Barter- und Gegengeschäftsverträge im deutsch-russischen Handels- und Rechtsverkehr: Anwendbares Recht und streitentscheidende Instanzen [1 ed.] 9783428486342, 9783428086344

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Barter- und Gegengeschäftsverträge im deutsch-russischen Handels- und Rechtsverkehr: Anwendbares Recht und streitentscheidende Instanzen [1 ed.]
 9783428486342, 9783428086344

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EVA KRISTINE SCHOBESS

Barter- und Gegengeschäftsverträge im deutsch-russischen Handels- und Rechtsverkehr

Schriften zum Internationalen Recht Band 79

Barter- und Gegengeschäftsverträge im deutsch-russischen Handels- und Rechtsverkehr Anwendbares Recht und streitentscheidende Instanzen

Von

Eva Kristine Schobeß

Duncker & Humblot • Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schobess, Eva Kristine:

Barter- und Gegengeschäftsverträge im deutsch-russischen Handels- und Rechtsverkehr : anwendbares Recht und streitentscheidende Instanzen / von Eva Kristine Schobess. Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum internationalen Recht; Bd. 79) Zug!.: Bochum, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08634-1 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-08634-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

9

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1995 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Berücksichtigung konnten noch das Gesetz der Russischen Föderation über Aktiengesellschaften sowie der Zweite Teil des Zivilgesetzbuches, die zum 1.1. und 1.3.1996 in Kraft getreten sind, fmden. Auch konnte noch Literatur hierzu eingearbeitet werden. Das Thema dieser Dissertation habe ich nach eingehender Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Russischen Föderation während eines Studienaufenthaltes in Moskau gewählt. Der Barter- und Gegengeschäftsvertrag stellen besondere Geschäftsformen dar, mit denen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Länder des ehemaligen Ostblocks, insbesondere Rußlands, überbrückt werden können. Sie tragen zur Stabilisierung der russischen Wirtschaft bei. Ein bisher nicht beachteter Aspekt bei diesen Geschäftsarten ist die Frage nach dem anwendbaren Recht, die in dieser Arbeit Beantwortung fmden soll. Herrn Professor Dr. Gerhard Hobloch, Richter am OLG, schulde ich an erster Stelle Dank für die Betreuung der Dissertation. Zahlreiche seiner Anregungen haben Eingang in diese Arbeit gefunden. Danken möchte ich auch dem Zweitberichterstatter Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Rolf Grawert. Für die Unterstützung während meiner Studienaufenthalte in Moskau danke ich Herrn Professor Dr. Mark Moiseevic Boguslawskij. Diese Arbeit wäre nicht ohne die Hilfe meiner Eltern, Hans-Dietrich und Bäcbel Schobeß, entstanden. Insbesondere meiner Mutter danke ich für die Mithilfe bei der Erstellung des Manuskripts. Meinen Freundinnen Miriam Holstein und Friederike Sandrock danke ich fUr die vielen weiterführenden Gespräche. Meinem Verlobten, Michael Stein, gebührt mein besonderer Dank. Er hat mich während aller Phasen der Arbeit geduldig und aufmunternd unterstützt. Berlin, im Mai 1996

Eva Kristine Schobeß

Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .

17

Erster Teil Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

22

Begriffsbestimmung...................... ............................ ......................

22

I.

Bartergeschäft . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

22

11.

Kompensation im engeren Sinne...................................................

24

ill.

Gegengeschäft. .........................................................................

25

A.

1.

Parallelgeschäft .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. .

26

2.

Junktimgeschäft ..................................................................

26

3.

Auflagengeschäft ..... ................ ............................... ............

27

N.

Buy-back-Geschäft ....................................................................

27

V.

Kooperation. .. . .. .. . . . . . . .... . . . . . . . . . . ... . . . . . .... ..... . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . .

28

VI.

Switchgeschäft ........................... ..............................................

31

Bedeutung der Kompensationsgeschäfte ..............................................

32

I.

Bedeutungen für den russischen Vertragspartner .......................... ....

32

11.

Bedeutungen für den deutschen Vertragspartner ................... ............

33

Vertragspartner aufrussischer Seite ............................................ .......

34

Entwicklung bis zum Liberalisierungserlaß vom 15.11.1991...............

34

1.

Verordnungen Nr. 991 und Nr. 992 vom 19.8.1986....................

35

2.

Verordnungen Nr. 1405 vom 2.12.1988 und Nr. 203 vom 7.3.1989.....................................................................

36

3.

Verordnung Nr. 1253 vom 8.12.1990......................................

38

B.

c. I.

Inhaltsverzeichnis

10 11.

Entwicklung seit dem Liberalisierungserlaß vom 15.11.1991...............

39

m.

Die Außenhandelsorganisation .....................................................

42

1.

Rechtliche Stellung der Außenhandelsorganisation ... . .... . . . . . ... ... . ..

42

2.

Rechts- und Handlungsfllhigkeit .............................................

44

3.

Haftung .................................................................... ........

45

a)

Haftung im Innenverhältnis. ........ .... ...................... ...........

45

b)

Haftung im Außenverhältnis ............................................

46

Die Außenhandelsorganisation als Kommissionär .............................

46

1.

Rechte und Pflichten aus dem Kommissionsvertrag .....................

47

2.

Haftung im Außen- und Innenverhältnis ...................................

48

Die Außenhandelsorganisation als Beauftragte.................................

48

1.

Rechte und Pflichten aus dem Auftrag......................................

49

2.

Haftung im Außen- und Innenverhältnis ...................................

50

Vertragspartner auf deutscher Seite....................................................

51

I.

Art und Weise der Einbeziehung eines Kompensateurs ......................

52

11.

Folge der Einbeziehung eines Kompensateurs..................................

53

1.

Schuldübernahme................................................................

53

2.

Schuldbeitritt .....................................................................

54

IV.

V.

D.

A. I.

Zweiter Teil Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

57

Der Bartervertrag im nationalen IPR ..................................................

57

Anwendbares Recht nach autonomen deutschen IPR..........................

57

1.

Qualifikation. . . .. . .. .. .. . . . . . . .. . . ... .. ... ... . . ..... . ...... .. ... . . .. . . .... ... .. . . .

57

2.

Anwendbares Recht nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB.......................

58

3.

Anwendbares Recht nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ..............

59

a)

Interesse der deutschen Vertragspartei ...............................

62

b) Interesse der russischen Vertragspartei...............................

63

c)

63

Abwägung der Interessen und Anknüpfungsregel..................

Inhaltsverzeichnis

n.

Anwendbares Recht nach autonomen russischen IPR ... .. ... . . . . . . . .. .... . . . .

65

1.

Qualifikation .............. " .. . . . . . . ... . . .... . . . . . . . . . .. .... ... . . . . . . . . .... .. . . . . .

65

2.

Anwendbares Recht nach Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 ..................................................

66

Gesamt- oder Sachnormverweisung im russischen IPR.................

69

Ergebnis .................................................................................

70

Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention ...............................

70

Grundslltzliche Anwendbarkeit der UN-Kaufrechtskonvention auf Bartervertrllge .......................... ........................................... ......

71

1.

Persönlich-rllumlicher Anwendungsbereich ...............................

71

2.

Sachlicher Anwendungsbereich der Konvention nach dem Wortlaut...................... ............. ........................................

73

Sachlicher Anwendungsbereich unter Berücksichtigung von Materialien und Dokumenten ...........................................

74

3.

m. B. I.

11

3.

4.

a)

Studien der UNCITRAL zu Bartergeschllften aus den Jahren 1978 und 1979 ................. ............................. ...............

74

b)

Studie des UNCITRAL-Sekretariats von 1990......................

75

Sachlicher Anwendungsbereich unter Berücksichtigung des internationalen Charakters der Konvention................................

78

a)

Tauschvertrag im deutschen Sachrecht...............................

79

b)

Tauschvertrag im russischen Sachrecht ..............................

81

c)

Tauschvertrag in europäischen Rechtsordnungen..................

83

d)

Tauschvertrag im amerikanischen Einheitsprivatrecht und englischen Recht...........................................................

85

e)

Ergebnis des überblicks über die Grundlinien fremden Tauschvertragsrechts .....................................................

85

5.

Bewertung und Lösungsvorschlag...........................................

87

6.

Entsprechende Anwendung des UN-Kaufrechtsübereinkommens auf Bartervertrllge. ...... .................. ............ ... ..........

91

a)

Lückenfüllung gemäß Art. 7 Abs. 2 UN-Kaufrechtskonvention ..................................................................

91

b)

Das über das jeweilige internationale Privatrecht anwendbare Recht.........................................................

92

12

Inhaltsverzeichnis

11.

aa) Regelungslücke im deutschen und russischen Sachrecht..

93

bb) Ergebnis..............................................................

94

Geltung des UN-Kaufrechts aufgrund einer Bestimmung der Parteien....

95

1.

2.

ill.

c.

Inhalt und Voraussetzungen einer wirksamen Rechtswahl nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB .................................................

96

a)

Ortsstatut ....................................................................

98

b)

Geschäftsstatut ............................................................. 100

c)

Ergebnis ..... ............. ............................... ....... ............. 100

Inhalt und Voraussetzungen einer wirksamen Rechtswahl nach Art. 166 Abs. 1 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung ................ 101

Ergebnis .......................................... ....................... .... ............ 103 Anwendbarkeit der UN-Kaufrechtskonvention auf Gegengeschäfte ............ 104

I.

Anwendbarkeit der UN-Kaufrechtskonvention auf die beiden separaten Verträge ............................. ......... ... ........................... 105

11.

Anwendbarkeit der UN-Kaufrechtskonvention auf die Gegengeschäftsvereinbarung......... ... .... ........ ................. .......... ......................... 105

ill. D.

1.

Qualifikation der Gegengeschäftsabrede ................................... 105

2.

Das auf die Gegengeschäftsvereinbarung anwendbare Recht ......... 107

Ergebnis.............................................................................. ... 110 Anwendung der UN-Kaufrechtskonvention auf internationale Barterverträge im einzelnen...................................................................... 110

I.

Anwendbarkeit und allgemeine Bestimmungen (Artikel 1 bis 13 UN-Kaufrechtsabkommen).......................................................... 111

11.

Vertragsabschluß (Artikel 14 bis 24 der Konvention) ........ : ................ 112

ill.

Allgemeine Bestimmungen zum Warenkauf (Artikel 25 bis 29) ............ 112

IV.

Pflichten des Verkäufers (Artikel 30 bis 52 UN-Kaufrechtskonvention).. 113 1.

Rügeobliegenheit ................................................................ 114

2.

Haftung des Verkäufers für Vertragsverletzungen (Artikel 45 bis 52 unter Berücksichtigung des Art. 25)................................ 117

Inhaltsverzeichnis

13

a)

Aufhebung des Vertrages (Artikel 49 und 64 der UNKaufrechtskonvention). . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

b)

Preisminderung (Art. 50 UN-Kaufrechtsabkommen) .............. 119 aa)

Erste Leistung fehlerhaft und Gattungstausch ................ 120

bb) Gegenleistung fehlerhaft und Gattungstausch ................ 121 c) V.

Tausch von nicht vertretbaren, unteilbaren Sachen................ 122

Pflichten des Käufers (Artikel 53 bis 59 und Art. 78) ......................... 123 1.

Zahlung des Kaufpreises und Zinsen ....................................... 124

2.

Haftung des Käufers für Vertragsverletzungen (Artikel 61 bis 65).. 125

VI.

Übergang der Gefahr (Artikel 66 bis 70 UN-Kaufrechtskonvention) ...... 125

Vll.

Gemeinsame Bestimmungen über die Pflichten des Verkäufers und des Käufers ........................................................................ 126

VIll.

1.

Vorweggenommene Vertrags verletzung und Verträge über aufeinander folgende Lieferungen (Artikel 71 bis 73)................... 126

2.

Schadensersatz (Artikel 74 bis 77) und Befreiung (Artikel 79 und 80) ............................................................................. 127

3.

Aufhebung des Vertrages (Artikel 81 bis 84) ... ........ .................. 128

4.

Erhalt der Ware (Artikel 85 bis 88) ......................... .......... ...... 129

Ergebnis der Untersuchung ......................................................... 129 Dritter Teil Streitentscheidende Instanzen

132

A.

Problemdarstellung ........................ ................................................ 132

B.

Internationales Handelsschiedsgericht der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation in Moskau ..................................... 134 I.

Zuständigkeit des Schiedsgerichts ..................... ...... ...................... 135

ll.

Voraussetzungen und Wirkungen einer Schiedsvereinbarung .. . . . . . . . . .. . . . 137

111.

Zusammensetzung des Schiedsgerichts........................................... 139

N.

Das vom Internationalen Handelsschiedsgericht der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation anzuwendende Recht.. ...... 141

14

Inhaltsverzeichnis 1.

c.

D.

Das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht.................... 141

2.

Das auf das Schiedsverfahren anwendbare Recht........................ 143

3.

Das auf einen Barter- und Gegengeschäftsvertrag anwendbare Recht ............................................................................... 145 a)

Entscheidung nach Billigkeit............................................ 150

b)

Anwendung ausländischen Rechts ..................................... 151

Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen ............................ 152 I.

Anerkennung und Vollstreckung inländischer Schiedsentscheidungen .... 152

ll.

Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in der Russischen Föderation............................................................... 153 Zusammenfassung und Schlußbetrachtung ........................................... 155

Anhang I Verordnung des Obersten Sowjets der Russischen Föderation "Über die Regulierung der zivilen Rechtsbeziehungen in der Periode der Durchführung wirtschaftlicher Reformen" vom 24.7.1992 ............................... 163 Anhang II Grundlagen der Zivilgesetzgebung der Union der SSR und der Republiken vom31.5.1991 .............................................................................. 165 Anhang m "Gesetz der Russischen Föderation über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 7.7.1993 No. 5338-1" .......................................... 183 Anhang IV "Anhang I zum Gesetz der Russischen Föderation über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit" vom 7.7.1993 No. 5338-1.. ..................... 213 Literaturverzeichnis .............................................................................. 216 Sachwortverzeichnis ...... . . ... ..... . . . . . . .. ... ... . . . . .. . . . .. ... . . .. ... ...... .. . . . ..... ... . . . . . . .. 224

Aus technischen Gründen können einige Sonderzeichen der Transliteration nicht in der gebotenen Form wiedergegeben werden.

Abkürzungsverzeichnis Abschn. IVP

Abschnitt Isvestija Pravovych Vusov, Berichte der Rechtshochschulen (Zeitschrift, Leningrad) Pos. Position RF Rossijskaja Federacija (Russische Föderation, gegründet 12.6.1990) RSFSR Rossijskaja Socialisticeskaja Federativnaja Sovetskaja Respublika (Rußlllndische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik, gegründet 1918, seit 1923 Republik der UdSSR) SP Sobranie Postanovlenii (Verordnungsblätter der UdSSR und der Unionsrepubliken) SPP SSSR Sobranije Postanovlenii Pravitel'stva SSSR (Verordnungsblätter der Regierung der UdSSR) Sojus Sovetskich Socialisticeskich Respublik (Union der SSSR Sozialitisehen Sowjetrepubliken) SU Sobranie Uzakonenii (Gesetz- und Verordnungsblatt der RSFSR von 1917 bis 1938) SZ Sobranie Zakonodatel'stva Rossijskoj Federacii (Gesetzblatt der Russischen Föderation) UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, gegründet 1923 VSNDRSFSR Vedemosti Sesda Narodnych Deputatov RSFSR (Anzeiger der Sitzung der Volks deputierten der RSFSR) VSND SSSR Vedemosti Sesda Narodnych Deputatov SSSR (Anzeiger der Sitzung der Volksdeputierten der UdSSR) VSND SSSR i VS SSSR Vedemosti Sesda Narodnych Deputatov SSSR i Verchovnogo Soveta SSSR (Anzeiger der Sitzung der Volksdeputierten der UdSSR und des Obersten Sowjets der UdSSR seit Juni 1989) VVSRF Vedemosti Verchovnogo Soveta RF (Anzeiger des Obersten Sowjets der Russichen Föderation) VVS RSFSR Vedemosti Verchovnogo Soveta RSFSR (Anzeiger des Obersten Sowjets der Russischen Föderation) VVS SSSR Vedemosti Verchovnogo Soveta SSSR (Anzeiger des Obersten Sowjets der UdSSR von 1938 bis Mai 1989)

Einleitung Handelsgeschäfte auf Kompensationsbasis sind nicht neu, gewinnen aber gerade im Hinblick auf den Handel mit Rußland stark an Bedeutung. Unter Kompensationsgeschäften wird in dieser Arbeit ein Vertrag oder die rechtliche Verbindung mehrerer Verträge verstanden, in denen sich die Parteien verpflichten, die Lieferung von Waren ganz oder teilweise durch Lieferungen anderer Waren auszugleichen. Die Bezeichnung "Kompensationsgeschäft" wird als Oberbegriff für alle diejenigen Vertragsarten verwendet, die nicht ausschließlich Geld als Gegenleistung für Warenlieferungen vorsehen. In der Mitte der 70er Jahre nahmen Kompensationsgeschäfte laut russischer Angabe nur ca. 2 % des Welthandels ein, in der ersten Hälfte der 80er Jahre bereits 20 - 30 % und im Jahre 1988 ungefähr 40 %.1 Nach Prognosen sollen Kompensationsgeschäfte bis zum Jahre 2000 ca. SO % des Welthandels ausmachen. 2 Im Handel mit der UdSSR betrug der Anteil der Lieferungen aus Kompensationsgeschäften am westdeutschen Import in den Jahren 1976 1978 aufgrund der Erdgas-Röhren-Geschäfte nach den hiesigen Statistiken etwa 10 %.3 Nach einer anderen Schätzung betrug der Umfang an Kompensationsgeschäften zwischen den Staaten der OECD und den ehemaligen sozialistischen Ländern Anfang der 80er Jahre 15 % des Handelsvolumens. 4 1982 nahmen Geschäfte mit den Ländern des RGW auf Kompensationsbasis nach Schätzung westlicher Handelshäuser rund SO % des Handelsvolumens ein. 5 Der prozentuale Anteil der Kompensationsgeschäfte am Welthandel wird also unterschiedlich beziffert. Dies liegt unter anderem daran, daß für diese Art von Geschäften keine einheitliche Begrifflichkeit besteht. Aus der Praxis ist hierzu zu erfahren, daß kaum ein größeres Geschäft mit russischen Unternehmen ohne Kompensationsforderungen durchgeführt werden kann. Diese Situation wird sich in den nächsten Jahren nicht verändern.

1 Vilkova, S. 203, FN 1; Pobusko-Ponomarev, S. 24. 2 Pobusko-Ponomarev, S. 151. 3 Beek, S. 254. 4 Altmann-Clement, S. 23; vgl. auch Pobusko-Ponomarev, S. 25.

5 Vgl. Reiehardt, S. 21. 2 Schobeß

18

Einleitung

Es ist sogar ein weiterer Anstieg zu erwarten. Ein Grund dafür ist auf russischer Seite im Devisenmangel6 und im gesteigerten Importbedarf an westlichen Industrieerzeugnissen7 zu sehen. Für die deutschen Unternehmer spielt der Wunsch nach Erschließung neuer oder der Erweiterung bereits bestehender Märkte beim Eingehen auf Kompensationsforderungen der russischen Seite eine große Rolle. 8 Auch die Beschaffung von Rohstoffen ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Kompensationsgeschäfte genießen unterschiedliche Beurteilungen. Von den westlichen Staaten werden diese Geschäfte allgemein kritisch gesehen. 9 So werden Kompensationsgeschäfte mit den Staaten Ost-. und Südosteuropas als notwendiges Übel angesehen. 10 Die Treuhandexpertenrunde zum Handel mit den GUS-Staaten sieht dagegen in Barter- und Kompensationsgeschäften eine Möglichkeit, Warenströme trotz derzeitiger Devisenknappheit in diese Länder fließen zu lassen. 11 Eine Zunahme solcher Geschäfte ist aber auch wegen der veränderten rechtlichen Situation in der Russischen Föderation zu erwarten. War die Durchführung von Bartergeschäften früher verboten und waren nur auf Regierungsebene abgeschlossene Gegengeschäfte zulässig 12 , um die Kontrolle über Devisenbringer zu behalten, gibt inzwischen der Erlaß des Präsidenten "Über die Liberalisierung der Außenwirtschaftstätigkeit auf dem Territorium der RSFSR" vom 15.11.1991 13 der Regierung auf, die nicht auf ihre Gesetze gestützten Einschränkungen bei Bartergeschäften aufzuheben. 14 Die steigende Bedeutung der Kompensationsgeschäfte im Handel zwischen Deutschland und Rußland erfordert eine eingehende Untersuchung dieser Vertragsarten. Dabei werden in dieser Arbeit diejenigen Vertragstypen im Mittelpunkt stehen, die unabhängig von Regierungsabkommen durchgeführt werden können, die nicht auf Kreditbasis und nicht für einen längeren Zeitraum konzipiert sind. Das erfordert zunächst die Definition und Abgrenzung der einzelnen Vertragsarten untereinander. Die Klärung der Begrifflichkeit erfolgt im ersten Teil der Arbeit. Anschließend werden die Funktionen, die die 6 BecA:, S. 253; Krumm, S. 148; Lange-Prollius, S. 210; Ledenev, S. 54.

7 Bohunovsky, S. 349. 8 Krumm, S. 149; Lange-Prollius, S. 211. 9 Siehe Reimer, S. 32 ff.

10 AltmannlClement, S. 164. 11 Vgl. WiRO 1992, S. 29. 12 Vgl. WiRO 1992, S. 29; Verordnung vom 2.12.1988 Nr. 1405, SPP SSSR Nr. 2 1989, Pos. 7. 13 VSND RSFSR Nr. 47 vom 21.11.1991. 14 Vgl. unten Erster Teil ClIdieser Arbeit.

Einleitung

19

Kompensationsgeschäfte für die russische und für die deutsche Vertragspartei haben, behandelt. Danach wird untersucht, welche Vertragspartner auf russischer Seite für Kompensationsgeschäfte heute im Vergleich zum früheren Wirtschaftssystem in Betracht kommen. Bei einigen Vertragsarten werden auf deutscher Seite Dritte, sogenannte Kompensateure, eingeschaltet, die den Verkauf der russischen Kompensationsware übernehmen, falls der deutsche Vertragspartner die Ware nicht selbst verbrauchen oder vertreiben kann. Die daraus entstehenden Probleme werden ebenfalls beurteilt. Die rechtliche Problematik liegt in erster Linie in der Gestaltung des Kompensationsvertrages. Die Vertragsgestaltung hängt gerade im Handel mit Rußland nicht nur von der Art der Ware ab, sondern es muß häufig auf kurzfristig in die Verhandlungen eingebrachte Gegebenheiten Rücksicht genommen werden. Der deutsche Vertragspartner muß bei der Vertragsverhandlung und -ausarbeitung stets flexibel sein und kann selten auf Standardverträge zurückgreüen. Dies liegt zum einen an der sich schnell ändernden rechtlichen Situation in Rußland. Zum anderen stehen die russischen Vertragspartner ausländischen Musterverträgen immer noch skeptisch gegenüber. Grundlage eines jeden Vertrages ist das materielle Recht. Bei internationalen Verträgen sind dabei mehrere Rechtsordnungen zu berücksichtigen. Das auf die Verträge anwendbare Recht ist über das jeweilige internationale Privatrecht zu ermitteln. Nachdem die Frage nach dem anwendbaren Recht geklärt ist, kann auf dieser Grundlage der Vertrag im einzelnen ausgehandelt werden. Diese Arbeit wird daher in ihrem zweiten Teil das auf Barter- und Gegengeschäfte, die zwischen einem deutschen und einem russischen Unternehmen geschlossen werden, anwendbare Recht untersuchen. Insbesondere wird die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechtsübereinkommens vom 1. April 1980 überprüft. Hierbei erfolgt zunächst die Untersuchung, ob die Kaufrechtskonvention grundsätzlich auf diese Geschäfte Anwendung fmdet. Im Anschluß daran wird auf einzelne Normen der Konvention eingegangen und die Frage beantwortet, inwieweit sie auf Barterverträge angewandt werden können. Bei der Durchftihrung von Barter- und Gegengeschäften zwischen deutschen und russischen Unternehmen bleiben Streitigkeiten nicht aus. Daher wird in fast allen Verträgen eine Schiedsklausel vereinbart, durch die der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen und die Streitigkeiten einem Schiedsgericht zugewiesen werden. Um vorhersehen zu können, wie das Schiedsgericht in einem möglichen Streit entscheiden wird. ist die Kenntnis des von ihm anzuwendenden Rechts unerläßlich. In Verträgen zwischen deutschen und russischen Unternehmen sind es im wesentlichen drei ständige Schiedsge2*

20

Einleitung

richte, die mit der Klärung von Streitigkeiten befaßt werden. Das sind das Internationale Handelsschiedsgericht der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation, das Internationale Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer sowie das Schiedsgericht der Stockholmer Handelskammer.

Im Jahre 1993 kam es in der Russischen Föderation zu einer Neuregelung der Internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Die neuen Regelungen könnten die Wahl des Internationalen Handelsschiedsgerichts in Moskau für den deutschen Vertragspartner erleichtern und ihm damit einen Verhandlungsvorteil verschaffen. Im letzten Teil dieser Arbeit soll daher zunächst auf allgemeine Fragen hinsichtlich des Internationalen Handelsschiedsgerichts der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation eingegangen werden, die durch die Neuregelung erhebliche Änderungen erfahren haben. Im Anschluß daran wird untersucht, welches Recht das Schiedsgericht auf eine Streitigkeit aus einem deutsch-russischen Barter- und Gegengeschäftsvertrag anwendet. An den entsprechenden Stellen werden die Bestimmungen, die das Zürcher und Stockholmer Handelsschiedsgericht anwenden, berücksichtigt. In die Arbeit haben ferner die Bestimmungen des Ersten Teils des Zivilgesetzbuches Eingang gefunden, der am 1.1.1995 in Kraft getreten ist. 15 Er löst das alte Zivilgesetzbuch von 1964 sowie die Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 ab, soweit es um Bestimmungen geht, die in dem neuen Zivilgesetzbuch geregelt sind. Das sind im wesentlichen Fragen des allgemeinen Teils des Schuldrechts sowie zur juristischen Person und zu Handelsgesellschaften. 16 Berücksichtigung konnte auch noch der Zweite Teil des Zivilgesetzbuches l7 , der zum 1.3.1996 in Kraft getreten ist, finden. In diesem Teil sind die einzelnen Vertragstypen und das Delikts- sowie das Bereicherungsrecht geregelt. Neben den klassischen Vertragsarten wie dem Kaufvertrag (Artikel 454 ff.), dem Tauschvertrag (Artikel 567 ff.) und dem Mietvertrag (Artikel 606 ff.) sind auch moderne Vertragstypen wie der Leasingvertrag (Artikel 665 ff.) geregelt. Die für diese Arbeit wesentlichen Vorschriften werden an den entsprechenden Stellen neben den bis zum 1.3.1996 geltenden Normen zitiert. Die Aussagekraft dieser Arbeit wird durch die Neuregelung nicht betroffen, da die Vorschriften über den Tausch keine erhebliche Veränderung erfahren haben. Das Internationale Privatrecht wird vom Zweiten Teil des Zivilgesetzbuches nicht geregelt. Hierzu existiert bis jetzt lediglich

IS Einführungsgesetz vom 21.10.1994, Rossijskaja Gazeta vom 8.12.1994. 16 Zum Verhältnis des Zivilgesetzbuches zu anderen gesetzlichen Bestimmungen vgl.:

Hüper, WiRO 1995, S. 161 ff.

17 Rossijskaja Gazeta vom 6.,7.,8. und 9.2.1996; vgl. hierzu Schmitt/Weber, WiRO 1996, S. 86 ff.; Bergmann/Glöckner, WiRO 1995, S. 445.

