Denn Cicero nennt ,actio’ einmal ,gleichsam die Sprache’, ein andermal ›eine Art von körperlicher Beredsamkeit’. Zugleich indessen zerlegt er sie in zwei Teile, die zugleich die Teile der ›pronuntatio’ sind, Stimme und Bewegung [vocem atque motu, J.K.]; deshalb darf man beide Bezeichnungen ohne Unterschied gebrauchen« (Quintilian 2006b: 609; XI 3,1).

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Im Gegensatz zum Schauspieler, der die Wirklichkeit nur nachahmt, muß der Redner also die Wirklichkeit darstellen und sollte vermeiden, die Rednerbühne als Theaterbühne zu betrachten. Er muß, ganz im Sinne von ethos und aptum, seine Rede zwar ausdrucksstark und -reich, aber angemessen und ehrlich vortragen. Hieraus ergibt sich eine interessante Problemstellung für Erörterungen literarischer Reden, die auf der Bühne zwar eines die Wirklichkeit nachahmenden Vortrags bedürfen, innerhalb ihres Kontexts der nachgeahmten Wirklichkeit aber – im Sinne der rhetorischen actio – eine wirklichkeitsdarstellende Funktion übernehmen müssen. Während der Analyse muß also darauf geachtet werden, in welchem Kontext die Erörterung durchgeführt wird: als Betrachtung der Rede innerhalb des literarischen Werks oder außerhalb, also im Kontext von Aufführung und Publikum. Eine Lösung des Problems bietet zudem Roland Barthes: »Auf die literarischen Produktionen ausgedehnt (was nicht ihre ursprüngliche Absicht war), würde sie [hier insbesondere: die Logik der Rhetorik, J.K.] eher zu einer Ästhetik des Publikums führen als zu einer Werkästhetik« (Barthes 1988: 26). Para- und Außersprache müssen dennoch auch fester Bestandteil der rhetorischen Analyse literarischer Reden sein:65 »Tonfall, Mimik und Gestik des Sprechers, der sprachliche und außersprachliche Kontext, sind also entscheidende Faktoren bei der Bestimmung der kommunikativen Rolle einer Äußerung« (Zimmer 1982: 33). Für die literarische Rede muß die Analyse dieser Aspekte, da es keine singuläre (Vortrags-)Situation wie bei der realen Rede gibt,66 aus dem Kontext des Stücks erarbeitet werden: Wenn der überwiegende Teil des Sprechtextes eines Dramas dennoch ohne die Angabe von Sprechweise oder begleitenden außersprachlichen Ausdrucksmitteln auskommt, so liegt das daran, daß in den meisten Fällen der sprachliche Kontext, der Gesprächszusammenhang, zur Klärung der Rolle einer Äußerung ausreichend ist (ibid.: 33 f.).

Wie bei sämtlichen Analyseschritten und -instrumentalien gilt auch für die prosodischen und nonverbalen Mittel, daß sie keinesfalls eine absolute und allumfassende Funktion übernehmen können (wie es beispielsweise bei Quintilian dargestellt wird), sondern ausschließlich exemplarisch wesentliche und die Rede als Gesamtereignis definierenden Aspekte herausfiltern sollen. Daher sollen die hier erwähnten Aspekte der antiken Rhetorik genügen und nun um die grundlegenden modernen Unterteilungen der prosodischen und nonverbalen Kommunikationsforschung ergänzt werden, die zwar der Quintilian65 Nach Zimmer kommt diesen allerdings eher eine untergeordnete Rolle auf der Bühne zu (cf. Zimmer 1982: 33 f.). 66 Selbstverständlich können zur besseren Erläuterung aber auch Bild- und Tondokumente beispielhafter Aufführungen hierfür hinzugezogen werden.

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schen Prägung erstaunlich ähnlich sind,67 gleichwohl aber eine überschaubarere, gröbere Gliederung aufweisen. Im Bereich der stimmlichen Variationen bzw. der Prosodie lassen sich unter anderem Stimmqualität, Stimmdynamik, Intonation und Intonationsvariation unterscheiden (cf. König / Brandt 2006: 116 und Laver / Trudgill 1979); die hier genannten bieten ein hinreichendes Analysespektrum für die Themenstellung dieser Arbeit. Wie für die verbale Kommunikation i. S. kommunikationswissenschaftlicher Theorien gilt, daß ihre Funktion die Übermittlung von Information ist, kann dies auch für die nonverbale Kommunikation angenommen werden (cf. Scherer / Wallbott 1979: 17 ff.): Durch Zeichenkomplexe übertragene Mitteilungen reduzieren Ungewißheit durch Information über die Identität und den kognitiven, affektiven und appetitiven Zustand von S [gemeint ist der Kommunizierende / der Sender, J.K.] sowie über dessen Beziehung zu Personen und Objekten seiner Umwelt (ibid.: 17).

Auch diese Definition korreliert auffallend mit der antiken Zielsetzung nonverbaler (und prosodischer) Redemittel (s. o.). Als grundsätzliche nonverbale Kommunikationsformen beschreiben Scherer und Wallbott (1979) Mimik, Gestik, Blickkontakt, Körperhaltung und Körperorientierung; diese Einteilung eignet sich ebenfalls hervorragend für die Analyse nonverbaler Aspekte von Rede. Um repräsentative deskriptive Ergebnisse zu ermöglichen, sollten die in diesem Kapitel genannten Aspekte in der späteren Analyse ebenfalls beschreibend-interpretativ erörtert werden; gleiches gilt auch für die inszenatorischaußersprachlichen Mittel. So selbstverständlich und offenkundig parasprachliche und insbesondere außersprachliche Stilmittel, auch im Hinblick auf das aptum, erscheinen mögen – als Beispiel: Ein Bundeskanzler wird wohl im Bundestag niemals im Schlafanzug eine Rede halten –, so sensibel erweist sich das Thema allerdings bei genauerer Betrachtung: Wenn man jemanden ganz stark emotional beeinflussen will, funktioniert das am besten mit Persönlichem. Zum Beispiel schafft man das dadurch, daß man einfach zu seinen Eigenheiten steht. Bei Strauß habe ich immer bewundert, mit welcher Sorglosigkeit er Bayerisch geredet hat. Das hat auf mich angenehm gewirkt. Umgekehrt hat es auf mich abstoßend gewirkt, als Stoiber in den letzten vierzehn Tagen vor der Wahl, als er gegen Schröder antrat, plötzlich Hochdeutsch redete, eine rote Krawatte wie Schröder trug und erkennbar von seinen Beratern und Manipulatoren auf ›gesamtdeutsch‹ getrimmt wurde und dort plötzlich wie ein Fremder stand (Trotha 23. 02. 2007: s. Anhang). 67 Dies beweist allein schon ein Vergleich der Einteilungen moderner Studien, beispielsweise Schönherr (1997) mit Quintilians Institutio oratoria.

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Zur Aussage von Trothas passend räumt der ehemalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger ein, prosodische Stilmittel in seinen Reden durchaus wirkungsorientiert einzusetzen: […] zum Beispiel in meinem Wahlkreis Hohenlohe, im nördlichen Teil von BadenWürttemberg. Dort mußte ich gelegentlich auch im Dialekt sprechen. Nur so konnte man seine Verbundenheit mit den Menschen ausdrücken und zeigen, daß man sich bei ihnen zu Hause fühlt (Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang; ).

Dialekte sind im Deutschen ein hervorragendes Beispiel für die Relevanz prosodischer Wirkung einer Rede und können zudem exemplarisch dafür stehen, wie stark diese Mittel von aptum (cf. 2.1.2.2), Art des Dialekts und Redner abhängig sind: […] es scheint, als unterschieden sich die Dialekte in ihrer Wirkung. Der norddeutsche Sprachduktus schadet nicht – er ist fein, klingt hanseatisch und erinnert an Helmut Schmidt. Schwer haben es die Sachsen – spießig und wegen Walter Ulbricht (SED) an die DDR erinnernd. Der kölnisch-rheinische Dialekt wirkt gemütlich, kann aber – wegen Konrad Adenauer (CDU) – als hintertrieben-gemein wahrgenommen werden, was dem Redner eine Ernsthaftigkeit verleiht. Bayerisch ist erlaubt […]; der schwäbische Dialekt auch […] Die Rheinhessen und Rheinpfälzer aber haben ein Problem. Dem Publikum fällt es schwer, des Redners Anliegen ohne Abschweifungen zu folgen (Bannas 2007: 10).68

Der gezielte und Wirkung erzeugende Einsatz parasprachlicher Stilmittel läßt sich auch für die Antike belegen, und das nicht nur anhand der theoretischen Lehrbücher, sondern auch mit Berichten aus dem Umfeld der antiken Rhetoriker. So merkte z. B. Olympiodoros über Platon und Gorgias von Leontinoi an: Aber wir behaupten, daß Platon diese Ausdrücke einführt, weil sie zum regionalen Dialekt gehören und deshalb zu Gorgias passen, der hier spricht, denn Gorgias stammt aus Leontinoi. So verfährt Platon auch in Phaidon und läßt Cebes im lokalen Dialekt sprechen (Olympiodorus 1998: 90; in Grg. 4,9. Eigene Übers., J.K.).

Abschließend läßt sich feststellen, daß die Relevanz der para- und außersprachlichen Mittel zum Gelingen einer Rede für die antiken Rhetoriker außer Frage stand und sie ihnen gar die Schlüsselfunktion für die glückende Wirkung zuwiesen. Bereits Aristoteles erklärte, daß die »Vortragsweise« die »größte Wirkung« habe. (Aristoteles 2005a: 152; rhet. III 1,3) Auch Cicero maß der actio und damit den para- und außersprachlichen Rede-Bestandteilen die höchste Bedeutung zu und beschrieb, daß alles nur in dem Umfang wirke, in dem der Vortrag es zur Geltung bringt. Der Vortrag, sage ich, hat in der Redekunst allein entscheidende Bedeutung. Denn ohne ihn gilt auch der größte Redner nichts, ein 68 Cf. auch Bannas 2008: 10.

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mittelmäßiger, der ihn beherrscht, kann aber oft die größten Meister übertreffen (Cicero 2003: 581; de orat. III,213).

Quintilian ging indes noch einen Schritt weiter. Für ihn stand fest, daß ein Redner, der sich als unfähig erwies, die actio einer Rede körperlich und geistig durchzuführen, keine wirkende Rede halten könne; die Behebung dieses Mangels sah er als unmöglich an und beschränkte seine Lehre nur auf Talente, die ihm nicht gänzlich hoffnungslos erschienen: »Doch wir wollen jetzt nur von dem Fall sprechen, wo der Unterricht nicht aussichtslos ist« (Quintilian 2006b: 613; inst. XI 3,13). 2.1.2.3.3 Die Macht des Gefühls: Affektenlehre Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits beobachtet, ist die Wirkung einer Rede nicht nur durch eine gute Argumentation, sondern auch stark von den emotionalen Wirkungsfunktionen beeinflußt; man könnte auch modern von »emotionalen Triggern« sprechen.69 Daß Prosodie, Gestik, Mimik und Inszenierung vor allem auf emotionaler Ebene wirken, ist aus dem zuvor Dargestellten anzunehmen, aber wie schon in 2.1.2.3 erörtert, ist selbst die rein sachlogische Argumentation als Aspekt des verbalen Teils einer Rede nicht ohne affektische Wirkung; auch die sachlogische Argumentation insgesamt ist ein emotional wirkendes Gebilde: Doch schon die Wirkung eines rein rationalen Vorgehens in der Rede ist niemals ganz emotionsfrei und auf den Verstand beschränkt. Sachlichkeit, Nüchternheit, Verständigkeit in Rede und Gedankenführung erwecken vielmehr Vertrauen und Beifälligkeit, also zwar schlichte, aber dafür auch besonders dauerhafte Gefühle, die dann häufig über die Person des Redners (als Ausweis seiner Geradheit und Redlichkeit) vermittelt werden […] (Ueding / Steinbrink 2005: 280).

Die bei Ueding und Steinbrink genannten Beispiele zeigen Charaktereigenschaften eines Redners auf, die ihm durch eine sachlogische Argumentation zugeschrieben werden. Diese milde und reflexive Emotionalität läßt sich eindeutig einer der drei pisteis zuordnen, nämlich dem ethos. Die drei pisteis logos, ethos und pathos ergeben zusammen, wie in 2.1.2.3 einleitend geschildert, die gesamte Bandbreite aller zusammengefaßten Wirkungsmöglichkeiten einer Rede, derer sich ein Redner, der orator, gleich einer Klaviatur bedienen kann. Man könnte diesen musikalischen Vergleich nun noch weiterführen: Ein Redner kann, wie ein Organist, einzelne Register ziehen, und am Ende erreicht er, wie der Organist, durch die Zusammensetzung aller verschiedenen Register und dem Orgelspiel selbst das vollständige Produkt seiner Handlung. Bei einem 69 Im Sinne von »Auslösern« innerhalb der Rede, die beim Auditorium emotionale Reaktionen zum Zwecke der Persuasion hervorrufen.

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Orgelspieler ist dies das Orgelstück, bei einem Redner seine wirkende Rede. Die pisteis – oder auch Affekttrias (cf. Ottmers 1996: 118 ff.) – umfassen dabei alle wirkenden Möglichkeiten einer Rede. Unter den verbalen und nonverbalen Produktionsmitteln wurde bereits eingehend der logos erörtert; nun sollen insbesondere ethos und pathos als emotionalste Mittel der affektiven Wirkung – kurz: der Affektenlehre – und somit als Bestandteil einer jeden wirkungsintendierten Rede betrachtet werden. Wird die klassische Affekttrias für eine aktuelle Rhetorik, wie in dieser Arbeit angestrebt, nicht nur als grundlegende Wirkungsfunktion im Sinne eines verfügbaren Instrumentariums, sondern auch als treibende Wirkungskraft überhaupt angesehen, drängt sich die Frage auf, wie die pisteis – an dieser Stelle nun insbesondere ethos und pathos als emotionale Opposition zum logos – im einzelnen zu definieren sind, und welche Gewichtungen ihnen im Zusammenspiel – zumindest theoretisch – zukommen. Hierbei kann die Entwicklung der Begrifflichkeiten helfen, die nämlich bereits in der Antike entscheidende Veränderungen aufzuweisen haben. Während eleos und pathos bei Aristoteles dem logos noch klar untergeordnet sind (cf. 2.1.2.3), werden sie bei den römischen Rhetorikern mehr und mehr gleichberechtigt (cf. Ottmers 1996: 120 ff.). Dies darf allerdings nicht mißverstanden werden als eine Abkehr von der sachlogischen Argumentation und Hinwendung zur »Emotionalisierung« der Rede; die theoretische Bedeutungswahrnehmung und die Definitionen der Begriffe wandelten sich schlicht. Während Aristoteles z. B. das ethos vor allem als ehrbare Erscheinung des Redners auffaßte (cf. Aristoteles 2005a: 12; rhet. I 2,4), das unabhängig vom Redeinhalt per se wirkt, beschreibt Cicero es zudem als das, was »mich und meine Sache empfehlen kann […]« (Cicero 2003: 277 ff.; de orat. II,114. Hervorhebung von mir, J.K.). Cicero formt das ethos also um zu einem den Redetext unterstützenden Instrument, zu einer im Sinne der Verbalisierung des ethos, des delectare, »der realistischen Schilderung verpflichteten und um Wahrhaftigkeit bemühten Darstellung […]« (Ottmers 1996: 124). Wahrhaftigkeit, Ehrbarkeit, Aufrichtigkeit und Charisma betreffen dementsprechend nicht mehr nur den Redner selbst, sondern auch die wirkende Darstellung der Rede; im Sinne des Ideals eines vir bonus auch den Inhalt der Rede.70 Quintilians Beschreibung des ethos stimmt mit dieser gewandelten Definition überein: »[…] die sittliche Haltung des Redners soll durch seine Worte hindurchleuchten und sich so bemerkbar machen« (Quintilian 2006a: 703; inst. VI 2,13). Offensichtlich verwundert stellen heutige journalistische Umschreibungen des antiken EthosBegriffs fest: »Ziemlich oft sind es nicht Inhalt und Formulierung, sondern allein

70 Hieraus ergibt sich offenkundig auch eine Übereinstimmung des ethos mit dem inneren und insbesondere dem äußeren aptum.

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die Vortragsweise und die Authentizität, die über den Erfolg einer politischen Rede entscheiden« (Bannas 2007: 10). Grundlegend kann für die Gewichtung der Affekte in der Antike angenommen werden, daß sich zwar mitunter – je nach Rhetorikschule – Präferenzen bildeten, »so ist man sich jedoch stets der Wirkungsweisen und Möglichkeiten der gesamten Affekttrias bewußt« (Ottmers 1996: 127). Eine weitere Wandlung der Bestimmung der pisteis vollzieht sich darin, daß der Redner nur dann Emotionen bei seinem Publikum wecken kann, wenn er sie selbst verkörpert, also emotional erregt ist. Quintilian beschreibt dies eindringlich: »Das Geheimnis der Kunst, Gefühlswirkungen zu erregen, liegt nämlich, wenigstens nach meinem Empfinden, darin, sich selbst der Erregung hinzugeben« (Quintilian 2006a: 709; inst. VI 2,26). Hiermit kommt es bei der rhetorischen Affektenlehre zu einem – scheinbaren – Dilemma: Wie bereits in 2.1.2.3.2 beschrieben, unterscheidet sich der Rhetor vom Schauspieler vor allem dadurch, daß der Schauspieler die Wirklichkeit nur nachahmt, während der Redner sie selbst verkörpert. Der Orator ist, insbesondere auch im Sinne des Ideals eines vir bonus, kein Schauspieler, der Gefühlserregungen vorspielt, sondern ein Ehrenmann, der seine Sache wahrhaftig und glaubhaft vertreten soll. Daß die Grenzen an dieser Stelle fließend sein können, daß sie vor allem eine Definitionsfrage sind und dem Redner eine gehörige Portion Ehrenhaftigkeit unterstellt werden muß, ist signifikant, aber auch unumgänglich. Für Quintilian steht die Vorstellung des Ehrenmannes im Vordergrund. Die Ausbildung des Redners geschah zu einem »Ehrenmann, der reden kann […]« (Quintilian 2006b: 685; inst. XII 1,1; cf. 2.1.2.3.2). Wird dies als Grundbedingung angenommen, erschließt sich für die Gefühlsregungen des Orators selbst folgerichtig eine viel höhere Affektwirkung als es einem Schauspieler möglich ist: Oft habe ich es erlebt, daß Schauspieler […], nachdem sie nach einem ernsteren Auftritt die Maske abgelegt hatten, noch weinten, wenn sie heraustraten. Wenn aber bei Stücken, die andere geschrieben haben, allein schon das Vortragen nur durch erdichtete Gefühle eine solche Bewegung mit sich bringt, was werden wir erst tun, die wir darauf sinnen müssen, wie wir uns in den Stand setzen, so gerührt zu werden, als wären wir die vom Prozeß Bedrohten selbst? (Quintilian 2006a: 713; inst. VI 2,35).

Bedenkt man, daß die Wirklichkeit also immer eine stärkere Wirkung hat als die Dichtung, ist es einleuchtend, daß die Verkörperung auch eine stärkere Emotionalisierung des Publikums mit einschließt. Daß Quintilian diese Beobachtung am Beispiel einer Gerichtsrede macht, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie genau so für alle anderen persuasiven Reden gilt; auch bei der modernen politischen Rede kommt es daher darauf an, »[…] einen emotionalen Gleichklang mit dem Publikum herzustellen« (Klages 2001: 32). Dies gilt natürlich nicht nur für das ethos, sondern insbesondere auch für das stark affektisch

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geprägte pathos; denn die Erweiterung der Begriffe auf den Vortragenden selbst meint selbstverständlich auch die Verkörperung der starken Affekte. Diese sind vielfach und mehr oder weniger übereinstimmend bei den antiken Rhetorikern definiert mit Erregungen wie Zorn, Liebe, Freundschaft, Feindschaft, Haß, Mitleid und einigen mehr,71 deren Wirkungen auf das Publikum deshalb so stark sind, weil sie den Anschein erwecken, als »ging es um ihre eigene Sache […]« (Quintilian 2006a: 699; inst. VI 2,6). Diese Feststellung ist nicht nur deshalb bemerkenswert, weil auch die hervorgerufenen Emotionen in der Tat also wieder Identifikation stiften, sondern auch, weil sie als fesselnde und einnehmende Kraft verstanden werden. Die rhetorische Persuasion soll stets eine Urteilsbildung zugunsten des Redners bzw. seiner Überzeugung bewirken, und »[…] the hearer is not necessarily aware or in control of the way his own judgements involved are formed« (Wisse 1989: 73). Das bedeutet, daß das Urteilsvermögen des Rezipienten durch die Wirkung von Affekten in der Tat beeinflußt wird: »[…] to people under the influence of emotions things appear different« (ibid.). Quintilian geht hierbei noch einen Schritt weiter : »[…] und wie Liebende über die Schönheit kein Urteil zu fällen vermögen, weil ihr Herz vorschreibt, was die Augen sehen sollen, so verliert der Richter allen Sinn für die Ermittlung der Wahrheit, wenn er von Gefühlen eingenommen ist« (Quintilian 2006a: 699; inst. VI 2,6). Ob nun gespielte oder wahrhaftige Gefühle, am Ende übertragen sich die Gefühle auf den Rezipienten; das ist die angestrebte emotionale Wirkung, wie sie auch Klages beschreibt (v.s.). Sie schafft, wie zuvor mit Quintilian erwähnt, die Möglichkeit der Persuasion und zudem eine Identifikation mit Redner und Redeinhalt. Hierfür findet sich in Schillers Dramenästhetik eine Entsprechung: Der Unglückliche weint hier mit fremdem Kummer seinen eigenen aus, – der Glückliche wird nüchtern, und der Sichere besorgt. Der empfindsame Weichling härtet sich zum Manne, der rohe Unmensch fängt hier zum erstenmal zu empfinden an (Schiller 1992: 200).

Abgesehen von einer emotionalen Charakterbildung – man könnte modern auch von der Bildung eines EQs, der Emotionalen Intelligenz sprechen –, schließt Schiller in seine Überlegungen zur Wirkung der Schaubühne also explizit die Persuasion, die (emotionale) Umstimmung des Rezipienten mit ein. Während es für die argumentative, sachlogische Strategie ein stark strukturiertes Normengerüst gibt, treffend definiert im Rahmen der topoi, fehlt diese genaue Bestimmung von Fundorten für die emotionale Wirkung, für die Affektenlehre, nicht nur in den antiken Quellen, sondern ist bis heute nicht um-

71 cf. Aristoteles 2005a: 77 ff., rhet. II 2 – 11 / 1378a–1389a; Cicero 2003: 339 ff., de orat. II,206; Quintilian 2006a: 697 ff., inst. VI 2 – 3.

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fassend festgelegt.72 Die Relevanz solcher zu findenden Affekt-Topoi beschreiben Ueding und Steinbrink: Die statische Struktur der Affektensprache erlaubt eine Systematisierung von Affektvorgängen, von welcher man sich zwar nicht deren Erklärung erwarten darf, die aber Instrumente für die emotionale Wirkung durch Ordnung verfügbar macht. Das bedeutete Wiederannäherung an die rhetorische Affektenlehre und ihre Interpretation zur aktuellen Verwendung […] (Ueding / Steinbrink 2005: 173).

Wenn auch eine Definition von Affekt-Topoi, vergleichbar mit der Leistung Quintilianscher Argumentations-Topoi, den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden (und zudem das eigentliche Anliegen zu sehr außer acht geriete), so erscheint es an dieser Stelle, auch im Hinblick auf die spätere wirkungsästhetische Analyse, durchaus sinnvoll, eine kurze Normendefinition zu den Fundorten für Gefühlserregung aufzustellen. Hierzu ist es zunächst noch einmal angebracht, die Bedeutung der topoi kurz zu benennen: Wie bereits in 2.1.2.3.1 dargestellt, sind die rhetorischen topoi nicht einfach Fundorte für die verbale Beschreibung einer Sachlage (wie vielleicht für die journalistische Prägung des Begriffs zu unterstellen wäre), sondern vielmehr umfassende Beweisfundorte für die persuasive Darstellung der eigenen Meinung. Demnach müssen also AffektTopoi die Fundorte sein, die insbesondere zur emotionalen Beweisführung hilfreich sind. Innerhalb einer dialektisch und syllogistisch geprägten Argumentation ist es signifikant, daß topoi genutzt werden, die einen konflikt- bzw. konsensgerichteten Charakter aufweisen: Zu was steht eine Sache im Gegensatz? Wo gibt es Ähnliches? (cf. Gfrereis 1999: 209). Hierbei erscheinen zwei Entsprechungen für zu schaffende Affekt-Topoi auffallend deutlich erkennbar. Zum einen ist dies die Verwandtschaft zur argumentativen Persuasion überhaupt: Emotionen werden im allgemeinen als psychische Prozesse bzw. Reaktionen verstanden, als »körperlich-seelische Reaktionen, durch die ein Umweltereignis aufgenommen, klassifiziert und interpretiert wird, wobei eine Bewertung stattfindet«.73 (Hülshoff 1999: 14; cf. Izard 1981: 20 ff.) Gefühle sind also die Folge von situativen Veränderungen. Um durch eine Rede ein Gefühl hervorzurufen, bedarf es demnach der Darstellung einer situativen Veränderung. Entlehnt man wieder die Begrifflichkeit aus Poetik und Dramenästhetik, kann diese Veränderung folgerichtig durch einen dargestellten Konflikt oder, oppo72 Einzig der anonyme antike Schriftsteller, oftmals Pseudo-Longinos genannt, wagte in seiner Schrift vom Erhabenen eine unvollständige Aufstellung von Affekt-Topoi, die über das bisherige vage Maß hinausgingen; seine kurze Schrift ist allerdings nur fragmentarisch erhalten und kann in Umfang und Ergiebigkeit keineswegs mit Quintilians umfassender Aufstellung der Argumentations-Topoi gleichgestellt werden. (cf. Pseudo-Longinos 1966; de sublimi.). 73 Diese Feststellung ist signifikant: Durch Emotionen findet für den Rezipienten also als Konsequenz eine Bewertung statt. In der Wirkungsabsicht sein Auditorium zu überzeugen, darf diese Grundannahme für Emotionen also keineswegs unterschätzt werden.

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sitionell, durch einen Konsens geschehen. Beides wiederum bewirkt die reaktive Emotion des Rezipienten und ruft gleichzeitig eine Bindung an den Redner hervor, die nun als zweite Entsprechung zu den Argumentations-Topoi angesehen werden muß. Zum anderen entsteht so nämlich eindeutig eine identifikatorische Nähe (cf. 2.1.2.3.1), die zumindest als eine Erklärung für eine überzeugende Wirkung angenommen werden sollte: »Fühlen heißt, in etwas involviert zu sein« (Heller 1980: 19). Wie schon zuvor, finden sich nun wieder Parallelen zu Dramenästhetik und Poetik. Erstens können nämlich Spiel und Gegenspiel, also der Konflikt, als Kernstücke der Dramatik (insbesondere der nach Shakespeare, Lessing und Schiller) angesehen werden: Das Drama stellt in einer Handlung durch Charaktere, vermittels Wort, Stimme, Gebärde diejenigen Seelenvorgänge dar, die der Mensch vom Aufleuchten eines Eindrucks bis zu leidenschaftlichem Begehren und zur Tat durchmacht, sowie die inneren Bewegungen, die durch eigene und fremde Tat angeregt werden (Freytag 2003: 87).

Das einem Stoff innewohnende Konfliktpotential ist für ein gelingendes, wirkendes Drama nicht nur wichtig, sondern von entscheidender Bedeutung: »Allerdings ist der Dichter hierbei von seinem Stoff abhängig […] Deshalb ist eine der ersten Fragen, die der Dichter an einen lockenden Stoff zu stellen hat, ob derselbe im Spiel oder Gegenspiel aufsteigt« (ibid.: 91); »[…] bei der Lektüre erscheinen fehlende Konfliktsituationen als ein Mangel an belebenden Reizen« (Stein: 1997: 332). Zweitens ergibt sich die Parallele zur Funktion der Identifikation in Drama und Epik, nämlich zum wirkenden »Affekt der ästhetischen Erfahrung, durch den der Rezipient in ein best[immtes] Verhältnis zum Helden oder zu dem im Text Dargestellten versetzt wird […]« (Gfereis 1999: 88). Beide Parallelen legen die Feststellung nahe, daß sowohl die Rhetorik als auch die Dramatik ihr emotionales Wirkungspotential aus ein- und demselben Gefäß schöpfen und daß mögliche Affekt-Topoi dann besonders effektiv sind, wenn sie sich an den beiden definierten Paradigmen – Konflikt / Konsens sowie Identifikation – orientieren. Abschließend hierzu mag nun noch angemerkt werden, daß, genau wie vor unangemessenem Redeschmuck, vor einer »Überemotionalisierung« bzw. nicht angemessenen Emotionalität zu warnen ist, wie Quintilian in bezug auf die mala affectatio beschrieb (Quintilian 2006b: 173; inst. VIII 3,56; cf. 2.1.2.3.1). Entscheidend für das Gelingen der affektischen Wirkung, für das Gelingen von eleos und pathos sowie von delectare und movere, ist also eindeutig das aptum (cf. 2.1.2.2): Nur wer den emotionalisierenden Teil seiner Rede angemessen bemißt, kann eine glückende Wirkung erwarten.74 74 Diese These gilt selbstverständlich auch für das Gegenteil, also für eine Unangemessenheit

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Wie Ueding und Steinbrink feststellen, ist durch diese Thesen eine Erklärung der emotionalen Wirkung nicht zu erbringen, aber auch nicht erwartet (v.s.). Hier ergeben sich die Antworten schlicht aus einem allgemeinen Konsens, aus rein qualitativer Empirie und Beispielen. Eine Beweisführung zur Erklärung solcher Thesen wird in der aktuellen Kommunikationswissenschaft und Philologie im allgemeinen zwar angestrebt, allerdings mit gänzlich anderen Mitteln, als sie die Rhetorik zur Verfügung stellen könnte. Daniel O’Keefe konnte z. B. durch eine moderne, quantitative empirische Forschung gesichert feststellen, daß das ethos, also kurz: die Ehrenhaftigkeit des Redners, durchaus zur Persuasionskraft des Redners beiträgt, und er unterschied dabei zudem einzelne Komponenten, welche dem ehrenhaften Redner helfen, und welche ihm schaden (O’Keefe 2002: 130 ff. und 151 ff.). Emotional-kognitive Forschungen könnten derzeit eine Einordnung der rhetorischen Phänomene in die physio-psychologische Informationsverarbeitung ermöglichen, neue Gliederungen zulassen und einwirkende Emotionen mit daraus resultierenden (tätigen) Handlungen verknüpfen. Insbesondere in philologischen Teildisziplinen wie der Filmwissenschaft gibt es einige Ansätze zur Beschreibung und Erklärung von emotional-kognitiven Wirkungsmustern und Rezeptionen; Beispiele hierfür bieten u. a. Plantinga (1999) und Grodal (2002).75 Letzter stellt in seiner Forschung einige auch für die Rhetorik interessante und im Sinne einer zu niedrigen Gewichtung von Emotionen in einem Redekontext. Diese, vielleicht auch dem Zeitgeist geschuldete Feststellung, ergibt sich sicherlich zum Teil aus der Tatsache, daß Emotionen im gesellschaftlichen Diskurs derzeit eine herausragende Rolle spielen. Diverse aktuelle Buchpublikationen und populäre Veröffentlichungen sprechen für sich; nur als Beispiele mögen an dieser Stelle Bas Kast: Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft (2007), Joachim Bauer: Warum ich fühle, was du fühlst (2006), Wolfgang Rost: Emotionen – Elixiere des Lebens (2005) und das Focus-Titelthema Die Macht der Intuition – […] Wie Emotionen unsere Entscheidungen beeinflussen […] (Focus Nr. 24, 13. Juni 2005) genannt sein. Auch und gerade im politischen Diskurs kann (scheinbare) Emotionslosigkeit eine mißglückende Wirkung nach sich ziehen. Fehlender Stallgeruch (Bannas 2007: 10) bis hin zu dem »Stigma sozialer Kälte« (Der Professor aus Heidelberg, Der Spiegel 24. 12. 2005: 71; in bezug auf Paul Kirchhof) sind die Folge, die von Gegnern vorgeworfen und ausgenutzt werden können. Erst die Präsentation der inneren Gefühlswelt kann einem Politiker und Orator so im Zweifelsfall die Sympathien seines Publikums zuteil werden lassen; ein aktuelles Beispiel hierfür wäre der öffentliche Tränenausbruch der US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton im Jahr 2007: »Der Meinungsforscher Peter Hart sagt über die wässrigen Augen: ,Es war ein Ereignis, das ihr 10 000 Stimmen von Frauen gebracht hat.’ Mit über 7000 Stimmen lag sie dann vorne, überraschend, eine Sensation« (Brinkbäumer / Hujer 2008: 98 f.). 75 Da die Filmästhetik ohnehin eng mit der bereits zitierten Dramenästhetik verbunden ist, sei ein Vergleich von Rhetorik und Filmwissenschaft an dieser Stelle erlaubt. Darüber hinaus ist auffallend, daß in einem Aspekt zwischen rhetorischer Dramaturgie – also den partes orationis – und der Filmdramaturgie eine auffällige Übereinstimmung besteht, die für einen Vergleich mit der Dramenästhetik nicht gilt: Beide sehen den Höhepunkt, die dramaturgische climax, am Ende der narrativen Ästhetik (cf. Cicero 2003: 419; de orat. II,332; Hant 2000: 89; Freytag 2003: 95).

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nutzbare Ergebnisse zur Verfügung, die für die Gewichtung, Wirkungsleistung und Wirkungswege einzelner Emotionen und anknüpfender Narrationen wichtige Erkenntnisse liefern können.76 Für eine Studie mit praxisorientierter Fragestellung, wie es hier angestrebt ist, sind die Ergebnisse solcher beweisführenden und erklärenden Arbeiten allerdings nur von peripherer Relevanz; die Erwähnung solcher möglichen Hilfsmittel soll an dieser Stelle genügen und nur bei Bedarf in der Analyse zur Anwendung kommen. Daß emotional-kognitive Verstehensprozesse allerdings in der Tat eine wichtige Grundlage der Wirkungs- und Rezeptionsästhetik sind, auch der von Reden, formulierte indes bereits Wittgenstein am Beispiel von sehen und interpretieren: »Deuten ist ein Denken, ein Handeln; Sehen ein Zustand« (Wittgenstein 1999: 550; PU II). Zum Ende dieses Kapitels darf eine Erwähnung der Ethik, ihrer Problematik für die Rhetorik und der moralischen Verpflichtung des Redners nicht fehlen. Sie bietet sich bei den emotionalen Aspekten wirkungsorientierter Rhetorik zwar an, umschließt aber zweifelsfrei auch alle sachlogischen Aspekte der Redekunst. Es ist durch das bisher Gesagte deutlich geworden, auch ohne dies durch empirische Forschung an dieser Stelle weiter zu belegen, daß dem Redner durch ein Instrumentarium an verschiedenen Wirkungsmechanismen zumindest die Möglichkeit gegeben ist, sein Publikum zu beeinflussen. Da diese Möglichkeit – gerade im Hinblick auf despotische, aber wirkungsvolle Redner – eine Gabe bedeutet, die nur durch zwingend involvierte ethische Verantwortung zu rechtfertigen ist, muß sie für eine Arbeit wie diese als eine Grundvoraussetzung angenommen werden, die eine Diskussion darüber aber keineswegs umgehen darf. Für die antiken Rhetoriker stellte diese Frage kein Hindernis für ihre Wissenschaft dar ; Quintilians Äußerungen zum vir bonus wurden bereits erwähnt; er sprach sich zudem für eine Ausbildung der Redner aus, die diese Sitten- und Wertevermittlung ausdrücklich mit einschließt (cf. Quintilian 2006b: 685ff; inst. XII 1). Er vergleicht die Arbeit eines Rhetorikers im folgenden mit der eines Waffenschmieds, der gleichzeitig den Waffenträger zum Guten ausbildet; nicht der Rhetorik-Lehrende und Wissenschaftler ist für die aus der Redekunst resultierenden Konsequenzen verantwortlich, sondern jener, welcher diese »Waffe« einsetzt (ibid.). Diese ausführliche Stellungnahme Quintilians reicht aus, um anzunehmen, daß die Rhetorik bereits in der Antike heftigen Anfeindungen hinsichtlich ihrer moralischen Integrität ausgesetzt war. Auch PseudoLonginos (1966: 29; de sublimi. I), Aristoteles (1999: 42 ff.; rhet. I 9 / 1366bff.) und Platon (2004b: 583 ff.; Phaidr. 259eff.) gehen deutlich mit teilweise ähnli76 Cf. Grodal 2002: 40 ff., 157 ff.; aber auch Plantinga (1999) und König (2005).

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chen Argumenten wie Quintilian auf die ethische Problematik der Rhetorik, auf die Ehrenhaftigkeit und Wahrheitsverpflichtung als zwingende Voraussetzung für einen integren Redner ein. Ein Abschluß der Diskussion wird mit diesen Thesen zweifelsfrei nicht erreicht. Auch moderne Philologen beschäftigen sich mit der Problematik; als herausragende Beispiele der letzten Jahrzehnte können dazu wohl die Arbeiten Jürgen Habermas’ angesehen werden. Als zwingende Richtlinie für Sprechakte legte Habermas (1981a / b, 1983, 1991) ähnliche moralische und wahrheitsgetreue Normen für Redner und Auditorium fest, wie es bereits die antiken Rhetoriker taten: »[…] Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit« (Habermas 1983: 147). Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns ist dabei durchaus ein Beitrag zur Rhetorik, da »hier die Wirkung von Argumentation und die Legitimationsmöglichkeit sprachlicher Geltungsansprüche gedeutet« wird (Kramer 2007: 158); Habermas behandelt darüber hinaus auch »die politische Funktion sprachlicher Übereinkünfte« (ibid.). Es ist signifikant, daß eine richtig wirkende Sprache – im Sinne einer moralisch guten Persuasion – zwar immer durch die Grundannahme eines ehrenwert Handelnden gestützt sein muß, es aber stets auch Redner geben wird, die die Macht der Worte für unmoralische Ziele ausnutzen. Ein Verständnis der Macht der Rhetorik kann indes dazu beitragen, den unmoralischen Verführer von einem vir bonus zu unterscheiden: »Die Philosophie77 ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache« (Wittgenstein 1999: 299; PU I,109.). Diese Überlegung führt zu dem letzten Gedanken, der in diesem Kapitel angeführt werden soll. Habermas sieht die Verantwortung für die Sprachhandlung letztendlich nicht nur beim Redner, sondern auch bei seinem Publikum (Habermas 1983: 147). Wenn also das Auditorium mit in die Pflicht genommen wird und es dem Redner in einem ernsthaften Diskurs78 Integrität unterstellen muß, so ist die Erkenntnis, daß vielleicht mehr Zuhörer als Redner dieser Pflicht nicht nachkommen, eine interessante Ausgangsposition für weiterführende Diskussionen. Inwieweit sich die aktuelle politische Rede als Beispiel anbietet, um nicht nur auf etwaige ethische Fehlleistungen des Orators, sondern eben auch auf die des Auditoriums hinzuweisen, werden die im zweiten Teil dieser Arbeit vorgesehenen Redenanalysen aufzeigen können. Denn wie Josef Klein feststellte, prägen »[…] ideologisch und strategisch geleitetes Verstehen und Mißverstehen […] politische Kommunikation […]« (Klein 2006: 17) 77 Hier also die Rhetorik als Teildisziplin der Philosophie. 78 An dieser Stelle im Sinne einer Diskussion (cf. Keller 2007: 18). Habermas’ Maxime sollte darüber hinaus sicherlich auch für die Rhetorik-Situation von Orator und Auditorium gelten, sofern dafür Ernsthaftigkeit und eine grundsätzliche Integrität vorausgesetzt werden können.

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– ein eindeutig ethischer Verstoß im Sinne der Habermasschen Kommunikationsbedingungen.

2.1.3 Reading Close and from a Distance: Das Close Reading und die Historische Dialoganalyse Eine detaillierte Redentranskription könnte mitunter sehr präzise Einblicke in die actio ermöglichen, eine quantitative Erhebung von Wortarten würde gegebenenfalls Perspektive, Bezüge und den Einsatz von Sprachschmuck verdeutlichen. Letztendlich wäre eine solche (Mikro-)Analyse wegen des immensen Umfangs aber zum einen für eine längere Rede nur mit hohem Aufwand leistbar und zudem unübersichtlich, zum anderen wäre es fraglich, ob sie das Ziel, nämlich eine Einschätzung von Wirkungsintention und tatsächlicher Wirkung, in praxi überhaupt genügend erfassen könnte und sich der Aufwand verglichen mit den Ergebnissen für diese Arbeit lohnte. Es fehlt an dieser Stelle also noch eine adäquate Methode, die durch Diskursanalyse und Rhetorik aufgestellten Parameter in der Untersuchung einer Rede überhaupt praktisch zu nutzen und somit die Redenwirkung zufriedenstellend definieren zu können. Hierzu eignet sich vor allem die Methode des Close Reading, die in den letzten Jahrzehnten in der Literaturwissenschaft begründet wurde. Das Close Reading, das wie die Wiederentdeckung der Rhetorik in Zusammenhang mit der Pragmatischen Wende und insbesondere auch mit dem New Criticism steht (cf. Lentricchia / DuBois 2003: 2), stellt eine hervorragende Möglichkeit dar, die benötigten Daten – also die in Text (rhetorische) und Kontext (diskursive) enthaltenen Wirkungsaspekte – herauszufiltern; daß es dabei außerordentlich gut mit der Methodologie der Wirkungsästhetik korrespondiert, wird sich im folgenden noch zeigen. Das besondere Problem ist zweifellos, einen Text so zu analysieren, daß zwar die wesentlichen – und vor allem die entscheidenden – Wirkungsmuster und Wirkungstrigger dokumentiert werden können, aber diese Analyse gleichzeitig leistbar, also exemplarisch und qualitativ geschieht und am Ende pars pro toto korrekte Ergebnisse liefert. Es muß sich hierfür also eine Methodik finden, die einen Text einerseits interpretativ erschließt, andererseits die erfaßten Bestandteile im Gebrauch ihrer Handlung erklärt. Mit anderen Worten: eine Methodik, die durch eine hermeneutisch-pragmatische Erörterung der wesentlichen Wirkungsmerkmale präzise Ergebnisse liefert, ohne sich dabei um die weniger wichtigen kümmern zu müssen, die deskriptiv-erläuternd dicht am Textkorpus bleibt; ganz überspitzt formuliert: »[…] denk nicht, sondern schau!« (Wittgenstein 1999: 277; PU I,66.). Diese Herangehensweise wird ins-

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besondere vom Close Reading erfüllt, durch das die Analyse »such singular turns of tone, phrase, and figure« (de Man 1997: 23) erarbeitet. Bereits hieraus ist ersichtlich, daß das Close Reading in der Tat eine geeignete Möglichkeit ist, denn die von de Man herausgestellten Aspekten finden sich genauso in der zuvor betrachteten Rhetorik wieder. Es ist also zunächst wichtig, sich mit dem Close Reading auf den Text zu konzentrieren und die darin verborgenen Wirkungsstrategien zu erfassen, und dagegen unratsam, vom Text selbst sofort auf den gesamten Diskurs zu schließen und in das höhere Ganze überzugehen, »into the general context of human experience and history« (ibid.); es geht, insbesondere in der Mikroanalyse, um das Beschreiben der textualen Wirkungsaspekte, um »reading and critical response« (Lentricchia / DuBois 2003: 1), um das Sehen eines Zustands und das Deuten als Handlung (cf. Wittgenstein 1999: 550; PU II, cf. 2.1.2.3.3), also im Sinne Wittgensteins um eine Interpretation mittels Sehens und Denkens in einer wechselseitige Beziehung. Daß der Diskursstrang bzw. das Diskursfragment, in dessen Zusammenhang eine Rede gesehen werden muß, damit völlig von der Analyse ausgeschlossen wird, ist auch im Close Reading nicht gegeben, im Gegenteil: Wie bereits in 2.1.1 erläutert, kann und muß auch der die Rede umgebende Diskurs als Text definiert und somit lesend und beschreibend erfaßt werden; das Close Reading läßt diese Erweiterung nicht nur zu, sondern sie wird durchaus gefordert: »Our primary concern is to follow the transformations of the poem itself. But to understand its full nature as a symbolic act, we should use whatever knowledge is available« (Burke 2003: 76). Burke faßt dies Wissen, das für eine Analyse mittels Close Reading verfügbar sein kann, am Beispiel eines Gedichts von Keats zusammen: »In the case of Keats, not only do we know the place of this poem in his work and its time, but also we have material to guide our speculations as regards correlations between poem and poet« (ibid.). Es ist augenfällig, daß das Close Reading der Burkschen Prägung zum einen aus pragmatischen Techniken der Sprachwissenschaft schöpft, auch semantischen und syntaktischen, denn »[…] linguistic analysis has opened up new possibilities in the correlation of producer and product […]« (ibid.), zum anderen einen Text aber auch als ein Produkt in einem Diskurs begreift, der in die deskriptive Analyse einbezogen wird. Signifikant ist die Aufzählung der verschiedenen Orte, an denen die für die Untersuchung relevanten Aspekte zu finden sind: Auch das Close Reading behilft sich am Ende mit Lehren der klassischen Rhetorik, aber gerade deshalb ist die Kombination dieser verschiedenen Methoden auch möglich und sinnvoll. Ein interessantes Detail bei den von Burke genannten Wissens-Orten ergibt das Dreieck place – work – time hinsichtlich der Verbindung poem – poet (Textprodukt – Textproduzent, oder im Fall dieser Studie: Rede und Redner). Jede Form der Sprachhandlung ist nicht nur von dem Sprecher und dem Kontext

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bzw. der Thematik abhängig, sondern sie ist eingebettet in einen historischen Kontext, in dem und durch den sie zu definieren ist: Wer etwa das Gespräch […] als historisch singuläres ›Parole‹-Ereignis in seiner Struktur, seinem Verlauf und seinem Ergebnis zureichend interpretieren will, muß nicht nur eine sorgfältige Analyse der Makro-, Meso- und Mikrostrukturen des Gesprächs durchführen […], sondern bedarf auch der näheren Kenntnis der sozial- und kulturgeschichtlichen Bedingungen des […] Sprechens im Kommunikationsbereich der Religion dieser Zeit, bedarf sodann der Informationen über die historische Situierung dieses einen Gesprächs, über das Verhältnis der Sprechenden zueinander vor dem Hintergrund der ereignisgeschichtlichen Daten sowie über die Verteilung der Rederechte und -pflichten in den gesellschaftlichen Rollen, die sie einnehmen (Kilian 2005: 9).79

Kilian, der hier die Relevanz des historischen Kontexts und der bestimmten historischen Definition eines Dialogs hervorhebt, verdeutlicht, daß ein bestimmtes Gespräch eben immer auch ein Produkt seiner Zeit ist und in der Definition seiner Zeit betrachtet werden muß; »deduktive Rückschlüsse von der Gegenwart auf die Geschichte dürfen nicht mehr als ein allererstes hermeneutisches und heuristisches Hilfsmittel sein« (Kilian 2005: 38). Dies muß genauso für Reden gelten, auch im Hinblick auf ihre Wirkung: Reden sind Handlungen, die einem bestimmten geschichtlichen Augenblick angehören. Das letztere ist ein Gemeinplatz. Aber es ist die Wahrnehmung der geschichtlichen Situation, die vermutlich das schwierigste ist und auf die das meiste Gewicht gelegt werden muß, wenn eine Rede gelingen soll (Pörksen 2004: 34).

Burke warb in bezug auf das Close Reading dafür, Perspektiven wie diese in die Analyse mit aufzunehmen: »Add, now, our knowledge of the poem’s place as an enactment in a particular cultural scene […]« (Burke 2003: 75). Durch das Einbeziehen dieser »außersprachlichen Daten« (Kilian 2005: 38), wie sie Kilian für die Historische Dialogforschung nennt, wird die Eingliederung des Close Reading in das bisherige Analyseinstrumentarium selbstverständlich erleichtert; bedenkt man zudem, daß der Diskursstrang, in dem die Rede zu betrachten ist, ebenfalls Text ist, kann das Close Reading folgerichtig nun auch hier zur Erfassung der Daten und zur späteren Erörterung angewandt werden. Auch für den rhetorischen Anteil der Analyse bietet sich die Eingliederung der Komponenten der historischen Dialogforschung an, denn die bereits für das Close Reading festgestellte Nähe zu rhetorischen Aspekten, insbesondere den topoi, ist auch für die Dialogforschung gegeben: Als Beispiele für die bereits erwähnten außersprachlichen Daten nennt Kilian Zeit, Raum und Produzent (ibid.). Damit können nun also die theoretischen Untersuchungskomponenten der Mikro- und 79 Hier in bezug auf einen Dialog zwischen Luther und Zwingli.

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Mesoanalyse (Rhetorik) und Makroanalyse (Diskursanalyse) mit den Mitteln der Deskription und Erläuterung (Close Reading und Historische Dialoganalyse) als festes Instrumentarium zusammengefügt werden.

2.1.4 Die Wirkungsästhetik der Rede Es fehlt an dieser Stelle nun noch eine Erweiterung, die die einzelnen Bestandteile der Analyse zusammenhält, indem sie ein Grundgerüst bietet, das für alle Ebenen der Erörterung gilt. Diese letzte Erweiterung muß im Sinne dieser Arbeit also die Wirkung, ausgehend von Produkt und Produzent, übergeordnet bestimmen können. Hierzu ist die Bestimmung der Perspektive auf den Begriff Wirkung hilfreich, denn eine Wirkung, und damit auch die Wirkung eines Texts, kann ebenso wie der Text selbst von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachtet werden: Der Text kann entweder das Ganze der durch ihn hervorgebrachten Wirkung sein […] oder das Ganze in der in ihm dargestellten Handlung […] oder das Ganze des Hervorbringungsaktes […] oder das Ganze der Rede, durch die hervorgebracht wird […] oder das Ganze der Rezeption, für die hervorgebracht wird […] oder das Ganze der Regel, nach der hervorgebracht wird […] (Turk 1976: 48).

Moderne medien- und kommunikationswissenschaftliche Theorien erforschen vor allem die vorletzte Wirkungsperspektive, nämlich die Wirkung im Spiegel ihrer differenzierten Rezeption anhand kommunikationswissenschaftlicher Wirkungsmodelle, also Rezeptionsästhetik. Dies ist nicht das Anliegen dieser Arbeit. Begreift man Wirkung als ästhetischen Bestandteil eines Texts, so kann man folgerichtig auch von der bereits in den vorangegangenen Kapiteln erwähnten Wirkungsästhetik sprechen: »Die Wirkungsästhetik ist ein Versuch, die Einheit und Ganzheit kontingenter Redewerke zu bestimmen« (ibid.). Dies wird erreicht, indem »die Wirklichkeit der Texte aus dem Standpunkt der in ihnen angelegten Wirkung definiert« wird. (ibid.) Mit dieser Annahme kann die Wirkungsästhetik nun aus zweierlei Perspektiven betrachtet werden: Zum einen aus einer Makrosicht, in der wie in einer Bestandsaufnahme die Werke eines Autors bzw. die Sprachprodukte eines Sprachproduzenten in ihrer grundsätzlichen Wirkungsintention beurteilt werden; Turk definiert z. B. eine kulturelle »Entwicklungslinie Aristoteles, Lessing, Schiller, Brecht […]« (Turk 1976: 28), und es ist sicherlich klar umreißbar, welche grundsätzlichen Wirkungsintentionen die verschiedenen Autoren mit ihren Werken verfolgen. Eine solche Feststellung kann auch auch für reale (politische) Redner getroffen werden; diese Makrobetrachtung der Wirkungsästhetik ist also mit der zuvor beschriebenen Diskursanalyse kombinierbar,

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wenn die in 2.1.3 angesprochene historische Einordnung von Autor und Werk beachtet wird: Zur Bestimmung dieser übergeordneten Wirkungsintention bedarf es »[…] dann allerdings einer relativ guten Kenntnis des zeitgenössischen Lesers und der Sozialgeschichte des Publikums […], um die Leserfiktion des Textes in seiner Reichweite und Funktion abschätzen zu können« (Iser 1994: 59). Zum anderen ist die Wirkungsästhetik ganz eindeutig ein Produkt des Autors, das direkt in jedem einzelnen Text angelegt ist, und um diese Meso- und Mikroebene zu betrachten und zu interpretieren, muß die Rhetorik »zur Beantwortung dieser Frage[stellung]« herangezogen werden (Turk 1976: 50). An dieser Stelle sollte dazu angemerkt werden, daß sich die Auffassung von Ästhetik gerade in den letzten Jahrzehnten geändert hat. Die antike Definition von Ästhetik, vom Schönen, ist auf heutige künstlerische und sprachliche Produkte, insbesondere auf deren Wirkung, nicht mehr ohne weiteres übertragbar : […] Sinn als ästhetische Wirkung kann nicht in diesem Zustand verharren; allein die von ihm angestoßene und im Leser sich entwickelnde Erfahrung zeigt an, daß er etwas verursachen wird, von dem man nicht mehr behaupten kann, daß dieses unbedingt ästhetischer Natur sei (Iser 1994: 43).

Eine moderne politische Rede und deren Wirkung müssen also nicht zwangsläufig als schön definiert, gleichwohl aber als durchdachtes, künstlerisches und deshalb ästhetisches Produkt aufgefaßt werden; insofern gilt auch der Begriff Wirkungsästhetik für die moderne (politische) Rede. Wie erwähnt, weist Turk eine grundsätzliche Entwicklung von Wirkungsästhetiken nach. Zur Verdeutlichung dient ihm hierbei ein graphisches Modell, das mit modernen Kommunikationsmodellen verglichen werden kann: Er ordnet nacheinander Sprecher, Rede, Inhalt, Wirkung und Hörer in sein Modell ein; unter Inhalt werden die grundsätzliche Intention und die für das Produkt der Wirkung genutzten Instrumente subsumiert. Der Wirkung werden dann die grundsätzlich verfolgten Wirkungsstrategien untergeordnet; im Falle Aristoteles’ definiert Turk diese als eleos und phobos. Für dasselbe Beispiel greift nach Turk beim Hörer nun die Katharsis (cf. Turk 1976: S. 48 ff.). Für die in dieser Arbeit angestrebte Analyseform kann Turks Modell vor allem für eine Verdeutlichung der in der Diskursanalyse erwarteten Ergebnisse der Wirkungsintention dienlich sein: Die Diskursanalyse soll zum einen den Kontext von Redner und Rede beschreiben, zum anderen aber auch die hieraus zu folgernde Intention des Redners. Die Anwendung eines Allgemeinen wirkungsästhetischen Redemodells, angelehnt an Turks Modelle, ließe am Ende der Makroanalyse dann eine deutliche Einordnung der Rede und ihrer zu erwartenden Wirkung zu; in der Meso- und Mikroanalyse ließe sich diese nun verifizieren bzw. falsifizieren und diskutieren (cf. Abbildung 3). Um eine Einordnung der Wirkungsmuster und -intentionen zu erreichen,

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Abbildung 3

sind Turks grundlegende Beispiele – Aristoteles, Lessing, Schiller, Brecht – auch für die Analyse und Diskussion in dieser Arbeit, speziell für die literarischen Reden, hervorragend geeignet. Eine interessante Erkenntnis soll aber schon an dieser Stelle angemerkt werden, insbesondere auch im Hinblick auf die gewonnenen Ergebnisse aus der Entwicklung der Rhetorik bis in unsere Zeit: »Die Realität muß, bei aller Komplettheit, schon durch eine künstlerische Gestaltung verändert sein, damit sie als veränderbar erkannt und behandelt werden kann« (Brecht 1967: 251; cf. Turk 1976: 76 ff.). Brecht intendiert seine Wirkungsästhetik also am Ende als eine Aufforderung zur Handlung, und das nicht nur im Sinne einer Meinungsänderung, sondern ganz gewiß auch als Aufforderung zu einer tätigen Handlung, um (politische) Verhältnisse zu ändern. Es ist erkennbar, daß Brecht damit die Vergrößerung und Fokussierung des rhetorischen Wirkungsspektrums, wie sie etwa seit Mitte des 20. Jahrhunderts erörtert und beobachtbar ist, bereits vorwegnimmt (cf. 2.1.2.3.1). Gleichfalls wird deutlich, daß das Drama und damit die Poetik insbesondere ab dem 20. Jahrhundert mit ähnlichen Mitteln kämpfen wie die Rhetorik. Inwieweit diese Intention ohnehin schon in vorigen Jahrhunderten Bestandteil der praktischen Rhetorik war – ob nun in der Literatur oder in der Realität –, sei dahingestellt; zu einer Klärung dieser Frage mag auch die Analyse und Diskussion dieser Arbeit beitragen. Daß sie allerdings gerade im 20. Jahrhundert, besonders auch in der zweiten Hälfte, zu einer bestimmenden Funktion der Rhetorik wurde, ist indes am politischen Diskurs schnell erkennbar ; sie wurden zu einem elementaren Bestandteil der Wirkungsästhetik von rhetorischer Kunst und Realität.80 Diese

80 Einige interessante Ergebnisse könnten hierzu gerade auch die wirkungsästhetischen Analysen von künstlerischen Produkten der 1960er Jahre liefern; also aus einer Zeit, in der es in der westlichen Welt zu bedeutenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen kam.

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Nutzung der Rhetorik ist nicht nur bei Mao Tse-Tung erkennbar, der als Wirkungsziel seiner Rhetorik eine »beharrliche Aktion der Massen« verfolgte (Mao Tse-Tung 1968: 8; cf. 2.1.2.3.1); sie findet sich auch bei weniger mächtigen Rednern dieser Zeit. So stellte beispielsweise Rudi Dutschke zum Ende einer Podiumsdiskussion an der Universität Hamburg im Jahre 1967 fest: […] insofern wäre ich ganz damit einverstanden, die Frage und die Kritik als eine durchaus richtige […] zu begreifen, stellt sie doch an uns immer wieder die Frage, was geschieht mit uns nach der passiven Konsumierung bestimmter Thesen? […] Es genügt also hier nicht, theoretisch hin und wieder etwas subtil zu konsumieren, sondern irgendwann muß diese Qualität in Qualität der praktischen Aktion umschlagen (Dutschke in: Dutschke et al. 1967).81

2.1.5 Was ist eine gute Rede? Eine aktuelle Rhetorik als Geburtshelfer eines guten Gedankens. Eine Bestandsaufnahme Die Frage, was eigentlich eine gute Rede ist, klingt gleichermaßen profan und anmaßend apodiktisch, wie sie tatsächlich auch die Grundfrage eines jeden rhetorischen Anliegens widerspiegelt. Die gesamten antiken Rhetoriken (und auch die zeitgenössischen) mögen damit zusammengefaßt werden, daß sie im Kern aussagen, was eine Rede zu einer guten und damit schönen Rede macht, denn für »die Rhetorik ist das Schöne von Bedeutung unter dem Gesichtspunkt der Wirkung« (Turk 1992: 135). An dieser Stelle soll für diese Studie eine Antwort im Sinne einer Bestandsaufnahme verschiedener Ansätze auf die Frage nach der guten Rede versucht werden; nicht nur mit Hilfe von aktuellen Ergebnissen der Rhetorik und Erkenntnissen aus der Gesprächsforschung, sondern auch durch empirische und populäre Perspektiven. Cicero definiert in De optimo genere oratorum, was einen Redner selbst nicht nur zu einem guten, sondern geradezu zum besten Redner macht: »Optimus est enim orator, qui dicendo animos audientium et docet et delectat et permovet« (Cicero 1998: 340; opt. gen. I,1);82 er bezieht sich hier also eindeutig auf die drei pisteis (cf. 2.1.2.3, 2.1.2.3.1 und 2.1.2.3.3). Ergänzend hierzu läßt sich nun für eine Rede darstellen, was sie zu einer guten Rede macht. Zunächst kann der Fragestellung die These beigefügt werden, daß eine Rede, damit sie als Idealprodukt zu einer guten Rede wird, in allen Wirkungsinstanzen die Auszeichnung gut verdienen muß. Eine Rede kann u. U. gelingen, obwohl sie Allein eine Diskussion der Lyrik eines Bob Dylan unter diesem Gesichtspunkt böte eine spannende Forschungsperspektive. 81 Dutschke während einer Podiumsdiskussion an der Universität Hamburg am 24. 11. 1967. 82 »Der beste Redner ist nämlich jener, der durch den Vortrag die Seele des Publikums sowohl belehrt als auch erfreut und stark bewegt« (eigene Übers., J.K.).

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Abbildung 4

nicht besonders glücklich formuliert ist; das Prädikat gut verdient sie dann aber freilich nicht. Um gut zu sein, muß sie demnach gute Ziele verfolgen, gut konzipiert und vorgetragen werden, das Publikum gut erreichen sowie von selbigem als gut rezipiert werden, und sie muß, hier schließt sich der Kreis, für die Zuhörer, auch im Sinne einer rhetorischen Persuasion, einem guten Zweck dienen und gute Konsequenzen nach sich ziehen. In einem Modell bedeutete dies, daß alle Bestandteile als gut bewertet und somit wie Zahnräder ineinandergreifen müssen, damit eine gute Rede entsteht; ein Prozeß, der vergleichbar mit einer semantischen Passung die Bestätigung für ein perfekt befolgtes aptum darstellt. Daß das Attribut gut dabei einer allgemeingültigen ethisch und moralisch vertretbaren Bedeutung genügen muß, insbesondere bezüglich der attributierten Begriffe Ziel, Zweck und Konsequenz, soll nicht nur unterstellt, sondern im Verlaufe des Kapitels auch noch deutlicher umrissen werden. Die Frage nach der

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guten Rede sollte zu der Frage führen, was Sprechen und damit das Gespräch im allgemeinen zu einem guten machen, denn die »Wirklichkeit des Sprechens besteht, wie man seit langem beachtet hat, im Gespräch« (Gadamer 1993: 151). Das gute Gespräch hat sich umgangssprachlich längst zu einem Begriff, einer Redewendung entwickelt, die allgemein benutzt wird und einem (alltäglichen) Gespräch ein Prädikat verleiht; Illustration 4 kann hierbei anschaulich und exemplarisch verdeutlichen, welcher Stellenwert ihm in der Gesellschaft zukommt (cf. Abbildung 4)83. Nietzsche urteilte: »Der Eine sucht einen Geburtshelfer für seinen Gedanken, der Andre Einen, dem er helfen kann: so entsteht ein gutes Gespräch« (Nietzsche 1980: 97; JGB 136). Inwieweit diese These auch für die gute Rede übernommen werden kann, soll sich im folgenden noch klären; Erörterungen darüber, was aus einem Gespräch ein gutes werden läßt, wurden indes bereits vor einigen Jahren in der Sprachwissenschaft geführt (cf. HessLüttich 1980b: 5 ff.) und finden sich auch bei Hans-Georg Gadamer : »In jedem Gespräch aber waltet ein Geist, ein böser oder ein guter, ein Geist der Verstockung oder des Stockens oder ein Geist der Mitteilung und des strömenden Austausches zwischen Ich und Du« (Gadamer 1993b: 151). Ungeheuer stellte fest, daß das Attribut gut vor allem eine emotionale Empfindung beschreibt; als Begründung subsumiert jenes »[…] Kriterien des Gefühls, der Empfindung oder des Erlebnisses« (Ungeheuer 1978: 6). Daß für Reden dabei dieselbe Problematik gilt wie für Gespräche – jedes Gespräch hat »seine Spezifik und seine eigene Entwicklung«, jedes konstituiert sich »im Laufe seines Vollzugs« und wird »damit notwendigerweise anderen Gesprächen unähnlich« (Weydt 1993: 5) –, erschwert die Beantwortung der Frage.84 Es scheint also fast so, als wolle man geisteswissenschaftlich ergründen, was ein gutes Gefühl sei – und das für individuelle, subjektive Empfindungen. Die Lösung muß hier lauten, daß das Attribut gut äquivalent zum Attribut schön ist: »Wir müssen vielmehr wissen, was schön ist, um schöne Gegenstände zu erkennen. […] Wir müssen wissen, was gute Gespräche sind; dann erst können wir über sie arbeiten« (ibid.: 6). Es wird damit die Klärung eines Sachverhalts impliziert, der genau in diesem Zusammenhang bereits bei Platon diskutiert wurde: »Aber das, glaube ich, wird schon schlecht sein, wenn jemand 83 Abbildung 4 zeigt einen Gutschein, der in einer Vielzahl von Geschäften in der niedersächsischen Stadt Uelzen erworben werben kann. Das hierdurch erwirtschaftete Geld fließt in soziale Projekte; der erworbene Gutschein sollte darüber hinaus an Obdachlose verschenkt werden, die ihn wiederum in einer sozialen Einrichtung einlösen können. Der Gutschein schließt dabei für die Obdachlosen ein gutes Gespräch explizit mit ein. 84 Die Rhetorik darf also nicht darüber hinwegtäuschen, daß jede Rede, trotz oder gerade wegen der rhetorischen Vorgaben, stets ein individuelles Textprodukt bleibt; dies erscheint, gerade wenn man die individuell anpassungsfähigen Begriffe wie z. B. topoi oder das aptum betrachtet, als logische Konsequenz der Rhetorik.

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nicht schön redet oder schreibt, sondern häßlich und schlecht« (Platon 2004b: 581; Phaidr. 258d). Es geht bei der Beantwortung dessen, was eine gute Rede ist, also auch immer darum, was eine schöne Rede ist – und damit um die Beantwortung einer ästhetischen Fragestellung, wie sich am Ende des Kapitels noch zeigen wird. In jedem Fall muß somit aber auch als Prämisse das Benn-Wort gelten: »Es hat sich allmählich herumgesprochen, daß der Gegensatz von Kunst nicht Natur ist, sondern gut gemeint […]« (Benn 1989: 396). Kurz: Eine Rede kann zwar gut gemeint sein; tatsächlich gut ist sie deshalb aber noch lange nicht. Weydt beantwortet die Frage nach dem, was Gespräche zu guten Gesprächen macht, indes damit, daß jene dann als gut gelten, wenn sie »bei den Gesprächspartnern einen guten Eindruck hinterlassen und von ihnen als befriedigend und bereichernd empfunden werden« (Weydt 1993: 6); es handelt sich »um intensive Erarbeitungen wichtiger Themen, an denen stets beide aktiv beteiligt waren und die ihren angenehmen Charakter aus der Kooperation bezogen« (ibid.: 10). Gadamer betrachtet die aktive Beteiligung von Redner und Auditorium, die Produktion kommunikativer Ergebnisse in Form einer Gemeinschaftsleistung, darüber hinaus als ausschlaggebend für das Gelingen jedweder guter Kommunikation, auch der des Vortrags und der Rede: Das gibt es doch gar nicht! Eine Vorlesung! Erreicht man durch eine Vorlesung, daß der andere wirklich versteht? […] in Wahrheit versuche ich mit dem Auditorium, zu dem ich spreche, ein Gespräch zu führen; ein Gespräch, das niemals daraus bestehen kann, daß einer aus der Mitte heraus zu den anderen spricht (Gadamer 2003: 21).

Aus dem vorangegangenen wird indes auch deutlich, daß zur Lösung des Problems vor allem zwei Perspektiven notwendig sind: zum einen die pragmatische, zum anderen die ästhetische. Für die Betrachtung einer Rede aus ästhetischer Perspektive hilft eine These, die sich in die Betrachtungsweise dieser Arbeit fügt: Eine Rede ist dann schön – und damit gut –, wenn sie sich an das wirkungsästhetische Konzept der Rhetorik hält, also ästhetisch ist. Zur Erörterung der pragmatischen Perspektive lohnt zunächst ein Blick auf Rhetoriktheorien, die zwar nicht den klassischen und wissenschaftlichen Anforderungen genügen, dafür aber aus der aktuellen Praxis und damit der Bedeutungswelt der handelnden Sprache kommen. Daß die Rhetorik – im Gegensatz zu ihrem Stellenwert in der Wissenschaft – im Populärbereich in den letzten Jahren immer stärker in Erscheinung tritt und ihr eine hohe Beachtung und Nachfrage zuteil wird, läßt sich nicht nur an der unüberschaubaren Flut von Literatur erkennen: Allein die Kombination aus Rhetorik und Seminar ergab bei Google eine Trefferquote von 344.000 Links und

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bezeugt ein großes allgemeines Interesse an Rhetorik.85 Diese beeindruckende Zahl beweist: Gerade im »Wissenszeitalter« wird wieder eine Ausbildung in der Kunst des Redens gewünscht. Es wäre allerdings irreführend, viele dieser populären Rhetoriken mit denen der Antike gleichsetzen zu wollen. Für diese Arbeit ergaben sich einige Aspekte als grundsätzlich unterschiedlich – manche stellen eine Bereicherung der bisher vorgestellten Rhetorik-Theorien dar, andere schwächen die klassischen Modelle ab oder pervertieren sie sogar ; im folgenden wird hierauf noch genauer eingegangen. Reflektiert man den Umfang und die eindrucksvolle Abgeschlossenheit antiker Rhetorik-Studien, so wird schnell deutlich, daß jene von vielen populären Abhandlungen und Seminaren86 nicht zu erfüllen sind; allerdings: Sie wollen auch nicht erfüllt werden. Hess-Lüttich stellt in einer Evaluation für populäre »Rhetorik-Ratgeber« fest: Es ist erstaunlich, wie wenig […] die rhetorische ›Praxis‹ von der langen Tradition, von der Vielfalt der Ansätze, von der rethorischen Reflexionstiefe, von der Reichhaltigkeit des methodischen Instrumentariums einer Disziplin profitieren zu wollen geneigt scheint, derer Etikette sie sich immerhin sorglos bedient (Hess-Lüttich 1991: 38).

Logos, ethos, pathos; die officia oratoris und die partes orationis – sie fallen einem Rhetorik-Katalog zum Opfer, der in ein Wochenende passen muß: Die klassische Lehre der Beredsamkeit wird vollständig instrumentalisiert, der klassische Redenaufbau auf eine kurze 5-Punkte-Formel reduziert […] ›Checklisten‹ werden gereicht, die Vorbereitung und Erfolg überprüfbar machen sollen, kleine Zitatensammlungen beigegeben, mit denen Bildung vorgetäuscht werden kann, und oft werden Muster von Gelegenheitsreden den Ausführungen angehängt, deren Machart am Erfolg der eigenen Rezepte beim Autor zweifeln läßt (Ueding / Steinbrink 2005: 192).

Zentrale Fragestellungen der antiken Rhetorik werden dagegen kaum oder gar nicht berücksichtigt; hierzu zählen die Verbalisierung, Argumentation und die Topik (cf. ibid.: 195) – eine erstaunliche und bezeichnende Erkenntnis, wenn man bedenkt, welchen immensen Stellenwert jene in den klassischen Theorien haben. Es ist evident, daß eine Rhetorik, die keinen Wert auf topoi legt, die den Zusammenhang von Beweis, Redenthema und Publikum völlig unbeachtet läßt, auch kein inneres und äußeres aptum mehr braucht. Um somit aber nicht zwangsläufig zu mißglücken, müssen die Reden der populären Rhetoriken jede situative Bedingung erfüllen. Das bedeutet, sie müssen vollkommen aus85 Google Deutschland: http://www.google.de (18. 04. 2010). 86 Oftmals dauern die im Internet beworbenen Seminare nicht länger als ein Wochenende bzw. zwei Tage.

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tauschbar sein, und es entstehen Reden, wie sie Rolf Breitenstein entwickelte.87 Pörksen kommentiert: Die Kunst besteht darin, auf pointierte Weise nichts zu sagen. Das Nichts verdankt sich dem Abstraktionsgrad, den gestanzten Allgemeinheiten: Zukunft, Stunde der Wahrheit, Entwicklung, Initiative, Kontinuität, Stabilisierung (Pörksen 2004: 12).

Interessanterweise geben die populären Rhetoriken damit eine Bestrebung auf, die bereits Cicero forderte (cf. 2.1.2.3.1): Die Wahrheit und damit eine den Bedürfnissen eines Themas und der Situation angemessenen Rede werden für die Möglichkeiten von stets anwendbaren Fertigreden, von wieder einmal starren Rhetorik-Käfigen geopfert. Es ergibt sich also eine Rigidität, für die bereits die schulmeisterliche Rhetorik getadelt wurde, und die nicht zur Flexibilität, zum Individualismus und Spiel von Sprache paßt, denn Rhetorik stellt »einer universellen Beliebigkeit in der Sache eine universelle Flexibilität in der Sprache zur Verfügung« (Pörksen 2002: 167). Die Rhetorik, die in der Antike eine fundierte allgemeine – auch moralische – Bildung und eine spezielle Redner-Erziehung als Grundlage hatte,88 wird bei dieser Auslegung natürlich zum convenience good reduziert, das je nach Bedarf hervorgeholt und wieder zurückgestellt werden kann. Daß hierbei nicht nur die Ethik der Wirkung und der Unterschied zwischen überzeugen und überreden völlig vernachlässigt werden (cf. 2.1.2.3.1), versteht sich von selbst. Zudem wird aber auch das ethos, die Ehrenhaftigkeit des Redners (v.s.), zu einer Farce: Nicht mehr eine reale allgemeine, ästhetische, moralische und handwerkliche Bildung lassen den Redner als ehrenhaft handelnde Person wirken, sondern die Rede, die er mittels Versatzstücken aus Zitatensammlungen zusammengestellt hat, täuscht diesen Eindruck vor (cf. Breitenstein 1994: 131). Daß Redner in diesem Fall die Bildung, die sie beispielsweise durch eben solche Zitate vortäuschen, selbst gar nicht mehr verstehen, läßt trotz der sich hieraus ergebenden Ironie die Ernsthaftigkeit dieser Feststellung besonders deutlich werden. Viele moderne, populäre Rhetoriken distanzieren sich also völlig unbekümmert von jeglichem ethischen Anspruch; Gloria Beck spricht dabei, ironisch, auch von der »Kunst der skrupellosen Manipulation« (cf. Beck 2008). Ihre Anleitung Verbotene Rhetorik (ibid.) belegt allerdings auch einen Grundgedanken, der für eine Erneuerung der antiken Redekunst von Nutzen sein kann: Populäre Rhetoriken beschränken sich nicht mehr nur auf die einschränkende Form der Rede, sondern auf ganz allgemeine Kommunikation und soziale Interaktion. Die Rhetorik wird damit zu einem Instrumentarium, das nicht mehr nur für sehr spezielle Anlässe benötigt wird, sondern überall im Alltag genutzt 87 Breitenstein 1994: 131 ff. 88 Cf. Quintilian 2006a: 19 ff. und Quintilian 2006b: 685 ff. (inst. I 1,9 ff. und XII 1,1 ff.).

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werden kann. Diese Überlegung und diese explizite hohe Nutzbarkeit der Rhetorik sind zwar keine neue Erkenntnis – Platon beschrieb sie beispielsweise bereits als Therapieinstrument für Ärzte –89, sie wurde aber in den antiken Lehrbüchern zugunsten der monologischen Redenform oft vernachlässigt. Für eine ethisch vertretbare allgemeine neue Rhetorik sollten diese Möglichkeiten der Nutzung dagegen nun hinzugefügt werden, um nicht nur die Nützlichkeit der Redekunst zu demonstrieren, sondern sie darüber hinaus auch wissenschaftlich fundiert dort nutzbar zu machen, wo sie heute nach wie vor dringend genutzt werden sollte – Platons medizinische Beispiele (im folgenden Fall: Sokrates) sind dabei noch genau so aktuell wie vor 2500 Jahren: Es hat dieselbe Bewandtnis mit der Redekunst wie mit der Heilkunst. […] In beiden mußt du die Natur auseinanderlegen, die des Leibes in der einen, der Seele in der andern, wenn du nicht nur in hergebrachterweise und erfahrungsmäßig, sondern nach der Kunst jenem durch Anwendung von Arznei und Nahrung Gesundheit und Stärke verschaffen, dieser durch angeordnete Belehrung und Sitten, welche Überzeugung und Tugend du willst, mitzuteilen begehrst (Platon 2004b: 597; Phaidr. 270b).

Das Verständnis einer allgemeineren Nutzbarkeit der Rhetorik kann so zwangsläufig auch viele andere Bereiche erschließen, wirtschaftliche und politisch-diplomatische seien nur als Beispiele genannt. Durch die angesprochene und ethisch nicht mehr vertretbare Manipulation ergibt sich allerdings aus den populären Rhetoriken, wie schon bei den modernen wissenschaftlichen, auch ein größerer Handlungscharakter. Jener zielt nicht nur auf eine Überzeugung des Gewissens, sondern auch auf tätige Handlungen, die sich der rhetorischen Kommunikation anschließen. Aus populären Rhetoriken kann somit zum einen eine größere Nutzbarkeit der Redekunst destilliert werden, zum anderen wird der Aufforderungscharakter zur tätigen Handlung unterstützt. Die Beispiele, die bei Platon zur rhetorisch-medizinischen Therapieform gegeben werden, beweisen indes: Auch wenn die Aufforderung zur tätigen Handlung kein grundlegender Bestandteil der antiken Rhetorikschulen war – die Persuasion der Meinung bleibt deren wichtigstes Ziel –, so war die Macht der Rede, eine tätige Handlung auslösen zu können, durchaus bekannt, wurde erörtert und in der praktischen Rhetorik angewendet. Dies ist auch ganz im Sinne der inneren Struktur einer sachlogischen Rede: Bereits der logos wird umschrieben als Gedanke mit anschließender Handlung (cf. 2.1.2.3.1). Aus Platons Beispielen läßt sich zudem noch eine weitere Feststellung folgern: Gerade die in dieser Arbeit angestrebte Diskursrhetorik bietet nicht nur eine Relevanz für die im folgenden zu analysierenden politischen Reden, sondern stellt darüber hinaus auch ein Instrumentarium für weitergehende For89 Cf. Platon 2007: 355 f. (Gorg. 456b) und 2.1.2.

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schung und Nutzung dar. Da zunächst in der aufgestellten Methodik und später in der Analyse dieser Arbeit die Rhetorik des Diskurses, und damit dessen Wirkungsästhetik, mit der fokussierten Rhetorik einer Rede verbunden werden soll, entsteht nicht nur eine rhetorische Diskursanalyse für die spezielle Form der politischen Rede, sondern auch ein rhetorisches Konzept für wirkungsästhetische Kommunikation im allgemeinen, die sich innerhalb diverser verschiedener Diskursstränge und -fragmente ergibt. Aus den für diese Arbeit geführten qualitativen Interviews ergab sich hinsichtlich einer nicht klassisch vorgeprägten Rhetorik mit Jeffrey Gedmin, dem früheren Leiter des Aspen Institutes Deutschland und heutigen Präsidenten des Radio Free Europe, ein erwähnenswertes Gespräch über allgemeine wirkungsästhetische Kriterien einer glückenden Rede. Das Überraschende an dem Gesprächsverlauf war insbesondere, daß die Kriterien Gedmins, der zwar als Politologe ein fundiertes und empirisches Wissen über Politik und politische Reden besitzt, aber natürlich keine wissenschaftliche Forschung zur Redekunst betreibt, tatsächlich mit den Maximen der antiken Rhetorik übereinstimmen: Know your audience, be sensitive to gestures and symbols, when possible include a little bit of humour and charm. If you want to do something then do not give them a long list but give them a short list […] And there is one more: People like human stories. […] A great speech is not always about facts and statistics. It has to have some strong human dimensions, so that people like you and me and our families can relate to it and identify with it. That makes a speech inspiring. […] Those personal stories have to be genuine and sincere. It happens pretty quickly that they may appear cynical and manipulative (Gedmin 27. 02. 2007: s. Anhang).

Gedmin verbindet in dieser Textpassage ganz eindeutig antike Aspekte wie den Redeschmuck, die Argumentation, die Affektenlehre, topoi, den narrativen Teil der partes orationis und sehr ausgeprägt auch das aptum und das ethos mit Kriterien der Neuen Rhetorik, nämlich Identifikation und Handlungsaufforderung (cf. 2.1.2.3.1) und darüber hinaus Authentizität im Sinne von Echtheit, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit.90 Der Redner muß sich also selbst individuell

90 Thilo von Trotha riet Gerhard Schröder vor seiner Regierungserklärung zur »Agenda 2010« (14. 03. 2003), neben einigen wenigen anderen Stichpunkten, insbesondere zu Glaubwürdigkeit: »,Es muß Glaubwürdigkeit begründet werden, ich würde sogar sagen, wiederbegründet werden.’« (Zitiert nach Pörksen 2004: 4). Bei Pörksen finden sich darüber hinaus sieben Thesen, die erläutern, was eine Regierungserklärung zu einer glaubwürdigen macht (ibid.: 52). Pörksen kritisiert Schröders oben genannte Regierungserklärung stark negativ : »Sie dokumentiert den erbärmlichen Zustand der öffentlichen Rede in der Bundesrepublik« (ibid.: 43; cf. 3.1). Die Glaubwürdigkeit, die Pörksen und Trotha forderten, ist allerdings (als Ehrlichkeit) für eine andere Rede Schröders nachweisbar – und hier führte sie auch zum Erfolg: »Der Kanzler hielt die vielleicht beste Rede seiner Amtszeit und ging gestärkt und umjubelt zu seinem Platz zurück. Das verdankte sich wohlgemerkt nicht in erster Linie

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und ehrlich einbringen, wie es Buber mit Blick auf das »echte Gespräch« formulierte (cf. Buber 1965: 271 – 298).91 Es ist eine signifikante Schlußfolgerung, daß nur so eine echte und verläßliche Basis zwischen Redner und Publikum entstehen kann. Adam Müller nennt diese Basis »eine gewisse gemeinschaftliche Luft, ein gewisser Glaube, ein Vertrauen, ein gemeinschaftlicher Boden der Wahrheit und der Gerechtigkeit« (Müller 1967a: 312). Gerade aus aktueller politischer und diplomatischer Perspektive ist dies Vertrauen eine elementare Voraussetzung für gelingende und gute Konversation:92 Vertrauen macht möglich, dass es zum Dialog kommt, dass er andauert und schließlich Früchte trägt. Es ist das Rückgrat jeder wirklichen Kommunikation. […] Zum Vertrauen gehört, dass man Versprechen einhält und zielstrebig handelt. Doch über alldem steht ein höheres Prinzip der Richtigkeit (Annan 2001: 82 ff.).

Bei Annan findet sich, fast beiläufig, noch ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt für eine moderne Definition zur guten Rede: Das zielstrebige Handeln, das er der verbalen Kommunikation zurechnet, ist äquivalent zu einer Lösungsorientierung, die Adam Müller in Form von gemeinsamen Ideen dem guten Gespräch zuordnet: Alle […] Fäden der Unterhaltung pflegen aber wieder zu zerreißen, bis man sich über Ideen berührt: Von dem Augenblick an ist der Boden der Unterhaltung fest und wölbt sich, ich möchte sagen, ein gemeinschaftlicher Himmel über beide (Müller 1967a: 315).

Für die bei Müller genannten Ideen gibt es bei Pörksen, explizit in bezug auf die Frage nach der guten Rede, ein Äquivalent: »Reden in diesem Sinne heißt im öffentlichen Raum etwas Neues anfangen« (Pörksen 2004: 34). Die Ideen können gemäß einer (modernen) pragmatischen Rhetorik auch als Lösungen für bestehende Probleme bezeichnet werden und sind dementsprechend Voraussetzung für das Gelingen einer guten Rede. Auch diese Feststellung läßt sich mit den wissenschaftlichen und antiken Rhetoriktheorien verbinden, denn schließlich ist die Persuasion, also die Überzeugung des Zuhörers, generell ein entscheidendes Element der Rhetorik: Es liegt nahe, daß das Anbieten konkreter Lösungen einerseits und die (argumentative) Überzeugung des Publikums andererseits Aspekte darstellen, die sich im Idealfall aus einander ergeben. Daß die angebotenen Lösungen dabei konkret sein müssen, ist offensichtlich; ansonsten seiner Mimik, Gestik oder Rhetorik, sondern vor allem einer klugen und würdigen Argumentation, ja sogar einem Maß an Ehrlichkeit, das entwaffnend war« (Ulrich 2005: 82 f.). 91 Selbst in der eher als populärrhetorisch zu betrachteten Literatur findet sich zu Authentizität und Ehrlichkeit eine Entsprechung: »Ein guter Redner [sic!] wird folgende natürliche Disposition mitbringen: […] er ist natürlich (nicht geziert, nicht gehemmt, nicht besonders eitel)« (Lay 1999: 217). 92 Echtheit, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Vertrauen erscheinen also als eine logische Folge von Notwendigkeiten für eine gute Rede, die nicht nur singulär gültig sind, sondern einander bedingen und auseinander resultieren (v.s.).

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entstünde eine Rede, die, wie die Patentrede Rolf Breitensteins (v.s.), austauschbar und nicht mehr zielführend wäre und damit nicht mehr das Prädikat gut beanspruchen könnte. Der Ansatz einer Lösungsorientierung bei gelingender und guter Rede – und letztlich auch bei gelingender und guter Kommunikation im allgemeinen – kann darüber hinaus durch eine zukünftige, weiterführende Forschung die Rhetorik und gute Gesprächsführung auch für andere wissenschaftliche Disziplinen nutzbar machen; Äquivalenzen sind am Beispiel von Organisationslehre und Projektmanagement bereits deutlich erkennbar : Betriebswirtschaftliche Vorgehensmodelle sowie (kommunikative) strukturelle Abläufe in Marketing und Controlling stellen nicht nur selbst durch Definition und Verbindung von IstZustand bzw. Ist-Portfolio und Soll-Zustand bzw. Soll-Vorschlag oder Soll-Portfolio lösungsorientierte Methodiken dar,93 sondern können in einer künftigen Ergänzung durch moderne rhetorische Ansätze sicherlich bereichert und vervollständigt werden.94 Der Redenschreiber Thilo von Trotha, der sich nach eigenen Angaben nur peripher an antike Modelle hält (cf. 2.1.2), stimmt Gedmin in vielen dessen oben genannten Punkten zu und nennt »das Persönliche« zusätzlich als besonders starkes emotionales Kriterium für eine gute Rhetorik (ibid.). Die Übereinstimmung mit Mao Tse-Tung (cf. 2.1.2.3.1) ist auffällig, ebenso die mit den Ansichten Quintilians (cf. Quintilian 2006a: 713; inst. VI 2,35; cf. auch 2.1.2.3.3): 93 Kommunikationscontrolling: Reich / Zahner 2006: 319 f., 327. Marketing-Konzepte: Böhler / Scigliano 2005: 23 f. Organisationslehre: Olfert 2006: 200 ff. und 292 ff.; Schmidt 1994: 37 ff., 55 ff., 63 ff., 81 und 85 f.; Grochla 1982: 93 ff. 94 Beispielhaft für den signifikanten Erfolg von Lösungsorientiertheit sind viele Reden des USamerikanischen Präsidenten Barack Obama in dessen Wahlkampf bis in das Jahr 2008. Obama skizzierte darin oftmals einen besonders desaströsen »Ist-Zustand« und bot im Anschluß sich und seine Mannschaft, unter Einbindung des Publikums, zur Lösung der Probleme und zur Schaffung eines stilisierten, glücklichen Soll-Portfolios an: »In der Grundsatzrede, mit der Obama auf dem Parteitag der Demokraten 2004 hervortrat, setzte er die Rhetorik der Trinity United maßgeschneidert ein, um die ganze Nation anzusprechen. Zuerst die schlechten Zeiten: die mißbrauchte Verfassung, die weltweite Verachtung für Amerika, Arbeitslosigkeit […] Und dann die frohe Botschaft: ,Es gibt nicht ein liberales und ein konservatives Amerika – es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika. […]’ […] Sein offenkundiger Intellekt aber, sein juristischer Sachverstand […] – all das lockte die Leute nicht zu seinen Auftritten. Es ist vielmehr das Versprechen des ,großen Bogens’, den die Kirchen laut Obama den Schwarzen gebracht haben« (Raban 2008: 33). Eine auffällige Gemeinsamkeit bezüglich der identifikatorischen Verallgemeinerung »es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika« ergibt sich übrigens nicht nur mit der Rede Kaiser Wilhelm II. vom 1. August 1914: »In dem jetzt bevorstehenden Kampf kenne Ich in Meinem Volk keine Parteien mehr. Es gibt unter uns nur noch Deutsche […]« (nach Matthes / Arntzen 1976: 163). Sondern auch die Rede zur »Nudelkrise«, die Vicco von Bülow einem Bonner Abgeordneten in den Mund legt, läßt Ähnlichkeiten erkennen: »Ich kenne keine linke und keine rechte Nudel – (Beifall) es gibt nur eine – deutsche – Nudel! (anhaltender Beifall)« (Loriot 1971: 11).

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»Die große Kunst der Persuasion ist es, das, was die Leute machen sollen, so in der Rede aufzubereiten, daß sie erkennen, darin ihren eigenen Vorteil zu finden« (Trotha 23. 02. 2007: s. Anhang). Zusammenfassend gibt von Trotha an: »Das sind die beiden Elemente, die ich erkenne: die vernunftgesteuerte Persuasion und die charismatische Persuasion« (ibid.). Die hier genannten aktuellen Perspektiven beweisen, daß die Kombination von antiker und moderner Redekunst nicht nur möglich, sondern wünschenswert ist. Dies mag auch daran liegen, daß die modernen und insbesondere die populären Rhetoriken Elemente und Ansichten explizieren, die sich mühelos ergänzend in den wissenschaftlichen Rhetorik-Kanon integrieren oder sich ohnehin aus jenem destillieren lassen. Gadamers zu Beginn dieses Kapitels genannte Einschätzung, daß der Vortrag einer Rede nicht als Monolog, sondern vielmehr als Konversation aufzufassen sei, findet sich folglich als Destillat auch in der populären Rhetorik wieder : »Stellen Sie eine dialogische Stimmung her. Eine Rede ist kein Monolog, sondern ein Dialog« (Lay 1999: 230). Darüber hinaus ergibt sich die interessante Erkenntnis, daß glückende Rhetorik, oder besser : eine gute Rede, nie ein künstlich gebildetes Theoretikum ist, sondern, wie bereits in der Antike, einer Ästhetik folgt, die sich natürlich geformt hat: »So ist nicht die Beredsamkeit aus einem theoretischen System, sondern das theoretische System aus der Beredsamkeit entstanden« (Cicero 2003: 123; de orat. I,146; cf. 2.1.2.3.1). Auch Trotha weist auf diese grundlegende Herkunft der Redekunst hin: »Natürlich passen heutige Reden in die ›Dramaturgie‹ der antiken Rhetorik. Das waren ja keine Erfindungen, sondern es waren Beobachtungen dessen, was wirkungsvoll und gut war« (Trotha 23. 02. 2007: s. Anhang). Dabei betont Trotha aber auch noch einmal explizit das Individuelle an der Redekunst: Letztlich ist die Rede das Unmittelbarste, das ein Mensch hat. Sie ist das ihm Eigenste, das Subjektivste, das auf jede einzelne Person Zugeschnittene, das es so nur zweimal bei einem Menschen gibt: Einmal durch Körperduft und einmal durch seine Rede. Physisch teilt sich der Mensch durch Duft mit, und geistig teilt er sich durch seine Gedanken, also durch seine Reden mit. Der Gipfel der Persönlichkeit ist die Rede (ibid.).95

Aus allen zuvor gewonnenen Erkenntnissen lassen sich nun Aussagen folgern, was eine Rede zu einer guten Rede macht. Es stellen sich hierbei vor allem drei Elemente als besonders wichtig heraus: 95 Die eigene Individualität und authentische Ehrlichkeit müssen gerade bei einer Rede gewahrt werden; vernachlässigt man sie, kann die Rede nicht mehr zufriedenstellend gelingen. Der Schwund und Verlust von Individualität und Authentizität wird in Literatur und Medien seit langem allegorisch mit »dem Bösen« in Verbindung gebracht (cf. König 2008c: 290), was als wichtiger Indikator für die Relevanz dieses Aspekts, auch und gerade im Hinblick auf Reden, gelten muß.

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- Reflexiv : Das eigene, individuelle Erscheinungsbild muß durch Redner und Rede gewahrt bleiben; nur so ist es möglich, ein persönliches ethos zu evozieren. Durch Echtheit, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit kann der Redner das Vertrauen gewinnen, welches als Basis für eine gute Kommunikation notwendig ist. - Rezeptionsorientiert: Der Redner muß sich mit seiner Rede individuell auf die Bedürfnisse und Erwartungen seines Publikums einstellen. Hierdurch kann er Identifikation stiften. - Lösungsorientiert: Der Redner muß mit seiner Rede konkrete Lösungen für Probleme aufzeigen und anbieten. Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß eine Rede dann gut ist, wenn der Redner ehrlich und authentisch ist, das Vertrauen des Publikums gewinnt, sich identifikatorisch auf dessen Individualität einstellt und Lösungen für die in der Rede erörterten Probleme anbietet; idealiter als Gemeinschaftsprodukt von Redner, Rede und Auditorium erscheinend. Die Kunst für den Redner besteht pikanterweise also auch darin, vor einem im Zweifelsfall heterogenen Publikum zu reden und die Rede gleichzeitig sowohl für das Gesamtpublikum als auch für den einzelnen Zuhörer identifikationsstiftend und lösungsorientiert zu gestalten. Gelingt ihm dies, darf er sich wohl zu Recht als Geburtshelfer für einen guten Gedanken bezeichnen. Die grundsätzlichen Regeln der Rhetorik, die in den vorangegangenen Kapiteln bereits erörtert wurden, bleiben dabei selbstverständlich eine Grundvoraussetzung jeder gelingenden und guten Rede.96 Signifikant sind hierzu noch zwei daraus folgende Erkenntnisse: Zum einen sind Ehrlichkeit und Ehrenhaftigkeit also nicht nur moralisch und ethisch gesehen ein wichtiger Bestandteil von Rede und Redner, sie sind darüber hinaus auch zwingend notwendig, um eine gute Rede überhaupt erst möglich zu machen. Zum anderen muß eine Rede gelingen und das telos glücken – die Rede also so wirken, wie intendiert –, damit die angestrebte Identifikation überhaupt möglich wird. Denn die Frage danach, was eine Rede zu einer guten Rede macht, »meint zuerst: Was ist eine wirksame Rede? Wie muß eine Rede aussehen, damit sie ihren Zweck erreicht?« (Pörksen 2004: 33).97 Die Beurteilung einer Rede und 96 Weiterführend ließen sich die hier gewonnenen Erkenntnisse darüber hinaus nun den bestehenden rhetorischen Gliederungen anfügen. Die Beachtung und Einbeziehung der Individualität von Redner und Auditorium lassen sich beispielsweise recht mühelos dem rhetorischen aptum und seinen Konsequenzen für Redner und Rede zuordnen; eine zukünftige Studie könnte an dieser Stelle an diese Forschungsarbeit anknüpfen. 97 Inwieweit das Prädikat gut in diesem Fall zulässig ist, können die noch folgenden Redenanalysen als Probe aufs Exempel verdeutlichen.

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eines Redners hängen letztlich also von deren Erfolg ab, wie bereits Cicero definierte: […] für meine Beredsamkeit aber wünsche ich mir den Beifall des Volkes. Der Redner nämlich, der so spricht, daß er der Menge gefällt, muß notwendigerweise auch den Fachleuten gefallen. […] Ob der Redner es aber überhaupt zustande bringt, sein Auditorium nach seinen Absichten zu beeinflussen oder nicht, das wird in der Regel durch die Zustimmung der Volksmenge, durch den öffentlichen Beifall entschieden. […] Denn dem größten Redner ist es eben zu eigen, auch als größter Redner dazustehen in den Augen des Volkes (Cicero 1986: 137 f.; Brut. 49 f.).

An diese weiterführenden Feststellungen müssen sich zwangsläufig einige Erläuterungen anschließen. Gerade die zuerst angesprochenen Aspekte Moral und Ethik scheinen in der Unterscheidung von guten und schlechten Reden eine untergeordnete oder sogar keinerlei Rolle zu spielen. Dies gilt als Paradebeispiel insbesondere für die Reden Hitlers oder die Sportpalastrede Goebbels’ vom 18. Februar 1943;98 obwohl sie moralisch und ethisch zweifelsfrei ganz beson98 Insbesondere die Sportpalastrede wird gerne als Beispiel zitiert, wenn man die Aussage, Goebbels sei ein guter Redner gewesen, belegen will. Damit einhergehend wird Goebbels’ Vortrag oft als gute Rede tituliert. Dieser falschen und naiven Attributierung muß an dieser Stelle entschieden widersprochen werden. Die Kundgebung des Gaues Berlin vom 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast (heute oft verkürzt Sportpalastrede genannt; tatsächlich hielt Goebbels viele seiner Reden im Sportpalast, cf. Heiber 1972: V–VI) war einzig auf Effekt ausgelegt; es war »ein gut inszeniertes Schauspiel, an dem die 14000 Zuhörer aktiv mitwirkten« (Fetscher 1998: 104). Das Auditorium setzte sich aus Mitgliedern des Reichskabinetts, Reichs- und Gauleitern, Staatssekretären, Schauspielern (wie z. B. Heinrich George) und Kriegsversehrten zusammen (cf. Reuth 1990: 518 und Schafarschik 1973: 38), aus »allen Schichten des Volkes […], von der Regierung angefangen bis zum unbekannten Munitionsarbeiter« (Goebbels 1993: 373). Insbesondere die verkrüppelten Soldaten mit ihrem frenetischen Jubel auf die Frage »Wollt Ihr den totalen Krieg?« (Goebbels in Heiber 1972: 205) müssen einem objektiven Betrachter zwangsläufig ein Bild des Grauens geboten haben. Sämtliche Zuhörer waren handverlesen; es handelte sich dabei um ein »von den Parteiorganisationen bestelltes Aufgebot« (Speer 1970: 269), dessen paßgenaue Reaktionen die Vermutung nahelegen, daß sie »von einer geschulten Claque vorbereitet« wurden und die Sprechchöre »vermutlich einstudiert« waren (Fetscher 1998: 104). Selbst eine zusätzliche Beifallsbeschallung über die Lautsprecher muß angenommen werden (cf. ibid.). Obwohl Goebbels über die Reaktionen des Publikums in seinem Tagebuch ausnahmslos positiv berichtet (»Tohuwabohu von rasender Stimmung«; Goebbels 1993: 374), äußert er sich am Abend gegenüber Speer bereits bezeichnend: »Es war das politisch bestgeschulte Publikum, daß Sie in Deutschland finden können« (Speer 1970: 269). Andere Quellen berichten sogar über noch weitergehende Kommentare; so soll Goebbels geklagt haben: »Diese Stunde der Idiotie! […] Wenn ich den Leuten gesagt hätte: Springt aus dem dritten Stock des Columbushauses […], – sie hätten es auch getan« (Heiber 1972: 208). Selbst wenn die Mehrzahl des Publikums tatsächlich begeistert applaudierte, muß eine authentische und objektive Wirkung auf das Publikum somit bezweifelt werden: »Es war Regie vor der Rede, während und nach der Rede; der Regisseur war auf alles bedacht« (Fetscher 1998: 105). Hier fügt sich auch Speers Notiz ein, Goebbels eigene Emotionen und Reaktionen seien nicht authentisch, sondern eine rein schauspielerische Leistung gewesen: Goebbels analysierte am Abend nach

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der Rede »seine scheinbar emotionalen Ausbrüche auf ihren psychologischen Effekt – nicht viel anders, als ein routinierter Schauspieler es wohl getan hätte« (Speer 1970: 269). Auch wenn Heiber diese Bemerkung für einfältig hält, da man die Fähigkeiten zur Analyse und zur schauspielerischen Darbietung von Goebbels als »Reichspropagandaminister« (und als promoviertem Germanisten) durchaus erwarten konnte, egal, ob die emotionalen Ausbrüche nun authentisch waren oder nicht (cf. Heiber 1972: 208), so unterstützt sie doch die These, daß es sich bei der Sportpalastrede um ein streng inszeniertes Schauspiel handelte, das Realität ausnahmslos vortäuschte. Ebenso vorsichtig sind mit Sicherheit alle positiven Berichte aus dem Inland sowie aus dem »verbündeten Ausland« zu beurteilen, selbst wenn Goebbels jene in seinen Tagebüchern fast überrascht begeistert und geradezu lächerlich selbstverliebt kommentiert (cf. Goebbels 1993: 378 ff.). Auch Reuths Anmerkung, die Rede habe »auf viele, die sie an den Volksempfängern überall im Reich gehört hatten, begeisternd gewirkt« (Reuth 1990: 520), darf nicht unkritisch übernommen werden – die Reflexion über Reaktionen im Volke übernahmen die Reichspropagandaämter (cf. ibid.!); eine objektive Beurteilung und Berichterstattung über die Redenwirkung scheint hier kaum vorstellbar. Auch sprachlich und inhaltlich ist Goebbels Rede überschätzt. Er mag die dramaturgischen Aspekte der partes orationis ebenso gekannt – und teilweise geschickt – genutzt haben wie Tropen und Figuren; aus der antiken Rhetorik ist aber ein Begriff für »affektiert-übersteigerte[n]« Redenschmuck (Lausberg 1990: 515; HLR § 1073) bekannt, nämlich die mala affectatio (cf. Quintilian 2006b: 172 ff.; inst. VIII 3,56), die auf Goebbels Rede zweifellos in ihrer Gänze zutrifft. Fetscher bemerkt zur Thematik der Rede: »Zu den rhetorischen Glanzleistungen seiner Rede gehört die Umwandlung der Katastrophe von Stalingrad in ein mythisches Geschehen, in ein ,Symbol des Widerstandes’ und eine ,heroische Leistung’ […]« (Fetscher 1998: 110; in der Rede: Goebbels in Heiber 1972: 174 u. 183). Natürlich handelt es sich dabei keineswegs um eine rhetorische Glanzleistung, sondern schlichtweg um eine Lüge, gehüllt in völlig überzogenes Pathos. So bleibt nun zum Schluß dieser Anmerkungen die Frage, welche Absichten Goebbels verfolgte, und ob er sie durch seine Rede erreichen konnte. Fetscher definiert hierzu vier Ziele: Das Stimmungstief nach der Niederlage in Stalingrad sollte behoben, Kritiker und Zögerer sollten zum Schweigen gebracht, die westlichen Alliierten auf die Seite des Deutschen Reichs gegen die »bolschewistische Gefahr« gezogen und schließlich Goebbels’ eigene Position in der Führungsriege der Nationalsozialisten gestärkt und ausgebaut werden (cf. Fetscher 1998: 107 f.). Goebbels selbst notierte über die Wirkung seiner Rede: »Alles in allem genommen, kann man feststellen, daß die Rede hundertprozentig ihren Zweck erreicht hat. Ich kann über diesen propagandistischen Erfolg außerordentlich glücklich sein« (Goebbels 1993: 386). Goebbels meinte mit seiner Aussage indirekt freilich vor allem seine propagandistische Leistung, durch die Inszenierung und die gleichgeschaltete Presse das Bild einer fantastischen Rede und Redewirkung erzeugt zu haben. In diesem Sinne ist ihm sogar recht zu geben, denn wenn seine Rede noch heute als gute Rede bezeichnet wird, so ist dies offensichtlich vor allem der Diskursrealität zu verdanken, die er um seinen Vortrag im Sportpalast schuf. Die Nachhaltigkeit seiner Rede, so mag man an dieser Stelle attestieren, liegt also vor allem am Diskurs – und nicht an der eigentlich actio. Hiermit wird noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, alle beispielhaften rhetorischen und diskursiven Aspekte einer Rede zu analysieren, um zur tatsächlichen Wirkung eine objektive und wahrheitsgetreue Aussage machen zu können, und sich nicht nur auf einige ausgewählte rhetorische Fähigkeiten zu beschränken. Jene müssen zwangsläufig ein verfälschtes Bild über die Wirkung einer Rede vermitteln, wie für Goebbels Sportpalastrede anhand weniger Beispiele bereits eindeutig gezeigt werden konnte. Alle anderen erwähnten Ziele konnte Goebbels dagegen nämlich überhaupt nicht zufriedenstellend verwirklichen: Seinen Ambitionen, das Amt des Außenministers bekleiden zu dürfen, erteilte Hitler eine Absage und verbot ihm darüber hinaus, »Fühler nach Westen auszustrecken« (Speer 1970: 270). Heiber faßt zusammen: »Einiges wenige nur geschieht,

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ders verwerflich sind, werden sie doch häufig landläufig als rhetorisch gute Reden beurteilt. Eine solche Beurteilung widerspricht aber der zuvor aufgestellten These, daß gute Reden auch immer moralisch integer sein müssen. Stellen die Reden von Despoten eine Ausnahme dar? Diese Frage muß eindeutig verneint werden, und der Grund dafür ist keinesfalls eine (willkürliche) Definitionsfrage. Zunächst wird das Attribut gut nicht nur gleichbedeutend mit Attributen wie gelingend oder wirkungsvoll benutzt, sondern eben auch explizit als Antonym zu schlecht und böse. Die Rhetorik trennt zudem inhaltliche und sprachliche Bereiche einer Rede nicht, sie vereint sie. Gibt man der Sportpalastrede von Goebbels also das Prädikat, sie sei zwar bösartig und verführerisch, aber rhetorisch gesehen gut, so ist dies eine falsche Verwendung des klassischen Begriffs rhetorisch, und damit ist es auch eine falsche Verwendung des Attributs gut: »Im Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort« (Benn 2001: 246). Eine Rede Hitlers mag einen guten Aufbau, eine gute Dramaturgie, eine pathetische Wortwahl, »polarisierende Kontrastelemente« und »stimmlich und textual vermittelte Suggestion unbedingter Willensstärke« (Klein 2003: 1504) gehabt haben; aber sowohl sprachlich als auch inhaltlich gut war sie eben nicht: Im übrigen verwischte der Nationalsozialismus die Grenze zwischen Rhetorik und Propaganda. […] Eine Menschenmasse zu fanatisieren, gefügig und willenlos zu machen, ist keine Rhetorik, auch wenn dafür auf einige ihrer Instrumente zurückgegriffen wird. […] Vor der Gleichsetzung von Rhetorik, Propaganda und Demagogie muss deshalb eindringlich gewarnt werden (Klages 2001: 22 f.).

Letztlich muß für die Rhetorik als oberstes Gebot, auch für die Beurteilung von Rede und Redner, das antike Ideal des vir bonus (cf. Quintilian 2006b: 684; inst. XII 1,1), also, um es wörtlich zu übersetzen, des guten Mannes und damit auch die des würdigen (cf. Cicero 2003: 83; de orat. I,72 und ibid.: 229; II,35) und ehrenhaften Mannes gelten.99 Weder für Hitler, noch für Goebbels, noch für aber mehr am Rande: ein paar Geschäfte und Lokale müssen schließen, einige Zeitschriften ihr Erscheinen einstellen, – alles mehr ,Optik des Krieges’ als wirklich ,totaler Krieg’« (Heiber 1972: 208). Eine gute Rede kann Goebbels also in keinem Punkt zugesprochen werden, allenfalls ein pathetischer Vortrag, der gleichsam für das funktionierende Propagandasystem der Nationalsozialisten und auch für den Irrsinn der letzten Kriegsjahre steht: »Immerhin folgte der Goebbelsschen Rede über den Totalen Krieg eine Geste, die den Beifall der Öffentlichkeit fand: er ließ Berliner Luxusrestaurants und aufwendige Vergnügungsstätten schließen. Zwar stellte sich Göring sogleich schützend vor sein Lieblingsrestaurant Horcher ; als daraufhin jedoch einige von Goebbels bestellte Demonstranten erschienen, um die Fensterscheiben einzuwerfen, gab Göring nach. Die Folge war eine ernsthafte Verstimmung zwischen ihm und Goebbels« (Speer 1970: 270). 99 Selbstverständlich wird hier ein antikes Idealbild der Rhetorik befürwortet, das nur schwierig zu erfüllen ist (Ueding 2005: 45 f. und cf. Klages 2001: 16). Will man aber einer Rede das Prädikat gut verleihen, so muß man zwangsläufig eine hohe Qualifikation fordern, sonst ist das Prädikat nicht nur unsinnig, sondern erscheint auch wahllos, und es verfälscht

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andere anzunehmende Despoten kann dies Prädikat zutreffen. Die Folgerung kann also schon jetzt nur lauten: Ihre Reden dürfen keineswegs als gut bezeichnet werden –auch nicht aus rhetorischer Sicht. Ethik und Moral in der Rhetorik zu übergehen oder gar aus ihr zu entfernen, darf darüber hinaus gerade aus wissenschaftlicher Perspektive nicht zugelassen werden; sie sind nicht nur ein Bestanteil, sondern bedürfen auch stetiger Beobachtung und Diskussion. Die Bedeutung der Ethik für die Rhetorik muß dabei eine Frage sein, die in der Gegenwart beantwortet wird, und die nicht in der Vergangenheit ruht.100 Die Frage, wie Hitler als Redner zu bewerten sei, wurde aktuell auch in bezug auf das Attribut groß diskutiert. Genau wie die Termini gute Rede bzw. guter Redner existieren auch jene der großen Rede und des großen Redners: Nur solche Reden haben die Chance, als große Reden in die Geschichte einzugehen, in denen eine bedeutende Person zu einem bedeutenden Anlaß und / oder mit bedeutender Zielsetzung etwas ›Unerhörtes‹, d. h. etwas bisher nicht Ausgesprochenes, sagt und damit große Wirkung erzielt bzw. den Mythos großer Wirkung begründet (Klein 2003: 1504)

Hitler (oder einen anderen Despoten) in diesen Zusammenhang zu stellen, geschieht ebenso leichtfertig, wie zuvor für das Attribut gut geschildert: Hitler ist auch als Redner nicht nur deshalb nicht groß zu nennen, weil er nichts Großes hinterlassen hat, sondern auch, weil er das, woraus Große vielleicht Großes gemacht hätten, so nachhaltig verhunzt hat (Kopperschmidt 2003c: 201).

Dasselbe mag auch für Hitler als vermeintlich guten Redner festgehalten werden: Ein Despot wie Hitler hat nicht nur nichts Gutes hinterlassen, sondern insbesondere ist auch aus seinen Reden nichts Gutes entstanden. Bedenkt man Nietzsches These des Geburtshelfers eines guten Gedankens, dann wird deutlich, daß aus einer Rede Hitlers genauso wenig ein guter Gedanke springt, wie Hitler als Geburtshelfer eines solchen guten Gedankens bezeichnet werden kann. zudem die gesamte attributierte Begrifflichkeit: »Cicero rechtfertigte die Rhetorik nicht um ihrer selbst willen, sondern band sie fest an einen Bildungs- und Wertekanon. Cicero bewahrt die Redekunst davor, allein deshalb in Misskredit zu geraten, weil sie durch Demagogie und Propaganda entstellt werden kann« (Klages 2001: 17). 100 Es wäre eine irreführende Annahme, rhetorische Moral und Ethik einem ausgewählten Kreis von antiken Rhetorikern zuzugestehen. Mit derselben Begründung könnte die moderne Medizin auf jegliche Ethik verzichten, wenn man diese nur auf den antiken Hippokratischen Eid reduzierte. Jener war aber nicht das Ende moralischer Einflüsse auf die Medizin, er war der Anfang. Sämtliche Wissenschaften der Moderne müssen sich dem Qualitätsurteil und der differenzierten Überwachung von Moral und Ethik stellen: Dies gilt für die Medizin genau so wie für die Jurisprudenz, es gilt für die Wirtschaftswissenschaften ebenso wie für die Naturwissenschaften – man denke nur an das literarische Beispiel von Dürrenmatts Physikern. Daß sich die Philologie dieser Verantwortung nicht zu stellen hat, wäre anmaßend – gerade das Beispiel despotischer Rhetorik verdeutlicht dies, und eben dies ist auch ein Unterschied, den die Wissenschaft gegenüber der Populärrhetorik zu leisten hat und, im Gegensatz zu ihr, auch leisten kann.

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Daß Hitler im Sinne der zuvor aufgestellten Rezeptionsorientierung und damit auch angelehnt an Luhmanns Anschlußfähigkeit (Luhmann 1985: 169) ohnehin vielleicht nur einem »bösen Zeitgeist« gefolgt ist, sich »Hoffnungen und Ängste[n]« angeschlossen hat (Kopperschmidt 2003b: 18) und deshalb als Redner solch einen Erfolg hatte, mag durchaus richtig sein. Jene Anschlußfähigkeit ist sicherlich ein wichtiger Aspekt, erfolgreich zu reden – dies darf man, von der Ethik isoliert, aber nicht mit gut gleichsetzen (Kopperschmidt 2003c: 181). Nimmt man Luhmanns Aussage darüber hinaus wörtlich, nämlich »als nächstes« dasjenige Ereignis zu wählen, »was schon erkennen läßt, was als übernächstes in Betracht kommen könnte« (Luhmann 1985: 169), so muß man wieder auf das Fazit zurückkommen, daß aus Hitlers Thematik eben nichts Gutes entstanden ist – auch und gerade nicht als »übernächstes«: »Eloquentia fortitudine praestantior« (Alciatus 1991: 206; Emblematum Libellus XCIII); die gute Rede überflügelt die Gewalt.101 Hieraus wird zudem eine Funktion des Publikums verdeutlicht, die zur Beurteilung einer Rede nicht nur zwingend notwendig ist, sondern vielmehr auch bei deren Abstinenz falsche Rückschlüsse auf die Attributierung einer Rede provoziert. Es ist offensichtlich, daß das Publikum eine Kontrollfunktion bei einer jeden Rede erfüllen muß, gleichsam eine Erweiterung zu Habermas’ Diskursethik (cf. 2.1.2.3.3): Das Auditorium muß bewerten, ob eine Rede gut ist – auch moralisch. Dies muß zwingend als integre und objektive Leistung geschehen; eine gute und moralische Rede muß durch das Publikum, Habermas entsprechend, auch als solche bewertet werden, eine schlechte und moralisch verwerfliche dagegen muß von den Rezipienten auf der anderen Seite auch als schlecht und verwerflich kommentiert werden. Kommt das Publikum dieser Leistung nicht oder gar invertiert nach, so entsteht im Diskurs zwangsläufig der Eindruck, eine Rede sei (scheinbar) gut – et vice versa. Wenn also Hitlers Publikum einer moralisch verwerflichen Rede zujubelt, dann muß der verfälschte Eindruck entstehen, Hitler sei ein guter Redner. Es stellt sich abschließend für die erste weiterführende These also heraus, daß eine gute Rede nur durch diese Kontrollfunktion des Publikums – also durch dessen objektive Bewertung – auch wirklich gut wirken und als gut gelten kann; die bereits aufgestellte These, daß eine gute Rede idealiter ein Gemeinschaftsprodukt von Redner, Rede und Auditorium sein sollte, wird damit um so mehr bestätigt.102 101 Eigene Übers., J.K. 102 Aus der Perspektive eines Rhetorikers, der sich als rein praktischer Techniker versteht, spielt diese Feststellung selbstverständlich keine Rolle. Für ihn zählt, auch wenn er Moral und Ethik als Basis seiner Arbeit betrachtet, der Erfolg der Rede bzw. Kommunikation, und es ist offensichtlich, daß es somit im Zweifelsfall zu einem Paradoxon kommen kann: Obwohl eine Rede inhaltlich und sprachlich als gut beurteilt wird, so ist es natürlich vorstellbar, daß sie scheitert – weil andere Faktoren, wie z. B. die geschilderte redliche

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Die zweite bereits angesprochene Feststellung zu den zuvor zusammengefaßten Ergebnissen läßt sich als Vorbedingung für eine gute Rede definieren: Eine Rede wird nur dann als gut wahrgenommen, wenn sie tatsächlich identifikatorische Lösungen aufzeigt; hierzu muß die Intention des Redners gelingen. Mit anderen Worten kann nun weiterführend festgestellt werden: Eine Rede ist auch nur dann gut, wenn sie wirkt, wie es der Redner intendiert hat. Dies darf nicht als Widerspruch zur vorangegangenen Erörterung über die moralischen Aspekte betrachtet werden; eine wie vom Redner intendiert wirkende Rede ersetzt keinesfalls die moralischen Komponenten, damit sie als gut gelten kann. Dennoch ist auch dies ein wichtiger Aspekt, denn wirkt die Rede nicht, wie es der Redner wünscht, dann kann sie folglich auch nicht ohne weiteres das Prädikat gut erreichen, das ihr zugedacht war. Strategien aufzuzeigen, um eine beabsichtigte Redewirkung erzielen zu können, ist eines der Hauptanliegen dieser Arbeit, das mit den Ergebnissen des analytischen Abschnitts vermittelt werden soll. Zu Beginn des Kapitels wurde festgestellt, daß die Frage, was eine Rede zu einer guten Rede macht, auch immer einhergeht mit der Frage, was sie zu einer schönen macht; es handelt sich also auch immer um eine ästhetische Fragestellung. Gerade die Rhetorik muß dabei ebenso als Sprachästhetik definiert werden; gut und schön sind hierbei zwei miteinander verbundene Attribute, die mittels der rhetorischen Stiltheorie definiert werden: »[Der Redner] muß im einzelnen wissen, welche sprachlichen Zeichenreihen seine Zielgruppe als syntaktisch korrekt, semantisch richtig und schön (wohlgeformt) empfindet« (Breuer 1974: 144). Dies läßt sich noch einmal mit einer ästhetischen Definition der Antike belegen; gut und schön sind in der griechischen Vorstellung als Einheit in der kalokagathia untrennbar miteinander verbunden: So ist denn die Tugend nicht in einer Hinsicht gut, in anderer Hinsicht aber schön; ferner werden auch die Menschen in derselben Weise und in derselben Hinsicht schön und gut genannt; in derselben Hinsicht wird ferner auch alles übrige, dessen sich die Menschen bedienen, als schön und gut betrachtet, nämlich in Hinblick auf den Zweck, zu dem es gut brauchbar ist (Xenophon: 1962: 203; apomn. III,8). Kontrollfunktion des Publikums ausbleibt; insbesondere in einer Demokratie, die aus politischen Gegnern besteht, ist dies ohnehin der normale politische Alltag, und Reden, Strategien und andere kommunikative Leistungen werden, selbst wenn sie objektiv als gut bezeichnet werden könnten, dennoch von der Opposition oftmals als schlecht dargestellt. Während jener zuvor beschriebenen Rede also aus vielfachen Gründen und anderen Perspektiven das Prädikat gut verliehen werden kann, wird sie der verantwortliche Rhetoriker als schlecht oder zumindest als mißglückt beurteilen, weil das Ziel seiner Arbeit nicht erreicht wurde. Hierbei zu betonen, daß die Kritik ausschließlich auf der technischen Ebene des wirkungsorientierten Rhetorikers stattfindet, ist allerdings unerläßlich, um Unverhältnismäßigkeit, Disziplinvermischung und im Zweifel Polemik und eine irreführende Begründung zu vermeiden.

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Es ist bezeichnend, daß Xenophon in dieser Beschreibung der kalokagathia voraussetzt, etwas dürfe nur dann als schön und gut bezeichnet werden, wenn es einem guten Zweck diene; seine Definition fügt sich somit nahtlos in die bisherige Erörterung ein. Darüber hinaus müssen die Attribute gut und schön miteinander verbunden werden, wenn etwas als vollkommen gelten soll. Bemüht man sich, eine Definition zu finden, was eine Rede zu einer guten macht, so muß man letztlich natürlich danach fragen, was sie zu einer vollkommenen macht: Denn dies ist die rechte Art, sich auf die Liebe zu legen oder von einem anderen dazu angeführt zu werden, daß man von diesem einzelnen Schönen beginnend jenes einen Schönen wegen immer höher hinaufsteige, gleichsam stufenweise von einem zu zweien, und von zweien zu allen schönen Gestalten, und von den schönen Gestalten zu den schönen Sitten und Handlungsweisen, und von den schönen Sitten zu den schönen Kenntnissen, bis man von den Kenntnissen endlich zu jener Kenntnis gelangt, welche von nichts anderem als eben von jenem Schönen selbst die Kenntnis ist, und man also zuletzt jenes selbst, was schön ist, erkenne (Platon 2004b: 86 f.; symp. 30. / 211c).

Diese klassische Vorstellung der kalokagathia entspricht den bisher gewonnenen Erkenntnissen über die gute Rede, die nämlich nur dann dies Prädikat verdient, wenn sie sich als wahr, gut und damit auch schön erweist und im klassischen Sinne eine vollkommene Rede darstellt. Kurt Tucholsky, der zum Abschluß dieser Bestandsaufnahme noch einmal zitiert werden soll – von ihm stammte bereits das in 2.1 genannte Beispiel einer schlechten Rede –, faßte nach der langen Abhandlung darüber, wie man eine Rede mißlingen lassen kann, noch einmal äußerst knapp zusammen, was eine Rede zu einer guten Rede macht. Seine Liste spiegelt äußerst prägnant und kurzweilig die bisherigen Ergebnisse wider und bietet – trotz der Kürze – einen in der Tat guten Überblick über eine wirkungsästhetische Redekunst: Hauptsätze. Hauptsätze. Hauptsätze. Klare Disposition im Kopf – möglichst wenig auf dem Papier. Tatsachen – oder Appell an das Gefühl. Schleuder oder Harfe. Ein Redner sei kein Lexikon. Das haben die Leute zu Hause. Der Ton einer einzelnen Sprechstimme ermüdet; sprich nie länger als vierzig Minuten. Suche keine Effekte zu erzielen, die nicht in deinem Wesen liegen. Ein Podium ist eine unbarmherzige Sache – du stehst da nackter als im Sonnenbad. Merk Otto Brahms Spruch: Wat jestrichen is, kann nich durchfalln (Tucholsky 2003: 467).103

103 Eine vergleichbare kurze Aufzählung bietet auch Breitenstein mit seinen Sieben goldenen Rederegeln (cf. Breitenstein 1994: 9).

Die Rhetorische Diskursanalyse

2.2

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Die Rhetorische Diskursanalyse

Aus der Perspektive dieser Arbeit ist die in den Kapiteln 2.1 und 2.1.5 gestellte Frage – was eine Rede zu einer guten Rede macht – inzwischen eindeutig zu beantworten: Eine Rede kann nur dann wirklich gut sein, wenn sie wirkt, wie es der Redner intendiert hat: Der produktionstheoretisch orientierten Rhetorik geht es allerdings nur um die in Akten bewußter Konstruktion erzeugten Botschaften. Wenn diese den Adressaten in der intendierten Weise erreichen, dann erfüllt der Text seine rhetorische Funktion als Instrument des Orators (Knape 2000a: 108).

Gleichzeitig muß an dieser Stelle hinzugefügt werden, daß sich eine gute Rede damit an die Regeln der (klassischen) Rhetorik zu halten hat und auch die ethisch-moralischen Grundsätze beachten muß; nur dann verdient eine Rede als Auszeichnung das Attribut gut. Aus den vorangegangenen Theorien und Modellen, Sprache auf ihre Wirkung zu überprüfen oder selbst zu konstruieren, läßt sich nun eine Methodik zusammenstellen, die, angelehnt an bisherige philologische und sozialwissenschaftliche Forschungen, als Rhetorische Diskursanalyse definiert werden kann. Das Ziel einer Analyse mittels dieser Methodik ist vor allem die Erfassung der in einer Rede tatsächlich angelegten und enthaltenen Wirkungselemente sowie deren Abgleich mit der intendierten Wirkung (telos) und der tatsächlich erfolgten Wirkung, dargestellt an Rezeption sowie journalistischer und wissenschaftlicher Repräsentation. Das Ergebnis einer solchen Zielsetzung ist, Übereinstimmungen und Divergenzen zwischen intendierter, konstruierter und rezipierter Wirkung aufzuzeigen und zu erklären, die Wirkungsästhetik von Textproduzent (dem Redner) und Textprodukt (der Rede) zu beschreiben, bestimmte Wirkungsmuster und -strategien kenntlich zu machen und darüber hinaus auffallende Besonderheiten zu verdeutlichen. Hierzu bietet es sich an, die einzelnen, zuvor erörterten Aspekte in drei grundsätzliche Analysekategorien einzuteilen: die Makro-, Meso- und Mikroebene der Analyse (cf. 2.1). Den einzelnen Ebenen können als wichtigste Wirkungsbedingungen das äußere aptum (in der Makroanalyse gleichsam das Setting) und das innere aptum (cf. 2.1.2.2) zugeordnet werden; für die Mesound Mikroebene zudem die grundsätzlichen officia oratoris (cf. 2.1.2.1).

126 Makroanalyse: Setting und Diskurs äußeres aptum

Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

Rezeption und Repräsentation der Rede im Diskurs Journalistisch Wissenschaftlich Die intendierte Wirkung: Historischer Kontext der Rede: Der Redner und dessen Fokus auf bestimmte pisteis Der historische Hintergrund Ort, Zeit und Auditorium Überblick und Thematik der Rede

Mesoanalyse: Redetext inventio dispositio elocutio äußeres aptum inneres aptum

Mikroanalyse: Redetext und Kommunikationsphänomene elocutio (memoria) actio inneres aptum

Intendierte, angelegte und angebotene Wirkung Redegenus Inhalt Aufbau (partes orationis) Kontextbezüge Ort und Inszenierung, Besonderheiten während des Vortrags Dauer der Rede Angelegte und angebotene Wirkung Der Fokus der Rede auf bestimmte pisteis Ethos bei Redner und Text Logos: Die Argumentation Pathos: Erzeugung starker Emotionen Redeschmuck Komplexität Sprachliche Besonderheiten, Identifikation, Authentizität und Handlungsaufforderungen Parasprache in der actio

Zusammenfassung und Ergebnis

Wirkungsmuster und -strategien: Intendierte Wirkung und Wirkungsästhetik der Rede nach der Rhetorischen Diskursanalyse Die erzielte Wirkung auf das Auditorium Übereinstimmung und Divergenzen der Wirkung Besonderheiten und Schlußfolgerungen zur künftigen Verhinderung von Divergenzen

Abbildung 5

Die Rhetorische Diskursanalyse

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Als Leitfaden und Klammer des Untersuchungsablaufs dienen so zum einen die typischen Abfolgen von Kritischer Diskursanalyse und klassischer Rhetorik, zum anderen das an Turk angelehnte Wirkungsschema zwischen Sprecher, Rede und Hörer (2.1.4). Das Close Reading dient innerhalb der Analyse für die Bearbeitung der einzelnen Analyseabschnitte als hermeneutisch-pragmatisches Erörterungsverfahren (cf. 2.1), für das methodische Überlegungen von Burke und Kilian hinzugezogen wurden (cf. 2.1.3). In der diskursanalytischen Makroebene (cf. 2.1.1) soll zunächst die nachweisbare, tatsächlich erfolgte Wirkung anhand einer Auswertung empirischer Quellen diskutiert werden; eine Aufteilung in journalistische und wissenschaftliche Ressourcen erscheint hierbei sinnvoll, damit nachvollziehbar bleibt, welche tatsächlichen Wirkungen eine Rede selbst ausgelöst hat, und welche Reaktionen erst durch anschließende Berichterstattung, auch über bereits erfolgte Wirkung, evoziert und etabliert wurden. Anschließend soll in diesem Abschnitt insbesondere ein Fokus auf die Beziehung zwischen Redner, Rede, Kontext und das daraus resultierende äußere aptum gelegt werden. Hiermit können das Setting der Rede und die diskursiven Elemente definiert werden, um die grundsätzlichen pisteis und ein vermutbares telos zu bestimmten; zudem sollen Rezeption und Repräsentation innerhalb des Diskurses reflektiert werden, um bereits die ersten Übereinstimmungen und Divergenzen der Redewirkungen zu belegen. Sowohl für die Makroanalyse als auch für alle weiteren folgenden Analyseabschnitte ist es dienlich, verwandte und miteinander besonders verbundene und kooperierende Aspekte in Untergruppen innerhalb der Erörterung zusammenzufassen (cf. Abbildung 5). Innerhalb der Mesoebene soll der Fokus dann auf den Redetext gelegt werden, um die konzipierte, »angebotene« Wirkung der Rede definieren zu können. Hierzu werden nun vor allem der Inhalt und dessen Präsentation im Aufbau der Rede, also in den partes orationis (cf. 2.1.2.1), erörtert; darüber hinaus sollen hier die Bezüge zum diskursiven Kontext, Ort, zur Inszenierung (cf. 2.1.2.3.2) und Dauer der Rede beobachtet werden. Auch in der Mikroebene stehen der Redetext und damit die darin angelegte Wirkung im Zentrum der Analyse; in diesem Abschnitt sollen singuläre Kommunikationsphänomene, mediale Vermittlung und die Performanz der Rede untersucht werden. Zunächst wird daher eine Bestimmung der in der analysierten Rede fokussierten pisteis (cf. 2.1.2.3) vorgenommen, die dann im einzelnen (cf. 2.1.2.3.1 und 2.1.2.3.3) beispielhaft am Text diskutiert werden. Hierbei werden ebenso beispielhaft Redeschmuck, Komplexität, sprachliche Besonderheiten, Identifikationselemente und Handlungsaufforderungen (cf. 2.1.2.3.3 und 2.1.5) betrachtet; zudem werden als besonderes Element der

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Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

actio auch die außersprachlichen Mittel berücksichtigt (cf. 2.1.2.3.2) und das innere aptum (cf. 2.1.2.2) der Rede beurteilt. Die Ergebnisse aller drei Analyseebenen werden zum Abschluß in einer Zusammenfassung geordnet, aufbereitet und diskutiert, um die eingangs bestimmten Ziele der Analyse erreichen zu können. Die Analyse kann als geglückt gelten, wenn anhand der Diskussion und ihrer beispielhaften Ergebnisse gezielt Rückschlüsse auf die Wirkung eines Textes bzw. einer Rede hinsichtlich ihrer Beschaffenheit im Kontext ihres Diskurses gezogen und somit grundlegende Annahmen zu rhetorischen Wirkungsprozessen – also zur Wirkungsästhetik der Rede – formuliert werden können. Im Gefüge der aufgestellten Methodik erweist sich insbesondere die (klassische) Rhetorik als Glücksfall für die Bearbeitung der Aufgabenstellung, da diese bereits zu Beginn eine hermeneutisch-pragmatische Herangehensweise erforderlich machte: »Rhetorik war von Augustins Predigtlehre über Melanchthons Homiletik bis hin zu den Redelehrbüchern der Aufklärung auch Hermeneutik« (Jens 1969: 11). Die bisherige Diskussion kann indes genauso auch pragmatische Züge innerhalb der Rhetoriklehre nachweisen; der logos als sprachliches Instrument spiegelt dies ebenso wider wie das aptum, nach dem sich der Gebrauch der rhetorisch konstruierten Sprache zu richten hat. Es erscheint an dieser Stelle also kaum noch verwunderlich, daß sich die hermeneutisch-pragmatische Diskursanalyse und die Wirkungsästhetik mit der Rhetorik so mühelos verbinden lassen, um eine Methodik zu schaffen, die alle wichtigen Aspekte in einer Analyse berücksichtigen kann. Daß gerade die Rhetorik, obwohl sie mitunter mit zweieinhalbtausend Jahre alten Schriften arbeitet, auch heute noch hervorragend zur Forschung geeignet ist, verwundert und erstaunt auf den ersten Blick. Dennoch erwies sich die wissenschaftliche Arbeit mit den antiken Texten nicht nur als problemlos, sondern auch als besonders nützlich und für die Thematik als optimal geeignet. Diese Erkenntnis, daß die antiken Rhetoriker noch heute Gültigkeit haben und modernen Forschungsansprüchen mehr als genügen, ergibt sich aus der Tatsache, daß sie bereits in ihrer Zeit den Regeln wissenschaftlicher Forschung folgten. Aristoteles beobachtete, daß einige Redner Talente waren, die eine Argumentation wegen ihrer eloquenten Veranlagung meisterten, anderen hingegen glückte dies wegen ihrer »aus Gewohnheit erworbenen Fähigkeit«. (Aristoteles 2005a: 7; rhet. I,1) Daher mußte es nach Aristoteles’ Ansicht ebenso gelingen, dies auch nach methodischen Richtlinien zu erreichen, indem die Strategien der erfolgreichen Redner und Reden erforscht würden: »[…] ein solches Unterfangen ist aber, wie wohl alle zugeben, bereits Aufgabe von Wissenschaft« (ibid.). Es ist offensichtlich, daß sich die antiken Forscher an wissenschaftliche Methoden hielten, die bis heute ihre Richtigkeit nicht verloren haben und in den

Die Rhetorische Diskursanalyse

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modernen Wissenschaften weiterhin angewendet werden. Daß die Erkenntnisse ihrer antiken Vorgänger in der zeitgenössischen Forschung noch immer von hohem Nutzen sind, stellt eine faszinierende Erkenntnis dar – sicherlich auch aus anthropologischer Sicht. Diese Feststellung gilt nicht nur für wissenschaftliche Methodologie im allgemeinen, sondern wiederum auch für die Rhetorik im speziellen: So lebt in den Strukturen, Begriffen und Bedeutungen der Sprache, mit der wir uns verständlich machen, das Erbe der Vergangenheit, der wir entstammen und ohne deren Kenntnis und Verständnis wir uns selbst nicht kennen und verstehen würden (Merklin in Cicero 2003: 4).

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Die Rhetorische Diskursanalyse: Methodik

Abbildung 6

3 Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden: Material, Analyse, Diskussion

3.1

Rede und politische Rede Meine Damen und Herren, Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch – ohne darum- herumzureden – in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden. Ich kann meinen politischen Standpunkt in wenige Worte zusammenfassen: Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens, und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens, die konzentrierte Be-inhal-tung als Kernstück eines zukunftweisenden Parteiprogramms (Loriot 2006: 227).

Loriots Bundestagsrede ist nicht nur ein vielzitierter Klassiker des deutschen Humoristen Vicco von Bülow, sie steht auch ebenso symptomatisch für die bundesrepublikanische Reden- und Politikentwicklung und ihr Image in der Öffentlichkeit. Verfolgt man Bundestagsdebatten oder Polit-Talkshows, so kann man sich oftmals des tragisch-komischen Eindrucks nicht erwehren: Loriot hat nur allzu recht, wenn er die zeitgenössische politische Rede in Deutschland als austauschbare Phrasendrescherei ohne jeglichen Inhalt, Gedanken und intelligente Substanz darstellt. Es scheint fast so, als sei Breitensteins Patentrede (cf. 2.1.5) eine self-fulfilling prophecy für die politische Redekultur in Deutschland; Pörksen wies beispielsweise Elemente aus ihr für Gerhard Schröders Rede zur Agenda 2010 nach (cf. Pörksen 2004: 46 ff.):104 Die ›Agenda 2010‹ wurde als große Rede, die das Steuer herumreißt, angekündigt und als konventionelle Regierungserklärung absolviert. Sie dokumentiert den ärmlichen Zustand der öffentlichen Rede in der Bundesrepublik (ibid.: 43; cf. 2.1.5).

Die öffentliche Rede, so könnte man inzwischen annehmen, wird eigentlich nur noch dann wahrgenommen, wenn sie öffentlich mißlingt oder zum Skandal wird. Beispiele hierfür lassen sich für die jüngste Vergangenheit zuhauf nennen; 104 Gehalten am 14. 03. 2003.

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

an dieser Stelle seien nur die Rede Martin Hohmanns zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2003 und Gerhard Schröders Rede bei einer Festveranstaltung der Firma Jenoptik am 26. Juni 2001 genannt. Man mag der ersteren zwar – vorsichtig ausgedrückt – zugunsten des Redners und mit viel Goodwill unterstellen, daß jener seine Rede immerhin gut gemeint hat (cf. 2.1.5), so steht sie aber wegen ihrer peinlichen Provokation für einen dilettantischen Umgang mit der Historie und, vor allem, für ihre einen Skandal verursachende Wirkung.105 Die Rede Schröders dagegen beweist, wie selten öffentliche Reden normalerweise im Gedächtnis der allgemeinen Öffentlichkeit bleiben oder überhaupt erst wahrgenommen werden. Wäre die Formulierung »Politik der ruhigen Hand« (Schröder 2001) nicht gefallen, würde sich wahrscheinlich niemand mehr an die Rede erinnern; es hätte sicherlich nicht einmal eine weiträumige Berichterstattung darüber gegeben: Was nicht berichtet wird, existiert nicht, oder etwas vorsichtiger : Seine Chancen, zu einem Teil der von den Zeitgenossen wahrgenommenen Wirklichkeit zu werden, sind minimal (Noelle-Neumann 2001: 216).

So aber bleibt die Jenoptik-Rede im öffentlichen Gedächtnis: Schröder provozierte durch seine Wortwahl geradezu eine mißglückende Wirkung, die ihm die Empörung und Häme der Opposition sowie eine ausgebreitete Reflexion darüber in den Medien einbrachte. Beide Redenbeispiele zeigen: Die öffentliche Rede in Deutschland mag zwar (scheinbar) kaum Beachtung finden, sie steht aber um so mehr im Blick der Öffentlichkeit, wenn man sich mit ihr blamiert. Das Erstaunlichste an dieser Erkenntnis ist vielleicht, daß sie leider nicht neu ist. Der Niedergang der politischen Rede in Deutschland wird bereits von Herder kritisiert: »[…] Regeln der Beredsamkeit suchen sie ja nur vorzüglich wenigstens, in den Alten. […] Beredsamkeit aber wohnte nur da, wo Republik war, wo Freiheit herrschte, wo öffentliche Beratschlagung die Triebfeder aller Geschäfte […] war. Was man auch sage, wir sind Barbaren und tragen noch genug Zeichen unserer Abkunft an uns« (Herder 1994: 523; Briefe das Studium der Theologie betreffend 42). In demselben Tenor äußert sich Daniel Schubart: »Deutschland kann, nach seiner Verfassung, keine Meisterstücke in der politischen Beredsamkeit haben« (Schubart 1781: 211; Lehrbuch der schönen Wissenschaften § 287).106 Auch in Adam Müllers Zwölf Reden über die Beredsamkeit und deren 105 Wenn Hohmanns selbstverschuldet verunglückte Argumentation an dieser Stelle nicht bestritten werden soll, so muß allerdings festgehalten werden, daß der Vorwurf, er habe die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland verharmlost oder die Juden in ihrer Gänze als »Tätervolk« diffamiert, keinesfalls richtig ist, sondern daß dieser Eindruck dadurch entstanden ist, daß Teile seiner Rede völlig aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wurden (cf. Schenk 2004: 41 ff.). 106 Einen Verfall zuvor vorhandener politischer Redekunst führt Schubart somit konsequent auch auf die Veränderung im politischen System zurück; nach Ciceros Tod sank seiner

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Verfall in Deutschland (Müller 1967a: 293 ff.) wird die beklagenswerte Bestandsaufnahme der politischen Rede reflektiert; all diese Beispiele stammen immerhin aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Zweifellos mußte sich die politische Rede eine Nische suchen, in der sie in jener Zeit die Aufgaben des politischen Vortrags erfüllen konnte; sie mußte einen Ort finden, an dem sie belehren, überzeugen und (neue) politische Standpunkte verdeutlichen konnte. An die Stelle eines Plenarsaals oder Forums trat zwangsläufig das Theater, auf dessen Bühne politischer Meinungsaustausch, sofern ein Stück nicht dem Zensor zum Opfer fiel, stattfinden konnte. Natürlich können ganze Stücke als politisch motivierte Dramen gelten; bei Lessing, Schiller und Kleist, aber auch Hauptmann, Brecht, Dürrenmatt und Borchert, um nur wenige Beispiele zu nennen, lassen sich für politische Aussagen viele Beispiele finden. Die Dramaturgie eines Stücks ist darüber hinaus wirkungsästhetisch ohnehin vergleichbar mit den partes orationis einer Rede; beide dienen selbstverständlich auch dazu, eine Aussage wirkungsvoll darzubieten. Hiermit endet die Verschmelzung von Drama und Rede aber nicht; im Gegenteil: Während es für die politische Rede bis zum 20. Jahrhundert zwar keine oder nur selten Gelegenheit gab, öffentlich praktiziert zu werden, tritt sie dafür aber als charakteristisches Element in vielen Dramen jener Zeit auf.107 Fausts Forderung nach einem »freien Grund mit freiem Volke« in Faust II (Goethe 1999: 446), Tells Rede in der hohlen Gasse bei Küßnacht in Schillers Wilhelm Tell (Schiller 1996: 478 ff.), Robespierres Rede vor dem Jakobinerklub (Büchner 1992: 22 ff.) oder Dantons flammende Verteidigungsrede vor dem Revolutionstribunal (ibid.: 62 ff.) in Büchners Dantons Tod sind nur einige wenige Beispiele für Reden mit politischen Stellungnahmen im deutschen Drama, die mitunter sehr exakt rhetorischen Regeln folgen. Statt der Rednerbühne eines Plenarsaals wird so die Bühne des Theaters für das VerAnsicht nach z. B. die Redekunst in Rom: »Der Hauptgrund liegt wohl auch in der Veränderung der Regierungsform, die die rednerischen Talente weder aufwecken noch begünstigen konnte« (Schubart 1781: 209; Lehrbuch der schönen Wissenschaften § 283). Noch deutlicher in seiner Kritik an der deutschen Politik, Gesellschaft und Bildung wird Schubart darüber hinaus in § 271: »Wir können keine solchen Redner haben, wie die Griechen und Römer hatten; weil unsre Redner, unsre Auditoria, unsre Gegenstände von den Griechischen und Römischen durchaus verschieden sind. Die alten Redner waren die aufgeklärtesten und feinsten Menschen; sie waren die größten Kenner der Politik, der Geschichte, Verfassung und Gesetze ihres Staates. Ihre Zuhörer erhielten gleichfalls bis auf die niedrigsten Stände herab, auf vielen Wegen eine bessern Erziehung, die man bey uns nicht suchen darf […] Die Gegenstände ihrer Reden waren Nationalangelegenheiten, die alle Bürger gleich stark intereßierten, und an welchen jeder Bürger so wohl bey der Berathschlagung, als auch bey der Entscheidung Theil nehmen durfte. Das alles ist bey uns anders« (Schubart 1781: 200; Lehrbuch der schönen Wissenschaften § 271). 107 Die hier notierten Beispiele können freilich nur einen begrenzten Eindruck darüber vermitteln, wie wichtig das Element der politischen Rede für die deutsche Dramatik wurde. Eine tiefergehende Studie der Bedeutung der (politischen) Rede in der deutschen Dramenkunst könnte mitunter weitere aufschlußreiche Erkenntnisse bereithalten.

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

künden politischer Standpunkte und zum Überzeugen des Auditoriums genutzt: »Die Unzulänglichkeit der politischen Verhältnisse verlangt nach einer anderen Bildungsinstanz, und dazu eben scheint die Schaubühne tauglich« (Ueding 1971: 190). Schiller selbst notierte: So groß und vielfach ist das Verdienst der bessern Bühne um die sittliche Bildung; kein geringeres gebührt ihr um die ganze Aufklärung des Verstandes. Eben hier in dieser höhern Sphäre weiß der große Kopf, der feurige Patriot sie erst ganz zu gebrauchen (Schiller 1992: 196).

Die Dantons, Robespierres, St. Justs und Marats sind in der deutschen Politik des 18. und 19. Jahrhunderts kaum auszumachen – dafür findet man sie aber auf der deutschen Bühne (cf. Hinderer 1981: 191). Friedrich Wolf resümierte noch im 20. Jahrhundert: »Es stimmt schon: Wir setzten unsere politischen Leidenschaften und Erkenntnisse nicht in konkrete Taten um, sondern wir reagierten sie im Geistigen und auf dem Theater ab […]« (Wolf 1967: 321 f.). Es ist dabei ohne Frage zu unterstellen, daß die Rede in einem Theaterstück in praxi dieselbe Funktion übernahm wie eine »reale« politische Rede; sie war nicht nur Teil eines fiktiven, literarischen und ästhetischen Kunstprodukts, die den »realen« Regeln der Rhetorik folgte, sondern sie sollte vom Auditorium gehört und verstanden werden sowie im besten Falle politische Meinungen und Prozesse beeinflussen. Caroline von Wolzogen berichtet von einem Gespräch, in dem Schiller das Theater zur Rednerbühne erklärt: ›Das Theater‹, sagte er [i.e. Schiller, J.K.], ›und die Kanzel sind die einzigen Plätze für uns, wo die Gewalt der Rede waltet;‹ und in seinem Sinn sollte das Theater immer der Kanzel gleichen, die Menschen geistiger, stärker und liebreicher machen, die kleinen, engen Ansichten des Egoismus lösen, zu großen Opfern das Gemüt stärken und das ganze Dasein in eine geistigere Sphäre erheben, wo die Tugend als Ziel in höherer Glorie steht (Wolzogen 1828: 236).

