Auf der Suche nach Identitäten: Volk - Stamm - Kultur – Ethnos: Internationale Tagung der Universität Leipzig vom 8.-9. Dezember 2000 9781407301495, 9781407331867

21 papers from an international conference on Identities held at the University of Leipzig in December 2000.

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Auf der Suche nach Identitäten: Volk - Stamm - Kultur – Ethnos: Internationale Tagung der Universität Leipzig vom 8.-9. Dezember 2000
 9781407301495, 9781407331867

Table of contents :
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Inhalt
Geschichte als Baustelle
Identitätsbildung als Gegenstand kulturwissenschaftlicher Regionenforschung
Wer sind wir?
Stamm, Volk, Ethnizität, Kultur: die gegenwärtige Diskussion
Consumption and ethnicity in the interpretation of cultural form
Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften
Nations, cultures, and types: dismantling archaeological discourses of the Orcadian Neolithic and beyond
Bandkeramische Stämme? Versuche zur Messung von Kommunikationsintensität
Zu Mobilität und Grenzen in der Bronzezeit
Soziale Strukturen und ethnische Identitäten der BronzezeitOstpolens
Ethnische Identität und frühgeschichtliche Archäologie - Das Beispiel der Franken
Celts and Politics
Die Rolle der Archäologie im Konflikt zwischen regionaler und nationaler Identität in Frankreich
Kelten in Süddeutschland?
Constructing the English: Early Medieval Cemeteries and Changing Conceptions of Anglo-Saxons
Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen
Modern Serbian archaeology and the problem of ethnic identification
The Present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia
Die rumänische Archäologie und die Versuchung des Nationalismus vor und nach der Wende
Archäologie und sächsische Identität
Diskussion
Schlusskommentar
Zusammenfassungen
Summaries
Adressen der Autoren

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BAR S1705 2007

Auf der Suche nach Identitäten: Volk – Stamm – Kultur – Ethnos

RIECKHOFF & SOMMER (Hrsg)

Internationale Tagung der Universität Leipzig vom 8.-9. Dezember 2000 Herausgegeben von

Sabine Rieckhoff Ulrike Sommer

AUF DER SUCHE NACH IDENTITÄTEN

B A R

BAR International Series 1705 2007

Auf der Suche nach Identitäten: Volk – Stamm – Kultur – Ethnos Internationale Tagung der Universität Leipzig vom 8.-9. Dezember 2000 im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 417 “Regionenbezogene Identifikationsprozesse. Das Beispiel Sachsen” und des Teilprojektes A5 der Professur für Ur- und Frühgeschichte “Ethnogenese und Traditionskonstruktion –archäologische Quellen und ihre Deutungen in der Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts” Herausgegeben von

Sabine Rieckhoff Ulrike Sommer

BAR International Series 1705 2007

ISBN 9781407301495 paperback ISBN 9781407331867 e-format DOI https://doi.org/10.30861/9781407301495 A catalogue record for this book is available from the British Library

BAR

PUBLISHING

Inhalt 1. Einleitung Sabine Rieckhoff, Geschichte als Baustelle Heinz-Werner Wollersheim, Identitätsbildung als Gegenstand kulturhistorischer Re gionenforschung Georg Meggle, Wer sind wir? 2. Begriffe und Theorien Christoph Brumann, Stamm, Volk, Ethnizität, Kultur: Die gegenwärtige Diskussion Michael Rowlands, Consumption and ethnicity in the interpretation of cultural form Ulrike Sommer, Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften Sîan Jones, Nations, cultures and types: dismantling archaeological discourses of the Orcadian Neolithic and beyond 3. Prähistorische Wir-Gruppen oder archäologische Konstrukte? Andreas Zimmermann, Bandkeramische Stämme? Versuche zur Messung von Kom munikationsintensität. Albrecht Jockenhövel, Zu Mobilität und Grenzen in der Bronzezeit Sławomir Kadrow, Soziale Strukturen und ethnische Identitäten in der Bronzezeit Ostpolens. Sebastian Brather, Ethnische Identität und frühgeschichtliche Archäologie – das Beispiel der Franken 4. Historische und archäologische Überlieferung: Das Fallbeispiel Kelten John Collis, Celts and Politics Oliver Buchsenschutz und Laurent Olivier, Gallier und Kelten gegen die Republik: reaktionäre Perspektiven auf die Ursprünge Frankreichs Jörg Biel, Kelten in Süddeutschland?

6-16 17-20 21-30 31-53 54-58 59-78 79-90

91-94 95-106 107-119 120-135 136-144 145-149 150-154

5. Ethnische Deutung im Spannungsfeld Nation - Region Sam Lucy, Constructing the English: Early Medieval cemeteries and changing conceptions of Anglo-Saxons Jan Klápště, Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld verschiedener Iden titäten: Das Fallbeispiel Böhmen Miloš Jevtic, Modern Serbian archaeology and the problem of ethnic identification Predrag Novaković, The present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia Mircea Babeş, Die rumänische Archäologie und die Versuchung des Nationalismus vor und nach der Wende Wolfgang Luutz, Regionale Modernisierungspolitik und Ethnisierung Ulrike Sommer, Archäologie und sächsische Identität

193-195 196-204 205-213

6. Diskussion Sektion 3 Sektion 4 Sektion 5 Schlussdiskussion Tom Bloemers, Schlusskommentar Zusammenfassungen Summaries Adressen der Autoren

214-218 218-224 224-227 227-233 234-236 237-245 246-253 254-255

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155-165 166-174 175-180 181-192

Geschichte als Baustelle

Gruppenbild der Tagungsteilnehmer vor dem Geschwister-Scholl-Haus, Leipzig, 9.12.2000.

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Geschichte als Baustelle Sabine Rieckhoff, Universität Leipzig

Wunder, dass oft nur noch Ruinen zurückblieben. Die ‘ethnische Deutung’ der prähistorischen Archäologie ist eine solche Ruine. ‘Ethnische Deutung’ definiert als die Zuordnung materieller Fundvergesellschaftungen zu historisch überlieferten Bevölkerungsgruppen oder - im erweiterten Sinne - zu archäologischen Kulturen, denen wir ein - wie auch immer geartetes - ‘Wir-Bewusstsein’ zugestehen, wie wir es in unserer Einladung vorsichtig formuliert hatten.

Anlässlich unserer Tagung “Auf der Suche nach Identitäten: Volk - Stamm - Kultur - Ethnos” in Leipzig vom 8. - 9. 12. 2000 zeigten wir im Institutsgebäude eine kleine Ausstellung zur Geschichte des Faches in Leipzig 1934-1989 mit dem Titel “Baustelle”. Zu dieser Zeit wurde das Institut umgebaut und war wirklich eine Baustelle. Aber der Titel war natürlich doppeldeutig und programmatisch gemeint: “Geschichte als Baustelle”, d.h. Geschichte als Vergangenheit und Geschichte als Erzählung dieser Vergangenheit.

Erinnern wir uns an einige Stichworte zur Baugeschichte dieses komplexen Begriffes. Im 18. Jahrhundert, zu Beginn der ‘vaterländischen Alterthumskunde’, war die ethnische Deutung ein eher harmloses Hobby. Auf der Suche nach den Vorfahren griff man auf, was die Schriftquellen anboten: das Volk der Kelten in Frankreich, das Volk der Germanen in Deutschland. In Sachsen standen wahlweise auch Slawen als Vorfahren zur Verfügung, aber diese Alternative vermochte die sächsischen Gemüter nicht sonderlich zu erregen. Als 1781 ein Preis von 50 Talern ausgesetzt worden war für die wissenschaftliche Beantwortung der Frage, ob die Ureinwohner der Lausitz Germanen oder Slawen waren, fand sich kein einziger Bewerber; erst nach 60 Jahren meldete sich ein Pastor zu unmaßgeblichem Wort.

An dieser Geschichte wird seit Generationen ‘gebaut’, seit Erfindung der Schrift und selbst jenseits davon in den Mythen schriftloser Gesellschaften, man könnte auch sagen, seit der Sesshaftwerdung der Menschheit. In der Sesshaftigkeit, der ältesten zivilisatorischen Errungenschaft, nahm das kulturelle Gedächtnis erstmals konkrete Form an. Sein Medium war die Architektur. Von nun an baute der Mensch, konkret und symbolisch, in zwei Richtungen: erstens an seinem Haus, prospektiv und dreidimensional für seine Zukunft, und zweitens an seiner Geschichte, retrospektiv und linear für seine Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die in der kollektiven Erinnerung weiterlebte; Erinnerungen, die rituell inszeniert und reproduziert wurden; rituelle Kommunikation, die eine in die Tiefe der Zeit zurückreichende Kontinuität aller Beteiligten imaginierte, und Inszenierungen, die eine gemeinsame mythische Vergangenheit schufen - in diesem Kreislauf entstand das, was wir heute Identität nennen. Kollektive Identitäten, die ihre Identität zelebrieren, können wir deshalb spätestens seit der Neolithisierung voraussetzen. Seit dieser Zeit wird der soziale Raum von den jeweiligen Eliten mit der Architektur von Identitäten bestückt, und das mit wechselnden Paradigmen bis heute.

Zur Leidenschaft wurde die Suche nach den Vorfahren erst am Vorabend der Revolution. Als die romantischen Ideen der Keltomanie über den Rhein waberten und auch die Gelehrtenhirne umnebelten, wurden Deutschlands Ureinwohner kurzfristig zu Kelten. In Südwestdeutschland formierte sich daraufhin eine patriotische Gegenpartei, die für die Kelten wenig, dafür umso mehr für die Germanen übrig hatte. So begann eine teilweise erbitterte Auseinandersetzung zwischen Germanomanen und Keltomanen, die von Wilhelm Lindenschmidt 1846 offen als “Vaterlandsfeinde” beschimpft wurden. 150 Jahre liegt dieser Streit nun schon zurück, der noch in die vorwissenschaftliche Phase der Archäologie fällt. Dennoch hat er bereits alle Problemfelder berührt, die die ethnische Interpretation bis

Geschichte also als permanente ‘Baustelle’: So manche Fundamente - um im Bild zu bleiben - erwiesen sich als zu schwach, so manche Luftschlösser lösten sich in nichts auf, so manche Prachtbauten fielen schon bald nach ihrer Einweihung zusammen wie die sprichwörtlichen Kartenhäuser; kein 7

Geschichte als Baustelle

heute begleiten: das Diktat der Genealogie, die Herkunft oder Urheimat von Völkern, den Volksbegriff an sich, die nationalistische Aufladung dieses Begriffes, die methodischen Probleme der Archäologie bei der Identifizierung von Gemeinschaften und - in Verbindung damit - das Problem des archäologischen Kulturbegriffs.