Einleitung

21

ein Projekt. 18 Gemeinsam mit dem Erbrecht und dem Recht an der Intelektuellen Tätigkeit soll das Internationale Privatrecht in einem Dritten Teil zum Zivilgesetzbuch geregelt werden. Die Kollisionsnorm für internationale Verträge, Art. 166 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung 19 werden durch die entsprechende Vorschrift des Projekts (Art. 1247) nicht verändert. Eine Anknüpfungsregel für internationale Tauschverträge wird es auch bei Inkrafttreten des Dritten Teils des Zivilgesetzbuches nicht geben. Diese Arbeit wird daher auch bei Geltung des neuen Zivilgesetzbuches ihre Aussagekraft nicht verlieren. Am Ende der Arbeit sind in Anhang I bis IV die russischen Gesetzestexte im Original sowie im Anschluß daran in einer Übersetzung der Verfasserin abgedruckt. Es wurden dabei die für die Arbeit wichtigsten Texte berücksichtigt, die auch für die Praxis von Bedeutung sind. Andere Normen, die nur für einzelne Teilabschnitte maßgeblich sind, werden in der Übersetzung an den entsprechenden Stellen in Fußnoten aufgeführt.

18 Postanovlenie Gosudarstvennoj Dumi Federalnogo Sobranija RF vom 13.1.1995 Nr. 450 GD; Rasporjazenie Presidenta RF vom 29.5.1995 Nr. 252-rp. 19 Vgl. Zweiter Teil All 2) dieser Arbeit.

Erster Teil

Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften A. Begriffsbestimmung In der deutschsprachigen Literatur wird als Oberbegriff für alle diejenigen Geschäfte, die als Gegenleistung auch Warenlieferungen beinhalten, teilweise der Begriff "Kompensationsgeschäft" gebraucht. 1 Andere verwenden fm diese Geschäftsarten den Ausdruck "Verbundgeschäfte"2 oder auch "Gegengeschäfte" . 3 Zudem werden in der deutschen und russischen Literatur gleiche Bezeichnungen für diese Geschäfte mit unterschiedlichen Inhalten geftillt oder für gleiche Bedeutungen abweichende Bezeichnungen gebraucht. Aufgrund dieser Begriffsvielfalt kann es nicht Aufgabe sein, neue Bezeichnungen für diese Geschäftsarten zu erarbeiten. Vielmehr sollen die verschiedenen Geschäftstypen, die unter die Bezeichnung "Kompensations- oder V erbundgeschäft" fallen, erklärt und voneinander abgegrenzt werden. Dabei werden auch Geschäftstypen behandelt, mit denen sich diese Arbeit nicht näher befassen kann, die jedoch häufig im Zusammenhang mit Barter- und Gegengeschäften genannt werden.

J. Bartergeschäft Der Begriff "barter" kommt aus der englischen Sprache und bedeutet übersetzt "Tausch". 4 Der englische Ausdruck hat sich auch in der deutschen und russischen Sprache für eine bestimmte Form von Kompensationsgeschäft durchgesetzt. Bei Bartergeschäften handelt es sich um einen direkten Warentausch zwischen dem deutschen und dem russischen Vertragspartner . 5 Die 1 Enderlein, S. 240; Krumm, S. 143; Timm, S. 92. 2 Altmonn/Clement, S. 9; Beek, S. 255. 3 Niggemann, RIW 1987, S. 169 (170); so auch in der Studie des UNICITRAL-Sekretariats von 1990, UN-Dokument AlCN 91332/Add. 1-8. 4 Vg\. S.31 Wörterbuch Englich-Deutsch, Deutsch-Englisch, bearbeitete Neuausgabe, München 1987. 5 Altmonn/Clement, S. 9; Beek, S. 255; Enderlein, S. 253; Timm, S. 95.

A. Begriffsbestimmung

23

Konditionen für Lieferung und Gegenlieferung werden in einem Vertrag festgelegt. 6 Sie werden später in der Regel Zug um Zug abgewickelt. 7 Eine Berechnung der zu liefernden Ware in einer Währung erfolgt nicht. Es entsteht daher keine Geldforderung . 8 Ein Bartervertrag stellt also einen Tauschvertrag auf dem Gebiet des Außenhandels dar. 9 Ein Unterschied besteht lediglich in der Bezeichnung, wobei sich für den internationalen Tauschvertrag der englische Begriff "barter" durchgesetzt hat. Auch in der russischen Literatur wird unter bartemie oder towaroobmenie

sdelld (Barter- oder Warenaustauschgeschäfte) eine Export-Import-Operation in Form eines Tausches einer bestimmten Menge an Ware mit gleichem Preis verstanden. 10 Dabei ist nach russischem Verständnis ebenfalls der Gebrauch von Geldmitteln ausgeschlossen. 11

Einige russische Außenhandelspraktiker qualifizieren solche Operationen als Bartergescbäfte, bei denen der Export russischer Produkte durch die eine russische Firma und der Import westlicher Waren durch die andere russische Firma durchgeführt wird. 12 In diesen Fällen werden aber zwei voneinander unabhängige Verträge geschlossen. 13 Hauptmerkmal des Bartergeschäftes ist jedoch, daß die Verpflichtungen in nur einem Vertrag festgelegt werden. Daher ist die vorgenannte Operation nicht als Bartergeschäft zu bezeichnen. Ein weiteres Merkmal der Bartergescbäfte ist deren Durchführung ohne Gebrauch einer Währung. Das gilt aber nicht für den Fall, in dem eine Partei zum. Schadensersatz oder zum. Ersatz des Gewinnausfalls bei nicht vertragsmäßiger Erfüllung oder Nichterfüllung verpflichtet ist. 14 Auch bei Ablauf der Lieferfrist kann der Gläubiger neben Erfüllung Schadensersatz in Valuta verlangen. 15

6 Beck, S. 255; K",mm, S. 144; POblUko-PoMmarev, S. 13. 7 AltmoMICkmml, S.9; East-We.n Trade, S. 18; K",mm, S. 144; PoblUko-Ponomarev, S.13. 8 Beck, S. 256; K",mm, S. 144.

9 Kratkij slovar', S. 15; K",mm, S. 144 f.; Letknev, S.54; PoblUko-PonomIJrev, S. 13; AltmoMICkmml, S. 5, 9, die Barterverträge als Unterfall des im internationalen HandeIsverkehrs als Kompensation bezeichneten Geschäftstyps verstehen. 10 Kratlcij slovar', S. 15; Letknev, S. 54; Pobusko-PoMmlJrev, S. 13.

11 Kratkij slovar', S. 15; Lecknev, S. 54; PoblUko-PonomIJrev, S. 13.

12 VgI. bei Piror.ichin, S. 76. 13 Pirozichin, S. 76.

14 Lecknev, S. 54. 15 Lecknev, S. 54.

24

1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

Einige Autoren sehen bei Bartergeschäften ein besonderes Problem für den deutschen Exporteur. Deutsche Unternehmer sind häufig bestrebt, eine Drittfirma einzuschalten, die den Verkauf der russischen Ware auf dem deutschen Markt übernimmt. 16 Dies sei jedoch bei diesem Geschäftstyp nicht möglich. Bartergeschäfte würden direkt zwischen Exporteur und Importeur abgewickelt. 17 Erst nach der Abwicklung des Vertrages sei die Einschaltung einer weiteren Firma möglich. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch bei einem Bartervertrag eine Drittfirma beteiligt werden kann, die den Vertrieb übernimmt. Dies steht zur Disposition der Parteien. Als Erschwernis kommt bei Bartergeschäften im Vergleich zu Gegengeschäften hinzu, daß der deutsche Exporteur für seine Forderungen keine Exportversicherung erhält. Es wird gemäß § 9 Nr. 1 der Allgemeinen Bedingungen für Ausfuhrkreditversicherungen nur eine juristisch selbständige Geldforderung versichert. 18 Die Forderung aus einem Bartervertrag ist aber gerade keine Geldforderung .

ll. Kompensation im engeren Sinne Bei Kompensationsgeschäften im engeren Sinne handelt es sich um eine Abrede der Parteien, eine Lieferung ganz oder teilweise mit der Lieferung einer anderen Ware auszugleichen. 19 In der russischen Literatur unterfällt diese Geschäftsart dem Begriff kommerceslaJja kompenzacija 20 (kommerzielle Kompensation). Wie bei Bartergeschäften wird die Lieferungs- und Gegenlieferungsverpflichtung in einem einzigen Vertrag festgelegt. 21 Im Gegensatz zu reinen Tauschgeschäften werden die Lieferungen jedoch unabhängig voneinander bezahlt. Dies geschieht, falls nur ein Teil der ersten Lieferung kompensiert wer-

16 Beck, S. 259.

17 Altmann/Clement, S. 9; Pobusko-Ponomarev, S. 13; Timm, S. 95. 18 Vgl. Hauptmanni, S. 31, 33; Henke, S. 39; v. Lingelsheim-Seibicke, Teil A, S. V123 und VII7; Pörschke, S. 37; Timm, S. 96.

19 Beck, S. 256. 20 Pobusko-Ponomarev, S. 15 f.

21 AltmanniClement, S. 10; Beck, S.256; East-West Trade, S. 19; Krumm, S. 145; Pobusko-Ponomarev, S. 15.

A. Begriffsbestimmung

25

den soll, in Devisen. 22 Wie bei Bartergeschäften besteht die Möglichkeit, die Kompensationsverpflichtung auf Dritte zu übertragen. 23 Ein Nachteil beider Geschäftsarten ist aber neben dem Problem des wertmJlßigen Ausgleichs der Erstlieferung und der Frage, wer zuerst leistet, die Tatsache, daß nur ein Vertrag abgeschlossen wird. Beide Lieferungen sind damit stets verbunden und der Vertrag doppelt anfällig. Dieser Nachteil ist bei Kompensationsgeschäften im engeren Sinne abgeschwächt, da die Bezahlung beider Lieferungen unabhängig voneinander erfolgt. 24 Falls der russische Vertragspartner die Erstlieferung nicht durch Waren kompensiert, besteht gegen ihn weiterhin der Anspruch auf Geldzahlung. Bei Bartergeschäften läuft der Anspruch hingegen stets auf Lieferung der Ware hinaus.

ffi. Gegengeschäft Gegengeschäfte oder Gegenkäufe sind die häufigste Form der Verbundgeschäfte. Im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch werden sie als Kompensation bezeichnet. 25 Unter den deutschen Kompensateuren hat sich für diese Geschäftsart der Begriff Bartergeschäft durchgesetzt. In der russischen Literatur werden sie vstrecnie zakupki26 (Gegeneinkaut) genannt. Der deutsche Exporteur verpflichtet sich hierbei in einem vom Liefervertrag getrennten Gegengeschäftsvertrag zum Import von Waren aus Rußland. 27 Im Gegensatz zum Barter- und Kompensationsvertrag im engeren Sinne werden zwei selbständige Verträge geschlossen. 28 Lieferung und Gegenlieferung sind also voneinander unabhängig. Häufig geht den beiden Verträgen der Abschluß einer Gegengeschäftsvereinbarung voraus, die die beiden Verträge miteinander verbindet. 29 In dieser Vereinbarung werden die späteren Rechte und Pflichten der Parteien nur in 22 AltmanniClement, S. 10.

23 AltmanniClement, S. 10; Bohunowsky, S.355; East-West Trade, S. 19; PobuskoPonomarev, S. 16. 24 AltmanniClement, S. 10; Beck, S. 256. 25 Vgl. Beck, S. 256. 26 Pirozichin, S.77; Pobusko-Ponomarev, S. 16; Vilkova, S.204; Dzurovic, S. 134, der jedoch damit barternie sdelki (Bartergeschäfte) gleichsetzt.

27 Beck, S. 256; Pobusko-Ponomarev, S. 16. 28 AltmanniClement, S. 10; East-West Trade, S. 19; Krumm, S. 145; Pobusko-Ponomarev, S. 15; Vilkova, S. 204; andeutungsweise Bohunowsky, S. 355. 29 Enderlein, S.254; Karl, JZ 1988, S.643 (645); lmIge-Prollius, S.215; Reichardt, S. 14.

26

1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

groben Zügen fixiert. 30 Sie beinhaltet weder Preise noch Lieferfristen, son-

dern sieht lediglich den Zeitraum vor, in dem die beiden Verträge abzuschließen sind.

Wie bei Kompensationsgeschäften im engeren Sinne können bei Gegengeschäften die Ansprüche aus dem Gegenlieferungsvertrag an einen Dritten abgetreten werden. 31 Auch bei dieser Geschäftsart erfolgt die Preisberechnung in Devisen. Die Bezahlung erfolgt ebenso wie die Lieferung unabhängig von dem anderen Vertrag.32 Gegenkäufe sind grundsätzlich keine umfangreichen und langfristigen Geschäfte unter der Bedingung einer Kreditgewährung. Das unterscheidet sie von Kooperationsabkommen. 33 Es lassen sich verschiedene Ausformungen des Gegengeschäfts feststellen:

1. Parallelgeschiljt Bei Parallelgeschäften wird der Liefervertrag zeitgleich mit dem Gegenlieferungsvertrag geschlossen. 34 An seine Stelle kann aber auch eine bloße Abnahmeverpflichtung treten, die später genauer ausgeformt wird. 35 In der russischen Literatur gibt es keine Bezeichnung für diesen Geschäftstyp. Dies läßt sich damit erklären, daß das Parallelgeschäft in der russischen Literatur als Grundform des Gegengeschäfts behandelt wird, von dem das Junktim- und das Auflagengeschäft unterschieden wird.

2. Junktimgeschiljt Bei Junktimgeschäften wird zuerst das Gegenlieferungsgeschäft, also der Export russischer Waren nach Deutschland, abgeschlossen. Dem deutschen Importeur wird in einem getrennten Vertrag das Recht eingeräumt, die Einkäufe auf spätere Lieferungen anzurechnen. 36 In der russischen Literatur wird diese Geschäftsart als avansovie zakupki (Vorauseinkauf) bezeichnet.37 Falls 30 Karl, JZ 1988, S. 643 (645); Lurger, ZfRV 1991, S. 415 (431); Niggemann, RIW 1987,

S. 169 (173).

31 AJtmann/Clement, S. 11; Buk, S. 257; Krumm, S. 145; ViIkova, S. 204. 32 AJtmann/Clement, S. 11; KozewniJcow, S. 233; Krumm, S. 145. 33 KozewniJcow, S. 233; vgl. zu Kooperationsabkomrnen sogleich unter V. 34 Altmonn/Clement, S. 1l. 35 Beck, S. 257; Bohunowsky, S. 356; Krumm, S. 146; Timm, S. 356. 36 Altmonn/Clement, S. 11; Bohunowsky, S.356; Krumm, S. 146; Lurger, WBL 1990,

S. 353 (360); Pobusko-Ponomarev, S. 17; ViIkova, S. 205.

37 Pobusko-Ponomarev, S. 17; Vilkova, S. 205.

A. Begriffsbestimmung

27

der deutsche Importeur nicht selbst über exportfähige Ware verfügt, kann er anderen deutschen Exporteuren, die bereits eine Gegengeschäftsverpflichtung eingegangen sind, seinen Lieferanspruch abtreten. Dafür zahlen ihm die deutschen Exporteure dann eine sogenannte Stützung. 38 Auf der einen Seite hat das Junktimgeschäft den Vorteil, daß der deutsche Unternehmer bereits vor dem Abschluß seines Vertrages einen abschlußbereiten Partner hat und um die zusätzliche Belastung des zweiten Geschäfts weiß. Auf der anderen Seite geht er jedoch das Risiko ein, einen höheren Preis für die russischen Waren zahlen zu müssen, ohne mit Sicherheit eine Stützungszahlung zu erhalten. 39 Für die russische Seite birgt das Junktimgeschäft die Gefahr, daß bei dem Gegengeschäft die Stützungszahlung auf den Preis der westlichen Ware angerechnet wird. 4O Daher wird dieser Geschäftstyp eher selten durchgeflihrt. 41

3. AujlagengeschIJft Auflagengeschäfte sind allgemeine Vereinbarungen über die Tilgung einer Verpflichtung aus einem Importgeschäft durch den Export von russischen Waren. 42 Im Unterschied zum Parallel- oder Junktimgeschäft hat das Auflagengeschäft keinen rechtlich verbindlichen Charakter, da eine Konkretisierung des Gegenlieferungsgeschäfts unterbleibt. 43 Die russische Literatur verwendet für das Auflagengeschäft den englischen Begriff "Offset" oder den Ausdruck dzenlel 'menslwe soglasenie (Gentlemens-Agreement). 44 IV. Buy-back-Geschäft Bei Buy-back-Geschäften handelt es sich um eine relativ neue Vertragsform. Buy-back-Geschäfte sind überwiegend auf dem Gebiet des Anlagenkaufes anzutreffen. 4S Ein westlicher Exporteur liefert eine Anlage und erhält an Zahlungs Statt Produkte, die auf der Anlage gefertigt werden, oder 38 Bohunowsky, S. 356; Timm, S. 97. 39 Bohunowsky, S. 356. 40 Bohunowsky, S. 357. 41 Timm, S. 97. 42 VilJcova, S. 205. 43 AltmonnlClement, S. 11; Bast-West Trade, S. 22; Pobusko-Ponomartv, S. 17; VilJcova,

S.205.

44 Pobusko-Ponomartv, S. 17; VilJcova, S. 205. 45 AltmonnlClement, S. 12; Enderlein, S. 254; Krumm, S. 147; Timm, S. 98.

28

1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

gleichwertige Produkte. 46 In der russischen Literatur wird diese Vertragsform als kompenzacionnaja sdelktl (Kompenstaionsgeschäft) bezeichnet. 47 Bei diesem Vertragstyp werden wiederum zwei juristisch unabhängige Verträge geschlossen, und die Berechnung des Preises erfolgt in einer vereinbarten Währung. 48 Wie bei der Kooperation erfolgen Lieferung und Gegenlieferung mit zeitlicher Verzögerung, die mehrere Jahre betragen kann. Zu ihrer Überbrückung wird dem russischen Unternehmen ein Kredit gewährt, wozu ein gesonderter Kreditvertrag abgeschlossen wird. 49 Jedoch handelt es sich bei Buy-back-Geschäften im Gegensatz zu Kooperationsverträgen nicht um eine langfristige Zusammenarbeit und Arbeitsteilung. Vielmehr wird in der Regel die Lieferung von auf der Anlage produzierten Waren eingestellt, wenn der Kaufpreis beglichen ist. 50 Durch den Kreditgewährungsaspekt lassen sich Buy-back-Ge~chäfte von Gegen- und Bartergeschäften abgrenzen. 51 Diese Arbeit wird sich jedoch nicht mit Buy-back-Geschäften befassen können. Sie sind auf Kreditbasis und für einen längeren Zeitraum konzipiert und werden nicht wie Barter- und Gegengeschäfte als Einheit abgewickelt. V. Kooperation Unter Kooperation sind langfristige Vorhaben zu verstehen, bei denen im Falle beiderseitigen Interesses der Kauf von Ausrüstungen, Know-how und Lizenzen mit dem Kauf der damit hergestellten Erzeugnisse verbunden wird. In der Regel werden sie auf der Grundlage langfristiger Bankkredite durchgeführt. Dabei wird, wenn es die Parteien wünschen, die Lieferung der Erzeugnisse auch nach der Kredittilgung fortgesetzt. 52 Die russische Literatur be-

46 Enderlein, Reichardt, s. 17.

s. 254;

Krumm,

s. 147;

Ledenev,

s. 55;

Lurger, WBl 1990,

s. 353

(360);

47 Ledenev, s. 55; Ponomarev, Vnesnaja Torgovlja 4/1978, s. 25 ff.; Popyrin, Vnesnaja Torgovlja 3/1980, S. 22 f.; Ponomarev/Savin, Vnesnaja Torgovlja 8/1983, S. 33 ff.

48 AltmannlClement, S. 12; Beck, S.258; East-West Trade, S.23; Krumm, S. 147; Ledenev, S. 55. 49 AltmannlClement, S. 12; East-West Trade, S. 23; Krumm, S. 147; Ledenev, S.55; Pobusko-Ponomarev, S. 19. 50 Krumm, S. 147; vgI. auch Enderlein, S. 254. 51 Krumm, S. 147.

52 Ziff. I der langfristigen Perspektiven der beiderseitige wirtschaftlichen, industriellen und technischen Zusammenarbeit zwischen der BRD und der UdSSR vom 18.1.1974, BAnz. vom 15.2.1974; Boguslavskij, Technologietransfer, S. 241; Pfeffer, S. 218.

A. Begriffsbestimmung

29

zeichnet diese Geschäftsform als kompenzacionnoe soglasenie (Kompensationsabkommen). 53 Einige westliche Autoren verstehen unter dem Begriff "Kooperation" Joint Venture. 54 Dies ist jedoch nur unter Einschränkungen richtig. Wie der Begriff Kompensationsgeschäft, so wird auch der Begriff Joint Venture nicht einheitlich verwandt. Um eine Abgrenzung des Joint Venture von der Kooperation vornehmen zu können, bedarf es einer Konkretisierung der Bezeichnung Joint Venture.

Im wesentlichen gibt es zwei Formen der industrieellen Zusammenarbeit, die allgemein als Joint Venture bezeichnet werden. Bei der einen Form wird ein rechtlich selbständiges Unternehmen gegründet, das von den Vertragspartnem gemeinsam geleitet wird. Im englischsprachigen Schrifttum wird diese Art als equity joint venture55 oder corporate joint venture56 bezeichnet. Bei der in der englischsprachigen Literatur als contractual oder non-corporate joint venture5 7 benannten Form der Zusammenarbeit kommt es dagegen nicht zur Gründung eines gemeinsamen Unternehmens, weil etwa die Beteiligung von Ausländern an lokalen Unternehmen nicht zulässig ist. Diese Form des Joint Venture stellt eine Kooperation wie oben beschrieben dar. Bezüglich dieser Form ist die Aussage, Kooperation sei ein Joint Venture5 8, richtig. Das trifft aber nicht auf das sogenannte equity oder corporate joint venture zu. Im Gegensatz zu equity joint ventures wird bei einer Kooperation kein gemeinsamer Betrieb geschaffen. 59 Das Unternehmen steht bei dieser Geschäftsform im alleinigen Eigentum der russischen Seite. 6O Bei einem Gemeinschaftsunternehmen kann dagegen seit der Ministerratsverordnung Nr. 1405 vom 2.12.1988 "Über die weitere Entwicklung der außenwirtschaftlichen Tätigkeiten der staatlichen, genossenschaftlichen und sonstigen gesellschaftlichen Betriebe, Vereinigungen und Organisationen"61 gemäß Ziffer 31 der Verordnung der Anteil am Statutenfonds durch Vereinbarung der Teilnehmer festgelegt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt mußte der Anteil des sowjetischen Teil-

53 Boguslavskij, IPR, S.

54 Vgl. GmiJr, S. 411.

224 Cf.; Kratlcij slovar', S. 70 .

55 Walmsley, S. 5.

8; vgl. auch Zweigertlv. Hoffmonn, S. 205. 10; Kolde, S. 192; vgl. auch Zweigertlv. Hoffmonn, S. 205. 58 Vgl. GmiJr, S. 411. 59 Kozewnikow, S. 237. 60 Ledenev, S. 56. 61 SPP SSSR, 1989 Nr. 2 Pos. 7. 56 He17/eld, S. 57 He17/eld, S.

30

1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

nehmers an einem Gemeinschaftsunternehmen mindestens 51 % betragen. Seit der Verordnung Nr. 1405 können die Kapitalanteile frei vereinbart werden. Ferner steht ein Unternehmen auf Kooperationsbasis im Gegensatz zu einem equity joint venture gänzlich unter der Leitung der russischen Seite. 62 Bei einem equity oder corporate joint venture hingegen wirken sowohl die russischen als auch die deutschen Partner an der Leitung und Kontrolle des Unternehmens nach unter ihnen festgelegten Regeln mit. 63 Ein weiterer Unterschied zwischen einem equity joint venture und solchen Unternehmen, die ein Kooperationsabkommen geschlossen haben, ist die Gewinn- und Verlustbeteiligung. Bei Unternehmen auf Kooperationsbasis hat jedes Unternehmen einen Anspruch auf alle Einnahmen, die aus seiner Tätigkeit entstehen. Gleichzeitig trägt jedes Unternehmen aber auch alle Ausgaben und Verluste aus seiner eigenen Tätigkeit. 64 Bei einem Gemeinschaftsunternehmen richtet sich die Gewinn- und Verlustbeteiligung nach dem Anteil am Unternehmen. Unternehmen, zwischen denen ein Kooperationsabkommen geschlossen worden ist, sind also nicht allgemein mit Gemeinschaftsunternehmen gleichzusetzen. Zu trennen ist hier zwischen dem contractual joint venture, das eine Kooperation im Sinne dieser Arbeit darstellt, und dem equity joint venture. Das grundlegende Rechtsdokument eines Kooperationsabkommens ist das

general'noe soglasenie (Generalabkommen), welches die Hauptziele und Be-

dingungen der Zusammenarbeit festlegt. 65 Konkrete Verpflichtungen der Parteien, z.B. über die Lieferung, sind in dem Dokument nicht enthalten. Sie sind erst in Verträgen vorgesehen, die durch die entsprechenden russischen und deutschen Firmen geschlossen werden. 66

Die für Kooperationsabkommen kennzeichnenden Kreditverträge sind objektbezogen und juristisch selbständig. Daher sind sie von den Lieferungen der auf der errichteten Anlage hergestellten Ware unabhängig. 67 Die Trennung des Kreditvertrages vom Kooperationsabkommen stellt für den deutschen Unternehmer einen Schutz dar. Er ist zur Vorleistung verpflichtet, hat aber später auf die Qualität und Quantität der Produkte wenig Einfluß. Die Rückzahlung der Kredite hängt nicht von der erfolgreichen Durchführung des Kooperationsabkommens ab. 62 Ledenev, S. 55.

63 Vg\. Herifeld, S. 8; Langenfeld-Wirth, RIW 1990, S. 1 (1); Ledenev, S. 55. 64 Ledenev, S. 56. 65 Kozewni/cow, S. 234. 66 Boguslavskij, IPR, S.225. 67 Kozewni/cow, S. 235, FN 9.

A. Begriffsbestimmung

31

Motive deutscher Firmen, Kooperationsabkommen mit russischen Betrie-

ben einzugehen, sind die kostengtinstigere Produktion, Erweiterung des Geschäftsbereichs sowie die Ausnutzung der Rohstoffreserven in Rußland. 68 Für den russischen Partner geht es in erster Linie um das Erlangen westlicher Technologien, Know-how und den Zugang zum westlichen Markt, der Devi-

seneinnahmen sichert. 69

Diese Arbeit wird sich jedoch nicht näher mit dem Kooperationsabkommen beschäftigen, da es wie das Buy-back-Geschäft auf der Grundlage langfristiger Kredite durchgeführt wird und für einen langen Zeitraum konzipiert ist. Auch sie werden nicht wie Barter- und Gegengeschäfte als Einheit abgewickelt. VI. Switchgeschäft Im Zusammenhang mit Kompensationsgeschäften wird häufig das sogenannte "Switchgeschäft" erwähnt. Das Wort "switch" kommt aus der englischen Sprache und bedeutet umschalten oder umlenken. 70 Auch in der russischen Literatur wird diese Geschäftsart mit dem englischen Ausdruck bezeichnet und von sdelkn tipa "svic" (Geschäft vom Typ "Switch") gesprochen. 71 Hierbei handelt es sich um die vertragliche Einbeziehung eines meist westlichen Handelspartners in Handelsbeziehungen zwischen Unternehmen zweier Staaten mit Devisenproblemen. 72 Zwischen diesen beiden Staaten wurde zuvor ein Clearing-Abkommen geschlossen, welches die bargeldlose Verrechnung der gegenseitigen Lieferungen durch die Staatsbanken vorsieht. 73 Dadurch soll der Devisenmangel überbrückt und die Außenhandelsbilanz ausgeglichen werden. 74

Besteht ein Ungleichgewicht auf einem der Clearing-Konten, weil der erste Staat mehr Waren in das zweite Land exportiert als importiert hat, kann zum Ausgleich der Clearing-Bilanz eine Firma aus einem Drittstaat einbezogen werden. Das westliche Unternehmen, welches beispielsweise Maschinen in das erste Land exportiert hat, wird dafür mit einer Warenlieferung aus dem 68 Großkopf, S. 78; Kratlcij slovar', S. 70. 69 Großkopf, S. 70. 70 Vgl. S. 283 Wörterbuch Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch, bearbeitete Neuausgabe, München 1987. 71 Pobusko-Ponomarev, S. 18; Vilkova, S. 205. 72 Lurger, WBl 1990, S. 353 (361). 73 Bohunowsky, S. 372; Karl, JZ 1988, S. 643 (645); Lurger, WBl 1990, S. 353 (361); Pobusko-Ponomarev, S. 10. 74 Bohunowsky, S. 372.