Bei Wolf bestätigt sich Schillers These, explizit auch bezüglich eines politischen telos, für die Zeit zwischen 1918 und 1931: »In dieser Zeit war in Deutschland gerade das Theater das feinste Reagens, der beste politische Indikator, ein mindestens ebenso wirksamer Kampfplatz wie Presse und Versammlungsraum« (Wolf 1967: 322). Während Macht und Möglichkeiten der politischen Rede auf der Theaterbühne also genutzt werden konnten und auch genutzt wurden, war die politische Redekunst außerhalb des Theaters dagegen vor allem bis ins 19. Jahrhundert hinein verkümmert; die zuvor genannten Beispiele von Herder, Schubart und Müller belegen einen frühen allgemeinen Katalog für die Gründe des Schwundes politischer Rhetorik, der sich ebenso bei Gottsched, Sulzer, Goethe und Heine findet und der eine stereotype »Klage über den Verfall der deutschen Beredsamkeit« bekundet (Hinderer 1981: 235). Walter Jens greift die genannten Thesen Herders, Schubarts und anderer für

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die bundesrepublikanische Rede wieder auf (Von deutscher Rede, 1969). Hierbei ergibt sich ein pikantes Detail, das unter Umständen beängstigende Rückschlüsse auf unser demokratisches System zuließe: »Allerdings muß solchen historischen Rückblicken entgegen gehalten werden, dass Deutschland nun und seit langem eine erprobte freiheitliche Verfassung hat« (Meyer 2000: 16). Wenn Jens’ These gilt, »Herrscht das Volk, regiert die Rede; herrscht Despotismus, dann regiert der Trommelwirbel […]« (Jens 1969: 17); was bedeutet das dann eigentlich für die Entwicklung der Demokratie in Deutschland? Es wäre eine bittere Erkenntnis, wenn deutsche Politiker in der Öffentlichkeit nicht mehr überzeugen müßten. Bevor man dem zeitgenössischen demokratischen System in Deutschland nun aber eine latente Despotie unterstellt, muß die Realität der bundesdeutschen fraktions-parlamentarischen Politik berücksichtigt werden: Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und mit dem Forum des Parlaments entstanden sicherlich Bedingungen, von denen ein positiver Einfluß auf die Entwicklung der politischen Rede erwartet werden konnte. Mehr und mehr werden aber die politischen Entscheidungen nicht im Parlament getroffen, sondern in Gremien und Ausschüssen, die die Vorarbeit für Beschlüsse leisten und eben auch vorentscheiden. […] Dabei nimmt die politische Rede einen ihrer Tradition fremden Charakter an; sie muß rechtfertigen, muß Beschlüsse akzeptabel machen, sie hat dabei eher werbenden als argumentativen Charakter (Ueding / Steinbrink 2005: 182).

Dabei wird eine eigene Meinung natürlich leicht einer vorher festgelegten Richtung unterworfen: Parlamentarische Abstimmungen, die streng nach Parteizugehörigkeit erfolgen, entziehen der Überzeugungsrede die Grundlage. Dass unter diesen Bedingungen eine hohe politische Rhetorik leidet, soll hier nicht bestritten werden (Klages 2001: 23).

Dennoch bleibt die politische Rede ein Merkmal der Demokratie. Es ist kaum anzunehmen, daß Regierungsvertreter ansonsten Redenschreiber beschäftigten, in den Nachrichten über Parlamentsdebatten berichtet und auf Marktplätzen zu Wahlkampfzeiten Kundgebungen organisiert würden, oder daß Talkshows als Weiterentwicklung eines römischen Forums – »[…] sic nunc te […] in forum et ad causas et ad vera proelia voco […]«108 (Tacitus 1964: 76; dial. 10,5) – zum Standardprogramm des Fernsehens gehörten. Es ist daraus ersichtlich, daß die heutigen politischen Reden und Debatten zwar der klassischen Vorstellung und den Ansprüchen der kunstfertigen Rhetorik oft nicht standhalten können, sie sich aber durchaus zu neuen Formen weiterentwickelt haben. Diese Genese wird sich im folgenden noch genauer definieren lassen; zunächst sollte nun aber erst einmal festgestellt werden, welche Wurzeln die heutige politische Rede hat. 108 »So rufe ich dich nun auf das Forum, sowohl zu den Streitfällen als auch zu den wahren Schlachten« (eigene Übersetzung, J.K.); cf. Pörksen 2002: 162.

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

Traditionell werden nach Aristoteles drei verschiedene Gattungen der Rede unterschieden: »[…] daher wird man wohl von drei Redegattungen sprechen müssen, der Beratung-, Gerichts- und Festrede«109 (Aristoteles 2005a: 19; rhet. I,3 / 1358b). Die Besonderheit des aristotelischen Systems ist, daß sich die einzelnen Gattungen beliebig in Subgenres unterteilen lassen (cf. Ottmers 1996: 18), ihren grundsätzlichen Charakter aber stets behalten: »Zur Beratung gehört das Zu- und Abraten […] In den Bereich der Rechtssprechung fallen Anklage und Verteidigung […] Die Festrede gliedert sich in Lob und Tadel«110 (Aristoteles 2005a: 19; rhet. I,3 / 1358b). Plett ordnet die politische Rede der Beratungsrede oder auch deliberativen Gattung (genus deliberativum) zu (cf. Plett 2001: 17); in Klassische Rhetorik »übersetzt« Ueding das genus deliberativum sogar mit politische Rede (cf. Ueding 2005: 54). Dies entspricht vermutlich auch am ehesten der klassischen Auffassung der Redengattungen, da sie den anderen beiden Genres und insbesondere der Gedenkrede jegliches Politikum abspricht; ein Umstand, der heutzutage eher nicht mehr recht haltbar erscheint (v.i.). Pörksen unterstellt daher folgerichtig allen drei Klassifizierungen die Möglichkeit zur politischen Rede und bezeichnet sie – zeitlich, organisatorisch und prinzipiell unterscheidbar –, als »drei Handlungsbezirke der politischen Rede« (Pörksen 2002: 164). Klages zieht indes eine aktuelle Gliederung der Anlehnung an die klassische Aufteilung vor : »Man könnte heute eine Einteilung nach den Absichten des Redners vornehmen: Informieren, Unterhalten und Überzeugen« (Klages 2001: 24). Eine ähnliche Definition nimmt auch Klein am Beispiel einer Rede Kofi Annans aus dem Jahre 2002 vor dem Deutschen Bundestag vor (cf. Klein 2003: 1516). Klages stellt mit seiner Auflistung eine Genredefinition zusammen, die sich weniger an einer der bestimmten aristotelischen Gattungen orientiert als vielmehr an den Wirkungsfunktionen docere, delectare und movere (cf. 2.1.2.3). Diese Definition erscheint insofern sinnvoll, da die politische Rede auf vielerlei »Bühnen« stattfindet, die eine reine Beratung eher unwahrscheinlich werden läßt. Klages nennt zwar »die drei Haupttypen […] Parlaments-, Parteitags- und Versammlungsrede«; man könnte als zusätzliche Beispiele kontemporärer politischer Rede problemlos aber noch weitere Subgenres und Spezialformen zufügen, darunter die Große Regierungserklärung, Wahlkampfreden, Redesituationen in der (internationalen) Diplomatie, Fest- bzw. Gastre109 Zusätzlich können die Kanzelrede und der Brief inzwischen als weitere Gattungen angesehen werden, cf. Ottmers 1996: 18; Klages erweitert die Liste noch um den wissenschaftlichen Fachvortrag, cf. Klages 2001: 24. 110 Daß es in der Praxis allerdings Mischformen gibt, scheint in bezug auf ein dies verlangendes aptum möglich; die moderne politische Rede, wie sich in den Analysen noch zeigen wird, ist ohne eine Mixtur der Redegenera kaum denkbar. Auch in der Antike erweist sich die strenge Abgrenzung darüber hinaus oftmals als Theoretikum, wie sich im folgenden herausstellt.

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den und Gedenkreden (cf. zu letztgenannter Klages 2001: 23 f.) ebenso wie TalkShow-Statements, Fernsehinterviews und Fernsehansprachen111 (in den USA: TV Address): »Reden vor der passenden Kulisse: Da ist das Fernsehen eher das geeignete Mittel, Reden mit ›symbolischer Politik‹ zu verknüpfen, als das auf Saalbühnen oder große Plätze angewiesene Kundgebungsarrangement oder als Hörfunk, der kaum mehr als die Beifallskulisse mitliefern kann« (Klein 2003: 1500). Die Fernsehstudiogäste werden zwar zu »Claqueuren« (Trotha 23. 02. 2007: s. Anhang) degradiert, übernehmen dabei aber in der Tat die sicht- und vor allem hörbare Publikumsebene eines Redenvortrags. Bedenkt man nun, daß den »klassischen« Varianten eine wesentlich geringere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird als in der Antike – oder überhaupt im Nicht-Medienzeitalter –,112 so verwundert es kaum, daß die Grenzen der aristotelischen Gattungen gesprengt werden, und Reden immer dann politisch werden, wenn Politik – in welcher Form auch immer – mit im Spiel ist: Wie die oben bereits erwähnten Fest- und Gastreden Gerhard Schröders, Michael Hohmanns und Kofi Annans zeigen, wird die ursprüngliche Festrede oder auch epideiktische Rede heute keinesfalls mehr nur in »Lob und Tadel« (Aristoteles 2005a: 19; rhet. I,3 / 1358b) unterteilt, sondern immer auch als Politikum genutzt. Dies zeigt zum einen die Entwicklung der (politischen) Rede insgesamt, zum anderen aber auch die Suche nach einer Möglichkeit, mittels Rhetorik heute noch zu wirken: Es scheint fast so, als hätten Politiker durch Kurzinterviews fürs Fernsehen und durch das rhetorische Dilemma eines Fraktionenparlaments die Sehnsucht entwickelt, klassische Redengenera dort zu nutzen, wo sie für politische Themen bisher nicht vorgesehen waren. Diese Entwicklung mag gegen die aristotelische Einteilung verstoßen (cf. 3.2), ist aber immerhin der Beweis dafür, daß die politische Rede nicht ausstirbt, sondern sich inzwischen neue Nischen sucht. Darüber hinaus bestätigt sie Aristoteles’ These, daß Sprache nicht nur ein ausgewiesenes Wesensmerkmal des Menschen ist, sondern auch immer eng mit dem Politischen verknüpft ist: »Doch die Sprache ist da, um das Nützliche und das Schädliche klarzulegen und in der Folge davon das Gerechte und das Ungerechte. […] Doch die Gemeinschaft mit diesen Begriffen schafft Haus und Staat« (Aristoteles 2007: 78; pol. I,2 / 1253a). Ein aktuelles Beispiel hierzu stellt eine Rede Gerhard Schröders dar,113 gehalten am 2. September 2008 aus Anlaß einer Benefizveranstaltung der Arbei111 In Deutschland meist von dem Regierungschef oder Staatsoberhaupt gehalten; gewöhnlich zu Weihnachten und Silvester, in Ausnahmefällen auch aufgrund von außergewöhnlichen politischen Ereignissen. 112 Wolfgang Thierse merkte hierzu an: »Der Fernsehsender Phoenix, der durchaus sogar ganze Reden mit Begrüßung und Schlussformel überträgt, hat seine erfolgreichsten Tage, wenn eine Zuschauerquote von 0,7 % erreicht wird« (Thierse 2005: 2). 113 Cf. Wehner 03. 09. 2008: 2, Nonnenmacher 03. 09. 2008: 10 und Schuster 03. 09. 2008: 1.

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terwohlfahrt International – also eigentlich zu einer klassischen epideiktischen Redesituation: Gerhard Schröder benötigt während seiner Festrede nur wenige Minuten, und schon ist er im südlichen Kaukasus angelangt. Bei der aktuellen Krise, vor allem aber bei Russland, das dem Altbundeskanzler so sehr am Herzen liegt. Schröder spricht bei einem Benefizabend der Arbeiterwohlfahrt International. […] Schröder redet über ›Herausforderungen in Zeiten der Globalisierung‹ – ein Thema, das ihm gestellt worden sei, wie er betont. Der Awo-Vorsitzende Wilhelm Schmidt hat das ganz anders in Erinnerung und berichtet, Schröder die Themenwahl weitgehend überlassen zu haben: ›Er sollte über etwas sprechen, was ihm passt.‹ So spricht der ›Herr Bundeskanzler‹, wie Schröder protokollgerecht begrüßt wird, über ein Thema, das ihm passt und wie es ihm passt (Sturm 03. 09. 2008: 2).

Hinsichtlich einer Mehrfachadressierung (cf. e. g. Kühn 1995; de Cillia / Wodak 2005: 1641) haben geschickte Politiker längst erkannt,114 daß sie durch eine Doppelmedialisierung (cf. Guhr / Knape 2008: 481) viel mehr (gezielte) Aufmerksamkeit erlangen, als sie beispielsweise in einer Parlamentsdebatte erreichen können; dies mag also insbesondere dann gelten, wenn es sich in bezug auf ältere Gattungseinteilungen um eine eher untypische politische Redesituation handelt. Ein jüngstes Beispiel hierfür wäre die Gastrede Barack Obamas an der Berliner Siegessäule: Obama hat sich bislang im Wahlkampf als gewiefter Taktiker erwiesen. Er ist sich immer bewusst, für welches Publikum er spricht. In Berlin hat er zwar vor begeisterten Deutschen Sympathien eingeheimst, seine eigentlichen Adressaten waren aber die zaudernden weißen Wähler in Ohio und Pennsylvania, Colorado und Virginia (Klüver 25. 07. 2008: 4).

Gleichwohl ist es gerade jene Doppelmedialisierung, die auch in einer herkömmlichen politischen Redesituation gesucht wird: […] wenn der Bundeshaushalt eingebracht wird, rechnen Regierung und Opposition (in sogenannten Elefantenrunden) miteinander ab, in der Hoffnung, dass viele Bürger zuhören und überzeugt werden können – dann ist das Parlament die Bühne für Pläne und Überzeugungen, wie August Bebel den damaligen, weitgehend machtlosen Reichstag verteidigt hat (Thierse 2005: 2).

Daß die Doppelmedialisierung dem unbedachten Redner gerade bei einer früher als »unpolitisch« geltenden Situation auch zum Verhängnis werden kann, be114 Natürlich erscheint das Modell des Karussells, wie es Kühn (1992: 51 – 66) erörtert, bei einer (technischen) Doppelmedialisierung nur bedingt oder kaum anwendbar ; es gilt aber weiterhin die Beschreibung der resultierenden Wirkungskette: »Wenn dann die Betroffenen reagieren, tangieren sie wiederum andere Adressaten in ihren Interessen, die sich dann wiederum zu Wort melden und andere Adressaten auf den Plan rufen können […]« (Liebert 2002: 34).

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weisen die Reden Schröders und Hohmanns (v.s.) darüber hinaus bereits eindrucksvoll. Abschließend muß diese »Inventur« zur Bestimmung der derzeitigen politischen Rede noch mit der Definition der Rede im allgemeinen abgestimmt werden. Knape faßt zunächst zusammen, daß es sich bei einer Rede um einen »mündlich vor einem Publikum« vorgetragenen, anlaßbezogenen Prosatext handelt (Knape 2003a: 233), der sich durch vier Merkmale kategorisieren läßt: Kommunikationssituation (Dialog oder Monolog), Performanz (Face-to-FaceKommunikation; Körperrhetorik, stimmlicher Vortrag), Pragmatik (Intentionalität, Funktionalität; Metabolie und Persuasion) und Textur (klassische rhetorische Kategorien). Hinsichtlich der Performanz stellt Knape fest, daß »die Rede als Face-to-Face-Kommunikationsakt von Zuhörern mündlich vorgetragen wird […]« (ibid.). Gerade im Hinblick auf Talkshows, Fernsehinterviews und Fernsehansprachen, und vor allem unter Berücksichtigung auf die bereits erwähnte Doppelmedialisierung muß an dieser Stelle erwähnt werden, daß sich die aktuellen politischen Reden – ob nun im Parlament oder im Fernsehstudio – durchaus an die Definition Knapes halten, nur daß die Face-to-Face-Situation im Zweifelsfall zugunsten der Massenkommunikation und -medien nur simuliert bzw. eben medialisiert wird: Auch wenn eine Rede dem Publikum erst über einen Fernsehbildschirm zugänglich wird, so ist sie doch von ihrer Ästhetik und Definition als Face-to-Face-Kommunikation angelegt – je mehr ein Redner diese Maxime verinnerlicht, so könnte die These lauten, desto besser kann er sich mit den Gegebenheiten der politischen Rede im Medienzeitalter arrangieren und sie für sein telos nutzen. Es stellt sich nunmehr heraus, daß die zeitgenössische politische Rede vielleicht keine poetische Ästhetik aufweisen mag, wie ihr für die Antike zugeschrieben werden kann, dennoch gehört sie zum Erscheinungsbild und Grundinstrument der modernen Politik dazu. Darüber hinaus ist es evident, daß sich die Möglichkeiten, politisch zu reden, durch die (Massen-)Medien enorm vervielfältigt haben, daß »die Fernseh-Talk-Shows schon längst das Parlament als Bühne des Politischen abgelöst haben […]« (Ulrich 2005: 82): Vielleicht suchen ja viele nicht nur die Politik am falschen Ort, sondern auch die politische Rede, was meint: vielleicht blockiert der etatistisch resignierte Begriff von der Großen politischen Rede – ähnlich wie im Fall des etatistischen Politikverständnisses – den Blick für die ›Transformation‹ der politischen Redekultur, so daß der ›Kunst der politischen Rede‹ […] nachgetrauert wird, statt ihre neuen Ausprägungen und medienspezifischen Textsorten zu bemerken (Kopperschmidt 1995: 14).

Die anfangs aufgestellte Befürchtung, daß sich die Demokratie durch den schwindenden »klassischen« politischen Redentypus als wahrhaftige Despotie erweisen könnte, kann somit (zum Glück) nicht verifiziert werden. Dennoch

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

entsteht dies Bild auf den ersten Blick, und es erscheint als Pflicht demokratischer Politiker, dem entgegenzuwirken: »Es ist noch immer das gesprochene Wort, wodurch sich Politiker dem Bürger vornehmlich mitteilen, sich rechtfertigen und für ihre Ziele werben« (Klages 2001: 24). Ist zudem eine elegantere Methode denkbar, ein hohes zivilisatorisches Gut wie die Demokratie zu festigen und zu verteidigen, als durch die Möglichkeit, dies durch Rede zu tun? Eine Bühne für Rhetorik, wie sie das Parlament bis heute den politischen Redner bereitstellt, können mediale Foren zudem keineswegs ersetzen: Eine solche Wiederauferstehungswirkung [in bezug auf die rot-grüne Koalition Gerhard Schröders nach der Debatte zur Vertrauensfrage am 1. Juli 2005, J.K.] wie die am 1. Juli können Fernseh-Talk-Shows, ja nicht einmal TV-Duelle, kaum je erlangen. Sie fordern die Akteure, jedenfalls die besten unter ihnen, weniger als der Plenarsaal. […] Talk-Shows sind also nur life [sic!] – der Bundestag hingegen ist Leben. Entsprechend aufgeladen sind die politischen Akteure, ja ist der ganze Reichstag an diesen entscheidenden Spieltagen der Politik (Ulrich 2005: 83 f.).

Es entsteht also zum einen eine moralische Verantwortung gegenüber der Demokratie als Verfassungsprinzip, der die Politik mittels Rede unbedingt begegnen muß, denn Rhetorik und die politische Rede sollten »nicht bloß als mehr oder weniger kontingenter Teilaspekt des Politischen« gelten, »sondern als dessen originäre Existenzweise […]« (Kopperschmidt 1995: 10). Zum anderen konnte durch die genannten Beispielreden bereits belegt werden, welche Chancen, aber auch welche Risiken mit der aktuellen politischen Rede verbunden sind. Es ist daher mehr als notwendig, energisch für eine Rückbesinnung auf die Kunst der Rhetorik zu plädieren: Rhetorik in der Wissenschaft – das ist trotz aller Verwestlichung der Bundesrepublik immer noch eine in ihrer Bedeutung weithin unverstandene und darum gering geschätzte Sache – als kommunikative Strategie und erst recht als Forschungsgegenstand und akademisches Lehrfach. Angesichts des jahrzehntelangen engen Kontakts mit Gesellschaften, die von einer starken rhetorischen Tradition geprägt sind, wie Frankreich, Großbritannien und den USA, ist dies eigentlich ein erstaunlicher Vorgang. Wie lange wird sich Deutschland das noch leisten können? (Meyer 2002: 52).

Meyers Frage klingt mehr als berechtigt, nicht nur im Hinblick auf den internationalen Vergleich und auf in Zukunft sicherlich immer wichtiger werdende diplomatische Verhandlungen und Ereignisse. Sie kann genauso auch für den nationalen politischen Alltag gestellt werden, denn eine Demokratie muß sich zweifelsfrei auch darin behaupten, was sie überhaupt erst möglich macht – in der Disziplin der (politischen) Rede: Die politische Rede gilt als ein »ebenso exemplarischer […] wie repräsentativer Typ persuasiver Sprachverwendung […]« (Kopperschmidt 1995: 10).

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Das Problem der politischen Gedenkrede

Jens’ Umschreibung des »Trommelwirbels der Despotie« (v.s.) kann sich im Falle einer neuen politischen Rhetorik bildhaft in ein Äquivalent verwandeln, das nun demokratische Züge aufweist: In diesen ausgesuchten Bundestagssitzungen finden buchstäbliche Redenschlachten statt, mit Heerschau und Duell, mit Gebrüll und Trommeln. Was sich da abspielt, ist ohne Zweifel gebändigter Bürgerkrieg. Dagegen sind TV-Talk-Runden doch nur brave Kammerspiele (Ulrich 2005: 85).

Je mehr ein politischer Redner diese Feststellung anerkennt und beherzigt, desto mehr ist allen Akteuren der Politik damit gedient – vor allem dem Politiker selbst, denn die »Kommunikation bestimmt das Nervensystem der Politik. Die Sprache ist das zentrale Instrument der Politiker« (Korte 2002: 5). Genauso dient es aber auch dem Bürger und der politischen Kultur : »Macht, Ethik und die Sache selbst – das Parlament ist durch nichts zu ersetzen und wird auch niemals ganz ersetzt werden« (Ulrich 2005: 86). Ob Loriots fiktiver Bundestagsabgeordneter diesem Aufruf zugestimmt hätte? Wenn, dann hätte er es, in Anbetracht seiner rhetorischen Fähigkeiten, vielleicht so ausgedrückt: Meine Damen und Herren, wir wollen nicht vergessen, draußen im Lande, und damit möchte ich schließen. Hier und heute stellen sich die Fragen, und ich glaube, Sie stimmen mit mir überein, wenn ich sage… Letzten Endes, wer wollte das bestreiten! Ich danke Ihnen… (Loriot 2006: 228)

3.2

Den Menschen einen Spiegel vorhalten: Das Problem der politischen Gedenkrede Nie geraten die Deutschen so außer sich, wie wenn sie zu sich kommen wollen Kurt Tucholsky, So verschieden ist es im menschlichen Leben!

Gerade in (West-)Deutschland hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg der Redentypus der Gedenkrede als besonderes Subgenre einer epideiktischen Rede mit »politischem Anstrich« etabliert: Allerdings kam in Deutschland das besondere Genre der Gedenkrede auf. Deren Intellektualität, kritische Nachdenklichkeit und moralische Betroffenheit über die deutsche Vergangenheit waren so ausgeprägt […], dass die politische Rede einen Erziehungsauftrag annahm. Ihr eigentliches Wesen, nach vorn gerichtete Bewegung und Kraft zu erzeugen, verlor sich dabei (Klages 2001: 23 f.).

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

Daß Politiker die Chance, zu Anlässen des Gedenkens eine politisch motivierte Rede zu halten, gerne nutzen, mag vielleicht auch insbesondere damit zu erklären sein, daß sich gerade zu diesen Begebenheiten eben die Möglichkeit bietet, eine klassische Rede überhaupt halten zu können, ohne sich dabei auf kurze Statements, wie beispielsweise in Talk-Shows, beschränken zu müssen (cf. 3.1), und daß dennoch ein mitunter großes Publikum erreicht wird. Bereits Schubart hält fest, daß die epideiktische Begräbnisrede, zu seiner Zeit die einzige nicht religiöse Redenform war, die überhaupt Rhetorik zuließ: »Der Tod vornehmer Personen ist fast die einzige Veranlassung zu Reden, die nicht Predigten sind« (Schubart 1781: 211; Lehrbuch der schönen Wissenschaften § 287).115 Ereignisse, zu deren Jahrestagen Politiker Gedenkreden halten, gibt es in der deutschen Geschichte zu Genüge. Dies bringt vor allem das Problem mit sich, daß durch die Konstellation epideiktische und politische Rede eigentlich ein Redengenre entsteht, das in der aristotelischen Redentypisierung nicht vorkommt, denn von den drei klassischen Redegattungen »zeigt gerade das genos epideiktikon keine besondere Nähe zum Politischen mehr« (Oesterreich 1999: 223): Es darf in der klassischen Festrede zwar gelobt oder getadelt werden (cf. 3.1); für das, »was den Ruhm der Rede ausmacht,« ist sie aber »völlig ungeeignet« (Cicero 2003: 425; de orat. II 341). Es fehlt an »Sachlichkeit« (Aristoteles 2005a: 183; rhet. III 12,5 / 1414a), das Publikum beurteilt nur »das rednerische Vermögen« des Orators und ist damit »bloßer Betrachter« (ibid.: 19; I 3,2 / 1358b): Der epideiktische Logos sinkt so zu einem praktisch folgenlosen, bloß unterhaltsamen Spiel vor einem vergnügungssüchtigen Publikum herab, das vor allem an der ästhetischen Form der Rede und der Kunstfertigkeit des Redners Gefallen zu finden scheint (Oesterreich 1999: 223).

Die epideiktische Rede wird damit leicht zu einem »aufgeputzt[en], üppig[en] und prahlerisch[en]« Panegyrik reduziert (RE 1965: 559), also zu einem nur auf Effekt zielenden, elogisch überhöhenden »Lobgesang«. Dialektische Überlegungen oder Überzeugungsstrategien sind daher für die Festrede nicht vorgesehen; sie erörtert keine »ungewissen« Fragen (cf. Quintilian 2006a: 365 f.; inst. III 8,16), sondern stützt sich auf feststehende (»certus«) und allgemein anerkannte Ansichten: Die epideixis »setzt in der Regel die Existenz und empirische Beschaffenheit der von ihr thematisierten Dinge als allgemein bekannt und gesichert voraus« (Oesterreich 1999: 222). Eine argumentative politische »Beratung«, wie im genus deliberativum, ist somit eigentlich ein Typennovum – das sich allerdings schon für die Antike nachweisen läßt. Bereits Gorgias wußte die epideiktische Gattung zu politisieren (cf. Gorgias 115 Zum Typus Begräbnisrede bzw. laudatio funebris v.s.

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1989: 75 ff.; Olymp. 7 – 8a): »Seine Olympische Rede aber, die er über ein höchst brisantes Thema hielt, machte er zum Politikum« (Philostratus 1989: 30; soph. IX; eigene Übers., J.K.). Ein »Musterbeispiel epideiktischer Politik« (Oesterreich 1999: 229) findet sich in der laudatio funebris des Perikles (Thukydides 2000: 137 ff.; Thuk. II,35). Caesar nutzte diese Form der Festrede (cf. Vollmer 1963: 992 ff.) ebenfalls als Medium, um seine politische Karriere zu beginnen: Noch deutlicher zeigte sich die Anhänglichkeit der Menge beim Tod von Marius’ Gattin Julia. Caesar war ihr Neffe und hielt auf dem Forum eine glänzende Leichenrede. […] Gleichwohl sprach Caesar […] zum Lobe seiner jungverstorbenen Gattin und mehrte auch damit seine Beliebtheit im Volk (Plutarch 1994: 203 ff.; vitae: Caesar 5; cf. Sueton 1997: 23; Iul. 6).

Aus dieser antiken Quelle ist ersichtlich, daß die beschriebene Wirkung über die Möglichkeiten einer gewöhnlichen Festrede hinausging, denn der »Vortrag war ernst und brachte dem kunstfertigen Redner nicht den sonst üblichen plausus ein […]« (Vollmer 1963: 993). Die Aufmerksamkeit der Menge war dem römischen Redner, der, am Beispiel der laudatio funebris, meist auf dem Forum Romanum auftrat (cf. ibid.: 992 ff.), allerdings sicher. Es ist also nicht weiter verwunderlich, daß bereits antike Redner die politischen Möglichkeiten der Festrede erkannten: »[…] daß solch libellus wie ein politisches Pamphlet wirken konnte, zeigen die Catones und Anticatones des Cicero, Brutus, Caesar u. a.« (ibid.: 994). Als besonders signifikantes Beispiel ist hierbei auch eine Rede aus dem Jahre 297 n. Chr. zu nennen, gehalten von Eumenius, der aus seiner Festrede bewußt eine Beratungsrede und damit eine Suasorie (cf. Quintilian 2006a: 381 ff.; inst. III 8,58 ff.) machte (Eumenius 1973: 230 ff.; paneg. IX).116 Das heißt natürlich, daß sich ein Redner – ganz besonders in der heutigen Zeit und im Gegensatz zu einer Rede des reinen genus demonstrativum – angreifbar macht, insbesondere durch den politischen Gegner. Diese Schlußfolgerung kann insbesondere dann zu einem ernsthaften Problem für den Redner werden, wenn er zu inhaltlich äußerst sensiblen und moralisch klar besetzten Anlässen spricht: Eine epideiktische Beredsamkeit, die sich delikater Themen annimmt, spekuliert auf das schweigsame Einverständnis der Zuhörer. Statthaft ist allenfalls ein gedankenverlorenes Mitdösen (Eigenwald 1999: 43). 116 Daraus wird noch einmal deutlich, daß Aristoteles’ Auffassung von Sprache und Politik (cf. 3.1 / Aristoteles 2007: 78; pol. I,2 / 1253a), sobald es sich um einen sprachlich agierenden Politiker handelt, auf alle Redengattungen zu übertragen ist und nicht nur auf den deliberativen Typ. Darüber hinaus ist es signifikant, daß die Einteilung in drei grundsätzlich von einander getrennte Redengenres nur als Modell verstanden werden kann; eine Vermischung, Aufweichung der Grenzen und verschiedene Zuordnungen von Attributen fand bereits in der Antike in praxi statt und wurde auf wissenschaftlicher Ebene, je nach Autor, verschieden beurteilt und definiert (cf. RE 1965: 559 ff.).

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Je sensibler eine Thematik oder je heterogener ein Auditorium, so läßt sich deduzieren, desto schwieriger wird es für einen Redner, sich auf dies »Einverständnis« der Rezipienten verlassen zu können – insbesondere, wenn der politische Gegner Teil des Publikums ist:117 Der Unterschied zwischen einem eigenwilligen deutschen Patrioten und einem Verharmloser des Holocaust ist nach den gängigen Diskursregeln hierzulande zuweilen ein sehr kleiner. Wer den Versuch wagt, sich abseits der Sprachregelungen der politischen Korrektheit zu äußern, betritt das Minenfeld der deutschen Geschichte (Sattar 20. 09. 2006: 4).

Bei dem topos Moral muß an dieser Stelle auch eine Feststellung Noelle-Neumanns in die Überlegung mit einbezogen werden: Viele Autoren haben erkannt, daß es bei Sieg oder Niederlage im Prozeß der öffentlichen Meinung nicht darum geht, was richtig oder falsch ist. Der deutsche Jurist Ihering sagte 1883 über die Mißbilligung, mit der das Abweichen von der öffentlichen Meinung bestraft wird, diese habe nicht rationalen Charakter […] Es geht um den Zusammenhalt und auch einen Konsensus über Werte in der Gesellschaft. Dies können nur moralische Werte sein […], denn nur sie ergreifen die Gefühle so stark, daß Isolationsdrohung und Isolationsfurcht ausgelöst werden (Noelle-Neumann 2001: 334 f.).

Diese Feststellung gilt ebenso für politisch motivierte Reden zu Gedenkveranstaltungen; für eine moralische Topik findet sich dabei bereits in der antiken Rhetorik, hier mit Bezug zur deliberativen Redengattung, eine Äquivalenz zu der Beschreibung Noelle-Neumanns: »Klugheit ist die Schlauheit, welche nach bestimmten Überlegung eine Wahl treffen kann zwischen Gut und Böse« (Nüßlein 1998: 131; rhet. Her. III,II). Politiker sind hier immer der öffentlichen Aufmerksamkeit ausgesetzt und können, vielleicht auch deshalb, weil kein gewöhnlicher politischer Disput stattfindet, im Anschluß besonders leicht (negativ) kritisiert werden, ohne dabei die Möglichkeit der Debatte und bestenfalls einer Richtigstellung zu haben. Als außerordentlich sensibel und moralisch stark aufgeladen gelten dabei, natürlich zu Recht, all die Themenbereiche, die mit dem nationalsozialistischen Deutschland in Zusammenhang stehen. Das besondere Merkmal einer Rede aus Anlaß des Gedenkens, insbesondere zu Ereignissen der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands, ist zweifellos, daß sich die ideelle, ja fast als imaginär zu bezeichnende Verantwortung gegenüber der Geschichte wandelt: Durch das Halten der Rede (und damit durch aktives sprachliches Handeln) ändert sich die theoretische Verantwortung zu einer praktischen, unmittelbaren, die der Redner durch seine 117 Gerade im Falle Jenningers, dessen Rede im folgenden genauer erörtert wird, kommt man hier zu einer paradoxen Erkenntnis: Obwohl seine atypische Umsetzung der epideiktischen Rede zu einem Skandal wurde, kann seinem Publikum durchaus, trotz einiger Zwischenrufe, ein »gedankenverlorenes Mitdösen« attestiert werden (cf. Eigenwald 1999: 43).

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Rede für den Umgang mit der Geschichte selbst trägt. Dabei ist es eine logische Gleichung, daß der Redner, je sensibler ein Anlaß ist, desto sensibler seine Rede gestalten und halten muß, und daß seine Rede durch die Verantwortung mit dem Umgang mit der Geschichte auch die Verantwortung gegenüber moralischen Diskursmaximen tragen muß. Diese lassen sich, neben Noelle-Neumanns moralischen Diskurs-Topoi, wohl vor allem mit dem Theorem der Political Correctness konkretisieren: Die Losung von der ›Political Correctness‹ (PC), d. h. dem ›politisch korrekten‹ Umgang miteinander, verlangt, den Wunsch nach Respektierung der Person über juristische Ansprüche hinaus in eine, noch dazu gesellschaftlich anerkannte, Bringschuld zu verwandeln, die – interindividuell ebenso wie gruppenbezogen – selbstverständlich zu erwarten sei und damit auch allenthalben abrufbar (Papcke 1995: 19).

Hierdurch wird faktisch eine Kommunikationssituation geschaffen, die für einen Orator unvermeidbare Schwierigkeiten bereithält. Die thematische Sensibilität wird damit zu einem ernsthaften Problem für jeden Redner, der zu einem Anlaß nicht nur epideiktisch lobend oder trauernd, sondern erörternd spricht: Durch Argumentation und Dialektik muß er sich zwangsläufig einem Diskurs stellen, dem er sich – aus der Perspektive der Political Correctness – gar nicht stellen »darf«; diese Art sprachlicher Regulierung erinnert mitunter schnell an Orwells Neusprech (»Newspeak«, cf. Orwell 1987: insb. 312 ff.; cf. auch 3.1.1 sowie Joffe 15. 04. 2010: 6), wenn auch ein Vergleich an dieser Stelle über das Ziel hinaus schießen würde. Ein Redner, der bezüglich der politischen Korrektheit über problematische Themen spricht, befindet sich aber in jedem Fall unter den Argusaugen moralischer Wächter und bewegt sich leicht aufs sprachliche Glatteis: Der Anspruch, das Gewissen zu sein für das Gewissen, das sich die jeweils anderen zu machen haben, hat negativen Einfluß auf den politischen Diskurs, weil an Stelle pragmatischer Urteilskraft auf der Basis realistischer Analyse Anklage und Empörung bestimmend werden. Dies gilt in besonderem Maße für eine fundamentalistische Moral, die jenseits aller auf Erfahrung und Logik beruhenden Erkenntnisfaktoren erwächst (Grieswelle 2000: 344).

Diese Feststellung Grieswelles bedeutet, daß eine argumentativ-sachlogische und auf ethos und pathos basierende Rede im üblichen Rahmen nicht mehr möglich scheint bzw. de facto schlicht als problematisch gelten muß. Sie subsumiert alle moralisch sensiblen Themenbereiche, deren Betrachtungs- und Aussagehorizont bereits durch die Moralmaximen in der Political Correctness vordefiniert sind. Hierzu zählen vor allem topoi, die Merkmale von Minderheiten beinhalten (z. B. Hautfarbe, Geschlecht, Religion; cf. i. e. Knobloch 1998:

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125), aber auch politische und soziale Themen (z. B. Energiepolitik118, Umweltschutz, Waffeneinsatz; cf. i. e. Noelle-Neumann 2001: 298 ff.). Insbesondere gilt sie auch für alle Themenbereiche, die den Nationalsozialismus beinhalten. An dieser Stelle muß hinzugefügt werden, daß allein aus der hier genannten Aufzählung die Schwierigkeit hervorgeht, die jedwede Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Deutschland in einer Rede so problematisch macht: Während man Energiepolitik und Waffeneinsatz – trotz aller moralischen Vorurteilung – wohl noch dialektisch erörtern könnte, scheinen sich topoi wie Nationalsozialismus, Vernichtungskrieg und Judenpogrome einer sachlogischen Betrachtung zu entziehen, oder besser : Der Begriff sachlogische Erörterung ist den Verbrechen des Nationalsozialismus schlicht unangemessen. Die Gegenüberstellung von nüchterner und rationaler Rededidaktik auf der einen und von emotional und rational nicht mehr faßbaren historischen Ereignissen auf der anderen Seite beweist, daß die »Bearbeitung« dieses Themas mittels Rede höchst problematisch ist, weil sie sich mit den Grundprinzipien der Rhetorik und der deliberativen Redegattung so schwer vereinbaren läßt.119 Die »Unwahrscheinlichkeit des Erfolgs« (Luhmann 2001: 79) einer politischen Rede potenziert sich durch diese sozio-moralische Komponente immens. Dennoch ist sie durch die Genese der Redegattungen (cf. 3.1) Teil einer rhetorischen Realität geworden, deren Herausforderung ein (politischer) Redner annehmen muß. Die Schwierigkeit der demonstrativ-deliberativen Rede über sensible Themen gilt dabei für Politiker genauso wie für alle anderen Redner, die sich qua actio in die Öffentlichkeit und damit in den öffentlichen Diskurs und dessen Realität begeben. Gerade in bezug auf Themengebiete, die Aspekte des Nationalsozialismus betreffen, finden sich in den vergangenen Jahrzehnten viele Reden und Redesituationen, deren äquivalente Problematik am reflektierenden Diskurs zu beobachten ist. Die in Kapitel 3 bereits erwähnte Rede Hohmanns stellt dabei 118 Insbesondere eine öffentliche sachlogische Erörterung der Kernenergie scheint in Deutschland spätestens seit dem GAU in Tschernobyl im Jahre 1986 nicht mehr möglich: »Die Deutschen zogen (nach der Katastrophe in der Sowjetunion) landestypische Konsequenzen: Im eigenen Land, wo Kernkraftwerke über ein halbes Jahrhundert ohne nennenswerte Gefährdung der Bevölkerung liefen, sollen sie abgeschaltet werden. Dort, wo von solcher Sicherheit keine Rede sein kann, dürfen sie weiterlaufen oder werden mit deutscher Hilfe sogar neu gebaut. An die Stelle der Kernspaltung trat die Spaltung des Bewusstseins« (Joffe et al. 2008: 26). Auch bei Hans-Werner Sinn ist das Paradoxon scheinbar ökologischer Energiepolitik beschrieben; hier hinsichtlich des CO2-Ausstoßes: »Naive Politik, die nicht nur die Ziele der Wirtschaftspolitik, sondern zusätzlich die Instrumente mit Werturteilen versieht, ist das Kennzeichen der modernen Fernsehdemokratie. So erklärt sich auch die Umweltpolitik vor allem durch das Bestreben, das öffentliche Bedürfnis nach aktiver Mitwirkung an der Rettung der Welt zu befriedigen, statt den weltweiten Ausstoß an CO2 tatsächlich zu verringern« (Sinn 2008: 139). 119 Durch die Neudefinition bzw. Vermischung von deliberativer und demonstrativer Rede gilt dies auch für die epideiktische Redegattung.

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nur ein Beispiel dar ; eine ähnliche mißglückende Wirkung, eine im Anschluß starke negative Reflexion oder eine besonders kontroverse Diskussion lösten auch die Rede Philipp Jenningers im Jahre 1988 (hierzu folgt im Anschluß die erste Analyse),120 eine Rede Martin Walsers (1998)121 und dessen Roman Tod eines Kritikers (2002)122 sowie eine Äußerung Herta Däubler-Gmelins123, eine Rede Arnulf Barings124 und eine Äußerung der Fernsehmoderatorin Eva Herman125 aus. Dabei spielt es zunächst für die Redentypisierung keine Rolle, ob die starke Ablehnung oder Kritik im öffentlichen Diskurs gerechtfertigt war oder nicht, denn alle Beispiele stehen für die Problematik, die für einen Redner hinsichtlich argumentativer, unbedachter oder unvorsichtiger Äußerungen zur nationalsozialistischen Zeit Deutschlands entsteht. Zudem sind sie als exemplarisch für eine öffentliche Verurteilung sowie teilweise vorschnelle, indifferenzierte Kritik zu betrachten, denn die Öffentlichkeit des Diskurses in den Medien bietet freilich einen perfekten Orbit für Epitexte (cf. 2.1.1). Jene Epitexte »funktionieren« als negative Kritik deshalb besonders gut, weil sie sich nicht auf eine detaillierte und fundierte rhetorische Analyse stützen müssen, sondern auf Eindrücken und Interpretation basieren, die im Zweifelsfall sogar mit Zitaten belegt werden können, die erst aus dem Zusammenhang entnommen die eigentliche Aussage einer Rede verfälschen. Anders als in einer Face-to-Face-Diskussion hat der Orator nach einer klassischen actio während der Erörterung seiner Rede im öffentlichen Diskurs keinen automatischen Einfluß mehr auf eine Richtigstellung, sondern nur, wenn er dazu Gelegenheit bekommt. Es kann als evident angesehen werden, daß diese reziproke, dialektische Rechtfertigung u. U. erst nach einer Zeitspanne erfolgen könnte, die ausreicht, daß sich in ihr die falsche Interpretation in der öffentlichen Meinung als Wirklichkeitsauffassung verfestigt hat.126 Die negative Kritik ist dagegen von

120 Rede anläßlich der Gedenkstunde des Deutschen Bundestags zum 50. Jahrestag der Judenpogrome in Deutschland, 10. November 1988. 121 Rede anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, 11. Oktober 1998. 122 Bereits vor der Veröffentlichung wurde Walsers Roman indirekt Antisemitismus vorgeworfen (cf. Schirrmacher 29. 05. 2002: 49). 123 Rede vor Betriebsräten in Tübingen, 18. September 2002. 124 Eröffnungsvortrag im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der hessischen CDU, 7. September 2006. 125 Äußerung Eva Hermans im Rahmen einer Pressekonferenz zu ihrer Buchpublikation Das Prinzip Arche Noah (2006), 6. September 2007. 126 Eine Feststellung wie diese scheint einen gewieften Fernsehmoderator sogar dazu bewegen zu können, sich selbst in der medialen Diskursrealität, noch im nachhinein, eine positivere Rolle verleihen zu wollen, als ihm eigentlich zukommt. Obwohl Moderator Kerner seinen Gast Eva Herman in seiner Sendung selbst zum Gehen aufforderte (cf. Tuma 15. 10. 2007: 51), äußerte er später in einem Interview: »Ich habe damals falsch entschieden. Als Eva

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keinen weiteren spezifischen Faktoren abhängig; Medien, die Nachrichten vor allem nach ihrer konsensuellen Relevanz selektiv auswählen und kumulativ reflektieren (cf. Noelle-Neumann / Schulz / Wilke 2002: 616; Bonfadelli 2001: 148), werden über negative, Skandale evozierende Interpretationen mutmaßlich bevorzugt berichten, da diese einer Rede den Verstoß gegen öffentliche Moralkonventionen vorwerfen können und damit sicherlich eine breite Öffentlichkeit interessieren. Der Sprachgebrauch im Zusammenhang mit der Political Correctness stellt sich als eine besonders verschärfte Form des semantischen Kampfes dar, und zwar mit dem Ziel, persönlichen Normen oder speziellen Gruppennormen mit allen denkbaren Mitteln, die ein gegebener gesellschaftlicher Freiraum läßt, möglichst weitreichende Geltung zu verschaffen (Wimmer 1997: 291).

Die Konventionen der Political Correctness lassen sich dabei wohl am treffendsten als spezifischer Sonderfall der communis opinio, also der öffentlichen Meinung, zuordnen. Noelle-Neumann definiert, öffentliche Meinung sei gegründet auf das unbewusste Streben von in einem Verband lebenden Menschen, zu einem gemeinsamen Urteil zu kommen, zu einer Übereinstimmung, wie sie erforderlich ist, um handeln und wenn notwendig entscheiden zu können (Noelle-Neumann / Schulz / Wilke 2002: 393).

Die communis opinio bzw. die Öffentliche Meinung ist also von einer Mehrheit der Menschen getragene Ansicht zu einem bestimmten Thema; im Falle der Political Correctness eine von der Masse zu akzeptierende Vorgabe im Umgang mit bestimmten Ansichten und Einstellungen, die auch als Diskurs-Hegemonie bezeichnet werden könnte. Für den Redner sind beide Formen in jedem Fall zu beachten – bereits Seneca d. Ältere formulierte: »[…] crede mihi, sacra populi lingua est«127 (Seneca 1967: 72; contr. I 1,10). Sein Sohn, Seneca d. Jüngere, meinte gar, »[…] in unoquoque virorum bonorum […] habitat deus«128 (Seneca 1995: 324; epist. 41,1); doch welcher Gott dies sei, »ist ungewiß« (ibid.: 325). Ein Redner, der mit seiner Rede also weder provozieren noch didaktisch abwägend vorgehen (und sich dabei angreifbar machen) möchte, muß sich also in jedem Fall an die moralischen Konventionen der öffentlichen Meinung halten, denn: »Scriptum est, quia vox populi, vox Dei« (Petrus Blesensis 1847: 56; Epistel XV). Selbst Machiavelli erkannte die Macht der öffentlichen Meinung: »Nicht ohne Grund sagt man: Volkes Stimme, Gottes Stimme« (Machiavelli 2000: 163; Discorsi I,58). Daß sich ein Redner damit gelegentlich einer falschen oder zumindest überzogenen Vorgabe, wie im Falle allzu strenger Political Correctness, Herman gehen wollte, hätte ich sagen können: ›Nein, nein, bleib hier. Hier fliegt keiner raus. […]‹« (Keil in SZ 02. 01. 2008: 15). 127 »Die Sprache des Volkes ist heilig« (eigene Übers., J.K.). 128 »In jedem guten Menschen wohnt ein Gott« (eigene Übers., J.K.).

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unterordnen muß, belegt nicht zuletzt das von Oldenburg-Januschau geprägte »vox populi – vox Rindvieh« (cf. Oldenburg-Januschau 1936: 118 f.).129 In jedem Fall wird an der Diskussion um öffentliche Meinung und Political Correctness deutlich, warum Reden zu besonders sensiblen Anlässen so schwierig sind: Die politische Rede, geprägt durch die delibaretive Form, selbst für die epideiktische Gattung (v.s.), nähert sich einem Thema durch sprachlich-argumentative Abwägung an, für das eine Konfrontation durch Abwägung im Sinne der moralischen Konvention nicht gestattet ist, und läuft somit ständig Gefahr, gegen bestehende Konventionen (scheinbar) zu verstoßen. Werden nun antithetische Aussagen des Orators aus dem Zusammenhang heraus zitiert, wird leicht der Eindruck erweckt, er äußere sich zu einem sensiblen Thema nicht »angemessen« und verstoße somit gegen den öffentlichen Meinungskonsensus. Es ist anzunehmen, daß Vertreter von Parteien im politischen Alltag die Möglichkeit nutzen werden, ihren politischen Gegner verbal zu attackieren, wenn sich in der Diskursrealität etabliert, daß er gegen allgemeine moralische und ethische Ansichten verstoßen hat. Dies mag zum einen der Fall sein, weil sie als demokratisch gewählte Vertreter des Volkes dessen Interessen, und damit auch dessen moralische Konventionen, verteidigen wollen, zum anderen muß bisweilen aber auch unterstellt werden, daß sie die mediale Bühne der durch Konsens und Kumulation (v.s.) entstandenen Aufmerksamkeit nutzen wollen, um sich in der politischen Öffentlichkeit zu positionieren und zu etablieren; vulgo um im Fahrwasser des Diskurses mitzuschwimmen. Es entwickelt sich somit ein polito-linguistisches Phänomen, ganz ähnlich dem von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet bezeichneten bandwagon effect (cf. Lazarsfeld / Berelson / Gaudet 1965: 107 ff.), zu dem eine exemplarische, aber dennoch typische Chronologie am Diskursstrang zur bereits erwähnten Rede Arnulf Barings beobachtet werden kann. Die Urheber der Kritiken hatten dabei, wohlbemerkt, die Rede Barings weder gehört, noch lag sie ihnen als Druckfassung vor: Nun fügte es sich, daß der ohnehin sensible Diskurs nicht im großen Berlin geäußert wurde […], sondern im beschaulichen Wiesbaden, wo die SPD zur Zeit um den 129 »Anläßlich dieses Wahlkampfes setzte ich immer wieder auseinander, daß es im ganzen Reich um die Frage gehe, ob Deutschland von oben oder von unten regiert werde. In diesem Zusammenhang gebrauchte ich einmal das Wort: ›Vox populi, vox Rindvieh.‹ Das Gerücht schob mir fälschlicherweise die Erfindung dieses Satzes in die Schuhe. Es stammt in Wirklichkeit vom alten Wrangel, der in der Revolutionszeit von 1848 von Friedrich Wilhelm IV. gefragt wurde, ob man die Massen an der Regierung beteiligen solle, und darauf antwortete: ›Vox populi, vox Rindvieh!‹« (Oldenburg-Januschau 1936: 118 f.). Wie eine Streitschrift darauf klingt im übrigen das Gedicht Vox Dei Vox Populi von Hoffmann von Fallersleben aus dem Jahr 1840: »Und wenn ihr auch in allen Dingen / Die siebzig Stimmen richtig zählt, / Was kann dem Menschen noch gelingen, / Wenn’s ihm an Einer Stimme fehlt?« (Hoffmann von Fallersleben 1987: 44). (Hervorhebung im Original nicht kursiv, sondern durch gesperrten Zeichenabstand.)

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richtigen Spitzenkandidaten ringt. Da liegt innerparteiliche Profilierung nahe, im schlimmsten Fall die Verunglimpfung des politischen Gegners. Am 8. September machte Reinhard Kahl, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, den Anfang. Mit den ›dubiosen‹ Äußerungen habe Baring den Nationalsozialismus, den millionenfachen Mord an Juden und das unendliche Leid des Zweiten Weltkriegs auf unzumutbare Weise verharmlost. […] Ypsilanti kündigte an, die ›empörenden Entgleisungen‹ im Landtag zur Sprache zu bringen. […] Ein zweites Mal sah sich nun Frau Künast genötigt, sich zu Wort zu melden. Inzwischen warf sie Baring vor, nicht den Nationalsozialismus, sondern den Holocaust als bedauernswerte Entgleisung bezeichnet zu haben […] Über den Holocaust hatte Baring gar nicht gesprochen (Sattar 20. 09. 2006: 219).130

Diese »Gespensterdebatten« (Tuma 15. 10. 2007: 51)131 und die Diskurs-Opportunit¤ sind dabei offensichtlich ein Bestandteil der medialen Reflexion und des zugehörigen Diskursstrangs, der zu einem Skandal, die eine (scheinbar) Konventionen verletzende Rede oder Äußerung verursacht, dazugehört. Sie sind damit nicht nur die Angelegenheit von Politikern, die auf den bandwagon aufspringen bzw. ihm nacheilen, sondern auch der Medien, die darüber berichten und die Diskursrealität mitgestalten, wie Henryk M. Broder am Beispiel der Rede Martin Walsers skizziert: Walsers Frankfurter Rede, Ignatz Bubis Gegenrede, die Interventionen des SPD-Junkers Klaus von Dohnanyi zugunsten von Walser […] waren Teile einer vollkommen absurden Inszenierung, bei der alle Beteiligten von der ›FAZ‹ instrumentalisiert wurden, um einen Skandal zu erzeugen, der wie ein Fortsetzungsroman präsentiert wurde. […] Was als Nachspiel produziert wurde, geriet so zum unbezahlten Werbespot für die ›FAZ‹ vom nächsten Tag (Broder 1999: 151 ff.).

Eigentlich, so scheint es mit Blick auf Analysen und Interpretationen wie diese, ist das Skandalöse an Reden wie der Barings oder Walsers nicht deren Inhalt, sondern vielmehr die Ausnutzung ihrer leichten Skandalierbarkeit auf Kosten sensibler Themen wie des Nationalsozialismus’ oder des Holocausts (cf. Döring / Knobloch / Seibert 2005). Es muß an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich appelliert werden, die Maximen zur Diskursethik Habermas’ (cf. 2.1.2.3.3) nicht nur als theoretisches und wissenschaftliches Gedankenkonstrukt kommunikativen Handelns zu 130 Jan Fleischhauer kommentierte einige Jahre später : »Aus dem angesehenen Berliner Geschichtsprofessor, 30 Jahre lang Hochschullehrer an der Freien Universität Berlin, SPDMitglied von 1952 bis 1983, Träger des europäischen Kulturpreises, Brandt-Gesprächspartner und Genscher-Freund, war innerhalb einer Woche ein Mann geworden, den man als Demokrat nicht mehr ungehindert reden lassen konnte« (Fleischhauer 2009: 284). »Der Faschismusvorwurf ist die brutalste Waffe des intellektuellen Juste Milieu, das noch immer beliebteste Allzweckmittel in der Auseinandersetzung mit dem ideologischen Gegner« (ibid.: 286). 131 In bezug auf den Diskurs um Eva Hermans Äußerung während einer Pressekonferenz, v.s.

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verstehen, sondern auch als Leitfaden für gelingende, wahrhaftige und faire Kommunikation in praxi. Darüber hinaus wird deutlich, daß die in 2.1.5 skizzierte Kontrollfunktion des Auditoriums nicht nur die Aufgabe haben kann, eine schlechte Rede negativ zu kritisieren, sondern auch, vice versa, gute Reden nicht zu denunzieren und im Diskurs die Prinzipien der Habermasschen Ethik zu überwachen: Nur wenn mit einer Rede wahrhaftig umgegangen wird, kann sie in der Diskursrealität auch korrekt wahrgenommen werden. Eine Auseinandersetzung mit Reden und Diskursfragmenten wechselt damit wieder automatisch zu den Prinzipien sachlogischer Argumentation und Dialektik und damit zum kommunikativen System der antiken Rhetorik und den Grundprinzipien Ciceronischer und Quintilianscher Kommunikationsmoral und -ethik. Selbstverständlich sind die hier genannten Themenbereiche, die das nationalsozialistische Deutschland betreffen, nur eine der möglichen Formen besonders sensibler Sachverhalte, die schnell einen Skandal evozieren können. Ein inhaltlich anderes, aber diskursiv vergleichbares Beispiel wäre die Rede Papst Benedikts XVI. vom 12. September 2006, in der er sich kritisch mit dem Verhältnis von Islam und Christentum auseinandersetzte.132 Die genannten Diskursfragmente zum problematischen Verhältnis und Umgang mit demonstrativ-deliberativen Reden zu sensiblen Anlässen können dennoch als Musterbeispiele für die Schwierigkeit der modernen politischepideiktischen Rede gelten. Die Rede Philipp Jenningers aus Anlaß der Gedenkstunde des Deutschen Bundestags am 10. November 1988 zum 50. Jahrestag der Judenpogrome in Deutschland nimmt hierbei eine herausragende Position ein; Jenningers Intention, die Vergangenheit rednerisch aufzuarbeiten, aber auch der anschließende Eklat sind wohl beispiellos und daher in den letzten Jahrzehnten intensiv reflektiert worden. Sie bieten daher eine exzellente Ausgangsposition für eine Aktualisierung der bisherigen Ergebnisse durch eine erneute Diskussion mittels Rhetorischer Diskursanalyse. Jenninger hatte sich für seine Rede vorgenommen, keine »›Schuld-undScham‹-Rede« zu halten; seine Absicht war, »nicht die komplette historische Aufarbeitung des Themas, sondern ein Anstoß zur Diskussion« (Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang; König 2008b: 182 und 186). Hieraus wird bereits deutlich, daß Jenninger keine klassische (epideiktische) Gedenkrede halten wollte, sondern eine Erörterung und Auseinandersetzung mit der deutschen NS-Vergangenheit bezüglich der Judenpogrome 1938 verfolgte.

132 Cf. Bednarz et al. 2006 und Lehmann 20. 09. 2006. Peter Sloterdijk: »Die islamisch ausgerichteten Medien […] kopieren die westliche Empörungsindustrie, wollen sie einholen, gar überholen. Wir haben es mit einem erbitterten Wettkampf um globale Aufmerksamkeit zu tun. […] Die Grammatik starker Gefühlspotenziale, ihre Wirkung auf die Politik wird heute noch nicht genügend verstanden« (in Sattler 2006: 71).

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

An dieser Stelle soll ein Kommentar aus dem der Rede nachfolgenden Diskurs vorweggenommen werden; die italienische La Repubblica urteilte einige Wochen später : »[…] Jenninger ha messo i tedeschi davanti ad uno specchio nel quale essi non vogliono guardarsi« (Pirani in La Repubblica 19. 11. 1988: 4 / Sonderbeilage).133 Dies ist insofern eine erstaunliche Erkenntnis, da sie zum einen das Paradoxon verdeutlicht, in das die Jenninger-Rede eingebettet war,134 zum anderen ist sie eine gelungene Allegorie für eine Möglichkeit, die Perspektive von historischen Erörterungen zu beschreiben: Durch die Aufarbeitung eines historischen Themas wird den Menschen zwangsläufig ein Spiegel vorgehalten. Bereits Jahrzehnte zuvor hatte der Schriftsteller Max Frisch ein vergleichbares Anliegen, als er sein Theaterstück Andorra veröffentlichte; uraufgeführt 1961 im Schauspielhaus Zürich. Einer seiner Protagonisten, der Lehrer, verspricht bereits im ersten Bild des Stücks: »Sie werden sich wundern, wenn ich die Wahrheit sage. Ich werde dieses Volk vor seinen Spiegel zwingen, sein Lachen wird ihm gefrieren« (Frisch 1998c: 469). Bevor sich derselbe Lehrer im Schlußbild selbst richtet, bezieht er sich noch einmal auf sein Versprechen vom Beginn des Stücks: »Duckt euch. Geht heim. Ihr wißt von nichts. Ihr habt es nicht gesehen. Ekelt euch. Geht heim vor euren Spiegel und ekelt euch« (Frisch 1998c: 557). Frisch wollte, so läßt sich bereits aus diesen beiden Zitaten schließen, durch seine dichterische Aufarbeitung des Themas den Menschen, und damit dem Auditorium im Theater, einen Spiegel vorhalten.135 Die Parallele, die von Jenninger und seinen Kommentatoren sicherlich nicht beabsichtigt war, ist dabei frappierend und deutlich erkennbar. Es darf unterstellt werden, daß Frisch diesen »Spiegel« insbesondere in den Kommentaren, den Verteidigungsreden der Andorraner ansiedelte: Hier sprechen die Protagonisten das aus, was als typische Erklärungen bis hin zu Entschuldigungen und Rechtfertigungen von (Un-)Taten bzw. des Wegschauens gelten kann. Es ist dabei zu unterstellen, daß Frisch nicht plante, das Auditorium mit den Reden seiner Protagonisten umzustimmen und deren Verhalten verständlich und akzeptabel zu machen; im Gegenteil: Frisch wollte, daß die Reden mißglücken, daß die Verteidigungen die wahren Beweggründe der Protagonisten entlarven und das Publikum jene zu Recht als falsch und schlecht kritisieren möge. Es ergibt sich hieraus die einzigartige Möglichkeit, für beide Versionen des »historischen Spiegels« eine rhetorische Diskursanalyse durchzuführen und die Ergebnisse zu vergleichen, denn so wie Max Frisch die Mißwirkung der Reden 133 »Jenninger ließ die Deutschen in einen Spiegel blicken, in dem sie sich nicht sehen wollen« (eigene Übers., J.K.). 134 Cf. 3.2.1. 135 Luft 06. 11. 1961 und Greco 1990: 78 ff.

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eingeplant hatte, ist Jenninger zu unterstellen, daß er diese nicht provozieren wollte. Es lohnt also eine Erörterung der Fragestellung, auch im Hinblick auf die »Bewältigung« zukünftiger öffentlicher Gedenk- und Festreden, inwieweit sich Strukturen und Aspekte des Mißwirkens an den Redetexten Jenningers und Frischs destillieren und vergleichend belegen lassen, immer verbunden mit den Fragen, ob es rhetorisch und diskursiv absehbar war, daß Jenningers Rede scheiterte, und welche Veränderungen nötig gewesen wären, um die Rede gelingen zu lassen.

3.2.1 Nicht das, was gemeint war: Rhetorische Diskursanalyse der Rede Philipp Jenningers anläßlich der Gedenkstunde des Deutschen Bundestags am 10. November 1988 zum 50. Jahrestag der Judenpogrome in Deutschland 1988 jährten sich die Vorfälle der sogenannten Reichspogromnacht zum 50. Male, die sicherlich als besonders markantes und verachtenswürdiges Ereignis in der endlosen Anzahl von Greueltaten im nationalsozialistischen Deutschland angesehen werden kann. Sie stellte eine ausgeprägte öffentliche Eskalation dar, die vielleicht deshalb auffällig ist, weil sie Dimensionen annahm, die es bisher so nicht gegeben hatte. Trotz ihrer Ausmaße ist die Pogromnacht eigentlich nur die Fortsetzung dessen, was seit Beginn der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten längst zum Alltag in Deutschland gehörte (cf. Döscher 1988: 15 ff.).136 Sie einen »Wendepunkt« zu nennen, fällt daher nicht leicht; besser müßte sie als ein weiterer Höhepunkt im repressiven Umgang mit der jüdisch-gläubigen Bevölkerung bezeichnet werden, der in der Perspektive dessen stand, was Hitler schon mehr als zehn Jahre zuvor angekündigt hatte: »[…] der unerbittliche Weltjude kämpft für seine Herrschaft über die Völker. Kein Volk entfernt diese Faust anders von seiner Gurgel als durch das Schwert« (Hitler 1934: 738). Sein Ziel hatte Hitler somit bereits lange vor seiner Machtübernahme klar benannt: Hätte man zu Kriegsbeginn und während des Krieges einmal zwölf- oder fünfzehntausend dieser hebräischen Volksverderber so unter Giftgas gehalten, […] dann wäre das Millionenopfer der Front nicht vergeblich gewesen (ibid.: 772).

Dennoch wird die Reichspogromnacht oftmals auch als »Wendepunkt« bezeichnet, da sich durch die »bereits zu Beginn des Jahres 1938 einsetzende Verschärfung in der ›Judenpolitik‹ der Nationalsozialisten« (Barkai 1986: 45) die Situation der deutschen Juden noch einmal stark verschlechterte und letztlich 136 Cf. hierzu auch die Chronologie zur Judenverfolgung im Dritten Reich in Döscher (1988: 180 – 184).

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

die politischen Weichen für die »Wannsee-Konferenz« und deren Beschlüsse gestellt wurden: Tatsächlich ist aber zu erkennen, daß sich bei jenen Kadern [Anführern und Mitgliedern der NS-Einsatzgruppen, J.K.] bereits zwischen ›Kristallnacht‹ und Kriegsausbruch ein solches Verlangen nach antijüdischer Aktivität angestaut hatte, daß sie Weisungen zu entsprechendem Vorgehen geradezu mit Ungeduld entgegenfieberten (Graml 1986: 9).

Während der Ereignisse vom 9. November 1938 in der Bundesrepublik Deutschland zu den Jahrestagen zwar öffentlich gedacht wurde, sollte es aber im Jahr 1988 zu einem Novum kommen, denn erstmals seit Gründung der Bundesrepublik wollte der Deutsche Bundestag die offizielle Feierstunde im eigenen Plenarsaal ausrichten. Der Bundestagspräsident, damals Philipp Jenninger als oberster Hausherr im Bundestag, der nach dem Bundespräsidenten das zweithöchste Amt der Bundesrepublik innehatte, sollte und mußte dabei die Aufgabe haben, die Festrede zu halten. Die Ereignisse, die sich während und nach der Rede zutrugen und zum sofortigen Rücktritt Jenningers führten, müssen dabei in der bundesrepublikanischen Geschichte als beispiellos erachtet werden: »[Die Rede] wurde mißverstanden, mißdeutet, umgedeutet und instrumentalisiert« (König 2008a: 177). Es kam zu einem »Eklat«137, der noch am Abend zu Fernsehdiskussionen führte und wochenlang in den Medien diskutiert wurde; in der Wissenschaft wird der Vorfall noch heute erforscht. Auch dies wissenschaftliche Interesse ist außergewöhnlich: Die Rede Jenningers muß schon fast als »Glücksfall« für die Kommunikations- und Sprachforschung angesehen werden, denn offensichtlich bietet keine andere Rede durch ihre beispiellose Mißwirkung so viel Anreiz für immer neue Erörterungen. Der Einwand, ob es bei den vielen Abhandlungen wirklich noch einer weiteren Analyse bedarf, ist zwar berechtigt, aber leicht zu entkräften. Trotz der vielen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen scheint es derzeit noch nicht gelungen zu sein, das Phänomen des Jenninger-Eklats zufriedenstellend zu erklären. Das mag auch daran liegen, daß der Vortragstext – in Schriftform – inhaltlich nie wirklich vollständig negativ beurteilt wurde, sondern ausschließlich Jenningers Rede als rhetorischer Gesamttext kritisiert und oftmals negativ bewertet wurde. Mit anderen Worten: Die Rede war offensichtlich ganz anders gemeint, als sie letztlich tatsächlich wirkte. Auf Konfuzius geht die Aussage zurück, daß die Sprache »stimmen muß«, 137 Bergdoll: Jenningers Rede führt zum Eklat im Bundestag, SZ 11. 11. 1988: 1; Ende mit Eklat, SZ 11. 11. 1988: 4; Eklat im Bundestag bei der Rede Jenningers zum Jahrestag der PogromNacht, FAZ 11. 11. 1988: 1; Walter : Jenninger und der Eklat, Berliner Morgenpost 11. 11. 1988; Schwehn: Gedenkstunde zu Pogromen: Eklat nach Jenninger Rede, Die Welt 11. 11. 1988: 1; Jenninger löst Eklat im Bundestag aus, FR 11. 11. 1988: 1.

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damit eine Rede glücken kann: »Wenn die Begriffe nicht klargestellt sind, dann treffen die Worte nicht das Richtige. Wenn die Worte nicht das Richtige treffen, dann kann man in seinen Aufgaben keinen Erfolg haben […]« (Konfuzius 1953: 121; Lun Yü XIII,3). Verkürzt ist heute auch vielfach zu lesen: Wenn die Sprache nicht stimmt, dann ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist. Wenn Konfuzius’ These richtig ist, so wäre sicher klärungsbedürftig, was genau mit dem Begriff »Sprache« gemeint ist – bezieht er sich auf rein grammatikalischsyntaktische Aspekte, schließt er auch semantisch-pragmatische mit ein, oder berücksichtigt seine Behauptung gar rhetorische und damit gesamttextuale Faktoren? Ein wenig konkreter, insbesondere im Hinblick auf die Wirkung der »sprachlich inkorrekten« Rede, ist hierbei eine andere Übersetzung von Konfuzius’ Gespräch: »Stimmen die Namen und Begriffe nicht, so ist die Sprache konfus. Ist die Sprache konfus, so entstehen Unordnung und Mißerfolg« (Konfuzius 1998: 79; Lun Yü XIII,3). In jedem Fall bezeugt das Zitat also, wie schnell es bei einer Rede zur Mißwirkung kommen kann, wenn deren Ausführung nicht sorgfältig geschieht. Ganz ähnlich äußerte sich hiermit vergleichbar Henryk M. Broder : »Es geht einfach darum, sprachliche Klarheit herzustellen, weil es einfach keine klaren Gedanken ohne klare Sprache gibt.«138 Wie sich in 2.1.5 herausstellte, reicht es nicht, einzelne, scheinbar gute Komponenten einer Rede herauszusuchen, um ihr bereits das Prädikat gut zu verleihen. Dies muß selbstverständlich auch vice versa gelten, denn einzelne nicht besonders geglückte Bestandteile einer Rede müssen nicht zwangsläufig zum Scheitern der ganzen Rede führen bzw. dafür verantwortlich sein. Wenn die Beurteilung einer Rede sich nur auf wenige einzelne »gute« Komponenten einer Rede beruft und dadurch ein verzerrtes Bild der Redenwirkung liefert, dann ist anzunehmen, daß auch durch die Hervorhebung einzelner »schlechter« Kriterien eine verfälschte und verfälschende Bewertung entsteht. Im Falle Philipp Jenningers zeigt sich, daß eine singuläre Beobachtung von sprachlichen und inhaltlichen Aspekten nicht zielführend sein kann, wenn die Diskrepanz zwischen Vortragswirkung und Vortragstext bereits signifikant ist und offensichtlich ineinandergreifende, alternierende Mechanismen für das Mißglücken ver138 Henryk M. Broder in der Sendung Kulturzeit (Moderation Christoph Heinemann, 3sat am 2. November 2007) bezüglich politisch korrekter und inkorrekter Sprache. Kehrt man die Parameter von Broders Argumentation um – durch unklare und reglementierte Sprache entstehen unklare und reglementierte Gedanken –, ist ein Besorgnis erregender Weg bis zu Orwells Neusprech in der Tat nun nicht mehr weit (cf. 3.2): »The purpose of Newspeak was not only to provide a medium of expression for the world-view and mental habits proper to the devotees of Ingsoc [die Partei des »English Socialism«, J.K.], but to make all other modes of thought impossible. It was intended that when Newspeak had been adopted once and for all and Oldspeak forgotten, a heretical thought – that is, a thought deverging from the principles of Ingsoc – should be literally unthinkable, at least so far as thought is dependent on words« (Orwell 1987: 312).

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antwortlich sind – einzelne Faktoren können die Mißwirkung kaum erklären, sondern müssen im Zusammenhang mit dem rhetorischen Gesamttext und der Einbettung in Kontext und Diskurs betrachtet werden. Die zuvor eingeführte Rhetorische Diskursanalyse bietet sich hierbei als Analyseinstrumentarium an, um den »Fall Jenninger« umfassend zu erörtern, denn sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, intendierte, angelegte und tatsächliche Wirkung analysieren und abgleichen zu können. Damit ist es möglich, die beiden wohl wichtigsten Fragestellungen zur Rede Philipp Jenningers zu klären: Zum einen ist zu erläutern, welche rhetorischen und diskursrelevanten Faktoren – im einzelnen, aber eben insbesondere auch in Kombination – zur Mißwirkung führten, und zum anderen sollte die Analyse ermöglichen, Strategien aufzuzeigen, welche das Scheitern hätten verhindern können, um damit auch zukünftigen Rednern Anhaltspunkte für eine glückende Rede zu bieten.

3.2.1.1 Makroebene: Diskurs und Setting In der diskursrhetorischen Makroanalyse sollen vor allem zwei wichtige Erkenntnisse gewonnen werden: Zunächst soll ein (kritischer) Überblick über die reflektierte und kommentierte Wirkung während und nach der Rede gegeben werden, im Anschluß sind für die Einschätzung einer eigentlich (im Vorfeld) erwarteten intendierten Wirkung des Orators der Kontext und das Setting des Vortrags darzustellen. Für Philipp Jenningers Rede, die er im Rahmen der Gedenkveranstaltung aus Anlaß der Pogrome des nationalsozialistischen Regimes gegen die jüdische Bevölkerung vor 50 Jahren am 10. November 1988 im Deutschen Bundestag hielt (damals vorübergehend ansässig im historischen Bonner Wasserwerk),139 kann für beide Abschnitte der Makroebene in großer Fülle auf journalistische Berichterstattung und Kommentierung sowie bereits erfolgte Forschung zurückgegriffen werden. Dies macht gleichzeitig eine kategorisierende Klassifikation der Ergebnisse und deren kritische Betrachtung notwendig, um einerseits die Reichhaltigkeit an Material zwar korrekt, aber beispielhaft präsentieren zu können und andererseits ein aktuelles, differenziertes und ideologisch nicht verzerrtes Bild zu garantieren. Für die Anfertigung einer repräsentativen Darstellung des Meinungsbildes im Diskurs für die Zeit nach der Rede eignen sich zum einen journalistische, zum anderen wissenschaftliche Erörterungen. Die journalistischen Quellen lassen sich grundsätzlich in einfache Reflexion geäußerter Meinung und in kritische Kommentierung bzw. Analyse unterteilen; 139 Offizieller Titel der Gedenkstunde laut: Deutscher Bundestag und Bundesrat (10. 11. 1988): Stenographische Berichte. 11. Wahlperiode. Gedenksitzung am 10. November 1988. Bonn: Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988a, 7269 – 7276.

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eine Überschneidung beider Varianten ist gelegentlich erwartbar. Zusätzlich ist eine chronologische Gliederung sinnvoll, bei der zwischen den Reaktionen während der Rede, den Kommentaren und Berichterstattungen danach, etwa in einem Zeitraum bis zu drei Wochen, und erneuten Erörterungen, bis in die Gegenwart, unterschieden werden kann. Für die Rede Jenningers erwiesen sich zum einen der TV-Mitschnitt der gesamten Rede als Dokumentation der Ereignisse während der Veranstaltung und die Meldungen der Deutschen Presseagentur (dpa) als Dokumentation der unmittelbaren Ereignisse danach als besonderer Glücksfall; die Berichte in Zeitungen, Magazinen und im Fernsehen sowie Kommentare in anderen Abhandlungen können darüber hinaus ein konkretes Bild der im Anschluß erfolgten und der später geäußerten Einschätzungen vermitteln. In der durch die ARD live übertragenen Rede (ARD 10. 11. 1988) lassen sich insgesamt vier Kategorien von Reaktionen im Publikum identifizieren, die sich als dialogischer Prozeß hinsichtlich der Redenwirkung interpretieren lassen bzw. während und nach der Rede so interpretiert wurden; hierzu zählen das nonverbale Verhalten der Vorrednerin Jenningers, Ida Ehre, das teils verbale, teils nonverbale Verhalten der Abgeordneten Jutta Oesterle-Schwerin (Die Grünen) in starker Konfrontation zum Redner, ein ähnliches Verhalten einiger anderer Abgeordneter und eher gedämpfte und zurückhaltende nonverbale Reaktionen generell im Publikum. Eine der später (v.i.) als Reaktion auf die tatsächliche Wirkung von Jenningers Vortrag gedeuteten Auffälligkeiten in der Fernsehübertragung ist eine Einstellung,140 welche die Vorrednerin Ida Ehre zeigt. Ehre hatte zuvor das Gedicht Todesfuge von Paul Celan vorgetragen. In der (filmisch variierenden) Einstellung, die während der etwa fünfundvierzigminütigen Rede insgesamt vierzehnmal zu sehen ist,141 wird Ida Ehre mit in den Händen verborgenem Gesicht gezeigt (cf. Abbildung 7).142 Zwei weitere Zuhörer sind in der Übertragung in ähnlicher Körperhaltung zu sehen;143 ob sie sich dabei an Ida Ehres Körper140 Die Variationen reichen von der Totale über die Halbtotale bis hin zur halbnahen Einstellung und Großaufnahme; die Perspektiven und Winkel sowie die Bewegungen der Kamera variieren ebenfalls. Teilweise ist dabei, den Einstellungsgrößen und Kamerabewegungen zufolge, Ida Ehre als einzige Person in der Einstellung zu sehen, teilweise mit Jenninger (und dem Publikum) während der Rede. In der letzten dieser Einstellungen setzt sich Jenninger nach der Rede neben Ida Ehre (ARD 1988: 0:45:15). 141 ARD 1988: 0:02:15, 0:03:08, 0:15:05, 0:19:41, 0:23:08, 0:24:14, 0:27:34, 0:29:40, 0:34:52, 0:38:25, 0:39:39, 0:40:59, 0:43:22, 0:45:15; Einstellungen, in denen Jenninger, Ehre und die Zuhörer aus noch weiterer Entfernung gezeigt werden, sind nicht mit eingerechnet. 142 Bereits nach anderthalb Minuten gab es eine Einstellung auf Ida Ehre; hier hält sie ihre Hände allerdings noch nicht vors Gesicht (ARD 1988: 0:01:31). 143 Annemarie Renger (SPD) in einer vergleichbaren Körperhaltung wie Ehre nach 0:25:51, in leicht veränderter Form nach 0:29:59; Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Einstellung 0:30:26 (ARD 1988).

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haltung orientierten, ist zumindest anhand des Filmmaterials nicht nachvollziehbar und erscheint im folgenden eher unerheblich.

Abbildung 7

Eine andere höchst auffällige Reaktion auf den Orator Jenninger ereignete sich ebenfalls bereits zu Beginn der Rede. Nach zwei Minuten kommt es im Auditorium zu der ersten verbal geäußerten Reaktion. Jutta Oesterle-Schwerin (Abgeordnete der Fraktion Die Grünen) macht nach der Begrüßung des Publikums durch Jenninger und dessen Ankündigung der inhaltlichen Ziele seiner Rede einen Zwischenruf, dessen genauer und vollständiger Wortlaut nicht überliefert ist.144 Teile davon lassen sich als »Und warum lassen Sie dann die Abschiebung tamilischer Kinder zu?« (dpa 10. 11. 1988: 11:36) und als »Es ist doch alles gelogen!« identifizieren (ARD 1988: 0:02:17; cf. Herles in FAZ 11. 11. 1988: 3);145 nur der letztere Ausschnitt des Zwischenrufs wird später allgemein in der Presse zitiert. Nachdem Jenninger sie zur Ruhe mahnt, verläßt sie wenige Sekunden später den Plenarsaal (ARD 1988: 0:02:48). Nach 25 Minuten kommt es im Auditorium erneut zu Zwischenrufen; sie sind weder in der Aufzeichnung zu verstehen, noch im Stenographischen Bericht vermerkt (ibid.: 0:25:40). Gleiches gilt für weitere Zwischenrufe, die sich nach 144 Im Stenographischen Bericht ist an der fraglichen Stelle lediglich notiert, daß es einen »Zuruf« und die »Fortsetzung des Zurufs« gegeben hat. 145 Bei Hill wird zitiert: »Das ist doch alles gelogen!« (Hill 1989b: 0:11).

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etwa 36 Minuten ereignen und die sowohl aus der Fraktion der Grünen als auch der der SPD stammen; im Anschluß an die Zwischenrufe sind zwei Abgeordnete zu sehen, die den Saal verlassen (ibid.: 0:36:51).146 Jenninger, so läßt sich anhand der Fernsehübertragung deutlich erkennen, wird durch die Unruhe sichtlich gestört und verspricht sich mehrfach (ibid.). Die hier genannten Störungen und die den Saal verlassenden Abgeordneten werden in der späteren Berichterstattung, ebenso wie die bereits zuvor genannten Auffälligkeiten, eine wichtige Rolle spielen. Die weiteren Reaktionen auf Jenninger bzw. seine Rede, die sich anhand der Aufzeichnung erkennen lassen, sind weit weniger ausgeprägt als die zuvor beschriebenen; dennoch sollen sie hier genannt werden, da auch sie eindeutig zu einer jeden Redewirkung gehören und darüber hinaus ebenfalls in der Berichterstattung wiederzufinden sind (v.i.). Während der gesamten Übertragung wird das Auditorium immer wieder eingeblendet; die Perspektiven und Kameraeinstellungen variieren dabei. Ein Bild der Zuhörer wird beispielsweise nach etwa 30 Minuten gezeigt; hier sind, teils zusammen, teils in Einstellungsabfolge, die Abgeordneten Lambsdorff (FDP), Brand und Vogel (SPD), Stoltenberg (CDU) sowie weitere ihnen benachbarte Abgeordnete zu sehen (ibid.: 0:30:46); mehrfach während der Übertragung gibt es auch einen Schnitt auf die Zuschauertribüne mit den Gästen Richard von Weizsäcker, Heinz Galinski und Jitzhak Ben-Ari.147 Die in jenen Einstellungen eingefangenen Reaktionen sind meist kaum erheblich; dennoch können einige der Bilder so interpretiert werden (und wurden später so interpretiert), daß sie bestimmte Thesen zur Redenwirkung unterstützen (v.i.). Abschließend zur Beobachtung der TV-Aufzeichnung der Rede Philipp Jenningers ist festzustellen, daß sich das Verhalten des Publikums grundsätzlich in zwei Varianten unterteilen läßt: Zum einen läßt sich die Variante nennen, zu der die Reaktionen gehören, die offensichtlich und offensiv gegen Jenninger bzw. dessen Rede ausgeführten wurden, wie also jene im Falle Oesterle-Schwerins oder jene der anderen Zwischenrufer und Abgeordneten, die unter verbalem Protest den Saal verließen. Zum anderen gibt es die Variante, für die sich erst durch eine syntaktisierende Interpretation ein Zusammenhang mit der Redewirkung ergibt, wie am Beispiel des Verhaltens der Vorrednerin Ida Ehre oder jenes der Abgeordneten, die der Veranstaltung eher ruhig und, wie sich im

146 An dieser Stelle beschreibt Jenninger die Situation und Verdrängung der Ereignisse im Nachkriegsdeutschland. 147 ARD 1988: 0:00:44, 0:07:12, 0:08:16, 0:15:33, 0:19:23, 0:24:37, 0:27:58, 0:30:26 (v.s.), 0:34:37, 0:37:23, 0:38:51, 0:41:24, 0:44:10; die Einstellungen variieren zwischen der totalen und halbtotalen sowie der halbnahen Einstellung und Großaufnahme; das Bild folgt dabei einem Kameraschwenk oder bleibt still.

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folgenden noch zeigen wird, der Rede emotional auf eine Weise folgten, die in der Presse verschiedene Deutungen zuließ. Als weitere Quellen für die nachweisbare Wirkung der Rede bzw. die darauf erfolgten Reaktionen eignen sich, wie bereits zuvor erwähnt, die dpa-Meldungen, die am 10. November 1988 ab 11:36 Uhr einsetzen.148 Diese erste Meldung der dpa ist die einzige, die über die Rede wertfrei berichtet, sie inhaltlich korrekt widergibt und die wesentlichen Aussagen Jenningers zusammenfaßt. Der Kern der Rede, nämlich die Beschreibung und Interpretation der historischen Ereignisse und die Verantwortung der deutschen Bevölkerung, wird von der Meldung genau so erfaßt wie der Zwischenruf Oesterle-Schwerins (v.s.), der sich auf die Lehren bezieht, die Jenninger aus der Vergangenheit für die Zukunft gewinnen will; von einem »Eklat« (cf. 3.2.1) ist dagegen nichts zu lesen (dpa 10. 11. 1988: 11:36). Erst ab der folgenden Meldung, die auf 12:42 Uhr datiert ist, wird, nun ausschließlich, über die stark negative Kritik von Abgeordneten berichtet (dpa 10. 11. 1988: 12:42). Diese Berichterstattung setzt sich in den folgenden Meldungen fort; die teils sehr harsche Kritik einiger Abgeordneten wird undifferenziert zitiert, und es wird zum ersten Mal von einem »Eklat« gesprochen. Darüber hinaus wird bereits in der Meldung um 14:49 Uhr über Rücktrittsforderungen an Jenninger berichtet (dpa 10. 11. 1988: 14:49). Alle weiteren Meldungen der dpa beinhalten ab nun die negative Kommentierung durch einige Abgeordnete,149 einige wenige Ausschnitte aus der Rede,150 die Gerüchte um einen bevorstehenden Rücktritt Jenningers, einen offenen Brief des SPD-Fraktionsvorsitzenden Hans-Jochen Vogel an Jenninger, in dem er die Rede abermals scharf kritisiert, sowie die ersten externen negativen Kommentare zur Gedenkrede.151 Insgesamt sind es insbesondere sechs Verfehlungen, die Jenninger vorgeworfen und in der Berichterstattung der dpa zitiert wurden: »Mangel an Sensibilität und Betroffenheit«, »historische Fehler«, eine (unkommentierte) »Verwendung von Sprachbildern und Begriffen der Nationalsozialisten«, »mögliche negative Wirkung auf andere«, »Rechtfertigungen der historischen Ereignisse« und »Verständnis für die Begeisterung der Deutschen für Hitler«

148 Die meisten der dpa-Meldungen tragen in der Signatur das Autorenkürzel »hs«; dies spricht dafür, daß sie von dem dpa-Korrespondenten Holger Schmale stammen. Dieser schrieb namentlich den dpa-Bericht um 16:07 Uhr (dpa 10. 11. 1988: 16:07). 149 Neben Vogel und Oesterle-Schwerin werden hierzu häufig der Parlamentarische Geschäftführer der Fraktion Die Grünen, Hubert Kleinert, und der Abgeordnete Wolfgang Lüder (FDP) genannt. 150 Hierbei handelt es sich sowohl um Ausschnitte, die später kontrovers diskutiert wurden (e. g. dpa 10. 11. 1988: 15:30 und 15:54), als auch um Ausschnitte, durch die sich Jenningers Einstellung und Beurteilung eindeutig identifizieren läßt (dpa 10. 11. 1988: 17:44). 151 Dpa 10. 11. 1988: 13:42, 13:52, 14:49, 15:30, 15:54, 16:07, 16:18, 16:45, 17:13, 17:38, 17:44, 18:59, 20:29, 20:36, 20:55, 21:16.

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(ibid.).152 Der einzige gänzlich positive Kommentar (der von der dpa nur einmal zitiert wird) stammt von dem damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michael Fürst: »Er [Fürst] habe eine inhaltliche Rede erwartet, die natürlich auch Widerspruch beim politischen Gegner hervorrufe […] Jenninger habe deutlich gemacht, daß Hitlers Taten von der Masse der Deutschen getragen worden sei«153 (dpa 10. 11. 1988: 21:16 Uhr). Um 21:16 Uhr werden die Ereignisse noch einmal zusammengefaßt; als Grund für den Eklat wird nun angegeben: Jenninger hatte den Eklat mit Formulierungen in seiner Rede ausgelöst, in denen er Verständnis für die Begeisterung vieler Menschen für Hitler in dessen ersten Amtsjahren sowie für die Verdrängung der Nazi-Verbrechen im Nachkriegs-Deutschland geäußert hatte. Außerdem nahmen ihm viele Abgeordnete die Übernahme nationalsozialistischer Formulierungen in seiner Rede übel (ibid.).

Erst um 22:03 Uhr versendet die dpa »ungekürzt den gesamten Wortlaut der Rede« (dpa 10. 11. 1988: 22:03); um 23:01 Uhr folgt eine weitere Meldung über mögliche Konsequenzen Jenningers (dpa 10. 11. 1988: 23:01), und um 23:19 Uhr die letzte Meldung des Tages zu dem Thema, die die Ereignisse noch einmal ähnlich zusammenfaßt wie um 21:16 Uhr (dpa 10. 11. 1988: 23:19). Viele der von der dpa zitierten Kommentare sowie ihre Erklärung für die starke Kritik an Jenninger werden sich, wie sich zeigen wird, ab nun in der deutschen und ausländischen Presse wiederfinden. Als wichtiges Detail muß dabei aber betont werden, daß während der Gedenkveranstaltung selbst nur sehr wenige Journalisten im Plenarsaal anwesend waren;154 die einzigen denkbaren Quellen, die der Presse zur Verfügung standen, waren daher die Meldungen der dpa, eine vor152 Eine der wenigen explizit und detailliert genannten Kritiken bezieht sich dabei auf eine Passage der Rede, in der Jenninger mit Blick auf die politischen Erfolge Hitlers von einem »Faszinosum« spricht (dpa 10. 11. 1988: 15:30), eine weitere auf Jenningers angeblich irreführende Prosodie, bei der er die Zitate durch Betonung nicht deutlich genug kenntlich gemacht habe: »Jenninger habe zahlreiche Anführungs- und Fragezeichen nicht deutlich gemacht« (dpa 10. 11. 1988: 20:36). 153 Für eine weitere, zumindest abwägendere Bewertung der Rede wird der SPD-Abgeordnete Peter Conradi zitiert: »[…] die umstrittene Rede Jenningers sei ›völlig anders rübergekommen, als sie geschrieben wurde‹. […] Er [Conradi] halte ›zwei Drittel der Rede für toll‹ […] Jenninger sei ein integrer Mann, der eine unglückliche Rede gehalten habe« (dpa 10. 11. 1988: 20:36). 154 Jenninger berichtet selbst, daß wegen der geringen Größe des Bonner Wasserwerks nur »das Fernsehen« im Plenarsaal anwesend sein konnte und damit keinerlei Zeitungsjournalisten (König 2008b: 183 und Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang); Wolfgang Lüder schreibt in seinem Brief vom 03. 02. 2009 (s. Anhang): »Leider war die Gedenkstunde zu früh gelegt für viele Journalisten.« Eine Teilnehmerliste der Veranstaltung ist indes nicht mehr verfügbar ; sofern es eine gegeben hat, wurde sie aus Gründen des Datenschutzes vernichtet (laut Auskunft des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages am 13. 03. 2009).

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läufige Version der Rede, die im Laufe des Tages verteilt wurde und vom Wortlaut abwich,155 die Übertragung durch das Fernsehen156 sowie diejenigen Abgeordnete, die die Rede kommentieren wollten und deren Kommentare meist negativ ausfielen. Für den weiteren Verlauf des Abends können zum einen die Tagesschau um 20:00 Uhr (ARD 10. 11. 1988) und die Sendung ZDF spezial – Die Rede (ZDF 10. 11. 1988) als beispielhaft für die Entwicklung der unmittelbar nachfolgenden Berichterstattung betrachtet werden. In der Tagesschau wird der Rede bereits zusammenfassend eine mißglückte und fatale Wirkung zugeschrieben: Ein Rücktritt von Bundestagspräsident Jenninger wird in Bonn für möglich gehalten. Seine Gedenkrede zum fünfzigsten Jahrestag der nationalsozialistischen Novemberpogrome gegen die jüdische Bevölkerung hatte am Vormittag im Parlament einen Eklat ausgelöst. […] Von allen politischen Lagern wird Jenninger vorgehalten, dem historischen Anlaß nicht gerecht geworden zu sein. Seine Gedenkrede habe nicht nur das notwendige Maß an Betroffenheit vermissen lassen, Jenninger habe auch ohne Distanzierung Äußerungen von Nazi-Größen zitiert und Sprachbilder der NS-Gewaltherrschaft verwendet. Über weite Strecken habe die Ansprache wie eine Rechtfertigungsrede geklungen (ARD 10. 11. 1988: 20:00:15).157 155 Cf. Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang, König 2008b: 187 und Hill 1989b: 00:39:38; insbesondere aus letzterer Quelle wird deutlich, daß entscheidende Distanzierungen Jenningers zu Zitaten aus nationalsozialistischem Sprachgebrauch dem Redetext erst kurz vor dem Vortrag hinzugefügt wurden und daher in der ersten Druckversion, die der Presse zur Verfügung stand, noch nicht enthalten waren. 156 Inwieweit deutsche und insbesondere ausländische Journalisten für ihre Recherche von der Fernsehübertragung der Rede Gebrauch machten, läßt sich natürlich nicht eindeutig nachweisen; bedenkt man aber die teilweise völlig falsche Zitierung der Rede (cf. Hill 1989b: 00:39:19), so wird deutlich, daß offenbar viele die Rede nicht selbst gehört hatten und die TV-Übertragung daher als Quelle für die Journalisten nur eine stark untergeordnete Rolle spielte. In dem Falle, daß Journalisten sich vor allem auf die Nachrichten der dpa verließen, sie nicht kritisch lasen und nur selektiv auswählten, trifft sogar Jenningers Klage über den Journalismus zu: »Die Zeitungsjournalisten haben im Anschluß natürlich von den Unruhen erfahren und dann von den Abgeordneten einiges gehört. Sie haben Berichte darüber geschrieben, und diese dann einfach ihren Kollegen zum Lesen gegeben, die sie dann blind übernommen haben. Der sogenannte ›Papageienjournalismus‹ kam also voll zum Tragen« (Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang; König 2008b: 183). 157 Im folgenden werden zunächst drei Ausschnitte der Übertragung, direkt aneinander montiert, eingeblendet (ARD 10. 11. 1988: 20:01:18). Es handelt sich dabei zum einen um die Passage Zeile 156 bis 160, 171 bis 179 und 210 bis 215 (s. Anhang). Jenninger nennt darin einerseits die Erfolge Hitlers, andererseits zitiert er antisemitische Ressentiments aus den 1930er Jahren. Die Ausschnitte werden ohne den inhaltlichen Kontext der restlichen Rede gezeigt, sind so montiert, daß sie als Gesamtausschnitt erscheinen, und offenbar bewußt ausgewählt, um die zuvor genannten Kritiken zu belegen. Es schließen sich hieran zunächst einige paraphrasiert zitierte Reaktionen an, später auch einzelne Vox Pops (oder besser : »voces politicorum«). Renate Schmidt (SPD) äußert sich beispielsweise: »Da bleibt nur noch Rücktritt und sonst gar nichts mehr. […] Es ist so, daß man heulen könnte« (ibid.: 20:03:33).

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In der durch das Zweite Deutsche Fernsehen ausgestrahlten Sendung ZDF spezial – Die Rede wird versucht, der Frage nachzugehen, inwieweit die im Laufe des Tages geäußerte Kritik der Rede Jenningers gerecht wird. In der Eröffnung der Sendung wird auch der bereits erwähnte Abgeordnete Lüder zitiert; diesmal mit den Worten, Jenninger sei mit »geistigen Knobelbechern durch die Geschichte marschiert« (ZDF 10. 11. 1988: 00:01).158 Die im Anschluß gezeigten Ausschnitte kommentiert Moderator Siegloch signifikanterweise bereits als im Zusammenhang anders klingend und als »aus dem Zusammenhang gerissen« (ibid.: 00:09). Dennoch erweisen sich insbesondere die Gäste159 Walter Jens und Arnulf Baring als starke Kritiker der Rede, Lothar Gall zurückhaltend, aber dennoch eher negativ, und Michael Fürst bewertet die Rede, wie bereits in den dpaMeldungen erwähnt, stark positiv ; Rainer Barzel, der die Rede als einziger im Bundestag gehört hatte, nimmt zur Rede selbst kaum Stellung (abgesehen von einem eher positiven Schlußkommentar), sondern rekapituliert die historischen Ereignisse, derer gedacht wurde, aus seiner Erfahrung und Perspektive. Auch Jens bringt solche neuen Aspekte auf, die er offensichtlich lieber in der Gedenkrede gehört hätte – insbesondere das Verdienst couragierter jüdischer Deutscher während der gesamten NS-Diktatur –, nennt aber »historische Fehler« und insbesondere eine verunglückte Rollenprosa als Gründe für das Mißlingen der Rede. Für letztere konstatiert Jens, daß Jenninger sich – sprachlich – nicht ausreichend von den Begriffen und Redewendungen der Nationalsozialisten distanziert hat. Es ist eine bezeichnende Feststellung, daß Jens die Rede nicht gehört hatte und erst durch die gezeigten Ausschnitte Jenningers Prosodie und tatsächliche Wortwahl wahrnehmen konnte. Baring kritisiert Jenninger wegen einer unsensiblen Vortragsweise, die einer akademische Vorlesung zwar genüge, dem Gedenken im Bundestag aber unangemessen sei; Gall gesteht der Rede zwar zu, daß sie nicht rechtfertigend sei, Jenninger in zu kurzer Zeit aber zu viel habe äußern wollen, und er pflichtet Jens bei, daß die nötige Distanzierung fehlte. Als einziger beurteilt Fürst die Rede, mit wenigen und unbedeutenden Ausnahmen, die Rede sehr positiv, indem er die deutliche Wortwahl lobt, den Inhalt als dem Ereignis angemessen und für die heranwachsende Generation für wichtig erachtet; Fürst stellt damit die Beanstandungen Jens’, Barings und Galls gegensätzlich als positive Merkmale der Rede dar. Während manche Kritik an einigen inhaltlichen Aspekten der Rede, die in der Fernsehübertragung und in den dpa-Meldungen zu erkennen war – »Erfolge Hitlers« und »Situation und Verdrängung im Nachkriegsdeutschland« (v.s.) –, in der Berichterstattung des 158 Auch zitiert wird der SPD-Abgeordnete Conradi (v.s.). 159 Im Studio sind Walter Jens (als Rhetoriker) und Lothar Gall (als Historiker) anwesend, über Bildschirme zugeschaltet sind Rainer Barzel (CDU), Arnulf Baring (als Politologe und Historiker) und Michael Fürst (stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland); die Sendung wird von Klaus-Peter Siegloch und Ruprecht Eser moderiert.

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Fernsehens nicht thematisiert wurde, lassen sich also eindeutig andere Hauptkritikpunkte (wieder-)erkennen, die in den Zeitungen und Magazinen der nächsten Tage und in den nachfolgenden wissenschaftlichen Erörterungen, zusammen mit den bisher genannten, das Fundament der Berichterstattungen, Kommentare und Analysen bilden werden. Sämtliche bedeutenden nationalen Tageszeitungen160 berichteten am folgenden Tag (11. November 1988) nicht nur auf ihrer ersten Seite über Jenningers Rede, sondern setzen sie auch bereits in einen Frame,161 der eindeutig die mißglückte Wirkung beinhaltet:162 Eklat im Bundestag bei der Rede Jenningers zum Jahrestag der Pogromnacht (FAZ 11. 11. 1988: 1), Gedenkstunde zu Pogromen: Eklat nach Jenninger-Rede (Die Welt 11. 11. 1988: 1), Jenningers Rede führt zum Eklat im Bundestag / Ruf nach dem Rücktritt des Parlamentspräsidenten (SZ 11. 11. 1988: 1), Opposition fordert Rücktritt des Bundestagspräsidenten / Abgeordnete verlassen aus Protest über Jenningers Rede den Saal (HAZ 11. 11. 1988: 1), Empörung über Jenninger / Krisensitzung um Rücktritt (Abendblatt 11. 11. 1988: 1), Jenninger löst Eklat im Bundestag aus / Entsetzen über Geschichtsverständnis (FR 11. 11. 1988: 1), Jenninger vom Faschismus fasziniert (taz 11. 11. 1988: 1), Jenningers Juden-Gedenkrede / Schämen Sie sich – Herr Präsident? (Bild 11. 11. 1988: 1). Auch die weiterführenden Beiträge wiesen Jenningers Rede bereits im Titel eine fatale Wirkung zu, indem sie entweder einzelne Zitate benutzten, die ohne den Zusammenhang innerhalb der Rede die Thesen von »Verharmlosung«, »Rechtfertigung« oder »Faszination« Jenningers unterstützen – ›Hatten sich die Juden nicht doch eine Rolle angemaßt, die ihnen nicht zukam?‹ (SZ 11. 11. 1988: 13), ›Hitlers Triumphzug mußte den Deutschen als Wunder erscheinen‹ (FR 11. 11. 1988: 14) –, oder indem sie die Reaktionen direkt oder indirekt im Titel zitierten: Das mildeste Urteil lautet: Gut gemeint, aber nicht gekonnt / Trauer, Zorn, Enttäuschung und Ratlosigkeit nach der Rede Jenningers (FAZ 11. 11. 1988: 3), ›Das ist ja eine Blamage, hören Sie auf‹ (Die Welt 11. 11. 1988: 3). Die zugehörigen Zeitungsbeiträge163 skizzierten dabei zum einen

160 Den Tageszeitungen, so muß festgestellt werden, fiel in einer Zeit ohne Internet eine noch gravierendere Rolle in der Reflexion öffentlicher Berichterstattung und Meinung zu als heute zu (cf. Todorow 2005: 113). 161 Im Sinne des kommunikationswissenschaftlichen Terminus findet also eine Attributierung der Rede statt. 162 Einen beachtlichen Überblick über sämtliche wichtige nationalen und internationalen Zeitungsberichte, aber auch Reaktionen und Briefkommentare bieten Laschet / Malangr¤ in Philipp Jenninger. Rede und Reaktion. (Einhard / Rheinischer Merkur 1989); eine weitere, kurze Einführung in die Berichterstattung der Presse bietet außerdem z. B. Girnth (1993: 6 ff.). 163 Als Beispiele: Herles in FAZ 11. 11. 1988: 3, Stein in Die Welt 11. 11. 1988: 3, Bergdoll in SZ 11. 11. 1988: 1 f., Tolmein in taz 11. 11. 1988: 1 f.

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die Geschehnisse, zum anderen fingen sie die wesentlichen Kritikpunkte164 wieder auf und belegten sie mit vielen der oben beschriebenen Reaktionen, also verbalen und nonverbalen Handlungen einiger Zuhörer während und nach der Rede. Oesterle-Schwerins Zwischenruf wurde zitiert und ihr Abgang beschrieben: »Gleich am Anfang […] ruft eine Abgeordnete: ›Das ist doch alles gelogen.‹ […] Die ersten gehen« (Herles in FAZ 11. 11. 1988: 3). In der Welt wird jener Zwischenruf ohne Zeitangabe anderen Zwischenrufen beigestellt (Stein in Die Welt 1988: 3); in der Frankfurter Rundschau heißt es: »Schon kurz nach Beginn der Ansprache rief die Grünen-Abgeordnete Jutta Oesterle-Schwerin dazwischen […] Danach verließen die ersten Grünen aus Protest den Plenarsaal« (FR 11. 11. 1988: 1 f.). Unrecherchiert und unreflektiert bleibt dagegen, warum Oesterle-Schwerin die Rede durch ihren Zwischenruf tatsächlich unterbrach und den Saal verließ – bei einem Abschnitt der Rede, in der Jenninger die Begrüßung des Publikums gerade beendet und die Ziele seiner Rede formuliert hatte, aber noch keinerlei weiterführende, inhaltliche Aspekte angesprochen hatte. Oesterle-Schwerins tatsächliche Motivation für die Störung waren aktuelle politische Beschlüsse in bezug auf Asylbewerber (cf. Vornbäumen in FR 11. 11. 1988: 1), deren Abschiebung sie als krassen Gegensatz zu den Bekenntnissen einer Gedenkstunde empfand (cf. Hill 1989b: 00:32:36): »Diesen Einwurf hatte sie sich von Anfang an vorgenommen, weil sie die Gedenkveranstaltung grundsätzlich ablehnte« (Philipp 2007: 185). Eine Kritik an der Thematik und rednerischen Performanz Jenningers war Oesterle-Schwerins Verhalten also nicht; der Beleg für die Mißwirkung ist daher unzulässig, desinformierend und eine klare manipulative Fehlleistung der Presse. In ihrer späteren Kritik am Nachmittag, die von der Presse allerdings meist unbeachtet blieb, hält Oesterle-Schwerin die Rede als Beweis dafür, daß »der Antisemitismus auch im Herzen von vielen Mitgliedern dieses Hauses noch vorhanden ist […]« (Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988b: 7308);165 diese Feststellung erscheint aus ideologischen oder persönlichen Gründen verfremdet und überzeichnet. Durch das Verlassen des Plenarsaals konnte sie die Rede darüber hinaus zumindest nicht mehr vor Ort verfolgen.166 Die Berichterstattung und insbesondere die Kritik – sowohl die

164 »Mangel an Sensibilität und Betroffenheit«, »historische Fehler«, eine (unkommentierte) »Verwendung von Sprachbildern und Begriffen der Nationalsozialisten«, »mögliche negative Wirkung auf andere«, »Rechtfertigungen der historischen Ereignisse« und »Verständnis für die Begeisterung der Deutschen für Hitler« (v.s.). 165 Oesterle-Schwerin äußerte sich in einer Bundestagssitzung am Nachmittag desselben Tages noch einmal sehr negativ ; diesmal sowohl über Jenningers Rede als auch generell über Mitglieder des Bundestags. Annemarie Renger (SPD), Vize-Präsidentin des Bundestags, entzog ihr darauf hin das Wort (Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988b: 7309). 166 Oesterle-Schwerin war allenfalls noch eine Beobachtung der Fernsehübertragung möglich; in ihrer Stellungnahme vor dem Bundestag berichtet sie allerdings: »Ich hatte in der Zwi-

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der in der Presse zitierten Kritiker als auch die der Journalisten selbst – wird schon während dieser ersten Reflexion nicht nur auf der sachlichen Ebene geführt, sondern weist bereits Tendenzen zur Polemik auf. Dieser Bestandteil der Jenninger-Kritik verstärkt sich noch, wie im folgenden zu beobachten sein wird. Ein weiteres, sehr auffälliges – und tatsächlich nur scheinbares – Beweismittel zur Kritik ist eine Einstellung aus der Übertragung bzw. ein Foto desselben Motivs, das Jenninger zusammen mit der Vorrednerin Ida Ehre zeigt, die während seiner Rede den Kopf in ihre Hände stützt und darin verbirgt; dies Motiv erscheint bereits in der Übertragung der Rede als markant oft wiederholte Einstellung (v.s.) und wird am Tag nach der Rede in vielen Tageszeitungen an prominenter Stelle zur Illustrierung der Schlagzeilen genutzt: Die Frankfurter Rundschau setzt das Bild auf Seite 1 oben mittig neben die Überschrift Jenninger löst Eklat im Bundestag aus; die (angebliche) Erklärung des Bildes folgt in der Bildbeschreibung: ENTSETZEN über die Rede von Bundestagspräsident Jenninger. Ida Ehre (rechts), Direktorin der Hamburger Kammerspiele, schlägt die Hände vor das Gesicht. Sie ist eine der wenigen Jüdinnen, die den Nazi-Terror in Deutschland überlebten (FR 11. 11. 1988: 1).

In der FAZ des Tages wird ein ähnliches Bild auf Seite 3 abgedruckt, ebenfalls von den negativ kritisierenden Artikelüberschriften (v.s.) gerahmt, hier ohne weitere Bildbeschreibung. Das Motiv erscheint auch in der Ausgabe des Hamburger Abendblattes vom 11. 11. 1988, hier auf Seite 1, umrahmt von den Überschriften Gedenkrede im Bundestag führt zum Eklat und Empörung über Jenninger ; Bildbeschreibung: »Den Kopf in die linke Hand gestützt, sitzt Ida Ehre […] während der Rede des Bundestagspräsidenten neben Philipp Jenninger« (Abendblatt 11. 11. 1988: 1). Eklat und Kritik werden mit dem Bild bewußt in Zusammenhang gebracht, das gleichsam als Beweisstück bzw. Argumentationsprämisse dient: Die Holocaust-Überlebende Ida Ehre, so wird suggeriert, fühlt sich durch Jenningers Rede tief verletzt. Die Verkettung von Bildmotiv und Zeitungstext funktioniert dabei auf drei verschiedenen Ebenen, nämlich die der syntaktisierenden Bild-Text-Montage, die des Primings und Framings sowie die der Bildrhetorik: Die Kunst, einzelne, gesonderte aufgenommene Einstellung so miteinander zu verknüpfen, daß der Zuschauer im Ergebnis den Eindruck einer geschlossenen, ununterbrochenen, sich fortsetzenden Bewegung gewinnt, nennen wir gewöhnlich Montage (Pudowkin 1983: 330).

schenzeit Gelegenheit, die Rede relativ genau zu lesen […]« (Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988b: 7308).

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Die Gesetzmäßigkeit des Verstehens von der bei Pudowkin beschriebenen Filmmontage läßt sich auf die Bild-Text-Montage der Zeitungen übertragen, denn: »Die Montage kann […] Ansichten verschiedener Objekte miteinander verbinden, sie kann dadurch im Zuschauer Bedeutungen evozieren, die im tatsächlich Abgebildeten keine Entsprechung haben« (Hickethier 1996: 136 f.). Es entsteht also ein Bild-Bedeutung-Textsystem (cf. Metz 1973: 128 ff.), das verschiedene semantische Codes syntaktisierend miteinander verknüpft. Hierdurch werden Bedeutungen und Aussagen gegenseitig bestätigt, die den Anschein erwecken, mit einander in Verbindung zu stehen. Im Falle der Berichterstattung über Jenninger werden nun, daraus folgend, das Prime Jenninger löst Eklat aus und der Frame Ida Ehre wird durch Jenninger verletzt durch die Berichterstattung evoziert. Auf der Ebene der emotionalen (Bild-)Rhetorik ist die Interpretation sowohl der im Bild bestehenden Syntax als auch der zwischen Text und Bild eindeutig: Die gebrechliche Holocaust-Überlebende wird durch den unsensiblen Redner verletzt; Antipathie mit Jenninger und Sympathie mit der ohnmächtig erscheinenden Kritik Ehres sind die Folge. Es entsteht durch die genannten Beziehungsprozesse eine Bildrhetorik, die nun, wie jedwede rhetorische Kommunikation, den Regeln der rhetorischen Wirkung folgt: […] die Frage nach einer Bildrhetorik [wäre] eine Frage nach der Möglichkeit, mit visuellen Darstellungsmitteln einen argumentativen Zusammenhang zu entwickeln oder zumindest zu unterstützen (Sachs-Hombach / Masuch 2007: 49).

Es ergibt sich also ein argumentativer und emotionaler Beweis für die aufgestellte These, Jenninger habe durch seine Rede einen Eklat ausgelöst und folglich sei seine Rede schlecht. Die Verknüpfung von Bild und Text belegt diese These: »[Visualisierungen] leisten in dieser Funktion einen rhetorischen Beitrag, indem sie die Plausibilität der Begründungszusammenhänge steigern helfen« (ibid.: 67). Dies ist die Erklärung für die Wirkung dieses Elements der Berichterstattung; aus einzelnen Prämissen wird eine zusammenhängende Argumentation, deren Abschlußthese(n) als wahrhaftig gelten sollen und könnten, wären die einzelnen Prämissen selbst wahrhaftig. Sind sie es aber nicht, entsteht eine grobe Manipulation. Letzteres ist im Falle des Bildmotivs mit Ida Ehre festzustellen, denn eine Verzweiflung und ohnmächtige Geste als Folge von Jenningers Rede hatte Ehre nie beabsichtig: Auf Menschen, die das alles nicht mitgemacht haben, wird die Rede sehr gut gewirkt haben. Ich war aber so bewegt, und das Grauen jener Zeit stand wieder dicht vor meinen Augen, daß ich mich nicht völlig auf die Ansprache konzentrieren konnte (in Abendblatt [sic!] 11. 11. 1988: 2).

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Die Nachricht stimmt mit einer dpa-Meldung vom Tag nach der Rede überein (dpa 11. 11. 1988: 13:02), und Jenninger berichtet im Interview darüber, Ida Ehre habe ihm dies auch telefonisch bestätigt: Sie hat mich am nächsten Tag auch angerufen und mir gesagt, was die Presse ihr da unterstelle, würde hinten und vorne nicht stimmen. Sie sei einfach so ergriffen gewesen […] Ihr Vortrag [der Todesfuge von Paul Celan, J.K.] selbst habe sie so bewegt, daß ihr die Tränen gekommen seien. Alle Beschuldigungen, sie hätte meinetwegen geweint, müsse sie zurückweisen (Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang; König 2008b: 186).

Irritierend ist hier die Rolle der Presse, die die manipulierende Illustration zumindest fahrlässig verursacht und im Falle des Hamburger Abendblattes sogar Ida Ehres direkten Kommentar in der Fortsetzung des Leitartikels auf Seite 2 (v.s.) aufnimmt, während das Bild sinnentstellt auf Seite 1 als Argumentationsprämisse dient. Auch später wird dieser unwahrheitsgemäße, scheinbare Beweis angebracht: Die Zeit druckt das Bild unter der beschriebenen Syntaktisierung in ihrer Ausgabe vom 18. 11. 1988 ab (Seite 7); einige (politische) Kritiker von damals nennen das Motiv sogar noch heute als Argumentationsprämisse.167 Eine vergleichbare, aber nicht ganz so eindeutige Situation ergibt sich für ein Bild, das in der Frankfurter Rundschau erscheint und auf dem Teile des Publikums während der Rede abgebildet sind; die Illustration trägt die Beschreibung: »Versteinerte Mienen bei Heinz Galinski, Richard von Weizsäcker und dem scheidenden Botschafter Israels Jitzhak Ben-Ari […]« (FR 11. 11. 1988: 14). Dies Bild steht in einer Abfolge von Bildern und Beschreibungen, die mit den zu Anfang genannten Einstellungen aus der Übertragung der Rede beginnt: Totalund Großaufnahmen der Zuhörer, anhand derer eine Reaktion auf Jenningers Rede interpretiert werden kann. Welche Interpretation gewählt wird, entscheiden dabei allerdings keine überprüfbaren, empirischen Fakten, sondern werden dem »Gespür« des Interpreten überlassen: Die Frankfurter Rundschau nennt die Reaktionen auf Bildern wie diesen also »versteinert«; in der Tat findet sich aber in der Fernsehübertragung bereits zu Beginn der Rede eine Einstellung auf die oben genannten Personen, in der jene eine exakt gleiche Mimik aufweisen (cf. ARD 1988: 00:01). Wolfgang Lüder skizziert die Körpersprache der Zuhörer im Plenarsaal retrospektiv mit »Stöhnen« und »Zusammensinken«.168 Die Passagen, die in der Tagesschau am Abend nach der Rede gezeigt werden (v.s.), enthalten Einstellungen, die einen ähnlichen Schluß zulassen, da sie in einen syntaktisierenden Frame mit dem Ausschnitt der Rede gesetzt werden. Ganz anders aber beschreibt und interpretiert Rolf Eigenwald diese Reaktionen: 167 Hans-Jochen Vogel (SPD) in einem Schreiben im Januar 2009 und Wolfgang Lüder (FDP) in einem Schreiben vom 03. 02. 2009 (s. Anhang). 168 In einem Schreiben vom 03. 02. 2009 (s. Anhang).

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Eine epideiktische Beredsamkeit, die sich delikater Themen annimmt, spekuliert auf das schweigsame Einverständnis der Zuhörer. Statthaft ist allenfalls ein gedankenverlorenes Mitdösen. (Ein Blick in die Video-Aufnahme der Jenninger-Rede bestätigt diesen Eindruck.)169

Wie bereits erwähnt, werden in den Zeitungsartikel des Tages zum einen die Ereignisse zusammengefaßt, zum anderen die Hauptkritikpunkte, die bereits in den dpa-Meldungen aufgelistet waren, wiedergegeben. Eine positive Bewertung der Rede bzw. eine abwägende Auseinandersetzung mit den Kritikern geschieht dagegen nur stark vereinzelt (cf. z. B. Herles in FAZ 11. 11. 1988: 3) und wird von dem großen Maß negativer Beurteilung Jenningers deutlich überlagert. Zudem setzt eine Polemisierung um die Person Jenninger ein, die bereits am Tag zuvor von Jenningers schärfsten Kritikern begonnen wurde. Teils wird sie nun in die Berichterstattung mit eingebettet, teils von den Journalisten übernommen und weitergeführt: Warum mußte er reden? (Reifenrath in FR 11. 11. 1988: 3), in der FAZ (Herles in FAZ 11. 11. 1988: 3) werden die Kommentare einiger Abgeordneter abgedruckt: »Es war geschichtlicher Nachhilfeunterricht auf Klippschulniveau« (Hartmut Soell)170, »Mir ist an dieser Stelle schlecht geworden« wird der FDP-Abgeordnete Richter zitiert (ibid.); im Hamburger Abendblatt wird noch einmal Wolfgang Lüder zitiert: »Der FDP-Parlamentarier Wolfgang Lüder sagte anschließend, Jenninger habe ›eine unerträgliche Rede‹ gehalten. Er sei ›mit geistigen Knobelbechern durch die Geschichte marschiert‹« (Abendblatt 11. 11. 1988: 1). Jenninger wird in diesen Kommentaren und Zitaten stark polemisierend als unfähig und tolpatschig dargestellt; eine Strömung im Diskurs, die mit der Berichterstattung der folgenden Tage und Wochen noch weiter zunehmen wird. Über die Berichterstattung in der ausländischen Presse, die ebenfalls bereits am Tag nach der Rede vielerorts beginnt, bieten Laschet und Malangr¤ einen hervorragenden Überblick (1989: cf. i. e. 48 f., 55 ff., 65 ff.): Schlagzeilen, Priming und Framing sind mit denen der deutschen Presse meist vergleichbar, wenn auch oftmals eher über den Eklat in Deutschland berichtet wird, als ihn anhand von Rededokumenten und Reaktionen zu erörtern.171 Teilweise wird die Rede nun aber auch noch verzerrter zitiert, als dies in der deutschen Presse der Fall war ; es ist zu vermuten, daß sich die ausländischen Journalisten noch stärker auf die Pressemitteilungen der dpa und ihre deutschen Kollegen verließen, als dies in Deutschland bereits geschehen war : 169 Eigenwald 1999: 43. 170 Soell (Die Grünen) hatte die Rede nicht vollständig hören können, da er den Plenarsaal – wie einige seiner Fraktionskollegen – frühzeitig verlassen hatte (cf. Herles 1988: 3 in FAZ 11. 11. 1988). 171 Ein Beispiel hierfür findet sich z. B. in International Herald Tribune vom 11. 11. 1988 (Schmemann 1988: 1 – 2).

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[…] es ist verräterisch, daß die Forderung [nach dem Rücktritt Jenningers, J.K.] auch gleich jenseits des Atlantiks erhoben wurde, wo man frühmorgens kaum den Wortlaut, wohl aber Agenturberichte über den Abgeordnetenauszug und Charakterisierungen der Rede kennen kannte [sic!] (Neumaier in Rheinischer Merkur 18. 11. 1988: 1).

Die Londoner The Times berichtet nicht mehr von verunglückter Rollenprosa oder mißverständlichen Äußerungen, sondern zitiert Jenninger tatsächlich mit positiven Bewertungen der Nationalsozialisten und negativen Äußerungen über die jüdische Bevölkerung: In a speech that also alarmed and embarrassed his own party, Herr Jenninger said that even with knowledge of what followed them, the years 1933 to 1938 were ›fascinating‹. There was hardly a parallel in history to Hitler’s political triumphal procession during his early days, he said. […] Referring to the Jews, the president asked if they had not in the past presumed a role that did not suit them. Had they not finally to accept restriction, and had they not perhaps deserved to have a line drawn for them?172 (The Times London 11. 11. 1988: 1).

Anders stellt sich die Berichterstattung beispielsweise in der New York Times dar. Hier scheint der Autor des Berichts eher verwundert über die Vorgänge in und nach der Gedenkstunde im Bundestag: Foreign diplomats were somewhat taken aback by the furor, which some saw as an indication of the hightened sensitivity among Germans to how their pronouncements on the Nazi past might be viewed and interpreted (Schmemann in New York Times 11. 11. 1989: A15).

Die Berichterstattung in der in- und ausländischen Presse ändert sich erst, zumindest teilweise, am folgenden Tag; vielleicht ist eine mögliche Begründung dafür, daß den Journalisten nun der (übersetzte) Wortlaut der Rede und Videomaterial zur Verfügung stehen. Für Jenninger kommen die wohlwollenderen und revidierenden Berichte allerdings zu spät: Er erklärt im Laufe des 11. Novembers 1988 seinen Rücktritt; Vertreter aus Regierung und Opposition sprechen ihm darauf ihren Respekt aus (cf. dpa 11. 11. 1988: 11:55 und 14:28). In der ausländischen Presse gibt es zwar zum Teil noch kritische Stimmen zu Jenninger, wie z. B. in der französischen Le Monde: 172 In der Tat ist es bemerkenswert, daß die ausländische Presse, zumindest zum Teil, dem deutschen Bundestag zutraute, nationalsozialistische Gesinnung noch im Parlament zu dulden – die Times war in ihrer Berichterstattung kein Einzelfall; insbesondere auch die der italienischen Presse liest sich ganz ähnlich (cf. Laschet / Malangr¤t 1989: 65 f.). Werner Hill merkt hierzu an: »Daß der volle Wortlaut der Rede dort, wo solche Zeitungszeilen produziert wurden, noch gar nicht bekannt war, ist nur ein Teil einer möglichen Erklärung. Offenbar waren viele Menschen in aller Welt auch bereit zu glauben, daß Hitler und der Antisemitismus noch einen beträchtlichen Stellenwert hätten in der Bundesrepublik Deutschland. Da hatte wohl einer die Katze aus dem Sack gelassen. Nachforschungen erübrigten sich« (Hill 1989b: 0:31:27).

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[…] l’¤num¤ration des succºs du nazisme des premiºres ann¤es est entendu comme une justification de celui-ci. Cela ressemble trop aux propos de comptoir que l’on peut entendre lorsque la biºre a fait son effet«173 (Rosenzweig in Le Monde 12. 11. 1988).

Andere Berichte bieten aber eine neue, überprüfende Beobachtung der Ereignisse: To concede, and even detail, these facts, as Herr Jenninger tried to do is something that many Germans of past and present generations still find impossible. These unpalatable facts have been drowned in a sea of national confession. Some people question wether they need to be recognized at all. They do; but not in the Bundestag on Kristallnacht (The Times London [!] 12. 11. 1988: 11).

In der deutschen Presse wird die abwägend kritische Auseinandersetzung mit der Rede und insbesondere den Ereignissen währenddessen und danach in den nächsten Tagen nur zögerlich geführt; es überwiegt die negative Beurteilung der Redeleistung. In der Fernsehsendung Presseclub vom 13. 11. 1988 ist es vor allem Shlomo Shangar (Journalist der israelischen Jedioth Achronoth), der Jennigers Rede positiv beurteilt und sich mit den Ereignissen und Jenningers Rücktritt zum ersten Mal kritisch befaßt: Ich war bestürzt und sogar angewidert, von der Art und Weise, wie man hier mit Jenninger umgegangen ist, wie sich die journalistische und parlamentarische Meute auf ihn gestürzt hat […] Das war für mich der reine Wilde Westen: Ein Mann wird angeprangert – der zweite Mann im Staate, wie wir gehört haben –, er wird […] gelyncht […] Dann steht man auf seiner politischen Leiche mit gespreizten Beinen und sagt: Ja, er war doch ein ehrbarer und ehrenwerter Mann. Und dann wird er ganz schnell verscharrt […], und dann steht man vor dem Grab und sagt, ich zitiere: Er war doch so integer! An seiner inneren Gesinnung haben wir nie gezweifelt! (Shangar in Presseclub, WDR 13. 11. 1988: 05:40).

Im folgenden bezeugt Shangar, daß er sich durch die Rede nicht verletzt gefühlt hat. Seine Kollegen Luc Rosenzweig (Le Monde) und Robert Leicht (Die Zeit) erweisen sich in der Sendung dagegen als weiterhin starke Kritiker der Rede; insbesondere Leicht führt den polemisierenden Ton der Tagespresse fort und erscheint unverhältnismäßig belehrend und übertrieben empathisch: »[…] man muß eben, wenn man sezieren will, mit dem Skalpell arbeiten und nicht mit dem Taschenmesser!« (Leicht in Presseclub, WDR 13. 11. 1988: 15:11). Die deutschen Wochenmagazine und -zeitungen erörtern Jenningers Rede und den Skandal in der folgenden Woche ausgiebig, aber weiterhin vor allem negativ und polemisch: »Ohne jedes Gespür für die Empfindsamkeit der Opfer haspelte der Präsident, ohnehin kein großer Redner, seinen Vortrag herunter 173 »Die Aufzählung der Erfolge des Nationalsozialismus während der ersten Jahre wird als seine Rechtfertigung verstanden. Das ähnelt zu sehr den Stammtischparolen, wie man sie hören kann, wenn das Bier seine Wirkung getan hat« (eigene Übers., J.K.).

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[…]« (Der Spiegel 46 / 1988: 23). Rudolf Augstein schreibt in seinem Kommentar, den er mit Ein Onkel Bräsig namens Jenninger übertitelt: »Das Entsetzliche an Jenningers Auftritt war ja nicht, daß er sich als ein Antisemit, sondern daß er sich als ein Garnichts benahm […] Das Problem schien ihn anläßlich dieser Rede zum ersten Mal erreicht zu haben« (Augstein in Der Spiegel 46 / 1988: 23). Die Wochenzeitung Die Zeit thematisiert Jenningers Rede und den Eklat über mehrere Seiten; eingeleitet durch den Leitartikel und kommentiert u. a. durch die Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff, die an Jenningers Rede dieselben Kritikpunkte äußert, die schon am Tage der Gedenkveranstaltung durch die dpa verbreitet wurden. Signifikant ist die journalistische Nachlässigkeit, mit der Dönhoff und andere Journalisten der Zeit recherchieren und erörtern. Dönhoff schreibt: »Es ging dabei um jene Absätze, in denen Jenninger ohne Vorbehalt die Erfolge Hitlers in bewunderndem Ton aufzählte […]« (Dönhoff 1988 in Die Zeit 18. 11. 1988: 3). Sie zitiert im folgenden auch die Passage über die Rolle der Juden (s. Rede Jenningers im Anhang, Zeile 210 ff.) nach dem Pressetext, der nicht gänzlich dem Vortrag entspricht (cf. Kommentar Dönhoffs zu einem Leserbrief in Die Zeit 09. 12. 1988: 43), denn der Einschub »so hieß es damals« fehlt. Dennoch attestiert sie Jenninger : »Jenninger wirkte als Redner gänzlich unbeteiligt und ohne jede Wärme« (Dönhoff 1988 in Die Zeit 18. 11. 1988: 3). Werner Hill stellt hierzu fest: Wenn Frau Dönhoff […] ihren Kommentar nach einem vorab veröffentlichten Text erarbeitet hat, wie kann sie dann zu der Feststellung kommen, der Redner habe unbeteiligt und ohne Wärme gewirkt? Wie kann sie von einem bewundernden Ton Jenningers sprechen? Viele haben es damals nicht so genau genommen, weil sie offenbar wie die Grüne [i.e. Oesterle-Schwerin, J.K.] im Bundestag die Grundbestandteile ihrer Meinung über Jenninger [!] schon beieinander hatten (Hill 1989b: 0:39:51).

Zu dieser Annahme paßt auch die Bilderauswahl; insbesondere das bereits erwähnte Motiv von Jenninger und Ida Ehre (v.s.), aber auch zwei Bilder, die zum einen Oesterle-Schwerin beim Zwischenruf, zum anderen Abgeordnete zeigen, die den Saal verlassen (Die Zeit 18. 11. 1988: 5): »Der Eklat: Schon nach den ersten Sätzen Philipp Jenningers machte Jutta Oesterle-Schwerin […] ihrem Unmut Luft. Später verließen mehrere Abgeordnete den Plenarsaal des Bundestages« (ibid.). Beide Aussagen entsprechen zwar – jede für sich – den Fakten; pragmatisch sind sie aber fahrlässig bis manipulierend, da sie den Anschein erwecken, insgesamt in einem Zusammenhang mit Inhalt und Wirkung der Rede zu stehen. Gerade am Beispiel dieser einzelnen Aspekte in der Zeit, deren Redaktion qua Erscheinungsdatum der Ausgabe – eine Woche nach der Rede! – genug Möglichkeiten und Zeit gehabt hätte, in vollem Maße und korrekt zu recherchieren, wird die fragwürdige Berichterstattung deutlich, die letztlich für die Etablierung der Wirklichkeitsauffassung im Diskurs verantwortlich war.

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Eine weitere der Analysen in jener Ausgabe der Zeit stammt von Walter Jens, der seine füheren Ausführungen aus der Sendung ZDF Spezial (v.s.) nun noch einmal ausführlich ausarbeitet. Hierzu beschreibt er ein fiktives Gespräch, in dem sich Jenninger von einem Referenten beraten läßt, doch jenes »Gespräch« zeichnet nicht nur einen völlig begriffsstutzigen Jenninger, sondern liefert zudem auch eine zweifelhafte und unzweckmäßige Argumentation.174 Jens stellt Jenningers Rede zudem in die Tradition des Historikerstreits (v.i.) und bewertet sie negativ im Vergleich mit der Rede Richard von Weizsäckers zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs (Weizsäcker 1985); zwei Aspekte, zu denen im Laufe der Berichterstattung und Kommentierung immer wieder bezug genommen wird (cf. Siever 2001: 410 ff.).175 Die Zeit läßt im folgenden zwar auch positive Stimmen zu, die durch die Plazierung und Kumulation der vorhergehenden Beiträge aber in den Hintergrund rücken: Dem Zeitungsleser hilft das folgende Pro-und-Contra auf dem Zeit-Forum über die Sommer-Jens-Überlast nicht mehr hinweg: Eingeschüchtert von der bestellten Suada 174 Ein Beispiel hierfür wäre folgende Passage aus Jens’ Erörterung: »Jenninger: ›Distanzierung? Wie fang ich das an?‹ Referent: ›Zum Beispiel so: ›Hatten sich die Juden, fragten sich 1933 viele Menschen in Deutschland, nicht eine Rolle angemaßt, die ihnen nicht zukam?‹ Daraufhin machen Sie eine Pause, Herr Präsident, und schließen den Satz an: ›Und dabei gab es 1933 nur dreiviertel Prozent Israeliten in Deutschland; kein Jude war preußischer Landrat; ganze zwei Glaubensjuden gehörten zum Reichstag mit seinen 577 Abgeordneten, und unter den 200 Ministern der Republik amtierten, glaube ich, nur vier Israeliten! So, meine Damen und Herren, sah die Wirklichkeit aus in unserem Land.‹ Haben Sie verstanden, Herr Präsident?‹« (Jens in Die Zeit 18. 11. 1988: 3; cf. hierzu auch Hill 1989b). Zum einen, so muß konstatiert werden, wurde die Rolle der Juden mit Sicherheit nicht deshalb von vielen Deutschen als »Zielscheibe« benutzt, weil sie zu viele »jüdische Landräte« befürchteten, sondern weil Juden in anderen Teilen des öffentlichen Lebens eine präsente Rolle spielten. Zum anderen änderte Jens’ Argumentation aber auch nichts an dem fremdenfeindlichen und rassistischen Hintergrund jener Äußerungen, dessen Unsinnigkeit und Bösartigkeit per se Jenninger ja gerade aufzeigen wollte – eine sachlogische Begründung wäre an dieser Stelle mehr als überflüssig. 175 In der Tat gibt es zwischen der Weizsäcker- und der Jenninger-Rede weitaus mehr Parallelen, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre. In Jenningers Rede findet sich beispielsweise die Formulierung: »Die Frage der Schuld und ihrer Verdrängung muß jeder für sich selbst beantworten« (s. Anhang, Zeile 494 – 495). Bei Weizsäcker heißt es: »Jeder, der die Zeit mit vollem Bewußtsein erlebt hat, frage sich heute im stillen selbst nach seiner Verstrickung« (Weizsäcker 1985: 443). Obwohl Weizsäckers Rede zum »Maßstab für alles geworden [ist], was danach zur deutschen Vergangenheit und unserem Verhältnis zu ihr gesagt worden ist« (Hofmann in Die Zeit 18. 11. 1988: 2), muß Jenningers Rede in einer Neubewertung eine viel schonungslosere und eindeutig positionierende Erörterung der Verantwortung der Deutschen attestiert werden, als dies bei Weizsäcker der Fall war: »Jenninger widerspricht Weizsäcker (viele Täter), er widerspricht Strauß (SchlußstrichZiehen nicht möglich), und er spricht die Beteiligung der Wehrmacht am Holocaust an (Tabubruch!): Drei zentrale Aussagen, die man keinesfalls als ›klassisch konservative‹ Sichtweise oder gar Relativierungsversuche abtun kann« (Siever 2001: 413).

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des Hauptdebatters Jens, verschenken die, die Jenninger gerecht werden […], die debattierende Entgegnung […] (Briegleb 1994: 27).

Die erste deutsche (Wochen-)Zeitung, die einen großflächigen differenzierten Bericht über Jenningers Rede und die Ereignisse druckt, ist der Rheinische Merkur. Hier wird zum einen die historische Auseinandersetzung Jenningers mit den Ereignissen von 1938 unterstützend bewertet und nicht mehr als »verfehltes Kolleg« (Dönhoff am selben Tag in Die Zeit) bezeichnet (cf. Jesse / Zitelmann 1988 in Rheinischer Merkur 18. 11. 1988: 3), zum anderen werden die rhetorische Ausschmückung, also die elokutive Leistung Jenningers, und die performative Bearbeitung neu eingeschätzt: Jenninger ist über eine Rede gestürzt, genauer, über einen rhetorischen Stil, der zum Inhalt der Rede nicht paßte. Schon dies ist aufschlußreich: Der Stil hat hierzulande mehr Gewicht als die Substanz – selbst wenn diese Substanz, mag sie nun gefallen oder nicht, historisch korrekt ist. […] Nachdenklicher stimmt, was die Berliner sozialdemokratische Professorin Gesine Schwan, der Bonner Politologe Hans Adolf Jacobsen oder unsere […] Autoren dazu sagen. Sie sprechen von einer adäquaten oder sogar notwendigen Form der Darstellung (Neumaier 1988 in Rheinischer Merkur 18. 11. 1988).

Noch deutlicher fällt die Neubewertung in der italienischen Presse aus, die nach der Rede besonders barsche Kritik geäußert hatte (v.s.): Journalisten und Politiker entschuldigen sich und verteidigen Jenninger (z. B. La Stampa am 18. und 19. 11. 1988, cf. Laschet / Malangr¤ 1989: 66 ff.), und sie sprechen insbesondere von einer »Manipulation der Massenmedien« (cf. ibid.: 67). Die italienische La Repubblica legt ihrer Ausgabe vom 19. November 1988 gar eine Sonderbeilage über Jenninger bei, in der sie nicht nur den Redetext abdruckt, sondern auch ausführlich in dem Artikel Uno specchio sgradito (Pirani 1988 in La Repubblica 19. 11. 1988: 1 / Sonderbeilage) zu Rede und Reaktion Stellung nimmt: »[…] Jenninger ließ die Deutschen in einen Spiegel blicken, in dem sie sich nicht sehen wollen« (ibid.: 4 / Sonderbeilage; cf. 3.2, eigene Übers. J.K.). Wird der Begriff der Redewirkung über den eigentlichen Vortrag hinaus verstanden, so muß auch die Reaktion auf die Rede in Zusammenhang mit der Berichterstattung beobachtet werden: Leserbriefe und Briefe an Jenninger stellen hierbei ein adäquates Corpus dar. Eine ausführliche Betrachtung der Leserbriefe findet sich bei Siever (2001), der für eine positive:negative:uneindeutige Bewertung ein Ergebnis von 60:29:40 angibt.176 Eine repräsentative177 176 Auswertung für die Leserbriefe in der FAZ, FR, SZ, Die Welt, dem Spiegel und der Zeit (Siever 2001: 421). 177 Lt. Kommentar der Herausgeber Laschet und Malangr¤ (1989: 9). Hill merkt an: »Sollten etwa alle diese Briefschreiber sich irren, die deutschen Kritiker Jenningers in Parlament und Presse aber recht haben? Und wenn die deutschen Kritiker sich auf ihr Hör- und Seher-

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Auswahl der Briefe an Jenninger selbst findet sich wiederum bei Laschet und Malangr¤ (1989) sowie bei Werner Hill (1989a): Jenninger erhält in den folgenden Wochen etwa 10.000 Briefe, Telegramme und Faxe aus dem In- und Ausland (cf. Hill 1989b: 23:20), von denen nur zwei- bis dreihundert Zuschriften von Jenninger als »negativ« bewertet werden (cf. Siever 2001: 426).178 Fast zwanzig Jahre später ist die Anzahl an Briefen laut Jenninger noch einmal deutlich gestiegen: Ein Höhepunkt der Reaktionen war auch, daß ich rund 60.000 Zuschriften bekommen habe. 10 bis 20 davon waren negativ, etwa 200 bis 300 waren wohlwollend kritisch. Die überwältigende Mehrheit von 50.000 Zuschriften war so positiv zu meiner Rede, wie ich es nie erwartet hätte (Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang; König 2008b: 184).

Die von Jens prophezeiten »Waschkörbe von begeisterten Zuschriften« (cf. Jens in ZDF spezial 10. 11. 1988: 42:40), mit denen er Post aus der »rechten Ecke« meinte (cf. Hill 1989a: 56), blieben aus.179 Der Diskurs um Jenningers Rede, den »Eklat« und die Diskussion des »Eklats« verebbten im Anschluß zunächst, wurde einige Jahre später aber weitergeführt. Ignatz Bubis schreibt: »Ende 1995 flackerte die Debatte, ob sein Rücktritt damals gerechtfertigt war oder nicht, wieder auf. Und zwar meinetwegen« (Bubis / Sichrovsky 1998: 198). Grund der neuerlichen Debatte um Jenninger war eine Podiumsdiskussion mit Bubis zum Thema Trauer oder Pflichtübung. Was haben die Gedenkveranstaltungen 1995 verändert? (cf. ibid.), in der Bubis über eine seiner Reden zum Gedenktags des Holocausts berichtet: Als ich am 2. Mai 1989 in unserer Frankfurter Synagoge zum x-ten Mal eine Gedenkrede zum Yom Ha’Shoa […] halten sollte, […] übernahm [ich] also einige Passagen von Jenninger und fügte sie, ohne das kenntlich zu machen, in meine Rede ein. Es fiel niemandem etwas auf, so daß ich auch für meine Gedenkrede zum 9. November 1989 lebnis berufen: Hätten sie nicht die Pflicht gehabt, dieses, wenn es sie irritierte, durch Lektüre des Redetextes zu ergänzen, zu korrigieren? Und warum blieben sie, soweit sie den Text lasen, unfähig, dessen Bedeutung zu begreifen? Es komplettiert den Eindruck einer totalen durch nichts zu erschütternden Vorprogrammierung deutscher Rede-Kritiker […]« (Hill 1989a: 56). Hills Anmerkung kann das gesamte Wirkungsphänomen sicherlich nicht erklären, muß aber auch als Indiz für die Ergebnisse einiger wissenschaftlichen Erörterungen der Rede betrachtet werden, wie sich im folgenden noch herausstellen wird. 178 Hill teilt die Kommentare in acht Kategorien ein: »Hilfreiche Wahrheit«, »Erinnerung an eigenes Leid«, »Stimmen aus dem Ausland«, »Reaktionen von Juden«, »Äußerungen von rechts bis rechtsradikal«, »vereinzelte Antisemiten«, »Bundestagsabgeordnete«, »Diverse Kritiker aus allen Richtungen« (Hill 1989b: 01:30:10; cf. Siever 2001: 426 ff.). 179 Natürlich bekam Jenninger auch Post aus jener »rechten Ecke« (cf. Siever 2001: 427), die sich allerdings nicht nur belobigend äußerten: »Sehr geehrter Herr Jenninger, Sie haben sich bemüht, Weizsäcker als Nestbeschmutzer zu überholen und sind dabei sauber auf die Schnauze gefallen. Ihnen ist recht geschehen und findet meinen Beifall« (zitiert in Hill 1989b: 1:40:05).

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wieder den Jenninger-Text heraussuchte und weitere Passagen übernahm. […] alle schienen ganz einverstanden mit dem, was ich da sagte (ibid.: 199).

Zwar zitierte Bubis weite Passagen Jenningers wörtlich, übernahm aber viele jener Begrifflichkeiten und Stilmittel nicht, die besonders unter Kritik standen (z. B. den Begriff »Faszinosum«; außerdem wandelte Bubis Teile der erlebten Rede in indirekte Rede um. Eine fundierte Analyse hierzu bietet Yasushi Suzuki (2000); im Anhang findet sich die Rede Bubis’ vom 09. 11. 1989 im Wortlaut). Es gibt aber auch andere Gründe dafür, daß Bubis nicht »mißverstanden« werden konnte: »Daß ein Jude vor Juden durch Einfühlung die deutschen Nazis und Mitläufer rechtfertigen wollte, war von vornherein ausgeschlossen« (Jessen 1995 in FAZ 01. 12. 1995: 41). Bubis selbst merkt hierzu ironisch an: Ein Bundestagspräsident hingegen, der jahrelang nie ein falsches Wort gesagt hatte, wenn es um den Nationalsozialismus ging, und der jüdische Anliegen immer besonders unterstützte, schien vor solchen Verdächtigungen keineswegs gefeit zu sein (Bubis / Sichrovsky 1998: 200).

Das Meinungsbild über Jenninger und seine Rede scheint sich aber ab nun, wie am Fall der Berichterstattung über Bubis erkennbar wird, zumindest in Teilen der deutschen Presse zu wandeln: Daß viele es nicht wissen wollten und viele, die es es wußten, gleichwohl das Bild der gekränkten Jüdin als Anklage um die Welt gehen ließen, ohne zu widersprechen, war der Anfang und Prolog all jener Inszenierungen ressentimentsgesteuerter Demagogie, die von der Republik Besitz ergreifen sollte (Jessen 1995 in FAZ 01. 12. 1995: 41).

Jenningers Rede wird auch in vielen politischen Autobiographien reflektiert; teilweise immer noch höchst kritisch, wie im Falle Hans-Jochen Vogels, der sich sowohl in seiner Autobiographie (1997) als auch in einem Brief (Januar 2009, s. Anhang) äußerst negativ äußert und bis heute (nur scheinbar wahre) Prämissen für die Skandalisierung, wie das Motiv mit Ida Ehre, in seiner Argumentation nennt (Vogel 1997: 275 und Brief vom Januar 2009, s. Anhang). Grundsätzlich wird die ehemals gefaßte Einstellung und Begründung in solchen Kommentaren also beibehalten; Parteigenossen Jenningers mischen ihren Rückblicken auch Bekundungen des Mitleids bei: Ich suchte den Kontakt zu meinem Freund und besprach mit ihm ausführlich die Lage. Am Ende führte kein Weg daran vorbei, ihm schweren Herzens den Rücktritt nahezulegen. […] Bei aller Notwendigkeit seines Rücktritts war ich doch über die Entwicklung tief betroffen. Ich fühlte mich Philipp Jenninger oder ›Don Philippo‹, wie ich ihn immer nannte, nicht nur politisch eng verbunden, sondern empfand ihn auch als persönlichen Freund (Kohl 2005: 784 f.).180 180 Bei Kracht und Nickel findet sich zu dieser Passage ein süffisanter Kommentar : »Die Tragik, dem Freund keinen besseren Ratschlag geben zu können als Überbringer der schlechten

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In den letzten Jahren hat sich die Berichterstattung und (journalistische) Verwertung des »Falles Jenninger« weiterentwickelt. Jenninger dient als warnendes Beispiel, wie es einem schlechten Redner ergehen kann, er wird genannt, um Erörterungen über Medien- und Politopfer zu illustrieren, und sein Name fällt, wenn es um den Umgang der Deutschen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit geht. Es läßt sich feststellen, daß sich der »Eklat« als mehr als nur ein markantes politisches Ereignis in der jüngeren Geschichte Deutschlands ausnimmt – Jenninger ist zu einer Marke geworden, die vielerlei Image-Syntaktisierungen zuläßt: In einem […] sekundären System erfahren die natürlichen ›Signifikate‹ und die Beziehungen zwischen ihnen […] eine Veränderung. Um einer Marke ein bestimmtes Image zu vermitteln, versuchen die Werber, sie in den Köpfen der Konsumenten, mit den für die Marke vorgesehenen Eigenschaften […] zu verknüpfen. […] Der Konditionierungsprozeß baut auf die Herstellung indexalischer Kontiguität zwischen dem Produkt […] und anderen Sachverhalten, die imagebildende Merkmale tragen (Fritz 1994: 30).