des Territoriums die Vergangenheit zu erzählen. Damit war der Primat der Nationalgeschichte etabliert, deren Aufgabe es war, Sinnstiftung zu leisten, Identität zu generieren, den eigenen Standpunkt te-leologisch zu untermauern und sich gegen fremde Erinnerungen zu immunisieren. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ging es in Deutschland zunehmend weniger um “ethnische Deutung” im Allgemeinen, sondern um die “germanische Kultur” im Besonderen. Die Diskussion entzündete sich an der Frage nach der Herkunft der Indogermanen. Das war eigentlich ein ursächlich sprachwissenschaftliches Problem, zu dem die Archäologie - als eine Wissenschaft der nichtsprachlichen Quellen - eo ipso nichts beitragen konnte (und bis heute nicht kann). Die Idee des Germanisten Gustaf Kossinna, eine frühmittelalterliche Sprachfamilie anhand der Verbreitung archäologischer Kulturen bis in die Steinzeit zurück zu verfolgen, war daher schon im Ansatz verfehlt. Doch als Kossinna seine Methode vorstellte, war er davon überzeugt, Montelius' Werkzeug zur chronologischen Gliederung des Fundstoffes um ein solches der räumlichen Ordnung erweitert zu haben:

Die wichtigste archäologische Entdeckung des 19. Jahrhunderts war zweifellos der Beweis, dass die Erde nicht im Jahr 4004 v. Chr. erschaffen worden war. An die Stelle der kurzen biblischen Chronologie trat nunmehr das unendlich lange messbare Alter menschlicher Artefakte. Plötzlich stand die Vorgeschichtsforschung vor einem zeitlichen Abgrund, in den keine historische Überlieferung mehr hinein leuchten konnte. Ausgerechnet in dem Moment, in dem sich das national gesinnte Bürgertum seiner Abstammung vergewissern musste, um seine politischen Ziele zu legitimieren, verschwanden die archäologischen Zeugen in einem prä-nationalen Dunkel. Umso eifriger setzte die Suche nach Beweismitteln für und gegen ethnische Zuordnung ein.

“Scharf umgrenzte archäologische Kulturprovinzen decken sich zu allen Zeiten mit ganz bestimmten Völkern oder Völkerstämmen.” (Kossinna 1911).

Auf dem Spiel stand die nationale Identität, das eigene und das fremde Volkstum, wie es damals hieß: “Jedes Volk hat”, so schrieb bereits 1826 ein Gelehrter, vielleicht nicht zufällig ein Bayer, “sein eigenthümliches Gepräge”, und dies betraf, verkürzt gesagt, “Abstammung, Religion, Verfassung und Gesetze, Sitten und Gebräuche, Kultur und Sprache sowie den Landstrich, den es bewohnt.” Dieser essenzialistische Volksbegriff, der bereits in J. G. Herders (1744-1803) Schriften wurzelte, wurde der Grundstein für das traditionelle, das nationale Konzept der ethnischen Deutung: das Konzept einer homogenen Entität mit einer spezifischen Identität, die sich in einer spezifischen materiellen Kultur spiegelt. Das war allerdings keineswegs nur ein Deutungsmuster der prähistorischen Archäologie. Von nun an galt für sämtliche kulturhistorischen Konzepte Europas ein und dasselbe Paradigma, das die ideelle Grundlage aller Nationalstaaten bildete und bildet - das Paradigma der Kontinuität. Das war keineswegs immer so gewesen. Wie U. Sommer zeigen konnte (Sektion 5, 206), rankten sich fast alle mittelalterlichen europäischen ethnogenetischen Erzählungen um Migrationen. Erst mit dem Auf-kommen des Nationalstaates wurden der Autoch-thonismus populär und damit unterschiedliche Mechanismen der Kontinuitätskonstruktion erforderlich, die dazu dienten, über die Kontinuität eines (biologisch, politisch oder sozial definierten) Vol-kes, der (eigenen oder fremden) Kultur oder

Der Erfolg gab Kossinna Recht. Der aus der Ethnologie entlehnte Begriff der “Kulturprovinz” in einem nationalistisch aufgeladenen Kontext, der aus der diffusen Beziehung zwischen ethnischer Gemeinschaft und materieller Kultur endlich eine scheinbar zwingende Kausalität machte, wurde zum Exportschlager und für die Forschungsgeschichte von immenser Bedeutung. In Frankreich definierte Joseph Déchelette 1914 damit la civilisation d'Hallstatt quasi die Folie, die bis heute allen Keltenkonzeptionen unterliegt (vgl. Collis 2003). Selbst V. Gordon Childe meinte das gleiche, wenn er - nur scheinbar neutraler - lediglich von ‘Kulturen’ sprach: “Certain types of remains - pots, implements, ornaments, burial rites, house forms - constantly recurring together” (Childe 1929).

David Clarke setzte 1968 zu einer fundamentalen Kritik am monothetischen Kulturbegriff an, ohne jedoch das Konzept als solches ganz aufzugeben. Auf dem europäischen Kontinent blieb es in die 70er Jahren bei vereinzelten Reaktionen. Der entscheidende Bruch mit dem kulturhistorischen Konzept der Vorkriegszeit auf etwas breiterer Basis fand hierzulande tatsächlich erst vor ca. 10-15 Jah8

Sabine Rieckhoff

ren statt. Diesmal kamen die Anregungen aus den Sozialwissenschaften. Mit den Imaginären Gemeinschaften (Anderson 1983) und den Erfundenen Traditionen (Hobsbawm/Ranger 1983) im Gepäck wurde der Weg frei zu einem neuen voluntaristischen, konstruktivistischen Kulturbegriff (vgl. unten, Sektion 1).

Ruine zu beschäftigen, sie abzutragen und auf das zu reduzieren, was sie ist: der Überrest einer Baustelle. Wenn man in Ostdeutschland lebt, entwikkelt man ein Gespür für Baustellen als Sinnbilder der Vergänglichkeit: Abriss und Aufbau bestimmen das Bild der Städte bis heute; alte Denkmäler, die im Weg stehen, und neue Gedenktafeln, die kollektive Erinnerung beschwören; Baukräne und Presslufthämmer, die den Wandel nach 1989 sichtbar und hörbar, die Historizität der Deutungsmuster sinnlich wahrnehmbar machen. Das war auch unser Anliegen. Mit unserer Tagung wollten wir die Historizität ideologisierter Begriffe (Volk, Stamm, Sprache, Abstammung, Rasse, Nation, Ethnos) aufdecken, die unser Fach von Anfang an bestimmten und zum Teil bis heute bestimmen; wir wollten diese Begriffe nicht länger tabuisieren, sondern auf ihre Verwendung, ihre Sinngebung oder Gefährlichkeit hin analysieren. ‘Volk’ und ‘Stamm’ sind schon im 19. Jahrhundert im Dunstkreis des Nationalismus ideologisiert worden. Aber erst ihre Bedeutung für die Archäologie im Nationalsozialismus hat dazu geführt, dass beide Begriffe bis heute vermieden werden. Die Wissenschaft stellt die Frage nach prähistorischen Realitäten meist gar nicht mehr oder weicht auf vermeintlich neutralere (aber auch diffusere) Begriffe aus, wie ‘Kultur’ oder ‘Ethnos’. In der cultural anthropology ist allerdings inzwischen auch der scheinbar unverfängliche Kulturbegriff unter Ideologieverdacht geraten. Und wie Parolen der ‘Neuen Rechten’ zeigen, kann Kultur ebenso als Kampfbegriff verwendet werden. Angesichts dieser Diversifizierung wollten wir die Diskussion über die grundlegende Terminologie unseres Faches nicht länger aussparen, sondern nach impliziten Bedeutungen und expliziten Anwendungszusammenhängen der einschlägigen Begriffe fragen, das heißt nach den Konsequenzen, die sich daraus ergaben.

Dass Kossinnas Konzept posthum der nationalistisch-rassistischen Ideologie des NS-Regimes große Dienste geleistet hat, ist bekannt. Damit hatte die Suche nach den Vorfahren endgültig ihre wissenschaftliche Unschuld verloren, und die Frage nach der ethnischen Identität (der ‘völkischen Zugehörigkeit’) erhielt eine gespenstische Dimension für das persönliche Überleben. Das Thema unserer Tagung war aber nicht die Zeit des Nationalsozialismus - diese Epoche stand bereits auf zwei innovativen Veranstaltungen im Zentrum, auf die wir aufbauen konnten. Die internationale Tagung Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933-1945 (19.-23. 11. 1998) der Humboldt-Universität Berlin stieß als erste eine systematische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Faches an (Leube 2000). Auf dem Kolloquium des Sonderforschungsbereichs 541 der Universität Freiburg wurde das Thema unter der Überschrift Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995 (2.-3. 7. 1999) historisch erweitert und vertieft (Steuer 2001). Angeregt durch diese Tagungen wollten wir den Diskurs weiterführen im Rahmen des Leipziger Sonderforschungsbereiches 417 Regionenbezogene Identifikationsprozesse. Das Beispiel Sachsen, in dem wir mit unserem Teilprojekt Ethnogenese und Traditionskonstruktion - archäologische Quellen und ihre Deutungen in der Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts (1999-2001) die Instrumentalisierung archäologischer Forschungen bei der Konstitution regionaler beziehungsweise nationaler Identitäten untersuchten.

Begriffe und Theorien Die 2. Sektion Begriffe und Theorien hat sich daher mit Grundsatzfragen auseinandergesetzt. An die Stelle des traditionellen, national aufgeladenen archäologischen Kulturkonzeptes haben Kultur- und Sozialwissenschaften schon des längeren die Begriffe Identität und Ethnizität gesetzt und diesen eine räumliche Dimension verliehen, quasi eine Landkarte unterlegt. Diese Landkarte gleicht einem patchwork aus Identitäten, deren Grenzen sich ständig bewegen. Unter diesen ist die ethnische Identität nur eine Form der kulturellen Identität neben anderen, die von Geschlecht, Alter oder Status abhängen. Daher wird ethnische Identität oder Dif-

Im Unterschied zu Berlin und Freiburg galt unser Interesse der Standortbestimmung heute. Um wieder auf das Bild der Baustelle zurückzukommen: 1945 ist, so könnte man sagen, das Gebäude der ‘ethnischen Deutung’ ausgebrannt, aber als Ruine stehen geblieben. Düster ragte sie aus dem geschäftigen Treiben, das sich alsbald wieder um sie herum entwickelte; offiziell, sozusagen bei Tage, gemieden, nur im wissenschaftlichen Abseits gelegentlich Hort geflüsterter Parolen, die jedoch seit einiger Zeit lauter und frecher werden. Es schien daher an der Zeit, nach 60 Jahren, sich mit dieser 9

Geschichte als Baustelle

ferenz (Ethnizität) als soziales Konstrukt verstanden, das wandel- und austauschbar ist. Mit diesem Konzept hat sich ein antirassistisches, multikulturell orientiertes, mit einem Wort ein sympathisches Wissenschaftsverständnis der zweiten Generation nach dem Kalten Krieg Gehör verschafft. Sie kann sich auf die Zustimmung derjenigen Sozialwissenschaftler berufen, die den Pluralismus der postmodernen Gesellschaft apostrophieren und so gut wie alles - auch Kunst, Schönheit und Sexualität - als kulturelles Konstrukt definieren.

