Über den Religionsunterricht auf Gymnasien: Ein pädagogischer Versuch [Reprint 2020 ed.] 9783111467177, 9783111100296

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Über den Religionsunterricht auf Gymnasien: Ein pädagogischer Versuch [Reprint 2020 ed.]
 9783111467177, 9783111100296

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Ueber

den Religionsunterricht auf

G y m n a s i e n.

Ein pädagogischer Versuch von

Dr. Reinhold E- §. Bobertag, ordentlichem Lehrer am KLnkglkchen Gymnasium in Drkeg.

Berlin, 1828. Gedruckt und verlegt bei G. Reimer.

Seiner Hochwohlgeboren dem

Herrn Dr. Johann Schulze, Königlich Preußischem Geheimen Obcr-Regicrungsrathe und Ritter des rothen Adlerordens.

Hochmohlgeborner Herr,

Hochverehrter Herr Geheimer Ober-RegierungsRath und Ritter!

von der Ueberzeugung, daß die Bildung im evangelisch-christlichen Glauben die leitende Idee deS erhabenen von so großen Erfolgen begleiteten Wirkens Euer Hochwohlgeboren für die Zugendbildung ist, wage ich es, Hochdcnensclben einen Versuch, diese Idee zur weiteren und bestimmteren Anerkennung zu bringen, mit dieser Schrift ehrerbietigst zuzueignen. Euer Hochwohl­ geboren kann ich dieselbe zwar nur mit der Bitte um gütige Nachsicht für ihre Unvollkommenheit und nur als schwachen Beweis meiner innigen Verehrung, aber doch mit dem Bewußtsein überreichen, die Wahrheit mit al­ ler Kraft und in aller Reinheit gesucht zu haben. Her­ vorgegangen aus einem Verhältnisse, welches meine wis­ senschaftliche Thätigkeit durch eine vielleicht nie wieder­ kehrende Muße begünstigte, gewährt mir diese Abhand­ lung den angemessensten Ausdruck des Dankes für Euer Hochwohlgeboren liebevolle Theilnahme an meiner Lauf­ bahn, welche mir mit dieser Muße die Zeit zu ihrer Ausarbeitung gab. Möge, waS ich in dieser Zeit voll­ brachte, Hochdenenselben der Unterstützung würdig er­ scheinen, deren ich mich erfreute, und möge cs, wie un-

vollkommen auch im Einzelnen, doch im Allgemeinen

zur immer glücklichern Lösung der höchsten. Aufgabe al­

ler Erziehung beitragen: den jugendlichen Geist auf das Eine Nothwendige hknzurichten. Möge der Ällgütige diesen wie jeden andern Zweig der Jugendbildung sei­ ner Vollendung immer näher führen, und Euer Hoch­ wohlgeboren noch lange in ausgebreiteter und segensrei­

cher Wirksamkeit dafür erhalten. Mit tiefer Verehrung und Dankbarkeit

Euer Hochwohlgeboren

Brieg

gehorsamster

am zweiten Ostertage

R. Bobertag.

1828.

Uebersicht. NUlgemeine Einleitung.

Erster Abschnitt. 1. §.2.

§. 3. §. 4.

Einleitung.



.

Seite L

.

Der Religionsunterricht. ......



23

Der Unterricht.

33

Ergebniß in Beziehung auf den Reli­

gionsunterricht.......................................................... — §. 5.

48

Die Mittheilung der Frömmigkeit in Hinsicht auf

daö Objekt............................................................................. —

§. 6.

22

Die Religion....................................................—

61

Die'Mittheilung der Frömmigkeit in Hinsicht auf

das Subjekt. ................................................... — 67 §. 7. Die Mittheilung der Frömmigkeit begränzt durch die Empfänglichkeit des Objekts. §. 8.

Die

Mittheilung der

christlichen

.

.



überhaupt............................................................................... —

§. 9.

74

Frömmigkeit 85

Die Mittheilung der christlichen Frömmigkeit in

Hinsicht auf das Objekt.................................................... —

96

§. 10. Die Mittheilung der christlichen Frömmigkeit vom Subjekte aus betrachtet

§. 11«

stimmt durch die Empfänglichkeit des Objekts.

§. 12.

—. ng

Die Mittheilung der christlichen Frömmigkeit be­ — 129

Allgemeines Ergebniß über den Un­

terricht tm christlichen Glauben,

_ 136

VlU

Zweiter Abschnitt. §.13.

Das Gymnasium. ..... Seite 139

Einleitung.

§. 14. Das Gymnasium in Beziehung auf die Entwikkelungsstufe des Schülers im Allgemeinen. — 141

§. 15.

Das Gymnasium in Beziehung auf das Talent des Schülers. ............................................... — 144

§. 16. Das Gymnasium in Beziehung auf die Entwikkelungsstufe des Talents des Schülers. ♦ — 149

Dritter Abschnitt.

Oer Unterricht im christ­

lichen Glauben auf dem Gymnasium. §.17.

Einleitung.............................................. —159

§. 18.

Der Katechumenen - Unterricht als wesentliches

Element der Gymnasialbildung. ... — 162 §. 19. Der Unterricht für Konsirmirte als wesentli­ ches Element der Gymnasialbildung. . . — 165 §. 20. Das Eigenthümliche des Unterrichts im christlich en Glauben auf dem Gymna­ sium im Allgemeinen. . . . —163 §. 21.

Das Eigenthümliche des Katechumenen-Unter­

richts auf Gymnasien............................................ — 175 22. Das Eigenthümliche des Unterrichts für Konfirmirte auf Gymnasien......................................... — 180

§. 23.

Schluß.













— 198

Allge-

Allgemeine Einleitung 3§on allen Gegenständen des öffentlichen Unterrichts se­

hen 'wir keinen so allgemein

in den Lehrplan sowohl

der hohem als niedern Bildungsanstalten ausgenommen, als diejenigen Kenntnisse, welche sich unmittelbar auf den

christlichen Glauben beziehen.

Wenn nun kein Gebiet

des menschlichen Wissens Theil des Unterrichts auf einer

Bildungsanstalt sein soll, außer in wiefern es mit dem

Zweck derselben, als seinem Ganzen zusammenstimmt, so

ergiebt sich schon aus dieser Bemerkung, wie mannigfaltig die Aufgabe des Religionsunterrichts sei, und, auf

wie mannigfaltige Weise sie gelöst werden könne.