Jenninger und der »Eklat« werden fester Bestandteil essayistischer Bearbeitungen; bei Broder findet sich eine erneute Beobachtung im Zuge der Diskussion um die Rede Martin Walsers von 1998 (Broder 2000 in Allgemeine jüdische Wochenzeitung 19. 07. 2000; cf. 3.2), Klaus von Dohnanyi forderte noch 2002 die Rehabilitierung Jenningers (in Mut, September 2002: 43). Bei Manousakis wird Jenninger in Zusammenhang mit politischem Dogmatismus in der Bundesrepublik Deutschland genannt (Manousakis 2005: 28 f.). Von 2007 bis 2008 findet im Bonner Haus der Geschichte eine Ausstellung über Skandale in der Bundesrepublik Deutschland statt. Neben 19 anderen »Skandalen« wird auch Philipp Jenningers Gedenkrede (Scholtyseck 2007: 146 – 155) ausführlich dargestellt und kommentiert; bezeichnend eingeleitet mit den Worten: »So mancher politische Skandal ist in der Rückschau kaum noch nachvollziehbar. Dazu gehört die Aufregung um eine Rede des damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger […]« (ibid.: 147). Die Möglichkeit, Jenninger als Randnotiz für rhetorische, historische und politische Erläuterungen erwähnen zu können, erweist sich offenbar auch in der wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Literatur als probates Stilmittel. Bei Breitenstein dient Jenningers Faszinosum als Beispiel für das Gegenteil einer guten Rede (1994: 117 ff.), bei Otto für den Unterschied von Text Nachricht, verbunden mit der knappen Exegese seines fatalen Fehlers, evoziert in seiner dramaturgischen Staffelung ein Historienstück von Schiller am spanischen Hof oder gleich das späte Rom« (Kracht / Nickel 2006: 75). Wie sehr die Ereignisse um den 10. 11. 1988 tatsächlich Stoff für eine moderne politische Tragödie böten, wird sich im folgenden noch beobachten lassen; ganz falsch liegen Kracht und Nickel mit ihrer Genre-Einordnung jedenfalls nicht.

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und Vortrag (1999: 106 f.), bei Wirsching für die Beobachtung der Ereignisse um den Historikerstreit (2006: 483 ff.) und bei Beucker und Überall für politische Rücktritte (2006: 263 ff.). Vogt nennt Jenninger mit Hinweis auf die erlebte Rede (1998: 177 f.), Ottmers in Zusammenhang mit actio und Liveübertragung in »Millionen Haushalte« (Ottmers 1996: 45) und Asmuth hinsichtlich aptum und Angemessenheit (Asmuth 1992: 601). Dort, wo Jenninger nur noch zu einem Stichwortgeber wird, ist eine Simplifizierung der damaligen Ereignisse vorprogrammiert, und die Quintessenz lautet: inhaltlich gut, aber rhetorisch schlecht. Was genau »rhetorisch« dabei bedeutet, bleibt unklar oder differiert zwischen Artikulation und rhetorischen Stilmitteln; eine schein-philologische Einordnung, wie sie bereits in der Journaille verwendet wurde: »Ebenso pauschal ist die Kritik nach einem unspezifizierten Begriff von ›Redekunst‹« (Polenz 1989: 294). Michael Philipp berichtet über Jenninger ebenfalls als Beispiel für politische Rücktritte (2007: 184 ff.) und erzählt die Geschichte nach, als hätte es nach dem 11. November 1988 keinerlei weiterführende Analyse gegeben. Philipp ist ein frappierendes Beispiel für die zum Teil arg simplifizierte, dafür aber extrem polemisierende »Analyse« der Geschehnisse mancher Autoren, die die scheinbare Eindeutigkeit zu beweisen und den Redner lächerlich zu machen versuchen: »So schwadronierte er vom Faszinosum Hitler, bezeichnete damalige NS-Gegner als querulantische Nörgler und mutmaßte, die Juden hätten die antisemitischen Übergriffe selbst provoziert« (Philipp 2007: 185). Das Scheitern der Jenninger-Rede auf eine solch naive Beweisführung und virtuelle Eindeutigkeit zu reduzieren schafft nicht gerade Vertrauen in Wissenschaft und Journalismus, die zwanzig Jahre Zeit hatten, die Ereignisse genauer zu hinterfragen und differenzierter darzustellen; zumindest bei peinlichen Abhandlungen wie dieser bekommt man den Eindruck, mancher Journalist und Wissenschaftler recherchierte für seine Texte durch Hörensagen. Abschließend zum Diskurs in den eher journalistisch geprägten Medien ist festzustellen, daß »Jenninger« zum Synonym für eine skandalisierte und skandalisierende politische und journalistische Kontroverse geworden zu sein scheint, für fatale Redewirkung, rhetorische Fallstricke und »Mißverständnisse«, Manipulation und unredliche Skandalpresse, für Political Correctness in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, Parteiengezänk, dogmatischen Politfundamentalismus und Pervertierung von Äußerungen; ein Arsenal, das ausreicht, die »Marke« Jenninger zu verbalisieren: »Sie haben aufgedeckt […], wie jene Totschlag-Taktik funktioniert, für die sich in Erinnerung an den Politiker, der mit ihr als erster fertiggemacht worden ist, der Terminus technicus ›verjenningern‹ nachgerade aufdrängt«181 (Mußgnug in FAZ 04. 10. 2006: 22). Die Erörterung der Rede und der Ereignisse in der wissenschaftlichen Lite181 Hinsichtlich der Berichterstattung über einen Vortrag Arnulf Barings, cf. 3.2.

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ratur beginnt bereits in den Wochen und Monaten nach dem November 1988 und hält bis heute an.182 Die hier dargestellte Liste setzt sich teils aus den Aufzählungen Siever (2001), teils aus eigenen Recherchen zusammen. Folgende Arbeiten stellten sich durch ihre Ansätze dabei als besonders erwähnenswert heraus: - Jens (18. 11. 1988); Beitrag (Zeitung): Rhetorische Analyse der Rede im Detail, insbesondere Erörterung von historischen Fakten und Distanzierungsmerkmalen. Negative Kritik an inhaltlicher, elokutiver und performativer Leistung Jenningers. - Geyer (05. 12. 1988); Beitrag (Zeitung): Literaturwissenschaftliche Analyse der Rede im Detail, insbesondere in bezug auf die erlebte Rede. Negative Beurteilung der Leistung Jenningers. - Kopperschmidt (1989); Beitrag (Magazin): Rhetorische und soziologische Analyse von Rede und Kritik, insbesondere im Vergleich zur WeizsäckerRede und Redeperspektive Jenningers. Differenzierte, positive Einschätzung von Jenningers Leistung, negative Kritik an der Dogmatik des Publikums. - Hoffmann / Schwitalla (1989); Beitrag (Magazin): Rhetorisch-linguistische Analyse der Rede im Detail in bezug auf die historische Erörterung des Textes und Distanzierung des Redners. Negative Einschätzung der Leistung Jenningers. - Hill (1989b); monographischer Fernsehbeitrag: Historische-diskursive Analyse der Ereignisse, historische Analyse der Rede. Positive Einschätzung der Leistung Jenningers, negative Einschätzung von Reaktionen und Berichterstattung.183 - Kirst (1989); Beitrag (Magazin): Rhetorische, vor allem aber (mikro-) linguistische Analyse der Rede im Detail. Negative Einschätzung der Leistung Jenningers. - Leisi (1989); Beitrag (Magazin): Rhetorisch-linguistische Analyse der Rede im Detail. Negative Einschätzung der Leistung Jenningers. - Peter von Polenz (1989); Beitrag (Magazin): Linguistische Analyse der Rede, teilweise mit kontextualem Hintergrund von Redner und Berichterstattung. Negative Einschätzung der Leistung Jenningers. - Heringer (1990); Kapitel (in Monographie): Rhetorisch-linguistische und diskursive Analyse von Rede, Reaktionen und Kritik. Positive Einschätzung der Leistung Jenningers, negative Beurteilung und Interpretation von Reaktionen und Berichterstattung. 182 Einen Überblick über 13 Bearbeitungen des Themas, ergänzt durch kritische Zusammenfassungen, bietet vor allem Siever (2001). 183 Obwohl Hills Präsentation die journalistische Form der Fernsehdokumentation wählt, ist sein Ansatz wissenschaftlich fundiert. Darüber hinaus gibt er erstmals eine profunde Aufarbeitung der Geschehnisse und der journalistischen Berichterstattung.

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- Kischkel (1990); Beitrag (Sammelband): Linguistische Analyse der Reaktion und Kritik und der Rede in ihrem Kontext. Eher negative Einschätzung der Leistung Jenningers, eher neutrale Beurteilung der Reaktion und Kritik. - Linn (1990); Monographie: Rhetorische Analyse der Rede und Presseanalyse. Negative Einschätzung der Leistung Jenningers, negative Beurteilung der Berichterstattung in der Presse. - Honsel / Kerstan (1992); Beitrag (Magazin): Linguistische Analyse von Rede, Reaktion und Berichterstattung. Eher negative Beurteilung sowohl von Jenningers Leistung als auch von Reaktion und Berichterstattung; Hinweise insbesondere auf Mechanismen von Zitaten und Redewirkung. - Girnth (1993); Monographie: Linguistische Analyse der Rede in bezug auf Nomination und Nominationsverstehen des Publikums mit Vergleich zu Reden Weizsäckers und Schmidts. Negative Einschätzung der Leistung Jenningers. - Krebs (1993); Monographie: Rhetorisch-linguistische Analyse der Rede, insbesondere der stilistischen Elokution. Negative Einschätzung der Leistung Jenningers, keine nennenswerte Beurteilung der Reaktion und Kritik. - Wodak (1994); Kapitel (Monographie): Diskursiv-linguistische Analyse von Rede und Reaktion. Negative Einschätzung der Leistung Jenningers. - Nettelstroth (1995); Monographie: Literaturwissenschaftliche Analyse mit kontextualer Einordnung der Rede. Vergleich mit Reden Carlo Schmids, Helmut Schmidts, Weizsäckers, Kohls, Denzers und Jenningers (1985). Negative Einschätzung der Leistung Jenningers. - Suzuki (2000)184 ; Beitrag (Magazin): Literaturwissenschaftliche Analyse der Rede im Detail und Erörterung der Details in der Kritik; Vergleich mit der Rede Ignatz Bubis’. Überwiegend positive Einschätzung der Leistung Jenningers. - Siever (2001); Monographie: Diskursive Analyse von Rede, Kontext, Reaktion, Berichterstattung und wissenschaftlicher Erörterung. Eher neutrale bzw. nicht wertende Position gegenüber Jenninger ; detaillierte (negative) Kritik an Presse und insbesondere an bisherigen wissenschaftlichen Erörterungen. Die hier aufgestellte Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; bei der Masse an Analysen und Interpretationen, die Jenninger zumindest als »Randnotiz« nennen (v.s.), ist der Versuch einer vollständigen Aufzählung auch nicht ratsam. Gleichwohl bieten die genannten Titel einen repräsentativen Querschnitt der Erörterungen der Jenninger-Rede in den letzten zwanzig Jahren.

184 Auf einer Veröffentlichungen von 1991 aufbauend.

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Siever kritisiert bei den von ihm genannten Arbeiten vor allem,185 daß es ihnen an »Reflexion auf den hypothetischen Charakter von Analysen«, an »Präzision der Analysebegriffe«, sowohl an Berücksichtigung »von Wirkungsdivergenz und Textmodi« als auch »der rezipientenseitigen Verstehensleistungen«, an »Berücksichtigung inhaltlicher Aussagen der Jenninger-Rede« und an der »Erklärungskraft der Analysen« mangelt (Siever 2001: 319). Insbesondere die der Redeleistung Jenningers gegenüber negativ eingestellten Arbeiten, die oben genannt sind, scheinen in ihren Analysen einen gravierenden Fehler zu begehen: Sie basieren auf Kritik-Prämissen, die zwar im Zuge der Reaktionen genannt oder (journalistisch) reflektiert wurden, die aber nicht zwangsläufig kritikwürdig sind, respektive nicht zwangsläufig zum Mißlingen einer Rede führen müssen. Dies führt notwendigerweise zu einer Präjudizierung und damit zu einer Verzerrung der Ergebnisse, die – selbst wenn eine Arbeit wertvolle Ansätze bietet – letztendlich unbrauchbar sind.186 Die Sichtung der Reaktionen und Berichterstattung hat bereits gezeigt, daß es unerläßlich ist, die »Wirkung« der Rede in einer strengeren Differenzierung zu betrachten und Annahmen von Prämissen nicht ohne Überprüfung und Einordnung in den Äußerungszeitraum und -kontext zu übernehmen: Reaktionen, die während oder kurz nach der Rede 185 Bei Siever: Jens, Geyer, Kopperschmidt, Leisi, Kirst, Hoffmann / Schwitalla, Polenz, Heringer, Suzuki, Kischkel, Kerstan / Honsel, Krebs, Girnth (Siever 2001: 227). 186 Bei Wodak (et al.: 1994) wird die journalistische Berichterstattung beispielsweise ungenügend hinterfragt; Prämissen schlicht als »wahrhaftig« angenommen. Dies führt zu eklatant falschen Schlußfolgerungen, da sich auf faktisch nicht vorhandene oder nicht gerechtfertigte Prämissen verlassen wird. Simplifiziert und verallgemeinernd ausgedrückt: In der Presse wird ein Vorwurf eines Jenninger-Kritikers genannt, der als faktisch korrekte Prämisse aufgefaßt und durch eine rhetorisch-linguistische oder diskursive Analyse verifiziert werden soll. Bei Wodak wird beispielsweise linguistisch belegt, daß erklären oftmals zu rechtfertigen führt. Jenningers Rede habe in der Tradition antisemitischer »StammtischDiskurse« also »Verständnis für die damaligen antisemitischen Anfälligkeiten beim Zuhörer« evoziert (Wodak et al. 1994: 189). Der Begriff der »Stammtischparolen«, die Jenninger angeblich geäußert hat, wurde in der Tat nach der Rede von Kritikern geäußert; Motivationen solcher Äußerungen, Wahrheitsgehalt, Relevanz, wissenschaftliche Grundlagen, empirische Beweisfähigkeiten, Interpretationen und interpretatorische Fehler – all dies wird für die anschließende »Beweisführung« nicht überprüft, sondern als allgemeingültige Aussage angenommen. Daß Jenninger keineswegs einen »Stammtisch-Diskurs« führt, wird bereits nach erstmaligem Hören oder Lesen der Rede deutlich, wie sich im folgenden klar nachweisen läßt; dennoch tappen Analysten immer wieder in eine ähnliche Falle, indem sie geäußerte Kritik als zu verifizierende Frage ihrer Arbeit festlegen. Dies kann auch eine Erklärung dafür sein, warum wissenschaftliche Arbeiten die Redeleistung Jenningers tendenziell noch immer negativ beurteilen, während journalistische und essayistische Beobachtungen die Tendenz aufweisen, den »Fall Jenninger« erneut zu hinterfragen und Jenningers Rede nun gegebenenfalls positiver zu bewerten: Während hier eine neue Perspektive und kritische Erörterung bisheriger Aussagen vorgenommen wird, stützen sich viele wissenschaftliche Arbeiten der vergangenen Jahre immer noch auf die Urteile, die kurz nach der Rede gegeben und durch die Presse (verzerrend) kumuliert wurden.

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gezeigt wurden, sind auf den Zusammenhang zur Rede und ihre Eindeutigkeit zu prüfen, die Berichterstattung auf kumulative und selektive Effekte sowie ihre Beständigkeit. Die Erörterungen müssen einer objektiven Distanz folgen, sonst besteht die Gefahr, daß Urteile, die einmal als real angenommen wurden, nun um jeden Preis bewiesen werden wollen. Um dieser Gefahr zu entgehen, kann sich, zusätzlich zur erfaßten Rezeption, Reaktion und Repräsentation, die folgende kontextuale Einordnung in Epitexte und Setting als probates Mittel erweisen. Philipp Jenninger wurde 1932 in Rindelbach (Baden-Württemberg) als Sohn eines Buchdruckermeisters geboren, studierte Rechts- und Staatswissenschaften, wurde promoviert und schloß das Studium 1959 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen ab; es folgten erste berufliche Tätigkeiten in Wehrbereichsverwaltung und Bundesministerium für Verteidigung, wo er 1964 zum persönlichen Referenten des Bundesministers Krone ernannt wurde (cf. Linn 1991: 12 ff. und König 2008a: 177). 1966 wird Jenninger persönlicher Referent des Bundesministers für Finanzen, Franz Josef Strauß, 1973 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU / CSU-Fraktion, 1982 Staatsminister im Bundeskanzleramt und schließlich am 5. November 1988 Präsident des Deutschen Bundestags.187 Jenninger erweist sich in seiner politischen Zeit eher als gemäßigter Konservativer ; insbesondere sein weit über das Normalmaß hinausgehende Engagement für eine Aussöhnung mit Juden im allgemeinen und für ein partnerschaftliches Verhältnis zu Israel im speziellen werden an mehreren Stellen ausdrücklich erwähnt (cf. e. g. Linn 1991: 13, Bubis / Sichrovsky 1998: 200; insbesondere auch Jitzhak Ben-Ari, damaliger Botschafter Israels, in Hill 1989b: 1:58:13). Auf der anderen Seite fällt er im Jahr 1976 auf, als er ein Plakat Klaus Staecks aus der Parlamentarischen Gesellschaft entfernt, auf dem der Künstler die CDU stark kritisiert.188 Zumindest gibt sich Jenninger aber als fairer Politiker, der für einen angemessenen Umgang plädiert – fast prophetisch erscheinen aus heutiger Sicht Sätze aus seiner Antrittsrede zum Amt des Bundestagspräsidenten: 187 Nach seinem Rücktritt verblieb Jenninger noch bis zum Ende der Wahlperiode im Amt, stellte sich 1990 aber nicht mehr zur Wiederwahl. Im selben Jahr wird Jenninger zunächst deutscher Botschafter in Wien, 1995 am Heiligen Stuhl in Rom. Im Jahr 1997 wird Jenninger pensioniert und bewirbt sich für das Amt des Präsidenten des Deutschen Instituts für Auslandsbeziehungen; nach Protesten Klaus Staecks (v.i.) und Rezzo Schlauchs (Die Grünen) zieht Jenninger aber seine Kandidatur zurück und bleibt im Ruhestand (Beucker / Ueberall 2006: 269 f.). 188 Das Plakat trug den Schriftzug »Seit Chile wissen wir genauer, was die CDU von Demokratie hält« und bezieht sich auf einen ungehörigen Kommentar eines CDU-Politikers zur politischen Situation in Chile (cf. Beucker / Überall 2006: 269 f. und Linn 1991: 13). In der Tat wurde Jenninger später von einem Gericht wegen Schadenersatz zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Summe belief sich auf 10 Deutsche Mark, plus 9 Prozent Zinsen sowie Anwaltsund Gerichtskosten (Der Spiegel 27 / 1976: 156).

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Wo sich Mißtrauen ausgebreitet hat, muß Glaubwürdigkeit wieder einkehren. Die Auseinandersetzungen darüber sollten jedoch alle Beteiligten selbstkritisch, aber auch fair, offen, aber intellektuell redlich führen. Nichts zerreißt die Glaubwürdigkeit der Politiker erbarmungsloser als Heuchelei! […] Was wir tun, ist nie vollkommen, aber den guten Willen sollten wir uns gegenseitig allzeit unterstellen (Deutscher Bundestag und Bundesrat 1984: 7001 und 7003).

Zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges hält Jenninger im Bundestag bereits eine Gedenkrede (unmittelbar vor der Weizsäckers), die auffällige Gemeinsamkeiten mit seiner Rede vom 10. November 1988 aufweist (Jenninger 1985: 447 – 448); Linn nennt sie eine »Mikro-Version« der späteren Rede (Linn 1991: 153), Nettelstroth schreibt, sie »wirkt wie eine erste Fassung oder ein Ausschnitt aus der späteren, längeren Rede« (Nettelstroth 1995: 72) und konstatiert: Aus meiner Sicht ist es nur schwer verständlich, warum die Rede 1988 einen solchen Eklat auslöste, während die Vorgängerrede 1985 unbeachtet blieb. Es dürfte meiner Einschätzung nach nicht in erster Linie am beanstandeten Inhalt liegen, sondern eher an den äußeren Begleitumständen, daß die Rede von 1988 zum Skandal wurde (ibid.).

Für eine Einordnung in historischen Kontext und Epitext der Rede müssen zum einen auch historische Begebenheiten und Debatten, zum anderen auch Konstellationen im Bundestag erwähnt werden. Vor allem waren es der Historikerstreit189 und die Ereignisse von Bitburg190, die die Öffentlichkeit – vor allem Politik und Medien – für Äußerungen über die Aufarbeitung des Nationalsozialismus sensibilisierten. Der Bundestag wies in den 1980er Jahren dabei wesentlich größere Extreme auf, als dies vielleicht heute noch der Fall ist: Während es in der CDU / CSU-Fraktion stark konservative Gruppen gab, zeichnen sich die Grünen noch durch einen radikalen, fundamentalistischen Flügel aus (cf. Leicht, nur wenige Wochen nach der Jenninger-Rede, in Die Zeit 09. 12. 1988: 1). Signifikant sind auch die Streitigkeiten, die sich im Vorfeld der Gedenkstunde ereigneten: Geplant wurde sie bereits ein Jahr zuvor durch Jenninger und den damaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Werner 189 Federführend im »Historikerstreit« waren insbesondere Jürgen Habermas und Ernst Nolte, die einen erbitterten Streit über (wissenschaftlichen) Umgang mit Nationalsozialismus und Holocaust sowie deren Einbettung in die deutsche Identität führten: »Aber insofern, als die Frage einer deutschen Identität betroffen war, löste sich die Frontstellung in den kommenden Jahren sehr schnell auf, und aus der Perspektive des Jahres 1989 / 90 betrachtet, wirkte der Streit obsolet […] Vielmehr erwies sich, daß die Auseinandersetzung so recht dem Geist der alten Bundesrepublik entsprang« (Wirsching 2006: 491; cf. weiterführend Augstein 1987 und Kühnl 1987). 190 Helmut Kohl löste eine öffentliche Debatte aus, als er im Jahr 1985 mit US-Präsident Ronald Reagan einen Soldatenfriedhof in Bitburg besucht und dort die Gefallenen ehrte. Neben Toten der US-Streitkräfte und der deutschen Wehrmacht sind dort auch Angehörige der Waffen-SS beerdigt (cf. weiterführend e. g. Hartman 1986 und Jensen 2007).

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Nachmann (cf. Brief Nachmanns an Jenninger, zitiert in Hill 1989a: 32), und schon damals wurde Jenninger zum Redner bestimmt (cf. König 2008b: 180 und Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang). Einige Wochen vor der Gedenkstunde entbrannte ein Streit darüber, ob nicht der Nachfolger Nachmanns, Heinz Galinski, statt oder zumindest neben Jenninger Redner sein solle. Als nachträglich signifikant (v.s.) lesen sich die Namen des FDP-Abgeordneten Lüder und des Grünen-Abgeordneten Kleinert, die Galinski statt Jenninger als Redner beantragen.191 Die Anschuldigung, Jenninger hätte sich als Redner »aufgedrängt« und mit Rücktritt gedroht, falls statt seiner Galinski hätte sprechen dürfen (cf. Linn 1991: 121; hier findet sich auch eine ausführliche Berichterstattung über den Vorfall), ist im nachhinein nicht mehr zweifelsfrei zu klären. In jedem Fall wird grundsätzlich aber nur den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Angehörigen der Bundesregierung sowie Mitgliedern des Bundesrates gestattet, im Bundestag zu sprechen; allenfalls wird für ausländische Staatspräsidenten eine Ausnahme gemacht.192 Dennoch scheint der Streit ein wichtiges Indiz für späteres Mißfallen und Voreingenommenheit zu sein;193 der (politische) Gegner 191 Cf. FAZ 29. 10. 1988: 6. 192 Das »Rederecht« hierzu regeln Art. 43 Abs. 2 GG (cf. Verstyl, in: Münch / Kunig, GGK II, Rn. 33 zu Art. 43) sowie §§ 33 und 43 GOBT (cf. Burhenne 2009: 090609; Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages §§ 33 und 43). Roll kommentiert: »Die verfassungsrechtliche Verankerung des Rederechts und seine Bedeutung für den Verfassungsauftrag des BT schließen es aus, anderen Personen durch Mehrheitsbeschluß eine Rederecht einzuräumen […] Ausnahmen sind für ausländische Ehrengäste, vorwiegend Staatsoberhäupter gemacht worden« (Roll 2001: 49; Kommentar zu § 33 BOGT. Hervorhebung im Original). Der Bundestag äußerte sich in einem Schreiben mit folgender Stellungnahme: »Die Berechtigung, in der Plenardebatte das Wort zu ergreifen, wird nach der beim Deutschen Bundestag hierzu seit langem bestehenden und in der Praxis beachteten Rechtsauffassung durch das Grundgesetz abschließend nur für einen bestimmten Kreis von Mandats- und Amtsträgern begründet und kann darüber hinaus außenstehenden Dritten nicht eingeräumt werden. Neben den nach Art. 38 Abs. 1 und 43 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz redeberechtigten Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie der Bundesregierung und des Bundesrates sowie deren Beauftragten (siehe dazu den Wortlaut des Art. 43 Abs. 2 GG) kann nach § 115 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nur der Wehrbeauftragte bei der Beratung seiner Berichte auf Verlangen einer Fraktion im Plenum das Wort erhalten. Die Einräumung der Redemöglichkeit für den Wehrbeauftragten wird mit seiner in Art. 45 b GG verfassungsrechtlich verankert Stellung als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung parlamentarischer Kontrolle begründet. Soweit außenstehenden Dritten – z. B. in Ausnahmefällen ausländischen Staatsoberhäuptern – die Möglichkeit einer Ansprache vor den Mitgliedern des Deutschen Bundestages eingeräumt wurde, erfolgte dies außerhalb bzw. nach Unterbrechung von Plenarsitzungen« (Regierungsdirektorin Misselwitz, Deutscher Bundestag, Fachbereich Parlamentsrecht, PD 2; im Brief vom 1. Juli 2009 an mich, J.K.). 193 Interessant liest sich hierzu ein Kommentar Bubis’, der in bezug auf den späteren Rücktritt Michael Fürsts, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, schreibt: Galinski »fand an dem Vorschlag [der Grünen, ihn als Redner vorzuschlagen, J.K.] Gefallen und signalisierte seine Bereitschaft. Fürst sah im Verhalten Galinskis eine ›anmaßende Buhlerei‹, worauf dieser heftig reagierte […] Daraufhin fand Fürst zu einem noch

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Jenningers war in jedem Fall schon vor der Rede über den Redner verärgert. Auch in den eigenen Reihen dürfte die Zustimmung für Jenninger zumindest im Ansatz distanziert gewesen sein, wie sich z. B. an der Position Helmut Kohls beobachten läßt: Dieser hielt nicht nur am Tag vor Jenninger in der Frankfurter Synagoge eine Gedenkrede (cf. Nettelstroth 1994: 74), sondern sollte auch wenige Tage später, am 14. 11. 1988, in New York zu Ehren Simon Wiesenthals eine Rede halten (cf. Saxon in New York Times 15. 11. 1988: A8).194 Grundsätzlich kann festgestellt werden, daß Jenningers Publikum äußerst heterogen erscheint: Vor allem unter den Abgeordneten finden sich stark gegensätzliche Überzeugungen, die entweder allgemein politischer Natur sind oder sogar in einem antipathischen Bezug zu Jenninger stehen. Neben den Mitgliedern des Bundestages setzt sich das Publikum aus verschiedenen Gästen zusammen: dem Botschafter des Staates Israel, Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland, Vertretern der Kirchen und anderen Ehrengästen (cf. einleitende Grußworte Jenningers, s. Anhang,195 Zeile 9 – 16). Den Veranstaltungsrahmen bildet eine ernste Feier des Deutschen Bundestags zum Gedenken des 9. Novembers 1938, dem Tag der durch das nationalsozialistische Regime organisierten Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung Deutschlands. Die »Gedenkstunde« findet am Morgen des 10. Novembers 1988 im provisorischen Plenarsaal des Bundestags im Bonner Wasserwerk statt; am Nachmittag desselben Tages werden an dieser Stelle wieder normale Sitzungen abgehalten. Die Gedenkstunde wird live im Fernsehen übertragen. Jenningers Intention für die Rede, also telos und intendierte Wirkung, kann anhand seiner die Rede einleitenden Worte sowie seiner späteren Aussagen recht dezidiert rekonstruiert werden: Heute nun haben wir uns im Deutschen Bundestag zusammengefunden, um hier im Parlament der Pogrome vom 9. und 10. November 1938 zu gedenken, weil nicht die Opfer, sondern wir, in deren Mitte die Verbrechen geschahen, erinnern und Rechenschaft ablegen müssen, weil wir Deutsche uns klarwerden wollen über das Verständnis unserer Geschichte und über Lehren für die politische Gestaltung unserer Gegenwart und Zukunft (Jenninger 1989, s. Anhang, Zeile 20 – 25).

Jenninger legt hiermit fest, daß er keine Trauerrede halten will, sondern daß er sich – als Vertreter des Deutschen Bundestags (und damit als »Vertreter der schärferen Tonfall und warf Galinski vor, er verkenne ›einmal wieder, daß es nicht um seine Person geht, sondern daß es gewissen Gruppen vielmehr darum geht, mit Juden Politik zu betreiben‹« (Bubis / Sichrovsky 1998: 197). 194 Es ist überdeutlich, daß Jenninger nach Einsetzen der Skandalisierung gerade von Kohl wegen der bevorstehenden Rede in New York keinen Rückhalt mehr erwarten konnte. 195 Die Zeilenangaben in den Analyseabschnitten über die Rede Jenningers beziehen sich, sofern nicht anders erwähnt, auf den Text der Rede Jenningers, wie sie im Anhang abgedruckt ist.

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Vertreter« des deutschen Volkes!) – zur deutschen Vergangenheit äußern und sie für ein zukünftiges Verständnis diskutieren möchte.196 Über die Idee und genauere Absicht der Rede berichtet Jenninger später z. B. in einem Interview: Da meldete sich einmal eine junge Geschichtsstudentin zu Wort: ›[…] Jetzt sagen Sie mir mal […]: Warum ist mein Großvater Nazi geworden? Was hat ihn dazu bewegt? […]‹ Ähnliche Fragen habe ich auch von anderen zu hören bekommen. […] Das war die Motivation für die Rede […] (Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang; König 2008b: 181).

In einer anderen Passage äußert Jenninger : Nicht die Opfer, sondern die Deutschen als ›Täter‹ sollten einmal im Mittelpunkt stehen. Es galt, darüber nachzudenken, wie es dazu gekommen war. Es ging also nicht so sehr darum, allein Verbrechen an den Juden darzustellen, sondern wie es überhaupt zu der ›Reichskristallnacht‹ kommen konnte: Das war der Zweck meiner Rede. […] Meine Absicht war nicht die komplette historische Aufarbeitung des Themas, sondern einen Anstoß zur Diskussion zu geben, wohlwissend, daß die Rede riskant war (ibid.: 186).

Hiermit steht das telos, der Zweck und die Wirkungsabsicht des Redners fest: Im Rahmen der Gedenkveranstaltung will er eine Rede halten, die zum einen die deutsche Geschichte für die Nachkommen der »Tätergeneration« erörternd darlegt, um zum anderen daraus Lehren für die Zukunft gewinnen zu können. 3.2.1.2 Mesoebene: Redetext Jenningers Rede gestaltet sich im Überblick nicht als jener Typus der Gedenkbzw. Trauerrede, in dem (ausschließlich) mit Trauer und Mitleid des Verstorbenen bzw. der Opfer gedacht wird; also nicht in Form einer klassischen laudatio funebris (= »Begräbnisrede«) als Subdisziplin der epideiktischen Rede. Er spricht – zumindest zum Großteil – von Tätern und insbesondere Mitläufern, die den Tag, dessen gedacht werden soll, möglich machten. Jenninger versucht, die Gründe darzulegen, die zur Katastrophe führten. Dönhoff nennt dies ein »Kolleg« (in Die Zeit 18. 11. 1988: 3), also eine an dieser Stelle »unangemessene« »wissenschaftliche bzw. universitäre Textform« (cf. Kischkel 1991: 175). Daß diese Bezeichnung nicht exakt zutrifft, wird sich im folgenden zeigen; ebenso kann zum Ende dieses Kapitels bewiesen werden, daß der Vorwurf der Unangemessenheit von Jenningers Redegenus nicht zutrifft. In jedem Fall erweist sich sein Ansatz als Beobachtung von historischen Fakten, Überzeugungen und Entwicklungen in Deutschland, die in die Pogromnacht mündeten. Hierzu muß 196 Inwieweit sich Jenninger hiermit von einer konsensualen Auffassung von Angemessenheit, also dem äußeren aptum, entfernt bzw. dies verletzt, wird in 3.2.1.2 noch ausführlicher betrachtet werden.

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er für die Rolle der »Täter« sprechen und nimmt damit in der Tat nicht mehr die »Opferperspektive« ein, sondern berichtet aus der »Täterperspektive« (cf. Kopperschmidt 1989: 226 f. und Suzuki 2000: 97; cf. auch Korn 2001: 221). Um Inhalt, Redegenus, aptum und Kontexteinbettung in einen Bezug zu setzen und genauer erörtern zu können, muß die Rede – in Gänze – zunächst in die Abschnitte der partes orationis gegliedert werden, worauf bereits erste Rückschlüsse auf die angebotene und erfolgte Wirkung vorgenommen werden können. Insbesondere bei Linn (1991) findet sich eine akzeptable Einteilungen in die rhetorische »Dramaturgie«. Das exordium, die Einleitung, beginnt bei Jenninger mit der Feststellung des Redeanlasses, der Begrüßung seines Publikums, Darlegung des Redeziels und einer Überleitung in Form einer Frage, die zur anschließenden Beantwortung in der narratio vorangestellt wird (Zeile 1 – 38, cf. Anhang; cf. Linn 1990: 28 f.). Die Begrüßung erfolgt außerordentlich differenziert, wie zu Veranstaltungen dieser Art üblich; Hill kommentiert: »Philipp Jenninger begrüßt, grüßt besonders, grüßt vor allem, grüßt herzlich« (Hill 1989b: 00:07). Für den nach der Rede immer wieder geäußerten Vorwurf, Jenningers Rede sei mißverständlich gewesen oder habe zumindest Mißverständnis provoziert (cf. 3.2.1.1), müßte sich insbesondere an dieser Stelle bereits ein Verstoß gegen die Regeln des exordium finden, denn: »Die Einleitung ist der Teil der Rede, der das Gemüt des Zuhörers in geeigneter Weise für den übrigen Vortrag vorbereitet; dies wird eintreten, wenn er ihn wohlwollend, aufmerksam und belehrbar macht« (Cicero 1998: 45; inv. I 15,20). Ein Verstoß gegen diese Regel ist nicht festzustellen.197 Jenninger definiert in diesem Teil seiner Rede in der Tat recht deutlich seine Intention: Heute nun haben wir uns im Deutschen Bundestag zusammengefunden, um hier im Parlament der Pogrome vom 9. und 10. November 1938 zu gedenken, weil nicht die Opfer, sondern wir, in deren Mitte die Verbrechen geschahen, erinnern und Rechenschaft ablegen müssen, weil wir Deutsche uns klarwerden wollen über das Verständnis unserer Geschichte und über Lehren für die politische Gestaltung unserer Gegenwart und Zukunft (Zeile 20 – 25, s. Anhang).

Zum einen stellt Jenninger also den Grund der Zusammenkunft fest, zum anderen die Intention seiner Rede. Natürlich hätte Jenninger an dieser Stelle noch deutlicher betonen können, welche Perspektive er also im folgenden einnehmen 197 Einzig Linns Vorwurf, Jenninger habe durch seine Ausdrucksweise »Bevölkerungsgruppen« ausgegrenzt (»unabsichtlich und unverzeihlich«, Linn 1991: 47), ist insofern recht zu geben, da Jenninger durch seine Eröffnung Deutsche und Juden voneinander trennt. Für den Fortgang seiner Rede und insbesondere die Perspektive, die Jenninger einnimmt, ist diese Unterscheidung aber annehmbar und gerechtfertigt. Sie hätte allenfalls durch eine differenziertere Bezeichnung entschärft werden können; »unverzeihlich«, wie Linn schreibt, ist sie deshalb aber nicht.

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und was genau er erörtern möchte. Bedenkt man den Vorwurf der Mißverständlichkeit, scheint dies zur Sicherheit geboten. Allerdings wäre die erneute Feststellung der Intention retardierend und nur durch die Lehre des Mißerfolgs gerechtfertigt. Tatsächlich böte die Wiederholung auch nur scheinbar eine Sicherheit: Denn das wesentliche Merkmal des exordium stellt Oesterle-Schwerins Zwischenruf und Verlassen des Plenarsaals dar, das sich exakt in dem Moment ereignet, in dem Jenninger seine Intention ausspricht. Durch Oesterle-Schwerins »Performance« kann Jenningers Prämisse für den unaufmerksamen Zuhörer ohnehin nicht (mehr) deutlich genug werden: »Auf diese Weise wurde ihm das wichtigste einer jeden Rede, das exordium, […] gründlich verdorben« (Linn 1991: 18 f.). Auf die spätere Mißdeutung und Verzerrung dieses Zwischenrufs durch die Presse hat Jenninger indes ebenfalls keinen Einfluß. Es stellt sich also heraus, daß Jenninger zumindest zu Beginn kaum Möglichkeit hat, eine spätere Mißwirkung zu beeinflussen, bzw. daß für die Verständlichkeit von seiner Seite aus eigentlich ausreichend gesorgt ist. Dem Publikum muß an dieser Stelle die Verantwortung gegeben werden, genau zuzuhören und Jenningers Intention zu verstehen; insbesondere auch deshalb, weil es die nötigen Kenntnisse hat, um das Verhalten Oesterle-Schwerins klar vom Inhalt der Rede trennen zu können. Die narratio-propositio198 ist ein »zusammenfassender Überblick über das Thema« (cf. Ueding / Steinbrink 2005: 263) und bildet die Überleitung von exordium zum Hauptteil der narratio. Bei Jenninger ist die propositio so auch von einer Zusammenfassung der Ereignisse des 9. November 1938 bestimmt und wird ergänzt durch einen wertenden Überblick der Reaktionen im In- und Ausland sowie einer (negativen) Beurteilung des Begriffs »Reichskristallnacht« (Zeile 40 – 92, s. Anhang). Jenninger geht in dieser kurzen Abhandlung nur gelegentlich auf Details ein; die propositio bietet also eine vorbereitende Einstimmung auf die noch folgende Erörterung der zum Ende des exordium gestellten rhetorischen Frage (Wissen wir es auch?; v.s.). Nun folgt der Hauptteil der narratio (Zeile 94 – 467, s. Anhang), den Linn in vier Abschnitte gliedert (Linn 1991: 30 – 41). Dies erscheint sinnvoll, da sich die Abschnitte inhaltlich voneinander trennen lassen, sie grundsätzlich aber Teil der Erzählung sind. In Jenningers narratio finden sich auch Elemente der argumentatio; dies wird sich an späterer Stelle noch genauer erklären lassen. In jedem Fall ist Linns Schlußfolgerung falsch und nicht zielführend, wenn sie konstatiert, als promoviertem Juristen sei Jenninger die Form der judizialen Gattung nicht fremd, und er könne »sich offensichtlich auch nicht ganz von ihr entfernen« (Linn 1991: 24), weil argumentative Aspekte des genus iudiciale in der Rede enthalten seien. Linns These stützt sich auf die Annahme, daß in der 198 Linn trennt die Proposition von der Narratio; tatsächlich ist sie ihr aber zuzuordnen (cf. Ueding 2005: 263) und bildet bei Jenninger ihre Einleitung.

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epideiktischen Rede keine argumentatio vorkommen darf; dies ist natürlich völliger Unsinn, wie sich in der Einordnung der Rede in ihr rhetorisches Genus belegen läßt. Im ersten Teil der narratio (Zeile 94 – 188)199 skizziert Jenninger einerseits einen Abriß der Repressionen gegen Juden in Deutschland seit 1933 und damit den Wandel des Kultur- und Rechtsstaats in die Diktatur, andererseits listet er die (internationalen) politischen Erfolge Hitlers auf, um die breite Unterstützung vieler Deutscher für Hitler zu erklären. Im zweiten Teil der narratio (Zeile 190 – 219, s. Anhang) erläutert Jenninger die Bedeutung der Erfolge Hitlers für die Beurteilung der Weimarer Zeit aus damaliger Sicht, die offenbar internationale Akzeptanz des Regimes sowie die Beziehung der (nicht-jüdischen) Deutschen zur jüdischen Bevölkerung und der Propaganda der Nationalsozialisten über Juden. Der dritte Teil der narratio (Zeile 221 – 355, s. Anhang) beginnt zunächst mit einer Digressio, also einem Exkurs, in dem Jenninger einerseits auf Jahrhunderte währenden Antisemitismus in Deutschland und Europa hinweist, andererseits die hohe Integration und Akzeptanz jüdischer Bevölkerungsschichten. Er skizziert das Aufkeimen des Nationalismus in Deutschland, das Ausbleiben einer demokratisierenden Entwicklung sowie die Industrialisierung und Entstehung des Kapitalismus, in denen sich viele Juden eine gute soziale Stellung erarbeiten konnten. Jenninger stellt hiermit die Gründe für Neid der Erfolgloseren gegenüber der jüdischen Bevölkerung dar ; zudem verweist er auf die Verfremdung der Darwinschen Lehren, um Juden zu diskriminieren. Jenningers Exkurs endet damit in der Darstellung der nationalsozialistischen Propaganda, die detailreich und chronologisch dargelegt wird und die Jenninger in einen Bezug zu einer Charakterisierung Hitlers setzt und damit erklärt. Der 3. Teil der narratio steigert sich durch die chronologische Struktur nun zur dramaturgischen Klimax, indem Jenninger zunächst die ersten Massenermordungen von Juden erwähnt und schließlich den planmäßigen Mord in den Vernichtungslagern einleitend beschreibt; der dritte Teil endet mit der Ankündigung der im vierten Teil folgenden Beschreibung der Katastrophe, also des durchgeführten Genozids. Den vierten Teil der narratio (Zeile 357 – 466, s. Anhang) beginnt Jenninger ebenfalls mit einer digressio, indem er einen Exkurs über Moral, Ethik und das Zusammenleben in der menschlichen Gesellschaft einschiebt. Die Schlußfolgerung des Exkurses, die Bedeutung des absoluten Fehlens von Moral, mündet in Jenningers Text in einen Augenzeugenbericht und eine Ansprache, die er als Zitat in Gänze hintereinander stellt; im Augenzeugenbericht wird die Massenerschießung von internierten Juden beschrieben, im zweiten Zitat folgt eine 199 Bei Linn findet sich der Teil über Hitlers »Erfolge« noch einmal gesondert unterteilt.

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zynische Ansprache Heinrich Himmlers aus dem Jahr 1943 an SS-Gruppenführer. Jenninger beendet den Exkurs, indem er auf eine Erörterung der Zitate explizit verzichtet und die letztendliche Unbegreiflichkeit des Geschehenen hervorhebt. Er nimmt an dieser Stelle den chronologischen Leitfaden wieder auf und faßt die Ereignisse nach Kriegsende zusammen; hiermit endet die narratio. Die Rede erreicht nun die peroratio, also den Schlußteil (Zeile 468 – 584, s. Anhang), der verglichen mit der propositio außerordentlich lang ausfällt. Jenninger beendet die chronologische Erzählung der historischen Ereignisse und beginnt zunächst mit einer recapitulatio, einer Zusammenfassung der zuvor dargelegten Thesen; insbesondere nennt er die Zustimmung der Deutschen zur Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung, die Offensichtlichkeit von menschlichen Verbrechen und die Einordnung der Schuld von Tätern und Mitläufern. Dies führt in Jenningers Rede zu wertenden Feststellungen: Die historischen Ereignisse werden als wahrhaftig, unvergleichlich, unvergeßlich und unvergänglich definiert. Hieraus zieht Jenninger nun Schlußfolgerungen für den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands, die zunächst den Umgang der nachfolgenden Generation beschreiben und schließlich in differenzierte Appelle an die Politik münden; er schließt also in der Tat mit einer aktuellen Politisierung des Dargelegten. Jenninger beendet seine Rede mit einem Appell, einzuordnen in das ethos der Affektenlehre, indem er Toleranz und stetige Hilfsbereitschaft als zwingenden Bestandteil der Gesellschaft fordert. Jenningers Rede wird umrahmt durch den Auftritt der Bonner Bachgemeinschaft, die zu Beginn der Veranstaltung das Lied Es brennt, Brüder es brennt und zum Abschluß das Lied Shtiller, shtiller, kworim waksen du singt (cf. Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988a: 7269 und 7276). Direkt vor Jenningers Rede trägt die jüdische Hamburger Theaterdirektorin Ida Ehre Paul Celans Gedicht Todesfuge vor. Jenningers Rede nimmt mit etwa 45 Minuten den weitaus größten Teil der Gedenkveranstaltung ein. Entsprechend der Konstruktion des Plenarsaals befindet sich Jenninger während des Vortrags in der Mitte des Halbkreises von Abgeordneten. Der Saal ist dezent mit Blumen geschmückt; Jenningers Kleidung – dunkler Anzug, weißes Hemd, Krawatte – entspricht den Gegebenheiten des Anlasses. Eine stets genannte Kritik an der Rede Jenningers ist die Unangemessenheit seiner Thematik (v.s.), genauer : der inhaltlichen Erörterung und Erklärung der historischen Ereignisse; Jenninger habe in diesem Fall der Kritik, nach rhetorischen Regeln, das Genus der epideiktischen Rede nicht erreicht. Dies bedeutete eine Fehlleistung bezüglich des äußeren aptum, dem hiermit nicht gerecht geworden wäre. Explizit findet sich diese Kritik auch bei Linn, die völlig simplifizierend feststellt: »Obwohl das epideiktische Genus durch den Anlaß der Gedenkstunde vorgegeben war, wich er [i.e. Jenninger, J.K.] wiederholt davon ab

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und irritierte die Rezipienten mit den allgemein bekannten Folgen« (Linn 1991: 124). Dieser Vorwurf differenziert sich, wenn Jenningers Rede zwar nicht das Genus der Epideiktik abgesprochen, dafür aber eine nicht konsequente Einhaltung der epideiktischen Genuskonstruktion zugeschrieben wird (v.s.). Beide Vorwürfe müssen an dieser Stelle entschieden zurückgewiesen werden. Eine epideiktische Rede, wie sie bei Aristoteles in einer Idealvorstellung beschrieben wird,200 hat es schon in der Antike nie gegeben (cf. 3.2). Vielmehr sollte der Begriff des Genus Festrede daher nicht mit Blick auf die »Form« der Rede, sondern zur Art des Anlasses verstanden werden; erst jetzt wird deutlich, um welche Art von Rede es sich – grundsätzlich – handelt, nämlich um eine Rede, die während bzw. zu einer »festlichen« Veranstaltung (und damit also nicht zur Beratung oder vor Gericht) gehalten wird. So, wie der Grund des »Festes« zwischen einem freudigen Jubiläum und einem Begräbnis variiert, muß selbstverständlich auch die Thematik und Stilistik der Rede variieren. Eine Damenrede ist kein Nachruf, aber beides sind epideiktische Reden. Eine Festlegung, deren Parameter entweder auf Lob oder auf Tadel basieren, muß dabei in jedem Fall irreführend sein. Jenningers Rede wird zum Gedenken an die Ereignisse der Pogromnacht 1938 gehalten, inhaltlich beschäftigt sich der Redner eingehend mit der Thematik der Ereignisse vor 50 Jahren; er berät nicht und will auch kein gerichtliches Urteil evozieren. Jenninger erfüllt zweifellos die Grundbedingungen der epideiktischen Rede, insbesondere auch deshalb, weil ein wesentlicher Aspekt seines telos die Tadelung der Mitläuferschaft ist; der Tadel wiederum ist ein typisches epideiktisches telos. Scheinbar zielführender für das Verständnis der Kritik sind zwei Kommentare, die (wörtlich oder sinngemäß) damals häufig zitiert wurden. Zum einen handelt es sich um das Statement des Hitler-Biographen Sebastian Haffner : »Jenninger hatte kein Gespür für den Anlaß. Wenn ein Mensch ermordet worden ist, spricht man an seinem Grab nicht von der interessanten Persönlichkeit des Mörders.«201 Zum anderen ist es eine Erklärung der Gesellschaft für ChristlichJüdische Zusammenarbeit: Es war die falsche Rede am falschen Tag und am falschen Ort. Sie wurde vorgetragen ohne ein Zeichen sichtbarer Scham und aufrichtigen Empfindens für das, was unseren jüdischen Mitbürgern vor 50 Jahren und in der Zeit danach angetan worden ist (in Die Zeit 18. 11. 1988: 2).

Um Haffners Annahme und ähnliche Thesen deutlich zu widerlegen, hilft es, den Anlaß, Ort, und das Publikum der Rede noch einmal klar zu definieren. Haffner interpretiert das Setting in völlig unzutreffender Weise, denn seine Allegorie läßt 200 »Die Festrede gliedert sich in Lob und Tadel« (Aristoteles 2005a: 19; rhet. I,3 / 1358b). 201 Hier zitiert nach Bubis / Sichrovsky 1998: 196.

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nur die Schlußfolgerung zu, daß Jenninger eine laudatio funebris hätte halten müssen. Doch die Veranstaltung findet nicht zu einem »Begräbnis« statt, sondern 50 Jahre nach dem Geschehen, es handelt sich bei dem Ort nicht um eine Gedenkstätte für die Opfer, sondern um die legislative Versammlungsstätte derjenigen, deren Vorfahren die Verbrechen begangen haben, und das Publikum setzt sich, abgesehen von Teilen der Gäste, aus jener Legislative zusammen: Jenninger spricht im Deutschen Bundestag als Vertreter der deutschen Bevölkerung für die deutsche Bevölkerung vor Vertretern der deutschen Bevölkerung, um an die Verbrechen, die vor 50 Jahren durch Deutsche an jüdischen Mitbürgern in Deutschland verübt wurden, zu erinnern (cf. 3.2.1.1): »Die Rede ist zwar eine ›Gedenkrede für Opfer und Verfolgte‹, jedoch nicht an sie adressiert, sondern an diejenigen, die einem Volk angehören, in dessen Namen Täter gehandelt haben« (Kopperschmidt 1989: 226). Ein tatsächliches Äquivalent (allerdings unter Vernachlässigung der zeitlichen Unstimmigkeit) zu Haffners Darstellung des Settings wäre z. B. eine Gedenkveranstaltung in einer Synagoge vor einem jüdischen Publikum. Die Rede, die Helmut Kohl einen Tag vor Jenninger in der Frankfurter Synagoge hielt, trifft hierauf beispielsweise zu und kann daher auch eher die Formalien der trauernden Gedenkrede aufweisen (cf. Nettelstroth 1995: 74 f.). Tatsächlich wäre die logische und konsequente Schlußfolgerung: Eine solche Rede wäre im Bundestag faktisch unangemessen, da das Setting nicht korrekt verstanden worden wäre und das äußere aptum hinsichtlich dieser Aspekte nicht erfüllt würde. An dieser Stelle muß auch Linns Folgerung, in eine epideiktische Rede gehörten keine judizial-argumentativen Elemente und Jenninger habe sich qua juristischem Studium nur nicht davon trennen können, widersprochen und klar widerlegt werden. Bereits bei Quintilian findet sich eine süffisante Bemerkung zu einer Annahme wie dieser : »[…] eine mehr fix und fertige als wahrheitsgemäße Aufteilung!« (Quintilian 2006: 301; inst. III 4,16). Tatsächlich handelt es sich bei den drei rhetorischen Genera also nur um grobe Konstrukte, die je nach Bedarf vermischt werden sollen: »Gemeinsam haben sie auch, daß sie gewinnen, erzählen, lehren, steigern, abschwächen und durch Erregung oder Besänftigung der Leidenschaften die Gemütsverfassung der Hörer bestimmen« (ibid.: 299; III 4,15). Lausberg faßt zusammen: Obwohl der Gegenstand der epideiktischen Rede ein certum ist […], kommt es durch Analogie zu den beiden anderen genera […] Wegen dieser Alternative kann auch die epideiktische Rede als eine ›parteiische‹ […] Rede […] aufgefaßt werden analog der judicialen und der deliberativen Rede. Der Redner vertritt auch hier die von ihm gewählte Alternativstellung als seine Partei vor dem Publikum, das er für diese Partei gewinnen oder in der bereits vorausgesetzten Parteinahme feierlich bestärken will (Lausberg 1990: 55; HLR § 61).

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Die Elemente der argumentatio sind in der epideiktischen narratio also keineswegs ausgeschlossen, wie z. B. bei Linn fälschlich angenommen wird; die Ars Rhetorica ist niemals starr, sondern kann und muß, je nach Anlaß und telos, flexibel angewendet werden. Einen »Gattungsfehler« (Polenz 1989: 299) begeht Jenninger nicht, denn auch im Falle der rhetorischen Genera gilt, daß sie keinesfalls sakrosankten Definitionen unterworfen sind (cf. Heringer 1990: 170). Darüber hinaus sollte bei einer rhetorischen Analyse ohnehin stets berücksichtig werden, definitorische Einteilungen nie ohne die Perspektive der historischen Dialogforschung vorzunehmen (cf. 2.1.3). Die Beobachtung der Entwicklung der »bundesdeutschen« Gedenkrede ist hierzu äußerst nützlich (cf. 3.2). Für ein Verständnis der Kritik der »Unangemessenheit« muß aber die Ebene des aptum verlassen werden; hier hilft es eher, die Erwartung des Auditoriums zu skizzieren. Denn wenn Jenningers Rede grundsätzlich den Regeln der rhetorischen Genera und des äußeren aptum folgt und dennoch als unangemessen betrachtet wird, dann muß sie offensichtlich nicht mit der Erwartung des Publikums übereinstimmen. Hier wäre also zu erörtern, welchen Redentypus Jenningers Rezipienten erwarteten – und warum. Die Erwartungshaltung läßt sich an der bereits erwähnten »typischen« Form der bundesrepublikanischen Gedenkrede erklären, der Jenninger in der Tat nicht folgt; die in 3.2 beschriebene Gedenkrede ist zwar eine spezifische Form, die sich der epideiktischen Rede unterordnen läßt, äquivalent oder austauschbar sind diese Begriffe aber nicht. Darüber hinaus müssen auch die Vita und das hierdurch entstandene Image Jenningers und schließlich die heterogenen politischen Einstellungen des Publikums beobachtet werden. Geeignete Informationen für diese Indizien bieten die Ergebnisse Kopperschmidts (1989), Heringers (1990) und Pöttkers (2005). Jenninger erweist sich in seiner Rede nicht als jener starrköpfig-konservative Politiker, für den ihn – zumindest – Teile der SPD, der Grünen und der FDP – vielleicht wegen seiner Tätigkeit als Referent Franz Josef Strauß’, wegen seiner Affäre um die Grafiken Staecks und wegen der Auseinandersetzung in den Wochen vor der Gedenkstunde (cf. 3.2.1.1) möglicherweise halten (cf. Linn 1991: 12 ff.). Obwohl Jenningers Einstellung durch seine Bemühungen um den Staat Israel eigentlich über jeden Zweifel erhaben ist, besitzt er bei den genannten Fraktionen offenbar ein anderes Image. Dies rechtfertigt kein Mißverstehen der Intention, kann aber die Erwartungshaltung einiger Rezipienten erklären. Insbesondere an dem Verhalten Oesterle-Schwerins, die die Rede zu stören beginnt, bevor Jenninger überhaupt etwas inhaltlich Diskussionswürdiges gesagt hat, kann dies beobachtet werden: Ich habe schon Verständnis dafür, weil sich darin [in dem Verhalten Oesterle-Schwerins, J.K.] eine gewisse Tragik ausdrückt. Sie wollte etwas brandmarken – gar nicht die Rede, sondern ein übliches Verhalten bei Gedenkveranstaltungen. Darin hat sie eine

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Verlogenheit gesehen, und dann hat sie es aber ausgerechnet hier mit einer Rede zu tun, die das Gegenteil von Gedenkroutine darstellt (Pöttker 2005: 23).

Andere Kritiker aus dem Plenum trauten Jenninger die gewählte Form der Rede ebenfalls nicht zu und verstanden sie zudem nicht, weil die Erwartung eines vorgestellten Vortrags das Verstehen des realen Vortrags übertraf, denn die »Situation ist geprägt […] durch die Erwartungen des Auditoriums […]«202 (Kirst 1989: 2). Die »Empörung« der Kritiker resultiert allerdings, nicht wie bei Oesterle-Schwerin, aus der Enttäuschung über die fälschlich und vorschnell vermutete »gewöhnliche« Redeintention und deren Ablehnung, sondern aus der Dissonanz zwischen Gesagtem und Erwartetem: Die Rede paßt nicht zu dem, was als Rede während des Vortrags erwartet wird. Dies allerdings neuerlich als Verstoß gegen das aptum zu verstehen, wäre ein Fehlschluß; es ist aber ein Hinweis darauf, welche Optionen Jenninger als Redner gehabt hätte, um die Wirkung kalkulierbarer zu machen. Hierauf ist in den folgenden Analyseabschnitten noch zurückzukommen. Die nachträglichen Kommentare – insbesondere jener Abgeordneten, die das Plenum vor dem Ende der Rede verlassen und damit ganze Passagen der Rede überhaupt nicht mehr gehört, geschweige denn verstanden hatten – müssen kritisch betrachtet werden. Es ist durch die Kenntnis des Kontexts, in dem der Redner und die Veranstaltung bereits in den vorangegangenen Wochen in der Kritik standen, sowie die Kenntnis der Protagonisten der Kritik, die in den dpa-Meldungen zitiert wurden, nicht auszuschließen, daß hier bewußt oder unbewußt einmal gefaßte Ressentiments gerechtfertigt werden mußten.203 Diese Annahme ist nicht zwangsläufig notwendig, sie wäre aber ebenfalls eine logische Konsequenz aus der entstandenen Dissonanz zwischen Erwartung und Rederealität, und es ist zu vermuten, daß ein solcher Prozeß die Erwartungshaltung des Rezipienten durchaus verstärkt. Die Erwartungshaltung und die von Jenninger gewählte Art der Rede sind nicht die einzige Form von Dissonanz während der Veranstaltung, und im zweiten Fall handelt es sich tatsächlich um einen Verstoß gegen das äußere aptum, wenn es für die gesamte Inszenierung der Gedenkstunde angewandt wird. Außer acht gelassen werden sollte dies jedenfalls nicht, denn eine Rede steht in jedem Fall im Zusammenhang mit dem Setting von Ort, Zeit und »Rahmenprogramm«. Für Jenningers Rede ist hier insbesondere noch einmal auf den poetischen Vortrag Ida Ehres hinzuweisen. 202 Kirst bemüht sich darum, die Verantwortung für diese Situation allein dem Redner aufzuerlegen. Dies scheint in bezug auf das Image des Redners und seine Wahl eines Redengenus’ allerdings schwerlich nachvollziehbar, hieße es doch, daß er stets nur so reden darf, wie es das Publikum von ihm wünscht. 203 Heringer (1990) geht in seiner Analyse sogar noch einen Schritt weiter und vermutet eine Inszenierung der Empörung, was ein scheinbares und inszeniertes Mißverstehen voraussetzt; dies ist noch an späterer Stelle zu erörtern.

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Ehre ist die direkte Vorrednerin, Jenninger hält seine Rede an derselben Stelle direkt im Anschluß an die Darbietung der Todesfuge: Sich und den Versammelten läßt er keine Zeit, die Todesfuge von Celan nachklingen zu lassen. Freimut Duve [i.e. ein Abgeordneter der SPD-Bundestagsfraktion, J.K.] hatte die Lesung von Ida Ehre angeregt, um einen kulturellen Rahmen für die Veranstaltung zu schaffen. Wie das zusammenpassen würde: die zarte Greisin aus Hamburg, die schwer zu entschlüsselnde Bildersprache Celans, der gewichtig-massive Jenninger und seine in jedem Falle […] schmucklose, etwas schwäbelnde Sprache: darüber hat Duve nicht nachgedacht (Hill 1989a: 38).

In der Tat muß Jenningers Vortrag nach Celans Todesfuge, vorgetragen durch Ida Ehre, wie ein extremer Kontrapunkt wirken. Jenningers Rede besteht – vor allem – aus historischen Fakten, die durch ihre unverschönerte Echtheit wirken. Die Todesfuge ist ein expressionistisch-poetisches Werk, das insbesondere durch sein rhetorisches Ornat wirkt: Alles an diesem Gedicht ist gewollt und stilisiert. Die bis ins Detail durchkomponierte Wortpartitur arbeitet in hohem Maße mit der steigernden Wirkung der Wiederholung, der Antithetik und ihrer Vermischung durch die simultane Textkonstellation (Buck 1988: 394).

Obwohl Jenninger Elemente des rhetorischen Schmucks gebraucht, ist seine Rede dennoch ein authentischer Tatsachenbericht; dies ist Celans Gedicht nicht: »Der Autor hatte keine lyrische Reportage im Sinn. Er hat auch kein Erzählgedicht des Abstands geschrieben. Was er vorlegte, ist das poetische Notat eines Erinnerungsvorgangs […]« (ibid.: 399). Ebenso wie die Stilistik der beiden Texte müssen auch die beiden Redner, wie Hill es treffend beschreibt (v.s.), als absolut unpassende Kombination erscheinen, versteht man die Gedenkveranstaltung als rhetorisch wirkende Gesamtinszenierung. Ein Mißverstehen von Jenningers Rede scheint hierdurch allerdings nicht denkbar. Es ist aber möglich, daß sie auf einige Zuhörer deplaziert und dadurch unangemessen wirkt; Ressentiments gegen Jenninger und seine Rede mag dies verstärkt haben. Selbst Jenninger befindet heute, daß die Zusammenstellung seiner Rede mit dem Vortrag Ida Ehres nicht glücklich gewählt war (cf. König 2008b: 182 und Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang). Am Ende einer solchen Erörterung muß allerdings auch die Frage erlaubt sein, ob nicht gerade durch den Kontrapunkt oder, angelehnt an Celans Gedicht, das Oxymoron Ehre und Jenninger immer noch eine bessere und dem Anlaß angemessenere Gedenkveranstaltung entsteht, als durch eine »harmonische Inszenierung«.

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3.2.1.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene In der nun folgenden Mikroanalyse können en d¤tail die grundsätzlichen Strukturen, typischen Muster, Argumentationen, emotionalen Darstellungsformen und die kommunikative Performanz in das Konzept der Rhetorik eingeordnet werden. Selbstverständlich werden dabei auch die typischen Kritiken anhand von exemplarischen Beispielen erörtert; es muß aber stets darauf geachtet werden, Details nie als einzelne und selbständig wirkende Phänomene, sondern immer im Kontext der Gesamtrede zu bewerten.204 Auch Jenningers Rede beinhaltet grundsätzlich alle Formen der rhetorischen pisteis, wenngleich der logos als sachlogische Kraft im Vordergrund steht. Der Text muß dabei in weiten Teilen als Aufforderung zum Widerspruch verstanden werden, d. h., daß die Argumente eben nicht als Rechtfertigung, sondern als kritisch aufzufassende Erklärung zu begreifen sind. Wie sich im folgenden noch herausstellen wird, sind die zu kritisierenden Erklärungen durch offensichtliche Kennzeichnung, rhetorisches Ornat und vor allem durch den Kontext klar zu erkennen; sie erfordern allerdings einen aufmerksamen, mitdenkenden und zur Kritik bereiten Zuhörer. Ethos und pathos werden bei Jenninger vor allem zum Ende des dritten und innerhalb des vierten Teils der narratio deutlich; dies zum einen durch Stil, Prämissen und Aussagen, zum anderen vor allem aber durch längere Zitate, die mittels Interpretation durch das Publikum durch sich selbst emotional wirken können. In seiner Rede, vor allem in der narratio, skizziert Jenninger die Genese der nationalsozialistischen Propaganda und der gesellschaftlichen Einstellungen, die die Pogromnacht und alle weiterführenden Verbrechen möglich machten. Hierzu geht er zwar chronologisch vor, nimmt aber hin und wieder Exkurse vor (v.s.). Es handelt sich zunächst also um eine sachlogische Schilderung der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland: Was sich heute vor 50 Jahren mitten in Deutschland abspielte, das hatte es seit dem Mittelalter in keinem zivilisierten Land mehr gegeben. […] Weit über 200 Synagogen wurden niedergebrannt oder demoliert, jüdische Friedhöfe verwüstet, Tausende von Geschäften und Wohnungen zerstört und geplündert. Rund hundert Juden fanden den Tod, etwa 30 000 wurden in Konzentrationslager verschleppt; viele von ihnen kehrten nicht mehr zurück (Zeile 40 – 57, s. Anhang).

Jenningers narratio bedient sich auch im folgenden einer knappen, pointierten Sprache, die durch den Redenschmuck – insbesondere Metaphern – die genannten Ereignisse und Protagonisten wertend klassifiziert: Goebbels tituliert 204 Im Umkehrschluß muß ggf. natürlich darauf hingewiesen werden, daß einzelne Elemente, aus dem Kontext herausgenommen, durchaus eine Mißwirkung zulassen.

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er zynisch als Regisseur (Zeile 61), den deutschen Staat Organisator des Verbrechens (Zeile 47). Trotz dieser rhetorisch »verzierten« Begriffe besticht die propositio vor allem durch die offene und ungeschönte Sprache, in der Jenninger die Verbrechen ohne Zulassung einer Pause auflistet und gerade dadurch die Ausweglosigkeit des Grauens vermittelt: »Die Zeit der scheinlegalen Verbrämungen des Unrechts ging zu Ende; nun begann der Weg in die systematische Vernichtung der Juden in Deutschland und in weiten Teilen Europas« (Zeile 74 – 76). Jenninger unterläßt es zudem nicht, tadelnd zu demonstrieren, daß es keinerlei humanitäre Unterstützung und Hilfe gab: »Alle sahen, was geschah, aber die allermeisten schauten weg und schwiegen. Auch die Kirchen schwiegen« (Zeile 84 – 85). Feststellungen wie diese, die mittels prägnanter Hauptsätze zum Abschluß oder als Fazit einen thematischen Abschnitt beenden, sind ein markanter Bestandteil von Jenningers Rede und finden sich in allen Teilen; in der peroratio heißt es beispielsweise: »›Das Wesentliche wurde gewußt‹«205 (Zeile 485 – 486). Und in einem späteren Absatz sagt Jenninger : An Auschwitz werden sich die Menschen bis an das Ende der Zeiten als eines Teil unserer deutschen Geschichte erinnern. Deshalb ist auch die Forderung sinnlos, mit der Vergangenheit endlich Schluß zu machen. Unsere Vergangenheit wird nicht ruhen, sie wird auch nicht vergehen (Zeile 505 – 510).206

Um Feststellungen wie diese äußern zu können, muß Jenninger darlegen, welche historischen Ereignisse zu diesen Schlußfolgerungen führen. Dies sind die argumentativen Elemente seiner narratio, und sie lassen sich, wie im vorangehenden Kapitel beobachtet, einerseits in die Erörterung der gesellschaftlichen, andererseits in die der politischen Aspekte aufteilen; beide bedingen einander dabei, wie Jenninger darstellt. Auffällige Beispiele hierfür sind die Darstellung der politischen Erfolge Hitlers und deren Wirkung auf die deutsche Bevölkerung, eine Charakterstudie Hitlers, um dessen Politik in bezug auf Juden zu erklären, die chronologische Deklassierung der Juden in Deutschland durch die deutsche, nicht-jüdische Bevölkerung sowie die Einordnung der Nachkriegsjahre in den Diskurs der Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Judenverfolgung. Es wäre allerdings verfälschend, diese Themenabschnitte als 205 Jenninger zitiert hiermit einen ehemaligen Bundestagspräsidenten; s. Zeile 484 im Anhang. 206 Es ist anhand dieses Zitats zu erkennen, daß sich Jenninger von dem Vorwurf des »Schlußstrich-Ziehens« (cf. Siever 2001: 381) im Historikerstreit deutlich distanziert (ibid.: 381 ff.) und damit in Opposition zum konservativen Flügel seiner eigenen Fraktion positioniert (cf. ibid.: 383 ff.). Das Fehlen des Rückhalts in seiner Fraktion, von deren Mitgliedern am Tag der Rede kein nennenswerter Widerspruch gegen die Kritik eingelegt wurde, und Jenningers schneller Rücktritt, der durch seine Parteigenossen nicht verhindert wurde, müssen also offensichtlich auch im Zusammenhang damit betrachtet werden, daß Jenninger in seiner Rede nicht die Meinung des konservativen Flügels der CDU / CSUFraktion vertrat.

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Einzelthemen zu betrachten; tatsächlich sind sie immer im Zusammenhang mit Jenningers Grundperspektive – der Perspektive auf die Täter – zu beobachten. Von Zeile 156 bis 208 (s. Anhang) beschreibt Jenninger die politischen Erfolge Hitlers und erklärt hiermit einerseits dessen allgemeine Unterstützung durch die Deutschen, gerade auch mit Blick auf die politischen Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte, und andererseits deren Akzeptanz des nationalsozialistischen Antisemitismus. Die Rede Jenningers folgt dabei auffällig den Beschreibungen Sebastian Haffners; Jenninger scheint sich daran orientiert zu haben: […] es beginnt die Serie der außenpolitischen Erfolge: 1935 allgemeine Wehrpflicht unter Bruch des Versailler Friedensvertrages – und nichts passiert; 1936 Remilitarisierung des Rheinlandes unter Bruch des Locarnovertrages – und nichts passiert; 1938 März Anschluß Österreichs – und nichts passiert; September Anschluß des Sudetengebiets – und dies sogar mit ausdrücklicher Zustimmung Frankreichs und Englands; 1939 Protektorat über Böhmen und Mähren, Besetzung Memels207 (Haffner 1978: 62 f.).

In dieser Passage von Jenningers Rede findet sich auch der Begriff »Faszinosum«, der in der journalistischen Berichterstattung häufig zitiert wird (cf. 3.2.1.1), und in der Tat klingt das Wort, in einen Zusammenhang mit Hitlers Erfolgen gesetzt, sofort problematisch.208 Beobachtet man diesen Begriff aus grammatikalisch-pragmatischer Perspektive, wird deutlich, warum dies der Fall ist: Das Wort Faszinosum ist deutlich positiv konnotiert. Der Duden definiert: »[…] auf seltsame, geheimnisvolle Weise Faszinierendes, Fesselndes, Anziehendes« (Duden, Das Fremdwörterbuch 1990: 247). Durch die vorangehenden 207 Bei Jenninger lautet die Passage: »Die Jahre von 1933 bis 1938 sind selbst aus der distanzierten Rückschau und in Kenntnis des Folgenden noch heute ein Faszinosum insofern, als es in der Geschichte kaum eine Parallele zu dem politischen Triumphzug Hitlers während jener ersten Jahre gibt. Wiedereingliederung der Saar, Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, massive Aufrüstung, Abschluß des deutsch-britischen Flottenabkommens, Besetzung des Rheinlandes, Olympische Sommerspiele in Berlin, ›Anschluß‹ Österreichs und ›Großdeutsches Reich‹ und schließlich, nur wenige Wochen vor den Novemberpogromen, Münchener Abkommen, Zerstückelung der Tschechoslowakei – der Versailler Vertrag war wirklich nur noch ein Fetzen Papier und das Deutsche Reich mit einem Mal die Hegemonialmacht des alten Kontinents« (Zeile 157 – 168, s. Anhang). Die Ähnlichkeit der Passagen ist offensichtlich, obwohl Jenninger Haffners Epipher »und nichts passiert« nicht übernimmt; vielleicht auch deshalb, weil die Ellipse einerseits die Erfolge noch verstärkender und hervorhebender darstellt, andererseits weil sie u. U. eine Mitschuld der untätigen Nachbarländer vermitteln könnte. Insbesondere letzteres ist nicht im Sinne von Jenningers telos, schließlich konzentriert er sich vor allem auf die Schuld der Deutschen. 208 Ganz abwegig scheinen Jenningers Thesen auch für einen seiner energischsten Kritiker nicht zu sein: Hans-Jochen Vogel nennt einige Jahre später in einem Interview die Beweggründe seines Vater, in die NSDAP einzutreten; die Motive lesen sich wie ein beispielhafter Tatsachenbericht dessen, was Jenninger nur paraphrasierte und abstrahierte (Aust / Schirrmacher in FAZ 23. 04. 2005: 42). Über Hitlers Reden sagte Vogel zudem: »Von denen ging schon eine Faszination aus. Aber ein Unbehagen blieb wegen der Lautstärke und der Intonation« (ibid.).

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Partikel- und Präpositionalphrasen in Form verdeckter Parenthesen – »selbst aus der distanzierten Rückschau« und »in Kenntnis des Folgenden« – findet zudem eine maximierende Erhöhung statt, die durch die Temporalbestimmung »noch heute« gegenwärtigen Bestand erhalten soll. Im Gegensatz zu anderen Aussagen über die Politik der Nationalsozialisten, wie im folgenden noch beobachtet wird, möchte Jenninger für eine eindeutig positiv konnotierte Leistung Zustimmung statt Ablehnung evozieren.209 Dies muß mißlingen und steht in klarem Widerspruch zu einer Aussage, die Jenninger zu Beginn der peroratio vornimmt: »Heute, meine Damen und Herren, stellen sich für uns alle Fragen im vollen Wissen um Auschwitz« (Zeile 468 – 469, s. Anhang). Selbstverständlich muß diese Feststellung auch für die »Erfolge Hitlers« gelten. Im inhaltlichen inneren aptum der Rede ist diese Formulierung also unpassend; eine Entschärfung hätte durch Streichung des temporalen Passus und mittels einer negativ-oxymoralen Attributierung problemlos geschehen können. Natürlich bleibt die Intention Jenningers erhalten; schließlich skizziert er in dieser Passage, daß durch die politischen Erfolge die Zustimmung für Hitler unter den Deutschen weiter wuchs und die Bereitschaft, auch den (nationalsozialistischen) Antisemitismus zumindest hinzunehmen, damit einherging. Im Kontext der Rede, auch durch die diese Passage unmittelbar umgebenden Abschnitte, kann kein anderer Eindruck entstehen, selbst wenn die Formulierung durchaus unglücklich zu nennen ist. Erst aus dem Kontext entfernt verzerrt sie das telos der Rede; während sie im Plenarsaal allenfalls für vorübergehenden Unmut sorgen kann, wird sie in einer syntaktisch verfälschenden journalistischen Berichterstattung aber tatsächlich zu einer Schein-Prämisse der Negativbewertung. Ein ganz besonders auffälliges und häufig kritisiertes Stilmittel Jenningers stellen wörtliche Zitate dar, die er vor allem in der narratio einfließen läßt. Seine Kritiker warfen ihm vor, Jenninger habe nicht deutlich genug gemacht, daß es sich um Zitate gehandelt und er sich nicht genügend von deren Aussagen distanziert habe (cf. 3.2.1.1). Die auffällige Zitierung findet sich auch in der Passage, in der Jenninger die öffentliche Meinung über Juden in Deutschland be209 Jenninger nimmt durch die Formulierung »[…] ein Faszinosum insofern, als es in der Geschichte kaum eine Parallele zu dem politischen Triumphzug Hitlers während jener ersten Jahre gibt« (Zeile 159 – 160, s. Anhang) eine Einschränkung der Aussage vor, die damit vergleichbar mit der Einordnung Sebastian Haffners ist (cf. Haffner 1978: 62 f.). Die Erfolge mögen in ihrer Form zwar tatsächlich »in der Geschichte nichts Vergleichbares« (ibid.: 63) bieten, stehen aber dennoch, gerade in Jenningers Rede und damit in deren innerem aptum, auch immer in Zusammenhang mit dem »vollen Wissen um Auschwitz«, wie Jenninger im folgenden (Zeile 469, s. Anhang) noch erklärt. Pöttker merkt dagegen an: »Gerade das Wort vom ›Faszinosum‹ des Nationalsozialismus […] macht Jenningers Rede wichtig. […] Wer heute diese Faszination leugnet, arbeitet […] weiter mit an der Verdrängung des Anteils der normalen Deutschen am NS-Regime. Jenninger hat ihr entgegengewirkt […]« (Pöttker 2005: 17).

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schreibt (Zeile 2010 – 219, s. Anhang); sie läßt sich hieran exemplarisch erörtern. Grundsätzlich lassen sich die Zitate in die drei Stilkategorien historische Begrifflichkeit, erlebte Rede und rhetorische Frage einordnen; die beiden letzteren finden sich in der genannten Passage und werden miteinander kombiniert: Und was die Juden anging: Hatten sie sich nicht in der Vergangenheit doch eine Rolle angemaßt – so hieß es damals –, die ihnen nicht zukam? Mußten sie nicht endlich einmal Einschränkungen in Kauf nehmen? Hatten sie es nicht vielleicht sogar verdient, in ihre Schranken gewiesen zu werden? Und vor allem: Entsprach die Propaganda – abgesehen von wilden, nicht ernstzunehmenden Übertreibungen – nicht doch in wesentlichen Punkten eigenen Mutmaßungen und Überzeugungen? (Zeile 210 – 215, s. Anhang).

Die erlebte Rede ist eine Sonderform des Zitierens; grammatikalisch »hat sie eine Zwischenstellung zwischen direkter und indirekter Personenrede« (Vogt 1998: 165). Die klare (passive) Form der Erzählung und des Zuhörens wird durch diese Form der Rede durchbrochen, Äußerungen des Erzählers und Äußerungen des Erzählten sind nicht mehr ad hoc voneinander zu trennen, da es keine Zitierungsfloskeln (direkte Rede) oder eine Änderung des Modus (indirekte Rede) gibt; dies kann zu einem »Verwischen der Demarkationslinie zwischen den Ansichten des Erzählers und den Ansichten der Romanfigur« führen (Suzuki 1991: 8). Dafür wird es aber möglich, die Rede bzw. Gedanken einer erzählten Figur unmittelbarer zu erleben: Dies eigentümliche Fluktuieren erlebter Rede zwischen verschiedenen grammatischen Formen und Ausdrucksqualitäten macht sie besonders geeignet, subjektive, flüchtige, in sich widersprüchliche, affektiv betonte Zustände, Phasen und Reflexe der Psyche einzufangen und dem Leser zu vermitteln (Vogt 1998: 166).

Da Jenninger darauf zielt, die Gedankengänge vieler Deutscher in der Zeit des Nationalsozialismus darzulegen, eignet sich die erlebte Rede in der Tat hervorragend, um jene Gedanken unmittelbar zu präsentieren. Eine fehlende Distanzierung Jenningers ist nicht erkennbar, denn erstens schiebt er die Parenthese »so hieß es damals« ein, und zweitens ist sie aus dem Kontext der Rede zweifelsfrei zu erkennen: »Natürlich teilt der Redner solche Meinungen nicht. […] [Es] bedarf des Kontexts und der Bereitschaft, Jenninger in ein gewagtes Rollenspiel zum Zwecke der Bewußtseinserforschung der Mitläufer zu folgen« (Geyer 05. 12. 1988: 29). Den Zuhörern muß der Kontext bekannt sein; anders verhält es sich nur, wenn die Passage aus dem Zusammenhang heraus zitiert wird (cf. 3.2.1.1), oder wenn der Rezipient fahrlässig oder absichtlich das Zuhören verweigert. An dieser Stelle läßt sich aber noch eine weitere Möglichkeit formulieren, die bisher nicht beachtet wurde, und sie betrifft weniger die Distanz des Erzählers, sondern vielmehr die der Zuhörer : Durch die fehlende Zitatdistanzierung (mittels direkter oder indirekter Rede) wird der Zuhörer in den

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erzählten obszönen Gedankengang hineinversetzt, ohne dabei die Möglichkeit zu haben, sich als unbeteiligter Zuhörer distanzieren zu können. Der Rezipient wird also aktiver Teilnehmer an dem Gedankengang, und gerade bei den zitierten Formulierungen muß dieser Vorgang äußerst unangenehm und peinlich ausfallen. Hierüber muß sich der Rezipient durch Zuhören und Akzeptanz des Kontexts im klaren sein, erst dann kann er gegen die postulierten Thesen innerlich protestieren. Jenninger verweigert hiermit den (deutschen) Zuhörern, die Rede aus der Perspektive der Opfer oder zumindest Unbeteiligten zu hören (im Gegensatz zur Rede Weizsäckers, v.s.). Natürlich sind die Zitate höchst unangenehm, aber dies liegt in der Natur ihrer Sache. Der Zuhörer muß sich unweigerlich mit ihnen auseinandersetzen, und es mag für manchen bequemer sein, Obszönitäten nicht hören zu wollen. An einer weiteren Stelle der Rede kann dies für eine andere Art der Zitation noch genauer belegt werden; dies wird im folgenden noch zu beobachten sein. Die hier durch Jenninger genutzte Form der erlebten Rede wird indes noch durch die Art der Formulierung spezifiziert, denn Jenninger nutzt zusätzlich die Form der rhetorischen Frage, die außerdem mit der grammatikalischen Besonderheit der Bestätigungsfragen kombiniert erscheint. Dies läßt sich exemplarisch an der Frage »Mußten sie nicht endlich einmal Einschränkungen in Kauf nehmen?« (Zeile 211 – 212, s. Anhang) beobachten. Heringer stellt zwar korrekt fest, daß es sich nicht um eine rhetorische Frage, sondern um erlebte Rede handelt (Heringer 1990: 171); die erlebte Rede erscheint aber in der Gestalt einer rhetorischen Frage, also einer rhetorischen Figur in Frageform, auf die »der Redner keine Antwort erwartet […]« (Glück 2000: 583). Differenzierter formuliert, soll das Publikum während einer Rede dem Redner natürlich nicht direkt auf eine rhetorische Frage antworten; eine geistige Reaktion, die einen »scheinbaren Dialog« erzeugt, ist aber durchaus beabsichtigt und ermöglicht dem Redner nun in der Tat eine Redesituation, die von der des einseitigen Frontalmonologs abweicht und den Zuhörer aktiv in die Rede einbindet. Die grammatikalische Besonderheit der bei Jenninger zu beobachtenden rhetorischen Fragen besteht durch die Partikel und Adverbien (doch bzw. im genannten Beispiel: nicht), durch die eine Antwort impliziert ist. Die lateinische Grammatik definiert Entscheidung evozierende Fragen durch Fragepartikel (cf. Rubenbauer et al. 1995: 254 f., Hofmann / Szantyr 1965: 244 ff.); im Deutschen äquivalent sind hierzu Partikel und Adverbien wie die oben genannten.210 Das Publikum ist im Falle der rhetorischen Frage gehalten, »im Stillen« zu antworten, wird aber durch die Form der Fragestellung zu einer bestimmten Antwort gedrängt und damit beeinflußt. Im Falle der bei Jenninger genannten Fragen, die sich aus dem Fundus der Täter und Mitläufer rekrutieren, wird durch die ein210 Cf. Engel 1996: 53 und Duden-Grammatik, Duden (Hg.) 1998: 612 f.

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gesetzten Partikel und Adverbien eine Zustimmung erwartet, die, ohne daß sich der Rezipient als Zuhörer distanzieren kann, in Form der erlebten Rede direkt in ihm evoziert wird. Es entsteht also eine rhetorische Situation mit enthymemischem Charakter (cf. 2.1.2.3.1); die Zuhörer müssen die rhetorische Frage als »erlebtes Zitat« erkennen und nicht Jenninger (dessen Intention durch den Kontext gegeben ist), sondern der Meinung von Nationalsozialisten und Mitläufern widersprechen: Jenninger überläßt »die conclusio durch rhetorische Fragen seinen Rezipienten« (Linn 1991: 66). Es ergibt sich also eine anspruchsvolle Kommunikationssituation; Linn vermutet: »Die [Rezipienten] sind damit überfordert« (ibid.). Dies könnte als Meinung so zunächst einmal akzeptiert werden. Es bedeutete, daß Jenningers Rede das äußere aptum nicht erfüllt, weil sie die Fähigkeiten des Auditoriums überschätzt – eine dialogischenthymemische Situation stellt für Linn also eine zu anspruchsvolle Variante der Rede dar ; eine monologische, nur präsentierende Rede wäre die logische Alternative. In der Tat paßt diese Variante auf den ersten Blick besser zur bundesrepublikanischen Gedenkrede, denn jene »epideiktische Beredesamkeit, die sich delikater Themen annimmt, spekuliert auf das schweigsame Einverständnis der Zuhörer« (Eigenwald 1999: 43; v.s.). Allerdings wäre zu fragen, ob Jenninger sein Publikum wirklich überschätzt, oder ob solch eine Schlußfolgerung das Auditorium nicht eher unterschätzt bzw. dazu tendiert, die anwesenden Politiker für etwas zu einfältig zu halten. Vielmehr sollte man doch unterstellen, daß das Publikum intellektuell in der Lage ist, Kontexte und Sprachfiguren der Rede korrekt zu verstehen.211 Zudem wäre für die These Voraussetzung, daß Jenninger von seinem Publikum tatsächlich mißverstanden worden wäre – dies läßt sich aber, für die anwesenden Zuhörer im Plenarsaal, überhaupt nicht feststellen: »Tatsächlich hat aber niemand J[enninger] mißverstanden […] Alle argumentieren nur aus Fürsorge, daß vielleicht andere […] die Rede hätten mißverstehen können« (Heringer 1990: 175). Auch außerhalb des Plenums, wie durch Leserbriefe und Briefe an Jenninger ersichtlich (cf. 3.2.1.1), wurde die Rede (von der großen Mehrheit der Schreibenden) nicht mißverstanden; erst die journalistische »Bearbeitung« produzierte Mißverständnisse und reflektierte deren Möglichkeit. Es darf allerdings nicht außer acht gelassen werden, daß die Kombination aus rhetorischer Frage, Entscheidungsfrage und erlebter Rede, die eine Empathie mit Tätern und Mitläufern impliziert, in der Tat ein schwieriges, unerfreuliches pathos evoziert. Jenninger präsentiert damit die Rechtfertigungen von Untaten 211 Jenninger selbst kommentierte: »Es gab schon Sätze, bei denen ich hätte sagen können, daß ich sie in Anführungszeichen spreche. Ich habe mir allerdings gesagt: ›Das sind ja alles Politiker, die sind ja alle relativ intelligent, die werden schon verstehen, wie es gemeint ist‹« (Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang; König 2008b: 185).

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bzw. verweigerter Hilfe aus der größtmöglichen sprachlichen Nähe; bei den Überlebenden und Verfolgten kann dies zu schlimmen Assoziationen mit ihren eigenen Erlebnissen führen und eine kritische Rezeption provozieren – auch und insbesondere bei denjenigen, die sich durch das Gesagte in die möglichen Assoziationen der Opfer im Auditorium einfühlen. Eine weitere Auffälligkeit der Rede findet sich in einzelnen Begriffen und Redewendungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, die Jenninger als direktes Zitat in seinen Text einbindet. So finden sich in der Rede Begrifflichkeiten wie »Rassenschande« (Zeile 102, s. Anhang), »Arisierung« (Zeile 109); »jüdische Verwesung«, »Ungeziefer«, »Ausmerzung«, »Vernichtung« (Zeile 285 – 286) sowie »jüdische Untermenschen« (Zeile 308) und »Endlösung« (Zeile 343). Jenninger benutzt diese Begriffe offensichtlich bewußt; die Alternative wäre gewesen, die durch die Begriffe dargestellten Inhalte zu be- und umschreiben. Die gewählten Begriffe ermöglichen, bedingt durch die Zitatform, die unmittelbare Darstellung der Realität; insbesondere jene der öffentlichen Meinung zur Zeit des Nationalsozialismus sind aber gerade deshalb – ähnlich wie die Beispiele der erlebten Rede – unangenehm und peinlich, weil es sich um rassistische, bösartige, diffamierende oder verharmlosende Begriffe handelt. Hoffmann und Schwitalla kommentieren: »Diese und andere Stellen hören sich tatsächlich an wie eine peinliche Rechtfertigungsrede der Judenverfolgung […]« (Hoffmann / Schwitalla 1989: 7). Hoffmanns und Schwitallas Schlußfolgerung erscheint nicht nachvollziehbar. Heringer merkt provokant an: »Aber wo sind die Dummköpfe, die glauben könnten, J[enninger] rede in einer Gedenkrede im Deutschen Bundestag im Nazijargon?« (Heringer 1990: 175). Die Feststellung, die Hoffmann und Schwitalla bezüglich der genannten Zitate vornehmen, würde bedeuten, daß Jenninger Nationalsozialismus und Judenverfolgung rechtfertigt, indem er diskriminierendes und verharmlosendes Vokabular der Nationalsozialisten in seiner und für seine Argumentation benutzt; eine solche Kritik läßt sich anhand der folgenden Kommentierung innerhalb der Rede leicht entkräften (und deren Gültigkeit damit widerlegen), sie erscheint aber auch ohne weitere Betrachtung des Redetextes und nur durch das Setting – Gedenkrede durch den Bundestagspräsidenten in der demokratischen Bundesrepublik – völlig fehl geraten. Wie bereits erwähnt, bleiben viele dieser Begriffe darüber hinaus nicht ohne direkte Kommentierung stehen; Jenninger attributisiert (»das unsägliche Delikt der ›Rassenschande‹«, Zeile 102, s. Anhang; »Vereinfachung und Brutalisierung«, Zeile 293), er stellt negativ dar (»besonders verhängnisvoll«, Zeile 285), ironisiert und entlarvt (»wissenschaftliches Mäntelchen«, Zeile 283), und er demaskiert: »Noch als anderswo am Bau der Atombombe gearbeitet wurde, verkündeten Himmler und andere diese an Idiotie grenzenden Vorstellungen mit der ermüdenden Eintönigkeit von Geisteskranken« (Zeile 316 – 319). Der Vorwurf, Jenninger habe sich von den Begrifflichkeiten der Nationalsozialisten

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nicht genügend distanziert, erweist sich sowohl aus dem Kontext des Inhalts als auch aus den die Zitate direkt umgebenden Erläuterungen als haltlos. Erklärungen, die eine fehlende Distanzierung bemängeln und diese für eine Mißwirkung der Rede verantwortlich machen, müssen dabei ohnehin fehlschlagen, denn nicht erst eine fehlende Distanzierung macht die Begriffe zu nationalsozialistischem Vokabular, die Begriffe sind dies per se: Es bleiben unangenehme, peinliche, politisch auf keinen Fall korrekte Beschreibungen und Begrifflichkeiten; eine Distanzierung des Redners ändert daran nichts. Eine vorschnelle Lösung wäre also, daß die Begriffe aus der Rede gestrichen und durch Umschreibungen ersetzt worden wären, doch dies Mittel scheint vermessen: Nicht nur, daß hiermit »Tabus« entstünden (cf. Heringer 1990: 168); die Sprache der Täter und Mitläufer ist, ebenso wie deren Taten, erschreckend, grauenhaft, peinlich, und so wie die Beschreibung der Taten nicht nur ertragen, sondern als reale historische Handlungen begriffen werden muß, gilt dies auch für die historische Entstellung der Sprache. Einerseits gehört dies natürlich zum Verstehensauftrag der Rezipienten, andererseits wird an diesem Aspekt der Rede Jenningers allerdings auch deutlich, daß ein Hinweis auf eben diese Feststellung dazu hätte beitragen können, ein negatives pathos eher zu vermeiden und für eine höhere Akzeptanz der Intention zu werben. Die Rolle der Medien bezüglich der Repräsentation dieser Redeaspekte bleibt hierbei dennoch fragwürdig, da sie Meinungsäußerungen unreflektiert übernommen hat und gewiß mit voreiligen Einschätzungen verstärkt; noch deutlicher wird dies anhand der beiden längeren, direkten Zitatpassagen, die Jenninger im 4. Teil der narratio vornimmt. Es handelt sich dabei zunächst um einen Augenzeugenbericht (Zeile 372 – 407, s. Anhang), in dem eine Massenerschießung durch die SS geschildert wird. Diese Beschreibung ist äußerst drastisch; die erzählerische Gegenüberstellung gefühlloser SS-Leute und mitfühlender, bis zum Tod sich um einander sorgender Menschen jeder Alterklasse ist hochpathetisch, erschreckend, grausam und traurig. Dieser Schilderung schließt Jenninger eine Ansprache Heinrich Himmlers vor SS-Gruppenführern an, in der dieser seine Männer lobt, weil sie trotz ihrer Taten und der erlebten Grausamkeiten charakterlich noch immer ehrenwert und schadlos geblieben seien. Dies zweite Zitat erscheint, insbesondere durch die Voranstellung des Augenzeugenberichts, zynisch und bestialisch. In Jenningers Rede ergeben diese Zitate zwei Effekte: Zum einen müssen sie die pathetische Wirkung von Jenningers Thesen maximieren, zum anderen nutzt Jenninger sie, um Erklärbares, Darstellbares, Nachvollziehbares von solchen Ereignissen, die nicht erklärt und begreifbar gemacht werden können, zu trennen und schließt die beiden Zitate daher folgerichtig und behutsam: »Wir sind ohnmächtig angesichts dieser Sätze, wie wir ohnmächtig sind angesichts des millionenfachen Untergangs. […] So

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bleibt ein Rest, an dem alle Versuche scheitern, zu erklären und zu begreifen« (Zeile 430 – 434, s. Anhang). Der Spiegel resümierte eine Woche nach der Rede: Der Bundestagspräsident mutete den jüdischen Gästen der Trauerstunde lange Schilderungen eines Augenzeugen einer Massenerschießung zu, er ersparte ihnen nicht den Auszug aus der Rede des Reichsführers der SS, Heinrich Himmler […] (Der Spiegel 46 / 1988: 24).

Die Kommentierung des Spiegels erscheint absurd. Natürlich müssen die Schilderungen auch Ekel und Scham hervorrufen, eine ästhetische Wirkung kann von den unmenschlichen Verbrechen der Nationalsozialisten kaum ausgehen; ein Verschweigen der Tatsachen käme zumindest einer Verdrängung gleich. Gerade dies wäre aber ein Verstoß gegen den Sinn einer Gedenkstunde. Zudem muß gemutmaßt werden, daß die Texte den jüdischen Gästen keineswegs neu sind; Jenninger spricht es gleich im Eingang seiner Rede an: »Die Opfer – die Juden überall auf der Welt – wissen nur zu genau, was der November 1938 für ihren künftigen Leidensweg zu bedeuten hatte« (Zeile 36 – 37, s. Anhang). Jenningers Rede und insbesondere die langen Zitate richten sich nicht an die jüdischen Gäste, sie richten sich an die deutschen Abgeordneten im Plenum: »Wissen wir es auch?« (Zeile 37 – 38). In der Tat gab es von der Seite der jüdischen Gäste innerhalb des Plenarsaals, aber auch von jüdischen Kommentaren außerhalb davon keinen Widerspruch oder eine Ablehnung der Zitate; im Gegenteil: […] ich bitte, mich nicht zu bedrängen, mich als Jude gekränkt zu fühlen, das habe ich nicht. […] Was mich stört […], ist, daß man […] mich bevormunden will, daß man mir vorschreiben will: ›Du hast dich als Jude von Jenninger gekränkt zu fühlen.‹ […] Was mich an seiner Rede erschüttert hat, das war ein Bericht, der in dieser Art und dieser Form nie im Deutschen Bundestag […] vorgetragen wurde, und das war die Ermordung einer jüdischen Familie […], eine sehr lange Passage, und das hätte gesagt werden müssen, und er [Jenninger] hat es gesagt (Shlomo Shangar in Presseclub, WDR 13. 11. 1988: 00:10 und 00:30).

Es scheint vielmehr so, daß die eigene Schamhaftigkeit über das Gehörte die Ablehnung der Passagen bewirkte; eine Schlußfolgerung, durch die die genannte Kritik nicht mehr zu rechtfertigen ist. Eine weitere nennenswerte Auffälligkeit läßt sich an Rede und direkter Reaktion des Auditoriums in der peroratio beobachten, eine Divergenz zwischen erwartetem Inhalt und tatsächlichem Vortrag, etwa ab der 36. Redeminute (ARD 1988: 00:35), im Text Zeile 445 – 466 (s. Anhang). Jenninger beschreibt an dieser Stelle nicht nur den Prozeß zu einer neuen Perspektive auf die Geschehnisse im Nachkriegs-Deutschland – eine Perspektive, in der sich die Deutschen laut Jenninger ebenfalls als Opfer betrachteten –, sondern er beschreibt – und kritisiert – hiermit den Prozeß der Verdrängung, durch den auch das deutsche

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Wirtschaftwunder möglich wurde. Paraphrasiert bedeutet diese Passage: Lobt man das deutsche Wirtschaftswunder, so darf man dabei nicht vergessen, daß es erst durch die Verdrängung des Geschehenen möglich wurde. Bereits an dieser Stelle kommt es im Plenarsaal zu geräuschvollen Unmutsbekundungen, deren Wortlaute in der Fernsehübertragung nicht klar verständlich sind. Abgeordnete verlassen den Plenarsaal. Suzuki beschreibt die Situation im Bundestag als »unruhig« und »zeitweise beinahe lärmend« (Suzuki 2000: 94); da die Zwischenrufe in der linken Seite des Plenarsaals zu verorten sind,212 kann angenommen werden, daß sie aus den Reihen der SPD- und Grünen-Fraktion stammen. Diese Szenerie läßt sich nur durch eine zu unterstellende Erwartungshaltung der Zwischenrufer interpretieren und erklären, denn eigentlich kritisiert Jenninger eine unkritische Betrachtung des Wirtschaftswunders; gewiß ist dies keine stark konservative Einstellung und entspricht daher mutmaßlich eher einer Meinung, wie sie die Zwischenrufer vertreten mögen. Als Jenninger seine Passage beginnt, so ist anzunehmen, sind einige Abgeordnete der SPD und der Grünen im festen Glauben, daß er die Verdrängung während der Nachkriegsjahre verteidigt oder herunterspielt. Es folgen nun also Zwischenrufe, durch die bei anderen Abgeordneten der Eindruck entstehen kann, Jenninger rechtfertige tatsächlich die Verdrängung. Ein Zuhören wird durch die »beinahe lärmende« Geräuschkulisse erschwert, Jenninger ist hörbar irritiert und verspricht sich mehrfach (v.s.); eine Falsifizierung des erweckten Eindrucks ist somit erschwert. Selbstverständlich muß bei dieser Schlußfolgerung erwähnt werden, daß sich die Zwischenrufe nach 35 Minuten Rede ereignen; die lärmenden Abgeordneten hätten also inzwischen eigentlich genug Zeit gehabt, den Kontext und Jenningers Intention zu begreifen. Jenninger schränkt seine Kritik im zweiten Absatz dieser Passage ein und stellt fest, daß eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus kurz nach dem Krieg kaum möglich gewesen sei (Zeile 460 – 466, s. Anhang). Auch hier erhält er Widerspruch; die Einschränkung scheint die Erwartung einiger Abgeordneter nochmals zu bestätigen.213 Tatsächlich bildet dieser Absatz aber nur 212 Aus der Perspektive des Rednerpults. 213 Dieser Protestreflex läßt sich auch damit erklären, daß eine öffentliche Diskussion über das Elend und die Leiden der deutschen Bevölkerung während und nach NS-Herrschaft und Zweitem Weltkrieg in jener Zeit nicht (mehr) bzw. noch nicht (wieder) geführt wurde. Diskussionen, Dokumentationen und öffentliche Erörterungen über alliierte Flächenbombardements, Zerstörung, Hunger, Vergewaltigungen und Vertreibung gehörten nicht zum öffentlichen und »politisch korrekten« Diskurs. In den 1990er Jahren gesteht der Redakteur einer norddeutschen Lokalzeitung, Angehöriger einer Generation mit »35Stunden-Wochen, einziges Gesundheitsproblem: Bewegungsmangel« (König in AZ 28. / 29. 02. 1998), Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür die Darstellung des Leids heimkehrender Soldaten nicht mehr zu; das Stück sei ein in »Selbstmitleid erstickendes Klagelied« (Stark in AZ 19. 02. 1998: 7). Erst seit Beginn des neuen Jahrtausends scheinen sich

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die Überleitung zur nächsten Passage der Rede, in der Jenninger Taten und Mitläuferschaft in der Zeit des Nationalsozialismus in die Verantwortung der gesamten deutschen Bevölkerung stellt, denn die Nationalsozialisten hätten zwar »große Anstrengungen« unternommen, »die Wirklichkeit des Massenmordes geheimzuhalten« (Zeile 477 – 478), aber Deportationen, die »Nürnberger Gesetze«, Einsatztruppen der Wehrmacht (!), millionenfache Verbrechen – all dies sei bekannt gewesen. Jenninger bricht an dieser Stelle noch einmal eindeutig mit den Ansichten zu Schuld und Verantwortung des besonders konservativen Teils seiner Fraktion; er verurteilt die Deutschen zwar nicht in ihrer Gänze als »Tätervolk«, die Verantwortung überträgt er ihnen aber sehr wohl. Dies führt zu einer weiteren rhetorischen Besonderheit von Jenningers Rede: Die in 2.1.5 genannte (positive) Identifikationsstiftung kann mit seiner Rede kaum evoziert werden, denn die Perspektive auf die Täter, die Benennung von Grausamkeiten und Schuld, die er ohne Pause ausführt, lassen keine positive Identifikation zu.214 Gerade dies ist eine Erkenntnis, die Jenningers Rede von der Weizsäckers und anderen unterscheidet und die das Empfinden der Zuhörer, die an eine andere perspektivische Darstellung gewöhnt sind, stören muß. Henryk M. Broder kommentierte lakonisch: »Die Nazis waren Aliens, die Deutschland zwölf Jahre lang besetzt hielten, bestenfalls eine hässliche Verwandtschaft, unter deren schlechten Manieren man selber immer noch leiden muss« (Broder in Der Spiegel Online 10. 10. 2007).215 Jenninger läßt diese Sicht nicht zu, und auch ein Abwägen der Schuld weist er klar zurück: »Wer Schuld aufrechnen will, […] der macht schon den Versuch, zu verteidigen, wo es nichts zu verteidigen gibt«216 (Zeile 498 – 501, s. Anhang). Der einzige Ausweg, den Jenninger seinen Zuhörern erlaubt, ist die Akzeptanz und Auseinandersetzung mit der Geschichte: »[…] die Erinnerung wachzuhalten und die Vergangenheit als Teil unserer Identität als Deutsche anzunehmen – dies allein verheißt uns Älteren wie den Jüngeren Befreiung von der Last der Geschichte« (Zeile 535 – 537). Wie eine »geschenkte« Katharsis nach all dem Grauen, über das er gesprochen hat, klingt diese Feststellung zweifelsfrei nicht. Jenninger will von der Vergangenheit zu aktuellen Akzeptanz und Stimmung im Diskurs zu ändern; Dokumentationen in Fernsehen und Printmedien tragen sicherlich dazu bei. Daß eine Diskussion über die Realisation eines »Zentrums für die Vertriebenen« überhaupt öffentlich geführt wird, belegt diese Veränderung; die Heftigkeit, mit der sie gelegentlich geführt wird, beweist allerdings, daß noch keine »Normalisierung« des Verhältnisses zu diesem Teil der deutschen Geschichte eingetreten ist. 214 Allenfalls, für den unaufmerksamen Zuhörer, eine »negative Identifikation«, wie am Beispiel der erlebten Rede erläutert wurde. 215 In einem Kommentar zum Diskurs über Eva Herman, cf. 3.2. 216 Daß nach diesen Zeilen immer noch behauptet wurde, Jenningers Erklärungen hätten wie Rechtfertigungen klingen können, erscheint in der Tat nicht mehr nachvollziehbar.

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gesellschaftlichen und politischen Problemen überleiten, er stellt den gewissenhaften Umgang mit der Vergangenheit in die Verantwortung von Bevölkerung und Politik der Gegenwart, und er mahnt die Lösung aktueller Probleme durch Großtechnik, Massengesellschaft, Massenkonsum und Umweltverschmutzung an. Mit diesen Appellen, die mit der Aufforderung enden, nie wieder eine Menschenverachtung wie unter dem Nationalsozialismus zuzulassen, endet die Rede und verläßt damit in der Tat endgültig die Form von epideixis und Gedenkrede, indem er die historischen Ereignisse für eine Politisierung nutzt – gleichwohl wurde dieser Abschnitt nie kritisiert; er wurde in den Kommentaren und journalistischen Berichterstattungen nicht einmal zitiert. Jenningers Rede ist ein langer und komplexer Vortrag, der ein aufmerksames Zuhören und Mitdenken verlangt (und aus Angemessenheit dem Anlaß gegenüber auch verdient hat); »Zuhörer, die zwischendurch aussteigen und dann wieder hineinhören […]«, müssen »wissen, daß jetzt die Verantwortung bei ihnen liegt« (Heringer 1990: 174 f.). In der Tat drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, ob Jenninger durch seine Performanz, durch Prosodie und Körpersprache, das Zuhören erschwert oder die Kritik an seiner Rede geradezu provoziert hat, denn durch den Text allein, so kann inzwischen festgestellt werden, lassen sich die Mißdeutungen nicht erklären. Oft wird zitiert (cf. 3.2.1.1), Jenningers Mimik, Gestik und vor allem seine Prosodie seien nicht angemessen, seine Artikulation sei ohne Mitleid, und insbesondere auch wegen seiner Betonung seien Zitate nicht klar zu erkennen gewesen: »In der gesprochenen Rede aber klang es so, als habe sich der Bundestagspräsident die Sprache der Nazi-Verbrecher zu eigen gemacht« (Bergdoll in SZ 11. 11. 1988: 1). Jenninger habe darüber hinaus »gänzlich unbeteiligt und ohne jede Wärme« gewirkt (Dönhoff 1988 in Die Zeit 18. 11. 1988: 3), seine Rede sei »im Tonfall der parlamentarischen Routine« gehalten (Herles in FAZ 11. 11. 1988: 3)217. An der Fernsehübertragung läßt sich zunächst beobachten, daß Jenninger die Rede nicht frei vorträgt, sondern von einem Manuskript vorliest; angesichts der Länge von 45 Minuten und dem komplexen Inhalt erscheint dies nicht weiter verwunderlich. Ebenso wie sein Äußeres unterscheidet sich natürlich auch seine Stimme – Timbre, Dialekt, Aussprache, Satzmelodie, Betonung, Stimmvolumen – von der Ida Ehres, nicht nur mit Blick auf Alter und Geschlecht, sondern eben auch in bezug darauf, daß Ehre eine professionelle (Theater-)Schauspielerin ist. Deren (schau-)spielerische Beherrschung der Stimme hat Jenninger nicht, er ist geübt in der »Sprachästhetik« des Bundestages, geprägt durch die mundartliche Sprachfärbung seiner Heimat, die deutlich in der Rede wiederzuerkennen ist. Jenninger war bereits vor der Gedenkstunde nicht als »großer Redner« bekannt, 217 Bezüglich Jenningers Kommentierung der Ansprache Himmlers, v.s.

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eine andere Erwartung seiner prosodischen Leistung können seine Kollegen nicht gehabt haben.218 Es ist an dieser Stelle sinnvoll, noch einmal den Grund der Veranstaltung und das Setting zu benennen, in dem die Rede gehalten wird: Gedenkstunde aus Anlaß des 50. Jahrestages der Pogromnacht, abgehalten im Bundestag durch dessen Mitglieder (und deren Gäste); die Rede wird gehalten vom Bundestagspräsidenten. Es wäre also eine getragene, eher feierliche aber sachliche Artikulation zu erwünschen; da die Artikulation Philipp Jenningers als bekannt vorausgesetzt werden kann, ist auch eine dialektale Sprachfärbung zu erwarten. Diese entworfene Vermutung entspricht relativ exakt der performativen Leistung, mit der Jenninger seinen Vortrag hält. Seine Rede artikuliert er sachlich, die Geschwindigkeit des Vortrags ist eher langsam, direkte Zitate werden nur durch eine leichte Pause oder Stimmvariation von dem restlichen Text getrennt (cf. e. g. Zitat in Zeile 218 f., s. Anhang); nur selten ändert Jenninger seine Tonlage so, daß eine imitatorische Stimmvariation entsteht (Beispiel hierfür Zeile 416 – 418). Es ist fraglich, ob eine andere prosodische Leistung wirklich zu erwarten war, und zwar unabhängig von der bekannten Artikulation Jenningers. Linn kritisiert: »Sie [die Stimme] paßt sich auch pathetischen Stellen […] nicht dem Inhalt an, sondern ist weit davon entfernt auf einer sachlichen Ebene« (Linn 1991: 20). Die Alternative wäre gewesen, daß Jenninger also einen pathetischen Tonfall einschlägt. Das kann nicht die richtige Wahl sein, wenn bedacht wird, daß Jenninger Politiker und Bundestagspräsident ist; es entspräche nicht dem aptum von Redner und Artikulation. Heringer merkt hierzu zwei wichtige Fragen an; zum einen hinsichtlich einer wirklich pathetische Textstelle – den Augenzeugenbericht der Massenerschießung: »Genügt da der Text nicht?« (Heringer 1990: 168). Eine stimmliche, nicht zu Jenninger passende Stimmvariation bzw. -imitation wäre eine groteske Vorstellung, gerade an dieser Stelle. Heringers zweite Frage bezieht sich auf die prosodische Leistung im allgemeinen: »Kann man von einem Politiker erwarten, daß er wie ein Schauspieler vortragen kann?« (ibid.: 166 f.). Diese Frage sollte noch konkreter gestellt werden: Soll Jenninger die Rede etwa schauspielerisch vortragen? Das wäre weder dem inneren noch dem äußeren aptum der Rede angemessen, sondern müßte 218 Heringer kommentiert: »Sollten denn diejenigen, die das kritisierten, bis dato nicht gemerkt haben, daß J[enninger] kein Redner war, daß er mit seiner knödeligen [sic!] Artikulation allein schon nicht für das Amt geeignet war […]?« (Heringer 1990: 168). Ob Jenninger wegen »knödeliger Artikulation« nicht für das Amt des Bundestagspräsidenten geeignet war, muß an anderer Stelle entschieden werden (die Feststellung scheint allerdings ein wenig über das Ziel hinauszuschießen); Heringers Beobachtung ist aber insofern richtig, als daß die Abgeordneten Jenninger mit großer Mehrheit trotz seiner prosodischen Eigenheiten zu »ihrem« Bundestagspräsidenten gewählt haben.

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lächerlich oder zumindest unpassend wirken. Vergleicht man die Artikulation Jenningers in dessen Vortrag darüber hinaus mit Weizsäckers rhetorischer »Glanzleistung von epochalem Rang« (Eigenwald 1999: 46), so muß konstatiert werden, daß auch Weizsäckers Artikulation sachlich und ruhig ist (cf. Siever 2001: 370); Jenninger fehlt allenfalls der »Predigtton« Weizsäckers (cf. Nettelstroth 1995: 68) und dessen »Nobeldeutsch von einzigartiger präsidialer Transparenz und allgemeiner Akzeptanz« (Eigenwald 1999: 47). Die klare hochdeutsche Artikulation eines Helmut Schmidt oder eben Richard von Weizsäcker hat Jenninger nicht, und natürlich wirkt seine Aussprache daher nicht so gestochen und präzise. Gleichwohl sollte man sorgfältig unterscheiden zwischen einer schauspielerischen Performanz und einer empathischen Prosodie. Erstere wäre in der Tat unangemessen gewesen, letztere aber weder übertreibend noch unauthentisch. Hier läßt sich eine Nachlässigkeit Jenningers beobachten; dies rednerische Einfühlungsvermögen wäre ihm möglich gewesen, ohne sich dafür verstellen zu müssen. Daraus aber den Grund für die Mißwirkung zu folgern, wäre stark überzogen. Linn schlägt zusätzlich vor, Jenningers schwäbischer Dialekt trage dazu bei, daß ein »naiv-schuljungenhafter« Eindruck entstehe und die schwäbische Aussprache von NS-Vokabular »vielen widerlichen Begriffen die Wirkung« nehme und sie »verniedlicht« (Linn 1991: 22). Dies ist absurd. Schwäbischer Dialekt ist im Bundestag kein Novum, jeder Abgeordnete kennt ihn, Erfahrung und Gewöhnung daran lassen den nichtsahnenden Eindruck von einem »Schuljungen« nicht mehr zu. Viel wichtiger ist aber die Widerlegung der zweiten These: Jenningers Sprachfärbung verniedlicht das NS-Vokabular nicht. Dies bedeutete nämlich eine Änderung seiner Semantik und Pragmatik, aber die Begriffe sind so stark konnotiert und mit der Zeit des Nationalsozialismus assoziiert, daß eine Bedeutungsänderung überhaupt nicht in Frage kommt – im Gegenteil: Die Begriffe sind (v.s.) per se »widerlich«. Weder Jenningers schwäbischer Dialekt, noch eine schauspielerische Verfremdung der Artikulation zwecks Distanzierung können ihre pragmatische Wirkung ändern; eine distanzierte »Aussprache« ist schlicht nicht möglich. Die syntaktische Bedeutung der Begriffe ergibt sich erst im Kontext des Redeinhalts, und dieser muß vom Rezipienten nicht nur verstanden, sondern auch akzeptiert werden. Natürlich ist Jenningers Prosodie – genau wie seine steife und spärliche Gestik und Mimik – nicht die eines Schauspieler oder eloquenten Redners. Aber dies wäre sowohl für den Redeinhalt als auch für seine Person unpassend und nicht zu erwarten – und im bundesdeutschen Parlament, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, ohnehin nichts, was man wirklich zu erwarten hätte. So, wie die Kritik im Vorangegangenen recht widersprüchlich ausfiel (cf. 3.2.1.4), ist auch der Vorwurf der »unangemessenen« Artikulation im Kontext einer empirischen Wirkungsfeststellung nicht übereinstimmend und in sich schlüssig.

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Dönhoff unterstellt zum einen, daß Jenninger »in bewunderndem Ton« von den Erfolgen Hitlers spricht (Dönhoff in Die Zeit 18. 11. 1988: 3), und kritisiert zum anderen: »Jenninger wirkte als Redner gänzlich unbeteiligt und ohne Wärme. Er vermittelte keinerlei Empfindung« (ibid.). Distanziert oder empathisch, sachlich oder emphatisch – ihm gänzlich das Fehlen beider Aspekte abzusprechen, ist nicht möglich, und welche Form der Artikulation Jenninger hätte wählen müssen, um Dönhoff zu überzeugen, ist hierdurch klar zu erkennen: Mit keiner der beiden Varianten ist sie offenbar einverstanden. Schlußfolgernd läßt sich feststellen, daß Begrifflichkeiten, Zitate und (historische) Augenzeugenberichte die beste Möglichkeit bieten, die Vergangenheit aus dem Bereich des erzählerisch-fiktiven Gedenkens in die Realität der Gegenwart zu holen, wo sie schmerzt. Gerade die Kritik, die Irritation und Entrüstung offenbaren, daß Jenninger dies gelungen ist, und gerade die Rechtfertigung, allein seine Artikulation wäre schuld an deren Wirkung, beweist die Hilflosigkeit, dies zu akzeptieren. Auch diese Feststellungen dürfen nicht das Wagnis der rhetorischen Präsentation (hinsichtlich der provokanten Zitate und deren Evozierung negativer Emotionen) und die Schwierigkeiten der Performanz mittels einer nüchternen Prosodie völlig außer acht lassen. Die Kritik an der prosodischen Umsetzung ist durchaus ernstzunehmen, denn natürlich ist Jenningers Performanz nicht besonders glücklich. Rhetorisch – inhaltlich, sprachlich, prosodisch – ist die Rede verbesserungsfähig. Die Ereignisse während und nach der Rede können diese Aspekte allein allerdings nicht erklären; dies ließ sich an den vorangehenden Abschnitten der Analyse beobachten und zufriedenstellend darstellen.

3.2.1.4 Zusammenfassung und Ergebnis Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr’s nicht aus, so legt was unter Goethe, Zahme Xenien

Wenn man als Maßstab für die Beurteilung einer Redenwirkung die Reaktionen – Applaus, kommentierte Zustimmung, Belobigung der Leistung, wohlwollende und positive Berichterstattung – annimmt, so muß man feststellen, daß Jenningers Rede mißlungen ist und daß Jenninger mit seiner Intention offenbar gescheitert ist. Nettelstroth resümiert: Die Frage, warum Jenninger zurücktreten mußte, läßt sich zunächst einfach beantworten. Er mußte wegen jener Stellen in seiner Rede zurücktreten, die den Eindruck

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erweckten, er wolle den Nationalsozialismus rechtfertigen oder verharmlosen (Nettelstroth 1995: 77).

Hoffmann und Schwitalla deklarieren: »Die spontanen Reaktionen auf die Rede Jenningers waren kein kollektives Mißverständnis« (Hoffmann / Schwitalla 1989: 6). Sie wollen damit erklären, daß das kollektive Mißverstehen durch Jenningers »undistanzierte« Äußerungen zustande kam. Sowohl Nettelstroths als auch Hoffmanns und Schwitallas Schlußfolgerungen sind falsch. Sie stützen sich auf die Annahme, daß Jenningers Rede tatsächlich mißverstanden wurde, daß es Passagen gab, die wirklich als Rechtfertigung oder Verharmlosung verstanden wurden. Dies ist nicht der Fall, denn eindeutig wurde stets nur die Befürchtung geäußert, Jenningers Rede könne diesen Eindruck vermitteln (cf. Heringer 1990: 175). Wirklich mißverstanden hat Jenninger niemand.219 Zudem gehen die Stellungnahmen davon aus, daß es eine »kollektive« Entrüstung gegeben habe. In ihrem Sinne setzt dies eine homogene Rezeption und homogene Entrüstung aus homogenen Gründen voraus. Auch dies erweist sich als falsche Prämisse: »Die Abgeordneten stellen keine homogene Gruppe dar, die durch dieselben Einstellungen und Werte gekennzeichnet ist« (Siever 2001: 390). Die Abgeordneten machten während der Gedenkfeier den größten Teil des Auditoriums aus, sie gehören verschiedenen Parteien und politischen Überzeugungen an und stimmen nur in einem Merkmal überein: »[…] daß sie Mitglied des Deutschen Bundestages sind« (ibid.). Allein dies Faktum macht deutlich, daß sich die Reaktionen auf Jenningers Rede eben nicht aus homogenen Beweggründen heraus ereigneten, sondern daß er ein stark heterogenes Publikum hatte, dessen heterogene Reaktionen klar zu unterscheiden und zu benennen sind. Die Ergebnisse der Analyse bestätigen dabei die Schlußfolgerungen der Erörterungen zu Jenningers Rede der letzten Jahre und entsprechen damit der Tendenz, Kritikpunkte an der Rede zwar deutlich herauszustellen, sie aber insgesamt eher positiver zu bewerten als zu Beginn der Forschung und ihr Scheitern im Kontext von Rede, Setting und Medialisierung zu definieren. Die Reaktionen sind in 3.2.1.1 deutlich differenzierbar geworden. Zunächst muß zwischen Reaktionen während und kurz nach der Rede durch die Zuhörer, den Reaktionen in (journalistischer) Berichterstattung sowie denen durch Briefe und Leserbriefe unterschieden werden. Insbesondere die journalistischen Reaktionen dürfen nur, so hat sich herausgestellt, mit Vorsicht als Reaktion auf die Rede selbst betrachtet werden: Tatsächlich erscheinen sie als verzerrtes und vor allem verzerrendes Medium in der Redenbewertung, das durch Selektion, Konsens und Kumulation ein Bild der Redenwirkung produzierte, das es so nicht 219 Abgesehen von ausländischer Presse, die Jenningers Rede de facto als Rechtfertigung beschreiben; cf. 3.2.1.1.

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gegeben hat. Es läßt sich feststellen, daß die privaten Kommentare in den Tagen und Wochen nach der journalistischen Berichterstattung eine wesentlich profundere und wahrheitsgetreuere Bewertung der Rede vornehmen. Auch die Reaktionen während der Rede müssen differenziert betrachtet werden. Der Zwischenruf Oesterle-Schwerins war von vornherein, ohne Kenntnis der Absicht Jenningers, inszeniert; eine wirkliche Reaktion auf die Rede war dies nicht, sondern Kritik an der Politik des Bundestages. Jegliche Syntaktisierung mit dem Redeinhalt ist daher irreführend und muß zu einem falschen Ergebnis führen. Erst in der Berichterstattung der Presse wird die Reaktion zu einer Reaktion auf den Inhalt der Rede umgedeutet; hierauf hatte Jenninger allerdings keinen Einfluß. Auch die anschließenden Reaktionen im Plenarsaal müssen objektiv betrachtet werden. Ida Ehres Mimik und Gestik sind keine Reaktion auf Jenningers Rede, sie wurden erst im Anschluß mißgedeutet; auch hierauf hatte Jenninger keinen Einfluß. Als Basis für die Einschätzung von Redewirkung und Beurteilung sind die Reaktionen einiger Abgeordneter während der Rede am interessantesten. Denn wenn sie auch den Eindruck erwecken, deutlich den Inhalt oder zumindest Jenningers Performanz zu kritisieren, so müssen auch hier politische Überzeugungen und die Ereignisse vor der Rede als sicheres Indiz für Motivationen betrachtet werden. Abgeordnete, die Jenninger bereits vor der Rede kritisierten und statt seiner Heinz Galinski als Redner bevorzugt hätten, treten auch während der Rede namentlich in Erscheinung. Es muß bei jenen Abgeordneten zumindest von einer Bereitschaft ausgegangen werden, Jenninger zu kritisieren. Heringers Vermutung, daß es sich gänzlich »um eine politische Inszenierung handelte« (Heringer 1990: 176), erscheint unwahrscheinlich, in jedem Falle aber nicht einmal nötig; viel realistischer ist die Kommentierung Eduard Neumaiers: »Sein Rücktritt stand von dem Augenblick an fest, als sich im Auditorium der Abgeordneten erster Protest äußerte« (Neumaier in Rheinischer Merkur 18. 11. 1988: 1). Der erste Protest äußerte sich in Form des Zwischenrufs Oesterle-Schwerins, ein »perfekt« ineinander greifender Mechanismus begann, der schon früh die Diskurswirklichkeit entschied: »Die ›Affäre Jenninger‹ enthüllte in ihrem Verlauf eine brisante Kluft zwischen dieser reibungslos funktionierenden Bonner Maschinerie samt den auf sie fixierten Medien und dem politischen Publikum« (Leggewie et al. 1991: 131). Eine Inszenierung ist hierfür nicht nötig. Dennoch muß konstatiert werden, daß auch die protestierenden Abgeordneten wußten, daß die Rede als »Medienereignis«, als »inszenierte Kommunikation« (cf. Linn 1991: 10) live im Fernsehen übertragen wurde, daß jede Kritik also öffentlich war und daß das vorzeitige Verlassen des Plenarsaals auch die vorzeitige und ungestörte kritische Kommentierung in Anwesenheit von Vertretern der Presse ermöglichen würde. Die Bereitschaft, Jenninger nicht zuhören und statt dessen kritisieren zu wollen, war hoch, die Möglichkeit, letzteres mit viel Aufmerksamkeit tun zu können, gera-

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dezu einladend. Nicht jeder protestierende Abgeordnete mag deshalb so gehandelt haben, aber auch hier werden Theorien von Konsens und Kumulation, Schweigespirale und Fraktionszwang ihren Teil beigetragen haben, und manch prägnanter Zwischenruf kann für einen Sitznachbarn sicherlich überzeugender (oder besser : überredender) sein, als Jenningers lange und anspruchsvolle Rede. Doch erst die Presse produzierte den »Eklat«: »[…] aus den Reaktionen auf die Jenninger-Rede im Parlament haben erst die Medien einen veritablen Skandal gemacht. Dabei haben sie in der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck von der Rede entstehen lassen« (Pöttker 2005: 19). In jedem Fall ist nicht, wie oftmals suggeriert wird, von einer homogenen Kritik zu sprechen. Die Annahme, die Kritik beschränke sich allein auf ein Merkmal – die mangelnde Performanz –, ist nicht zutreffend; vielmehr handelte es sich um einen »Konsens über den Dissens […]« (Linn 1991: 164). Manche Kritiker bescheinigen Jenninger eine schlechte prosodische Distanz, manche, wie Klaus-Peter Siegloch im ZDF spezial, bekunden mit Blick auf den Vortrag: »Manches klingt da im Zusammenhang schon etwas anders, als aus dem Zusammenhang gerissen« (ZDF 10. 11. 1988: 00:01). Auch inhaltlich hat es Kritik gegeben (cf. Siever 2001: 371); eine Auseinandersetzung damit wäre die Aufgabe einer historischen Arbeit. Eine inhaltliche Verfälschung der geschichtlichen Ereignisse wird Jenninger aber kaum nachweisbar sein: Es ist durchaus möglich, daß J[enninger] sich mit seiner Kurzfassung der deutschen Geschichte übernommen hat und auch nicht immer die letzten historischen Ergebnisse berücksichtigt hat. Das ist ganz normal und, solange keine grobe Entstellung oder gar Fälschung vorliegt, akzeptabel (Heringer 1990: 170).

Es bleibt die Frage, welchen Ratschlag ein Rhetoriker Jenninger hätte geben können; die Anweisung (wie Walter Jens es in Die Zeit schreibt, v.s.), sich durch Pausen (parasprachliches Mittel) und kommentierende Parenthesen (rhetorische Figur) zu distanzieren, kann, nach den Ergebnissen dieser Analyse, kaum genügen und wäre in jedem Fall zu kurz gegriffen. Leisi merkt an, eine Rede müsse in jedem Fall »foolproof« sein (1989: 80), aber auch dieser Hinweis ist nicht schlüssig. Hier wäre zunächst zu klären, wer alles zur Gruppe der fools gehört: Wenn nur die Abgeordneten gemeint sind, dann wäre eine Verzerrung durch die Medien immer noch möglich, würden die Medien dazugerechnet, müßte jede Aussage allein richtig, für den Inhalt der gesamten Rede äquivalent und aus sich selbst heraus verständlich sein. Dies wäre zwar bei den genannten Rezeptionen und journalistischen Reflexionen die zwingende Voraussetzung für Leisis Forderung, stellt aber eine illusorische und völlig unerreichbare Zielsetzung dar. Zudem besteht Jenningers Auditorium aus einer stark heterogenen Zuhörermenge. Die Rede für alle »foolproof« zu konzipieren und »kein Verständnisrisiko« einzugehen (ibid.), scheint schlicht nicht möglich. Nicht nur

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durch eine Persiflage Harald Schmidts auf die Schwierigkeit, Zitate allzeit als Zitate kenntlich zu machen, wird dies noch einmal deutlich (cf. Abbildung 8); hinsichtlich des inhaltlichen Kontextes in Jenningers Rede muß festgestellt werden: »Wer zuzuhören verstand, mußte Jenninger verstehen« (Wirsching 2006: 484). Es gibt dennoch rhetorische Aspekte, die Jenninger ganz offensichtlich mißglückt sind, auch wenn sie für das Mißlingen der Rede letztlich nicht entscheidend oder gar singulär verantwortlich sind; hierzu zählt insbesondere die Kombination aus ungenügender empathischer Prosodie (in bezug auf die »Opfer«) und Zitaten, die durch rhetorische Figuren und grammatikalische Besonderheiten eine Empathie mit den »Tätern« evozieren könnten. Diese Stelle ist Jenninger nicht hinreichend gelungen.

Abbildung 8

Werner Hill antwortete auf die Frage, was Jenninger hätte verändern müssen, um Mißwirkungen zu vermeiden: »[…] er hätte überhaupt nicht reden dürfen: Man wollte weder den Inhalt hören noch eben diesen Redner.«220 Heringer differenziert diese Aussage noch; er unterstellt, daß Jenningers Kritiker eine 220 Hill in einem Brief an mich, J.K., vom 23. 12. 2006, s. Anhang.

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gänzlich andere Form gewünscht hätten: »Es ging also darum, ob J[enninger]s Konzept überhaupt erlaubt sein soll, nämlich die Opfer zu würdigen, indem man die Täter analysiert« (Heringer 1990: 173). Das bedeutet, daß Jenninger in der Tat die Möglichkeit gehabt hätte, eine »übliche« bundesrepublikanische Gedenkrede zu halten. Oesterle-Schwerins Zwischenruf hätte sich mutmaßlich trotzdem ereignet, andere Zwischenrufe und das Verlassen des Plenarsaals dagegen (vielleicht) nicht; dies bleibt allerdings reine Spekulation. Tatsächlich erfüllt die Rede das telos der epideixis, denn Jenningers grundsätzliche Intention, »wie es dazu kommen konnte«, bedeutet bei ihm gleichsam eine Tadelung von Täter- und Mitläuferschaft. Er hat somit zwar nicht das aptum der epideiktischen Rede verletzt, seine Rede aber auch nicht nach dem Genus Gedenkrede gehalten, wie es offenbar erwartet wurde. Dies ist die »Achillesferse« der Rhetorik: Eine Verletzung des aptum kann aus rhetorischer Perspektive kritisiert werden, ein telos nicht; dies ist nicht die Aufgabe des Rhetorikers.221 Die Schlußfolgerung wäre nämlich, daß Jenninger seine Rede in der Tat nicht in dieser Form hätte halten dürfen. Seine Intention wäre damit nicht mehr durchführbar. Wenn davon ausgegangen wird, daß ein Redner nur jene Intention rednerisch vortragen darf, die vom Auditorium erwartet wird, würde die Rhetorik ad absurdum geführt. Die Rhetorik ist nur der Anwalt des Redners: Jener bestimmt das telos, die Rhetorik hilft, das telos rednerisch vorzutragen. Die Schlußfolgerung muß also lauten, daß ein Redner sein telos, seine Intention durchaus verfolgen darf, auch wenn er damit das Risiko eingeht, vor einem heterogenen Publikum und manipulierenden Medien zu scheitern. Dies Risiko, so scheint es, mußte Jenninger eingehen. Natürlich muß bei dieser Feststellung bedacht werden, daß auch das ethos der Rede offensichtlich nicht dem des Redners bzw. des ihm zugeschriebenen ethos entsprach. Jenningers (politische) Vita, die Ereignisse in den Wochen vor der Veranstaltung und die ungenügende Prosodie waren ein Katalysator für die (gelingenden) Vorwürfe des Auditoriums und der Medien sowie für deren (scheinbar) glaubhafte Erklärungen. Auch wenn aus Sicht der Rhetorik hier ein Verstoß des aptum zwischen Redner- und Rede-Ethos vorliegt, muß angemerkt werden, welche Konsequenz solch eine vorbehaltslose Kritik ergäbe. Äquivalent zu den vorangehenden Erkenntnissen über das telos wäre es einem Redner dann nur noch möglich, eine Rede zu halten, wenn sie den Erwartungen des Publikums entspräche. Dies kann weder im Sinne der Rhetorik noch eines Redners sein. Es hat sich allerdings herausgestellt, daß der diskursive Rhetorikansatz diese Diskrepanz aufzeigen kann, und dies gilt auch für die Planungen und Kalkulationen für eine Rede, also die officia oratoris. Eine größere Sensibilität für 221 Es sei denn, es handelt sich um ein unmoralisches telos (cf. 2.1.5); hierzu muß man aber sicherlich nicht einmal ein rhetorischer Ratgeber sein.

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ein solches Mißverhältnis des ethos kann dem politischen Gegner die Möglichkeit nehmen, das telos des Redners mißlingen zu lassen, selbst wenn dies Mißverhältnis in der politischen Diskursrealität nur künstlich erschaffen wird. Auch im Fall Jenninger hätten explizite Erklärungen des problematischen telos schon zu Beginn der Rede Diskrepanzen entschärfen können, ohne das telos den Erwartungen des Auditoriums unterzuordnen. Trotz dieser Erkenntnisse und ohne den guten und ehrenwerten Ansatz Jenningers zu schmälern, muß angemerkt werden, daß seine Argumentation natürlich nicht revolutionär ist. Jenninger kommt in seiner Rede zu keinen neuen, aufsehenerregenden Erkenntnissen, die Kritik provozieren müssen; er mußte also keineswegs solch dramatische Konsequenzen annehmen. Darüber hinaus sollte auch gefragt werden, ob Jenninger die Form der Reaktionen, die Zwischenrufe, den Tumult im Plenarsaal und die Art der anschließenden Berichterstattung wirklich einkalkulieren und vorhersehen konnte und mußte. Die protestierenden Abgeordneten nutzten die Gedenkstunde, um sie zu einem bzw. ihrem Politikum zu machen. Die Möglichkeit wurde dadurch deutlich, daß einige Reaktionen bewußt inszeniert wurden, da eine Gedenkveranstaltung aus Anlaß der Pogromnacht, die zudem live im Fernsehen übertragen wurde, eine hohe Kumulation und Verbreitung der Reaktionen bot. Diese Motivation wäre gewiß höchst fragwürdig und bewiese eine zweifelhafte Vorstellung von Moral bei denjenigen, die vorgeben, gerade aus moralischer Perspektive gegen Jenninger Einspruch erheben zu müssen. Eine Rekapitulation durch die Medien dieses Aspekts blieb nahezu aus; nur die FAZ schrieb in einem Kommentar : »Daß die Gedenkstunde im Bundestag von den Grünen verlassen wurde, ist beinahe normal. Aber eine nicht kleine Zahl von SPD-Abgeordneten und einige FDP-Leute haben sich der unwürdigen Aktion angeschlossen […]« (FAZ 11. 11. 1988: 1). Angemessen war diese Reaktion der Abgeordneten keineswegs, und ebenso unangemessen war es, während einer Rede zur Erinnerung an die Pogromnacht (!) fast pöbelnd zu lamentieren. Der »Eklat« der Jenninger-Rede ist ein Lehrstück über die bundesrepublikanische Politik der 1980er Jahre und die Rolle der Medien als »vierte Gewalt« und moralische Instanz. Luc Rosenzweig, Journalist der Zeitung Le Monde, kommentierte in der Ausgabe des Presseclubs vom 13. 11. 1988: »Die politische Klasse […] und die Presse […] hat sich so benommen, wie es sich für eine[n] verantwortliche[n], große[n] Staat der Welt ziemt« (Rosenzweig in Presseclub, WDR 13. 11. 1988: 00:08). Rosenzweig meint dies nicht sarkastisch, dabei wäre dies nach den Ergebnissen der Analyse wohl die einzig zulässige Form, ein solches Fazit für Politik und Presse in Zusammenhang mit Jenningers Rede zu ziehen: »Der Skandal verdeutlicht ein weiteres Mal, dass in der Demokratie die Rolle der Presse nicht in jedem Fall segensreich und aufklärerisch ist, sondern auch den Sensationshunger bedient« (Scholtyseck 2007: 155). Während das

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Verhalten einiger der Abgeordneten, die lautstark protestierten und den Saal verließen, zwar als skandalös und unmoralisch, aber noch als (typische) politische Flegelei bewertetet werden kann, ist den deutschen und internationalen Medien nicht nur eine fahrlässige und manipulierende Berichterstattung zu attestieren – sondern auch eine schlicht unprofessionelle und schlampige Arbeitsweise. Auch in diesem Zusammenhang ist eine Passage aus der Antrittsrede Jenningers als Bundestagspräsident fast prophetisch zu nennen: Mein besonderer Appell geht in diesem Zusammenhang auch an die Medien. Wir fordern eine wahrheitsgemäße Berichterstattung und eine faire Kommentierung der Vorgänge. Auch unsere Medien tragen ein großes Stück Verantwortung nicht nur für das Funktionieren, sondern auch für die Erhaltung unserer freiheitlichen Demokratie (Deutscher Bundestag und Bundesrat 1984: 7001)

Die verzerrte Berichterstattung löste nach Jenningers Rede eigentlich nur noch eine Kettenreaktion aus, wie sie sogar schon von Bismarck skizziert wurde: Eine zweifelhafte Behauptung muß recht häufig wiederholt werden, dann schwächt sich der Zweifel immer etwas ab und findet Leute, die selbst nicht denken, aber annehmen, mit so viel Sicherheit und Beharrlichkeit könne Unwahres nicht behauptet und gedruckt werden (Bismarck in Provinzial-Correspondenz 21. 06. 1882).

Jenningers Rede und sein Rücktritt stehen eher sekundär in einem Bezug. Jenninger mußte nicht, wie eingangs zitiert, zurücktreten, weil er mißverstanden wurde oder den Anschein erweckte, den Nationalsozialismus zu rechtfertigen. Jenninger mußte zurücktreten, weil einige Abgeordnete nicht bereit waren, ihm zuzuhören, und statt dessen einen »Eklat« skandierten oder gar inszenierten, weil die Medien diesen Eklat als Faktum mit scheinbaren Beweisen kumulierten, und weil ihm in der eigenen Fraktion genau in dem Moment der Rückhalt fehlte, als er ihn benötigt hätte. Auch jener letzte Aspekt ist zweifellos ein Lehrstück von (Partei-)Politik und Fraktionenparlament, und die Abkehr der eigenen Fraktion von Jenninger beweist eindrucksvoll, wer mit seiner Rede – inhaltlich – tatsächlich nicht einverstanden war. Arnulf Baring schrieb im Jahr 2009 bezüglich seiner Äußerungen in dem ZDF spezial am Abend nach der Rede (v.s.): »Man solle und werde die Rede ›rasch vergessen‹, sagte ich damals. Ihre Dissertation zeigt mir allerdings, dass ich mich in diesem Punkte geirrt habe« (in einer E-Mail an mich, J.K., am 9. Juni 2009). Zu Anfang dieser Schlußbetrachtung wurden als Maßstab für die Beurteilung des Erfolgs oder Mißerfolgs einer Rede die unmittelbaren Reaktionen des Auditoriums und die Reflexionen in den Medien angenommen. Hieran gemessen, müßte konstatiert werden, daß Jenningers Rede mißglückt ist. Zum Abschluß dieser Analyse soll aber eine neue Beurteilung versucht werden: Jenningers Rede ist nicht mißglückt, und Jenninger ist nicht gescheitert. Die These, Jenningers Rede sei gescheitert, kann ihre Gültigkeit verlieren,

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wenn man weitere entkräftende Referenzen als nur die der unmittelbaren positiven Reaktion zuläßt. Vielleicht hätte es für positive Reaktionen nur eines Zufalls bedurft, vielleicht waren sie mit dieser Rede unter diesen Erwartungen und Voraussetzungen aber auch einfach nicht erreichbar. Jenninger wollte im Namen derer, »in deren Mitte die Verbrechen geschahen, erinnern und Rechenschaft ablegen«, er bemühte sich um ein »Verständnis unserer Geschichte und über Lehren für die politische Gestaltung unserer Gegenwart und Zukunft« (Zeile 22 – 25, s. Anhang). Wird unterstellt, Jenninger wollte in diesem Zusammenhang eine Rede halten, die nicht – wie eine »normale« Gedenkrede – folgenlos ist und schnell in Vergessenheit gerät, sondern eine Rede, die eine Diskussion über den Umgang mit der Vergangenheit anstrebt, die wieder und wieder hervorgeholt wird, um betrachtet, analysiert und neu bewertet zu werden: Dann hat er sein Ziel doch erreicht. Dann ist seine Rede geglückt – wenn auch der Preis dafür hoch war. Darüber hinaus ist nun aber auch die Erkenntnis für jeden Redner evident, der »nach Jenninger« die Abkehr von der traditionellen Gedenkrede wagt, dies mit äußerster Sorgfalt zu tun und die Gefahren von rhetorischen Fehlern und Unaufmerksamkeiten, wie sie bei Jenninger nachzuweisen sind, gerade bei sensiblen Themen nicht außer acht zu lassen. Selbst wenn eine gewissenhaftere rhetorische Konstruktion und prosodische Performanz Jenningers Rücktritt wahrscheinlich nicht verhindert hätten – verbessert hätten sie seine Rede in jedem Fall. Christoph Bertram kommentierte in der Zeit eine Woche nach der Rede, nach dem »Eklat« und nach Jenningers Rücktritt: Aber welcher seiner Nachfolger im Reden über die Schuld der Deutschen wird nun den Mut oder die Naivität haben, sich nicht auf die sicheren Formeln und Phrasen zurückzuziehen, die das Gedenken zur Pflichtübung und die Schuld zur Geschichte machen? (Bertram in Die Zeit 18. 11. 1988: 3).

Die (rhetorische) Frage ist aus der damaligen Perspektive durchaus berechtigt. Vielleicht hat sich die (sichere) Antwort inzwischen aber gewandelt, und Jenningers Rede ist auch dafür der Anstoß gewesen, Gedenkreden in der breiten Öffentlichkeit nicht mehr nur auf »Formeln« und »Phrasen« beschränken zu können. Für Jenninger galt es, »darüber nachzudenken, wie es dazu gekommen war« (Jenninger 16. 05. 2006: s. Anhang; König 2008b: 185). Bereits drei Jahre zuvor mahnte Willy Brandt: Nur wer sich ernstlich bemüht zu begreifen, wie es dazu kam, wird den Toten gerecht. […] Nicht jene, die darüber nachdenken, wie es zum Krieg, zum Holocaust und in der Folge zum Verlust weiter Teile deutschen Gebiets, zur Teilung von Europa und Deutschland kam, gehen leichtfertig über die Opfer hinweg, sondern jene, die immer wieder an dem Versuch stricken, die Geschichte als Verhängnis, als tragisches Ge-

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schick, als hinzunehmende Fügung darzustellen. Nein, Geschichte wird gemacht; und wir müssen uns der Verantwortung stellen (Brandt 1985: 12).

Ist die Form der bundesrepublikanischen Gedenkrede, wie sie 1988 noch erwartet wurde, auch durch Jenninger als überholt erwiesen und nicht mehr »haltbar«? Zukünftige Gedenkveranstaltungen im Bundestag werden diese neue Frage beantworten können.

3.2.2 Du sollst dir kein Bildnis machen: Rhetorische Diskursanalyse der Verteidigungsrede des Doktors in Max Frischs Andorra Nun komm ich als Richter. Erkennt ihr mich jetzt? Werner Bergengruen, Die letzte Epiphanie

In den 1950er Jahren beginnt Max Frisch die Arbeit an seinem Bühnenstück Andorra,222 also in einer Zeit, in welcher im Westen Deutschlands das »Wirtschaftswunder« einsetzte und das Land, wie der Großteil Europas, die Folgen von Krieg und Elend überwand. Die Schweiz, in der Frisch nach dem Studium der Germanistik und Architektur als Schriftsteller und freier Journalist tätig ist, blieb als eines der wenigen Länder durch ihre Neutralität fast gänzlich vom Krieg verschont. Die Schweizer, so scheint es, stehen mit Krieg und Judenverfolgung des 20. Jahrhunderts in keiner primären Verbindung. Zumindest Max Frisch empfand dies anders. Sein Andorra hat zwar »nichts zu tun mit dem wirklichen Kleinstaat dieses Namens, gemeint ist auch nicht ein andrer wirklicher Kleinstaat; Andorra ist der Name für ein Modell« (Frisch 1998c: 462). Sein Andorra ist zwar weder das reale Andorra, noch die Schweiz223 oder Deutschland, dafür ist es aber jeder Staat, jede Gemeinschaft, und seine Bürger stehen für jeden Menschen: ›Andorra‹ will Modell, will Muster sein. Es führt keine speziell gegen Deutsche, gegen Nazidiktatoren und ihre Steigbügelhalter gerichteten Anklagen, und doch ist es Anklage genug und weckt zwingend das nachdenkende Gewissen. […] Obwohl es Modell sein will, […] die Situationen sind konkrete Wirklichkeit (Aurin 1971: 248 f.). 222 Eine erste Bearbeitung des Themas findet sich in einer kurzen Parabel, die Frisch bereits 1946 in seinem Tagebuch notiert (Frisch 1998a: 351 ff. und 372 ff.). 223 Gleichwohl kann Andorra auch als Parabel für eine scheinbar »schuldfreie« Schweiz angesehen werden; die Größe des Modellstaats, die Nachbarschaft zu den Schwarzen, der umgebende Krieg als historischer Rahmen deuten dies an. Frisch kommentierte später : »ANDORRA ist nicht die Schweiz, nur das Modell einer Angst, es könnte die Schweiz sein; Angst eines Schweizers offenbar« (Frisch 1998d: 514; cf. Kutzmutz 2004: 44 ff.).