ten Überresten” zwei nur scheinbar homogene, nur scheinbar deutlich voneinander zu trennende archäologische Kulturen konstruiert hat. Nationalismus ist kein Phänomen der Vergangenheit. Michael Rowlands zeigt in seinem Beitrag Consumption and ethnicity in the interpretation of cultural form (S. 54-58), dass wir seit 1989 sogar eine Renaissance des Nationalismus erleben, der von der Weltpolitik nach dem Ende des kalten Krieges konsequenterweise neu determiniert worden ist: Während im 19. Jahrhundert der „Krieg der Völker“ stattfand, werden heutzutage angeblich „conflicts between nations and groups of different civilisations“ ausgetragen (Huntington 1993). So wie der Nation seit eh und je werden nun auch Zivilisation, Kultur, Ethnizität oder Tribalismus tiefe zeitliche Wurzeln zugeschrieben, so dass sie quasi naturwüchsig erscheinen und deshalb verantwortlich sein sollen für Konflikte aller Art, gerade auch in der ‘Dritten Welt’. Obwohl vor allem die britische Anthropologie und Archäologie inzwischen die These verteidigen, dass die Idee einer festen Volkszugehörigkeit erst mit dem Nationalismus des 19. Jahrhunderts entstanden sei und die archäologische und ethnologische Forschung zeige, dass Identitäten vielmehr flexibel, situativ und heterogen seien, wird eben diese Forschung dazu benutzt, einen aggressiven Neo-Nationalismus zu stützen. Rowlands fordert die Archäologen dazu auf, deutlicher Stellung zu nehmen und der nostalgischen Suche nach den Vorfahren in der tiefen Vergangenheit keinen Vorschub (mehr) zu leisten.

U. Sommer hat es in ihrem Beitrag Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften (S. 59-78) übernommen, unseren traditionellen Kulturkonzepten - in der einen oder anderen Form vor allem Kultur als ‘Volk’ oder Kultur als ‘Stil’ - B. Andersons Begriff der imagined communities gegenüber zu stellen und dessen Konsequenzen für die Archäologie auszuloten. Ihr Fazit fällt positiv aus, denn die Verwendung eines konstruktivistischen Identitätskonzeptes, wie eben beschrieben, könnte auch in die inzwischen festgefahrene Diskussion über den archäologischen Kulturbegriff neue Bewegung bringen. Für die Beibehaltung des Begriffes ‘Kultur’ plädiert, trotz massiver Kritik von Seiten der Sozialwissenschaften, auch Ch. Brumann aus Sicht des Ethnologen in seiner Standortbestimmung Stamm, Volk, Ethnizität, Kultur: die gegenwärtigen Diskussion (S. 31-53). Von Stämmen und Völkern wird in der Ethnologie heute nur noch selten gesprochen. Stattdessen wird Identität als die subjektiv empfundene Ethnizität oder objektiv wahrnehmbare Kultur beschrieben, d.h. als “sozial erworbene, geteilte Denk- und Verhaltensmuster”. Diese unterliegen notwendigerweise einem Wandel in Zeit und Raum, so dass Instabilität ihr Wesensmerkmal ist. Daher können sie, müssen sich aber nicht materiell als Fundvergesellschaftung niederschlagen. Nicht zuletzt ist es eine Frage der angewendeten Theorien und Methoden, ob und welche kulturellen Grenzen wir finden. Für das Problem, ob und inwieweit diese mit ethnischen Grenzen korrespondieren (können), kann uns die Ethnologie allerdings leider auch kein Konzept anbieten. Instabilität und Heterogenität sind auch die prinzipiellen Charakteristika von S. Jones' Kulturbegriff, die unter der Überschrift Nations, cultures and types: dismantling archaeological discourses of the Orcadian Neolithic (S. 79-90) den repressiven Einfluss nationaler Ideologien auf die archäologische Forschung anprangert. Am Beispiel des Neolithikums auf den Orkney-Inseln zeigt sie, wie das national aufgeladene kulturhistorische Konzept aus den “chaotischen, schmutzigen und zweifelhaf-

Prähistorische Wir-Gruppen oder archäologische Konstrukte? In der 3. Sektion, Prähistorische Wir-Gruppen oder archäologische Konstrukte? werden - quer durch die Zeiten, von der Bandkeramik bis zur Frühgeschichte - Fallbeispiele vorgestellt, in denen der archäologische Befund nach einer Erklärung verlangt, um die man vor 60 Jahren nicht verlegen gewesen wäre, aber die heute - aus den oben genannten Gründen - Unbehagen verursacht. Frühere Ethnologen und Archäologen hätten in der Tat kaum Zweifel gehabt, die regional auffällig unterschiedliche Verbreitung von Silex und Keramik in der westdeutschen Bandkeramik “mit dem Begriff Stammesgrenzen zu erklären”, nach denen A. Zimmermann fragt: Bandkeramische Stämme? Versuche zur Messung von Kommunikationsintensität (S. 91-94). Zimmermann erwägt verschiedene Gründe für diese kulturellen Grenzen, u.a. Streitigkeiten über Zugangsrechte zum Salz. Einen 10

Sabine Rieckhoff

solchen Salzkrieg kennen wir tatsächlich aus historischer Zeit. Tacitus berichtet, dass 58 n.Chr. die Hermun-duren im Kampf um den Besitz salzhaltiger Quellen über die Chatten gesiegt hätten (Tac., Ann. 13,57,1-4). Man lokalisiert diese Rivalitäten an der mittleren Werra, weil sich westlich des Flusses ein fundleerer Landstreifen erstrecken soll, der als eine der von Tacitus häufig erwähnten “Ödlandgrenzen” zwischen den beiden Stämmen interpretiert wird. Haben wir es hier nur mit einer Fundlücke und mit einem antiken Topos zu tun, oder verbirgt sich dahinter eine prähistorische Realität? Ist es Zufall, dass auch Zimmermanns bandkeramische ‘Kulturgrenzen’ in Bereiche mit verringerter Fundstellendichte fallen? Ist es Zufall, dass zwischen bronzezeitlichen Fundgruppen häufig ein fundleerer Raum - “eine Art Ödland” - zu beobachten ist?

gige Stabilität im Inneren - mit diesem Modell könnte man zum Beispiel die Entstehung ökonomisch bedingter Makrostrukturen erklären, die sich in weiträumig verbreiteten Keramikstilen spiegeln, ohne dass man bronzezeitliche Stammesverbände aus der Mottenkiste holen muss. S. Kadrow (S. 107-119) beschreibt in seinem Überblick über Soziale Strukturen und ethnische Identitäten der Bronzezeit Ostpolens eine vergleichbare Situation, propagiert aber ein anderes Modell. Er erklärt die stilistische Übereinstimmung in der Keramik der polnischen Frühbronzezeit (Mierzanowice-Kultur) mit Matrilinearität und Frauentausch - was allerdings voraussetzt, dass wir sicher sind, dass die Keramik von Frauen hergestellt worden ist. Historische und archäologische Überlieferung das Fallbeispiel Kelten

A. Jockenhövel stellt in seinem Beitrag Zu Mobilität und Grenzen in der Bronzezeit (S. 95-106) angesichts dieses Befundes m.E. mit Recht die Überlegung an, ob es sich hier um Grenzen gehandelt hat - bei denen wir allerdings eingedenk dessen, was uns die Ethnologie und die Sozialwissenschaften lehren, vorläufig offen lassen sollten, zwischen welchen Arten von Identitäten diese Grenzen verliefen.

Die 4. Sektion, Historische und archäologische Überlieferung: Das Fallbeispiel Kelten widmet sich der Forschungsgeschichte mit all ihren politischen Implikationen. Die Ethnogenese der Kelten ist ein altes, europaweit kontrovers diskutiertes Problem. Aber ein Paradigmenwechsel der 90er Jahre hat die Diskussion in neue Bahnen gelenkt. Erst wenn wir fragen, wem die Kelten als ‘Völkerschaft’ und als ‘kulturelle Identität’ für die Gegenwart nützlich sind, erkennen wir, was wir über die antike Ethnographie wirklich wissen, an welchem Punkt historische Deutung und politische Implikationen begonnen haben. Dann wird deutlich, dass man heute nicht mehr, wie in den großen Keltenausstellungen von Venedig (1990) oder Rosenheim (1993), unbefangen von den Kelten als dem “großen alteuropäischen Volk” sprechen kann, das “beim Werden Europas eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat”. Hier tritt die Sehnsucht nach den ‘imaginären Gemeinschaften’ offen zutage. Nur am Rande sei angemerkt, dass der ‘Europäismus’ keineswegs auf die Kelten beschränkt ist. Inzwischen hat das offizielle europäische Motto “Einheit in Vielfalt” von der Bronzezeit bis ins Frühmittelalter Eingang in die Identitätskonstruktionen auf supra-nationaler Ebene gefunden (Gramsch 2005). Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis mit solchen ‘erfundenen Traditionen’ auch die Kelten in Kleinasien für die Aufnahme der Türkei in die EU nutzbar gemacht werden.

Ein zweites bronzezeitliches Beispiel, das A. Jokkenhövel zur Diskussion stellt - die Grenzen zwischen Makroregionen mit unterschiedlichen Keramikstilen der Lausitzer Kultur in Böhmen, Mähren und der Slowakei - wird man dagegen wohl anders beurteilen müssen. Einen Niederschlag “stabiler Identitäten von Personenverbänden” in dieser Größenordnung hält A. Jockenhövel für kaum denkbar. Da die Grenzen großräumig über Jahrhunderte hinweg stabil, kleinräumig dagegen immer in Bewegung geblieben sind, greift hier m. E. eher das Konzept des norwegischen Anthropologen F. Barth (1969), der aus dem Verhältnis zwischen ethnischen Gruppen und Grenzen ein neues Verständnis von Ethnizität entwickelt hat. Barth definiert die ethnische Gruppe als eine Form der sozialen Organisation, für die Unterschiedlichkeit undAbgrenzung (Ethnizität) ein Mittel ist, um bestimmte Ziele zu erreichen. Der Schwerpunkt dieses Konzepts liegt daher auf individueller (Selbst)-Zuweisung, auf aktiver Manipulation. Das Konzept funktioniert natürlich nur, wenn auch die Grenzen nicht a priori starr vorgegeben sind, sondern selbst geschaffen, bewusst aufrechterhalten oder kleinräumig verändert werden können, je nachdem wie es die Taktik erfordert (U. Sommer, S. 71). Fluktuierende Ethnien an fluktuierenden Grenzen und eine davon abhän-

J. Collis hat in seinem Beitrag Celts and politics (S. 136-144) die Genese des Keltenbegriffs einer forschungsgeschichtlichen Kritik unterzogen. Sie zeigt u.a., wie das Paradigma der ethnischen Deu11