32

1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

zweiten Staat bezahlt. Der erste Staat gleicht diese Lieferung durch den zweiten Staat mittels Zahlung in seiner Landeswährung auf dem Clearing-Konto aus. 75 Hierdurch wird zum einen der Import westlicher Güter in das erste Land ermöglicht und zum anderen die Clearing-Bilanz zwischen den beiden Vertragsstaaten ausgeglichen. Die Einbeziehung eines westlichen Unternehmens ist auch dadurch möglich, daß das Unternehmen auf das Clearing-Konto des einen Staates Devisen einzahlt und dafür seine Waren in dieses Land exportiert, ohne einer Kompensationsforderung seitens des betreffenden Staates entgegensehen zu müssen. Die Lieferung der westlichen Waren wird durch eine Lieferung aus dem zweiten Clearing-Staat ausgeglichen. 76 Dieser Weg wird in den Fällen gewählt, in denen das westliche Unternehmen seine Lieferung nicht durch Gegenlieferung des ersten Staates ausgeglichen sehen möchte, etwa weil es die angebotenen Produkte nicht benötigt oder sie den Qualitätsanforderungen nicht gerecht werden. Auch mit Switchgeschäften wird sich diese Arbeit nicht näher befassen können. Im Unterschied zu Barter- und Gegengeschäften werden Switchgeschäfte durch die beiden Staaten, die das Clearing-Abkommen geschlossen haben, beeinflußt. Die Voraussetzungen, ein solches Geschäft tätigen zu können, werden nicht von den Unternehmen selbst, sondern von den Staaten geschaffen. Die Abwicklung erfolgt zwischen drei Unternehmen in drei verschiedenen Staaten.

B. Bedeutung der Kompensationsgeschäfte I. Bedeutungen rur den russischen Vertragspartner Die Hauptfunktion der Kompensationsgeschäfte für den russischen Vertragspartner liegt in der Überbrückung des Devisenmangels,17 Verfügte die Sowjetunion aufgrund ihrer Gold- und Rohstoffreserven früher über ausreichend Devisen78, herrscht nun wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage ein Defizit. Gerade neugegründeten Unternehmen fehlt es an Valuta. Durch Kompensationsgeschäfte kann dieser Mangel ausgeglichen werden. Infolge von Warenaustauschgeschäften, insbesondere durch Buy-back-Geschäfte, werden neue Technologien nach Rußland importiert. 79 Die moderne westliche 75 Vgl. Bohunowslcy, S.374; Karl, JZ 1988, S. 643 (645); Ulrger, WBl 1990, S.353 (361). 76 Lurger, WBl 1990, S. 353 (361). 77 AltmanniClement, S. 122; Dzurovic, S. 134; Ledenev, S. 54; Reichardt, S. 21. 78 Krumm, S. 148. 79 AltmanniClement, S. 123; Mestmiicker, S. 214.

B. Bedeutung der Kompensationsgeschäfte

33

Technologie hilft bei der Erschließung von Rohstoffen. 80 Kompensationsgeschäfte vergrößern ferner den Markt für russische Produkte im Ausland. Der russische Unternehmer kann zum einen bei dieser Geschäftsart den Absatz solcher Produkte durchsetzen, die wegen ihrer minderen Qualität schlechtere Verkaufschancen hätten. 81 Zum anderen kommt es aber auch durch Buy-backGeschäfte zu einer Qualitätsverbesserung der auf westlichen Anlagen produzierten Waren82 , welche die Bereitschaft deutscher Firmen steigert, sich auf Gegenforderungen einzulassen. 83 Ein weiterer Vorteil für die russische Wirtschaft besteht darin, daß der westliche Vertragspartner den Verkauf, das Marketing und die Werbung für das russische Produkt übernimmt. 84 Der russische Unternehmer braucht sich daher nicht auf für ihn unbekanntes Gebiet vorzuwagen. Das wird jedoch zur Folge haben, daß der deutsche Vertragspartner die Vertriebskosten in seiner Kalkulation berücksichtigt und den Preis der Gegenforderung erhöht. 85 Ein weiterer Aspekt ist der gesteigerte Importbedarf an westlichen Waren. 86 Die Produktion in Rußland geht zur Zeit insgesamt zurück, so daß die eingeführten Waren die Angebotsstruktur vergrößern.87 Gleichzeitig verhindert die Koppelung von Import- mit Exportgeschäften das weitere Ansteigen der negativen Außenhandelsbilanz. 88 Auf der einen Seite werden nach Rußland wichtige Produkte eingeführt, auf der anderen Seite werden diese Importe durch den Export von Waren ins westliche Ausland ausgeglichen.

ll. Bedeutungen rur den deutschen Vertragspartner Kompensationsgeschäfte werden aufgrund der obengenannten Vorteile meist von dem russischen Vertragspartner angestrebt. 89 Sie haben jedoch auch positive Auswirkungen für den deutschen Unternehmer. Geht er auf Kompensationsforderungen ein, so kann er einen gewaltigen Markt erschließen und 80 Altmann/Clement, S. 122, 126, 128; Bast-West Trade, S. 58. 81 Bohunowsky, S. 349; Bast-West Trade, S. 57; Karl, JZ 1988, S. 643 (643). 82 Altmann/Clement, S. 134. 83 Brunner, Wirtschaftsrecht 1992, S. 9 (10). 84 Altmann/Clement, S. 147; GmiJr, S. 412; Karl, JZ 1988, S. 643 (643); Kismer, S. 396. 85 Altmann/Clement, S. 143. 86 Bohunowsky, S. 349; Pobus1co-Ponomarev, S. 145. 87 Altmann/Clement, S. 138. 88 Bast-West Trade, S. 57; GmiJr, S. 410; Kissner, S. 396; Pobusko-Ponomarev, S. 122 C.;

Reichardt, S. 21.

89 Altmann/Clement, S. 164. 3 Schobeß

34

1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

einen Vorteil vor Konkurrenzunternehmen erlangen. 90 Ließe sich der deutsche Vertragspartner hingegen nicht auf den Abschluß von Kompensationsgeschäften ein, könnte unter Umständen überhaupt kein Exportgeschäft zustandekommen. 91 Durch den Abschluß eines Kompensationsgeschäfts kann ttotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten zumindest die Produktionskapazität eines Unternehmens ausgelastet und die Herstellungskosten gesenkt sowie die Beschäftigung der Mitarbeiter gesichert werden. 92 Dieser Aspekt erlangt gerade in Zeiten einer Rezession Bedeutung. Für den Abschluß eines Verbund- oder Kompensationsgeschäfts spricht ferner, daß der westliche Unternehmer preisgünstige J;\ezugsquellen erschliessen und längerfristige Geschäftsbeziehungen aufbauen kann. 93 Dieser Umstand spielt insbesondere für diejenigen Unternehmen eine große Rolle, die Rohstoffe importieren. Schließlich dient die Warenlieferung im Rahmen eines Buy-back-Geschäfts der Kreditsicherung. 94 Es wird zwar ein vom Liefer- und Gegenlieferungsvertrag unabhängiger Kreditvertrag geschlossen, die Lieferung der auf der Anlage produzierten Ware stellt aber eine zusätzliche Sicherung dar, auf die der westliche Unternehmer Einfluß hat.

C. Vertragspartner auf russischer Seite Im folgenden soll untersucht werden, welche russischen Unternehmen als Vertragspartner für Bartergeschäfte zur Verfügung stehen. Für ein besseres Verständnis der heutigen Situation ist es erforderlich, einen kurzen Überblick über die Entwicklung, welche russischen Unternehmen überhaupt als Verttagspartner einer Export-Import-Operation in Frage kommen, zu geben. I. Entwicklung bis zum Liberalisierungserlaß vom 15.11.1991 Die Außenhandelstätigkeit in der Sowjetunion basierte auf dem Prinzip Lenins, der Einführung des staatlichen Monopols, das am 22.4.1918 in dem

90 Rast-West Trade, S. 61; Krumm, S. 149.

91 AltmQnn/Clement, S. 165; Karl, JZ 1988, S. 643 (644); Pobusko-Ponomarev, S. 155. 92 AltmQnn/Clement, S. 169; Karl, JZ 1988, S. 643 (643). 93 AltmQnn/Clement, S. 171. 94 Maximowa, S. 84; Pobusko-Ponomarev, S. 145.

C. Vertragspartner auf russischer Seite

Dekret de. 96

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"Ober die Nationalisierung des Außenhandels"95 festgeschrieben

wur-

Die staatliche Regulierung der Außenhandelstätigkeit wurde dann von 1918 bis 1986 u.a. durch die Festlegung derjenigen Unternehmen, die Außenwirtschaftsbeziehungen unterhalten durften, verwirklicht. 97 Auf sowjetischer Seite konnte nicht jede beliebige Wirtschaftsorganisation Vertrll8spartner einer Export-Import-Operation sein. 98 Vielmehr wurden speziell für die Abwicklung von Außenhandelstätigkeiten staatliche Allunionsvereinigungen (Vsesojusnoe Obedinenie) gegründet. 99 Alle übrigen Unternehmen hatten keine eigene Aussenhandels- und Au8enwirtschaftskompetenz. Diese Einschränkung galt auch für die Durchführung von Gegengeschäften, da sie wie schlichte Kaufverträge mit ausländischen Firmen Export-Import-Operationen darstellen. 100 Bis 1986 hatte nur ein ganz kleiner Teil von spezialisierten Außenhandelsorganisationen (Vnesneekonomiceskoe Obedinenie) das Recht, Kompensationsgeschäfte durchzuführen. lOI Hinzu kam, daß jede Au8enhandelsorganisation lediglich Verträge über die in ihrer Satzung bestimmten Waren abschließen konnte (Grundsatz der speziellen Rechtsfähigkeit). 102 So durfte beispielsweise eine Außenhandelsorganisation nur einen Exportvertrll8 über Maschinen und eine andere Außenhandelsorganisation einen Importvertrll8 über Waren des täglichen Bedarfs abschließen, welcher mit dem Exportvertrll8 verbunden wurde. Die Au8enhandelsorganisationen waren also auf bestimmte Warengruppen spezialisiert und hatten dort eine Monopolstellung inne. l03 1. VerordnungenNr. 991 undNr. 992 vom 19.8.1986

Durch die Verordnung des Ministerrates der UdSSR

"Ober

Maßnahmen

zur Vervollkommnung der Leitung der Außenwirtschaftsbeziehungen " vom 19.8.1986 Nr. 991 und die Verordnung "Ober Maßnahmen zur Vervoll95 SV RSFSR 1918, Nr. 33 Pos. 432. 96 Vgl. dazu Muzin, S. 16; Pfaff-Weahkr, S. 435. 97 Marinic, S. 3; Piroz.ichin, S. 77; Sineckij, S. 14. 98 PosdnjaJcuv-PosdnjaJcuv, S. 9. 99 Boguslavskij, RlW 1988, S. 161 (163); Pfaff-WeahIer, S. 438; PosdnjaJcuv-PosdnjaJcov, S.9. 100 Pirozichin, S. 77; vgl. auch Boguslavskij, IPR, S. 200. 101 Pirozichin, S. 77. 102 Pirozichin, S. 77; vgl. dazu auch Niggemonn, RlW 1987, S. 169 (172); Pfaff-Waehler, S.438. 103 Vgl. Reichart, RlW 1990, S. 10 (10). 3*

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

kommnung der Leitung durch wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit sozialistischen Ländern" ebenfalls vom 19.8.1986 Nr. 992 104 wurde die Zahl derjenigen Unternehmen wesentlich erhöht, die Bartergeschäfte tätigen durften. Die Verordnungen sprechen in diesem Zusammenhang nicht von bartemie sdelki (Bartergeschäften), sondern von prjamie svjasi (direkten Beziehungen). Gemeint sind damit jedoch Bartergeschäfte. 10S Mehr als 20 Ministerien der UdSSR sowie 70 der größten Vereinigungen und Unternehmen wurde ab dem 1.1.1987 das Recht gewährt, unmittelbar ExportImport-Operationen auch auf den Märkten der kapitalistischen Staaten und Entwicklungsländer durchzuführen. Jedoch übte das Außenhandelsministerium der UdSSR und das Staatliche Komitee der UdSSR für Außenhandelsbeziehungen zwecks Sicherung allgemeinstaatlicher Interessen die Kontrolle über die Außenhandelsoperationen aus. Wie diese Kontrolle im einzelnen aussah, ist in den Verordnungen nicht geregelt. Vereinigungen und Unternehmen, die noch keinen Zugang zum Außenhandel hatten, mußten Export-Import-Operationen über Außenhandelsorganisationen des Außenhandelsministeriums durchfUhren. Jedoch durften Wirtschaftsorganisationen, die kein Recht zum unmittelbaren Zugang zum Außenmarkt hatten, zumindest Bartergeschäfte mit Organisationen der Mitgliedsstaaten des RGW durchführen. 106 Die Verordnungen vom 19.8.1986 vergrößerten also die Zahl der für Bartergeschäfte in Betracht kommenden russischen Vertragspartner . Zu einer grundlegenden Änderung des staatlichen Außenhandelsmonopols kam es aber nicht. 2. Verordnungen Nr. 1405 vom 2.12.1988 und Nr. 203 vom 7.3.1989

Seit der Verordnung des Ministerrats der UdSSR "Über die weitere Entwicklung der Außenhandelstätigkeit staatlicher, kooperativer und anderer gesellschaftlicher Unternehmen, Vereinigungen und Organisationen" vom 2.12.1988, Nr. 1405 107 stand grundsätzlich allen Unternehmen und Organisationen, die auf dem Außenmarkt konkurrenzfähige Produkte herstellten, das

104 Beide Verordnungen in SPP SSSR 1986, Nr. 33 Pos. 172; dazu auch Bogus/avskijl

Smimow, S. 19.

105 Siehe Pirol.ichin, S. 77. 106 Vgl. Verordnung Nr. 991 vom 19.8.1986, SPP SSSR 1986, Nr. 33 Pos. 172. 107 SPP SSSR, Abschn. I, 1989, Nr. 2 Pos. 7.

C. Vertragspartner auf russischer Seite

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Recht zu, unmittelbar Außenhandelsoperationen durchzuführen. Darunter fielen auch Kompensationsgeschäfte. 108 Voraussetzung für die Teilnahme an der Außenwirtschaftstätigkeit war aber die Registrierung der sowjetischen Unternehmen beim Ministerium für Aussenhandelsbeziehungen. Durch die Registrierung übte der Staat noch immer die Kontrolle über die Teilnehmer am Außenhandel aus. Die Registrierung wurde in der Verordnung des Ministerrates der UdSSR Nr. 203 "Über Maßnahmen staatlicher Regulierung der Außenhandelstätigkeit" vom 7.3.1989 109 näher geregelt. In der Verordnung sind zwar keine Fälle vorgesehen, in denen die Registrierung zu unterbleiben hatte. Es bedurfte lediglich einer Anmeldung. Die Verordnung Nr. 203 enthielt jedoch auch Regelungen, die Exportund Importbeschränkungen vorsahen. Sie wurden durch Punkt 9 Abs. 3 der Verordnung in Form von Mengen- oder Warenquoten für den Ex- oder Import eingeftihrt. Diese Beschränkungen wurden gemäß Punkt 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 203 für einzelne Waren, Länder oder Ländergruppen dann eingeführt, wenn das der Zustand der Zahlungsbeziehungen sowie andere ökonomische und politische Bedingungen erforderten. Es läßt sich also feststellen, daß zwar grundsätzlich alle Unternehmen, die an Außenwirtschaftsbeziehungen teilnehmen wollten, nach ihrer Registrierung das Recht hierzu hatten. Der Staat in Gestalt der Staatlichen Außenwirtschaftskommission des Ministerrates der UdSSR (Gosudarstvennaja VnesneelrolUJmiceskaja Kommissija Soveta MinistTov SSSR) hatte jedoch die Möglichkeit, dieses Recht einzuschränken. Die Verordnung Nr. 1405 führte aber bezüglich Bartergeschäfte bereits die erste Einschränkung ein. Im Gegensatz zu ..gewöhnlichen Außenhandelsgeschäften fließt bei Kompensationsgeschäften keine oder nur in geringen Mengen Westwährung in den Staatshaushalt. Zwar war der Exporteur wie bei einem gewöhnlichen Außenhandelsgeschäft verpflichtet, einen Teil des Exporterlöses an den Staat abzugeben, doch hing und hängt diese Verpflichtung von den Valutaeinnahmen ab. UO So mußten und müssen die russischen Unternehmen 50 % ihrer Devisenerlöse zu einem staatlich festgelegten Kurs verkaufen. 1U Bei Bartergeschäften fließen aber gar keine Devisen nach Rußland. Um eine Umgehung der Zahlungsverpflichtung durch die Unternehmen zu verhindern, bestimmte daher Punkt 29 der Verordnung Nr. 1405, daß lediglich Firmen und Organisationen des Handelsministeriums der UdSSR Waren108 Pirozichin, S. 77. 109 SP SSSR 1989, Abschn. I, Nr. 16 Pos. SO. 110 Pirozichin, S. 78; vg!. dazu auch WiRD 1992, S. 29.

Ul Erlaß des Präsidenten der RF vom 14.6.1992 Nr. 629, der den Erlaß vom 30.12.1991 Nr. 335 in diesem Punkt ändert.

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

austauschgeschäfte, die Produkte industriell-technischer Bedeutung und Waren des Volksbedarfs zum Gegenstand haben, durchführen dürfen.

Gemäß Punkt 30 der Verordnung Nr. 1405 lag zudem die Entscheidung, im Einzelfall Bartergeschäfte tätigen zu können, bei dem Ministerrat der UdSSR. Im Falle der Abwicklung nicht genehmigter Warenaustausch- bzw. Bartergeschäfte setzte die Staatliche Außenwirtschaftskommission des Ministerrates der UdSSR auf Vorlage des Ministeriums für Außenwirtschaft der UdSSR und der Ministerräte der Unionsrepubliken gemäß Punkt 10 der Verordnung Nr. 203 vom 7.3.1989 die Geschäfte des betreffenden Unternehmens aus. Die Verordnungen Nr. 1405 vom 2.12.1988 und Nr. 203 vom 7.3.1989 stellten damit auf der einen Seite eine Befreiung vom staatlichen Außenhandelsmonopol dar. Auf der anderen Seite blieb aber eine strenge staatliche Kontrolle bezüglich der Durchflihrung von Bartergeschäften bestehen. Es war damit trotz aller Erleichterungen auch weiterhin nur eine kleine Zahl von Unternehmen, die als Partner für solche Geschäfte in Frage kam. 3. Verordnung Nr. 1253 vom 8.12.1990 Zum Zweck der Stabilisierung der Außenhandelstätigkeit durch Unternehmen, Vereinigungen und Organisationen in der Zeit des Übergangs zur Marktwirtschaft erließ der Ministerrat der UdSSR am 8.12.1990 eine neue Verordnung, die weitreichende Bedeutung für Bartergeschäfte hatte. Die Verordnung Nr. 1253 "Über die Bildung eines Valutafonds im Jahre 1991 "112 sah zwecks Verbesserung der Volkswirtschaftsbilanz die Einstellung von Bartergeschäften für das Jahr 1991 vor. Das Verbot zur Durcbflihrung von Bartergeschäften ließ sich nur mit den dadurch bedingten geringen Valutaeinnahmen des Staates erklären. Zwar wurde die Außenwirtscbaftsbilanz durch Bartergeschäfte ausgeglichen, da Waren zu gleichem Wert ex- und importiert wurden, aber der Staat nahm durch diese Geschäfte weniger Devisen ein. Die Unternehmen mußten grundsätzlich einen Teil ihrer Valutaeinnahmen an den Staat zu einem festgesetzten Kurs verkaufen. Durch Bartergeschäfte wurden jedoch keine Devisen eingenommen, so daß dieser Geschäftstyp dem Staat die beschriebene Einnahmequelle nahm. Dieser Erklärung für das Verbot von Bartergeschäften für das Jahr 1991 wurde aber bereits durch die Ministerratsverordnung vom 10.1.1991 der Boden entzogen. Die Verordnung "Über die Festlegung des Steuersatzes für Exund Importe durch Außenhandelsorganisationen"113 sah rückwirkend vom 1.1.1991 eine Besteuerung des gesamten Warenwertes vor, der im Außenhan112 SP SSSR 1991 Abschn. I. Nr. 1 Pos. 3. 113 SP SSSR 1991 Abschn. I. Nr. 1 Pos. 25; vgl. auch Bolinger. S. 15.

C. Vertragspartner auf russischer Seite

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deisvertrag festgelegt war. Zu zahlen war in Rubeln zu dem von der Staatsbank festgelegten Handelskurs. Damit mußten auch die Unternehmen, die Bartergeschäfte tätigten, eine den Deviseneinnahmen entsprechende Abgabe zahlen. soweit der Warenwert im Vertrag festgelegt war.

n. Entwicklung 5eit dem Liberalisieru.ngserlaß vom 15.11.1991 Durch den Erlaß des Präsidenten der Russischen Föderation "Über die Liberalisierung der Au8enwirtschaftstätigkeit auf dem Territorium der RSFSR" vom 15.11.1991 114 sollte in Rußland die Regulierung der Au8enwirtschaftstätigkeit neu gestaltet werden. Nach Ziff. 1 des Präsidialerlasses ist zunächst allen auf diesem Gebiet registrierten Unternehmen und Vereinigungen unabhängig von ihrer Eigentumsform die Durchführung von Außenhandelstätigkeiten ohne spezielle Registrierung zu gesWten. Auch sind nach Ziff. 2 Spiegelstrich 1 des Erlasses 115 alle nicht auf Gesetze der RSFSR gestützten Einschränkungen bei Warenaustauschgeschäften im. Außenhandel innerhalb einer Frist von einem Monat aufzuheben. Damit sind die Punkte 29 und 30 der Verordnung Nr. 1405 nicht mehr wirksam. da es sich bei der Verordnung um einen Rechtsakt der UdSSR und nicht der RSFSR handelt. Ebenso gilt die Verordnung Nr. 203 vom 7.3.1989 nicht mehr. Ferner ist gemäß Punkt 2 Spiegelstrich 2 des Liberalisierungserlasses116 von der Regierung der RSFSR ein neues Verzeichnis von Waren, deren Exund Import lizenziert und quotiert wird, im Sinne einer wesentlichen Verkürzung dieses Verzeichnisses zur Bestätigung vorzulegen. Das führt dazu, daß nur noch 10 %, statt bisher 90 % der Warengattungen beim Export und 5 %, statt bisher 15 % beim Import einer Lizenzierung und Quotierung unterliegen. 117 Problematisch ist jedoch, daß die Quoten und Lizenzen für fast alle dieser Warengattungen auf Auktionen vergeben werden. Dies kommt den ohnehin schon finanzkräftigen ehemaligen Außenhandelsorganisationen zugute, die sich auf einer Auktion gegen Klein- und mittelständige Unternehmen

114 VSND RSFSR 1991, Nr. 47 Pos. 1612. 115 "Zum Ziele der Stimulierung der Außenwirtschaftstätigkeit, der Stabilisierung des Binnenmarktes sowie zur Anziehung IlUländischer Investitionen be.schließe ich: ... 2) Der Regierung der RSFSR aufzugeben: - die nicht auf die Ge.tetze der RSFSR gestützten Einschränkungen bei Bartergeschäften innerhalb einer Frist von einem Monat aufzuheben; ... " 116 " ... 2) ... - innerhalb einer Frist von einem Monat ein neues Verzeichnis von Waren (Arbeiten und Dienstleistungen), deren Export und Import lizenziert und quotiert wird, im Sinne einer wesentlichen Verkürzung dieses Verzeichnisses zur Bestätigung vorzulegen; ... "

117 Schwarz, WiRD 1992, S. 14 (14 C.).

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

durchsetzen können. 118 Sie werden als Sonderexporteure (speceksportery) bezeichnet. Von der Quotierung und Lizenzierung sind zudem unter anderem Erdöl und Erdölprodukte, Holz und Holzprodukte sowie Metalle und Erzeugnisse hieraus betroffen, die gerade bei Warenaustauschgeschäften eine große Rolle spielen. 119 Die Liberalisierung der Außenwirtschaftstätigkeit wurde jedoch bereits durch einen Erlaß des Präsidenten vom 14.6.1992 120 "Über die Ordnung des Exportes von strategisch wichtigen Rohwaren" eingeschränkt. Hierunter fallen ungefähr 85 % aller Waren. 121 Der Erlaß führt erneut eine Registrierungspflicht für Unternehmen ein, die solche Waren ~xportieren wollen. Die dafür vom Außenhandelsministerium erlassene Verfahrensordnung 122 stellt an die Außenhandelserfahrung und Liquidität der Bewerber derart hohe Anforderungen, daß praktisch wiederum nur die ehemaligen staatlichen Außenhandelsorganisationen registriert werden. 123 Durch den Erlaß des Präsidenten vom 6.3.1995 "Über die grundlegenden Prinzipien des Außenhandels der Russischen Föderation" 124 ist die Stellung dieser Unternehmen, die registriert worden sind, jedoch geschwächt worden. Nunmehr bedarf es keiner Registrierung von Unternehmen mehr, die strategisch wichtige Rohstoffe exportieren wollen. Es bleibt aber die Pflicht, Exportverträge über strategisch wichtige Rohstoffe wie z.B. Rohöl, Naturgas, Kobalt und metallurgische Halbprodukte beim Außenhandelsministerium registrieren zu lassen 125, unberührt. Der Liberalisierungserlaß befreite die russischen Unternehmen zudem nicht von ihrer Verpflichtung, einen Teil ihrer Deviseneinnahmen abzugeben. Gemäß Punkt 4 des Erlasses sind die Unternehmen verpflichtet, einen von der Regierung der RSFSR festgelegten Teil ihrer Valutaeinnahmen an die zentrale Bank der RSFSR zur Bildung einer republikanischen Valutareserve der RSFSR zu verkaufen. Die Valutareserve wird unter anderem zur Bezahlung von Auslandsschulden verwandt. Zur Zeit müssen 10 % der Deviseneinnah118 Vgl. Schwa,." WiRD 1992, S. 14 (15). 119 Siehe zur Waren1iste Anlage 1 der Ausführungsverordnung zum Außenwirtschaftserlaß, Kommersant Nr. 27/1992. Zur Lizenzierung in Rußland vgl.: Wölke, WiRD 1995, S. 332 f. 120 VVS RF 1992, Nr. 25 Pos. 1424. 121 L.N. Drlov in seinem Vortrag am 1.12.1992 in Moskau über "Neues in der rechtlichen Regulierung der Außenwirtschaftstätigkeit in der RF" (Novoe v pravovom regulirovanii vnesneekonomiceskoj dejatel'nosti v Rossijskoj Federacii). 122 Kommersant Nr. 27/1992. 123 Vgl. Schwal7lMUller, WiRD 1993, S. 33 (42). 124 SZ RF 1995, Nr. 11 Pos. 896. 125 Ziff. 4 der Verordnung vom 1.7.1994 "Ober Maßnahmen zur Vervol\kommnung der staatlichen Regulierung des Waren- und Dienstleistungsexports", SZ RF 1994, Nr. 11 Pos. 1295.