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Die Verbindung, die die Schweiz – und jeder andere Staat – nach Dafürhalten Frischs zu Rassismus, Diskriminierung und Verfolgung im Europa des 20. Jahrhunderts hat, beschreibt dieser Modellstaat, der sich keineswegs auf das 20. Jahrhundert beschränkt: Auch dies ist in Frischs Sinn nur Modell. In diesem Zusammenhang müssen auch die Protagonisten gesehen werden, und damit typische, modellhafte Berufe einer Gesellschaft:224 ein Handwerker (der »Tischler«), ein Handwerksgeselle (der »Geselle«), ein Wirt, ein Soldat, Akademiker (der »Doktor«, der »Lehrer« und der »Pater«), dazu der »Jemand« als unpersonifizierter, austauschbarer Bürger, gleichsam eine Metapher für alle vorigen: Die Andorraner in ihrem kollektiven Verhalten repräsentieren Typen […] Was immer ihnen als Aussagekraft eignet, läßt sich unschwer zurückführen auf ihre Rolle als Andorraner und ihr jeweiliges Selbstverständnis als Glied einer unbedarften, von kollektiver Kritiklosigkeit und unbegründetem Nationalstolz getragenen Gemeinschaft (Knapp / Knapp 1982: 28).

Es wird daraus deutlich, daß selbst der »Jude« Andri ein Modellcharakter ist, daß seine angebliche jüdische Herkunft nur seine generelle (angebliche) ethnische, religiöse, charakterliche Andersartigkeit darstellt: »[…] daß es in ›Andorra‹ um die Hatz auf einen vermeintlichen Juden geht – auch das soll nur ein Beispiel sein« (Jacobi in Die Zeit 10. 11. 1961: 13). Andorra ist, wie sich im folgenden noch genauer beobachten läßt, »Theater ohne Illusion« (Frisch 1998a: 332) und dem epischen Theater zuzuordnen: Kein Vorhang zwischen den Szenen, nur Verlegung des Lichts auf den Vordergrund. Es braucht kein Anti-Illusionismus demonstriert zu werden, aber der Zuschauer soll daran erinnert werden, daß ein Modell gezeigt wird, wie auf dem Theater eigentlich immer (Frisch 1998c: 561).

Insbesondere die Zeugenaussagen, die »Verteidigungsreden« der Andorraner, sprengen den Illusionismus, indem sie die Illusion der vierten Wand aufheben und sich direkt an die Zuschauer wenden: Die thematische Objektivierung ist vom Zuschauer vorzunehmen. Er wird in die Rolle des Beurteilenden, des Richters versetzt, der die ›Aussagen‹ der Zeugen an der Rampe mit dem kontrastiert sieht, was auf der Szene dokumentiert wird (Petermann 1979: 319).

Die Zeugenaussagen stehen nicht innerhalb der Dramaturgie der erzählten Handlung, sie finden irgendwann im Anschluß statt; Frisch montiert sie als Abschluß an ein Bild, eine Szene. Sie stellen also keine rednerisch-dialogische 224 Eine Einteilung der Charaktere in Stellvertreter für eine »ganze Sozialstruktur« nehmen z. B. Hermes und Hermes vor (2001: 47).

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Situation zwischen den Protagonisten dar, sondern übernehmen die Funktion einer Rede, die ein Protagonist vor dem Publikum im Theater hält. Als besonders aussagekräftig und beispielhaft erweist sich dabei die Ansprache des Doktors, also des Arztes Ferrer, die nicht nur die längste dieser Reden, sondern auch die ausführlichste ist. Die Besonderheit der Zeugenaussagen des »Doktors« und der anderen Reden im Vordergrund ist:225 Sie sollen das Publikum nicht überzeugen;226 Frischs Komposition verlangt den Widerspruch des Rezipienten, damit sein telos gelingt. Frisch läßt die Verteidigungsanstrengungen seiner Modellcharaktere mißglücken, und an der rhetorischen Konstruktion, mit der ihm dies gelingt, kann nicht nur die Methodik einer mißwirkenden Rhetorik, sondern auch das zwangsläufige Mißlingen der Rechtfertigung von Täter- und insbesondere Mitläuferschaft während des Nationalsozialismus in Deutschland beobachtet werden. 3.2.2.1 Makroebene: Diskurs und Setting In der Makroanalyse können zunächst an Rezensionen und wissenschaftlicher Erörterung die Reflexion und Wirkung des Stückes im allgemeinen betrachtet werden; ein Ausschnitt des wissenschaftlichen Diskurses wird ebenfalls präsentiert. Im Anschluß soll zum einen das Bühnenstück in einen Bezug zum historischen Kontext, dem Autor sowie dessen Wirkungsästhetik gesetzt, zum anderen die Zeugenaussage des »Doktors« im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Stück beobachtet werden; eine Betrachtung des Settings schließt die Makroanalyse ab. Die Erstaufführung von Andorra war ein »Riesenerfolg« (Der Spiegel 08. 11. 1961: 88); die journalistische Berichterstattung dokumentiert die Reaktionen der Zuschauer und vermittelt ein eindeutiges Bild: Von den Erstaufführungen der letzten Jahre ist kein Stück hinsichtlich seines sozialen, politischen und menschlichen Gehalts von so durchgreifender Wirkung gewesen wie Max Frischs ›Andorra‹. […] Der Andrang junger Menschen an den Abendkassen war stärker als bei vielen anderen Stücken. Aber auch den jüngeren und mittleren Erwachsenengenerationen blieb die Wirkung des Schauspiels ›Andorra‹ keineswegs verschlossen (Aurin 1971: 248).

Bereits während der Veranstaltung zeigte sich das Publikum euphorisch: »Es gab starken Pausenbeifall und am Schluß beinahe Ovationen […]« (Kaiser in SZ 4. / .5.11.1961: 14). Die Premiere des Stücks bekam so »fast sensationelle Reso225 Aussagen im Vordergrund nehmen (in der folgenden Reihenfolge) der »Wirt«, der »Tischler«, der »Geselle«, der »Soldat«, der »Pater«, der »Jemand« und der »Doktor« vor. 226 Die einzige Ausnahme stellt die Zeugenaussage des »Paters« dar, der sich schuldig bekennt; hierauf wird im folgenden noch eingegangen.

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nanz« (ibid.); wegen des Andrangs wurde die Uraufführung an drei aufeinanderfolgenden Tagen wiederholt. Auch die (deutschsprachige) Presse berichtete positiv bis begeistert über Frischs Werk; »ein überzeitliches Zeitstück« (Luft in Die Welt 06. 11. 1961: 7), »kraftvolles, modernes Theater« (Jacobi in Die Zeit 10. 11. 1961: 13), »echter Wurf« (Brock-Sulzer in FAZ 06. 11. 1961: 16), »eines der wichtigsten Theaterstücke in deutscher Sprache der Nachkriegsliteratur« (Frankfurter Neue Presse 08. 11. 1961), »Bezeugungen eines Kunstverstands von hohen Graden« (TagesAnzeiger Zürich 04. 11. 1961: 7). Dennoch gab es auch kritische Stimmen, insbesondere in der Schweizer Presse: »,Andorra‹ muß noch eine letzte Fassung finden« (Schärer in Zürcher Woche 10. 11. 1961: 13); »die zweite Hälfte ist noch verbesserungsbedürftig«, Frischs »Gestalten […] bleiben Ideenträger […], so daß ›Andorra‹ menschlich nicht stark anspricht, was bei der Uraufführung an dem am Schluß sehr gemäßigtem [sic!] Beifall zu spüren war« (Luzerner Neueste Nachrichten 06. 11. 1961). In der Tat differieren die Kritiken in der Folgezeit stärker : »The two principal areas of contention were on the one hand the problem of conflicting theatrical styles […], and on the other, the fundamental concept of the play as a ›model‹« (Butler 1985: 60). Auch wenn Frisch die Interpretation Andorras als konkreten Staat vermeiden wollte, so ist es doch möglich, daß es die Zuschauer als jeweils ihr eigenes Heimatland verstehen. Grundsätzlich ist dies mit Frischs Intention vereinbar, wenn auch durch diese Art der Interpretation die eigene Veranlagung zum Vorurteil erkannt wird: Ich möchte keinen Hoffnungsstrahl am Ende, ich möchte vielmehr mit diesem Schrecken […] enden, wie skandalös Menschen mit Menschen umgehen. […] Die Schuldigen sitzen ja im Parkett. Sie, die sagen, daß sie es nicht gewollt haben. Sie, die mitschuldig wurden, sich aber nicht schuldig fühlen. Sie sollen erschrecken […], sie sollen, wenn sie das Stück gesehen haben, nachts wach liegen.227

Diese Wirkung ist äquivalent zu dem Schluß seiner Parabel aus dem Jahr 1946: »Die Andorraner aber, sooft sie in den Spiegel blickten, sahen mit Entsetzen, daß sie selber die Züge des Judas tragen, jeder von ihnen« (Frisch 1998a: 374). Dies ist Frischs erste wirkungsästhetische Maxime; ein Ausspruch des Lehrers im ersten Bild des Stücks faßt die Intention präzise zusammen: »Ich werde dieses Volk vor seinen Spiegel zwingen, sein Lachen wird ihm gefrieren« (Frisch 1998c: 469; cf. 3.2). Die Zuschauer sind die Andorraner, und die »Andorraner sind überall« (Vorwärts 15. 11. 1961: 12). Hans-Magnus Enzensberger interpretierte und resümierte bereits zur Premiere die exemplarische Kraft des Stücks:

227 Frisch in einem Interview mit Curt Riess, in Die Zeit 03. 11. 1961.

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›Andorra‹ ist kein historisches Drama […] Die ›Schwarzen‹ sind nicht die SS, der Judenschauer ist nicht Eichmann, und nicht einmal der Jude ist ein Jude. Das Stück ist ein Modell: will sagen, nicht die Darstellung dessen, was war, sondern dessen, was jederzeit und überall möglich ist. […] Heut oder morgen kann der ›Jud‹ Kommunist heißen, oder Kapitalist, oder Gelber, Weißer, Schwarzer, je nachdem. Gemeint ist nicht die andere Gegend, nicht dem seinerzeit und anderswo wird der Prozeß gemacht, sondern der je eigenen […] (Enzensberger 1961: 5 f.).

Wird Andorra dagegen als »Abrechnung mit dem Antisemitismus, mit dem Mord an 6 Millionen Juden« verstanden (Pütz 1983: 37), entstehen tatsächlich Probleme der Konstruktion des Stücks und seiner Wirkung: Die einen lehnen sich aufatmend in ihren Theatersessel zurück und sahen ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte – zumindest literarisch – bewältigt. Andere zeigten sich empört; denn sie vermißten in dem Stück eine angemessene Darstellung und Verarbeitung des unsagbaren Grauens, fragten aber in den seltensten Fällen, ob dieses als historische Realität auch nur annähernd literarisch darzustellen und zu verarbeiten ist. Andere wiederum sahen die Behandlungen des Judenmordes verquickt und – wie sie meinten – verunreinigt mit Frischs angeblich persönlicher Identitätsproblematik […] (ibid.).

Hieraus ersichtlich wird eine bereits im Anschluß an die Uraufführung kritisierte Problematik der modellhaften Konstruktion des Stücks: »Andorra steht als Beispiel. […] Der Jude aber kann heute nicht zur Parabelfigur werden. […] Es gibt Namen, von denen zu Zeiten nicht abstrahiert werden kann« (Schärer in Zürcher Woche 10. 11. 1961: 13). Diese Ansicht teilte auch Dürrenmatt: Parallelen mit der Vergangenheit stellen sich notgedrungen ein […] Der Einwand, alles sei gleichnishaft gemeint, ist nicht ohne weiteres zulässig, es gibt Probleme, die sich nicht mehr aus dem geschichtlichen herausoperieren lassen […]: Unter den Schwarzen wird man ss [sic!] sehen müssen. Aber auch unter Andorra die Schweiz. Hier stimmt auch die Parallele restlos, wo sich jedoch nicht die Parallelen einstellen können, verliert das allgemeinere Problem an Deutlichkeit, weil es sich verkompliziert (Frisch / Dürrenmatt 1998: 156).

Dürrenmatt paraphrasiert damit den (zurückliegenden) historischen Kontext, der Frisch zweifellos zu dem Stück inspiriert hat: Die Verbrechen unter den Nationalsozialisten in Deutschland einerseits, die Neutralität der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs andererseits; vor allem aber die Entstehung von Ressentiments und Verfolgung, von Duldung, Mitläuferschaft, Schuld und deren (nur scheinbar gelingende) Rechtfertigung. Andorra muß daher auch in einem Kontext mit den Rechfertigungen der (deutschen) Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg betrachtet werden; insbesondere der Prozeß gegen den früheren Leiter des »Reichssicherheitshauptamtes« Adolf Eichmann, welcher – wie die Uraufführung von Andorra – im Jahr 1961 stattfand, beweisen die unmit-

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telbare Aktualität des Stücks im allgemeinen und die der Zeugenaussagen im speziellen: Ich betone auch jetzt wieder, meine Schuld ist mein Gehorsam, meine Unterwerfung unter Dienstpflicht und Kriegsdienstverpflichtung und Fahnen- und Diensteid […] Dieses Gehorchen war nicht leicht. […] Ich klage die Regierenden an, daß sie meinen Gehorsam mißbraucht haben (zitiert nach Nellessen 1964: 304).

Es ist offenkundig, daß insbesondere die Zeugenaussage des »Soldaten« Ähnlichkeiten zu Eichmanns Plädoyer aufweist: »Aber ich hab ihn nicht getötet. Ich habe nur meinen Dienst getan. Order ist Order« (Frisch 1998c: 503). Gerade in diesem Zusammenhang wird deutlich, daß Frischs Stück in der Tat eine literarische Auf- und Bearbeitung von (fast unmittelbarer) Vergangenheit und der damaligen Gegenwart ist, und er muß den Zuschauern überlassen, von diesem Kontext auf eine abstrahierendere Intention zu schließen. Dies gelingt, indem er stets den Modellcharakter hervorhebt: z. B. durch eine Bühne, »so leer wie möglich« (ibid.: 561), und durch das allegorische Verhalten der Protagonisten: »Ich weißle. Weil morgen Sanktgeorgstag ist […] Ich weißle das Haus meines Vaters« (Barblin zum Soldaten; ibid.: 463). Frisch nutzt also die Mittel des epischen Theaters,228 beschreibt darüber hinaus stereotype Berufsbilder und Verhaltensweisen; jeder der »Andorraner« spielt seine Rolle in diesem Modell. Als interessant für die Analyse stellt sich dabei auch eine Feststellung heraus, die Joachim Kaiser formulierte: »Das Stück erzählt die Parabel anders [als die kurze Prosabearbeitung, v.i.; J.K.]. Nicht der Jude steht im Mittelpunkt, sondern – bereits der neu formulierte Titel deutet es an – Andorra« (Kaiser in SZ 4. / 5.11.1961: 14). Dies geschieht auch dadurch, daß die Dramaturgie durch die Reden im »Vordergrund der Bühne« immer wieder unterbrochen und damit die Perspektive der Mitläufer (oder, in Frischs Sinn, die der »Täter«) als Grundperspektive des Stücks gefestigt wird. Nicht der »Jude« Andri ist der Protagonist (also dramenästhetisch: der »Held«), sondern die Andorraner. Eine der wichtigsten Aussagen des Stücks bewegte Frisch dagegen schon für die Dichtung der Parabel aus dem Jahr 1946: Die Prosaskizze handelte von einem jungen Andorraner, den man für einen Juden hielt – man erwartete darum Verstandesschärfe, Geldsucht, mangelnde Vaterlandsliebe, Egoismus von ihm – und der sich schließlich nach diesem unausweichlichen Bilde verhielt (ibid.).

Dies ist die zweite wirkungsästhetische Intention, die Frisch in Zusammenhang mit jener ersten Bearbeitung des Andorra-Stoffes formulierte:

228 Wenngleich auch nicht so konsequent wie Brecht; cf. Eckart 1965: 16 ff.

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Du sollst dir kein Bildnis machen, heißt es, von Gott. Es dürfte auch in diesem Sinne gelten: Gott als das Lebendige in jedem Menschen, das, was nicht erfaßbar ist. Es ist eine Versündigung, die wir, so wie sie an uns begangen wird, fast ohne Unterlaß wieder begehen – Ausgenommen wenn wir lieben (Frisch 1998a: 374).

Sie findet sich wieder in der Paradoxie des Andri, der den Andorranern so sehr ihrem Bild eines »Juden« entspricht, daß sie ihn für einen »Juden« halten, obwohl er keiner ist, und ihn damit zu einem »Juden« machen: »Der Nichtjude qua Herkunft ist zum Juden durch sozialen Druck geworden, die Mehrheit hat ihm eine Rolle zugeschrieben«229 (Kutzmutz 2004: 39). Die Intention Frischs ist es, seinen Zuschauern zu beweisen, daß erst die gedankliche Kreation eines Bildnisses, das Image einer Person die Vorurteile erzeugt, die zu Rassismus und Verfolgung führen; hierdurch wird dem Nächsten seine Individualität geraubt: »Wir halten uns für den Spiegel und ahnen nur selten, wie sehr der andere seinerseits eben der Spiegel unsres erstarrten Menschenbildes ist, unser Erzeugnis, unser Opfer –« (ibid.: 371). Vor diesen Spiegel stellt Frisch fünfzehn Jahre später sein Publikum. Das Motiv dieser Wirkungsästhetik ist dabei fester Bestandteil Frischs literarischer Werke: »Das Bildnis-Thema, abgewandelt zur Frage nach der wirklichen Identität des Einzelnen, ließ Frisch nicht mehr los seit seinen ersten schriftstellerischen Arbeiten« (Heidenreich 1977: 64). Seinen Roman Stiller leitet Frisch beispielsweise mit dem Motiv der Identitätssuche und des Bildnis-Themas schon im ersten Satz ein: »Ich bin nicht Stiller!« (Frisch 1998b: 361). Während Frisch auch mittels Andorra konstatieren will, daß man sich von seinem Gegenüber kein (abstrahiertes) Bildnis machen soll, scheint er darin durch die stereotypen Figuren selbst eins zu entwerfen und damit seiner eigenen Prämisse zu widersprechen. Doch dies ist nicht korrekt; er entwirft kein Bildnis von Individuen, sondern von stereotypen Mustern des Rassismus, der Duldung von Verbrechen und deren Rechtfertigung; dies ist ein wichtiger Unterschied: Diesen ›typischen‹ Vertreter gibt es eben nicht für ihn [i.e. Frisch, J.K.], weil dies wieder ein Bildnis bedeuten würde. […] Sogar der Jemand ist nicht der Andorraner schlechthin, sondern nur stellvertretend auf der Bühne für die vielen anderen […] Nur wird damit klar, […] daß die anderen durch ihre völlige Unpersönlichkeit das Ihre dazu beitrugen, daß Andri zu dem wurde, als der er sterben muß (Heidenreich 1977: 45).

Allein die Aktualität des Themas im Jahr 1961 – gerade einmal 16 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – erzwingt eine literarisch-politische Erörterung des Themas; Andorra reiht sich damit natürlich ein in den literarischen Diskurs von Stücken wie Zuckmayers Des Teufels General aus dem Jahr 1946, Frischs Biedermann und die Brandstifter von 1957, Dürrenmatts Die Physiker 229 Im Original fett hervorgehoben.

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von 1962 und Hochhuths Der Stellvertreter von 1963. Zudem scheint es fraglich, ob eine weitere Abstrahierung und »Modellierung« der Thematik auch einen höheren Grad an Abstraktion ermöglicht hätte, oder ob nicht gerade die (damalige) Aktualität des Themas immer den Vergleich mit der unmittelbaren Vergangenheit evoziert hätte – und dies, wie bereits erläutert, scheint ohnehin eine Motivation Frischs gewesen zu sein, das Stück zu schreiben. Darüber hinaus scheint Dürrenmatts These stichhaltig, daß ein noch höherer Abstraktionsgrad das Stück undeutlich (und damit »unwirksam«) gemacht hätte. Einen profunden Überblick über den wissenschaftlichen Diskurs über Andorra im allgemeinen bietet vor allem Plett (1972: 58 ff.); Erörterungen der Zeugenaussagen finden sich unter anderem bei Emmel (1963), Eckart (1965), Eisenbein (1982), Yu (1982) und Bekes (1988). Allerdings erst durch den kommentiert veröffentlichten Briefwechsel zwischen Max Frisch und Carl Zuckmayer (Obschlager 2000) wird die Entstehung der »Zeugenaussagen« nachvollziehbar. Frisch, der sein Stück im Jahr 1961 mehrfach stark überarbeitete, erhielt auch von Zuckmayer Ratschläge zur Verbesserung seiner Arbeit. Insbesondere die Vorgeschichte und die Figur des »Lehrers« kritisierte er : Ich sehe an dem Stück zwei schwache Punkte, von denen wenigstens der eine die Überzeugungskraft mindern könnte, – und gerade der wäre wohl noch zu verstärken. Es ist der Lehrer, eigentlich seine Vorgeschichte […] (Zuckmayer am 19. 06. 1961, in: Obschlager 2000: 262).

Zuckmayers Kritik scheint zumindest dazu beigetragen zu haben, daß Frisch das Stück noch einmal überprüfte und überarbeitete; die Zeugenaussagen sind ein Produkt dieser Überarbeitung. Frisch schreibt zwei Monate nach dem Brief Zuckmayers an seinen Verleger Siegfried Unseld: Die im Vordergrund, sozusagen prologisch vorgelesenen Senora-Lehrer-Briefe sind weg; das ging nicht. Ich habe jetzt die Lösung, die mich überzeugt, eine sehr selbstverständliche, indem jeder Andorraner […] einmal die Gelegenheit hat, heute vor die Öffentlichkeit zu treten und sich von heute her, als Überlebender, herauszuschwatzen […] (Frisch am 27. 08. 1961, in: Obschlager 2000: 271).

Frisch löst die Aussagen zeitlich und örtlich von der Dramaturgie des Stückes, indem die Protagonisten, umkostümiert und mit veränderter Beleuchtung, an den Rand der Bühne treten und direkt an das Publikum gerichtet sprechen: Die Zeitspanne dazwischen läßt sich verdeutlichen durch das Kostüm: Der Soldat ist nicht mehr Soldat, sondern erscheint als Zivilist im Regenmantel […] Die Andorraner sitzen im Parkett, nicht Richter, sondern ebenfalls Zeugen […] Vorschlag des Bühnenbildners: wir lassen die Szene, die eben zu Ende ist, nicht ins Dunkel fallen, sondern halten sie in gedämpftem Licht, davor der Zeuge im Scheinwerfer (Frisch 1998c: 571).

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Die Zeugenaussagen »zerstören« (Eckart 1965: 14) damit den Spannungsbogen des Stückes und haben die Funktion, »den Zuschauer zu desillusionieren und ihn Distanz gewinnen zu lassen« (ibid. 15): ein epischer Verfremdungseffekt, der die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf Frischs teloi – das Bildnismotiv, das »Vorhalten des Spiegels« und schließlich das zwangsläufige Scheitern jedweder Rechtfertigung – lenken soll. Die Rede des »Doktors« ist die letzte und umfangreichste Zeugenaussage im Stück und bietet sich für die Analyse an, da »an ihr die Mechanismen der Verdrängung und Verfälschung der schuldhaften Vergangenheit am besten erkennbar sind« (Bekes 1988: 19). Sie ist an das Ende des Elften Bildes gesetzt, zwischen der Verhaftung Andris und der »Judenschau«. Die Aussage des Doktors wird der erschreckendsten und damit rhetorisch-pathetischsten Szene des Stücks gegenübergestellt und bildet einen sachlogisch-argumentativen Kontrapunkt, ist aber, wie alle anderen Verteidigungsreden auch, nicht im chronologischen Ablauf des Stücks integriert. Der »Doktor« ist sicherlich der widersprüchlichste und täuschendste Charakter des Stücks. Obwohl er Akademiker ist und durch die Welt gereist, erweist er sich in seinem Beruf und seiner sozialen Existenz als Scharlatan und Blender : »Vor den Andorranern gibt er sich mit seinen Auslandserfahrungen einen weltmännischen Anstrich« (Heidenreich 1977: 48). Bereits die Bezeichnung »Doktor« ist eine Täuschung und nur ein Synonym für seinen ärztlichen Beruf, denn er hat es »auf allen Universitäten der Welt nicht einmal zum Doktor gebracht« (Frisch 1998c: 493; erwähnt durch den Lehrer). Tatsächlich ist der Doktor ein »Schmugglersohn« und hat seinen Titel ebenfalls »geschmuggelt«, wie der Lehrer andeutet (ibid.: 492). Im Vierten Bild formuliert der Doktor gegenüber Andri sehr deutlich seinen Antisemitismus einerseits und seinen zum Nationalismus gesteigerten Patriotismus andererseits; die Gründe hierfür finden sich in der Biographie, die Frisch ihm zuschreibt, und über die er sich selbst bloßstellend berichtet: »Das Schlimme am Jud ist sein Ehrgeiz. In allen Ländern der Welt hocken sie auf allen Lehrstühlen, ich hab’s erfahren, und unsereinem bleibt nichts andres übrig als die Heimat« (Frisch 1998c: 490). Der Doktor kehrt nach erfolglosen Jahren im Ausland »halbgebildet und aufgeblasen« (Heidenreich 1977: 48) nach Andorra zurück: »Er trägt stets das vaterländische Pathos zur Schau, hinter dem er seine Minderwertigkeitskomplexe verbirgt« (ibid.). Sein Antisemitismus ist begründet in dem Neid gegenüber den Erfolgreichen; die »Schuld« für sein Scheitern überträgt er auf die Juden. Hierdurch wird auch deutlich: Nicht der »Doktor« ist Frischs Stereotyp eines Rassisten und Täters, sondern dessen Motivationen sind es. Sie als unhaltbares Argument zu entlarven, ist ein wichtiges telos für Frischs Kreation der Zeugenaussage des Doktors. Das weitere Setting ist bedingt durch die Sonderform der Aussagen vor der »Zeugenschranke«: Das Publikum ist alleiniger Rezipient der Rede, die Einheit

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der Handlung ist unterbrochen; die anderen Protagonisten sind nicht Teil des Auditoriums. Obwohl Frisch eindeutig formulierte, daß auch die Zuschauer Teil der andorranischen Zeugen seien (»Die Andorraner sitzen im Parkett, nicht Richter, sondern ebenfalls Zeugen […]« Frisch 1998c: 571), so soll das Theaterpublikum doch die argumentative Überzeugungsleistung der Aussage negieren: »[Der Zuschauer] wird in die Rolle des Beurteilenden, des Richters versetzt, der ›Aussagen‹ der Zeugen an der Rampe mit dem kontrastiert sieht, was auf der Szene dokumentiert wird« (Knapp 1979: 319). Das Publikum des »Zeugen« ist also das Plenum im Theater, das durch die Handlung des Stücks dessen Taten kennt und die erfolgenden Aussagen präjudiziert oder zumindest mit einer Vergleichsmöglichkeit zur »tatsächlichen« Handlung des Redners wahrnehmen muß. Die Bezeichnung Zeugenaussage ist dabei leicht irreführend, auch wenn die Protagonisten des Stücks zunächst vordergründig als Zeugen der Vorfälle fungieren. Tatsächlich aber verteidigen sie in ihren Reden ihr Handeln bzw. ihre Untätigkeit. Frischs Intention ist das Mißlingen dieser Verteidigungen, die Verurteilung (durch das Publikum) und das Aufzeigen der Gründe für Intoleranz, Rassismus und ethnische Verfolgung. Dies ist aber nicht die Intention der Protagonisten. Ihr telos, und damit auch das des »Doktors«, ist klar zu benennen: Sie wollen (das Publikum) von Ihrer Unschuld überzeugen.

3.2.2.2 Mesoebene: Redetext Die Rede des »Doktors« beinhaltet vor allem zwei Aussagen: Die eigene Schuldlosigkeit an dem Tod Andris und das Bedauern seines Todes. Anhand von Beispielen wird versucht, die eigene Schuldlosigkeit zu beweisen, zudem wird eine Mitschuld Andris behauptet. Es handelt sich bei der »Zeugenaussage« also um eine Verteidigungsrede der Gattung genus iudiciale mit Schwerpunkt auf eine Unterart, die bei Quintilian mit den Attributen »Leugnen« und »Abwälzen« der Schuld benannt wird (Quintilian 2006b: 36 f.; inst. VII 2,8 – 11), also um eine Rede, die eine tätige Handlung als rechtmäßig (bzw. nicht unrechtmäßig) darstellt und damit das Auditorium von der eigenen Unschuld (des Redenden) überzeugen will und gleichzeitig die (Mit-)Schuld an den verhandelten Vorfällen an andere überträgt. Das exordium beinhaltet die paraphrasierte Beteuerung der Unschuld, genauer : die Leugnung, überhaupt mit dem »Fall« in Verbindung zu stehen (Zeile 4 – 11, s. Anhang)230. Bereits hier benutzt der »Doktor« eine ausgeprägte Phraseologie, wie er sie beispielsweise auch für sein berufliches Scheitern im Ausland 230 Die Zeilenangaben in den Analyseabschnitten über die Rede des »Doktors« beziehen sich, sofern nicht anders erwähnt, auf den Text der Rede des »Doktors«, wie sie im Anhang abgedruckt ist.

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bemüht (v.s.; cf. Bekes 1988: 19); er drückt in umständlichen, abstrahierenden und fragmentarischen Gemeinplätzen seine Unschuld aus. Das exordium endet mit der Ankündigung, er wolle »sich kurz fassen« (Zeile 11, s. Anhang); in Anbetracht dessen, daß es sich um die längste der Zeugenaussagen handelt, bestätigt sich also noch einmal die Widersprüchlichkeit des Arztes einerseits und sein »Reflex der dümmlichen, aber nicht ungefährlichen Geschwätzigkeit« andererseits (Bekes 1988: 19). Die narratio beginnt mit einer Kurzform der propositio (Zeile 11 – 14, s. Anhang), in der der Doktor zwar eingesteht, sich in Andri getäuscht zu haben (womit offenbar lediglich gemeint ist, daß er kein Jude gewesen ist), gleichzeitig aber feststellt, daß er »Greuel« ablehne und zu Andri kaum Kontakt hatte. Die narratio selbst (Zeile 14 – 19) beinhaltet nur einen kurzen Bericht über die Mißhandlung Andris (der Doktor bagatellisiert sie als »Schlägerei«), die der Redner zwar verurteilt, aber behauptet, Andri trage wegen seines »jüdischen Benehmens« eine Mitschuld daran. Jedwede eigene Schuld weist er zurück. In der argumentatio (Zeile 19 – 23) gibt der Doktor durch Rechtfertigungsversuche (»Aktualität erlegen«, »aufgeregte Zeit«; auch hier findet also eine Bagatellisierung statt) eine gewisse Schuld der Andorraner in Gänze zu, für sich selbst aber weist er jede Art der Mittäterschaft noch einmal von sich und betitelt das Schicksal Andris als »tragische Geschichte«, um persönliche Verantwortungen abzuwehren und gegen übermächtige, schicksalhafte Wendungen zu vertauschen. Die peroratio (Zeile 23 – 26) besteht aus zwei Aussagen: Zum einen wird die persönliche Unschuld beteuert, zum anderen wird ein allgemeines (und stellvertretendes) Bedauern über die Vorfälle ausgedrückt; hiermit endet die Rede des Doktors. Hermes und Hermes fassen die Aussagen der Andorraner in den Verteidigungsreden zu fünf »Entschuldigungstypen« zusammen: - Die eigene Unwissenheit (»Man habe nichts gewußt«; Hermes / Hermes 2001: 62) - Dienstpflicht und Zwang zu Gehorsamkeit (»man habe Befehle ausführen müssen«; ibid.) - Unbeteiligtheit (»man habe nicht mitgemacht«; ibid.) - Abschluß der Vergangenheit (»man müsse endlich einen Schlußstrich ziehen«; ibid.) - Selbstverschuldung der Juden (»schließlich seien die Juden auch selber schuld daran, dass es soweit gekommen ist«; ibid.). Der Doktor führt in seiner Rede vier der hier aufgeführten Rechtfertigungen an: Die erste (z. B. durch seine Unkenntnis über die »Schlägerei«, Zeile 14 – 15), die dritte (er habe »nie an Mißhandlungen teilgenommen oder irgend jemand dazu

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aufgefordert«, Zeile 22 – 23), die fünfte (Andris Benehmen habe »etwas Jüdisches« gehabt; Zeile 18), und tatsächlich findet sich sogar die vierte Entschuldigung in seiner Aussage, denn er historisiert die Ereignisse explizit mit der Parenthese »damals« (Zeile 26). Wie bereits erwähnt, finden die »Zeugenaussagen« nicht innerhalb der chronologischen Einheit der Handlungszeit statt; durch die Aussage des Doktor wird erkenntlich, daß sie sich – zumindest – einige Zeit nach der Hinrichtung Andris ereignen: »Ich war Amtsarzt, was ich heute noch bin« (Zeile 9). Es bleibt dabei spekulativ, ob die Aussagen nach Beendigung der Okkupation Andorras durch die »Schwarzen« getätigt werden, erscheint aber als logische Konsequenz, wenn ein politischer Wechsel die Aussagen von Zeugen notwendig machen. Für Frischs Intention spielt diese Feststellung nur insofern eine Rolle, als daß die Andorraner nicht mehr mit der Angst vor der Bedrohung durch die »Schwarzen« Rede und Antwort stehen müssen, sondern einzig vor den Konsequenzen einer (eigenen) neuen Gerichtsbarkeit. Hierzu muß der Begriff »Zeugenaussage« noch einmal klar berücksichtigt werden: Nach dessen Vorgabe sagen die Andorraner keinesfalls als Angeklagte, sondern als Zeugen der Ereignisse resp. der Hinrichtung Andris aus. Insofern erfüllt sich bei den Andorranern durchaus das Sprichwort Wer sich verteidigt, klagt sich an; sie treten zwar nur als Zeugen an, halten aber schließlich Reden, um sich damit zu verteidigen. Frisch hebt durch seine Regieanweisung diese Aussagen auch optisch vom restlichen, chronologischen Ablauf der Handlung ab; die »Zeugen« bekommen dadurch eine Sonderstellung, wie sie der eines (monologischen) Orators vor einem Auditorium nicht unähnlich ist; die Auflösung der Illusion einer »vierten Wand« unterstützt dies Setting zusätzlich. Somit ist es evident, daß der Doktor an dieser Stelle tatsächlich eine Verteidigungsrede hält, mit der er das (Theater-) Publikum überzeugen will; die Erörterung von Argumentation und pisteis auf der einen Seite und deren durch Frisch konstruiertes zwangsläufiges Mißlingen auf der anderen können nun im folgenden noch genauer beobachtet werden können.

3.2.2.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene Die Rede des Doktors erscheint offensiv und geradezu angriffslustig. Dies liegt auch daran, daß bereits im exordium Anschuldigungen paraphrasiert und gekontert werden: […] obschon schon vieles zu berichtigen wäre, was heute geredet wird. Nachher ist es immer leicht zu wissen, wie man sich hätte verhalten sollen, abgesehen davon, daß ich […] wirklich nicht weiß, warum ich mich anders hätte verhalten sollen (Zeile 5 – 8, s. Anhang).

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Die paraphrasierten Anschuldigungen werden durch negative Wortwahl (»geredet«) und Attributierung (»immer leicht«) abgewertet; eine »Entkräftung« dieser Anschuldigung geschieht allerdings nur mittels einer Leugnung der Zulässigkeit von Anklagegründen, die überheblich und unangemessen erscheint, da sie schon zu Beginn keinerlei Empathie mit dem Opfer vermittelt. Der Fokus einer »Zeugenaussage« sollte allerdings auf den Beobachtungen der Geschehnisse liegen; dies wandelt der Doktor schon zu Beginn seiner Rede in eine Erörterung über seine eigene Verantwortung um, die er als sachlogische Argumentation auch in den weiteren Teilen der Rede fortsetzt. Einerseits nimmt er also einen Perspektivwechsel vor : Er richtet die Aussage als Verteidigung gezielt auf sich selbst, bedingt durch paraphrasierte Anschuldigungen, die er erhebt. Andererseits gelangt er dadurch so sehr in die Defensive, daß er keinerlei glaubwürdiges Mitleid mehr mit dem Opfer bekundet, für das er eigentlich aussagen soll. Dies ergibt ein äußerst unvorteilhaftes ethos seiner Rede, das sich auf den Redner natürlich überträgt; weder die Erzeugung eines Wohlwollen evozierenden ethos, noch eine Persuasion mittels logos führt er erfolgreich durch. Die captatio benevolentiae, also das »Erlangen des Wohlwollens« des Auditoriums, schlägt so bereits zu Beginn fehl (Quintilian 2006a: 407 f.; inst. IV 1,6). Ein weiterer Nachteil der Strategie ist die Verwendung unkonkreter Gemeinplätze: »was heute geredet wird« (Zeile 5), »Wir haben uns damals alle getäuscht« (Zeile 11 – 12), »sein Benehmen […] etwas Jüdisches hatte« (Zeile 17 – 18), »den Gang der Dinge« (Zeile 26). Der Doktor vermeidet es explizit, konkret zu werden; natürlich muß so auch der Eindruck entstehen, daß er auf konkrete Situationen nicht eingehen will. Zudem mißlingen die Versuche, die Anschuldigungen zu entkräften, da sich seine Erklärungen ebenfalls auf unkonkrete Gemeinplätze beschränken: »warum ich mich anders hätte verhalten sollen« (Zeile 7 – 8), »was ich selbstverständlich nur bedauern kann« (Zeile 12), »daß wir sozusagen einer gewissen Aktualität erlegen sind« (Zeile 20). Der Eindruck, keine stichhaltige Argumentation führen zu können, verstärkt sich zudem durch den Gebrauch von komplizierten, mittels Hypotaxen oder Parenthesen verschachtelten Sätzen, mit denen der Doktor ebenfalls versucht, konkreten Stellungnahmen auszuweichen: »Was ich damals gesagt haben soll, ich erinnere mich nicht mehr, es ist nun einmal meine Art, ein Andorraner sagt, was er denkt – aber ich will mich kurz fassen…« (Zeile 9 – 11); Ich kann nur sagen, daß es nicht meine Schuld ist, einmal abgesehen davon, daß sein Benehmen (was man leider nicht verschweigen kann) mehr und mehr (sagen wir es offen) etwas Jüdisches hatte, obschon der junge Mann, mag sein, ein Andorraner war wie unsereiner (Zeile 16 – 19).

Ein Aussagegehalt dieser Sätze ist kaum feststellbar ; die Argumentation bleibt so oberflächlich, daß sie keinerlei Entlastung des »Zeugen« bieten kann. Dieser

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Eindruck verstärkt sich noch durch die Verwendung verallgemeinernder Pronomina und Adverbien: Die schon an anderen Zeugenaussagen zu beobachtenden [sic!] Eigenart, das ›Ich‹ durch ein kollektives ›Wir‹, ›Niemand‹, ›Alle‹ oder ›Man‹ zu ersetzen, wenn es darum geht, konkrete persönliche Verantwortung für die Geschehnisse in der Vergangenheit zu übernehmen, ist hier besonders auffällig (Bekes 1988: 20 f.).

Die Verallgemeinerung dient also der Verschleierung der eigenen Verwicklung in die Ereignisse. Das konkrete Ich benutzt der Doktor nur, wenn er von Fakten spricht, die entweder nichts mit dem Fall zu tun haben oder nur allgemeine moralische Bekundungen ausdrücken: »Ich war Amtsarzt, was ich heute noch bin« (Zeile 9), »Ich bin nicht für Greuel, ich bin es nie gewesen« (Zeile 13). Bei der Verwendung der ersten Person im Singular findet darüber hinaus eine weitere Verkomplizierung der Satzstruktur statt, wenn sich der Doktor durch die Parenthese »was meine Person betrifft« (Zeile 7 und 21) syntaktisch in eine Objektposition versetzt (cf. Bekes 1988: 20 f.); diese Konstruktion erscheint als mißlungener Versuch der Distanzierung. Die Argumentation des Doktors weist darüber hinaus deutlich unlogische Strukturen auf: »Was ich damals gesagt haben soll, ich erinnere mich nicht mehr, es ist nun einmal meine Art, ein Andorraner sagt, was er denkt« (Zeile 9 – 11). Dies ist nur scheinbar eine Argumentationskette; tatsächlich handelt es sich aber um unabhängige Parataxen, die in keinerlei Beziehung zu einander stehen und im Zweifelsfall sogar widersprüchlich sind: »Denn, wenn er sich nicht erinnert, kann er auch darüber nicht sagen, was er denkt‹« (Hermes / Hermes 2001: 54). Eine vergleichbare, unlogische Argumentation ergibt sich in der Positionierung des Doktors zu der Tatsache, daß Andri kein Jude gewesen ist: »[…] obschon der junge Mann […] ein Andorraner war wie unsereiner. Ich bestreite keineswegs, daß wir sozusagen einer gewissen Aktualität erlegen sind« (Zeile 18 – 20). An dieser Stelle erweist sich auch das vorangehende Argument – »Ich kann nur sagen, daß es nicht meine Schuld ist, einmal abgesehen davon, daß sein Benehmen […] etwas Jüdisches hatte« (Zeile 16 – 18) – als nicht nachvollziehbar ; eine Schuldlosigkeit des Doktors kann weder durch Andris »jüdisches Benehmen« eingeschränkt werden, noch entlastet dies überhaupt eine Mitschuld Dritter, da Andri hierdurch nicht belastet werden kann. Das einzige pathos, das der Doktor in seiner Rede zuläßt, ist die Glorifizierung der eigenen Person als Andorraner : »ein Andorraner sagt, was er denkt« (Zeile 10 – 11). Auch hierdurch soll eine Verallgemeinerung und Leugnung von Schuld stattfinden, da ein »genetisch« festgelegtes, nicht beeinflußbares Verhalten manifestiert werden soll; eine Entlastung des Zeugen kann freilich durch eine apodiktische Aussage wie diese nicht beim Publikum bewirkt werden. Weniger starkes pathos wird durch die vereinzelten Bekundungen des Be-

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dauerns und des Mitleids bewirkt, die ohne Anteilnahme und phrasenhaft eingestreut werden; Attributierungen und »adverbiale Leerformeln« (Bekes 1988: 20) verstärken diesen Eindruck: »was ich selbstverständlich nur bedauern kann« (Zeile 12); »Trotzdem verurteile ich sie selbstverständlich« (Zeile 15 – 16). Die schlußfolgernde Beurteilung der Ereignisse – »Eine tragische Geschichte, kein Zweifel« (Zeile 23 – 24) – soll dabei noch einmal die Schicksalhaftigkeit und die eigene Ohnmacht einzugreifen hervorheben. Der Doktor benutzt in seiner Rede zweimal die Figur der (rhetorischen) Frage; die erste (»Was hat unsereiner denn eigentlich getan?«, Zeile 7) beantwortet er selbst, die zweite (»Wie oft soll ich das noch sagen?«, Zeile 13) läßt er offen; beide Frage implizieren durch die Adverbien denn bzw. noch die Antwort, nämlich nichts bzw. nicht mehr. Es muß vermutet werden, daß die Gereiztheit dieser Fragestellungen (die sich auch in der prosodischen Umsetzung des Textes wiederfindet)231 daher resultiert, daß dies, in der Handlungslogik des Stücks, nicht die erste Stellungnahme des Doktors ist. Das Publikum, das ihn aber zum ersten Mal als »Zeugen« hört, muß diese aggressive Form irritieren oder gar abstoßen; der Tadel (»Wie oft«, v.s.) ist zudem überheblich und arrogant. Durch den Kontext des Stücks ist es darüber hinaus deutlich, daß ihm das Publikum – insbesondere bei den rhetorischen Fragen – nicht in Form der gewünschten Antworten folgen wird, sondern widersprechen soll. Die Performanz, wie am Beispiel der Version der ersten Inszenierung in Zürich deutlich werden kann,232 folgt dem Text, d. h. die überheblichen und aggressiven Abschnitte werden ebenso stimmlich und mimisch artikuliert (cf. Abbildung 9), die verschachtelten Sätze dagegen eher undeutlich ausgesprochen. Dies ist im Sinne der vom Autor anvisierten Textkonstruktion, die eine Persuasion mißlingen lassen soll: Eine Verteidigung, die in jedem Fall das »Wohlwollen« des Publikums erreichen muß, kann so nicht erzielt werden. Obwohl die Konstruktion und Ausarbeitung dieser Zeugenaussage zu dem Orator paßt, also eine gewisse personenbezogene, authentische Stimmigkeit erreicht wird, entspricht die Verteidigungsrede damit nur der widersprüchlichen und vorgetäuschten Überheblichkeit des Doktors, durch die er bereits in der chronologischen Handlung des Stücks nicht sympathisch wird (und die ihn darüber hinaus als unauthentisch und unredlich charakterisieren). Abschließend muß festgestellt werden, daß der Doktor vor allem das innere und äußere aptum durch die Konstruktion seiner Rede verletzt: Statt der im exordium angedeuteten, kurzen sachlogischen Darstellung verliert er sich in 231 Prosodie in der Darbietung des Doktors durch Willy Birgel, Version der Uraufführung vom 02. 11. 1961 (Frisch 1961: II,4 03:29 – 05:29), sowie in einer Aufführung im Schauspielhaus Zürich von 1964 unter der Regie von Kurt Hirschfeld (Hirschfeld 1964: 01:40 – 01:43); an der Aufführung von 1964 ebenfalls Beurteilung von Mimik und Gestik. 232 V.s.

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Abbildung 9

Phrasen, und statt einer empathischen Stellungnahme, die für ihn als (Augen-) Zeugen angemessen wäre, nimmt er eine aggressive Opposition ein. Durch seinen dem Auditorium durch die vorangegangene Handlung bekannten Antisemitismus und die Erniedrigung Andris während der Untersuchung (Viertes Bild, Frisch 1998c: 488 – 492) erweist sich die Hauptaussage seiner Rede schließlich als drastische Lüge: »Ich bin nicht Schuld, daß es so gekommen ist« (Zeile 24).

3.2.2.4 Zusammenfassung und Ergebnis In der Wurstelei unseres Jahrhunderts, in diesem Kehraus der weissen Rasse, gibt es keine Schuldigen und keine Verantwortlichen mehr. Alle können nichts dafür und haben es nicht gewollt. Alles wird mitgerissen und bleibt in irgendeinem Rechen hängen. Wir sind zu kollektiv schuldig, zu kollektiv gebettet in die Sünden unserer Väter und Vorväter« (Dürrenmatt 1963: 47).

Mit den Zeugenaussagen, die chronologisch lange nach den dargestellten Ereignissen stattfinden, schließt sich der Bogen zum Beginn des Stücks, in der Barblin die Mauern Andorras »weißelt«, also weiß anstreicht: Die Reden sind die

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kommunikative Form des Weißelns, sie sollen jegliche Schuld der Andorraner zudecken. Doch wie auch ein einfacher weißer Anstrich den Modellstaat nicht von der Verantwortung befreit, vermögen es auch die Reden nicht, sowohl im allgemeinen als auch die des »Doktors« im speziellen. Begreift man das letzte, Zwölfte Bild als Parabel innerhalb der Parabel, so wird auch verständlich, warum die Reden nicht gelingen können: Die Judenschau und die Hinrichtung Andris sind nur die Erfüllung dessen, was die Andorraner während des gesamten Stücks betreiben: Die Verfolgung, Ausgrenzung und Eliminierung eines individuellen Menschen, weil sie ihn durch eine erdachte Attributierung und Syntaktisierung vorsätzlich zu jemandem machen, den sie verfolgen, ausgrenzen und eliminieren können. Die Selektion und Hinrichtung sind die allegorische Umsetzung dieses Prozesses, der »mit Leichtigkeit durch sachliche Gegenbeweise widerlegt« werden könnte (Emmel 1963: 129). Daß die Andorraner ihr Urteil in den Aussagen nicht revidieren, hat dieselbe ursächliche Motivation wie ihr Verhalten während des restlichen Stücks: »die Kräfte, die die Revision nicht wünschen, weil ihnen an der Durchführung des Verfahrens gelegen ist, beherrschen das Feld« (ibid.). Dies ist vielleicht eine der wichtigsten Erkenntnisse, die Frischs Stück liefert: Er stellt dar, daß die Andorraner nicht durch Fahrlässigkeit oder Mitläuferschaft am Tod Andris Schuld sind, sondern diesen aktiv »erzeugen« – weil sie es so wollen. Allein der Pfarrer erkennt in seiner Aussage die eigene Schuld (und die der anderen): »Auch ich bin schuldig geworden. […] Auch ich habe mir ein Bildnis gemacht von ihm, auch ich habe ihn gefesselt, auch ich habe ihn an den Pfahl gebracht« (Frisch 1998c: 509). Dies ist der Kern von Max Frischs »Modell«: In dem »Spiegel« erscheint seine Definition der Schuld, die sich nicht auf Mitläuferschaft oder Fahrlässigkeit reduzieren läßt; das »Bildnis« ist der Grund der Schuld, weil es die Andorraner nicht dulden und eliminieren wollen. Es ist eine signifikante Feststellung, daß die Uraufführung des Stücks in den USA gescheitert ist: Es ist […] ein Unisono der Gereiztheit festzustellen, ein Unterton der Abwehr wahrzunehmen. Man will sich von Andorra nicht treffen lassen und behauptet, unter Hinweis auf den europäischen Erfolg, es möge ›drüben‹ eine massentherapeutische Wirkung haben, hier aber renne es offene Türen ein (cf. Lietzmann 1993: 244).

Es ist eine um so bezeichnendere Aussage, als daß Publikum und Rezensenten »das Stück oder vielmehr seine Implikationen einfach nicht verstanden« haben (ibid.: 245), denn ihre Interpretation von Andorra ist schlicht unpräzise, und damit falsch: »Daß rassisches Vorurteil ein Übel sei, und wozu es führen könne, habe man hier längst und allgemein begriffen [sic!], dazu brauche man Max Frisch nicht« (ibid.: 246). Die Aussage des Stücks auf diese simplifizierte Formel zu reduzieren ist naiv und bezeugt, daß Frischs These – das konstruierte

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»Bildnis« als überhaupt möglich machender Grund für Rassismus und Verfolgung – anscheinend in den USA nicht erkannt wurde; der »Blick in den eigenen Spiegel« war offensichtlich nicht erwünscht. Die Zeugenaussagen sind ein wichtiges Hilfsmittel zur Verständnis des Stücks: »Das Urteil der Andorraner über Andri wird nun als Vorurteil erkannt, jedes Wort, das ein Andorraner über Andri sagt, kann vom Zuschauer kritisch geprüft und gewertet werden« (Eckart 1965: 15). Der Zuschauer hat also stets den Vergleich von Verteidigungsreden und »Benehmen« während des Stücks; der interpretatorische Abgleich ist die intellektuelle Forderung des Autors – also eine rhetorische pistis mittels einer sachlogischen Argumentation. Hierauf ist die Wirkung der Zeugenaussage aber nicht beschränkt: Die »›normativen Gefühle‹ wie Gerechtigkeitsgefühl, auch Entrüstung, Empörung und Zorn sollen den Zuschauer zum Handeln aufrufen, zur Veränderung einer Welt, die nicht so ist, wie sie sein soll« (ibid.: 16). Frisch nutzt aus der Kombination von Handlung und Zeugenaussage die ganze »Klaviatur« der rhetorischen Wirkungsmittel, gegen die die Zeugen mit einer phraseologischen Rede wie der des Doktors, singulär betrachtet, keine Möglichkeit der Gegenüberzeugung haben. Zudem muß konstatiert werden, daß die »Zeugen« auch innerhalb der Handlung nicht sympathisch dargestellt werden; der Doktor ist ein gutes Beispiel dafür : Durch die äußerst abwertende Behandlung Andris einerseits und seine geschwätzige, völlig unbegründete Überheblichkeit andererseits kann nur eine Antipathie erzeugt werden, die natürlich eine Präjudikation seiner »Verteidigungsrede« hervorruft – und hervorrufen soll. Unterstützend für das endgültige Mißlingen der Verteidigung und die Unwirksamkeit der angestrebten Überzeugung ist, wie sich insbesondere in der Mikroanalyse herausgestellt hat, die mißlungene rhetorische Konstruktion der Rede. Argumentationsstrukturen und Wortwahl wurden ebenso mißlingend verwendet wie die emotionalen Mittel von ethos und pathos. Frisch entlarvt hierdurch indirekt auch den tatsächlichen (Informations-)Gehalt solcher Rechtfertigungen: Sie stützen sich auf Scheinbegründungen, die das Verhalten eben weder verteidigen, noch Schuld rechtfertigen können. Die Zeugenaussage des Doktors erscheint schließlich als Musterbeispiel für eine Verteidigungsrede, die mißlingen muß: Sie scheitert sprachlich und emotional, sachlogisch und in ihrer Angemessenheit. Eine Erlangung des Wohlwollens derjenigen, die ja gerade über den Redner urteilen sollen, wird provokant verweigert bzw. absichtlich pervertiert. Bei der Zeugensaussage ergibt sich schließlich ein Sonderfall einer nahezu absolutistischen Wirkung: Es ist einerlei, welcher Teil der Rede zitiert wird – sie wird immer mißlingen.

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

3.2.3 Den Menschen einen Spiegel vorhalten: Wirkungsmechanismen im Vergleich Es ist eine überraschende und signifikante Erkenntnis, daß Jenningers Rede und Frischs Andorra in Gänze dieselbe Fragestellung leitet: Wie konnte es dazu kommen? Beide kommen zu derselben Begründung – Das Wesentliche wurde gewußt und selbst verschuldet –; wo Jenninger aber das konkrete Beispiel benennt und darlegt, ist Frischs Stück Abstraktion und sozialpsychologische Interpretation. Um so eklatanter ist die Feststellung, daß die realen Begründungen, Rechtfertigungen und Ausflüchte der Bevölkerung äquivalent sind zu den fiktiven Zeugenaussagen (3.2.2.2, cf. Hermes / Hermes 2001: 62). Bei Jenninger heißt es: »Hatten sie sich nicht in der Vergangenheit doch eine Rolle angemaßt – so hieß es damals –, die ihnen nicht zukam?« (Zeile 209 – 210, s. Redetext Jenningers im Anhang), bei Frisch: »Ich kann nur sagen, […] daß sein Benehmen […] etwas Jüdisches hatte […]« (Zeile 16 – 18, s. Redetext des Doktors im Anhang); bei Jenninger heißt es: »Was geht es uns an!« (Zeile 218), bei Frisch: »Was hat unsereiner denn eigentlich getan?« (Zeile 8); Jenninger beschreibt ein »aggressives Nationalbewußtsein« (Zeile 248), der Doktor gibt an: »es ist nun einmal meine Art, ein Andorraner sagt, was er denkt« (Zeile 10 – 11). Max Frischs Andorra erscheint letztlich als genau das, was Jenninger in Form von Zitaten, erlebter Rede und rhetorischen Fragen erklärt: die Genese von Vorurteilen, Rassismus und Verfolgung. Der wesentliche Vorteil, den Max Frisch gegenüber Jenninger hat, ist die Charakterisierung der Andorraner, die für sie in hohem Maß – auch während ihrer Zeugenaussagen – eine Antipathie der Zuschauer erzwingt: Diese Möglichkeit hat Jenninger in einer realistischen Darstellung der Ereignisse nicht, und letztendlich ist dies möglicherweise auch ein Schwachpunkt von Frischs Stück. Denn so offensichtlich schlecht und unsympathisch, wie die modellhaften Bewohner seines Modellstaats sind die Menschen eines realen Deutschlands oder einer realen Schweiz nicht – und dennoch bleibt die Annahme des »Modells« für die Realität beständig. Natürlich ist die von Frisch gewählte, rhetorisch-literarische Darstellung die sicherste und eindeutigste – Frischs Intention und die Persuasion durch sein Stück dulden diese Ästhetik –; hier aber besteht der deutliche Unterschied zwischen modellhafter Fiktion und Realität. Der Vergleich der Rede Jenningers und der des »Doktors« ermöglicht die genaue Unterscheidung zwischen einer rechtfertigenden Rede und einer erklärenden. Frischs Stück erklärt die Ursachen für Fremdenhaß und Verfolgung, aber es rechtfertigt sie nicht; ebenso verhält es sich mit Jenningers Rede. Die Aussage des Doktors hingegen versucht eine Rechtfertigung, und ebenso verhält es sich mit den (historischen) Zitaten und Paraphrasierungen, die Jenninger nennt. Beide Texte beweisen nicht nur die Unzulänglichkeit und Haltlosigkeit

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solcher Verteidigungen, sie erklären auch deren Sinnlosigkeit: Denn das Resultat machen Frischs Andorraner genau so wie reale Menschen trotz jeglicher Rechtfertigung überhaupt erst möglich. Erst wenn man Jenninger unterstellt, er benutze die (historischen!) Aussagen tatsächlich, um damit die Ereignisse aus der Perspektive der Gegenwart zu entschuldigen, entstünde eine »Rechtfertigungsrede«. Dies war nie Jenningers Intention, noch hat er die Rede so konstruiert; erst aus dem Zusammenhang gerissen und (mutwillig) verfälschend zitiert, erfüllt sich diese Unterstellung. Das Äquivalent für diese Feststellung wäre bei Frischs Andorra: Die Aussagen der »Zeugen« werden aus dem Zusammenhang gelöst zitiert, und es würde unterstellt, Frisch wolle damit Rassismus und Verfolgung rechtfertigen. Diesem Vorgehen hat Frisch, sicherlich an dieser Stelle unbeabsichtigt, durch die Konstruktion der Rede vorgebeugt, weil jene die Unhaltbarkeit der Aussagen ebenfalls entlarven sollen, und auch dies ist eine literarisch-rhetorische Funktion, die der fiktionalen Rede im Kontext und aptum dieses Stücks vorbehalten ist. Beide, sowohl Philipp Jenninger als auch Max Frisch, wollten ihrem Publikum einen Spiegel vorhalten; Frischs Publikum hat dies im allgemeinen akzeptiert und sich darauf eingelassen, ein Teil des Plenums im Bundestag offenbar nicht. Beiden Texten – Andorra und Jenningers Rede – fehlt dabei der automatische kathartische Effekt: Nicht zuerst ›Gefühlsregungen des lebendigen Dramas‹ […], auch nicht so sehr ›Gefühlsregungen des Miteinanders‹ […] oder ›des Füreinanders‹ […] sollen […] zu einer Katharsis führen, sondern die ›noetischen Gefühle‹ […] und noch mehr die ›normativen Gefühle‹ […] (Eckart 1965: 16).

Bedenkt man die Irritation und das Unbehagen, die Jenninger damit auslöste, so kann vielleicht auch das Unverständnis der New Yorker Rezipienten und Rezensenten »on Broadway«233 damit erklärt werden, für die es einfacher war, das Stück »plump, schwerfällig, monoton« (Lietzmann 1993: 245) zu finden, als sich damit auseinanderzusetzen. Es ist indes frappierend, daß Attribute wie plump, schwerfällig und monoton im November 1988 ebenso als abwertende Charakterisierung Philipp Jenningers geäußert wurden. Es ist allerdings eine wichtige Erkenntnis, daß die prosodische Umsetzung von Frischs Text markant zur Antipathie gegen den »Doktor« beiträgt. Prosodie hat, so konnte auch bei Jenninger nachgewiesen werden, einen nicht unerheblichen Stellenwert bei der Wirkung von Reden, insbesondere bei Themen, die eine hohe Empathie des Redners zur Sensibilität für den Redeinhalt und der möglichen Empfindlichkeit der Rezipienten verlangt. Dem Doktor gelingt diese 233 Cf. Lietzmann 1993: 245 f.

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

Empathie aus Rücksichtslosigkeit nicht, Jenninger aus Unbedachtheit; eine Verringerung des Wohlwollens des Auditoriums ist bei beiden Reden und Rednern der Fall und unterstützt die Annahme, daß eine ungenügende prosodische Leistung die Wahrscheinlichkeit des Mißlingens bzw. die Angreifbarkeit einer Rede erhöht. Die Frage, wie sich Rassismus und Völkermord während des Nationalsozialismus erklären lassen, versucht Max Frisch »modellhaft«, Philipp Jenninger an konkreten Beispielen zu beantworten. Beide wurden dafür getadelt. Die Erklärung, die schon Schiller für die Beschreibung eines Verbrechers fand, ist angenehmer, denn sie schließt einen Vergleich von Verbrechern und »realen« Menschen aus: Wir sehen den Unglücklichen, der doch in eben der Stunde, wo er die Tat beging, so wie in der, wo er dafür büßet, für ein Geschöpf fremder Gattung an, dessen Blut anders umläuft als das unsrige, dessen Wille anderen Regeln gehorcht als der unsrige […] (Schiller 2002: 563).

Ein Teil der Kritik an Jenninger und Frisch kann damit zusammengefaßt werden, daß der Antisemitismus und der Genozid an den Juden während des Nationalsozialismus vielen als unvergleichbar, unerklärbar und nicht »modellhaft darstellbar« gilt; freilich auch deshalb, weil sich die »neonationale Staatsräson« (Briegleb 1994: 22) so den bequemsten und sichersten Beistand der Opfer ermöglicht und gewährleistet. Weder die Intention Jenningers – Lehren für die Zukunft zu gewinnen –, noch die Frischs – »zum Handeln aufrufen, zur Veränderung einer Welt, die nicht so ist, wie sie sein soll« (Eckart 1965: 16) – erscheint bei solch einer strikten Beschränkung noch möglich. Doch erst die Akzeptanz des Spiegelbildes, das Jenninger und Frisch präsentieren, gestattet am Ende die Erkenntnis: Vergleich und Erklärung sind möglich – nur eben nicht aus einer sicheren, bequemen und angenehmen Perspektive heraus.

3.3

Auf allen Kanälen: Die Doppelmedialisierung der Rede »When I use a word,« Humpty Dumpty said in rather a scornful tone, »it means just what I choose it to mean – neither more nor less.« »The question is,« said Alice, »whether you can make words mean so many different things.« »The question is,« said Humpty Dumpty, »which is to be master – that’s all.« Lewis Carroll, Through the Looking-Glass (VI)

Die vorangehenden Analysen und insbesondere die Erörterung der Rede Philipp Jenningers haben gezeigt, daß die heutige politische Rede nicht nur ein Publi-

Auf allen Kanälen: Die Doppelmedialisierung der Rede

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kum hat: Das Auditorium besteht sowohl aus den unmittelbar anwesenden Rezipienten als auch aus denen, die über die Medien live oder zeitverzögert von Rede und Reaktionen erfahren. Eine Rede kann somit zweierlei Arten von Text beinhalten: Zum einen den, welcher vom unmittelbar anwesenden Publikum wahrgenommen wird, und zum anderen den, welcher durch Medien kanalisiert reflektiert wird. Rede und unmittelbare Reaktion vermischen sich und verschmelzen so für den externen Rezipienten noch viel stärker als für das »interne Publikum« zu einem Gesamttext, in dem die Reaktion des anwesenden Auditoriums die Wirkung der Rede transportiert und, im Idealfall, selbst Teil von telos und Wirkung wird. Der Redner befindet sich dabei auf einer »doppelten Bühne«: sowohl der vor seinem direkten Auditorium als auch der, die die gesamte Szenerie für das externe Publikum ausmacht. Im Gegensatz zum unmittelbar anwesenden Auditorium besteht dabei für alle anderen Rezipienten keine homogene »lokale Anwesenheitspflicht«, damit ist das externe Publikum örtlich ungebunden (und diesbezüglich auch völlig heterogen) und kann sich daher auch aus sozial und politisch völlig heterogenen Teilnehmern zusammensetzen – individuellen Teilnehmern, aber auch aus »politischen Clustern«, also z. B. Vertretern von Parteien, Kommunen, Staaten und Interessengemeinschaften. Der Einfluß der »Echtzeitmedien auf die Modalitäten des öffentlichen Redens« (Guhr / Knape 2008: 481), aber auch der der zeitverzögerten Medien ist also beträchtlich, wenn man für die Wirkungsmechanismen eines Vortrags auch den Kanal der dargestellten Doppelmedialisierung und die Re-Reflexion der Medien berücksichtigt. Insbesondere im Zeitalter des unmittelbar und ständig verfügbaren Archivmaterials nehmen Echtzeitmedien dabei gleichzeitig eine Mischfunktion aus Echtzeit- und repräsentativem Medium ein, das die Rezeption einer Rede auch nach deren tatsächlicher actio unbegrenzt möglich macht. Das Publikum nimmt im Fall der Doppelmedialisierung allerdings keine marionettenhafte Statistenrolle unter der Regie des Redners ein. Während der Rede Jenningers saßen die »Regisseure« beispielsweise, wenn überhaupt, im Publikum oder waren gar die berichtenden Journalisten. Berücksichtigt der Redner aber die Medialisierung der Rede für ein externes Publikum, kann er zumindest das Setting und wahrscheinliche Reaktionen für die intendierte externe Wirkung einkalkulieren. Wie in 3.1 und 3.2 dargestellt, kann dies zu einer größeren Aufmerksamkeit der Rede führen; bereits antike Redner – Gorgias, Caesar – erreichten z. B. durch einen »Verstoß« gegen die Redengenera eine Verstärkung ihres tatsächlichen telos und eine attributierte Aufmerksamkeit bei »Dritten«, also dem »externen Publikum« (cf. 3.1 und 3.2). Ein modernes Beispiel für (frühe) gelungene Doppelmedialisierung stellt beispielsweise die Rede Ernst Reuters am 9. September 1948 vor dem Reichstag in Berlin dar, in der er mit einem Perspektivwechsel die externen Rezipienten ansprach, das direkte Publikum darin inhaltlich einbezog und sich Setting und unmittelbare Reak-

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

tionen schließlich in die Kanalisierung und Medialisierung einflochten: »Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, daß ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt!« (Reuter 1974: 479). Eine andere, medial vergleichbare Situation für kommunikative politische Handlung jenseits der Frontalrede ereignete sich z. B. am 20. März 2002 im Deutschen Bundesrat, als ein neues Gesetz zur Zuwanderung ratifiziert werden sollte, dabei bewußt Verfahrensfehler begangen und jene von der Opposition lautstark kritisiert wurden: Hier kanalisierten die Medien die (inszenierte) Botschaft des »Verfassungsbruchs« für ein externes Publikum.234 Setting, Auditorium und Reaktionen übernehmen bei einer Doppelmedialisierung, nüchtern betrachtet, schlicht äquivalente Wirkungsfunktionen zu Redner und Textelementen ein; sie müssen sich daher auch in die rhetorischen pisteis einordnen lassen. Hervorragende Beispiele für die Wirkungen von doppelmedialisierter rhetorischer Kommunikation stellen insbesondere die Rede Helmut Kohls vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche aus dem Jahr 1989 sowie die Rede des Marquis Posa aus Schillers Don Carlos dar. Beide Reden weisen stark ausgeprägte Merkmale von differenzierbaren Intentionen, rhetorischen Texten und Wirkungen auf, und an ihnen lassen sich die Bestimmung und Konstruktion der verschiedenen teloi exemplarisch beobachten und erörtern. Besondere Aufmerksamkeit kann dabei auf den Ablauf der Doppelmedialisierung und die Konstruktion der rhetorischen Texte gelegt werden, um der Frage nachzugehen, welche Elemente sich den rhetorischen pisteis zuordnen lassen, welche Wirkungsfunktion sie dabei einnehmen und inwiefern sie das telos des Redners in bezug auf das interne oder das externe Auditorium verändern; potentielle Gefahren und die Möglichkeiten einer vorherigen Kalkulation der Doppelmedialisierung sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

234 Ursache für die lautstarken Entrüstungen von CDU-Ministerpräsidenten war das Verhalten des Bundesratspräsidenten Wowereit (SPD), der die Stimme des durch eine Große Koalition aus SPD und CDU geführten Landes Brandenburg als »ja« wertete, obwohl nur Ministerpräsident Stolpe (SPD) mit »ja« stimmte, während Innenminister Schönbohm ein »Nein« angab. In diesem Fall wird die Stimme für gewöhnlich als Enthaltung gewertet (cf. Ross in Die Zeit 21. 03. 2002: 2 und Prantl in SZ 25. 03. 2002: 2): »Wenn die Kameras laufen, empört sich die Union. Dann ruft sie ›Skandal‹ und ›Verfassungsbruch‹ und erklärt die deutsche Demokratie für gefährdet. Wenn die Kameras nicht laufen, zeigt sich diese Union hoch zufrieden mit dem Eklat über das Zuwanderungsgesetz« (Holl in Die Zeit 25. 03. 2002: 2). Die Empörung der »Union« war in diesem Fall also geplant, und die Doppelmedialisierung einkalkuliert (cf. ibid.). Allerdings wird der Bundesrat nicht nur von der CDU als »doppelte Bühne« genutzt; wie später vermutet, wurde der »Eklat« auch von der SPD angestrebt: »Der Auftritt von Manfred Stolpe und Klaus Wowereit im Bundesrat war bis ins Detail geplant« (Schwennicke in SZ 25. 03. 2002: 2).

Auf allen Kanälen: Die Doppelmedialisierung der Rede

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3.3.1 Die Einheit unserer Nation: Rhetorische Diskursanalyse der Rede Helmut Kohls vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche am 19. Dezember 1989 Rückblickend betrachtet erscheinen die Ereignisse aus den Jahren 1989 und 1990, die letztlich zur deutschen Wiedervereinigung führten, manchmal fast als logische Verkettung, als zwangsläufige Abfolge von Ereignissen, die völlig natürlich von der innerdeutschen Grenzöffnung am 9. November 1989 nur ein knappes Jahr später, am 3. Oktober 1990, in den Tag der Deutschen Einheit mündeten. Tatsächlich muß aber attestiert werden, daß es am 9. November und den Wochen und Monaten danach noch keineswegs sicher war, wann es zu einer Wiedervereinigung kommen würde – oder ob überhaupt. Nicht nur die instabile politische Lage und die unklare Haltung der Sowjetunion (und des Warschauer Pakts) ließen ernsthafte Spekulationen kaum zu, auch die Zustimmung der europäischen Nachbarn und das Wohlwollen der Amerikaner waren keineswegs sicher – im Gegenteil: Insbesondere England und Frankreich waren entschiedene Gegner einer baldigen Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, wie sich im folgenden noch zeigen wird. Helmut Kohl, amtierender Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, reiste zum damaligen Ministerpräsidenten der »Deutschen Demokratischen Republik«, Hans Modrow, für ein Gipfeltreffen nach Dresden, um mit ihm über den Reformprozeß in Ostdeutschland zu sprechen (cf. Kohl 2005: 1020 – 1022 und Kohl / Diekmann / Reuth 2000: 191 – 194). Dem Besuch vorangegangen war am 28. November 1989, also einige Wochen zuvor, eine spektakuläre Rede Kohls im Bundestag, in der er seinen Zehn-Punkte-Plan vorstellte, der eine Wiedervereinigung möglich machen sollte und sein politisches Ziel nun klar definierte: die Einheit Deutschlands wiederherzustellen. Kohl hatte jene Rede weder mit seinem Koalitionspartner, der FDP, noch mit den anderen Parteien im Bundestag, und schon gar nicht mit den Regierungen anderer Staaten abgesprochen: »Hätte ich die Zehn Punkte innerhalb der Koalition oder gar mit den Verbündeten abgestimmt, wären sie am Ende völlig zerredet worden (Kohl 2005: 996). Auch wenn Kohl jegliche »zeitliche Festlegung« vermied (cf. ibid.: 995 f.), muß der Unmut über den (unabgesprochenen) 10-Punkte-Plan sowohl unter der politischen Führung der DDR als auch in Europa und der Sowjetunion groß gewesen sein, was auch daraus erkennbar ist, daß FranÅois Mitterrand als erster französischer Staatspräsident überhaupt die DDR am 20. Dezember 1989 offiziell besuchte, also einen Tag nach Kohls Visite.235 235 Eine Auseinandersetzung mit einer plötzlich realistisch erscheinenden Wiedervereinigung muß in jenen Tagen aber zwangsläufig zu einem realistischen Konzept führen; Küsters kommentiert: »Überraschend ist nun vierzig Jahre nach Gründung der beiden deutschen

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

Für Kohl konnte die Positionierung der DDR-Bevölkerung, aber auch die der eigenen – insbesondere unter den Anhängern der Opposition – zu einer Wiedervereinigung ebenfalls nicht völlig klar sein;236 die Grünen hatten beispielsweise am 9. November eindrucksvoll bewiesen, was sie von den Ereignissen in der DDR bzw. den Reaktionen der anderen Parteien dazu hielten: Als das Plenum die Öffnung der innerdeutschen Grenze ansprach, stimmten einige der Abgeordneten nicht in den Gesang der Nationalhymne ein und blieben auf ihren Plätzen,237 und auch die Worte des damaligen Regierenden Oberbürgermeisters West-Berlins, Walter Momper (SPD), während der Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus am Tag nach der Maueröffnung klingen mit Blick auf eine Einheit Deutschlands eher kontraindiziert und konservierend: In der DDR wird jetzt ein faszinierendes Kapitel deutscher Geschichte geschrieben. Dieses Kapitel der Geschichte, das wird vom Volk der DDR selbst geschrieben. […] Die demokratische Kultur der Bürger der DDR ist unverbraucht. Sie zeugt von sozialer Verantwortung und der Abneigung gegen die Ellenbogengesellschaft. Davon werden sich bei uns manche eine Scheibe abschneiden können (Momper 1991: 165 f.).238

Um seinen Plan in die Tat umzusetzen, mußte Kohl also zum einen die Bürger der DDR für sich gewinnen, zum anderen aber allen Gegnern im In- und vor allem im Ausland demonstrieren, daß die Prozesse unumgänglich und die Sehnsucht Staaten der Tag X der Grenzöffnung eingetreten, und die Bundesregierung verfügt über kein politisch brauchbares Konzept, was zu tun ist. Erst recht nicht gibt es für den Fall der bevorstehenden Wiedervereinigung irgendwelche Vorarbeiten, Ablaufpläne oder Krisenszenarien neueren Datums, auf die das Bundeskanzleramt zurückgreifen kann. Womit Regierungen und Planungsstäbe nicht rechnen, darüber werden auch keine Überlegungen angestellt« (Küsters / Hofmann 1998: 59). 236 Jelinek kommentiert: »Auf dem Berliner Alexanderplatz […] findet in diesen Tagen eine Demonstration gegen die Wiedervereinigung […] statt. Der neue Vorsitzende der SEDPDS, Gregor Gysi, verteidigt in einer Rede die Unabhängigkeit der DDR. Und in Westberlin kritisiert der Kanzlerkandidat der SPD, Oskar Lafontaine, die Wiedervereinigungspolitik der Regierung Kohl. Falsches politisches Urteilsvermögen schützt nicht vor einer weiteren politischen Karriere: 20 Jahre nach der Dresdner Rede von Kohl stehen Gysi und Lafontaine an der Spitze einer gesamtdeutschen Linkspartei« (Jelinek 2009: 280; cf. auch Neues Deutschland 20. 12. 1989: 1). 237 »Als Vizepräsidentin Annemarie Renger die Aussprache um 21.10 Uhr schloß […], stimmten zwei, drei Abgeordnete aus den Reihen der CDU und CSU die Nationalhymne an. Zuerst zögernd, dann laut mitsingend, stimmten fast alle Parlamentsmitglieder (nur einige Grüne und Sozialdemokraten blieben stumm) ein: […] – für die einen vielleicht eine nationalistische Pose, für andere eine willkommene Gelegenheit, ihrer Anspannung Luft zu verschaffen« (Lölhöffel in FR 11. 11. 1989: 4; cf. Schwehn in Die Welt 11. 11. 1989: 4. Schwehn verortet die Abgeordneten, die nicht mitsingen, allerdings nur unter der Fraktion der Grünen). Es erscheint möglich, daß die Verweigerung zum »Mitsingen« auch aufgrund des historischen Datums – 9. November – geschah; cf. 3.2.1. 238 Momper kommentiert seine Intention selbst so: »Ich wollte den Menschen in der DDR mit diesen Worten Selbstvertrauen und Stolz vermitteln. Gefühle, die ihnen vierzig Jahre lang systematisch ausgetrieben worden waren. Hinter mir, wo der Kanzler und die Kabinettsmitglieder standen, bemerkte ich heftigen Unmut« (Momper 1991: 165).

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der Deutschen nach einer staatlichen Einheit nicht nur unabänderlich, sondern auch redlich waren. Diese Gelegenheit der Demonstration erhielt Kohl am Abend des 19. Dezembers in Dresden: »Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, eine Rede zu halten, doch jetzt stand für mich fest, dass ich zu den Menschen sprechen mußte«, resümierte Kohl über die Menschenmassen, die ihn in Dresden empfangen, begleitet und mit Sprechchören gefeiert hatten (Kohl 2005: 1020). Ein geeigneter Platz für die Rede fand sich durch einen Hinweis des Dresdner Oberbürgermeisters: »Der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer kam auf die Idee, ich könnte doch vor der Ruine der Frauenkirche sprechen. Er lieh uns auch die Ausrüstung dafür – Mikrofone, eine provisorische Bühne. Wir selbst hatten ja nichts dabei« (Kohl / Diekmann / Reuth 2000: 192). Es kann sich nun deutlich herausstellen lassen, daß die Rede trotz jedweder Spontaneität zu einer der größten rhetorischen Leistungen Kohls wurde, eine beispielhafte Doppelmedialisierung aufweist und sich an ihr zudem die schwierige Kalkulation der »verdoppelten« Wirkungselemente beobachten läßt, die sich durch Rede und Setting ergeben. 3.3.1.1 Makroebene: Diskurs und Setting Die Reflexion und die hieraus resultierende Doppelmedialisierung lassen sich grob in zwei Referenzen einteilen: diejenige, die sich mittels verfügbarer historischer Berichterstattung belegen läßt, und diejenige, die sich durch begründete Vermutungen zwangsläufig ergibt; zu letzterer zählt vor allem die (zeitnahe) externe audiovisuelle Rezeption der Rede sowie deren Reflexion in den Medien (und wiederum deren Rezeption). Kohls Rede wurde am 19. Dezember durch das Zweite Deutsche Fernsehen in einem ZDF spezial live übertragen; die Sendung begann um 16:30 Uhr (cf. Kommentarübersicht, ZDF 20. 12. 1989). Die Rezeption der Übertragung war in Deutschland problemlos möglich; sofern dies im Ausland nicht der Fall war, stand den Regierungen aber, so muß angenommen werden, ein Mitschnitt sicherlich zeitnah zur Verfügung. Die Übertragung spielt für die Doppelmedialisierung eine entscheidende Rolle und wird im folgenden noch in die Analyse mit einbezogen werden. Die Rede wurde am frühen Abend gehalten; die Tagesschau um 20:00 Uhr berichtete bereits über die Ereignisse: Er sagte, das langfristige Ziel seiner Politik sei die Wiedervereinigung, doch er sagte auch, man dürfe die besondere Lage Deutschlands und die deutsche Geschichte nicht vergessen. […] Der Kanzler hat hier eine Rede gehalten, die auch diejenigen, die vor Hysterie und gefährlichen Emotionen warnen, durchaus akzeptieren konnten (ARD 19. 12. 1989: 00:03).

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

Hieraus lassen sich eine erste, positive Beurteilung der Rede schlußfolgern und grundlegende Intentionen des Redners feststellen: Die öffentliche Bekräftigung des Willens einer (baldigen) Wiedervereinigung als friedliche Absicht unter der Akzeptanz der internationalen Staatengemeinschaft. An den darauf folgenden Tagen schrieben viele nationale und internationale Printmedien mit aussagekräftigen Titeln und ausführlichen Berichten über das Gipfeltreffen in Dresden. Die inländische Presse reflektiert: »Nach seinen Gesprächen mit Modrow hielt Kohl an der Ruine der Frauenkirche […] eine Ansprache. Die Zuhörer schwenkten zahlreiche schwarz-rot-goldene Fahnen« (SZ 20. 12. 1989: 1); »Jubel, Fahnen und viele Transparente mit Forderungen nach der Einheit begleitete die Rede des Kanzlers in Dresden« (Bildunterschrift, Die Welt 20. 12. 1989: 1); »Helmut, komm ans Fenster, ruft die Menge« (Feldmeyer in FAZ 20. 12. 1989: 3); »›Helmut und Hans, macht’s Deutschland ganz‹« (Mörbitz in FR 20. 12. 1989: 3); »Jubelstürme um Kohl in Dresden: Gott segne unser deutsches Vaterland« (Bild 20. 12. 1989: 1). Eine besonders präzise Reflexion der Ereignisse findet sich in der Zeit: Die Tausenden auf dem Platz vor der Ruine der Frauenkirche teilen den Überschwang und verlangen nach mehr großen Worten. Die Hände Kohls zittern, als er einen Kranz niederlegt für die Opfer des Bombenkrieges. Er muß Sorge tragen, daß die großen Gefühle der Menschenmasse vor ihm, die nach ihm und der Wiedervereinigung schreien, nicht außer Rand und Band geraten. Er spricht schleppend, nennt Modrow ›Ihren Ministerpräsidenten‹ und die DDR, ›Ihre Heimat‹, die lebenswert gemacht werden müsse. […] Aber nur da, wo er die Einheit ausmalt und seine aufgewühlten Zuhörer als Landsleute anspricht, antwortet ihm ein tausendfaches, wildes ›Jaaa‹ aus tiefster Seele (Spörl in Die Zeit 22. 12. 1989: 2).

Obwohl die Rede in vielen deutschen Zeitungen erwähnt wurde, bleibt der Fokus der Berichterstattung zunächst auf den Gesprächen zwischen Kohl und Modrow. Erst am nächsten Tag wird auch die Rede bedeutender und stark positiv reflektiert; die FAZ schreibt: »Am Ende seiner kurzen Rede war die Begeisterung der Menschen nicht kleiner, doch der unkontrollierte Überschwang hatte sich in einen kontrollierten, gleichwohl stürmischen Beifall verwandelt […]« (Zimmermann in FAZ 21. 12. 1989: 3). Die Welt faßt signifikant zusammen: »Die wichtigste Hilfe, die der Kanzler den Menschen drüben mitbringen konnte, war die Hoffnung auf ein Zusammengehen. Der Jubel von Dresden war ein Signal, das die Völker hören« (Ahlers in Die Welt 21. 12. 1989: 2). In der ausländischen Presse setzt sich dieser Eindruck der expliziten Berichterstattung über die Rede größtenteils fort. Die New York Times druckt am 20. Dezember ein Foto von der Kundgebung vor der Frauenkirche auf Seite 1, der zugehörige Artikel führt die Zwischenüberschrift »Reunification called goal« (Schmemann in New York Times 20. 12. 1989: 1); im Text wird zusammengefaßt:

Auf allen Kanälen: Die Doppelmedialisierung der Rede

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»Their [ostdeutsche Demonstranten, J.K.] cheers were loudest, when the Chancellor mounted a platform in front of the memorial ruins of the Frauenkirche at dusk and declared to a throng of about 10.000: ›My goal, when the historic moment makes it possible, is the unification of our nation. I know we can reach this goal. […]‹« (ibid.)

Ähnlich signifikant wie die New York Times äußerte sich die französische Le Monde; bereits in der Ausgabe vom 20. Dezember wird auf die Kundgebung vor der Frauenkirche hingewiesen (Bresson in Le Monde 20. 12. 1989); einen Tag später lautet der Titel eines Artikels Deutschland, Deutschland! [sic!]: Le chancelier ouest-allemand a d• en effet litt¤ralement se forcer un passage au millieu d’une foule compacte pour se rendre du palais de congrºs, o· venait de s’achever la conf¤rence de presse officielle, aux ruines de la Frauenkirche […], o· il devait s’adresser aux habitants de Dresde. Ce fut une travers¤e m¤morable, aux cris ›Deutschland, Deutschland‹, repris en choeur par quelques dizaines de milliers de personnes enthousiastes239 (Bresson in Le Monde 21. 12. 1989: 5).

Gänzlich unerwähnt blieb die Kundgebung dagegen in der sowjetischen Prawda und der Londoner The Times; letztere resümierte nach dem Besuch Kohls in Dresden allerdings: »Herr Kohl left Dresden as the man of the hour in East Germany, the first rallying figure for reunification hopes now spreading in the country« (McElvoy in The Times London 21. 12. 1989: 10). Bezeichnend wird die Rede in der wichtigsten Tageszeitung der DDR, Neues Deutschland, zum einen eher beiläufig genannt, zum anderen wird die wohl wichtigste Aussage, nämlich die Einheit der Nation als Ziel, nicht einmal erwähnt. Statt dessen wird hervorgehoben: »Selbstbestimmung heiße auch für alle in der Bundesrepublik, die Meinung der DDR-Bürger zu respektieren. ›Wir wollen und werden niemanden bevormunden‹, sagte Kohl« (Annas et al. In Neues Deutschland 20. 12. 1989: 2). Daß die Übertragung der Rede von allen Regierungen der östlichen und westlichen Staaten gesehen werden konnte (und gesehen wurde), skizziert Helmut Kohl: Die Bilder von der Rede […] vor der Frauenkirche und das ganze Drumherum waren ein weltpolitisches Ereignis. Das war ein Ereignis, das […] Deng Xiaoping in Peking genauso gesehen hat, wie alle meine Kollegen in der EU – alle. Wie es Gorbatschow gesehen hat, wie es die Amerikaner gesehen haben, die sich im Weißen Haus den Film immer wieder angeschaut haben (in Blumenberg 2003: 00:47).

239 »Der westdeutsche Bundeskanzler mußte sich seinen Weg durch die Menschenmenge regelrecht erkämpfen, als er auf seinem Weg von der offiziellen Pressekonferenz im Kulturzentrum zu den Ruinen der Frauenkirche ging, wo er seine Rede für die Einwohner Dresdens halten sollte. Es war ein denkwürdiger Auftritt, begleitet von ›Deutschland, Deutschland‹-Rufen, im Chor wiederholt von Tausenden begeisterter Menschen« (eigene Übers., J.K.).

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

Dies bleibt die zu vermutende (doppelmedialisierte) Rezeption der Rede, die allerdings als realistisches Faktum angenommen werden muß, wie sich auch anhand der Beurteilung der Rede bis in die heutige Zeit schlußfolgern läßt: »Auch in Paris, London, Washington und Moskau sahen die Verantwortlichen jubelnde Menschen und wehende schwarzrotgoldene Fahnen« (Jelinek 2009: 279). Auch in den Jahren nach der Einheit wird die Rede in Zusammenhang mit der Dresdner Frauenkirche zitiert; der Eindruck, den sie und die Reaktionen des Publikums offenbar hinterlassen haben, wirkt bis heute nach: »Helmut Kohl weckt in Dresden positive Emotionen wie sonst vielleicht nirgends. Seit seiner historischen Rede im Dezember 1989 an der Frauenkirche […] begrüßen ihn die Dresdner […] mit ›Helmut, Helmut‹-Rufen« (FAZ 20. 09. 2002: 2). Die Welt kommentiert die historischen Ereignisse: Zu erinnern ist an die Kundgebung mit dem Bundeskanzler vor der nächtlichen Ruine unter wehenden schwarzrotgoldenen Fahnen am 19. Dezember 1989, auf der zum erstenmal die auch Helmut Kohl überrumpelnden Sprechchöre ›Wir sind ein Volk‹ erklangen, auf die dieser mit dem improvisierten Bekenntnis antwortete: ›Mein Ziel bleibt die Einheit unserer Nation.‹ (Guratzsch in Die Welt 27. 10. 2005: 27)

Auch in (populärwissenschaftlichen) Darstellungen des Prozesses zur deutschen Einheit wird die Rede oftmals als Schlüsselereignis erwähnt. Condoleezza Rice schreibt: Die begeisterte Teilnahme der Bevölkerung führte aller Welt den Willen der Ostdeutschen vor Augen, und Kohl nutzte die Gelegenheit, die sich ihm bot. In einer Rede vor der Frauenkirche sprach er mit emotionalen Worten von der deutschen Nation, und die jubelnde Menschenmenge antwortete ihm mit Sprechchören, die die Vereinigung forderte. […] Und jetzt griffen die Menschen in der DDR, wie er gehofft hatte, den Traum auf, von dem er ihnen gesagt hatte, daß er wahr werden könne (Rice / Zelikow 1997: 214 f.).

Jeffrey Gedmin rekapituliert: It is true that Helmut Kohl and his team of advisors […], and the U.S. government […] created the right language, created the right diplomatic framework, created the right rhythm and process to assure anxious European neighbours and to eliminate some of the worst anxieties and fears. So […] Kohl’s speech in Dresden was an important part of that (Gedmin 27. 02. 2007: s. Anhang).

In der (rhetorischen und sprachwissenschaftlichen) Forschung bleibt die Rede bis heute eher unreflektiert; zu nennen ist allerdings vor allem eine Erörterung bei Josef Klein, der die Kundgebung in Dresden in seinem Beitrag über die Politische Rede eingehend beschreibt und ihre Relevanz treffend definiert: Die Rede ist bedeutend, weil ihr Anlaß singulär, die Situation von weltpolitisch höchster Brisanz und die Ansprüche relevanter Adressatengruppen bezüglich des

Auf allen Kanälen: Die Doppelmedialisierung der Rede

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Themas gegensätzlich sind und weil es Kohl gelingt, diesen Ansprüchen trotz ihrer Unvereinbarkeit mit Hilfe geschickter Sprechhandlungen und unter Ausnutzung der Mehrdeutigkeit des Zentralbegriffs ›Einheit der Nation‹ gerecht zu werden (Klein 2003: 1507).

Hinsichtlich Kohls politischer Karriere darf die »Dresdner Rede« als eine seiner herausragendsten rhetorischen Leistungen betrachtet werden; in Zusammenhang mit der singulären Situation, historischen Schlüsselfunktion und ausnahmslos positiven Bewertung bleibt sie beispiellos. Die Wahrnehmung Kohls durch die westlichen, alliierten Partner zu Beginn des Wendeprozesses in Ostdeutschland faßt Jeffrey Gedmin am Beispiel Margaret Thatchers prägnant zusammen; sie läßt sich auch auf die (journalistisch reflektierte) Beurteilung von Kohls rhetorischem Können übertragen: »Mrs. Thatcher thought that Kohl was too big, too plodding, too clumsy, too careless, too fast, not thoughtful enough« (Gedmin 27. 02. 2007: s. Anhang). Kohls Physis, sein Konservatismus, sein behäbiger pfälzischer Dialekt und sein »Aussitzen« von Problemen machten eine solche Reflexion von kritischem Journalismus und Opposition oftmals leicht möglich. Kohls rednerische Leistungen faßt Ludolf Herrmann zusammen: Kohl beherrscht die politische Kastensprache nicht. Sie wirkt aus seinem Munde gestelzt und unnatürlich, gerät oft über die Grenze zum unfreiwillig Komischen. Die Kabaretts haben von dieser Schwäche weidlich Gebrauch gemacht. Es wäre jedoch ein Irrtum, Helmut Kohl für politisch sprachlos zu halten (Herrmann 1990: 238).

Nach dem »Fall der Mauer«, also konkret der Reisefreiheit für DDR-Bürger nach Westdeutschland, präsentierte Kohl ohne Rücksprache mit anderen Regierungen am 28. November 1989 seinen Zehn-Punkte-Plan zur Wiedervereinigung der deutschen Staaten (v.s.). An verschiedenen, repräsentativen Äußerungen aus dem Ausland kann skizziert werden, wie die europäischen Nachbarn, die Sowjetunion und die US-Regierung zu diesem Vorhaben standen; grundsätzlich darf aber festgestellt werden: Außer bei den US-Amerikanern hatte Kohls Regierung kaum nennenswerte Unterstützung für die baldige Durchführung seines Programms; Anfang Dezember schien Kohl »von allen Seiten isoliert zu sein« (Rice / Zelikow 1997: 202). Den westlichen Partnern voran verschloß sich wohl vor allem die britische Regierung unter der Führung Margaret Thatchers den Plänen für eine Wiedervereinigung Deutschlands: Thatcher glaubte, die Vereinigung würde einfach verschwinden, wenn sie den Begriff nicht verwende. Die Briten hätten zwei Weltkriege gewonnen und ein Weltreich verloren. Deutschland habe zweimal verloren, stehe aber wirtschaftlich wieder als Vormacht in Europa da. Für manche sei die Vorstellung, daß weitere siebzehn Millionen Menschen zu dieser Kraft hinzukommen sollten, ein Alptraum (ibid.: 210).

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

Noch Ende November war Thatcher zu einem Besuch bei Präsident George Bush sen. in die USA gereist, um bei ihm gegen eine baldige Wiedervereinigung zu werben: »Zwar würde es schwer fallen, die Deutschen von der Vereinigung abzuhalten, wenn sie diese wollten, aber man könne zumindest ihre Erwartungen dämpfen« (ibid.: 172). In einem Interview im Wall Street Journal bezog sie einige Wochen später eine noch klarere, öffentliche Position;240 so konstatierte sie z. B.: »German unification must come at a rate which takes account of other obligations and which gives us time to work things out – otherwise, that could destabilize everything […]« (Keatley et al. in The Wall Street Journal 25. 01. 1990: 1). Darüber hinaus stellte sie fest: »She [i.e. Thatcher] believed German unity would upset further the economic balance of the EC, in which West Germany is already the ›dominant‹ member« (ibid.). Selbst im März 1990 berief Thatcher noch ein Seminar on Germany ein; zu einem Zeitpunkt, als sie erkannte, »dass der Einheitsprozeß nicht mehr zu stoppen war […]« (Gina Thomas in FAZ 02. 10. 2009: 33). Hier kam sie mit Historikern und Angehörigen ihres Kabinetts zu der Ansicht: »The way in which the Germans currently used their elbows and threw their weight about in the European Community suggested that a lot had still not changed«241 (Salmon et al. 2010: 506). Die Schlußfolgerungen wurden mit Charakterisierungen der Deutschen »untermauert«,242 die kurz nach dem Seminar an die Öffentlichkeit gelangten: Dieses Dokument rief mit seiner als klischeehaft empfundenen Charakterisierung des deutschen Wesens Wogen der Empörung hervor […] Aber sie [die Charakterisierung, 240 Ministerialdirektor Horst Teltschik kommentierte für Bundeskanzler Kohl: »PM Thatcher bleibt in diesem Interview ihrer bisherigen Linie in der Europapolitik wie gegenüber der Entwicklung in der Sowjetunion und in den Ländern Mittel- und Südosteuropas treu, wenn sie diesmal durch Schärfe, Abwertung anderer Vorstellungen, harsche Vorwürfe und (vermeintliche) Ironie deutlich ›eins draufsetzt‹. In der Deutschlandpolitik geht sie zum ersten Mal klar aus der bisherigen (öffentlichen) Reserve heraus und läßt ihrer kritischen Haltung freien Lauf« (in Küsters / Hofmann 1998: 720; Hervorhebung im Original). 241 Gemeint ist: seit der Zeit des Nationalsozialismus (!). 242 Die Charakterisierungen der Deutschen und ihres »Wesens« tragen dabei fast karikaturistische Züge: »It was easier […] to think of the less happy ones [characteristics, J.K.]: their insensitivity to the feelings of others […], their obsession with themselves, a strong inclination to self-pity, and a longing to be liked. Some even less flattering attributes were also mentioned […]: in alphabetical order, angst aggressiveness, assertiveness, bullying, egotism, inferiority complex, sentimentality« (Salmon et al. 2010: 506). Diese aus dem offiziellen Summary Record des Seminar on Germany entstammende Auflistung, die erst vor kurzem von Salmon, Hamilton und Twigge (2010) offiziell veröffentlicht wurde, beweist indes, wie ernst es Teilen der britischen Führung gewesen sein muß, die politischen Ereignisse und die mögliche Wiedervereinigung Deutschlands zumindest beeinflussen zu wollen. Auch wenn grundsätzliche Vorbehalte und Sorgen um die zukünftige Entwicklung bestehen blieben, so kann festgestellt werden, daß das Fazit der Diskussion trotz aller Ressentiments letztlich doch erfreulich wohlwollend ausfiel: »The overall message was unmistakeable: we should be nice to the Germans« (ibid.: 508).

Auf allen Kanälen: Die Doppelmedialisierung der Rede

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J.K.] trug zu der allgemeinen, im britischen Außenministerium und anderswo vielfach beklagten Wahrnehmung bei, dass Großbritannien die deutsche Vereinigung wenn nicht zu verhindern, so doch zu verzögern suchte (Gina Thomas in FAZ 02. 10. 2009: 33).

Diplomatischer ging Frankreichs Präsident Mitterrand vor, der einer Wiedervereinigung zumindest ambivalent gegenüberstand: »[…] Präsident Mitterrand nahm, zumindest öffentlich, eine philosophischere Haltung ein« (ibid.: 173). Im November 1989 erklärte er Kohl während eines Telefongesprächs: »[…] seine Wünsche seien mit dem deutschen Volk. Er schlage vor, daß der Bundeskanzler dies auch öffentlich sage« (Küsters / Hofmann 1998: 512). Einige Monate später, während eines Treffens mit Kohl im französischen Latch¤, merkte er an: Wenn er, Mitterrand, Deutscher wäre, wäre er für die Wiedervereinigung so schnell wie möglich – er würde sogar mit Bedauern sehen, daß nicht alle Deutschen die Wiedervereinigung so schnell wollten. Aber er sei Franzose. […] Europa habe noch keine klare Geographie. Europa wisse nicht, wohin es steuere. […] Das Schicksal Gorbatschows hänge von Helmut Kohl mehr ab als von Ligatschow (in Küsters / Hofmann 1998: 686).

Es scheint so, als seien Mitterrands größte Sorgen gewesen, daß die quasipolitische Einheit Europas durch die Wiedervereinigung Deutschlands wieder auseinanderbrechen und die Ereignisse zudem zu einer höchst instabilen politischen Situation in der Sowjetunion führen könnten; Jacques Attali, Berater Mitterrands, resümiert: »Il [Mitterrand] avait griffonn¤ sur un petit feuillet la phrase cl¤ qu’il voulait leur transmettre : ›La question allemande est une question europ¤enne‹«243 (Attali 2005: 317) Eigenständig unternahm er im Dezember Reisen in die Sowjetunion und in die DDR (v.s.), um »die deutsche Frage mit seiner eigenen Agenda für eine schnelle Herbeiführung der europäischen Vereinigung zu verknüpfen« (Rice / Zelikow: 174) Tatsächlich ist die Haltung einiger europäischer Nachbarländer gegenüber Deutschland bzw. einer möglichen Wiedervereinigung mehr als ablehnend. Zumindest belegt dies ein Interview des niederländischen Magazins Elsevier mit Lech Wałe˛sa einige Monate vor dessen Wahl zum polnischen Präsidenten: Nicht nur die Polen allein müssen sich Sorgen machen, sondern auch Europa und die ganze Welt. Wir haben genügend Erfahrung gemacht mit einem vereinigten Deutschland, die Deutschen übrigens selber auch. Aber ich bin davon überzeugt, daß beide, sowohl Europa als auch Deutschland, aus der Vergangenheit gelernt haben. Ich werde etwas aussprechen, das mich in Deutschland nicht beliebt machen wird, aber ich schrecke dennoch nicht davor zurück: Wenn die Deutschen wieder eine Destabilisierung Europas verursachen, in welcher Form auch immer, dann wird es in Zukunft nicht einmal eine Teilung Deutschlands geben, sondern Deutschland wird von der Karte 243 »Er hatte auf einem kleinen Blatt den Schlüsselsatz notiert, den er übermitteln wollte: ›Die Deutsche Frage ist eine europäische Frage‹« (eigene Übers., J.K.).

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

Europas getilgt. Mit der heutigen Technologie sind Ost und West zusammen fähig, dies Urteil zu vollstrecken. Wenn Deutschland wieder diese Richtung einschlägt, gibt es gar keine andere Lösung mehr. Ich bin mir sicher, daß sich die Deutschen dieses Risikos bewußt sind, und das wird eine mäßigende Wirkung auf ihren Standpunkt in der polnisch-deutschen Grenzfrage haben (De Bok in Elsevier 07. 04. 1990: 45; eigene Übers., J.K.).244

Die Position der Sowjetunion ist zunächst deutlich als gegen eine Wiedervereinigung zu charakterisieren. Noch im Dezember 1989 schrieb Gorbatschow an Kohl in bezug auf dessen bevorstehenden Besuch in Dresden: »In dieser Zeit ist es für alle interessierten Seiten wichtig, Zurückhaltung und Besonnenheit zu bewahren, ihre Selbstständigkeit in der Praxis zu respektieren, ohne sich in die inneren Angelegenheiten einzumischen« (in Küsters / Hofmann 1998: 659). Wenige Tage später äußerte sich Eduard Schewardnadse, damaliger Außenminister der Sowjetunion, noch einmal kritisch zur Möglichkeit einer Wiedervereinigung: »This speech was perhaps the clearest statement yet of the Kremlin’s position« (Guilford in New York Times 20. 12. 1989: 8). Schewardnadse benannte in seiner Rede die wichtigsten Kritikpunkte aus Sicht der Sowjetunion, zusammengefaßt: »Fears on German unity spelled out by Shevardnaze« (ibid.). Tatsächlich scheint sich in der sowjetischen Haltung aber bereits im Januar eine Wende zu vollziehen; einer Wiedervereinigung steht die politische Führung nun aufgeschlossener gegenüber : »Gorbatschow hat begonnen, sich auf die deutsche Frage einzustellen« (Küsters 1998: 87). Klein gliedert die Adressaten der Rede, also das Auditorium der Rede in seiner Gesamtheit, in sechs verschiedene Untergruppen (cf. Klein 2003: 1507): 1) Zuhörer auf dem Kundgebungsplatz 2) Das allgemeine Fernsehpublikum (insbesondere in West- und Ostdeutschland) 244 Im Original: »En niet allen de Polen moeten zich zorgen maken, maar ook Europa en eigenlijk de hele wereld. We hebben genoeg ervaring opgedaan met een verenigd Duitsland, de Duitsers trouwens zelf ook. Mar ik ben ervan overtuigd dat beide, zowel Europa als Duitsland, een aantal conclusies uit het verleden hebben getrokken. En ik zal een uitspraak doen die me niet populair in Duitsland zal maken, maar ik schrik daar niet voor terug: als de Duitsers opnieuw destabilisatie in Europa veroorzaken, in welke vorm dan ook, dan zal er in de toekomst geen verdeling van Duitsland komen, maar zal Duitsland van de kaart van Europa worden gevaagd. Met de geavanceerde technologie zijn Oost en West gezamenlijk in staat om dit vonnis te voltrekken. Als Duitsland opnieuw begint, is er geen andere oplossing. Ik ben er zeker van dat de Duitsers zich van dit risico bewust zijn en dat zal een matigende uitwerking hebben op hun positie in de Pools-Duitse grenskwestie« (Wałe˛sa im Interview mit De Bok, in Elsevier 07. 04. 1990: 45). Die niederländische Elsevier übertitelte diese harschen Worte, durchaus ironisch, mit den Worten: De Muis die brulde (Die Maus, die brüllte; ibid.: 44); natürlich sind Wałe˛sas Äußerungen dabei in dem Kontext jener polnischer Befürchtungen zu betrachten, Deutschland könne im Zuge einer Wiedervereinigung auch Ansprüche auf die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie erheben.

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3) 4) 5) 6)

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Die Regierung der DDR (insbesondere Ministerpräsident Modrow) Journalisten aus ganz Europa (und damit 5 – 6:) Die Weltöffentlichkeit Die an den Vorgängen interessierten Staaten (insbesondere die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs sowie Polen und die Tschechoslowakei).

Diese Untergruppen lassen sich in drei Hauptklassen einteilen: Erstens das Publikum unmittelbar vor Ort, zweitens die Journalisten als »Mischform« (vor Ort und gleichzeitig verantwortlich für Selektion, Kanalisierung und Medialisierung für die dritte Gruppe), drittens das Publikum, das durch die Medialisierung (und hier insbesondere die Fernsehübertragung) Teil des Auditoriums der Rede wird. Die dritte Gruppe wurde in der vorangehenden Beobachtung bereits beschrieben sowie einige ihrer Überzeugungen und Positionen mit Blick auf den historischen Kontext dargestellt. Bei der zweiten Gruppe müßte eigentlich eine neutrale Position angenommen werden; tatsächlich selektiert, kumuliert und medialisiert sie aber im Interesse der dritten Gruppe (v.s.); sie kann durch ihre »Mischform« auch als eine Kombination von erster und dritter Gruppierung betrachtet werden, da sie als Medium Rede, »internes Publikum« und »externes Publikum« verbindet. Zudem ist sie für die Kanalisierung und damit für die Erweiterung des Redetextes verantwortlich; das »interne Publikum«, die erste Gruppe, wird für die dritte Gruppe Bestandteil des Redetextes wie Redner, Redeinhalt, Bühne, Inszenierung. Es bleibt nun also noch eine Skizzierung der ersten Hauptgruppe, des »internen Publikums«. Die (unmittelbaren) Reaktionen dieser ersten Gruppe sind für das telos eines Orators folgerichtig in seiner Planung einzukalkulieren, da sie bei einer angestrebten Doppelmedialisierung auf Redner und Rede »zurückfallen« können. Die Zuhörer auf dem Kundgebungsplatz erweisen sich als größtenteils245 politisch homogenes Auditorium,

245 Tatsächlich gab es unter den Zuschauern auch Gegner von Kohl, der westdeutschen Politik und der Forderung der (Ost-)Deutschen nach einer baldigen Wiedervereinigung: »Pfiffe und Buh-Rufe einer linken Minderheit aus FDJlern, jungen SED-Genossen und Grünen [sic!] irritieren den Kanzler nicht« (Dose / Karutz in Die Welt 20. 12. 1989: 3). Insgesamt fallen diese wenigen Gegendemonstranten aber nicht ins Gewicht gegen die übergroße Mehrheit von denjenigen, die »hinter den patriotischen Worten von Helmut Kohl« stehen (ibid.). Nach der Kundgebung blieb es zwischen beiden Gruppierungen weitgehend friedlich; nur am Rande kam es offensichtlich zu kaum nennenswerten Auseinandersetzungen: »Nach Kohls Rede versuchten sich Anhänger und Gegner der Wiedervereinigung gegenseitig niederzubrüllen. Es wurden Rufe wie ›Rote ›raus‹ und ›Schweine‹ sowie ›Nazis ‹raus‹ laut. Vereinzelt kam es zu Rempeleien« (SZ 20. 12. 1989: 1).

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

deren Einstellung und Begeisterung sich in vielen Fahnen mit nationalen Symbolen und Parolen (insbesondere ›Deutschland einig Vaterland‹) ausdrückt sowie in Sprechchören (neben ›Helmut, Helmut‹ vor allem immer wieder ›Einheit! Einheit!‹).246

Dies bedeutet zwar eine »illustrative« Unterstützung für Kohls Rede,247 die aber auch Risiken birgt: Durch die Ereignisse der letzten Wochen ist die Stimmung unter den Demonstranten »aufgeheizt«; der marode Staatsapparat der DDR und dessen Exekutive bieten keine abschreckende Wirkung mehr, durch die westdeutschen Besucher können sie zudem keine stark restriktive und repressive Haltung gegenüber den Demonstranten einnehmen. Kohl selbst kommentiert: Jeder falsche Zungenschlag wäre in Paris, in London oder in Moskau als nationalistisch ausgelegt worden. Ich musste auch unter allen Umständen vermeiden, die Emotionen weiter aufzuwühlen und die Stimmung unter den Zehntausenden weiter anzuheizen. Es waren auch mehrere ausländische Journalisten anwesend, und fast alle Fernsehstationen hatten ihre Berichterstatter entsandt (Kohl 2005: 1022 f.).

Kohl stellte dabei offenbar rechtzeitig und kalkulierend fest, daß er nicht nur durch seine Wortwahl auf die Reaktionen und die Doppelmedialisierung Einfluß nehmen mußte, sondern – im Zweifelsfall – sogar »manipulativ«, um eine Eskalation vor Ort sowie eine kumulative Medialisierung zu verhindern: Was sollten wir machen, wenn die Menge plötzlich das Deutschlandlied und daraus die erste Strophe […] anstimmen würde? Die Augen der gesamten Weltöffentlichkeit waren ja in diesen Stunden auf Dresden gerichtet, und in dieser Situation hätte alles, was als Ausbruch nationalistischen Überschwangs hätte gedeutet werden können, der Sache der Deutschen […] verheerenden Schaden zugefügt. […] Da kam mir der Gedanke, mit dem Generalvikar der Hofkirche […] Kontakt aufzunehmen. Er erklärte sich sofort bereit, uns einen Kantor, einen Vorsänger zu schicken. Der sollte das alte Kirchenlied ›Nun danket alle Gott‹ anstimmen, falls irgend jemand aus der Menge anfinge, die erste Strophe des Deutschlandliedes zu singen (Kohl / Diekmann / Reuth 2000: 194 f.).248

Kohls telos gegenüber dem anwesenden Publikum mußte also zwei wirkungsästhetische Ziele beinhalten: Zum einen das Ziel, die Hoffnung der Menschen auf einen politischen Wandel und die Aussicht auf eine baldige Wiedervereinigung der deutschen Staaten zu befriedigen (und damit auch der eigenen politischen Intention zu entsprechen), zum anderen das Ziel, deeskalierend und ausgleichend auf die Menge einzuwirken. Gegenüber dem »externen Publikum«, also 246 Ibid. 247 Diese »illustrative« Unterstützung beweist darüber hinaus, welche Macht der DDR-Bevölkerung durch ihre wortstarken Demonstrationen zukam; bis heute gelten die Leipziger »Montagsdemonstrationen« aus dem Herbst 1989 nicht grundlos als eine Initialzündung für die friedliche Revolution im Osten Deutschlands (cf. Abbildung 10). 248 Während der Übertragung der Rede ist der »Einsatz« des Kantors offensichtlich nicht nötig geworden (cf. ZDF 19. 12. 1989).

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Abbildung 10

grundsätzlich der dritten Hauptgruppe im allgemeinen und insbesondere gegenüber den Regierungen der alliierten Siegermächte im speziellen, mußte sein telos das Ziel der Wiedervereinigung als Willen des Volkes darstellen und sein eigenes politisches Ziel damit bekräftigen und verstärken, gleichzeitig aber die Angst vor einer Extremisierung und Nationalisierung Deutschlands entkräften und vor allem eine friedfertige, gewaltlose Kundgebung (re-)präsentieren.

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

3.3.1.2 Mesoebene: Redetext Kohls Rede beinhaltet vor allem fünf Themengebiete: Er ruft zur Vernunft und Besonnenheit auf, beschreibt die Veränderungen in der DDR und seine politischen Vorhaben hierzu, skizziert den politischen und historischen Kontext, in dem sich diese Veränderungen vollziehen und die Ängste der Nachbarstaaten bedacht werden müssen, verweist auf die Leistungen der DDR-Bürger sowie die der Nachbarstaaten, die zur politischen Wende geführt haben, und betont die gemeinsame nationale Ebene beider deutscher Staaten und deren Bürger. Es erscheint auf den ersten Blick nicht ohne Schwierigkeiten möglich zu sein, der Rede ein eindeutiges Genus zuzuweisen. Ihr grundsätzliches Setting – ein Politiker spricht vor dem Volk über politische Umwälzungen – deutet aber bereits auf das genus deliberativum hin, da dies der vorrangige politische Redentypus ist; dies wird sich nach der Einteilung in die partes orationis noch genauer belegen lassen. Vor allem erörtert eine Rede des genus deliberativum aber »Nutzen« und »Schaden« eines Sachverhalts; seine Funktion ist daher »Mahnung« oder »Warnung« (cf. Plett 2001: 17)249. Die Begründung dafür liegt in den historischen Wurzeln dieses Typus: »Namengebender Musterfall ist die vor der Volksversammlung gehaltene politische Rede, in der der Redner eine der Zukunft angehörende Handlung empfiehlt oder von ihr abrät« (Lausberg 1990: 123; HLR § 224). Dieser Aspekt – also eine abwägende Aufforderung oder Beratung – findet sich direkt nur im Aufruf zur unmittelbaren Besonnenheit und im Werben für die Berücksichtigung der internationalen Besorgnisse bezüglich der politischen Veränderungen in Europa. Es ist aus zweierlei Gründen nicht weiter verwunderlich, daß sich das genus deliberativum vor allem in diesen beiden Aspekten widerspiegelt: Beide topoi bedürfen einer Darlegung, Erörterung und Stellungnahme, und beide sind sowohl für das Gelingen der Rede (in bezug auf die Gefahr von Ausschreitungen) als auch für das Gelingen von Kohls Politik (in bezug auf eine Auseinandersetzung mit der Kritik aus dem Ausland) von größter Wichtigkeit. Die Rede entspricht dabei auch einer Ansprache, die Ähnlichkeiten mit einer Festrede aufweist: Kohl lobt die Bevölkerung aus der DDR und die Ereignisse der letzten Wochen; die Überbringung der ersehnten Nachrichten sind ebenfalls nicht die Kernaufgabe der deliberativen Gattung, wenngleich dieser demonstrative Teil nicht unüblich ist – die Aufgabe der Beratungsrede besteht seit der Antike (zumindest auch) in einer Volksrede, die »Fragen der Lenkung der Gemeinschaft festlegt« (Quintilian 2006a: 365; inst. III 8,14). Durch die Doppelmedialisierung ergibt sich allerdings auch ein signifikanter beratender und 249 Diese Skizzierung entspricht dabei vor allem der traditionellen aristotelischen Beschreibung, cf. Aristoteles 2005a: 19 f.; rhet. I 3,4 – 5.

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Stellung nehmender Charakter in Kohls Rede: Für seine Ausführungen zur Möglichkeit einer Einheit Deutschlands übernimmt das unmittelbar anwesende Auditorium die Funktion der (affektiven) Prämisse, die Kohls Thesen von Machbarkeit, Notwendigkeit und Redlichkeit belegen können. Das exordium beginnt mit einer Begrüßung des Publikums, dem Hinweis auf die anwesenden Journalisten und einem Appell, nämlich der Aufforderung zu Ruhe und Besonnenheit trotz der revolutionären Stimmung; die Ereignisse der vergangenen Wochen lobt Kohl dabei ausdrücklich (Zeile 1 – 22, s. Anhang250). Er weist also explizit auf die Medialisierung, indirekt auf die Gefahr der falschen »Botschaft« durch eine Eskalation und direkt auf die Möglichkeit der positiven »Botschaft« durch eine friedliche Demonstration hin. Dies ist auch aus rhetorisch-methodischer Sicht eine Besonderheit der Rede Kohls, denn das deliberative Genus benötigt eigentlich kein so umfangreiches exordium, wie es hier vorgenommen wird (cf. Quintilian 2006a: 363; inst. III 8,6 f.). Doch Kohl muß sich nicht nur das Wohlwollen der Zuhörer sichern und deren Bereitschaft, ihm zuzuhören (»[…] gemeinsam auf diese paar Minuten unserer Begegnung konzentrieren«; Zeile 12 – 13, s. Anhang), sondern er muß gleichzeitig auch für ein Wohlwollen der durch die Doppelmedialisierung teilnehmenden externen Zuhörer Sorge tragen; dies erklärt seine ausführliche und sensible Einführung. Mit der propositio (Zeile 24 – 37) leitet Kohl durch drei topoi zur narratio: Er spricht die Demonstrationen als Zeichen der Freiheitsbewegung und des Selbstbestimmungsrechts an, das verschiedene politische Lösungen zur Wahl ermöglicht. Er berichtet über den Grund seines Besuchs, nämlich Lösungen mit der politischen Führung der DDR zu diskutieren, und er versichert den Menschen die Hilfe Westdeutschlands. Kohl spannt also einen Bogen von den möglichen Zielen der revolutionären Bestrebungen in der DDR zur Hilfeleistung der »Mitbürger« Westdeutschlands. Narratio und argumentatio sind nicht vollständig trennscharf; dies ergibt sich bereits aus der Definition des Genus: Beide Abschnitte sind vor allem Teil einer judizialen Rede, die einen Fall darlegen und dann erörternd zu einem Plädoyer kommen muß; dies ist bei einer Rede, die eine politische Richtung postuliert, natürlich nicht der Fall. narratio und argumentatio müssen also den Bedürfnissen der deliberativen Gattung angepaßt werden, und dies geschieht, indem »die Rede auf die ganze Sachlage selbst« ausgerichtet wird (Nüßlein 1998: 129; rhet. Her. III,2). In der narratio (Zeile 39 – 71, s. Anhang) berichtet Kohl hierfür über das Treffen mit Hans Modrow und die Ziele der Vertragsabschlüsse, die eine Zusammenarbeit auf vielen politischen Sektoren beinhalten. Hierdurch sollen nicht nur die politischen Arbeitsbereiche, sondern schließlich auch die 250 Die Zeilenangaben in den Analyseabschnitten über die Rede Kohls beziehen sich, sofern nicht anders erwähnt, auf den Text der Rede Kohls, wie sie im Anhang abgedruckt ist.

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

Bevölkerung in Ost und West zueinander geführt werden. Die narratio schließt mit einer inhaltlichen Klimax, nämlich der Beschreibung des politischen telos: »Mein Ziel bleibt – wenn die geschichtliche Stunde es zuläßt – die Einheit unserer Nation« (Zeile 71 – 72). Das eigentliche deliberative Element findet sich in Kohls angedeuteten Erörterungen der argumentatio (Zeile 73 – 123). Hier erläutert er die Sensibilität und Diplomatie, die für die Verwirklichung der politischen Ziele – also letztlich die Einheit Deutschlands – nötig sind. Er erklärt dazu die Ressentiments der internationalen Gemeinschaft, die ernstzunehmen sind, aber entkräftet werden können. Auch die argumentatio beendet Kohl mit markanten Schlußsätzen, die zwei teloi beinhalten: Zum einen die Versicherung des Friedenswillens der Deutschen in Gänze, zum anderen die Bekundung der Solidarität Westdeutschlands mit dem Osten. In der peroratio (Zeile 125 – 149) schließt Kohl die Rede mit einer Rekapitulation der Ereignisse, der Gründe, die dazu geführt haben, der Ziele seiner politischen Bemühungen sowie deren Einbettung in den politischen Kontext, den er in der argumentatio erläutert hat. Hierzu nutzt er durch den topos des bevorstehenden Weihnachtsfestes eine betont besinnliche und friedfertige inhaltliche Einbettung seiner conclusio, die schließlich zu dem »gesamtdeutschen« Schlußwort führen, den guten Wünschen für das Weihnachtsfest und das neue Jahr. Kohl gebraucht für die Erläuterung seiner zukünftigen politischen Ziele (cf. Lausberg 1990: 123; HLR § 225) durchaus die deliberative Methodik, indem der Aufbau seiner Rede inhaltlich »darauf hinstrebt« (Nüßlein 1998: 129; rhet. Her. III,3). Er unterläßt es allerdings, seine Darstellungen explizit um eine quaestio finita zu positionieren (Cicero 1998: 23; inv. I,6); diese wird erst durch eine Interpretation mit Kenntnis der Doppelmedialisierung und Kohls telos für das externe Publikum sichtbar, nämlich die der Möglichkeit einer Wiedervereinigung Deutschlands. Dabei orientiert sich die Rede an den zwei Grundmaximen der deliberativen Rede Ciceronischer und Quintilianscher Prägung, dem Nutzen und der Ehrenhaftigkeit von Kohls politischem Ziel (cf. Quintilian 2006a: 361; inst. III 8,1), wobei er vor allem die Tradition der Ehrenhaftigkeit verfolgt (cf. Cicero 2003: 421; de orat. II,334). Hierfür zieht er in der Tat »alle Register der Beredsamkeit« (ibid.), wie sich in der Mikroanalyse der Rede noch genauer beobachtet läßt, um die Gemeinschaft »zu lenken« (cf. Quintilian 2006a: 365; inst. III 8,14). Quintilian merkt hierzu an: »Ausdruck der Affekte verlangt die Beratungsrede ganz besonders; denn häufig gilt es Zorn zu erregen oder zu besänftigen und das Gemüt in Angst, Begierde, Haß oder Nachgiebigkeit zu versetzen« (ibid.; inst. III 8,12). Für Kohls Rede heißt dies: Einerseits besänftigt er die aufgeheizte Atmosphäre und stellt die Einheit in Aussicht, andererseits kann er

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eine Nachgiebigkeit bei jenen Staaten ermöglichen, die einer Einheit bisher ablehnend gegenüber standen. Dies kann erst durch die Doppelmedialisierung und das bei der Kundgebung anwesende Publikum erfolgen, die die Ehrenhaftigkeit und Notwendigkeit des verkündeten politischen Ziels illustrieren und verstärken. Insbesondere die Kulisse – der Platz vor der im Krieg zerstörten Frauenkirche – und der Zeitpunkt der Rede – es ist bereits dunkel; Kirche, Redner und Menschen sind von gleißendem Licht angestrahlt – müssen dazu als besonders illustrative und bildrhetorisch affektisch aufgeladene Atmosphäre bewertet werden, die ebenso zum Text der Rede gehört und die Situation für das externe Publikum kanalisiert und medialisiert (cf. Abbildung 11). Auch die audiovisuellen Elemente, die durch das direkte Publikum verursacht werden – das Schwenken von Flaggen und Hochhalten von Transparenten, aber auch begeisterte akustische Reaktionen auf Abschnitte von Kohls Rede – › sollten hierzu gezählt werden und können in der Mikroanalyse noch eingehender erläutert und mit den Elementen von Kohls Rede, mit denen sie verknüpft sind, im Zusammenhang betrachtet werden. Auch der saisonale Zeitpunkt der Rede ist ein wichtiges Element des Settings, denn die Kundgebung findet nur wenige Tage vor Weihnachten statt. Natürlich schließt dies eine emotionale Grundstimmung ein, die Kohl in seiner Rede mehrfach aufgreift und mit seinem telos verbindet: »Weihnachten, das ist das Fest der Familie, der Freunde. Und gerade in diesen Tagen empfinden wir uns in Deutschland wieder als eine deutsche Familie« (Zeile 126 – 128). Auch dem Besuch Mitterrands in der DDR einen Tag später kann Kohl mit der öffentlichen Rede vorgreifen und, vulgo, die Show stehlen. Die Kundgebung besteht einzig aus der Rede und findet nach dem Gespräch mit Modrow und einer anschließenden Pressekonferenz statt; Kohl selbst beschreibt das Treffen mit Modrow: »In diesem Sinne war dieses lange und intensive VierAugen-Gespräch ein offenes, ein sachliches, ein ernstes – kurz gesagt: ein gutes Gespräch« (Kohl 1989b: 1263; cf. 2.1.5). Die Rede selbst dauert nur etwa 16 Minuten; dies ist sicherlich zum einen durch die Spontaneität begründet, mit der sie gehalten werden mußte, zum anderen entspricht die Länge aber auch einem angemessenen Augenmaß, dem Wunsch der Dresdner Bevölkerung nach einer Kundgebung zu entsprechen und sich dabei gleichzeitig auf die wesentlichen Prämissen der politischen Ziele zu konzentrieren. Dies erscheint nicht nur dem (kontextualen) Setting und dem Abschluß von Kohls Besuch in Dresden angemessen, sondern entspricht auch einer modernen Auffassung von rezeptioneller Nachhaltigkeit, wie sie z. B. Jeffrey Gedmin beschreibt: »If you want people to do something then do not give them a long list but give them a short list that they can repeat to their family, their friends, or someone else« (Gedmin 27. 02. 2007: s. Anhang). Die Kürze der Rede

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Abbildung 11

erhöht die Möglichkeit, durch die externen Beobachter »immer wieder« gesehen, also mehrfach rezipiert und studiert zu werden, wie Kohl es im Interview andeutete (cf. 3.3.1.1), und seine Botschaft an das anwesende und das externe Publikum erreicht eine größere Dichte und Prägnanz. 3.3.1.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene Damit Kohls Rede gelingen konnte, mußte sie in sämtlichen Bestandteilen gelingen, die wie Zahnräder ineinandergriffen und zu einem guten Resultat führten (cf. 2.1.5). Dies ist Kohl unbestritten gelungen, wie sich in der Diskursanalyse der Makroebene beobachten ließ. Das heißt zwar einerseits, daß ihm der Einsatz sämtlicher pisteis gelungen sein muß, welche Gewichtung ihnen aber zuzuteilen ist und welche Bedeutung sich durch ihre Kombination ergibt, kann nun im folgenden Analyseabschnitt erörtert werden. Durch das Ineinandergreifen der verschiedenen inneren und äußeren Elemente des aptum wird gerade auch an der Rede Kohls deutlich, daß sich aus semantischer Perspektive eine interdependente Passung zwischen Redner, Rede und anwesendem Auditorium ergibt.251 Diese Beobachtung findet auch auf der 251 Diese Passung ist vergleichbar mit dem Begriff und dessen Beschreibung, wie sie sich bei

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thematischen Ebene der Rede statt: Durch die Rede wird Kohl für das Publikum zur wesentlichen politischen Kraft für die Erlangung einer staatlichen Einheit, für Kohl wird das Publikum zur realen Basis seiner politischen Bestrebungen. Dies kann nur deshalb gelingen, weil sämtliche Elemente der Rede angemessen ineinandergreifen und eine Passung entsteht; jene semantische Passung ist also das Produkt des angewandten aptum und gleichsam die Definition für dessen Gelingen. Sowohl durch den Charakter des Settings vor Ort als auch durch die Gewißheit dessen faktischer Doppelmedialisierung ist der Fokus auf das ethos als Wirkungselement und eine hohe Sensibilität dafür indiziert. In der Tat muß festgestellt werden, daß sich diese pistis einerseits mit bezug auf Rede und Publikum an der Frauenkirche, andererseits für Rede, Setting und das durch die Doppelmedialisierung erreichte Publikum als grundlegendes Wirkungselement beobachten läßt. Vor allem ist dies inhaltlich an der Rede aufzuzeigen. Schon zu Beginn finden sich aus pragmatischer Sicht Begriffe, die wegen ihrer ethischen Eindeutigkeit eine Schlüsselfunktion übernehmen und die Rede von Beginn an affektisch »aufladen«: Bereits im exordium und in der propositio benutzt Kohl Formulierungen wie »friedliche Revolution«, »Gewaltfreiheit«, »Ernsthaftigkeit«, »Solidarität«, »Demokratie«, »Frieden«, »Freiheit«, »Selbstbestimmung« und »respektieren«. Damit legt er das ethos-bezogene Ziel seiner Rede fest, unterläßt es bewußt, die revolutionäre Stimmung zu verstärken, und wählt statt dessen eine ehrenhafte und moralisch integre Affektion seines telos. Natürlich ergibt sich eine weitere angemessene Passung durch den saisonalen Kontext der Weihnachtszeit, die das ethos von Frieden und (familiärer) Verbundenheit verstärkt. Die Formulierungen sind dabei keine inhaltsleeren Phrasen, die Kohl in seinen Text »einstreut«: Auch die logos-bezogene, narrative Stuktur des Redetextes ist dem affektiven Duktus angepaßt, denn sachlogisch erläutert Kohl, fast nüchtern, den Ablauf der einzelnen Stufen seines Plans zu einem politischen Näherkommen beider deutscher Staaten, der einer konkret geplanten und langfristig angelegten Entwicklung zugrunde liegt: […] wir wollen eine enge Zusammenarbeit auf allen Gebieten: auf dem Felde der Wirtschaft, des Verkehrs, zum Schutze der Umwelt, der Sozialpolitik und der Kultur. Wir wollen vor allem auf dem Felde der Wirtschaft eine möglichst enge Zusammenarbeit […] Sie werden eine frei gewählte Regierung haben. Und dann ist der Zeitpunkt gekommen zu dem, was ich genannt habe ›konföderative Strukturen‹ […] (Zeile 50 – 66, s. Anhang).

Balint für Sprache als interdependentes und syntaktisierendes Medium findet. Cf. Balint (1981); insbesondere 116 – 135, hier beispielhaft an der kommunikativen Passung von Mutter und Kind.

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Diese sachlogische Darlegung mündet nun freilich in das pathetischste Moment der Rede: »Und auch das lassen Sie mich hier auf diesem traditionsreichen Platz sagen: Mein Ziel bleibt – wenn die geschichtliche Stunde es zuläßt – die Einheit unserer Nation« (Zeile 71 – 72). Kohl beginnt seinen »politischen Fahrplan« mit nüchternen Fakten, die er verschiedenen politischen Ressorts zuteilt; thematisch aber verdichtet er seine Darstellung immer mehr, skizziert aus »Zusammenarbeit« eine »Konföderation« und folgert daraus das langfristige Ziel: die deutsche Einheit. Kohl erarbeitet also inhaltlich eine Klimax seiner Darstellung, die er im übrigen etwa in der Mitte der Rede plaziert; Klein nennt sie die »Gelenkstelle zwischen den innerdeutschen Kooperationsplänen und der Perspektivenausweitung auf Ausland und Geschichte« (Klein 2003: 1508). Bereits in der Begrüßung des Publikums, also im ersten Satz, findet sich eine vergleichbare klimaktische Verdichtung, die eine inhaltliche, semantisch-pragmatische Einheit evoziert: »Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine lieben jungen Freunde, liebe Landsleute!« (Zeile 1 – 2). Diese verdichtenden Höhepunkte sind Beispiele für pathetische »Peaks«, die Kohl in seiner Rede wohldosiert arrangiert: »Aber nur da, wo er die Einheit ausmalt […], antwortet ihm ein tausendfaches, wildes ›Jaaa‹ aus tiefster Seele« (Spörl in Die Zeit 22. 12. 1989: 2). Die Rede beschränkt sich also nicht auf die Affektik des ethos; dies wäre sowohl für das Erreichen des Publikums in Dresden als auch für diejeningen, die die Rede erst durch die Medien präsentiert bekommen, nicht effektiv genug. Das telos – die Befriedigung des Verlangens der DDR-Bürger nach einer baldigen Einheit einerseits und die Überzeugung der internationalen Staatengemeinschaft von deren Notwendigkeit andererseits – macht eine Pathetik unumgänglich, denn erst sie kann die politische Durchführbarkeit mit einer überzeugenden Erforderlichkeit versehen (cf. Quintilian 2006a: 365; inst. III 8,12). Kohl muß also einen »affektischen Spagat« schaffen: Einerseits die Emotionen zähmen, damit sie nicht entgleisen können, sie aber andererseits entfachen, weil sein Publikum danach verlangt (und u. U. die Stimmung ansonsten ebenfalls kippen könnte) und sie für eine überzeugende Wirkung auf das externe Publikum notwendig ist. Dies gelingt ihm, indem er eine ethos-basierte Grundstimmung kreiert und jene in geschickter Dosierung – wie dem klimaktischen Aufbau der Rede – mit dem nötigen pathos versieht. Dies läßt sich auch an weiteren Elementen beobachten; z. B. an anaphoralen Apostrophen, die Kohl im gesamten Text verwendet: Durchgängig beginnt er viele der Absätze mit »liebe Freunde«.252 Statt der unpersönlichen Formel »sehr geehrte Damen und

252 Cave: Im originalen Wortlaut der Rede werden die Apostrophen oftmals durch Konjunktionen mit den vorangehenden Absätzen verbunden. Zum großen Teil wurden diese Kon-

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Herren« verwendet Kohl also eine hochpersönliche Apostrophe, die eine sprachliche Nähe und damit eine Verbindung zum Publikum schafft. Hierdurch entsteht wiederum eine interdependente Passung, die zwei Effekte erzielen kann: Einerseits stillt er das Verlangen des Publikums, durch die Formulierung »liebe Freunde« zur Mitbevölkerung zu zählen, andererseits schafft er eine vertrauensvolle Atmosphäre, deren Spannung entschärft wird. Die bereits genannte Formulierung der »Einheit unserer Nation« (v.s.) beinhaltet darüber hinaus noch eine wichtige pragmatische Feststellung. Das Publikum interpretiert sie, entsprechend Kohls thematischer Verdichtung, als Versprechen der staatlichen Einheit Deutschlands: Auf der Ebene der verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Begriffssystematik aber hat Kohl etwas ganz anderes gesagt – und er weiß, daß z. B. die Außenministerien der relevanten Staaten das wissen und daß diese ihrerseits wissen, daß Kohl das weiß: Die ›Einheit der Nation‹ ist nach der Interpretation ein bestehender Zustand und als solcher die permanente Legitimation für die Forderung nach staatlicher Einheit (Klein 2003: 1508).

Kohl bedient sich also offensichtlich eines in der politischen Pragmatik definierten »key word« (ibid.), das das anwesende Publikum anders interpretieren muß als die politischen Experten, die erst durch die Doppelmedialisierung erreicht werden: Der deutsche Bundeskanzler kommt, […] den emotionalen Einheitshoffnungen […] der ostdeutschen Massen zwar scheinbar entgegen, doch wählt er die Begriffe bewußt so, daß er sich auf die staatliche Einheit im völkerrechtlichen Sinne als greifbares Ziel keineswegs festlegt (ibid.).

Hierdurch kann es Kohl gelingen, bei seinen internationalen Partnern ein höheres Vertrauen für seine Politik zu gewinnen, da er ihnen – sprachlich – ein verdecktes diplomatisches Zeichen übermittelt: »Indem er zum Prozeß der Wiedervereinigung auf diese Weise eher Zurückhaltung als Drängen signalisiert und so auswärtiges Mißtrauen dämpft, befördert er eben diesen Prozeß« (ibid.). Natürlich muß dabei bedacht werden, daß die »relevanten Staaten« einerseits um jenen pragmatischen Trick wissen, auch wenn Kohl de jure korrekt formuliert, und andererseits auch ihnen nicht die klimaktische Aufzählung entgehen wird, die in praxi populari die staatliche Einheit schlußfolgern läßt. Allerdings liegt die besondere sprachliche Leistung eben in dieser diffusen Pragmatik: Möglichen oppositionellen Argumentationen aus dem Ausland kann Kohl entgegenwirken, da er de facto eine judizial einwandfreie Wortwahl benutzt, die darüber hinaus, wie Klein präzise erläutert, mit der oppositionellen Position vereinbar ist. junktionen in der offiziellen Veröffentlichung der Rede gestrichen. Dies glättet zwar den sprachlichen Ausdruck, nimmt der Rede aber den originären Charakter.

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Insbesondere in der argumentatio führt Kohl dies Schema fort, nimmt Befürchtungen aus dem Ausland und die daraus resultierenden, mutmaßlichen Gegenstimmen auf und kann sie dadurch entkräften: Ein Blick auf die Landkarte zeigt, daß alles, was sich hier verändert, Auswirkungen auf alle unsere Nachbarn haben muß, auf die Nachbarn im Osten und auf die Nachbarn im Westen. Und es hat keinen Sinn, wenn wir nicht zur Kenntnis nehmen, daß viele uns auf diesem Weg mit Sorge und manche auch mit Ängsten betrachten. […] Angesichts der Geschichte dieses Jahrhunderts haben wir Verständnis für mancherlei dieser Ängste. Wir werden sie ernst nehmen (Zeile 79 – 96).

Vor allem die Syntaktisierung des Mediums Fernsehen in der Live-Übertragung trägt durch die Kameraeinstellungen und Schnitte zur Evozierung und Verstärkung des pathos bei; diese Feststellung ist natürlich insbesondere für die Doppelmedialisierung und das hierdurch erreichte externe Publikum bedeutend. Es eignen sich zwei verschiedene exemplarische Beschreibungen zur Verdeutlichung. Das erste Beispiel findet sich in der Fernsehübertragung an der Stelle, an der Kohl von der »Einheit unserer Nation« spricht (Zeile 70 – 71; ZDF 19. 12. 1989: 00:09): »Frenetischer Jubel ist die Reaktion der Kundgebungsteilnehmer […]« (Klein 2003: 1508); der Jubel der Menge dauert etwa eine halbe Minute und wird von verschiedenen Kameraeinstellungen illustriert. Dabei wird nicht nur die nationale Symbolik in Form von schwarz-rot-goldenen Flaggen in einen syntaktischen Zusammenhang mit Kohls Worten gebracht, sondern jene Flaggen werden in diesem Moment auch empor gehalten und geschwenkt. Es entsteht also eine akustische und optische Dynamik, die Kohls politische Forderungen unterstützt; darüber hinaus verbildlichen die Einstellungen das Verlangen nach (Meinungs-)Freiheit und deren Wiedererlangung in der DDR. Das zweite Beispiel findet sich nach Beendigung der Rede, als die Kameras die Emotionen des anwesenden Publikums bildlich »einfangen« und porträtieren (ZDF 19. 12. 1989: 00:18). In einem Kameraschwenk werden mehrere Personen in Nahaufnahme gezeigt: Zunächst eine junge Frau, die in die Jubelrufe eingestimmt hat, neben ihr ein älterer Herr, der ebenfalls begeistert mitruft und dabei zum Podium winkt. Etwas im Hintergrund steht eine ältere Frau, die sich nicht an dem Jubel beteiligt, sondern, offensichtlich tief bewegt, mit Tränen in den Augen fast bewegungslos zum Podium blickt; neben dieser Frau steht lächelnd ein DDR-»Volkspolizist«. Dieser Kameraschwenk beschreibt – nonverbal – nicht nur außerordentlich präzise die Stimmung in Ostdeutschland zur Zeit der Wende und insbesondere die unmittelbare Stimmung und Reaktion auf Kohls Rede, sondern spiegelt ebenso die Friedfertigkeit der Bevölkerung und deren Freiheitswillen wider. Ganz besonders ist es das Bild der zutiefst bewegten älteren Frau, das ein empathisches pathos ermöglicht.

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Es muß konstatiert werden, daß Kohls Dresdner Rede ein Musterbeispiel für die Leitmotive einer guten Rede ist (cf. 2.1.5). Immer wieder wählt er Formulierungen, die eine Identifikation bei seinem anwesenden Publikum entstehen lassen: Landsleute, liebe Freunde, »herzlicher Gruß all Ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Bundesrepublik Deutschland« (Zeile 15 – 16), »für unser Volk« (Zeile 41), »Wir, die Deutschen«, »deutsche Familie« (Zeile 128), »unser deutsches Vaterland« (Zeile 149). Gerade im Sinne eines »Wir- / -sie-Diskurses« schafft Kohl so eine diskursive Einheit des gesamtdeutschen Volkes auf der einen und der internationalen Staatengemeinschaft auf der anderen Seite. Kohls sprachlicher und parasprachlicher Ausdruck entspricht dabei der Spontaneität der Redesituation und der kontextual ungeplanten politischen Ereignisse. Gerade die Rede im Original (s. Anhang; hier insbesondere auch die Unterschiede zur offiziellen Publikation der Rede) weist grammatikalische und stilistische Ungenauigkeiten auf. In dem speziellen Fall dieser Rede ist dies aber durchaus angemessen: Die stilistische Geschliffenheit und Ästhetik sowie die präzise Artikulation eines Weizsäckers wären u. U. dem Setting vor der Frauenkirche (und dem aptum bzw. Image Redner Kohl) unangemessen gewesen; in jedem Fall hätten sie aber kontrapunktisch gewirkt. Gerade an dieser Stelle erweisen sich Kohls volkstümliche Formulierungen und dialektische Eigenheiten als angemessene dialogische Sprache mit dem Volk. Die Versprecher und gelegentlichen stimmlichen Unsicherheiten253 Kohls müssen die Authentizität und Ehrlichkeit seiner Rede verstärken: Sie bezeugen die Sensibilität, mit der Kohl formuliert, und lassen keine Spekulationen über eine lang geplante und inszenierte Veranstaltung zu. Handlungsaufforderungen finden sich – entsprechend den zwei Auditorien – in zweierlei Varianten wieder : Als erste Variante appelliert er bereits zu Anfang explizit für eine friedliche Demonstration und im Verlauf der Rede für eine Verwirklichung der politischen Ziele durch einen besonnenen Ablauf mit Einverständnis der internationalen Staatgemeinschaft. Hieraus ergibt sich die zweite Variante als verdeckte Handlungsaufforderung an das durch die Doppelmedialisierung erreichte Publikum bzw. eben jene internationale Staatengemeinschaft, also die »relevanten Staaten«: nämlich deren Einverständnis für das politische Ziel, die staatliche Einheit Deutschlands. Durch das gelingende Ineinandergreifen auch dieser Faktoren – Identifikationsstiftung, Authentizität und Ehrlichkeit, Handlungsaufforderungen – gelingt eine perfekte Passung zwischen Redner, Rede und (Gesamt-)Publikum und damit eine gute Rede.

253 Bereits zu Beginn der Rede wird Kohls Stimme brüchig, und er muß husten (cf. ZDF 19. 12. 1989: 00:02; etwa Zeile 7 – 10, s. Anhang).

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3.3.1.4 Zusammenfassung und Ergebnis »Nu red’ mal, Corl Smolt! Nu is’ Tiet! Ji heww hier den leewen langen Namiddag bröllt…« »Je, Herr Kunsel…« brachte Corl Smolt kauend hervor. »Dat’s nu so ’n Saak… öäwer… Dat is nu so wied… Wi maaken nu Revolutschon.« Thomas Mann, Buddenbrooks

Die spontane Dresdner Rede Kohls fügt sich nahtlos ein in die oftmals überraschenden Ereignisse von 1989 und 1990, auf die die Politik stets neu reagieren mußte, um auszuloten, welche Schritte als nächstes angemessen seien, und sie erscheint als Bindeglied zwischen dem theoretischen 10-Punkte-Plan und dessen praktischer Durchführung: »Sein Programm für die Vereinigung lag auf dem Tisch. Und jetzt griffen die Menschen in der DDR, wie er gehofft hatte, den Traum auf, von dem er ihnen gesagt hatte, daß er wahr werden könne« (Rice / Zelikow 1997: 214 f.). Kohl entschied, wie in 3.3.1. dargestellt, erst während seines Besuchs in Dresdens, daß er am Abend zur ostdeutschen Bevölkerung sprechen wolle: »Nur mit einigen Notizen, die er mit schwarzem Filzstift auf ein DIN-A4-Blatt geschrieben und mit seinen Mitarbeitern noch einmal besprochen hat, drängt sich der Bundeskanzler durch die Menschenmenge« (Kohl / Diekmann / Reuth 2000: 195). Zwischen Kohls Bestrebungen und einer staatlichen Einheit steht in jenen Tagen nicht mehr das in sich zusammenfallende politische System der DDR: »Als ich mit meinen Begleitern auf der holprigen Betonpiste des Flughafens Dresden-Klotzsche landete, wurde mir schlagartig bewußt: Dieses Regime ist am Ende. Die Einheit kommt!« (Kohl 2005: 1020). Vielmehr sind es die ehemaligen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, die von der realen Durchführung einer Vereinigung überzeugt und deren Ängste ausgeräumt werden müssen. Dies ist die eine Aufgabe, die Kohl mit seiner Rede zu bewältigen hat; die zweite steht in Zusammenhang mit dem Publikum, das ihn in Dresden an der Frauenkirche erwartet: Die ostdeutsche Bevölkerung verlangt nach einer schnellen Veränderung und – inzwischen – nach einer Aussicht auf eine baldige Wiedervereinigung; die Stimmung an dem Tag ist aufgeheizt. Kohl muß mit seiner Rede sensibel vorgehen, um eine tatsächlich mögliche Katastrophe zu verhindern. Gelingt ihm dies, ist das zweite telos möglich, nämlich das zuvor beschriebene Überzeugen oder zumindest ein positives Anregen der bisher skeptischen Staaten. Diese rednerische Aufgabe erscheint wie eine Win-Lose-Situation: Entweder Kohl gelingt die Rede gänzlich, oder er scheitert grandios. Die in der Makroanalyse dargestellten Ergebnisse konnten belegen, daß Kohl die Rede tatsächlich

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gänzlich gelungen ist, die Meso- und Mikroanalyse ermöglichten eine Interpretation und Erklärung. Kohls Ziel, daß die Rede und die Bilder auch die politischen Führungen »relevanter« Staaten erreichen, beweist exemplarisch ein von Condoleezza Rice geschilderter Vorfall in Washington: Sogar in Washington begann sich die Sorge breitzumachen, daß der Kanzler und seine Partei unbesonnen handeln würden. Baker hielt in einer Aktennotiz für Bush fest, daß Kohl mit seinem Besuch in Ostdeutschland einen großen Medienerfolg erzielt habe. Seine Handlungen ›könnten bei manchen allerdings erneut die Frage aufkommen lassen, ob der Kanzler durch seine innenpolitischen Interessen hinsichtlich der Vereinigung zu weit und zu schnell vorangetrieben wird; er entfacht Emotionen, die schwer zu kontrollieren sein werden‹ (Rice / Zelikow 1997: 215).