Geschichte als Baustelle

tung das Bild von der Herkunft und Ausbreitung der Kelten gesteuert hat, angefangen bei den antiken Autoren (mit Ausnahme von Caesar!) über die Sprachwissenschaft des 18. Jahrhunderts, die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts bis hin zu dem nationalen kulturhistorischen Konzept von Déchelette. Von größter Bedeutung, die künftig sicher noch über den fachinternen Diskurs hinaus in die breite Öffentlichkeit wirken wird, halte ich Collis' Analyse der Geschichte der Sprachwissenschaft: Deren Entscheidung, eine vorrömische Sprachgruppe, die in Irland, Schottland, Wales und der Bretagne überlebt hatte, als ‘keltisch’ zu bezeichnen, beruhte auf der verhängnisvollen Überzeugung, dass die Ureinwohner der Britischen Inseln Kelten gewesen seien (was kein einziger antiker Autor jemals behauptet hat) sowie darauf, dass das moderne Bretonisch ein Überbleibsel der Sprache der Celtae sei (was bis heute umstritten ist). Mit der Entscheidung, die ‘neu entdeckte’ Sprache nicht gallisch oder gälisch, sondern ‘keltisch’ zu nennen, übertrug die Sprachwissenschaft eine ethnische Bezeichnung, die lediglich aus den antiken Quellen bekannt war (von denen wohlgemerkt nur Caesar eine geografisch exakte Angabe zu den Celtae in Gallien gemacht hat), auf eine linguistische Klassifikation. Wie Collis an anderer Stelle süffisant bemerkte, dürfte vor dem 18. Jahrhundert kein Ire gewusst haben, dass er ein Kelte ist.

zeitforschung, so stellen die Autoren bedauernd fest, hat all das nicht das Geringste zu tun. Während sich auf den Britischen Inseln und in Frankreich die Geschichte der Kelten heute recht gut überschauen lässt, ist sie rechts des Rheins noch weitgehend ungeschrieben, selbst in BadenWürttemberg, dem wir die sensationellsten Funde verdanken (Kreienbrink 2004). J. Biel möchte zwar die Frage Kelten in Süddeutschland? (S. 150-154) bejahen, aber forschungsgeschichtlich muss er viele Fragen offen lassen und kann die Rolle der Kelten in der nationalsozialistischen Propaganda nur anreißen. Es wird jedoch deutlich, dass am Beginn eine Auseinandersetzung stand, die letztlich den alten Streit über die Ureinwohner - Kelten, Germanen oder Römer? - wieder aufleben ließ, während die Kelten zum Schluss kurzerhand “als Indogermanen dem Deutschtum” einverleibt wurden. Dem ist eigentlich nur noch hinzuzufügen, dass der enorme Aufschwung der Keltenforschung ab 1950 eine Reaktion auf die Germanophilie der NS-Zeit ausdrückt. Ihren Höhepunkt erreichte sie vor ca. 20 Jahren mit der Ausstellung Der Keltenfürst von Hochdorf (300.000 Besucher) und ein Ende ist gemessen an Ausstellungen, Publikationen, Filmen und Keltenfesten - nicht abzusehen. In diesen Zusammenhang ist, im Vorgriff auf Sektion 5, eine Beobachtung von J. Klápště zu stellen. Die Mittelalterarchäologie in Böhmen sieht sich heute u.a. mit der Frage nach der Beziehung zwischen der ältesten slawischen Bevölkerung des 6./7. Jahrhunderts und dem so genannten keltischen oder germanischen ‘Substrat’ konfrontiert. Nach meinem Dafürhalten ist die spätlatènezeitliche Oppidakultur in Böhmen um die Mitte des 1. Jh. v. Chr. kollabiert und die Bevölkerung abgewandert, während von Norden Gruppen aus Polen und Mitteldeutschland nachrückten. Die meisten Forscher setzen diesen Bevölkerungswechsel zwar erst 20-30 Jahre später an. Aber niemand würde sich “für einen eher keltischen als slawischen Ursprung der heutigen Tschechen” aussprechen, wie das offenbar in Tschechien heute zum Teil der Fall ist, wo Klápště eine neue Keltomanie konstatiert. Leider verfolgt er nicht weiter, ob die wachsende Popularität der Kelten eine Reaktion auf die bis zur Zeitenwende 1990 übermächtige, staatlich propagierte Slawenforschung ist.

Die Rolle der Archäologie in den Konflikten zwischen regionalen und nationalen Identitäten in Frankreich illustrieren O. Buchsenschutz und L. Olivier (S. 145-149). Sie können am Beispiel der Kelten zeigen, wie archäologische Forschungsergebnisse in dem Maße gesellschaftliche Akzeptanz finden, in dem sie die Vorstellung einer kollektiven Identität unterstützen, sei es in nationalem, sei es in regionalem Kontext. Die nationale Identität repräsentierten in Frankreich seit der dritten Republik “unsere Vorfahren, die Gallier”. Sie eroberten einen so festen Platz im kollektiven Bewusstsein, dass sie sogar ihre Instrumentalisierung während des Vichyregimes unbeschadet überstanden und bis heute recht lebendig sind - Asterix lässt grüßen! In der Bretagne war es immer die ‘keltische’ Sprache, welche die Kelten zu politischen Identifikationsfiguren im Kampf gegen Paris machte. Seit diese Zeiten vorbei sind, ist das Bretonische bezeichnenderweise im Rückgang begriffen. Stattdessen speist sich die bretonische Identität aus kulturellen Klischees, u.a. aus ‘keltischer’ Musik und Tanz, zu de-nen sich auf dem großen Keltenfest von Lorient jährlich Zehntausende versammeln. Mit den spektakulären Ergebnissen der französischen Eisen-

Ethnische Deutung im Spannungsfeld NationRegion Die 5. Sektion, Ethnische Deutung im Spannungsfeld Nation - Region, ist den Auswirkungen 12

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ethic identification und von P. Novaković (S. 181-192), Ljubljana, The present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia noch die Risse, die der Zerfall von Jugoslawien quer durch die Gesellschaft verursacht hat, und die Anstrengung, die nationalistischen Nachwirkungen des Bürgerkrieges aufzuarbeiten. Ein gegenseitiger aggressiver Chauvinismus belebte Theorien wieder, die im 19. Jahrhundert im nationalen Kampf gegen das osmanische Reich und Österreich-Ungarn entstanden waren. Novaković konstatiert drei Reaktionen seit den 80er Jahren: einen massiven Autochthonismus, die Wiederentdeckung des Mittelalters und den zunehmenden Einfluss der Kirche. Die Theorien zum Autochthonismus lesen sich wie ein who-is-who der europäischen Völkernamen: Slowenen wollen von Venetern abstammen, Serben von den Kelten und Makedonier direkt von dem Volk Alexanders des Großen; Kroaten wollen die ältesten Indo-Europäer und bosnische Muslime (und zwar nur diese!) Nachfahren der Illyrer sein. Archäologen waren an diesen ethnischen Deutungen zwar selten beteiligt, aber offenbar machtlos dagegen, dass diese in Laienkreisen, in den Medien und der Politik erfolgreich zirkulierten.

offen oder verdeckt geführter nationaler oder regionaler Strategien gewidmet, die sich bei der Erfindung von Traditionen und virtuellen Identitäten der Archäologie bedienen. Die Beispiele stammen aus Großbritannien, Ostmitteleuropa - Tschechien, dem ehemaligen Jugoslawien, Rumänien - sowie aus Ostdeutschland. Wir hätten das Thema beliebig ausdehnen können, zum Beispiel auch auf Italien das Stichwort Lega Nord und die von dieser seit einigen Jahren beschworene angeblich keltische Vergangenheit Oberitaliens mag genügen. S. Lucy setzt sich mit ihrem Beitrag Constructing the English: Early medieval cemeteries and changing conceptions of Anglo-Saxons (S. 155-165) kritisch mit ethnischen Deutung im Frühmittelalter auseinander, dessen schriftliche Quellen scheinbar endlich eine ethnische Ordung schaffen. Kein Wunder, dass die von den Chronisten überlieferten frühmittelalterlichen Stämme einerseits die ersten “Opfer” des ethnischen Paradigmas geworden sind und sich an-dererseits gerade an ihnen wieder die Kritik der Moderne entzündet hat (Brather 2004). Auch Lucy will zeigen, wie die Archäologie Teil des nationalen Diskurses des 19. Jahrhunderts geworden ist. Das nationale Interesse richtete sich aber dieses Mal nicht auf den Nachweis der Kontinuität, sondern der Diskontinuität, auf Einwanderung und kulturellen Wandel im 5./6. Jh. n. Chr., aus dem “the very idea of ‘Englishness itself” hervorging. Lucy löst diese Konstruktion einer kollektiven ethnischen Identität auf. Ihre Studie zu den Fibeln und Grabsitten in Ostengland lässt beträchtlichen Frei-raum erkennen, innerhalb dessen das Individuum seine Identität ausdrücken konnte. Dieses Ergebnis stimmt voll überein mit S. Brathers Beobachtung zu Ethnischer Identität und frühgeschichtlicher Archäologie - das Beispiel der Franken (Sektion 3, 120-135). Auch im Fall der Franken und Alemannen gab es keine kollektiven Ausstattungsmuster, geschweige denn “alte, angestammte nationale Volkstrachten” (Bierbrauer 1980), mit denen sich ethnische Identitäten voneinander abgrenzten. Stattdessen waren laut Brather Familie, Alter, Geschlecht und sozialer Status die entscheidenden Bezugsgrößen.

Als etwas differenzierter beurteilt M. Babeş (S. 193-195) die rumänische Archäologie vor und nach der Wende. Neben offenem Widerstand gegen die Tradition des nationalkommunistischen “getodakischen Zentralstaates”, die Ceauceşcu verordnet hatte, gab es auch kompromissbereite Haltungen, durch die quasi durch die Hintertür nationalistisch gefärbte Theorien (Autochthonie, Kontinuität) und Sprache (Bodenständigkeit, Einheit) in die archäologische Wissenschaft Eingang fanden und bis heute finden, deren kritische Reflektion Babeş vermisst. Es gibt aber offenkundig nicht nur im ehemaligen Ostblock einen neuen Nationalismus, der den sozialen Raum mit verstaubten Requisiten des Autochthonismus bestückt. Überall beobachten wir eine verdeckte Langlebigkeit des Paradigmas der Kontinuität nicht nur in nationalen, sondern auch in regionenbezogenen Identifikationsprozessen. Wie U. Sommer in ihrem Beitrag über Archäologie und sächsische Identität (S. 205-214) zeigt, tradieren vom 19. Jahrhundert bis heute die Mechanismen der Kontinuitätskonstruktion über das Land und dessen Kultur den Topos von Sachsen als Durchgangsland, das den typisch sächsischen - weltoffenen, erfindungsreichen und fleißigen - Volkscharakter hervorgebracht habe. Exakt um dieselben Eigen-

Eine solch beneidenswerte Distanz zur eigenen Wissenschaftsgeschichte ist nicht nur das Verdienst einer jungen kritischen Generation, sondern auch das Glück einer ungestörten Entwicklung des Faches, die es gestattete, sich nach 1945 von Nationalismen zu emanzipieren. Dagegen spürt man in den Beiträgen von M. Jevtič (S. 175-180), Belgrad über Modern Serbian archaeology and the problem of 13