C. Vertragspartner auf russischer Seite

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men für den Export bestimmter Waren wie Erdöl, Holz und Metalle zum speziellen kommerziellen Kurs verkauft werden. 126 Durch eine Instruktion der Zentralbank der Russischen Föderation vom 12.10.1993 "Zur Durchführung der Devisenkontrolle über den Eingang von Devisenerlösen für Warenexporte in der Russischen Föderation"127 wurde ferner ein Verfahren eingeführt, durch welches jedes Exportgeschäft einer russischen Firma dokumentiert wird. Dadurch sollen die zu erwartenden Deviseneinnahmen bestimmt werden. Zwar kann durch Bartergeschäfte die Devisen-Verkaufspflicht umgangen werden. Exporte, die aufgrund eines Bartergeschäftes getätigt werden, unterliegen jedoch erhöhten Exportzöllen. 128 Durch die den Erlaß vom 15.11.1991 flankierenden gesetzlichen Regelungen können im Ergebnis lediglich wieder die alten Außenhandelsorganisationen Export-Import-Operationen und damit Kompensationsgeschäfte durchführen. 129 Anderen Unternehmen ist es kaum möglich, direkt mit ausländischen Firmen Geschäfte zu tätigen. Sie können sich aber einer Außenhandelsorganisation bedienen, die für sie Verträge schließt. Im folgenden sollen daher die rechtliche Stellung von Außenhandelsorganisationen und die Konsequenzen der Einschaltung einer solchen Organisation durch ein russisches Unternehmen im Rahmen eines Kompensationsgeschäfts betrachtet werden. Hierbei und bei allen weiteren Ausftihrungen zum russischen Recht werden die Bestimmungen des Ersten Teils des Zivilgesetzbuches (Grazdanskij kodeks) der Russischen Föderation 130, die am 1.1.1995 in Kraft getreten sind l31 , berücksichtigt, soweit sie für diese Arbeit von Bedeutung sind. Der Erste Teil des Zivilgesetzbuches löst gemäß Art. 2 des Einftihrungsgesetzes das Zivilgesetzbuch von 1964 ab, soweit die allgemeinen Bestimmungen über das Schuldrecht betroffen sind. Das gleiche gilt gemäß Art. 3 und 4 für die Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 und die Verordnung vom 14.6.1992 "Über die Regulierung der bürgerlich-rechtlichen Beziehungen in 126 Vgl. Punkt 5.6 des Erlasses des Präsidenten "Ober die Bildung einer republikanischen Valutareserve der RSFSR im Jahre 1992" Nr. 335 vom 30.12.1991, VVS RSFSR 1992, Nr. 2 Pos. 76. 127 128 129 130

22 ff. 1994, S. 28. Vgl. Schwal7lMüller, WiRO 1993, S. 33 (42). Angenommen von der Staatsduma am 21.10.1994, veröffentlicht in der Rossijskaja Gazeta vom 8.12.1994. 131 Art. 1 des Gesetzes über die Einführung des Ersten Teils des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation vom 21.10.1994, Rossijskaja Gazeta vom 8.12.1994. Kommersant 41/1993, S. Vgl. Solotych, WiRO

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

der Periode der Durchführung der Wirtschaftsreform" .132 Altes Recht bleibt damit auf Fragen, die nicht von dem Ersten Teil des Zivilgesetzbuches geregelt werden, anwendbar. Gemäß Art. 5 des Einftihrungsgesetzes ist der Erste Teil des Zivilgesetzbuches auf bürgerlich-rechtliche Beziehungen anzuwenden, die nach dem 1.1.1995 entstanden sind. Bis zum 31.12.1994 gilt demnach altes Recht und ist weiterhin für Verträge maßgebend, die vor dem 1.1.1995 geschlossen worden sind.

ill. Die Außenhandelsorganisation Alle staatlichen Unternehmen, worunter auch die Außenhandelsorganisationen fallen, sollen gemäß zahlreicher Verordnungen und Erlässe privatisiert werden. 133 So sehen ein Erlaß und eine Verordnung des Präsidenten der Russischen Föderation die Umgestaltung staatlicher Unternehmen in Aktiengesellschaften offenen Typs (akcionemye obsestvo otkrytovo tipa) vor. Das ist zum einen der Erlaß Nr. 721 "Über organisatorischen Maßnahmen ftir die Umgestaltung von staatlichen Unternehmen und von freiwilligen Vereinigungen staatlicher Unternehmen in Aktiengesellschaften" vom 1.7.1992 134 und zum anderen die Verordnung "Über die Kommerzialisierung staatlicher Unternehmen mit der gleichzeitigen Umgestaltung in Aktiengesellschaften offenen Typs" 135, die durch den Erlaß vom 1. 7 .1992 bestätigt wurde. Die ehemaligen staatlichen Außenhandelsorganisationen sollen also in der Zwischenzeit zu Aktiengesellschaften offenen Typs umgewandelt worden sein. In Art. 96 und Art. 97 des Ersten Teils des Zivilgesetzbuches von 1994 wird nunmehr von "offener" und "geschlossener" Aktiengesellschaft gesprochen. Gemäß Art. 94 Punkt 3 des Gesetzes über Aktiengesellschaften sind die Gesellschaften verpflichtet, ihre Gründungsdokumente (u.a. die Satzung) bis zum 1.7.1996 an das neue Gesetz anzupassen. Damit muß auch die Firma der Gesellschaft geändert werden. Anderenfalls gelten die Gründungsdokumente als unwirksam. Daher wird in dieser Arbeit im weiteren nur noch die neue Bezeichnung verwandt.

1. Rechtliche Stellung der Außenhandelsorganisation Die Außenhandelsorganisationen waren schon vor dem Erlaß und der Verordnung vom 1.7.1992 juristische Personen mit eigener Rechnungsführung 132 Rossijskaja Gazeta vom 24.7.1992; vg!. übersetzung Anhang I. 133 Siehe zur Privatisierung in Rußland: ScheifeIe, RIW 1992, S. 20 ff. 134 Ekonomika i zisn' Nr. 28/1992, S. 21. 135 Diese Gesellschaftsform entspricht in etwa der deutschen Aktiengesellschaft.

C. Vertragspartner auf russischer Seite

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(juridiceskoe lico na chosrascete).136 Nach der Umwandlung in eine offene Aktiengesellschaft haben sie gemäß Art. 2 Punkt 1 der Verordnung "Über die Kommerzialisierung staatlicher Unternehmen mit der gleichzeitigen Umgestaltung in Aktiengesellschaften offenen Typs" ebenfalls den Status einer juristischen Person. Gemäß Art. 11 Punkt 1 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung (Osnovy grazdanskogo zakonodatel'stva) vom 31.5.1991 137 , welche am 3.8.1992 in Kraft getreten sind 138 , und Art. 48 des Ersten Teils des Zivilgesetzbuches von 1994 ist unter einer juristischen Person eine Organisation zu verstehen, die über Eigentum verfügt und mit diesem für ihre Verpflichtungen einsteht sowie in ihrem Namen vor Gericht auftreten kann. Die juristische Person handelt auf der Grundlage ihrer Satzung (ustav). Dort müssen die Ziele ihrer Tätigkeit, die Zusammensetzung und Kompetenz ihrer Organe und weitere in der Gesetzgebung über juristische Personen der betreffenden Rechtsform festgelegten Punkte bestimmt werden, Art. 13 Punkt 3 Satz 1 und 4 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung bzw. Art. 52 des neuen Zivilgesetzbuches. Eine Außenhandelsorganisation, die in eine offene Aktiengesellschaft umgewandelt worden ist, handelt auf der Grundlage ihrer Satzung, Abschnitt N der Verordnung vom 1.7.1992. Gemäß Art. 3 Punkt 1 und Punkt 3 dieser Verordnung ist das Hauptziel der Gesellschaft, Gewinne zu erzielen. Dies kann sie dadurch erreichen, daß sie jede beliebige Art von Wirtschaftstätigkeit - mit Ausnahme der durch Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation verbotenen - durchführt. Die juristische Person unterliegt nach Art. 13 Punkt 3 der Grundlagen und Art. 51 des neuen Zivilgesetzbuches der staatlichen Registrierung. Erst ab dem Zeitpunkt der Registrierung gilt sie als gegründet. Das Register ist öffentlich und wird unter anderem bei der Moskauer Registrationskammer (Moskovskaja Registracionnaja Palata) und der Registrationskammer beim Wirtschaftsministerium geführt. 139 Dort werden juristische Personen registriert, die in Moskau gegründet worden sind. Gründungen außerhalb Moskaus werden von den entsprechenden örtlichen Behörden registriert.

136 Bogus/avskij, in "Rechtliche Regulierung", Posdnjalcov-PosdnjaJcov, S. 9; Sineckij, S. 18.

S.30; Bogus/avskij/Smimov, S.34;

137 VSND SSSR 26.6.1991, Nr. 26 Pos. 733. 138 Punkt 1 des Beschlusses vom 3.3.1993 des Obersten Sowjets der RF "Ober einige Fragen der Anwendung der Gesetzgebung der UdSSR allf dem Territorium der RF", der bereits am 18.6.1992 in der Rossijskaja Gazeta veröffentlicht wurde. 139 Zur Registrierung siehe BreidenbachiSchwarz, Syst RUS/ll, Rdnr. 43 ff.

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

2. Rechts- und Handlungsjtihigkeit Die Rechte und Pflichten der in eine offene Aktiengesellschaft umgewandelten Außenhandelsorganisation entstehen ab dem Zeitpunkt ihrer Registrierung, Art. 2 Punkt 1 der Verordnung vom 1.7.1992 und Art. 8 Satz 2 des Gesetzes über Aktiengesellschaften vom 25.12.1995, das am 1.1.1996 in Kraft getreten ist 140 . Der juristischen Person stehen gemäß Art. 12 Punkt 1 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 diejenigen Rechte zu, die mit ihren Tätigkeitszielen, welche in den Gründungsdokumenten festgelegt sind, übereinstimmen. Damit bestimmt die Satzung den Inhalt der Rechtsfähigkeit der offenen Aktiengesellschaft. 141 Ähnlich ist die neue Regelung des Art. 49 Punkt 1 Satz 1 des neuen Zivilgesetzbuches von 1994 ausgestaltet. Einige Tätigkeiten, die durch ein Gesetz bestimmt werden, dürfen jedoch nur aufgrund spezieller Erlaubnis (Lizenzen) durchgeführt werden, Art. 49 Punkt 1 Satz 3 und Art. 2 Punkt 3 Satz 2 des Gesetzes über Aktiengesellschaften. Da das Tätigkeitsziel der in eine offene Aktiengesellschaft umgewandelten Außenhandelsorganisation in dem Erhalt von Gewinnen liegt, Art. 3 Punkt 1 der Verordnung vom 1.7.1992, und sie dafür jede beliebige Wirtschaftstätigkeit ausüben darf, soweit sie nicht durch Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation verboten ist, ist der Inhalt der Rechtsfähigkeit einer ehemaligen Außenhandelsorganisation weit auszulegen. Auch die Grenzen der Rechtsfähigkeit ergeben sich aus der Satzung. Die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person endet dort, wo ihre Tätigkeit mit den Zielen der betreffenden Gesellschaft kollidiert, Art. 12 Punkt 1 Satz 2 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung. Das gleiche gilt auch, wenn die offene Aktiengesellschaft Tätigkeiten ausübt, die durch Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation verboten sind, Art. 3 Punkt 3 der Verordnung vom 1. 7 .1992. Nach dem neuen Zivilgesetzbuch kann die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person nur aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden, Art. 49 Punkt 2. Widerspricht ein Vertrag den in der Satzung festgelegten Zielen oder gesetzlichen Vorschriften der Russischen Föderation, so ist er als nichtig anzusehen. Als Folge hiervon haben sich die Parteien gemäß Art. 30 Punkt 3 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung das aus dem Vertrag Erlangte zurückzugewähren. Die gleiche Regelung trifft Art. 167 Punkt 2 des Ersten Teils des Zivilgesetzbuches, der im Falle der Unmöglichkeit, die Sache zurückzugeben, eine Schadensersatzpflicht vorsieht. .

140 Rossijskaja Gazeta vom 29.12.1995; vgl. zum neuen russischen Aktiengesetz: Micheler, WiRO 1996, S. 81 ff.. 141 Vgl. schon Boguslavskij/Smimov, S. 35; Posdnjakov-Posdnjakov, S. 9.

C. Vertragspartner auf russischer Seite

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Die juristische Person handelt durch ihre Organe und erwirbt dadurch Rechte und Pflichten, Art. 14 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung sowie Art. 53 Punkt 1 Satz 1 des neuen Zivilgesetzbuches. Für die offene Aktiengesellschaft handelt der Generaldirektor (general'nyj direktor). Er fUhrt die operative Leitung der Gesellschaft und erteilt in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung der Russischen Föderation alle für die Erfüllung der Tätigkeit der Gesellschaft erforderlichen Vollmachten, Art. 10 Punkt 1 der Verordnung vom 1.7.1992. Der Generaldirektor selbst hat das Recht, ohne Vollmacht im Namen der Gesellschaft Handlungen vorzunehmen, Art. 10 Punkt 4 dieser Verordnung. Durch den Generaldirektor oder durch von ihm bevollmächtigte Personen erlangt die offene Aktiengesellschaft Rechte und Pflichten. 3. Haftung

Die offene Aktiengesellschaft haftet wie jede juristische Person mit dem gesamten ihr gehörenden Vermögen. Dies ergibt sich aus Art. 2 Punkt 3 der Verordnung vom 1.7.1992 142 und ab dem 1.1.1996 gemäß Art. 3 Punkt 1 des Gesetzes über Aktiengesellschaften. Die Aktionäre tragen Verluste der Gesellschaft nur in Höhe ihrer Einlage, d.h. in Höhe des Paketes der ihnen gehörenden Aktien, Art. 2 Punkt 3 Satz 2 der Verordnung vom 1.7.1992. Gleichzeitig haftet die Gesellschaft nicht für Vermögensverpflichtungen der Aktionäre, Art. 2 Punkt 3 Satz 3 dieser Verordnung und Art. 3 Punkt 2 des Gesetzes über Aktiengesellschaften. Der Haftung liegt also ein Trennungsprinzip zugrunde. Ein Haftungsdurchgriff auf die Aktionäre ist nicht möglich. a) Haftung im Innenverhältnis Die Mitglieder des Direktorenrates und die Mitglieder des Vorstandes haf-

ten im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft. Der Direktorenrat sowie

der Vorstand werden von der Aktionärsversammlung, dem höchsten Organ der Gesellschaft, ernannt, Art. 6.3 Punkt 13 der Verordnung vom 1.7.1992. Zum Direktorenrat gehören der Generaldirektor der offenen Aktiengesellschaft und sein Stellvertreter, der Vorsitzende des Vermögensfonds, der Vorsitzende des Arbeitskollektivs sowie der Vorsitzende der örtlichen Machtorgane, Art. 8 Punkt 1 der Verordnung vom 1.7.1992. Sie tragen gegenüber der Gesellschaft die Verantwortung für den Schaden, der infolge der Nichter142 Art. 2: Juristischer Status der Gesellschaft 2.1. Die Gesellschaft ist eine juristische Person. Die Rechte und Pflichten einer juristischen Person erwirbt die Gesellschaft ab dem Tage ihrer Registrierung. 2.3. Die Gesellschaft haftet für ihre Verbindlichkeiten mit ihrem Vermögen. Die Aktionäre tragen Verluste in Höhe ihrer Einlage. Die Gesellschaft haftet nicht für Vermögens verpflichtungen der Aktionäre ....

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

füllung ihrer ihnen von der geltenden Satzung übertragenen Aufgaben entstanden ist, Art. 7 Punkt 8 Spiegelstrich 1 der Verordnung vom 1.7.1992. 143 Gleiches gilt, wenn der Schaden durch unzureichende Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben entstanden ist, Art. 7 Punkt 8 Spiegelstrich 2 der Verordnung. Gemäß Art. 7 Punkt 9 der Verordnung sind die Mitglieder des Direktorenrates dazu verpflichtet, Schadensersatz in vollem Umfang (v polnom obeme) zu leisten, wenn sie die Pflichten, die in Art. 7 Punkt 1 - 8 der Verordnung festgelegt sind, verletzen. Zu ersetzen ist auch der entgangene Gewinn. In den Punkten 1 - 7 ist im wesentlichen die Art und Weise der Erfüllung allgemeiner Pflichten (Durchführung des Privatisierungsplanes; Loyalitätspflicht; keine Teilhabe an Konkurrenzunternehmen; gewissenhafte Pflichterfüllung) geregelt. Punkt 8 betrifft die durch die Satzung festgelegten Pflichten der Mitglieder des Direktorenrates.

b) Haftung im Außenverhältnis Eine Haftung des Direktorenrates im Außenverhältnis besteht nicht gegenüber dem Vertragspartner der Gesellschaft, z.B. einem deutschen Unternehmen als Partner eines Bartervertrages, sondern nur intern gegenüber der Gesellschaft. Dem möglichen deutschen Vertragspartner steht ausschließlich das Vermögen der offenen Aktiengesellschaft als Haftungsmasse zur Verfugung. IV. Die Außenhandelsorganisation als Kommissionär

Russische Unternehmen können oder müssen sich sogar zum Teil zur Durchführung bestimmter Außenhandelsgeschäfte l44 einer Außenhandelsorganisation bedienen. Dies kann durch den Abschluß eines Kommissionsvertrages (dogovor komissii) zwischen dem russischen Unternehmen und der Außenhandelsorganisation geschehen. Hat ein russisches Unternehmen für den Export bestimmter Waren keine Lizenz, muß das Unternehmen eine ehemalige Außenhandelsorganisation einschalten, wenn es ein internationales

143 Art. 7: Direktorenrat und Vorstand . 7.8: Die Mitglieder des Direlctorenrates und des Vorstandes haften gegenüber der Gesellschaft für Verluste, welche der Gesellschaft aufgrund von: - Nichterfüllung ihrer ihnen von der geltenden Satzung übertragenen Aufgaben; - unzureichender Erfüllung ihrer ihnen von der geltenden Satzung übertragenen Aufgaben; 7.9: Die Mitglieder des Direktorenrates und des Vorstandes, welche Pflichten verletzt haben, die in den Punkten 7.1 und 7.8 festgelegt sind, sind zum Ersatz des Schadens, der der Gesellschaft als Ergebnis der Verletzung obengenannter Pflichten entstanden ist, verpflichtet, einschließlich des entgangenen Gewinns der Gesellschaft in Höhe des vollständigen und billigen Marktwertes. 144 Vgl. Erster Teil C I.

C. Vertragspartner auf russischer Seite

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Barter- oder Gegengeschäft tätigen will. Die Durchführung solcher Geschäfte durch einen Vermittler wird in einem Kommissionsvertrag festgelegt. 145 Der Kommissionsvertrag ist in den Artikeln 119 - 121 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 146 geregelt.

1. Rechte und Pflichten aus dem Kommissionsvenrag Der Kommissionsvertrag wird in Art. 119 Punkt 1 Satz 1 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung und in Art. 990 Punkt 1 Satz 1 des Zweiten Teils des Zivilgesetzbuches von 1995 definiert. Danach verpflichtet sich der Kommissionär durch einen Auftrag des Kommittenten, gegen eine Belohnung (voznagrazdenie) einen oder mehrere Verträge in seinem Namen, aber auf Rechnung des Kommittenten zu schließen. Da der Kommissionär in seinem Namen handelt, entstehen alle Rechte und Pflichten zwischen ihm und dem Dritten, obgleich der Kommittent im Vertrag genannt wurde (Art. 119 Punkt 2 Satz 1 der Grundlagen und Art. 990 Punkt 1 Satz 2 des neuen Zivilgesetzbuches). Der Vertragspartner ist also nicht das russische Unternehmen, sondern die ehemalige Außenhandelsorganisation in Form der offenen Aktiengesellschaft. Den Vertrag schließen auf Seiten der früheren Außenhandelsorganisation der Generaldirektor oder von ihm bevollmächtigte Personen, Art. 10 Punkt 1 und 4 der Verordnung Nr. 721 vom 1.7.1992. Der russische Firma steht jedoch gemäß Art. 119 Punkt 2 Satz 2 bzw. Art. 990 Punkt 1 Satz 2 das Recht zu, sich von dem Kommissionär die aus dem Vertrag mit dem Dritten entstandenen Rechte und Pflichten abtreten zu lassen. Der Dritte ist darüber zu benachrichtigen. Die Abtretung hat jedoch keinerlei Einfluß auf die Rechte des Dritten. Er hat nämlich nicht das Recht, Einwendungen gegen den Kommittenten vorzubringen, die auf Forderungen gegen den Kommissionär beruhen, welche sich nicht aus dem betreffenden Vertrag ergeben (Art. 119 Punkt 2 Satz 3 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991). Vermögensrechtlich ändert sich für das russische Unternehmen bezüglich der zu verkaufenden Ware durch die Einschaltung eines Kommissionärs nichts. Nach Art. 121 Punkt 1 Satz 1 der Grundlagen und Art. 996 Punkt 1 des Zweiten Teils des Zivilgesetzbuches steht das Vermögen, welches dem Kommissionär vom Kommittenten gegeben wurde oder aber das der Kommissionär auf Rechnung des Kommittenten besitzt, im Eigentum des Letzteren. Jedoch steht der Außenhandelsorganisation ein Pfandrecht zur Sicherung des 145 Siehe Bolinger, S. 5. 146 Vgl. übersetzung Anhang II dieser Arbeit.

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

Anspruchs auf Zahlung einer Belohnung an den Sachen zu, die Gegenstand des Kommissionsvertrages sind (Art. 121 Punkt 2 Satz 1 der Grundlagen und Art. 996 Punkt 2 Satz 2 des Zivilgesetzbuches im Falle des Konkurses des Kommissionärs).

2. Haftung im Außen- und Innenverhliltnis Vertragspartner des Barter- oder Gegengeschäftes sind das deutsche Unternehmen und die in eine offene Aktiengesellschaft umgewandelte ehemalige Außenhandelsorganisation. Zwischen ihnen entstehen alle Rechte und Pflichten. Demzufolge haften nur diese Parteien für Nicht- oder Schlechterfüllung. Läßt sich aber der Kommittent gemäß Art. 119 Punkt 2 Satz 2 bzw. Art. 990 Punkt 1 Satz 2 des Zivilgesetzbuches von 1995 die aus dem Außenhandelsvertrag entstandenen Rechte und Pflichten abtreten, so kommt er als Anspruchsgegner oder -steIler in Betracht. Im Verhältnis der ehemaligen Außenhandelsorganisation zum russischen Unternehmen besteht grundsätzlich keine Haftung der Außenhandelsorganisation für die Nichterfüllung des Vertrages durch den Dritten. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Kommissionär nicht die erforderliche Sorgfalt bei der Auswahl der dritten Person beachtet oder er sich für die Erfüllung des Geschäfts verbürgt hat (Art. 120 Punkt 2 Satz 1 der Grundlagen und Art. 993 Punkt 1 des Zivilgesetzbuches).

v. Die Au8enhandelsorganisation als Beauftragte Hat ein russisches Unternehmen die rechtliche Möglichkeit, Barter- oder Gegengeschäfte mit einer deutschen Firma durchzuführen, besteht dennoch häufig ein Grund, einen Mittler einzuschalten. Die Inanspruchnahme der Dienste eines Mittlers resultiert daraus, daß es in vielen russischen Unternehmen noch immer an Spezialisten fehlt, die die Durchführung dieser Art von Geschäften hinreichend beherrschen, die Marktkonjunktur sowie die Weltpreise kennen. 147 Die russischen Unternehmen machen sich daher die Kenntnisse einer ehemaligen Außenhandelsorganisation zunutze und schalten sie als Mittler ein. Dies kann entweder durch einen Kommissions- oder aber durch einen Auftragsvertrag geschehen. Es sollen im folgenden die Auswirkungen einer Beauftragung einer ehemaligen Außenhandelsorganisation zum Abschluß eines Barter- oder Gegengeschäfts untersucht werden.

147 Vgl. Bolinger, S. 5.

C. Vertragspartner auf russischer Seite

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Der Auftrag ist in den Artikeln 115 - 117 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 148 bzw. in den Artikeln 970 bis 978 des neuen Zivilgesetzbuches geregelt.

1. Rechte und Pflichten aus dem Auftrag Durch den Auftragsvertrag (dogovor porucenija) verpflichtet sich der Beauftragte, im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers bestimmte juristische Handlungen vorzunehmen (Art. 115 Satz 1 der Grundlagen und Art. 971 Punkt 1 des Zivilgesetzbuches). Bei Außenhandelsoperationen übernimmt häufig eine ehemalige Außenhandelsorganisation die Verpflichtung, mit einer ausländischen Firma im Namen des russischen Unternehmens einen Vertrag zu schließen. Im Rahmen des Auftragsvertrages erteilt das russische Unternehmen der früheren Außenhandelsorganisation eine Vollmacht gemäß Art. 28 Punkt 1 Satz 1 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung 149 oder ab dem 1.1.1995 gemäß Art. 182 des Zivilgesetzbuches von 1994 zum Abschluß eines Bartervertrages. Gegenüber dem deutschen Unternehmen tritt die ehemalige Außenhandelsorganisation als Vertreter der russischen Firma auf. Im Gegensatz zum Kommissionsvertrag handelt die frühere Außenhandelsorganisation im Namen des russischen Unternehmens. Daher entstehen die Rechte und Pflichten gemäß Art. 28 Punkt 1 Satz 2 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 bzw. Artikel 971 Punkt 1 Satz 2 des neuen Zivilgesetzbuches unmittelbar ftir die russische Firma und nicht wie beim Kommissionsvertrag ftir die Außenhandelsorganisation. 150 Dieser Unterschied wird auch durch die Weisungsgebundenheit des Beauftragten nach Art. 116 Satz 1 der Grundlagen bzw. Art. 973 Punkt 1 Satz 1 des Zivilgesetzbuches von 1995 deutlich.

Der Beauftragte ist verpflichtet, den Auftrag persönlich auszuflihren, falls nichts anderes bestimmt wurde (Art. 115 Satz 3 der Grundlagen und Art. 974 des Zivilgesetzbuches). Entstehen alle Rechte und Pflichten für den Auftraggeber, soll sich dieser auf das Tätigwerden einer von ihm bestimmten Person verlassen dürfen. Aus diesem Grunde hat der Auftraggeber das Recht, den Auftrag zu widerrufen (Art. 115 Satz 4 der Grundlagen bzw. Art. 977 Punkt 2 des Zweiten Teils des Zivilgesetzbuches). Der Auftraggeber ist seinerseits verpflichtet, dem Beauftragten eine Belohnung zu zahlen, soweit nichts anderes im Gesetz oder Vertrag vorgesehen ist (Art. 115 Satz 2 der Grund148 Vgl. übersetzung Anhang 11 dieser Arbeit. 149 Siehe übersetzung Anhang 11 dieser Arbeit. 150 Vgl. Posdnjakov-Naryskina, S. 269; zur Rechtssituation bis zum 3.8.1992, die sich mit der heutigen deckt. 4 Schobeß

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

lagen und Art. 972 des Zivilgesetzbuches). Ferner muß er dem Beauftragten gemäß Art. 117 Satz 2 der Grundlagen bzw. Art. 975 Punkt 2 des neuen Gesetzes alle Mittel zur Verfligung stellen und alle Ausgaben ersetzen, die zur Erflillung des Auftrages erforderlich waren. Nach Art. 116 Satz 3 der Grundlagen und Art. 974 des Zweiten Teils des Zivilgesetzbuches von 1995 ist der Beauftragte verpflichtet, das durch die Ausftihrung des Auftrags Erlangte dem Auftraggeber zu übergeben. Da die Rechte und Pflichten direkt für die russische Firma entstehen, bedarf es keiner Abtretung, wie in Art. 119 Punkt 2 Satz 2 der Grundlagen vorgesehen.