Wie

Elementarschulen, Seminarien, Gymnasien, Universitäten

ihrem Zwecke nach verschieden sind, eben so mannigfal­ tige Modifikationen muß auch der Religionsunterricht zu­

lassen, wenn man Recht hat, diesen auf dcti genannten Anstalten zu ertheilen.

Hiernach muß es schon an und für

sich betrachtet, als eine schwierige Aufgabe erscheinen, den

Religionsunterricht

auf einer bestimmten Gattung von

Bildnngsanstaltcn zu bestimmen.

Denn, je umfassender

bet allgemeine Begriff des Religionsunterrichts ist, und

je mehr Arten desselben möglich sind, desto größer ist, soll

Vobertag ReliaionSuvterrlchk.

A

2 man eine davon hcrvorheben, die Gefahr, die richtige zu Gehen wir aber darauf zurück, daß, wie weit

verfehlen.

auch der Begriff des Religionsunterrichts sey, es doch auf

keine Weise möglich ist, eine besondere Gestaltung dessen

ben zu bestimmen,

ohne vorher den allgemeinen Begriff

festgesetzt zu haben,

so sehen

Schwierigkeiten unserer Aufgabe.

wir bald noch größere

Denn, daß der Reli­

gionsunterricht im Allgemeinen auf keine Weise bestimmt werden könne, ohne, daß vorher der Begriff der Religion hell und rein fcststeht, kann' Niemand in Abrede sein.

Mit diesem Begriff aber kommen wir in ein Gebiet des

Streits, dessen Unbegrenztheit Schlciermacher gewiß eben so wahr als stark bezeichnet, indem er, nm die Unbe­

stimmtheit im Gebrauche des Wortes Religion zu zeigen,

Angusti und Zwingli citirt, keinen ausschließcnd, dessen Name

in

fällt *).

der

alphabetischen Ordnung

zwischen beide

Da cs aber nicht unsere Aufgabe ist, den Reli­

gionsunterricht im Allgemeinen zu beschreiben, sondern

den Religionsunterricht ans einer bestimmten Gattung von Anstalten, so könnten wir von dieser als von der be­ kannten Größe ausgehend, zuerst bestimmen, worin das Wesen des Gyinnasialunterrichts bestehe, dann aber'se-

hcn,

was demnach überall Gymnasialreligionsnntcrricht

sein könne.

Aber, wie rege anch in neuerer Zeit das In­

teresse am Eymnasialuntcrricht sein mag, wie lebhaft sich dasselbe» auch in Schriften wie in der Thätigkeit der Be­ hörden ausspricht, so sind wir doch eben deßwegen, weil der Streit darüber erst jetzt recht lebhaft angeregt wird,

nicht im Stande, eine Bestiinmung der Idee des Gym­

nasiums als allgemein zngcstandcn nachzuwcisen.

*) Schlcierme.chers Christlicher Glaube.

Theil 1.

Denn

Se. 18.

bei den häufigen Klagen über den gegenwärtigen Zustand unserer Gymnasien läßt sich zwar als allgemein zugestan, den voraussetzcn, daß sie ihrer Idee nicht ganz entsprechen:

wenn aber der Eine dieses, der Andere das Entgegengesetzte vermißt,

so zeigt dieß eine Verschiedenheit in der Theo,

rie, von deren weitem Umfange eine kurze Vergleichung der neuern pädagogischen Schriften eine sichere Ueberzeugung gewährt *).

Noch weniger aber läßt sich aus der gegen,

wattigen Praxis ein von allen anerkannter Begriff des

Gymnasiums ableitcn, da die Erweiterung oder Bcschräru kung desselben noch oft mehr von äußern Umständen alS

vom

Zwcckbegriffe des

hangt,

Gymnasialunterrichts

selbst ab,

wodurch nun auch, wenn dec Begriff des Reli,

gionsunterrichts im Allgemeinen gegeben wäre, die Auf, findung der für das Gymnasium gehörigen Art desselben

sehr erschwert

wäre,

so daß keine Sicherheit zu sein

scheint, nicht entweder unter, über, oder neben den Ort

greifend, welchen das Gymnasium einnimmt, das Ziel zu

verfehlen, welches wir suchen. In einer solchen Lage der Dinge kautt cs nicht die

Absicht der vorliegenden Untersuchung sein, das Problem gänzlich zu lösen und jeden Stein des Anstoßes hinweg, zuräumen.

Wie aber die anfgedcckten Schwierigkeiten

einerseits dieß Gcständniß rechtfertigen, eben so bestimmt deuten sie schon die Art und Weise an, auf welche die

Aufgabe am leichtesten gelöst werden kann und die Gren, zcn, innerhalb deren sich die Lösung derselben halten muß. Treten wir der Sache näher, so scheint zunächst klar,

daß in dem allgemeinen Begriffe richts

der des

des Gymnasialunter,

Gymnasialreligionsunterrichts

•) Man sehe Hallesche Literaturzeitung.

mit ent.

Februar 1825.

A 2

4 halten sein müßte, nnd wir daher nur jenen zu bestim­ um diesen zu finden, wenn überhaupt die

men hatten,

Religion ans gleiche Weise Gegenstand des Unterrichts sein könnte, als alles Andere, was auf Gymnasien gelehrt

wird.

Ist dieses aber nicht,

so ist auch nothwendiger

Weise der Religionsnnterricht seinem Wesen nach von jedem andern verschieden, und der Begriff des Gymnasial­

religionsunterrichts kann so wenig ans dem des Gymna-

sialnnterrichts abgeleitet werden, als der des Religions­

unterrichts aus dem des Unterrichts in allen übrigen Ge­ genständen desselben.

Nun sind Sprachen, Geschichte,

Mathematik, Physik, als die Gegenstände des Unterrichts auf Gymnasien,

Wissens.

verschiedene Zweige des menschlichen

Daß aber die Religion ejn Gebiet des Wis­

sens sei, ist zwar so viel mir bekannt ist, nie mit Be­ stimmtheit behauptet worden;

doch ist jede Bestimmung

der Religion, welche sich davon zu entfernen suchte, im,

mer angefochten worden.

Darum können wir zumal in

unserer Zeit die Frage, ob die Religion ein Wissen und

darnach eben der Religionsunterricht ans gleiche Weife

Unterricht sei,

betrachten.

wie jeder andere nicht anders als streitig

Deßhalb würden wir, wenn wir vom Gym-

nasialuntcrrichte ausgehend,

den Religionsunterricht als

eine Art desselben fänden, gar keine Sicherheit haben,

den Begriff des Gymnasialunterrichts nicht zur Unze, bühr erweitert zu haben, oder wir würden ihn nicht fin­ den, und die ganze Untersuchung würde vergeblich seyn.