Geschichte als Baustelle

schaften geht es in dem Beitrag von W. Luutz, der im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 417 zum Thema Regionale Modernisierungspolitik und Ethnisierung (S. 196-204) geforscht hat und die quasi dialektische Verflechtung zwischen diesen einander nur scheinbar ausschließenden Zielen im politischen Diskurs aufgedeckt hat. Mit “ausgefeilter Ethnisierungstechnik” hat die sächsische Staatsregierung nach der Wende, auf dem Umweg über die Geschichte, in Werbetexten und Regierungserklärungen die “typisch sächsischen Volkseigentümlichkeiten” - Aufgeschlossenheit, Fortschrittlichkeit, Fleiß - beschworen. Die dahinter steckende Taktik ist nicht schwer zu durchschauen. Es geht darum, in der Eigensicht ein Wir-Bewusstsein zu schaffen (der Sachse als moderner, flexibler, tüchtiger Unternehmer) und in der Fremdwahrnehmung immaterielle Standortvorteile zu gewinnen (sächsische Eigenschaften als Humankapital für Investoren).

gieren (Sommer, S. 71). Gegen solche Tendenzen könnte sich die Archäologie - als Teildisziplin einer cultural anthropology - statt mit sozialwissenschaftlichen Argumenten auch mit biologischen Modellen wehren: Unser Organismus erneuert sich beständig, und wir leben in symbiotischer oder parasitärer Form mit Millionen von Mikroorganismen zusammen. Unter dem Mikroskop ist unsere physische Existenz zeitlich und räumlich permanent in Bewegung; Grenzen bleiben zeitlich und räumlich verschwommen. Nicht Kontinuität, sondern Dynamik definiert unser Empfinden; unsere Körper besitzen keine Objektidentität, sondern eine Prozessidentität. Ist das nicht ein perfektes Spiegelbild der postmodernen Zertrümmerung des historischen - das heißt des statischen - Identitätsund Kulturbegriffes? Aber Vorsicht! Sich auf die Biologie einzulassen, bedeutet, dass man sich auch mit Darwins gefährlichen Erben einlässt, wie der deutsche Titel des Biologen S. Rose (1997) programmatisch lautet. Unbestritten ist die primäre Intention aller Arten, nur ihre eigenen genetischen Informationen weiterzugeben, und unbestritten, dass dies körperliche Abwehrmechanismen gegen fremde Zellen bedingt. Aber dürfen wir solche Informationen auf die Gesellschaft übertragen? Mit welchem Recht errichten kollektive Identitäten heutzutage ihre Schranken? Welche Maßnahmen sind notwendig, um Angst und Abwehr bei der Aufhebung von Grenzen unterschiedlichster Art abzubauen? Und welche Rolle spielt die Archäologie dabei bzw. kann sie spielen? Ist sie durch ihre quellenbedingte Restriktion überhaupt in der Lage, auf Denk- und Verhaltensmuster einzuwirken oder kann sie nur deren materieller Niederschlag in einer per definitionem vergangenen Zeit sein? Kann man aus dieser Vergangenheit lernen? Ist eine Identitätskonstruktion über die Vergangenheit heutzutage überhaupt noch sinnvoll und wünschenswert? (Sommer, S. 211). Und wenn nicht, wie definieren wir dann die Aufgabe der Archäologie? Auf der Suche nach den Identitäten unserer Forschungsobjekte sind wir damit unversehens bei der Frage nach der Identität des Subjekts, der Archäologie selbst angekommen. Diese stand auf einer Tagung derArbeitsgemeinschaft Theorie in Hannover 2004 zur Diskussion, die unter dem Titel Die Archäologie in der Krise? Grundfragen der Urgeschichtsforschung 76 Jahre nach Jacob-Friesen das hier nur gestreifte Problem in ihren Mittelpunkt stellte. Die Diskussion bestätigte den Ansatz unseres Tagungsthemas im Nachhinein auf kongeniale Weise. S. Burmeister hat in seiner Einführung den Kontext umrissen: So wie das Gehirn nicht die Vergangenheit als solche spei-

Stichwort Wir-Bewusstsein: Sicherlich ungewöhnlich war unser Entschluss, als Festredner nicht einen Fachkollegen zu bitten, sondern mit G. Meggle einen analytischen Philosophen. Er sollte uns Archäologen vom Standpunkt der analytischen Logik aus die Frage nach der Identitätskonstruktion beantworten, oder einfacher gesagt, nach dem, was ein Wir-Bewusstsein schafft - oder noch kürzer Wer sind wir? (S. 21-30) Die Tagungsteilnehmer, die den von den Sozialwissenschaften propagierten vo-luntaristischen, konstruktivistischen Identitätsund Ethnizitätsbegriff vertraten, erhielten überraschende Schützenhilfe. Die entscheidenden Parameter sind, so Meggle, erstens das Wissen und zweitens das Wollen, eine Wir-Gruppe zu sein, sowie drittens gemeinsame Ziele dieser Gruppe, die - so darf man vielleicht ergänzen, um die Definition für Archäologen anwendungsfreundlicher zu machen - viertens in gemeinsamen Handlungen münden (die sich in materieller Kultur niederschlagen können). Mit dieser Definition korrespondiert vielleicht am besten Barths Ethnizitätskonzept, weil es als einziges auch einen handlungstheoretischen Ansatz verfolgt (Sommer, S. 71; Kadrow, S. 107). Angesichts so viel Übereinstimmung im konstruktivistischen Lager konnte es nicht ausbleiben, dass sich inzwischen auch Kritiker zu Wort gemeldet haben, die vor einer Dogmatisierung des Dekonstruktivismus warnen, die Ethnisierung als notwendigen Bestandteil von Regionalisierungsprozessen betrachten (Luutz, S. 202-203) oder gar einen neuen essenzialistischen Ethnizitätsbegriff propa14

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chert, sondern im Rahmen der Gegenwartsbewältigung die Erinnerungen kontinuierlich reorganisiert, um durch die Bereithaltung eines Vorrats an passenden Vergangenheitsmodulen diese Gegenwart strukturieren zu können, so kann auch das kulturelle Gedächtnis die Vergangenheit nicht bewahren, wie sie war, sondern nur wie sie in der Gegenwart wahrgenommen und gebraucht wird zum “Verständnis menschlicher Lebensprozesse” (Burmeister 2005) - zu denen auch die Identitätssuche gehört. Archäologische Forschung, um das kulturelle Gedächtnis zu fördern und die gesellschaftlichen Diskurse kritisch begleiten zu können - so möchten wir auch unsere Tagung verstanden wissen. Das ist selbstverständlich ein dynamischer Prozess, der nie abgeschlossen werden kann, etwa mit einer endgültigen Erkenntnis über Identitätskonstruktion. Um das eingangs geschaffene Bild abschließend noch einmal zu zitieren: Die Baustelle bleibt offen.

Dass dessen Erscheinen sich über Gebühr verzögert hat, ist keinesfalls ihr anzulasten, sondern allenfalls mir und widrigen Umständen. Umso dankbarer bin ich den Referentinnen und Referenten für ihre Geduld und hoffe, dass sie diese belohnt finden, wenn sie den Band in der Hand halten! Ich möchte allen danken, die nach Leipzig gekommen sind, den Vortragenden, den Moderatoren J. H. F. Bloemers, John Collis und Siegmar von Schnurbein sowie allen, die mitdiskutiert und auf diese Weise dazu beigetragen haben, dass eine ganz besondere Atmosphäre entstand, aus Freude an der Wissenschaft, kollegialem Diskurs und dem richtigen Quantum an Spaß. Was ließe sich über eine Tagung besseres sagen!

Redaktionelle Anmerkung Der Stand der Vorträge entspricht weitgehend demJahr 2001. Spätere Ergänzungen konnten nur in Ausnahmenfällen eingearbeitet werden.

Zum Schluss bleibt mir nur noch die erfreuliche Aufgabe, meinen Dank auszusprechen. Dieser gilt an erster Stelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst für die finanzielle Unterstützung der Tagung, sowie dem Vorstand des Sonderforschungsbereiches, insbesondere seinem Sprecher Heinz-Werner Wollersheim, die uns alle hilfreich zur Seite gestanden haben. Der Dank gilt weiterhin der Universitätsleitung, insbesondere postum ihrem Rektor Volker Bigl (†), der die Tagung eröffnet hatte, sowie der Universitätsverwaltung, besonders aber denjenigen Kollegen, die uns aus unserer Raumnot geholfen und damit die großzügige Durchführung der Tagung ermöglicht haben. Ein ganz besonders herzlicher Dank gebührt allen wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Professur für Ur- und Frühgeschichte, ohne deren Enthusiasmus und freiwillige Leistungen die Tagung kein solcher Erfolg geworden wäre: Susanne Grunwald für allgegenwärtige Hilfeleistungen, Jan König für die Aufnahme der Diskussionen, Dominik Lukas für den Satz des Tagungsbandes, Patrizia Rahemipur für die Organisation des Empfangs im Antikenmuseum, Marco Schrickel für grafische Gestaltung sowie allen Hilfskräften für ihren unermüdlichen Einsatz. Den allergrößten Dank schulde ich meiner ehemaligen Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich, Ulrike Sommer, mit der sich das verwirklichen ließ, was man sich immer wünscht und was so selten zustande kommt: echte Teamarbeit. Sie erwies sich als glänzende Tagungsorganisatorin, in deren Händen auch die Erstellung dieses Tagungsbandes lag.

Literatur Anderson 1983: B. Anderson, Imagined communities. Reflections on the origins and spread of nationalism (London 1983). Barth 1969: F. Barth (Hrsg.), Ethnic groups and boundaries (Oslo 1969). Bierbrauer 1980: V. Bierbrauer, Frühgeschichtliche Akkulturationsprozesse in den germanischen Staaten am Mittelmeer aus der Sicht des Archäologen. In: Atti del 60 congresso internazionale di studi sull' alto medioevo. Milano 1978 (Spoleto 1980) 89-105. Brather 2004: S. Brather, Ethnische Interpretationen in der frühgeschichtlichen Archäologie. Geschichte, Grundlagen und Alternativen. RGA Ergänzungsbd. 42 (Berlin/New York 2004). Burmeister 2005: S. Burmeister, Einführung zu: Die Archäologie in der Krise? Grundfragen der Urgeschichtsforschung 76 Jahre nach Jacob-Friesen. Vorträge der AG Theorie auf der Jahrestagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. in Hannover am 21. 10. 2004. Arch. Nachrichtenbl. 10/2, 2005, 152-166. Childe 1929: V. G. Childe, The Danube in Prehistory (Oxford 1929). 15

Geschichte als Baustelle

Clarke 1968: D. Clarke, Analytical archaeology (London 1968). Collis 2003: J. Collis, The Celts, origins, myths and inventions (Stroud 2003).