2. Haftung im Außen- und Innenverhllltnis Vertragspartner der deutschen Firma ist in diesem Fall das russische Unternehmen, da der Vertrag durch die frühere Außenhandelsorganisation in dessen Namen geschlossen worden ist. Folglich muß der russische Auftraggeber und nicht die in eine offene Aktiengesellschaft umgewandelte Außenhandelsorganisation dem deutschen Unternehmer für eine Nicht- oder Schlechterfüllung haften. Überschreitet die ehemalige Außenhandelsorganisation jedoch die Grenzen der ihr eingeräumten Vollmacht, so entstehen fUr das russische Unternehmen keine Verpflichtungen, falls der Vertrag nicht genehmigt wird, Art. 28 Punkt 4 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung. 151 Gleiches regelt Art. 183 Punkt 1 des neuen Zivilgesetzbuches. Aus diesen Vorschriften ist ferner zu entnehmen, daß in diesem Falle die ehemalige Außenhandelsorganisation dem Dritten fUr die Erfüllung des Vertrages haftet. 152 Erfüllt das ausländische Unternehmen die Verpflichtungen aus dem Außenhandelsvertrag nicht oder nur teilweise, trägt der Beauftragte im Innenverhältnis dafür keine Verantwortung, da die Rechte und Pflichten unmittelbar für den Vertretenen entstehen, Art. 28 Punkt 1 Satz 2 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung bzw. Artikel 182 Punkt 1 Satz 1 des Zivilgesetzbuches von 1994. Etwas anderes kann aber vereinbart werden. 153

151 PosdnjaJcov-NaryskintJ, S. 269; für die Rechtssituation bis zum 3.8.1992, die der heuti-

gen gleicht.

152 PosdnjaJcov-NaryskintJ, S. 269. 153 Posdnjakov-NaryskintJ, S. 270.

D. Vertragspartner auf deutscher Seite

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D. Vertragspartner auf deutscher Seite Meist wird bei Barter- und Gegengeschäften auf deutscher Seite noch eine dritte Firma eingeschaltet. Dies geschieht insbesondere dann, wenn das deutsche Unternehmen die Kompensationsware nicht selbst verwerten kann, etwa weil das deutsche Unternehmen branchenfremde Ware importiert. lS4 Die DrittflfIIlen werden als Kompensateure bezeichnet. ISS Es kann sich dabei um ein spezialisiertes Handelshaus oder aber auch um ein Unternehmen handeln, welches dem Koozern- bzw. Unternehmensverbund des deutschen Exporteurs angehört. Der Kompensateur übernimmt entweder nur den Vertrieb der russischen Ware auf dem deutschen Markt oder fUhrt zudem noch die ursprüngliche Abnahmeverpflichtung des deutschen Unternehmers durch. Die Einschaltung eines Kompensateurs hat den Vorteil, daß der Import russischer Erzeugnisse mit Hilfe einer Firma geschieht, die über die erforderlichen Sachund Branchenkenntnisse verfügt. lS6 Übernimmt der Kompensateur die Abnahmeverpflichtung des deutschen Unternehmens, so erhält er dafür vom deutschen Unternehmen eine sogenannte "Stützung" .IS7 Die Höhe der Stützung hängt von der Art und der Qualität der russischen Ware ab. Bei minderer Qualität und schlecht absetzbaren Waren ist die Stützung höher, damit der Kompensateur die Preis für diese Waren herabsetzen kann und die Produkte abgesetzt werden können. lS8 Die Stützung beträgt zwischen 7 und 28 % des gesamten Warenwertes. lS9 Durch die Stützungszahlung an den Kompensateur wird das Kompensationsgeschäft für den russischen Importeur naturgemäß teurer. Der deutsche Unternehmer wird die Stützungszahlung bei der Berechnung des Lieferpreises berücksichtigen und den Preis in Höhe der Stützungszahlung aoheben. l60 Der russische Vertragspartoer nimmt die Teuerung jedoch hin, da der Mehrpreis durch den Abschluß eines Kompensationsgeschäftes für ihn immer noch günstiger ist als der Aufbau eines eigenen Vertriebsnetzes im Ausland. 161 Damit der deutsche Unternehmer die Stützungszahlung in den Lieferpreis einIS4 Karl, JZ 1988, S. 643 (64S). ISS Beek, S. 260 Cf.; Krumm, S. ISI; Reiehardt, S. 16. IS6 Beek, S. 260 f.; Karl, JZ 1988, S. 643 (64S); Lange-Prollius, S. 213. IS7 AltmanniClement, S. 9S; Beek, S. 261; Bohunowsky, S. 371; Krumm, S. ISI; LangeProllius, S. 213. 158 Beek, S. 261. 159 Beek, S. 261; Lange-Prollius, S. 213; zu Stützungssätzen, die ein Wiener Handelshaus per Ende 1978 bekanntgegeben hat, Timm, S. 99 f.

160 Vgl. Beispiele bei Buk, S. 161; Lange-Prollius, S. 213. 161 Siehe Buk, S. 262; Krumm, S. 151. 4'

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

beziehen kann, muß er bei Vertragsabschluß mit dem russischen Importeur bereits wissen, ob und wer für ihn die Abnahmeverpflichtung übernimmt. Die Einbeziehung einer dritten Firma bei der Durchführung eines Gegengeschäftes hat aber auch Nachteile für die deutsche Seite. Meist muß sie dem russischen Vertragspartner bei Abschluß des Vertrages offenlegen, ob sie einen Dritten einschaltet. Das russische Unternehmen will dadurch verhindern, daß sein eigener möglicherweise bereits bestehender Vertriebsweg gestört wird. Gibt aber die deutsche Seite den Namen des Kompensateurs preis, kann es geschehen, daß das russische Unternehmen ab sofort direkt mit diesem Geschäfte lätigt. 162 Die Gefahr besteht insbesondere dann, wenn ein vom deutschen Unternehmen unabhängiger Dritter eingeschaltet wird. Bei einem zum Unternehmen oder Konzern gehörenden Kompensateur wird sich dieses Problem nicht stellen. I. Art und Weise der Einbeziehung eines Kompensateurs Die Einbeziehung eines Kompensateurs in das Barter- und Gegengeschäft kann auf verschiedene Weise geschehen. Möchte der deutsche Vertragspartner der russischen Seite nicht den Namen des Kompensateurs offenlegen, weil er Befürchtungen hat, dadurch einen Vertragspartner verlieren zu können, kann in den Rahmenvertrag eine sogenannte Obligoklausel aufgenommen werden. Die Obligoklausel sieht allgemein vor, daß Dritte ermächtigt werden können, in die Kompensationsverpflichtung des deutschen Unternehmers einzutreten oder diese zu übernehmen. 163 Besteht die russische Seite jedoch auf Kenntlichmachung des Kompensateurs, sollte das deutsche Unternehmen darauf verzichten, die Abnahmeverpflichtung auf einen Dritten zu übertragen. Vielmehr sollte es sie selbst übernehmen und lediglich den Vertrieb der Kompensationswaren auf dem deutschen oder ausländischen Markt einer Spezialftrma überlassen. 164 Kann der deutsche Unternehmer ohne Bedenken den Kompensateur namhaft machen, weil er etwa zum Unternehmens- oder Konzernverbund gehört, kann sowohl der deutsche Unternehmer als auch der Kompensateur den Rahmenvertrag unterzeichnen. 165

162 Lange-Prollius, S. 214.

163 VgI. Beck, S.260; Krumm, S. 153; Lange-Prollius, S.212; v. lingelsheim-Seibicke, Teil A, S. IV/13; Reimer, S. 18. Diese Vereinbarung wird teilweise auch als "third-party"-Klausei bezeichnet; Karl, JZ 1988, S. 643 (645). 164 Krumm, S. 153.

165 VgI. auch Niggemann, RIW 1987, S. 169 (172).

D. Vertragspartner auf deutscher Seite

53

ll. Folge der Einbeziehung eines Kompensateurs Die Art und Weise, wie der Dritte in die Durchführung des Kompensationsgeschäftes einbezogen wird, hat unterschiedliche Konsequenzen im Hinblick auf das Verhältnis zum russischen Unternehmen. Unabhängig von der Form der Beteiligung des Kompensateurs bleibt stets die Verpflichtung bestehen, welche der deutsche Vertragspartner mit Abschluß des Rahmenvertrages eingegangen ist. 166 Denkbar ist die Einbeziehung des Kompensateurs in den Vertrag in Form der Gesamtschuldnerschaft (solidarnaja objazannost') oder aber die gänzliche Übernahme des Vertrages durch eine Schuldübernahme (pervod dolga). 1. Schuldübernahme

Eine Schuldübernahme gemäß §§ 414, 415 BGB oder Art. 391 des neuen Zivilgesetzbuches, der § 415 Abs. 1 BGB entspricht, werden die Parteien jedoch nicht vereinbaren woUen. 167 Sie führte unter Wahrung der Identität der Schuld zu einem Schuldnerwechsel. 168 Die Schuldübernahme hätte nach beiden Rechtsordnungen zur Folge, daß das deutsche Unternehmen frei wird und der Kompensateur an seine Stelle tritt. Dem wird der russische Vertragspartner jedoch nicht seine Zustimmung erteilen. Sollte dennoch eine Schuldübernahme vereinbart worden sein, stellt sich die Frage nach dem darauf anwendbaren Recht. Weder im EGBGB noch in den Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 ist geregelt, welches Recht für eine Schuldübernahme maßgebend ist. Die Regelungslücke betrifft die Aspekte, ob und unter welchen Voraussetzungen die Schuldübernahme befreiend wirkt. 169 Maßgebend ist sowohl nach deutschem als auch nach russischem ungeschriebenen Kollisionsrecht das Recht der übernommenen Schuld. 170 Unterliegt die Verpflichtung aus dem Barter- oder Gegengeschäftsvertrag deutschem Recht, so sind für die Schuldübernahme die § 414, 415 BGB einschlägig. Beherrscht hingegen russisches Recht die Verpflich166 Enderlein,

s. 258 f.; Bohunowslcy, S. 271; Lange-Prollius, S. 212, 215.

167 So im Ergebnis auch Karl, JZ 1988, S. 643 (647 f.). 168 Erman-Westermann, § 414 BGB Rdnr. 6; Palondt-Heinrichs, Oberb\. vor § 414 BGB Rdnr. l. 169 Erman-Hohloch, Art. 33 EGBGB Rdnr. 13; Palondt-Heldrich, Art. 33 EGBGB Rdnr. 4; Kropholler, S. 426. 170 Erman-Hohloch, Art. 33 EGBGB Rdnr. 13; Palondt-Heldrich, Art. 33 EGBGB Rdnr. 4; Kegel, S. 481; Kropholler, S. 416; Boguslavskij, IPR, S. 213, wonach das Schuldstatut umfassend auf Verpflichtungen aus einem Außenhandelsvertrag Anwendung findet.

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

tung, SO ist Art. 69 Punkt 2 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung l7l bzw. Art. 391 des neuen Zivilgesetzbuches maßgebend. 2. Schuldbeitritt

Die russische Seite wird ein Interesse daran haben, daß neben das deutsche Unternehmen noch ein anderer Schuldner tritt. Das wäre dann der Fall, wenn das deutsche Unternehmen und der Kompensateur Gesamtschuldner wären. Ein Gesamtschuldverhältnis besteht unter anderem sowohl nach deutschem als auch nach russischem Recht bei gemeinschaftlicher Verpflichtung der Schuldner. l72 Von Gesamtschuldnerschaft ist also auszugehen, wenn das deutsche Unternehmen und der Kompensateur den Barter- oder Gegengeschäftsvertrag unterzeichnet haben. 173 Dadurch haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, daß grundsätzlich jede Partei die Verpflichtung erfüllen will. Hat die Qualiftkation im weiteren Sinne zu dem Ergebnis geführt, daß ein Schuldbeitritt gewollt ist, so bedarf es der Klärung, welches Recht hierauf anwendbar ist. Wie auch die Schuldübernahme, so ist auch der Schuldbeitritt weder im deutschen noch im russischen IPR gesetzlich geregelt. Die Frage, von welchem Schuldner der Gläubiger die Leistung verlangen kann, muß aber vom Schuldstatut beantwortet werden. 174 Unabhängig davon, ob deutsches oder russisches Sachrecht auf den Vertrag anwendbar ist, ist sowohl das deutsche Unternehmen ·als auch der Kompensateur zur Leistung verpflichtet, die russische Vertragspartei aber nur berechtigt, die Leistung einmal zu fordern, § 421 Satz 1 BGB; Art. 67 Punkt 2 Satz 2 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung. Im Ersten Teil des neuen Zivilgesetzbuches ist die Gesamtschuldnerschaft nicht geregelt, so daß insoweit die Grundlagen fortgelten. Ist aber UNKaufrecht auf den Vertrag anwendbar, so müssen die Parteien mangels entsprechender Vorschriften über den Schuldbeitritt in der Konvention eine dahingehende Vereinbarung treffen. 171 An. 69 Punkt 2: "Die übertragung einer Schuld vom Schuldner auf eine andere Person ist nur mit Einverständnis des Gläubigers gestattet." 172 Erman-Westermonn, § 421 BGB Rdnr. 6; FiJcenlscher, Rdnr. 629; Suchonov, S. 151. Vg!. übersetzung des An. 67 Punkt 2: "Gesamtschuldnerschaft oder Gesamtgläubigerschaft besteht, wenn dies im Vertrag vorgesehen ist oder durch Gesetzesakte bestimmt wird, insbesondere bei Unteilbarkeit des Gegenstandes der Verpflichtung. Bei Gesamtschuldnerschaft steht dem Gläubiger das Recht zu, die Erfüllung sowohl von allen Schuldnern gemeinsam als auch von jedem beliebigen von ihnen einzeln zu verlangen. Der Gläubiger, der von einem der Gesamtschuldner nicht vollständig befriedigt wird, hat das Recht, den restlichen Teil von den anderen Gesamtschuldnern zu verlangen. Die Erfüllung der Gesamtschuld durch einen der Schuldner befreit die restlichen Schuldner von der Erfüllung dem Gläubiger gegenüber. 173 So auch Niggemonn, RIW 1987, S. 169 (172); vg!. auch § 427 BOB. 174 Palandt-Heldrich, An. 33 EGBGB Rdnr. 3; Kropholler, S. 425 f.; StolI, S. 631 (659).

D. Vertragspartner auf deutscher Seite

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Der interne Ausgleich wird zwischen dem Kompensateur und der deutschen Firma in einem separaten Vertrag geregelt. Der Schuldnerausgleich unterliegt dem für dieses Rechtsverhältnis maßgebenden Recht, das über Artikel 27, 28 EGBGB zu bestimmen ist. 175 Es werden ausschließlich die internen Rechte und Pflichten zwischen dem deutschen Unternehmen und dem Kompensateur geregelt werden. In diesem Vertrag wird die Stützungszah}ung vereinbart, die der Kompensateur für die Übernahme der Verpflichtung erhält. Diese Variante der Vertragseinbeziehung wird dann gewählt werden, wenn das deutsche Unternehmen den Namen des Kompensateurs preisgeben kann. Gehört der Kompensateur zum Unternehmens- oder Konzernverbund, kann er unbedenklich den Barter- oder Rabmenvertrag mit unterzeichnen. Soll der russische Vertragspartner jedoch keine Kenntnis vom Kompensateur erlangen, kann dieser nicht in den Rabmenvertrag aufgenommen werden. Ein Gesamtschuldverhältnis kann dann nicht vereinbart werden. Es besteht in diesem Fall aber die Möglichkeit, eine Obligoklausel in den Rabmenvertrag aufzunehmen. In der Klausel kann festgelegt werden, daß sich das deutsche Unternehmen verpflichtet, selbst oder durch andere Waren abzunehmen. 176 Der Kompensateur wird dabei nicht benannt, ist also nicht Vertragspartner geworden. Es wird lediglich vereinbart, daß die Leistung des Dritten auf die Gegengescbäftsverpflichtung angerechnet werden kann. 177

Im Verhältnis zum deutschen Unternehmen bat sich der Kompensateur jedoch verpflichtet, die Forderung der russischen Vertragspartei zu übernehmen. Es handelt sich hierbei um eine Erfüllungsübernabme (vgl. § 329 BGB). Die russische Seite erlangt dadurch aber keine Recht gegen den Kompensateur. 178 Sie kann im Gegensatz zur Gesamtschuldnerscbaft keinen Anspruch gegen den Kompensateur geltend machen. Das auf diesen Vertrag zwischen dem deutschen Unternehmen und dem Kompensateur anwendbare Recht bestimmt sich nach den Artikeln 27 und 28 EGBGB, da es im Vergleich zum Hauptvertrag ein spezielleres Rechtsverhältnis darstellt. Dies rechtfertigt eine gesonderte Anknüpfung. 179 Im Innenverhältnis wird ein entgeltlicher Gescbäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) geschlossen, in dem sich der Kompensateur dem deutschen Unternehmen gegenüber verpflichtet, die russische Ware abzunehmen und zu vertreiben. Besteht der russische Vertagspartner jedoch darauf, daß der Kom175 Vgl. Kropholler, S. 426. 176 Siehe Beck, S. 260; Krumm, S. 173; Lange-Prollius, S. 212; Niggemann, RIW 1987, S. 169 (172). 177 Vgl. Niggemann, RIW 1987, S. 169 (172). 178 Siehe zu § 329 BGB FiJcentscher, Rdnr. 613. 179 Korpholler, S. 426.

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1. Teil: Grundlegende Fragen zu Kompensationsgeschäften

pensateur kenntlich gemacht wird und kann daher auch keine Obligoklausel in den Rahmenvertrag aufgenommen werden, so muß das deutsche Unternehmen die Gegengeschäftsverpflichtung selbst erfüllen. Lediglich den Vertrieb der russischen Waren kann sie dem Kompensateur überlassen. 180 Diese Lösung wird dann gewählt werden, wenn die deutsche Seite befürchten muß, daß der russische Vertragspartner ab sofort direkt mit dem Kompensateur Geschäfte tätigen wird. Den Vertrieb übernimmt der Kompensateur aufgrund eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB)181 für das deutsche Unternehmen. Der Kompensateur tritt in diesem Fall nicht gegenüber dem russischen Unternehmen auf. Dieses hat dadurch keinerlei Ansprüche gegenüber dem Kompensateur. Vertragspartner der russischen Seite ist allein das deutsche Unternehmen. Das anwendbare Recht bestimmt sich nach Art. 27 und 28 EGBGB.

180 Vgl. Krumm, S. 154. 181 Zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung siehe Fikentscher, Rdnr. 923 ff.

Zweiter Teil

Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht A. Der Bartervertrag im nationalen IPR Schließen eine deutsche und eine russische Firma einen Bartervertrag, so stellt sich die Frage, welches Recht diesen Yertrag beherrscht. Eine Antwort darauf gibt das über das jeweilige nationale IPR zu ermittelnde Recht. Im folgenden soll daher untersucht werden, welches Recht auf einen deutsch-russischen Bartervertrag nach deutschem und nach russischem autonomen IPR Anwendung findet. I. Anwendbares Recht nach autonomen deutschen IPR Um feststellen zu können, welche Kollisionsnorm des EGBGB den Anknüpfungsbegriff für einen Bartervertrag enthält, bedarf es der Qualifikation, der Einordnung dieses Yertragstyps unter eine Kollisionsnorm des EGBGB. Die QualifIkation erfolgt dabei in Übereinstimmung mit der h.M. nach der lex fori. 1 1. Qualifikation

Die QualifIkation des Bartervertrages bereitet keine Schwierigkeiten. Der Bartervertrag ist ein Tauschvertrag, der im Außenhandelsverkehr geschlossen wird. 2 Der Tauschvertrag unterfällt den Artikeln 27 und 28 EGBGB. 3

1 BGHZ 29, S. 137 (139); 44, S. 121 (124); 47, S. 324; Erman-Hohloch, Einleitung Art. 3 EGBGB Rdnr. 38; Mü-Ko-Sonnenberger, Einleitung Rdnr. 353 f.; Palandt-Heldrich, Einleitung vor EGBGB 3 Rdnr. 27; Firsching/v. HoJJmann, S. 201 f. 2 Vgl. Begriffsbestimmung im Ersten Teil A I dieser Arbeit. 3 Vgl. Erman-Hohloch, Art. 28 EGBGB Rdnr. 33; Mü-Ko-Martiny, Art. 28 EGBGB Rdnr. 127; Palandt-Heldrich, Art. 28 EGBGB Rdnr. 9.

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

2. Anwendbares Recht nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB Der Bartervertrag unterliegt in erster Linie gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB dem von den Parteien gewählten Recht. Die Vertragspartner können dabei ein Recht wählen, das mit dem Vertrag keinerlei Verbindung aufweist. 4 Wie jedoch die Praxis zeigt, wird gerade in einem Vertrag zwischen deutschen und russischen Firmen häufig nicht immer eine Bestimmung getroffen, welches Recht auf den Vertrag Anwendung finden sol1. 5 Das ist mit dem immer noch bestehenden gegenseitigen Mißtrauen zu erklären. Keine der Parteien will sich auf die Geltung einer fUr sie fremden Rechtsordnung einlassen. Die Vertragspartner vertrauen vielmehr darauf, daß es nicht zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt. Eine ausdrückliche Rechtswahl wird aus diesem Grunde das auf einen Bartervertrag anwendbare Recht möglicherweise nicht ergeben. Denkbar ist jedoch auch, daß die Parteien eines deutsch-russischen Bartervertrages eine stillschweigende Rechtswahl (Art. 27 Abs. 1, S. 2 EGBGB) zugunsten eines Rechts getroffen haben. Erforderlich fUr die Annahme einer konkludenten Rechtswahl ist ein Verhalten der Parteien, aus dem sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die reale Vornahme einer Rechtswahl ergibt. 6 Indizwirkung kommt dabei insbesondere der Bezugnahme auf Vorschriften eines bestimmten Rechts oder auf AGB, der Verweisung auf einen Vertrag, für den bereits eine Rechtswahl getroffen worden ist, sowie der Vereinbarung einer Schiedsklausel zu. 7 Bei einem deutsch-russischen Bartervertrag wird die Indizwirkung am ehesten an der Schiedsklausel festzumachen sein. Liegen dem Bartervertrag AGB zugrunde, so werden dies sowohl solche der deutschen als auch der russischen Vertragspartei sein. Jede Partei wird ihre Lieferung ihren AGB unterstellen. Auch wird die Verweisung auf einen zwischen den Parteien bereits geschlossenen Vertrag meist nicht als Indiz dienen können, da wie oben bei der ausdrücklichen Rechtswahl ausgeführt, eine solche zwischen deutschen und russischen Unternehmen häufiger nicht getroffen wird. Damit bleibt die Schiedsvereinbarung als Indiz. Mit der Vereinbarung eines institutionellen Schiedsgerichts wollen die Parteien grundsätzlich, daß

4 Emran-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rdnr. 7; Mü-Ko-Martiny, Art. 27 EGBGB Rdnr. 7; Pa/andt-Heldrich, Art. 27 EGBGB Rdnr. 3.

5 Vgl. für die Jahre bis 1974: Waehler, S. 130; siehe auch Stumpf, RIW 1987, S. 821 (823). 6 Vgl. Emran-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rdnr. 13; Firschinglv. Hojfmann, S. 359. 7 Vgl. Emran-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rdnr. 13; Firschinglv. Hojfmann, S. 359; Kegel, S. 242 f. .

A. Der Bartervertrag im nationalen IPR

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das Gericht einen Rechtsstreit nach dem Recht seines Sitzes entscheidet. 8 Dies kann aber dann nicht gelten, wenn das Schiedsgericht nicht das Recht seines Sitzes anwendet, sondern bei fehlender Rechtswahl das anwendbare Recht nach den Regeln desjenigen Rechts bestimmt, welches das Gericht für anwendbar erachtet. 9 Diesen Weg geht aber das Schiedsgericht der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation gemäß Art. 28 Abs. 2 des Gesetzes über die Internationale Handelschiedsgerichtsbarkeit. 10 Sollten die Parteien eines deutsch-russischen Bartervertrages dieses Schiedsgericht als streitentscheidende Instanz berufen haben, so führte dies nicht zur Geltung russischen Rechts, da der Schiedsvereinbarung keine Indizwirkung zukommt. Gleiches gilt, wenn das Schiedsgericht der Stockholmer Handelskammer durch die Parteivereinbarung berufen worden ist. 11 Haben die Parteien das Internationale Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer gewählt, so spricht dies fUr die konkludente Wahl Schweizer Rechts. Das Zürcher Schiedsgericht wendet gemäß Art. 4 Abs. 2 seiner Schiedsordnung dasjenige Recht an, das aufgrund der Regeln des schweizerischen IPR-Gesetzes anzuwenden ist. l2 Zeigen aber mehrere, wenn auch schwache Indizien wie die Vertragssprache oder Währung 13 in eine andere Richtung, so kann die Indizwirkung der Schiedsvereinbarung nicht durchgreifen. 14 In einem solchen Fall muß das anwendbare Recht ebenfalls über Art. 28 EGBGB ermittelt werden. Sollten also die Parteien eines deutsch-russischen Bartervertrages das Internationale Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer als streitentscheidende Instanz gewählt haben und zeigen andere Indizien in keine andere Richtung, so kann von einer stillschweigenden Rechtswahl zugunsten des Schweizer Rechts ausgegangen werden. 3. Anwendbares Recht nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB

Bei fehlender Rechtswahl nach Art. 27 EGBGB richtet sich das auf einen Vertrag anwendbare Recht nach dem Recht, mit dem der Vertrag die engste

48.

8 VgI. Ermon-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rdnr. 15; Mü-Ko-Martiny. Art. 27 EGBGB Rdnr.

9 Ermon-Hohloch. Art. 27 EGBGB Rdnr. 15; Mü-Ko-Martiny. Art. 27 EGBGB Rdnr. 48; BiJc1ctiegel. S. 443 (446 f.).

10 VgI. Dritter Teil B IV 1) dieser Arbeit. 11 VgI. Dritter Teil B IV 3); dann ist das anwendbare Recht über Art. 28 EGBGB zu bestimmen. 12 VgI. Dritter Teil B IV 1) dieser Arbeit. 13 VgI. Ermon-Hohloch. Art. 27 EGBGB Rdnr. 14 Firschinglv. Hojfmann. S. 360.

i8.