Darum scheint nun, nm nicht ganz im Ungewissen zu bleiben, kein anderes Verfahren znläßig, als, daß wir zu­

erst, was der Religionsunterricht an und für sich betrach­ tet sei,

und ganz abgesehen von dem Begriff des Gym­

nasialunterrichts, dann aber auch diesen für sich untcrsu-

chen, um zu sehen, welche von den verschiedenen Arten des Religionsunterrichts dem Gymnasium eigne.

Da wir

cs aber als streitig ansehen, ob der Religionsunterricht in gleichem Sinne Unterricht sei, wie jeder andere, oder, ob

wir, nm die Aufgabe desselben zu bestimmen, noch auf einen höher» Begriff zurückgchen müssen, so wird cs auch nicht genügen,

nur den Gymnasialuntcrricht an sich,

im strengen Sinne des Wortes zu bestimmen, sondern wir werden, was das Gymnasium in Beziehung auf die gesammte Entwikkelung

aller geistigen, Funktionen sein

soll, zu betrachten haben, und dann Beides, den Begriff des Religionsunterrichts überhaupt und den des Gym«

nasinms überhaupt znsammenhaltend, sehen, wie sich beide

gegen einander verhalten.

Wie unerläßlich nun aber auch hiernach die zweifa, che Untersuchung über den Religionsunterricht und über

das Gymnasium erscheint, che wir zur eigentlichen £5, sung unserer Aufgabe übergehen können, so können wir

doch von denjenigen auf keine Weise die Zustimmung zu

unserm Verfahren hoffen, denen ihre sogenannte Ersah, rung die Richtschnur nicht nur zu allem Handeln, son, lern auch zu allem Urtheilen ist.

Diese müssen natürlich

alles, was wir über den Religionsunterricht und das Gymnasium voranstellcn wollen, für ein

übcrflüßiges

Rüstzeug und, in wie fern wir darüber nichts werden be,

Häupten können, als was sich uns aus dem Begriff der Religion und der Entwikkelung des menschlichen Geistes

crgicbt, für leere Theorie halten, die zu abstrakt ist, um

sich mit ihrer gepriesenen Praxis vereinigen zn lassen. Sie werden uns vor Allem, da man doch im gemeinen

Leben nicht leicht ein Gymnasium mit einer Universität oder einer Elementarschule verwechselt, den guten Rath

6 geben, «ns an die gewöhnlichen Gegenstände der Gym, naflalbildung haltend, einen allgemeinen Rahmen zu su,

chen, in welchen das Alles einzupassen wäre, und daraus

den

ten.

Begriff

des

Gymnasialreligionsunterrichts

abzulek

Nun ist zwar offenbar, daß wir auf unserm Wege

ein Gebiet betreten, was mit den Prinzipien der Philo, sophie immer noch streitig seyn muß:

und ein Versuch

dieser Art sich immer nur den Beifall der Wenigen ver,

sprechen kann, die über die Voraussetzungen einverstanden sind.

Nichts desto weniger aber müssen wir jenen guten

Rath ganz von der Hand weisen; denn darnach würden

wir entweder ein

gegebenes Gymnasium in das Auge

fassend, um den Begriff des Gymnasiums in Beziehung

auf alle Gegenstände des Unterrichts zu bestimmen, weil auf dem einen Gymnasium Manches gelehrt wird, was von dem Lehrplan eines andern ausgeschlossen ist, den

Religionsunterricht nur für dieses Gymnasium bestimmen.

Oder wir würden von den möglichen

Differenzen der

Gymnasien absehend, aus demselben Grunde den Begriff

des Gymnasiums so unbestimmt halten müssen,

daß er

«ns nicht genügte, um einen einzelnen Theil des Gym, nasialunterrichts wie den Religionsunterricht daraus ab.-

zulciten.

Wohl sind wir überzeugt, daß wir auf jenem

Wege etwas Biel, Praktischeres geben würden, als wenn

wir auf wissenschaftliche Weise zu Werke gehen; aber wir wissen auch, daß dieser edle Name für alles dasjenige ge, mißbraucht wird,

was in der unmittelbaren Erfahrung

stehen bleibt, und eben deßhalb eben so bequem zu denken als ausznführen ist.

Dem Einwurfe aber, daß wir aus

unserm Wege auf eine Theorie des Religionsunterrichts

auf Gymnasien stoßen können,

deren Anwendung eine»

vollkommnern Zustand der Gymnasien,

als den jetzigen

Tf vorausseht, muß die Bemerkung reichlich das Gleichge, wicht halten, daß eine ans dem gewöhnlichen Brauch ab­ geleitete Theorie auch nur dienen könnte, denselben im-

lnermchr festzuhaltcn, wogegen eine Ableitung ans der

Idee dienen kann, die vorhandenen Gymnasien derselben

näher zu bringen.

Um aber dazu beizutragen, müssen

wir uns von Anfang an ans den Hellen Ort der Idee zu

stellen suchen, und eben damit alle Einwürfe znrückwcisend, die uns von einer verworrenen Praxis ans ent,

stehen könnten, allen denjenigen Lebewohl sagen, die un­

ter dem Vorwande einer gemeinnützigen Rücksicht auf das

Praktische ihre Unfähigkeit in wissenschaftliche Untersuchun­

gen kinzugchen, zu verbergen suchen. Wenn nun hiernach einleuchtct, daß die allerdings

nicht geringen Schwierigkeiten unserer Aufgabe, uns doch von dem eben cntwikkelten Gange der Untersuchung nicht

abhaltcn können, so haben wir nur noch die bisherige Weise, unsern Gegenstand zu behandeln, zu betrachten,

rhe wir zur Sache selbst gehen, um weder denjenigen, die uns folgen wollen , den Verdacht einer an Anmaßung grenzenden Zuversicht zu geben, noch dem Verdachte Vor­

schub zu leisten, als wollten wir nichts als eitle Hirnge«

spinnste hinstellcn, die mit einer auf Praxis gegründeten

Wenn

wir

nämlich gleich keincswegcS in Abrede sein wollen,

daß

Erfahrung keine Vergleichung

aushalten.

alle allgemeinen Bestimmungen über jede Praxis durch die Individualität des Ausübenden

mannigfaltige

auf

rein theoretischem Wege nicht zu findende Modifikationen erleiden, so können wir doch, so gewiß als die Möglich,

keit der Pädagogik zugcstandcn ist, auch als zngcstanden ansehen, daß jede pädagogische Praxis auf allgemeinen,

nur auf theoretische Weise zu findenden Regeln beruht.

s Diese anfsuchcn zu wollen, kann nur dann als überflüßi, ges Unternehmen erscheinen,

wenn der zu behandelnde

Gegenstand zn offenbar vorlicgt, nm überhaupt im Allge­ meinen ein Gegenstand des Streits sein zu können,

al­

les Streitige darüber hingegen ganz auf dem Gebiete des Individuellen liegt.