Dies hört sich zunächst nach einem Fehlschlag für Kohls Bemühungen um das »externe Publikum« an. Tatsächlich aber beweist Bakers Notiz, daß die Doppelmedialisierung Kohls Rede zu einem internationalen »Medienerfolg« gemacht hat; Befürchtungen von »unkontrollierbaren Emotionen« und einem unbesonnenen, zu schnellen Handeln erweisen sich durch die kontrollierte Situation in Dresden und dem diplomatische Geschick der folgenden Wochen als entkräftet. Natürlich ist Kohls Rede nicht der Auslöser für einen ab nun völlig unproblematischen politischen Weg bis zu Einheit – aber sie erscheint als eine wichtige Grundlage, und Gerhard Jelinek zählt sie zu Recht zu den Reden, die die Welt veränderten (Jelinek 2009: 273 – 280). Es hat sich herausgestellt, daß es Kohl vor allem gelingt, seine Rede in ein perfektes aptum einzubetten. Dies gilt sowohl für das Setting und die Inszenierung als auch für die Gewichtung der pisteis sowie deren Dosierung und Kombination. Kohl etabliert thematisch und argumentativ ein überzeugendes ethos, das sich in die historische Grundsituation einpaßt und eine harmonische und ehrliche Atmosphäre auf dem Platz vor der Ruine der Frauenkirche schafft. Die Verbindung von Kohls klimaktisch organisierten pathetischen »Peaks« mit den illustrierenden Reaktionen des Publikums evoziert durch die Doppelmedialisierung eine beachtliche Zweitwirkung, die sich von der unmittelbaren Wirkung durchaus getrennt beobachten läßt: Die Syntaktisierung des Schnitts und die bewußt illustrierenden Kameraeinstellungen verstärken das ethos, vor allem aber auch die Elemente des pathos der Rede. Kohl greift inhaltlich den topos Traum Wiedervereinigung auf und verspricht dessen Erfüllung; die Reaktionen seines Publikums beweisen die real gewordene Möglichkeit. Kohl gelingt es, Identifikation zu stiften, wo sie von seinen Zuhörern verlangt wird, und seinen politischen Forderungen ehrlichen Nachdruck zu verleihen. Die Rede besticht durch eine qualitativ und quantitativ ausgelotete Angemessenheit an die inneren – logos, ethos, pathos; Wortwahl, Prosodie – sowie die äußeren – Anlaß, Setting, Inszenierung – Aspekte des aptum. Schließlich greifen diese

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Aspekte wie Zahnräder ineinander (cf. 2.1.5), die zum Gelingen der Rede führen. Erst dies Ineinandergreifen aller gelingenden Bestandteile führt zu einer Passung zwischen Redner, Rede und anwesendem Publikum, die die gute Rede ermöglicht. Letztendlich ist es dies Prädikat, das auch die für das externe Publikum doppelmedialisierte Rede gelingen läßt. Es ist eine signifikante Feststellung, daß im Fall Philipp Jenningers vor allem das Ineinandergreifen von negativen Reaktionen, Interpretationen und negativer Medialisierung zum Scheitern der Rede geführt hat (cf. 3.2.1.4). Hieraus ist erkennbar, daß bei einer Rede, um ihr eine regelrechte Passung zuzuschreiben, jedes Element glücken muß, daß es aber genügt, wenn sich wenige negative Momente verknüpfen, um ein höchst negatives Resultat zu evozieren. Kohls umsichtige Redenkonstruktion beweist, daß es zumindest für die Disziplin des modernen genus deliberativum möglich erscheint, auch dann noch ein telos zu verfolgen und glückend zu erreichen, wenn es mit Risiken verbunden ist. Für die Doppelmedialisierung kommt ihm dabei selbstverständlich die Ästhetik des Mediums Fernsehen zu Hilfe: Erst die Syntaktisierung der Rede mit verschiedenen Kameraeinstellungen, deren Möglichkeiten von den zuständigen Regisseuren offensichtlich richtig erkannt und interpretiert wurden, können ein neues telos kreieren, das auf das externe Publikum angemessen »zugeschnitten« ist.

3.3.2 Geben Sie Gedankenfreiheit: Die Rede Marquis Posas in Friedrich Schillers Don Carlos Das in den vergangenen Jahrhunderten so oft kritisierte vollständige Fehlen einer öffentlichen politischen Redekultur und -kunst in Deutschland (cf. 3.1) ist natürlich vor allem darauf zurückzuführen, daß die politischen Verfassungen jene nicht vorsahen und auch nicht zuließen; der Verfall der Redekunst spiegelt »die Krise der bürgerlichen Gesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert« wider (Ueding 1971: 4). Ein öffentlicher politischer Meinungsaustausch fand im 18. Jahrhundert und noch in weiten Teilen des 19 Jahrhunderts in Deutschland nicht statt; es gab keine bürgerliche Streitkultur und Entscheidungsfindung. Bedenkt man Noelle-Neumanns These, »Was nicht berichtet wird, existiert nicht […]« (Noelle-Neumann 2001: 216; cf. 3.1), schwinden in jener Zeit darüber hinaus die Möglichkeiten, überhaupt von einer breiten Masse gehört zu werden und das politische Geschehen beeinflussen zu können: Es gab weder eine vergleichbare Medienkultur, noch einen zentralisierten Meinungsaustausch wie in der Antike. Eine in großen Teilen von der Bevölkerung wahrgenommene Rede, eine zielgerichtete Adressierung, insbesondere mittels Doppelmedialisierung, scheint auf den ersten Blick nicht vorstellbar. Doch gerade hier, wo jene ab-

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strakte Redesituation kaum möglich scheint, ist sie nachweisbar und ästhetisch vermutlich unerreicht: Das Theater bot die wohl einzige Möglichkeit, eine politische Rede zu inszenieren, die sowohl vom Volk als auch von der politischen Führung gehört werden konnte. Eine der auffälligsten und berühmtesten Reden der deutschen Dramenkunst des ausgehenden 18. Jahrhunderts findet sich in Schillers Stück Don Carlos, das als letztes seiner frühen Schaffungsphase als eines mit der größten politischen Motivation überhaupt angesehen werden darf: »Der Dom Karlos gilt als Stück der Freiheit, genauer, als ein Stück über das Scheitern konkreter Freiheitsvorstellungen« (Luserke-Jaqui 2002 / 2003: 205). Bei Schiller verbinden sich dazu die Ziele der Aufklärung mit der Idee der moralischen und ästhetischen »Erziehung« des Individuums durch das Individuum: Wenn man die Ziele der Aufklärung ohne deren Mittel erreichen muß, dann muß zunächst einmal die potentiell unmoralische, aufklärerische Neigung zur Abstraktion korrigiert werden. Wenn die Revolution ihren heiligen Zweck – die Freiheit – dadurch verraten hat, daß sie dem Einzelnen verworrene und einseitige Ideale vorgezogen hat, dann muß man seine Aufmerksamkeit auf den Menschen richten, ihn als integrale Totalität betrachten, und die Art und Weise herausfinden, wie seine Freiheit aus der Gesamtheit seines Wesens entstehen kann (Pirro 2003: 213).

In diesen Kontext läßt sich Don Carlos ohne weiteres einordnen; das Stück dokumentiert die Krisensituation Schillers im differenzierenden und selbstreflexiven Diskurs der Aufklärung in den 1780er Jahren, »in der der Dichter um eine Modifizierung seiner weltanschaulich-philosophischen und ästhetischen Positionen […] rang« (Rek 1999: 61). Als eigentlicher Held des Dramas erweist sich der Marquis von Posa, denn er ist es, der Schillers aufklärerischen, ästhetischen, moralischen, kurz: seine politischen Positionen vertritt: Das Handlungsziel, das Posa […] leitet […], ist die ›Freiheit‹ der spanischen Niederlande, die Sicherung von Bürgerrechten und damit bürgerlicher, vor allem religiöser Selbstbestimmung, prägnant zusammengefaßt in der berühmten Forderung an Philipp II. von Spanien nach ›Gedankenfreiheit‹ […] Die Zielsetzung ist somit eindeutig eine politische […] (ibid.: 63).

Die »Forderung«, die Rek nennt, ist Bestandteil einer Rede, die Marquis Posa vor dem König hält (III. Akt, 10. Auftritt), um ihn zu einem Einlenken in der »niederländischen Frage« zu bewegen. Hierbei muß zunächst festgestellt werden, daß die Worte Posas zwar in der Literatur grundsätzlich als Rede betitelt wird, es sich aber genaugenommen um einen Dialog zwischen Posa und dem König von Spanien handelt. Daß die Situation dennoch als Rede betrachtet und erörtert werden muß und Philipp II. hierbei eine auditoriale Sonderfunktion einnimmt, wird sich in der folgenden Analyse noch genauer betrachten lassen; es läßt sich

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ein entscheidender Faktor für das Verständnis und der Interpretation der Rede beobachten. Daß Posa in seiner Rede nicht nur »Geistes Kind« der philosophischen Aufklärer (ibid.), sondern durchaus auch Schillers ist – gleichsam sein ästhetisiertes, »polito-dramatisches« Medium –, ist vielfach beschrieben; eine umfassende Auflistung der grundlegenden Erörterungen Posas bietet zum Beispiel Gronicka (Gronicka 1951). Deutlich wird an dieser Stelle aber außerdem: Es zeigt sich nicht nur, daß die in 3.1 genannten Äußerungen zur Möglichkeit der Bühne als politisches Rednerpult tatsächlich erfüllt werden, sondern daß sich gerade auch in Don Carlos Schillers eigene politisch-rhetorische Motivation wiederfindet. Denn nicht nur das Volk, sondern gerade die politische Führung will Schiller durch Posas Worte erreichen: Eine merkwürdige Klasse von Menschen hat Ursache, dankbarer als alle übrigen gegen die Bühne zu sein. Hier nur hören die Großen der Welt, was sie nie oder selten hören – die Wahrheit; was sie nie oder selten sehen, sehen sie hier – den Menschen (Schiller 1992: 196).

Hier schließt sich der Kreis; Schillers Wirkungsästhetik und Philosophie setzen das Verständnis für den individuellen Menschen in den Mittelpunkt, der Mensch Marquis Posa führt diesen Gedankengang in Tat und Rede aus. Welche Kraft hinter Posas Worten steckt und wie geschickt Schiller eine Doppelmedialisierung inszeniert, die bis in die heutige Zeit hinein nichts an ihren Möglichkeiten und ihrer Effizienz eingebüßt hat, wird sich in der folgenden Analyse beobachten lassen. 3.3.2.1 Makroebene: Diskurs und Setting So wie in der vorangegangenen Analyse vorgenommen, läßt sich auch die Rezeption der Rede Marquis Posas grundsätzlich in zwei verschiedene Bereiche gliedern: Hier gilt zum einen die Dramaturgie des Stücks als Referenz – Handlung und Reaktionen des adressierten Auditoriums auf der Bühne, in diesem Fall Philipp II. –, zum anderen die möglichen Reaktionen im Theaterpublikum bzw. aller Adressaten des Stücks vor der Bühne. Diese Form der Doppelmedialisierung wird also erst dann möglich, wenn die Rede nicht nur als Monolog – herausgelöst und ohne Folgen für die Handlung bzw. Handlungen der Protagonisten – gehalten wird, sondern als Rede vor den Protagonisten des Stücks, und damit auch für sie. Es bietet sich also zunächst eine Beobachtung des Kontexts der Handlung an, in den die Rede im Stück eingebettet ist: Sie füllt fast gänzlich den 10. Auftritt des dritten Akts und befindet sich damit etwa in der Mitte des Stücks – bildet also im klassischen Spannungsbogen einen Teil der dramaturgischen Klimax. Dies ist

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wohl bewußt so gewählt, denn damit bekommen die Appelle Posas und die inhaltliche Ausrichtung der Handlung eine stärkere Gewichtung. Während zuvor »Beziehungsdrama« und gar »Vaterkonflikt« die bestimmenden topoi der Handlung sind, so wandelt sich das Stück mit der Rede immer mehr zu einer »Ideentragödie« (cf. Koopmann 1983: 88): Mit Posas Auftritt vor König Philipp tritt die politisch-philosophische Ideenlehre Schillers in den Vordergrund. Hiermit wird auch ein Wandel der Gewichtung der Protagonisten vollzogen; Posas Rolle als eigentlicher Held der Handlung steht damit fest, da er ihren Ausgang als aktiv handelnder Akteur von nun an wesentlich bestimmt. Tatsächlich läßt Philipp ihn eigentlich zu sich rufen, um ihn als »Spion« zu engagieren und Klarheit über seinen Sohn, den Knaben Don Karl und dessen Ambitionen auf seine Gemahlin Elisabeth zu erlangen. Posa nutzt die Chance, seine politische Überzeugungen dem König darzulegen und ihn im Konflikt um die nach Unabhängigkeit strebenden Niederlande zu einem Einlenken zu bewegen: »Aber Posa hat nicht nur das Wort, sondern er erlangt auch mehr und mehr die Führung der Szene« (Storz 1960: 133). Posa erkennt die einzigartige Möglichkeit, und er nutzt sie. Natürlich spricht aus ihm noch der »junge Dramatiker« (cf. ibid.: 110) der Sturm-und-Drang-Zeit, der flammende Idealist von Die Räuber und Kabale und Liebe; der Held soll »des Dichters Anliegen verkörpern« (Bahro 1958: 13). Aber Posa wird zur Figur in einem Stück, das einen Übergang in Schillers Leben darstellt: Die stürmischen Poesien wandeln sich zu ernsthaften und ästhetisierten Kunstwerken. Posa kann den König in solch einem Drama mit einer Rede nicht einfach von der Notwendigkeit einer demokratisch-republikanischen Politik überzeugen. Natürlich ist dies auch im Sinne der Anlegung als Tragödie nicht möglich; zwangsläufig muß Posa also scheitern. Nicht, weil seine Rhetorik nicht »ausreichte«, sondern weil Schillers Stück – wie in mehrfacher Hinsicht betrachtet – eine andere Handlungsabfolge verlangt: Die letzten beiden Akte können jedoch gar nicht anders verlaufen. Deshalb nicht, weil die geradlinige Fortsetzung […] zu einem ›happy end‹ hätte hinführen müssen. Eine solche abenteuerliche Umstülpung des historischen Verlaufs […] war so unmöglich wie die Preisgabe der Tragödie. So mußte denn in den letzten beiden Akten die dramatische Linienführung, die durch das Finale des III. Aktes eine so ganz andere Richtung gewonnen hatte, wieder auf den historischen Verlauf und zu einem tragischen Ausgang zurückgebogen werden (Storz 1960: 135).

»Intern«, also auf der Bühne, kann Posas Rede dennoch ein überzeugendes Element aufweisen: Der absolutistische Herrscher schenkt ihm überhaupt Gehör, setzt sich mit seinen Ideen auseinander, und trotz gegensätzlicher Überzeugungen genießt Posa am Ende seiner Rede das Vertrauen des Königs. Dies ist die maximale dramaturgische und ästhetische »Machbarkeit« von Posas

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Rede, und Schiller gelingt es, sie hierfür glückend zu gestalten: »König reicht ihm die Hand zum Kusse: / Er ist kein / Verlorner in dem meinigen« (Zeile 531 – 533, s. Anhang254). Durch Bühne und Theaterpublikum wird nun eine Doppelmedialisierung der Rede erreicht; eine Kanalisierung und Medialisierung, die Schiller selbst bereits treffend charakterisierte: Die Schaubühne ist der gemeinschaftliche Kanal, in welchem, von dem denkenden bessern Teile des Volkes das Licht der Weisheit herunterströmt, und von da aus in milderen Strahlen durch den ganzen Staat sich verbreitet. Richtigere Begriffe, geläuterte Grundsätze, reinere Gefühle fließen von hier durch alle Adern des Volks; der Nebel der Barbarei, des finstern Aberglaubens verschwindet, die Nacht weicht dem siegenden Licht (Schiller 1992: 197).255

Die richtigeren Begriffe und geläuterten Grundsätze sind Beschreibungen, die eine signifikante Äquivalenz zur Rede des Marquis Posa aufweisen: Posa formuliert politische Grundsätze, die nicht nur den König von Spanien, sondern gleichermaßen das Theaterpublikum und damit sowohl das Volk als auch die zeitgenössische politische Führung erreichen sollen: »Der Don Karlos gab 1787 ein politisches Signal, das lebhaften Widerhall fand. Schillers Geschichtsdrama wurde als Ausdruck modernen Freiheitsstrebens aufgenommen und wirkt bis heute als Dokument rebellischer Gesinnung« (Werner 1986: 133). Ein nach wie vor beeindruckendes Beispiel für die Wirkung der Rede sind die Reflexionen über das Stück in der Zeit des Nationalsozialismus; eine beispielhaftere Evidenz für die Aktualität der Brisanz, die aus der doppelmedialisierten politischen Meinungsbildung der Rede Posas hervorgeht, ist kaum denkbar. Franz Leschnitzer berichtet im Jahr 1937: Vor vier Jahren hat sich seine Gefährlichkeit den Machthabern des Dritten Reichs zum erstenmal offenbart. In einer ›Don Carlos‹-Aufführung des Bremer Stadttheaters brach nach Posas Worten: ›Geben Sie Gedankenfreiheit!‹ ein solcher Applaus los, daß die Theaterdirektion auf polizeilichen Befehl den Vorhang herunterlassen und die Aufführung abbrechen mußte. Jetzt hat sich das in Berlin wiederholt, nur mit dem Unterschied, daß der Applaus des Publikums nach jenen Posaworten nun schon zu Beifallsdonner anschwoll. […] Das deutsche Publikum, vom Feuer der Freiheitssehnsucht Schillers ergriffen, hat laut zu denken begonnen […] (Leschnitzer 1937: 10).

254 Die Zeilenangaben in den Analyseabschnitten über die Rede des Marquis von Posa beziehen sich, sofern nicht anders erwähnt, auf den Text der Rede aus Schillers Don Carlos, wie sie im Anhang abgedruckt ist. 255 Natürlich werden in diesem Zitat auch zwei für Schillers Überzeugungen wichtige Strömungen noch einmal deutlich: Licht der Weisheit, milder Strahl, siegendes Licht – sie stehen einerseits für die Aufklärung (französisch: les lumiºres; cf. Borchmeyer 1989: 373), andererseits für Schillers Kontakte zum Illuminatenorden (cf. Rek 1999: 62).

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Die eindrucksvolle Schilderung beweist: Marquis Posas Worte erreichen – dopplemedialisiert durch die Funktion des Theaters – nicht nur den »Tyrannen« (ibid.) auf der Bühne, sondern auch das reale Volk und den »Tyrannen« vor der Bühne: »Jürgen Fehling hat, noch in Hamburg, den ›Don Carlos‹ inszeniert. ›Sire, geben Sie Gedankenfreiheit‹ – ein Begeisterungssturm ist durchs Parkett gefegt. Goebbels und auch Göring schäumen« (Stern 2006: 134). Das Publikum jubelte dem »Politiker« Posa zu und konnte dabei von der Staatsgewalt unerkannt bleiben: »Als die Schlüsselszene […] in diesen frühen Jahren von Hitlers Terror von der Bühne ertönte, brach das Publikum Abend für Abend unter dem freundlichen Schutz des Zuschauerraums in schallenden Beifall aus« (Seidlin 1983: 481). Zu ähnlichen Vorfällen kam es auch in München und Dresden (cf. Ruppelt 1979: 114) sowie bei Aufführungen in der Schweiz (cf. Dürrenmatt 1987: 159); selbst in Berlin, unter Anwesenheit von Reichspropagandaminister Göbbels, gab es »langandauernden Applaus nach den berühmten Posa-Worten« (Ruppelt 1979: 114). Es ist fraglich, ob eine besondere Inszenierung des Stücks diesen Effekt verstärkt hat oder überhaupt beeinflußte; Schillers Dichtung – bzw. in diesem Falle die Rhetorik der von ihm brillant konstruierten Rede – scheinen für Wirkung und Reaktion völlig ausreichend zu sein; Schillers Redekunst evozierte mit dieser Rede seit jeher heftige Reaktionen der Zuschauer (cf. ibid.). Vielmehr scheint sich durch die Doppelmedialisierung das äußere aptum der Rede im historischen Kontext der Aufführung gelingend zu erfüllen: Das Theaterpublikum in einem Diktaturstaat scheint aber sehr hellhörig zu sein, wenn es gilt, die feinen Töne der Systemkritik auf der Bühne herauszuhören; es scheint bereit zu sein, aus der Anonymität des dunklen Zuschauerraums heraus die ›Szene zum Tribunal‹ zu machen. In einem Staat, in dem jede politische Opposition kriminalisiert und verfolgt wird, erhalten politisch auslegbare Äußerungen und Kundgebungen im Theater ein politisches Gewicht, dessen Aussagekraft über den psychischen Zustand des einzelnen wie auch über die wahre Verfassung der Gesellschaft wahrscheinlich nur von dem ganz erfaßt werden kann, der unter ähnlichen Bedingungen gelebt hat oder lebt (ibid.: 115).

Das zentrale Ereignis des Dramas, die Rede Marquis Posas, ist gleichsam das Scharnier des Stücks; es kann nicht weiter verwundern, daß es in der Literaturwissenschaft zum Gegenstand vieler Erörterungen geworden ist. Einen fundierten aktuellen Überblick über Forschung und Ergebnisse bieten die Beiträge von Andr¤ von Gronicka (1951), Gerhard Storz (1960), Frances Ebstein (1961), Paul Böckmann (1974), Helmut Koopmann (1983), Hans-Jürgen Schings (1993), Klaus Rek (1999) und Matthias Luserke-Jaqui (2002 / 2003). Schiller politisiert, auch gerade mittels Dialog und Rede, in vielen seiner Dramen (cf. Dann 1999: 27 f.); in Don Carlos aber läßt sich durch Marquis Posas Ansprache der eindruckvollste Beweis für Schillers Redekunst beobachten:

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Auch im ›Don Carlos‹ finden politische Reden ausschließlich in privaten Gesprächen und persönlichen Begegnungen statt; hier jedoch im Rahmen der Hofgesellschaft eines Großreiches. Der Auftritt des Marquis Posa vor König Philipp […], ist die weitaus bekannteste politische Rede in Schillers Werk […] (ibid.: 289).

Daß Schiller sich so selbstverständlich der Rhetorik bedient, ist eigentlich ein Paradoxon, denn Schiller äußerte sich bis zum Ende seines Lebens stets entschieden gegen die Mittel der Redekunst. Noch im Demetrius schreibt er dem Erzebischof von Gnesen die Zeilen zu: »Und kräftiger noch aus seiner schlichten Rede / Und reinen Stirn spricht uns die Wahrheit an. / Nicht solche Züge borgt sich der Betrug, / Der hüllt sich täuschend ein in große Worte, / Und in der Sprache rednerischen Schmuck« (Schiller 2004: 526). Schiller steht damit in der Tradition der Antirhetorik seiner Zeit (cf. 2.1.2); wenngleich, wie bereits im methodischen Teil der Arbeit deutlich geworden ist, auch ein »schlichter« Sprachstil natürlich den Regeln der rhetorischen Wirkungsmechanismen folgen kann. Schiller kannte die Schriften der wichtigsten antiken Rhetoriker ; dies stellte Gert Ueding heraus (1971: 5 f.), und seine rhetorisch durchkonstruierten Dichtungen blieben im übrigen nicht ohne Kritik bei denjenigen Zeitgenossen, die die Redekunst ebenfalls ablehnten (cf. ibid.: 4 f.). Daß sich Schiller entgegen der antirhetorischen Bewegung dennoch ganz offenkundig der Redekunst annahm, läßt sich zumindest an drei Beispielen zufriedenstellend erklären: Zum einen prägte Schiller für seine dramatischen Dichtungen den Begriff und das Leitmotiv des Pathetischerhabenen (cf. König 2006: 36); wenn Schiller seine Dichtungen nach rhetorischen Regeln konstruiert, dann ist dies eine Konsequenz seiner Ästhetik, die das Muster der rhetorischen Wirkungsmittel trägt. Zudem bemüht sich Schiller stets um einen erzieherischen Auftrag seiner »medialen Texte« (v.s.), für den ihm die rhetorischen Überzeugungsmittel von hohem Nutzen sind; auch und gerade im Kontext der Aufklärung: »Schillers Konzeption einer ästhetischen Erziehung knüpft an diese verdrängte Tradition [der Rhetorik, J.K.] wieder an und führt sie konsequent zu Ende« (Ueding 1971: 5). Rhetorik ist bei Schiller dabei also nicht nur ein rein ästhetisches Mittel, sondern dient dem Text als Handlungselement: »rednerische Suggestivität, Zauberkraft der schönen Form, nicht nur eine verlorene Integrität vorstellend, sondern auch deren Realisierung verlangend« (ibid.: 127). Gerade im Sinne einer Wirkungsästhetik, die im folgenden noch zu beobachten ist, muß Schiller also rhetorische Elemente nutzen. Die dritte Erklärung ist im Vergleich zu den anderen profanerer Natur, denn Schiller mußte auch kaufmännisch denken, wie sich gerade an der sprachlichen Dichtung des Don Carlos erkennen läßt: Er lieferte zwei Versionen, eine in Prosa (z. B. ersichtlich an der »Rigaer Bühnenfassung« von 1787, in: Schiller 1989: 637 – 771), die andere in jambischen Versen (wie die heute meist als Grundlage für Inszenierungen gewählte letzte Ausgabe

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von 1805). Die prosaische Version ist dabei stilistisch eindeutig noch den Frühwerken zuzuordnen, die sich im Stil des Sturm und Drangs dem Versdrama verweigerten; die Hinwendung zur Versform reflektiert dabei nicht nur Schillers höhere Wertschätzung der Poetik, sondern hatte auch ökonomische Gründe: Versdramen erhielten als Stücke an den Theatern, insbesondere in Mannheim, eher einen Platz im Programm, weil viele Dichter jener Tage – darunter Wieland, Gotter und Dalberg – die Versform bevorzugten und das Theaterpublikum jene schlicht lieber besuchte (cf. Schiller 1989: 1027 f.). Abgesehen von dieser ökonomischen Perspektive läßt sich hieraus auch eine praktische Notwendigkeit für Schiller folgern, die der Erkenntnis entspringt, daß auch die Schillersche Dichtkunst letztendlich dem Gebot des äußeren aptum folgen muß: Wenn Schiller will, daß seine Botschaften gehört werden und das Publikum überzeugen, dann muß er zwangsläufig die sprachliche Form wählen, die sicherstellt, daß er tatsächlich gehört wird. Horst Turk skizzierte für die Wirkungsästhetik Schillers das besondere Verhältnis von ethos und pathos: Der Hauptunterschied zur älteren Dramaturgie liegt bei Schiller jedoch darin, daß Schiller die beiden Stillagen oder Haltungen [ethos / Anmut und pathos / Würde, J.K.] nicht nur situationstypisch einander gegenüberstellt, sondern vom Standpunkt einer wahren menschlichen Präsentation aus in ein wechselseitiges Bedingungsverhältnis zu setzen sucht (Turk 1976: 68).

Natürlich muß dieser ästhetisch-erzieherische »Auftrag« der Schillerschen Dichtkunst mittels Interdependenz von ethos und pathos auch als persuasives Element betrachtet werden, durch das nicht nur ein »ästhetischer Zustand« des Publikums, sondern auch dessen (politische) Bildung und Überzeugung erreicht wird: Der ästhetische Zustand realisiert sich nicht im einzelnen Kunstwerk, sondern er gewinnt seine Realität im Zuschauer oder Hörer als Wirkung des Kunstwerks; deshalb bestimmt Schiller das Ideal-Schöne als einen Annäherungswert der künstlerischen Darstellung (ibid.: 69).

Es bleibt Aufgabe der weiteren Analyse zu überprüfen, inwieweit sich diese wirkungsästhetische Maxime in der Rede Posas rhetorisch umgesetzt wird. Marquis von Posa trägt in seiner idealistisch-politischen Haltung selbstverständlich eher die Züge eines aufgeklärten Republikaners des ausgehenden 18. Jahrhunderts als die eines Malteserritters am Hofe Philipp II.; er bekennt auf der Bühne sogar selbst: »Das Jahrhundert / Ist meinem Ideal nicht reif. Ich lebe / Ein Bürger derer, welche kommen werden« (Zeile 159 – 161, s. Anhang). Schiller skizziert in seinen Briefen allerdings glaubhaft, daß eine politische Motivation solcher Art aus dem Kontext des 16. Jahrhunderts möglich ist (cf. Schiller 1989: 429 f.): »[…] das kühnste Ideal einer Menschenrepublik, allgemeiner Duldung

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und Gewissensfreiheit, wo konnte es besser und wo natürlicher zur Welt geboren werden, als in der Nähe Philipps II. und seiner Inquisition?« (ibid.: 429). Schiller schafft für den Idealisten Posa keine große Öffentlichkeit, sondern er konstruiert eine gänzlich private Atmosphäre – zumindest innerhalb der Handlung. Dies ist sicherlich der Konsequenz geschuldet, daß hiermit eine logisch erscheinende Bereitschaft (»Gemütslage«) des Königs zum Zuhören ermöglicht wird: »Diese Gemütslage war äußerst günstig für ihn [Posa, J.K.], und bereitete seinen hingeworfenen Reden eine Aufnahme, die er mit keinem Grund der Wahrscheinlichkeit hätte erwarten können« (ibid.: 447). Schiller kann dadurch tatsächlich fast eine spontane Reaktion Posas etablieren, mit der sein offen ausgesprochener Idealismus realistischer erscheint. Posa muß – innerhalb der Handlung des Stücks – nur einen einzigen Menschen überzeugen; dies hilft natürlich, sich inhaltlich voll und ganz auf den König als Adressaten einzustellen: […] eine Rede im Kabinett des Königs, an eine einzige Person gerichtet und doch von einer Überzeugungskraft und Wirkung wie eine Rede in einer Volksversammlung. Auch hier ist ein politischer Souverän der Adressat, von dem Schiller wohl meint, daß er leichter zu überzeugen sei als eine Menge von Abgeordneten (Dann 1999: 28).

Die aufgestellte These der möglichen »Machbarkeit« von Posas Wirkung auf den König findet dabei auch bei Schiller eine Bestätigung: Diese Wirkung konnte wohltätig sein, wenn sie auch bloß dazu diente, die Vorurteile dieses Menschen auf einen Augenblick zu erschüttern; wenn sie ihn fühlen ließ, daß es noch jenseits seines gezogenen Kreises Wirkungen gebe, von denen er sich nichts hätte träumen lassen. Dieser einzige Laut konnte noch lange nachhallen in seinem Leben, und dieser Eindruck mußte desto länger bei ihm haften, je mehr er ohne Beispiel war (Schiller 1989: 447).

Es erscheint als klare Schlußfolgerung, daß sich aus dieser ersten Wirkungsintention die zweite ergeben soll, die erst durch die Doppelmedialisierung für das Publikum realisiert werden kann: Die Zuschauer sollen überzeugt werden, daß eine Veränderung der politischen Wirklichkeit möglich ist und, wie am Beispiel des absolutistischen Herrschers hervorragend zu beobachten, die richtige Alternative zum bestehenden System darstellt; auch gerade deshalb, weil Philipp II. unfähig ist, diese Alternative wirklich zu erkennen und zu verstehen. 3.3.2.2 Mesoebene: Redetext Obwohl Schiller zwischen Marquis Posa und Philipp II. die intime Dialogsituation eines Vier-Augen-Gesprächs schafft, handelt es sich bei den Worten Posas doch um eine ganz klassische politische Rede und damit um das genus deliberativum: Er stellt sein zukünftiges politisches Ziel dar – die Unabhängigkeit der Niederlande und einen demokratisch-republikanischen Staat –, wägt

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zwischen Schaden und Nutzen ab und rät dem König (bzw. berät ihn) zu einer Entscheidung (cf. 3.3.2.3). Obwohl es also keine typische Redesituation vor einer großen Volksversammlung ist (cf. Lausberg 1990: 123; HLR § 224), so ist die Ansprache doch »von einer Überzeugungskraft und Wirkung wie eine Rede in einer Volksversammlung« (Dann 1999: 28; v.s.). Dies erklärt sich zum einen daraus, daß Schiller für Posas Rede »alle Register der Beredsamkeit« zieht (Cicero 2003: 421; de orat. II,334), wie sich in der Mikroanalyse noch genauer beobachten lassen wird. Zum anderen beweist bereits die Länge und Konstruktion der Rede, daß es sich um mehr als nur einen »Quasi-Dialog« handelt: Es ist eine großartige Szene in dem Schiller eigenen Stil der Großartigkeit – und viel zu lang, […] weil Marquis Posa, und durch ihn natürlich Schiller, sich gar nicht genug daran tun kann, in der beseligenden Vision einer aufgeklärten Menschheit zu schwelgen, einer Gemeinschaft, zusammengehalten durch die Bande der Freundschaft und gegenseitigen Achtung […] Es ist Schillers Pathetik auf ihrem Gipfel, im Dienst der nobelsten Mission und Aufgabe […] (Seidlin 1983: 480).

Seidlins paraphrasierte Zusammenfassung umschreibt die Rede Posas nicht nur inhaltlich präzise, sondern sie belegt auch, daß hier eine wahre und »große« Überzeugungsrede gehalten wird, die inhaltlich mehr bewirken soll, als nur im Kontext der Handlung ein »Element« zu sein. Die Vision einer aufgeklärten Menschheit, zusammengehalten durch die Bande der Freundschaft und Achtung wird deshalb zum Politikum und zum genus deliberativum, weil es eine Vision zukünftiger Gestaltung ist, die eine andere Form der Politik bedeutet als die gegenwärtig existierende. Die Ansprache des Marquis von Posa kann der Gliederung der partes orationis verläßlich zugeordnet werden; auch dies ist ein Hinweis darauf, daß Schiller sie als rhetorisch-politische Rede konstruiert hat. Das exordium (Zeile 85 – 136, s. Anhang) beginnt erst nach einer kurzen, dramaturgischen Etablierung der Begegnung zwischen dem König und Posa im 10. Auftritt des III. Akts: »Nach einem sehr knappen Anlauf des gegenseitigen Tastens und Versuchens kommt es zum großen Bekenntnis Posas« (Storz 1960: 132). Sein inhaltliches Ziel ist, wie bereits dargestellt, ein Bekenntnis zu einem »politischen Reformprozeß«. Doch hiermit beginnt er seine Rede nicht, sondern greift geschickt die Anfrage des Königs auf, sich in seine Dienste zu begeben: »Ich kann nicht Fürstendiener sein« (Zeile 85). Diese Aussage ist das Leitmotiv des exordium, der Eröffnung seiner politischen Rede; sie stellt gleichzeitig das politische System in Frage: »Ich liebe / Die Menschheit, und in Monarchieen darf / Ich niemand lieben als mich selbst« (Zeile 101 – 103). Dem topos des politischen Systems – also im Falle Philipps II. das der absolutistischen Monarchie – ordnet Posa die Unmöglichkeit einer freien Mitgestaltung und Entfaltung zu. Damit erzwingt er gleich zu Anfang eine Konfrontation, die den hierauf un-

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vorbereiteten König zu einer Auseinandersetzung veranlaßt. Posa nutzt seine Chance: Der König verlangt etwas von ihm, und Posa kann dadurch verlangen, daß ihm Gehör geschenkt wird. Auf die Konfrontation im exordium muß der König eingehen, wenn er sein eigenes Ziel – die Dienste Posas – erreichen will. Posa unterläßt es dabei absichtlich, konkret zu werden, so daß der König neugierig wird, mitdenken und nachfragen muß. Die Ungenauigkeit provoziert so zum Ende des exordium ein Mißverständnis. Posa schließt die Einleitung repetitorisch mit der bereits zu Anfang genutzten Sentenz und bildet damit eine figurrhetorische Klammer : »Ich kann nicht Fürstendiener sein« (Zeile 136). Gleichzeitig provoziert er mit seiner unklaren Ablehnung des Systems – im Kontext der religiösen Umbrüche im 16. Jahrhundert – ein Mißverstehen des Königs: »Ihr seid / Ein Protestant« (Zeile 139 f.). Posa gelingt damit eine äußerst kluge Redesituation: Im folgenden Teil der Rede kann er die »Befürchtung« des römisch-katholischen Monarchen entkräften, indem er ihm seine wahren Gründe für die Ablehnung des politischen Systems näher darlegt. Die propositio(-narratio) (Zeile 143 – 198) beginnt folglich mit der Verneinung der (indirekten) Frage des Königs und damit mit einer (indirekten) Aussicht auf die Darlegung des tatsächlichen Motivs der Rede: »Ihr Glaube Sire, ist auch / Der meinige. / […] Ich werde mißverstanden. / Das war es, was ich fürchtete« (Zeile 143 – 147). Auch in der propositio tastet sich Posa noch einmal an sein eigentliches Anliegen heran, diesmal aus der Perspektive des Königs, der die Rolle des Absolutisten, ohne seinen freien Willen dazu, übernehmen mußte und wegen der ihm zugeschriebenen Rolle keine andere Perspektive einnehmen kann und darf. Propositio und die sich anschließende narratio sind sicherlich nicht scharf voneinander zu trennen, aber dies ist nicht verwunderlich und auch gar nicht zwangsläufig nötig, da die propositio ohnehin Teil der narratio ist (cf. 3.2.1.2). Schiller bewirkt eine »manuelle« Trennung durch eine Reaktion des Königs, der Posa überrascht und beeindruckt entgegnet: »Etwas Wahres / Find’ ich in diesen Worten« (Zeile 200 f.). Dies ist die Bestätigung für Posa, daß seine Worte den König wie gewünscht beeindrucken, und er führt seine Thesen über die beklagenswerte Situation des politischen Systems anhand der beklagenswerten Situation des Königs selbst nun vollends aus, indem er in der narratio (Zeile 203 – 233) erzählt, wie es zu diesem Mißstand kommen konnte: »Sie fuhren fort / Als Sterblicher zu leiden, zu begehren; / Sie brauchen Mitgefühl – und einem Gott / Kann man nur opfern – zittern – zu ihm beten!« (Zeile 209 – 212). Posa wählt eine weitere Strategie, den König für sein Anliegen zu gewinnen. Mit seinen einfühlsamen Worten, die gewiß auch blumig und einschmeichelnd sind, versetzt er sich in die Einsamkeit des König, der sich verstanden fühlt: »Bei Gott, / Er greift in meine Seele!« (Zeile 218 f.). Homer beschrieb diesen rhetorischen Stil treffend lautmalerisch als haimylioisi logoisi, als ein »becircen mit listigen und schmeichelnden Worten«

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(cf. Homer 1974: 8 f.; Od. I,56). Wie schon zuvor nach der propositio, so setzt Schiller auch nach der narratio dramaturgisch eine manuelle Unterbrechung, denn Graf Lerma stört die Szenerie für eine kurze, nicht hörbare Unterredung mit dem König. Zuvor beendet Posa seine Ansprache abrupt: »Mein Gegenstand / Reißt mich dahin. Mein Herz ist voll – der Reiz / Zu mächtig, vor dem Einzigen zu stehen, / Dem ich es öffnen möchte« (Zeile 230 – 233). Posa erzielt an dieser Stelle einen Spannungsaufbau, eine inhaltliche »Schürzung des Knotens«; nachdem er durch die unerwartete Offenheit und sein Einfühlungsvermögen das Vertrauen des Königs gewonnen hat, will dieser nach dem Abgang Lermas die angedeuteten, wahren Hintergründe von Posas Rede hören. Jetzt endlich beginnt Posa mit der argumentatio (Zeile 248 – 340), in der er seine Motivation, seine Überzeugung und seine politischen Ziele offen darlegt. Er stellt den topoi Frieden und Freiheit die Beschreibung der Unterdrückung teils mit äußerst drastischen Worten gegenüber (»Da stieß / Ich auf verbrannte menschliche Gebeine […]«, Zeile 253 f.) und erläutert damit den starken Kontrast zu seinen ersten Eindrücken von Flandern und Brabant (Zeile 249 – 253). Dies wird verknüpft mit der (scheinbar) erst in der Zukunft liegenden Möglichkeit, aber auch der Zwangsläufigkeit einer Änderung der Umstände: »Sanftere / Jahrhunderte verdrängen Philipps Zeiten […]« (Zeile 256 f.). Natürlich erhebt Philipp an dieser Stelle Einspruch, bekundet den Frieden und die Ruhe in seinem Reich. Posa kann den topos geschickt entkräften, indem er ihn neu attributiert: »Die Ruhe eines Kirchhofs!« (Zeile 280). Posa beschreibt noch einmal die zukünftige Veränderung des Systems und bedient sich nun doch – passend – des Beispiels der Reformation: »Der Bürger, / Den Sie verloren für den Glauben, war / Ihr edelster« (Zeile 290 – 292). Auch im folgenden bedient sich Posa eines Perspektivwechsels, denn er nimmt die Sichtweise derjenigen ein, die das gegenwärtige System mit Philipp gleichsetzen und ihn daran bewerten; dies tut er, nicht ohne den König dabei »haimylioisi logoisi« in Schutz zu nehmen: »Zu einem Nero und Busiris wirft / Er Ihren Namen, und – das schmerzt mich; denn / Sie waren gut« (Zeile 310 – 312). Die Strategie gelingt; Philipp will diesen Glauben an sich natürlich begründet bekommen. Dies ist Posas Stichwort für das begeisterte – und schonungslose – Finale seiner argumentatio, die er mit einer Aneinanderreihung von Appellen, gleichsam Sentenzen, beendet: Hier finden sich alle beratenden Positionen, die einer Veränderung bedürfen. Spannungsreich aufgebaut, endet Posa mit der Klimax: »Geben Sie / Gedankenfreiheit«256 (Zeile 339 f.; cf. Abbildung 12). Die Klimax in der Dramaturgie des Stücks fällt 256 Im Alltag oftmals zitiert mit Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire! Oder Sire, geben Sie Gedankenfreiheit! Hierfür findet sich in keiner der überlieferten Ausgaben des Stücks eine Entsprechung; gleichwohl benutzt Posa in seiner Ansprache häufig die Anrede »Sire«, was die Verbindung der Sentenz mit jener Anrede erklären dürfte.

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Abbildung 12

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nun also komprimiert zusammen mit der Klimax der Rede Posas. Dies bedeutet sowohl den absoluten Höhepunkt des Stücks als auch die Konkretisierung dessen politischer Aussage: Schiller setzt die Forderung nach »Gedankenfreiheit« »an die zentralste Stelle des Dramas« (Böckmann 1974: 510). Bezeichnend läßt sich feststellen: Der Wunsch nach »Gedankenfreiheit« hat sich durch die Rede, zumindest im kleinen, für Posa erfüllt, denn der König hat ihm durch seine Kommentare und Aufforderungen längst die Freiheit des Denkens gestattet. Auch außersprachlich zeigt sich das Ende der argumentatio durchaus interessant, denn gleichzeitig zu seiner revolutionären Forderung wirft sich Posa zu den Füßen des Königs und demonstriert ihm so seine Ehrlichkeit und Demut. Die peroratio (Zeile 346 – 384) beginnt Posa mit einem besonders imponierenden vergleichenden Beispiel (cf. Nüßlein 1998: 139; rhet. Her. III,9); denn erst wenn der König vollständige Freiheit gewährte, sei er dem Schöpfer der Welt gleich: »[…] ihn, / Den Künstler, wird man nicht gewahr, bescheiden / Verhüllt er sich in ewige Gesetze; / Die sieht der Freigeist, doch nicht ihn« (Zeile 359 – 362). Ein letztes Mal läßt Schiller die Rede durch den König unterbrechen, der die Frage einwirft, ob Posa selbst das System verändern wolle – natürlich eine Fangfrage, die den Redner letztlich doch noch als Verschwörer entlarven könnte. Die Befürchtung räumt Posa sofort aus und entkräftet nicht nur jede Furcht vor einer Verschwörung, sondern schreibt dem eigentlichen politischen Gegner – nämlich Philipp – die Macht zu, selbst die Gegebenheiten zu ändern: »Sie, / Sie können es. Wer anders?« (Zeile 370 f.). Wenn Posas politisches Ziel erreicht ist, so folgert jener, würde der König zum Vorbild der ganzen Welt: »Dann, Sire, wenn Sie zum glücklichsten der Welt / Ihr eignes Königreich gemacht – dann ist / Es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen« (Zeile 382 – 384). Posas Fazit: Dadurch, daß der König selbst die politischen Verhältnisse verändert, wird er zum wahren Herrscher. Wie schon zu Beginn der Szene komponiert Schiller auch das Ende des Auftritts als Dialog: Noch im Begriff, Posa die Flucht vor der Inquisition nahezulegen, besinnt sich der König nach der Rede und den nun folgenden, immer noch standhaften und altruistischen Erwiderungen Posas, eines Besseren. Nachdem Posa einwilligt, in seine Dienste zu treten, fällt endlich der entscheidende und erfüllende Wortwechsel: »Marquis Kann ich es mit einer / Erfüllten Hoffnung? dann ist dieser Tag / Der schönste meines Lebens. / König […] / Er ist kein / Verlorner in dem meinigen« (Zeile 527 – 533). Daß Marquis Posa von nun an das volle Vertrauen des Königs genießt, beweist indes der Schlußsatz des Auftritts, den Philipp zum Grafen Lerma spricht: »Der Ritter / Wird künftig ungemeldet vorgelassen« (Zeile 535 f.). Die auffällig unauffällige Besonderheit der Rede des Marquis Posa stellt sich in ihrer nicht-monologischen Situation dar. Tatsächlich ist die Rede ein Dialog, wenngleich ein scheinbarer ; denn dem König fallen dabei zwei Aufgaben zu:

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Einerseits ist er für die Identifikation und Affektik von wesentlicher Bedeutung, wie sich in der Mikroanalyse noch zeigen wird, andererseits »hilft« er bei der Verkettung der topoi und Argumentation. Dies erscheint zunächst als Vorteil einer Dichtung, die diese Situation konstruieren und inszenieren kann. Allerdings hat sich durch die Mesoanalyse herausgestellt, daß Schiller die Worte Posas so geschickt wählt, daß jener selbst die Verkettung konstruiert und Philipps Stichworte, Fragen und Zustimmungen provoziert, indem er das aptum inhaltlich teilweise absichtlich verletzt und gleichzeitig spannungsreich eine Antwort in Aussicht stellt, warum er dies tut. Posa gibt sich darüber hinaus, damit den König beschwichtigend und wohlwollend stimmend, demütig, untergeben, verläßlich und ehrlich. Er erfüllt so schließlich wieder das äußere aptum hinsichtlich der gesellschaftlichen und politischen Rangordnung zwischen ihm und dem König. Trotz des partiellen Verletzens der »Etikette« ergibt sich hieraus eine beispielhafte Gewinnung des Wohlwollens des Auditoriums, also eine äußerst glückende captatio benevolentiae des Königs, die für das Gelingen eines genus deliberativum, gleichsam eine auf (zukünftige) Entscheidung drängende Rede, zweifellos von äußerster Wichtigkeit ist.

3.3.2.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene In den vorangehenden Kapiteln hat sich bereits angedeutet, daß Schiller für die Rede des Marquis Posa sämtliche pisteis einsetzt und damit in der Tradition des genus deliberativum steht, die »alle Register der Beredsamkeit« nutzt (cf. Cicero 2003: 421; de orat. II,334). Es läßt sich dabei in der Tat eine logos-basierte Argumentation nachweisen; die wichtigsten Wirkungsmittel finden sich aber im ethos und im pathos: »Es ist Schillers Pathetik auf ihrem Gipfel, im Dienst der nobelsten Mission und Aufgabe […]« (Seidlin 1983: 480). Auch die Rede Posas kann dabei in zwei Wirkungsziele eingeteilt werden, für welche die Strategien separat betrachtet werden können: Posa will einerseits mit seiner Rede den König überzeugen, hier findet sich die »interne« Wirkungsstrategie. Andererseits soll das Publikum außerhalb der Bühne durch die Rede überzeugt werden; dies ist die »externe« Wirkung. Das grundsätzliche Ziel ist dabei in diesem Fall übereinstimmend; die Auditorien sollen von der Möglichkeit eines politischen Systemwechsels überzeugt werden – oder zumindest die Möglichkeit erkennen. Die Überzeugungsmittel, also die rhetorischen pisteis, werden zum Erreichen des Ziels nun aber unterschiedlich oder in unterschiedlicher Kombination eingesetzt, denn die verschiedenen Auditorien bedingen naturgemäß ein verschiedenes aptum der Wirkungsmittel. Seidlin merkt zur (»internen«) Wirkungsästhetik Posas kritisch an; nicht einmal zu Unrecht:

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[…] doch können wir uns eines leichten Verlegenheitsgefühls nicht erwehren, wenn konfrontiert mit den begeisterten Ausbrüchen, mit denen Posa den König auffordert, ein Gott zu werden […] Zugegeben, Posas überhitzte Vision einer ungetrübt harmonischen Menschenbrüderschaft und -ordnung grenzt gefährlich an Narretei […] (Seidlin 1983: 480).

Diese Kritik ist zum einen inhaltlich zu verstehen, Seidlin nennt bereits die zur Übertreibung tendierenden topoi Göttlichkeit (narratio und peroratio), friedliches Zusammenleben und freiheitliches System (argumentatio und peroratio). Zum anderen spiegelt sich diese Übertreibung in der Wortwahl, also dem Redenschmuck wider, den Schiller dem hitzigen Posa in den Mund legt; als Beispiel sei hier nur ein Zitat genannt: »Lassen Sie / Großmütig, wie der Starke, Menschenglück / Aus Ihrem Füllhorn strömen – Geister reifen / In Ihrem Weltgebäude!« (Zeile 319 – 322). Die rhetorischen Bilder – Füllhorn, Geister, Weltgebäude –, kombiniert mit deutlich erhöhenden Wörtern und Wortkonstruktionen – großmütig, Menschenglück – bezeugen die starke Übertreibung Posas, die – singulär betrachtet, ohne Referenz und Kontext – gefährlich nahe am Kitsch ist: Wenn uns bei diesem Freiheitsfeuerwerk und solcher liebevollen und liebenswerten Naivität ein gewisses Unbehagen beschleicht, dann sind wir in allerbester Gesellschaft, in Goethes Gesellschaft, der […] den großen Freund bei aller Hochschätzung […] gelegentlich die Rolle eines göttlichen Freiheitsnarren spielen sah (Seidlin 1983: 480).

»Kitsch« oder »Schwulst« ist in den Werken Schillers kein Novum, wie bereits Gert Ueding feststellte: Wird das Kraftvolle zum Schwulst, die Größe zum leeren Wortprunk, das Erhabene zur schreienden Tirade, so verschwimmt die delectatio bewirkende, sanft anmutende Stillage bei fehlendem oder gestörtem aptum zum Kitsch. Die idyllischen Partien in Schillers Werk geraten oft in dessen Nähe oder sind es gar (Ueding 19711: 86 f.).

Schwulst allerdings wird bereits in der Antike als mala affectatio (cf. Quintilian 2006b: 173; inst. VIII 3,56) kritisiert. Im Falle der Rede Marquis Posas wird zwar die Nähe zum Schwulst erreicht, aber überschritten wird sie nicht: »[…] wie Goethe können wir unsere Augen dem göttlichen Funken nicht verschließen, der die leidenschaftlich bewegte Audienzszene durchleuchtet und sich auf ihrem Gipfel zur Flamme entzündet […]« (Seidlin 1983: 480 f.). Daß die Rede trotz des scheinbaren Widerspruchs gelingt (oder ihn gelingend überwindet), läßt sich rhetorisch erklären: Die wichtigste Begründung dafür findet sich in der Angemessenheit von Posas Auftritt, der eben nur scheinbar übertrieben ist – tatsächlich fügt er sich passend in die Redesituation ein und entspricht daher dem äußeren aptum. In einem realen, zudem heutigen Setting ist die Rede in ihrer poetischen Konstruktion so nicht denkbar, in der Dichtung dagegen schon. Bereits das Versmaß verdeutlicht dies: Natürlich wäre eine reale Rede in fünf-

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hebigen Jamben kaum vorstellbar, in der Dichtung, insbesondere im Kontext der Entstehungsgeschichte des Werkes (cf. 3.3.2.1), dagegen durchaus, und hier erscheint dies auch angemessen; ebenso stellt sich die hohe Poetisierung dadurch als angemessen und erwartbar dar. Die von Posa genutzten topoi müssen in bezug auf sein direktes Auditorium und im Kontext der Handlung ebenso als angemessen bewertet werden: Posa spricht mit einem absolutistischen Herrscher des 16. Jahrhunderts; eine Gottähnlichkeit mit ihm ist in der Relation des sozio-politischen Gefüges dieser Zeit akzeptabel – und aus der Perspektive eines solchen Herrschers nicht einmal übertrieben. Die Überhöhung der Redeinhalte paßt zudem zum Image des jungen Heißsporns, die seine Ehrlichkeit und Authentizität bestätigt. Wie bei Turk beschrieben (cf, 3.3.2.1), gehen ethos und pathos bei Schiller grundsätzlich eine Symbiose ein; im Falle Posas und seiner Rede kann dies ebenfalls beobachtet und als ihr wichtigstes Wirkungskonzept bezeichnet werden. Für die Hauptmotivation der Rede – die Etablierung eines neuen politischen Freiheitsideals – erweist sich eine eher affektische Strategie als angemessen, da reine Sachlogik für die Überzeugungsführung einer so emotionalen ethischen Thematik kaum ausreichend erscheint. Dies korrespondiert im übrigen auch mit den erzieherisch-ästhetischen Idealen, die Schiller mit seiner Dichtung vermitteln wollte (cf. 3.3.2). Natürlich ist die hohe poetische Sprache, das genüßliche Ausschöpfen kunstvoller rhetorischer Stilistik die Domäne der Dichtung: Hier darf eine Rede reich ausgeschmückt werden, ohne dabei sofort als übertrieben und unangemessen zu gelten – im Gegenteil. Schiller konstruiert in Posas Vortrag viele rhetorische Wendungen und Figuren: Häufig finden sich z. B. Hypallagen und Anthropomorphismen, wie in »sanftere Jahrhunderte« (Zeile 265 f.) oder »mildre Weisheit« (Zeile 267); aber auch Oxymora wie »mit schaudernder Bewunderung« (Zeile 260). Die zuvor beschriebene »Symbiose« aus pathos und ethos läßt sich z. B. an den Schlußworten der argumentatio beispielhaft beobachten, mit denen Posa seinen leidenschaftlichsten Appell an den König richtet: Werden Sie uns Muster / Des Ewigen und Wahren! Niemals – niemals / Besaß ein Sterblicher so viel, so göttlich / Es zu gebrauchen. Alle Könige / Europens huldigen dem spanischen Namen. / Gehn Sie Europens Königen voran. / Ein Federzug von dieser Hand, und neu / Erschaffen wird die Erde (Zeile 332 – 339).

Natürlich schwelgt Posa hier in einer pathetischen Wortwahl: mit dem superlativierenden Hendiadyoin, das »Ewige« und »Wahre«, mit »Niemals, niemals« als verstärkende Geminatio, »göttlicher Sterblicher« als überhöhendes Oxymoron, »huldigen« als becircender Begriff der haimylioisi logoisi und schließlich die metonymische Schlußfolgerung »neu erschaffen wird die Erde«. Schiller zündet in diesem kurzen Ausschnitt ein wahres Feuerwerk an Tropen, Figuren und

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natürlich auch inhaltlichen Überhöhungen; insgesamt entsteht so ein äußerst starkes pathos. Bei Schiller schließt das ein gleichzeitig erreichtes ethos nicht aus, im Gegenteil: Posas Pathetik bezeugt seine Ehrlichkeit und sein lobenswertes, ehrliches politisches Engagement; da sein sprachliches Verhalten zum Charakter des Marquis paßt, wirkt es darüber hinaus eben nicht gänzlich übertrieben, sondern im Kontext als angemessen. Hieran läßt sich nun hervorragend beobachten, daß alle einzelnen Aspekte ineinandergreifen und nicht nur ein gelingendes aptum ergeben, sondern daß die gewagte, hochpoetische Wortwahl zum »Freiheitsfeuerwerk« glückt, zum »göttlichen Funken« (Seidlin 1983: 480; v.s.). Mit einer nüchternen Sprache und einem sachlogischen Inhalt wäre dieser Effekt keinesfalls zu erzielen. Posa mag ein Schwärmer sein, aber durch seine Leidenschaft, die sich in der rhetorischen und inhaltlichen Konstruktion seiner Rede manifestiert, wird das Auditorium von seiner Begeisterung »angesteckt«. In diesem Kontext müssen auch die Sentenzen und Appelle betrachtet werden, die nicht nur grundsätzlich zur Poesie gehören und als ein wahres »Geschenk« der Dichter bezeichnet werden können, sondern auch insbesondere für Schiller regelrecht typisch sind: »Schiller gilt als Meister der Sentenz klassischer Prägung, seine schlagwortartigen Formulierungen, Sprüche und ›geflügelten Worte‹ haben den Zitatenschatz von Generationen geprägt […]« (Ueding 1971: 183). Auf der Bühne fällt ihnen indes nicht nur ein »Ausschmücken« der Sprache zu; für die Wirkung sind sie von existentieller Notwendigkeit: »Der Sinnspruch wird für ihn [Schiller, J.K.] zu einem unentbehrlichen Mittel der Charakteristik, das der Handlung wie dem Handelnden eine Überzeugungskraft verleiht, die individueller Zufälligkeit und Einzelheit versagt bleiben würde« (ibid.: 184). Schillers Sentenzen steigern und unterstützen die Handlungsaufforderung und Identifikation mit dem Redner, und sie dienen der Prägnanz und Nachhaltigkeit. Es ist eine signifikante Feststellung, daß diese Schlußfolgerung die von Jeffrey Gedmin (cf. 2.1.5 und 3.3.1.2) aufgestellte These untermauert: »[…] give them a short list that they can repeat to their family, their friends, or someone else« (Gedmin 27. 02. 2007: s. Anhang). »Sanftere / Jahrhunderte verdrängen Philipps Zeiten; / Die bringen mildre Weisheit; Bürgerglück / Wird dann versöhnt mit Fürstengröße wandeln […]« (Zeile 265 – 268); »Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit, / Und säen Tod? Ein so erzwungnes Werk / Wird seines Schöpfers Geist nicht überdauern« (Zeile 300 – 302): Diese beiden Ausschnitte sind typische Beispiele für die Sentenzen in Posas Rede, und selbst die kurze Aussage »Ich kann nicht Fürstendiener sein« (Zeile 136) muß dazugerechnet werden. Sie alle haben eine Aufgabe: »Der individuelle Erscheinungsmoment wird reduziert auf seine allgemeinen Züge: Kürze, Einmaligkeit, Seltenheit und Größe […]«257 257 Hier in bezug zu einer Sentenz aus Wallenstein.

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(Ueding 1971: 185). Für die Wirkung sind diese Attribute von herausragender Bedeutung, denn sie erhöht die »Sinnlichkeit des Ausdrucks« und verstärkt »die Überzeugungskraft«; sie verfolgt die »Herstellung einer Öffentlichkeit, die dem antiken Redner und Schriftsteller selbstverständlich war […]« (ibid.: 189). Es muß als evident angesehen werden, daß sich hieraus auch die Politisierung von Posas Rede für die Realität außerhalb der Bühne ergibt, denn der Zuschauer wird »selber zum Subjekt des Experiments […] das ihn anfänglich zwar nur in einen augenblicklichen Traum von Freiheit versetzen kann, ihn aber dadurch von der Immanenz dieser Utopie überzeugen will« (ibid.: 192). Letztlich stellen Sentenzen also auch ein bedeutendes Element in der Schaffung von Identifikation dar ; ein Faktor, der für das Glücken der Rede und für ein gutes Resultat von entscheidender Bedeutung sein kann. Die bekannteste Sentenz der Rede Posas und gleichzeitig des gesamten Don Carlos ist zweifellos der berühmte Schlußsatz der Argumentation: »Geben Sie / Gedankenfreiheit« (Zeile 339 f.). Der Begriff der Gedankenfreiheit, den Schiller in seiner Prägnanz geprägt hat, geht zurück auf Tendenzen der Aufklärung und die Begriffe freedom of thought aus dem Englischen und libert¤ de pens¤es aus dem Französischen (Böckmann 1974: 509): Der freie Gebrauch des Verstandes erscheint als ein unaufgebbares Menschenrecht, das vor allem gegen den Bekenntniszwang der Kirchen verteidigt und mit dem Prinzip der Toleranz und der Gewissensfreiheit […] verknüpft wird, aber auch schon die politische Konsequenz einer konstitutionellen Regierungsform einschließt (ibid.: 519).

Wenn die Wurzeln des Begriffs und dessen Verständnis also im religiös-konfessionellen Kontext und damit auch im Dunstkreis der Kritik an der Inquisition und dem durch sie bedingten, ständigen Gewissenskonflikt liegen (ibid.: 510), wird die »Gedankenfreiheit« zu einer hochpolitischen Forderung, die gerade die aristokratischen und religiösen Konservativen des 18. Jahrhunderts verstehen: Selbst denken heißt aus der Sicht der Aufklärungsgegner politisch denken. Die Bedeutung einer politischen Dimension von Aufklärung, die Posa von Beginn an beansprucht, ist spätestens an diesem Punkt der Dramenentwicklung [also in der Szene der Rede, J.K.] auch bei ihren schärfsten Verächtern angekommen (Luserke-Jaqui 2002 / 2003: 215).

Erst in den vergangenen Jahrzehnten hat sich in der Forschung durchgesetzt, daß Schiller mit Gedankenfreiheit nicht nur einen aufklärerischen Begriff nutzte, sondern eben auch ein Politikum evozierte (cf. ibid.: 216 – 218). Bereits zu Zeiten Schillers wurde das politische Signal erkannt: »Daß die Zeitgenossen diesen für Schiller wesentlichen Gehalt des Wortes sehr wohl verstanden haben, bezeugen die Äußerungen einzelner Vertreter der jüngeren Generation« (Böckmann 1974: 524). Insbesondere bei Hölderlin und Jean Paul läßt sich eine (politische) Aus-

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einandersetzung mit der auf Schiller zurückgehenden Begrifflichkeit nachweisen (ibid.: 524 f.): Am Ende des dritten Aktes verknüpft Posa dieses Freiheitspostulat wieder mit der konkreten politischen Situation in Flandern […] – es kann kein Zweifel sein, dass die politische Semantik der Freiheitsthematik eine Lenkungsnorm des Textes darstellt (Luserke-Jaqui 2002 / 2003: 218).

Aber nicht nur aus semantischer, sondern auch aus rhetorisch-pragmatischer Perspektive ist diese Stelle aus Posas Rede bedeutend; die »Gedankenfreiheit« wird schließlich mit einem Appell verbunden, der auffordert, jene endlich zu gewähren: »Die in dem Verlangen nach Gedankenfreiheit angelegte Dramatik wird zum bestimmenden Thema einer Dichtung, die den Menschen in die Verantwortung seines Handelns zurückholt« (Böckmann 1974: 524). Neben der Identifikation mit dem politischen Streben Posas wird also auch eine Handlungsaufforderung postuliert, die nicht nur den König erreichen soll: In der Doppelmedialisierung der Rede zielt sie genauso auf das Auditorium außerhalb der Bühne, sowohl auf das Publikum im Theater als auch die politische Führung überall im Lande. Daß diese Handlungsaufforderung nicht nur zu Schillers Zeiten, sondern auch in den nachfolgenden Jahrhunderten als politische Forderung außerhalb der Bühne verstanden wurde, beweist indes die Rezeption des Stücks während des Nationalsozialismus (cf. 3.3.2.1). Die Macht der Doppelmedialisierung seiner dramatischen Rede hat Schiller nicht nur erkannt, sondern auch durchaus konstruiert, wie sich am Beispiel des Königs während Posas Vortrag beobachten läßt; jenem fällt im Aspekt einer zu erzielenden Wirkung außerhalb der Bühne das vielleicht entscheidende Moment der ganzen Rede zu. Wie sich in der Mesoanalyse bereits darstellen ließ, ist Philipp nicht nur stummer Zuhörer, sondern auch aktiver Teilnehmer eines dialogischen Settings insofern, als er verbal auf Posas Äußerungen reagiert. Hiermit lenkt er die Rede aber nicht nur in die für Posa gewünschte Richtung, sondern er ist die real gewordene Referenz für die Wirkung der Rede. Der König ist damit mehr als nur ein »Stichwortgeber«: Er übernimmt eine beispielhafte Funktion der Reaktion auf die Rede und wird zur Identifikationsfigur für das externe Publikum. Dies aber ist keine zwangsläufige Erscheinung; es wäre ein zu simpler »Trick«, wenn eine Überzeugung des externen Auditoriums zu erlangen wäre, indem auf der Bühne die Rede einfach wie gewünscht rezipiert wird. Damit das Publikum dem »internen Auditorium« glaubt, muß jenes emotional »verstanden« werden. Schiller gelingt dies nicht nur im Don Carlos, sondern auch in seinen anderen Dramen, indem er der klassischen Wirkungsästhetik folgt: Er konstruiert einen »menschlichen« Helden und schafft »somit die notwendige Voraussetzung für Affekte der Rührung und des Mitleids« (Linder 1989: 93). Es ist eine signifikante Schlußfolgerung, daß Schiller erst durch die Konstruktion

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menschlicher Attribute eine Empathie möglich macht; denn erst wenn das Theaterpublikum die Gefühle des Königs nachempfinden kann, versetzt es sich in seine Rolle. Dies gelingt, indem der absolutistische Herrscher einerseits durch Posa Verständnis erfährt, andererseits dies Verständnis akzeptiert und damit aus seiner unnahbaren, gottähnlichen Rolle schlüpft – und zum Menschen wird, der seine eigenen Ziele und Wünsche hat, mit denen das Publikum mitfühlen kann: Freilich, der König hört nicht etwa nur stumm, unheilbrütend zu, sondern er gibt seinem Partner erstaunlich weit nach, ja er scheint ihm sogar entgegenzukommen. Daß ihn weniger das Bekenntnis als dessen Sprecher interessiert, – dies ebenso kräftig wie insgeheim auszudrücken, ist unserem Dichter wunderbar gelungen: seine Absicht, den König menschlich erscheinen zu lassen, hat hierin den höchsten Grad der Darstellungstechnik gewonnen (Storz 1960: 133).

Auch hierbei muß bedacht werden, daß die Möglichkeit, durch eine »Vermenschlichung« eine Empathie zu evozieren, nur dann erreicht werden kann – wie schon bei den inhaltlichen Wirkungsmöglichkeiten im Kontext der Dramaturgie (cf. 3.3.2.1) –, wenn sie der Logik des Stücks und der Charaktere sowie deren Motivation, also kurz: der Dramenästhetik, folgt. Dies ist in diesem Fall nachweisbar : Der König kann emotional und menschlich reagieren, weil Posa inhaltlich und stilistisch glaubwürdig und damit angemessen zum König redet; er kann ihm somit tatsächlich und glaubhaft nachvollziehbar »in die Seele« greifen (cf. Zeile 218 f., s. Anhang). Verstärkt wird das menschliche Verhalten des König innerhalb des Redesettings Posas auch durch sein para- und außersprachliches Verhalten; Schiller skizziert dies akkurat und der jeweiligen Situation präzise entsprechend in seinen Regieanweisungen. Ein besonders anschauliches Beispiel hierfür findet sich im Anschluß an Posas Beschreibung der grauenhaften Zustände in Flandern: »Hier schweigt er still; seine Augen ruhen auf dem König, der es versucht, diesen Blick zu erwidern, aber betroffen und verwirrt zur Erde sieht« (Zeile 255 f.). Den absolutistischen Herrscher können Posas Worte nicht unbeeindruckt lassen, mehr noch: Er empfindet tatsächlich das von Posa geschilderte Grauen und die Trauer. Hierdurch wird er menschlicher : Er begreift – wie auch das externe Publikum nach den Schilderungen Posas – die Ungerechtigkeit, die in den Niederlanden herrscht, und durch dies menschliche Empfinden kann für das externe Auditorium in der Doppelmedialisierung eine identifikatorische Nähe erzeugt werden. Reaktionen wie diese dosiert Schiller immer wieder und insbesondere an den neuralgischen Punkten der partes orationis (cf. 3.3.2.2); mit den vorangehenden para- und außersprachlichen Attributen vergleichbar sind z. B. auch die dem König in den Zeilen 299 und 343 f. verliehenen Reaktionen.

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Die Möglichkeit der Empathie ist natürlich auch für Posa selbst nachweisbar und läßt sich abschließend mit einer ganz anderen, zusätzlichen Referenz beobachten, die aus der Filmwissenschaft entlehnt werden kann: Vor dem übermächtigen, absolutistischen Herrscher erscheint der Marquis von Posa sowohl als Person als auch in seiner politischen Motivation als heillos unterlegen und chancenlos; ein Setting, für das es gerade in der modernen Filmästhetik und deren Narratologie eine Entsprechung gibt: »Im Underdog-Plot sind die Kräfte nicht gerecht verteilt. Der Protagonist ist stets im Nachteil und sieht sich schier unüberwindlichen Schwierigkeiten gegenüber« (Tobias 2000: 187). Jener »Underdog« Posa wird für das Theaterpublikum nun gerade deshalb hochempathisch, weil seine Situation leicht nachvollziehbar und extrem menschlich ist: »Er ist heldenhaft in einer Art, die wir nachempfinden können. Wer von uns kennt nicht das Gefühl, ohne die geringste Aussicht auf Erfolg gegen ein Unrecht oder eine Unterdrückung anzukämpfen« (ibid.: 188). Wir stehen »bedingungslos auf seiner Seite, weil er ein System bekämpft, das alle Individualität und Kreativität zunichte macht«258 (ibid.: 188). Dadurch, daß Posa seine scheinbar chancenlosen Ziele dennoch mit größter verbaler und nonverbaler menschlicher Leidenschaft verfolgt, und dies sogar zu einem Quasi-Erfolg führt, wird er zur Identifikationsfigur des Stücks: Mag das Ziel, die Veränderung des politischen Systems, noch so unwahrscheinlich und aussichtslos erscheinen; die leidenschaftliche Rede des Marquis Posa und die Reaktionen des Königs beweisen, daß es dennoch nicht unmöglich ist.

3.3.2.4 Zusammenfassung und Ergebnis When the jester sang for the king and queen In a coat he borrowed from James Dean And a voice that came from you and me Don McLean, American Pie

Im Jahre 1958 stellte Rudolf Bahro mit der Überschrift zu seinem Artikel in der Zeitschrift Theater der Zeit die Frage »Marquis Posa heute noch?« (Bahro 1958: 9). Dies ist zunächst einmal eine legitime Frage, denn seit der Uraufführung des Stücks waren, auch zu jenem Zeitpunkt schon, fast 200 Jahre vergangen, und die politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland hatte sich grundlegend geändert. Eine fast tragisch-komische – um nicht zu sagen: sarkastische – Note kommt der Frage allerdings zu, wenn bedacht wird, in welchem politischen 258 Hier in bezug auf den »Underdog-Plot« von Einer flog über das Kuckucksnest.

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Kontext Bahro sie stellt; denn sie stammt aus dem östlichen Teil eines damals geteilten Deutschlands: Die Arbeiter und Bauern […] werden schneller als ihre intellektualistischen Ammen lernen, Helden wie den Marquis Posa wirklich zu verstehen […] Denn Schiller-Helden sind nicht lächerlich. Sie sprechen immer noch der Menschheit Bestes an. Und ihre Grenzen einmal tief verstanden, liegt unser sozialistisches Persönlichkeitsideal, wenn auch im Inhalt unendlich darüber hinaus, doch in derselben Richtung (ibid.).

Die Überzeugung, daß das real-existierende »sozialistische Persönlichkeitsideal« unendlich über Posas Vorstellung hinausging, kann nur noch als Farce bezeichnet werden; der Beitrag entstand acht Jahre nach der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik und fünf Jahre nach der gewaltsamen Niederschlagung des Arbeiteraufstandes vom 17. Juni 1953, nach dem Tausende »Freiheitsdenker« durch MfS, Volkspolizei und Sowjetarmee inhaftiert wurden. Bahro beantwortet die von ihm eingangs aufgestellte Frage so: Man muß dem Publikum zutrauen, daß es einem bald zweihundertjährigen Drama mit etwas kritischer Distanz zu folgen versteht. Schließlich bietet die gesellschaftliche Wirklichkeit unserer Republik einen Maßstab für Schillers Ideale und zugleich einen realen Schauplatz für ihre positive Aufhebung im sozialistischen Sinne (ibid.: 13).

Es ist eine signifikante Feststellung, daß bereits in der Zeit des Nationalsozialismus versucht wurde, Schiller durch »das Mittel der Schiller-Verfälschung« (Leschnitzer 1937: 10) für eine Diktatur zu instrumentalisieren, und wie sich in der Makroanalyse herausgestellt hat, war bereits dieser Versuch erfolglos. Es wäre eine lohnenswerte literatur- und kulturwissenschaftliche Arbeit, zu untersuchen, welche Rezeptionen und Reaktionen es auf Schillers Don Carlos in der DDR gegeben hat: Ich frage mich, was wohl heute in einem Theater jenseits des eisernen Vorhangs, in Ostberlin, in Prag, in Warschau geschehen würde, wenn es den Mut hätte, das dramatische Gedicht aufzuführen, das wir in unserem Land […] unverstümmelt […] sehen dürfen, dies [ist] mehr noch […] Grund zu Feststimmung und Dankbarkeit (Seidlin 1983: 481).

Die Botschaft, die Marquis von Posa aussendet, ist gerade deshalb der bekannteste Teil des Stücks, weil das Verlangen nach »Gedankenfreiheit« auch 200 Jahre nach Schiller »um nichts verloren hat und aktuell und gültig bleibt in unserer Zeit […]« (ibid.). Durch die Wirkungsästhetik des Stücks läßt sich in jedem Fall die Frage Bahros ganz eindeutig beantworten: Ja, Marquis Posa (wirkt) auch heute noch! In der Analyse konnten die wichtigsten Wirkungsmechanismen der Rede Posas festgestellt und erörtert werden, und da es durch die Funktion der Bühne

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zu einer Doppelmedialisierung kommt, wurden dabei doch zwei Ebenen der Wirkungsintention und der rhetorischen Konstruktion sichtbar. Posas Rede soll zwei Adressaten überzeugen: Zum einen den König auf der Bühne, innerhalb des Stücks, zum anderen das Auditorium im Theater, also außerhalb des Stücks. Das telos ist in beiden Fällen zunächst einmal äquivalent: Wenn schon nicht eine sofortige Revolution, dann soll die Rede doch der Thematik Gehör verschaffen und ein anderes politisches System mit Freiheit und Bürgerglück als reale Möglichkeit und Alternative etablieren. Dies rednerische Ziel wird nun mit verschiedenen rhetorischen Mitteln, die auf das jeweilige aptum abgestimmt sind, erreicht. Als für die Auditorien ebenfalls äquivalent zeichneten sich im folgenden dabei vor allem die geschickte Dramaturgie der Rede, also die partes orationis, und das klimaktische Ineinandergreifen der verschiedenen Themen bis hin zum eigentlich »Freiheitsbekenntnis« aus: Schiller konstruiert mit den einzelnen Abschnitten der Rede eine inhaltliche Spannung, die nach jedem Teil die Auflösung eines geschürzten Knotens impliziert und dadurch den Zuhörer nicht nur an den Inhalt bindet, sondern ihn auch aktiv nach der Auflösung verlangen läßt. Dies ist ein wesentlicher Aspekt, der dem Redner die Aufmerksamkeit des Rezipienten sichert; zudem läßt Schiller den Redner Posa dessen eigentliches Anliegen inhaltlich »einkreisen« und erst in der argumentatio, genau genommen mit deren Klimax, vollständig erkennen: Bis zu diesem Zeitpunkt hat er die Aufmerksamkeit und das Vertrauen des Zuhörers längst gewonnen. Zum aptum des Stücks gehört auch die dramatische Stilistik, also die jambische Versform der Rede, die selbstverständlich zur Angemessenheit eines poetischen Produkts gehört und nicht auf eine reale politische Rede übertragen werden könnte. In der Dichtung sicherte sie aber – beim externen Publikum – die Aufmerksamkeit, weil dies Stilmittel zur Dramenästhetik an den Bühnen zur Zeit Schillers gehörte. Auch die rhetorische Stilistik muß als Faktor in der Wirkung erwähnt werden: Insbesondere die Sentenzen sichern der Rede eine prägnante Aussagekraft und verstärken die Nachhaltigkeit. Allen voran ist hierbei der Sinnspruch Geben Sie Gedankenfreiheit! zu nennen, der mit einem hohen semantisch-pragmatischen Wert komprimiert die Kernaussage der Rede kanalisieren und transportieren kann – und das als geflügeltes Wort bis heute. Schiller konstruierte in diese Form des dramatischen und rhetorischen Stils hinein eine leidenschaftliche und bilderstarke Wortwahl, die einerseits ein hohes pathos aufweist, andererseits aber auch das ethos von Redner und Redeinhalt unterstützt. Für die Redewirkung innerhalb des Stücks erfüllt sich damit das geeignete aptum; darüber hinaus folgt diese Strategie der typischen Schillerschen Wirkungsästhetik: Pathos und ethos gehen bei ihm eine WirkungsSymbiose ein, die den emotional-ästhetischen Bedürfnissen des Redeinhalts gerecht werden.

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Mit Blick auf das externe Publikum hat sich zudem die Figur des Königs als besonders starker Wirkungsfaktor erwiesen. Philipp II. wird von Schiller menschlich gestaltet, in dem er inhaltlich und insbesondere auch emotional auf Posas Rede reagiert. Seine Reaktionen sind »leidenschaftlich« nachvollziehbar und bieten, im Rahmen des dramenästhetischen »Mitleidens«, eine starke identifikatorische Nähe; die Reaktionen selbst haben damit eine Vorbildfunktion, die sich durch die Identifikation auf das externe Publikum übertragen können. Schließlich ergab noch die Beobachtung der narratologischen Charakteristik des Marquis von Posa einen besonders hervorzuhebenden Aspekt in der »Wirkungsmechanik« der Rede. Posa verkörpert während seiner Rede eine bedeutende Identifikationsfigur, weil seine Rolle im Sinne eines »Underdogs« angelegt ist: Er kämpft, fast aussichtslos, für ein hohes Ideal und kann allein durch die Rede diesem Ziel ein großes Stück näher kommen; diese Erzählweise ist in der modernen Filmästhetik als identifikatorisch starkes Element für das externe Publikum bekannt. Die Rede des Marquis Posa beweist indes, daß sämtliche hier genannten Wirkungsaspekte erst in ihrer Kombination, also durch ein Ergänzen, Ineinandergreifen und durch ihre Abgleichung mit dem jeweils gegebenen aptum »funktionieren«; würden Partien singulär betrachtet werden, wäre ein verfälschtes Ergebnis – wie am Beispiel der leidenschaftlichen Wortwahl beobachtet – in der Tat möglich. Erst die geschickte Kombination und die durch Schiller bewußt gewählte Konstruktion können die Intention glücken lassen, und erst hierdurch werden sowohl der interne Rezipient – König Philipp II. – als auch das externe Auditorium – das Publikum im Theater – von Posas Idee ergriffen und von seinem Anliegen, ihm dafür Gehör zu schenken, überzeugt. Abschließend muß Schiller und Friedrich Wolf (cf. 3.1) recht gegeben werden: Wenngleich sich die reale politische Rede im 18. und auch noch im 19. Jahrhundert in einem degenerierten Zustand befand, so fand sie doch auf der Theaterbühne eine Nische, in der sie bestehen konnte. Es eine signifikante und gleichsam faszinierende Erkenntnis, daß ihr die Doppelmedialisierung den Weg in die Realität – und damit in den realen politischen Diskurs – ermöglichte, und daß diese Funktion bis heute besteht. Darüber hinaus darf an dieser Stelle angemerkt werden: Natürlich sind die wundervolle Poetisierung, die rhetorische Ausschmückung und die pathetische Leidenschaft das Metier der Bühne. Eine solche poetische Kraft, wie an der dichterischen Leistung des »Redenschreibers« Schiller erkennbar wird, kann die politische Rede eben nur hier erreichen.

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3.3.3 Die Doppelmedialisierung der Rede: Wirkungsmechanismen im Vergleich Ein Vergleich der Dresdner Rede Helmut Kohls mit der Rede des Marquis von Posa scheint auf den ersten Blick nicht unproblematisch: Die Settings und Kontexte sind zunächst grundverschieden; während Kohl anläßlich der besonderen politischen Ereignisse öffentlich vor den Bürgern der DDR in Leipzig spricht, hält Posa seine dialogische Ansprache in einer intimen Situation allein vor König Philipp II, ohne daß eine unmittelbare revolutionäre Stimmung vorherrscht. Die Vergleichbarkeit der Reden ergibt sich aber schließlich sehr eindeutig aus den Intentionen und konkreten politischen Motivationen, die beide Reden im genus deliberativum verbindet: der Forderung nach einem Wechsel der politischen Verhältnisse. Natürlich bedingen die verschiedenen Settings jeweils ein verschiedenes aptum mit jeweils anderen rhetorischen Parametern, die die Redner zu befolgen und zu erfüllen haben. Aber beide Redner – bzw. in diesem Fall Kohl und Schiller – haben erkannt, daß die Rede auf mehreren »Kanälen« medialisiert wird und wirken muß, um die verschiedenen – und richtigen – Adressaten erreichen zu können. Für die Doppelmedialisierung ihrer Reden war es unerläßlich, auch den Faktor des internen Auditoriums einzuplanen, da es für das externe Publikum zu einem Teil des rhetorischen Texts wird. Daß dieser Faktor als Reaktion und Referenz für das externe Auditorium und für die Wirkung der Zweit-medialisierung ein hervorzuhebendes und wesentliches Element darstellt, konnte indes bei beiden Reden festgestellt werden. Auffällige Unterschiede bestehen dabei in Dramaturgie und Spannungsbogen der Reden, im rhetorischen Stil und natürlich im Inhalt; sie wurden dem Kontext angemessen angepaßt: Kohl mußte die Stimmung kontrollieren und Ausschreitungen vermeiden, gleichzeitig mußte er dem Volk am Kundgebungsplatz aber die Aussicht auf eine rasche Veränderung geben und das durch die Doppelmedialisierung erreichte Publikum von deren Notwendigkeit und Redlichkeit überzeugen. Hierzu wählte er eine Mischung aus sachlogischer Argumentation und leichter Affektisierung, die nur gelegentlich, dann aber an neuralgischen Punkten, stark affektisch aufgeladen wird. Hiermit ließ sich die Situation kontrollieren und das Publikum an der Frauenkirche in die Ehrlichkeit und Authentizität der Motivation einbinden. Schiller hingegen spielte immer wieder mit der Spannung, die Aufmerksamkeit und Reaktionen des Königs provozierte; die Reaktionen des Königs wiederum dienen als Referenz für die interne Wirkung und gehören in der Doppelmedialisierung zum rhetorischen Text. Schiller konstruiert für diesen Effekt einen menschlichen König, der einen hohen emphatischen Charakter aufweist. Auch bei Kohl läßt sich diese empathische Konstruktion nachweisen: Hier ist es das Publikum an der Frauenkirche, dessen Reaktionen in einzelnen Kameraeinstellungen eingefangen werden und ein

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dramenästhetisches »Mitleiden« ermöglichen. Während Kohl also eine eher ethos-basierte Emotionalisierung erreicht, muß Schiller für Posa eine andere Kombination der pisteis wählen: Es ist erkennbar geworden, daß Posa für die Etablierung seiner politische Motivation eine hohe Leidenschaft aufweisen muß, um den König für sein Anliegen zu gewinnen und gleichzeitig ehrlich und authentisch zu wirken. Der Vorteil, den Kohl gegenüber Schillers Posa hat, ergibt sich aus der inhaltlichen Nähe des anwesenden Publikums zu Motivation, Rede und telos: Sein internes Auditorium illustriert für das externe Publikum sein politisches Anliegen thematisch direkt. Dies ist für Posa nicht möglich; er kann über das sich nach Freiheit sehnende Volk nur berichten. Dagegen ist Posas – und damit Schillers – Vorteil gegenüber Kohl die Figur des Königs: Sie ist nicht nur sein direkter Adressat, sondern steht gleichzeitig allegorisch für die Adressaten des externen Publikums, welche die Botschaft der »Gedankenfreiheit« im realen politischen Diskurs überzeugen soll. Diese Möglichkeit ist Kohl nicht gegeben, auch er kann in seiner Rede nur referierend Bezug darauf nehmen. Beiden Rednern gelingt diese erzählerische Referenz, wie festgestellt werden konnte. Jedoch erweist sich das Element für diejenige Rede, die es beinhaltet, als zweifellos nützlicher und überzeugender Bestandteil. Für ein vergleichbares genus deliberativum, das eine Doppelmedialisierung anstrebt, kann also an dieser Stelle die Empfehlung ausgesprochen werden, Elemente wie diese zu erkennen und nach Möglichkeit für den rhetorischen Text zu nutzen. Bei der Rede und der Person des Marquis Posa ergab sich die Charakteristik des Underdog noch als interessanter zusätzlicher Identifikationsfaktor. Dieser läßt sich auf den ersten Blick ebenfalls nicht mühelos auf Helmut Kohl übertragen. Dennoch wird bei näherer Betrachtung deutlich, daß auch Kohl gegenüber den Adressaten der mitentscheidenden internationalen Regierungen eine Rolle einnimmt, die der des Marquis Posa nicht ganz unähnlich ist. Obwohl er natürlich als Regierungschef eine andere politische Position innehat, muß er ebenso wie Posa die »mächtigeren« Entscheidungsträger überzeugen. Seine Rolle als Underdog ist dabei zweifellos weniger ausgeprägt als bei dem Marquis von Posa; hierbei muß allerdings bedacht werden: Jener Underdog aus der Filmnarratologie ist insbesondere deshalb eine Identifikationsfigur (und damit ein überzeugender Charakter), weil er aus einer chancenlos erscheinenden Lage heraus eine schließlich möglich und machbar erscheinende entwickelt. Dies ist auch im Falle Helmut Kohls gegeben, denn seine Rede hat die Möglichkeit der staatlichen Einheit realistisch skizziert und muß im historischen Kontext zwangsläufig als ein Katalysator im politischen Prozeß angesehen werden. Schließlich läßt sich feststellen, daß beide Reden erstaunliche Äquivalenzen aufzeigen. Einige rhetorische Elemente haben sich im Vergleich als besonders nützliche Komponenten für eine Persuasion herausgestellt; in beiden Reden sind

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sie nachweisbar und erzielen vergleichbare Effekte. Allerdings ließ sich ebenfalls beobachten, daß diese Elemente nur dann effektiv sind, wenn sie dem jeweiligen Setting und damit dem aptum angemessen sind und hierfür stilistisch und inhaltlich angepaßt werden. Abschließend ist deutlich geworden, daß hierbei kein Element, einzeln oder in Kombination, vernachlässigt oder gar übersehen werden darf. Werden die einzelnen Aspekte dagegen umsichtig, konsequent und zielgerichtet angepaßt, können sie schließlich ineinandergreifen und die Rede gelingen lassen. Sobald dieser Effekt eintritt, kann die Rede glücken und das Ziel des genus deliberativum, nämlich die Überzeugung des Publikums von einer dargestellten Möglichkeit, erreicht werden – und dies, wie sich an beiden Reden feststellen ließ, nicht nur bei einem Auditorium direkt und unmittelbar vor Ort, sondern durch die Doppelmedialisierung auch bei weit entfernten Adressaten.

3.4

Wenn der Wind sich dreht: Die Wirkungsmacht des Wortes I know nothing in the world that has as much power as a word. Sometimes I write one, and I look at it, until it begins to shine. Emily Dickinson

Die Wirkung des Wortes, also die rhetorisch wirksame Sprache, ist mehr als nur ein Zufallsprodukt, das völlig arbiträr eingesetzt und verstanden wird; andere Schlußfolgerungen lassen die bereits betrachteten Reden nicht zu. Das Wort ist zwar auch in der Politik ein »Handwerkszeug«, aber die Analysen beweisen ebenfalls, daß Nutzen und Gefahren weit darüber hinaus gehen: In der Tat kann eine richtig gewählte Formulierung, bis hin zu einer bedachten, angemessenen Rede, Politik mitgestalten, prägen oder gar verändern. Das eingangs zitierte Dichterwort Emily Dickinsons allerdings läßt vermuten: Das ist noch nicht alles. Die seit je her dem Wort zugeschriebene Macht ermöglicht der Rede letztlich eine Wirkungsmöglichkeit, die nicht nur entscheidend mitgestaltet, sondern die entscheidet: Eine Rede kann damit das »Zünglein an der Wage sein«, also der entscheidende Faktor für einen grundlegenden Kurswechsel, und sie kann, das wäre die logische Schlußfolgerung, auch Situationen, Meinungen und sogar Politik selbst völlig verändern. Eine Zufälligkeit der Redewirkung würde damit faktisch ausgeschlossen, wenn sich hierfür empirische Beweise finden ließen. Tatsächlich ist die Rede, die nicht nur überzeugt, sondern eine konträre Meinung ins Gegenteil verändert, kein philologisches Theoretikum, sondern

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eine Erscheinung, die politische Ereignisse nicht nur geprägt, sondern im Zweifel überhaupt erst hervorgebracht hat. Die Parameter des (politischen) Settings können dabei sogar ungünstig oder – im »besten« Fall – politisch hoffnungslos erscheinen; erst durch diese Bedingung kann der Effekt der Rede letztlich Auswirkungen nach sich ziehen, die eine wie die zuvor beschriebene Umkehr der Verhältnisse möglich machen. Bis heute sind solche Reden in der Politik kein singuläres Phänomen; ein jüngeres Beispiel stellt die Rede Oskar Lafontaines im Jahre 1995 auf dem Parteitag der SPD in Mannheim dar : Lafontaine redete als »Berichterstatter der Auftragskommission« eigentlich innerhalb einer Aussprache, in der über wirtschafts- und sozialpolitische Themen diskutiert wurde (cf. Klages 2001: 140). Lafontaine, im Jahr 1990 als Kanzlerkandidat der SPD gescheitert, lehnte den Parteivorsitz nach der verlorenen Bundestagswahl wegen fehlenden Rückhalts in der Partei ab (Lafontaine 1999: 32). Auch im Jahre 1993 scheiterten die Bemühungen, ihn zum Parteivorsitzenden zu machen (ibid.: 33), und schließlich wurde Rudolf Scharping in das Amt gewählt. 1994 ging die Bundestagswahl für die SPD abermals verloren, und Scharping stand seitdem intern in der Kritik. Auch wenn Lafontaine nicht lang geplant hatte, die Machtverhältnisse innerhalb der SPD grundlegend zu ändern – und die Umstände für ihn nach den vielen gescheiterten Anläufen dafür auch nicht unbedingt günstig waren –, erkannte er die Chance, die sich ihm während seiner Rede plötzlich bot: Erst während der Rede war mir klargeworden, daß ich etwas in Gang gesetzt hatte. Die hinter vorgehaltener Hand geführte Diskussion darüber, ob Rudolf Scharping der richtige Vorsitzende sei oder nicht, war nun offen ausgebrochen. Mehrere Delegierte forderten mich am selben Tag auf, für den Parteivorsitz zu kandidieren (ibid.: 43).

Während Scharping in seiner Eröffnungsrede am Tag zuvor die auf einen Aufbruch hoffenden »Genossen« rednerisch enttäuschte (cf. Klages 2001: 140), gab sich Lafontaine kraftvoll und angriffslustig: »Vielmehr bezog die Rede Lafontaines ihre fulminante Wirkung insbesondere daraus, dass sie sich so deutlich von dem steifen Auftritt Scharpings am Tag zuvor unterschied« (ibid.: 140 f.). Aus einer unsicheren Position heraus entwickelte Lafontaine spontan durch seine Rede einen offenen Eklat gegen Scharping und eine breite Unterstützung des Parteitags für sich selbst;259 es kam zu einer Kampfabstimmung, Lafontaine wurde neuer Parteivorsitzender, und Scharping klagte schließlich an: »Oskar, manches hat bitter wehgetan« (cf. Grassmann in Die Welt 17. 11. 1995: 1). Eine für einen Orator noch schwierigere Situation ergibt sich, wenn durch eine Rede eine Stimmung gedreht werden muß, um bestimmte politische Ziele 259 Eine detaillierte und dezidierte Analyse der Rede bietet z. B. Wolfgang Klages (cf. Klages 2001: 133 – 153).

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zu erreichen, wenn also nicht nur eine zufällige Chance ergriffen wird, sondern eine rednerische Leistung die einzige Möglichkeit ist, eine politische Zukunft zu entscheiden – und damit auch die des Redners selbst. Der Redner muß in diesem Fall also eine bestehende Überzeugung bewußt invertieren, wenn er seine Politik verwirklichen will. Auch für diese »verschärfte« Variante lassen sich Beispiele in der Geschichte finden. Eine der berühmtesten Reden der Antike, die eine solche Hürde zu bezwingen hatte, ist die Rede des Marc Anton, die er nach dem Tod Caesars auf dem Forum in Rom hielt: Das Volk begrüßte im allgemeinen, also in der communis opinio, den Tod des Tyrannen und die Wiedererrichtung der Republik. Um seine eigene politische Zukunft – und im Zweifel auch sein eigenes Überleben – zu sichern, mußte Antonius die Meinung des Volks umkehren und es von der Integrität Caesars sowie der Schlechtigkeit des Attentats und der Attentäter überzeugen. William Shakespeare adaptierte die Situation für sein Drama Julius Caesar, und die Rede, die er für Marc Anton schrieb, gilt bis heute als Musterbeispiel, als brillant konstruierte rhetorische Leistung, wie man die öffentliche Meinung ins Gegenteil verkehren kann. Eine ganz reale und zeitgenössische Situation, in der die Bevölkerung vom Gegenteil überzeugt werden mußte und sich die öffentliche Meinung damit ändern sollte, bot sich dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 1999: Deutsche Soldaten wurden im Rahmen des Kosovo-Konflikts zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs wieder in Kampfhandlungen eingesetzt, und gerade eine Koalition aus SPD und den Grünen mußte diesen Einsatz rechtfertigen und durchsetzen – nach Jahrzehnten jeglicher Abstinenz Deutschlands von Kriegseinsätzen und einem in deutscher Gesellschaft und Öffentlichkeit fest verwurzeltem Pazifismus. Am Abend des Einsatzes der deutschen Soldaten spricht Gerhard Schröder in einer Fernsehansprache zum deutschen Volk, und es entstand eine exemplarische politische Rede des Medienzeitalters, die unter den besonderen Voraussetzungen der Fernsehmedialisierung die breite Masse des Volkes und der Öffentlichkeit erreichte. Eine Rede, die eine »Meinungsrevolution« hervorbringen soll, muß ohne Frage als eine Königsdisziplin der Rhetorik bezeichnet werden. Hier müssen für eine gelingende Überzeugung dem Auditorium zweifelsfrei die Richtigkeit der eigenen und die Falschheit der bisherigen Meinung nachgewiesen werden, und es ist bereits im Vorfeld deutlich, daß hierzu sämtliche pisteis zur Anwendung kommen sollten, um eine umfassende Überzeugung tatsächlich evozieren zu können. In den folgenden Analysen soll beispielhaft beobachtet werden, welche rhetorischen Elemente in den beiden zuvor genannten Reden zum Erfolg geführt haben, welche Übereinstimmungen es bei ihnen gibt, und welche speziellen, vorbildhaften Eigenheiten nachgewiesen werden können.

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Abbildung 13

3.4.1 Wir sind im Krieg: Rhetorische Diskursanalyse der Fernsehansprache Gerhard Schröders vom 24. März 1999 Am 25. März 1999 meldete die Hamburger Morgenpost mit der einen Großteil der Titelseite einnehmenden Schlagzeile: »Das erste Mal nach dem 2. Weltkrieg […] Wir sind im Krieg«260 (MoPo 25. 03. 1999: 1; cf. Abbildung 13). In der Tat muß das Datum als Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland betrachtet werden: zum einen, weil deutsche Soldaten tatsächlich zum ersten 260 In der Wortwahl der Schlagzeile, nämlich dem Begriff Krieg, ist eigentlich ein politischer Fauxpas enthalten, denn das Wort Krieg wurde sowohl von der deutschen Bundesregierung als auch von ihren Verbündeten innerhalb der NATO aus politisch-rechtlichen Gründen vermieden, da es für die Kampfhandlungen der NATO keine rechtliche Grundlage durch die Vereinten Nationen gab (cf. Loquai 2000: 15 und Habermas 1999: 7): »Stützt man sich auf die gängigen Definitionen der allgemeinen und militärwissenschaftlichen Literatur, so kann ernsthaft überhaupt nicht bestritten werden, dass die NATO als internationale Organisation und einzelne NATO-Staaten gegen die BRJ [i.e. Jugoslawien, J.K.] einen Krieg geplant, begonnen und geführt haben« (Loquai 2000: 15).

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Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs an Kampfhandlungen gegen einen anderen Staat teilnahmen, zum anderen, weil damit ein neuer Status in der Souveränität des Landes erreicht wurde. Darüber hinaus, so muß ebenfalls konstatiert werden, nimmt der Eintritt Deutschlands in das Kriegsgeschehen auch aus innenpolitischer und gesellschaftlicher Perspektive einen besonderen Status ein. Denkt man an die Friedensbewegungen der 1980er Jahre sowie die Demonstrationen und den »gesinnungsethischen Pazifismus« zum Golf-Krieg Anfang der 1990er Jahre (Geis in Die Zeit 31. 03. 1999: 7), so gab es zu Beginn der NATO-Intervention mit deutscher Beteiligung kaum nennenswerten Protest in der Bevölkerung zu verzeichnen: »Die pazifistisch gestimmte Linke in Deutschland ist mit dem Umstand konfrontiert, daß der Krieg auf dem Balkan eine soziale Bewegung wie in früheren Zeiten nicht hervorgebracht hat«261 (Bannas in FAZ 09. 04. 1999: 1). Die pazifistische Massenbewegung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte schien sich aufgelöst zu haben. Ernst-Otto Czempiel stellte fest: Ich war der Meinung, daß ein solcher Kampfeinsatz zu einer lebhaften Diskussion über seine Legitimität, Legalität und den politischen Nutzen führen würde. Immerhin wird hier eine Strategie verfolgt, die weit über die Tradition der Bundesrepublik und der Nato hinausgeht. […] Ich vermute, daß sich der Pazifismus in der Debatte um den Einsatz deutscher Blauhelme erschöpft hat. Das war eine Debatte am untauglichen Objekt. […] Die soziale Bewegung, die sich um diese Auseinandersetzung noch einmal gruppiert hat, wird sich so schnell nicht wiederbeleben lassen (ibid.).

Doch nicht nur der offensichtliche gesellschaftliche Gesinnungswandel in Deutschland ist ein erstaunliches Phänomen des Kosovo-Konflikts; auch die politische Ausgangsposition ist ein Sonderfall in der bundesdeutschen Geschichte. Nur wenige Monate zuvor gewann die SPD mit Kanzlerkandidat Gerhard Schröder die Bundestagswahl und ging mit der Partei Bündnis 90 / Die Grünen eine Regierungskoalition ein. Gerade die Grünen aber hatten sich in der Vergangenheit als Partei des Pazifismus profiliert; nur vier Jahre vor Regierungsantritt hatte der spätere Außenminister Joschka Fischer gewarnt:

261 Bannas folgert, daß der Grund hierfür in der nun realen Bedrohung durch einen Krieg zu finden sei: »Zu Beginn der achtziger Jahre demonstrierten Millionen von Menschen gegen die geplante Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland. Da war der Friede in Wirklichkeit nicht gefährdet, sondern es ging um die Einführung eines neuen Waffensystems für den Erhalt des Friedens in Europa. Zu Beginn der neunziger Jahre mobilisierte noch einmal der Golf-Krieg – im ganzen waren es Hunderttausende. […] Auch da war der Friede in Europa nicht betroffen […]« (Bannas in FAZ 09. 04. 1999: 1). In der Tat mögen räumliche Nähe und unmittelbare Realität 1999 einen Grund für das Ausbleiben größerer Proteste gespielt haben; die eigentliche Überzeugungsleistung besteht aber in der kommunikativen Persuasion, wie sich im folgenden noch herausstellen wird.

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Die weitere Entwicklung ist unschwer abzusehen: Es fängt heute mit der Parole ›Mehr Verantwortung übernehmen!‹ an, dann werden die ersten Kriegseinsätze stattfinden, die ersten Toten wird es geben, die ersten vaterländischen Rituale werden folgen, die Generalität wird mehr Freiheiten wollen, Kriegshelden werden wieder heroisiert, längst überwunden geglaubte Traditionen werden exhumiert werden, und die von den Deutschnationalen heißersehnte Wiederkehr des ›Primats der Außenpolitik‹ wird dann ›gefeiert‹ werden dürfen […] Und so wird eines zum anderen kommen, und die wirtschaftliche Großmacht Deutschland wird sich auch auf den Weg zur politischen Großmacht begeben, die Hegemonie des Machtstaates Deutschland unter modernen Bedingungen – dieses große Ziel der deutschnationalen Revisionsversuche der Gegenwart – wird dann in greifbare Nähe rücken […] (Fischer 1994: 229 f.).

Es klingt fast wie ein Treppenwitz der Geschichte, daß Fischer nur wenige Jahre nach diesen harschen prophetischen Worten der erste Außenminister ist, unter dem die Bundeswehr in einen Kampfeinsatz im Ausland geschickt wurde, und gerade Fischer mußte sich nach Kriegsbeginn vor der Basis offensiv rechtfertigen.262 Die Rede Schröders, ihr Inhalt und ihre Wirkung können sicherlich nicht als singuläres Kommunikationsphänomen betrachtet werden, sondern sie steht in Zusammenhang mit den topoi, die die Bundesregierung im Rahmen des Bundeswehreinsatzes grundsätzlich zur Argumentation nutzte; auch ging der Rede, wie sich im kommenden Kapitel beobachten läßt, ein Entscheidungsprozeß voraus, der öffentlich geführt wurde. Dennoch steht die Rede im diskursiven Fokus des Einsatzes, da sie unmittelbar nach Kampfbeginn gehalten wurde und die Bevölkerung auf den Krieg »einstimmen« und vorbereiten sollte und sie letztlich von dessen Notwendigkeit überzeugen mußte. In einem besonderen Setting kam der Rede als Fernsehansprache dabei eine ausnahmslos »technisch« medialisierte Form zu. An dieser speziellen Unterart der politischen Rede, die neue Anforderungen der modernen politischen Kommunikation erfüllen muß, lassen sich also gleichzeitig die spezifischen Parameter beobachten, die solch eine televisuell-medialisierte Ansprache ausmachen und vom Orator für ein Gelingen berücksichtigt werden müssen.

262 Am 13. Mai 1999 wurde Fischer während seiner Rede auf dem Parteitag der Grünen, in der er das Vorgehen der Bundesregierung rechtfertigte, mit einem Farbbeutel beworfen (cf. Haarhoff in taz 14. 05. 1999: 2). Fischer nutzte dabei in seiner Rede, ebenso wie Schröder (v.i.), den topos der Humanität und verglich die Ereignisse im Kosovo mit dem Völkermord der Nationalsozialisten an den europäischen Juden; wie sich noch zeigen wird, ist dies ein Argument, daß während des Beginns des Kampfeinsatzes häufig genutzt wurde (cf. Fried in SZ 25. 01. 2005: 2).

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3.4.1.1 Makroebene: Diskurs und Setting Während der Tagesschau am Abend des 24. März 1999, gegen 20:12 Uhr, berichtete die Korrespondentin Herta Märthesheimer aus Brüssel: »Die NATOAngriffe auf Jugoslawien haben begonnen. 40 Flugzeuge sind gestartet, das hat vor wenigen Minuten Generalsekretär Solana bestätigt. Wie es heißt, sind auch deutsche Tornados dabei gewesen« (ARD, Tagesschau um 20 Uhr 24. 03. 1999: 0:12). Direkt im Anschluß sendete die ARD einen Brennpunkt über die Luftangriffe der NATO, in den die Fernsehansprache Bundeskanzler Gerhard Schröders eingebettet war. Am darauffolgenden Tag berichteten die deutschen Tageszeitungen vor allem über die Angriffe der NATO, aber auch die Rede Schröders wurde bereits thematisiert. Die Frankfurter Rundschau veröffentlichte am 25. März den Wortlaut (cf. FR 25. 03. 1999: 6), ebenso das Hamburger Abendblatt (Abendblatt 25. 03. 1999: 1); die Hamburger Morgenpost druckte Auszüge daraus ab (MoPo 25. 03. 1999: 1; cf. Abbildung 13), so auch Die Welt (cf. Die Welt 25. 03. 1999: 1), die einen Tag später die Rede im Wortlaut veröffentlichte (cf. Die Welt 26. 03. 2009: 4). Am 26. März berichteten die Zeitungen nicht nur über den Kampfbeginn der NATO-Verbände, sondern auch über Schröders Ansprache: So erwähnten die FAZ und die taz beispielsweise die Rede und ließen Ausschnitte daraus in ihre Berichterstattung und Kommentierung einfließen (cf. FAZ 26. 03. 1999: 1 und Semler in taz 26. 03. 1999: 1). Die Süddeutsche Zeitung urteilte: In den Golfkrieg schickten die Deutschen einen Scheck. Doch begann damals die heftige Diskussion darüber, ob der Satz, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe, die Grundlage für die Außen- und Sicherheitspolitik des wiedervereinten Deutschland sei. Als Kanzler Gerhard Schröder am Mittwoch abend um halb neun Uhr eine Erklärung abgab, wir müssten nun ›zu unseren Soldaten stehen‹, die in einem ›schwierigen und gefahrvollen Einsatz‹ stünden, beendete er damit die Debatte für den Abend. Und für die Zuschauer deutscher Fernsehsender (Küpper in SZ 26. 03. 1999: 23).

Nur wenige Tage später kommentierte Der Spiegel die Fernsehansprache Schröders: Bleich wie ein Gespenst wirkte Gerhard Schröder, als er am vergangenen Mittwoch im Fernsehen den Deutschen erklärte, warum sich ›zum erstenmal nach Ende des Zweiten Weltkriegs deutsche Soldaten im Kampfeinsatz‹ befänden. Brüchig die Stimme, todernst die Miene. Und dann Worte, die überhaupt nichts mehr mit der Welt von ›Wetten daß…?‹, Kaschmir und Brioni-Anzügen zu tun haben […] Die Deutschen waren trotz aller Vorankündigungen nicht wirklich vorbereitet auf diese Situation […] (Didzoleit et al. in Der Spiegel 1999: 23 f.).

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Selbst die ausländische Presse erwähnte Schröders Rede, deren Wortlaut offensichtlich mit den Äußerungen der verbündeten europäischen Nachbarn abgestimmt war : L’air grave, devant une bibliothºque, le chancelier Gerhard Schröder s’est adress¤ ” la t¤l¤vision aux Allemands, juste aprºs le d¤but des bombardements au Kosovo. […] M. Schröder s’est exprim¤ de la mÞme faÅon que Jacques Chirac et le premier ministre britannique Tony Blair (Leparmentier in Le Monde 26. 03. 1999: 4).263

Die Fernsehansprache steht damit also inhaltlich-argumentativ im Kontext der allgemeinen Rechtfertigung der Intervention durch die NATO, aber auch in jenem der Haltung des Bundestages: Der Bundeskanzler rechtfertigte den Krieg, ohne ihn als solches zu benennen […]264 Belgrad habe der NATO keine andere Wahl gelassen, man sei zu diesen [sic!] Schritt gezwungen worden, ›um […] Verletzungen der Menschenrechte im Kosovo zu unterbinden und um eine humanitäre Katastrophe dort zu verhindern‹. […] Der Bundeskanzler hielt sich exakt an die Zieldefinition des Bundestagsabschlusses vom 16. Oktober 1998 (Loquai 2001: 134).

Franziska Augstein teilte die Gründe für die militärische Einmischung der NATO zehn Jahre nach dem »Konflikt« in zwei Kategorien ein: Befürworter des Krieges nennen heute wie damals zwei Gründe […] Der erste Grund ist in Europa eindringlicher vorgebracht worden als in den Vereinigten Staaten: Dieser Krieg sei in Wahrheit eigentlich kein Krieg, sondern eine ›humanitäre Intervention‹ gewesen, die darauf abzielte, einen Völkermord an den Kosovo-Albanern zu verhindern. Der zweite Grund zeugt nicht von Menschenfreundlichkeit und wird deshalb öffentlich selten aufgetischt: Der Krieg sei nötig gewesen, um zu verhindern, dass Hunderttausende albanische Flüchtlinge nach Westeuropa strömen (Augstein in SZ 19. 05. 2009: 13). Tatsächlich ist die humanitäre Intervention zur Verhinderung einer humanitären Katastrophe nicht nur das wesentliche Leitmotiv von Schröders Rede, sondern gleichsam das der rot-grünen Bundesregierung und ihrer Vertreter in bezug auf den Krieg im Kosovo. So berichtete der damalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping im Interview: Die menschliche Empörung spielt eine große Rolle, die historische Erfahrung ebenso wie das Wissen um die Greuel. […] Was wir jetzt tun, geschieht wegen einer mit 263 »Die Atmosphäre ernst, vor einer Bibliothek: So hält Bundeskanzler Gerhard Schröder seine Fernsehansprache an die Deutschen, kurz nach dem Beginn der Bombardierung des Kosovo. Schröder nutzte dieselbe Wortwahl wie Jacques Chirac und der britische Premierminister Tony Blair« (eigene Übers., J.K.). 264 Hier bezüglich der Bundestagsdebatte vom 26. 03. 2009; allerdings ist es offensichtlich, daß die Aussagen im Vergleich mit der Ansprache vom 24. März äquivalent sind (cf. Loquai 2001: 134).

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äußerster Brutalität vorgenommenen Verletzung von Menschen- und Lebensrechten. […] Die Gastfamilien der OSZE-Beobachter wurden umgebracht, weil sie die Beobachter beherbergt hatten. Aus einer Schule trieb man die Lehrer und die Kinder heraus, hängte die Lehrer vor den Augen der Kinder auf und vertrieb die Kinder dann mit Gewehrkolben und Schüssen. Schwangeren Frauen wurden nach ihrer Ermordung die Bäuche aufgeschlitzt und die Föten gegrillt (Der Spiegel 17 / 1999: 26).

Am 7. April 1999 verkündete der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer zur Rechtfertigung sogar : »›Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.‹«265 (nach Fried in SZ 25. 01. 2005: 2)266 Natürlich scheint es berechtigt, daß die europäische Staaten – in diesem Falle vertreten durch die NATO – auf ihrem Kontinent den seit Jahren schwelenden Konflikt im Balkan nicht länger dulden und ihm tatenlos zusehen wollte. Die Krise im Kosovo begann bereits Ende der 1980er Jahre und verschlimmerte sich in den Jahren 1996 und 1997 immer mehr : Das Ziel der Albaner, die staatliche Unabhängigkeit durchzusetzen, war unvereinbar mit dem Ziel der BRJ, das Kosovo als serbische Provinz im jugoslawischen Staatsgebiet zu halten. Dieser Konflikt um den Status des Kosovo, der politische Kern, ist umlagert von ethnischen, sozialen, religiösen und wirtschaftlichen Konflikten in einer komplizierten Gemengelage (Loquai 2001: 21).

Die Flüchtlinge des Kosovo und schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte wurden dabei zu einem ernsthaften, »humanitären Problem« (ibid.) mitten in Europa, das von der OSZE eingehend dokumentiert wurde. Der jugoslawische Präsident Milosˇevic´ hatte bis zum März 1999 sämtliche Verhandlungen mit Vertretern der NATO-Staaten für eine friedliche Lösung scheitern lassen (cf. ibid.: 76 – 94), bevor die NATO-Staaten ein Eingreifen beschlossen. Allerdings wurden Beweise für die Rechtfertigung der Intervention offenbar auch gefälscht und Menschenrechtsverletzungen durch die UCK, die »Befreiungsarmee des Kosovo«, inszeniert, um die NATO zum Eingreifen zu nötigen: Berichterstattungen und Erörterungen darüber bieten Hutsch (in Abendblatt 265 Zu klären, inwieweit und mit welcher Intensität Verletzungen von Menschenrechten wirklich im Kosovo durch die Serben begangen wurden, ist Aufgabe von historischen und politologischen Arbeiten; einen Überblick über die Thematik geben Schmid (1999), Schirrmacher (1999), Loquai (2001) und Joetze (2001). General a.D. der OSZE Heinz Loquai kommentierte zwei Jahre nach dem Kosovo-Einsatz: »Hier muß ich mich wirklich beherrschen, weil der Vergleich mit Auschwitz und der Situation im Kosovo eine ungeheuerliche Behauptung ist. Man muss sich als Deutscher schämen, dass deutsche Minister so etwas getan haben, denn ein normaler Mensch, ein normaler Deutscher, wird vor Gericht zitiert, wenn er in derartigem Ausmaße Auschwitz verharmlost« (nach Angerer / Werth in FR 16. 02. 2001: 9). 266 Eine äquivalente Argumentation nutzt Fischer auch in seiner Rede auf dem Parteitag der Grünen am 13. Mai 1999 in Bielefeld (cf. taz 14. 05. 1999: 2).

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21. 03. 2000: 3), Angerer und Werth (in FR 16. 02. 2001: 9) sowie Augstein (SZ 19. 05. 2009: 13).267 Loquai faßt die tatsächlichen Ziele der NATO nun wie folgt zusammen: Kriegsziel und Legitimationsgrundlage war die Abwehr einer humanitären Katastrophe. Doch diese Zielsetzung wurde erheblich erweitert. Es ging auch darum, die Führung der BRJ zu einer Änderung ihrer Politik zu zwingen bzw. diese Führung zu beseitigen.268 Insbesondere bei den neuen Regierungsparteien stand das eher allgemeine Ziel der Durchsetzung der Menschenrechte im Vordergrund und mitunter auch eine Strafaktion gegen Jugoslawien für in der Vergangenheit begangenes Unrecht. Diese eher diffuse Zielsetzung öffnete auch einer stärkeren Emotionalisierung die Tür (Loquai 2001: 126).

Die humanitäre Rechtfertigung des Angriffs, die Schröder auch in seiner Rede anführt, war zur Überzeugung von Parlament und Bevölkerung überaus erfolgreich. Bereits am Abstimmungsergebnis des Bundestags über den Einsatz der Bundeswehr am 16. Oktober 1998, zu dem die wesentlichen Bestandteile der Argumentation der Befürworter feststand, wird dies deutlich, denn von 584 abgegebenen Stimmen sprachen sich 503 für Ja aus (ibid.: 115);269 das entspricht 86 % der abgegebenen Stimmen (ibid.: 125). Nach der Rede Schröders ist zumindest im Westen Deutschlands eine eindeutige Zustimmung der Bevölkerung 267 Ein Auslöser für die Teilnahme Deutschlands am Kosovo-Krieg war z. B. der »Hufeisenplan«, ein »Operationsplan der serbisch-jugoslawischen Führung zur Vertreibung der kosovo-albanischen Bevölkerung aus dem Kosovo« (Loquai 2001: 138), der also das Ziel einer »ethnischen Säuberung« des Kosovo verfolgte. Tatsächlich scheint der Plan aber manipuliert gewesen zu sein, wie Loquai (2001: 138 – 144) und Hutsch im Hamburger Abendblatt (21. 03. 2000: 3) herausstellten. Ein wesentliches Argument zur Beeinflussung von Parlament und Volk wäre damit gefälscht worden: »Dieser so genannte Hufeisenplan wurde […] in Bundestagsdebatten, Pressekonferenzen und Diskussionen zum Synonym für die unbestreitbaren Gräueltaten, die serbische Sicherheitskräfte im Kosovo verübten. Kriegsgegner wurden mundtot gemacht, die kritisierten, dass die Vertreibungen im Kosovo in großem Umfang erst nach dem Abzug der OSZE-Beobachter und mit Beginn der NATOLuftangriffe begonnen hätten. Ein lang vorbereiteter Plan Milosevics zur ethnischen Säuberung des Kosovo erstickte solche Argumente im Keim« (ibid.). 268 Es scheint nach einem in den 1990er Jahren ständigen Kriegsherd am Balkan wahrscheinlich, daß die NATO einen Regimewechsel in Jugoslawien bzw. Serbien anstrebte. Dennoch notierte Gerhard Schröder : »Es ging auch nicht um regime change, eine Vokabel, die erst später an Bedeutung gewinnen sollte. Es ging ausschließlich um humanitäre Ziele. Und damit auch darum, ob das integrierte Europa gemeinsam Lehren aus der blutigen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu ziehen bereit war« (Schröder 2006: 135). 269 Die Abstimmung fand in einer Ausnahmesituation des Parlaments statt: Ende September wurde durch das deutsche Volk ein neuer Bundestag gewählt; Anfang Oktober bereitete die rot-grüne parlamentarische Mehrheit bereits die Machtübernahme vor, während die vorherige Koalition aus CDU / CSU und FDP lediglich noch die Regierungsgeschäfte führte. In der Zeit, in der der »13. Bundestag« also gerade noch im Amt war, wurde mit der Abstimmung am 16. 10. 1998 der Kampfeinsatz der Bundeswehr beschlossen (cf. Loquai 2001: 113 f.).

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für die militärische Intervention nachweisbar : Für die Luftangriffe der NATO stimmten in einer Befragung 64 % der Westdeutschen, für die Beteiligung deutscher Tornados sprachen sich sogar 69 % aus (cf. Der Spiegel 1999: 26).270 Selbst durch die ansonsten recht kritische wissenschaftliche Elite Deutschlands wurde der Einsatz unterstützt; insbesondere ist dies an der Haltung Jürgen Habermas’ sichtbar : Aus dem Dilemma, so handeln zu müssen, als gäbe es schon den voll institutionalisierten weltbürgerlichen Zustand, den zu befördern die Absicht ist, folgt jedoch nicht die Maxime, die Opfer ihren Schergen zu überlassen. Die terroristische Zweckentfremdung staatlicher Gewalt verwandelt den klassischen Bürgerkrieg in ein Massenverbrechen. Wenn es gar nicht anders geht, müssen demokratische Nachbarn zur völkerrechtlichen legitimierten Nothilfe eilen dürfen. Gerade dann erfordert aber die Unfertigkeit des weltbürgerlichen Zustandes eine besondere Sensibilität. Die bereits bestehenden Institutionen und Verfahren sind die einzig vorhandenen Kontrollen für die fehlbaren Urteile einer Partei, die für das Ganze handeln will (Habermas in Die Zeit 29. 04. 1999: 7).

Es wird sich in den folgenden Meso- und Mikroanalysen noch deutlich beobachten lassen, daß Schröders Ansprache inhaltlich in den Kontext der 1999 üblichen Rechtfertigungen eingebunden ist und seine Argumentation pragmatisch mit anderweitig verwendeten Vergleichen und Sprachbildern assoziiert werden muß; zudem folgten sowohl die Politik der Regierungsparteinen als auch die communis opinio den neuen politischen Anforderungen und Bedingungen. Dirk Ippen urteilt: Der Regierung Schröder kam damals eine neue Zeitströmung zu Hilfe: Nach der Wiedervereinigung spielte Deutschland eine viel wichtigere Rolle in der Weltpolitik […] Die Rechte und Pflichten wuchsen, und das spürten auch die Menschen, die sich mit der neuen außenpolitischen Situation Deutschlands arrangierten. Das ist ein wichtiger Grund, warum selbst das pazifistische Wählerklientel keine umfassenderen Proteste unternommen hat (Ippen 26. 01. 2007: s. Anhang).

Schröders Rede ist damit zwar nicht als singuläres Überzeugungsmittel der Bevölkerung zu betrachten, dafür aber historisch, ebenso wie die Rede Kohls (cf. 3.3.1.3), eine »Gelenkstelle« (cf. Klein 2003: 1508), in diesem Fall zwischen Konflikt und Eintritt der Bundeswehr in die Kampfhandlungen. Es ist auffällig, daß gerade nach Beginn des NATO-Einsatzes eine breite öffentliche Friedensbewegung völlig ausblieb, ganz anders als noch wenige Jahre zuvor anläßlich des Golf-Krieges von 1991. Damals waren, ganz ohne deutsche Militärbeteiligung, 270 Als interessante Erkenntnis müssen die Umfragewerte aus dem Osten Deutschlands gewertet werden, wo neun Jahre nach der Wiedervereinigung offenbar noch kein starkes Vertrauen in die NATO bestand; jeweils 58 % der Befragten lehnten die Luftangriffe der NATO und die Beteiligung der Bundeswehr an dem Einsatz ab (cf. Der Spiegel 1999: 26).

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»Widerstand und Angst in der Bundesrepublik viel stärker«, »bis hin zur Hysterie« (Ross in Die Zeit 31. 03. 1999: 1). Während zu Beginn der neunziger Jahre noch weiße Tücher »aus den Fenstern in den Großstädten« hingen und »sogar die offiziellen Karnevalsumzüge« abgesagt wurden (Bannas 09. 04. 1999: 1), gab es im März 1999 keine Massendemonstrationen der »jungen Leute mit den weißen Tüchern, den lila Kirchentagschals oder den Kerzen in der Hand« (Hofmann in Die Zeit 31. 03. 1999: 6). Daß der Fernsehansprache Schröders dabei durchaus eine wesentliche und beispielhafte Relevanz in der Persuasion der Öffentlichkeit zuzuschreiben ist, beweist indes die Erhebung der Mediadaten: Der ARD-Brennpunkt vom 24. März 1999, in dem die Ansprache ausgestrahlt wurde, erreichte eine Sehbeteiligung von 8,85 Mio. Zuschauern; dies entspricht einem stark beachtenswerten Marktanteil von 27,6 % (Media Control: AGF/GfK-Fernsehforschung/PC#TV/media control 2009)271. Schröder selbst gehört, wie viele seiner regierungspolitischen Begleiter im Jahre 1999, einer neuen Generation an, die zum Teil aktiv aus der Revolte der 68er, der Friedens- und Anti-Atomkraftbewegung der 1970er und 80er Jahre hervorgegangen war : Gerhard Schröder, 54, Joschka Fischer, 50, Rudolf Scharping, 51 – alle sind mit dem ›Peace‹-Zeichen in die Politik hineingewachsen, nur Scharping ist ein halbes Jahr Soldat gewesen. Aufgewachsen in der Rebellion gegen den Vietnamkrieg, hatten sie mit den Traditionen des deutschen Militarismus radikal gebrochen (Didzoleit et al. in Der Spiegel 1999: 26).

Tatsächlich findet, wie Dirk Ippen beschreibt (v.s.), nach der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren ein Wandel in der deutschen Außenpolitik statt; die Bundesregierungen sehen sich herausgefordert, international mehr Verantwortung zu übernehmen – und sie übernehmen sie. Daß gerade die Koalition aus SPD und Grünen den ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr durchsetzt und verantwortet, erscheint gerade im Rückblick, mit Kenntnis der einzelnen politischen Viten und der Parteiprogramme der vergangenen Jahrzehnte, als Paradestück für die Diskrepanz zwischen politischen Äußerungen, theoretischen Überzeugungen und tatsächlichen Handlungen, sobald eine aktive Verantwortung eintritt; für eine weiterführende politologische Studie muß eine eingehende Untersuchung des Kosovo-Konflikts mit einem Fokus auf den politischen Wandel in Deutschland reizvoll sein. Für Schröder ergibt sich aus diesem »politischen Setting« allerdings die schwierige rhetorische Aufgabe, seine Rede sowohl inhaltlich als auch affektisch bezüglich seiner politischen Vita glaubhaft zu machen; er muß die Bevölkerung 271 Laut Auskunft der media control vom 10. 07. 2009; die Angaben beziehen sich auf die Datenerhebung für die Zuschauer insgesamt.

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von der Notwendigkeit des Einsatzes überzeugen und darf keine Diskussion über Unstetigkeiten der Politik seiner Partei und der Koalition insgesamt provozieren. Schröders telos muß also die militärische Intervention überzeugend rechtfertigen und dennoch seine Politik als stringent und verläßlich darstellen. Schröder steht für eine hohe Reichweite seiner Rede (und eine zu erzielende, weitreichende Persuasion) das Medium Fernsehen zur Verfügung. Während die Fernsehansprache in Deutschland eher ein Nischendasein fristet und vor allem mit der Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten und der Neujahrsansprache des Bundeskanzlers assoziiert ist – zwei keine besonders aufregenden und politisch »entscheidenden« Varianten –, gehört die Television Address in den USA seit Jahrzehnten zum festen Reden-Repertoire des Präsidenten, die letztlich in der Tradition antiker Politik und Rede verankert ist: Ever since the Greek polis there has been a close relationship between democratic politics and public speeking. In a democracy, those who lead must continually communicate with the public, in a circular process of interaction, in order to govern successfully. Speeches are one of the main ways to do that (Kendall 2000: 53).

Die Wurzeln der TV Address werden im allgemeinen in den Bemühungen von Theodore Roosevelt gesehen, die »Medien zum Zweck der politischen Überredung« zu nutzen (Stüwe / Stüwe 2005: 161, cf. Vile 1999: 136). Seitdem nutzen gerade die US-Präsidenten die Form der Fernsehansprache, um mit dem Volk Kontakt knüpfen und sowohl Wählerschaft als auch Opposition persuasiv erreichen zu können: Clearly, the modern mass media provides presidents the means to speak to millions of people throughout the world, giving them considerable aid to accomplish the worthwhile needs and purposes of the rhetorical presidency (Tulis 1987: 188).

Corner äußert hierzu passend die besondere Form, Bedingung und Möglichkeit der Ansprache über das Medium Fernsehen: The complimentary action is the ›centrifugal‹ moment, television seeming to project its images, character types, catch-phrases and latest creations to the widest edges of the culture, permeating if not dominating the conduct of other cultural affairs (Corner 1995: 5).

Hieran anschließend muß allerdings geklärt werden, ob die Fernsehansprache überhaupt die Grundbedingungen der (politischen) Rede erfüllt. Eine Doppelmedialisierung liegt in jedem Fall nicht vor, da nur ein Auditorium adressiert wird, nämlich das Fernsehpublikum. Das bedeutet, daß der gesamte rhetorische Text durch das Fernsehen kanalisiert und erst durch die technische Medialisierung zugänglich gemacht wird. Knape definiert, daß Rede entweder eine dialogisch geführte Kommunikation ist oder eine »exklusive (monologische) Rede im Sinne einer Ansprache, die ein

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eigenständiges Kommunikationsereignis darstellt […]« (Knape 2003a: 233; cf. 3.1). Zu den »Performanz-Regeln« der rhetorischen Kommunikation zählt, »daß die Rede als Face-to-Face-Kommunikationsakt vor Zuhörern mündlich vorgetragen wird […]« (ibid.). Für die Fernsehansprache kann festgestellt werden: Sie ist ein eigenständiges Kommunikationsereignis, das in der Tat die Bedingungen des Face-to-Face-Kommunikationsakts erfüllt, da die Medialisierung keine dokumentarisch-berichtende oder fiktiv-erzählende Aufgabe einnimmt, sondern einzig für die Herstellung der direkten Face-to-Face-Kommunikation zuständig ist. Es muß dabei allerdings die besondere Produktionsästhetik beachtet werden, die den rhetorischen Text im übertragenen Fernsehbild und -ton stark vermengt und verdichtet. Als wesentliches Genus-Merkmal gilt zudem die einseitige Kommunikation: Dadurch, daß die Rede erst durch die technische Medialisierung zugänglich und durch die einseitige Kanalisierung als »EinwegKommunikation« festgelegt ist, sind Feedbacks, also Reaktionen des Auditoriums, für den Orator nicht zugänglich. Er hat damit keine Referenz zur Überzeugungskraft und -entwicklung seiner Ansprache; der Rede muß damit eine ganz besonders starre, monologische Struktur und Form zugewiesen werden, die während des Vortrags nicht formatiert und angepaßt werden kann.272 Inwieweit Schröder diese Sonderbedingungen für seine Ansprache einplant und gegebenenfalls sogar gewinnbringend nutzt, wird sich in der Meso-, insbesondere aber in der Mikroanalyse anhand der Inszenierung seiner Rede beobachten lassen. 3.4.1.2 Mesoebene: Redetext Eine (politische) Rede, die eine Situation oder Meinung kippen und ins Gegenteil verkehren will, kann aus verschiedenen Perspektiven verschiedenen genera zugeordnet werden. Natürlich handelt es sich objektiv in jedem Fall um ein genus deliberativum, da der Redner einen status quo verändern will, um zukünftige Ereignisse (cf. Lausberg 1990: 123; HLR § 225) damit entscheidend zu beeinflussen. Damit ist allerdings keineswegs festgelegt, daß eine klassische Redesituation, wie beispielsweise vor einer Volksversammlung (ibid.; HLR § 224) oder im Parlament, hierzu notwendig ist; im Gegenteil: Es ist vorstellbar, daß das Setting eher einer judizialen oder sogar einer festlichen Situation entspricht. Auch aus inhaltlicher Perspektive ist solch eine Ausgangslage mit dem 272 Thilo von Trotha stellt das Problem der fehlenden Referenz besonders anschaulich am auditorialen Setting der Talkshows dar (cf. 3.1): »Die fünfzig Claqueure in den Talkshows haben zum Beispiel einzig und allein den Job, den Akteuren ein Echo zu geben, damit ihre Rede nicht im toten Raum verschwindet. Allerdings ist die Wirkung auch viel breiter, da eine Fernsehansprache von viel mehr Leuten gehört wird als eine Rede vor Publikum« (Trotha 23. 02. 2007: s. Anhang).

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Ziel solch einer Rede nicht nur vereinbar, sondern vorgegeben: Einerseits wird der Redner genötigt sein, bestehende Meinungen und politische Realitäten gegenüber der neu zu etablierenden Alternative abzuwägen; es bestehen insofern »enge Beziehungen zum genus iudiciale« (ibid.). Andererseits müssen Handlungen dabei ebenfalls gelobt oder getadelt werden, wodurch eine demonstrative Redesituation entsteht (ibid.). Es wird daraus deutlich, daß die Rede, die eine grundsätzliche Änderung der Verhältnisse – welcher Art auch immer – anstrebt, nicht nur die ganze »Klaviatur« der pisteis nutzen muß, sondern ebenso all jene Aspekte der Genera, die eine Meinungsänderung ermöglichen können. Gerhard Schröder nutzt für seine Rede das Medium Fernsehen und kommt damit der Idee der Volksversammlung – und eben nicht der »Volksvertreterversammlung« – erstaunlich nahe, denn er erreicht damit zumindest einen, bedingt durch die Masse der Fernsehzuschauer und das Fernsehen als Massenmedium, repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung. Diese »Volksversammlung« entspricht exakt dem Auditorium, die seine Rede erreichen soll: Schröder muß die Bevölkerung, quer durch alle Gesellschafts- und Wählerschichten, von der Notwendigkeit des Kampfeinsatzes überzeugen und die bisherige pazifistische Grundeinstellung zugunsten der Militärintervention wenden. Hierfür legt er seine Ansprache als Begründung an: Um die zukünftigen Kampfhandlungen, die im Moment der Rede bereits beginnen, zu rechtfertigen und die Zustimmung der Bevölkerung dafür zu erlangen, tadelt er das in der Vergangenheit liegende Verhalten der serbisch-jugoslawischen Regierung. Vor allem nutzt er moralisch-ethische topoi für diese Begründung. Es entsteht somit ein deutliches genus deliberativum, das allerdings ausgeprägte judiziale und tadelnd-demonstrative Aspekte enthält. Im exordium (Zeile 1 – 14, s. Anhang273) beginnt Schröder seine Fernsehansprache nach der Begrüßungsformel mit einem sehr direkten Einstieg, indem er den Start der militärischen Aktion verkündet und sie sofort als ethisch-moralischen Einsatz rechtfertigt, um eine »humanitäre Katastrophe im Kosovo« zu verhindern (Zeile 5 f.). Dazu nimmt er bereits eine ausgeprägte »Perspektivierung« vor : Auf der einen Seite tadelt er das Vorgehen der jugoslawischen Regierung, auf der anderen Seite rechtfertigt er das Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft als moralische Verpflichtung. Die Rede wird also aus der Perspektive der Staatengemeinschaft gehalten, in die er nicht nur deren Regierungen, sondern im folgenden auch die deutsche Bevölkerung einschließt; anhand der genutzten Personalpronomina läßt sich diese Strategie in der Mikroanalyse noch genauer belegen. 273 Die Zeilenangaben in den Analyseabschnitten über die Rede Schröders beziehen sich, sofern nicht anders erwähnt, auf den Text der Fernsehansprache, wie sie im Anhang abgedruckt ist.

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Die propositio (Zeile 16 – 18) übernimmt bei Schröder eine Sonderfunktion; er leitet zu der narrativen Herleitung über, indem sich direkt an die jugoslawische Bevölkerung in Deutschland wendet. Einerseits definiert er damit die Perspektive seiner Rede deutlicher – der Gegner ist die jugoslawische Regierung, nicht das serbische Volk –, andererseits wird seine Perspektivierung insgesamt gefestigt. In der narratio (Zeile 20 – 33) skizziert Schröder die jüngsten historischen Ereignisse. Es handelt sich hier also um eine klassische berichtende Struktur, die allerdings je »Protagonist«, über den Schröder erzählt, mit einer argumentativen Schlußfolgerung endet: Zum einen berichtet Schröder über die Haltung der serbischen Führung, die sich geweigert hat, den Friedensvertrag zu unterschreiben, obwohl ihr dadurch »eine Rückkehr in die internationalen Organisationen« in Aussicht gestellt wurde (Zeile 23 f.): »Deshalb blieb als letztes Mittel nur die Anwendung von Gewalt« (Zeile 28 f.). Zum anderen berichtet er über das Verhalten der kosovo-albanischen Vertretung, die den Vertrag unterzeichnet hat. Schröder schlußfolgert, daß die Vertreter des Kosovo damit »ihre Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung vor aller Welt dokumentiert« haben (Zeile 32 f.). Mit der relativ kurzen argumentatio (Zeile 35 – 46) begründet Schröder nun vor allem das Eingreifen der deutschen Armee in die Kampfhandlungen, indem er zunächst die gemeinsamen Werte der internationalen Staatengemeinschaft herausstellt, die auch »unsere gemeinsamen grundlegenden Werte von Freiheit, von Demokratie und von Menschenrechten« seien (Zeile 36 f.). Sie würden verteidigt, um damit die eigenen Werte und Grundrechte zu verteidigen, die durch die serbische Führung »mit Füßen getreten werden« (Zeile 38). In einem narrativen Zwischenschritt berichtet Schröder über die Beteiligung der deutschen Soldaten unter der Zustimmung des Parlaments und der »großen Mehrheit des Deutschen Volkes« (Zeile 42). Natürlich soll hiermit, indirekt, die Persuasion der Adressaten als de facto bereits erfolgt suggeriert werden; zusätzlich werden die Adressaten – das deutsche Volk – mit dem Bundestag, der Bundesregierung und der internationalen Staatengemeinschaft noch einmal perspektivisch verknüpft. Zum Abschluß der argumentatio stellt Schröder deutlich heraus, in welchem historischen Kontext sich die Militäraktion für die Bundeswehr befindet; gleichzeitig hebt er den Führungs- und Entscheidungsanspruch sowie die Verantwortung der Bundesregierung hervor und bekräftigt eine zuvor erfolgte sensible Erörterung: »Die Bundesregierung hat sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht […]« (Zeile 44). Die peroratio (Zeile 48 – 65) nimmt einen eher ungewöhnlichen langen Abschnitt im Vergleich zum Umfang der Rede ein; dies läßt sich dadurch erklären, daß Schröder – zumindest ideell – zwei verschiedene Adressaten anspricht: Zum einen wendet er sich in einem Appell an das deutsche Volk und fordert Unter-

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stützung für den Einsatz; da bereits eine Zustimmung des Volkes für den Einsatz festgestellt wurde (v.s.), wirbt Schröder nun als »logische Folgerung« daraus um Zustimmung und Unterstützung der Soldaten. Jene stellt er perspektivisch als Teil des deutschen Volkes dar, indem er in dem kurzen Absatz zweimal von »unseren Soldaten« spricht (Zeile 49 und 52); auch die Gefährlichkeit des Einsatzes hebt Schröder an dieser Stelle nun explizit hervor. Im nächsten Abschnitt der peroratio wendet sich Schröder an den zweiten Adressaten, der allerdings als imaginär und funktionell bezeichnet werden muß: In einem weiteren Appell fordert er den jugoslawischen Präsidenten Milosˇevic´ auf, »die Kämpfe im Kosovo sofort zu beenden« (Zeile 54 f.). Für den Fall einer Zustimmung stellt Schröder, wie schon zuvor in der narratio (Zeile 23 – 25), den Friedenswillen und die »Unterstützung« des Friedens durch die NATO in Aussicht; gleichzeitig hebt er noch einmal die Einigkeit der Europäer – und damit die identifikatorische Einheit von Verbündeten, Orator und Auditorium – hervor: Europa spricht »also mit einer Stimme« (Zeile 61). Diese zweite Adressierung muß dabei einerseits als Verstärkung und Verdichtung des gerechten Anspruchs der Rede, andererseits als weitere Unterstützung der perspektivischen Kanalisierung interpretiert werden. Schröder beendet die peroratio und damit seine Fernsehansprache mit zwei Feststellungen, die gleichsam als verdeckte Appelle bezeichnet werden können: Einerseits bekräftigt er den Willen der militärischen Allianz, »das Morden im Kosovo zu beenden« (Zeile 63) und stellt damit appellativ klar, daß die NATO den Kampfeinsatz so lange führen wird, bis das militärische Ziel erreicht ist. Andererseits erklärt er nochmals, daß die »Belgrader Führung« (Zeile 64) jederzeit einlenken kann und der NATO-Einsatz damit beendet würde; der verdeckte Appell wendet sich also, abschließend, noch einmal an die jugoslawische Regierung, die Kämpfe im Kosovo zu beenden und damit eine friedliche Lösung zu schaffen. An Schröders Rede, die mit einer Länge von etwas mehr als vier Minuten der Prägnanz einer Fernsehansprache angemessen erscheint, können an dieser Stelle noch einmal zwei Kontextbezüge deutlich gemacht werden, die sich für den Inhalt als besonders erwähnenswert darstellen. Bedenkt man den historischen Ausnahmefall, so ist es konsequent, daß Schröder den Militäreinsatz als ersten deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg erwähnt. Damit müssen ihm auch eine besondere Transparenz und Ehrlichkeit attestiert werden, die die Glaubwürdigkeit seiner Ansprache fördern können. Zudem betont Schröder stets die übereinstimmende Haltung der europäischen Staaten; seine Rede ist inhaltlich in den argumentativen Kontext der NATO-Partner eingebunden (cf. 3.4.1.1). Gerade dieser letzte Kontextbezug ist ein wichtiger Aspekt für den identifikatorischen und Einheit erzeugenden Charakter, in dem Schröder seine Rede gestaltet. Die Ansprache wurde in einer »Bibliothek-Bar« eines Hotels aufgezeichnet

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Abbildung 14

(Didzoleit et al. in Der Spiegel 1999: 24); diese tatsächliche örtlich-semantische Einheit ist allerdings für den Fernsehzuschauer nicht ersichtlich, es entsteht durch das medialisierte Setting und die Kulisse lediglich die Zuordnung »devant une bibliothºque« (Leparmentier in Le Monde 26. 03. 1999: 4), sodaß der Eindruck »L’air grave« (ibid., v.s.) verstärkt wird. Das Auditorium sieht während der Ansprache eine ungeschnittene Einstellung ohne jegliche Kamerabewegung oder Fokussierung; Schröder sitzt an einem Schreibtisch vor einer Bücherwand (cf. Abbildung 14). Dies betont zwar den statischen Charakter der Rede, verstärkt aber die nicht künstlich und filmästhetisch veränderte, zeitgleiche Faceto-Face-Kommunikationssituation, obwohl ein Rückkanal für das Feedback und damit die Möglichkeit der Rezeption von Reaktionen qua Medialisierung nicht gegeben sind. Es darf dabei an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben, daß Schröder seine Ansprache durch die Fernsehübertragung im Privatbereich der Adressaten halten kann; soziale Meinungs- und Rezeptionsbeeinflussung durch Mit-Rezipienten (cf. Noelle-Neumann 2001: 45) findet also im Zweifelsfall, wenn überhaupt, zum Zeitpunkt der Medialisierung nur im intrafamiliären Bereich statt: Schröders Rede kann die Rezipienten also relativ direkt erreichen, ohne dabei eine »con-rezipielle« Filtrierung und Beeinflussung tolerieren zu müssen.

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An der Einteilung in die partes orationis ist erkennbar, daß Schröder keine spannungsreiche Dramaturgie konstruiert, dafür aber die ethisch-moralischen topoi in eine transparente Argumentation einbindet. Die sachlogischen pisteis werden dadurch konstruktiv mit den affektiven von ethos und pathos verknüpft; die stringente, (sach-)logische Struktur fördert zudem ein glückendes ethos. Es konnte bereits beobachtet werden, daß Schröder neben einer moralischethischen Argumentation eine hohe Identifikation, Empathie und Authentizität erzielen will. Welche Kombinationen der pisteis sowie sprachliche und außersprachliche Aspekte hierfür genutzt werden, wird sich in der folgenden Mikroanalyse noch genauer darstellen lassen. 3.4.1.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene Es ist in den vorangehenden Analyseteilen bereits deutlich geworden, daß Schröder in seiner Ansprache durchaus eine sachlogische Argumentationsstruktur nutzt, die stringent der Einteilung in die partes orationis folgt.274 Daß hiermit kein Ziel mit einem rein sachlogischen Nutzen verfolgt werden kann, versteht sich bei der sensiblen Thematik von selbst; die Argumentation muß also insbesondere einen ethos-basierten Zweck erfüllen. Auch wenn man das telos der Rede – Rechtfertigung und Zustimmung durch ein eher pazifistisch eingestelltes Auditorium – bedenkt, liegt eine Strategie, die ein hohes ethos etabliert, nahe. Jene muß als eine Wirkungsbedingung des aptum bezeichnet werden, und sie stellt sich in der Tat als das hauptsächliche Wirkungsmuster der Ansprache Schröders heraus. Es ist eine signifikante Feststellung, daß Schröder deutlich erkennbar den typischen Argumentationen und Aussagen der modernen Kriegsrhetorik folgt, wie sie Campbell und Jamieson am Beispiel US-amerikanischer addresses feststellten: Presidential war rhetoric illustrates both rhetorical continuity and adaption to altered circumstances. […] presidential war rhetoric throughout U.S. history manifests five pivotal characteristics: (1) every element in it proclaims that the momentous dicision to resort to force is deliberate, the product of thoughtful consideration; (2) forceful intervention is justified through a chronicle or narrative from which argumentative claims are drawn; (3) the audience is exhorted to unanimity of purpose and total commitment; (4) the rhetoric not only justifies the use of force but also seeks to 274 Es ist natürlich anzunehmen, daß die hohe thematische Konstruktion auf einen professionellen Redenschreiber zurückgeht, denn »ghostwriting has been part and parcel of the presidency throughout history« (Campbell / Jamieson 1990: 10); gleiches mag auch für Reden deutscher Bundeskanzler gelten. Eine prägnante Erörterung über ideelle Äquivalenz von Redner und Redenschreiber in der Analyse von Reden geben Campbell und Jamieson am Beispiel der Ansprachen US-amerikanischer Präsidenten (1990: insb. 9 – 11).