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

Verbindung aufweist (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). In Art. 28 Abs. 1 - 4 EGBGB sind bestimmte Vermutungen normiert, welche den Grundsatz der engsten Verbindung konkretisieren. So bestimmt Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB die Vermutung, daß der Vertrag die engste Verbindung zu dem Recht aufweist, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihre Hautverwaltung hat. Es liegt jedoch in der Natur des Bartervertrages, daß jede der Leistungen vertragstypisch ist. Die Leistungen der Parteien sind gleichrangig. Eine charakteristische Leistung ist bei einem Tauschvertrag nicht festzustellen. 15 Dies gilt auch für einen internationalen Tausch-, also einen Bartervertrag. In diesem Fall wird gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 2 EGBGB das anwendbare Recht nicht über eine Vermutung ermittelt, sondern die Grundregel in Art. 28 Abs . .1 Satz 1 EGBGB berufen. 16 Danach ist das Recht des Staates maßgebend, zu dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist. Auch der als Ausweichldausel 17 bezeichnete Art. 28 Abs. 5 EGBGB beinhaltet keine für den Bartervertrag geltende Anknüpfungsregel. Art. 28 Abs. 5 EGBGB kommt nur dann zur Anwendung, wenn zwar eine charakteristische Leistung gemäß Art. 28 Abs. 2 - 4 EGBGB zu ermitteln ist, sich jedoch aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß dieser Anknüpfungspunkt in dem speziellen Fall nicht von Bedeutung ist. Gibt es wie beim Tauschvertrag keine charakteristische Leistung, so erfolgt die Anknüpfung über Art. 28 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB. Um eine Aufspaltung der beiden Leistungen und dadurch das Regime zweier Rechtsordnungen über einen einzigen Vertrag zu verhindern, ist ein räumlicher Schwerpunkt des Vertrages zu ermitteln. 18 Hierbei sind alle Umstände des betreffenden Vertrages zu berücksichtigen, wie eine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Parteien. 19 Bei einem Bartervertrag zwischen einer deutschen und einer russischen Firma wird keines der beiden Kriterien zu einem befriedigenden Ergebnis führen. Ebenso wird die Vertragssprache, welche ohnehin nur ein schwaches Indiz für den Vertragsschwerpunkt darstellt, nicht weiterhelfen. 15 Ermon-Hohloch, Art. 28 EGBGB Rdnr. 33; Mü-Ko-Martiny, Art: 28 EGBGB Rdnr. 127; Palandt-Heldrich, Art. 28 EGBGB Rdnr. 9; ReithmanniMartiny-Martiny, Rdnr. 91; Kropholler, S. 404. . 16 Vg!. auch v. Bar, Band II, Rdnr. 512; Ermon-Hohloch, Art. 28 EGBGB Rdnr. 18.

17 Ermon-Hohloch, Art. 28 EGBGB Rdnr. 17; Mü-Ko-Martiny, Art. 28 EGBGB Rdnr. 94. 18 Palandt-Heldrich, Art. 28 EGBGB Rdnr. 2; und ähnI. Ferid, 6 - 7, 4. 19 Ermon-Hohloch, Art. 28 EGBGB Rdnr. 33; Mü-Ko-Martiny, Art. 28 EGBGB Rdnr. 10; Palandt-Heldrich, Art. 28 EGBGB Rdnr. 2.

A. Der Bartervertrag im nationalen IPR

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Sie wird entweder englisch oder aber russisch und damit gleichberechtigt deutsch sein. Der Abschlußort des Vertrages ist wegen seiner Zufälligkeit auch kein zuverlässiger Hinweis auf die engste Verbindung des Vertrages. Bei Verträgen, die vor dem 3.8.199220 geschlossen worden sind, war Abschlußort meist Moskau, da nach früherem russischen IPR bei fehlender Rechtswahl das Recht des Abschlußortes maßgebend war, Art. 566 des Zivilgesetzbuches von 1964. Für die deutschen Unternehmen kam es so häufig zu einer ungewollten Geltung russischen Sachrechts. Seit dem 3.8.1992 gelten im russischen IPR jedoch für Verträge andere Anknüpfungsgrundsätze. Die russische Vertragspartei wird daher nicht mehr auf Moskau als Abschlußort drängen. Eine Anknüpfung an den Abschlußort kann nur dann erfolgen, wenn zusätzlich ein anderes Anknüpfungsmerkmal zur Geltung des Rechts des Abschlußortes führt. Sollten im Bartervertrag überhaupt Werte oder Preise beziffert sein, um eine Abrechnung der Leistungen zu erleichtern, so werden sie in westlicher Währung, meist Dollar, D-Mark oder Schweizer Franken, ausgedrückt sein. Sollte die Währung diejenige des Abschlußortes sein, so spricht der Umstand dennoch nicht für die Geltung dieses Recht. Sowohl der Abschlußort als auch die Währung haben nur eine schwache Aussagekraft hinsichtlich des anwendbaren Rechts. 21 Diesen beiden Kriterien kommt lediglich unterstützende Bedeutung zu. Sie sind nicht dazu geeignet, eine überwiegende Beziehung des Bartervertrages zu einer Rechtsordnung zu begründen. Dafür bedarf es zumindest noch eines weiteren Berührungspunktes mit stärkerem Gewicht. Als Anknüpfungspunkt hilft auch nicht das Herkunftsland der zu tauschenden Ware weiter. Das russische Unternehmen exportiert in seinem Land produzierte Waren und erhält daftir westliche Produkte. Objektive Kriterien helfen bei der Anknüpfung eines deutsch-russischen Bartervertrages nicht weiter. Innerhalb der Gesamtabwägung ist auch das Rechtsanwendungsinteresse der Parteien zu berücksichtigen. 22 Es ist dabei auf subjektive Kriterien abzustellen. 23 Nach Kegels Lehre von der geringsten Störung soll in einem derartigen Fall das Recht anwendbar sein, an dessen Geltung die eine Partei ein überwiegendes Interesse hätte24 , etwa weil sie die Anwendung der fremden

20 Tag des Inkrafttretens der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991. 86.

21 Erman-Hohloch, Art. 28 EGBGB Rdnr. 12; Mü-Ko-Martiny, Art. 28 EGBGB Rdnr. 80, 22 Erman-Hohloch, Art. 28 EGBGB Rdnr. 11. 23 So auch Mü-Ko-Martiny, Art. 28 EGBGB Rd~r. 11. 24 Kegel, S. 427.

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

Rechtsordnung stärker beträfe als die andere Vertragspartei. Im folgenden wird untersucht, welche Partei ein größeres Interesse an der Anwendung der ihr vertrauten Rechtsordnung hat. Hierfür bedarf es einer Untersuchung aller Umstände, die ein überwiegenden Interesse der einen oder der anderen Vertragsseite begründen können. Zu berücksichtigen ist dabei, daß die einzelnen Tatsachen und Umstände lediglich Indizienwirkung entfalten. Selbständige Anknüpfungskriterien stellen sich nicht dar. a) Interesse der deutschen Vertragspartei Grundsätzlich wird der deutsche Vertragspartner an der Anwendung deutschen Sachrechts interessiert sein, da er mit diesem Recht am engsten verbunden ist. Das Interesse der deutschen Seite muß jedoch das Interesse der russischen Seite überwiegen, damit deutsches Recht Anwendung findet.

Im Ersten Teil dieser Arbeit sind unter Punkt B die Interessen und Beweggrunde der beiden Vertragsparteien hinsichtlich des Abschlusses von Gegengeschäften dargestellt worden. Die deutsche Seite geht meist nur deshalb auf Kompensationsforderungen jeglicher Art ein, um überhaupt ein Exportgeschäft durchführen zu können. Verfligten die russischen Vertragspartner über ausreichend Devisen, ließen sich die deutschen Firmen wahrscheinlich nicht auf diese Geschäftsform ein. Die Gründe, welche zum Abschluß von Gegengeschäften führen, liegen also in erster Linie auf russischer Seite. Dagegen trägt der deutsche Vertragspartner die Hauptlast des Geschäfts. Er muß für die russische Ware entweder selbst einen Abnehmer finden oder aber einen Kompensateur einschalten. Das kann er zwar auf den Preis anrechnen, doch kann es durch die Einschaltung eines Dritten zu weiteren Komplikationen in der Abwicklung des Geschäfts kommen. Dieser Umstand stellt ein Indiz für ein überwiegendes Interesse der deutschen Vertragspartei an der Geltung deutschen Rechts dar. Ferner könnte das sich im Umbruch befindliche russische Rechtssystem ein Indiz für das überwiegende Interesse der deutschen Partei sein. Zum einen fehlt es im russischen Recht zur Zeit noch an wesentlichen Rechtsvorschriften25 , zum anderen sind die vorhandenen Gesetze und Verordnungen unübersichtlich und häufig nur auf einen unbestimmten Zeitraum angelegt. 26 Es fehlt 25 Beispielsweise ist erst zum 1.1.1996 das Gesetz über Aktiengesellschaften in Kraft getreten. Ein Gesetz über die GmbH sowie ein dem HGB vergleichbares Regelungswerk fehlen noch. 26 So gelten gewisse Vorschriften der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 nur bis zum 31.12.1994; Regelungen, die das allgemeine Schuldrecht betreffen, sind nunmehr in dem Ersten Teil des Zivilgesetzbuches vom 21.10.1994 enthalten, der zum I. 1.1995 in Kraft getreten ist. Einige Rechtsgebiete wie z.B. das Versicherungsrecht sind schon früher den Grundlagen der Zivilgesetzgebung (Art. 106 - 108) ausgegliedert worden. Vgl. Gesetz der Russischen Födera-

A. Der Bartervertrag im nationalen IPR

63

zudem häufig an Literatur über die aktuellen Rechtsvorschriften, so daß schwer abzuschätzen ist, wie die Normen im Zweifelsfall ausgelegt werden. Diese Rechtsunsicherheit spricht für ein Interessenübergewicht auf deutscher Seite und für die Anwendung deutschen Rechts. b) Interesse der russischen Vertragspartei Auch der russische Vertragspartner ist an der Geltung der ihm vertrauten Rechtsordnung interessiert. Das Interesse könnte das der deutschen Vertragspartei überwiegen, da sich die russischen Firmen auf einen neuen Markt und ein neues Wirtschaftssystem einstellen müssen. Die Anwendung eines für sie fremden Rechts stellte ein weiteres Erschwernis dar. Zudem berücksichtigt die russische Rechtsordnung den Umbruch, während die deutschen Gesetze von stabilen Verhältnissen ausgehen. Es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, daß sich das russische Rechts- und Wirtschaftssystem im Wandel befindet und sich daher eine gleichmJißige Entwicklung nicht vorhersehen läßt. Der Hauptgrund, warum überhaupt Bartergeschäfte durchgeführt werden, ist die Überbrückung des Devisenmangels. Verfugten die russischen Unternehmen über ausreichend Devisen, käme es nicht zum Abschluß von Barterverträgen. Das russische Recht sollte dann auch die Folgen der Devisenknappheit regeln. Dieser Umstand könnte ein Indiz für das überwiegende Interesse der russischen Vertragspartei an der Geltung russischen Rechts sein. c) Abwägung der Interessen und Anknüpfungsregel Werden die Interessen der deutschen und der russischen Seite miteinander verglichen, so läßt sich feststellen, daß beide Parteien teils aus unterschiedlichen, teils aus ähnlichen Gründen ein Interesse an der Geltung ihrer Rechtsvorschriften vorweisen können. Das Interesse der deutschen Vertragspartei an der Geltung deutschen Rechts überwiegt aber gegenüber dem der russischen Vertragspartei. Zwar ist der Abschluß von Barterverträgen Folge der Devisenknappheit in Rußland. Dieser Umstand kann jedoch kein Indiz für ein überwiegendes Interesse der russischen Vertragspartei begründen. Vielmehr wäre die deutsche Vertragsseite stärker von der Anwendung russischen Rechts betroffen als der russische Vertragspartner von der Anwendung deutschen Rechts. Das deutsche Recht ist im Vergleich zum russischen stabil und nachprütbar. Fände russisches Recht Anwendung, so bedeutete das für den deutschen Vertragspartner eine erhebliche Benachteiligung. Zum einen verändert sich die russische Rechtsordnung rasch. Ihre Entwicklung ist nicht vorherzution über die Versicherung Nr. 4015-1 vom 27.11.1992 in Rossijskaja Gazeta vom 12.1.1993 und VSND RF i VS RF, 1993 Nr. 2 Pos. 56. Hierzu liegt aber bereits eine überarbeitete Fassung vor, die noch 1996 in Kraft treten soll und das alte Gesetz ablösen wird.

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

sehen. Zum anderen sind die neuen Gesetze und Verordnungen für die deutsche Vertragsseite schwerer zugänglich. Auch das russische Unternehmen kann nicht absehen, ob und wie die russischen Vorschriften angewandt werden. Kommentare und Literatur, wie sie zum deutschen Recht vorliegen, gibt es zum russischen Recht nur vereinzelt und sind nicht ausführlich. So gibt es beispielsweise keinen Kommentar oder entsprechende Literatur zu den Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991. Rechtsprechung gibt es zu den neuen Bestimmungen noch nicht, so daß die Rechtsanwendung durch die Gerichte nur schwer vorhersehbar ist. Die Geltung deutschen Rechts ist im Interesse beider Parteien. Das Argument, russisches Recht berücksichtige den Umbruch des Wirtschaftssystems, entfaltet vor diesem Hintergrund keine Indizwirkung für ein überwiegendes Interesse der russischen Seite an der Anwendung russischen Rechts. Daß sich die russische Vertragspartei mit einer ihr fremden Rechtsordnung auseinandersetzen muß, ändert nichts an der Interessenabwägung zugunsten des deutschen Rechts. Im umgekehrten Fall stünde das deutsche Unternehmen vor größeren Schwierigkeiten. Das Interesse des deutschen Vertragspartners überwiegt grundsätzlich auch deshalb, weil meist die russische Seite auf den Abschluß eines Bartervertrages drängt. Für das deutsche Unternehmen ist die Durchführung eines internationalen Tauschgeschäfts mit größeren Komplikationen, als sie bei einem Kaufvertrag möglicherweise auftreten, verbunden. So muß für die russische Ware ein Abnehmer gefunden oder ein Kompensateur eingeschaltet werden. Der Abschluß eines Tauschvertrages stellt sich aus diesen Gründen als Investitionsleistung der deutschen Vertragsseite dar, die die Geltung deutschen Sachrechts rechtfertigt. Fände russisches Recht auf den Bartervertrag Anwendung, wäre die deutsche Vertragspartei stärker betroffen als das russische Unternehmen bei der Geltung deutschen Rechts. Die Untersuchung der Indizien fUhrt zu einem überwiegenden Interesse der deutschen Vertragspartei an der Geltung deutschen Rechts. Auf einen deutsch-russischen Bartervertrag findet damit deutsches Sachrecht Anwendung. Das auf einen Bartervertrag gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB anwendbare Recht läßt sich nur nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände ermitteln. Da objektive Kriterien, wie Staatsangehörigkeit, gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt oder Währung, bei der Suche nach dem maßgebenden Recht nicht weiterhelfen, sind subjektive Kriterien zu berücksichtigen. Als Anknüpjungsregel für einen internationalen Tauschvertrag gilt demnach folgendes: Für einen Bartervertrag besteht die engste Verbindung gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB zu demjenigen Recht, dessen Vertragspartei ein überwiegendes Interesse an der Geltung ihres Rechts vorweisen kann. Um ein überwiegendes Interesse begründen zu können, müssen mehrere Indizien das Interesse dieser Partei stützen. Indizwirkung kommt vor allem dem Umstand

A. Der Bartervertrag im nationalen IPR

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zu, für welche Vertragspartei der Abschluß eines Bartervertrages eine Investitionsleistung darstellt. Das wird regelmäßig diejenige Vertragsseite sein, die unter gewöhnlichen Umständen einen Kaufvertrag abgeschlossen hätte und für die der Abschluß eines Bartervertrages mit der Beauftragung eines Kompensateurs verbunden ist. Ein Indiz für das überwiegende Interesse ist auch die Stabilität und Transparenz der in Betracht kommenden Rechtsordnungen. Derjenigen Partei, die ihren Sitz in oder die Staatsangehörigkeit des Staates hat, der die stabilere und geschlossenere Rechtsordnung vorweisen kann, kommt ein überwiegendes Interesse an der Geltung dieses Rechts zu. In der Regel wird daher nach autonomen deutschen Kollisionsrecht das Rechts des westlichen Vertragspartners auf einen Bartervertrag Anwendung finden. Diese Regel darf aber nicht dazu führen, daß eine eingehende Würdigung des Einzelfalles unterbleibt. Eine Abweichung von dem Regelergebnis ist vor allem in den Fällen denkbar, in denen die deutsche Vertragspartei auf die russische zugeht und zur Rohstoffbeschaffung einen Bartervertrag abschließt. 11. Anwendbares Recht nach autonomen russischen IPR Das autonome russische IPR ist in den Artikeln 156 - 170 der Grundlagen

der Zivilgesetzgebung von 1991 27 geregelt. Die Grundlagen der Zivilgesetz-

gebung sind am 3.8.1992 in Kraft getreten. 28 Der Erste Teil des Zivilgesetzbuches vom 21.10.1994, der zum 1.1.1995 in Kraft getreten ist, berührt das russische IPR nicht. Gemäß Art. 5 Satz 2 des Einführungsgesetzes vom 21.10.1994 gelten die Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 insoweit fort. Für die Einordnung des Bartervertrages unter eine Kollisionsnorm bedarf es zunächst der Qualifikation. 1. Qualifikation Im russischen Recht fehlt eine generelle Regelung für die Auslegung der Anknüpfungsgegenstände. Es wird jedoch eine QualifIkation nach der lex fori grundsätzlich abgelehnt und die rechtsvergleichende QualifIkation bevorzugt. 29 Der Bartervertrag wird sowohl nach russischem als auch nach deut-

27 Vgl. übersetzung der Verfasserin Anhang 11. 28 Punkt 1 des Beschlusses vom 3.3.1993 des Obersten Sowjet der RF "über einige Fragen der Anwendung der Gesetzgebung der UdSSR auf dem Territorium der RF", der bereits am 18.6.1992 in der Rossijskaja Gazeta veröffentlicht wurde. 29 Boguslavski}, IPR, S. 88 f.; Lune, IPR, S. 261 ff.; Sadikov, S. 65; Semilnov, S. 90, 94. 5 Schobeß

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

schem Recht als internationaler Tauschvertrag verstanden. 30 Der Bartervertrag unterfällt damit Art. 166 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991, der Verpflichtungen aus Außenhandelsgeschäften zum Anknüpfungsgegenstand hat. 31

2. Anwendbares Recht nach Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 In Art. 166 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 ist geregelt, nach welchem Recht sich die Rechte und Pflichten a~s einem Außenhandelsvertrag richten. In erster Linie ist das Recht maßgebend, welches die Parteien gewählt haben (Art. 166 Abs. 1 Satz 1 der Grundlagen). Die Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl sieht das russische Kollisionsrecht nicht vor. Sie ist seit jeher abgelehnt worden. 32 Haben die Vertragsparteien keine Rechtswahl getroffen, so bestimmt sich das anwendbare Recht nach dem Wohnsitz (mesto zitel'stvo) oder dem hauptsächlichen Tätigkeitsort (osnovnoe mesto dejatel'nosti) der einen Partei. In Art. 166 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 - 13 der Grundlagen ist festgelegt, welche Partei bei den verschiedenen Vertragsarten maßgebend ist. Bei einem Kaufvertrag ist das nach Art. 166 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Grundlagen dasjenige Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen Wohnsitz hat. Das Wohnsitzrecht des Verkäufers ist deswegen maßgebend, weil er die für den Kaufvertrag entscheidende Leistung erbringt. 33 Welche Vertragspartei bei einem internationalen Tauschvertrag maßgebend ist, ist in Art. 166 Abs. 2 der Grundlagen nicht geregelt. Gemäß Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen bestimmt sich das auf Verträge anwendbare Recht, die nicht in Art. 166 Abs. 1 - 4 aufgezählt sind, nach dem Recht des Staates, in dem die Partei, die diejenige Leistung erbringt, welche für den Inhalt des Vertrages entscheidende Bedeutung (imejuscee resajuscee snacenie) hat, ihren Wohnsitz hat. Bei einer juristischen Person ist der Haupttätigkeitsort maßgeblich. Es ist zu untersuchen, welche Partei die für den Bartervertrag entscheidende Leistung erbringt. Weder die Vorschrift selbst noch die Literatur gibt eine Antwort auf diese Frage oder nennt objektive Kriterien, die eine An30 Vgl. Begriffsbestimmung im ersten Teil A I dieser Arbeit. 31 Siehe auch Eliseev, IVP 1992, S. 110 (116). 32 I.J4nc, IPR, S. 243; auch Art. 1245 des Projekts zum Zweiten Teil des Zivilgesetzbuches sieht dies nicht vor. 33 Eliseev, IVP 1992, S. 110 (117).

A. Der Bartervertrag im nationalen IPR

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knüpfung ermöglichen. Es wird lediglich bemängelt, daß die Feststellung, wer die entscheidende Leistung erbringt, von subjektiven Kriterien abhängt und keinen eindeutigen Anknüpfungspunkt darstellt. 34 Eine Lösung wird jedoch nicht angeboten. Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen ist in seinem Aufbau und seiner Funktion mit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB vergleichbar. Beide Normen gehen von dem Vorrang der Rechtswahl aus. Fehlt eine solche, stellt das deutsche IPR auf das Recht der charakteristischen Leistung ab, ohne aber näher festzulegen, wer diese bei den einzelnen Vertragstypen erbringt. Das russische IPR bestimmt in Art. 166 Abs.1 Satz 2 Nr. 1 - 13 der Grundlagen, welcher Wohnort welcher Vertragspartei maßgebend ist. Artikel 166 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 - 13 der Grundlagen geht dabei jedoch ähnlich wie Art. 28 Abs. 2 EGBGB von der Überlegung aus, welcher der Vertragspartner die entscheidende Leistung zu erbringen hat. 35 Für Verträge, welche nicht speziell aufgeführt sind, greift Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen, der als Auffangtatbestand konzipiert ist36 , auf das Wohnsitzrecht derjenigen Partei zurück, die die für den Vertrag entscheidende Leistung erbringt. Damit ist in Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen der Anknüpfungsgrundsatz des Art. 166 Abs. 1 Satz 2 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung berufen. Dies entspricht dem Regelungsverhältnis des Art. 28 Abs. 2 zu Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Um feststellen zu können, welche Vertragspartei die für den Vertrag entscheidende Leistung erbringt, ist auch in Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen eine Würdigung aller Umstände des Falles vorzunehmen, um die vertragsentscheidende Leistung zu ermitteln. In der russischen Literatur wird zwar betont, daß bei einem Bartervertrag jede der Parteien hinsichtlich der Sache, die sie gibt, als Verkäufer und bezüglich der Sache, die sie erhält, als Käufer gilt. 37 Gleichwohl erbringt nach Würdigung aller Umstände grundsätzlich das deutsche Unternehmen die vertragsentscheidende Leistung. Die Gründe, warum es überhaupt zum Abschluß eines Bartervertrages kommt, rühren von russischer Seite her. Wegen der Devisenknappheit und des AußenhandelsdefIZits sind russische Unternehmen bestrebt, Bartergeschäfte zu tätigen. 38 Deutsche Firmen lassen sich nur auf Bartergeschäfte ein, um die momentan schwierige

34 Eliseev, IVP 1992, S. 110 (1l7).

35 Eliseev, IVP 1992, S. 110 (116). 36 Eliseev, IVP 1992, S. 110 (1l7). 37 Letknev, S. 54; Vi!kova, S. 203; vgl. auch Art. 255 Satz 3 des russischen Zivilgesetz· buches von 1964. 38 Vgl. Erster Teil B I dieser Arbeit. 5'

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

Finanz- und Wirtschaftssituation in Rußland zu überbrücken. Anderenfalls schlössen sie mit russischen Firmen Kaufverträge. Die Lieferung westlicher Waren würde mit Devisen bezahlt. Dann wäre über Art. 166 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung das Recht des Verkäufers, mithin deutsches Recht, anwendbar. Kann nun der russische Vertragspartner die Lieferung nicht mit Devisen ausgleichen, sondern nur durch eine Gegenlieferung, so bleibt die Lieferung der deutschen Seite vertragsentscheidend. Dafür spricht auch, daß der deutsche Vertragspartner mit Abschluß eines Bartervertrages, dessen Notwendigkeit in der Wirtschaftsentwicklung Rußlands liegt, die russische Wirtschaft fördert. Russische Unternehmen können trotz Devisenmangels Geschäfte tätigen und gleichzeitig russische Waren exportieren. Die importierten westlichen Waren und Technologien helfen bei der Erschließung von Rohstoffen und bei der Verbesserung des Warenangebotes in Rußland. Auch aus diesen Gründen ist die Leistung des deutschen Vertragspartners in der Regel vertragsentscheidend. Das deutsche Unternehmen liefert nicht nur Ware nach Rußland, sondern übernimmt meist auch die Vermarktung und den Vertrieb der russischen Ware und Rohstoffe, soweit sie nicht für den Eigenbedarf der deutschen Firma benötigt werden. Diese zusätzlichen Leistungen des deutschen Unternehmens bei der Abwicklung eines Bartervertrages sind ein weiteres Argument dafür, daß die deutsche Vertragsseite die entscheidende Leistung erbringt. Als Anknüpfungsregel gilt demnach folgendes: Das auf einen Bartervertrag gemäß Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung anwendbare Recht bestimmt sich danach, welche Vertragspartei die entscheidende Leistung erbringt. Um zu ermitteln, welche Partei dies ist, müssen alle Umstände des Falles berücksichtigt werden. So ist insbesondere darauf abzustellen, welche Partei zum Abschluß des Tauschvertrages gedrängt wird und welche Partei im Falle des Abschlusses eines Kaufvertrages die vertragsentscheidende Leistung erbrächte. Zu würdigen ist auch der Umstand, welche Partei eines Tauschvertrages eine über die Lieferung der Ware hinausgehende Leistung erbringt. Diese kann in der Vermarktung und im Vertrieb der fremden Ware auf dem eigenen Markt bestehen. Die Anknüpfung wird grundsätzlich zur Geltung deutschen Rechts fUhren. Jedoch ist stets zu prüfen, ob nicht im Einzelfall die russische Vertragsseite weitergehende Leistungen erbringt oder das deutsche Unternehmen auf den Abschluß eines Bartervertrages gedrängt hat. In einem solchen Fall fände russisches Recht Anwendung. Es fragt sich nun, ob die russische Kollisionsnorm eine Gesamt- oder Sachnormverweisung ausspricht und es so möglicherweise zu einer Rückver-

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weisung auf russisches Recht kommen kann, falls Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung auf deutsches Recht verweist.

3. Gesamt- oder Sachnormverweisung im russischen [PR Die Frage, ob die Kollisionsnormen im russischen IPR Gesamt- oder Sachnormverweisungen aussprechen, ist auch in den Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 nicht geregelt. Das entspricht der früheren Rechtslage.

In zwei Entscheidungen des Außenhandelsschiedsgerichts der Handels- und Industriekammer der UdSSR von 196739 wurde ausgeführt, daß eine Rückverweisung bei einer Entscheidung von Streitigkeiten aus Außenhandelsgeschäften mit Ausnahme der Fälle, die in von der UdSSR geschlossenen Staatsverträgen vorgesehen sind, nicht berücksichtigt wird. Der Umstand, daß es überhaupt zu einer Rückverweisung (obratnaja otsylka) kommen kann, läßt darauf schließen, daß das Außenhandelsschiedsgericht grundsätzlich von einer Gesamtnormverweisung der Kollisionsnorm ausging. Diese Entscheidungen fanden Zustimmung in der Literatur. 4O Nach dieser Auffassung käme es über Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung in der Regel zur Geltung deutschen Sachrechts, da Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 35 Abs. 1 EGBGB die Verweisung annähme. Eine Rückverweisung auf russisches Recht wäre damit ausgeschlossen. In der neuesten russischen Literatur wird aber eine Sachnormverweisung befürwortet, wenn die Verweisung Außenhandelsgeschäfte betrifft. 41 Begründet wird diese Ansicht mit der größeren Klarheit und Stabilität in der Rechtsanwendung . Für eine Sachnormverweisung bei Außenhandelsverträgen spricht auch Art. 28 Punkt 1 des Gesetzes über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1993. 42 Danach muß jede Verweisung auf ein Recht als direkte Verweisung auf das materielle Recht ausgelegt werden. Eine Gesamtnormverweisung ist ausgeschlossen. Auch nach dieser Auffassung fände grundsätzlich deutsches Sachrecht auf einen deutsch-russischen Bartervertrag Anwendung, und ein renvoi wäre nicht möglich.

39 Bei Boguslavskij-Sadilcov, S. 191; Se~nov, S. 90, 97. 40 Lune, IPR, S. 318 ff.; Sadilcov, S. 93; Se~nov, S. 90, 97. 41 Boguslavskij, IPR, S. 92; Boguslavskij-SadiJcov, S. 191.