Daß nnn der Gymnasialreligions­

unterricht bis jetzt noch nicht zu dieser Klarheit gebracht worden ist, und der Streit darüber weit entfernt, nur auf

dem Gebiete der Modifikabilität nach der Individualität des jedesmaligen Lehrers zu

liegen,

vielmehr noch die

allgemeinsten Regeln darüber betrifft, er also noch rein

theoretischer Behandlung nicht nur fähig ist,

sondern be­

darf, dieß scheint aus einer kurzen Vergleichung der ge­

genwärtigen Praxis in demselben hervorzugehcn, als de, ren Repräsentanten wir die drei neusten Lehrbücher der

Religion für Gymnasien ansehen können *).

Denn Nie­

meyer macht vier ziemlich gleiche Haupttheile, von welchen der erste eine Einleitung in die biblischen Bücher enthält, der zweite

einen Entwurf der Neligionsgeschichte,

der

nichtchristlichen sowohl, als der christlichen, der dritte eine

Rcligionslehre,

und

der letzte endlich eine Sittenlehre,

*) Lehrbuch der Religion für die obern Klaffen in Gelehr­ ten-Schulen vou Dr. August Hermann Riemeyer, Auflage.

Ctc

Halle und Berlin, 1811.

Lehrbuch des christlichen Glaubens und Lebens zum Ge­

brauch für die obern Klaffen in Gymnasien und für die

reifere Lügend überhaupt von Dr. Philipp Marhcineke. Berlin, 1823.

Lehrbuch der Religion und der Geschichte der christlichen

Kirche für die obern Klassen von Gymnasien und der ge­ bildeten Stände überhaupt von Dr. Brettschneider. tha, 1824.

Go­

beide nach Len Grundsätzen der Vernunft tinb des Chr!/

stenthums. Bei Marheineke bildet der eine dieser vier Theile, nämlich die Lehre des christlichen Glaubens den

eigentlichen Inhalt des Lehrbuchs, so daß der vierte von

Niemeyers Lehrbuch mit in denselben hineingezogen wird,

der Inhalt des ersten und zweiten aber als kirchenge, schichtliche und biblische Einleitung zwar ebenfalls voran,

geht, j'edoch in nmgckchrter Ordnung und mit dem Un, tcrschicde, daß die nichtchristlichcn Religionen gar nicht erwähnt werden, und daneben eine symbolische Einlei,

tung als eben so bedeutender Theil des Ganzen erscheint. Bei Brettschncider endlich wird Niemeyers dritter und vierter Theil zwar auch in

einen

zusammen gezogen,

aber macht nur den sechsten Theil des Ganzen aus,

dem nicht wie bei Marheineke die Lehre von der Schrift

und den Symbolen als Einleitung vorangeht, die hier an

andern Orten behandelt wird.

Die Geschichte der

christlichen Kirche aber, die bei Niemeyer und Marheineke

der eigentlichen Lehre vorangcht, bildet hier den Schluß des Ganzen, welche Abweichung

um desto bedeutender

erscheint, je wichtiger in der Pädagogik eine angemessene Ordnung ist.

Daß nun bei Brettschncider der grossen,

barten Religionslehre eine Vorbereitung zur Philosoph!,

scheu, dann diese selbst, dann die Lehre von der Erziehung des menschlichen Geschlechts durch Gott oder von der gött,

kichen Offenbarung in drei Abtheilungen vorangcht, und

die Lehre von der christlichen Kirche »nd ihren Anstalten in der fünften Abtheilung folgt, hat freilich, wenn wir

ihn mit Marheineke vergleichen,

in einem Unterschiede

der Lehre seinen Grund, der als ein theologischer streng

genommen schon außerhalb des Gebietes unserer Unters», chung liegt.

Mit Niemeyers Lehrbuch verglichen beweiset

10 er aber so deutlich wie alles Bisherige das Streitige auch

der allgemeinsten Regeln über den GymnasialreligionS, Unterricht.

Wie aber hieraus im Allgemeinen die Nothwem digkeit der theoretischen Behandlung unsers Gegenstand des hervorgeht, eben so scheint sich auch das angegebene

Verfahren durch die nähere Betrachtung der Mängel, die

jedes der angeführten Lehrbücher für sich hat, insofern zu rechtfertigen, als sie überwiegend ans der Nichtbeachtung

der Gymnasien oder des Religionsunterrichts hcrvorgcgan/ gen sind. Eine vollständige Theorie des Religionsunter, richts auf Gymnasien finden wir nur bei Niemeyer, we, nigstcns ist uns nur diese bekannt geworden.

aber finden wir die Theorie auch zwiefach *).

Bei tiefem,

Um nun

mit seiner Pädagogik anznfangen, wo wir die Theorie des Religions - Unterrichts

im Zusammenhänge finden, so

nimmt er, nachdem er den Religionsunterricht im Allge, meinen bestimmt hat, §. los — 111, bei der Einthen lnng desselben in verschiedene Stufen, h. 112 und der nähern Bestimmung derselben,

Bedürfnisse

§. 113 — 114 auf die

der Schüler Rücksicht,

und

giebt

nach

Maßgabe der Verschiedenheit ihrer Bildung, besonders in Beziehung auf die höhere in das Gebiet

nasiums fallenden Stufen,

•)

des Gynn

auch verschiedene Regeln.

Vergl. Grundsätze der Erziehung und de» Unterrichts

von August Hermann Niemeyer, 6te Ausgabe, 1810. LH.

2.

S. 567. §. 108 flg. und Erläuternde Anmerkungen und Zusätze zu dem Lehrbuch

für die obern Klassen gelehrter Schulen.

Nebst einer

Abhandlung über die Methodik de» Religionsunterrichts. Halle, 1801.