Leube 2000: A. Leube (Hrsg.), Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933-1945. Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 2 (Heidelberg 2000).

Gramsch 2005: A. Gramsch, Archäologie und postnationale Identitätssuche. Arch. Nachrichtenbl. 10/2, 2005, 185-193.

Rose 2000: S. Rose, Lifelines, Biology beyond determinism (New York/Oxford 1997, dt. München 2000).

Hobsbawm/Ranger 1983: E. Hobsbawm/T. O. Ranger (Hrsg.), The invention of tradition (Cambridge 1983).

Steuer 2001: H. Steuer (Hrsg.), Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995 (Berlin, De Gruyter 2001).

Kossinna 1911: G. Kossinna, Die Herkunft der Germanen. Zur Methode der Siedlungsarchäologie. Mannus-Bibliothek 6 (Würzburg Kabitsch 1911) Kreienbrink 2004: F. Kreienbrink, Keltenrezeption in Württemberg. Ein Beitrag zur Geschichte der archäologischen Forschung von ihren Anfängen bis 1918. Ungedr. Magisterarb. Leipzig 2005.

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Identitätsbildung als Gegenstand kulturwissenschaftlicher Regionenforschung Heinz-Werner Wollersheim, Universität Leipzig

schen Bund Heimatschutz, der vor allem in der Weimarer Zeit seine Mitgliedszahlen erheblich steigern kann und ab 1933 in den neugeschaffenen Reichsbund Volkstum und Heimat überführt wird. 1918 wird die Reichszentrale für den Heimatdienst eingerichtet, welche die Aufgabe hat, durch zentral gelenkte, kulturpolitische Propaganda in den französisch besetzten Gebieten des Rheinlands und der Pfalz die Bevölkerung in ihrem Zugehörigkeitsgefühl zum Reich zu stärken. Die Politisierung und Instrumentalisierung des Heimatbegriffs, die bereits während des Ersten Weltkrieges auf einen ersten Höhepunkt gekommen war, erfährt ihre Fortsetzung.

Magnifizenz, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Sprecher des Leipziger Sonderforschungsbereichs Regionenbezogene Identifikationsprozesse nutze ich mein Privileg, Sie hier begrüßen zu dürfen, um Ihnen einige kleine Hinweise zu geben, wie sich der Gegenstand Ihrer Tagung zu unserem Forschungsvorhaben verhält. Ich wähle dazu einen Anknüpfungspunkt, der auf einer anderen zeitlichen Ebene angesiedelt ist als die Diskussionsgegenstände dieser Konferenz. „Wehe dem Menschen, der nirgends wurzelt.“Mit dieser Warnung läßt der Pädagoge Eduard Spranger, Ordinarius an der Universität Berlin, im Jahr 1923 seinen Vortrag über den Bildungswert der Heimatkunde enden. Sprangers Vortrag, in einem kleinen Bändchen bei Reclam publiziert, gewann rasch große Verbreitung, was wir zumindest als Indikator dafür nehmen dürfen, daß der Autor mit der Wahl des Themas und in der Art der Ausführung die Stimmungslage vieler Zeitgenossen getroffen hatte. Das fast sehnsüchtig zu nennende Bedürfnis nach Rückbindung des eigenen Ich an etwas, das diesem Ich Halt und Einheit verleihen möge, findet in dieser Gemütslage seinen Ausdruck.

‘Heimat’ wird also zu einem identitätsstiftenden und verbürgenden Zentralbegriff der Diskussion. Damit dies glaubwürdig geschehen konnte, wurde der Heimatbegriff in seiner räumlichen Konnotation bereits früh mit historischer Bedeutung aufgeladen. Das „Wurzeln“, von dem Spranger im einleitenden Zitat meines Beitrags spricht, verbindet sich nicht nur mit einem rein räumlichen „Wo?“, sondern ist gleichzeitig Metapher für ein „Woher?“ im Sinne einer komplexen Ordnung bestimmt durch soziale, ökonomische, politische und nicht zuletzt durch kulturelle Faktoren des Raumes, doch in alledem stets eingebettet in das zeitliche Ordnungsschema von Geschichte und Geschichtlichkeit. Natürlich handelt es sich dabei nicht ausschließlich um ein Phänomen des 20. Jahrhunderts. Eine solche Instrumentalisierung der historischen Deutung ist ja nicht zuletzt deshalb besonders naheliegend, weil Geschichte spätestens seit dem Bildungskanon der Frühhumanisten ein integraler Bestandteil des Projekts individueller und kollektiver Selbstvergewisserung war.

Diese Verwurzelung, die Spranger mit dem Begriff der ‘Heimat’ zu fassen sucht, schafft zunächst einmal eine räumliche Konnotation. Heimat als Ort der Geburt, als Erlebnis- und Erfahrungsraum der Kindheit, als Verräumlichung subjektiv relevanter sozialer Beziehungen und kultureller Bezüge mannigfaltig variiert, doch stets mit raumbezogener Verankerung begegnet uns dieser Begriff und versucht Antworten auf die Fragen: „Wer bin ich?“ und „Wer sind wir?“ Über die Einbettung des einzelnen in verräumlichte soziale Netzwerke des alltäglichen Lebens und der damit potentiell stets verbundenen strategischen Ziele sozialer Gruppen strahlt die Idee der identitätsstiftenden Verankerung in die Sphäre des Politischen. Wenige Stichworte mögen zur Erinnerung ausreichen: Da gibt es den 1904 von Ernst Rudorff gegründeten Deut-

Diese identitätsbildende Funktion historischer Deutungen findet man in den zwanziger Jahren nicht nur bei den politischen Akteuren, sondern auch in der Wissenschaft selbst. Zur Illustration wähle ich einen Vertreter der Zunft, der nicht von vornherein als Kollaborateur einer „politischen Wissenschaft“ desavouiert ist, sondern nach Herkunft, Hauptarbeitsgebiet und Schicksal zu den vermutlich poli17

Identitätsbildung als Gegenstand kulturwissenschaftlicher Regionenforschung

tisch Unbelasteten gehört: Gemeint ist Franz Schnabel, ein Schüler des nationalliberalen und dem völkischrassistischen Gedankengut gewiß nicht nahestehenden Historikers Hermann Oncken; Franz Schnabel, der durch seine vierbändige Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert bekannt wurde; jener Franz Schnabel, der 1936 zwangsweise von seinem Karlsruher Lehrstuhl entfernt wurde.

Ideenwelt, wenn er schreibt:

„Der Mensch ist nicht ohne den Erdboden denkbar ... Denn die Eigenschaften des Bodens wirken über viele Änderungen des Volkes hinaus fort und treten immer als die gleichen unter den verschiedenen Gewändern hervor!“ (Schnabel 1921, 121).

An anderer Stelle stellt Schnabel dem ein zweites, eher als motivational zu charakterisierendes Argument zur Seite: Für ihn ist die bloße Tatsache historischen Denkens bereits der psychologische Ausdruck eines Interesses an Werten und Ursachenzusammenhängen, und dies gelte insbesondere für den Ursprungszusammenhang des eigenen Lebens. „Ehrfurcht vor dem Ursprung des eigenen Lebens“ muß das als historisch erkannte Interesse des Menschen notwendig auf den Herkunftsraum, die Heimat als Raum von Geburt und Kindheit, lenken. Heimatgeschichte wird damit zum Medium, über das der einzelne sich und seine soziale Bezugsgruppe identifiziert, das seiner aktuellen Identität historisch Tiefe verleiht und sie bis in die schriftlosen Quellen der Frühzeit verlängert. Diese Identifikation wird zudem abgesichert und dem Bereich relativistischer Unsicherheit entzogen, weil die Eigenschaften der entsprechenden Wir-Gruppe nicht beliebig sind, sondern dem prägenden Einfluß des Bodens oder zumindest des Raumes zugeschrieben werden. Die Frage: „Wer sind wir, und warum sind wir nicht ganz andere?“ wird durch Rekurs auf Ratzels Geodeterminismus gelöst.

Vor kurzem hat Thomas Hertfelder (1997a) mit seiner einschlägigen Monographie in Erinnerung gebracht, daß Schnabel bis zum Erscheinen des ersten Bandes seiner Deutschen Geschichte im Jahr 1929 primär als Landeshistoriker in Erscheinung getreten war1. In einer Reihe von Vorträgen und kleineren Veröffentlichungen hat Schnabel zum Sinn der Heimatgeschichte Stellung genommen (Schnabel 1921, 1923)2. In der Heimatgeschichte zeige sich der eigentliche Rohstoff des historischen Geschehens; dieser Rohstoff, ein Bündel aus individuellen Prägungen und Dispositionen der handelnden Menschen, sei konkret und komplex zugleich und könne den großen, spekulativen Deutungsangeboten der Geschichtskonstruktion ein Widerlager bieten. So komme beispielsweise die Großerzählung von Geschichte als einem Zusichselbstkommen des „objektiven Geistes“ nicht ohne Träger aus, und als Träger des sich entfaltenden „objektiven Geistes“ kämen nur konkrete Menschen in Betracht, die selbst wiederum geprägt seien durch Veranlagung und Begabung, durch ihre Umgebung und durch „den Erdboden, auf dem sich das Leben der Völker bewegt“ (Schnabel 1970, 52). An solchen und ähnlichen Formulierungen zeigt sich, daß Schnabel zu dieser Zeit sehr unter dem Eindruck der Schriften des Leipziger Zoologen und Geographen Friedrich Ratzel steht, auf den er sich mehrfach explizit und lobend bezieht. Ratzel hatte den Denkansatz popularisiert, den wir heute als Geodeterminismus bezeichnen. In seinem 1882 erschienenen Werk Anthropo-Geographie oder Grundzüge der Anwendung der Erdkunde auf die Geschichte war er in eher geschichtsphilosophischer als geographischer Manier dem „Einfluß der Naturbedingungen auf die Menschheit“ nachgegangen und zu einer ungemein einflußreichen, substantialistischen Deutung des Raumes gekommen. Von diesem, im Idealfall in ‘natürlichen Grenzen’ organisierten, Raum gehen nach Ratzel die prägenden Einflüsse auf die Aktivitäten der in ihm lebenden Menschen aus. Schnabel bezieht sich auf diese

Der Topos ist in dieser Zeit sehr verbreitet. Wohin solches Denken allerdings auch führen kann, ließe sich mühelos an einer anderen, nicht über Franz Schnabel laufenden Rezeptionslinie Ratzels nachweisen, die man über Haushofers Zeitschrift für Geopolitik (1924), Hamels Das Wesen des Staatsgebiets (1933) zu Carl Schmitts völkisch gedachten Großraumtheorien ziehen könnte. Der notorische Schwachpunkt solchen Denkens besteht in dem einen wie dem anderen Falle allerdings darin, daß die Deutung der eigenen Existenz im Zusammenhang einer wie auch immer verstandenen, räumlich verankerten Wir-Gruppe lediglich eine gedankliche Konstruktion darstellt, die zudem selbst von vorgängigen Annahmen beispielsweise der prägenden Kraft des konkreten Raumes abhängt. Dieses Schwierigkeit besteht noch heute fort: Die Landesgeschichte hat bei aller Flexibilisierung, die sie im Laufe des 20. Jahrhunderts

1 Den Hinweis auf Schnabel verdanke ich Hertfelder (1997b, 74). 2 Wichtig sind auch seine Literaturberichte zur Historischen Landeskunde, die er in den Neuen Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung 1925 und 1929 veröffentlichte. 18

Heinz-Werner Wollersheim

zweifelsohne vorgenommen hat, doch einen blinden Fleck behalten. Sie hat den Raum selbst, den zu untersuchen ihr Zweck ist, durchgehend als objektive Größe gesetzt und damit ein substantialistisches Verständnis von Region befördert.