42 Rossijskaja Gazeta vom 14.8.1993; VVS RF 1993, Nr. 32 Pos. 1240; vgl. auch übersetzung der Verfasserin Anhang III und IV dieser Arbeit.

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

m. Ergebnis Die Parteien eines deutsch-russischen Bartervertrages werden wegen des immer noch bestehenden Mißtrauens eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten eines Rechts nicht immer treffen. Denkbar ist aber nach deutschem IPR eine stillschweigende Vereinbarung, welche an Hand von Indizien festzumachen ist. Dabei kommt vor allem der Schiedsvereinbarung Bedeutung zu. Sollten die Vertragsparteien das Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer als streitentscheidende Instanz bestimmt haben, so spricht dies für eine stillschweigende Vereinbarung zugunsten des Schweizer Rechts. Dieses Ergebnis kann jedoch durch entgegenstehende Indizien (Währung, Vertragssprache) aufgehoben werden. Von einer stillschweigenden Rechtswahl kann dann nicht mehr ausgegangen werden. In diesem Fall muß das anwendbare Recht über Art. 28 EGBGB sowie Art. 166 Abs. 5 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung bestimmt werden. Beide Kollisionsnormen erfordern für die Anknüpfung eine Berücksichtigung der Gesamtumstände. Insbesondere ist zu fragen, welche Partei unter gewöhnlichen Umständen einen Kaufvertrag geschlossen und dann die charakteristische bzw. vertragsentscheidende Leistung erbracht hätte. Ferner ist zu berücksichtigen, welche Partei eine über die Lieferung hinausgehende Leistung erbringt. Grundsätzlich wird zwar die Gesamtbetrachtung zur Geltung deutschen Sachrechts fijhren. Jedoch ist für jeden einzelnen Vertrag erneut zu prüfen, ob nicht von russischer Seite eine weitergehende Leistung erbracht wird oder gar der Bartervertrag aufgrund der Initiative der deutschen Vertragspartei abgeschlossen worden ist. Denkbar ist dies vor allem bei Tauschverträgen, bei denen es der deutschen Seite um Rohstoffbeschaffung geht.

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention Weder im deutschen noch im russischen Recht gibt es speziell auf Barterverträge zugeschnittene Normen. Ebenso fehlt es an einer staatsvertraglichen Regelung, die ein internationales Einheitsrecht für diese Vertragsart beinhaltet. Erwägenswert ist daher die Anwendung der UN-Kaufrechtskonvention vom 11.4.198043 auf Barterverträge.

43 BGBl. 1989 n, S. 588; berichtigt in BGBl. 1990 n, S. 1699.

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention

71

I. Grundsätzliche Anwendbarkeit der UN·KaufrechtskoDventioD auf Bartervertrige Gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB und Art. 170 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 gehen Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen dem autonomen IPR vor. Denkbar ist die Anwendung der Bestimmungen der UN-Kaufrechtskonvention vom 1.4.1980 auf Barterverträge. Der Bartervertrag ist ein internationaler Tauschvertrag44, der im deutschen und russischen Sachrecht bis auf die Vorschriften über den Preis denen des Kaufvertragsrechts unterliegt. 45 Auch im internationalen Recht könnten Tausch- und Kaufvertrag ähnlich behandelt werden. Dann wäre das UN-Kaufrechtsabkommen sowohl auf internationale Kauf- als auch auf internationale Tauschverträge anwendbar. Im folgenden wird untersucht, ob das UN-Kaufrechtsabkommen grundslJtzlich auf internationale Tausch-, also Barterverträge anwendbar ist. In einem späteren Abschniu46 wird dann erörtert, ob die Konvention im einzelnen auf Barterverträge übertragbar ist oder ob bestimmte Vorschriften einer Modifizierung bedürfen.

1. PerslJnlich-rlJumlicher Anwendungsbereich Der persönlich-räumliche Anwendungsbereich der UN-Kaufrechtskonvention ergibt sich aus Art. 1. Danach bestehen zwei Möglichkeiten, wie das Kaufrechtsübereinkommen zur Anwendung gelangen kann. Gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a) UN-Kaufrechtsabkommen ist das Einheitsrecht dann anzuwenden, wenn es sich um einen Warenkauf zwischen Parteien handelt, die ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten haben. Für die BundesrepubUk Deutschland ist das Kaufrechtsübereinkommen am 1.1.1991 in Kraft getreten. 47 Für die Sowjetunion gilt die Kaufrechtskonvention seit dem 1. 9 .1991. 48 Für die Russische Föderation als Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion gilt die Konvention seit dem 24.12.1991. 49 Grundsätzlich50 fm44

Vg\. Begriffsbestimmung im Ersten Teil A I dieser Arbeit.

45 Ermon-Grunewald, § 515 BGB Rdnr. 7; Soergel-Huber, § 515 BGB Rdnr. 3; F1eisiclaffe, Art. 255 GK, S. 371; siehe auch unten unter Punkt B I 4 a) und b).

46 Vg\. Zweiter Teil Punkt D dieser Arbeit. 47 Bek. vom 23.10.1990, BGB\. 1990 ß, S. 1477. 48 VSND SSSR i VS SSSR 1990, Nr. 23 Pos. 428. 49 BGB\. 1992 ß, S. 1016; vg\. zur Rechtsnachfolge der Russischen Föderation bezüglich der UN-Kaufrechtskonvention: Pilt1., S. 20. 50 Eine Ausnahme ist in Art. 1 Abs. 2 UN-Kaufrechtsabkommen normiert.

72

2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

det also über Art. 1 Abs. 1 lit. a) die UN-Kaufrechtskonvention seit dem 24.12.1991 auf Kaufverträge über Waren zwischen einem deutschen und einem russischen Unternehmen das UN-Kaufrecht Anwendung. Nach Art. 1 Abs. 1 lit. b) UN-Kaufrechtsübereinkommen ist das Abkommen auch dann anzuwenden, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führen. Auf Verträge zwischen deutschen und russischen Unternehmen findet damit bereits ab dem 1.1.1991 UN-Kaufrecht Anwendung, wenn deutsches Recht Vertragsstatut ist. In diesem Fall geht gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB der Staatsvertrag dem autonomen deutschen IPR vor. Deutsches Recht ist ip drei Fällen Vertragsstatut. Zunächst käme die UN-Kaufrechtskonvention als in der Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht dann zur Anwendung, wenn das russische bzw. sowjetische IPR auf deutsches Recht verwiese. Bis zum 3.8.1992 galt in Rußland das alte russische Zivilgesetzbuch (Grazdanskij Kodeks) von 1964. 51 Nach Art. 566 russisches Zivilgesetzbuch war auf Verbindlichkeiten aus Aussenhandelsverträgen das Recht des Abschlußortes anzuwenden. Deutsches Recht und damit UN-Kaufrecht käme also über Art. 1 Abs. 1lit. b) der Kaufrechtskonvention dann zur Anwendung, wenn der Vertrag in der Bundesrepublik Deutschland geschlossen worden ist. Der russische Richter oder Schiedsrichter wendete in diesem Fall, ausgehend vom russischen IPR, UN-Kaufrecht als das in Deutschland geltende Recht an. Er ist jedoch völkerrechtlich dazu nicht verpflichtet52 , da die ehemalige Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt noch nicht Vertragsstaat dieses Übereinkommens war. Diese Möglichkeit wird jedoch selten in Betracht kommen, da die Verträge zumeist in Rußland geschlossen worden sind oder zumindest eine russische Stadt in dem Vertrag als Abschlußort angegeben worden ist. Das UN-Kaufrechtsübereinkommen käme nach dem 1.1.1991 und vor dem 24.12.1991 über Art. 1 Abs. 1lit. b) aber auch dann zur Anwendung, wenn das deutsche IPR (Art. 27 ff. EGBGB) auf deutsches Recht verwiese. 53 Der deutsche Richter muß in diesem Fall UN-Kaufrecht anwenden. 54 Schließlich ginge die UNKaufrechtskonvention dem deutschen autonomen Sachrecht auch dann vor, wenn die Parteien deutsches Recht gewählt und nichts anderes bestimmt hätten. 55 Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 lit. b) des UNKaufrechtsabkommens, der nicht zwischen objektiver und subjektiver Verweisung differenziert. Also muß auch die Verweisung kraft Rechtswahl beacht51 VVS RSFSR, 1964 Nr. 24 Pos. 406. 52 Vgl. v. CaemmererlSchlechtriem-Herber, Art. 1 Rdnr. 40. 53 Erman-Hohloch, vor Art. 27 - 37 EGBGB Rdnr. 10.

54 Vgl. v. CaemmererlSchlechtriem-Herber, Art. 1 Rdnr. 40. 55 Czerwenka, S. 161; v. Bar, Band 11, Rdnr. 408; Pünder, RlW 1990, S. 869 (873).

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention

73

lich sein. 56 Haben also die deutschen und russischen Vertragspartner nach dem 1.1.1991 ohne nähere Angaben eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen, ist der deutsche Richter verpflichtet, UN-Kaufrecht anzuwenden. Der russische Richter wird in der Regel UN-Kaufrecht als in Deutschland geltendes Recht auf den Vertrag anwenden, ist hierzu aber nicht verpflichtet.

2. Sachlicher Anwendungsbereich der Konvention nach dem Wortlaut Für die Beantwortung der Frage, ob die UN-Kaufrechtskonvention auf Barterverträge anwendbar ist, ist primär vom Wortlaut des Abkommens auszugehen. 57 Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Konvention ist das Übereinkommen auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind oder wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates fUhren. Das Kaufrechtsübereinkommen enthält ebenso wie das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen vom 1.7.196458 keine Definition des Begriffs "Kaufvertrag". Jedoch ergibt sich mittelbar aus den Artikeln 30 und 53 der UN-Konvention, welche Geschäfte von dem Übereinkommen erfaßt werden. 59 Danach ist der Verkäufer gemäß Art. 30 des Abkommens verpflichtet, die Ware zu liefern, die sie betreffenden Dokumente zu übergeben und das Eigentum an der Ware zu übertragen. Der Käufer ist zur Zahlung des Kaufpreises und zur Abnahme der Ware verpflichtet (Art. 53 der Konvention). Damit entspricht der Begriff "Kaufvertrag", wie er in dem Übereinkommen gebraucht wird, im wesentlichen der Definition des § 433 BGB und des Art. 74 Abs. 1 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991. § 433 BGB umfaßt jedoch im Unterschied zur UN-Kaufrechtskonvention auch den Rechtskauf. 60 Sachlicher Anwendungsbereich des Übereinkommens ist also der Austausch Ware gegen Geld. Zu untersuchen ist, ob die Konvention auch den Austausch von Ware gegen Ware umfaßt. Ausgangspunkt ist dabei der Wortlaut des Abkommens. 56 Siehe Czerwenka, S. 161; v. Bar, Band 11, Rdnr. 408; PiJnder, RlW 1990, S. 869 (873).

57 V. CaerrunererlSchlechtriem-Herber, Art. 7 Rdnr. 21; Karollus, S. 13; Piltz, § 2 Rdnr. 167. 58 BGBI. 1973 11, S. 886.

59 V. CaerrunererlSchlechtriem-Herber, Art. 1 Rdnr. 14; HerberlCzerwenka, Art. 1 Rdnr. 3; Mü-Ko-Martiny, Art. 28 EGBGB Anh. 11 Rdnr. 15; Reinhart, Art. 1 Rdnr. 1; Hoyer, WBl 1988, S. 70 (70); Piltz, § 2 Rdnr. 19. 60 VgI. Palandt-Putzo, § 433 BGB Rdnr. 1.

74

2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

Die in dem Übereinkommen verwandten Begriffe ("sale"; "vente"; "kupljaprodaza") erfassen den Tausch nicht. Für den Tausch besteht in den einzelnen Rechtsordnungen eine eigene Begrifflichkeit. 61 Das spricht dafür, daß die Konvention nicht den Austausch von Ware gegen Ware berücksichtigt. 62 Der Wortlaut der UN-Kaufrechtskonvention läßt eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf Bartergeschäfte auf den ersten Blick nicht zu. Die in der Literatur überwiegende Auffassung geht ebenfalls von der Unanwendbarkeit des Abkommens aus. 63 Winship führt die Studien der UNCITRAL-Kommission zu Bartergeschäften als Begründung dafür an, daß die Kommission nicht von der Anwendbarkeit des Kaufrechtsübereinkommens auf Tauschverträge ausgehe. 64 Piltz65 und Schlechtriem66 verweisen auf den Wortlaut der Konvention.

3. Sachlicher Anwendungsbereich unter Berlkksichtigung von Materialien und Dokunu!nten Für die Auslegung der Kaufrechtskonvention ist auch auf die Materialien zum Übereinkommen zurückzugreifen. 67 Die UNCITRAL hat sich in mehreren Studien mit Bartergeschäften befaßt, die für die Auslegung des sachlichen Anwendungsbereichs von Bedeutung sind. a) Studien der UNCITRAL zu Bartergeschäften aus den Jahren 1978 und 1979 Die UNCITRAL hat in den Jahren 1978 und 1979 Studien zu Bartergeschäften veröffentlicht. 68 Die Existenz der juristischen Texte zu Barterge61 "harter"; "6change"; "permuta"; "obmen". 62 VgI. lUch u.rger, ZfRV 1991, S. 415 (418 f.).

v. eoemmererISchJechtriem-Herber, Art. 1 Rdnr. 18; Herber-C1.erwenJ:a, Art. 1 Rdnr. 5; Mü-Ko-Mal1iny, Art. 28 Anh. n Rdnr. 15; ReinJulrt, Art. 1 Rdnr. 2; Soergel-Huber, , 515 8GB Rdnr. 1; C1.erwenJca, S. 141 f.; Piltr., NJW 1989, S. 615 (618); SchJechtriem, IPRall 1990, S. 277 (279); Scldechtriem, S. 24, FN 41b; WinslUp, S. 1 - 24, FN 49; so lUch noch u.rger, WBI 1990, S. 353 (362). 63

64 WinslUp, S. 1 - 24 FN 49. 65 Piltr., NJW 1989, S. 615 (618); PÜtT., § 2 Rdnr. 22 f.

66 SchJechtriem, IPRall 1990, S. 277 (279).

67

v.

eoemmererISchJechtriem-Huber, Art. 7 Rdnr. 24; EnderleinlMaskowlStrohbach, Art.

7 Rdnr. 3; Karolbu, S. 14 f.

68 UNCITRAL-Doltumente AlCN. 9/159, 18.4.1979 in UNCITRAL-Yearbook 1979,

s. 37; UNCITRAL Dokument AlCN. 91149/Add. 2, 12.5.1978 in UNCITRAL-Yearbook 1978,

S. 190 f.

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention

75

schäften, die im Anschluß an die Ausarbeitung der Kaufrecbtskonvention gefertigt wurden, läßt auf den Willen der Kommission schließen, daß Bartergeschäfte nicht vom UN-Kaufrecbtsübereinkommen erfaßt sein sollen. 69 Zudem sagt das eine UNCITRAL-Dokument70 aus, daß eine bloße Erweiterung des Anwendungsbereichs der Konvention auf Bartergeschäfte kein befriedigendes Regime für diese Art von Geschäften sei. Aus diesem Grunde hält Winsbip71 die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der UN-Kaufrechtskonvention auf Barterverträge nicht für möglich. Die Aussage des UNCITRAL-Dokuments, die bloße Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf Barterverträge sei kein befriedigendes Regime für diese Art von Geschäften, verlangt jedoch nicht notwendig den von Winsbip gezogenen Schluß, die Konvention sei nicht auf internationale Tauschverträge anwendbar. Durch diese Aussage wird vielmehr deutlich, daß die UN-Kaufrecbtskonvention nicht grundslltzlich auf Barterverträge unanwendbar sein soll. Nur die ausschließliche Anwendbarkeit ist nach Auffassung der UNKommission abzulehnen. 72 Die Auffassung der h. M. und insbesondere Winsbips wird also nicht von den UNCITRAL-Studien aus den Jahren 1978 und 1979 gedeckt. b) Studie des UNCITRAL-Sekretariats von 1990 Das UNCITRAL-Sekretariat hat ferner im Jahre 1990 Arbeiten zur Vertragsgestaltung von Kompensationsgeschäften fertiggestellt. 73 Aus der Existenz dieser Studie über die Vertragsgestaltung ließe sich der Schluß ziehen, Kompensationsgeschäfte bedürften einer von Kaufverträgen abweichenden Vertragsgestaltung. Das spräche gegen die Anwendbarkeit der UN-Kaufrecbtskonvention auf Barterverträge. Ein solches Ergebnis wird jedoch nur dann erzielt, wenn die Studie des UNCITRAL-Sekretariats nicht eingehend betrachtet wird.

In der neuen Studie von 1990, die als Projekt für die rechtliche Anleitung bei Abschluß internationaler Warengegengescbäfte bezeichnet wird, hat sich das UNCITRAL-Sekretariat speziell mit internationalen Gegengeschäften befaßt. Der Inhalt der betreffenden Dokumente spiegelt zwar nur die Auffassung des Sekretariats wider. Gleichwohl läßt sich die Studie als Argument ftir die 69 Siehe auch Lurger, ZfRV 1991, S. 415 (416). 70 AlCN.9/148/Add. 2, UNCITRAL-Yearbook 1978, S. 191.

71 Winship, S. 1 - 24 FN 49. 72 Ähnlich Lurger, ZfRV 1991, S. 415 (417). 73 AlCN.9f322 Add. 1 - 8; AlCN.9/WG IVIWP.51 Add. 1.

76

2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

grundsätzliche Anwendbarkeit der Kaufrechtslconvention auf Barterverträge heranziehen.

In den Dokumenten wird der Begriff "Gegengeschäft" als Gesamtbezeichnung für diejenigen Geschäfte gebraucht, die als Gegenleistung nicht ausschließlich Geld vorsehen. 74 Darunter fallen auch Bartergeschäfte. 75 Nach einer Einführung zur rechtlichen Anleitung beim Abschluß internationaler Warengeschäfte folgt die Erklärung der in den Dokumenten verwandten Begriffe. 76 Schließlich werden die Besonderheiten des Gegengeschäfts behandelt, die in der Anleitung zum Abschluß internationaler Gegengeschäfte besondere Beachtung gefunden haben. 77 Danach habe die Wahl der Vertragsform, in der die Pflichten der Parteien bestimmt sind, prinzipielle Bedeutung für den Abschluß eines Gegengeschäftes. 78 Bei einem Bartervertrag werden die Rechte und Pflichten hiernach in einem einzigen Vertrag festgelegt. Diese Besonderheit schließt jedoch die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechtsabkommens nicht aus. Es findet gerade auf einzelne Verträge Anwendung. Einige andere in der Anleitung behandelte Fragen, die die Verwirklichung des Geschäfts betreffen, seien dem UNCITRAL-Sekretariat zufolge nicht von prinzipieller Bedeutung. 79 Dazu zählen Fragen, die die Frist zur Erfullung der Verpflichtungen aus dem Gegengeschäft, die Art, Qualität und Quantität sowie den Preis der Vertragsware, den Zahlungsmechanismus, die Beteiligung einer dritten Partei, die Sicherung der Vertragserfüllung, die vorherige Bewertung der Verluste und der Vertragsstrafe, die Rechtswahl und die Streitbeilegung betreffen. 80 Aus dem Verhältnis der Anzahl der Fragen, die speziell bei Gegengeschäften auftreten, und solchen, die nach Auffassung des Sekretariats keine prinzipielle Bedeutung für diese Vertragsarten haben, läßt sich bereits ein Argument für die grundsätzliche Anwendbarkeit der UN-Kaufrechtskonvention auf Bartergeschäfte ableiten. Die überwiegende Zahl der in dem Dokument genannten Fragen entsteht nicht nur bei Gegengeschäften. Vielmehr handelt es sich um Probleme, die auch bei einem einfachen Kaufvertrag auftreten.

74 Siehe Dokument AlCN.9/332/Add. 1 Punkt 1. 75 Vgl. Dokumente AlCN.9/332/Add. 1 Punkt 3; AlCN.9/332/Add. 2 Punkt 2 ff. 76 Dokument AlCN.9/332/Add. 1 Punkt 1 - 23. 77 Dokument AlCN.9/332/Add. 1 Punkt 25. 78 Dokument AlCN.9/332/Add. 1 Punkt 26. 79 Siehe Dokument AlCN.9/332/Add. 1 Punkt 26. 80 Dokument AlCN.9/332/Add. 1 Punkt 26.

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention

77

Dieses Ergebnis wird durch die Ausführungen des UNCITRAL-Sekretariats zu den betreffenden Fragen bestätigt. 81 So hänge die Wahl der Waren in erster Linie von den Parteien ab, die ihre Interessen aufeinander abstimmen müssen. 82 Das ist jedoch bei einem Kaufvertrag grundsätzlich nicht anders. Im Unterschied zu einem Kaufvertrag besteht bei einem Bartervertrag die Leistung und die Gegenleistung ausschließlich in Waren. Dies kann zwar dazu führen, daß die Vertragsverhandlungen länger andauern als bei einem Kaufvertrag, bei dem es lediglich um eine Warenlieferung geht. Auswirkungen auf die generelle Anwendbarkeit des UN-Kaufrechtsabkommens auf Bartergeschäfte kann dieser Umstand aber nicht haben. Auch die Auswahl der Waren, die Bestimmung ihrer Qualität sowie deren Überprüfung vor Abschluß des Vertrages durch einen oder mehrere unabhängige Inspektoren83 hängt nicht davon ab, ob es sich um einen Barter- oder Kaufvertrag handelt. Das UNCITRAL-Sekretariat stellt in den entsprechenden Punkten keinerlei Besonderheiten im Verhältnis zum Kaufvertrag fest. So wird zwar auf die Möglichkeit einer Beschränkung in der Auswahl des Vertragsgegenstandes durch staatliche Normativakte hingewiesen. Doch gibt es diese Beschränkungen zum Beispiel im russischen Recht (Lizenzen und Quoten) nicht nur für Bartergeschäfte, sondern für alle Verträge, die eine bestimmte Ware zum Gegenstand haben. 84 Ebenso stellen die Rechtswahl und die Frage nach der Streitbeilegung 85 kein spezielles Problem der Gegengeschäfte dar. Gleiches gilt für die Sicherung der Vertragserftillung. Um diejenige Partei vor Verlusten zu schützen, die zuerst geliefert hat, rät das UNCITRAL-Sekretariat, einen Bürgen zu bestellen. 86 Ferner sollten die Vertragsparteien eines Gegengeschäftes nach Auffassung des UNCITRAL-Sekretariats die Bedingungen festlegen, die erfüllt sein müssen, damit der Bürge verpflichtet ist, zu zahlen. 87 Diese Empfehlungen beruhen aber nicht auf speziellen Gegebenheiten des Gegengeschäftes. Auch bei einem Kaufvertrag sollte zumindest ein Bürge für die Verpflichtung des Käufers einstehen. Dabei wird die Frage, ob bei einem Bartervertrag der Bürge im Falle der Nichterfüllung auch oder gerade in Geld erfüllen kann, in dem entsprechenden UN-Dokument nicht ausdrücklich behandelt. Da dieses

81 Dokument AlCN.9/332/Add. 2 - 8. 82 Vgl. Dokument AlCN.9/332/Add. 4 Punkt 2. 83 So die Empfehlung für Gegengeschäfte in Dokument AlCN.9/332/Add. 4 Punkt 2 - 18. 84 Vgl. Erster Teil C 11 dieser Arbeit. 85 Siehe Dokument AlCN.9/332/Add. 8; vgl. auch Dritter Teil dieser Arbeit. 86 Dokument AlCN.9/332/Add. 7 Punkt 1 ff. 87 Dokument AlCN.9/332/Add. 7 Punkt 15 ff.

.

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

Problem nicht besonders beachtet wird, ist davon auszugehen, daß das UNCITRAL-Sekretariat bei der Art der Leistung durch den Bürgen keine Unterscheidung zwischen den einzelnen Geschäftsarten vornimmt. Eine Zahlung in Geld durch den BUrgen ist daher auch bei einem Bartervertrag möglich, obgleich die Parteien ursprünglich eine Geldzahlung ausgeschlossen haben. Inwieweit es zu Geldzahlungen bei der Abwicklung eines Bartervertrages kommen kann, wird im folgenden Abschnitt noch zu erörtern sein. Aus dem Inhalt der UN-Dokumente ergibt sich aber nicht, daß die Fragen bezüglich der Gegengeschäfte, die in den Dokumenten behandelt werden, von denen abweichen, die bei Kaufverträgen auftreten. Die Studie des UNCITRAL-Sekretariats von 1990 macht vielmehr deutlich, daß eine differenzierte Behandlung von internationalen Tausch- und Kaufverträgen nicht erforderlich ist. Diese Überlegungen sprechen also für eine grundsätzliche An~endbarkeit der Kaufrechtskonvention auf internationale Tauschverträge.

4. Sachlicher Anwendungsbereich unter Berücksichtigung des internationalen Charakters der Konvention Neben dem Wortlaut und den Materialien zum UN-Kaufrechtsübereinkommen kann auch eine Rechtsvergleichung bei der Auslegung des Übereinkommens weiterhelfen. 88 Entgegen der Ansicht von Enderlein/Maskowl Strohbach89 spricht der Konventionstext nicht gegen eine solche Auslegungsmethode. Das Übereinkommen enthält nämlich keine Aussage zu Auslegungsmethoden, vielmehr nur zum Auslegungsziel. 90 Ein Ziel ist in Art. 7 Abs. 1 des Abkommens aufgeführt. Gemäß Art. 7 Abs. 1 ist bei der Auslegung unter anderem der internationale Charakter der Konvention zu berücksichtigen. Daher ist eine Auslegung der Konvention unter Heranziehung nur eines Sachrechts nicht vom Auslegungsziel gedeckt. Werden jedoch mehrere Sachrechte der Vertragsstaaten des UN-Kaufrechtsübereinkommens miteinander verglichen und wird dabei eine allgemeingültige Regelung festgestellt, so kann dies bei der Auslegung des Einheitsrechts Berücksichtigung fmden. 91 Dieser Auslegungsmethode geht aber die autonome Auslegung 92

88 V. CaemtMrerISchlechtriem-Herber, Art. 7 Rdnr. 26; Karollus, S. 14; die aber die Grenzen einer umfassenden rechtsvergleichenden Interpretation in der praktischen Durchführung sehen; andere Ansicht: EnderleiniMaskovlStrohbach, Art. 1 Rdnr. 9.2. 89 EnderleiniMaskovlStrohbach, Art. 7 Rdnr. 9.2.

90 Karollus, S. 11. 91 Vgl.

1J.

CaemtMrerISchlechtriem-Herber, Art. 7 Rdnr. 26; Karollus, S. 14.

92 V. CaemtMrerISchlechtriem-Herber, Art. 7 Rdnr. 26; EnderleinlMaskowlStrohbach, Art. 7 Rdnr. 3; Karollus, S. 11; Piltz, § 2 Rdnr. 169.