Noch deutlicher aber tritt die Beziehung des NcligionsUnterrichts

auf die Idee des Gymnasiums hervor

in

der besondern Methodik desselben!, wo er gradehin von

der Charakteristik und den Bedürfnissen der Lehrlinge in

den obern Rcligionsklqssen ausgeht, und erst darauf den

Zweck des Religionsunterrichts auf Gymnasien bestimmt, worauf er dann zum Stoff und zur Methodik dieses ligionuntcrrichts übergeht.

Aber, was zuerst §. los —

lio über den Religionsunterricht im Allgemeinen

ge­

sagt wird, ist viel zu wenig ans dem Wesen der Religion

abgeleitet,

nm

das Eigenthümliche des Religionsunter­

richts bestimmen zu können. Sehen wir hingegen auf die fünf von Niemeyer aufgestellten allgemeinen Prinzi­

pien, so müßten wir freilich zuerst im Allgemeinen in An­ spruch nehmen, daß sie aus dem eigenthümlichen Gange der heiligen Schrift entlehnt seien, wie Niemeyer sagt.

Denn, weit eher scheinen sie aus theologischen Streitig­ als daß sie streng den

keiten willkührlich aufgegriffen,

Charakter der heiligen Schrift bezeichnen. kommt es uns hier nicht an.

Aber darauf

Sondern die Schriftma-

ßigkeit dieser Prinzipien unentschieden lassend, müssen wir nur bemerklich machen, daß der schriftliche Vortrag, zu

welchem doch die Schriften des neuen Testaments gehö­

ren, seinem Wesen nach immer verschieden sein vom mündlichen, ertheilt wird.

durch den

müsse

unser Religionsunterricht

Dann schrieben

die

nentestamentischen

Schriftsteller für schon Gläubige, indeß bei uns der Re,

ligionsunterricht größtenthcjls an noch nicht Gläubige er­ theilt wird.

Woraus nun auf zweifache Weise hervor­

geht, daß Niemeyer nur in so fern die Schriftmäßigkeit zum Prüfstein seiner Prinzipien machen konnte, als er das Verhältniß der Lernenden und des Lehrers im Reli,

12 gionsuntcrricht nicht

genug

berücksichtigte.

Wie

aber

Niemeyer darauf kommen konnte, ist erklärlich, wenn wir

weiter unten lesen, daß „die erste Tendenz alles christli,

chcn Religionsunterrichts die Achtung gegen die heilige Ito künde sei, und die zweite über den Sinn derselben rich,

tig denken zu lehren,"

ein Satz, dem jeder beistimmen

wird, der nicht anders an Gott und Christum glauben kann, als mit der Bibel in der Hand, und der sich hier mit seinem Gefolge gewiß nicht würde cingcschlichen ha,

ben, wenn der Verfasser sich bei Bestimmung des Reli, gionsuntcrrichts fester an den Begriff der Religion über, Haupt und des Glaubens an Christum insbesondere ge,

halten hätte.

Da nun über den Religionsunterricht im

Allgemeinen nichts als diese 5 Prinzipien ausgestellt wird,

so kann auch die Eintheilung desselben gar nicht aus dem Begriffe abgeleitet werden und, daß drei Kursen ange, nommen werden, erscheint durchaus willkührlich.

was cs sagen will,

daß

schon

Denn,

im zweiten Theile das

Lehrbuch mehr systematisch geordnet seyn solle, wenn der Religionsunterricht im dritten Kursus noch mehr wissen, schaftliche Gestalt haben soll,

ohne doch Schnldogmatik

und Polemik in die Sphäre des Schulunterrichts zu zie,

hen, vermögen wir nicht einzusehen, ohne daß uns die

vier Stufen dieser Leiter von der Popularität zur Wis, senschaftlichkeit deutlicher gezeigt werden.

Dazu kommt,

daß diese größere Wissenschaftlichkeit im dritten Kursus

den Zweck, mit welchem sie empfohlen wird, gar nicht er, reichen kann, ohne ganz System, also Dogmatik zu seyn.

Denn sie soll die entstehenden Zweifel beseitigen.

Dieß

kann aber, wenn wir diese Zweifel einmal in dem Maaße

und in dem Sinne zugebcn,

als Niemeyer sie hier an,

nimmt, gar nicht anders geschehen, als durch strenge Be,

weisführung, die nun eben auf keine andere Weise zu

ermöglichen ist,

als

Was nun

Hang.

durch wissenschaftlichen Zusammen/

§.

116. über die Methodik

gesagt

wird, ist nur ganz negativ, bestimmt also über die Sa­ che nichts, und die speziellen den

Religionsunterricht

unbestimmt,

weil

sie

andern Unterricht gelten.

Stelle

der andern

ler des

lassen

methodischen Regeln über diesen

selbst

auf gleiche Weise

eben

von

so

jedem

Wie richtig endlich auch an

die Bemerkungen

über

Religionsunterrichts auf Gymnasien

die Schü­

seyn mö­

gen, eben so wenig sondern sie dieselben von andern ab.

Denn, daß alle diese Bemerkungen auch von solchen

gelten, die bereits das Gymnasium verlassen haben, ja auch von solchen, die nie darauf- kommen, ist beim ersten t Anblick klar und bedarf daher keiner nähern Erörterung.

Da nun Niemeyer hiernach in der Bestimmung des Reli­

gionsunterrichts auf Gymnasien zwar an beide Ideen, die

hierbei leiten müssen, anknüpfte, aber doch weder in der Bestimmung des Religionsunterrichts im Allgemeinen die

Idee der Religion zum Grunde legte, stimmung

noch in der Be­

des Religionsunterrichts auf Gymnasien die

Idee des Gymnasiums gehörig festhiclt uud dadurch auf willkührliche Bestimmungen verfiel, so mußten alle nahem

Erklärungen über Stoff und Methodik des Religionsun­ terrichts auf Gymnasien und eben so die Darstellung des­ selben im Lehrbuche selbst entweder ganz willkührlich aus­

fallen, oder doch mit denselben Mangeln als die Prinzipien behaftet fein.

Willkührlich ist cs, daß er ans die Frage:

„Welches werden nun, wenn jenes die Bedürfnisse des Schülers sind, die Kenntnisse sein, durch deren Mitthei­

lung der Zweck des Religionsunterrichts auf Gymnasien

14 erreicht wird *)," ohne Weiteres antwortet „daß sie sick­ bequem unter zwei Hauptklassen bringen lassen, und ent, weder historisch oder theoretisch sind."