Legitimen und Plausiblen. Individuelle Identitätsentwürfe sind keineswegs beliebig, sondern basieren auf Metaerzählungen, die als Vorlagen genutzt werden. Als Metaerzählungen gelten narrative Konstruktionen über die Vergangenheit und Gegenwart, über Werte und Sinnhorizonte einer Kultur. Metaerzählungen präsentieren, kommunizieren und definieren auch Raumbezüge als gedachte Ordnungen.

An dieser Stelle setzt der Leipziger Sonderforschungsbereich 417 Regionenbezogene Identifikationsprozesse. Das Beispiel Sachsen an: Hier steht der Raumbezug des Menschen im Mittelpunkt. Diesen Raumbezug fassen wir als Sinnordnung auf. Vereinfacht kann man sagen: Es geht um die sinnstiftenden Erzählungen, mit denen die Raumvorstellungen von Menschen aufgeladen werden. Sie handeln im weitesten Sinne davon, wozu der Raum gut ist. Die Sinnordnungen enthalten die Deutung der Raumvorstellung vor dem Hintergrund eines umfassenderen Begründungszusammenhangs. Sinnordnungen stellen den zentralen Bezugspunkt zwischen Mensch und Raum her und bilden damit nicht nur ein Reservoire an Bedeutungen, aus dem man schöpfen kann, sondern sie verbinden zugleich den subjektiven Blick und die individuelle Identitätsarbeit mit dem Objekt, dem nun Bedeutung zugemessen wird. Solche Sinnordnungen lassen sich zumindest teilweise in Erzählungen fassen und kommunizieren. Ich wähle den Begriff der Narration bewußt, weil Erzählungen als Textsorte auf eine sinnhafte Struktur angelegt sind.

Wenn wir Identitätsbildung auf der individuellen Ebene verstehen als permanente Verknüpfungsarbeit, die dem einzelnen hilft, sich im Strom der eigenen Erfahrungen selbst zu begreifen (Keupp 1999, 190), so wird damit deutlich, daß der Gegenstand dieser Tagung für den Leipziger SFB von besonderem Interesse ist. Die Einbettung von Bodenfunden in den umfassenden Zusammenhang einer auf Sinn angelegten Erzählung über die Ereignisse und Prozesse, die in diesem Raum stattgefunden haben, generiert raumbezogene Sinnordnungen, die unterschiedlich genutzt werden können. Die Frage nach der Beziehung zwischen archäologischer Klassifikation und prähistorischer Realität ist damit nicht nur eine grundlegende Frage innerhalb des Fachgebiets, sondern hat eine darüber hinaus weisende Bedeutung: Die ‘ethnische Deutung’, im weitesten Sinne definiert als die Zuordnung materieller Fundvergesellschaftungen zu historisch überlieferten Bevölkerungsgruppen oder zu archäologischen Kulturen, denen ein wie auch immer geartetes ‘Wir-Gefühl’ zugestanden wird, gehört zu den Prozessen der Herstellung einer raumbezogenen Identität, die wir in Leipzig auf der Maßstabsebene des Regionalen intensiv untersuchen und deren Lancierung in bestimmten Diskursgemeinschaften unsere Aufmerksamkeit gilt.

Raumbezogene Identifikation läßt sich nun verstehen als Passungsarbeit zwischen langfristig gewachsenen, sozial weiterbearbeiteten und in den gesellschaftlichen Wissensspeichern eingelagerten Erzählungen über die Bedeutung des Raumes und der individuellen Lebenspraxis sowie den individuellen Erzählungen über den Sinn der eigenen Existenz andererseits.

Als Sprecher des Sonderforschungsbereichs Regionenbezogene Identifikationsprozesse habe ich die erfreuliche wie ehrenvolle Aufgabe, Sie alle zu dieser Tagung in Leipzig begrüßen zu dürfen. Lassen Sie mich das tun, indem ich mich stellvertretend an die drei Sektionsleiter wende und ihnen für ihre Bereitschaft danke, diese wichtigen Funktionen hier in Leipzig zu übernehmen: * Herrn Professor Siegmar von Schnurbein, römisch-germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts und Präsident der Altertumsverbände; * Herrn Professor John Collis, Universität Sheffield und * Herrn Prof. Tom Bloemers, Universität Amsterdam.

Das Konzept einer über Sprache und ihre Erzählstrukturen vermittelten Identität basiert auf den Überlegungen der narrativen Psychologie der letzten zwanzig Jahre (Bruner 1998; Brockmeier/ Mattes 1999). Die narrative Psychologie geht davon aus, ,,... daß die Erzählung das primäre strukturierende Schema ist, durch das Personen ihr Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur physischen Umwelt organisieren und als sinnhaft auslegen.“ (Polkinghorne 1998, 15; vgl. auch Straub 1998, 128). Selbstnarrationen stellen in diesem Kontext das Mittel dar, das von Individuen in Beziehungen konstruiert und verwendet wird, um verschiedene Handlungen oder Entwicklungen zu stützen, voranzutreiben oder zu behindern. Sie orientieren sich in der Regel am gemeinhin Erwartbaren, Gültigen, 19

Identitätsbildung als Gegenstand kulturwissenschaftlicher Regionenforschung

Ich bin nun in der vergleichsweise komfortablen Position, Ihre Diskussionen als Beobachter verfolgen zu dürfen, bin sehr erwartungsvoll, wie Sie mit den spannenden Fragen des Tagungsthemas umgehen werden, und wünsche Ihnen allen eine interessante Konferenz, unseren auswärtigen Gästen einen angenehmen Aufenthalt in Leipzig und reiche Ausbeute an neuen Erkenntnissen.

Keupp 1999: H. Keupp, Identitätskonstruktionen (Reinbeck 1999). Polkinghorne 1998: D. E. Polkinghorne, narrative knowing and the human sciences (New York 1998). Ratzel 1882: F. Ratzel, Anthropo-Geographie oder Grundzüge der Anwendung der Erdkunde auf die Geschichte (Leipzig 1882).

Bibliographie

Schnabel 1921: F. Schnabel, Der Oberrhein. Eine Einführung (1921).

Brockmeier/Mattes 1999: J. Brockmeier/P. Mattes, Diskurs und Erzählung: Forschungsstand, intellektueller Stil oder nach-positivistisches Paradigma? Einleitende Bemerkungen. Journal für Psychologie, 7/1, 1999, 3-11.

Schnabel 1923: F. Schnabel, Vom Sinn des geschichtlichen Studiums in der Gegenwart (Karlsruhe 1923).

Bruner 1998: J. Bruner, Narrative and metanarrative in the construction of self. In: M. D. Ferrari/J. Sternberg (Hrsg.), Self-awareness: Its nature and development (New York 1998) 308-331.

Schnabel 1970: F. Schnabel, Vom Sinn des geschichtlichen Studiums, In: H. Lutz (Hrsg.), Fritz Schnabel, Abhandlungen und Vorträge (Freiburg 1970) 41-62. Spranger 1923: E. Spranger, Der Bildungswert der Heimatkunde, (Berlin 1923).

Hamel 1933: W. Hamel, Das Wesen des Staatsgebiets (Berlin 1933)

Straub 1998: J. Straub, Erzählung, Identität und historisches Bewußtsein. Die psychologische Konstruktion von Zeit und Geschichte (Frankfurt 1998).

Hertfelder 1997a: Th. Hertfelder, Geschichtsschreibung zwischen Historismus und Kulturkritik. Franz Schnabel und die deutsche Geschichtswissenschaft (Göttingen 1997). Hertfelder 1997b: Th. Hertfelder, Die ‘Heimat’ des Historikers. Münchener Geschichtsdidaktisches Kolloquium 1, 1997 (Region als Kategorie der Geschichtsvermittlung), 47-74.

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Wer sind wir? Georg Meggle, Universität Leipzig

andere an der Nase herumführen wollen, die vielmehr auch auf brisante Fragen so zu antworten versuchen, wie sich das für einen analytischen Philosophen gehört: möglichst einfach und klar. Nicht ausbüchsen, nicht an der Nase herumführen, Einfachheit und Klarheit - so sehen sich Analytische Philosophen selbst; und genau so wollen sie auch von den anderen gesehen werden. Kurz: Dieses Merkmal gehört zum Selbstverständnis von uns Analytikern, bzw. wie man auf diesem Kongress auch sagen könnte, zu unserer Identität.

0. Einleitung1 Nehmen wir den üblichen Einstieg. Ein Marsmädchen hat auf einem seiner UFO-Ausflüge die Orientierung verloren, landet, und zwar ohne zu wissen, auf welchem Planeten es ist, hier in Leipzig, strawanzt, vom interplanetarischen Jet-lag noch etwas benebelt, über den Weihnachtsmarkt, trudelt in diesen Festvortragssaal, berappelt sich wieder - und stellt uns jetzt, neugierig, wie Marsmädchen nun einmal sind, ganz einfach die Frage: Hey, wer seit denn IHR?

Eine simple Antwort auf des Marsmädchens Frage wäre zum Beispiel diese: “Gestatten, daß ich uns vorstelle: Sabine Rieckhoff, Ulrike Sommer, Patricia Rahemipur, Lhassan El Belghiti, Siegmar von Schnurbein” und so die ganze Reihe der Anwesenden durch, mit “und ich bin Georg Meggle” am Ende.

Das ist eine klare Frage. Was sollen wir antworten? Vorsicht! Dieses Wesen ist keine von uns. Drum heißt es, so denken viele, jetzt auf der Hut sein. Sollen wir wirklich einer Wildfremden, einer Außerirdischen zumal, gleich die Wahrheit sagen?

Ich glaube, wir sind uns einig: Diese Art des Vorstellens ist zwar unter uns, etwa beim nachfolgenden Empfang, eine befriedigende Antwort, nicht aber für das Marsmädchen. Das Marsmädchen will nicht wissen, wie wir heißen; es will wissen, wer wir sind.

Noch einmal Vorsicht! Wir alle wissen doch: Marsmädchen sind nicht nur Lügen-resistent; sie haben auch eine Eigenschaft, die uns abgeht: Sie, die Marsmädchen, merken es sofort, wenn sie belogen werden. Und es soll in unserer Galaxis schon einige Zivilisationen gegeben haben, denen - sei es aus Unwissenheit, sei es aus Ignoranz - genau die Nicht-Beachtung dieser Zivilisationen-Differenz zum Verhängnis geworden ist. Marsmädchen können lieb sein; aber wenn sie belogen werden, bricht die Hölle los.