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention

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vor. Die autonome Auslegung hilft jedoch bei der Beantwortung der Frage, ob die Konvention auch auf Barterverträge angewandt werden kann, nicht weiter. Aus dem Übereinkommen selbst ist hierzu nichts zu enblebmen. Daher ist auf die Materialien und auch auf eine rechtsvergleichende Auslegung zurückzugreifen. Für die Anwendbarkeit des Einbeitsrechts auf Barterverträge ist ein Vergleich, wie unterschiedliche Sachrechte den Tausch- im Verhältnis zum Kaufvertrag regeln, auf zwei Ebenen relevant. Zum einen wird dadurch festgestellt, ob die Sachrechte besondere Bestimmungen für den Tauschvertrag beinhalten oder ob sie ihn im wesentlichen den Regeln des Kaufvertragsrechts unterwerfen. Sollte letzteres der Fall sein, wird das Argument der UN-Kommission entkräftet, bei Barterverträgen tauchten Probleme auf, die mit denen eines Kaufvertrages nicht vergleichbar seien. 93 Unter dieser - möglicherweise falschen - Prämisse ist die UN-Kaufrechtskonvention auf Kaufverträge beschränkt worden. Zum anderen kann eine Gleichbehandlung der beiden Vertragsarten in verschiedenen Sachrechten auch ein Argument für eine Gleichbehandlung von Tausch- und Kaufvertrag im internationalen Recht sein. Behandeln die Sachrechte beide Vertragsarten gleich und käme es bei einer strengen Wortlautauslegung der UN-Kaufrechtskonvention nicht zur Erstreckung des Einbeitsrechts auf Barterverträge, so würden Kauf- und Tauschvertrag auf internationaler Ebene ungleich geregelt. Aus diesen Gründen werden im folgenden einige Sachrechte von Vertragsstaaten94 dahingehend untersucht, wie sie den Tausch- im Vergleich zum Kaufvertrag regeln. a) Tauschvertrag im deutschen Sachrecht Der Tauschvertrag ist wie der Kaufvertrag ein gegenseitiger Vertrag, durch den sich die Parteien verpflichten, eine Sache, ein Recht oder einen sonstigen Gegenstand endgültig in die volle rechtliche Verfügungsmacht des Vertragsparblers zu übertragen. 9S Im Gegensatz zum Kaufvertrag haben sich die Parteien jedoch darüber geeinigt, daß die Leistung eines bestimmten Wertes nicht gegen Bezahlung eines Preises erfolgt, sondern gegen einen anderen individuellen Wert. 96 Hierdurch läßt sich der Tausch- vom Kaufvertrag abgrenzen. Dieser nur geringe Unterschied zwischen einem Kauf- und einem Tauschvertrag rechtfertigt, daß gemäß § 515 BGB die Vorschriften über den Kauf entsprechend Anwendung finden.

93 So in UNCITRAL-Yearbook 1978, S. 19l. 94 Zwätzlich wird ein überblick über das englische Tawchvertragsrecht gegeben.

9S Soergel-Huber, § SIS 8GB Rdnr. l. 96 MugdDn, § S02 8GB; Motive 11, S. 366.

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

Aufgrund der Wesensverschiedenheit von Kauf und Tausch sind die Vorschriften über den Kaufpreis jedoch nicht anwendbar. 97 Hingegen sind die Gewährleistungsvorschriften entsprechend anwendbar, da jede Vertragspartei hinsichtlich der von ihr zu erbringenden Leistung als Verkäufer und bezüglich ihres Anspruchs auf die Gegenleistung als Käufer anzusehen ist. 98 Ebenso greifen die Vorschriften über den Gefahrübergang (§§ 446 f. BGB) ein. 99 Auch steht dem Tauschpartner Schadensersatz wegen Nichterfilllung zu. Dabei erfolgt die Berechnung nach § 325 BGB.lOO Bemerkenswert daran ist, daß die Parteien, obgleich sie für die Primärpflichten die Zahlung von Geld durch den Abschluß eines Tauschvertrages ausgeschlossen haben, in diesem Fall zur Leistung von Geld verpflichtet sind. Die Vereinbarung, einen Gegenstand gegen einen anderen zu tauschen, zieht im deutschen Sachrecht also nicht die Konsequenz nach sich, daß auch auf der Ebene der Sekundäransprüche die Zahlung von Geld unterbleibt. Jedoch erfolgt die Berechnung der Minderung bei einem Tauschvertrag nach anderen Grundsätzen als beim Kauf. Das läßt sich durch die meist unteilbaren Leistungen der Vertragsparteien erklären. IOI Beim Kaufvertrag ist dagegen mindestens eine der Leistungen teilbar. Die Minderung ist daher nach dem Verhältnis des Verkehrswertes der Sache in mangelfreiem Zustand zu ihrem tatsächlichen Wert durchzuftihren. 102 Im Ergebnis läßt sich festhalten, daß der Tauschvertrag im deutschen Sachrecht dem Kaufvertrag im wesentlichen gleichgestellt ist. Der Unterschied zwischen den beiden Vertragsarten ist, daß die Vorschriften über den Preis (§§ 452, 453 BGB) auf den Tauschvertrag keine Anwendung finden. Die übrigen Rechte und Pflichten aus einem Tauschvertrag entsprechen denen aus einem Kaufvertrag. Das gilt auch für einen Handelstausch, bei dem der Tauschvertrag für mindestens einen Vertragsteil ein Handelsgeschäft darstellt. 103 Hierfür gelten die Regeln über den Handelskauf entsprechend104, die durch die Vorschriften des BGB ergänzt werden. 105 97 Erman-Grunewald, § 515 BGB Rdnr. 7; Soergel-Huber, § 515 BGB Rdnr. 13; Sraudinger-Mayer-Maly, § 515 BGB Rdnr. 17. 98 Palandt-Putr.o, § 515 BOB Rdnr. 6; Soergel-Huber, § 515 BOB Rdnr. 14; SraudingerMayer-Maly, § 515 BOB Rdnr. 12.

99 Sraudinger-Mayer-Maly, § 515 BOB Rdnr. 16. 100 Soergel-Huber, § 515 BOB Rdnr. 15. 101 Soergel-Huber, § 515 BOB Rdnr. 15; Sraudinger-Mayer-Maly, § 515 BOB Rdnr. 12.

102 ROZ 72, S. 299; 73, S. 152; Palandt-Putr.o, § 515 BOB Rdnr. 6; Soergel-Huber, § 515 BOB Rdnr. 15. 103 Oroßkomrnentar-BrUggemann, vor § 373 HOB Rdnr. 22. 104 Soergel-Huber, § 515 BOB Rdnr. 18; Staudinger-Mayer-Maly, § 515 BGB Rdnr. 11. 105 BaumbachiDudenlHopt, überblick vor § 373 HOB Rdnr. 3.

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention

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b) Tauschvertrag im russischen Sachrecht Der Tauschvertrag war sowohl in den Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 als auch in dem Ersten Teil des neuen Zivilgesetzbuches von 1994 nicht geregelt. Gemäß der Verordnung des Obersten Rates der Russischen Föderation vom 14.7.1992 "Über die Regulierung der zivilen Rechtsbeziehungen in der Periode der Durchführung der Wirtschaftsreformen"I06 galt jedoch bis zum Inkrafttreten des Zweiten Teils des Zivilgesetzbuches von 1995 der Inhalt des Zivilgesetzbuches von 1964 fort, soweit er nicht der Gesetzgebung der Russischen Föderation, die nach dem 12.6.1990 erlassen wurde, oder anderen Rechtsakten, die auf dem Territorium der Russischen Föderation gelten, widersprach. Der Tauschvertrag ist aber nunmehr im Zweiten Teil des Zivilgesetzbuches geregelt, der gemäß Art. 1 des Einführungsgesetzes zum Zweiten Teil des Zivilgesetzbuches am 1.3.1996 in Kraft tritt.

Im Zivilgesetzbuch von 1964 ist der Tausch in Art. 255 107 normiert. Danach wird aufgrund des Tauschvertrages zwischen Parteien der Austausch eines Gutes gegen ein anderes durchgeführt. Bei einem Tauschvertrag gilt jeder der Beteiligten als Verkäufer des Gutes, welches er gibt, und als Käufer des Gutes, welches er erhält (Art. 255 Satz 3 Zivilgesetzbuch von 1964). Auf den Tauschvertrag findet auch nach russischem Recht gemäß Art. 255 Satz 2 Zivilgesetzbuch die Vorschriften über den Kaufvertrag, mit Ausnahme der Regelung über den Preis, Anwendung. Nach dem Zivilgesetzbuch waren das die Artikel 237 - 239 und 241 - 251. Diese Normen werden seit dem 3.8.1992 durch die Artikel 74 und 76 - 78 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 und seit dem 1.1.1995 durch Artikel 424 des neuen ZivilgesetzbUChes verdrängt. 108 Ab dem 1.3.1996 finden die Artikel 567 - 571 des Zweiten Teils des Zivilgesetzbuches von 1995 Anwendung. Gemäß Art. 567 Abs. 2 gelten die Vorschriften über den Kauf entsprechend, soweit sie nicht dem Wesen des Tausches und den neuen Bestimmungen widersprechen. Die Vorschriften über den Kaufpreis sind damit nicht mehr ausdrücklich ausgeschlossen. Jedoch widerspricht das Wesen des Tausches der Geltung dieser Normen. Neu geregelt sind auch die Kosten und Ausgaben für den Tauschvertrag, die nach Art. 568 grundsätzlich diejenige Partei zu tragen hat, die die entsprechende Verpflichtung zu erfüllen hat. Ferner ist nunmehr der Fall geregelt, in dem in Übereinstimmung mit dem Vertrag eine Seite die Ware erst zu einem späteren Zeitpunkt liefern muß. Diesbezüglich wird auf Art. 328 des Ersten Teils des 106 Rossijskaja Gazeta vom 24.7.1992; vgl. übersetzung in Anhang I. 107 Art. 255 entspricht Nr. 551 des Projekts zum Zweiten Teil des Zivilgesetzbuches. 108 Vgl. die Verordnung vom 14.7.1992. 6 Schabeß

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

Zivilgesetzbuches verwiesen. In Art. 570 wird der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs festgelegt. Das Eigentumsrecht geht danach auf den jeweiligen "Käufer" über, wenn diser seinerseits seine Übergabeverpflichtung erfüllt hat. Schließlich ist in Art. 571 die Rechtsfolge für den Fall bestimmt, in dem die zu tauschende Ware durch einen Dritten beschlagnahmt wird. Dann muß entweder die bereits getauschte Ware zurückgegeben oder aber Schadensersatz geleistet werden. Die Erstreckung fast aller Vorschriften aus dem Kaufvertragsrecht auf den Tausch folgt aus der ähnlichen rechtlichen Natur dieser Vertragsarten. 109 Beide gehören zu Verträgen über die entgeltliche ~agung von Vermögen in das Eigentum oder in die operative Leitung eines anderen. 110 Im Gegensatz zum Kaufvertrag besteht beim Tauschvertrag das Äquivalent für die Sachleistung nicht aus Geld, sondern aus einem anderen Gut. 111 Das rechtfertigt die Gleichbehandlung beider Vertragsarten hinsichtlich der Rechte und Pflichten mit Ausnahme der Vorschrift über den Preis (Art. 424 des Zivilgesetzbuches von 1994 und Art. 75 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung von 1991 bzw. ab dem 1.3.1996 Art. 485). So gelten beispielsweise die Vorschriften über die Qualität des verkauften Gutes (Art. 76 der Grundlagen und Art. 469 des Zweiten Teils des Zivilgesetzbuches), über die Rechte des Käufers und die Verantwortung des Verkäufers im Falle des Verkaufs einer nicht qualitätsgerechten Sache (Art. 77 der Grundlagen bzw. ab dem 1.3.1996 Art. 475). Wie im deutschen Sachrecht ist also auch im russischen Recht der Tauschvertrag dem Kaufvertrag im wesentlichen gleichgestellt. In beiden Rechtsordnungen erfährt der Tauschvertrag die gleiche Behandlung. Beide Rechte sehen den einzigen Unterschied zwischen Tausch- und Kaufvertrag in der Art der Bezahlung einer Sachleistung, die beim Kaufvertrag in Geld und beim Tauschvertrag in einer Sachleistung besteht. Die neuen Regelungen lassen diesen Schluß unberührt, da sie lediglich weitere Bestimmungen enthalten, die eine Konkretisierung der Rechte und Pflichten vornehmen.

109 Kommentar zum Zivilgesetzbuch der RSFSR, F1tisic-lofJt, Art. 255 GK, S. 371. 110 Kommentar zum Zivilgesetzbuch der RSFSR. F1tisic-lofJt. Art. 255 GK, S. 371. 111 Kommentar zum Zivilgesetzbuch der RSFSR. F1tisic-lofJt. Art. 255 GK. S. 371.

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention

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c) Tauschvertrag in europäischen Rechtsordnungen

Im Schweizer Recht ist der Tauschvertrag in Art. 237 OR normiert. Wie im deutschen und russischen Recht finden auf den Tauschvertrag gemäß Art. 237 OR die Vorschriften über den Kaufvertrag Anwendung. Das Schweizer Recht stellt wie das russische noch zusätzlich fest, daß jede Vertragspartei in bezug auf die von ihr versprochene Sache als Verkäufer und hinsichtlich der ihr zugesagten Sache als Käufer behandelt wird. Art. 238 OR enthält eine spezielle Gewährleistungsvorschrift für den Tauschvertrag. Die geschädigte Partei kann danach neben Schadensersatz auch die eingetauschte Sache zurückfordern. Wie schon die anderen Rechtsordnungen 112 geht auch das Schweizer Recht kraft ausdrücklicher Verweisung von der Anwendung des Kaufrechts auf den Tausch aus. Als Abgrenzungskriterium zum Kaufvertrag wird ebenfalls die Verpflichtung des Käufers zu einer Geldleistung angesehen. 113 Der spanische C6digo civil enthält vier Normen zum Tauschvertrag. Nach der Definition in Art. 1538 C6digo civil, die im wesentlichen dem Art. 255 Satz 1 des russischen Zivilgesetzbuches von 1964 bzw. Art. 567 Abs. 1 des neuen Gesetzbuches von 1995 entspricht, folgt eine Regelung für den Fall, daß die Sache, die die eine Vertragspartei im Tausch erhalten hat, nicht dem Vertragspartner gehört (Art. 1539 C6digo civil). Im Anschluß daran wird die Besitzentziehung der im Tausch erhaltenen Sache geregelt (Art. 1540 C6digo civil). Schließlich wird in Art. 1541 C6digo civil für alles, was in obenstehenden Normen nicht besonders geregelt ist, auf die Bestimmungen über den Kauf verwiesen. Der spanische C6digo civil spricht wie der italienische Codice civile und der französische Code civil, der Modell für Art. 1541 stand, eine generelle Verweisung auf das Kaufvertragsrecht aus, ohne Einschränkung auf die Preisvorschriften. 114 Die Unanwendbarkeit der Bestimmungen über den Preis ergibt sich aus der Natur des Tauschvertrages, bei dem beide Vertragsseiten als Verkäufer gelten. 115 Auch im spanischen Recht ist der Tausch also grundsätzlich dem Kaufvertrag gleichgestellt. Gleiches gilt für das italienische Recht. 116 Auch in Art. 1555 Codice civile werden die für den Kauf geltenden Vorschriften (Art. 1470 ff. Codice civile) 112 Mit Ausnahme der englischen Rechtsordnung. 113 Bemer-Kommenw-Giger, Art. 184 OR Rdnr. 161. 114 VgI. Rodriguel/Bercovit;/Ponce de LeoniCoderch-Cantero, Art. 1541 C6digo civil, Nr. I. 115 Rodriguel/Bercovit;/Ponce de LeoniConderch-Cantero, Art. 1541 C6digo civil, Nr. I. 116 VgI. die Definition des Tauschvertrages in Art. 1551 Codice civile; zum Unterschied zwischen Kauf- und Tauschvertrag: siehe Cian-Trabucchi, Art. 1552 Codice civile Rdnr. 2. 6*

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

auf den Tausch für anwendbar erklärt, soweit sie mit diesem vereinbar sind. Nicht anwendbar sind die Artikel 1475, 1498, 1499, 1515 und 1516 Codice civile. 117 Diese Normen betreffen im wesentlichen den Kaufpreis und die Zinsen. Der jranz6sische Code civil regelt den Tauschvertrag in den Artikeln 1702 - 1707. Die gesetzliche Definition des Tausches wird in Art. 1702 Code civil gegeben. Sie unterscheidet sich nicht von den Definitionen der oben untersuchten Rechtsordnungen. Art. 1703 Code civil hebt die Natur des Tauschvertrages als Konsensualvertrag nochmals hervor. Es folgen in den Artikeln 1704 und 1705 Code civil Regelungen, die den Artikeln 1539 und 1540 spanischer C6digo civil entsprechen. Grundsätzlich sind gemäß Art. 1707 Code civil die Kaufvorschriften auf den Tausch anwendbar. Die generelle Verweisung auf das Kaufrecht bedarf aufgrund des Charakters des Tausches einiger Einschränkungen. So finden die Vorschriften, die einen Preis voraussetzen, keine Anwendung (Art. 1593 Code civil, Kostentragungspflicht des Käufers; ebenso Art. 1602 Code civil, besondere Auslegungsregel zum Nachteil des Verkäufers). 118 Art. 1703 119 und Art. 1707 Code civil machen deutlich, daß der Tausch im französischen Recht zum größten Teil denselben Regeln unterstellt ist wie der Kaufvertrag.

Im 6sttrrtichischen ABGB ist der Tausch in den §§ 1045 - 1052 geregelt. Im Unterschied zu allen bisher untersuchten Rechtsordnungen sind die Vorschriften über den . Tausch denen über den Kauf vorangestellt. Daraus folgt, daß im österreichischen Recht der Kauf als besonderer Fall des Tausches verstanden wird. 120 Der Tausch ist wie der Kaufvertrag ein zweiseitig verbindlicher entgeltlicher Konsensualvertrag121 , der jedoch gemäß § 1046 ABGB kein Geld als Gegenleistung hat. Neben den ausschließlich auf den Tausch bezogenen Vorschriften (§§ 1945, 1046 und 1047 ABGB) sind die übrigen Normen auch auf den Kaufvertrag122 und teilweise auch auf andere Vertragsarten 123 anwendbar. Es besteht somit auch im ABGB ein Gleichlauf zwischen den meisten Parteipflichten des einen wie des anderen Vertragstyps.

117 Cian-Trabucchi, Art.

1555 Codice civile. 40 Rdnr. 417; Mazeaud-Mazeaud-Chabas, Rdnr.

118 Ferid, Das Französische Zivilrecht, §

1032.

119 " ... il s'o~re par le seul consentement, de la meme mani~re que la vente."

1045 ABGB Rdnr. 1. 121 Rummel-Aicher, § 1045 ABGB Rdnr. 2. 122 Siehe Rummel-Aicher, §§ 1048 - 1051 ABGB Rdnr. 9 ff.; ders. § 1052 ABGB Rdnr. 123 VgI. Rummel-Aicher, § 1052 ABGB Rdnr. 1. 120 Rummel-Aicher, §

1.

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention

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d) Tauschvertrag im amerikanischen Einheitsprivatrecht und englischen Recht

Im vereinheitlichten amerikanischen Teilstaatenrecht ist der Tauschvertrag in § 2 - 304 Abs. 1 Uniform Commercial Code geregelt. Der Uniform Commercial Code erfaßt jedoch nur Verträge über Waren, die mindestens einen Preis von 500 $ haben, § 2 - 201 Abs. 1 Uniform Commercial Code. 124 Diese Summe wird bei der in Rede stehenden Geschäftsart wohl immer erreicht werden. Nach § 2 - 304 Abs. 1 Uniform Commercial Code kann der Preis in Geld oder in anderer Weise vereinbart werden. Falls er ganz oder teilweise in Waren bezahlt wird, ist jede Partei als Verkäufer der Sache, die sie übergibt, anzusehen. Seiner Natur nach ist der Tauschvertrag im amerikanischen Recht ein Unterfall des Kaufvertrages. Nach amerikanischem Einheitsprivatrecht ist der Tausch ebenfalls dem Kauf gleichgestellt. Lediglich die Zahlungsart wird modifiziert. Im Unterschied zum deutschen und russischen Recht sowie zu den anderen Rechtsordnungen wird jedoch im Uniform Commercial Code begrifflich nicht zwischen Kauf und Tausch differenziert. In der Rechtsfolge decken sich aber alle bisher untersuchten Rechtsordnungen. Im englischen Recht ist der Tauschvertrag nicht gesetzlich geregelt. Besteht die Gegenleistung in etwas anderem als in Geld, handelt es sich auf jeden Fall nicht um einen Kaufvertrag im Sinne des Sale of Goods Act von 1893. 125 Daher kann der Sale of Goods Act nicht auf Tauschverträge angewandt werden. 126 Gleichwohl sind viele Prinzipien des "Common Law" des Kaufrechts auf den Tausch anwendbar. 127 Wiederum wird als einziges Unterscheidungskriterium zwischen Kauf- und Tauschvertrag die Vereinbarung angesehen, als Gegenleistung nicht Geld, sondern die Lieferung einer anderen Ware zu akzeptieren. 128 e) Ergebnis des Überblicks über die Grundlinien fremden Tauschvertragsrechts Als Ergebnis des Überblicks über die Grundlinien ausländischen Tauschvertragsrechts läßt sich festhalten, daß Tausch- und Kaufvertrag in allen Rechtsordnungen bis auf wenige Unterschiede, die durch den Charakter des jeweiligen Vertrages bedingt sind, gleich geregelt sind. Das ergibt sich teilweise aus einer ausdrücklichen Verweisung auf die Kaufrechtsvorschriften 124 Vgl. zum Uniform Commercial Code: CalamarVPerillo, S. 801. 125 Guest, S. 29 Rdnr. 27. 126 Guest, Chitty on Contracts 11, Rdnr. 4409. 127 Guest, S. 28 Rdnr. 24; Mark-Mance, S. 82 f.; vgl. auch Atiyah, S. 9. 128 Atiyah, S. 8; Guest, S. 29 Rdnr. 27; Mark-Mance, S. 82.

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2. Teil: Das auf Kompensationsgeschäfte anwendbare Recht

(§ 515 BGB; Art. 255 Satz 2 russisches Zivilgesetzbuch von 1964 bzw. Art. 567 Abs. 2 Zivilgesetzbuch von 1995; Art. 237 OR; Art. 1555 italienischer Codice civile; Art. 1541 spanischer C6digo civil) oder wie in § 2 - 304 Abs. 1 Uniform Commercial Code aus der Gleichstellung des Tauschpartners mit dem Verkäufer einer Sache. Im ABGB folgt dies aus der Systematik des Gesetzes.

Der wesentliche Unterschied zwischen Kauf- und Tauschvertragsrecht besteht in allen Rechtsordnungen darin. daß die Vorschriften über den Preis auf den Tauschvertrag keine Anwendung finden. Im russischen Zivilgesetzbuch und im österreichischen ABGB ist dies in Art. 255 Abs. 2 Zivilgesetzbuch und in Art. 1046 ABGB normiert. Im deutschen, italienischen und spanischen Recht ist das nicht direkt aus dem Gesetz zu entnehmen. Es ergibt sich jedoch aus der Natur des Tauschvertrages. 129 Gleiches gilt für Art. 567 Abs. 2 des Zweiten Teils des Zivilgesetzbuches von 1995. Aus § 2 - 304 Abs. 1 Uniform Commercial Code läßt sich entnehmen, daß es im vereinheitlicheten amerikanischen Teilstaatenrecht keinen Unterschied zwischen einem Kauf- und einem Tauschvertrag gibt. Hiernach ist unerheblich, ob die Gegenleistung in Geld oder Ware besteht. Beide Vertragstypen werden gleich behandelt. Das englische Recht läßt den Tauschvertrag ungeregelt. Auch wird in der englischen Literatur nicht näher darauf eingegangen, welche Prinzipien des "Common Law" auf den Tauschvertrag Anwendung finden. Aus dem Unterscheidungskriterium zwischell: Kauf- und Tauschvertrag, das allein in der Gegenleistung besteht, läßt sich jedoch entnehmen, daß die Regeln, welche die Gegenleistung bei einem Kaufvertrag betreffen, jedenfalls nicht auf den Tauschvertrag angewandt werden können. Grundsätzlich müssen daher der Tausch- und Kaufvertrag im englischen Recht ähnlich behandelt werden wie in den anderen Rechtsordnungen. Einige Rechtsordnungen treffen jedoch für den Tauschvertrag noch weitere Bestimmungen. So enthält z.B. Artikel 238 Schweizer OR eine eigene Regelung der Gewährleistung für den Tauschvertrag. Im italienischen und spanischen Recht gibt es jeweils noch eine Vorschrift über die Rechte des Tauschenden im Falle des Besitzentzuges (Art. 1553 Codice civile; Art. 540 C6digo civil). Auch der ab dem 1.3.1996 geltende Zweite Teil des russischen Zivilgesetzbuches sieht weitreichendere Regelungen für den Tauschvertrag vor, die jedoch überwiegend abdingbar sind. Inwieweit sich dies auf die Gleichbehandlung des internationalen Kauf- und Tauschvertrages auswirkt, wird später in diesem Teil unter Punkt E im einzelnen zu untersuchen sein.

129 Ermon-Grunewald, § 515 BGB Rdnr. 2; Soergel-Huber, § 515 BGB Rdnr. 13; CianTrabucchi, Art. 1555 Codice civile.

B. Der Bartervertrag in der UN-Kaufrechtskonvention

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Als Ergebnis läßt sich somit festbalten, daß als Abgrenzung von Tausch und Kauf jeweils der Leistungsgegenstand dient, der bei einem Tauschvertrag nicht in Geld, sondern in Ware besteht. In den Sachrechten werden also zwischen beiden Vertragsarten keine erheblichen Unterscheidungen vorgenommen. Die Prämisse der UN-Kommission, bei Barterverträgen träten Probleme auf, die bei internationalen Kaufverträgen nicht existierten, ist hiermit grundsätzlich widerlegt. Die Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereiches auf internationale Kaufverträge erscheint vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.

Im internationalen Privatrecht werden Kauf- und Tauschvertrag dagegen unterschiedlich geregelt. Während eine Warenlieferung im Rahmen eines internationalen Kaufvertrages der UN-Kaufrechtskonvention unterliegt, fmdet auf eine Warenlieferung, welche Teil eines internationalen Tauschvertrages ist, das entsprechende nationale IPR Anwendung. Der Gleichlauf, der in den einzelnen Rechtsordnungen hinsichtlich des nationalen Tausch- und Kaufvertrages besteht, ist im internationalen Privatrecht nicht gegeben. Fände die UN-Kaufrechtskonvention auf internationale Tauschverträge Anwendung, käme es auch im internationalen Recht zu einer gleichen Behandlung beider Vertragsarten. Im folgenden soll daher untersucht werden, ob eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches der UN-Kaufrechtskonvention auf internationale Tauschverträge sinnvoll und zulässig ist.

5. Bewertung und UJsungsvorschlag Ausgebend vom Wort1aut l30 des Art. 1 Abs. 1 UN-Kaufrechtsübereinkommen werden Tauschgeschäfte von der Konvention nicht umfaßt. Dem Wortlautargument ist zuzugeben, daß bereits das Einheitliche Gesetz über den Kauf beweglicher Sachen 131 (EKG) auf internationale Kaufverträge begrenzt war. Auf Tauschverträge fand es keine Anwendung. 132 Zur Zeit der Ausarbeitung des UN-Kaufrechtsabkommens wurden Bartergeschäfte zwischen den westlichen und östlichen Staaten vermehrt durchgeführt. Der umgrenzte Anwendungsbereich des EKG hätte daher in der UN-Kaufrechtskonvention erweitert werden können. Daraus, daß das Abkommen nicht auf internationale Tauschverträge ausgedehnt worden ist, könnte gefolgert werden, daß der Anwendungsbereich bewußt auf Kaufverträge beschränkt worden ist. Jedoch ging die UN-Kommission bei der Ausarbeitung des Abkommens davon aus, 130 Zum Vorrang der wörtlichen Auslegung beim UN-Kaufrechtsübereinkommen siehe Karolbu, S. 13; PilIyrHX,'JIHI.{ H ycnOBIDIX, HCKJIIOlIaBWHX B03MOJICHOCTb npe.zrynpe~eHH.II HX 0 TaKoä yrp03e, OHO BnpaBe nOTpe60BaTb OT 3THX JIHI.{ B03MemeHHJI y6blTKOB, nOHeceffilbIX BCB.II3H C npe,nOTBpameHHeM ymep6a. PalMep y6blTKOB, nO.ll,1IexamHX B03Meme HHIO, He ,nOJI~eH npCßblwaTb pa3Mepa npe,nOTBpamellliOro ymep6a.

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168

Anhang

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