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legitimate presidential assumption of the extraordinary powers of the commander in chief; and, as a function of these other characteristics, (5) strategic misrepresentations play unusually significant role in its appeals (Campbell / Jamieson 1990: 104 f.).

Während die ethisch-moralischen Aspekte sicherlich als besondere Komponente eines »deutschen aptum« anzusehen sind,275 treffen die fünf skizzierten Charakteristika auch auf Schröders Rede zu: (1) findet sich z. B. in Zeile 44 – 46, (2) in Zeile 20 – 38, (3) in Zeile 48 – 52, (4) in Zeile 40 – 42; die »strategic misrepresentations« (v.s.) aus (5), die im Falle des Kosovo-Konflikts z. B. die eigene mißlungene Diplomatie beträfen (cf. e. g. Loquai 2000: 64 – 67), werden indessen auch bei Schröder nicht erwähnt. Die argumentative Struktur verfolgt, wie bereits geschildert, stets eine ethosevozierende Rechtfertigung des Kampfeinsatzes. Dies mag ohne Frage auch auf dem tatsächlich humanitär begründeten Einsatz beruhen; die sich aus dem aptum ergebende Notwendigkeit dieser Argumentation ist dabei in jedem Fall aber ebenso gegeben. Beispiele für »ethische Schlußfolgerungen«, die gleichsam an die moralisch-begründete Zustimmung der Adressaten appellieren, finden sich durchgängig in der Ansprache. Bereits im exordium faßt Schröder die Aufgabe des Einsatzes prägnant mit einer ethos-basierten Begründung zusammen: »Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern« (Zeile 4 – 6). Signifikante semantisch-pragmatische Träger – bzw. »Trigger« – für eine Evozierung des ethos sind hierbei einerseits die in einer semiotische Verbindung arrangierten Substantive Verletzung, Menschenrechte und Katastrophe, andererseits die Adjektive schwer, systematisch sowie humanitär, die eine deutliche komparative Funktion übernehmen und eine pathetische Konnotation aufweisen (v.i.). Der Einsatz, den Schröder also mit dem aktiven Verhindern weiterer Verbrechen an Menschen motiviert, wird damit ehrenhaft-moralisch. Ähnliche Beispiele für eine syntaktische Sprachstrukturierung wie diese finden sich z. B. in den Zeilen 8 – 14, 49 – 52 und 63 – 65. Wie an der Semantik der komparativ attributierenden Adjektive zu erkennen, nutzt Schröder also pathetische Elemente in seiner Rede; weitere Beispiele hierfür lassen sich z. B. in Adjektiven wie erbarmungslos (Zeile 8) und gefahrvoll (Zeile 51) sowie Substantiven wie Terror (Zeile 9) und Tragödie (Zeile 11 f.) erkennen. Während diese Begriffe selbst eine »pathetische Semantik« aufweisen, unterstützen sie auch das ethos-basierte telos des Orators; pathos und ethos greifen also als Wirkungsmechanismen ineinander. Hieran läßt sich auch exemplarisch die Mechanik einer Persuasion mittels ethisch-moralischer topoi betrachten: Gegner des militärischen Einsatzes müßten die »mitschwingende« 275 Inwieweit sie für eine Rede, die eine Meinung drastisch ins Gegenteil verkehren muß, unabdingbar sind, wird sich im letzten Vergleich noch genauer beobachten lassen.

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rhetorische Frage beantworten, ob sie mit ihrem Veto die durch das serbische Militär verursachte »menschliche Tragödie« tolerieren oder gar begünstigen wollen; es handelt sich also um einen topos, der eine entschieden starke persuasive Wirkung haben muß (cf. 3.2). Wie bereits in 3.4.1.2 beobachtet, nimmt Schröder eine stark kontrastierende Perspektive ein: Auf der einen Seite beschreibt er die einige Allianz, die moralisch richtig, auf der anderen die jugoslawische Führung, die moralisch verwerflich und damit schlecht und bösartig handelt. Insbesondere an den Personalpronomina läßt sich diese Syntaktisierung beobachten: Schröder nutzt nur zweimal das Pronomen ich (Zeile 48 und 54), dagegen aber fünfzehnmal die Pronomina wir (uns, unser etc.). Hierdurch entsteht zum einen die Identifikation des Sprechers mit den moralisch »richtig« Handelnden, zum anderen wird die argumentative Strategie verstärkt (Meyer 1998: 193 und 277 sowie Wodak 2005: 142 f.). Natürlich soll hiermit schließlich eine empathische Funktion erreicht werden: Schröder spricht nicht von einem Einsatz, bei dem eine dritte Person »Freiheit, Demokratie und Menschrechte« verteidigt, sondern »wir« (Zeile 35 – 38); er berichtet nicht über Soldaten der Bundeswehr, sondern über »unsere Soldaten« (Zeile 48 – 52). Das Auditorium wird zur Empathie angestiftet, die in eine Identifikation sowohl mit den verfolgten humanitären Zielen als auch mit den aktiv handelnden NATO-Verbündeten mündet. In dieser Funktion sind auch die an das deutsche Volk gerichteten Appelle zu verstehen (cf. 3.4.1.2), und es ist eine bemerkenswerte Feststellung, daß Empathie und Identifikation darüber hinaus durch eine vergleichbare Strategie erreicht werden, wie sie bereits für die Rede des Marquis von Posa nachgewiesen werden konnte (cf. 3.3.2.3). Die Soldaten werden, menschlich individuell, durch die Personalpronomen zu unseren Soldaten und damit empathisch »aufgeladen«: Sie werden zu einem Teil des Auditoriums, mit dem es mitzufühlen gilt und für den schließlich eine identifikatorische Nähe erreicht wird. Das Gegenteil wird für die »jugoslawische Sicherheitskräfte«276 (Zeile 9) evoziert: Sie bleiben im Redetext eine völlig unpersönliche Kraft, die die »humanitäre Katastrophe« aktiv hervorruft. Im Zusammenspiel der menschlich-individuellen deutschen Soldaten als Teil des Auditoriums auf der einen und der nicht konkret und individuell identifizierbaren, buchstäblich un-menschlichen serbischen »Sicherheitskräfte« auf der anderen Seite entsteht so eine Meta-Syntax, die Empathie und Identifikation für das Auditorium verstärkt und damit letztlich eine Persuasion begünstigt.

276 »Der Begriff ist aus den UN-Resolutionen übernommen. Dort versteht man darunter die Gesamtheit der serbischen und jugoslawischen Polizei- und Militärkräfte« (Loquai 2000: 15).

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Sprachlich bemerkenswert sind in der Rede sicherlich auch die Synonyme, die Schröder für die Begriffe Krieg bzw. Kriegseinsatz verwendet: Es finden sich im Text stattdessen Luftschläge (Zeile 3), militärische Mittel (Zeile 13 f.), Militäraktion (Zeile 16), Anwendung von Gewalt (Zeile 28 f.), Aktion (Zeile 35), Einsatz (Zeile 40 und 51), Kampfeinsatz (Zeile 46) und NATO-Einsatz (Zeile 64). Tatsächlich gibt Schröder innerhalb seiner Ansprache selbst eine (indirekte) Begründung für die Vielfalt der Synonyme, mit denen er den Begriff Krieg vermeiden kann: »Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen« (Zeile 12 – 14). Die Gründe sind hierfür zunächst einmal im unmittelbaren historischen Kontext des Konflikts zu suchen, denn die Vermeidung des Begriffs »Krieg« wurde von allen Bündnispartner und der NATO selbst so vorgenommen (cf. Loquai 2000: 15; cf. 3.4.1), und dies wiederum geschah, weil für den Einsatz von NATO-Verbänden kein UN-Mandat vorlag und der Einsatz damit durch die internationale Staatengemeinschaft völkerrechtlich nicht ratifiziert war : Die NATO-Aktionen in Jugoslawien stellen den Versuch dar, unter Berufung auf die Legitimität einer universalen Moral die Legalität der bestehenden völkerrechtlichen Ordnung zu relativieren; sie wird dadurch zumindest vorübergehend außer Kraft gesetzt (Preuß 2000: 51).277

Natürlich muß sich Schröder damit sehr präzise an die durch die NATO vorgegebene Wortwahl halten, um die (völker-)rechtlich fragliche Situation nicht zu komplizieren und den Gegnern des NATO-Einsatzes keine zitierbare Basis für eine Gegenargumentation zu bieten. Aus rhetorisch-wirkungsästhetischer Perspektive kann allerdings auch eine weitere, zusätzliche Interpretation die Wortwahl erklären: Im Gegensatz zu den zahlreichen Synonymen, die Schröder für die NATO-Bündnispartner verwendet, spricht er im Hinblick auf die serbisch-jugoslawischen »Kämpfe« dagegen durchaus von einem Krieg: »Damit will das Bündnis […] eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. Der jugoslawische Präsident Milosˇevic´ führt dort einen erbarmungslosen Krieg« (Zeile 4 – 8). Gerade in Deutschland dürfte der Begriff »Krieg« semantisch eindeutig stark negativ geprägt sein. Wenn Schröder statt dieses Begriffs Synonyme für den Einsatz der NATO nutzt, vermeidet er einerseits also die Provokation der Gegner des Einsatzes. Andererseits stellt er eindeutig eine syntaktische Beziehung des Vorgehens der serbisch-jugoslawischen Führung zum stark negativ belegten Begriff her. Der Gegner wird also, gerade mit Blick auf pazifistische Adressaten, angemessen negativ attributiert, wenn Schröder das Verhalten der Regierung Milosˇevic´ im Kosovo als 277 Cf. hierzu auch Lutz (2000), Senghaas (2000), Weber (2000), Kühne (2000) und Ziegler (2009).

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»Krieg« bezeichnet; die ohnehin stark ausgeprägte, perspektivische Kontrastierung seines Redeinhalts wird damit in einem weiteren Aspekt verstärkt. In diesem Kontext müssen im übrigen auch die außersprachlichen Mittel, und hier insbesondere die Kulisse, betrachtet werden: Die »bibliothºque« (Leparmentier in Le Monde 26. 03. 1999: 4), tatsächlich »Bar-Bibliothek« eines Hotels (Didzoleit et al. in Der Spiegel 1999: 24), ist betont neutral und weist keinerlei nationale oder gar militärische Accessoires auf: Schröder hält seine Ansprache »ohne Fahne im Hintergrund, betont zivil vor antiquarischer Bücherkulisse« (ibid.). Es ist deutlich, daß Schröder damit die Syntaktisierung von nationalen Symbolen und dem Einsatz der Bundeswehr vermeidet, um eine Diskussion über den historischen Kontext deutscher Soldaten und Nationalsymbolik zu vermeiden oder zumindest so gering wie möglich zu halten. Auch die parasprachlichen Elemente der Rede weisen eine interessante Charakteristik auf. In bezug auf Schröders Artikulation und Mimik muß festgestellt werden, daß die Rede offenbar nicht oder kaum einstudiert und geübt war. Ippen attestiert Schröder, daß er ein »glänzender Redner« sei (Ippen 26. 01. 2007: s. Anhang); für die Fernsehansprache zum Kosovo-Krieg mag dies, insbesondere hinsichtlich seiner artikulativen Fähigkeiten, nicht ohne weiteres behauptet werden: Schröder liest den Redetext deutlich merkbar – und an der Bewegung der Augen deutlich sichtbar – vom Teleprompter ab (cf. ARD 24. 03. 1999); die Rede wirkt eher abgelesen als vorgetragen. Dies korrespondiert mit dem Eindruck, den Schröders Mimik hinterläßt; er wirkt zwar ernst, aber auch versteinert und bleich »wie ein Gespenst« (Didzoleit et al. in Der Spiegel 1999: 23). Schröder ist offensichtlich nicht geübt im Vortragen von Fernsehansprachen; dies scheint in Anbetracht der kurzen Zeitspanne, in der er erst im Amt des Bundeskanzlers ist, auch kaum verwunderlich, zudem sind TVAddresses, wie bereits beschrieben, im Gegensatz zur politischen Redenkultur der USA in Deutschland eher ein Ausnahmefall. Das Setting wirkt für einen Orator wie Schröder, der für seine Reden im Wahlkampf und im Parlament begabt sein mochte, ungeeignet: »Brüchig die Stimme, todernst die Miene« (ibid.: 24). Darüber hinaus spricht er teilweise undeutlich; Silben werden in den einleitenden Worten der Rede verschluckt (cf. ARD 24. 03. 1999: 00:01), und erst nach etwa einer halben Minute beginnt er, einzelne Wörter, wie z. B. »erbarmungslosen« zu betonen und damit hervorzuheben (ibid.; cf. Zeile 8). Auch die eher schwierige Satzkonstruktion »Ich rufe von dieser Stelle aus alle Mitbürgerinnen und Mitbürger auf« (Zeile 48) wirkt durch die Präposition aus und das vom Verb losgelöste Präfix auf unglücklich verkomplizierend. Eine eindeutig festlegende Bewertung dieser parasprachlichen Aspekte fällt dennoch schwer. Natürlich muß eine merklich von einem Teleprompter abgelesene Rede eher inszeniert und gespielt wirken als eine frei – oder zumindest scheinbar frei – vorgetragene. Andererseits ist ihr aber gerade dadurch eine

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glaubhafte Authentizität der thematischen Sensibilität zuzuschreiben, mit der Schröder seine Ansprache hält, die dadurch »nichts mehr mit der Welt von ›Wetten dass…?‹, Kaschmir und Brioni-Anzügen zu tun« hat (Didzoleit et al. in Der Spiegel 1999: 24). Somit wird der Vortrag dem Anlaß der Rede, gerade im Hinblick auf Schröders unmittelbare öffentlich-politische Vergangenheit, passend und angemessen. Abschließend verdeutlichen gerade diese Elemente aus Schröders Rede die Schwierigkeiten, die mit einer Fernsehansprache verbunden sind, denn es ist zu vermuten, daß die Unsicherheiten, die Schröder während des Vortrags zeigt, nicht nur der außergewöhnlichen historischen Situation, sondern eben auch der technischen Medialisierung und dem fehlenden »Rückkanal« geschuldet sind. Während er bei einer Rede vor physisch anwesendem Publikum ein ständiges Feedback an Reaktionen bekommt, bleibt dies für seine Ansprache im Fernsehen völlig aus. Dies mag für einen Redner der Hauptnachteil dieser Genusvariante sein; wie die US-amerikanische Redekultur beweist, ist der Umgang mit der Medialisierung aber erlernbar und zur politischen Kommunikation dennoch durchaus geeignet. Der Vorteil in bezug zu den Mikroelementen einer solchen Rede liegt dabei ebenfalls auf der Hand: Schröder erscheint als Redner und hochrangiger Politiker für jeden einzelnen Adressaten qua Fernsehen tatsächlich unmittelbar »Face-to-Face«. Die Appelle, die Schröder an die Zuschauer richtet, werden demnach mit einem (scheinbaren) medialisierten Augenkontakt unmittelbar übertragen. Diese Möglichkeit hat Schröder erkannt und nutzt sie perfekt: Die rhetorischen Elemente aus verbalem Appell und technischem Setting greifen ineinander und können letztlich, trotz der rein technischen Medialisierung, eine dialogische Verbindung zwischen Orator und Auditorium herstellen.

3.4.1.4 Zusammenfassung und Ergebnis ’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre, Und rede du darein! ’s ist leider Krieg – und ich begehre Nicht schuld daran zu sein! Matthias Claudius, Kriegslied

Trotz einiger qualitativer Mängel im Mikrobereich der Prosodie, die ohnehin kontrovers interpretiert werden können, erweist sich Schröders Rede als hervorragende Leistung einer effektiven Persuasion. Die Umkehrung bestehender Meinung gelingt ihm vor allem durch die höchst effiziente affektische Attribu-

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tierung der Motivation seiner Politik: Er konstruiert für den Einsatz einen ethisch-moralischen Frame, und gerade diese Art der Rechtfertigung »bedient« sich dabei aus den topoi der Pazifisten, die eine Beteiligung an den Kampfeinsätzen aus humanitären Gründen ablehnen könnten. Damit nutzt Schröder ein argumentatives Prinzip, das bereits in der Antike beschrieben wurde: Wir fühlen, daß man Zuneigung gewinnt, wenn man den Eindruck macht, das, was im Interesse des Publikums selbst liegt, gerechterweise zu vertreten, oder sich für verdiente Männer bzw. solche, die für das Publikum wertvoll und nützlich sind, zu engagieren (Cicero 2003: 339; de orat. II,206. Cf. 2.1.2.3.1).

Darüber hinaus schafft Schröder eine Atmosphäre, in der sich Gegner des Bundeswehr- und NATO-Einsatzes ein inhumanes Verhalten vorwerfen lassen müßten: Die nicht taktisch denkenden, sondern überzeugten Pazifisten stehen vor einem Dilemma, wie sie auf einen Menschen, Milosˇevic´, reagieren wollen, der Vertreibung und Mord bewußt als Mittel der Politik einsetzt. Wollen sie die Gewalt eines ›barbarischen Faschisten‹ in letzter Konsequenz zulassen? (Bannas in FAZ 09. 04. 1999: 1).

Diese Argumentation gelingt Schröder, indem er eine stark kontrastierte und identifikatorische Perspektive der Kontrahenten – wir, die Allianz und sie, die jugoslawische Führung – und eine ausgeprägte, pathetische Attributierung vornimmt. Der Orator etabliert also eine glaubhafte, vor allem ethos-bezogene Begründung der Intervention, die sowohl für ihn und die deutsche Regierung als auch für die NATO-Verbündeten gilt. Zur Verstärkung dieser Wirkung erreicht er durch die Individualisierung und »Vermenschlichung« der eigenen Protagonisten – also der Bundeswehr-Soldaten – einen hohen Empathie- und Identifikationsfaktor ; das Auditorium wird damit zu einem Teil der Allianz. Zusätzlich wird der Gegner unpersönlich und generalisierend dargestellt; eine Identifikation mit ihm wird somit verhindert. Schließlich gleichen die mittels Fernsehen im Gegensatz zu einer Rednerbühne viel größere Präsenz für das Auditorium und die direkten Appelle die technische Medialisierung und die Nachteile des fehlenden »Rückkanals« wieder aus, und erst durch die Fernsehübertragung gelingt es Schröder, einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung zu erreichen und letztlich auch überzeugen zu können. Der Nachteil gegenüber einer Rede vor einem physisch unmittelbar anwesenden Publikum zeigt sich natürlich auch in der Reflexion: Eine Rede vor einer aufgebrachten Menschenmasse scheint für Medien und Wissenschaft interessanter zu sein als eine Rede, die nur über das Fernsehen medialisiert wird. Es fehlen die empirischen Referenzen, die durch ein anwesendes Publikum möglich wären, und diese nüchterne theoretische Beschreibung bedeutet in der Realität, überspitzt formuliert: Bei einer Fernsehansprache werden dem Redner keine

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Farbbeutel an den Kopf geworfen – auf einem Parteitag der Grünen mitunter schon (cf. 3.4.1). Aus dieser Perspektive und in der Kenntnis, daß Schröder seine Rede in absolutem inhaltlichen Einklang des Diskurses der Befürworter konstruierte, muß ihr vermutlich eher eine exemplarische Relevanz als das Prädikat des alleinigen Auslösers der gesellschaftspolitischen Wende in Deutschland zugestanden werden. Sowohl die Beachtung und Reflexion in den Medien als auch die statistische Erhebung der Mediadaten aber beweisen, daß Schröders Ansprache die Funktion eines fokussierten Schlüsselelements im politischen Diskurs Deutschlands über den Kosovo-Konflikt und den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der NATO erfüllt. Es ist offensichtlich, daß gerade die Kommunikation der humanitären Motivation und der dadurch aktiv gesuchte Dialog mit der Bevölkerung dazu führten, daß die Kritik an dem Einsatz mehr und mehr verstummte: Letztendlich wurde dieser Wandel erst durch das rhetorisch aufbereitete, kommunikative Element der Politik möglich. Es stellen sich nach dieser Analyse vor allem zwei Aspekte heraus, die eine zukünftige Erforschung der Fernsehansprache in Deutschland interessant und lohnend machen: Zum einen ist dies in jedem Fall die Frage einer zunehmenden Relevanz dieser Genusvariation. Während sie in den USA eine hohe Akzeptanz und Bedeutung genießt, ist die TV Address des Regierungsoberhaupts in Deutschland bisher noch wenig beachtet, weil sie wenig genutzt wird. Die positive Erfahrung, die US-Politiker mit ihr gemacht haben, und der Wandel der deutschen Außenpolitik könnten aber dazu führen, daß ihr auch in Deutschland ein höherer Stellenwert zukommen wird, und eine neue Entwicklung ihrer Wirkungsästhetik wird damit einhergehen. Der zweite Aspekt, der in Zukunft Beachtung verdienen könnte, ergibt sich aus dem topos der humanitären Rechtfertigung: Der Krieg kam im politischen Denken der Deutschen lange Zeit nicht mehr vor, jedenfalls nicht, wenn es um eine Beteiligung an ihm ging. […] Die Teilnahme an der ›humanitären Intervention‹ gegen das Milosˇevic´-Regime konnte die rot-grüne Bundesregierung im eigenen Lager nur mit dem Rückgriff auf Auschwitz rechtfertigen (Kohler in FAZ 14. 04. 2010: 1).

Es ist eine tragische Tatsache, daß die in der unmittelbaren Vergangenheit durch den Westen geführten Kriege – Afghanistan, Irak – nicht zufriedenstellende militärische Erfolge erzielt haben, daß sie aber humanitäres Elend (mit-)verursachten. Dies gilt auch für den Kosovo, wie Franziska Augstein beschreibt: »Das wichtigste Exportgut des Kosovo, dessen Landwirtschaft einst florierte, ist jetzt Altmetall. Fast jeder zweite Kosovare lebt in Armut, ungefähr jeder Siebte hat weniger als einen Euro am Tag. Der Kosovo ist kein Land, er ist ein Desaster« (Augstein in SZ 19. 05. 2009: 13). Wenn ein humanitär motivierter und ge-

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rechtfertigter Militäreinsatz letztlich aber keine Verbesserung bringt oder im schlechtesten Falle sogar eine humanitäre Katastrophe erst produziert, fällt das ethisch-moralische topos als persuasives Element irgendwann aus. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich diese Feststellung auch auf die Argumentation und topoi der zukünftigen (deutschen) »war rhetoric« auswirkt.

3.4.2 An Honourable Man: Rhetorische Diskursanalyse der Rede des Marc Anton in Shakespeares Julius Caesar Der politische Fall des Gaius Julius Caesar liest sich auch nach über zweitausend Jahren wie ein spannender »Polit-Thriller«; gleichwohl läßt er sich, trotz aller beispielhaften narrativen Dramatik, anhand von zahlreichen antiken Quellen (v.i.) als reales historisches Ereignis belegen und in seinem Ablauf rekonstruieren: Im März des Jahres 44 vor Christi Geburt befindet sich Caesar auf dem Höhepunkt seiner politischen Macht und ist zum Dictator278 auf Lebenszeit ernannt worden; die Existenz der Republik ist damit de facto beendet. Als letzte, entscheidende politische Handlung fehlt nur noch die endgültige Auflösung der Republik durch die Wiedereinführung der Monarchie und die Verleihung der Königswürde an Caesar. Im römischen Senat regt sich allerdings starker Widerstand, und eine Gruppe von Senatoren um Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus formiert sich zu einer Verschwörung. Caesar wird schließlich von ihnen ermordet, und die Republik ist scheinbar gerettet. Das römische Volk ist während dieser Tage verstört und politisch uneinig, denn während es Caesar und dessen (militärische) Erfolge zwar schätzt, zollt es den Verschwörern für ihre Tat doch Respekt, und erst eine Rede von Brutus kann das Volk für die Sache der Republik gewinnen. Während Caesars Begräbnis kippt die Stimmung plötzlich: Das Volk begehrt gegen die Mörder auf und dringt durch die Gassen, um sie in Lynchjustiz zu töten. Die Verschwörer, denen für den Mord durch den Senat vor kurzem noch Amnestie zugesagt worden war, müssen fliehen: »Mit einer einzigen Rede gelang es Antonius, sie letztlich in die Rolle der eigentlichen Staatsfeinde zu drängen« (Knape 2000a: 20). Für den unfaßbaren Meinungsumschwung ist ein einziger Mann verantwortlich, der eine einzige Rede hält:279 Marcus Antonius, Feldherr und enger Freund Caesars.280 Die Ereignisse, die viele antike Biographen und Historiker überliefert haben 278 Die Schreibweise »Dictator« orientiert sich an Meier (2004) und wird verwendet, um eine Gleichsetzung mit der heutigen Bedeutung des Begriffs zu vermeiden. 279 Auch die Rede Marc Antons (in der Bearbeitung Shakespeares) zählt Jelinek zu den Reden, die die Welt veränderten (Jelinek 2009: 15 – 24). 280 Eine prägnante Abhandlung der geschichtlichen Ereignisse bieten z. B. Meier (2004), Gelzer (1983) und Baltrusch (2008).

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und deren Aufzeichnungen bis in die heutige Zeit erhalten geblieben sind,281 zeugen von sensationellen politischen Ereignissen, die sich vor mehr als 2000 Jahren in Rom ereigneten. Bis heute haben die Berichte nichts von jener Spannung verloren, die den antiken Polit-Thriller kennzeichnet. Doch nicht nur heutige Generationen sind von den historischen Begebenheiten fasziniert; auch in früheren Jahrhunderten wurden die Geschichten der Antike offensichtlich gelesen und weitererzählt, und im Falle der Ermordung Caesars inspirierten sie einen Dichter im 16. Jahrhundert zu einem bedeutenden Drama: William Shakespeare adaptierte die historische Überlieferung und schrieb im Jahre 1599 (cf. Shakespeare 1966: vii) seine Tragödie The Tragedy of Julius Cæsar.282 Die Rede, die Shakespeare für Marc Anton schrieb, ist zweifellos »die berühmteste persuasive Rede der Weltliteratur« (Stroh 2009: 32), und einzelne Verse aus ihr, wie der bekannte Satz And Brutus is an honourable man, werden nicht nur in der Ansprache selbst »refrainartig« wiederholt (Stroh 2002: 253), sondern gehören zum festen Repertoire geflügelter Worte. Natürlich ist diese Rede, wie in der Makroanalyse darzustellen ist, auch in der wissenschaftlichen Literatur häufig beachtet worden. Hier bietet sich nun aber die Möglichkeit, die Ansprache Antons nicht nur auf einzelne rhetorische Elemente und Stilmittel zu überprüfen, sondern gleichfalls die rhetorische Gesamtstruktur, Kontext und Diskurs zu beobachten, um letztlich feststellen zu können, mit welchen Wirkungsmitteln es Antonius gelingt, sein Auditorium zu überzeugen und die Stimmung zu seinen Gunsten zu wenden. Selbstverständlich liegt auch bei dieser literarisch-dramatischen Rede eine Doppelmedialisierung zumindest insofern vor, daß sie eben nicht nur innerhalb der dramatischen Dichtung, sondern auch außerhalb auf das Auditorium im Theater wirken soll. Eine weiterführende, z. B. politisch motivierte Wirkung wie an der Rede des Marquis Posa dargestellt (cf. 3.3.2), ergibt sich je nach Interpretation des Stücks und der Intention Shakespeares, und gerade Julius Caesar ist »remarkable for an infinite variety of interpretation […]« (Yoder 1973: 309). Die bereits an der Rede Posas beobachtete Art der Doppelmedialisierung kann an dieser Stelle allerdings eher unbeachtet bleiben. Viel interessanter erscheint an der großartigen Ansprache des Antonius, daß sie eine bestehende Meinung völlig revidiert und damit zu einem Beispiel für jeden (politischen) Redner wird, der eine ähnliche Situation zu meistern hat – auch und insbesondere dann, wenn 281 Hier ist z. B. der antike Historiker Plutarch (1980a / b und 1994) zu nennen; eine umfassendere Bibliographie wird sich in der Makroeben der Analyse nennen lassen. 282 Bis heute bestehen Zweifel darüber, ob Autor und historische Person Shakespeare miteinander übereinstimmen; eine Abhandlung jüngeren Datums, welche die Zweifel mehrt, findet sich in Kurt Kreilers Der Mann, der Shakespeare erfand (2009). Die vorliegende Arbeit soll sich an der Diskussion nicht eingehender beteiligen; der Name Shakespeare wird hier synonym für den Autor verwendet.

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zuvor bereits mit einer Rede eine gegenteilige Meinung etabliert wurde; wie im hier beschriebenen Falle durch Brutus geschehen ist. Es ist evident, daß Shakespeare, der den historischen Plot ohnehin dramatisch komprimiert, eine Rede kreieren muß, die eben erst dann der Handlung auf der Bühne gerecht werden kann und tatsächlich persuasiv erscheint, wenn das Auditorium außerhalb der Bühne die Persuasion glaubt und selbst überzeugt wird. Es bietet sich für die Analyse an, zunächst festzustellen, welche realen Quellen über Marc Antons Rede berichten und welche davon Shakespeare zur Verfügung gestanden haben könnten, um herauszuarbeiten, inwieweit eine historische Bearbeitung, Komprimierung und ggf. Veränderung des historischen Stoffs vorliegt. Hierdurch läßt sich das Setting definieren, das für die Konstruktion einer gelingenden und glaubhaften Rede die wichtigste Orientierung darstellt; bisherige wissenschaftliche Erörterungen des Themas lassen zudem einen fundierten Einordnung der Ergebnisse in die bestehende Forschung zu. Das Ergebnis soll nicht nur eine Überprüfung bisheriger Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der rhetorischen Stilistik beinhalten und diese um diskursive und modernere Elemente der persuasiven Rhetorik erweitern, sondern darüber hinaus deutlich machen, wie jene auch insgesamt in Kombination ihre Wirkung entfalten. Marc Antons Rede wird letztlich durch ihre empirisch belegte Wirkungskraft in der Realität sowie durch die gelingende dramatische Verknüpfung der Handlung in Shakespeares Tragödie zu einem Präzedenzfall der persuasiven Rede, die ein Auditorium mit extrem gegenteiliger Meinung umstimmen soll. Die hohe Ästhetik von Shakespeares rhetorischer Konstruktion macht die Ansprache allerdings für eine Betrachtung ebenfalls äußerst wertvoll, und dies auch aus ganz praktischen Gründen: Die Ergebnisse der Analyse sollen auch aufzeigen, inwieweit die ästhetische rhetorische Methodik Shakespeares noch für heutige, reale politische Reden relevant und vorbildhaft ist.

3.4.2.1 Makroebene: Diskurs und Setting Im Gegensatz zu Schiller, der historische Begebenheiten und Figuren eher als Richtwert oder Basis-Idee für seine dramatischen Adaptionen betrachtete,283 hält sich Shakespeare für Julius Caesar bemerkenswert genau an die historischen Abläufe und Zusammenhänge; sowohl die Konstellationen der Protagonisten und Antagonisten sowie deren (politische) Motivationen als auch die dramatischen Wendungen und die (politischen) Katastrophen und Siege fügt Shakes283 Das Stück Don Carlos mit einem Helden wie dem Marquis von Posa ist nur eins von vielen Beispielen; ein weiteres wäre Schillers Johanna von Orleans, in dem die Protagonistin nicht auf dem Scheiterhaufen stirbt – sondern auf dem Schlachtfeld.

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peare in korrekter Abfolge zusammen. Die einzigen wirklich offensichtlichen Veränderungen, die er vornimmt, lassen sich an der dramatischen »Verdichtung« des Stoffes beobachten, die aus der historischen Begebenheit eine dramatische Dichtung machen: Was bei Shakespeare inhaltlich innerhalb (mehr oder weniger) eines Tages geschieht (Einheit der Zeit!), dauerte in der Realität teils mehrere Tage, teils mehrere Monate bis Jahre. So beginnt sein Plot nach einem kurzen Vorlauf mit der Begegnung Caesars mit dem Seher Spurinna284 (Shakespeare 1966: 8 f.; JC I,2), der Caesar vor den Iden des März warnt, also dem 15. März. In der Caesar-Biographie Plutarchs geschieht dies in unbestimmter, aber sicherlich längerer Zeit davor (Plutarch 1994: 333; vitae: Caesar 63.), bei Shakespeare ist es der Tag vor den Iden. Für die Ermordung Caesars wertet Shakespeare die unmittelbaren politischen Umstände zudem dramaturgisch auf: Während die meisten antiken Quellen eher nicht über eine besondere Sitzung des Senats berichten (cf. Meier 2004: 576), soll Caesar in der Adaption Shakespeares an jenem Tag im Senat die Königswürde verliehen werden. Nicht nur im historischen Zusammenhang,285 sondern auch für den dramatischen Spannungsboden ist diese Maßnahme für ein Schauspiel aber sinnvoll, und letztlich geht diese dramatische Verdichtung doch auf antike »Mutmaßungen« zurück: »So verbreitete man denn auch, in der Senatssitzung vom 15. März solle der Antrag eingebracht werden, ihn [Caesar, J.K.] auf Grund einer sibyllinischen Weissagung zum König für die Provinzen zu ernennen« (ibid.: 566, cf. Gelzer 1983: 299). Der Ermordung Caesars schließt Shakespeare unmittelbar die Reden Brutus’ und Marc Antons an; sämtliche dieser Ereignisse finden »before the Capitol«, im »Senate« oder auf dem »Forum« statt (Shakespeare 1966: 62 f. und 78; JC III,1 und III,2). Tatsächlich liegen die Begebenheiten zeitlich von einander getrennt und ereigneten sich zudem an unterschiedlichen Orten. Bei Shakespeare geschehen die Dinge nicht nur direkt im Anschluß aneinander, sondern sind im 284 Bei Shakespeare: »A Soothsayer«. 285 Bereits während des Lupercalien-Festes, also einen Monat vor seiner Ermordung, wurde Caesar laut Plutarch das Königsdiadem von Marc Anton dreimal angeboten, was Caesar aber jedesmal ablehnte (Plutarch 1994: 327 f.; vitae: Caesar 61.). Ob er die Königswürde dennoch erlangen wollte, ist bis heute ungeklärt. Meier stellt heraus, daß Caesar die königsgleichen Huldigungen, die ihm angetragen wurden, durchaus gefallen haben (Meier 2004: 566 f.); nur die rechtliche Situation – einem Rex drohte das Todesurteil – konnte ihn tatsächlich daran hindern, den letzten Schritt noch zu gehen: »Ob er den Titel wollte, kann nicht mehr festgestellt werden. Die Wahrscheinlichkeit spricht eher dagegen« (ibid.: 564). Diese Erkenntnis war 44 vor Christi Geburt allerdings nicht allgemein anerkannt, und das auch gerade nicht von Caesars Gegnern: »Endlich schien es klar, daß Caesar seine Macht nur immer weiter ausbauen wollte bis zur Tyrannis [i.e. Königtum, J.K.]« (ibid.: 568). Immerhin, auch dies muß erwähnt werden, lehnte Caesar zwar das Diadem ab, trug aber während des Lupercalien-Festes die »Tracht der altrömischen Könige mit dem goldenen Kranz« (Gelzer 1983: 311).

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Kontext des Stücks auch eindeutig räumlich verbunden (»Capitol« und »Senate« erscheinen äquivalent und befinden sich offenkundig auf dem »Forum«). Dieser Ablauf deckt sich nicht 1:1 mit den historischen Geschehnissen: Die Sitzung des Senats, während welcher Caesar ermordet wurde, fand am 15. März statt, allerdings nicht auf dem Forum (Romanum) in der Curie, also dem späteren Versammlungsgebäude (»Kapitol«) des Senats,286 sondern in einem »Prachtgebäude« (Plutarch 1994: 339; vitae: Caesar 66.), das dem Theater des Pompejus auf dem Marsfeld angeschlossen war. Tatsächlich zogen »Brutus und seine Freunde« (Plutarch 1980a: 81; vitae: Brutus 18.) im Anschluß zum Kapitol (hiermit ist bei Plutarch der römische Berg gemeint), und in der Biographie des Brutus schreibt Plutarch auch, daß jener, noch »mit Blut besudelt«, eine »dem Geschehen angepaßte Rede« hielt (ibid.), die vom Volk wohlwollend aufgenommen wurde. In seiner Caesar-Biographie berichtet Plutarch dagegen nur davon, daß die Verschwörer das Volk am Tag des Attentats »zur Freiheit« aufriefen (Plutarch 1994: 343; vitae: Caesar 67.). Die eigentliche Rede hielt Brutus hier aber erst »am folgenden Tag« auf dem Forum (ibid.); dies entspricht auch der Darstellung Appians (Appian 1972: 471 und 479; Rom. II,131. und II,137.). Während Shakespeare nun auch die Rede des Antonius unmittelbar anschließen läßt, ergibt sich aus einigen wenigen antiken Quellen direkt,287 aus vielen anderen aber in jedem Fall indirekt,288 daß die Rede erst einige Zeit nach der Ermordung Caesar nämlich zu seinem Begräbnis gehalten wurde; Kennedy errechnete ein ungefähres Datum: We do not know the exact date of Caesar’s funeral. Preparations had to be made and several days certainly passed: a likely date is the 20th or 21st of March, but even so the funeral might be regarded as falling […]›the other days which followed‹ (Kennedy 1968: 100).

Der Ort stimmt nun mit dem bei Shakespeare skizzierten wiederum überein, und auch die »illustrativen Handlungen«, die Antonius zu der Rede bei Shakespeare vornimmt, können so oder ähnlich in den antiken Quellen wiedergefunden werden: In der Tat hielt Antonius seine Rede auf dem Forum, genauer : 286 Jenes befand sich 44 v. Chr. noch im Bau und wurde erst durch Augustus vollendet (cf. Zanker 1972: 40). 287 Besonders hervorzuheben sind hier die Erwähnungen sowohl in der ersten als auch in der zweiten philippischen Rede Ciceros, nach denen Begräbnisfeier und Rede etwa nach drei bis sechs Tagen nach dem Attentat stattfanden; hier ist zum einen von »ein, zwei, drei und anderen Tagen« die Rede, die bis zur Trauerfeier vergingen (1993: 41; Phil. I,32), sowie von »diesem«, »am darauffolgenden« und »am übernächstem Tage« (ibid.: 139 f.; Phil. I,32 und II,89 – 92), bis Anton die Rede hielt. 288 Cf. Dio (2007: 35 f.; hist. Rom. 44,35), Appian (1972: 493; Rom. II,144.), Sueton (1997: 132 ff.; Iul. 84.) und Plutarch (1980a: 82 f.; vitae: Brutus 19.f. sowie 1980b: 314.f.; Antonius 14. sowie 1994: 345; Caesar 68.).

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dem Forum Romanum,289 und auch die Leiche Caesars präsentierte er dem Volk (Shakespeare 1966: 79; JC III,2 sowie Zeile 150 – 153, s. Anhang)290 : Plutarch berichtet darüber, daß der Tote über das Forum getragen wurde, »das Volk den von Wunden zerfetzten Körper sah« (Plutarch 1994: 345; vitae: Caesar 68.) und Antonius schließlich »Caesars blutdurchtränkte Kleider« nahm (Plutarch 1980a: 83; vitae: Brutus 20.). Er »faltete sie auseinander und zeigte die Durchstiche und die Menge der Wunden« (ibid.); »am Ende seiner Rede schüttelte er die blutgetränkten, von den Dolchen zerschlitzten Kleider des Ermordeten auseinander« (Plutarch 1980b: 314; vitae: Antonius 14.). Auch Sueton berichtet über das Gewand Caesars während der Leichenfeier (Suetonius 1997: 133 f.; Iul. 84.), ebenso Appian (1972: 493; Rom. II,144.) und Dio (2007: 36; hist. Rom. 44,35). Appian beschreibt eindrucksvoll: Antonius »enthüllte Caesars Körper, hob seine Robe mit einem Speer empor und schwenkte sie in der Höhe, durchlöchert von Dolchstößen und rot von dem Blut des Dictators« (Appian 1972: 497; Rom. II,146. Eigene Übers., J.K.).291 Wie bei Shakespeare (1966: 72 ff.; III,1), so reichte Antonius auch in der Realität den Verschwörern zu einer (vorgetäuschten) Versöhnung die Hand (Plutarch 1980b: 314; vitae: Antonius 14. und Plutarch 1980a: 81 f.; vitae:

289 Die Stelle, an der Caesars Leichnam auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurde und vor der Marc Anton seine Leichenrede hielt, blieb im Gedächtnis der Römer. Hier wurde wenige Jahre später der Tempel für den vergöttlichten Caesar gebaut; die besondere Verehrung der historischen Ereignisse der Leichenfeier und auch der Rede des Antonius findet sich indes sogar in der Bauweise des Tempels wieder : »In der Mitte der Rednerbühne hatte man eine große, halbkreisförmige Nische ausgespart, in der Reste eines Rundaltars erhalten sind […] Dieser Altar erinnerte an den Verbrennungsplatz Caesars. Nach der Ermordung des Dictators hatte das aufs äusserste erregte Volk den Leichnam auf einem in Eile aus dem Mobiliar der umliegenden Gebäude aufgerichteten Scheiterhaufen vor der Regia vebrannt« (Zanker 1972: 13). Der Tempel befand sich 36 v. Chr. noch im Bau, der Altar kann aber für diese Zeit, also gerade einmal acht Jahre nach dem Attentat, bereits nachgewiesen werden (ibid.). Vom Tempel ist heute nur noch der Unterbau erhalten, allerdings ist die Nische noch immer sichtbar : »Die Überreste, die man heute noch in der Mitte der Nische des Sockels sehen kann, sind laut neuesten Studien mit dem Altar des Julius Caesar identisch« (Dal Maso 1995: 27). Damit existiert bis in die heutige Zeit nicht nur die Stelle, an der Caesars sterbliche Überreste eingeäschert wurden, sondern auch der genaue Ort, an dem Marc Anton einst seine Rede hielt. 290 Die Zeilenangaben in den Analyseabschnitten über die Rede Marc Antons beziehen sich, sofern nicht anders erwähnt, auf den Text der Rede aus Shakespeares The Tragedy of Julius Cæsar, wie sie im Anhang abgedruckt ist. Die Akt- und Szenenangaben dieser Analyse beziehen sich ebenfalls stets auf das Stück; die bibliographischen Angaben verweisen auf die jeweilige Ausgabe. 291 Appian berichtet darüber hinaus sogar noch von einer wächsernen Puppe, die Caesars Gesichtszüge trug, mit künstlichen Wunden präpariert worden war und über der Menschenmenge geschwenkt wurde, um die Stimmung noch mehr aufzuheizen (Appian 1972: 499; Rom. II, 147.).

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Brutus 19.).292 Brutus wiederum genehmigte zwar die öffentliche Leichenfeier für Caesar und die feierliche Rede durch Antonius (Plutarch 1980a: 82; vitae: Brutus 20.), allerdings war es aber auch undenkbar, daß »ein Mann von Caesars Verdiensten ohne ›laudatio‹ bleiben konnte« (Drumann 1964: 417); dies wird sich bei der Skizzierung des Settings noch genauer belegen lassen. Die communis opinio zwischen Caesars Tod, der Rede des Brutus und der Marc Antons bewerten die antiken Historiker unterschiedlich. Plutarch berichtet in seiner Brutus-Biographie von der Reaktion des Volkes, das auf dessen Rede »Beifall zollte« (Plutarch 1980a: 81; vitae: Brutus 18.); in seiner CaesarBiographie äußert er sich noch vorsichtiger : »Die Menge hörte ihn [Brutus, J.K.] an, ohne daß eine Äußerung des Unwillens laut geworden wäre; aber auch zum Lob des Geschehenen erhob sich keine Stimme« (Plutarch 1994: 343; vitae: Caesar 67.). Anders dagegen wird die Stimmung nach Caesars Tod bei Dio beschrieben: »Es kam zu keiner Gewalttat, […] vielmehr freute sich die Mehrzahl, von Caesars Herrschaft befreit zu sein […]« (Dio 2007: 36; hist. Rom. 44,35). Insbesondere Appian berichtet über einen ganz eindeutigen Zuspruch der Römer für die Tat der Verschwörer, nachdem Brutus seine Rede gehalten hat: »Er [Brutus, J.K.] und seine Verbündeten wurden als furchtlose Männer und insbesondere als Freunde des Volks bewundert« (Appian 1972: 489; Rom. II,142. Eigene Übers., J.K.). Es erscheint angesichts der Ereignisse und mit Kenntnis der antiken Quellen realistisch, daß die Situation angespannt war und sich das Volk nach der Ermordung Caesars zunächst für die Verschwörer aussprach; dies belegt auch eine weitere Äußerung Plutarchs, der die öffentliche Meinung und Stimmung des Volks »unbeständig« nennt und als »in ihren Neigungen schnellem Wechsel« unterworfen beschreibt (Plutarch 1980a: 84; vitae: Brutus 21.). Shakespeare empfindet die Stimmung also vermutlich authentisch nach, auch wenn er die stark gegenläufigen Emotionen dramaturgisch überspitzt. In jedem Fall kreiert er für einen Redner, der überzeugen will, ein worst-case scenario, denn Marc Anton muß das Volk, das eben noch den Tod des Tyrannen und die Heldentat der Befreier feierte, vom genauen Gegenteil überzeugen, und gerade deshalb sind sowohl die von Shakespeare kreierte Redesituation als auch die Rede selbst ein hervorragendes Beispiel für alle Reden, die ein ebensolchen telos zu meistern haben. Daß Shakespeare dabei die zeitlichen Abstände zwar schürzt, sich aber dennoch präzise an die historischen Fakten hielt, wird auch an anderen Beispielen seines Stücks deutlich: Brutus und andere Verschwörer fliehen, wie in der Adaption Shakespeares, nach der Aufhebung der Amnestie; Octavian kehrt 292 Dies Verhalten paßt zu Antonius, denn seine politische Karriere wäre »nicht möglich gewesen ohne eine wirksame Propaganda, die der Triumvir, ebenso wie seine Gegner, in zielbewußter Weise eingesetzt hat« (Bengtson 1977: 286).

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nach Rom zurück. Bei Shakespeare geschieht auch dies jeweils direkt im Anschluß, in der Realität lagen zwischen den Ereignissen freilich einige Wochen: Obwohl Octavians Mutter »sofort nach der Bluttat« einen Brief an ihren Sohn schreibt (Alföldi 1976: 25), in dem sie ihn über das Attentat aufklärt und zur Rückkehr nach Rom auffordert, vergeht natürlich einige Zeit, bis Octavian bei ihr eintrifft. Anhand der Briefe Ciceros läßt sich der Zeitpunkt einigermaßen genau bestimmen: Am 19. April 44 v. Chr. schreibt Cicero an Atticus, Octavius sei einen Tag zuvor in Neapel eingetroffen (Cicero 1976: 929; Att. XIV,10), in einem weiteren Brief, nur drei Tage später, berichtet er bereits: »Octavius verkehrt hier freundschaftlich und höchst ehrerbietig mit mir […]« (ibid.: 933; XIV,12). Es ist also davon auszugehen, daß Octavian etwa am 20. oder 21. April Rom erreichte. Auch für diese Beispiele gilt also: Shakespeare komprimiert, aber keinesfalls stellt er die Ereignisse verfälschend oder gar als rein fiktiven Plot dar. Dies muß letztlich auch für die Schlacht bei Philippi gelten, in der Brutus und Cassius am Ende des Dramas durch Octavius und Antonius geschlagen werden und schließlich Selbstmord begehen. Obwohl jene Schlacht erst zwei Jahre nach der Ermordung Caesars stattfand, nämlich im Jahr 42 vor Christus (cf. Nack / Wägner 1976: 140), spannte sich auch in der historischen Realität ein direkter, logischer politischer Bogen von der Ermordung Caesars bis zu diesem Ereignis. Shakespeare stellt durch die zeitliche Verdichtung der Handlung, durch die Komprimierung der Ereignisse auf einen kurzen Zeitraum und, in bezug auf die Ermordung Caesars, die Zusammenlegung auf bzw. um das Forum eine Einheit für Zeit und Raum her und eint die Handlung somit dramatisch. Er hält sich dabei durchaus an die historischen Fakten und hebt, interpretatorisch, die wichtigsten historischen Ereignisse hervor und verbindet sie zu einer »dramaturgischen Syntax«. Dies ist für eine literarisch-dramatische Bearbeitung nicht nur legitim, sondern aus dramenästhetischer Perspektive notwendig und läßt zudem, wie sich herausstellt, auch eine interpretative »Verdichtung« zu. Es ergeben sich hieraus drei signifikante Schlußfolgerungen: Erstens hält sich Shakespeare an die neuralgischen Wendungen der historischen Vorlage und stellt die Beziehungen der einzelnen Protagonisten zueinander sowie die politischen Ergebnisse der Ereignisse präzise dar. Zweitens kann er durch die zeitliche und örtliche Verdichtung die relevanten Ereignisse für den Betrachter zu einer viel deutlicheren Syntax verbinden und dadurch einzelne politische und motivische Aspekte interpretativ hervorheben. Drittens schafft er dadurch eine äquivalente Nachbildung der Ereignisse, die damit ein äquivalentes Setting der dramatischen Rede ergeben und somit schließlich eine sehr präzise rhetorische Konstruktion fordern, die wiederum eine Analyse mittels einer diskurs-rhetorischen Methodik möglich machen.

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Darüber hinaus leistet Shakespeare eine beachtenswerte literarische Ästhetisierung, indem er unterschiedliche Quellen miteinander für seine Bearbeitung verknüpft oder sogar direkt zitiert. Dies läßt sich an zwei verschiedenen Beispielen beobachten und bezeugt sowohl eine beeindruckende literarische als auch journalistisch-historische Leistung, mit der Shakespeare sein Drama komponierte. Das erste Beispiel läßt sich an den tradierten historischen Dialogen beobachten, die Shakespeare in seine dramatische Fassung aufnimmt, wie z. B. in der Szene, in der Caesar kurz vor dem Attentat, vor dem »Kapitol« wieder auf den Seher trifft (v.s.) und ihm sagt: »The ides of March are come« (Shakespeare 1966: 62; JC III,1). Hierauf antwortet der Soothsayer : »Ay, Cæsar, but not gone« (ibid.). An dieser Stelle zitiert Shakespeare wörtlich aus der Caesar-Biographie Plutarchs, der nämlich schreibt: »Der Tag kam heran, und Caesar grüßte auf dem Weg zum Senat den Seher mit den spöttischen Worten: ›Die Iden des März sind da.‹ Jener erwiderte leise: ›Ja, sie sind da, aber nicht vorüber.‹« (Plutarch 1994: 333; vitae: Caesar 63.). Auch die populären letzten Worte Caesars, »Et tu, Brute? – Then fall Cæsar!« (Shakespeare 1966: 67; JC III,1), sind in (ähnlicher Form) in einer antiken Quellen zu finden; Sueton berichtet: »Andererseits haben ein paar Autoren überliefert, er [Caesar, J.K.] habe, als Marcus Brutus auf ihn einstach, auf griechisch gesagt: ›Auch du, mein Sohn?‹« (Suetonius 1997: 131; Iul. 82.)293 293 (Alt-)Philologisch interessant ist die Tatsache, daß Caesar in Suetons Bericht zu Brutus auf altgriechisch spricht – »ja_ s} t]jmom« (Suetonius 1997: 130; Iul. 82.) –, während Shakespeare seinen Caesar an dieser Stelle seines Dramas auf Latein reden läßt. Der bei Sueton notierte Hinweis scheint indes die einzige antike Quelle zu sein, die Caesars Ausspruch erwähnt. Daß Caesar aufgibt, als er Brutus unter den Attentätern bemerkt – »Then fall Cæsar!« –, wird ansonsten nur in der Caesar-Biographie Plutarchs deutlich: »Aber als er Brutus mit gezogenem Schwert unter den Gegnern erblickte, zog er die Toga übers Haupt und leistete keinen Widerstand mehr« (Plutarch 1994: 341; vitae: Caesar 66.). Neben dem Abschnitt bei Sueton boten sich Shakespeare u. U. weitere zeitgenössische Quellen, wie Malone (1821: 78 f.) diskutiert; heutige Erwähnungen beziehen sich dabei auf diese Abhandlung. Danach scheint es wahrscheinlich, daß der Ausspruch Et tu, Brute? zur Zeit Shakespeares bereits ein geflügeltes Wort und beliebtes Zitat der kontemporären Dichtung war ; es findet sich neben einigen weiteren, auch abgewandelten Formen, z. B. in dem Drama The True Tragedie of Richarde, Duke of Yorke, gedruckt im Jahr 1600: »Et tu Brute, wilt thou stab Cæsar too?« (Farmer 1913: G3. Cave: Das Stück ist nicht zu verwechseln mit dem Drama The True Tragedie of Richard the third aus dem Jahr 1594, hier findet sich das Zitat nicht wieder ; cf. Greg 1929). Obwohl Shakespeare das Stück offenbar für seine eigene Heinrich-Adaption nutzte, übernimmt er den Ausspruch in King Henry VI. nicht; gleichwohl kann ihn die Stelle selbstverständlich für Julius Caesar inspiriert haben. Daß das Zitat auch in dem lateinischen Stück Caesar interfectus von Richard Edes aus dem Jahr 1582 erscheint, muß dagegen bereits zu Malones Zeit Spekulation gewesen sein: Es war auch damals schon nur der Epilog des Dramas erhalten, der bis heute in einer Sammlung aus dem Jahre 1740 zu finden ist (Eedes 1740: 14 f.; cf. Peck 1740), und in jedem Fall ist das Zitat nicht Bestandteil jenes Epilogs. Auch wenn Shakespeare der Ausspruch Et tu, Brute? aus anderen zeitgenössischen Werken bekannt gewesen sein mag, läßt sich wohl keineswegs mit

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Das zweite Beispiel wird durch die kompositorische Verknüpfung verschiedener historischer Überlieferungen deutlich, also durch zwei unterschiedliche Erzählstränge, die Shakespeare überaus geschickt zu einem zusammenfügt. Insbesondere läßt sich dies an der Szene beobachten, in der Caesar mit Calpurnia diskutiert, ob er zur Senatssitzung gehen soll; seine Frau hat ihm zuvor berichtet, daß sie einen bösen, vorahnungsvollen Traum gehabt habe und fleht ihn nun an, daheim zu bleiben (Shakespeare 1966: 51 – 54; JC II,2). Schließlich willigt Caesar zunächst ein: »Mark Antony shall say I am not well, / And for thy humour I will stay at home« (ibid.: 54; JC II,2). Die historischen Vorgänge am Morgen des 15. März faßt Meier so zusammen: »Caesar kam verspätet, da er sich nicht wohl gefühlt hatte. Erst hatte er sein Erscheinen absagen wollen, war dann aber von einem der Verschwörer überredet worden, zu kommen« (Meier 2004: 576). Sueton berichtet in seiner Caesar-Biographie: Und seine Gattin Calpurnia träumte, der Giebel ihres Hauses stürzte ein und ihr Gatte werde in ihrem Schoß erstochen […] Deswegen und auch wegen seiner angegriffenen Gesundheit war er lange unschlüssig, ob er nicht lieber zu Hause bleiben […] solle […] (Suetonius 1997: 129; Iul. 81.).

Bei Plutarch findet sich dieselbe Szene etwas abgewandelt beschrieben: Als es Tag geworden, flehte sie [Calpurnia, J.K.] Caesar an, zu Hause zu bleiben […] Und wenn er ihren Träumen keine Bedeutung zumesse, so solle er doch durch ein anderes Zeichen […] sich Rat holen über die Zukunft. […] Als ihm dann auch die Seher […] verkündeten, daß sie nur Zeichen von unglücklicher Vorbedeutung beobachtet hätten, entschloß er sich, die Sitzung durch Antonius absagen zu lassen (Plutarch 1994: 335; vitae: Caesar 63.).

Aus diesen historischen Versatzstücken komponiert Shakespeare nun die Szene: Die angeschlagene Gesundheit wird bei ihm zu einem nur scheinbar wahrheitsgemäßen Grund, der Senatssitzung zu entgehen, weil Caesar Calpurnias Träumen Glauben schenkt. So kann Shakespeare die beiden topoi Gesundheit und Vorahnung nicht nur miteinander verbinden, sondern er verknüpft sie auch erzählerisch zu einem sich inhaltlichen aus einander ergebenden Plot, der sich einerseits an den historischen Fakten orientiert, andererseits aber eine elegante literarische Bearbeitung aufweist. Diese Art der literarischen »Bearbeitung« von historischen Vorlagen ist somit nun auch für die Rede des Marc Anton zu vermuten. Hierzu ist jedoch zunächst Sicherheit ausschließen, daß ihm der Abschnitt bei Sueton bekannt war, und immerhin läge es nahe, daß das geflügelte Wort seiner Zeit ohnehin aus der antiken Quelle abgeleitet wurde; daß Shakespeare Caesars letzte Worte dabei aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt, ist dabei eigentlich fast eine logische Konsequenz: Während Suetons Abhandlung auf latein und nur dieser Satz auf griechisch ist, schreibt Shakespeare sein Stück auf englisch; die Übersetzung des Ausspruchs ins Lateinische ist also zum einen eine sprachliche Äquivalenz, und zum anderen erscheint sie für den Ort der Handlung natürlich passend.

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zu klären, ob Marc Anton in der historischen Realität überhaupt eine Rede gehalten hat; gerade Shakespeares anscheinende Hauptquelle, die Schriften Plutarchs, geben hierüber keine stringente, konkrete Auskunft. In der CaesarBibliographie wird beispielsweise überhaupt keine Rede erwähnt, hier heißt es nur, nach der Eröffnung von Caesars Testament und der öffentlichen Präsentation seines Leichnams sei es zu Aufständen gekommen (Plutarch 1994: 345; vitae: Caesar 68.); in der Biographie des Brutus dagegen erwähnt Plutarch eine Lobrede zu Caesars Einäscherung, die Antonius »nach alter Sitte« gehalten habe (Plutarch 1980a: 83; vitae: Brutus 19.). Der gelegentlich auftauchenden Behauptung, Antonius habe keine tatsächliche Rede gehalten, sondern nur das Testament Caesar verlesen lassen – wie es z. B. Sueton beschreibt (Suetonius 1997: 135; Iul. 84.; cf. Drumann 1964: 419 f.) –, muß allerdings entschieden widersprochen werden. Dies ergibt sich zunächst einmal aus dem historischen Kontext und der gesellschaftlichen Norm jener Zeit: »Dass ein Mann von Caesars Verdiensten ohne ›laudatio‹ bleiben konnte, war ganz undenkbar« (Drumann 1964: 417). Als Redner bzw. Laudator konnte nun nur Antonius in Frage kommen, wie bereits Appian treffend zusammenfaßt: Er wurde zum Redner bestimmt »als ein Konsul für einen Konsul, als ein Freund für einen Freund, als ein Verwandter für einen Verwandten« (Appian 1972: 493; Rom. II, 143. Eigene Übers., J.K.). Das wichtigste Argument an dieser Stelle ist die verwandtschaftliche Beziehung: Die laudatio funebris wurde im allgemeinen stets durch den nächsten männlichen Verwandten gehalten (cf. Polybios 1978: 578; historiae VI,53). Dies wäre eigentlich Octavian gewesen, der allerdings erst Ende April nach Rom zurückkehrte (v.s.); als nächste und einzige Möglichkeit blieb also Marc Anton, der über Caesars Mutter mit ihm vervettert war (cf. Gelzer 1983: 310 f.). Die frühesten und authentischsten Berichte über die Rede sind nun zweifelsfrei bei Cicero zu finden, der Caesars Leichenfeier bereits am 19. April, also nur wenige Wochen danach, in einem Brief an Titus Pomponius Atticus erwähnt; allerdings ohne den Namen des Laudators zu nennen: »Er [Caesar] wurde gar auf dem Forum verbrannt, sein Tod in preisenden Reden beklagt, Sklaven und elendes Gesindel mit Feuerbränden auf unsere Behausungen losgelassen« (Cicero 1976: 927; Att. XIV 10,1). Daß es sich bei dem »preisenden« Redner um Antonius handeln muß, geht indes insbesondere aus Ciceros zweiter Philippischen Rede hervor, die er etwa ein halbes Jahr nach dem Attentat schrieb. Hier gibt es zwei Referenzen, wovon die zweite eindeutig und präzise ausweist, daß Antonius die Leichenrede hielt und die Ereignisse – bzw. die Reaktionen des Auditoriums – exakt mit den bei Shakespeare beschriebenen übereinstimmen: Du hast damals, als du in bestem Ruf standest […], auf die wüsteste Weise das Begräbnis des Tyrannen […] in Szene gesetzt. Von dir stammte die herrliche Grabrede,

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von dir die Totenklage, von dir der Ausruf; du, ja du hast die Fackeln angezündet: die von denen sein Leichnam angezündet wurde, und die, mit denen man das Haus des L. Ballienus in Brand gesteckt und eingeäschert hat. Und du hast die Horden verworfener Menschen, größtenteils Sklaven – wir mußten uns ihrer mit handgreiflicher Gewalt erwehren –, auf unsere Häuser losgelassen (Cicero 1993: 141; Phil. II,91).294

Der genaue Wortlaut der Rede ist nicht erhalten, aber es gibt tatsächlich zwei antike Quellen, die die Rede in Gänze aufzeichnen; allerdings muß angenommen werden, daß es sich hier um Rekonstruktionen handelt, die nach den historischen Ereignissen und Überlieferungen angefertigt wurden. Zum einen findet sich die eine so rekonstruierte Rede bei Appian (Appian 1972: 493-493-499; Rom. II,144 – 147), zum anderen, äußerst ausführlich (und sicherlich länger als das Original), bei Cassius Dio (2007: 36 – 51; hist. Rom. 44,36 – 49); einen ausführlichen Vergleich bieten z. B. Lyons / Montgomery (1968) und Kennedy (1968). Aus den Versionen Appians und Dios, aber auch aus der kurzen Beschreibung Ciceros geht eine zumindest grobe Definition der inhaltlichen Elemente der Rede hervor. Bei Antonius’ Ansprache handelte es sich offenbar nicht um das idealtypische Genus der laudatio funebris – hierzu fehlten die obligatorischen und eher statischen Elemente, wie sie Vollmer (1892) beschreibt –, dafür aber um eine politisch motivierte Ansprache mit Elementen der »Leichenrede« bzw. des genus demonstrativum im allgemeinen: Marc Anton lobte Caesar, hieraus ergibt sich die laudatio, er betrauerte ihn, dies bedeutet eine miseratio, und schließlich kann er beim Auditorium den Aufstand gegen die Verschwörer evozieren; dies entspricht einer cohortatio (Kennedy 1968: 101).295 Kennedy nimmt in seiner Abhandlung über die Funeral Speech Marc Antons eine überaus gelungene Zusammenfassung der mutmaßlich realen Ansprache vor: At Caesar’s funeral, after a procession of the usual sort, Antony delivered a rather unusual oration. First, he either read or had a herald read decrees of the senate granting honors to Caesar, and he commented briefly after each. Then oaths of the senators to 294 Insbesondere die Passage, in der Cicero »größtenteils Sklaven« für den Aufstand nach der Rede verantwortlich macht, ist mit Sicherheit vorsichtig zu bewerten und mag insofern überspitzt sein, weil Cicero das protestierende und Caesar postum bejubelnde Volk damit diskreditieren konnte, wie er es auch schon in seinem Brief an Atticus tat (v.s.). Auch Kennedy räumt ein, daß die zweite Philippische Rede zu einem Zeitpunkt geschrieben wurde, als sich die Fronten zwischen Cicero und Antonius verhärtet hatten (Kennedy 1968: 100) und eine rein objektive Stellungnahme Ciceros dadurch nicht mehr zu erwarten ist. 295 Müller unterteilt die Rede in laudatio und deliberatio; statt der cohortio nennt er die accusatio als »Anklage gegen die Mörder Cäsars« (Müller 1979: 127). Auch diese Einteilung erscheint akzeptabel; allerdings könnte man eine reine Anklage auch unter dem Aspekt des Tadels als erwartbarer Bestandteil der laudatio subsumieren, während der von Kennedy gewählte Begriff cohortio die eigentliche und für eine laudatio ungewöhnliche Absicht Marc Antons, nämlich den zu evozierenden Aufstand gegen die Verschwörer, mit einbezieht.

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defend Caesar were likewise read. […] When Antony saw that he had the crowd’s sympathy, he continued with a miseratio for Caesar. This included references to Caesar’s favors to those who killed him and these men were quite probably named. The speech became increasingly dramatic […] and Antony showed the tunic which Caesar was wearing when he died […] The last portion is what Cicero called the cohortio and its effect was to incite a riot (Kennedy 1968: 106).

Die meisten Autoren nehmen an, daß Shakespeare vor allem die Biographien von Plutarch nutzte (v.s.), »and in the case of this speech possibly also Appian’s Civil Wars […]« (Kennedy 1968: 99). Aus den bisherigen Beobachtungen dieses Kapitels muß allerdings angenommen werden, daß Kennedys Bibliographie mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest um die Caesar-Biographie Suetons (1997; Iul.) und gegebenenfalls auch um die Schilderungen in Dios Römischer Geschichte (2007; hist. Rom.) erweitert werden muß.296 Darüber hinaus erscheint auch die zweite Philippische Rede Ciceros (1993; Phil. II) als weitere Quelle für Shakespeare durchaus wahrscheinlich, und das nicht nur wegen der bereits erwähnten präzisen Zusammenfassung der Rede Marc Antons, die Cicero darin vornimmt (1993: 139 – 141; Phil. II,90 f.; v.s.). Einige Passagen zuvor macht er nämlich eine ganz erstaunliche Bemerkung über Antonius, die zur Schlußfolgerung führen muß, daß die bisherigen Vorstellungen über die Vorlagen der Rede bei Shakespeare noch einmal neu erörtert werden sollten: Doch beachtet die Dummheit dieses Menschen oder richtiger dieses Schafskopfs [gemeint ist Antonius, J.K.]. – Er sagte ja: ›Brutus, den ich hier nenne, um ihm Ehre zu erweisen, hob den blutigen Dolch in die Höhe und rief nach Cicero; hieraus muß man schließen, daß er Mitwisser war.‹ Also gelte ich dir als Verbrecher, weil du argwöhnst, ich hätte etwas geargwöhnt; doch den Mann, der den vom Blute tropfenden Dolch vor sich hertrug, den nennst du, um ihm Ehre zu erweisen? […] Wenn sie [Brutus und die anderen Verschwörer, J.K.] Meuchelmörder sind, warum hast du sie stets in Ehren genannt, sowohl in dieser Versammlung als auch vor dem römischen Volke? (Cicero 1993: 79 – 81; Phil. II,30 f.).

Es ist deutlich zu erkennen, daß diese Passage aus Ciceros zweiter Philippischer Rede eine Formulierung Antonius’ erwähnt, die eine frappierende Ähnlichkeit zur »Leitsentenz« aus der Rede bei Shakespeare aufweist: »And Brutus is an honourable man« (Zeile 16, s. Anhang). Kennedy beurteilt: »The funeral was not quite as Shakespeare pictures it, but it was at least as exciting« (Kennedy 1968: 106). Selbst wenn die Qualität der Rede in der dramatischen Adaption sicherlich vor allem Shakespeares »rhetorical genius« geschuldet ist (ibid.: 99), so muß mit 296 Lyons und Montgomery sind der Ansicht, daß Shakespeare ausschließlich die Biographien Plutarchs genutzt hat; für alle weiteren Quellen ist es »practically certain«, daß er sie nicht kannte (Lyons / Montgomery 1968: 37). Dies kann letztlich nur eine erneute historische Aufarbeitung klären; die hier vorgetragenen Beobachtungen und Vergleiche legen aber nahe, daß Shakespeare doch Kenntnis anderer Quellen gehabt hat.

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Kenntnis der Passage in Ciceros Philippischer Rede konstatiert werden: Vielleicht waren sich die historische Rede Marc Antons und die in der Bearbeitung Shakespeares ähnlicher, als bisher angenommen wurde – und dies gerade auch inhaltlich und im Detail.297 Julius Caesar ist nicht nur aus heutiger Perspektive ein bemerkenswertes Stück; auch für Shakespeare selbst bedeutete es einen Wendepunkt in seiner Karriere (cf. Yoder 1973: 309): Es ist das Bindeglied zwischen den bereits vollendeten Historiendramen und den großen Tragödien Hamlet, Othello und Macbeth (ibid.); zudem entstand es in seiner höchsten Schaffenszeit der 1590er Jahre. Die Problematik der dramatischen Gegenspieler Brutus und Antonius, die kunstfertige Verknüpfung historischer Überlieferung mit moderner, Shakespearscher Dramenästhetik und die fesselnde Rhetorik des Stücks ließen das Drama oft in den Fokus philologischer Studien rücken. Dies gilt ebenso für die Rede Mark Antons, die zudem, wie auch Stroh zu Recht feststellt (cf. 3.4.2), inzwischen sprichwörtliches Allgemeingut ist – und das nicht nur im englischen Original. Auch die deutschen Übersetzungen »Mitbürger! Freunde! Römer […]« und »Brutus ist ein ehrenwerter Mann« sind in den allgemeinen »Zitatenschatz« eingegangen (Shakespeare 1963: 288); die berühmte Rede ist damit eine wirklich außergewöhnliche literarisch-dramatische Schöpfung Shakespeares: The famous Funeral Oration by Mark Antony in Shakespeare’s Julius Caesar has been the source of innumerable clich¤s, parodies, grammatical commentaries, and forensic analyses. These uses obscure the fact that it is a truly remarkable literary creation (Lyons / Montgomery 1968: 37).

Es klingt plausibel, daß Shakespeare mehr Quellen als nur die biographischen Beschreibungen Plutarchs zur Verfügung standen (v.s.), dennoch ist die rheto297 Obwohl viele der heutigen Publikationen immer noch davon ausgehen, Shakespeare habe kaum mehr Quellen als die des Plutarch zur Verfügung gehabt, ist die Erkenntnis über das beschriebene Zitat bei Cicero nicht neu; bereits im 19. Jahrhundert wies Lloyd die Passage bei Cicero nach und stellte eine Verbindung zu Shakespeares Drama her : »Thus I remark […] that the ambiguous tones in which he harps upon consideration for Brutus especially, and then his associates, as honourable men, come down from Cicero; the second Philippic […] furnishes his very words […]« (Lloyd 2005: 401). Darüber hinaus erwägt die jüngere Forschung, durchaus fundiert, daß Shakespeare Schüler der Jesuiten gewesen sei (cf. Wilson 2004: 44 – 65); in diesem Falle hätte er nicht nur eine exzellente rhetorische Ausbildung genossen (cf. ibid.: 75), sondern wäre auch in der Geschichte der griechischrömischen Antike umfassend unterrichtet worden (cf. ibid.: 58). Dies legt natürlich nahe, daß Shakespeare Kenntnis der wichtigsten römischen Biographien und Geschichtsbücher hatte und somit auch für Julius Caesar mehr als nur eine Quelle nutzte. Für zukünftige Erörterungen über die historische Person bzw. den Autor Shakespeare sollte es daher ein Anreiz sein, erwartete Bildung und mögliche Quellenkenntnisse, die sich aus der Dichtung ergeben, in die Forschung einzubeziehen.

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rische Komposition der Rede vor allem seinem genialen Geschick zu verdanken. Es verwundert daher kaum, daß die Rede Marc Antons ebenso wie das Drama selbst seit langem und oft Gegenstand der Forschung ist. Die Bibliographie ist in der Tat umfangreich, läßt sich aber mit einigen ausgewählten, exemplarischen Abhandlungen in typische Disziplinen unterteilen: Die bereits erwähnten Beiträge Lyons’ und Montgomerys (1968) sowie Kennedys (1968) vergleichen die Rede mit den historischen Vorgängen; Yoder (1973) gibt eine Einordnung des gesamten Stücks in die historischen Ereignisse, ebenso Knights in Further Explorations (1966: 33 – 52). Allgemeine literaturwissenschaftliche und sprachwissenschaftliche Erörterungen des Dramas mit einem Fokus auf rhetorische Elemente bieten Müller (1979), Müllenbrock (1992), Grzegorzewska (1994); rhetorische Analysen zu Details der Rede Marc Antons finden sich z. B. in den Arbeiten Müllers (1979), Mangans (1992), Gilberts (1997), Knapes (2000a), Strohs (2001) und Delaneys (2001); kommunikationswissenschaftlich-rhetorische Elemente der Rede beobachten Velz (1968) und Otten (1982). Auch in populärwissenschaftlichen Texten wird die Rede reflektiert: So, wie populäre Rhetoriken Jenningers Rede (cf. 3.2.1.1) gerne als »Negativ-Beispiel« anführen, ist die Ansprache Marc Antons ein beliebtes Musterbeispiel für eine gelingende, vollständig persuasive Rede; »Kürzestanalysen« finden sich z. B. bei Breitenstein (1994) und Lay (1977 und 1999). Eine signifikante Besonderheit der Antonius-Rede ergibt sich darüber hinaus aus dem Vergleich, den journalistische Arbeiten, ganz natürlich, mit realen politischen Reden wagen; herausragende Beispiele der jüngeren Vergangenheit sind beispielsweise die Texte Reich-Ranickis (in FAZ 16. 08. 1997) und Greenblatts (in New York Times 03. 10. 2004). Natürlich ergibt sich aus den genannten Analysen der Rede und ihrer Methodiken eine Problematik insbesondere dann, wenn man die Wirkung und Wirkungsmechanismen der Rede definieren will, denn entweder werden nur rhetorische Details beobachtet, oder es werden, in allgemeineren Abhandlungen, eher pauschale Urteile – meist wiederum durch wenige, einzelne Details – gefällt. Dies soll mit der in dieser Arbeit gewählten Analysemethode vermieden werden, um zwar beispielhafte, aber dennoch allgemeingültige Aussagen über die Wirkungsästhetik der Rede treffen zu können; die bisherigen Analysen können allerdings behilflich sein, um bereits erfolgte Forschung in die Schlußfolgerungen mit aufzunehmen und gegebenenfalls neu zu bewerten. Anlaß der Rede – sowohl gesellschaftlich als auch politisch – ist die Ermordung Gaius Julius Caesars. Ein Verschwörer, der ihm zum Schein einen Antrag vorbrachte, riß ihm die Toga vom Hals: Das war das verabredete Zeichen. Dann griffen sie an. […] Sie hatten abgemacht, jeder müsse einmal zustechen. Dreiundzwanzig Stiche gingen auf den Dictator nieder.

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Caesar hat sich eine Weile gewehrt, hat sich den Stößen zu entwinden gesucht. Schwerverletzt zog er sich schließlich die Toga über den Kopf. Keiner sollte ihn in seinem Blut, in seiner Ohnmacht, in seinem Sterben sehen (Meier 2004: 578).

Eine Rede Marc Antons zur Einäscherung des Leichnams Caesars muß hierauf zwangsläufig folgen; gesellschaftlich, weil eine laudatio funebris eine gesellschaftliche Notwendigkeit zum Begräbnis darstellte, und politisch, weil sich die politischen Verhältnisse auf einen Schlag änderten. Jene (republikanischen) politischen Strukturen, die die Verschwörer wiederherstellen wollten, hätten früher oder später sicherlich das Ende des Politikers Antonius bedeutet, der eine Allianz mit Caesar und Octavius eingegangen war. Wenn Marc Anton seine politische Zukunft – und das von ihm vertretende politische Modell – sichern will, muß er die Stimmung und politischen Umstände wieder zu seinen Gunsten ändern, und dies kann er durch die Rede zu Caesars Begräbnis: Zum einen ist also die Aufgabe der Rede, die Attentäter und ihre (politischen) Motive zu ächten, zum anderen die Person Caesar – und damit auch dessen Politik genau so wie die eigene – positiv zu attributieren. Nur so erreicht er, daß das Volk (wieder) auf seine Seite tritt und die Situation für die Verschwörer so instabil wird, daß sie aus der Stadt fliehen müssen, um ihr Leben zu retten – und damit die politische Vormachtstellung wieder aufgeben müssen. Die möglicherweise verschiedenen Motive Marc Antons, sich nach dem Attentat zunächst mit den Verschwörern zu versöhnen (Shakespeare 1966: 75 – 77; JC III,1; cf. Plutarch 1980a: 82; vitae: Brutus 19.f.), wären Gegenstand einer separaten Erörterung; in jedem Fall ist diese Geste aber notwendig, um von den nun mächtigen Attentätern die Erlaubnis zu erhalten, die Rede zu Caesars Bestattung halten zu dürfen und damit die Gelegenheit zu bekommen, das Volk von der eigenen politischen Mission zu überzeugen. Antonius gelingt es damit, sich Brutus und den Mitverschwörern als scheinbaren Verbündeten zu präsentieren. Marc Anton hält, zumindest bei Shakespeare (v.s.), seine Rede direkt im Anschluß an Brutus’ Ansprache. Dies verschärft zwar einerseits die Bedingungen – schließlich steht das Volk nach Brutus’ Rede auf der Seite der Verschwörer und verachtet Caesar (und damit zwangsläufig auch dessen Verbündete) –, andererseits hat er somit die Möglichkeit, direkt darauf einzugehen und Brutus’ topoi für sein telos zu nutzen und argumentativ umzukehren. Dies muß er auch tun, denn wenn er Brutus’ Rede nicht entkräften kann, wird seine Ansprache zwangsläufig scheitern. In jedem Fall muß Antonius das sensible aptum erkennen und sich exakt darauf einstellen, denn sein Publikum scheint Kritik an den Verschwörern, insbesondere an Brutus, nicht mehr zulassen zu wollen: Although Mark Antony has his audience handed to him, as it were, he has difficulty getting started. The crowd which he inherits are initially even more hostile towards him than they had earlier been towards Brutus […] (Mengan 1992: 71).

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Es ist also zu erwarten, daß Antonius zur Verwirklichung seines telos inhaltlich geschickt vorgehen muß, wenn er gegen Brutus argumentieren will. Shakespeare läßt ihn die Gefahr, in der er schwebt, jedenfalls zuvor schon genau erkennen; zu seinem Servant spricht er die eindrucksvollen Worte: »Here is a mourning Rome, a dangerous Rome […]« (Shakespeare 1966: 77; JC III,1). Antonius hat also in der Tat, wie es Lyons und Montgomery beschreiben, »a full grasp of the situation« (Lyons / Montgomery 1968: 41). Natürlich ist diese Feststellung wichtig für die Planung der »benötigten« pisteis der Rede: Es erscheint evident, daß Marc Anton dem emotional aufgeladenen Auditorium nicht nur durch eine sachlogische Argumentation, sondern auch mit einer emotional aufgeladenen Rede begegnen muß; die Schwierigkeit besteht für ihn allerdings darin, die Emotionen in die »richtige«, also gewünschte Richtung zu lenken (cf. 3.1.1). Shakespeare arrangiert ein authentisches Setting: Das Volk von Rom ist versammelt, aufgebracht. Antonius muß sich so auf dem Forum plazieren, daß er von allen gehört und gesehen wird; bei Shakespeare wird er aufgefordert, den public chair – also die Rostra – zu besteigen (Shakespeare 1966: 80; JC III,2). Auch in diesem Aspekt hält sich Shakespeare exakt an die historischen Vorgaben der antiken laudatio funebris, denn dies ist die klassische Redeposition des Laudators (cf. Abbildung 15)298 : »Locus laudationum solemnis erat Forum299, ubi mortuus ante rostra positus iacebat, dum oratio habebatur«300 (Vollmer 1892: 458). Das Volk redet lautstark durcheinander, beschimpft Caesar, und Antonius muß sich lautstark Gehör verschaffen; er muß zweimal zur Rede ansetzen, bis das Volk ihm zuhört: Shakespeare had to have Antony shout, […] because the mob could not advance far without creating pandemonium in the theater. The plebeians stop and turn to listen – but the audience remains apprehensive […] (Delaney 2001: 123 f.).

Es ist also eine logische Schlußfolgerung, daß Marc Anton vor dem aufgebrachten Volk mit lauter Stimme sprechen muß; nicht nur, um dessen Aufmerksamkeit zu erlangen, sondern um sich jene auch zu erhalten, und auch deshalb, um die Szene für das »externe« Auditorium, also in diesem Fall das Theaterpublikum, authentisch wirken zu lassen. Letztlich wird hierdurch erst gesichert, daß Antonius sowohl von dem Publikum auf der Bühne als auch von dem externen Auditorium tatsächlich angehört wird: »His first words are drowned in a babble of noise from the crowd, his address seems as if it will go 298 Abbildung 15 zeigt die Szene, wie sie Ernst Stern für die Inszenierung von Max Reinhardt im Jahr 1920 am Großen Schauspielhaus Berlin skizzierte. 299 Hervorhebung im Original nicht kursiv, sondern durch gesperrten Zeichenabstand. 300 »Die laudatio funebris fand üblicherweise auf dem Forum statt, wo der Tote vor der Rostra aufgebahrt wurde, solange die Rede gehalten wurde« (eigene Übers., J.K.).

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unheard. […] And yet, starting slowly, he begins to take apart Brutus’s speech« (Mengan 1992: 71). Auch wenn die audiovisuellen, außer- und parasprachlichen Elemente also eine wichtige Rolle spielen, sich beim Publikum Gehör zu verschaffen, so wird doch deutlich, daß dies nicht ausreichen kann, um dauerhaft und nach Möglichkeit sich eine sogar noch steigernde Aufmerksamkeit zu erlangen, denn nur so ist gewährleistet, daß die angestrebte Persuasion erreicht werden kann. Mit welchen Mitteln Antonius dies gelingt, kann in den folgenden beiden Analyseabschnitten beobachtet werden.

Abbildung 15

3.4.2.2 Mesoebene: Redetext Der Grund, warum Marc Anton nach der Ermordung Caesars auf dem Forum eine Rede hält, ist einfach zu benennen: Er hält zu Ehren des toten Dictators die »Leichenrede«, die traditionelle laudatio funebris. Dies ist die einfache Seite der Genus-Bestimmung von Antonius’ Ansprache: Situation, Kontext und Setting definieren die Rede Marc Antons als laudatio funebris und damit als Sondergattung des genus demonstrativum. Die tatsächliche Rede, die er schließlich auf dem Forum hält – sowohl die zu vermutende historische als auch die hier zu beobachtende von Shakespeare –, verfolgt allerdings einen völlig anderen Zweck, als es die klassische laudatio funebris zuläßt und definiert. Jene ist, wie

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zuvor festgestellt, eindeutig dem genus demonstrativum zuzuordnen, die den Verstorbenen ausschließlich loben und damit ehren soll. Sie folgt zudem besonderen Regeln, denn es werden zusätzlich die familiären Beziehungen und Vorfahren aufgezählt, die ebenfalls gelobt werden; eine (nicht ganz vollständige) Beschreibung dieser »Richtlinien« findet sich z. B. schon bei Polybios: Wenn nun der Redner über den, den sie zu Grabe tragen, gesprochen hat, geht er zu den anderen über […] und berichtet, mit dem Ältesten beginnend, von den Erfolgen und Taten eines jeden (Polybios 1978: 579; historiae VI,54).

Vollmer kommentiert diese biographisch-genealogischen Abschnitte der laudatio funebris, insbesondere bezüglich der Angaben bei Polybios, zusammenfassend und ergänzt: Concedendum enim erit Polybio antiquitus in fine orandi post laudes ipsius mortui maiores singulos enumeratos et laudatos esse; tamen enim in principio debuit qui laudavit exponere de gente et origine mortui (Vollmer 1892: 477).301

Cicero bestimmt darüber hinaus sehr genau die wichtigsten Elemente der »Argumentation« bzw. der typischen loci der Belobigungen: Daran wird, wer zum Lobe eines Menschen sprechen soll, erkennen, daß er zunächst auf die Glücksgüter einzugehen hat. Zu ihnen Zählen Abstammung, Geld, Verwandtschaft, Freunde, Besitz, Gesundheit, Schönheit, Kraft, Naturanlage und was es sonst an körperlichen oder äußerlichen Eigenschaften gibt (Cicero 2003: 235; de orat. II,45 f.).

Die Version der (rekonstruierten) Rede, die sich bei Cassius Dio findet, hält sich noch recht genau an die bei Polybios, Cicero und Vollmer beschriebenen Regeln (Dio 2007: 36 – 51; hist. Rom. 31 – 49); allerdings ist es unwahrscheinlich, daß die historische Rede Marc Antons dies ebenfalls tat (cf. Kennedy 1968: 99). Auch insofern, also in bezug auf eine Abkehr von der traditionellen Form der laudatio funebris zugunsten einer dem telos angemesseneren, persuasiveren Konstruktion, mag die Shakespearsche Fassung der historischen Rede ähnlicher sein, als andere, vorige Rekonstruktionen. Tatsächlich wurde die klassische Struktur der laudatio funebris in der Antike durchaus häufiger »aufgebrochen« und die Möglichkeit, dadurch ein großes Auditorium unerwartet auch politisch und persuasiv erreichen zu können, erkannt und genutzt (cf. 3.2). Daß dies eigentlich ein naheliegender, natürlicher und fast zwangsläufiger Prozeß ist, läßt sich an drei Parametern für die »politisierte« laudatio funebris, wie sie in 3.2 beschrieben ist, gut erkennen: Erstens spricht ein Politiker öffentlich über einen 301 »Tatsächlich muß Polybios zugestanden werden, daß von alters her am Ende der Rede, nach den Belobigungen auf den Toten selbst, auch seine einzelnen Vorfahren aufgezählt und gelobt wurden; allerdings mußte der Lobredner dennoch bereits zu Beginn der Rede genauestens über das Familiengeschlecht und die Abstammung des Toten berichten« (eigene Übers., J.K.).

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anderen Politiker, zweitens spricht er zu einem politisch neuralgischen Zeitpunkt, und drittens muß sich daraus für das Auditorium ein politischer rhetorischer Text ergeben; ein politischer Inhalt der Rede, als vierter Parameter, vervollständigt zwar die Genusvariante, ist aber für die Realisierung des Genus offensichtlich nicht einmal zwingend nötig. Wenn also die Politiker der Antike die laudatio funebris häufig als Politikum nutzten, dann auch deshalb, weil sie erkannt hatten, daß Kontext und Setting dies ganz einfach ohne weitere Bedingungen möglich machen. Dies mag auch für Marc Anton gegolten haben: Hier ergab sich für ihn die natürliche, optimale und sicherlich auch einmalige Gelegenheit, das Volk von seiner politischen Perspektive zu überzeugen. Dies hat auch Shakespeare erkannt und ihm daher eine passend erscheinende Rede zugeschrieben, die sich sichtbar ebenso an die Parameter der politischen laudatio funebris hält. Es erscheint darüber hinaus nicht zutreffend, der Rede Marc Antons – sowohl der historischen als auch der bei Shakespeare – das Genus der laudatio funebris gänzlich abzusprechen; es handelt sich nicht um ein absolut anderes Genus, sondern um eine Variante, die sich wohl zwar von der »Reinform« unterscheidet, aber dennoch deren wichtigste Elemente nutzt. Dies läßt sich auch bei Shakespeare nachvollziehbar beobachten: Nimmt man die Elemente laudatio und miseratio als Grundelemente der laudatio funebris,302 so finden sich diese Elemente in der gesamten Rede Marc Antons wieder. Darüber hinaus wählt Antonius – bzw. Shakespeare – für die argumentativen und narrativen Prämissen exemplarische Ereignisse aus Caesars Vita, und auch dies ist ein wesentliches Merkmal der laudatio funebris;303 nur der stringente, statische Aufbau fehlt. Das »chief problem« (Kennedy 1968: 101) bzw. der hauptsächliche Unterschied zur herkömmlichen »Leichenrede« ist letztlich auch nicht die von Kennedy erörterte cohortio (ibid.; cf. 3.4.2.1); jene ist eher das Resultat des telos. Als viel bedeutenderer Unterschied erscheint, daß laudatio, miseratio und die biographischen Elemente nicht (nur) eine Belobigung bezwecken, sondern als Prämissen einer Beweisführung dienen, die eine politische Persuasion verfolgt – und die Rede damit eindeutig das Hauptanliegen und telos des genus deliberativum erfüllt. Die hier diskutierte Sonderform ist also eine laudatio funebris, die zusätzlich aus den Möglichkeiten der deliberativen Gattung schöpft – et vice versa. Die Rede Marc Antons, die Shakespeare kreiert, erfüllt zwar die Grundbedingungen der laudatio funebris, ist aber genauso auch eine politische Rede: Durch die genannten Prozesse und Bedingungen wird sie, genau wie die in 3.2 beschriebenen 302 Wie sie z. B. Vollmer (1892: 475 – 477) und Cicero (1976: 926; Att. XIV,10), letzterer sogar für die reale Laudatio des Antonius, beschreiben. 303 Cf. Cicero (2003: 235 und 425 – 431; de orat. II,45 f. und 341 – 348) sowie Quintilian (2006a: 353 – 355; inst. III 7,10 – 18).

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laudationes, politisch »aufgeladen«. Diese Schlußfolgerung muß für alle vergleichbaren Reden des genus demonstrativum gelten, die ebenso politisch »angereichert« sind: genus demonstrativum und genus deliberativum verschmelzen zu einer »laudatio politicosa«. Dies ist letzten Endes auch kein Verstoß gegen die Trennung der Genera nach Aristoteles, sondern die natürliche und von der klassischen Rhetorik vorgesehene Kombination und Anpassung an ein Setting und ein telos, welche genau diese Untergattung erfordern. Allgemein wird festgestellt, daß sich Antonius weniger exakt bzw. trennscharf an die partes orationis hält als Brutus; dies kann im Anschluß an die Eingliederung in die Redeteile, auch im Hinblick auf eine daraus resultierende, unterschiedliche Wirkungsqualität, noch genauer diskutiert werden. In jedem Fall läßt sich Antonius’ Rede dennoch recht genau in die einzelnen partes einteilen und weist, wie sich im folgenden zeigt, eine zusätzliche rhetorische Besonderheit klassischer Redengliederung auf, die in dieser Form in den bisherigen Analysen noch nicht nachgewiesen werden konnte. Für das exordium (Zeile 1 – 13, s. Anhang) muß Antonius zweimal ansetzen (v.s.), um die Aufmerksam und das Gehör des Volks zu erlangen; schließlich erhält er sie aber doch, als er eine klar strukturierte Begrüßungsformel vornimmt: »Friends, Romans, countrymen, lend me your ears […]« (Zeile 1 f.). An sie schließt er, durchaus geschickt, den Grund der Rede an, die er nun halten will: »I come to bury Cæsar, not to praise him« (Zeile 3). Dieser Satz ist aus drei Gründen bemerkenswert: Zum einen kann er sofort jegliche potentielle Aggression gegen sich entkräften, weil er eindeutig klar macht, daß es sich um eine Begräbnisrede handelt, mit der er Caesar verabschieden will. Zum zweiten ergibt sich daraus aber – nach der Genusvorstellung seiner Zeit – eine contradictio in ipso, denn eine laudatio funebris, wie vorangehend geschildert, besteht ja gerade aus der Belobigung des Verstorbenen; wenn Antonius also ankündigt, eine Begräbnisrede zu halten, aber Caesar nicht loben zu wollen, ist dies nach antiker Meinung – und dem bei Shakespeare konstruierten Kontext – nicht möglich. Drittens und letztens wird bereits in diesem ersten Satz nach der Begrüßung deutlich (zumindest für den aufmerksamen Zuhörer): Marc Anton wird in jedem Fall eine hintergründige Rede halten. Obwohl er im folgenden natürlich Caesar lobt, wäre es wohl eine nicht gänzlich zutreffende Schlußfolgerung, ihm an dieser Stelle eine handfeste, »glatte Lüge« zu attestieren (Müller 1979: 129); vielmehr kann er sich durch diesen widersprüchlichen rhetorischen Trick die Aufmerksamkeit des Publikums sichern, und dies auch deshalb, weil er damit zunächst einmal »dissimulierend-insinuativ« (ibid.) die hohe Emotionalität aus der Situation herausnimmt und ganz nüchtern den endgültigen »Abschluß« der Ereignisse, nämlich das Begräbnis Caesars, in den Fokus rückt. Seine Aussage ist damit in Anbetracht der Ausgangslage der Redesituation angemessen, »weil das Volk noch unter dem Eindruck der Rede des Brutus steht« (ibid.: 133). Diese

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»De-Emotionalisierung« behält Antonius auch im Rest des exordium bei, kombiniert seine These einer endgültigen Beerdigung Caesars mit der Kernaussage von Brutus’ Ansprache (»[…] Cæsar was ambitious«; Zeile 7) und stellt schließlich fest, daß er mit Brutus’ Zustimmung spricht. Es muß im übrigen hierbei auch deutlich herausgestellt werden, daß weder das eine noch das andere tatsächlich seinem eigentlichen telos entspricht: Antonius will weder Caesar loben noch ihn begraben; sein eigentliches Anliegen ist die Meinungsänderung des Volkes und der (reaktionäre) Wandel der politischen Verhältnisse. Als besonders wichtiges Merkmal ist an dieser Stelle auch die Attributierung zu nennen, die Antonius für Brutus vornimmt: »[…] Brutus is an honourable man« (Zeile 16). Er ehrt damit zunächst Brutus, der zuvor das Volk für sich gewonnen hat, und kann sich damit ebenfalls dessen Zustimmung und Aufmerksamkeit sichern. Diese Aussage wird im folgenden zu einem der wichtigsten stilistischen Merkmale der Rede, denn was an dieser Stelle noch eine (scheinbare) Ehrerbietung und ein (scheinbarer) Beweis für die Ehrbarkeit von Brutus’ Verschwörung ist, kann Antonius durch einen weiteren rhetorischen »Trick« in den anschließenden Redeteilen ins Gegenteil wenden, ohne dabei zu Beginn seiner Rede die benevolentia des Volks riskieren zu müssen (cf. e. g. Quintilian 2006a: 700; inst. VI 2,9). Eine explizite Trennung zwischen propositio und narratio ist bei der Rede Marc Antons kaum sinnvoll; der erzählende Abschnitt seiner Laudatio erscheint dazu viel zu sehr in sich abgeschlossen und ohne die nötige Unterteilung.304 Die narratio (Zeile 14 – 36) übernimmt im Anschluß an das exordium vor allem zweierlei Funktionen: Einerseits soll sie natürlich, wie ihre Hauptaufgabe für eine laudatio funebris auch bestimmt ist, die erzählerische Darstellung des Lebens des Verstorbenen übernehmen, also im Sinne Ciceros den lobenden biographischen Einblick in dessen »Glücksgüter« (v.s.; Cicero 2003: 235; de orat. II,45 f.). Dies tut Antonius, indem er Caesar als »faithful« und »just« charakterisiert (Zeile 14), seine politischen und militärischen Erfolge nennt, seine Mildtätigkeit gegenüber dem Volk darstellt und seine Bescheidenheit hinsichtlich der Ablehnung der Königskrone (Zeile 24) beschreibt. Dies wäre mitunter eine typische Vorgehensweise in einer laudatio funebris, doch bei Antonius wird diese Erzählweise durch eine neue Komponente erweitert: Nach jedem Lob, das er für Caesar ausspricht, zitiert er seinen Vorredner : »But Brutus says he was ambitious; / And Brutus is an honourable man« (hier : Zeile 15 f.). Damit entsteht eine argumentative Situation, denn mit der Aussage Brutus’ – Caesar sei herrschsüchtig gewesen – »widerlegt« er (scheinbar) jedesmal seine eigenen, auf biographischen Tatsachen beruhenden Angaben. Dies ist die in der Beschrei304 Die Funktion der propositio, also die Überleitung zur narratio, wird dabei durch das exordium auch schon hinreichend übernommen und erfüllt.

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bung des exordium bereits angesprochene besondere Stilistik der Rede: Natürlich müssen die loci der biographischen Fakten als Argumente schwerer wiegen als die verallgemeinernde Aussage, die Brutus macht. Hierdurch entsteht nun eine ironische Argumentation,305 die Brutus’ Kernargument einerseits ad absurdum führt und andererseits die von Antonius vorgenommene Attributierung Brutus’ – er sei ein ehrenwerter Mann – als falsch nachweist; eine genauere Betrachtung dieses Elements kann in der Mikroanalyse vorgenommen werden. In jedem Fall kann Antonius diese Argumentation nur vornehmen, weil er sich zu Beginn seiner Rede scheinbar (noch) nicht gegen Brutus und die Verschwörer wendet (v.s.): Erst durch das Vertrauen des Auditorium ist gewährleistet, daß er in der emotionalisierten Menge überhaupt eine Gegenargumentation wagen kann. Die narratio beendet Antonius mit einem Sonderfall der partes orationis, der reprehensio306 (Zeile 37 – 56)307, die in dieser Deutlichkeit und Positionierung exemplarisch ist: Nach der pathetischen rhetorischen Frage (»What cause withholds you then, to mourn for him?«; Zeile 32) und einer Reihe von pathetischen Exklamationen (»O judgment! thou art fled to brutish beasts […]«, Zeile 33) nimmt Antonius eine »künstliche« Pause in seiner Rede vor: »And I must pause till it come back to me« (Zeile 36). Cicero notiert zur Möglichkeit der Pause in einer Rede: Das dürfte uns wohl bei einer Rede um so weniger verwundern, […] daß Harmonie, Betonung, Schmuck und Glanz, mag eine Dichtung oder Rede in noch so hellen Farben prangen, ohne Unterbrechung [reprehensio, J.K.], ohne Anstoß und Abwechslung keinen dauerhaften Genuß verschaffen kann (Cicero 2003: 509; de orat. III,100).

Genuß, die delectatio, erscheint mit Blick auf die reprehensio bei Antonius nicht ganz zutreffend; wird der Begriff aber durch einen äquivalenten, zur politisierenden Laudatio passenden ersetzt – z. B. Aufmerksamkeit für Redner und Redeinhalt, Empfänglichkeit für die bisher konstruierte Redewirkung, aber auch die ethos-bezogene Glaubwürdigkeit der präsentierten und reflektierten Gefühle –, erscheint Ciceros Darstellung auch für die Rede Marc Antons nachvollziehbar und angemessen: Indem Antonius eine Pause einlegt, kann die aufgebrachte 305 Inwieweit tatsächlich eine »einwandfreie« Ironie in der Argumentation Marc Antons vorliegt, kann in der Mikroanalyse noch genauer beobachtet und erörtert werden. 306 Der Begriff reprehensio wird in der Antike mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Während ihn Cicero in De oratore (Cicero 2003: 508; de orat. III,100) mit dem hier genannten Hintergrund nennt, benutzt er ihn in De inventione als »Widerlegung« (Cicero 1998: 122; inv. I,78); bei Quintilian wird die reprehensio dagegen mit »Selbsttadel« übersetzt (Quintilian 2006b: 264 f.; inst. IX 1,34). 307 In der Pause unterhalten sich einzelne Plebejer aus dem Publikum, und es ergibt sich durch diese Referenz für den externen Zuschauer der erste Rückschluß auf die Wirkung der Rede.

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Menge beginnen, sich mit Marc Antons geschilderter Perspektive empathisch308 auseinanderzusetzen; es entsteht für das Auditorium also eine erste, ungestörte Möglichkeit zur Reflexion des Redeinhalts.309 Dies Vorhaben gelingt Antonius, und als er sich wieder dem Auditorium zuwendet, hat er dessen volle Aufmerksamkeit: »Now mark him, he begins again to speak« (Zeile 55). Der dritte Teil der Rede, die argumentatio (Zeile 57 – 197), hat bei weitem den größten Anteil an der Laudatio Marc Antons und läßt sich grob in zwei Unterteilungen gliedern: Zum einen stellt Antonius die Verlesung von Caesars Testament in Aussicht, zum anderen präsentiert er den Leichnam. Dies klingt nicht nach dem typischen Ablauf einer argumentatio, und Müller kommentiert, daß sich der dritte Teil der Rede »aufgrund seines narrativen Charakters stark an die Form der narratio« annähert (Müller 1979: 128). Dies ist korrekt beobachtet; darüber hinaus wäre eine konventionelle argumentatio für eine laudatio funebris unüblich und könnte im Zweifelsfall unangemessen erscheinen. Um eine Beschreibung dieser pars vorzunehmen, muß also nicht die vordergründige Struktur, sondern vor allem ihre Funktion bestimmt werden. Dies wiederum legt eindeutig eine Definition als argumentatio nahe: Mit Ankündigung eines untadeligen, gemeinnützigen Testaments kann Antonius die Anschuldigungen des Brutus argumentativ-evident entkräften, und ebenso durch die »Leichenschau« und Demonstration der Brutalität die moralische Integrität und Rechtschaffenheit der Mörder ebenso widerlegen. Damit erfüllt sich die Funktion der widerlegenden argumentatio: »Die Widerlegung ist das, wodurch mittels einer Beweisführung die Bekräftigung der Gegner unhaltbar gemacht, entkräftet oder abgeschwächt wird«310 (Cicero 1998: 123; inv. I,78). Natürlich ist eine Widerlegung nicht das einzige Ziel der argumentatio Marc Antons; schließlich zielt seine Rede am Ende auf eine cohortio, auf einen Aufstand ab. Antonius beginnt zunächst mit weiteren Elementen einer miseratio für Caesar, die er noch einmal mit 308 »Poor soul! his eyes are red as fire with weeping« (Zeile 51). 309 Natürlich ist die Anmerkung berechtigt, eine reprehensio in der Ankündigung und Länge wie bei Antonius sei nach heutigem Maßstab übertrieben und ein Produkt der Antike oder zumindest der Dramenästhetik; allerdings sind Pausen nach emotional oder argumentativ ausgefallenen oder besonders schwerwiegenden Abschnitten einer Rede auch heute keine Seltenheit und unterstützen die Redewirkung, wie es oben beschrieben wird. Ein einfachstes Beispiel wäre z. B. die Pause nach einem Witz, aber auch nach ganz andersartigen affektischen Redeabschnitten ist eine reprehensio zu finden; in seiner Ansprache vom 10. November 1988 zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht nimmt der damalige Bundestagspräsident nach einem längeren, erschütternden Zitat Heinrich Himmlers ebenfalls eine merkliche Pause vor, bevor er seine Rede fortführt: »Wir sind ohnmächtig angesichts dieser Sätze, wie wir ohnmächtig sind angesichts des millionenfachen Untergangs« (Jenninger 1988: Zeile 430 f., s. Anhang; cf. 3.2.1.3). 310 Cave: Für den Begriff Widerlegung benutzt Cicero im Original das Wort reprehensio; die Bedeutung ist mit dem gleich lautenden Begriff, wie er in dieser Arbeit verwendet ist, nicht identisch (v.s.), sondern entspricht hier Widerlegung oder auch Argumentation.

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der scheinbaren Ehrerbietung für Brutus und die Verschwörer kombiniert: »[…] I rather choose / To wrong the dead, to wrong myself and you, / Than I will wrong such honourable men« (Zeile 64 – 66). Wie schon im exordium, so handelt es sich auch an dieser Stelle um eine dissimulierend-insinuative Formulierung (v.s.), die allerdings weniger zu einer Deeskalation beitragen kann (und soll) als die vorangegangene: Je mehr Antonius die Ehrbarkeit der Verschwörer betont und gleichzeitig auf die Ehrenhaftigkeit und das Schicksal Caesars hinweist, desto mehr muß sich von nun an die Stimmung wenden. Um die Aufmerksamkeit und das Vertrauen der Zuhörer zu steigern, beginnt Antonius an dieser Stelle einen Spannungsaufbau: Er kündet von dem Testament Caesars. Statt es zu verlesen, beschreibt er aber, höchst pathetisch, nur die Reaktionen des Volks, wenn er es verlesen würde: »And they would go and kiss dead Cæsar’s wounds / And dip their napkins in his sacred blood, / Yea, beg a hair of him for memory […]« (Zeile 71 – 73). Hiermit sind zwei Effekte verbunden: Zum einen fordert er die Vorstellungskraft des Auditoriums heraus, regt die Zuhörer zum nach- und mitdenken an und läßt den unausgesprochenen letzten Willen Caesars bereits zur scheinbaren Realität werden. Marc Antons Darstellungen gleichen dabei imaginativen Beschreibungen und Appellen, wie sie z. B. auch bei Lessing zu finden sind; Walter Jens stellt hierzu fest: »Sie gleichen Imperativen an die Vorstellungskraft und sollen den Zuhörer zwingen, Möglichkeiten durchzuspielen, die der Wirklichkeit den Autoritätsanspruch nehmen« (Jens 1969: 56). Zum anderen reizt Antonius das Publikum natürlich mit seinen Andeutungen und versetzt es in Spannung: Ab nun will es wissen, was in Caesars Testament verfügt ist: »The will, the will! we will hear Cæsar’s will« (Zeile 80). Antonius verweigert den Zuhörern diesen Wunsch, fährt fort, die Reaktionen »auszumalen« und gibt vor, den ehrenwerten Männern unrecht zu tun. Damit steigt die Spannung, und auch die Rechnung, Brutus und seine Mitverschwörer als unrechte Mörder zu »entlarven«, geht auf, als die Menge ruft: »They were traitors: honourable men!« (Zeile 80). Antonius verspricht, dem Volk Caesars letzten Willen mitzuteilen, wenn es ihm die Aufmerksamkeit schenkt, seine Rede zu beenden. Hier beginnt der zweite Teil der argumentatio, denn nun zeigt und beschreibt Marc Anton an der Leiche Caesars, ebenfalls hochpathetisch und spannungsreich, welche Senatoren an dem Mord beteiligt waren: »Look, in this place ran Cassius’ dagger through: / See what a rent the envious Casca made: / Through this the well-beloved Brutus stabb’d […]« (Zeile 130 – 132). Die Deixis, das Vorführen und Zeigen des realen, gepeinigten Leichnams, muß dabei, in Kombination mit den Beschreibungen Marc Antons, besonders hohe pathetische Emotionen evozieren: »Antonius erzeugt höchsten Affekt durch konkrete Veranschaulichung (evidentia), indem er zum rhetorischen Schulmittel der Vor-Augen-Stellung (subiectio sub oculos) greift« (Knape 2000a: 19). Bereits bei Quintilian findet sich eine der frühesten Kommentare und Interpretationen der historischen Szene:

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Hat doch z. B. C. Caesars Purpurtoga, die dem Leichenzug vorangetragen wurde, das römische Volk zum Rasen gebracht. Es wußte, daß Caesar erschlagen war, wußte, daß es sein Leichnam selbst war, den man auf der Bahre trug – und doch machte das bluttriefende Gewand das Bild der Bluttat so gegenwärtig, daß es so war, als sei Caesar nicht erschlagen worden, sondern als geschehe es gerade eben erst (Quintilian 2006a: 687 – 689; inst. VI 1,31).

Es glückt Antonius, durch jene deiktisch-pathetische Darstellung Caesar – und sich selbst – als ehrenhaft und damit ethos-basierend zu charakterisieren, während er den Zorn auf die Verschwörer schürt: Hiermit gelingt die cohortio als Teil seines telos. Während die Menge bereits den Tod der Mörder fordert, genießt Antonius inzwischen so viel Ansehen und Vertrauen, daß ihm auch jetzt noch Gehör geschenkt und vollste Loyalität geschworen wird: »We’ll hear him, we’ll follow him, we’ll die with him« (Zeile 174) Nun endlich ruft Antonius zum Aufstand auf; wenngleich er sich, bescheiden, dazu gar nicht in der Lage wähnt: »[…] but were I Brutus, / And Brutus Antony, there were an Antony / Would ruffle up your spirits and put a tongue / In every wound of Caesar that should move / The stones of Rome to rise and mutiny« (Zeile 193 – 197). Am Ende der argumentatio, die Antonius so spannungsreich »auflädt«, hat das Publikum Caesars letzten Willen schon wieder vergessen, den es eben noch so sehnlichst hören wollte. Doch Antonius läßt das Volk von Rom nicht ziehen, ehe er das Testament verlesen hat. Die peroratio (Zeile 209 – 233) nutzt er, den soeben gewonnenen Stimmungsumschwung vollständig zu festigen und bedient sich dabei zum Abschluß seiner Rede noch einmal exakt der stilistischen Vorgaben der laudatio funebris, indem er Caesar durch die Verlesung seines Testaments ehrt, ethosbezogen lobt und pathetisch erhöht: »Here was a Cæsar! when comes such another?« (Zeile 233). Teile der Rede weisen eine auffällige Dialogsituation auf; es kommt »zu einer außerordentlich intensiven Interaktion zwischen Redner und Zuhörerschaft« (Müller 1979: 128). Dies ist kein Zufallsprodukt, denn Antonius macht, wie in der oben beschriebenen reprehensio, absichtliche Pausen, die das Publikum auch absichtlich dialogisch fordern: »Shall I descend? and will you give me leave?« (Zeile 107). Natürlich ergibt sich hieraus eine aktionsreichere und interessantere Dramenästhetik, als wenn Antonius nur eine monologische Rede hielte; aber dies ist nicht der einzige Grund für die von Shakespeare gewählte interaktive Kommunikation. Es lassen sich drei besonders wichtige Resultate feststellen: Erstens gibt Antonius seinem Publikum die Möglichkeit, »sich zu äußern« (Müller 1979: 128), und erreicht damit eine emotionale und kognitive Reflexion des Auditoriums und eine Steigerung der bisher erzielten Wirkung. Zweitens kann er auch für die Rede selbst unmittelbaren Nutzen daraus ziehen: »Er provoziert Reaktionen, wartet sie ab und ist jederzeit in der Lage,

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seine Rede ihnen anzupassen« (ibid.). Das bedeutet, daß Antonius damit auch empirische Fakten zum aktuellen Setting und aptum seiner Rede hat; er kann damit sehr genau beurteilen, ob er sein telos erreicht. Einzelne Elemente werden dadurch evident erfolgreich; Antonius hat also die Möglichkeit, eine sich als gelingend erweisende Strategie auszubauen und unglückliche Teile seiner Rede im Zweifel aufzugeben. Dies wird insbesondere an der Spannung deutlich, die Antonius kreiert, sowie an seiner (figurierten) Charakterisierung des Brutus und der anderen Verschwörer : Marc Anton erkennt, daß die rhetorischen Konstruktionen ihr Ziel erreichen, indem er die Reaktionen des Publikums abwartet. Nun kann er diese Strategie weiter verfolgen und differenzieren, bis sie den gewünschten Erfolg, die cohortio, erreicht. Drittens ist die dialogische Situation natürlich auch ein Mittel zur Doppelmedialisierung. Wie bereits in der Analyse zur Rede des Marquis von Posa nachgewiesen werden konnte, ist der Dialog ein Instrument, durch welches das externe Publikum die Wirkung auf der Bühne empathisch nachvollziehen kann und die Rede ebenfalls als gelingend beurteilt (cf. 3.3.2.2). Es lassen sich nun also schon einige wesentliche Elemente feststellen, mit denen Antonius arbeitet und seine Ansprache erfolgreich wirkend gestaltet: Die Rede kombiniert geschickt traditionelle Aspekte der laudatio funebris bzw. der demonstrativen Gattung mit argumentativen Motiven des genus deliberativum, mit denen er Brutus’ Argumentation widerlegen, ihn und seine Verbündeten stark belasten sowie Caesar und sich selbst als ehrenhaft darstellen kann. Als Absicherung wählt er eine Stilistik, die ihm selbst dissimulierend Bescheidenheit attestiert, während sie Brutus, stets insinuierend, als Lügner und Blender entlarvt; eine genauere Betrachtung dieser Charakteristik wird in der Mikroanalyse erfolgen. Schließlich versteht es Antonius, durch Spannungsaufbau die Aufmerksamkeit des Auditoriums zu gewinnen, es durch einen dialogischen Charakter und imaginative Beschreibungen aktiv mit einzubeziehen und durch die Präsentation des realen Leichnams zu affizieren. Welche pisteis hier besonders wirkungsvoll konstruiert werden, wird sich ebenfalls im nachfolgenden mikroanalytischen Teil aufzeigen lassen. Es lohnt an dieser Stelle ein kurzer Abgleich mit der Rede des Brutus, gerade auch im Hinblick auf die nach den rhetorischen Regeln »einwandfreie« Form bei Brutus und die bei Marc Anton eher freie und »reaktive« Struktur ; selbst Antonius lobt, zumindest scheinbar, Brutus’ rednerische Fähigkeiten: »I come not, friends, to steal away your hearts: / I am no orator, as Brutus is […]« (Zeile 182 f.). Detaillierte Vergleiche und Erörterungen finden sich z. B. bei Walter F. Schirmer (1935), Wolfgang G. Müller (1979), Kurt Otten (1982), Ernest Schanzer (2005) und Heinz-Joachim Müllenbrock (1992). Wird bedacht, daß Brutus zwar mindestens eine »beachtliche« Wirkung erzielt (Müllenbrock 1992: 57), seine Rede aber nicht »quite as effective as Ant-

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ony’s« ist (Schanzer 2005: 49) und er letztendlich scheitert, so müßten sich hierfür Gründe finden lassen. Es ist signifikant, daß sich Brutus höchst präzise (und viel genauer als Antonius) an rhetorische Strukturen und Stilistiken hält, und es stellt sich die Frage, ob somit nicht die Brauchbarkeit rhetorischer Wissenschaft und Methodik in Frage gestellt werden müßte, wenn sie am Ende nicht gegen eine freiere und viel intuitivere Form bestehen kann. In der Tat ist es nicht zu bestreiten, daß sich Brutus exakt an die (einfachen) Vorgaben der partes orationis hält (cf. Müller 1979: 120 und 121 – 126) und eine eindrucksvolle Stilistik benutzt; sein Redeschmuck bezeugt eine bis ins Detail ausgefeilte Ansprache, was bemerkenswerte Chiasmen wie die folgenden beweisen: »Not that I loved Cæsar less, but that I loved Rome more. Had you rather Cæsar were living, and die all slaves, than that Cæsar were dead, to live all free men?« (Shakespeare 1966: 79; JC III,2). Insgesamt wird ihm, im Gegensatz zu Marc Anton, meist eine nüchterne und sachlogische Argumentation zugeschrieben; jene ist allerdings dennoch »rhetorisch vom Feinsten« (Müllenbrock 1992: 56), und bereits das exordium funkelt »von rhetorischen Figuren geradezu« (ibid.). Nur das Versmaß macht an dieser Stelle die Ausnahme: Während Antonius in fünfhebigen Jamben spricht, in denen auch die übrigen Teile des Dramas gehalten sind, hält Brutus seine Rede prosaisch ohne Versmaß. Die Jamben, die auch Antonius nutzt, ergeben sich, ganz ähnlich wie schon für die Rede des Marquis Posa beschrieben (cf. 3.3.2.1), natürlich auch aus dem Geschmack und den Erwartungen der Zeit Shakespearscher Dramendichtung; zudem eignen sich sich natürlich – auf der Bühne – zu einer besonders eleganten, ästhetischen Sprachkreation. Shakespeare läßt also Brutus nicht grundlos so prosaisch sprechen: Indem er ihm die Ästhetik des Versmaßes verweigert, verschafft er ihm einen deutlichen Nachteil gegenüber Antonius. Natürlich ergibt sich auch in der Länge der Reden eine Differenz; während Brutus fast nur ein kurzes Statement zukommt, »bekommt« Antonius von Shakespeare die Zeit für eine viel längere Ansprache, in der folglich überhaupt erst ein komplexer Spannungsbogen, verschiedene Perspektiven und Ansätze möglich werden. Ein wichtiger Unterschied zur Rede Marc Antons ergibt sich allerdings daraus, daß Brutus Konzepte und Stilmotive zwar von einander unabhängig korrekt verwendet, sie aber nicht auf das aptum abstimmt, und daß er bei einem emotionalen Thema ebenso unangemessen vor allem sachlogisch überzeugen will. Seine Strategie weist dabei also eine eklatante Unpassung auf, die seine Rede gleichzeitig von der Marc Antons stark unterscheidet; im Gegensatz zu Antonius gleicht er sie nicht aufmerksam den Reaktionen des Publikums an, und so kann es ihm letztlich nicht gelingen, eine »haltbare«, nachhaltige Empathie und Identifikation zu erzeugen. Statt einer emphatisch-empathischen Freiheitsrede läßt Shakespeare Brutus eine Redeform wählen, die die Ermordung Caesars zu rechtfertigen versucht, die damit die »gattungsbedingten Beschränkungen der

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mehr auf Dämpfung der Affekte abgestellten Verteidigungsrede« (Müllenbrock 1992: 57) teilt, und durch die er schließlich angreifbar wird. Natürlich hat Antonius nun den Vorteil, nach der Rede all das zu widerlegen, was Brutus in seinen Argumenten anführt; dies ist Brutus, vice versa, dagegen nicht mehr möglich. Es wäre allerdings zu konstatieren, daß ein besserer Redner, wie ein guter Schachspieler, die Züge des Gegners voraussieht und so im voraus entkräften kann. Zudem ist es durch Marc Antons Widerlegung evident, daß Brutus eine zu achtlose und ungenaue Argumentation wählt, und damit ist er in der Beweisführung nicht sorgfältig genug. Dies ist ein entscheidender Fehler; bereits Cicero warnte unmißverständlich: Jede Beweisführung wird widerlegt, wenn man von dem, was angenommen wird, irgendeinen Punkt oder mehrere nicht zugibt; […] oder wenn man einer starken Beweisführung eine ebenso starke oder noch stärkere entgegenstellt (Cicero 1998: 123 – 125; inv. I,78 f.).

Brutus erkennt letztlich nicht den Wert und die Möglichkeit der Rhetorik, deren Struktur- und Stilkonzepte mit Fingerspitzengefühl in das gegebene aptum eingebettet werden müssen. Seine Rede gleicht einer schwunglosen »AkademieRhetorik« (Schirmer 1935: 28), sie ist »schülerhaft dürr und klapperig« (ibid.: 29), und Brutus langweilt »die Menge oder redet an ihr vorbei« (ibid.). Antonius dagegen reißt die Menge mit; seine Rede ist »von Leidenschaft diktiert« (Otten: 1982: 542). Es mag zutreffend sein, daß Brutus eine akzeptable und einigermaßen gute Rede gehalten hat, doch Antonius ist einfach besser. Pragmatisch ist Marc Antons Ausruf, er sei kein Redner wie Brutus (v.s.), natürlich herunterspielende Bescheidenheit und Untertreibung, aber semantisch ist die Feststellung durchaus zutreffend: Antonius gehört tatsächlich einer ganz anderen Rednergattung an als Brutus. Er übernimmt nicht einfach die schulrhetorischen Modelle, sondern er kann sie angemessen und passend einsetzen. Damit kann letztlich bewiesen werden, daß sich die korrekte Anwendung der Rhetorik nicht auf blind nachzuahmende Handlungen, auf eine Verwendung »wie ein Regelbuch« (Schirmer 1935: 31) beschränkt,311 sondern als kunstfertige Technik erst durch den nötigen Fachverstand und das geschulte Einfühlungsvermögen zur richtigen und effektiven Anwendung kommt. Die Rhetorik als Kunst und wissenschaftliche Methodik ist durch die Rede des Brutus also nicht widerlegt, sondern wird durch sie bestätigt. Brutus’ Ansprache beweist in bezug auf die 311 Bereits Quintilian warnte vor der teils starren Schulmäßigkeit einiger Rhetorik-Schulen: »[…] meistens zerbrechen und töten die üblichen nackten Leitfäden der Redekunst in ihrem Haschen nach spitzfindiger Gründlichkeit alles ab, was in der Rede den edleren Schwung ausmacht, saugen allen Saft des Geistes auf und legen das Knochengerüst bloß, das doch so, wie es wirklich funktionieren und durch seine Muskeln angespannt werden soll, den Körper zur Bekleidung nötig hat« (Quintilian 2006a: 13; inst. I Prooemium 24).

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Rhetorik darüber hinaus, daß das Bessere nicht nur der Feind des Guten ist – sondern im Falle einer entscheidenden Redesituation auch dessen Untergang. Es wäre die Aufgabe einer weiteren rhetorischen Diskursanalyse, die Fehler, die Brutus begeht, noch genauer zu untersuchen und dadurch zu klären, mit welchen Mitteln Shakespeare eine Rede konstruiert, die letztlich scheitern muß; für die zukünftige Rhetorikforschung ergibt sich durch die in dieser Arbeit entwickelten Analysemethoden hierfür ein lohnender Ansatz. Es ist deutlich geworden, daß die Beurteilung der Qualität einer Rede und insbesondere der Fähigkeiten eines Redners am Ende von deren Erfolg, vom Erreichen des telos abhängig ist. Dies entspricht den Vorgaben Ciceros (cf. 2.1.5), der in einem Gespräch feststellte: »Was für ein Redner aber jemand ist, das wird sich an dem erkennen lassen, was er mit seiner Redekunst erreicht« (Cicero 137; Brut. 49). Nach diesem Maßstab muß die Kritik für Brutus’ Rede negativ ausfallen: Während Antonius das Volk nachhaltig auf seine Seite bringt, ist Brutus schon kurz nach seiner Rede völlig gescheitert. Es klingt daher fast wie ein Treppenwitz der Geschichte, wenn man bedenkt, in welchem Kreis Cicero über die Beurteilung eines Redners spricht: Der eine Zuhörer, dem Cicero seine Erkenntnisse mitteilt, ist sein langjähriger Intimus Atticus; der andere Gesprächspartner ist, ausgerechnet, Brutus. 3.4.2.3 Mikroebene: Redetext und Kommunikationsphänomene Es ist eine signifikante Feststellung, daß die Mehrzahl aller Diskussionen die Hauptwirkung der Antonius-Rede den Elementen des pathos zurechnet; die meisten eingesetzten Mittel stünden demnach »im Dienst des Pathos« (Müller 2006: 143), den logos- und ethos-basierten Aspekten wird dagegen, wenn überhaupt, nur eine stark untergeordnete Rolle zugestanden. Aus den in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnissen der vorangegangenen Redenanalysen scheint das eine allzu fokussierte und aussparende Erklärung; vielmehr hat sich bisher herausgestellt, daß erst die angemessene und passende Kombination aller pisteis imstande ist, den gewünschten und angestrebten persuasiven Effekt zu erzielen. Dies muß zweifelsfrei auch für die Rede des Antonius gelten, wie sich z. B. auch in der Erörterung bei Otten (1982) abzeichnet; in der nun folgenden Mikroanalyse wird dies an einigen Merkmalen der Rede sehr deutlich skizziert werden können. Es mag zutreffend sein, daß Marc Antons Rede, auch bedingt durch Kontext, Setting und das Genus der laudatio funebris, einen hohen Anteil an emotionalen Elementen besitzt; dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich Antonius sehr wohl über weite Teile der Rede argumentativ mit seinem Vorredner Brutus und der Verschwörung gegen Caesar auseinandersetzt und damit logosbezogene Mittel verwendet. Dies zeigt sich an drei verschiedenen Strategien der

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Rede; die konventionellste Methode läßt sich dabei vor allem in der narratio beobachten (cf. 3.4.2.2), in der Antonius einzelne Beweise verschiedener topoi aufzählt, mit denen er Brutus’ Anschuldigung, Caesar sei »ambitious« gewesen, widerlegt. Die Anklage des Brutus, nämlich die »Herrschsucht« Caesars, funktioniert zur Legitimation des Attentats dabei vor allem als politisch und charakterlich negative Attributierung Caesars und ist damit ein ethos-bezogener Beweis. Dies bedeutet als Schlußfolgerung, daß Antonius die Gegenbeweise ebenfall im Bereich des ethos ansiedeln muß, um das Ansehen Caesars wieder herzustellen und Brutus’ Anschuldigungen damit zu entkräften. Dies gelingt ihm zum Beispiel mit den Attributen friend, faithful und just (Zeile 14), mit denen er freundschaftliche und ehrliche Verläßlichkeit einer als rücksichtslos und opportunistisch zu umschreibenden Herrschsucht gegenüberstellt; die Attribute wären somit, mit einem modernen terminus technicus ausgedrückt, im Bereich einer »Sozialkompetenz« angesiedelt. In den folgenden Zeilen lassen sich weitere topoi wie Mildtätigkeit und Sorgfalt definieren; ein anderer »Fundort« sind aber auch die historisch verbürgten Beweise der politischen Handlungen Caesars, durch die eine Herrschsucht – und gemeint ist hier letztlich das Streben nach der Königswürde (cf. 3.4.2.1) – tatsächlich unglaubwürdig klingt: »I thrice presented him a kingly crown, / Which he did thrice refuse: was this ambition?« (Zeile 25 f.). Es wird deutlich, daß Antonius an dieser Stelle, obwohl es sich dabei um Attribute des ethos handelt, eine klassische und sehr transparente sachlogische Argumentation wählt; einzig die Kombination mit der angeschlossenen »Schein-Entkräftung« seines eigenen Arguments – »Yet Brutus says he was ambitious; / And, sure, he is an honourable man« (Zeile 27 f.) – ist dabei ein außergewöhnliches Element, das den judizial-argumentativen Duktus der Rede verstärkt: »Unvermittelt bekommen die Fakten aus Caesars Leben, deren Erwähnung die Gattung Leichenrede fordert, den Charakter von Beweisen, allerdings den Charakter von Gegenbeweisen« (Knape 2000a: 18). Tatsächlich muß es Antonius an dieser Stelle auch gelingen, durch diese (gegen-) argumentative Form das Auditorium so bereits zu Beginn für sich zu gewinnen, denn Brutus beging in seiner Rede zuvor einen Kardinalfehler : Er nennt für seine Hauptanschuldigung nicht ein einziges belegbares Argument, das Caesar belastet, sondern verliert sich statt dessen in vagen Gemeinplätzen: »Had you rather Cæsar were living, and die all slaves, than that Cæsar were dead, to live all free men?« (Shakespeare 1966: 79; JC III,2; cf. Mangan 1992: 70). Brutus bietet so letztlich überhaupt keinen stichhaltigen Beweis für Caesars angebliche Herrschsucht; gerade für ein judiziales Redegenus ist dies zweifellos keine glückliche Strategie. Die zweite abgeschlossene Beweisführung, die Antonius vornimmt, wird an der deiktischen Präsentation von Caesars Leichnam deutlich: Sie dient zum einen natürlich dazu, um beim Volk Mitleid mit Caesar und Empörung gegen-

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über den Attentätern zu evozieren, gleichzeitig beweist die Demonstration aber auch, daß das vermeintlich moralisch motivierte Attentat durch unmoralische Brutalität vollzogen wurde, und damit kann die Ehrenhaftigkeit der Verschwörer natürlich zu Recht angezweifelt werden. Die dritte argumentative Struktur läßt sich am Ende der Rede nachweisen: Hier präsentiert Antonius nun Caesars letzten Willen, der, mutmaßlich im Gegensatz zu dem eines herrschsüchtigen Despoten, äußerst sozial und freigiebig erscheint. McNeir kommentiert: »This appeal to greed is simple economic chicanery […]« (McNeir 1971: 13) Die Interpretation, die Verlesung des Testaments sei ein »Appell an die Habgier der Masse« (Hammerschmidt 1978: 383), eine Manipulation durch den »Geldwert Julius Cäsars« (Schlösser 1971: 250), stellt sich in einer erneuten Betrachtung nicht als zutreffend heraus. Tatsächlich handelt es sich um einen recht beweiskräftigen und legitimen Nachweis dafür, daß Caesars politische Ambitionen keineswegs eine despotische Unterdrückung des Volks beinhaltet und damit politisch und moralisch verwerfliche Züge getragen hätte. Zu dieser eher sachlogischen Ebene kommt freilich noch eine weitere hinzu, die aber ebenfalls nicht auf die »Habgier« des Volkes zielt: Das Mittel des logos wird mit dem des ethos kombiniert; Caesar wird durch die Beweisführung nicht nur als politisch gemäßigt, sondern als moralisch integer dargestellt. Das Volk entscheidet sich nun also nicht gegen Brutus, weil es von Caesar so reichhaltig beschenkt wird (das tut er qua Testament mit oder ohne dessen Zuneigung ohnehin), sondern weil es die ethos-bezogene Attributierung des Ermordeten als bewiesen erachten muß und damit die Tat der Verschwörer nicht mehr legitimiert. Beachtet man Marc Antons telos, nicht nur Caesar als integer und Brutus als moralisch verwerflich darzustellen, sondern einen politischen Umsturz zu erreichen, erscheint es offensichtlich, daß eine sachlogische Argumentation genau so wenig ausreicht wie eine rein ethos-basierte Darstellung: Die Ehrerbietung für Caesar und das Mitleid wegen seines Todes können kaum eine Revolte durchsetzen; hierzu muß das Volk in große Trauer über den Verlust Caesars und das Ende des politischen status quo ausbrechen sowie schließlich in Zorn über Brutus und die anderen Verschwörer geraten. Dies muß durch den Einsatz pathos-bezogener Elemente erreicht werden, denen im Sinne der rhetorischen Affektenlehre diese Aufgabe in der Redenwirkung zufällt; in der Schrift vom Erhabenen wird präzise definiert: Das Übergewaltige nämlich führt die Hörer nicht nur zur Überzeugung, sondern zur Ekstase; überall wirkt, was uns erstaunt und erschüttert, jederzeit stärker als das Überredende und Gefällige, denn ob wir uns überzeugen lassen, hängt meist von uns selber ab, jenes aber übt eine unwiderstehliche Macht und Gewalt auf jeden Zuhörer aus und beherrscht ihn vollkommen. […] Das Erhabene aber, bricht es im rechten Moment

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hervor, zersprengt alle Dinge wie ein Blitz und zeigt sogleich die gedrängte Gewalt des Redners (Pseudo-Longinos 1966: 29 – 31; de sublimi. I,4).

Es verwundert im Sinne des Pseudo-Longinos also nicht weiter, wenn die wirklich pathetischen Elemente in Marc Antons Rede als Peaks einzelne Erzählstränge »übergewöhnlich-affektisch« aufladen und damit die stark emotionale Komponente seines rhetorischen Textes bilden: Der Einsatz des höchsten emotionalen Wirkungsmittels ist damit das neuralgische Moment der Rede; es könnte auch als emotionaler »Schlußstein« in einem der inhaltlichen Spannungsbögen bezeichnet werden. Pathos findet sich z. B. zum Ende der narratio (»My heart is in the coffin there with Cæsar«; Zeile 35) und während der Ankündigung des Testaments (»[…] they would go and kiss dead Cæsar’s wounds / And dip their napkins in his sacred blood«; Zeile 71 f.); den sicherlich auffälligsten pathetischen Anteil an der Rede aber hat die Präsentation von Caesars Leichnam (Zeile 125 – 153): Leidenschaften werden erregt durch die Darstellung von Leidenschaften, durch die Vorführung von Indizien oder bildlichen Zeugnisse. Die berühmte Rede des Antonius in Shakespeares Drama ›Julius Caesar‹ bezieht ihre entsetzende, hinreißende Wirkung auch durch die Leiche des Ermordeten, die in ihrer Stummheit am gewaltigsten redet (Ueding / Steinbrink 2005: 282).

Wie bereits von Quintilian beschrieben (3.4.2.2), wird durch die Präsentation das corpus delicti und der Tathergang in allen vorstellbaren Einzelheiten in die unmittelbare Gegenwart geholt; brutale, mutwillige und gnadenlose Gewalt müssen gegenüber einem mittels ethos attributierten Opfer zu einem starken, empathischen Mitleiden führen, gefolgt von ebenso starken Gefühlen gegen die Gewalttäter. Damit ist die Erregung dieser Emotionen tatsächlich »ein Höhepunkt und Gipfel der Rede« (Pseudo-Longinos 1966: 29; de sublimi. I,3) und führt die Hörer »zur Ekstase« (ibid.: I,4). Bedenkt man, daß eine politische Rede oftmals eine tätige Handlung als Wirkungsziel hat (cf. 2.1.4), so wird schnell deutlich, daß die impulsiv-affektische Aufladung des Auditoriums der entscheidende Anstoß zur unmittelbaren Handlung »im Affekt« ist, und dies wird von Antonius genauestens beachtet und evoziert. Die so erreichte Stimmung läßt Antonius nach der Präsentation keineswegs frei, sondern hält die Spannung durch die Verlesung des Testaments zunächst nur aufrecht und verstärkt sie dadurch. Erst als er den fokussierten Schlußappell formuliert, der sämtliche starken Emotionen am Ende der Rede komprimiert und damit exakt der Formel des Pseudo-Longinos folgt,312 kann er der Nachwirkung seiner Rede den endgültigen Impuls verleihen. 312 »Das Erhabene aber, bricht es im rechten Moment hervor, zersprengt alle Dinge wie ein Blitz […]« (Pseudo-Longinos 1966: 31; de sublimi. I,4; v.s.).

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In der Tat weist die Rede Marc Antons also klar bestimmbare Elemente des logos und des pathos auf, und bedenkt man die »Zugkraft« des pathos, so scheint sich die These, hierin das entscheidend wirkende Mittel der Rede zu finden, zunächst zu bestätigen. Wie bereits beschrieben, reichen logos und ethos als pisteis für die explosive Wirkung von Marc Antons Laudatio nicht aus, und das pathos stellt sich so auch tatsächlich als pistis mit »Katapultkraft« heraus. Das wesentliche Wirkungselement, das der Rede ihre beachtliche Überzeugungskraft fundamental sichert, ist aber dennoch das ethos, wie sich an den bereits beobachteten Beispielen sehr deutlich belegen läßt. Sowohl die sachlogische Gegenargumentation zur Anklage des Brutus in der narratio als auch die Präsentation von Caesars Leichnam und das Verlesen des Testaments weisen eine auf dem ethos basierende Konstante auf, die letztlich die wichtigste »Wirkungsinstanz« der Rede ist: »Antonius verbindet, ja er verschmilzt Logos und Emotion in der Weise, daß letztere das Übergewicht erlangt« (Müller 1979: 144). Wenn Marc Anton Brutus’ Argumentation widerlegt, so tut er dies nicht nur auf der sachlogischen Ebene, sondern nimmt gleichzeitig eine scharfe attributive Perspektivierung vor: Caesar wird als ehrenhaft und gerecht charakterisiert und erhält somit ein hohes ethos zugeschrieben; Brutus wird, im Verlauf der Rede immer stärker, mit der gegenteiligen Attributierung versehen. Wenn Antonius starke Emotionen schürt, sowohl durch den Leichnam Caesars als auch durch das Testament, so basiert und fördert dies gleichzeitig wieder diese perspektivische Darstellung: »Er schließt sie [die Täter, J.K.] durch diese implizierte Unmenschlichkeit aus dem Kollektiv ›Ich-Ihr-Wir‹ aus und überantwortet sie dem Volkszorn« (Otten 1982: 543). Damit rückt Antonius die Moral in den Mittelpunkt seiner Strategie und verteilt sie in seinem »Wir- / sie-Diskurs« eindeutig: Caesar wird bei ihm zu einem moralischen, achtenswerten Politiker, Brutus und die Verschwörer werden dagegen zu amoralischen, verachtenswürdigen Kriminellen. Hiermit kann Antonius das Vertrauen der Zuhörer erlangen und sie letztlich überzeugen. Natürlich muß hierbei bedacht werden: Dies kann nur dadurch gelingen, indem er die Kontrastierung erst im Verlauf der Rede vornimmt und am Anfang noch die Ehrenhaftigkeit der Verschwörer betont; nur so hat er die benevolentia der Zuhörer, unter deren Schutz er seine Gegenargumentation vorsichtig beginnen kann (cf. 3.4.2.2). Auch die Dissimulation und Insinuation (Müller 1979: 133 – 138) müssen im Kontext der kontrastiven Perspektivierung betrachtet werden. Wenn sich Antonius bescheidener als Brutus und ihm unterlegen gibt, dann geschieht dies natürlich auch dissimulierend-insinuierend; vulgo: Er bertreibt fishing for compliments. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, daß er sich, im Gegensatz zu Brutus, mit dieser Strategie menschlicher und dem gemeinen Volk zugehöriger macht. Diese Bescheidenheit wiederum ist der Katalysator für die Etablierung seines eigenen ethos, das ihm wiederum die Sympathie des Audi-

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toriums sichert. Hierdurch ermöglicht er dem Volk das notwendige empathische Einfühlungsvermögen und das Wohlwollen für die eigene Sache; das ethos wird so entscheidender Faktor zur Schaffung von Identifikation und Zustimmung. In diesem Kontext können auch viele der raffinierten und brillant formulierten Figuren betrachtet werden. Einer der (auch ästhetisch) beeindruckendsten Absätze findet sich am Ende der argumentatio: »[…] but were I Brutus, / And Brutus Antony, there were an Antony / Would ruffle up your spirits and put a tongue / In every wound of Cæsar that should move / The stones of Rome to rise and mutiny« (Zeile 193 – 197). Shakespeare kombiniert an dieser Stelle ein ganzes Arsenal an Bildern und Figuren zu einem rhetorischen Feuerwerk: Die Formulierung »The stones of Rome to rise an mutiny« birgt eine Assonanz, eine Alliteration, eine Metapher und eine Personifikation,313 »put a tongue in every wound of Cæsar« enthält einen Parallelismus (mit dem vorangehenden Satzteil) sowie eine eindrucksvolle Tropenverknüpfung:314 »tongue« ist eine Metapher,315 wird in der Kombination »put a tongue in every wound« als mehrteiliges Bild zur Allegorie und beinhaltet durch die Anspielung auf die Brutalität des Caesar-Mordes, »every wound of Cæsar«, eine Allusion.316 Shakespeare kombiniert somit verschiedene Elemente rhetorischer Stilistik zu einer grandiosen Bildersprache,317 mit der Marc Anton genau das beschreibt, was der geschundene Leichnam Caesars als »stummer Beweis« beweisen soll.318 Zusätzlich nimmt Antonius an dieser Stelle einen Rollenwechsel vor und 313 Zudem scheint ein Zitat aus dem Neuen Testament anzuklingen: »Und einige Pharisäer in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien« (Lk 19,39 – 40). 314 Shakespeare hat die beeindruckende rhetorische Ästhetik dieser Kreation offenbar selbst erkannt, denn einige Jahre später findet sich ein ganz ähnliches Zitat in dem Stück Coriolan: »For if he show us his wounds and tell us his deeds, we are to put our tongues into those wounds and speak for them« (Shakespeare 2001: 171; Cor. II,3). 315 Für Shakespeares Stück Richard II beschreibt Mahood »tongue« »as the mere organ that makes sounds or as the whole complex organisation of a language« (Mahood 1979: 74); Lüthi kommentiert für Coriolan (v.s.): »Sh[akespeare] spielt mit voices als ›Stimmen‹ (›Produkt der Stimmbänder‹) einerseits, und ›Stimmen‹ (›politische Meinungsäußerung‹) andererseits« (Shakespeare 2001: 171). 316 Die (m. E. etwas übermotivierte) Interpretation, es handele sich bei dieser Passage um eine sexuelle Metaphorik, wird bereits seit einigen Jahren diskutiert (cf. Kahn 1997: 104 und Stern 2004: 19). Tatsächlich könnte eine »doppelte« Allusion vorliegen, allerdings in einem anderen Kontext: Dem Lecken von Wunden wird seit Jahrhunderten eine tatsächliche medizinische Wirkung zugeschrieben; auch wenn Caesar tot ist, könnte dies Sprachbild mittels Allusion also auf eine (irreale) Heilwirkung verweisen. Ein eingehenderer Vergleich mit dem Zitat aus Coriolan (v.s.) und eine historische Betrachtung der Alltagsmedizin zur Zeit Shakespeares könnten hierzu in einer zukünftigen Studie neue Erkenntnisse ermöglichen. 317 In diesem Sinne – und auch in Zusammenhang mit den angedeuteten Allusionen – könnte man diese Passage zusätzlich auch als Katachrese erklären. 318 V.s., cf. Quintilian (2006a: 687 – 689; inst. VI 1,31) und Ueding / Steinbrink (2005: 282).

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bedient sich damit einer »technique of deluting the strength of an attack by appearing to adopt the language of the enemy« (McNeir 1971: 13). Auch dies ist Bestandteil der dissimulativen Insinuation: ein Empathie bildendes und Identifikation stiftendes Element, welches das ethos des Redners bekräftigt und gleichzeitig starke, pathetische Emotionen weckt. Der Absatz ist einer der Höhepunkte der Rede; die kumulative Verkettung der verschiedenen rhetorischen Stilelemente wird zudem noch durch die Aneinanderreihung von Hauptsätzen, Nebensätzen und Ellipsen verstärkt. Natürlich muß an dieser Stelle auch eine prosodische Entwicklung des Textes stattfinden; sie läßt sich an der hervorragenden Verfilmung des Dramas aus dem Jahre 1953 beispielhaft beobachten: Antonius, beeindruckend dargestellt von Marlon Brando (cf. Abbildung 16), nimmt an der besagten Stelle zum einen ein deutliches Crescendo vor, indem er ruhig beginnt und das Stimmvolumen immer mehr anhebt, bis er die letzten Worte mit kräftigster Stimme hinaustönt. Auf der anderen Seite nutzt er ein Accelerando, beschleunigt also die Geschwindigkeit, und erreicht damit zum Ende des Absatzes ein deutlich gesteigertes Tempo (Mankiewicz 1953: 01:18). Auch eine expressivere Mimik und Gestik ist deutlich wahrzunehmen, und so unterstützen auch die parasprachlichen Mittel den (emotionalen) Spannungsbogen dieses Redeteils. Durch die aufgebaute Spannung, die klimaktische Entladung und die Evokation verschiedener emotionaler Stärken redet nicht nur der Redner in einer nachvollziehbaren und angemessenen Leidenschaft, auch der Vortrag muß dabei das Auditorium in »Ekstase« versetzen und damit an diesem neuralgischen Punkt der Rede »körperlich« überzeugen (Pseudo-Longinos 1966: 29; de sublimi. I,3; v.s.). Auch wenn alle der vorangehend genannten Beispiele die beispiellosen rhetorischen Fähigkeiten Shakespeares bereits bezeugen, so bleibt doch das bekannteste und eindrucksvollste Stilelement der Rede der Satz »And Brutus is an honourable man«, der sich wie ein roter Faden durch die gesamte Laudatio zieht.319 Antonius wählt die Behauptung, Brutus (und die anderen Attentäter) seien »ehrhafte« Männer, stets, um seine eigene Argumentation scheinbar zu entkräften. Tatsächlich erreicht er damit aber genau das Gegenteil: Er stellt die Verschwörer als unehrenhaft dar, bekräftigt damit seine eigenen Argumente und erreicht, Caesar als ehrenhaft zu attributieren: »So wird aus der Funeraleine Gerichtsrede mit Brutus als Angeklagtem« (Knape 2000a: 18). Sowohl in der Literatur über die Rede als auch in rhetorischen Abhandlungen gilt dies Stilelement als die »geradezu idealtypische Verkörperung« der Ironie (Stroh 2002: 252): 319 Die Attributierung »honourable« in bezug auf Brutus oder seine Mitverschwörer findet sich, in Variationen, in den Zeilen 11 f., 16, 23, 28, 63, 66, 95, 178 und 180 sowie vom Volk adaptiert in Zeile 98 (s. Anhang).

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Abbildung 16

[…] die neueren Handbücher und Nachschlagewerke sind froh, wenigstens für die Urbedeutung der schillernden, zumal durch die Romantiker bis zur Unkenntlichkeit vieldeutig gewordenen Vokabel Ironie einen griffigen, jedem Literaturkenner verständlichen Beleg zu haben (ibid.: 256).