Denn wie nun

diese Wahl ans den vorigen Bestimmungen folgt, warum

gerade zwei Hauptklassen sind, und neben den theoreti, schen Kenntnissen nicht auch die praktischen oder neben den historischen nicht auch die sprachlichen stehen,

wird auf keine Weise aus dem vorigen abgeleitet. war aber auch in der That nicht möglich.

das

Dieß

Denn wir

mögen nun auf die allgemeinen Prinzipien des Religions,

Unterrichts sehen, oder auf das, was über den höhern insbesondere gesagt ist, so ist die Exegese und die prak,

tische Theologie eben so gut damit vereinbar, als die ft),

stcmatische und historische: wenn cs gleich eben so schwer wäre, sie daraus abzuleitcn.

Willkührlich ja den Prinzi,

picn widersprechend ist cs ferner, daß das Lehrbuch zwar

die Lehre von der Schrift der Kirchcngeschichte voran,

stellt, aber hernach in die systematische Theologie ausgeht, wogegen doch eben behauptet wurde,

daß der Religions,

unterricht durchaus an dem Faden der Geschichte fort, schreiten müsse.

Ein andres Prinzip, welches richtiger

den Vortrag der heiligen Schriftsteller bezeichnen möchte, daß das Moralische immer in der engsten Verbindung

mit dem Religiösen dargcstcllt werde,

wie wir esl hier

mit Niemeyer ausdrückcn wollen, wird durch die Sonde, rung der Religions, und Sittenlehre ganz hintenange, setzt.

Daß ferner Niemeyer eben so wenig bei der Ans,

führung des Lehrbuches selbst als bei der, wie wir oben

bemerkten, sehr unbestimmt gehaltenen Federung der Wis, *)

Erläuternde Anmerkungen und Zusätze zum Lehrbuche

«. s. w.

Seite XXVIIr.

senschaftlichkeit des Religionsunterrichts

scn von

Gelehrtenschulcn,

die

in obern Klas,

eigenthümliche geistige

Entwikkclungsstufe der Schüler im Auge hatte,

diese Federung gleich im

Lehrbuche

ob er

selbst fcsthalt *),

ebenfalls bei näherer Betrachtung desselben Denn zusördcrst fallt cs auf, daß diese Wissen­

leuchtet

ein.

schaftlichkeit in den ersten beiden Abtheilungen des Lehr­

buches also in der ersten Hälfte auf keine Weise erscheint. Daß sie im ersten Theile nöthig war, wenn sie cs in ei,

nem Theile des Gymnasialunterrichts meyer am allerwenigsten bestreiten,

ist,

wird Nie­

der ja die heiligen

Schriften nicht bloß zur Norm des schon begründeten

Glaubens an Christum, sondern zur Grundlage desselben selbst machen will.

Nur, ob sie in einem freilich bis

jetzt rein empirisch behandelten Gegenstände möglich war, könnte gefragt werden.

Aber, wenn doch alle Fragen

über die normale Dignität der Schrift und damit alle Zweifel, die Niemeyer im höher» Religionsunterrichte be­

seitigen will, auf die eine zurück gehen, wie sich der Text, den wir in den Handen haben, zur ursprünglichen Lehre Christi verhalte, sowohl seiner Entstehung als seiner Fort­

pflanzung nach, so mußte doch vor allen über die Authen,

tie der heiligen Schrift gehandelt und Zeit und Ort der Abfassung angcdentet werden..

Die Geschichte des Chri,

stenthums aber hatte durch Andeutungen über die Ver­

gleichung des Christenthums mit andern Glaubensweisen, und als Geschichte der christlichen Kirche, durch die Nach­

weisung ihrer Entwikkelung einen von dem elcmcntarischen Unterrichte verschiedenen Charakter gewinnen müs*)

Lehrbuch für die

Dorerinnerungen. III.

ober» Religion-klassen.

Allgemein«

IG sen, wenn sie in irgend einem, wenn auch noch so wei-

tcn und untergeordneten Sinne des Wortes auf Wis­ senschaftlichkeit Anspruch machen wollte.

Wie uns nun

die Wissenschaftlichkeit des Lehrbuches im ersten Theile zu gering erscheint, so zeigt sie sich in der Rcligionslehre an

einigen Punkten zu groß.

Es wird nämlich hier zuerst

der Glaube an Gott von der auf Vernunftbeweise gegrün­ deten Ueberzeugung von seinem Dasein unterschieden, und dann werden diese Beweise selbst gegeben *).

spekulativen Werth dieser

so

Ueber den

vielfach behandelten Be­

weise zu richten, ist hier nicht der Ort, da wir nicht Nie­ meyers Theologie, sondern seine Pädagogik zu beurtheilen

haben.

2lber das können wir nicht unbemerkt lassen, daß,

wenn einmal den Schülern die höchsten Resultate der Spekulation, worunter wenigstens der ontologische Be­

weis gehört, in einem §. gegeben werden können, gar nicht mehr abzusehen ist,

warum Niemeyer die streng

wissenschaftliche Form für das ganze Lehrbuch verschmäht,

und cs erscheint unvermeidlich, entweder alle diese Be­ weise, die doch auch nur im Zusammenhangs des Sy­ stems, in welchem sie entstanden sind ganz verstanden

werden können, hier alle für unzweckmäßig und ungehö, rig zu halten, oder Schuldogmatik und Schulpolemik mit

gleichem Rechte einzusühren.

Müssen wir nun aber diese

Beweise aus! dem Lehrbuch verbannen, so müssen wir stark daran zweifeln, daß dieses Lehrbuch durch seine Wissen­

schaftlichkeit, die allerdings im folgenden für einen Schü­

ler gering genug ist, Zweifel heben könne.

Denn ge­

rade über schwierige Gegenstände, wie über das Verhält­ niß *) Lehrbuch §. 19 — 22.

niß der göttlichen Eigenschaften und die scheinbaren SBv

dersprüche darin, wird sehr leise hinwcggegangcn.

End/

lich aber wird mit dem Anfänge der Lehre von Christo:

„Unter Alten was Gottes Vorsehung gethan hat, ist für „uns, das, was er durch dcn.Stiftcr der christlichen Re,

„ligion

gethan hat,

das Wichtigste *)"

der Glaube

an Christum durchaus vorausgesetzt, der als der Mittel, punkt alles christlichen Glaubens und Lebens vor allen

einer wissenschaftlichen Begründung bedurft hätte, wenn

er überhaupt deren bedurfte, und nicht eben so wie der Glaube an Gott auf einem höhern Gebiete des geistigen Lebens entstände. Gehen

wir

zu

Marhcinekes

und Brettschnciders

Lehrbuch über,, so müssen wir uns die Theorie, von wel, cher die Verfasser ausgingen, erst suchen. del

Der harte Ta,

des unprotestantischcn Charakters, der MarheinekeS

Lehrbuch schon getroffen hat **), erscheint, wie sehr er

auch zumal in unserer Zeit von dem Gebrauche dieses Lehrbuches abschrekken muß, für unsere Untersuchung ge­

ringer, als wenn wir cs mit einer Dogmatik zu thun hätten.

Wichtiger schon wäre für uns der Mangel an

Logik in der Anordnung, den wir anderwärts gerügt fin, den ***), wenn nicht die Anordnung des Lehrbuchs gc, nau mit dem von jenem Beurthciler nicht genug berück,

sichtigten Systeme des Verfassers zusammenhinge.

Auch

können wir die Ausstellungen an der Sprache des Ver, sassers, die dieser Ree. macht, nicht bedeutend genug fin,

•) Lehrbuch III. §. 106. *♦) Vgl. Seebades kritische Bibliothek.

Jahrgang 1824.

Heft 7. S. 737. ff.

•»*) Ebendaselbst Jahrgang 1825. Heft 4. S. 467. ff. Wobenaz Religionsunterricht.

B

18

den, um dieß Lehrbuch als unpädagogisch zu bezeichnen, wenn wir nur die Forderungen befriedigt finden, die wir von unserm Gesichtspunkte aus an die demselben zu Grunde liegende Theorie machen müssen. Da wir nun hier, was Gegenstand einer vom Glauben unabhängigen Erkenntniß ist, von der eigentlichen Glaubenslehre geson­ dert und in die Einleitungen zu dieser als dem eigentli­ chen Gegenstände des Religionsunterrichts verwiesen fin­ den, so erscheint dieser hier allerdings als ein besonderer, und cs wird damit zu erkennen gegeben, daß der Unter­ richt in der Glaubenslehre nicht wie der historische rein traditionell sei, sondern neben dein Fassungsvermögen et­ was Anders in dem Schuler voranssetze, und noch et­ was Anders bewirken solle, als das bloße Behalten des Vorgetragenen, wie dieß auch der Vf. selbst deutlich mit der Forderung ausspricht, daß der Religionsunterricht in der Mitte zwischen katechetischcr und akroamatischcr Me­ thode stehen soll *). Freilich muß diese Forderung an je­ den Gymnasialunterricht ergehen, der nicht bloß anbildcn, sondern ansbildcn will, aber die Erwähnung des katcche, tischcn deutet auf eine dem Religionsunterricht eigenthüm­ liche Methode hin, und damit hat Marheineke das Eigen, thümliche des Unterrichts in der Religion beachtet und nicht wie Niemeyer hintcuangesctzt. Daß aber die Idee des Gylnnasinms seine Theorie auf gleiche Weise be­ stimmt habe, wird schon durch den Titel unwahrscheinlich, der dieses Lehrbuch nicht bloß den Gymnasien, sondern der reifern Jugend überhaupt ankündigt. Wir wollen nun nicht danach fragen, ob Marheineke Recht hab», der übrigen reifern Jugend, welche mit der des Gymnasiums •) Bergt. Marheineke- Lehrbuch.

Vorrede. S. IX.

in gleichem Alter steht, auch gleichen Unterricht mit der, selben ertheilen zu wollen, sondern von der Gymnasialju, gcnd selbst ausgehend nur darauf sehen, daß diese doch auch auf einer höher« Stufe, wenigstens zum Theil, im,

mcr noch eines Unterrichts in der Religion bedürftig bleibt, welcher, wie diese Stufe selbst, ein höherer sein muß.

In welcher Form nun Marhcincke die Glaubens,

lehre auf dieser Stufe, der akademischen, behandelt wissen will, hat er schon früher öffentlich ausgesprochen, als sein

Lehrbuch für Gymnasien erschien *).

Vergleichen wir

nun beides, die Dogmatik und das Lehrbuch für Schu, len, so ist es schwer zwischen beiden einen Unterschied zu

entdckkcn, ausdrückt.

in welchem sich die Idee des Gymnasiums

Denn die Einthcilung des Ganzen

in die

Lehre von Gott dem Vater, von Gott dem Sohne und

von Gott dem heiligen Geiste finden wir auch hier wie, der.

Aber grade diese Lehre, auf welcher die Eintheilnng

des Ganzen ruht, erfordert, um richtig beurtheilt zu wer,

den, die höchste Bildung des Verstandes in der Auffas,

sung dogmatischer Begriffe, und muß daher, wenn irgend

eine,

dem akademischen Workrage Vorbehalten! werden.

Wir müssen darum, auch ohne dieses eigenthümliche Ge,

präge der Marheinckcschcn Lehre an und für sich in An,

spruch nehmen zu wollen, die ganze Anordnung des Lehr, Huches für den Gymnastalnntcrricht unangemessen finden. —> Weniger kann dieser Vorwurf Brettschneidcrs Lehrbuch treffen.

Denn schon die Zerspaltung des Religionsun­

terrichts in viele ganz ungleichartige Theile zeigt deutlich,

daß er nicht einen zur Anschauung eines Systems ausge*) Sergi, die Grundlehren der christlichen Dogmatik von Dr. Philipp Marhcincke. Berlin, 1819.