Wilfried Stroh wagt in seiner erst vor wenigen Jahren erschienenen Untersuchung einen Bruch mit dieser allgemein anerkannten Interpretation und stellt heraus, daß es sich bei der von Antonius verwendeten Figur nicht um Ironie, sondern um die oratio figurata handelt (Stroh 2002 und 2009: 33 f.). Wenngleich die Argumentation nachvollziehbar ist, so scheint es bei einer erneuten Betrachtung nicht ausgeschlossen, daß von Shakespeare dennoch die klassische Ironie als Stilform gemeint war oder sie zumindest mit der oratio figurata verknüpfte, wie sich schlußfolgern läßt. Die Figur der Ironie, die »bekannte Verstellung des Sokrates« (Platon 2004b: 223; Pol. I,11 / 337a), weist zunächst eigentlich recht eindeutig die Definition auf, mit der sich auch die bei Antonius zu beobachtende Aussage interpretieren läßt: »Zu der Art von Allegorie aber, in der das Gegenteil ausgedrückt ist, gehört die Ironie. […] Manchmal wird mit einer Art Hohn das Gegenteil von dem gesagt, was wir verstanden wissen wollen« (Quintilian 2006b: 241; inst. VIII 6,54 – 56). Ein wichtiges Kriterium ist allerdings, daß die Ironie vom Publikum »als solche

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verstanden werden müsse« (Stroh 2002: 259). Das heißt also: Das Auditorium muß verstehen, daß sich der Redner (inhaltlich) verstellt, um die eigentliche Bedeutung seiner Aussagen zu verstehen; es muß erkennen, daß es sich um eine stilistische Figur handelt – ansonsten würde es den Redner mißverstehen: »[…] eine Ironie ohne ›Signale‹ könnte eo ipso keine mehr sein« (ibid.). Der Redner muß also seine absichtliche Verstellung kenntlich machen, und diese eindeutigen Zeichen fehlen nach Stroh in der Rede Marc Antons. Er schlägt daher die oratio figurata als Stilmittel vor,320 die sich hervorragend definiert bei Quintilian findet: Jetzt ist es nämlich so weit, daß wir zu der Art kommen […], die Figur nämlich, bei der wir in einer Art von Argwohn das verstanden wissen wollen, was wir nicht sagen, nicht gerade das Gegenteil wie bei der Ironie, sondern etwas Verstecktes und dem Spürsinn des Hörers zum Suchen Überlassenes (Quintilian 2006b: 299; inst. IX 2,65).

Im folgenden stellt Quintilian die Möglichkeiten auf, in der die oratio figurata Verwendung findet, und nennt hierzu auch Rede-Situationen, die sich mit der Rede Marc Antons vergleichen lassen.321 Während es bei der Ironie auf eindeutige Trigger ankommt, die dem Auditorium die Figur als solche offenbaren, sind jene bei der oratio figurata nicht notwendig: Hier kann das Publikum, z. B. durch eine offenkundig »lumpige« Argumentation, selbst die Unhaltbarkeit der Behauptungen ergründen. Hinsichtlich der Rede Marc Antons muß in der Tat festgestellt werden, daß explizite, eindeutige Zeichen für Ironie im Text Shakespeares fehlen; dies spräche für eine oratio figurata. Allerdings hat sich herausgestellt, daß Antonius mit seiner Aussage, Brutus sei »ehrenwert«, nicht nur seine eigene Argumentation (»figuriert«) als wahrhaftig darstellen, sondern Brutus selbst auch als moralisch verwerflich, als »unehrenwert« charakterisieren will. Damit ist nun 320 Ein weiteres literarisch dokumentiertes Beispiel für eine antike oratio figurata findet sich darüber hinaus in der Ilias mit der Rede des Agamemnon an seine Soldaten, mit der er jene zum weiteren Kampf gegen die Trojaner ermutigen will, indem er ihnen »figuriert« vorschlägt, nach Hause zurückzukehren (cf. Homer 1955: 22 f.; Il. II,110 ff.). Bei Agamemnon schlägt die Strategie allerdings fehl: Nach seiner Rede sind die Soldaten nun in der Tat frohen Willens wieder heimzukehren. 321 »Sie [die oratio figurata, J.K.] findet sich in dreifacher Verwendung: erstens, wenn es zu unsicher ist, offen zu reden; zweitens, wenn es sich nicht schickt; drittens in einer Art, durch die nur um der schönen Form willen verwendet wird […] Die zuerst genannte Verwendung ist häufig bei den Schul-Deklamationen. Denn da erfindet man die Abmachungen, unter denen Tyrannen ihre Herrschaft niederlegen, und nach einem Bürgerkrieg die Senatsbeschlüsse, und da ist es eine todeswürdige Sache, das früher Begangene noch jemandem vorzuwerfen, so daß etwas, was auf dem Forum nicht ratsam ist, in diesen Schulübungen gar nicht gestattet ist. Aber die Voraussetzungen für Figuren sind dabei nicht die gleichen; denn man kann gut, so offen man will, gegen jene Tyrannen sagen, was nur auch anders verstanden werden kann, weil man ja nur die Lebensgefahr, nicht auch den Anstoß, den man erregt, zu meiden hat« (Quintilian 2006b: 299; inst. IX 2,66 f.).

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doch wieder das Ziel der Ironie impliziert, die ja gerade das Gegenteil des Behaupteten ausdrücken will (v.s.). Es muß also festgestellt werden, mit welchen Mitteln eine Ironie deutlich gemacht werden kann; eine Liste hierfür findet sich wiederum bei Quintilian: Diese [Ironie] erkennt man entweder am Ton, in dem sie gesprochen wird, oder an der betreffenden Person oder am Wesen der Sache; denn wenn etwas hiervon dem gesprochenen Wortlaut widerspricht, so ist es klar, daß die Rede etwas Verschiedenes besagen will (Quintilian 2006b: 241; inst. VIII 6,54).

Es erscheint nach diesen Definitionen also möglich, daß Antonius ironisch spricht: Zum einen, weil er in der narratio Caesars Ehrenhaftigkeit beweist (und damit Brutus als Lügner entlarvt) sowie in der argumentatio die Brutalität des Mordes belegt (und damit die Unehrenhaftigkeit des Attentats herausstellt), zum anderen, weil der »Ton«, in dem die Rede gehalten wird, keinesfalls eine Ironie ausschließt. Shakespeare unterläßt es schlicht, hierfür explizite Anweisungen zu geben; es bleibt also Regisseur und Schauspieler überlassen, Antonius eine die Bedeutung verfremdende, ironische Betonung zu verleihen. Jene aber kann mit einfachen Mitteln dazu führen, daß das (interne und externe) Auditorium sofort die Figur als solche erkennen; es kommt dabei einzig auf eine zum Inhalt der Aussagen »unpassende« Betonung an. Hierfür können leicht verschiedene Beispiele gefunden werden: Spricht Antonius das Wort »honourable« zornig, künstlich, gewitzelt, übertrieben, boshaft, überrascht oder abschätzig aus, ist die Ironie nicht zu überhören, denn eigentlich soll die Attributierung die beschriebenen Personen ehren, und mit eben diesen Betonungen paßt diese Bedeutung syntaktisch nicht mehr. In der Verfilmung von 1953 ist eine ironische Artikulation bis zum Schluß der narratio kaum ausgeprägt; allenfalls die Verwendung des Begriffs honourable zum Ende dieses Redeabschnitts (Zeile 23 und 28; cf. Mankiewicz 1953: 01:10) könnte eine sehr leichte ironische Färbung angenommen werden. Dies ändert sich in der argumentatio: Ab der Verwendung des Wortes in Zeile 63 ist eine deutliche akustische Verfremdung wahrzunehmen; Antonius betont das Wort in seiner »refrainartigen« Wiederholung (cf. 3.4.2) phrasenhaft übertrieben und macht es so als abschätziges Zitat deutlich. Bei den noch folgenden Verwendungen des Wortes ist nun ebenfalls eine abschätzige und stark übertriebene Artikulation zu vernehmen (cf. Mankiewicz 1953: 01:14); bei dem hier genannten Beispiel trägt die nachfolgende Beschreibung der Mordtat darüber hinaus dazu bei, daß ab jetzt eine eindeutige ironische Pragmatik deutlich wird: »I fear I wrong the honourable men / Whose daggers have stabb’d Cæsar ; I do fear it« (Zeile 95 f.). Obwohl also am Beispiel der Inszenierung von 1953 eine nachvollziehbare und klar erkennbare Ironie ausgemacht werden kann, ist es eine signifikante Feststellung, daß dies aber erst in der argumentatio deutlich wird. Zuvor, und

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insbesondere zu Beginn der Rede, kann der Begriff »honourable« dagegen kaum ironisch gemeint sein; dies paßt auch nicht zu der Intention, die benevolentia des Publikums zu erlangen (cf. 3.4.2.2). Das Auditorium kann allenfalls rückfolgernd die besondere rhetorische Pragmatik des verwendeten Begriffs erkennen, und dies spricht an dieser Stelle nicht für eine ironische Figur, sondern wieder für die oratio figurata. Es stellt sich letzten Endes also heraus, daß Shakespeare eine Kombination beider Stilfiguren intendiert haben kann: Zu Beginn nutzt Antonius die oratio figurata, und im Verlauf der Rede wandelt sich die Figur zur Ironie. Dies erscheint, wie beschrieben, zum einen für das Setting der Rede angemessen, zum anderen ergibt sich so aber auch, äquivalent zum inhaltlichen, ein stilistischer »Spannungsbogen«: Durch die verschiedenartige Stilistik wandelt Antonius die Bedeutung seiner Rede und kann somit das eigentliche Ziel langsam aufbauen. Dies wiederum verstärkt auch den emotionalen Spannungsbogen: Während die oratio figurata kaum affektisch gestaltet ist, unterstützt die Ironie die starken Emotionen der Rede, wie die verschiedenen Betonungsmöglichkeiten beweisen (v.s.). Es bleibt Wilfried Strohs Verdienst, die zweite stilistische Variante für die Rede Marc Antons nachgewiesen und beschrieben zu haben. Die hier nun gewählte Interpretation, die Verwendung beider Figuren in Kombination, scheint dagegen nicht nur aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen wahrscheinlich, sondern sie belegt auch einmal mehr, daß Shakespeares rhetorische Fähigkeiten eine Genialität und einen Facettenreichtum aufweisen, die sowohl in der Literatur als auch in der politischen Realität ihresgleichen suchen.322 Darüber hinaus wird deutlich: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Wahrheit zu sagen. Dies gilt nicht nur für die Ankündigung, Caesar nicht loben, sondern begraben zu wollen (cf. 3.4.2.2); auch für die Belobigung, Brutus sei ein ehrenwerter Mann, trifft es zu: Auf alle Fälle kann die moderne Sprach- und Literaturwissenschaft von ihr [der oratio figurata, J.K.] und an Shakespeare lernen, daß es für die Diskrepanz von Gesagtem und Gemeintem nicht nur die Alternative von Lüge oder Ironie gibt (Stroh 2002: 266).

Im Gegensatz zu Brutus macht Antonius alles richtig: Seine Rede wirkt genau so, wie er es intendiert hat; das römische Volk steht am Ende hinter ihm und bricht auf zur Revolte gegen die Verschwörer. Es ist eine brillante Rede, die er hält – aber ist es auch eine gute? Betrachtet man die starke Überzeugungskraft, die hohe ästhetische Komposition, die geschickte Verknüpfung aller rhetorischen Ele322 Diese Erkenntnis spricht wiederum dafür, daß Shakespeare eine umfassende und fundierte Ausbildung in Rhetorik erhalten hat; dies könnte also die These bestätigen, Shakespeare sei Schüler der Jesuiten gewesen (cf. 3.4.2.1 und Wilson 2004: 44 – 65).

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mente, die Stiftung von Identifikation (und damit politischer Zukunftsperspektive) sowie die Etablierung eines glaubhaften, vertrauenswürdigen ethos, so bleibt zunächst kein anderes Prädikat als gut, das der Rede verliehen werden muß; die Laudatio »remains a masterpiece of persuasive rhetoric« (Gilbert 1997: 315). Wenn die Entscheidung auf den ersten Blick nicht schwer zu fallen scheint, so mögen die vielen Kommentare, die Marc Antons Rede in die Nähe der Demagogie oder gar eines manipulatorischen Volksverhetzers stellen, nicht so recht zu einer guten Beurteilung der Rede passen: »Die Rede des Antonius wurde in der Sekundärliteratur bei aller Hochachtung von der rhetorischen Meisterschaft […] nicht selten als verabscheuungswürdige Demagogie abgetan« (Hammerschmidt 1978: 383). Antonius, so ist zu lesen, betreibe »Falschmünzerei im großen Stil« (Schlösser 1971: 248), er greife »in die demagogische Trickkiste« (Müllenbrock 1992: 56), er arbeite mit »allen Mitteln raffinierter Manipulation der Affekte«, er sei als »Demagoge« symbolisch für einen »triumph of unreason and unscrupulous opportunism over rationalizations and scruples« (McNeir 1971: 14). Aussagen wie diese erlauben gewiß nicht mehr eine gute Beurteilung des Redners, denn sie sprechen Antonius letztlich das moralische Leitbild der klassischen Rhetorik ab: Wer ein Demagoge ist, kann schwerlich ein vir bonus sein; verfolgt Antonius aber mit seiner Ansprache schlechte Ziele und nutzt dafür manipulative, volksverhetzende Mittel, kann demnach auch nicht mehr von einer guten Rede gesprochen werden. Um zu einer Lösung zu kommen, die nicht nur die Rede verläßlich bewertet, sondern auch über ihre Mittel und Ziele gerecht urteilt, bedarf es allerdings mehr als nur einiger Pauschalurteile, die vielleicht auch deshalb schnell gefällt sind, weil Antonius (rhetorisch) sehr viel geschickter vorgeht als Brutus, der zwar scheitert, dafür aber die republikanische Idee vertritt. Doch dies allein reicht nicht aus, um Antonius negativ zu beurteilen: »Formvollendete Redekunst als solche ist keine Schande; es kommt darauf an, wozu sie gehandhabt wird« (Schlösser 1971: 248). Schreibt man Antonius allerdings die Qualitäten eines Demagogen zu, so nimmt man in der Tat eine deutlich negative Bewertung seiner Handlungen vor und teilt ihn sehr klar in die Kategorie eines »vir malus« ein. Während der Begriff des demagogos in der griechischen Antike als Volksführer und Staatsmann (cf. Gemoll 1965: 192) zumindest neutral, wenn nicht oftmals gar positiv besetzt war, hat sich die Bedeutung heute gewandelt: Der Duden definiert den Begriff eindeutig abwertend als »Volksverführer« und »Volksaufwiegler« (Duden 1993: 690); ebenso kommentiert der Duden »Demagoge« im Fremdwörterbuch als »abwertendes politisches Schlagwort« (in Duden, Deutsches Fremdwörterbuch 1999b: 229); der Demagoge betreibe »politische Agitation mit dem Ziel der Volksaufwiegelung, der Beeinflussung von Massen, gewissenlose politische

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Hetze, Volksverführung, -verhetzung, -aufwiegelung […]« (ibid.: 230). Morlock erläutert: Demagogie betreibt, wer bei günstiger Gelegenheit öffentlich für ein politisches Ziel wirbt, indem er der Masse schmeichelt, an ihre Gefühle, Instinkte und Vorurteile appelliert; ferner wer sich der Hetze und Lüge schuldig macht, Wahres übertrieben oder grob vereinfacht darstellt, die Sache, die er durchsetzen will, für die Sache aller Gutgesinnten ausgibt, und die Art und Weise, wie er sie durchsetzt oder durchzusetzen vorschlägt, als die einzig mögliche hinstellt (Morlock 1977: 24).

Dies klingt zunächst nach einer erdrückenden Beweislast gegen Antonius; seine Rede erfüllt damit durchaus den Tatbestand der Aufwiegelung, er beeinflußt demnach die Massen zu seinen Gunsten, und er appelliert ebenfalls sehr deutlich an deren Gefühle und Instinkte, um »seine Sache« durchzusetzen. Dennoch wäre die Schlußfolgerung zu einfach, ihm eine kühl berechnete Demagogie zu unterstellten; damit täte man nicht nur der Figur des Antonius unrecht, sondern ebenso Shakespeare, dessen Charakterschöpfung hierdurch eine viel zu eindeutige antagonistische, fast melodramatische Eigenschaft zukäme: Die ganze Forumsszene ist darauf angelegt, den [externen, J.K.] Rezipienten zur eigenen Urteilsbildung herauszufordern, zur gedanklichen Auseinandersetzung mit Wesen und Ziel der Rhetorik. […] Wertungen wie die, daß Antonius ein guter und Brutus ein schlechter Redner ist oder daß Antonius als schlechter und Brutus als guter Mensch dargestellt wird, sind verfehlt, weil sie der dramatischen Komplexität der Forumsszene nicht gerecht werden (Müller 1979: 147 f.).

Um den Fall einigermaßen zufriedenstellend zu klären, darf man allerdings nicht nur die Forumsszene betrachten; es ist unerläßlich, den (von Shakespeare gegebenen) Kontext in die Überlegungen mit einzubeziehen und dadurch Marc Antons Motive und Glaubwürdigkeit zu überprüfen; hiermit ließen sich Vorwürfe wie Hetze, Lüge und politischer Egoismus verifizieren oder entkräften. Antonius spielt bis zu seinem Auftritt auf dem Forum eher eine untergeordnete Rolle für das Drama; erst mit seiner Laudatio übernimmt er die protagonistische Position Caesars. Der Verlust des politischen Führers bedeutet nicht nur den drohenden Verlust der gesellschaftlichen Position und politischen Karriere Marc Antons, sondern auch das Abhandenkommen eines eigenständigen politischen Systems als Gegenentwurf zu dem, welches Brutus und die Attentäter vertreten. Besonders harsche Kritik an Antonius findet sich bei Anselm Schlösser, der Brutus jene moralische Integrität attestiert, die er Marc Anton abspricht: »Bei Brutus steht außer Frage, daß sein Sinn aufs gemeine Wohl gerichtet ist […]« (Schlösser 1971: 248). Diese Behauptung mag man bei einer genaueren Betrachtung von Julius Caesar nicht mehr so recht glauben; Shakespeare unterläßt es vielmehr, eine eindeutig gültige moralische Wertung beider Gegenspieler vorzunehmen, und es scheint fast so, als glaube Brutus sich

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selbst nicht, nur aus humanen und politisch edlen Zielen zu handeln: Zum Attentat muß er sich selbst überreden (II. Akt, 1. Szene), die Verteidigungsrede vor dem Volk weist schwerwiegende, nachlässige Fehler auf und endet in substanzlosen Anschuldigungen; die Selbstzweifel, die wie die Konsequenz der Verschwörung allegorisch durch den Geist Caesars »bei Philippi« personifiziert werden, tragen schließlich dazu bei, ihn in den Selbstmord zu treiben. Nicht während des Attentats oder gar der mißlingenden Rede auf dem Forum, sondern erst an diesem Punkt, an dem er seine eigene Unzulänglichkeit erkennt, wird Brutus zum (politischen) Helden des Stücks, den Antonius erst jetzt als solchen respektiert und (nun ehrlich) preist: »This was the noblest Roman of them all« (Shakespeare 1966: 129; JC V,5). Die Republik, die Brutus bewahren will, verliert sich in der historischen Vorlage (und im historischen Kontext des Stücks) seit Jahren im Bürgerkrieg, in Zwistigkeiten und im »Polit-Klüngel«; sie hat nichts mit der modernen Vorstellung einer republikanischen Demokratie zu tun, wie sie heute politologisches Vorbild ist: Im Rom des ersten Jahrhunderts vor Christi Geburt wird das politische System pervertiert; die überholte Staatsform geht in Agonie dem Untergang entgegen, und es herrscht eine oligarchische Minderheit, deren Macht durch Caesars politische Erfolge und Beliebtheit im Volk empfindlich gestört wird. Diese Lesart der Geschichte, die Shakespeares Drama verständlicher und als Interpretationshilfe plausibler macht, wird durch die Unsicherheiten seiner Protagonisten verstärkt.323 Selbst wenn Brutus also ein echter politischer Idealist wäre; das System, das er konservieren will, ist dagegen keineswegs idealistisch: »Diejenigen, die mit einem Tyrannenmord am Hochverräter Caesar die Republik retten zu können meinten, versagten bei der politischen Umsetzung ihrer Tat« (Knape 2000a: 20). Wenn Antonius dies System durch ein neues, volksnäheres und sozialeres (!) ersetzen will, überwindet er damit auch die verfilzten Strukturen des alten; nach den egoistischen Perspektiven eines politischen Hetzers klingt dies nicht. Will er dies aber erreichen, muß er die alten Machtstrukturen auflösen, eine Revolution erzwingen und damit einen Umsturz bewirken. Hierzu muß er nicht nur das Volk für sich gewinnen, sondern es ebenso gegen die politischen Herrscher aufbringen. Dies muß das telos seiner Rede sein, wenn er seine politischen Ziele durchsetzen will. Unterstellt man Antonius eine rein demagogische Aufwiegelung des Volkes, verkennt man, daß es sich bei der zu evozierenden Revolte für ihn um eine politische Notwendigkeit handelt.

323 Es ist eine signifikante Erkenntnis, daß ein modernes republikanisches System auch zu Zeiten Shakespeares noch nicht vorstellbar gewesen sein kann, und daß jener, wenn er die Wahl zwischen »Pest und Cholera« darstellt, dies auch aus der Perspektive seiner Zeit vornimmt – Kritik an der fehlenden, echten politischen Alternative im England Shakespeares ist somit mitunter absichtlich in die Dramenästhetik seines Stücks eingeschlossen.

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Antonius’ Strategie ist also politisch nicht unbegründet und willkürlich, und man muß darüber hinaus überlegen, ob es in all seinen Facetten ein rein kalkulativer Vortrag sein kann, den er konstruiert und hält. Immerhin handelt es sich um die Leichenfeier für Caesar, und da Antonius ein enger Freund und politischer Vertrauter Caesars war, so kann man ihm eine wahrheitsgemäße Erregung, eine echte Trauer, sicherlich nicht absprechen, selbst wenn er mit einer umfunktionierten laudatio funebris ein politisches Ziel verfolgt: »In Antonius hat Shakespeare einen Redner geschaffen, der in einmaliger Weise Rationales und Emotionales verquickt« (Müller 1979: 145). Dies wird auch in der Inszenierung von 1953 deutlich: Die expressive Prosodie, mit der Antonius seine Rede hält (v.s.), zeugt nicht von einem hinterlistigen, einflüsternden Manipulator, sondern von einem leidenschaftlichen Politiker, dem eine Gruppe von Verschwörern seinen engsten Freund und politischen Mitstreiter genommen hat (cf. Mankiewicz 1953) – und dies, obwohl jener beim Volk hochgeachtet und beliebt war. Es mag daher eine der wichtigsten Aussagen dieser Szene sein, daß die Unterscheidung zwischen einem integren vir bonus auf der einen und einem rhetorisch überzeugenden Politiker auf der anderen Seite, der aber in Wahrheit nur ein Blender und Hetzer ist, manchmal nicht besonders groß scheint und eine Gradwanderung bedeutet, selbst wenn an dieser Stelle deutlich wurde, daß Antonius kein bösartiger Demagoge ist: Besonders im Fall von Antonius würde eine schematische Einstufung als vir malus die besondere Individualität des Charakters verkennen und die Tatsache mißachten, daß in seiner Rede der echte Schmerz und Zorn wegen Cäsars Tod und die berechnende Kunst der Dissimulation und Insinuation eine einzigartige Verbindung eingehen (ibid.: 149).

Daß Antonius dabei Elemente einer demagogischen Rede nutzt oder zumindest stark in deren Nähe operiert, soll dabei keinesfalls verschwiegen werden. Die Szene auf dem Forum macht auch darauf aufmerksam, daß eine Rede diese Mittel beinhalten kann und unter Umständen auch imstande ist, damit die rednerische Wirkung eines vir bonus wenigstens kurzfristig zu überflügeln; dies ist ein Schluß, der aus dem meta-dramatischen Vergleich der Reden Brutus’ und Marc Antons in jedem Fall gefolgert werden kann (cf. Greenblatt in New York Times 03. 10. 2004: 11 sowie Müller 1979: 148 f.). Die politische Rede ist eine Waffe, bei der es wie bei jeder Ausübung von Macht darauf ankommt, wer sie zu welchem Zweck benutzt. Marcel Reich-Ranicki resümierte: Der auf dem Forum triumphierende Mark Anton ist also ein hervorragender Volksredner und zugleich ein Meister der Demagogie. Aber ist vielleicht jeder Volksredner ein Demagoge, muß er es gar sein? Wer sich an die Massen wendet, der will sie beeinflussen und überzeugen, der Demagoge aber will sie […] auch und vor allem aufwiegeln und aufhetzen. Doch wo ist die Grenze zwischen Einflußnahme und Aufwie-

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gelung […]? Kurzum: Der erfolgreiche Volksredner ist ohne eine nennenswerte Beimischung des Demagogischen überhaupt nicht denkbar (Reich-Ranicki in FAZ 16. 08. 1997: 1).

3.4.2.4 Zusammenfassung und Ergebnis O ein Todesstoß von Brutus’ Schwerte! Auch du – Brutus – du? Sohn – es war dein Vater – Sohn – die Erde Wär gefallen dir als Erbe zu. Friedrich Schiller, Die Räuber (IV,5)

Die Rede, die Shakespeare seinem Marc Anton zuschreibt, ist aus vielerlei Gründen bemerkenswert: Sie ist bis heute ein Paradebeispiel dafür, wozu Rhetorik fähig ist, sie belegt das geniale Talent, die hohe Bildung und die Fähigkeiten Shakespeares für bewundernswerte ästhetische Sprachkompositionen, sie führt den Zwiespalt zwischen rednerischer Überzeugungskraft und Manipulation beispielhaft vor Augen und sie erzeugt ein realistisches Bild jener Szene, die sich nach der Ermordung Caesars tatsächlich so zugetragen haben könnte: Shakespeare gelingt es, die Zuschauer zum Publikum der historischen laudatio funebris zu machen, wie sie sich im Jahr 44 vor Christi Geburt möglicherweise wirklich ereignet hat, und gerade die dramenästhetische Verfremdung gewährt im Gegensatz zu einer prosaischen Rede die Erkenntnis, daß hier Unerhörtes geschieht. Es ist selbstverständlich nicht bekannt, inwieweit Shakespeare um die Problematik der Diskrepanz zwischen einer antiken laudatio funebris und einem politischen genus deliberativum wußte (obwohl sie ihm bei der offensichtlich vorhandenen rhetorischen Bildung bekannt gewesen sein dürfte); in jedem Fall tut er aber genau das, was auch ein realer Redner, in diesem Fall Antonius, getan hätte: Er nutzt die Gunst der Situation und kreiert eine Rede, die über die eigentlichen vorgegebenen Möglichkeiten hinauswächst. Das muß sie auch, denn wenn es Antonius an diesem Punkt nicht gelingt, das Volk hinter sich und seine politische Überzeugung zu scharen, wird es ihm nie gelingen. Das Setting dafür ist denkbar ungünstig: Das Volk ist gerade zum Anhänger des Gegners geworden; trifft Antonius auch nur ein einziges Mal den falschen Ton, wird ihn die aufgebrachte Menge dafür zur Rechenschaft ziehen. Antonius nutzt eine Fülle an verschiedenen Elementen, um den Duktus seiner Rede langsam zu ändern: Die vorsichtige Trauer über den Toten verwandelt er in Zorn, die Ehrerbietung für die Attentäter in Verachtung und Wut. Hierfür etabliert er zunächst ein ehrliches ethos für sich und seine Sache, deeskaliert die brenzlige Situation,

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indem er vorgibt, Brutus nicht herabsetzen zu wollen, und kann dadurch sofort damit beginnen, dessen Anschuldigungen mit einer klugen, sachlogischen Argumentation zu entkräften und Caesars Ehrbarkeit wieder herzustellen. Das wird erst durch diesen dissimulativ-insinuativen Vorgang möglich, mit dem Antonius das Vertrauen seiner Zuhörer erlangt und nun sehr langsam und sorgfältig eine neue attributive Perspektivierung vornehmen kann. Er versteht es darüber hinaus, die partes orationis den Bedingungen angemessen anzupassen, indem er durch den Gewinn der benevolentia die erste (Gegen-)Argumentation schon in die narratio einbetten kann, damit die erste Überzeugung leistet und in der eigentlichen argumentatio darauf aufbaut und neue und unwiderlegbare »Beweismittel« deiktisch präsentiert. Es folgen hierfür geschickte Spannungsbögen, die sein Publikum neugierig machen und es gleichzeitig von der Unschuldigkeit und Rechtschaffenheit Caesars überzeugen; diese klimaktisch angelegten Abschnitte beinhalten stets eine Kombination aus argumentativen Grundelementen, ethos evozierenden Attributierungen und authentischen pathetischen Peaks, die einem Erzählstrang als neuralgisches affektisches Ventil dienen und aufgestaute starke Emotionen kanalisiert und glaubwürdig entladen. Dies ist der Katalysator der Rede; die wesentliche Wirkungsbasis aber ist das ethos und die starke kontrastive Perspektivierung: Auf der einen Seite der Verlust des ehrenhaften und zu Recht geliebten Caesars, auf der anderen Seite die Verschwörer, die ihre Diffamierung und brutale Mordtat mit ihrer »Ehrenhaftigkeit« tarnen. Dies ist die Grundaussage der Rede, deren emotionale Aufladung Antonius durch pathos entlädt und somit sein telos, die Revolution gegen Brutus, erreicht. Durch die dissimulativ-insinuativen Aspekte schafft er nicht nur die nötige Deeskalation, sondern ermöglicht ebenso die für die ethischen und pathetischen Elemente notwendige Empathie und erzeugt so schließlich Identifikation; die Figuren und Sprachbilder verknüpfen all diese Aspekte zu einem in sich stimmigen und ästhetisch äußerst eleganten Text, der durch die Kombination aus der oratio figurata und der Ironie einen durchgängigen roten Faden erhält, an dem der pragmatische Wandel seiner Ausführungen deutlich nachvollziehbar ist. Durch das dialogische Konzept der Rede erhält das Publikum die Möglichkeit, den Vortrag zu verstehen, emotional-kognitiv zu verarbeiten und darauf zu reagieren; durch die Reaktionen wiederum kann der Redner seine Rede jederzeit den Bedürfnissen seines Auditoriums neu anpassen: Es entsteht ein interaktiver Kommunikationsprozeß, der die empathische und identifikatorische Nähe von Redner und Publikum verstärkt, und die Rede folgt damit den Maximen, die auch Gadamer für eine gelingende, gute Rede beschreibt (cf. 2.1.5 und Gadamer 2003: 21). Durch die kontrastive Perspektivierung, den Dialog mit dem Publikum und die perfekte Angleichung der Rede an die durch das aptum vorgegebenen Voraussetzungen entsteht schließlich eine kommunikative Übereinstimmung, eine Passung zwischen Orator und Auditorium. Durch den

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Einsatz deiktischer Aspekte mittels »aussagekräftiger« Beweisstücke, die er inhaltlich, dramatisch und affektisch sinnvoll in seinen Vortrag integriert, führt er sein Publikum direkt zur verbildlichten Brutalität der Tat, die sich nun an der neu etablierten ethischen Attributierung des Opfers messen lassen muß. Dessen (ethischer) Nachlaß, gleichsam die Zukunftsperspektive für das Auditorium, runden die Rede ab und führen sie mit einer rhetorischen Frage zum explosiven Höhepunkt: »Here was a Cæsar! when comes such another?« (Zeile 233). Um eine für das externe Auditorium, also das Theaterpublikum, authentische und nachvollziehbare Redesituation zu erschaffen, fügt Shakespeare die Forumsszene exakt in die historischen Ereignisse und Vorgaben ein, die er für die Bühnen-»Dokumentation« seiner Zeit ästhetisch anpaßt und den Möglichkeiten des Theaters entsprechend interpretativ aufarbeitet und zeitlich schürzt. Hierdurch gelingt ihm nicht nur eine »unterhaltende« Bühnenadaption, er wirft auch bewußt Fragen zu Politik, Macht und dem Umgang mit der Wirkung des Wortes auf, die er selbst nicht eindeutig beantwortet: Das Erkennen der Fragestellung ist das Ziel seiner dramatischen Arbeit. Dies wird auch an dem Vergleich mit der Situation, politischen Motivation und der Rede des Brutus deutlich. Brutus’ Ansprache ist eben nicht das zwar eindeutig ehrliche und ehrenwerte, aber glücklose Gegenstück zu Marc Antons Laudatio, sie ist nicht nur im »anti-demagogischen« ductus simplex geschrieben und »durch sinceritas und perspecutias gekenntzeichnet« (Müller 1979: 127), sondern Brutus bedient sich ebenso der Unterstützung der breiten Masse des Volks, um sich und seine Tat legitimieren zu lassen, er folgt ebenso Senecas Gebot, »[…] sacra populi lingua est« (Seneca 1967: 72; contr. I 1,10), und rückt ebenso wie Antonius in die Nähe eines politischen Manipulators: […] doch handelt auch er als ein die vielschichtige, meist widerspenstige Wirklichkeit des Lebens zurechtstutzender, als ein die Kontingenz des Faktischen (und damit der Geschichte) bewußt korrigierender Rhetoriker. […] Die Ehre, auf die sich Brutus beruft und welche ihm von Antonius in dessen klug disponierter Entgegnung in Abrede gestellt wird, ist nicht zufällig ein negoziables Gut, dessen Wert den schwankenden Kursen auf dem Marktplatz feilschender Meinungen unterliegt (Müllenbrock 1992: 56 f.).324

Shakespeare ermöglicht hiermit zusätzlich einen kritischen Blick auf das Volk und die opinio communis, die letztlich die entscheidende Instanz für die Akzeptanz und Legitimation von Politik ist – welchem moralischen Duktus jene auch folgen mag. 324 Wer also Brutus, wie z. B. Schlösser (1971: 248; cf. 3.4.2.3), als glühenden und integren Verfechter eines idealistischen Freiheitssystems auffaßt, läuft Gefahr, Shakespeare mit Schiller zu verwechseln.

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Wenn Antonius seine eigene Trauer in die Trauer des ganzen Volks verwandelt, ist dies zwar politisch eine kluge Taktik, dennoch steht sie ganz in der Tradition der antiken laudatio funebris: Diese Rede weckt in der Menge, die durch sie an die Ereignisse erinnert wird und sie wieder vor Augen gestellt bekommt […], ein solches Mitgefühl, daß der Todesfall nicht als ein persönlicher Verlust für den Leidtragenden, sondern als ein Verlust für das Volk im ganzen erscheint (cf. Polybios 1978: 578; historiae VI,53.).

Es mag zutreffen, daß Marc Antons Rede der Katalysator für die nachfolgenden politischen Ereignisse ist; wenn er es aber schafft, daß das Volk – zu Recht – um Caesar trauert, kann an der Motivation des Brutus und seiner Mitverschwörer, die ihre Tat ja gerade mit dem Wohl und der Zustimmung des Volkes legitimieren, etwas nicht stimmen. Shakespeare selbst gibt hierfür einen wunderbaren ironischen Hinweis, denn als Brutus zum Ende seiner Ansprache kommt, ruft das Volk begeistert aus: »Let him be Cæsar. […] Cæsar’s better parts / Shall be crown’d in Brutus« (Skakespeare 1966: 80; III,2). Der politische Ehrenmann, der den Dictator aus ethisch-moralischen Gründen mit brutalen Mitteln beseitigt, scheint den Despoten am Ende nur zu ersetzen: Brutus as chief antagonist is fragmented by the ambivalence of his love-hated attitude toward Caesar, ingeniously committed to an abstract ideal of republican liberty that is implicitly egalitarian while at the same time he cheriches his own superiority as the descendant of illustrious ancestors, impervious to advice and inflexible in his wrong headedness (McNeir 1971: 18).

Betrachtet man die Revolutionen auf der Welt des 20. Jahrhunderts, so wird man mehr als einmal eine Parallele finden: Shakespeare erweist sich auch an dieser Stelle als politischer Analyst mit prophetischen Zügen. Beide Redner aus Shakespeares Drama kämpfen letztlich mit denselben Mitteln um dieselbe Macht – nämlich um das Volk von Rom, mit dessen Rückhalt sie die Macht zur politischen Führung erlangen: Brutus und Antonius dürfen […] keineswegs durch eine kategoriale Dichotomie voneinander getrennt werden […] Sie agieren vielmehr im gemeinsamen Raum öffentlichen Ringens, das beiden seinen Stempel aufprägt (Müllenbrock 1992: 57).

Weder Brutus noch Antonius taugen dabei zu echten politischen »Vorbildern« und Helden, jeder versagt durch persönliche Fehler und Fehleinschätzungen: »No hero emerges from the dynamics of the two groups aligned each other, and this I take to be Shakespeare’s view of the events he was dramatizing« (McNeir 1971: 18). Marc Antons Rede ist ein Beispiel für die Macht, die einem rhetorisch angereicherte Sprache verleiht, aber sie offenbart auch deren Grenzen und Gefahren.

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3.4.3 Wenn der Wind sich dreht: Wirkungsmechanismen im Vergleich Die Fernsehansprache Gerhard Schröders zum Kosovo-Krieg und die Rede Marc Antons aus Shakespeares Julius Caesar weisen auf den ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten auf: Auf der einen Seite die moderne Ansprache über das Medium Fernsehen, um einen Krieg zu rechtfertigen, auf der anderen Seite eine Rede, angesiedelt auf dem Forum im antiken Rom, zum Begräbnis des jüngst ermordeten politischen Anführers. Das Setting, der Kontext, die konkreten Redesituationen verbindet nicht besonders viel, und dennoch stehen beide Redner vor demselben konkreten Problem: Beide müssen die Meinung des Auditoriums ins genaue Gegenteil verkehren, und beiden gelingt es. Es stellen sich im Vergleich einige Elemente als übereinstimmend und entscheidend heraus; andere dagegen bestimmen die Wirkungsästhetik jeweils nur einer der beiden Reden. Es ist signifikant, daß beide Redner vor allem das ethos als bestimmende Wirkungsbasis nutzen. Durch die eindeutige kontrastive Perspektivierung werden die eigenen politischen Überzeugungen, die eigene Person und Partei sowie der politische Gegner klar in verschiedene Lager eingeteilt: Auf der einen Seite die eigene Partei, deren Motiv und Charakter ethos-basierend als moralisch gut, richtig und ehrenwert dargestellt werden, auf der anderen Seite die gegnerische Partei, die als schlecht, brutal, verschlagen und unmoralisch attributiert wird. Für das Auditorium wird nun die Zugehörigkeit und Identifikation mit der eigenen, moralischen richtigen Partei hergestellt: Hierdurch gelingt eine (ideelle) interaktive Passung zwischen Orator und Auditorium, die beide miteinander kommunikativ verknüpft und aneinander bindet. Während Schröder die kontrastive Einteilung von Anfang an durch eine deutliche Perspektivierung in einem »Wir- / sie-Diskurs« vornimmt, geht Antonius einen Umweg: Obwohl er Brutus und die Verschwörer als eigenständige Partei von sich und dem Publikum trennt – »For Brutus is an honourable man; / So are they all, all honourable men […]« (Zeile 11 f.) –, weist er ihnen zunächst ein ehrenhaftes ethos zu. Dies ist eine Notwendigkeit, die aus der prekäreren Ausgangslage resultiert: Antonius muß »live« gegen eine Überzeugung angehen, die gerade erst von einem umjubelten Redner etabliert wurde; ein höchst emotionalisiertes Publikum birgt in seinem Fall, bei einem unsensibleren Beginn, tatsächlich Gefahr für sein eigenes Leben. Er ist also den Reaktionen des Publikums unmittelbar ausgesetzt; hier hat Schröder durch die Medialisierung einen eindeutigen Vorteil. Den Nachteil, den Antonius hat, nutzt jener indes zu seinen Gunsten: Durch explizite Pausen und Fragen kann er das Publikum in eine interaktive Kommunikation mit einbinden, erzielte Wirkungen somit etablieren und seine Rede den aktuell auftretenden Bedürfnissen jederzeit anpassen. Dies wiederum bleibt Schröder verwehrt: Er muß sich an das starre Gerüst seiner TV Address halten.

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Es ergibt sich also die bemerkenswerte Erkenntnis, daß Schröders eindeutige perspektivische Strategie bei einer medialisierten Rede sinnvoll ist, Marc Antons langsame und etappenweise durchgeführte Kontrastierung dagegen für eine klassische Face-to-Face Kommunikation weniger risikoreich und für die Dramaturgie der Rede durchaus funktional ist. Die affektive Gemeinsamkeit der beiden Reden, die klare Zuweisung von ethos und Unmoral, beweist dagegen jeweils die Relevanz dieses Wirkungsmittels, wenn die eigene Überzeugung eine andere dauerhaft ersetzen soll, wodurch aktuelle kommunikationswissenschaftliche Theorien (cf. 3.2) somit mit den Mitteln der diskurs-rhetorischen Analyse belegt werden können. Ein weiteres Wirkungselement beider Reden ist signifikant, läßt sich aber ebenfalls mit den verschiedenen Wirkungsbedingungen erläutern: Während Antonius zum Teil ein energisches pathos schürt, ist dies Element, insbesondere in der klimaktischen Verwendung, bei Schröder nicht auszumachen. Dies erklärt sich dadurch, daß beide Redner zwar ein äquivalentes Grundmotiv besitzen – die Überzeugung eines Publikums gegenteiliger Ansicht –, sich im Anschluß an die Reden aber grundsätzlich verschiedene Nachfelder ergeben: Für Antonius ist es zum Erreichen seiner politischen Ziele unerläßlich, das Auditorium sofort hinter sich zu scharen und gegen den Gegner, auch physisch, aufzubringen; Schröder dagegen muß eher einen langfristig »haltbaren« Überzeugungswandel erreichen, der allerdings keine physische Aktion nach sich ziehen soll. Eine in diesem Sinne vergleichbare Situation ergab sich auch für Helmut Kohl vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche im Jahr 1989, der mit ähnlich schwierigen »Live«-Bedingungen zu kämpfen hatte wie Marc Anton, im Gegensatz zu jenem aber wie Schröder eine langfristige Überzeugung etablieren wollte und das pathos daher nur sehr reguliert an einigen wenigen Abschnitten seiner Rede einsetzte (cf. 3.3.1). Es wird daraus ersichtlich, daß das pathos immer dann als probates Wirkungsmittel erscheint, wenn heftigen Gefühlsregungen unmittelbare, tätige Handlungen folgen sollen, daß durch den Einsatz einer Perspektivierung, mit der eine kontrastive, ethos-basierende Attributierung vorgenommen wird, dagegen langfristige Überzeugungen etabliert werden können. Marc Antons Ironie bzw. die oratio figurata müssen ebenfalls im Kontext seiner »Antwort« auf Brutus’ Ausführungen gewertet werden: Nur in einer Debatte kann das Stilmittel sinnvoll die Gegenpartei demaskieren; Schröder dagegen muß in seiner Ansprache nicht auf eine zuvor erbrachte Argumentation reagieren. Anders verhält es sich aber mit der Deixis, in deren Zusammenhang die Präsentation des Leichnams Caesars zu betrachten ist. Natürlich könnte Schröder, ohne diesen Gedanken genauer auszuführen, in seiner Fernsehansprache kaum eine deiktische Handlung wie Antonius vornehmen; es wäre aber denkbar, daß er die Brutalität des Gegners – hier also die des Regimes Milosˇevic´

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– narrativ illustriert.325 Die Analyse der Rede Marc Antons hat ergeben, daß dadurch keineswegs nur pathetische Ziele verfolgt werden, sondern daß die Einbindung deiktischer Beweisführung genauso auch eine sachlogische Argumentation und insbesondere eine ethos-bezogene Attributierung beinhaltet, die die Überzeugungsstrategie durch ein wichtiges und höchst effizientes Element vervollständigt: Brutus’ ästhetische, aber unpräzise Unterstellungen können widerlegt werden, Marc Antons Deixis aber »spricht« unangreifbar für sich. Ein weiterer auffälliger Unterschied ergibt sich aus dem Element der Spannungsschürung: Während Antonius ganz eindeutig verschiedene Spannungsbögen nutzt, um die Aufmerksamkeit des Auditorium zu gewinnen (wie es ähnlich auch bei der Rede des Marquis Posa beobachtet werden konnte; cf. 3.3.2), kann dies bei Schröder keineswegs vergleichbar nachgewiesen werden. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, daß er bei einer Fernsehansprache als Bundeskanzler bewußt auf ein solches Mittel verzichten will, um sich nicht der Kritik einer dramaturgisch »verzerrten« Rede auszusetzen und es vorzieht, eine »transparentere« Argumentation zu führen; zudem kann er den daraus resultierenden dialogischen Charakter nicht für sich nutzen. Es scheint aber denkbar, daß eine nicht televisuell medialisierte Rede, die beispielsweise auf einer öffentlichen Kundgebung gehalten wird, dieses Element doch nötig gemacht hätte, um bei einem unkonzentrierteren, heterogenen Publikum eine erhöhte Aufmerksamkeit erreichen zu können. Es stellt sich nach den Analysen und dem Vergleich beider Reden darüber hinaus als unbedingt notwendig heraus, die in 2.1.5 aufgestellten Thesen über die ethisch-moralischen Aspekte, sowohl jene in bezug auf den Orator als auch jene des Auditoriums, in Zukunft in die wissenschaftliche Diskussion weiterhin einzubetten: Die moralische »Bedenklichkeit« bis hin zu den Anschuldigungen der Demagogie, mit denen die Rede Marc Antons oftmals etikettiert wurde, läßt sich im Zweifel auch auf reale politische Reden übertragen. Dies gilt natürlich um so mehr, wenn sich bestehende Meinungen mittels einer Rede ändern; der Vorwurf der Manipulation und Beeinflussung ist in so einem Fall schnell ausgesprochen. Dies mag auf den ersten Blick sogar gerechtfertigt sein, denn wenn man von rhetorischen Strategien spricht, mit denen politische Bestrebungen durchgesetzt werden sollen, wird schnell vergessen, daß »Strategien« nur das notwendige Mittel sind, um ein Auditorium von der »richtigen« Politik zu überzeugen – oder im Sinne der antiken Philosophie: von der Wahrheit. Die Überprüfung der Frage, ob eine Syntaktisierung von erbrachten sachlogischen und affektischen Beweisen mit dem telos einer Rede (und einer dieser ange325 Mit dieser Interpretation (Quintilian 2006a: 687 – 689; inst. VI 1,31 und Ueding / Steinbrink 2005: 282) lassen sich nun auch die Ausführungen Rudolf Scharpings über die Greueltaten im Kosovo rhetorisch erklären (cf. 3.4.1.1).

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Rhetorische Diskursanalysen von politischen Reden

schlossenen, bestimmten Politik) gerechtfertigt sind, ist die Aufgabe eines jeden Redners, wenn seine Rede nicht das Ziel verfehlen und er selbst als Lügner oder gar als Demagoge tituliert werden soll. Es erscheint evident, daß diese Überwachung nicht nur dem Redner, sondern genau so auch dem Auditorium zukommt: Es gibt wohl keine andere literarische Bearbeitung als Shakespeares Julius Caesar, in der es so deutlich wird, wie schnell ein Publikum zum Spielball der Politik werden kann. Dieser Rolle kann ein Auditorium nur entkommen, wenn es sich der Aufgabe stellt, nicht nur »Wirkungs-Empfänger«, sondern richtende Instanz über Rhetorik und telos des Redners zu sein.

Abbildung 17

Das Reden tut dem Menschen gut; Wenn man es nämlich selber tut; Von Angstprodukten abgesehen, Denn so etwas bekommt nicht schön. Die Segelflotte der Gedanken, Wie fröhlich fährt sie durch die Schranken Der aufgesperrten Mundesschleuse Bei gutem Winde auf die Reise Und steuert auf des Schalles Wellen Nach den bekannten offnen Stellen Am Kopfe, in des Ohres Hafen Der Menschen, die mitunter schlafen. Vor allem der Politikus Gönnt sich der Rede Vollgenuß; Und wenn er von was sagt, so sei’s, ist man auch sicher, daß er’s weiß. Wilhelm Busch, Maler Klecksel

4 Schlußbetrachtung und Ausblick

4.1

Rhetorische Diskursanalyse und politische Rede

Obwohl die Sprache ein so diffuses, flüchtiges Medium ist, kann sie eine ungeheure Wirkung entfalten, denn nur durch Sprache kann ein Redner seine eigenen Gedanken in Worte kleiden, die seine Mitmenschen unsichtbar erreichen. Tatsächlich handelt es sich bei dieser faszinierenden Erkenntnis um genau die Erscheinung, die Wilhelm Busch zu Beginn von Maler Klecksel so humorvoll beschreibt, wenn er von der Segelflotte der Gedanken spricht, die auf des Schalles Wellen in des Ohres Hafen einfahren (Busch 2008: 617). Buschs Worte müssen dabei ein wenig an eine Aussage Quintilians erinnern, denn auch jener beschrieb die Art und den Weg, den die Gedanken mittels Sprache zu einem Mitmenschen nehmen: Daher scheinen mir die Gedanken durch die Wortfügung wie durch bestimmte Riemen und Sehnen ihre Spannung und ihren Schwung zu erhalten. […] weil nichts den Zugang zu den Gefühlen zu finden vermag, das im Ohr schon wie in einem Vorzimmer sich unliebsam bemerkbar macht […] (Quintilian 2006b: 369; inst. IX 4,9 f.).

Das Ohr, das bei Busch als Hafen beschrieben wird, ist in der Vorstellung Quintilians also ein »vestibulum« (cf. ibid.: 368), die Eingangshalle zur Seele des Menschen, und obwohl es kaum anzunehmen ist, daß sich Busch in seiner Geschichte auf Quintilian bezieht, so wird doch deutlich: Die Idee der Rhetorik, der wirkungsvollen Sprache und ihrer Deutung, ist universell, sie ist nicht auf die Zeit ihrer Erfindung in der Antike beschränkt, sondern heute noch genau so gültig wie vor zweieinhalbtausend Jahren, und sie führt auch heute zu vergleichbaren Vorstellungen und Ergebnissen. Dies mag daran liegen, daß die Beschaffenheit der Sprache gleich geblieben ist, es liegt aber auch daran, daß Reden Ziele verfolgen, die in ihrer Motivation und Absicht stets vergleichbar sind, und es erklärt sich mit der beobachtenden Perspektive der Rhetorik, die ihre Gültigkeit bis heute auch deshalb behalten hat, weil sie in der Antike mit Empirie, Präzision und Allgemeingültigkeit begonnen wurde: Die grundsätzli-

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Schlußbetrachtung und Ausblick

chen Begrifflichkeiten, Definitionen und Arbeitsabläufe wurden so gewählt, daß sie jederzeit für eine beliebige Rede anwendbar sind. Dadurch, daß die Elemente und Abschnitte einer Rede immer bestimmte Funktionen übernehmen und bestimmten Bedingungen unterliegen müssen, bleibt die Rhetorik bis in die Gegenwart die ausgereifteste, umfassendste und genaueste Methodik, um entweder selbst wirkungsvoll zu kommunizieren oder um Kommunikation auf ihre Wirkungskonstruktion zu untersuchen. Die Verwendung der klassischen, wissenschaftlich reflektierten Rhetorik für heutige politische Kommunikation im allgemeinen und politische Reden im speziellen ist darüber hinaus noch durch einen weiteren, signifikanten Aspekt gerechtfertigt und auch geboten: »Unsere Verfassung beruht auf einem Politikbegriff, der im 5. Jahrhundert vor Christus angelegt wurde und sich mit einer Erfindung der Rhetorik verband« (Pörksen 2005: 6). Die Verknüpfung von aktueller Politik mit Rhetorik ist somit eine logische Schlußfolgerung, die sich aus den historischen Wurzeln heutiger Politik ergibt, und an der sich die moderne Kommunikationsforschung orientieren muß. Die hier genannten Feststellungen decken sich mit den Beobachtungen und Erkenntnissen der vergangenen Kapitel und verdeutlichen die Vorteile der in dieser Arbeit gewählten Methodik. Resümierend besteht diese vor allem aus einer Kombination von Kritischer Diskursanalyse und Rhetorik, eingeteilt in die drei Arbeitsabschnitte aus Makro-, Meso- und Mikroanalyse, durch welche die tatsächliche Wirkung und die Resultate einer Rede, Wirkungsintention und -ästhetik eines Redners sowie die in einer Rede angelegten Wirkungscodes untersucht, erörtert und miteinander verglichen werden. Für die Beobachtung der resultierenden Wirkung und des historisch-gesellschaftlichen Kontexts im Diskurs, der in der Makroanalyse vorgenommen wird, eignet sich hierfür eine qualitative Auswertung von rezeptionellen und reflektierenden Quellen auf Grundlage der Diskursanalyse, für die Beobachtung und Auswertung der Wirkungsmittel im Überblick und im Detail stellt die Rhetorik unterschiedliche Instrumentarien zur Verfügung, die in Meso- und Mikroanalyse zur Anwendung kommen. In der Gesamtheit ergibt sich hieraus eine Rhetorische Diskursanalyse zur Diskussion und Beurteilung einer Rede und ihrer Wirkung im polito-historischen und gesellschaftlichen Diskurs. Der Gang der Untersuchung findet aus der Perspektive eines Close Reading deskriptiv und erörternd statt und schließt semiologische, linguistische, politologische, historische und moralisch-ethische Fragestellungen mit ein. Durch die gewählte Methodik wird eine Annäherung an das Phänomen, durch eine (politische) Rede eine bestimmte resultierende Wirkung evozieren zu können, möglich und läßt nachvollziehbare, exemplarische und konzeptionelle Erläuterungen zu. Die Betrachtung der Rezeptionen und Reflexionen im Diskurs ermöglicht in einer solchen Analyse eine recht genaue Bestimmung einer tatsächlich erfolgten

Rhetorische Diskursanalyse und politische Rede

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Wirkung und die Genese ihrer Beurteilung, die in ihrem Kontext durch pragmatisch-hermeneutische Instrumente auf Relevanz und Verazität überprüft und kritisch diskutiert werden, um sie im Anschluß als Hypothesen für die rhetorische Analyse einer Rede zu nutzen. Dies hat den Vorteil, frühere Ergebnisse und Meinungen nicht unreflektiert zu übernehmen, sondern eine spätere mesound mikroanalytische Überprüfung objektiv und unverzerrt vornehmen zu können. Hier bietet insbesondere die Rhetorik eine ideale Meso- und Mikrostruktur für die Analyse einer Rede, da sie kontextuelle und produktionsästhetische Zusammenhänge ebenso erfaßt wie konzeptionelle, rezeptionsästhetische und elementare pragmatische Bestandteile einer Rede. Die Aufgabengebiete der einzelnen rhetorischen Analysemodelle sind hierfür klar strukturiert und definiert und lassen stets eine optimale Einordnung in Kontext und Setting zu. Dabei werden die sich gegenseitig beeinflussenden und interdependenten Elemente, wie sie im rhetorischen Zirkel veranschaulicht werden (cf. 2.1.2), immer wieder kontrolliert, so daß gesicherte Ergebnisse gewährleistet sind. In Verbindung mit den Ergebnissen aus der Makroanalyse ist es möglich, einzelne wirkungsästhetische Aspekte exemplarisch so auszuwählen, daß sie für eine Rede das Phänomen der Wirkung pars pro toto darstellen können. Die Beachtung philologischer Überlegungen zur Wirkungsästhetik und die Auseinandersetzung mit dem historischen Kontext einer Rede können zusätzlich eine objektive Analyseperspektive sicherstellen, die nicht Gefahr läuft, die Ergebnisse ohne die Beziehung zum sprachlich handelnden Redner zu erörtern oder soziohistorisch und politologisch zu verzerren. Die Einbeziehung von allgemein kommunikativ-qualitativen und ethischmoralischen Fragen zu Wirkung und Wirkungskonstruktion einer Rede erwies sich nicht nur im Zusammenhang mit einer gewissenhaften wissenschaftlichen Forschung als zweckmäßig, sondern stellte sich auch für die Diskussion der Ergebnisse als nützliches und erkenntnisreiches Element heraus, das die Qualität der Analysen steigert, sie um zusätzliche politische und gesellschaftlich relevante Perspektiven erweitert und eine neue interpretatorische Einordnung der Schlußfolgerungen ermöglicht. Als sinnvoll und übersichtlich erwies sich die Einteilung in die drei Kategorien einer intendierten, einer konstruierten und einer an reflektierten Resultaten tatsächlich beobachtbaren Wirkung. Die verschiedenen Kategorien können zwar miteinander verglichen und aneinander überprüft werden, grundsätzlich sind sie aber als unterschiedliche Wirkungsphänomene zu betrachten, deren Bedeutungen nicht miteinander verwechselt werden dürfen. An diesem Umstand läßt sich die Problematik des Wirkungsbegriffs sehr deutlich erfassen. Uwe Pörksen fragt zu Recht bezüglich statistisch-empirischer Studien: »Wie will man die Wirkung eines einschneidenden Wortes messen?« (Pörksen 2005: 4; Hervorhebung von mir, J.K.). Gerade in der Erforschung von Kommunikation

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Schlußbetrachtung und Ausblick

wird der Begriff Wirkung oftmals undifferenziert und zu unterschiedlichen Forschungsgegenständen verwendet, ohne dabei deutlich zu machen, daß die eigentliche Wirkung von Kommunikation eher in einer Grauzone zwischen Intention, Konstruktion und Resultat stattfindet, der man sich nur hermeneutisch und pragmatisch annähern kann, indem jene einzelnen Wirkungscluster beobachtet, erörtert und verglichen werden. Oftmals wird in verschiedenen Forschungsdisziplinen dennoch nur der nicht weiter klassifizierte Begriff Wirkung verwendet, einerlei, ob es sich um eine literaturwissenschaftliche Textanalyse eines Kommunikationsaktes oder um quantitative Rezeptionsforschung von empirisch erhobenen Resultaten handelt. Letztlich bleibt der Begriff der Kommunikationswirkung problematisch, auch wenn er differenziert gebraucht wird. Das liegt nicht nur an der kaum greifbaren »Grauzone«, in der die Wirkung stattfindet, sondern auch an dem Problem der quantitativen, qualitativen und temporären Definition. Dies gilt vor allem für die tatsächlich erfolgte Wirkung von Kommunikation: Die Bestimmung einer allgemein gültigen Zeitachse, die mitunter weitere Unterklassifizierungen nötig machen würde, fehlt bisher, ebenso Richtlinien zur quantitativen und qualitativen Relevanz, die wiederum mit der zeitlichen Einordnung abgestimmt werden müßten. Dies muß Aufgabe einer zukünftigen Forschung sein, um einheitlichere Ergebnisse zu ermöglichen. Grundsätzlich ist dies im Sinne einer strukturierten Wissenschaft, für die nützliche und nutzbare Erkenntnisse aus der Erforschung kommunikativer Wirkung ein genuines Desiderat bleiben werden. Die in dieser Arbeit unternommene methodologische Gliederung und Klassifizierung mag sich in diesem Zusammenhang als ein geeigneter Ansatz anbieten. In jedem Fall erwies sie sich für eine strukturierte Analyse und deren transparente und valide Ergebnisse als Notwendigkeit und konnte die an sie gestellten Erwartungen äußerst zufriedenstellend erfüllen. Die politische Rede als Forschungsgegenstand stellte sich für die Rhetorische Diskursanalyse als glückliche Wahl heraus. Dies liegt vor allem daran, daß sie eine definitorische Ambivalenz aufweist: Obwohl sie durch ihre soziologische Nische in der Theorie natürlich klar eingegrenzt ist, läßt sie andererseits in der Praxis dennoch eine hohe thematische, kontextuelle, intentionelle und situationsbedingte Vielfalt zu und kann höchst variable Konturen annehmen. Selbst jene Kommunikationsakte, die nicht mehr dem Konstrukt einer monologischen Rede folgen, können als politische Rede wahrgenommen werden, sobald sie von einem Politiker geäußert werden; ähnlich verhält es sich mit Reden, in denen politische Themen gestreift werden (cf. 3.1 und 3.2). Die Analyse der Wirkung politischer Reden kann damit zu völlig verschiedenen inhaltlichen Themen und historischen und kommunikativen Situationen vorgenommen werden, während das Konzept der Methodik grundsätzlich gleich bleiben kann. Zudem ergeben sich durch diese Anpassungsfähigkeit selbstverständlich immer auch nützliche

Rhetorische Diskursanalyse und politische Rede

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Ansätze für Kommunikationsakte außerhalb der Politik; die politische Rede ist insofern auch ein exemplarischer »Schmelztiegel« für allgemeine gesellschaftliche oder fachspezifische Fragestellungen. Durch die definitorische Einordnung der Kommunikationsgattung wird zudem eine besonders transparente Beobachtung und Darstellung von Kontext und Situation möglich, welche in dem Begriff des aptum ihre rhetorische Äquivalenz finden. Gerade dies überaus wichtige »Superprinzip« (cf. 2.1.2.2) wirkungsorientierter Kommunikation kann daher am Beispiel der politischen Rede hervorragend dargestellt und erörtert werden. Abgesehen von diesen Aspekten zur Methodologie und Beispielhaftigkeit ließ sich in den vorangehenden Kapiteln natürlich auch die Entwicklung der politischen Rede beobachten und neue Aufgabenbereiche ließen sich bestimmen. Die Erkenntnisse lassen die These zu, daß Relevanz und Qualität einiger Teilbereiche der politischen Rede zwar abgenommen haben mögen, sich dagegen aber andere Nischen und Möglichkeiten eröffnet haben. Letztlich bleibt die Feststellung Kortes gültig: »Die Sprache ist das zentrale Instrument der Politiker« (Korte 2002: 5; cf. 3.1). Dies muß ebenso für die politische Rede in allen Variationen gelten, und selbst die klassische, monologisch orientierte Form, wie sie als Forschungsgegenstand in dieser Arbeit analysiert wurde, wird relevant bleiben: Nicht jede politische Rede mag ästhetisch wertvoll sein, und nicht jede ist historisch oder gesellschaftlich nachhaltig wichtig. Es zeigt sich in der Geschichte aber immer wieder, daß ihr die Möglichkeit gegeben ist, neuralgische Funktionen zu übernehmen, und wenn dies der Fall ist, dann stellt sie für Politik und Gesellschaft ein entscheidendes und nachhaltiges Medium dar. So bleibt die Rede des schweizerischen Bundespräsidenten Felix Ludwig Calonder bis heute sowohl für die Möglichkeit der Einflußnahme auf aktuelle politische und gesellschaftliche Prozesse als auch für den Fokus von Aufmerksamkeit und Kritik, in den sich der Redner damit begibt, bekannt und exemplarisch (cf. e. g. Gautschi 1971: 270 – 276 sowie Gautschi 1968: 302 – 305). Andere politische Reden werden dagegen fast synonym für politische und gesellschaftliche Epochen zitiert, wie an der sprichwörtlich gewordenen »Ruck-Rede« Roman Herzogs aus dem Jahr 1997 zu beobachten ist, und daß die Fähigkeit der Rede für einen Politiker zum entscheidenden Instrument werden kann, um die politische Macht zu gewinnen, dürfte spätestens seit dem triumphalen Sieg Barack Obamas bei der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2008 erneut und aktuell bewiesen sein.326 Es ist evident geworden, daß die politische Rede bis heute ein Ausdruck und ein Sinnbild kommunikativer Wirkungsmacht ist, und dies

326 Eine aktuelle Auswahl besonders beachtenswerter Reden der letzten zweitausend Jahre bietet z. B. Jelinek (2009).

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Schlußbetrachtung und Ausblick

zeichnet einen optimistischen Ausblick, in dem sie ihre gesellschaftliche Relevanz auch in Zukunft behaupten kann.

4.2

Resümee der Analysen und Vergleiche

Es kann nicht Ziel einer philologischen Untersuchung über die Wirkung von (politischen) Reden sein, einzelne tätige Handlungen als Resultat einer Rede unmittelbar nachweisen zu wollen; insbesondere im Hinblick auf ein Publikum, das mitunter aus einem ganzen Volk bestehen kann. Dies müßte zwangsläufig zu Spekulationen führen, die sich mit einer hermeneutisch-pragmatischen Arbeitsweise letztlich nicht eindeutig belegen lassen. Vielmehr muß es also Aufgabe sein, Tendenzen der Wirkung einer Rede im Diskurs nachzuweisen, jene am Produkt zu überprüfen und damit sprachlich-pragmatische Gründe für die Genese der Rezeption zu erörtern. Dies erst bietet die Aussicht, Motive für Einstellungen und Handlungen, die Folgen einer Rede sein können, auf einer verläßlichen Grundlage anzunehmen und als nachvollziehbare Möglichkeit zur Verfügung zu stellen. Dies war auch der Ansatz dieser Arbeit, für die sich einzelne Varianten der politischen Rede als geeignete Forschungsgegenstände erwiesen. Um qualitativ sichtbare Tendenzen im öffentlichen Diskurs beobachten und damit gesellschaftlich relevante Forschungsgegenstände bieten zu können, war es notwendig, Reden mit einer hohen öffentlichen Reichweite auszuwählen. Zudem sollte mit der Wahl des Corpus exemplarisch die Entwicklung und Bedeutung der politischen Rede reflektiert werden. Hierfür boten sich also Reden an, die im Diskurs von politischer, historischer und gesellschaftlicher Bedeutung waren; zudem erschien es sinnvoll, auf mögliche unterschiedliche Formen der Medialisierung einzugehen. Als letztlich entscheidendes Kriterium für die Auswahl einer Rede ergab sich die besondere Motivation, Wirkungsintention und Ästhetik in Zusammenhang mit der reflektierten Wirkung; damit war sichergestellt, einerseits besonders signifikante Ergebnisse zu garantieren und andererseits im Vergleich der einzelnen Analyseabschnitte Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Intention, Konstruktion und Resultat einer Rede beobachten und erklären zu können. Anhand dieser Kategorien stellten sich die Gedenkrede Philipp Jenningers aus dem Jahr 1988 zum 50. Jahrestag der »Pogromnacht«, die Ansprache Helmut Kohls vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche aus dem Jahr 1989 und die Fernsehansprache Gerhard Schröders zum Einsatz der Bundeswehr im Kosovo aus dem Jahr 1999 als besonders reizvoll heraus. Diesen realen Reden konnten Reden aus der dramatischen Literatur gegenübergestellt werden, um die jeweiligen persuasiven Strategien vergleichend zu

Resümee der Analysen und Vergleiche

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diskutieren, alternative wirkungsästhetische Ansätze für den realen Redner zu ermöglichen und die bisherigen Interpretationen literarischer Reden neu auszuloten. Um dem Forschungsansatz dieser Arbeit gerecht zu werden, mußten jene literarische Reden, verglichen mit den realen, in ihrer Wirkungsintention, -konstruktion und -reflexion äquivalente Grundstrukturen aufweisen; hiermit war gewährleistet, daß mit den jeweils zum Vergleich stehenden Reden, bezüglich ihrer grundsätzlichen Wirkung, die gleichen gestalterisch-konzeptionellen Bedingungen zu erfüllen waren. Insbesondere die Vergleiche der Rede Jenningers mit der Verteidigungsrede des »Doktors« aus Max Frischs Andorra, der Ansprache Kohls mit der Rede des Marquis Posa in Friedrich Schillers Don Carlos sowie der Rede Schröders mit der Ansprache Marc Antons in William Shakespeares Julius Caesar stellten besonders lohnende Erkenntnisse in Aussicht. Die zu Beginn der Arbeit dargestellten theoretischen Grundlagen zur Rechtfertigung und Durchführbarkeit der Vergleiche erwiesen sich im Verlauf der Analysen und damit am Exempel als zutreffend: Die Ergebnisse verifizieren sowohl die sprachwissenschaftlichen als auch die rhetorischen und literaturwissenschaftlichen Thesen und Bedingungen; darüber hinaus können die signifikanten Erkenntnisse und Schlußfolgerungen der Vergleiche den Arbeitsansatz rechtfertigen. Insgesamt hat sich somit herausgestellt, daß der Vergleich realer und literarischer Reden sowohl für die reale Kommunikationspraxis als auch für die literaturwissenschaftliche Philologie äußerst fruchtbar und anregend ist, daß Erkenntnisse gemeinsam genutzt werden können und kommunikativen Herausforderungen hierdurch ein größerer Erfahrungshorizont zur Verfügung steht. Im Vergleich der Reden ergab sich, daß literarische Produkte in der Tat neue, exemplarische rhetorisch-ästhetische Anregungen für Konzeption und Konstruktion von Reden bieten können, die damit den pragmatischen Handlungsspielraum realer Kommunikation erweitern. Für die Analyse und Interpretation dramatischer Literatur ermöglichten sich zum Teil neue Einblicke in Textkonstruktion und Setting; die erweiterte Perspektive ließ dabei nicht nur ein Abwägen bestehender Forschung zu, sondern konnte auch Probleme bisheriger Interpretationen aufzeigen und deutlicher machen. Die in den jeweiligen Vergleichen (cf. 3.2.3, 3.3.3 und 3.4.3) gewonnenen Erkenntnisse können also einerseits eine sinnvolle gemeinsame Erörterung belegen, andererseits liefert jeder einzelne Vergleich aber durchaus auch konkrete Ansätze für Strategien zur (rhetorischen) Kommunikation in der Praxis. Es ist nicht im Sinne der klassischen, wissenschaftlich reflektierten Rhetorik, einfache Patentlösungen für jede denkbare Rede anzubieten; dies maßt sich nur eine unseriöse Populärrhetorik an. Die Analysen haben vielmehr gezeigt, daß die Rhetorik Anleitungen zu Produktionsabläufen, Klassifizierungen, Gliederungen, methodischen Strategien und Konstruktionen bereithält, in die sich eine Rede je nach Kontext einfügen und nach der sie sich gestalten läßt. Dabei wird

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Schlußbetrachtung und Ausblick

die Rede den Regeln der Rhetorik nicht blind unterworfen, sondern die Regeln nach den Gegebenheiten der Rede reflektiert angewendet. Sämtliche Elemente einer Rede müssen sich dabei also nach dem Kontext und Setting richten. Insbesondere an der Rede Helmut Kohls konnte dies eindrucksvoll beobachtet werden: Das aptum ist tatsächlich das »Superprinzip« (v.s.) der Rhetorik. Es ermöglicht einer Rede zusätzlich zur Regel der »besten« Anpassung an Situation und Kontext allerdings noch die besondere Möglichkeit, eine Verbindung zwischen Redner, Redeinhalt und Publikum herzustellen. Dies geschieht als Kommunikationsphänomen dann, wenn ein Redner mit seiner Rede eine thematische und emotionale Verbindung zwischen sich und dem Publikum erzeugt; hierfür ist es gelegentlich hilfreich, die eigene Vorstellung so darzustellen, daß sie jener des Publikums gleicht. Gelingt die Verbindung, bewirkt der Redner eine optimale Passung zwischen sich, der Rede und dem Publikum (cf. 2.1.2.2 und 3.3.1.3): Erst durch das passende Ineinandergreifen der Wirkungselemente logos, ethos und pathos wird ein Redner durch eine Rede tatsächlich zum Redner des Publikums, und das Publikum wird durch die Rede zum Publikum des Redners. Wird dies erreicht, kann eine Rede nach den Ergebnissen und Erkenntnissen dieser Arbeit zu Recht als gute Rede bezeichnet werden. Es ist dabei deutlich geworden, daß der Redner seine Rede also bestmöglich an alle gegebenen situativen und kontextuellen Parameter anzupassen hat und die Folgen in Zusammenhang mit dem Publikum genau einkalkuliert und in seiner Rede justiert. Hiermit läßt sich als ein weiteres Ergebnis dieser Arbeit nun auch ein weiterer Ausblick für eine zukünftige Forschung formulieren: Ueding und Steinbrink schlugen die Bestimmung einer Topik zur Affektenlehre vor (cf. 2.1.2.3.3); aus der Perspektive dieser Arbeit wäre eine solche Topik im Sinne einer strukturierten Gliederung und Definition der verschiedenen Elemente auch für eine Bestimmung des aptum wünschenswert, die über die Attributierung inneres und äußeres hinausgeht. Damit könnten nicht nur theoretisch, sondern auch für die rhetorische Praxis alle denkbaren Parameter des aptum erfaßt werden. Obwohl es sich hierbei um eine außerordentlich umfangreiche Aufgabe handeln dürfte, wäre es eine äußerst lohnenswerte Arbeit, die zukünftige rhetorische Forschungen übernehmen und leisten könnten. Als besonders persuasiver topos stellte sich die moralische Attributierung der Argumentation heraus, die in eine moralische Notwendigkeit als thematisches Ziel von Kommunikation leiten kann. Dies Ergebnis verifiziert nicht nur Thesen der persuasiven Rhetorik, die bereits in der Antike formuliert wurden, wie z.B in Rhetorica ad Herennium (Nüßlein 1998: 131; rhet. Her. III,II, cf. 3.2) und bei Cicero (Cicero 2003: 339; de orat. II,206, cf. 3.4.1.4), sondern sie entsprechen auch modernen kommunikationswissenschaftlichen Beobachtungen, wie sie z. B. Noelle-Neumann anstellt (Noelle-Neumann 2001: 334 f., cf. 3.2). Die Analyse der Fernsehansprache Schröders ließ erkennen, daß ein Gegner bei dieser

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Art der Argumentation Gefahr läuft, eine amoralische Position verantworten zu müssen; das zustimmende Auditorium begibt sich dagegen auf die Seite der moralisch Handelnden. Der moralische topos kann explizit dazu genutzt werden, sowohl jeweils These und Antithese und damit die eigene Partei als auch den Gegner zu attributieren. In dem Sonderfall, in dem ein Meinungsumschwung evoziert werden soll, kann das moralische »Prädikat« so noch einmal gesteigert werden: Hierzu wird die eigene Position als moralisch integer dargestellt, andererseits die Integrität des (politischen) Gegners argumentativ ins Negativ verkehrt. Als eindrucksvolles Beispiel zeigte sich in bezug auf diese Feststellungen die Rede Marc Antons, in welcher der Redner klimaktisch und argumentativ erst die Integrität Caesars ins Positive verkehrt und schließlich Brutus als politischem Gegner argumentativ nachweist, nur scheinbar moralisch gehandelt zu haben, in Wahrheit aber amoralisch und bösartig zu sein. An dieser Rede wird also zum einen die Relevanz der dramatischen Textkonstruktion in Form einer klimaktisch angeordneten Argumentationsstruktur zur Steigerung der Persuasion, der Aufmerksamkeit und »Rezipientenbindung« deutlich, wie sie sich auch bei den Reden Kohls und Marquis Posas beobachten läßt. Zum anderen erweist sich tatsächlich der moralische topos als entscheidendes gesellschaftliches und politisches Gewicht in einer Argumentation; selbst jegliche Rechtfertigung von Duldung amoralischer Zustände und Handlungen muß mißlingen, wie Max Frisch mit der Rede des Doktors beweist. Es wäre allerdings vermessen, an dieser Stelle von einem rhetorischen »Joker« zu sprechen; gerade durch die Analyse der Rede Marc Antons hat sich erwiesen, daß der Grad zwischen einer guten und persuasiven Rede auf der einen und demagogischer Manipulation auf der anderen Seite recht schmal ist. Dies ist nicht nur eine Fragestellung, die eine wissenschaftliche Arbeit aufwerfen und erörtern muß, sie offenbart auch die Gefahr einer gegnerischen Entlarvung in der Praxis. Denn stellt sich diese Art der Argumentation als unehrlich und zudem als faktisch inkorrekt heraus, besteht für einen Rhetor eben jene Gefahr, die Marc Anton seinem politischen Gegner Brutus unterstellt: Moralität nur vorzutäuschen und dadurch tatsächlich amoralisch zu handeln. Eine moderne Kriegsrhetorik, die auch in der Fernsehansprache Schröders zur Anwendung kommt, verdeutlicht diese Gefahr : Eine einseitige moralische Attributierung der Argumentation könnte in Zukunft unglaubwürdig werden, wenn die Ergebnisse der Politik die moralischen Prämissen letztlich nicht erfüllen und gar einen amoralischen Status fördern. Es ist anzunehmen, daß solche politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Diskurs reflektiert werden und eine neuerliche Argumentation derselben Topik zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr überzeugen kann. Ein besonderes Augenmerk in den Analysen verlangten auch die Formen der Medialisierung, die in Zusammenhang mit der Genese politischer Redemöglichkeiten einen wesentlichen Teil der Reichweite und Erreichbarkeit von Rezi-

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Schlußbetrachtung und Ausblick

pienten ausmachen und zudem auf der Basis verschiedener Kanalisierungen unterschiedlich komplexe und organisierte Redeziele ermöglichen. Wie sich bereits im Methodikteil der Arbeit beobachten ließ, addieren sich für ein Auditorium die verschiedenen verbalen, parasprachlichen und außersprachlichen Bestandteile einer Rede zu einer »Gesamttextur« (cf. 2.1.1), die im Fall einer audiovisuell medialisierten Rede zu einer Doppelmedialisierung führen können: Dies geschieht beispielsweise, wenn ein Auditorium am Ereignis der Rede örtlich unmittelbar als Publikum teilnimmt und ein zweites Auditorium das Ereignis durch eine Fernsehübertragung wahrnimmt. In diesem Fall muß für das »externe« Publikum auch das unmittelbar anwesende, »interne« Publikum und dessen Reaktionen zur Redetextur hinzugerechnet werden. Es ließ sich im Lauf der Arbeit zeigen, daß eine vergleichbare Form der Doppelmedialisierung bereits seit Jahrhunderten von Autoren der dramatischen Bühnendichtung erkannt und für das Erreichen des Publikums gezielt genutzt wird. Die zusätzlichen Bedeutungsebenen ergeben sich bei der Doppelmedialisierung durch die Syntaktisierung der verschiedenen Komponenten. An den Beispielen der Rede Helmut Kohls und der des Marquis Posa ließen sich die verschiedenen medialisierten Texturen destillieren und damit auch die unterschiedlichen Ziele der Reden benennen; bei beiden Reden ist das telos des jeweiligen Redners durch die Möglichkeit der Doppelmedialisierung als geglückt zu betrachten. Es hat sich allerdings insbesondere in der Analyse der Rede Philipp Jenningers gezeigt, daß die Syntaktisierung einzelner, technisch medialisierter Textelemente nur bedingt unter der Kontrolle eines Rhetors steht. Im Falle Jenningers konnte hier eine entscheidende Beeinflussung des Rederesultats nachgewiesen werden, durch die Jenningers rednerisches Ziel letztendlich scheitern mußte. Diese Feststellung läßt auch die Schlußfolgerung zu, daß die resultierende Wirkung einer Rede viel zu facettenreich und komplex ist, als daß sie auf Reaktionen des anwesenden Publikums beschränkt werden könnte. Auch die mediale Berichterstattung, die die unmittelbaren Reaktionen kanalisiert, interpretiert und mit der Rede syntaktisiert, leistet einen Beitrag zu ihrer nachhaltigen Wirkung im Diskurs; dieser Eindruck wird durch eine Feststellung NoelleNeumanns verstärkt: »Was nicht berichtet wird, existiert nicht […]« (NoelleNeumann 2001: 216; cf. 3.1). In diesem Zusammenhang wird klar, daß es neben dem rhetorischen aptum, an der sich die Konzeption einer Rede orientieren muß, auch eine Erwartung des Publikums gibt, welche das Verständnis und die Bedeutung einer Rede und ihres Inhalts mitbestimmt. Tatsächlich gilt seit der antiken Rhetorik der Grundsatz, daß eine Rede nur dann wirklich als gut gelten kann, wenn sie ihre angestrebte Wirkung auch erzielt (cf. 2.1.5); durch die Analyse der Rede Jenningers wurde allerdings deutlich, daß eine Redewirkung unter Umständen selbst dann als geglückt beurteilt werden könnte, wenn sie vordergründig gescheitert zu sein scheint (cf. 3.2.1.4).

Die wundervolle Erfindung einer wirkungsvollen Sprache: Ein Ausblick

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Losgelöst von einem konkreten Beispiel läßt sich in einem stilisierten Negativ-Ideal für einen Rhetor eine beachtliche Erkenntnis folgern: Selbst dann, wenn seine Rede objektiv als gute Rede bewertet werden könnte, ist es denkbar, daß sie die Erwartungen des Publikums, aus welchen Gründen dies auch geschehen mag, nicht erfüllt und sie »am« Publikum scheitert. Ein Rhetor könnte einem solchen Schicksal nur dann entgehen, wenn er die Rede so konzipiert, daß sie die Erwartungen des Publikums erfüllt. Dabei wäre es in der geschilderten Konstellation also möglich, daß er sein Thema und seine Intention, auch wenn beides moralisch völlig integer ist, überhaupt nicht mehr verfolgen kann. In diesem Zusammenhang dann noch von einer guten Rede zu sprechen, erscheint nicht vorstellbar. Für einen Rhetor ergäben sich also in diesem Fall, vulgo, zwei Möglichkeiten: Entweder er hält die Rede nach seinem Wunsch und scheitert, oder er redet dem Publikum nach dem Munde und gefällt. An dieser Stelle erreicht die wissenschaftliche Disziplin der Rhetorik ihre Grenzen. Es bleibt dem mündigen Redner und damit, im Sinne dieser Arbeit, dem rechtschaffenen Politiker überlassen, für welche Variante er sich nach bestem Gewissen entscheiden mag.

4.3

Die wundervolle Erfindung einer wirkungsvollen Sprache: Ein Ausblick

Die Sprache, das mächtigste Instrument menschlicher Kommunikation, ist in der Tat eine wunderbare Erfindung, eine »invention merveilleuse«, wie die französischen Philologen des Klosters Port Royale de Champs im 17. Jahrhundert schrieben (cf. 1.1) – und das, obwohl die Sprache natürlich überhaupt keine »Erfindung« der Menschen ist: »Language is mankind’s greatest invention – except, of course, that it was never invented« (Deutscher 2005: 1). Sprache scheint vielmehr ein anthropologisches »Geschenk« zu sein, das den Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet. Die wirkungsvollen Fähigkeiten, die dem Menschen durch das flüchtige Medium Sprache verliehen werden, müssen bei der Beschäftigung mit diesem Phänomen unweigerlich zu einer Leidenschaft führen, die Quintilian im sechzehnten Kapitel des zweiten Buches seiner Institutio oratoria wunderbar treffend beschreibt: Und – wahrhaftig – der Gott, der zuerst als Schöpfer aller Dinge und Erbauer des Alls am Werke war, hat durch nichts den Menschen stärker von den anderen Lebewesen, sofern sie auch sterbliche sind, geschieden als durch die Gabe der Rede. Denn wir sehen bei jenen stummen Wesen zwar Körper, die uns an Größe, Kraft, Festigkeit, Ausdauer und Schnelligkeit überlegen sind und weniger der Hilfe von außen bedürfen […] Die Vernunft also hat der Schöpfer uns vorzüglich verliehen und gewollt, daß sie uns verbinde mit den unsterblichen Göttern. Doch würde uns die Vernunft allein weder

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Schlußbetrachtung und Ausblick

eine solche Hilfe, noch täte sie sich uns so deutlich kund, könnten wir nicht, was wir im Geiste erfaßt haben, auch im Reden von uns geben […] Was wollen wir deshalb, wenn wir von den Göttern nichts Besseres als die Rede erhalten haben, so sehr der Pflege und der Mühe wert erachten, oder worin sollten wir uns lieber vor den Mitmenschen hervortun als darin, worin die Menschen selbst es den übrigen Wesen zuvortun, und das um so eher, weil in keiner Kunst die Mühe reichlicher sich lohnt? (Quintilian 2006a: 247 – 249; inst. II 16,12 – 17).

Wird noch einmal daran erinnert, daß Sprache, Kommunikation und Rede das originäre Instrument der Politik sind, so muß deutlich werden, wie wichtig es ist, rednerische Gestaltungsmittel in der Politik wissenschaftlich zu beobachten und zu erörtern: »Die öffentliche Rede ist das weiteste Feld, der ursprünglichste Ort, wo Sprechen und Handeln in eins fallen« (Pörksen 2005: 2). Dies gilt sowohl für rhetorische politische Kommunikation im allgemeinen als auch für den klassischen monologischen Typus der politischen Rede im speziellen: »Es hat sich nämlich nichts daran geändert, dass es in der Politik und in der politischen Rede um ernste, immer öfter immer schwierigere, fast immer folgenreiche Güterabwägungen und Entscheidungen geht« (Thierse 2005: 11). Es wird hierdurch verständlich, wie wichtig, wie unabdingbar es für einen Politiker ist, sein wichtigstes Instrument zu kennen und zu beherrschen: »Reden sind Handlungen. Wer redet, trifft eine Entscheidung, und sein Wort ändert etwas, es ist, sei es ein winziger Schritt, eine zukunftsoffene Tat« (Pörksen 2005: 2). Dennoch scheinen einerseits die öffentliche Aufmerksamkeit und Beurteilung zu sinken und andererseits das Bewußtsein für die Rede als Instrument sowie eine fundierte Kenntnis und ein »handwerkliches« Vermögen in der Politik rückläufig zu sein: Die Mehrheit der Redner in […] einer Debatte nämlich liest relativ langweilige, von Wortstanzen durchzogene Statements vom Blatt ab. Ihre Idee von einer geschickt gesetzten Pause ist das Wiederholen der Floskel ›meine Damen und Herren‹; wollen sie kämpferisch wirken, reden sie etwas lauter (das sogenannte Steinmeier-Crescendo).327

Bedenkt man, daß der Schwund der Erwartung und die Aufmerksamkeit der Bürger an politischer Kommunikation und insbesondere der Rede schwindet (cf. ibid. und Thierse 2005: 1), so wäre es nicht unzulässig, die Begründung nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung bei den politischen Akteuren zu suchen: Daß Politik dem Wort so wenig Gewicht zuerkennt und wortloser Kommunikation das Übergewicht beimißt, führt zur Politikleere, erzeugt fade Langeweile. Was wir seit mehr als zehn Jahren Politikverdrossenheit nennen, ist nicht Verdrossenheit an der Politik, sondern an der Nullstelle, wo Politik erwartet wird und etwas anderes spricht, besser : auftritt und tönt (Pörksen 2005: 5). 327 Kister in SZ 13. 11. 2009: 1.

Die wundervolle Erfindung einer wirkungsvollen Sprache: Ein Ausblick

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Zweifellos ist dies nicht die alleinige Schuld des politischen Redners; die Massenmedien, die die entscheidende Verbindung zwischen Souverän und ihrem Vertreter sind, zeichnen sich für Konsonanz, Kumulation und Syntax der Medialisierung verantwortlich: Der Streit ist das Wesen der Demokratie, er ist kein Skandal […] Unterhaltender scheint es aber zu sein, diese Normalität zur Sensation umzudeuten – und so ganz nebenbei die Aversion des Publikums gegen Streitereien tendenziell auf die Demokratie zu übertragen. […] Die Suggestion ist, dass die Hochzeit von Uschi Glas genauso wichtig ist, wie die Mehrwertsteuer oder der Angriff von Rechtsextremisten gegen einen Passanten […] (Thierse 2005: 14).

Dies kann bis zur medialen Manipulation führen, an der sich Journaille und Politik gleichermaßen beteiligen können: Die Verlockung, sich gerade bei publikumswirksamen Topoi der Diskurs-Opportunit¤ hinzugeben, um sich über den »Bandwagon« der Political Correctness selbst zu inszenieren und zu profilieren, ist groß – sowohl für die Medien als auch für den Politiker (cf. 3.2).328 Die 328 Ein jüngstes Beispiel hierfür ist auch der Diskurs über die Äußerungen des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin, die jener im Herbst 2009 in einem Interview des Berliner Magazins Lettre International machte (Berberich in Lettre International 86/2009: 197 – 201). Sarrazin beantwortete in dem langen und detaillierten Interview Fragen zur sozio-ökonomischen Entwicklung Berlins und gab bei dieser Gelegenheit auch Einschätzungen zur Situation und Integration der muslimischen Bevölkerungsschicht, für die er zu einem Teil ein Vokabular und eine Bildhaftigkeit bemühte, die mindestens drastisch und provokativ zu nennen sind (ibid.: 199), selbst wenn er damit tatsächlich vorhandene Probleme verdeutlichte. Es soll an dieser Stelle nicht Aufgabe sein, auf die Wortwahl Sarrazins näher und erörternd einzugehen; als durchaus bemerkenswert stellen sich der Verlauf und die Konsequenzen seines Interviews im Diskurs dar. Anfang Oktober 2009 erreichte Sarrazins Interview vor allem in Form öffentlicher, negativer Kritik in den Medien die breite Öffentlichkeit, in der nur jene einzelne Begriffe und Äußerungen zitiert wurden, die durch ihre Auswahl eine hohe Empörung garantieren (wie z. B. das oft zitierte Wort »Kopftuchmädchen«; ibid.). Das Berliner Magazin Lettre International ist eine Kulturzeitschrift, deren (vertriebene) Auflage 18.700 Exemplare beträgt (http://www.lettre.de/ anzeigen.html, 21. 11. 2009). Trotz dieser vergleichsweise niedrigen Auflage und einer zu erwartenden geringen Gesamtreichweite belegten journalistische und öffentliche Kommentatoren ihre Kritik mit eben jenen Zitaten. Es ist also anzunehmen, daß die allermeisten Kritiker das Interview nicht selbst gelesen haben, sondern sich ausschließlich auf die Berichterstattung stützten. Es »brach ein Sturm der Entrüstung los« (Ackeren et al. in Focus 42/2009: 22). Auch nach dem Interview mit Sarrazin war also eine nationale DiskursOpportunit¤ zu beobachten, an der sich Politiker, Journalisten und Vertreter öffentlicher Organisationen selbstgängig und sprunghaft ansteigend beteiligten. Natürlich muß konstatiert werden, daß ein hochrangiger Politiker wie Sarrazin eine solche Empörungswelle bewußt provoziert, wenn er eine solche Wortwahl vornimmt (aufschlußreich hierzu ist ein Interview der Zeit im April 2010; cf. Schwarz in Die Zeit 15. 04. 2010: 4). Volker Zastrow fragte allerdings wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Interviews: »Wie Sarrazin sich ausdrückt, kann verletzend wirken […]; doch kann man überhaupt Unwillkommenes aussprechen, ohne zu verletzen? […] Kann man Missstände benennen, die Wahrheit sagen, ohne zu verletzen? […] Unserer Gesellschaft scheint inzwischen etwas vorzuschweben wie

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Schlußbetrachtung und Ausblick

Ergebnisse dieser Arbeit lassen nicht nur für eine Rückkehr rhetorischer Qualität in der Politik plädieren, sie bestätigen auch die Annahmen über die Definitionen einer guten Rede und die Rückbesinnung auf ethisch-moralische Werte – nicht nur in der wissenschaftlichen Theorie, sondern auch gerade in der Praxis: Halten die Tugenden der akademischen Disziplin der Rhetorik wieder Einzug in die Politik und deren Vermittlung an den Bürger, ist dies nicht nur für eine Gemeinschaft und ein allgemeines Vertrauen sinnvoll, sondern es festigt das hohe Gut der Demokratie: Erst durch rhetorisch geformte Kommunikationsakte kann aus allgemeinem politischem Handeln die Staatsform der Demokratie entstehen. Dies ist ein Auftrag, dem sich beide Kräfte nicht entziehen sollten, denn jene ist letzten Endes die Grundlage ihrer Existenz. Die klassische, wissenschaftlich geprägte und reflektierte Rhetorik erwies sich in dieser Arbeit als unabdingbare Basis und hervorragend geeignetes Methodologikum für eine gelingende politische Kommunikation. Rhetorik, so läßt sich konstatieren, stützt sich durch ihre zweieinhalbtausendjährige Tradition und Entwicklung auf ein fundiertes und verifiziertes Konzept, das in seiner genialen Anpassungsfähigkeit für zwischenmenschliche Kommunikation ein konstruktives »Universalgerüst« bietet: Politische Redekunst ist nicht nur eine Wirkungslehre, das ist sie erst an letzter Stelle. Sie ist zuerst eine Findekunst und ein Klärungsinstrument, eine Form der Mitteilung, danach ein Gestaltungswerkzeug und schließlich, auf dieser Basis, ein Wirkungsinstrument, das in der Bildschirmgesellschaft […] vermutlich eine erhöhte Chance hätte (Pörksen 2005: 7).

Pörksens Erklärung, welche die Wirkungslehre erst als letzten Grundsatz der Rhetorik festlegt, scheint auf den ersten Blick fast ein wenig gegen die gängige Lehrmeinung zu verstoßen. Dies aber wäre voreilig geurteilt, denn bereits Aristoteles erachtete die Persuasion des Rezipienten als Folge einer rhetorisch geein moderierter Diskurs, in dem jeder Inhalt sich der Etikette zu beugen hat« (Zastrow in FAS 04. 10. 2009: 12). Hiermit begann eine erstaunliche Entwicklung: »Nach der ersten Wutwelle wurden Fragen laut« (Ackeren in Focus 42/2009: 22). Sarrazins Bemerkungen lösten nicht mehr (nur) Empörung aus, sondern waren auch Anlaß für ernsthafte Diskussionen über die von ihm angesprochene Problematik: »So weit sind wir also jetzt: Es wird nicht mehr verdrängt, verkleistert und schöngeredet, sondern munter gestritten – und alle mischen mit. Kritik an der Entwicklung von Parallelgesellschaften in unseren Großstädten kann nicht mehr pauschal als ›ausländerfeindlich‹ mundtot gemacht werden« (Dietrich in FAZ 14. 10. 2009: 1). Der Diskurs um Thilo Sarrazins Äußerungen belegt die These, daß auch ein »problemorientiertes« telos (cf. Die Zeit 02. 10. 2009: 17) mit einer Argumentation und Thematik gelingen kann, die gegen die strenge moralische »Etikette« der Political Correctness verstößt. Wird Sarrazin ein solches Ziel unterstellt, so scheint er es erreicht zu haben; allerdings ist das Gelingen auch in diesem Fall nur für die Thematik seines Interviews gültig. Ihm selbst wurde durch den Chef der Bundesbank der Rücktritt nahegelegt; die »Berliner Staatsanwaltschaft leitete gar von Amts wegen Vorermittlungen […] ein. Tatverdacht: Volksverhetzung […]« (Ackeren et al. in Focus 42/2009: 22).

Die wundervolle Erfindung einer wirkungsvollen Sprache: Ein Ausblick

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formten Sprache: »[…] es [ist] nicht ihre Aufgabe […], zu überreden, sondern zu erkennen, was, wie in allen übrigen Wissenschaften, jeder Sache an Überzeugendem zugrunde liegt […]« (Aristoteles 2005a: 11; rhet. I 1,14). Dies ist die »Basis« der Rhetorik, die Pörksen meint. Selbst wenn herkömmliche Redegenera in der Politik rückläufig und unbeachteter sein mögen, so behält die Rhetorik für die politische Kommunikation auch zukünftig ihren Wert. Betrachtet man die modernen politischen Kommunikationsmöglichkeiten, wie sie bereits an den völlig unterschiedlichen Redeformen der doppelmedialisierten Rede Kohls und der Sondergattung einer Fernsehansprache wie der Schröders deutlich wird, so ist erkennbar, daß die Bedeutung einer rhetorischen Praxis für die Politik durchaus zunehmen wird; an der spannenden Entwicklung der Kommunikationsmöglichkeiten wird dies auch in Zukunft darstellbar sein. Es hat sich außerdem herausgestellt, daß die interdisziplinäre wissenschaftliche Untersuchung von realen Kommunikationsphänomenen und dichterischen Textprodukten eine Aufwertung und Bereicherung für beide philologischen Teildisziplinen darstellt. Literarische Texte helfen einerseits dabei, die Realität zu verstehen, unterstützen und vervollständigen Forschungsergebnisse; die Literatur selbst kann auf der anderen Seite ohnehin erst durch die Erfahrungen aus der Realität entstehen und entwickelt sich durch sie weiter. Für die Philologien sollte dies ein Anreiz sein, die Erarbeitung gemeinsamer Methoden und Untersuchungen fortzusetzen. Im Laufe der Arbeit ließ sich allerdings ebenfall feststellen, daß sich die Relevanz und Nutzbarkeit der hier gewählten analytischen Methodik einer Rhetorischen Diskursanalyse sowie ihrer einzelnen Elemente und der gewonnenen Ergebnisse sich nicht auf philologische oder politische Kommunikationsforschung beschränken. Die Erforschung von wirksamen Kommunikationsstrategien muß für eine Fülle völlig verschiedener Disziplinen und Arbeitsbereiche relevant sein. Angefangen von jenen Räumen, die der Politik nahe sind, wie z. B. in der Diplomatie, bis zu ökonomischen Fragestellungen, kann sich mit der Philologie eine nützliche Kooperation etablieren, um verwertbare Ergebnisse zu ermöglichen, deren Bestimmung die eigene Fachrichtung mitunter nicht leisten kann. Betrachtet man kommunikationsintensive Teildisziplinen der Wirtschaftswissenschaften, wie beispielsweise Unternehmenskommunikation, -führung oder Wirtschaftspolitik, aber auch das Marketing und dessen unterschiedliche Forschungsgebiete wie Werbung, Kommunikationspolitik, Kundenbindung oder -rückgewinnung, so kann auch hier die philologische Rhetorikforschung mitunter Fragen beantworten, deren Problemstellungen bisher nicht zu lösen waren. In Zukunft können sich hieraus äußerst fruchtbare interdisziplinäre Partnerschaften ergeben. Aktuelle Forschungsbemühungen anderer akademischer Disziplinen unterstützen diesen Wunsch; so rücken z. B. auch Gesundheits- und Arzt-Patienten-Kommunikation seit der pragmatischen Wende in den Fokus

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Schlußbetrachtung und Ausblick

geisteswissenschaftlicher Studien, und der zielgerichteten, wirkungsvollen Kommunikation, wie sie in dieser Arbeit untersucht wurde, wird auch in der Medizin inzwischen eine immer größere Bedeutung beigemessen. Daß solche interdisziplinären Kooperationen dabei nicht einseitig sein müssen, läßt sich dabei ebenfalls an der Medizin demonstrieren: Wie in dieser Arbeit die Frage nach dem guten Redner und der guten Rede diskutiert wurde, findet sich in der Medizin die Fragestellung, was einen guten Arzt auszeichnet (cf. e. g. Dörner 2003 und Troschke 2004). Vergleichende Erörterungen und neue Perspektiven könnten also auch vice versa zu umfassenderen und differenzierteren Ergebnissen und »Diagnosen« führen. Zu Beginn dieser Arbeit wurde die Befürchtung geäußert, der Rest solle wohl lieber Schweigen sein, wenn zwischenmenschliche Kommunikation ein arbiträres, unkontrollierbares Medium wäre (cf. 1.3). Diese Befürchtung hat sich in dieser Arbeit als unbegründet erwiesen. Verständliche, wirkungsvolle und gute Kommunikation ist möglich – auch in der Politik. Diese Feststellung soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß das wichtigste Instrument der Politik in ihrer aktuellen Form und ihrer »Reden-halten-ist-auch-nichts-anderes-alsWurstschneiden-Rhetoriker« (Kister in SZ 13. 11. 2009: 1) allzuoft vernachlässigt wird. Dabei gibt es ein bewährtes Mittel für überzeugende und gute Sprache: Rhetorik. Aristoteles formulierte: »Die Rhetorik sei also als Fähigkeit definiert, das Überzeugende329, das jeder Sache innewohnt, zu erkennen« (Aristoteles 2005a: 11; rhet. I 2,1). Etwas freier und poetischer übersetzt könnte man auch sagen: Die Rede ist die Kunst, Glauben zu erwecken. Rhetorik überredet also nicht durch Zauberei, sie hilft zu überzeugen, weil ihre Methodik ein Auffinden der überzeugenden wahrhaftigen Argumente zuläßt. Die akademische Rhetorik bleibt damit das zuverlässige Mittel, um aus Politik eine Demokratie zu machen. Quintilian war sich, in der Bescheidenheit eines elder statesman, nicht sicher, ob sein immerhin zwölf Bände umfassendes Werk über Rhetorik für Studenten wirklich von praktischem Nutzen sei; dafür verleihe es der Jugend aber eine Motivation und Einstellung, nämlich »den Willen zum Guten« (Quintilian 2006b: 803; inst. XII 11,31). Quintilian mag seine eigene Arbeit, ein inzwischen seit Jahrtausenden gängiges Standardwerk, unterschätzt haben; dies gilt aber nicht für die akademische Disziplin, die er erforschte. Zum Ende seines Werks schreibt er : Nach der Hoheit der Rede selbst also, die das Edelste ist, was die Unsterblichen den Menschen geschenkt haben, und durch deren Verschwinden alles verstummt und den Glanz seines Lichtes in der Gegenwart verliert wie auch sein Andenken bei der Nachwelt, wollen wir mit ganzem Herzen streben und immer um das Beste uns be-

329 Stroh übersetzt mit: das »Glaubhaftmachende«; cf. Stroh 2009: 172.

Die wundervolle Erfindung einer wirkungsvollen Sprache: Ein Ausblick

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mühen, wodurch wir entweder zum Gipfel gelangen oder doch gewiß viele unter uns sehen werden (Quintilian 2006b: 801 – 803; inst. XII 11,30).

Dies muß das Ziel für eine gute und wirkungsvolle Sprache bleiben, um das sich sowohl die Politik in ihrer Gänze als auch jeder einzelne Politiker bemühen sollte. Wird dies Ziel verfolgt, dann darf der Rest keinesfalls Schweigen sein: Dann ist der Rest Reden.

5 Redencorpus

5.1

Philipp Jenninger

Rede zur Gedenkveranstaltung aus Anlaß der Pogrome des nationalsozialistischen Regimes gegen die jüdische Bevölkerung vor 50 Jahren, Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestages am 10. November 1988

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Meine Damen und Herren! Die Juden in Deutschland und in aller Welt gedenken heute der Ereignisse vor 50 Jahren. Auch wir Deutschen erinnern uns an das, was sich vor einem halben Jahrhundert in unserem Land zutrug, und es ist gut, daß wir dies in beiden Staaten auf deutschem Boden tun; denn unsere Geschichte läßt sich nicht aufspalten in Gutes und Böses, und die Verantwortung für das Vergangene kann nicht verteilt werden nach den geographischen Willkürlichkeiten der Nachkriegsordnung. Ich begrüße zu dieser Gedenkveranstaltung im Deutschen Bundestag den Herrn Bundespräsidenten und den Herrn Botschafter des Staates Israel. Mein besonderer Gruß gilt an diesem Tag allen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland, vor allem denen, die als unsere Ehrengäste an dieser Gedenkstunde teilnehmen, dem Vorsitzenden und den Mitgliedern des Direktoriums des Zentralrates der Juden in Deutschland und den Vertretern der christlichen Kirchen. Mein herzlicher Gruß und mein Dank gelten auch Ihnen, sehr verehrte Frau Professor Ehre. Viele von uns haben gestern auf Einladung des Zentralrates der Juden in Deutschland an der Gedenkveranstaltung in der Synagoge in Frankfurt am Main teilgenommen. Heute nun haben wir uns im Deutschen Bundestag zusammengefunden, um hier im Parlament der Pogrome vom 9. und 10. November 1938 zu gedenken, weil nicht die Opfer, sondern wir, in deren Mitte die Verbrechen geschahen, erinnern und Rechenschaft ablegen müssen, weil wir Deutsche uns klarwerden wollen über das Verständnis unserer Geschichte und über Lehren für die politische Gestaltung unserer Gegenwart und Zukunft. (Zuruf)

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– Bitte lassen Sie diese würdige Stunde in der vorgesehenen Form ablaufen!

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(Fortsetzung des Zurufs)

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– Haben Sie Verständnis dafür, daß ich Sie herzlich bitte, sich jetzt ruhig zu verhalten! Die Opfer – die Juden überall auf der Welt – wissen nur zu genau, was der November 1938 für ihren künftigen Leidensweg zu bedeuten hatte. – Wissen wir es auch?330 Was sich heute vor 50 Jahren mitten in Deutschland abspielte, das hatte es seit dem Mittelalter in keinem zivilisierten Land mehr gegeben. Und, schlimmer noch: Bei den Ausschreitungen handelte es sich nicht etwa um die Äußerungen eines wie immer motivierten spontanen Volkszorns, sondern um eine von der damaligen Staatsführung erdachte, angestiftete und geförderte Aktion. Die herrschende Partei hatte in Gestalt ihrer höchsten Repräsentanten Recht und Gesetz suspendiert; der Staat selbst machte sich zum Organisator des Verbrechens. An die Stelle von gezielten Gesetzen und Verordnungen, mit deren Hilfe über Jahre hinweg die schleichende Entrechtung der Juden betrieben worden war, trat jetzt der offene Terror. Eine noch immer nach Hunderttausenden zählende Minderheit war zum Freiwild erklärt worden, ihr Hab und Gut der Zerstörungswut eines organisierten Mobs anheimgegeben. Weit über 200 Synagogen wurden niedergebrannt oder demoliert, jüdische Friedhöfe verwüstet, Tausende von Geschäften und Wohnungen zerstört und geplündert. Rund hundert Juden fanden den Tod, etwa 30 000 wurden in Konzentrationslager verschleppt; viele von ihnen kehrten nicht mehr zurück. Nicht in Zahlen zu fassen waren die menschlichen Qualen, die Drangsalierungen, Demütigungen, Mißhandlungen und Erniedrigungen

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Goebbels, der eigentliche Regisseur der ganzen Aktion, hatte sich insofern in seiner Kalkulation geirrt, als niemand im In- oder Ausland an die Fiktion des »spontanen Volkszorns« glaubte. Dafür sorgten schon die untätig herumstehenden Polizisten und Feuerwehrleute, die die Synagogen niederbrennen ließen und nur eingriffen, wenn »arisches« Eigentum in Gefahr geriet.

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Die späteren Parteigerichtsverfahren bestätigten denn auch mit zynischer Offenheit, daß die uniformierten SA-Trupps und die anderen Brandstifter und Mörder nur den »Willen der Führung« in die Tat umgesetzt hatten; bestraft wurden am Ende nur diejenigen, die sich der »Rassenschande« schuldig gemacht hatten

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Kein Zweifel, die in der Bevölkerung alsbald mit dem Begriff »Reichskristallnacht« belegten Ereignisse markierten einen entscheidenden Wendepunkt in der Judenpolitik der NS-Herrscher. Die Zeit der scheinlegalen Verbrämungen des Unrechts ging zu Ende; nun begann der Weg in die systematische Vernichtung der Juden in Deutschland und in weiten Teilen Europas.

330 Text im offiziellen Stenographischen Bericht: »Wissen auch wir es?« (Deutscher Bundestag 10. 11. 1988: 7270).

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Die Bevölkerung verhielt sich weitgehend passiv ; das entsprach der Haltung gegenüber antijüdischen Aktionen und Maßnahmen in vorangegangenen Jahren. Nur wenige machten bei den Ausschreitungen mit – aber es gab auch keine Auflehnung, keinen nennenswerten Widerstand. Die Berichte sprechen von Betroffenheit und Beschämung, von Mitleid, ja, von Ekel und Entsetzen. Aber nur ganz vereinzelt gab es Teilnahme und praktische Solidarität, Beistand und Hilfeleistung. – Alle sahen, was geschah, aber die allermeisten schauten weg und schwiegen. Auch die Kirchen schwiegen. Der Begriff »Reichskristallnacht« wird heute zu Recht als unangemessen betrachtet. Doch gab er die damals herrschende Stimmungs- und Gefühlslage ziemlich zutreffend wieder: eine Mischung aus Verlegenheit, Ironie und Verharmlosung; vor allem war er Ausdruck peinlichen Berührtseins und der Ambivalenz des eigenen Empfindens angesichts der offen zutage liegenden Verantwortung der Partei- und Staatsführung.

Am 30. Januar 1933 hatten die Nationalsozialisten die Macht im Deutschen Reich übernommen. Die fünfeinhalb Jahre bis zum November 1938 reichten aus, um die in anderthalb Jahrhunderten errungene Gleichstellung der Juden auszulöschen. Es begann mit dem Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933, dem alsbald die Zwangspensionierung jüdischer Staatsbediensteter und noch im selben Jahr erste Berufsverbote für jüdische Künstler und Journalisten folgten. Die »Nürnberger 100 Gesetze« von 1935 machten die Juden zu Menschen zweiter Klasse ohne staatsbürgerliche Rechte; mit dem »Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« hielt das unsägliche Delikt der »Rassenschande« seinen Einzug. 95

105 Mit der Ausschaltung aus dem staatlichen und kulturellen Leben gingen immer stärkere Einengungen der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten einher, die in Berufsverbote für jüdische Ärzte und Rechtsanwälte, Schauspieler, Makler und Heiratsvermittler mündeten. Ab dem Frühjahr 1938 konzentrierten sich die NSHerrscher verstärkt auf die »Arisierung« der deutschen Wirtschaft – sprich: auf die 110 Enteignung und Ausplünderung der Juden. Göring war als Beauftragter für den Vierjahresplan unzufrieden mit den Resultaten der Novemberpogrome. Im Gespräch mit Goebbels und Heydrich entfuhr ihm der Satz: »Mir wäre lieber gewesen, ihr hättet 200 Juden erschlagen und hättet nicht 115 solche Werte vernichtet.« – Doch wie um die Juden auch noch zu verhöhnen, wurde ihnen eine »Sühneleistung« in Höhe von einer Milliarde Reichsmark auferlegt; die Schäden des Pogroms hatten sie auf eigene Kosten unverzüglich zu beseitigen, die Versicherungsansprüche fielen an den Staat. Gleichzeitig wurden Verordnungen zur völligen Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben ab 120 dem 1. Januar 1939 bekanntgegeben. Was dann nachfolgte, waren Maßnahmen zum vollständigen Ausschluß der Juden aus der Gesellschaft Ziel war ihre totale Isolierung und völlige Verbannung aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Für alle, denen die Möglichkeit versperrt 125 blieb, durch Auswanderung dem Regime zu entkommen, war der Rest des Weges vorgezeichnet: Judenstern, Ghetto, Deportation, Zwangsarbeit – und dann Vernichtung.

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Redencorpus

Im Rückblick, meine Damen und Herren, wird deutlich,331 daß zwischen 1933 und 130 1938 tatsächlich eine Revolution In Deutschland stattfand – eine Revolution, in der sich der Rechtsstaat in einen Unrechts- und Verbrechensstaat verwandelte, in ein Instrument zur Zerstörung genau der rechtlichen und ethischen Normen und Fundamente, um deren Erhaltung und Verteidigung es dem Staat – seinem Begriffe nach eigentlich gehen sollte. 135 Am Ende dieser Revolution war die NS-Herrschaft entscheidend gefestigt und war im Rechtsbewußtsein der Menschen weit mehr vernichtet worden, als es nach außen hin erkennbar sein mochte. 140 Deutschland hatte Abschied genommen von allen humanitären Ideen, die die geistige Identität Europas ausmachten; der Abstieg in die Barbarei war gewollt und vorsätzlich. Zu denen, die dafür das theoretische Rüstzeug lieferten, zählte Roland Freisler, damals Staatssekretär im Reichsjustizministerium. Grundlage des neuen deutschen Rechtes war laut Freisler »die durch die nationalsozialistische 145 Revolution gewandelte deutsche Lebensanschauung… Das Rechtswollen des Volkes äußert sich autoritativ in den Kundgebungen des Willensträgers des Volkes«, so sagte er, »des Führers. Wenn der Führer außerhalb der Gesetze Grundsätze rechtlichen Inhalts mit dem Willen nach Geltung und der Forderung nach Beachtung äußert, so ist das eine ebenso unmittelbare Rechtserkenntnisquelle 150 wie das Gesetz. Hierher gehört vor allem das Parteiprogramm der NSDAP.« So weit Freisler.

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Das hieß schlicht: Die Rechtsprechung hatte der NS-Ideologie zu folgen, denn das Wort des Führers war Gesetz.

Für das Schicksal der deutschen und europäischen Juden noch verhängnisvoller als die Untaten und Verbrechen Hitlers waren vielleicht seine Erfolge. Die Jahre von 1933 bis 1938 sind selbst aus der distanzierten Rückschau und in Kenntnis des Folgenden noch heute ein Faszinosum insofern, als es in der Geschichte kaum eine 160 Parallele zu dem politischen Triumphzug Hitlers während jener ersten Jahre gibt.

Wiedereingliederung der Saar, Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, massive Aufrüstung, Abschluß des deutsch-britischen Flottenabkommens, Besetzung des Rheinlandes, Olympische Sommerspiele in Berlin, »Anschluß« Österreichs und 165 »Großdeutsches Reich« und schließlich, nur wenige Wochen vor den Novemberpogromen, Münchener Abkommen, Zerstückelung der Tschechoslowakei – der Versailler Vertrag war wirklich nur noch ein Fetzen Papier und das Deutsche Reich mit einem Mal die Hegemonialmacht des alten Kontinents. 170 Für die Deutschen, die die Weimarer Republik überwiegend als eine Abfolge außenpolitischer Demütigungen empfunden hatten, mußte dies alles wie ein Wunder erscheinen. Und nicht genug damit: aus Massenarbeitslosigkeit war Vollbeschäftigung, aus Massenelend so etwas wie Wohlstand für breiteste Schichten geworden. Statt Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit herrschten 175 Optimismus und Selbstvertrauen. Machte nicht Hitler wahr, was Wilhelm II. nur versprochen hatte, nämlich die Deutschen herrlichen Zeiten entgegenzuführen?

331 Text im offiziellen Stenographischen Bericht: »Im Rückblick wird deutlich, meine Damen und Herren […]« (Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988a: 7271).

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War er nicht wirklich von der Vorsehung auserwählt, ein Führer, wie er einem Volk nur einmal in tausend Jahren geschenkt wird? 180 Sicher, meine Damen und Herren, in freien Wahlen hatte Hitler niemals eine Mehrheit der Deutschen hinter sich gebracht. Aber wer wollte bezweifeln, daß 1938 eine große Mehrheit der Deutschen hinter ihm stand, sich mit ihm und seiner Politik identifizierte? Gewiß, einige »querulantische Nörgler« wollten keine Ruhe geben und wurden von Sicherheitsdienst und Gestapo verfolgt, aber die meisten 185 Deutschen und zwar aus allen Schichten: aus dem Bürgertum wie aus der Arbeiterschaft – dürften 1938 überzeugt gewesen sein, in Hitler den größten Staatsmann unserer Geschichte erblicken zu sollen. Und noch eines darf nicht übersehen werden: Alle die staunenerregenden Erfolge 190 Hitlers waren insgesamt und jeder für sich eine nachträgliche Ohrfeige für das Weimarer System. Und Weimar war ja nicht nur gleichbedeutend mit außenpolitischer Schwäche, mit Parteiengezänk und Regierungswechseln, mit wirtschaftlichem Elend, mit Chaos, Straßenschlachten und politischer Unordnung im weitesten Sinne, sondern Weimar war ja auch ein Synonym für Demokratie und 195 Parlamentarismus, für Gewaltenteilung und Bürgerrechte, für Presse- und Versammlungsfreiheit und schließlich auch für ein Höchstmaß jüdischer Emanzipation und Assimilation. Das heißt, Hitlers Erfolge diskreditierten nachträglich vor allem das 200 parlamentarisch verfaßte, freiheitliche System, die Demokratie von Weimar selbst. Da stellte sich für sehr viele Deutsche nicht einmal mehr die Frage, welches System vorzuziehen sei. Man genoß vielleicht in einzelnen Lebensbereichen weniger individuelle Freiheiten; aber es ging einem persönlich doch besser als zuvor, und das Reich war doch unbezweifelbar wieder groß, ja, größer und 205 mächtiger als je zuvor. – Hatten nicht eben erst die Führer Großbritanniens, Frankreichs und Italiens Hitler in München ihre Aufwartung gemacht und ihm zu einem weiteren dieser nicht für möglich gehaltenen Erfolge verholfen? Und was die Juden anging: Hatten sie sich nicht in der Vergangenheit doch eine 210 Rolle angemaßt – so hieß es damals –, die ihnen nicht zukam? Mußten sie nicht endlich einmal Einschränkungen in Kauf nehmen? Hatten sie es nicht vielleicht sogar verdient, in ihre Schranken gewiesen zu werden? Und vor allem: Entsprach die Propaganda – abgesehen von wilden, nicht ernstzunehmenden Übertreibungen – nicht doch in wesentlichen Punkten eigenen Mutmaßungen und Überzeugungen? 215 Und wenn es gar zu schlimm wurde, wie im November 1938, so konnte man sich mit den Worten eines Mitgenossen ja immer noch sagen: »Was geht es uns an! Seht weg, wenn euch graust. Es ist nicht unser Schicksal.« 220 Meine Damen und Herren, Antisemitismus hatte es in Deutschland – wie in vielen anderen Ländern auch – lange vor Hitler gegeben. Seit Jahrhunderten waren die Juden Gegenstand kirchlicher und staatlicher Verfolgung gewesen; der von theologischen Vorurteilen geprägte Antijudaismus der Kirchen konnte auf eine lange Tradition zurückblicken. 225 Um so dankbarer sind wir heute, daß die christlichen Konfessionen und die Juden seit dem Ende des Krieges zum Dialog gefunden haben und ihn offen und freundschaftlich miteinander führen.

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230 Es gab auch andere Beispiele in der Geschichte: Preußen etwa, das nicht nur für französische Hugenotten, salzburgische Protestanten und schottische Katholiken, sondern eben auch für viele verfolgte Juden zur neuen Heimstatt wurde. Praktisch bis zu Hitlers Machtübernahme zeigte sich der deutsche Antisemitismus eher verhalten gegenüber der in Ost- und Südosteuropa herrschenden militanten 235 Judenfeindschaft. Wohl nicht zufällig erschien zehn Jahre vor der französischen Revolution Lessings »Nathan der Weise«, und über Kaiserreich und Republik hinweg hielten die staatlichen Institutionen – getreu den Ideen des aufgeklärten Absolutismus – an der Emanzipation und Assimilation der Juden fest. 240 Ein anderer Aspekt ist noch, daß sich der deutsche Nationalismus in spezifischer Weise von dem Nationalismus anderer Länder unterschied. Aus Gründen, die hier nicht zu untersuchen sind, war die parlamentarische, liberale und demokratische Komponente eher unterentwickelt, während auf der gemeinsamen Herkunft und Abstammung, auf der gemeinsamen Geschichte, auf dem »Deutsch-Sein« 245 besondere Betonung lag. Dies zeigte sich nach den napoleonischen Kriegen ebenso wie 1949/ 49 und erst recht im Kaiserreich. Die Folge war – nach außen – ein zunehmend aggressives Nationalbewußtsein bei gleichzeitiger Hinnahme obrigkeitsstaatlicher Strukturen im Innern, wo sich die 250 Aggressivität gegen damalige Minderheiten wie Katholiken, Sozialisten und Juden richtete. Manche Historiker haben deshalb auch beklagt, daß es in der deutschen Geschichte an einer Revolution oder wenigstens an einer allgemeinen revolutionären Hinwendung zur Demokratie und zu den individuellen Menschenrechten gefehlt habe. Thomas Mann sprach einmal bissig vom 255 »militanten Knechtssinn« der Deutschen, in denen sich »Hochmut mit Zerknirschung« paare. Andere Dinge traten hinzu. Die rasante Industrialisierung und Verstädterung insbesondere nach 1871 führte zu einem weitverbreiteten, diffusen Unbehagen an 260 der Moderne überhaupt. Gerade in diesem Umwälzungsprozeß, der von vielen Menschen als bedrohlich empfunden wurde, spielten die Juden eine ganz herausgehobene, oftmals glänzende Rolle: in der Industrie, im Bankenwesen und Geschäftsleben, unter Ärzten und Rechtsanwälten, im gesamten kulturellen Bereich wie in den modernen Naturwissenschaften. Das weckte Neid und 265 Inferioritätskomplexe, und die Zuwanderung von Juden aus dem Osten wurde mit äußerstem Mißfallen beobachtet. Der Kapitalismus und die Großstädte mit ihren unvermeidlichen Begleitumständen – das erschien ebenso »undeutsch« wie das prominente Engagement von Juden in 270 liberalen und sozialistischen Gruppierungen. Eine Flut von Schriften und Traktaten befaßte sich mit der angeblich verderblichen Rolle »des« Juden, und neben unbekannten Autoren und bekannten, wie Gobineau und Chamberlain, waren es eben auch Größen des deutschen Geistes- und 275 Kulturlebens, wie Heinrich von Treitschke und Richard Wagner, die das antijüdische Ressentiment salonfähig machten. Die Juden wurden zu gesellschaftlich erlaubten Haßobjekten. Als besonders verhängnisvoll erwies sich die Instrumentalisierung der 280 Darwinschen Lehre durch die Propagandisten des Antisemitismus. Hier war endlich das Rüstzeug, um dem Geraune von der jüdischen Weltverschwörung und

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dem ewigen Kampf der Rassen ein wissenschaftliches Mäntelchen umzuhängen; hier das Gesunde, Starke, Nützliche, dort das Krankhafte, Minderwertige, Schädliche, die jüdische »Verwesung«, das »Ungeziefer«, von dem es sich durch 285 »Ausmerzung« und »Vernichtung« zu befreien galt. Hitlers sogenannter »Weltanschauung« fehlte jeder originäre Gedanke. Alles war schon vor ihm da: der zum biologistischen Rassismus gesteigerte Judenhaß ebenso wie der Affekt gegen die Moderne und die Utopie einer ursprünglichen, 290 agrarischen Gesellschaft, die zu ihrer Verwirklichung des »Lebensraumes« im Osten bedurfte. Sein eigener Beitrag bestand außer in der weiteren Vergröberung, Vereinfachung und Brutalisierung des von anderen übernommenen Weltbildes im wesentlichen in der fanatischen Besessenheit und massenpsychologischen Begabung, mit der er sich selbst zum wichtigsten Propagandisten und 295 Programmatiker des Nationalsozialismus emporhob. Waren die Juden in früheren Zeiten für Seuchen und Katastrophen, später für wirtschaftliche Not und »undeutsche« Umtriebe verantwortlich gemacht worden, so sah Hitler in ihnen die Schuldigen für schlechthin alle Übel: sie standen hinter den 300 »Novemberverbrechern« des Jahres 1918, den »Blutsaugern« und »Kapitalisten«, den »Bolschewisten« und »Freimaurern«, den »Liberalen« und »Demokraten«, den »Kulturschändern« und »Sittenverderbern«, kurz sie waren die eigentlichen Drahtzieher und Verursacher allen militärischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Unglücks, das Deutschland heimgesucht hatte. 305 Die Geschichte reduzierte sich auf einen Kampf der Rassen; zwischen Ariern und Juden, zwischen germanischen »Kulturspendern« und jüdischen »Untermenschen«. Die Rettung für das deutsche Volk und die endgültige Niederwerfung des Menschheitsverderbers konnten nur in der Erlösung der Welt vom jüdischen Blut 310 als dem bösen Prinzip der Geschichte liegen. Das Gegenbild war der Krieger und Bauer, der in den Weiten des Ostens im steten Kampf gegen asiatische Horden die Grenzen des germanischen Kulturlandes immer weiter ausdehnte und gleichzeitig mittels Zucht und Veredelung die 315 germanische Rasse in einsame Höhen hinaufmendelte. – Noch als anderswo am Bau der Atombombe gearbeitet wurde, verkündeten Himmler und andere diese an Idiotie grenzenden Vorstellungen mit der ermüdenden Eintönigkeit von Geisteskranken. 320 Gleiches galt für Hitlers Zwangsvorstellung des schwarzhaarigen, hakennasigen Juden, der die weiße, blondgelockte germanische Frau mit seinem Blut schändet und damit für immer ihrem Volk raubt. Schon in »Mein Kampf« findet sich wieder und wieder diese Wahnvorstellung, die sich in einer endlosen Litanei über »Unzucht« und »Bastardisierung«, »Vergewaltigung« und »Blutschande« bis in sein 325 Testament hinein fortsetzt. Das Elend der Kindheit, die Demütigungen der Jugend, die ruinierten Träume des gescheiterten Künstlers, die Deklassierung des stellungs- und obdachlosen Herumtreibers und die Obsessionen des sexuell Gestörten – das alles fand in Hitler 330 ein Ventil: seinen unermeßlichen und niemals endenden Haß auf die Juden. Der Wunsch, zu demütigen, zu schlagen, auszutilgen und zu vernichten, beherrschte ihn bis zum letzten Augenblick.

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Mit dem Überfall auf die Sowjetunion bot sich die Möglichkeit, beides miteinander 335 zu verbinden: die Eroberung von »Lebensraum« im Osten und die schon am 30. Januar 1939 öffentlich angedrohte »Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa«. Bereits im Vorfeld des Ostfeldzuges zeichnete sich – Stichworte »Kommissarbefehl« und »Einsatzgruppen« – ein gigantisches Morden ab, das selbst das, was zuvor in Polen geschehen war, weit in den Schatten stellen mußte. In den 340 Monaten nach dem 22. Juni 1941 werden unter dem Vorwand der Partisanen- und Bandenbekämpfung Hunderttausende jüdischer Männer, Frauen und Kinder von hinter der Front tätigen Einsatzgruppen erschossen. Die »Endlösung« hat begonnen – lange bevor sie am 20. Januar 1942 auf der »Wannsee-Konferenz« aktenkundig wird. 345 In der Folge entstehen die Fabriken des Todes; aus den »Gaswagen« werden Gaskammern und Verbrennungsöfen, während die Erschießungen weitergehen. Den unschuldigen Opfern wird selbst der Scharfrichter verweigert; die Täter ersetzen den Henker durch die ins Monströse gesteigerten, industrialisierten 350 Methoden des Kammerjägers – getreu ihrer Sprache, es gelte »Ungeziefer auszutilgen«.

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Und auch vor diesem letzten, schrecklichsten wollen wir am heutigen Tag nicht die Augen verschließen.

Von Dostojewski stammt der Satz: »Wenn Gott nicht existierte, wäre alles erlaubt.« Wenn es keinen Gott gibt, so ist alles relativ und imaginär, da vom Menschen gemacht. Dann gibt es keine Wertordnung, keine verbindlichen Moralgesetze, keine Verbrechen, keine Schuld, keine Gewissensbisse. Und da denjenigen. die um 360 dieses Geheimnis wissen, alles erlaubt ist, hängen ihre Handlungen allein von ihrem Willen ab. Sie sind frei, sich über alle Gesetze und moralischen Werte hinwegzusetzen. Dostojewski hat diesen Gedanken – der später bei Nietzsche wiederkehrt – in 365 mehreren seiner Werke auf seine Konsequenzen für das Individuum wie für das Zusammenleben der Menschen, für die Gesellschaft untersucht. Was seinen Zeitgenossen als abseitige Spekulation eines religiösen Grüblers erscheinen mochte, erwies sich als prophetische Vorwegnahme der politischen Verbrechen des 20. Jahrhunderts. 370 Hören wir dazu einen Augenzeugen, der deutschen Wirklichkeit des Jahres 1942: Die von den Lastwagen abgestiegenen Menschen, Männer, Frauen und Kinder jeden Alters, mußten sich auf Aufforderung eines SS-Mannes, der in der Hand eine 375 Reit- oder Hundepeitsche hielt, ausziehen und ihre Kleider nach Schuhen, Oberund Unterkleidern getrennt an bestimmten Stellen ablegen… Ohne Geschrei oder Weinen zogen sich diese Menschen aus, standen in Familiengruppen beisammen, küßten und verabschiedeten sich und warteten auf den Wink eines anderen SSMannes, der an der Grube stand und ebenfalls eine Peitsche in der Hand hielt… Ich 380 beobachtete eine Familie von etwa acht Personen, einen Mann und eine Frau, beide von ungefähr 50 Jahren, mit deren Kindern, so ungefähr 1-, 8- und 10-jährig, sowie zwei erwachsene Töchter von 20 bis 24 Jahren. Eine alte Frau mit schneeweißem Haar hielt das einjährige Kind auf dem Arm und sang ihm etwas vor und kitzelte es. Das Kind quietschte vor Vergnügen. Das Ehepaar schaute mit Tränen in den 385 Augen zu. Der Vater hielt an der Hand einen Jungen von etwa 10 Jahren, sprach

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leise auf ihn ein. Der Junge kämpfte mit den Tränen. Der Vater zeigte mit dem Finger zum Himmel, streichelte ihn über den Kopf und schien ihm etwas zu erklären. Da rief schon der SS-Mann an der Grube seinem Kameraden etwas zu. Dieser teilte ungefähr 20 Personen ab und wies sie an, hinter den Erdhügel zu gehen… Ich ging um den Erdhügel herum und stand vor einem riesigen Grab. Dicht aneinandergepreßt lagen die Menschen so aufeinander, daß nur die Köpfe zu sehen waren. Von fast allen Köpfen rann Blut über die Schultern. Ein Teil der Erschossenen bewegte sich noch. Einige hoben ihre Arme und drehten den Kopf, um zu zeigen, daß sie noch lebten. Die Grube war bereits dreiviertel voll. Nach meiner Schätzung lagen darin bereits ungefähr 1 000 Menschen. Ich schaute mich nach dem Schützen um. Dieser, ein SS-Mann, saß am Rand der Schmalseite der Grube auf dem Erdboden, ließ die Beine in die Grube herabhängen, hatte auf seinen Knien eine Maschinenpistole liegen und rauchte eine Zigarette. Die vollständig nackten Menschen gingen an einer Treppe, die in die Lehmwand der Grube gegraben war, hinab, rutschten über die Köpfe der Liegenden hinweg bis zu der Stelle, die der SS-Mann anwies. Sie legten sich vor die toten oder angeschossenen Menschen, einige streichelten die noch Lebenden und sprachen leise auf sie ein. Dann hörte ich eine Reihe Schüsse. Ich schaute in die Grube und sah, wie die Körper zuckten oder die Köpfe schon still auf den vor ihnen liegenden Körpern lagen…332 Schon kam die nächste Gruppe heran, stieg in die Grube hinab, reihte sich an die vorherigen Opfer an und wurde erschossen. Dazu sagte der Reichsführer SS in seiner Rede vor SS-Gruppenführern in Posen im Oktober 1943:

Ich will hier vor Ihnen in aller Offenheit auch ein ganz schweres Kapitel erwähnen. Unter uns soll es einmal ganz offen ausgesprochen sein, und trotzdem werden wir in der Öffentlichkeit nie darüber reden… Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. Es gehört zu den Dingen, die man leicht 415 ausspricht. – »Das jüdische Volk wird ausgerottet«, sagt ein jeder Parteigenosse, »ganz klar, steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir.« Und dann kommen sie alle an, die braven 80 Millionen Deutschen, und jeder hat seinen anständigen Juden. Es ist ja klar, die anderen sind Schweine, aber dieser eine ist ein prima Jude. Von allen, die so reden, hat keiner zugesehen, 420 keiner hat es durchgestanden. Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1 000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwäche – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt 425 unserer Geschichte… Insgesamt können wir sagen, daß wir diese schwerste Aufgabe in Liebe zu unserem Volk erfüllt haben. Und wir haben keinen Schaden in unserem Inneren, in unserer Seele, in unserem Charakter daran genommen. Wir sind ohnmächtig angesichts dieser Sätze, wie wir ohnmächtig sind angesichts 430 des millionenfachen Untergangs. Zahlen und Worte helfen nicht weiter. Das menschliche Leid ist nicht rückholbar; und jeder einzelne, der zum Opfer wurde, war für die Seinen unersetzlich. So bleibt ein Rest, an dem alle Versuche scheitern, zu erklären und zu begreifen.

332 Text im offiziellen Stenographischen Bericht: »Ich schaute in die Grube und sah, wie die Körper zuckten oder Köpfe […]« (Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988a: 7274).

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435 Das Kriegsende 1945 bedeutete für die Deutschen in mehrfacher Hinsicht einen tiefen Schock. Die Niederlage war total, die Kapitulation bedingungslos. Alle Anstrengungen und Opfer waren sinnlos gewesen. Zu der entsetzlichen Wahrheit des Holocaust trat die vielleicht bis heute nicht völlig verinnerlichte Erkenntnis, daß die Planung des Krieges im Osten und die Vernichtung der Juden unlösbar 440 miteinander verbunden gewesen waren, daß das eine ohne das andere nicht möglich gewesen wäre. Die Deutschen waren auf ihre bare Existenz zurückgeworfen; niemand wußte angesichts Millionen Toter und der zerbombten Städte sowie der Millionen, die 445 flüchten mußten, wie es weitergehen sollte. Alle Werte, an die man geglaubt hatte, alle Tugenden und Autoritäten waren kompromittiert. Die Abkehr von Hitler erfolgte beinahe blitzartig; die zwölf Jahre des »Tausendjährigen Reichs« erschienen bald wie ein Spuk. Darin äußerte sich gewiß nicht nur die vollständige Desillusionierung hinsichtlich der Methoden und Ziele des Nationalsozialismus, 450 sondern auch die Abwehr von Trauer und Schuld, der Widerwille gegen eine schonungslose Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Die rasche Identifizierung mit den westlichen Siegern förderte die Überzeugung, letzten Endes – ebenso wie andere Völker – von den NS-Herrschern nur 455 mißbraucht, »besetzt« und schließlich befreit worden zu sein. – Auch dies gehörte zu den Grundlagen, auf denen eine ungeheure Wiederaufbauleistung das von der Welt ungläubig bestaunte deutsche Wirtschaftswunder hervorbrachte. Man kann solche Verdrängungsprozesse heute, meine Damen und Herren, mit 460 einleuchtenden Gründen kritisieren,333 und wir tun gut daran, diese Kritik ernsthaft und vorbehaltlos zu bedenken. Moralische Überheblichkeit führt dabei allerdings nicht weiter. Vielleicht konnte das deutsche Volk in der heillosen Lage des Jahres 1945 gar nicht anders angesichts der großen Not, des Hungers, der Trümmer reagieren, und vielleicht überfordern wir uns rückblickend auch selbst in unseren 465 Ansprüchen an die damalige Zeit. Heute, meine Damen und Herren, stellen sich für uns alle Fragen im vollen Wissen um Auschwitz. 1933 konnte sich kein Mensch ausmalen, was ab 1941 Realität wurde. Aber eine über Jahrhunderte gewachsene Judenfeindschaft hatte den 470 Nährboden bereitet für eine maßlose Propaganda und für die Überzeugung vieler Deutscher, daß die Existenz der Juden tatsächlich ein Problem darstellte, daß es so etwas wie eine »Judenfrage« wirklich gab. Die zwangsweise Umsiedlung aller Juden – etwa nach Madagaskar, wie von den NS-Herrschern vorübergehend erwogen –, wäre damals vermutlich auf Zustimmung gestoßen. 475 Es ist wahr, daß die Nationalsozialisten große Anstrengungen unternahmen, die Wirklichkeit des Massenmordes geheimzuhalten. Wahr ist aber auch, daß jedermann um die Nürnberger Gesetze wußte, daß alle sehen konnten, was heute vor 50 Jahren in Deutschland geschah, und daß die Deportationen in aller 480 Öffentlichkeit vonstatten gingen. Und wahr ist, daß das millionenfache Verbrechen aus den Taten vieler einzelner bestand, daß das Wirken der Einsatzgruppen nicht

333 Text im offiziellen Stenographischen Bericht: »Mann kann solche Verdrängungsprozesse, meine Damen und Herren, heute […]« (Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988a: 7274).

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nur in der Wehrmacht, sondern auch in der Heimat Gegenstand im Flüsterton geführter Gespräche war. Unser früherer Kollege Adolf Arndt hat 20 Jahre nach Kriegsende in diesem Haus den Satz gesprochen: »Das Wesentliche wurde 485 gewußt.«

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Schließlich hatten doch die Machthaber, meine Damen und Herren, dies geplant.334 Am Ende standen die Juden allein. Ihr Schicksal stieß auf Blindheit und Herzenskälte. Viele Deutsche ließen sich vom Nationalsozialismus blenden und verführen. Viele ermöglichten durch ihre Gleichgültigkeit die Verbrechen. Viele wurden selbst zu Verbrechern. Die Frage der Schuld und ihrer Verdrängung muß jeder für sich selbst beantworten.

Wogegen wir uns aber gemeinsam wenden müssen, das ist das Infragestellen der historischen Wahrheit. das Verrechnen der Opfer, das Ableugnen der Fakten. Wer Schuld aufrechnen will, wer behauptet, es sei doch alles nicht so – oder nicht ganz so – schlimm gewesen, der macht schon den Versuch, zu verteidigen, wo es nichts 500 zu verteidigen gibt.

Solche Bemühungen laufen nicht nur tendenziell auf eine Verleugnung der Opfer hinaus – sie sind auch ganz sinnlos. Denn was immer in der Zukunft geschehen oder von dem Geschehenen in Vergessenheit geraten mag: An Auschwitz werden 505 sich die Menschen bis an das Ende der Zeiten als eines Teil unserer deutschen Geschichte erinnern. Deshalb ist auch die Forderung sinnlos, mit der Vergangenheit endlich Schluß zu machen. Unsere Vergangenheit wird nicht ruhen, sie wird auch nicht vergehen. 510 Und zwar unabhängig davon, daß die jungen Menschen eine Schuld gar nicht treffen kann. Renate Harpprecht, eine Überlebende von Auschwitz, hat dazu gesagt: Man kann sich sein Volk nicht aussuchen. Ich habe mir damals manchmal 515 gewünscht, nicht Jüdin zu sein, dann bin ich es aber in sehr bewußter Weise geworden. Die jungen Deutschen müssen akzeptieren, daß sie Deutsche sind – aus diesem Schicksal können sie sich nicht davonstehlen. Sie wollen sich, meine Damen und Herren, auch nicht davonstehlen. Sie wollen 520 vielmehr von uns wissen, wie es dazu kam, wie es dazu kommen konnte. So nimmt die Beschäftigung mit den nationalsozialistischen Verbrechen trotz des wachsenden zeitlichen Abstandes zu den Ereignissen nicht ab, sondern gewinnt an Intensität. Auch für die Psyche eines Volkes gilt, daß die Verarbeitung des Vergangenen nur in der schmerzlichen Erfahrung der Wahrheit möglich ist. Diese 525 Selbstbefreiung in der Konfrontation mit dem Grauen ist weniger quälend als seine Verdrängung. »Aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen, ist das Verlangen vieler. Schon zu erkennen, was war, um zu verstehen, was ist, und zu erfassen, was sein wird,

334 Text im offiziellen Stenographischen Bericht: »Schließlich hatten doch die Machthaber dies geplant« (Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988a: 7275).

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530 das scheint doch die Aufgabe zu sein, die der Geschichtserkenntnis zugeschrieben wird.« Diese Sätze schrieb im Mai 1946 Leo Baeck, der dem Tod im Konzentrationslager Theresienstadt entronnen war. Meine Damen und Herren, die Erinnerung wachzuhalten und die Vergangenheit als 535 Teil unserer Identität als Deutsche anzunehmen – dies allein verheißt uns Älteren wie den Jüngeren Befreiung von der Last der Geschichte. »Europa wird vom Gehirn gehalten, vom Denken, aber der Erdteil zittert, das Denken hat seine Sprünge«– so hat Gottfried Benn am Ende des Krieges 540 geschrieben. Heute liegen diese Sprünge als klaffende Risse bloß. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Irrwege unserer neueren Geschichte erwächst uns fast notwendig eine besondere ethische Verantwortung eine neue Ethik der »Zukunftsverantwortung«, wie sie uns Hans Jonas, der 545 Friedenspreisträger de. Deutschen Buchhandels von 1987 und selbst Jude, lehrt. Im Zeitalter der Großtechnik, der Massengesellschaft und des Massenkonsums ist nicht nur die Bedrohung des einzelnen, sondern der Menschheit insgesamt gewachsen. Eine Bedrohung, die unseren Lebensbedingungen gelten kann, die aber 550 auch die Wertgrundlagen der irdischen Daseinsordnung überhaupt in Frage zu stellen vermag. Diese Bedrohung manifestiert sich in doppelter Hinsicht: einerseits in einem Katastrophenpotential – wie in einem möglichen Atomkrieg, aber auch der 555 schleichenden Umweltzerstörung – und zum anderen in einem Manipulationspotential, das etwa durch ein genetisches Umkonditionieren unserer Natur, aber auch durch großbürokratische Herrschaftsformen zur ethischen Entmündigung des Menschen führen kann. 560 Beides fordert von uns Wachsamkeit heraus,335 eine Wachsamkeit im Gebrauch menschlicher Macht, die sich der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen ebenso bewußt ist wie dessen, was der Mensch dem Menschen im Geist zügellosen und fanatischen Machtmißbrauches anzutun fähig war. 565 Auf den Fundamenten unseres Staates und unserer Geschichte gilt es eine neue moralische Tradition zu begründen, die sich in der humanen und moralischen Sensibilität unserer Gesellschaft beweisen muß. Nach außen bedeutet dies die Pflicht zur kollektiven Friedensverantwortung, zur 570 aktiven Befriedung der Welt. Dazu gehört für uns auch das Existenzrecht des jüdischen Volkes in gesicherten Grenzen. Es bedeutet die systemöffnende Kooperation zwischen West und Ost. Und es bedeutet eine Garantenpflicht für das überleben der Dritten Welt. 575 Nach innen bedeutet es Offenheit und Toleranz gegenüber dem Mitmenschen ungeachtet seiner Rasse, seiner Herkunft, seiner politischen Überzeugung. Es bedeutet die unbedingte Achtung des Rechts. Es bedeutet Wachsamkeit gegenüber

335 Text im offiziellen Stenographischen Bericht: »Beides fordert unsere Wachsamkeit heraus […]« (Deutscher Bundestag und Bundesrat 10. 11. 1988a: 7275).

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sozialer Ungerechtigkeit. Und es bedeutet das kompromißlose Eintreten gegen jede Willkür, gegen jeden Angriff auf die Würde des Menschen. Dies ist das Wichtigste: Lassen wir niemals wieder zu, daß unserem Nächsten die Qualität als Mensch abgesprochen wird. Er verdient Achtung; denn er trägt wie wir ein menschliches Antlitz.

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Max Frisch: Zeugenaussage des »Doktors« in Andorra – Stück in zwölf Bildern von Max Frisch; nach dem Elften Bild336

Der Doktor tritt an die Zeugenschranke.337 5

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Hoher Gerichtshof, mein Name ist Ferrer, Beruf: Amtsarzt.338 Ich möchte mich kurz fassen, obschon schon vieles zu berichtigen wäre, was heute geredet wird. Nachher ist es immer leicht zu wissen, wie man sich hätte verhalten sollen, abgesehen davon, daß ich, was meine Person betrifft, wirklich nicht weiß, warum ich mich anders hätte verhalten sollen. Was hat unsereiner denn eigentlich getan? Überhaupt nichts. Ich war Amtsarzt, was ich heute noch bin. Was ich damals gesagt haben soll, ich erinnere mich nicht mehr, es ist nun einmal meine Art, ein Andorraner sagt, was er denkt – aber ich will mich kurz fassen… Ich gebe zu: Wir haben uns damals alle getäuscht, was ich selbstverständlich nur bedauern kann. Wie oft soll ich das noch sagen? Ich bin nicht für Greuel, ich bin es nie gewesen. Ich habe den jungen Mann übrigens nur zwei- oder dreimal gesehen. Die Schlägerei, die dann stattgefunden hat, die habe ich nicht gesehen.339 Trotzdem verurteile ich sie selbstverständlich. Ich kann nur sagen, daß es nicht meine Schuld ist, einmal abgesehen davon, daß sein Benehmen (was man leider nicht verschweigen kann) mehr und mehr (sagen wir es offen) etwas Jüdisches hatte, obschon der junge Mann, mag sein, ein Andorraner war wie unsereiner. Ich bestreite keineswegs, daß wir sozusagen einer gewissen Aktualität erlegen sind. Es war, vergessen wir’s340 nicht, eine aufgeregte Zeit. Was meine Person betrifft, so habe ich nie an Mißhandlungen teilgenommen noch sonst irgend jemand dazu aufgefordert. Das darf ich wohl vor aller Öffentlichkeit betonen. Eine tragische Geschichte, kein Zweifel. Ich bin nicht Schuld, daß es so gekommen ist. Ich glaube im Namen aller zu sprechen, wenn ich, um zum Schluß zu kommen, nochmals wiederhole, daß wir den Gang341 der Dinge – damals – nur bedauern können.

Der Text folgt der Uraufführung des Schauspielhauses Zürich vom 02. 11. 1961. Die Stellen, die sich von der Ausgabe der Werkausgabe unterscheiden (Frisch 1998c), sind in den Fußnoten vermerkt. Die Rede schließt sich an das Ende des Elften Bildes an. Regieanweisung aus der Werkausgabe; Frisch 1998c: 542. Dieser Satz ist in der Werkausgabe nicht enthalten. In der Werkausgabe: »Die Schlägerei, die später stattgefunden haben soll, habe ich nicht gesehen« (ibid.). 340 In der Werkausgabe: »wir« (ibid.). 341 In der Werkausgabe: »Lauf« (ibid.).

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Helmut Kohl: Rede des Bundeskanzlers vor der Frauenkirche in Dresden

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Helmut Kohl: Rede des Bundeskanzlers vor der Frauenkirche in Dresden, öffentliche Kundgebung am 19. Dezember 1989 Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine lieben jungen Freunde, liebe Landsleute!