B 2

20

bildeten Verstand voraussebt, sondern den' noch relativ unausgebildeten des Gymnasiasten im Auge hak. Sollte cs auch auf dm ersten Anblick befremden, daß hier dem Gymnasiasten in der Vorbereitung zur philosophischen Ne# ligionslchre eine Theorie der Sinnenerkenntniß und eine Theorie der Dernunfterkenntniß, dann aber eine Verglei­ chung beider geboten wird, und auf diese unmittelbar die philosophische Rcligionslehre selbst folgt, so erscheint doch bei näherer Betrachtung dieß Alles durch Vereinze­ lung so popularisirt, daß c- sich schon dadurch von der »ollendet wissenschaftlichen Form entfernt halt. Deßhalb finden wir, von dieser Seite betrachtet, in pädagogischer Hinsicht nichts zu erinnern, wie sehr wir auch bezweifeln möchtm, daß diese Gegenstände sich popularisiren lassen, und gegen eine Philosophie bedenklich sind, in der jdie Ideen nut als Vorstellungen, die nicht wie Begriffe von sinnlichen Wahrnehmungen abstrahirt sind, bestimmt wer, den *). Aber fragen wir nun, wie kann doch die christ­ liche Religions- und Sitlenlehre mit der philosophischen Ncligionslehre, nicht nur, sondern auch mit dem Grund­ riß der Logik ein Ganzes ausmachcn, und warum ver­ weiset Brcttschncider, wenn er nun einmal philosophische Disciplinen auf Schulen behandelt wissen will, diese nicht lieber entweder in besondere Vertrage, oder doch mit gleichem Rechte in jedem andern Theil des Gymnasialunterrichtes? so bleibt wiederum keine Antwort, als daß die christliche Lehre aus gleicher Absicht, und in Beziehung auf dasselbe gelehrt werde, als alle Disciplinen, die auf Gymnasien behandelt werden. Dieß zeigt sich auch beut# ♦) WrettschneidrrS Lehrbuch. Vorbereitung gut philosophi­ schen Religionslehre §. 57.

lich in der Zweckbestimmung des Religionsunterrichts auf Gymnasien: „eine solche Erkenntniß des Wesens und der

„Gründe der Religion überhaupt und der christlichen ins-

„besondere zu geben, wie sie jeder gebildete Mensch, be„sonders aber jeder wissenschaftlich gebildete besitzen sollte,"

und darin, „daß die Untersuchung über die menschliche „Erkenntniß angestellt wird, um diese Begründung zu „geben

Hieraus nun scheint, wenn doch Brcttschnci-

dem, nach seinen eigenen Erklärungen in seiner Dogma­ tik wie in seinem Lehrbuche,' die Religion kcineswcgcs auf

gleiche Weise ein Wissen ist, wie etwa die Geschichte, die

Mathematik u. f. w. einzuleuchtcn, daß ihm die Idee des

Religionsunterrichts hinter die deS Gymnasiums zurück­ trat, wiewohl auch diese mit dem unbestimmten Begriffe des Gebildeten, bei welchem auf die Enlwikkclungsstufe gar nicht Rücksicht genommen wird, nach allen Seiten

hin nnbestimmt gelassen ist. Nach diesen Dorerinnerungen können wir nun un­ mittelbar zur Sache selbst übergehen.

Denn sie werden

hoffentlich jeden überzeugen, daß der Weg, den wir zur

Bestimmung unsers Problems wählen wollen, der rich­

tige, in den bisherigen Behandlungen unsers Gegenstand des aber der wahre Standpunkt zur Leitung eines in je­ der Beziehung wichtigen Zweige-

noch nicht gefunden ist.

unserer Schulbildung

Wir können nun um so siche­

rer Nachsicht für die Mangel, von denen auch unsre Un­

tersuchung nicht frei bleiben kann, hoffen, als wir Manner

von anerkanntem Verdienst anst unserm Gebiet nach ver,

schicdcnen Seiten hin abirreu sahen, und als wir, da •)

BrettsHaeiderS Lehrbuch. und 14.

Allgemeine Einleitung. §. 1

ihre Irrthümer aus der Hintcnansetzung des einen oder

des andern der Ihicr entscheidenden Punkte hcrvorgingen, durch sie selbst veranlaßt sind, auf die angegebene Weise

verfahrend die ganze Untersuchung von vorn anzufangcn.

Erster Abschnitt. Der Religionsunterricht. §.

i.

Einleitung. Die Bestimmung Les Religionsunterrichts im Allgemeinen ergab sich uns als Las erste Element unserer Auf­

gabe.

Daß wir nun eben so, wie wir den Gymnasial­

religionsunterricht nur von beiden Ideen des Religions­ unterrichts und Les Gymnasiums aus auf sichere Weise

bestimmen können, so auch hier am sichersten zu Werke gehen werden, wenn wir eine allgemeine Erörterung über

die Religion für sich betrachtet und den Unterricht für sich voranstellend suchen, was sich. Beides zusammcnge-

nommcn, als Religionsunterricht ergießt, weitern Erörterung.

bedarf« keiner

Aber, wenn wir nun den Rcligions,

unterricht nicht anders bestimmen können, als aus den

Begriffen der Religion und des Unterrichts für sich be­ trachtet, so fragt sich, woher wir die Bestimmung dieser Begriffe nehmen, um nicht entweder, alles Streitige darin

unentschieden lassend, uns bei Erklärungen über den Religionsuntcrricht beruhigen zu müssen, die zu schwankend sind, um unsre Untersuchung leiten zu können, oder zwar

Beides genau, aber doch ganz willkührlich zu bestimmen,

ihre Irrthümer aus der Hintcnansetzung des einen oder

des andern der Ihicr entscheidenden Punkte hcrvorgingen, durch sie selbst veranlaßt sind, auf die angegebene Weise

verfahrend die ganze Untersuchung von vorn anzufangcn.

Erster Abschnitt. Der Religionsunterricht. §.

i.

Einleitung. Die Bestimmung Les Religionsunterrichts im Allgemeinen ergab sich uns als Las erste Element unserer Auf­

gabe.

Daß wir nun eben so, wie wir den Gymnasial­

religionsunterricht nur von beiden Ideen des Religions­ unterrichts und Les Gymnasiums aus auf sichere Weise

bestimmen können, so auch hier am sichersten zu Werke gehen werden, wenn wir eine allgemeine Erörterung über

die Religion für sich betrachtet und den Unterricht für sich voranstellend suchen, was sich. Beides zusammcnge-

nommcn, als Religionsunterricht ergießt, weitern Erörterung.

bedarf« keiner

Aber, wenn wir nun den Rcligions,

unterricht nicht anders bestimmen können, als aus den

Begriffen der Religion und des Unterrichts für sich be­ trachtet, so fragt sich, woher wir die Bestimmung dieser Begriffe nehmen, um nicht entweder, alles Streitige darin

unentschieden lassend, uns bei Erklärungen über den Religionsuntcrricht beruhigen zu müssen, die zu schwankend sind, um unsre Untersuchung leiten zu können, oder zwar

Beides genau, aber doch ganz willkührlich zu bestimmen,

also nothwendiger Weise bei unserer Untersuchung in ci