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Zunächst darf ich mich bei Ihnen allen sehr, sehr342 herzlich bedanken für dieses freundliche und freundschaftliche Willkommen.

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Und343 meine lieben Freunde, es sind hier344 viele, viele345 Hunderte Journalisten aus ganz Europa zu uns gekommen, und ich finde, wir sollten denen gemeinsam demonstrieren, wie wir mitten in Deutschland eine friedliche Kundgebung durchführen können. Deshalb meine ganz herzliche Bitte, daß wir – bei aller Begeisterung – uns jetzt gemeinsam auf diese paar346 Minuten unserer Begegnung konzentrieren.

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Das erste, was ich Ihnen allen zurufen will, ist ein herzlicher Gruß all Ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Bundesrepublik Deutschland. Das zweite, was ich sagen möchte, ist ein Wort der Anerkennung und der Bewunderung für diese friedliche Revolution in der DDR. Es ist zum ersten Mal in der deutschen Geschichte, daß in Gewaltfreiheit, mit Ernst und Ernsthaftigkeit und in Solidarität die Menschen für die Zukunft demonstrieren. Dafür danke ich Ihnen allen sehr, sehr herzlich.347 Es ist eine Demonstration für Demokratie, für Frieden, für Freiheit und für die Selbstbestimmung unseres Volkes. Und, liebe Freunde, Selbstbestimmung heißt für uns – auch in der Bundesrepublik –, daß wir Ihre Meinung respektieren. Wir wollen und wir werden niemanden bevormunden. Wir respektieren das, was Sie entscheiden für die Zukunft des Landes. Und348 liebe Freunde, ich bin heute hierhergekommen zu den Gesprächen mit Ihrem Ministerpräsidenten Hans Modrow, um in dieser schwierigen Lage der DDR zu helfen. Wir lassen unsere Landsleute in der DDR nicht im Stich. Und wir wissen – lassen Sie mich das auch hier, in diese Begeisterung, die mich so erfreut, hinein sagen –, wie schwierig dieser Weg in die Zukunft ist.349 Aber ich

Wort fehlt in der Ausgabe des Bulletins. Wort fehlt in der Ausgabe des Bulletins. Wort fehlt in der Ausgabe des Bulletins. Wort fehlt in der Ausgabe des Bulletins. In der Ausgabe des Bulletins: »[…] wenige […]« In der Ausgabe des Bulletins: »Wir erleben, daß eine solche Umwälzung sich zum ersten Mal in der deutschen Geschichte so gewaltlos, mit so großem Ernst und im Geist der Solidarität vollzieht. Dafür danke ich Ihnen allen sehr herzlich.« 348 Wort fehlt in der Ausgabe des Bulletins. 349 In der Ausgabe des Bulletins: »Und wir wissen – lassen Sie mich das auch hier, angesichts

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rufe Ihnen auch zu: Gemeinsam werden wir diesen Weg in die deutsche Zukunft schaffen! 40

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Es war dies heute meine erste Begegnung mit Ministerpräsident Hans Modrow. Und350 wir beide sind uns bewußt, daß wir in einer geschichtlichen Stunde – ungeachtet unserer politischen Herkunft351 – versuchen müssen, für unser Volk unsere Pflicht zu tun. Es war ein erstes Gespräch, es war auch ein ernstes Gespräch, und es hatte gute Ergebnisse. Wir haben uns352 verabredet, daß in den nächsten Wochen intensiv daran gearbeitet wird, daß wir noch im Frühjahr einen Vertrag über die Vertragsgemeinschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR abschließen können. Liebe Freunde, wir wollen eine enge Zusammenarbeit auf allen Gebieten: auf dem Felde der Wirtschaft, des Verkehrs, zum Schutze der Umwelt, der Sozialpolitik353 und der Kultur. Wir wollen vor allem auf dem Felde der Wirtschaft eine möglichst enge Zusammenarbeit mit dem klaren Ziel, daß die Lebensverhältnisse hier in der DDR so schnell wie möglich verbessert werden. Wir wollen, daß die Menschen sich hier wohl fühlen. Wir wollen, daß sie in ihrer Heimat bleiben und hier ihr Glück finden können. Und entscheidend ist,354 daß für die Zukunft die Menschen in Deutschland zueinanderkommen können, daß der freie Reiseverkehr in beiden Richtungen dauerhaft garantiert ist. Wir wollen, daß sich die Menschen in Deutschland überall, wo sie dies wollen, treffen können. Und dann, liebe Freunde, werden Sie in diesem Jahr freie Wahlen haben.355 Sie werden frei entscheiden, wer, mit Ihrem Vertrauen versehen, im Parlament sitzt. Sie werden eine frei gewählte Regierung haben. Und dann ist der Zeitpunkt gekommen zu dem, was ich genannt habe »konföderative Strukturen« – 356 das heißt: gemeinsame Regierungsausschüsse, gemeinsame Parlamentsausschüsse –, damit wir mit möglichst viel Gemeinsamkeit in Deutschland leben können. Und auch das lassen Sie mich hier auf diesem traditionsreichen Platz sagen: Mein Ziel bleibt – wenn die geschichtliche Stunde es zuläßt – die Einheit unserer Nation.

dieser Begeisterung, die mich so erfreut, sagen –, wie schwierig dieser Weg in die Zukunft ist.« Wort fehlt in der Ausgabe des Bulletins. In der Ausgabe des Bulletins: »[…] unterschiedlichen politischen Herkunft […]« Wort fehlt in der Ausgabe des Bulletins. In der Ausgabe des Bulletins: »[…] auf dem Gebiet der Sozialpolitik […]« In der Ausgabe des Bulletins: »Entscheidend für die Zukunft ist […]« In der Version des Bulletins: »Liebe Freunde, Sie werden im kommenden Jahr freie Wahlen haben.« In der Version des Bulletins: »Und dann ist der Zeitpunkt gekommen für das, was ich »konföderative Strukturen« genannt habe […]«

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Und,357 liebe Freunde, ich weiß, daß wir dies358 Ziel erreichen können und daß die Stunde359 kommt, wenn wir gemeinsam dafür arbeiten – wenn360 wir es mit Vernunft und mit Augenmaß tun, mit Sinn für das Mögliche. Es ist ein schwieriger Weg, aber es ist ein guter Weg; es geht um unsere gemeinsame Zukunft. Und361 ich weiß auch, daß dies nicht von heute auf morgen zu tun362 ist. Wir, die Deutschen, leben nicht363 allein in Europa und in der Weit. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, daß alles, was sich hier364 verändert, Auswirkungen auf alle365 unsere Nachbarn haben muß, auf die Nachbarn im Osten und auf die Nachbarn im Westen. Und366 es hat keinen Sinn, wenn wir nicht zur Kenntnis nehmen,367 daß viele uns auf diesem Weg mit Sorge und manche auch mit Ängsten betrachten.368 Aus Ängsten aber kann nichts Gutes erwachsen. Und doch müssen wir als Deutsche unseren Nachbarn sagen:369 Angesichts der Geschichte dieses Jahrhunderts haben wir Verständnis für mancherlei370 dieser Ängste. Wir werden sie ernst nehmen. Und für uns heißt das: Wir wollen unsere Interessen als Deutsche vertreten.371 Wir sagen »ja« zum Selbstbestimmungsrecht, das allen Völkern dieser Erde gehört372 – auch den Deutschen. Aber, liebe Freunde, dieses Selbstbestimmungsrecht macht für die Deutschen nur einen Sinn, wenn wir auch die Sicherheitsbedürfnisse der anderen dabei373 nicht aus den Augen lassen.374 Wir wollen in eine Welt hinein, die mehr Frieden und mehr Freiheit hat, die mehr Miteinander und nicht mehr Gegeneinander sieht375.

Wort fehlt in der Version des Bulletins. In der Version des Bulletins: » […] dieses […]« In der Version des Bulletins: » […] diese Stunde […]« In der Version des Bulletins: » […] und wenn […]« Wort fehlt in der Version des Bulletins. In der Version des Bulletins: »[…] erreichen […]« In der Version des Bulletins: »[…] nun einmal nicht […]« In der Version des Bulletins: »[…] hier bei uns […]« Wort fehlt in der Version des Bulletins. Wort fehlt in der Version des Bulletins. In der Version des Bulletins: »[…] nicht zur Kenntnis zu nehmen […]« In der Version des Bulletins: »[…] daß uns auf unserem Weg viele mit Sorge und manche auch mit Ängsten beobachten.« In der Version des Bulletins: »Wir müssen als Deutsche unseren Nachbarn sagen: […]« In der Version des Bulletins: »[…] manche […]« In der Version des Bulletins: »Natürlich wollen wir unsere Interessen als Deutsche vertreten.« In der Version des Bulletins: »[…] zusteht […]« Wort fehlt in der Version des Bulletins. In der Version des Bulletins: »[…] wenn wir dieses Selbstbestimmungsrecht für die Deutschen verwirklichen wollen, dann dürfen wir auch die Sicherheitsbedürfnisse der anderen nicht außer acht lassen.« In der Version des Bulletins: »Wir wollen eine Welt, in der es mehr Frieden und mehr Freiheit gibt, die mehr Miteinander und nicht mehr Gegeneinander kennt.«

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Das »Haus Deutschland« – unser Haus –376 muß unter einem europäischen Dach gebaut werden. Das muß das Ziel unserer Politik sein. Liebe Freunde, in wenigen Tagen, am 1. Januar 1990, beginnen die neunziger 100 Jahre, sie führen hinüber in das letzte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts.377 Es ist ein Jahrhundert, das in Europa378 und auch bei uns in Deutschland viel Not, viel Elend, viele Tote, viel Leid gesehen hat – ein Jahrhundert, das auch eine besondere Verantwortung der Deutschen für manches, was Schlimmes geschah, immer wieder gesehen hat.379 105 Hier vor der Ruine der Frauenkirche in Dresden, am Mahnmal für die Toten von Dresden, habe ich gerade ein Blumengebinde niedergelegt – auch in der Erinnerung an das Leid und die Toten380 dieser wunderschönen alten deutschen Stadt. 110 Ich war damals381 – und das sage ich zu den Jungen hier auf dem Platz382 – 15 Jahre383, ein Schüler, ein Kind. Ich hatte dann die Chance, »drüben«, in meiner pfälzischen Heimat, groß zu werden, und ich gehöre zu jener jungen Generation, die nach dem Krieg geschworen hat – wie hier auch –: »Nie wieder Krieg, nie 115 wieder Gewalt!«

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Und384 ich möchte hier vor Ihnen diesen Schwur erweitern, indem ich Ihnen zurufe: Von deutschem Boden muß in Zukunft immer Frieden ausgehen – das ist das Ziel unserer Gemeinsamkeit! Aber, liebe Freunde, wahrer Friede ist ohne Freiheit nicht möglich. Und385 deswegen kämpfen Sie, demonstrieren Sie für die Freiheit in der DDR, und386 deswegen unterstützen wir Sie, und deswegen gehört Ihnen unsere Solidarität.

125 Liebe Freunde, es sind noch wenige Tage, die uns vom Weihnachtsfest – dem Fest des Friedens – trennen. Weihnachten, das ist das Fest der Familie, der Freunde. Und387 gerade in diesen Tagen empfinden wir uns in Deutschland wieder als eine deutsche Familie. Wir alle haben das empfunden in diesen Wochen und Tagen. 130 Ich erinnere uns alle an die bewegenden Bilder mitten in Deutschland im September, und im Oktober – an jene Bilder, in denen sich Freunde

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In der Version des Bulletins: »[…] unser gemeinsames Haus […]« In der Version des Bulletins: »[…] beginnt das letzte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts.« In der Version des Bulletins: »[…] vor allem in Europa […]« In der Version des Bulletins: »[…] das auch uns Deutschen eine besondere Verantwortung auferlegt hat – angesichts des Schlimmen, das geschah.« In der Version des Bulletins: »[…] an die Toten […]« Statt »damals« in der Version des Bulletins: »1945«. In der Version des Bulletins: »[…] und das sage ich zu den jungen Menschen hier auf dem Platz […]« In der Version des Bulletins: »[…] 15 Jahre alt […]« Wort fehlt in der Version des Bulletins. Wort fehlt in der Version des Bulletins. Wort fehlt in der Version des Bulletins. Wort fehlt in der Version des Bulletins.

Helmut Kohl: Rede des Bundeskanzlers vor der Frauenkirche in Dresden

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wiedergetroffen haben, aber auch Verwandte und Familien; vierzig Jahre haben wir darauf gewartet.388 Und389 wir sind dankbar, daß wir das jetzt erleben dürfen. 135 Und390 liebe Freunde, das alles ist nicht von allein gekommen. Viele haben dabei mitgeholfen, nicht zuletzt die Bürger auf den Straßen und Plätzen der DDR. Aber auch draußen in der Welt haben viele geholfen. Und so nenne ich hier aus gutem Grund die Perestroika des Michail Gorbatschow,391 die diese Möglichkeiten geschaffen392 hat, die Freiheitsbewegung der Solidarnosc in Polen, die Reformer in 140 Ungarn. Liebe Freunde, wir sind dafür dankbar. Jetzt kommt es darauf an, daß wir diesen Weg in der Zeit, die vor uns liegt, friedlich, mit Geduld, mit Augenmaß und gemeinsam mit unseren Nachbarn weitergehen. Für dieses Ziel lassen sie uns 145 gemeinsam arbeiten, lassen sie uns gegenseitig393 in solidarischer Gesinnung helfen. Ich grüße hier von Dresden aus alle unsere Landsleute in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland. Ich wünsche Ihnen und uns allen ein friedvolles Weihnachtsfest, ein glückliches Jahr 1990. Gott segne unser deutsches Vaterland!

Der Text folgt der Ausgabe des Bulletins des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) 1989: Bulletin. Nr. 150. Rede des Bundeskanzlers vor der Frauenkirche in Dresden. Kundgebung am 19. Dezember 1989. Bonn: Presse und Informationsamt der Bundesregierung 22. 12. 1989: 1261 f.). Offensichtliche Versprecher werden in dem hier vorliegenden Text nicht übernommen; Stellen, die sich von Kohls tatsächlichem Vortragstext unterscheiden, wurden hingegen korrigiert und dem tatsächlichen Wortlaut angeglichen. In den Fußnoten sind die abweichenden Passagen, wie sie im Bulletin gedruckt sind, vermerkt. 388 In der Version des Bulletins: »[…] im Oktober, im November – an jene Bilder vor allem, die zeigten, wie sich Freunde und Verwandte wiedergetroffen haben, über vierzig Jahre haben wir darauf gewartet.« 389 Wort fehlt in der Version des Bulletins. 390 Wort fehlt in der Version des Bulletins. 391 In der Version des Bulletins: »Und so nenne ich hier aus gutem Grund die Politik der Perestroika von Michail Gorbatschow […]« 392 In der Version des Bulletins: »[…] mitgeschaffen […]« 393 In der Version des Bulletins: »[…] einander […]«

410

Redencorpus

5.4

Friedrich Schiller: Die Rede des Marquis von Posa in Friedrich Schillers Don Carlos, Infant von Spanien; III. Akt, 10. Auftritt

Dritter Akt, Zehnter Auftritt.

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Der König und Marquis von Posa. Dieser geht dem König, sobald er ihn gewahr wird, entgegen und läßt sich vor ihm auf ein Knie nieder, steht auf und bleibt ohne Zeichen der Verwirrung vor ihm stehen. König betrachtet ihn mit einem Blick der Verwunderung: Mich schon gesprochen also? Marquis

König Ihr machtet Um meine Krone Euch verdient. Warum Entziehet Ihr Euch meinem Dank? In meinem Gedächtnis drängen sich der Menschen viel. Allwissend ist nur Einer. Euch kam’s zu, Das Auge Eures Königes zu suchen. Weswegen tatet Ihr das nicht? Marquis Es sind Zween Tage, Sire, daß ich ins Königreich Zurück gekommen. König Ich bin nicht gesonnen, In meiner Diener Schuld zu stehn – Erbittet Euch eine Gnade. Marquis

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Nein.

Ich genieße die Gesetze.

König Dies Recht hat auch der Mörder. Marquis Wie viel mehr Der gute Bürger! – Sire, ich bin zufrieden. König vor sich: Viel Selbstgefühl und kühner Mut, bei Gott! Doch das war zu erwarten – Stolz will ich Den Spanier. Ich mag es gerne leiden, Wenn auch der Becher überschäumt – Ihr tratet

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Die Rede des Marquis von Posa

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Aus meinen Diensten, hör’ ich? Marquis Einem Bessern Den Platz zu räumen, zog ich mich zurücke. König Das tut mir leid. Wenn solche Köpfe feiern, Wie viel Verlust für einen Staat – Vielleicht Befürchtet Ihr, die Sphäre zu verfehlen, Die Eures Geistes würdig ist. Marquis O nein! Ich bin gewiß, daß der erfahrne Kenner, In Menschenseelen, seinem Stoff, geübt, Beim ersten Blicke wird gelesen haben, Was ich ihm taugen kann. Was nicht. Ich fühle Mit demutsvoller Dankbarkeit die Gnade, Die Eure königliche Majestät Durch diese stolze Meinung auf mich häufen; Doch – Er hält inne. König Ihr bedenket Euch? Marquis Ich bin – ich muß Gestehen, Sire, sogleich nicht vorbereitet, Was ich als Bürger dieser Welt gedacht, In Worte Ihres Untertans zu kleiden. – Denn damals, Sire, als ich auf immer mit Der Krone aufgehoben, glaubt’ ich mich Auch der Notwendigkeit entbunden, ihr Von diesem Schritte Gründe anzugeben. König So schwach sind diese Gründe? Fürchtet Ihr Dabei zu wagen? Marquis Wenn ich Zeit gewinne, Sie zu erschöpfen, Sire – mein Leben höchstens. Die Wahrheit aber setz’ ich aus, wenn Sie Mir diese Gunst verweigern. Zwischen Ihrer Ungnade und Geringschätzung ist mir Die Wahl gelassen – Muß ich mich entscheiden, Sie will ich ein Verbrecher lieber als Ein Tor vor Ihren Augen gehen. König mit erwartender Miene:

Nun?

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Redencorpus

Marquis: – Ich kann nicht Fürstendiener sein. Ich will Der König sieht ihn mit Erstaunen an. Den Käufer nicht betrügen, Sire. – Wenn Sie Mich anzustellen würdigen, so wollen Sie nur die vorgewogne Tat. Sie wollen 90 Nur meinen Arm und meinen Muth im Felde, Nur meinen Kopf im Rat. Nicht meine Taten, Der Beifall, den sie finden an dem Thron, Soll meiner Taten Endzweck sein. Mir aber, Mir hat die Tugend eignen Werth. Das Glück, 95 Das der Monarch mit meinen Händen pflanzte, Erschüf ’ ich selbst, und Freude wäre mir Und eigne Wahl, was mir nur Pflicht sein sollte. Und ist das Ihre Meinung? Können Sie In Ihrer Schöpfung fremde Schöpfer dulden? 100 Ich aber soll zum Meißel mich erniedern, Wo ich der Künstler könnte sein? – Ich liebe Die Menschheit, und in Monarchieen darf Ich niemand lieben als mich selbst. 85

105 König Dies Feuer Ist lobenswert. Ihr möchtet Gutes stiften. Wie Ihr es stiftet, kann dem Patrioten, Dem Weisen gleich viel heißen. Suchet Euch Den Posten aus in meinen Königreichen, 110 Der Euch berechtigt, diesem edeln Triebe Genug zu tun. Marquis 115 König

Ich finde keinen. Wie?

Marquis Was Eure Majestät durch meine Hand Verbreiten – ist das Menschenglück? Ist das Dasselbe Glück, das meine reine Liebe 120 Den Menschen gönnt? – Vor diesem Glücke würde Die Majestät erzittern – Nein! Ein neues Erschuf der Krone Politik – ein Glück, Das sie noch reich genug ist auszuteilen, Und in dem Menschenherzen neue Triebe, 125 Die sich von diesem Glücke stillen lassen. In ihren Münzen läßt sie Wahrheit schlagen, Die Wahrheit, die sie dulden kann. Verworfen Sind alle Stempel, die nicht diesem gleichen. Doch, was der Krone frommen kann – ist das 130 Auch mir genug? Darf meine Bruderliebe

Die Rede des Marquis von Posa

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Sich zur Verkürzung meines Bruders borgen? Weiß ich ihn glücklich – eh’ er denken darf ? Mich wählen Sie nicht, Sire, Glückseligkeit, Die Sie uns prägen, auszustreun. Ich muß 135 Mich weigern, diese Stempel auszugeben. – Ich kann nicht Fürstendiener sein. König etwas rasch: Ihr seid 140 Ein Protestant.

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Marquis nach einigem Bedenken: Ihr Glaube Sire, ist auch Der meinige. Nach einer Pause. Ich werde mißverstanden. Das war es, was ich fürchtete. Sie sehen Von den Geheimnissen der Majestät Durch meine Hand den Schleier weggezogen. Wer sichert Sie, daß mir noch heilig heiße, Was mich zu schrecken aufgehört? Ich bin Gefährlich, weil ich über mich gedacht. – Ich bin es nicht, mein König. Meine Wünsche Verwesen hier. Die Hand auf die Brust gelegt. Die lächerliche Wut Der Neuerung, die nur der Ketten Last, Die sie nicht ganz zerbrechen kann, vergrößert, Wird mein Blut nie erhitzen. Das Jahrhundert Ist meinem Ideal nicht reif. Ich lebe Ein Bürger derer, welche kommen werden. Kann ein Gemälde Ihre Ruhe trüben? – Ihr Atem löscht es aus.

165 König Bin ich der Erste, Der Euch von dieser Seite kennt?

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Marquis Ja!

Von dieser –

König steht auf, macht einige Schritte und bleibt dem Marquis gegenüber stehen. Vor sich: Neu zum wenigsten ist dieser Ton! Die Schmeichelei erschöpft sich. Nachzuahmen 175 Erniedrigt einen Mann von Kopf. – Auch einmal Die Probe von dem Gegenteil. – Warum nicht?

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Redencorpus

Das Überraschende macht Glück. – Wenn Ihr Es so versteht, gut, so will ich mich Auf eine neue Kronbedienung richten – 180 Den starken Geist – Marquis Ich höre, Sire, wie klein, Wie niedrig Sie von Menschenwürde denken, Selbst in des freien Mannes Sprache nur 185 Den Kunstgriff eines Schmeichlers sehen, und Mir deucht, ich weiß, wer Sie dazu berechtigt. Die Menschen zwangen Sie dazu; die haben Freiwillig ihres Adels sich begeben, Freiwillig sich auf diese niedre Stufe 190 Herab gestellt. Erschrocken fliehen sie Vor dem Gespenste ihrer innern Größe, Gefallen sich in ihrer Armut, schmücken Mit feiger Weisheit ihre Ketten aus, Und Tugend nennt man, sie mit Anstand tragen. 195 So überkamen Sie die Welt. So ward Sie Ihrem großen Vater überliefert. Wie könnten Sie in dieser traurigen Verstümmlung – Menschen ehren? 200 König Etwas Wahres Find’ ich in diesen Worten. Marquis Aber Schade! Da Sie den Menschen aus des Schöpfers Hand 205 In Ihrer Hände Werk verwandelten Und dieser neugegoßnen Kreatur Zum Gott sich gaben – da versahen Sie’s In etwas nur: Sie blieben selbst noch Mensch – Mensch aus des Schöpfers Hand. Sie fuhren fort 210 Als Sterblicher zu leiden, zu begehren; Sie brauchen Mitgefühl – und einem Gott Kann man nur opfern – zittern – zu ihm beten! Bereuenswerter Tausch! Unselige Verdrehung der Natur! – Da Sie den Menschen 215 Zu Ihrem Saitenspiel herunterstürzten, Wer teilt mit Ihnen Harmonie?

220

König (Bei Gott, Er greift in meine Seele!) Marquis Aber Ihnen Bedeutet dieses Opfer nichts. Dafür

Die Rede des Marquis von Posa

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Sind Sie auch einzig – Ihre eigne Gattung – Um diesen Preis sind Sie ein Gott. – Und schrecklich, 225 Wenn das nicht wäre – wenn für diesen Preis, Für das zertretne Glück von Millionen, Sie nichts gewonnen hätten! wenn die Freiheit, Die Sie vernichteten, das Einz’ge wäre, Das Ihre Wünsche reifen kann? – Ich bitte, 230 Mich zu entlassen, Sire. Mein Gegenstand Reißt mich dahin. Mein Herz ist voll – der Reiz Zu mächtig, vor dem Einzigen zu stehen, Dem ich es öffnen möchte. 235 Der Graf von Lerma tritt herein und spricht einige Worte leise mit dem König. Dieser gibt ihm einen Wink, sich zu entfernen, und bleibt in seiner vorigen Stellung sitzen.

240

König zum Marquis, nachdem Lerma weggegangen: Redet aus! Marquis nach einigem Stillschweigen: Ich fühle, Sire, – den ganzen Werth –

245 König Vollendet! Ihr hattet mir noch mehr zu sagen. Marquis Sire! Jüngst kam ich an von Flandern und Brabant. – 250 So viele reiche, blühende Provinzen! Ein kräftiges, ein großes Volk – und auch Ein gutes Volk – und Vater dieses Volkes, Das, dacht’ ich, das muß göttlich sein! – Da stieß Ich auf verbrannte menschliche Gebeine – 255 Hier schweigt er still; seine Augen ruhen auf dem König, der es versucht, diesen Blick zu erwidern, aber betroffen und verwirrt zur Erde sieht. Sie haben Recht. Sie müssen. Daß Sie können, Was Sie zu müssen eingesehen, hat mich 260 Mit schaudernder Bewunderung durchdrungen. O Schade, daß, in seinem Blut gewälzt, Das Opfer wenig dazu taugt, dem Geist Des Opferers ein Loblied anzustimmen! Daß Menschen nur – nicht Wesen höhrer Art – 265 Die Weltgeschichte schreiben! – Sanftere Jahrhunderte verdrängen Philipps Zeiten; Die bringen mildre Weisheit; Bürgerglück Wird dann versöhnt mit Fürstengröße wandeln,

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Redencorpus

Der karge Staat mit seinen Kindern geizen, 270 Und die Notwendigkeit wird menschlich sein. König Wann, denkt Ihr, würden diese menschlichen Jahrhunderte erscheinen, hätt’ ich vor Dem Fluch des jetzigen gezittert? Sehet 275 In meinem Spanien Euch um. Hier blüht Des Bürgers Glück in nie bewölktem Frieden; Und diese Ruhe gönn’ ich den Flamändern. Marquis schnell: 280 Die Ruhe eines Kirchhofs! Und Sie hoffen, Zu endigen, was Sie begannen? hoffen, Der Christenheit gezeitigte Verwandlung, Den allgemeinen Frühling aufzuhalten, Der die Gestalt der Welt verjüngt? Sie wollen – 285 Allein in ganz Europa – sich dem Rade Des Weltverhängnisses, das unaufhaltsam In vollem Laufe rollt, entgegenwerfen? Mit Menscharm in seine Speichen fallen? Sie werden nicht! Schon flohen Tausende 290 Aus Ihren Ländern froh und arm. Der Bürger, Den Sie verloren für den Glauben, war Ihr edelster. Mit offnen Mutterarmen Empfängt die Fliehenden Elisabeth, Und fruchtbar blüht durch Künste unsers Landes 295 Britannien. Verlassen von dem Fleiß Der neuen Christen, liegt Granada öde, Und jauchzend sieht Europa seinen Feind An selbstgeschlagnen Wunden sich verbluten. Der König ist bewegt; der Marquis bemerkt es und tritt einige Schritte näher. 300 Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit, Und säen Tod? Ein so erzwungnes Werk Wird seines Schöpfers Geist nicht überdauern. Dem Undank haben Sie gebaut – umsonst Den harten Kampf mit der Natur gerungen, 305 Umsonst ein großes königliches Leben Zerstörenden Entwürfen hingeopfert. Der Mensch ist mehr, als Sie von ihm gehalten. Des langen Schlummers Bande wird er brechen Und wiederfordern sein geheiligt Recht. 310 Zu einem Nero und Busiris wirft Er Ihren Namen, und – das schmerzt mich; denn Sie waren gut. König

Wer hat Euch dessen so

Die Rede des Marquis von Posa

315 Gewiß gemacht?

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Marquis mit Feuer : Ja, beim Allmächtigen! Ja – ja – ich wiederhol’ es. Geben Sie, Was Sie uns nahmen, wieder! Lassen Sie Großmütig, wie der Starke, Menschenglück Aus Ihrem Füllhorn strömen – Geister reifen In Ihrem Weltgebäude! Geben Sie, Was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie Von Millionen Königen ein König. Er nähert sich ihm kühn, und indem er feste und feurige Blicke auf ihn richtet. O könnte die Beredsamkeit von allen Den Tausenden, die dieser großen Stunde Teilhaftig sind, auf meinen Lippen schweben, Den Strahl, den ich in diesen Augen merke, Zur Flamme zu erheben! Geben Sie Die unnatürliche Vergöttrung auf, Die uns vernichtet! Werden Sie uns Muster Des Ewigen und Wahren! Niemals – niemals Besaß ein Sterblicher so viel, so göttlich Es zu gebrauchen. Alle Könige Europens huldigen dem spanischen Namen. Gehn Sie Europens Königen voran. Ein Federzug von dieser Hand, und neu Erschaffen wird die Erde. Geben Sie Gedankenfreiheit. – Sich ihm zu Füßen werfend.

König überrascht, das Gesicht weggewandt und dann wieder au den Marquis geheftet: Sonderbarer Schwärmer! 345 Doch – steht auf – ich – Marquis Sehen Sie sich um In seiner herrlichen Natur! Auf Freiheit Ist sie gegründet – und wie reich ist sie 350 Durch Freiheit! Er, der große Schöpfer, wirft In einen Tropfen Tau den Wurm und läßt Noch in den toten Räumen der Verwesung Die Willkür sich ergötzen – Ihre Schöpfung, Wie eng und arm! Das Rauschen eines Blattes 355 Erschreckt den Herrn der Christenheit – Sie müssen Vor jeder Tugend zittern. Er – der Freiheit Entzückende Erscheinung nicht zu stören – Er läßt des Übels grauenvolles Heer In seinem Weltall lieber toben – ihn, 360 Den Künstler, wird man nicht gewahr, bescheiden

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418 Verhüllt er sich in ewige Gesetze; Die sieht der Freigeist, doch nicht ihn. Wozu Ein Gott? sagt er : die Welt ist sich genug. Und keines Christen Andacht hat ihn mehr, 365 Als dieses Freigeists Lästerung, gepriesen. König Und wollet Ihr es unternehmen, dies Erhabne Muster in der Sterblichkeit In meinen Staaten nachzubilden? 370 Marquis Sie, Sie können es. Wer anders? Weihen Sie Dem Glück der Völker die Regentenkraft, Die – ach, so lang – des Thrones Größe nur Gewuchert hatte – stellen Sie der Menschheit 375 Verlornen Adel wieder her. Der Bürger Sei wiederum, was er zuvor gewesen, Der Krone Zweck – ihn binde keine Pflicht, Als seiner Brüder gleich ehrwürd’ge Rechte. Wenn nun der Mensch, sich selbst zurückgegeben, 380 Zu seines Werts Gefühl erwacht – der Freiheit Erhabne, stolze Tugenden gedeihen – Dann, Sire, wenn Sie zum glücklichsten der Welt Ihr eignes Königreich gemacht – dann ist Es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen. 385 König nach einem großen Stillschweigen: Ich ließ Euch bis zum Ende reden – Anders, Begreif ’ ich wohl, als sonst in Menschenköpfen, Malt sich in diesem Kopf die Welt – auch will 390 Ich fremdem Maßstab Euch nicht unterwerfen. Ich bin der Erste, dem Ihr Euer Innerstes Enthüllt. Ich glaub’ es, weil ich’s weiß. Um dieser Enthaltung willen, solche Meinungen, Mit solchem Feuer doch umfaßt, verschwiegen 395 Zu haben bis auf diesen Tag – um dieser Bescheidnen Klugheit willen, junger Mann, Will ich vergessen, daß ich sie erfahren Und wie ich sie erfahren. Stehet auf. Ich will den Jüngling, der sich übereilte, 400 Als Greis und nicht als König widerlegen. Ich will es, weil ich’s will – Gift also selbst, Find’ ich, kann in gutartigen Naturen Zu etwas besserm sich veredeln – Aber Flieht meine Inquisition. – Es sollte 405 Mir leid tun –

Redencorpus

Die Rede des Marquis von Posa

Marquis

Wirklich? Sollt’ es das?

König in seinem Anblick verloren: Ich habe 410 Solch einen Menschen nie gesehen. – Nein, Nein, Marquis! Ihr tut mir zu viel. Ich will Nicht Nero sein. Ich will es nicht sein – will Es gegen Euch nicht sein. Nicht alle Glückseligkeit soll unter mir verdorren. 415 Ihr selbst, Ihr sollet unter meinen Augen Fortfahren dürfen, Mensch zu sein. Marquis rasch: Und meine Mitbürger, Sire? – O! nicht um mich war mir’s 420 Zu tun, nicht meine Sache wollt’ ich führen. Und Ihre Untertanen, Sire? – König Und wenn Ihr so gut wisset, wie die Folgezeit 425 Mich richten wird, so lerne sie an Euch, Wie ich mit Menschen es gehalten, als Ich einen fand. Marquis O! der gerechteste 430 Der Könige sei nicht mit einem Male Der ungerechteste in Ihrem Flandern Sind tausend Bessere als ich. Nur Sie – Darf ich es frei gestehen, großer König? – Sie sehn jetzt unter diesem sanftern Bilde 435 Vielleicht zum ersten Mal die Freiheit. König mit gemildertem Ernst: Nichts mehr Von diesem Inhalt, junger Mann. – Ich weiß, Ihr werdet anders denken, kennet Ihr 440 Den Menschen erst, wie ich – Doch hätt’ ich Euch Nicht gern zum letzten Mal gesehn. Wie fang ich Es an, Euch zu verbinden? Marquis Lassen Sie 445 Mich, wie ich bin. Was wär’ ich Ihnen, Sire, Wenn Sie auch mich bestächen? König Diesen Stolz Ertrag’ ich nicht. Ihr seid von heute an 450 In meinen Diensten. – Keine Einwendung! Ich will es haben. Nach einer Pause. Aber wie? was wollte

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Redencorpus

Ich denn? War es nicht Wahrheit, was ich wollte? Und hier find’ ich noch etwas mehr – Ihr habt 455 Auf meinem Thron mich ausgefunden, Marquis. Nicht auch in meinem Hause? Da sich der Marquis zu bedenken scheint. Ich versteh’ Euch Doch – wär’ ich auch von allen Vätern der 460 Unglücklichste, kann ich nicht glücklich sein Als Gatte? Marquis Wenn ein hoffnungsvoller Sohn, Wenn der Besitz der liebenswürdigsten 465 Gemahlin einem Sterblichen ein Recht In diesem Namen geben, Sire, so sind Sie Der Glücklichste durch Beides. König mit finstrer Miene: Nein, ich bin es nicht! 470 Und daß ich’s nicht bin, hab’ ich tiefer nie Gefühlt, als eben jetzt – Mit einem Blick der Wehmut auf dem Marquis verweilend. Marquis Der Prinz denkt edel 475 Und gut. Ich hab’ ihn anders nie gefunden.

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König Ich aber hab’ es – Was er mir genommen, Kann keine Krone mir ersetzen – eine So tugendhafte Königin! Marquis Es wagen, Sire?

Wer kann

König Die Welt! Die Lästerung! 485 Ich selbst! – Hier liegen Zeugnisse, die ganz Unwidersprechlich sie verdammen; andre Sind noch vorhanden, die das Schrecklichste Mich fürchten lassen – Aber, Marquis – schwer, Schwer fällt es mir, an eines nur zu glauben. 490 Wer klagt sie an? – Wenn sie sie fähig sollte Gewesen sein, so tief sich zu entehren, O, wie viel mehr ist mir zu glauben dann Erlaubt, daß eine Eboli verleumdet? Haßt nicht der Priester meinen Sohn und sie? 495 Und weiß ich nicht, daß Alba Rache brütet? Mein Weib ist mehr wert, als sie alle. Marquis

Sire,

Die Rede des Marquis von Posa

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Und etwas lebt noch in des Weibes Seele, 500 Das über allen Schein erhaben ist Und über alle Lästerung – es heißt Weibliche Tugend. König Ja! Das sag’ ich auch. 505 So tief, als man die Königin bezichtigt, Herab zu sinken, kostet viel. So leicht, Als man mich überreden möchte, reißen Der Ehre heil’ge Bande nicht. Ihr kennt Den Menschen, Marquis. Solch ein Mann hat mir 510 Schon längst gemangelt, Ihr seid gut und fröhlich, Und kennet doch den Menschen auch – drum hab’ Ich Euch gewählt –

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Marquis überrascht und erschrocken: Mich, Sire?

König Ihr standet Vor Eurem Herrn und habt nichts für Euch selbst Erbeten – nichts. Das ist mir neu – Ihr werdet 520 Gerecht sein. Leidenschaft wird Euren Blick Nicht irren – Dränget Euch zu meinem Sohn, Erforscht das Herz der Königin. Ich will Euch Vollmacht senden, sie geheim zu sprechen. Und jetzt verlaßt mich! 525 Er zieht eine Glocke.

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Marquis Kann ich es mit einer Erfüllten Hoffnung? dann ist dieser Tag Der schönste meines Lebens.

König reicht ihm die Hand zum Kusse: Er ist kein Verlorner in dem meinigen. Der Marquis steht auf und geht. Graf Lerma tritt herein. 535 Der Ritter Wird künftig ungemeldet vorgelassen.

Der Text folgt der Letzten Ausgabe des Stücks aus dem Jahr 1805 und entspricht der Rechtschreibung des Deutschen Klassiker Verlags (Schiller 1989: 886 – 898).

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5.5

Redencorpus

Gerhard Schröder: Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Lage im Kosovo, Fernsehansprache am 24. März 1999 Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

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heute abend hat die NATO mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. Der jugoslawische Präsident Milosˇevic´ führt dort einen erbarmungslosen Krieg. Die jugoslawischen Sicherheitskräfte haben ihren Terror gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo allen Warnungen zum Trotz verschärft. Die internationale Staatengemeinschaft kann der dadurch verursachten menschlichen Tragödie in diesem Teil Europas nicht tatenlos zusehen. Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Die Militäraktion richtet sich nicht gegen das serbische Volk. Dies möchte ich gerade auch unseren jugoslawischen Mitbürgern sagen. Wir werden alles tun, um Verluste unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Noch Ende letzter Woche hat die jugoslawische Delegation auf der Pariser Konferenz selbst minimale Zugeständnisse abgelehnt. Dies ist um so weniger verständlich, als das ausgehandelte Friedensabkommen den Bestand Jugoslawiens nicht in Frage stellt. Vielmehr hat die Europäische Union Belgrad eine Rückkehr in die internationalen Organisationen und eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen für den Fall einer Friedenslösung in Aussicht gestellt. Die Antwort Belgrads war der Bruch von Verträgen und die Entsendung weiterer Truppen in den Kosovo. Deshalb blieb als letztes Mittel nur die Anwendung von Gewalt. Dagegen haben die Vertreter der albanischen Bevölkerungsmehrheit das Pariser Abkommen394 unterzeichnet und damit ihre Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung vor aller Welt dokumentiert. Mit der gemeinsam von allen Bündnispartnern getragenen Aktion verteidigen wir auch unsere gemeinsamen grundlegenden Werte von Freiheit, von Demokratie und von Menschenrechten.395 Wir dürfen nicht zulassen, daß diese Werte, nur eine Flugstunde von uns entfernt, buchstäblich396 mit Füßen getreten werden.

394 In der Ausgabe des Bulletins: »[…] Friedensabkommen […]« 395 In der Ausgabe des Bulletins: »[…] von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten.« 396 Wort fehlt in der Ausgabe des Bulletins.

Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Lage im Kosovo

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An dem Einsatz der NATO sind auch Soldaten der Bundeswehr beteiligt. So haben es Bundesregierung und hat es der Deutsche Bundestag beschlossen –397 in Übereinstimmung mit dem Willen der großen Mehrheit des deutschen Volkes. Die Bundesregierung hat sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht, schließlich stehen zum erstenmal nach Ende des Zweiten Weltkrieges deutsche Soldaten im Kampfeinsatz. Ich rufe von dieser Stelle aus alle Mitbürgerinnen und Mitbürger auf, in dieser Stunde zu unseren Soldaten zu stehen. Sie und ihre Familien sollen wissen, daß wir das Menschenmögliche tun für den Schutz unserer Soldaten bei diesem schwierigen und auch gefahrvollen Einsatz. Gleichwohl, dies gilt es, ehrlich zu sagen, können wir Gefahren für Leib und Leben unserer Soldaten nicht völlig ausschließen.398 Ich fordere von dieser Stelle aus Präsident Milosˇevic´ auf, die Kämpfe im Kosovo sofort zu beenden. Die NATO und die internationale Gemeinschaft insgesamt sind unverändert bereit, mit Zustimmung der Streitparteien mitzuhelfen, das Friedensabkommen umzusetzen. Für eine militärische Absicherung eines notwendigen Waffenstillstands stehen erste NATO-Einheiten, darunter 3000 deutsche Soldaten, bereit. Auf dem Gipfel in Berlin hat Europa seine Verantwortung für eine friedliche Entwicklung auf unserem399 Kontinent bekräftigt. Auch mit Blick auf die schwierige Mission im Kosovo spricht Europa also400 mit einer Stimme. An unserer Entschlossenheit, das Morden im Kosovo zu beenden, besteht kein Zweifel. Die Belgrader Führung hat es allein in der Hand, den NATO-Einsatz zu beenden, indem sie sich gegen den Krieg und für den Frieden entscheidet.401

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Der Text folgt der Ausgabe des Bulletins des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.): Bulletin. Nr. 13. Erklärung des Bundeskanzlers zur Lage im Kosovo. Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Lage im Kosovo am 24. März 1999. Bonn: Presse und Informationsamt der Bundesregierung 30. 03. 1999: 140). Stellen, die sich von Schröders tatsächlichem Vortragstext unterscheiden, wurden korrigiert und dem tatsächlichen Wortlaut angeglichen. In den Fußnoten sind die abweichenden Passagen, wie sie im Bulletin gedruckt sind, vermerkt. 397 In der Ausgabe des Bulletins: »So haben es Bundesregierung und der Deutsche Bundestag beschlossen […]« 398 In der Ausgabe des Bulletins: »Gleichwohl können wir Gefahren für Leib und Leben unserer Soldaten nicht ausschließen.« 399 In der Ausgabe des Bulletins: »[…] dem […]« 400 Wort fehlt in der Ausgabe des Bulletins. 401 In der Ausgabe des Bulletins: »[…] indem sie sich für den Frieden entscheidet.«

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5.6

Redencorpus

William Shakespeare: Die Rede Marc Antons in William Shakespeares The Tragedy of Julius Cæsar; III. Akt, 2. Szene ACT III. […]

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[SCENE II. – The Forum]

Antony. Friends, Romans, countrymen, lend me your ears; I come to bury Cæsar, not to praise him. The evil that men do lives after them; The good is oft interred with their bones; So let it be with Cæsar. The noble Brutus Hath told you Cæsar was ambitious: If it were so, it was a grievous fault, And grievously hath Cæsar answer’d it. Here, under leave of Brutus and the rest – For Brutus is an honourable man; So are they all, all honourable men – Come I to speak in Cæsar’s funeral. He was my friend, faithful and just to me: But Brutus says he was ambitious; And Brutus is an honourable man. He hath brought many captives home to Rome Whose ransoms did the general coffers fill: Did this in Cæsar seem ambitious? When that the poor have cried, Cæsar hath wept: Ambition should be made of sterner stuff: Yet Brutus says he was ambitious; And Brutus is an honourable man. You all did see that on the Lupercal I thrice presented him a kingly crown, Which he did thrice refuse: was this ambition? Yet Brutus says he was ambitious; And, sure, he is an honourable man. I speak not to disprove what Brutus spoke, But here I am to speak what I do know. You all did love him once, not without cause: What cause withholds you then, to mourn for him? O judgment! thou art fled to brutish beasts, And men have lost their reason. Bear with me; My heart is in the coffin there with Cæsar, And I must pause till it come back to me. 1 Plebeian. Methinks there is much reason in his sayings.

William Shakespeare: Die Rede Marc Antons

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2 Plebeian. If thou consider rightly of the matter, Cæsar has had great wrong. 3 Plebeian. Has he, masters? I fear there will a worse come in his place. 4 Plebeian. Mark’d ye his words? He would not take the crown; Therefore ‘tis certain he was not ambitious. 1 Plebeian. If it be found so, some will dear abide it. 2 Plebeian. Poor soul! his eyes are red as fire with weeping. 3 Plebeian. There’s not a nobler man in Rome than Antony.

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4 Plebeian. Now mark him, he begins again to speak. Antony. But yesterday the word of Cæsar might Have stood against the world; now lies he there. And none so poor to do him reverence. O masters, if I were disposed to stir Your hearts and minds to mutiny and rage, I should do Brutus wrong, and Cassius wrong, Who, you all know, are honourable men: I will not do them wrong; I rather choose To wrong the dead, to wrong myself and you, Than I will wrong such honourable men. But here’s a parchment with the seal of Cæsar ; I found it in his closet, ’tis his will: Let but the commons hear this testament – Which, pardon me, I do not mean to read – And they would go and kiss dead Cæsar’s wounds And dip their napkins in his sacred blood, Yea, beg a hair of him for memory, And, dying, mention it within their wills, Bequeathing it as a rich legacy Unto their issue. 4 Plebeian. We’ll hear the will: read it, Mark Antony.

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All. The will, the will! we will hear Cæsar’s will. Antony. Have patience, gentle friends, I must not read it; It is not meet you know how Cæsar loved you. You are not wood, you are not stones, but men; And, being men, bearing the will of Cæsar,

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Redencorpus

It will inflame you, it will make you mad: ’Tis good you know not that you are his heirs; For, if you should, O, what would come of it! 90

95

4 Plebeian. Read the will; we’ll hear it, Antony ; You shall read us the will, Cæsar’s will. Antony. Will you be patient? will you stay awhile? I have o’ershot myself to tell you of it: I fear I wrong the honourable men Whose daggers have stabb’d Cæsar ; I do fear it. 4 Plebeian. They were traitors: honourable men!

100

All. The will! – The testament! 2 Plebeian. They were villains, murderers: the will! read the will.

Antony. You will compel me, then, to read the will? 105 Then make a ring about the corpse of Cæsar, And let me show you him that made the will. Shall I descend? and will you give me leave?

110

All. Come down. 2 Plebeian. Descend.

[Antony comes down.]

3 Plebeian. You shall have leave. 115

4 Plebeian. A ring; stand round. 1 Plebeian. Stand from the hearse, stand from the body.

120

2 Plebeian. Room for Antony, most noble Antony. Antony. Nay, press not so upon me; stand far off. All. Stand back; room; bear back.

125

Antony. If you have tears, prepare to shed them now. You all do know this mantle: I remember The first time ever Cæsar put it on; ’Twas on a summer’s evening, in his tent, That day he overcame the Nervii: 130 Look, in this place ran Cassius’ dagger through: See what a rent the envious Casca made:

William Shakespeare: Die Rede Marc Antons

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155

Through this the well-beloved Brutus stabb’d; And as he pluck’d his cursed steel away, Mark how the blood of Caesar follow’d it, As rushing out of doors, to be resolved If Brutus so unkindly knock’d, or no; For Brutus, as you know, was Cæsar’s angel: Judge, O you gods, how dearly Cæsar loved him! This was the most unkindest cut of all; For when the noble Cæsar saw him stab, Ingratitude, more strong than traitors’ arms, Quite vanquish’d him: then burst his mighty heart; And, in his mantle muffling up his face, Even at the base of Pompey’s statua, Which all the while ran blood, great Cæsar fell. O, what a fall was there, my countrymen! Then I, and you, and all of us fell down, Whilst bloody treason flourish’d over us. O, now you weep; and, I perceive, you feel The dint of pity : these are gracious drops. Kind souls, what, weep you when you but behold Our Cæsar’s vesture wounded? Look you here, Here is himself, marr’d, as you see, with traitors. 1 Plebeian. O piteous spectacle! 2 Plebeian. O noble Cæsar!

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3 Plebeian. O woful day! 4 Plebeian. O traitors, villains! 1 Plebeian. O most bloody sight!

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2 Plebeian. We will be revenged. All. Revenge! – About! – Seek! – Burn! – Fire! – Kill! – Slay! – Let not a traitor live!

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Antony. Stay, countrymen. 1 Plebeian. Peace there! hear the noble Antony.

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2 Plebeian. We’ll hear him, we’ll follow him, we’ll die with him. Antony. Good friends, sweet friends, let me not stir you up To such a sudden flood of mutiny.

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Redencorpus

They that have done this deed are honourable: What private griefs they have, alas, I know not, That made them do it: they are wise and honourable, And will, no doubt, with reasons answer you. I come not, friends, to steal away your hearts: I am no orator, as Brutus is; But, as you know me all, a plain blunt man, That love my friend; and that they know full well That gave me public leave to speak of him: For I have neither wit, nor words, nor worth, Action, nor utterance, nor the power of speech, To stir men’s blood: I only speak right on; I tell you that which you yourselves do know; Show you sweet Cæsar’s wounds, poor poor dumb mouths, And bid them speak for me: but were I Brutus, And Brutus Antony, there were an Antony Would ruffle up your spirits and put a tongue In every wound of Cæsar that should move The stones of Rome to rise and mutiny. All. We’ll mutiny. 1 Plebeian.

We’ll burn the house of Brutus.

3 Plebeian. Away, then! come, seek the conspirators. 205

Antony. Yet hear me, countrymen; yet hear me speak. All. Peace, ho! Hear Antony. Most noble Antony!

Antony. Why, friends, you go to do you know not what: 210 Wherein hath Cæsar thus deserved your loves? Alas, you know not: I must tell you then: You have forgot the will I told you of.

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220

All. Most true. – The will! – Let’s stay and hear the will. Antony. Here is the will, and under Cæsar’s seal. To every Roman citizen he gives, To every several man, seventy-five drachmas. 2 Plebeian. Most noble Cæsar! We’ll revenge his death. 3 Plebeian. O royal Cæsar!

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William Shakespeare: Die Rede Marc Antons

225

Antony. Hear me with patience. All. Peace, ho!

Antony. Moreover, he hath left you all his walks, His private arbours and new-planted orchards, 230 On this side Tiber ; he hath left them you, And to your heirs for ever, common pleasures, To walk abroad, and recreate yourselves. Here was a Cæsar! when comes such another? 235

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1 Plebeian. Never, never. Come, away, away! We’ll burn his body in the holy place, And with the brands fire the traitors’ houses. Take up the body. 2 Plebeian. Go fetch fire. 3 Plebeian. Pluck down benches.

245

4 Plebeian. Pluck down forms, windows, any thing. [Exeunt Plebeians (with the body).]

Antony. Now let it work. Mischief, thou art afoot, Take thou what course thou wilt! Enter Servant. 250 How now, fellow! Servant. Sir, Octavius is already come to Rome.

255

Antony. Where is he? Servant. He and Lepidus are at Cæsar’s house.

Antony. And thither will I straight to visit him: He comes upon a wish. Fortune is merry, 260 And in this mood will give us any thing. Servant. I heard him say, Brutus and Cassius Are rid like madmen through the gates of Rome. 265

Antony. Belike they had some notice of the people, How I had moved them. Bring me to Octavius.

[Exeunt.]

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Redencorpus

Der Text folgt der Ausgabe The Arden Edition of the Works of William Shakespeare (Shakespeare, William: Julius Caesar. Herausgegeben von T. S. Dorsch. London: Methuen 1966; S. 81 – 88.) sowie der Shakespeare-Gesamtausgabe der Cambridge University Press (Shakespeare, William: Julius Cæsar. Herausgegeben von John Dover Wilson. Cambridge: Cambridge University Press 1968; S. 55 – 61.). Verschiedene Formatierungen, Abkürzungen, Schreibweisen und Regieanweisungen wurden einander angepaßt bzw. nach Übersichtlichkeit und Prägnanz ausgewählt.

Ignatz Bubis: Ansprache

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Ignatz Bubis: Ansprache anläßlich der Gedenkstunde der 51. Wiederkehr der Synagogenzerstörung 1938 in Deutschland, am 09. November in der Westend-Synagoge in Frankfurt / Main Zum 51. Male gedenken wir heute des 9. November 1938, des Tages, an dem im damaligen Deutschen Reich Synagogen angezündet und geschändet wurden. Des Tages, an dem fast ca. hundert jüdische Menschen ermordet und Zehntausende eingesperrt oder in KZ’s verschleppt wurden. Manche fragen sich, ob nach 51 Jahren immer noch dieses Tages besonders gedacht werden muß und ob nicht nach 51 Jahren, insbesondere nach den späteren noch schrecklicheren Ereignissen, dieser Tag noch die besondere Bedeutung hat, um ihn in dieser Form zu begehen. Hierauf kann ich nur mit einem eindeutigen JA antworten, und zwar aus mehreren Gründen. Rückschauend müssen wir feststellen, daß der 9. November 1938 in der Geschichte der Vernichtung des europäischen Judentums nur einer von vielen Meilensteilen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft war. Dieser Tag hätte alle ernüchtern müssen, die bis dahin an die ihnen vorgelogenen Ideale glaubten und die meinten, die verbalen Drohungen der Nazis nicht ernst nehmen zu müssen. Sie erlebten, wie in einer staatlich gesteuerten Aktion jüdisches Eigentum zerstört und geplündert wurde, Gotteshäuser angezündet und geschändet, jüdische Menschen gefoltert, verschleppt und gemordet wurden. Die Menschenrechte und Menschenwürde wurde mit im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten. Der Geist wurde vernichtet. Der Staat selbst machte sich zum Organisator der Verbrechen, wie sie in der Menschheitsgeschichte noch nicht vorgekommen waren. Göring war als Beauftragter für den Vierjahresplan unzufrieden mit den Resultaten der Novemberpogrome. Im Gespräch mit Goebbels und Heydrich entfuhr ihm der Satz: »Mir wäre lieber gewesen, ihr hättet 200 Juden erschlagen und hättet nicht solche Werte vernichtet.« – Doch, wie um die Juden auch noch zu verhöhnen, wurde ihnen eine »Sühneleistung« in Höhe von einer Milliarde Reichsmark auferlegt; die Schäden des Pogroms hatten sie auf eigene Kosten unverzüglich zu beseitigen, die Versicherungsansprüche fielen an den Staat. Gleichzeitig wurden Verordnungen zur völligen Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben ab dem 1. Januar 1939 bekanntgegeben. Wir Juden wurden an diesem 9. November 1938 alleingelassen. Die Öffentlichkeit hat, soweit sie nicht jubelnd und johlend danebenstand, die Entwicklung schweigend, gleichgültig bzw. duldend hingenommen. Man sah weg, statt hin. Dabei konnte jeder, der es sehen oder hören wollte, die Geschehnisse erwarten, denn es begann nicht erst am 9. November.

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Redencorpus

Es gab genügend Warnzeichen vorher. Mit Gesetzen und Verordnungen wurde die Entrechtung der Juden betrieben. 50

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Beispielhaft hierfür seien die sogenannten »NÜRNBERGER GESETZE« sowie das »GESETZ ZUM SCHUTZE DES DEUTSCHEN BLUTES UND DER DEUTSCHEN EHRE« genannt. Mit der Ausschaltung aus dem staatlichen und kulturellen Leben gingen immer stärkere Einengungen der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten einher, die in Berufsverbote für jüdische Ärzte und Rechtsanwälte ihren Ausdruck fanden. An der Frankfurter Goethe-Universität, die auf eine jüdische Stiftung zurückgeht und die kürzlich ihr 75-jähriges Bestehen feierte, wurden über Nacht sämtliche jüdische Professoren entlassen. Immerhin handelte es sich dabei um ein Drittel des Lehrkörpers. An der gleichen Universität hatte übrigens der berüchtigte Josef Mengele promoviert.

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Jüdische Geschäfte wurden boykottiert und im Frühjahr 1938 konzentrierten sich die NS-Herrscher verstärkt auf die »ARISIERUNG DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT« sprich: Auf die Enteignung und Ausplünderung der deutschen Juden.

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Es folgte die völlige Ausschaltung aus dem Wirtschaftsleben. Antijüdische Ausschreitungen waren an der Tagesordnung. Der nächste Schritt zum Ausschluß der Juden aus der Gesellschaft war die Folge.

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1938 stand eine große Mehrheit der Deutschen hinter Hitler, die sich mit ihm und seiner Politik identifiziert hat. Die Ausnahmen wurden vom Staatssicherheitsdienst und der Gestapo verfolgt. Die anderen sahen trotz aller dieser von mir eingangs geschilderten Ereignisse in Hitler den größten Staatsmann der Zeit. Weimar war 1938 für die Mehrheit der Deutschen, die diese Zeit gerne hinter sich gesehen hätten, vorbei; sie jubelten Hitler begeistert zu. Und was Juden anging, akzeptierten die Deutschen die Meinung der Nazis, daß die Juden sich in der Vergangenheit eine Rolle angemaßt hätten, die ihnen nicht zustand und deshalb in ihre Schranken, nach Meinung der Mehrheit, zurechtgewiesen wurden. Man erinnerte sich auch des alten, von theologischen Vorurteilen geprägten Antijudaismus der Kirchen, die eine lange Tradition hatte. Erfreulicherweise gibt es seit Ende des Krieges einen christlich-jüdischen Dialog, der zu vielem Positiven geführt hat.

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Die Betätigung und das Engagement von Juden in liberalen und sozialistischen Gruppierungen wurden als »undeutsch« dargestellt. Die Juden wurden zu gesellschaftlich erlaubten Haßobjekten. Sie wurden zu Weltverschwörern stilisiert unter gleichzeitiger Darstellung, daß sie eine minderwertige Rasse seien, wobei das »krankhafte«, »minderwertige«, »schädliche«, die »jüdische Verwesung«, das »Ungeziefer« ausgemerzt und vernichtet werden sollte.

Ignatz Bubis: Ansprache

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Waren die Juden in früheren Zeiten für Seuchen und Katastrophen, später für wirtschaftliche Not und »undeutsche« Umtriebe verantwortlich gemacht worden, so sah Hitler in ihnen die Schuldigen für schlechthin alle Übel: sie standen hinter den 100 »Novemberverbrechern« des Jahres 1918, den »Blutsaugern« und »Kapitalisten«, den »Bolschewisten« und »Freimaurern«, den »Liberalen« und »Demokraten«, den »Kulturschändern« und »Sittenverbrechern«, kurz sie waren die eigentlichen Drahtzieher und Verursacher allen militärischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Unglücks, das angeblich Deutschland heimgesucht hatte. 105 Die Geschichte wurde von den Nazis auf einen Kampf der Rassen reduziert: zwischen Ariern und Juden, zwischen »germanischen Kulturspendern« und »jüdischen Untermenschen«. Die Rettung für das deutsche Volk und die endgültige Niederwerfung des Menschheitsverderbers konnten nur in der Erlösung der Welt vom jüdischen Blut als dem bösen Prinzip der Geschichte liegen. 110 Hitler gelang es, seine Zwangsvorstellung des schwarzhaarigen, hakennasigen Juden, der die weiße, blondgelockte germanische Frau mit seinem Blut schändet und damit für immer ihrem Volk raubt, der Mehrheit der Deutschen vermitteln. Schon in »Mein Kampf« findet sich wieder und wieder diese Wahnvorstellung, die 115 sich in einer endlosen Litanei über »Unzucht« und »Bastardisierung«, »Vergewaltigung« und »Blutschande« bis in sein Testament hinein fortsetzt. Am Ende standen Auschwitz und die Endlösung. 120 Es entstanden die Fabriken des Todes; aus den »Gaswagen« wurden Gaskammern und Verbrennungsöfen, während die Erschießungen weitergingen. Den unschuldigen Opfern wird selbst der Scharfrichter verweigert; die Täter ersetzen den Henker durch die ins Monströse gesteigerten, industrialisierten Methoden des Kammerjägers – getreu ihrer Sprache, es gelte »Ungeziefer 125 auszutilgen«. Und auch vor diesem Letzten, Schrecklichsten wollen wir am heutigen Tag nicht die Augen verschließen. 130 Heute stellen sich für uns alle Fragen im vollen Wissen um Auschwitz. Aber eine über Jahrhunderte gewachsene Judenfeindlichkeit hatte den Nährboden bereitet für eine maßlose Propaganda und für die Überzeugung vieler Deutscher, daß die Existenz der Juden tatsächlich ein Problem darstellte, daß es so etwas wie eine »Judenfrage« wirklich gab. 135 Es ist wahr, daß die Nationalsozialisten große Anstrengungen unternahmen, die Wirklichkeit des Massenmordes geheimzuhalten. Wahr ist aber auch, daß jedermann um die Nürnberger Gesetze wußte, daß alle sehen konnten, was heute vor 50 Jahren in Deutschland geschah, und daß die Deportationen in aller Öffentlichkeit vonstatten gingen. Und wahr ist, daß das millionenfache Verbrechen 140 aus den Taten vieler einzelner bestand, daß das Wirken der Einsatzgruppen nicht nur in der Wehrmacht, sondern auch in der Heimat Gegenstand im Flüsterton geführter Gespräche war. Das Wesentliche wurde gewußt. Die Juden standen allein. Ihr Schicksal stieß auf Blindheit und Herzenskälte. 145 Bis heute sind die Wunden dieses Brandes nicht verheilt.

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Redencorpus

Es ist ein Gebot für das menschenwürdige Weiterleben, die Mahnung dieses Tages wachzuhalten.

Wogegen wir uns aber gemeinsam wenden müssen, das ist das Infragestellen der historischen Wahrheit, das Verbrechen der Opfer, das Ableugnen der Fakten. Wer Schuld aufrechnen will, wer behauptet, es sei doch alles nicht so – oder nicht ganz so – schlimm gewesen, der macht schon den Versuch zu verteidigen, wo es nichts 155 zu verteidigen gibt. Solche Bemühungen laufen nicht nur tendenziell auf eine Verleugnung der Opfer hinaus – sie sind auch ganz sinnlos. Denn was immer in der Zukunft geschehen oder von dem Geschehenen in Vergessenheit geraten mag: an Auschwitz werden 160 sich die Menschen bis an das Ende der Zeiten als eines Teils der deutschen Geschichte erinnern. Das Wissen hierüber muß vermittelt werden, und wir sind es unseren Kindern und Enkelkindern schuldig, die z. B. nie ihre Großeltern kennengelernt habe, weil diese 165 in den Vernichtungslagern umgebracht wurden, die Vergangenheit bewußt zu machen. Aber nicht nur ihnen, sondern auch der nichtjüdischen Jugend, denn ohne die Vergangenheit zu kennen, läßt sich die Zukunft nicht gestalten.

170 Am 8. Mai 1985 sagte der Bundespräsident von Weizsäcker : »BEI UNS IST EINE NEUE GENERATION HERANGEWACHSEN. DIE JUNGEN SIND NICHT VERANTWORTLICH FÜR DAS, WAS DAMALS GESCHAH, ABER SIE SIND VERANTWORTLICH, WAS IN DER GESCHICHTE DARAUS WIRD.« 175 Und der frühere Berliner Rabbiner Leo Baeck, der dem Tode im Konzentrationslager Theresienstadt entronnen war, schrieb im Mai 1946: »AUS DER VERGANGENHEIT FÜR DIE ZUKUNFT ZU LERNEN, IST DAS VERLANGEN VIELER. SCHON ZU ERKENNEN WAS WAR, UM ZU VERSTEHEN WAS SEIN WIRD, DAS SCHEINT DOCH DIE AUFGABE ZU 180 SEIN, DIE DER GESCHICHTSERKENNTNIS ZUGESCHRIEBEN WIRD.« Unser Warnen geschieht nicht als Selbstzweck und es ist auch nicht – wie manche meinen – die Lust am Nörgeln. Es sind auch nicht die Gefühle des Hasses und der Unversöhnlichkeit, durch die 185 wir uns leiten lassen, denn solche Gefühle widersprechen dem Geist des Judentums. Wäre dem so, hätten wir nach den Schreckensjahren nicht zurückkehren können. Wir hätten nicht nach 1945 die Kraft gehabt, unsere Hand zur Versöhnung zu reichen und damit Deutschland die Rückkehr in die Völkergemeinschaft zu 190 erleichtern. Was uns zwingt, ist das Vermächtnis der Opfer, ist der Auftrag, Vergleichbares – in welcher Form auch immer – auch im Ansatz nicht wieder geschehen zu lassen. 195 Es muß eine Aufarbeitung und nicht eine Verdrängung der Vergangenheit geben. Wir müssen uns der Geschichte so stellen, wie sie sich ereignet hat. Die Übernahme der Verantwortung ist der einzige zukunftsweisende Weg. Haben wir die Lektion der Geschichte wirklich gelernt? Das Wiederaufkommen von rechtsextremen Parteien, wenn auch nicht nur in der

Ignatz Bubis: Ansprache

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200 Bundesrepublik, ist eine nicht zu übersehende Tatsache. Natürlich sind solche Erscheinungen auf deutschem Boden mit besonderen Erinnerungen verbunden. Wir erleben es, wie diese Rechtsextremisten sich etablieren und Zulauf bekommen. 205 Zulauf nicht nur von den Ewiggestrigen, sondern auch von jungen Leuten, und wir erleben es, daß die demokratischen Parteien sich schwer tun, mit diesem Phänomen umzugehen. Hier gilt es, aus den Lehren der Vergangenheit Konsequenzen für die geistigen 210 Grundlagen der Politik zu ziehen. Es kann nicht angehen, daß man beim Versuch, Wähler zurückzugewinnen, diesen nach dem Mund redet oder bei politischen Auseinandersetzungen gar auf Zitate aus der jüngsten Geschichte zurückgreift bzw. diese instrumentalisiert. 215 Das gegenseitige Verunglimpfen der demokratischen Parteien untereinander dient nur den Feinden der Demokratie. Nicht zuletzt daran ist Weimar gescheitert. Gefordert ist vielmehr eine geistige Aufarbeitung der Geschichte, um die ideologischen Zielsetzungen der Rechtsextremisten entlarven zu können. Wer die 220 Lektion der Geschichte gelernt hat, weiß wohin der Weg dieser Parteien führt, auch wenn sie teilweise unter dem Deckmantel antreten, als seien sie Demokraten. Schon in den Schulen muß mit dieser Aufklärung begonnen werden, denn gerade Jugendliche erliegen leicht den Gefahren dieses Gedankengutes. 225 Das aktive Einsetzen für die Demokratie ist eine unabdingbare Voraussetzung, wenn man den Feinden der Demokratie begegnen und sich vor ihnen schützen will. Wir, die jüdische Gemeinde in der Bundesrepublik, die nach hier Zurückgekehrten oder die hier Geborenen sowie diejenigen, die nach dem Krieg hierher gekommen 230 sind, leben und arbeiten hier, weil wir Vertrauen in unsere Demokratie haben.

235

Nur durch gemeinsame überzeugende Aufklärung durch alle demokratischen Parteien, der Kirchen und Gewerkschaften, kann es uns gelingen, die Freiheit und Demokratie zu bewahren und zu festigen. Wir sind bereit, unseren Beitrag hierbei zu leisten.

Abschrift der Kopie des Original-Manuskripts.

6 Interviews und Briefe

6.1

Nach Vorlage genehmigte Abschrift des Gesprächs mit Dr. Philipp Jenninger am 16. 05. 2006

Jan C. L. König (J.K.): Wie entstanden Ihre Reden in den 1980er Jahren grundsätzlich? Wer schrieb sie? Wie war der Entstehungsprozeß vom Schreiben bis zum Halten – grundsätzlich – gegliedert? Dr. Philipp Jenninger (P.J.): Es gab eine Vielzahl von Reden, die ich halten mußte; jede Woche acht bis zehn – unterschiedlicher Qualität, angefangen von Begegnungen mit Menschen in meinem Wahlkreis über Festreden, Reden im Bundestag bis hin zu Anlässen, zu denen ich als zweiter Mann im Staat – als Bundestagspräsident – gebeten wurde. Das Spektrum war also sehr vielseitig. Das bedeutete, daß ich einige Reden vorbereiten ließ, viele hielt ich aber auch aus dem Stegreif. Ich hatte keinen Redenschreiber, wie ihn der Bundespräsident hat, sondern einen Büroleiter, der auch den Auftrag hatte, von den Mitarbeitern der Verwaltung des Bundestages Beiträge einzuholen und daraus Redentexte zu entwerfen. Diese legte er mir dann vor; häufig habe ich sie übernommen. Mein Büroleiter war Historiker und machte seine Sache sehr gut; gelegentlich habe ich den Entwürfen noch etwas hinzugefügt, insbesondere dann, wenn es um Sachverhalte ging, über die ich besser informiert war als meine Mitarbeiter. Es gab also keine feststehenden Regeln, wie in meiner Amtszeit die Reden entstehen sollten. Es gab, wie schon gesagt, eine Vielzahl von Reden unterschiedlichster Qualität und unterschiedlichster Anforderung. Der Entstehungsprozeß war je nach Qualität der Rede oder nach Auftrag verschieden; sicherlich fachgerecht gegliedert, aber feststehende Regeln gab es keine.

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Interviews und Briefe

J.K.: Welche sprachwissenschaftlichen und rhetorischen Modelle wurden bei der Entstehung einer Rede berücksichtigt? P.J.: Es wurden keine speziellen Modelle oder Regeln berücksichtigt. Die Rede hing vom jeweiligen Stil des Schreibers ab, gelegentlich fügte ich Persönliches hinzu oder redete angepaßt an meine Zuhörer : zum Beispiel in meinem Wahlkreis in Hohenlohe, im nördlichen Teil von Baden-Württemberg. Dort mußte ich gelegentlich auch im Dialekt sprechen. Nur so konnte man seine Verbundenheit mit den Menschen ausdrücken und zeigen, daß man sich bei ihnen zu Hause fühlt. J.K.: Inwieweit werden – grundsätzlich – Wirkungen für eine Rede geplant? Auf welche Arten wird versucht, eine bestimmte Wirkung zu erzielen? P.J.: Eigentlich wurden keine Wirkungen geplant. Meine Grundansicht für alle Reden war, ehrlich zu sein, Vertrauen zu erwecken, und auch, wenn sie kritisch sein mußten, sie dennoch diszipliniert und nicht beleidigend zu halten. Man wollte natürlich in jeder Rede versuchen, sich positiv darzustellen – das gehört zu jeder Rede dazu. Das heißt aber nicht, daß man es sozusagen darauf anlegte. Oft genug hieß es sonst: Die Rede war gut, er hat aber eigentlich nichts gesagt. Von daher legte ich immer auf den Inhalt mehr wert als auf die Form. J.K.: Ist es Ihrer Meinung nach planbar, eine bestimmte Wirkung oder Wirkungen zu erreichen? P.J.: Natürlich kann man das schon machen. Erzählt man einen Witz, kann man selbstverständlich Beifall und Heiterkeit auslösen. Aber meine Reden mußten natürlich in die politische Landschaft passen, und in der Politik muß man da etwas disziplinierter sein und darf die Rede nicht nur auf Smalltalk beschränken. J.K.: Wie entstand die Rede vom 9. November 1988? P.J.: Ich habe wie viele andere Spitzenpolitiker jedes Jahr vom Zentralrat der Juden die Einladung zu einer Gedenkstunde in einer jüdischen Gemeinde aus Anlaß

Dr. Philipp Jenninger am 16. 05. 2006

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des Jahrestages der sogenannten »Reichskristallnacht« erhalten. Ich hatte als langjähriger erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU / CSU-Fraktion von 1970 bis 1982 sehr engen und guten Kontakt zum damaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden Herrn Werner Nachmann. Mit Herrn Nachmann habe ich mich auch des öfteren getroffen. Wenn er irgendwelche Anliegen an die CDU / CSU-Fraktion hatte, wendete er sich an mich, diese der Fraktion vorzutragen. Nachmann kam etwa ein Jahr vor der Gedenkstunde zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht 1988 zu mir und sagte, die Gedenkveranstaltung aus Anlaß des 50. Jahrestags der »Reichskristallnacht« müsse im nächsten Jahr im Bundestag stattfinden. Er wolle damit erreichen, daß nicht immer nur die »Vertreter der Opfer«, sondern auch die »Vertreter der Täter« die Gedenkstunde einmal gestalten. Meine erste Reaktion war sehr zurückhaltend, denn ich wußte, daß dies sehr schwierig sein würde. Ich fragte ihn, was er von einer Gedenkstunde im Bundestag denn erwarte. Darauf hat er gesagt, daß er von jungen Leuten in Deutschland immer wieder höre, daß sie keine Antworten auf die Frage bekämen, »wie es eigentlich zu Hitler« gekommen sei. Sie bemängelten, daß – wie es bis heute anhält – dieses Thema immer ausgeklammert würde. Man entschuldige sich, aber niemand gebe Antwort auf die Frage, was denn damals nun alles falsch gelaufen sei. So bekämen sie keine Antwort auf die Frage: »Warum haben meine Großeltern ›Heil Hitler!‹ geschrieen?« Viele hätten das nicht mehr direkt erfragen können, weil ihre Großeltern bereits verstorben waren. Diese Fragen hätten ihn sehr bewegt, und wenn ich den Mut hätte, dazu einmal ein paar Worte zu sagen, wäre das großartig. Ich habe das so entgegengenommen und ahnte gleich, daß es nicht so einfach sein würde, dafür gute Worte zu finden. Ich habe dann in den anschließenden Monaten, wenn ich zu Reden, Vorträgen oder Diskussionen mit jungen Menschen und Studenten irgendwo unterwegs war, immer wieder die Frage gestellt: »Was sagt Ihnen denn die sogenannte »Reichskristallnacht«?« Dazu gab es nur wenige Antworten, aber dafür oft die Gegenfrage: »Warum fragen Sie uns das?« Ich habe dann erklärt, daß ich zu diesem Thema eine Rede im Bundestag halten müsse, und ich wüßte gerne, was die junge Generation erwarte. Oft kam die Antwort: »Ihr Politiker macht doch immer dieselben Sprüche: ›Wir entschuldigen uns‹, ›wir schämen uns‹, ›wir entschuldigen uns‹, ›wir schämen uns‹ – das ist doch alles, was Ihr dazu zu sagen habt.« Ich bestand darauf zu hören, was man wirklich von einer solchen Rede erwarte. Da meldete sich einmal eine junge Geschichtsstudentin im 2. Semester und sagte: »Ich will Ihnen ganz konkret sagen, was mich bewegt: Mein Großvater, bei dem ich aufgewachsen bin, ist leider nach meinem 16. Geburtstag gestorben. Nach seinem Tode erfuhr ich, daß er Nazi war. Er war Landgerichtsdirektor und hatte 1938 Juden verurteilt. Aber ich habe ihn als großartigen, als frommen Menschen, als klugen und einfühlsamen Menschen kennengelernt. Jetzt sagen

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Interviews und Briefe

Sie mir mal – mir hat bis jetzt noch niemand eine Antwort darauf gegeben –: Warum ist mein Großvater Nazi geworden? Was hat ihn dazu bewegt? Alle waren bisher zu feige, mir darauf eine Antwort zu geben.« Ähnliche Fragen habe ich auch von anderen zu hören bekommen. Das hat mich beeindruckt. Das war die Motivation für die Rede, die ich auch mit meinem Mitarbeiter besprochen habe. Dann ist folgendes geschehen: Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Werner Nachmann, ist ein halbes Jahr später verstorben. Sein Nachfolger war Heinz Galinski aus Berlin. Mit diesem war ich anfangs auch immer gut ausgekommen, aber als er nun von der geplanten Gedenkstunde hörte, kam er zu mir und sagte, er wolle die Rede gern selbst halten. Ich habe ihm dann geschildert, daß sein Vorgänger mich dazu gebeten hatte. Es gäbe auch das Problem, daß Leute, die nicht Mitglieder des Bundestages wären, dort nicht sprechen dürften; ausgenommen waren Staatspräsidenten, wie z. B. der Präsident Frankreichs oder der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Privatpersonen sei dies nicht erlaubt. Sonst hätten wir dies auch anderen Privatleuten, wie z. B. Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften gestatten müssen. Das gehörte zur Tradition im Bundestag. Galinski entgegnete darauf, daß das unerträglich sei, schließlich sei er ja der Vorsitzende des Zentralrats der Juden. Ich machte ihm noch einmal klar, daß ich da keine Ausnahme machen könnte. Heinz Galinski hat dann mit sehr vielen Tricks versucht, hinten herum über den damaligen SPD-Vorsitzenden Vogel Einfluß zu nehmen und diesen zu bewegen, daß da für ihn doch mal eine Ausnahme gemacht werden könne. Vogel kam dann zu mir und meinte, er hätte von den Vorbereitungen gehört und fände es doch ganz klug, aus diesem Anlaß den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden sprechen zu lassen. Ich habe dann ihm meine Bedenken geschildert, ihm aber versprochen, das Anliegen dem Ältestenrat vorzutragen. Der Ältestenrat hat mit großer Mehrheit bei zwei Enthaltungen den Wunsch abgelehnt. Wir konnten also keine Ausnahme machen. Einige Zeit später kam eine Abgeordnete der Grünen zu mir und sagte, sie hätte den Wunsch, daß der Vorsitzende des Zentralrats der Juden die Rede zur Gedenkveranstaltung halte. Galinski hatte also versucht, auch auf die Grünen Einfluß zu nehmen. Ich habe auch dieser Abgeordneten gesagt, daß der Ältestenrat bereits anders entschieden hätte. Dann kam der Vorschlag der SPD, auch jüdische Vertreter in die Veranstaltung mit einzubeziehen. Ich sagte, daß der Zentralrat der Juden selbstverständlich zu der Veranstaltung mit eingeladen sei. Doch das war der SPD zu wenig. So kam dann die Anregung, die berühmte jüdische Schauspielerin Ida Ehre aus Hamburg einzuladen, sie sollte vor der Gedenkrede die Todesfuge von Celan vortragen, und zum Schluß der Veranstaltung sollte ein jüdischer Chor aus Godesberg drei jüdische Lieder singen. So wurde die Rede dann also »gerahmt«. Da gab es zwar auch Bedenken, ich habe dem aber zugestimmt.

Dr. Philipp Jenninger am 16. 05. 2006

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Ida Ehre habe ich vom Fernsehen her gekannt. Ihre Einladung erwies sich aber im nachhinein als nicht klug. Frau Ehre war eine großartige Schauspielerin, und sie hat das Gedicht auch ungeheuer eindrucksvoll und sehr bewegend schauspielerisch vorgetragen. Dann kam der schlimme Ruf in dem Gedicht »Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.« Sie hat das in den Saal des Bundestages hineingebrüllt, daß wir alle erstarrten. Auch mich hat das sehr getroffen und erschüttert. Ich sage das auch deswegen, weil Psychologen hinterher die Atmosphäre im Parlament aufgearbeitet haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, daß beides, die Todesfuge von Celan und der Inhalt meiner Rede, nicht zusammen gepaßt hätten. Eine »Schuld-und-Scham«-Rede wäre besser gewesen, als der Versuch zu erklären, warum es zur Diktatur Hitlers gekommen ist. Das war also falsch und hat die Gemüter der Zuhörer verwirrt. Das ist von vielen später bestätigt worden; »Ida Ehre hat das gut gemacht, aber es hat uns alle sehr geschockt.« Das war mein erster Fehler. Dann kam hinzu, daß ich wenige Tage vor der Rede anonyme Anrufe mit der Drohung erhielt, daß ich mich darauf einstellen sollte, daß meine Zeit als Bundestagspräsident zu Ende gehe. Ich habe diese Anrufe nicht ernstgenommen, aber sie paßten ins Bild: Schon nach den ersten fünf Sätzen meiner Rede kam es im Bundestag zu Zwischenrufen der Grünen an mich: »Sie Altnazi! Wie kommen Sie dazu, darüber zu reden! Hören Sie auf,« hat damals eine Abgeordnete der Grünen gerufen – andere haben ähnliche Beleidigungen von sich gegeben. Mich hat das natürlich genauso geschockt wie der Vortrag von Frau Ida Ehre. Ich habe dann die Abgeordneten der Grünen aufgefordert, die Zwischenrufe einzustellen und die Würde dieser Gedenkstunde nicht zu stören. Aber sie hörten nicht darauf. Mein Ansehen bei den Grünen war auch aus anderen Gründen ramponiert. Ich hatte in den zurückliegenden Monaten einige Probleme mit der Fraktion der Grünen auszustehen. Ich mußte in meiner Funktion als Bundestagspräsident sie immer wieder zur Ordnung mahnen oder sie rügen. Ein Beispiel: Wir hatten im Bundestag das Volkszählungsgesetz beschlossen, die Grünen waren dagegen, und hinterher wollten sie einen Protest im Parlament veranstalten – gegen das Gesetz, daß das Parlament beschlossen hatte! Da habe ich natürlich energisch eingreifen müssen. Danach war die Fraktion der Grünen nicht mehr besonders gut auf mich zu sprechen, dennoch hatte ich ja einschreiten müssen. Und jetzt kam noch etwas hinzu, was ich erst sehr viel später von meinem Arzt erfahren habe. Ich sage das nicht als Rechtfertigung: Ich habe während der Rede meinen ersten Herzinfarkt erlitten. Ich habe es nicht direkt gemerkt, sondern nur gespürt, daß mein Körper zitterte. Ich dachte, es läge an dem Vortrag von Ida Ehre und an der geschilderten Unruhe. Meinen zweiten Infarkt – es war ein Hinterwandinfarkt – erlebte ich einige Jahre später. Ich war also physisch als auch psychisch sehr geschwächt bei dieser Rede.

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Zu den Reaktionen der Medien ist folgendes erwähnenswert: Da wir im Bonner Wasserwerk nur einen kleinen Plenarsaal hatten, hatten wir die Presse gebeten, die wenigen freien Plätze für Gäste und geladene Besucher frei zu geben. Es waren also keine Zeitungsjournalisten anwesend, nur das Fernsehen. Die Zeitungsjournalisten haben im Anschluß natürlich von den Unruhen erfahren und dann von den Abgeordneten einiges gehört. Sie haben Berichte darüber geschrieben, und diese dann einfach ihren Kollegen zum Lesen gegeben, die sie dann blind übernommen haben. Der sogenannte »Papageienjournalismus« kam also voll zum Tragen. Zu den Berichten kam dann auch der Unmut von Kollegen aus allen Fraktionen zum Ausdruck. Am Abend gab es dann noch eine Fernsehdiskussion mit Prof. Walter Jens aus Tübingen, der heftige Kritik an mir geübt hat. Das ist selbstverständlich sein gutes Recht, allerdings tat er dies auch, ohne den Text der Rede zu kennen. Seine Hauptkritik war, ich hätte Hitler ein Faszinosum genannt. Das Wort Faszinosum kam in meiner Rede zwar vor, aber in einem anderen Zusammenhang: Ich hatte gesagt, die Deutschen hätten Hitler wegen seiner Erfolge sicherlich als Faszinosum erlebt. Aber die Formulierung, »Hitler war ein Faszinosum«, wurde überall von den Medien übernommen und hat zu der grotesken Behauptung geführt: »Jenninger bezeichnet Hitler als Faszinosum«. Ein Jahr zuvor hatte ich mit Herrn Nachmann einen Besuch in Israel gemacht und dort auch ein Gespräch mit dem Chefredakteur der Jerusalem Post. Dieser Mann hat mich vier Wochen nach meiner Rede angerufen, er würde gerne nach Deutschland kommen und mich besuchen. Er hatte davon gehört, daß ich eine Rede gehalten habe, und er habe mich gewaltig beschimpft und kritisiert. Ursache dafür sei eine dpa-Meldung aus Hamburg mit der Überschrift gewesen: »Parlamentspräsident Jenninger bezeichnet Hitler als Faszinosum«. Da habe er zu seinen Mitarbeitern gesagt, den Jenninger habe ich doch kennengelernt, das sei doch ein ganz vernünftiger Mensch. Er habe dann seine Sekretärin angewiesen, die Sache bei der dpa in Hamburg noch einmal zu klären. Aber die Mitarbeiter der dpa in Hamburg hätten dann bestätigt, daß ich das so gesagt hätte, und darauf habe er dann die Rede »zerrissen«. Später habe er den Text der Rede gelesen und festgestellt, daß alles nicht stimmt; die Rede sei gut gewesen, und er entschuldigte sich bei mir für seinen »Verriß«. Es kam noch hinzu, daß einige deutsche Zeitungen den Text der Rede gefälscht und andere – nicht von mir stammende – Sätze hinein gebracht hatten. Mit einigen Journalisten habe ich darüber auch persönlich gesprochen. Diese antworteten mir, es sei halt eine »spontane Reaktion« gewesen, sie hätten die Rede leider weder gelesen noch gehört. Es herrschte also das, was ich vorhin »Papageien-Journalismus« genannt habe. So etwas muß man halt ertragen. Die inländische Presse forderte dann noch, der Jenninger müsse gehen. Ich hatte die

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Wahrheit gesagt, das hat man mir übel genommen. Ich habe mich dann schnell zum Rücktritt entschlossen – mein Gesicht war mir wichtiger als mein Amt. Wochenlage Diskussionen in der Presse wollte ich nicht ertragen; für eine Umkehr der öffentlichen Meinung in der Presse war es zu spät. Ein befreundeter Journalist hat mir gesagt: »Wenn du einmal im Sarg liegst, kommst du nicht mehr raus.« Einige Bundestagskollegen wollten mich zum Bleiben bewegen, aber da hatte ich mich bereits schon entschieden. Interessant waren noch Reaktionen der ausländischen Presse. Die New York Times hat z. B. einen sehr positiven Artikel über die Rede geschrieben, ich hätte den Deutschen einen Spiegel vorgehalten, in den sie nicht schauen wollten. Auch andere haben das so gesehen. Die ausländische Presse hat weitgehend anders reagiert, vielleicht auch deshalb, weil ihre Redakteure die Rede gelesen hatten. Ein Höhepunkt der Reaktionen war auch, daß ich rund 60.000 Zuschriften bekommen habe. 10 bis 20 davon waren negativ, etwa 200 – 300 waren wohlwollend kritisch. Die überwiegende Mehrheit von mehr als 50.000 Zuschriften war so positiv zu meiner Rede, wie ich es nie erwartet hätte. Das hat mich dann zumindest ein bißchen beruhigt, so wußte ich, daß ich im Geiste vieler Menschen doch auch etwas Positives bewirkt hatte. Sie hatten begriffen, daß es mir darum ging, die Vergangenheit zu erklären – und nicht zu rechtfertigen. Meine Rede hat auch gewisse Schwächen gezeigt, rhetorisch – das kann ich nicht leugnen. Der Vorwurf, ich hätte generell keine Anführungszeichen gesprochen, ist dagegen allerdings albern. Es gab schon Sätze, bei denen ich hätte sagen können, daß ich sie in Anführungszeichen spreche. Ich habe mir allerdings gesagt: »Das sind ja alles Politiker, die sind ja alle relativ intelligent, die werden schon verstehen, wie es gemeint ist.« Ich könnte die Rede heute vielleicht anders vortragen – im Inhalt der Rede würde ich aber heute keinen Satz verändern. Es hat mir bisher auch niemand nachgewiesen, daß ich etwas Falsches gesagt hätte. Der Nachfolger Heinz Galinskis, Ignatz Bubis, hat meine Rede einige Jahre später in Hamburg vorgetragen, um zu zeigen, daß sie inhaltlich völlig in Ordnung war. Das war natürlich eine Bestätigung für mich. Viele, die das gehört hatten, meinten: »Der darf das sagen – aber Sie nicht…!« Das Problem war, daß ich ein Stück deutscher Geschichte aufarbeiten wollte. Der Historiker Mommsen hat mir einmal gesagt: »Warum aufarbeiten? Ich mache mich doch nicht lächerlich in Deutschland! Du kriegst nur Prügel für so etwas wie ›aufarbeiten‹!« Vielleicht hatte er damit recht. So sind sie halt, die Deutschen…! Salomon Korn hat einige Jahre später ein Buch geschrieben und darin auch zu meiner Rede Stellung genommen [Salomon Korn: Geteilte Erinnerung, Philo 2001. Anm. J. König]. Er hat diese These kommentiert bestätigt. Eine Überraschung für mich war noch, daß der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi, dessen

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Vater nach dem Anschlag vom 20. Juli hingerichtet worden war und der sich in vielen Reden mit meinem Thema beschäftigte, in einigen Reden positiv zu mir Stellung nahm und sogar meine Rehabilitierung forderte. J.K.: Auf welches Publikum war die Rede zugeschnitten? P.J.: Die Rede war natürlich auf die Mitglieder und Gäste des Bundestages zugeschnitten. J.K.: Auf wen war die Rede inhaltlich zugeschnitten? P.J.: Die Rede beschäftigte sich inhaltlich mit den Deutschen – über ihr Verhalten, ihre Reaktionen im sogenannten »3. Reich«, warum sie diesen Verbrecher Hitler unterstützt haben und weswegen es zur sogenannten »Reichskristallnacht« kam. Es mag ein Fehler gewesen sein, nicht die jüdischen Opfer in den Mittelpunkt der Rede zu stellen, aber das war ja gerade meine Absicht: Nicht die Opfer, sondern die Deutschen als »Täter« sollten einmal im Mittelpunkt stehen. Es galt, darüber nachzudenken, wie es dazu gekommen war. Es ging also nicht so sehr darum, allein Verbrechen an den Juden darzustellen, sondern wie es überhaupt zu der »Reichskristallnacht« kommen konnte: Das war der Zweck meiner Rede. Ansonsten hätte ich sicher noch viel mehr dazu sagen können und müssen. J.K.: Wurden bestimmte Wirkungen der Rede geplant? P.J.: Der Wunsch junger Menschen war, mit der Rede ein Zeichen zu setzen, mich mutig zu den Vorgängen zu äußern, nicht nur zu entschuldigen und sich zu schämen, sondern das Thema, wie es zu Hitler kam, einfach einmal anzupacken. Das war das Hauptmotiv, ausgelöst durch die zuvor genannten Gespräche und den Vorschlag des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Herrn Nachmann. Ansonsten wäre ich vielleicht gar nicht auf diese Thematik gekommen, denn diese hatte ja in den Jahren zuvor in den öffentlichen Veranstaltungen nie eine Rolle gespielt. Die nachfolgende Generation will einfach wissen, ob ihre Vorfahren damals alle unzurechnungsfähig waren, was damals denn nun eigentlich vor sich ging – die Grundfrage war: »Warum hat mein Vater damals ›Heil Hitler‹ geschrieen?« Das hat auch mich damals bewegt. So sah ich die Notwendigkeit, darauf eine Antwort zu versuchen.

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Meine Absicht war nicht die komplette historische Aufarbeitung des Themas, sondern einen Anstoß zur Diskussion zu geben, wohl wissend, daß die Rede riskant war. Es war ja zwei Jahre zuvor der sogenannte Historikerstreit vorausgegangen; ich spürte schon meine Grenzen. Dennoch dachte ich mir, daß man auch den Mut haben müßte, die Dinge einmal beim Namen zu nennen und der nachfolgenden Generation Antworten zu geben auf ihre Fragen. J.K.: Hatten Sie den Vortrag der Rede einstudiert? P.J.: Nein, ich habe den Vortrag überhaupt nicht einstudiert. Man denkt natürlich vorher darüber nach, inwieweit das Publikum mitgehen wird, und das motiviert einen während des Vortrags auch; aber es war mir klar, daß die Zuhörer während des Vortrags eher nachdenklich und zurückhaltend sein würden. J.K.: Es erschien im Anschluß an die Rede ein Foto von Frau Ida Ehre in der Presse, auf dem sie während ihrer Rede den Kopf weinend in die Hände stützte. Dies wurde damals so interpretiert, als reagierte sie damit direkt auf Ihre Rede. P.J.: Davon kann keine Rede sein. Sie hat mich am nächsten Tag auch angerufen und mir gesagt, was die Presse ihr da unterstelle, würde hinten und vorne nicht stimmen. Sie sei einfach so ergriffen gewesen: Sie habe zum ersten Mal in ihrem Leben im Bundestag gesprochen, dort die Todesfuge von Celan vorgetragen und habe gehofft, daß sie ihre Sache gut gemacht habe. Ihr Vortrag selbst habe sie so bewegt, daß ihr die Tränen gekommen seien. Alle Beschuldigungen, sie hätte meinetwegen geweint, müsse sie zurückweisen. J.K.: Inwieweit haben Sie die Störungen und Reaktionen während der Rede beeinflußt, während des Vortrags noch etwas zu ändern oder auf die Wirkung Einfluß zu nehmen? P.J.: Die Reaktionen haben mich in diesem Sinne nicht beeinflußt, aber sie haben mich natürlich bedrückt. Wegen der Unruhe bei den Grünen war ich schon sehr erschüttert, übrigens bis heute noch. Kein Mensch hat sich damals zu diesem Verhalten der Grünen geäußert. Man konnte mich wegen meiner Rede kritisieren und damit nicht einverstanden sein, aber daß es bei solch einer Gedenk-

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veranstaltung solch unanständiges Verhalten gab, das hätte man damals eigentlich auch kritisieren müssen. Aber das hat bis zur Stunde kein Mensch angesprochen. Diese Störakte, die da betrieben wurde, fanden zudem auch schon zu einer Zeit statt, als ich noch gar nicht zur Sache gesprochen hatte. Ein Abgeordneter der FDP hat sich auch ganz besonders »daneben benommen«. Das war deswegen, weil ich ihm am Tag zuvor eine Reise ins Ausland abgelehnt hatte. Dafür hatte er sich rächen wollen. So sind sie halt, die Menschen. Es gibt keine besseren! J.K.: War ein gedruckter Redetext dem Publikum vorher bekannt? P.J.: Nein, der Text wurde vorher nicht veröffentlicht. Ich wurde auch gefragt, warum ich den Text, wie es oft üblich war, nicht vorher veröffentlicht hatte; ich weiß auch nicht, ob mein Mitarbeiter Auszüge vorher bekanntgegeben hatte, ich glaube aber nicht. Wir haben bis zum Schluß an der Rede gefeilt, sogar noch, wie das manchmal so ist, wenige Stunden vorher einige Sätze ausgetauscht. Die Rede war weitgehend von meinen Mitarbeitern und mir selbst konzipiert worden. J.K.: Wie sah im Anschluß an die Rede die interne Diskussion in der CDU aus? Haben Sie mit dem Bundeskanzler über die Konsequenzen gesprochen? P.J.: Ich habe Herrn Kohl am Abend angerufen und mit ihm über die Reaktionen gesprochen. Er meinte darauf, wir sollten vor weiteren Konsequenzen lieber noch einmal eine Nacht schlafen. Er erklärte sich aber dann mit meinem Rücktrittsangebot recht schnell einverstanden. J.K.: Ihre Karriere war danach ja nicht zu Ende. P.J.: Nein, im Gegenteil. Ich hatte von 1990 bis 1997 die Ehre, das Glück und die Freude, unser Land als Botschafter in Wien und beim Heiligen Stuhl in Rom vertreten zu dürfen. Ich sage »Freude und Glück«, weil ich dankbar dafür bin, daß ich meine außenpolitischen Erfahrungen als Politiker in geradezu idealer Weise durch praktische Erfahrungen als Diplomat ergänzen und vertiefen konnte. In Wien waren es vornehmlich die bilateralen Beziehungen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik, die es in den interessanten und

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bewegten Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu gestalten galt. Wien war nach der Öffnung der Grenzen zum Osten gewissermaßen die erste Anlaufstelle der Menschen und auch der Politiker aus den Nachbarstaaten im Osten. Da konnte man auch als deutscher Botschafter in vielfacher Hinsicht mit Rat und Tat behilflich sein. Vor allem ging es mir darum, der neu beginnenden Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern wirtschaftliche Kontakte nach Österreich zu vermitteln. Im Mittelpunkt standen in dieser Zeit auch die Beitrittsverhandlungen Österreichs zur Europäischen Union. Eine besondere Freude war natürlich – wie konnte das in Wien auch anders sein – die Förderung und Unterstützung des vielfältigen Zusammenarbeitens unserer Länder auf dem weiten Feld der Kultur. Beim Heiligen Stuhl in Rom waren es neben dem eindrucksvollen Erlebnis der Weltkirche vor allem die Fragen der Weltpolitik, die einen Botschafter jeden Tag beschäftigen. Es gibt keinen Platz in der Welt, auf dem all die Probleme, Sorgen, Anliegen und Nöte der Menschen und Völker in der Welt so zusammenströmen wie in Rom. Fast jeden Tag kommen namhafte Besucher, Persönlichkeiten aus aller Welt zu Gesprächen nach Rom. Es war aber vor allem auch das großartige und unglaublich engagierte – auch politische – Wirken des damaligen Papstes Johannes Paul II., das so beeindruckte und faszinierte. Das war keine Geheimdiplomatie, sondern eine stille Diplomatie, die da täglich praktiziert wurde, in der Regel aber keine Schlagzeilen produzierte. J.K.: Noch einmal zur Rede vom 9. November 1988. Wenn man den Inhalt Ihrer Rede betrachtet: Was darf man heutzutage in Deutschland »nicht beim Namen nennen«? P.J.: Das Phänomen der sogenannten »Political Correctness« hat im Laufe der zurückliegenden Jahre versucht, der Gesellschaft eine Sprachregelung aufzuzwingen, die unter anderem auch Regeln für die Vergangenheitsbewältigung vorsehen. Jeder, der von dieser Sprachregelung abweicht, gerät in den Verdacht des »Undemokratischen« und wird in den Geruch des »Konservativen bzw. Rechtsextremen« gerückt. Ich habe in meiner Rede – kurz gesagt – nur klargestellt, daß die Deutschen 1933 mit überwältigender Mehrheit Hitler begrüßt und begeistert gefeiert hatten. Wer sich ein bißchen mit den historischen Tatsachen vertraut macht, weiß, daß dies der Wahrheit entsprach. Das entspricht aber nicht der Vorstellung der

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»Political Correctness«, die davon überzeugt ist, daß diejenigen, die Hitler gewählt haben, entweder Idioten oder Verbrecher gewesen sind. Viele ausländische Journalisten haben meinen Rücktritt so interpretiert, daß ich den Deutschen einen Spiegel vorgehalten hätte, in den sie weder hineinschauen, noch sich wiedererkennen wollten (so auch Salomon Korn in seinem Buch Geteilte Erinnerungen). J.K.: Es gab viele Artikel, die Ihrer Rede bescheinigten, daß sie zu ehrlich war ; daß sie, wie Sie sagen, »Deutschland einen Spiegel« vorgehalten hätte, den es nicht ertragen kann. P.J.: Gewiß, ich habe die Wahrheit gesagt, das hat man mir übelgenommen. Ein spanischer Freund hat mir telegrafiert: »Wenn du irgendwo hingehst, um die Wahrheit zu sagen, dann nimm dein Pferd mit und stell’s gesattelt vor die Tür!« Das ist es, was mich so traurig gemacht hat, daß die Deutschen manchmal offenbar zu feige sind, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. J.K.: Man wird durch Inhalte, wie Sie sie in Ihrer Rede hatten, angreifbar. P.J.: Es gibt eine Grundstimmung in unserer Bevölkerung, daß man sich zu diesen Themen nicht äußert. Wer ein Gegner dieser Grundstimmung ist und sie verletzt, der liefert sich der Kritik aus. J.K.: Wurde in der Rede versucht, die Geschehnisse in der Zeit der Nationalsozialisten zu erklären, und inwieweit wurde versucht, diese zu rechtfertigen? P.J.: Die Geschehnisse zu rechtfertigen, war nie meine Absicht, sondern einfach zu erklären, was war. J.K.: Welche Lehren haben Sie persönlich aus dem Verlauf der Rede gezogen?

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P.J.: Lehren habe ich insoweit daraus gezogen, ich deutete es ja schon an: Ich bin tief enttäuscht, daß die Deutschen und damit weder die Politiker noch die Historiker den Mut haben, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Auch wurde mir bewußt, daß es in der Politik keine Freundschaften gibt, sondern nur Interessen. Ich habe Kollegen gehabt, die sich viele Jahre so verhalten haben, als ob sie dicke Freunde wären, mit denen ich immer gute Kontakte hatte. Diese Kontakte waren dann plötzlich nach meiner Rede von heute auf morgen vorbei. Nur wenige Freunde halten auch in schwierigen Zeiten tatsächlich zu einem. J.K.: Welche Maßnahmen haben Sie von da an getroffen, um eine Fehlwirkung einer Rede zu vermeiden? P.J.: Ich habe danach noch viele Reden gehalten, in Österreich, in Rom und in Deutschland, aber Maßnahmen als Lehre aus der Rede vom 9. November 1988 in bezug auf die Wirkung habe ich keine getroffen. J.K.: Wo liegen Ihrer Meinung nach heutzutage die größten Fallstricke für einen Redner? (In bezug auf den Inhalt der Rede, die Formulierung, die Inszenierung, das Halten und das Publikum?) P.J.: Der Inhalt ist ganz entscheidend. Man kann über alles reden, nur nicht über das Thema, über das ich in meiner Rede gesprochen habe. Das ist nicht erwünscht. Man denke an die berühmte Walser-Rede, für die der Schriftsteller scharf verurteilt wurde. Jeder, der nur andeutungsweise in diese Richtung geht, wird dafür abgestraft. J.K.: Herr Dr. Jenninger, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Anmerkung zur Person: Dr. Philipp Jenninger, Jahrgang 1932, war von 1982 bis 1984 Staatsminister im Bundeskanzleramt, von 1994 bis 1988 Bundestagspräsident, von 1991 bis 1995 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Österreich und von 1995 bis 1997 Botschafter am Heiligen Stuhl.

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Interviews und Briefe

Nach Vorlage genehmigte Abschrift des Gesprächs mit Dr. Dirk Ippen am 26. 01. 2007

Jan C. L. König (J.K.): Sehr geehrter Herr Dr. Ippen, unterschied sich die öffentliche Meinung in Deutschland bereits vor dem Eintritt der Bundeswehr in den Kosovo-Krieg und der TV-Ansprache Gerhard Schröders verglichen mit der Einstellung der Bevölkerung bei anderen Kriegen, z. B. dem Irak-Krieg von 1990? Und was führte im Vorfeld zu einem Umdenken in Deutschland? Dr. Dirk Ippen (D.I.): Die öffentliche Meinung gegenüber dem Irak-Krieg von 1990 war im allgemeinen schon eine ganz andere als die zum Kosovo-Krieg 1999. Allein die räumliche Nähe von Kosovo und Serbien war dafür schon ausschlaggebend, schließlich liegt beides genau wie Deutschland in Europa, und diese Nähe ist zum Irak nicht gegeben. J.K.: Die TV-Ansprache Gerhard Schröders richtete sich im März 1999 direkt an die deutsche Bevölkerung. Inwieweit war sie daran beteiligt, daß es in Deutschland kaum zu Protesten kam? D.I.: Inwieweit Gerhard Schröders Rede tatsächlich die Bevölkerung beeinflußt hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Sicher ist aber, daß Schröder ein glänzender Redner ist. Natürlich ist dies ein sehr wichtiger Aspekt, der zu seiner erfolgreichen Rede geführt hat. J.K.: Welche zusätzlichen Mechanismen nutzten der Bundeskanzler und die Regierung Schröder damals, um nicht nur das deutsche Volk insgesamt, sondern eben auch ihre Wählerklientel (und damit die in weiten Teilen stark pazifistische Wählerschaft der Grünen) umzustimmen und keinen Protest aufkommen zu lassen? D.I.: Der Regierung Schröder kam damals eine neue Zeitströmung zu Hilfe: Nach der Wiedervereinigung spielte Deutschland eine viel wichtigere Rolle in der Weltpolitik als in all den Jahren zuvor. Die Rechte und Pflichten wuchsen, und das spürten auch die Menschen, die sich mit der neuen außenpolitischen Situation

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Deutschlands arrangierten. Das ist ein wichtiger Grund, warum selbst die pazifistische Wählerklientel keine umfassenderen Proteste unternommen hat. J.K.: Welchen Einfluß hatte Helmut Kohls Rede vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche am 19. Dezember 1989 auf die Meinung der europäischen Nachbarn zur deutschen Wiedervereinigung? D.I.: Den Einfluß der Rede Helmut Kohls auf Deutschlands europäische Nachbarn stufe ich nicht höher ein als den Einfluß der US-amerikanischen Außenpolitik, denn am Ende waren es insbesondere die USA, die sich im Westen für die Wiedervereinigung stark machten. Das heißt aber natürlich nicht, daß Kohls Rede vor der imposanten Kulisse der Ruine der Frauenkirche und vor den begeisterten Menschenmassen nicht indirekt einen positiven Einfluß gehabt haben kann. J.K.: Wo lagen Ihrer Meinung nach die Gründe für die Fehlwirkung der Rede Philipp Jenningers vom 9. November 1988? D.I.: Die allgemeine Kritik an der Rede Philipp Jenningers und sein daraus gefolgter Rücktritt sind bis heute nicht gerechtfertigt. Ein wesentlicher Kritikpunkt, der damals angeführt wurde, war der Begriff »Faszinosum«, mit dem Jenninger Hitlers Erfolge beschrieben hat. An dieser Stelle gebe ich den Kritikern recht: Mann kann durchaus sagen, daß der Ausdruck die Erfolge Hitlers zu neutral beschreibt und sich damit schlicht zu wenig kritisch mit ihnen auseinandersetzt. Das Wort war an dieser Stelle sicherlich nicht klug gewählt, aber die Kritik insgesamt bleibt dennoch nicht gerechtfertigt. J.K.: Herr Dr. Ippen, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Anmerkung zur Person: Dr. Dirk Ippen, Jahrgang 1940, ist Zeitungsverleger. Seine Zeitungsgruppe, die vor allem aus zahlreichen regional verbreiteten Tageszeitungen besteht, ist die fünftgrößte Deutschlands.

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Interviews und Briefe

Nach Vorlage genehmigte Abschrift des Gesprächs mit Dr. Thilo von Trotha am 23. 02. 2007

Jan C. L. König (J.K.): Sehr geehrter Herr Dr. von Trotha, wo liegen die Hauptunterschiede zwischen einer Rede vor Publikum und einer Rede im Fernsehen? Dr. Thilo von Trotha (T.T.): Fernsehansprachen sind ganz eigene Kategorien und etwas anderes als Reden vor Publikum, denn das Schwierige bei einer Fernsehansprache ist, daß der Redner kein »Echo« hat. Fernsehansprachen wie die Gerhard Schröders zum Kosovo-Krieg sind natürlich radikal vorbereitet, da ist nichts, kein einziges Wort spontan hinzugesetzt, und der Redner steh in der ungeheuerlichen Schwierigkeit, ohne »Echo« auskommen zu müssen. Ich mußte auch mal eine Rede im Fernsehen halten – das ist gräßlich, wenn man keine Menschen vor sich hat! Die fünfzig Claqueure in den Talkshows haben zum Beispiel einzig und allein den Job, den Akteuren ein Echo zu geben, damit ihre Reden nicht im toten Raum verschwinden. Allerdings ist die Wirkung natürlich auch viel breiter, da eine Fernsehansprache von viel mehr Leuten gehört wird als eine Rede vor Publikum. J.K.: Inwieweit läßt sich denn in einer Fernsehansprache eine Wirkung erreichen und steuern? T.T.: In einer aufgewühlten, sehr stark aufgepeitschten Zeit, wie es zum Beispiel auch nach dem 11. September 2001 der Fall war, kann eine Fernsehansprache eine ganze Menge bewirken, weil die Menschen dafür sensibilisiert sind. Nach dem 11. September und seinen ungeheuerlichen Vorgängen herrschte in der ganzen Welt Ratlosigkeit, und in so eine Stimmung hinein kann eine Fernsehansprache außerordentlich viel bewirken, weil sie wirklich alle erreicht. Daher ist sie sicherlich auch wirksamer als eine Rede vor Publikum, weil es nur wenige Menschen sind, und so nur eine Berichterstattung über die Rede möglich wäre. Dies gilt aber nur für solche besonderen Situationen. Nur wenn die Leute auf solch eine Ansprache warten, hat sie die Möglichkeit, sehr viele Menschen zu erreichen. J.K.: Welche zusätzlichen Mechanismen nutzten der Bundeskanzler und die Regierung Schröder damals, um nicht nur das deutsche Volk insgesamt, sondern eben

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auch ihre Wählerklientel (und damit die in weiten Teilen stark pazifistische Wählerschaft der Grünen) umzustimmen und keinen Protest aufkommen zu lassen? T.T.: Wir leben in einer sehr spannenden Zeit. Nach dem Zweiten Weltkriege war in Deutschland jahrzehntelang die felsenfeste Meinung verwurzelt, daß es nie wieder zu Krieg kommen dürfe – und das wird nun Stück für Stück abgebaut; Deutschland wird kriegsbereit gemacht. In diesem Prozeß sind wir mitten drin. Wir jubeln zwar noch nicht über Krieg, aber ich entsinne mich noch sehr genau an den Spott einiger deutscher Politiker während des ersten Irak-Krieges, man solle doch nicht glauben, sich nur durch eine »Scheckbuchpolitik« am Kriege beteiligen zu können, da müsse einfach Blut fließen. So wurde das natürlich nicht gesagt, aber so wurde es suggeriert. Und so geht es nun Stück für Stück in diese Richtung. Der Kosovo-Einsatz war also in der Tat der erste Schritt zu einer ganz normalen Kriegsteilnahme. Mental waren die Leute schon vorher ein bißchen vorbereitet: »Wir sind ja in der EU, wir sind ja in der NATO, wir sind ja in der UNO« – so lauten dann diese »Beruhigungspillen«. Das war das erste Mal, daß die Leute so richtig zur Kasse gebeten wurden. Diese »Beruhigungspillen« – »wir sind ja in einem großen Ganzen«, »wir stehen nicht allein« – hat Schröder natürlich auch in seiner Fernsehansprache benutzt. In einer Gruppe ist es immer angenehmer, als etwas allein durchziehen zu müssen. Schröder nannte es natürlich nicht Krieg, sondern »Befriedung«; ganz genau so, wie ja auch der Irak inzwischen »befriedet« wurde. Hier wird eine Doppeldeutigkeit aufgebaut, und so traurig das ist: Die Menschen machen es mit. Es ist durchaus möglich, die Leute mittels einer Rede zu beeinflussen und ihnen das so einzureden. Bei den Deutschen im allgemeinen ist das vielleicht sogar ein Problem ihrer Mentalität… Die Deutschen haben nun einmal den Willen zur Anpassung; im Ergebnis ist es so: Mit den Deutschen kannst du machen, was du willst. J.K.: Zur Rede Helmut Kohls vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche aus dem Jahre 1989: Welche Wirkungen hat diese Rede erreicht? Und an welchen Komponenten der Rede (inhaltlich / sprachlich, Akt des Haltens, Inszenierung) würden Sie die gewünschte Wirkung festmachen? T.T.: Auch hier gab es wieder eine Zeit der außerordentlichen Ratlosigkeit, und Führung wurde in hohem Maße gebraucht. Kohl hat diese in seiner Rede sehr kurz entschlossen gezeigt, schließlich war es die erste große Rede nach seinem 10-Punkte-Plan. Das erste Mal brachte er ein sicheres Konzept zur Wiederver-

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einigung, denn auch Kohl war zuvor wie alle anderen von den Ereignissen stark überrascht worden. Er hat mit seiner Rede dann den Schritt nach vorne gewagt, während andere, wie Lafontaine, den Schritt nach hinten machten. Es war historisch eine sehr interessante Situation: Die Ostdeutschen, die aus dem Westen Wunder erhofften, warteten nun natürlich ganz besonders auf echte politische Veränderungen. Rhetorische Finessen hat es in dieser Rede nicht gegeben, aber Kohl hat es geschafft, sie in seiner eigenen gerade, schmucklosen Art vorzutragen, und er hat sehr genau gewußt, was die Leute wollen: Wir holen euch rüber in den gelobten Westen. Kohl sagte nun zum ersten Male wortwörtlich, daß am Ende des politischen Prozesses die deutsche Einigung stünde; das war natürlich ein echter Meilenstein, der wie ein Hammer um den ganzen Erdball ging. Die ganze Welt hatte sich, wie wir auch, daran gewöhnt, daß die Einheit nicht kommt, und sie haben sich alle damit wunderbar zurechtgefunden – vor allem die Franzosen. Die Hauptwirkung der Rede bestand vor allem darin, daß sie eine wirklich absolute News war : Deutschland strebt die Wiedervereinigung an. Überhaupt sind das Interessanteste an einer Rede die Neuigkeiten, und eine Neuigkeit, die all das umstürzt, was seit Jahrzehnten gedacht wurde und für Zweidrittel der Bevölkerung das Natürliche war, hat einen riesigen News-Wert. Hier gab es einen Paradigmenwechsel, ein Umschwenken um 1808, eine radikale Neuerung. Da kommt jede Rede gut an, selbst wenn sie stotternd und lispelnd vorgetragen wird. Sie muß nur eins sein: glaubwürdig, und glaubwürdig war er eben. Die Gesamtsituation der Rede Kohls war glaubwürdig. Bei solchen Reden spielt überhaupt die Glaubwürdigkeit die größte Rolle. In meinen Seminaren, die ich über das Schreiben von Reden gebe, stelle ich immer wieder in den Mittelpunkt, daß eine Rede wahrhaftig und interessant sein muß. Es muß die Leute interessieren, es muß ihr Interesse wecken: Der Zuhörer muß selbst angesprochen sein. Das war durch die Situation vor der Frauenkirche und die Rede selbst ganz stark gegeben. J.K.: Was kann die Rede international bewirkt haben? T.T.: Die Rede hatte insofern eine Wirkung, daß nun der Wille deutlich wurde, das Undenkbare in Griffweite zu haben. Es zeigte sich, daß der Zusammenbruch des Ostens eine Stärkung der Westhälfte Deutschlands nach sich zog, das sich nun das Undenkbare auf die politische Agenda schrieb.

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J.K.: Zur Rede Philipp Jenningers aus dem Jahre 1988: Wo lagen Ihrer Meinung nach die Gründe für die Fehlwirkung dieser Rede? T.T.: Es gibt die Theorie, daß sich die Grünen schon vor der Rede dazu entschlossen hatten, einen Skandal vom Zaun zu brechen. Zunächst einmal: Es handelt sich bei der Rede Philipp Jenningers um eine wirklich gute Rede. Ich habe aber das Gefühl, daß Jenninger es von Weizsäcker nachmachen wollte, der die wohl wichtigste und beste Rede bis dato zum 40. Jahrestag des Kriegsendes gehalten hatte. Das Kluge an der Weizsäcker-Rede war, daß der damalige Bundespräsident damit Schluß machte, daß uns das Thema heute nichts mehr anginge und er andeutete, daß es auch heute noch zu diesen schlimmen Entwicklungen kommen könnte. Dies tat er aber mit solch einer außerordentlichen Vorsicht, daß es goutiert wurde. Die Motivation Jenningers war es nun, eine weitere große Rede zu halten, die ebenfalls aufräumt mit selbstgemachten Irrtümern. Der Inhalt seiner Rede war, daß er zitierte, was damals in öffentlichen Papieren der Reichswehr, der Polizei usw. für jedermann zugänglich stand. Und dann kam die boshafte und natürlich törichte Auffassung auf, er habe durch seine Betonung nicht hinreichend gekennzeichnet, was davon seine eigene Meinung war. Jenninger ist seit Jahrzehnten ein aufrichtiger und anständiger Demokrat gewesen: diese Aussage ist also dumm. Gefördert hat diesen Eindruck aber, daß die Rede, die ja auch gerne als »Quotation-Rede« bezeichnet wird, insgesamt etwas hilflos gewirkt hat. Vielleicht hat Jenninger einen sehr jungen Redenschreiber gehabt. Das behaupte ich deswegen, weil er die Grauen dieser Zeit nicht beschrieben hat, sondern davon erkennbar überwältigt war. Dieser Redenschreiber hat die Themen systematisch bearbeitet und mußte sie nachlesen. Daher spricht aus der Rede ein subjektives, ungeheuerliches Entsetzen über das Geschehene, das Jenninger so nicht selbst haben konnte, weil er es ja vorher bereits alles wußte. Jenninger hat es also versäumt, seine Rede nicht deutlich genug in eine »Erwachsenen-« Rede umzuschreiben, und insofern wirkte sie auf mich immer ein bißchen hilflos. Jenninger hat es versäumt, aus dieser Rede seine eigene Rede zu machen. Darüber hinaus glaube ich, daß der Schritt, den Jenninger mit seiner Rede machen wollte, verglichen mit der Rede Weizsäckers, zu groß war. Was Weizsäcker aussprach, das haben die Leute mitgemacht, als Fortentwicklung und als »groß« empfunden. Diese krasse Aussage – »Ihr habt’s eigentlich alle gewußt!« –, das war zu viel. Das hat der Gegner dann ausnutzen können. Ich behaupte dennoch nach wie vor, daß diese Rede eines Tages als große Rede in die Geschichtsbücher eingehen wird – denn es war eine gute Rede, daran gibt es ansonsten überhaupt nichts umzudeuten.

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J.K.: Welche Bestandteile der antiken Rhetorik nutzen Sie für Ihre Redenkonzepte, und welche neueren Mittel bevorzugen Sie? T.T.: Ich bin versucht zu sagen, daß ich antike Elemente der Rhetorik überhaupt nicht nutze. Das wäre aber so nicht ganz richtig, denn schließlich haben sich alle neueren Methoden aus den antiken Modellen entwickelt, die schon seit Jahrtausenden ihre Gültigkeit haben, so daß man von »neuen Methoden« eigentlich gar nicht reden darf. Allerdings halte ich mich in der Tat von dieser rasenden Formalisierung fern, die ich dem Lebendigen der Sprache als widersprechend empfinde. Letztlich ist die Rede das Unmittelbarste, das ein Mensch hat. Sie ist ihm das Eigenste, das Subjektivste, das auf jede einzelne Person Zugeschnittene, das es so nur zweimal bei einem Menschen gibt: Einmal durch Körperduft und einmal durch seine Rede. Physisch teilt sich der Mensch durch Duft mit, und geistig teilt er sich durch seine Gedanken, also durch seine Reden mit. Der Gipfel der Persönlichkeit ist die Rede. Ich habe es immer als einen großen Mangel empfunden, daß alles in Formen gegossen wird, so daß man eigentlich keine Wendung mehr benutzen kann, die rhetorisch nicht klassifizierbar ist. Es gibt einige Klassifizierungen, die äußerst sinnvoll und äußerst wirksam sind. Aber zuviel an Formulierung streicht alles Spontane und Persönliche aus einer Rede heraus. Wenn es am Ende nur noch um Form geht, dann finde ich das grauenhaft und gräßlich. Natürlich passen heutige Reden, insbesondere gute Reden, in die »Dramaturgie« der antiken Rhetorik. Das waren ja keine Erfindungen, sondern es waren Beobachtungen dessen, was wirkungsvoll und gut war. J.K.: Inwieweit halten Sie eine Persuasion des Auditoriums für möglich? T.T.: Die Motivationsrede ist die typische Rede, die eine überzeugende Wirkung haben soll, wenn ich jemanden überreden möchte, etwas zu tun, was er vorher nicht tun wollte. Die große Kunst der Persuasion ist es, was die Leute machen sollen, so in der Rede aufzubereiten, daß sie erkennen, darin ihren eigenen Vorteil zu finden. Ich behaupte einmal, daß der Mensch auf Dauer nur das tut, was ihm nützt. Es gibt ein paar Leute, die ans Kreuz geschlagen werden und somit Dinge tun, die ihnen nichts nützen, und es gibt auch gottlob an jedem Menschen eine ganz idealistische Seite, aber im Großen und Ganzen tun die allermeisten Menschen nur Dinge, die ihnen selbst nutzen. Und wenn ich nun

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jemandem sage, daß es sein eigener Vorteil sei, wenn er für das Unternehmen, für das er arbeitet, mehr leiste, dann ist das eine Überredung, dessen Kernpunkt der Eigennutz für den Zuhörer ist. Das ist der intellektuelle Teil des Prozesses. Und dann gibt es natürlich auch noch einen emotionalen Teil der Persuasion: Das Charisma. Das ist nicht erlernbar, sondern eine direkte Form des Kommunizierens von Herz zu Herz. Diese Kommunikation muß nicht über den Kopf gehen. Das sind die beiden Elemente, die ich erkenne: die vernunftgesteuerte Persuasion und die charismatische Persuasion. J.K.: Wie kann man Zuhörer emotional bzw. affektiv beeinflussen? T.T.: Was die meisten Leute wesentlich berührt, ist das Persönliche. Das Sachliche ist zwar erhellend und verständlich, aber im Bauch und im Herzen, wo die Entscheidungen fallen, kommen vor allem die persönlichen Dinge an. Wenn man jemanden ganz stark emotional beeinflussen will, funktioniert das am besten mit Persönlichem. Zum Beispiel schafft man das auch dadurch, daß man einfach zu seinen Eigenheiten steht. Bei Strauß habe ich immer bewundert, mit welcher großen Sorglosigkeit er bayerisch geredet hat. Das hat auf mich angenehm gewirkt. Umgekehrt hat es auf mich abstoßend gewirkt, als Stoiber in den letzten vierzehn Tagen vor der Wahl, als er gegen Schröder antrat, plötzlich hochdeutsch redete, eine rote Krawatte wie Schröder trug und erkennbar von seinen Beratern und Manipulatoren auf »gesamtdeutsch« getrimmt wurde und dort plötzlich wie ein Fremder stand. Besser ist es, zu seinen Eigenheiten zu stehen und sie nicht zu kaschieren, sondern den Mut zu haben, sie offen zu zeigen. Grundsätzlich ist es so: Wer als Redner Mut zeigt, der beeinflußt die Zuhörer immer ganz besonders stark. In der ganzen Welt sind es die verschiedenen Eigenschaften, die als Tugend gelten. Aber Mut ist eine Eigenschaft, die überall und zu allen Zeiten als Tugend galt und gilt. Wer mutig ist, der zeigt sich stark. Und wer führen will, der muß Stärke zeigen. Eine »Flasche«, die niemanden auf den Fuß treten will und Angst davor hat, mißverstanden zu werden, die mit tausend »Wenns« und »Aberchens« daherkommt, wird nie eine starke Führungsrede halten können. Da muß man dann eben auch gerade stehen und im Zweifelsfall Dinge zurücknehmen. Auch das ist keine Sünde, etwas zurückzunehmen. In der Öffentlichkeit wird es oft so dargestellt, als ob es eine Demütigung sei, sich zu korrigieren. Aber schlimm sind doch eigentlich nur die Leute und insbesondere Redner, die sich nie korrigieren wollen. Man denke nur an Adenauer, der einst gesagt hat: »Was kümmert mich mein dummes Geschwätz gestern?«

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Interviews und Briefe

Nur wenn es erratisch übertrieben ist, dann spricht man von Opportunismus und Rückgradlosigkeit. Der kleine Opportunismus dagegen wird jeden Tag von uns verlangt. J.K.: Herr Dr. von Trotha, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Anmerkung zur Person: Dr. Thilo von Trotha, Jahrgang 1940, bis 1980 Redenschreiber von Bundeskanzler Helmut Schmidt und ehemaliger Präsident des Verbandes der Redenschreiber deutscher Sprache.

Dr. Jeffrey Gedmin am 27. 02. 2007

6.4

459

Nach Vorlage genehmigte Abschrift des Gesprächs mit Dr. Jeffrey Gedmin am 27. 02. 2007

Jan C. L. König (J.K.): Dear Sir, how would you describe the atmosphere towards a German reunification before Helmut Kohl’s ten-points plan in November 1989 (in the Soviet Union, in Germany’s European neighbours, and in the United States)? How did this plan change the impression? How would you describe the atmosphere towards a German reunification before Helmut Kohl’s speech in Dresden, and how would you describe the atmosphere after the speech? Dr. Jeffrey Gedmin (J.G.): First of all, my impression recollection is: There was considerable apprehension and anxiety in Europe. In the first moments, most of Europe, in the Soviet Union, certainly Mrs. Thatcher in Britain, and certainly Mr. Mitterrand in France, and in places like Poland and in the Netherlands, they were not happy about the idea of a German unification. This was pretty clear. In the United States, there was greater ambivalence. There is a quote in a book that Condoleezza Rice wrote, where former president George Bush spoke about the possibility of a reunification in the White House. There were some advisors who were a little sceptical, »the balance of power in Europe, how would the neighbours react,« and then president Bush is said to have said: »Good heavens, it’s time to let it guide up!« Germany was divided, Germany went through the Cold War, and there is no reason why this democratic Germany cannot decide how it wants to arrange itself. In general, Americans celebrated the fall of the Berlin Wall and thought reunification was more or less a natural choice. They did not expect East Germans to choose more communism, they expected them to choose something like the West Germans had, and so for Americans that meant there will be one Germany again. Now, the European had more history, and they had more bitter confrontations on their own continent. It is true that Helmut Kohl and his team of advisors, including Horst Teltschik, and the U.S. government who were keenly interested in helping them, created the right language, created the right diplomatic framework, created the right rhythm and process to assure anxious European neighbours and to eliminate some of the worst anxieties and fears. So I guess, Kohl’s speech in Dresden was an important part of that.

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Interviews und Briefe

J.K.: If the U.S. government followed the Dresden speech, what impression did they get? J.G.: I very seriously imagine that the U.S. government followed the speech, and I cannot imagine that they did not. It was in December 1989, one month after the wall came down. In December, the American debate was still not clear about reunification yes or no, and if yes, how fast. In December, it was still an open question, but it was coming up, that it was Germany’s natural choice. I am certain that people in the White House and in the State Department watched the speech. I guess that the reaction mirrored the reality that I just described: Some people thought it was just inevitable, some people were a little anxious, cautious, and wanted to go slow. There was a debate at that times, but the majority thought unification was natural. They did not want to stop it, and if you fought for freedom, then freedom is to choose, and now the Germans had their choice. Americans always saw less ghosts in Germany. People like Thatcher and Mitterrand, people of a certain generation, really thought that if this Germany was big and strong again it would dominate its neighbours. This had never been very popular in America. The American view was: Germany has a liberal democratic culture, and it can be bigger, but it is still going to be liberal and democratic. J.K.: How would you describe the »instruments« of this speech and its effect on the East Germans? J.G.: I travelled to East Germany in January 1990, so one month after the speech, and Kohl really tapped into popular sentiment. Many people were hanging West German flags. I remember in January 1990 that Honecker was gone but the regime was still there. And on Monday nights in places like Leipzig there were still big demonstrations. It was popular and it was spontaneous, it was not a small group organising it, but people would leave work and leave school at five o’clock on Mondays and go out – it was like a big picnic. There was a strong spirit of social solidarity, and the sentiment was anti-regime in East Germany, pro West Germany, it was pro Helmut Kohl, and it was pro unification. There were small groups that wanted to hang on the GDR, but I remember going to demonstrations people telling me, they did not want this currency anymore, and they did not need this flag anymore. So, Helmut Kohl also had a sense to deliver that speech not in Bonn, but in Dresden, and he had a strong popular theme: That was, what people wanted to hear, and over there, they wanted to hear it.

Dr. Jeffrey Gedmin am 27. 02. 2007

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J.K.: How would you describe the atmosphere towards a German reunification after Helmut Kohl’s speech in Dresden of its European neighbours and the Soviet Union? J.G.: I remember that there were countries in the E.U., like Poland, the Netherlands, France, Britain, people like Mitterrand and Thatcher, who thought this was going too fast, thought it was a process they could not control. Mrs. Thatcher thought that Helmut Kohl was too big, too plodding, too clumsy, too careless, too fast, not thoughtful enough. The ten-points plan was not consulted with the European allies, Kohl did not consult his foreign minister either. This was a »Kohl plan«, which was a bit of a surprise. And so there were some people who thought this was going too fast. All things considered, my recollection is the Americans were more or less relaxed but the Europeans had a period of tension and anxiety. J.K.: How did this speech change America’s view on the German situation and its aims in reunification, and how did it influence America’s political strategy with Germany, its European neighbours, and the Soviet Union? J.G.: There is no question that there was a partnership between Germany and the United States on unification. Both countries realised early that it could happen, that it would happen, and that it should happen. There is no question of that. Then we had the »2 plus 4« talks, and the United States had a keen interest in that being successful. There was a pretty strong commitment among the American side to find a multi-lateral framework, using diplomacy, to resolve issues, see the removal of Soviet troops, and to make assurance to neighbouring countries like France and Britain. I think it took some time for American policy-makers to understand that if Germany unifies it is not just a bigger West Germany. It changed quantitatively in size, but the quality in character of Germany and Europe was changing, too. The European Community was becoming a different kind of »animal«, a transformation of the European Union and single European currency came up. I think that early on, Republicans and Democrats kept thinking that it will be the same Europe but now we have a bigger West Germany in the middle. It took time to realise it is a different Europe with a different kind of Germany. The way I would describe it is by saying an era of dependence and junior partnership through the cold war, Europe’s division, Germany’s division, ended, and an era of new kinds of rivalry and competition started. Some of them were natural, some were

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Interviews und Briefe

healthy, some less healthy. And I do not think America has quite caught up yet. I do not know if America has a coherent Europe strategy, and when I look at Russia today, Putin just delivered his blistering Cold War speech in Munich at the »Sicherheitskonferenz«, I do not think that the United States have a coherent strategy to Russia today as well. We have policies, because everybody has policies, and we do have policies with Russia on trade, we deal with Russia on counter terrorism, and we talked with Putin about free media and NGOs, but I do not know if we have a coherent, well-developed, handsome strategy. I would say, in that case, the United States are still playing a game of catch up. J.K.: How do you define the most important elements of a speech that has the effect the orator wants to achieve in general? J.G.: First, you have to know the audience. So, if it is East Germans in December 1989 in Dresden, that is very different from another time, another place. Second, I think symbols and gestures are very important. The staging is also important, which suit are you wearing, is it morning or is it night? Do you have a crowd of thousands, are they young people, or are they older people? Symbols, gestures, and the scene are very important. This is not about speech making, but I read an interesting column in the Financial Times about a year ago in which the author said that we lived in an era where gestures make politics. And he said: »Take this example: There is a Tsunami, and Tony Blair just does not go there. The British public and the British media criticise him ruthlessly since he was too heartless, he was insensitive, he was too slow.« But then the author said that Tony Blair arranged immediately that Britain gave more money than any other country. So the author stated that the power of gesture was even more important than the money. What people were saying was that Blair needed to go there and have a picture shown on television or in newspapers. It was not good enough that he was at home working on his phone calling people, emailing people, creating money, that was not the substance: People wanted to see the gesture, they wanted him to take the time, go, and kiss a baby. Maybe it is okay, maybe he should have gone and kissed a baby. Symbols are important, gestures are important, knowing your audience is important. I think that political speech is always important to be magnanimous towards your opponents. Maybe it should not be magnanimous to your enemies – you do not have to give a political speech and say something nice about the political regime in North Korea. But if it is a political opponent like on the left or the right

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it is always good when you look generous and a little bit patient but not mean and overly aggressive. Remember the ten-points plan. Kohl gave ten points, that is fine. I would suggest that a lot of political were the shorter the better. People do not remember ten points. Of course they were important, and he did it, I do not want to criticise this great and famous speech, but I guess if I were a politician giving a speech I would say »and there are three things I want you to remember today.« Because then at the coffee machine, the dinner tonight, or in the kitchen tomorrow people will remember three or maybe two points – but they will never remember ten, eight, seven, or six. It seems to me effectively in political speeches that even the serious ones make some room for charming humour. Certainly not all of them, but some. I remember Tony Blair coming to the United States at the beginning of the Iraq war, and he gave a speech to the joint session of the congress. It was a very serious time, a big serious speech, and there was tension in the room. He spoke to the joint session of the U.S. congress, the House and the Senate, and when he walked over there with the Senate speaker he walked by the Library of Congress. The leader of the Senate said that this is what the British burnt down in the 19th century. And Blair said with humour and lightness in front of the joint session: »Sorry about that!« Everybody laughed – it was unbelievable! So, not always but sometimes in a serious speech a little bit of charm and a little bit of humour, when you have another side of dimension, people notice that the speaker is human also. There are different people, and there are different speeches. I do not know if there is »one size fits all.« If there were, we had that in a book, and every speechmaker would be brilliant. But I think these aspects are important: Know your audience, be sensitive to gestures and symbols, when possible include a little bit of humour and charm. If you want people to do something then do not give them a long list but give them a short list that they can repeat to their family, their friends, or someone else. And there is one more: People like human stories. I interviewed Helmut Kohl for a television documentary. He was so effective because everything was personal again. I interviewed him in 1995, five years after unification. If I said how are things going in Eastern Germany one politician would say : »Lieber Herr Gedmin…« and then would talk about the economy, unemployment, inflation, which is all important by the way. But Kohl did not start that way. He said: »Mr. Gedmin, I was in Erfurt last week, and I stopped in the front of a bakery. A young woman, 25 years old, came out, and she said: ›Mr. chancellor, I am so happy, for the first time in my life, we can dream to travel, we can read – look at what I am reading, a novel!‹« Kohl told me that she had got little tears in her eyes, and this young woman went on: »I know that it does not mean that my life will be perfect,

464

Interviews und Briefe

but now it is my life and not someone else’s life.« So, Helmut Kohl would just tell it through a person and a story. A great speech is not always about facts and statistics. It has to have strong human dimensions, so that people like you and me and our families can relate to it and identify with it. That makes a speech inspiring. No one is inspiring by low unemployment. That is a figure. But people are inspired by a guy. When Helmut Kohl would say : »I met a guy, he did not have a job for five years, but he has a job now. I talked to him for an hour«, then you are listening. But if he said unemployment went from fifteen to thirteen percent, then what does it mean? Do you know what it means? I do not know what it means! Certainly, it is good, but how good for whom? Personalising is another element. Of course, people are not dumb. Those personal stories have to be genuine and sincere. It happens pretty quickly that they may appear cynical and manipulative. By the way, a very powerful gesture or symbol: During one of George W. Bush’s State of the Union speeches everybody cried. This happened one or two years ago, it was a State of the Union address in January, the subject was Iraq, and Bush had a real stage – an »Inszenierung« – but honest and real: He had an Iraqi woman, politician, or NGO leader and an American woman who had lost her son in Iraq, they were sitting together, and they hugged each other. People noticed that they were fighting for the same thing. That American woman had offered the ultimate sacrifice, her own son, and the Iraqi woman was saying thank you for helping them, thousands of miles away. Some people would say how cynical and manipulative this staging was, but staging a speech is staged. It is orchestrated, it is thought through, and it is not lying. Lying is something different. If you do not believe in it, it is very very bad. If Helmut Kohl tells the story about the East German woman but he does not believe in it, and he is being cynic, that is bad. But if he really believes in it, he should tell her story. J.K.: Dr. Gedmin, thank you for the interview.

Anmerkung zur Person: Dr. Jeffrey Gedmin, Jahrgang 1958, ist Geschäftsführer des Legatum Institutes London sowie ehemaliger Direktor des Radio Free Europe / Radio Liberty und ehemaliger Direktor des Aspen-Instituts Deutschland.

Brief von Jutta Oesterle-Schwerin, 5. Februar 2009

6.5

Brief von Jutta Oesterle-Schwerin, 5. Februar 2009

465

466

Interviews und Briefe

Brief von Wolfgang Lüder, 3. Februar 2009

6.6

Brief von Wolfgang Lüder, 3. Februar 2009

467

468

6.7

Interviews und Briefe

Brief von Dr. Hans-Jochen Vogel, Januar 2009

Brief von Dr. Werner Hill, 23. Dezember 2006

6.8

Brief von Dr. Werner Hill, 23. Dezember 2006

469

470

Interviews und Briefe

Brief von Dr. Werner Hill, 23. Dezember 2006

471

7 Verzeichnisse

7.1

Abbildungsverzeichnis

Abbildung

Titel

Abbildung 1

Erwartungsmodell zur 47 Erfassung von Redewirkungen Allgemeiner Rhetorischer Zirkel 65

Abbildung 2 Abbildung 3 Abbildung 4 Abbildung 5 Abbildung 6 Abbildung 7 Abbildung 8

Abbildung 9

Allgemeines wirkungsästhetisches Redemodell Gutschein für den Tagestreff für alleinstehende Wohnsitzlose in Uelzen Skizze zum Ablauf einer Rhetorischen Diskursanalyse Markige Worte aus Wahlreden, Der Liberale Bundestagspräsident Dr. Philipp Jenninger mit Prof. Dr. h.c. Ida Ehre Fernsehsendung Harald Schmidt vom 21. 09. 2006

Seite Nachweis

105 107

Jan C. L. König, 2010; in Anlehnung an Gert Otto (1978) Jan C. L. König, 2010; in Anlehnung an Horst Turk (1976) Ev.-luth. Kirchengemeinde Uelzen, 2006

126

Jan C. L. König, 2010

130

Zeichnung von Fritz Koch-Gotha (1923) Fotografie, Bundesregierung/ Lothar Schaack (1988)

158 215

Willy Birgel als »Doktor« Ferrer 235 in Max Frischs Andorra

Abbildung 10 Die stärkste Waffe eines Menschen ist seine Stimme

Jan C. L. König, 2010

255

Abbildung 11 Helmut Kohl während seiner 260 Rede vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche am 19. 12. 1989

Fotografie, Archivmaterial des Internetauftritts Harald Schmidts http://www.haraldschmidt.tv (2006) Standbild, Aufführung vom 1964 am Schauspielhaus Zürich unter der Regie von Kurt Hirschfeld, 1Plus (07. 05. 1992) Werbeplakat der Bildzeitung im Januar 2007, Motiv Nr. 4, AxelSpringer-Verlag (2007) Fotografie, Barbara Klemm Frankfurt am Main (1989)

474 Abbildung

Verzeichnisse

Titel

Seite Nachweis

Abbildung 12 Don Karlos, 3r Act. 10r Auftritt.

280

Abbildung 13 Titelblatt der Hamburger Morgenpost vom 25. 05. 1999 Abbildung14 Gerhard Schröder während seiner Fernsehansprache im ARD-Brennpunkt am 24. März 1999 Abbildung 15 Forum, Leichenrede des Antonius

298

Abbildung 16 Marlon Brando als Marc Anton in William Shakespeare’s Julius Caesar Abbildung 17 Zeichnung aus Maler Klecksel von Wilhelm Busch

312

338

357 372

Kupferstich von Johann Heinrich Ramberg aus dem Jahr 1810, Ramberg (1948) Hamburger Morgenpost (25. 03. 1999) Standbild, Schröder (24. 03. 1999) Skizze von Ernst Stern für eine Inszenierung von Shakespeares Julius Caesar am Großen Schauspielhaus Berlin im Jahr 1920 unter der Regie von Max Reinhardt, Hammerschmidt-Hummel (2003) Standbild, Mankiewicz (1953) Zeichnung, Busch (2008)

475

Abkürzungsverzeichnis antiker Literatur

7.2

Abkürzungsverzeichnis antiker Literatur

Siglum

Autor

(Lateinischer) Werktitel

(zusätzlicher) deutscher Titel

apomn.

Xenophon

Erinnerungen an Sokrates

Att. Brut. contr.

Cicero Cicero Seneca der Ältere/Seneca der Rhetor Cicero PseudoLonginos Tacitus

Apomnemon¤umata Sokrtus/ Memorabilia Socratis Epistulae ad Atticum Brutus Controversiae

Kontroversen

De oratore De sublimitate

Über den Redner Vom Erhabenen

Dialogus de oratoribus Epistulae morales ad Lucilium Gorgias [Fragment 11]

Dialog über den Redner Briefe an Lucilius

de orat. de sublimi. dial. epist.

inst.

Seneca der Jüngere Platon Gorgias von Leontinoi Cassius Dio Historia Romana Polybios Historiae Olympiodoros In Platonis Gorgiam commentaria Quintilian Institutio oratoria

inv. Iul.

Cicero Sueton

De inventione Divus Iulius

Olymp.

Gorgias von Leontinoi Cicero

[Fragment 7 – 8a]

Gorg. Hel. hist. Rom. historiae in Grg.

opt. gen. orat. Pal.

Phaid. Phaidr. Phil.

Cicero Gorgias von Leontinoi Eumenius (u. a.) Platon Platon Cicero

Pol. pol. rhet.

Platon Aristoteles Aristoteles

paneg.

De optimo genere oratorum Orator [Fragment 11a] Panegyrici latini Phaidon Phaidros In M. Antonium orationes Philippicae Politeia Politica Ars rhetorica

Briefe an Atticus

Lobpreis der Helena Römische Geschichte Geschichte Ausbildung des Redners Über die Auffindung Leben des Gaius Iulius Caesar Olympische Rede

Über die beste Gattung von Rednern Der Redner Verteidigung des Palamedes (Zwölf lateinische Reden) Philippische Reden Der Staat Politik Rhetorik

476 Siglum

Verzeichnisse

Autor

rhet. Her.

(Lateinischer) Werktitel

(zusätzlicher) deutscher Titel

Rhetorica ad Herennium/Ad Herennium Rhomaik¤/Historia Pro P. Sestio Vita sophistarum symposium

Rhetorik an Herennius

Rom. Sest. soph. symp. Thuk.

Appian Cicero Philostrat Platon Thukydides

top. vitae (in dieser Arbeit ist dem Siglum die jeweilige Biographie nachgestellt) Od. Il.

Aristoteles Plutarch

Topica Vitae parallelae

Homer Homer

Odyssea Ilias

Römische Geschichte Für Publius Sestius Leben der Sophisten Das Gastmahl Der Peloponnesische Krieg Topik Parallele Lebensbeschreibungen Odyssee

Die für diese Arbeit gewählten Abkürzungen orientieren sich an den Angaben und Schreibweisen in Der Neue Pauly (Landfester 2007), Thesaurus linguae Latinae, Index (1990) sowie A Greek-English Lexicon (Liddell/Scott 1992).

477

Verzeichnis abgekürzter Medientitel

7.3

Abkürzungsverzeichnis neuerer Literatur

Siglum Werktitel

Autor/Herausgeber

Cor.

Coriolan

HLR JC

Handbuch der literarischen Rhetorik Julius Caesar

JGB

Jenseits von Gut und Böse

PU

Philosophische Untersuchungen

RE

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft

William Shakespeare Heinrich Lausberg William Shakespeare Friedrich Nietzsche Ludwig Wittgenstein Konrat Ziegler

7.4

Verzeichnis abgekürzter Medientitel

Siglum

Ausgeschriebener Titel

Abendblatt ARD

Hamburger Abendblatt Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Allgemeine Zeitung für Stadt und Kreis Uelzen Bildzeitung Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Rundschau Hannoversche Allgemeine Zeitung Hamburger Morgenpost Norddeutscher Rundfunk Süddeutsche Zeitung Die Tageszeitung Westdeutscher Rundfunk Zweites Deutsches Fernsehen

AZ Bild FAS FAZ FR HAZ MoPo NDR SZ taz WDR ZDF

8 Bibliographie

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Politische Sprache und Kommunikation

Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 2011, Heft 58,3: Sprache in der Politik Aktuelle Ansätze und Entwicklungen der politolinguistischen Forschung Hg. von Christine Domke und Jörg Kilian ISSN 0418-9426 Die linguistische Erforschung politischer Sprache und Kommunikation hat seit der Etablierung der Politolinguistik als wissenschaftliche Disziplin im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts unterschiedliche theoretische und methodische Wege eingeschlagen. Die Gegenstände, Erkenntnisinteressen und Fragestellungen lassen sich gleichwohl grundsätzlich zwei Sprachbeschreibungsebenen zuordnen: einer lexikalisch-semantischen mit dem Ziel, politischen Wortschatz und Wortgebrauch zu analysieren, sowie einer kommunikativ-pragmatischen mit dem Ziel, politische Kommunikation und ihre Formen zu untersuchen. Das Heft spannt den Bogen von den klassischen politolinguistischen Sprachbeschreibungsebenen bis hin zu der semiotischen und medialen Vielfalt von Wort und Text im Diskurs. Heftpreis: € 14,90 D / € 15,40 A / SFr 26,90 im Jahresabonnement: € 48,00 D / € 49,40 S / SFr 78,00 (inkl. Zugang zur elektronischen Zeitschrift)

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