Teil I: Ego 1. Interesse an uns? 1.1 Doch worin lag das Unpassende meiner Reaktion? Daran, daß ich nur zu jedem Einzelnen von uns etwas gesagt habe - und nicht zu uns als Gruppe? Wäre es zum Beispiel besser gewesen, wenn ich, wieder in unser aller Namen, die folgende Antwort gegeben hätte: “Wir sind eine Gruppe, die gerade darüber nachdenkt, wer wir sind.” Oder “Wir sind Bestandteil eines zweitägigen Kongresses.”? Oder einfach “Wir sind I-Experten”? Wir sind Identitäts-Experten?

Also. Entweder wir schweigen und gehen lieber gleich in das Antikenmuseum. Oder ... Liebe Sabine! Du hast Dir zu diesem Thema einen analytischen Philosophen geholt. Also jemanden aus der Klasse derer, die weder ausbüchsen noch

1. Eine Kurzfassung dieses Vortrages ist unter dem Titel Kollektive Identität. Oder: Wer sind wir? erschienen (Meggle 2005). Der Vortrag selber mit den vielen Bildern bzw. Folie findet sich auch auf meiner Homepage – (via 2000/1) – unter www.uni-leipzig.de/~philos/meggle/&publikationen/schriften_online.php. 21

Wer sind wir?

Vielleicht ja, vielleicht aber auch nicht. Solange wir nicht wissen, ob das Marsmädchen wirklich an uns interessiert ist, an uns in dem Sinne, den wir eben vorausgesetzt hatten, können wir diese Frage nicht beantworten. Wir müssen wissen, ob es ihm wirklich nur um uns in diesem Hörsaal geht oder doch um eine etwas weitere Klasse; ob um unser konkretes Kollektiv oder doch darum, von welcher Sorte wir sind.

was Anderes, auf das es jetzt aber nicht ankommt). Mit anderen Worten: Wissen heißt nichts anderes als keinen Zweifel haben und damit richtig liegen. Zweite Prämisse: Wer weiß, wer er ist, muß auch schon etwas anderes wissen - nämlich: daß er existiert. Beide Prämissen sind trivial. Und damit auch die aus ihnen folgende dritte, wonach, wer wirklich weiß, wer er ist, auch nicht daran zweifeln darf, daß er ist. So weit, so richtig. Aber damit gab sich ein genau deshalb ziemlich berühmt gewordener Kollege nicht zufrieden. Er setzte, viertens, mit einer weiteren Frage nach: Woran liegt es denn, daß ich, daß es mich gibt, nicht nur tatsächlich nicht bezweifle, ich eben das vielmehr gar nicht bezweifeln kann? Sie kennen, fünftens, die Antwort: Es liegt am: Cogito. [Cogito, ergo ... ?]

1.2 Wir haben Anlass zu der Vermutung, dass sich unser Marsmädchen zunächst einmal nicht für unser konkretes Kollektiv interessiert; ja, dass es auch mit irgendwelchen unser Kollektiv überschreitenden Charakterisierungen allgemeinerer Sorten nichts anfangen kann. Es müssen schon relevante Charakterisierungen von Sorten sein. Und relevante Charakterisierungen von Sorten sind nur solche, die dem Marsmädchen das zurück geben, was es verloren hat: nämlich die Orientierung. Das Marsmädchen will einfach nur wissen, wo es ist.

Von diesem cogito-Ich sind seitdem fast alle philosophischen Ich-Debatten geprägt. Manche gehen sogar so weit und behaupten: Das Ich ist eine philosophische Konstruktion des 17. Jahrhunderts. Wenn dem so ist und wenn, wie wir annehmen wollen, jeder von uns ein Ich ist, dann scheint daraus zu folgen: Auch das WIR ist eine philosophische Konstruktion des 17. Jahrhunderts.

1.3 So könnte es sein; es könnte aber auch so sein, dass das Marsmädchen ein Interesse an uns hat und zwar nicht, wie wir dies aus Science-fictionFilmen kennen, nur ein Interesse an uns als Sklaven oder als Nährstoffe für die eigene Brut. Nein, es könnte auch sein, dass das Marsmädchen ein echtes Interesse an uns hat. Und weil mir die Geschichte in dieser Variante besser gefällt, spinne ich sie jetzt auch in ihr weiter.

Was ist von einem solchen Konstruktivismus zu halten? - Ich glaube, dass das im 17. Jahrhundert entdeckte Philosophen-Ich, von diesen oft auch als Selbst-Bewußtsein bezeichnet, mit unserem Ich, genauer: mit uns, ziemlich wenig zu tun. Gegenüber unserem normalen nicht-philosophischen Selbstbewußtsein ist, um es kurz zu sagen, das seit 350 Jahren übliche Selbstbewußtsein der abendländischen Philosophen extrem schwach. Das CogitoIch mag in der Tat eine Entdeckung des 17. Jahrhunderts sein. Aber uns gibt es schon erheblich länger. Und einige von uns haben auch schon vorher nachgedacht, unter anderem darüber, wer wir sind.

Das Marsmädchen möchte also jetzt wirklich von uns wissen, wer wir sind. 2. Wissen wir, wer wir sind? (Ego. Erster Einstieg) 2.1 Doch wer sind wir? Wissen wir dies selbst? Weiß jeder von uns, wer er ist? Und weiß auch nur eine von uns, wer wir sind? Wissen wir gar alle, wer wir sind? Und zwar nicht nur wir hier, die wir heute abend an einem Kongress teilnehmen? Sondern wir im einem viel größeren Sinne von “wir”?

2.3 Zurück zur Gegenwart. Gibt es Situationen, in denen wir nicht wissen, wer wir sind? In denen ich selber nicht weiß, wer ich bin? Und jetzt denken Sie bitte nicht an unsere nächtlichen REM-Phasen, an Zustände der Volltrunkenheit oder an Komapatienten. Und auch nicht an die Situationen, in denen wir aus derartigen Situationen gerade wieder aufwachen, wir aber, wie es treffend heißt, noch nicht ganz da sind. Nein, die Frage ist: Gibt es Situationen, in denen ich bei vollem Bewußtsein bin - und trotzdem nicht weiß, wer ich bin?

Beginnen wir mit dem scheinbar Einfachsten: Weiß jeder von uns, wer er ist? 2.2 Gerade die philosophisch etwas Gebildeteren unter uns (und das dürften wir alle sein) haben es bezüglich dieser Frage schwerer. Und zwar wegen fünferlei: Erste Prämisse: Ein Wissen ist nichts als eine zutreffende Überzeugung (und vielleicht noch 22

Georg Meggle

Ja. Ich sitze mit Freunden zusammen. Fotos werden betrachtet. Auf den Bildern sind mir einige Leute bekannt, einige nicht. Ich zeige auf eins und frage: Wer iss'n das? Gelächter: “Du, wer'n sonst!”.

Laßt mich wissen, welche Bilder von Euch Ihr zu zeigen bereit seit, und ich weiß, wer Ihr seid. Bilder zu zeigen, so könnte hier eingewandt werden, ist keine Kunst. Richtig - wenn es um die Fotos von meiner letzten Bergtour geht. Bilder und Fotos zu zeigen, kann aber zur Kunst werden. Siehe dieses Video und die Ausstellung ANDROIDEN-ARCHÄOLOGIE im Anschluß. Frank - klasse, daß Du in meinem Projekt KunstKommunikation mitmachst2.

Die Bilder, angesichts derer es sein kann, daß wir uns selbst nicht wieder-erkennen, müssen nicht Fotos sein. Dasselbe kann uns auch bei Zeichnungen, Portraits in Öl und anderen uns repräsentierenden Darstellungen passieren. Es kann sein, daß jeder, der das Bild sieht, sofort sagt “Ja klar, das bist Du” - nur ich selbst erkenne mich darauf oder darin nicht wieder.

3. Wissen wir, wer wir sind? (Ego. Zweiter Einstieg) 3.1 War der soeben gewählte Einstieg nicht zu primitiv? Sind wir soeben nicht einer Selbsttäuschung aufgesessen, einem von jenen Manövern, von denen Hunderte im Handel erhältlich sind? Was wir wirklich wissen wollten, war doch nicht, ob und ab wann und vielleicht auch noch warum wir uns auch auf Bildern erkennen können; unsere Frage war doch viel grundsätzlicher: Wissen wir, wer wir sind? Bescheidener: Weiß zumindest ich, wer wir sind? Noch bescheidener: Weiß ich, wer ich bin?

2.4 Dito bei Bildern, die weder auf Papier, noch auf einer Leinwand, noch auf dem Bildschirm, noch überhaupt in der Außenwelt sichtbar sind. Wie oft ist es nicht schon vorgekommen, daß mein Freund Richard in mein Zimmer stürmt und mir wegen diesem und jenem furchtbar die Leviten verliest und ich, kein Wunder bei der Heftigkeit seiner Attacken, mich nur mit einem “Also alles was gut ist: Aber der Kerl, von dem Du da sprichst, das bin nicht ich.” wehren kann. Was an dieser Stelle kein Problem wäre, wenn es nicht auch Fälle gäbe, in denen ich mir später doch eingestehen mußte: Verdammt, Richard hatte Recht. Der Kerl, dessen Verhalten er mir vorhielt, das war wirklich ich.

3.2 Und wenn ich weiß, wer ich bin - woher habe ich dann dieses Wissen über mich selbst? Wie bin ich dazu gekommen?

2.5 Was in den letzten Beispielen für mich galt, kann auch für uns gelten. Es kann sein, daß sich unsere ganze Gruppe auf unserem Gruppenfoto nicht wiedererkennt; und es kann sein, daß Richards Vorwürfe, wenn er sie gegen unser ganzes Institut erhöbe, von allen Institutsmitgliedern (außer ihm natürlich) für falsch gehalten werden, er mit diesen Vorwürfen aber trotzdem Recht hat.

Angenommen, ich weiß nicht, wer ich bin. Hilft es mir dann, wenn ich aufs Einwohneramt gehe und mich dort nach mir erkundige? - Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die armseligste: Die Sachbearbeiterin hat mich nicht gleich verstanden und fragt nochmal nach: “Nach wem fragen Sie?”. “Nach mir”. Damit wäre diese Variante wohl schon zu Ende. Die nächste ebenso traurige: Ich weiß fast nichts mehr von mir, eigentlich nur noch, wie ich heiße - habe aber trotzdem zumindest den Schimmer einer Hoffnung, auf dem Amt (oder irgendwo) mehr über mich herauszubekommen. Habe ich Angehörige? Wo bin ich geboren? Was ist mein Beruf? Solche Fälle gibt es. Und dann gibt es u.a. noch den zum Glück weniger extremen Fall, daß mich alte Kinderzweifel quälen: “Sind die, die mich aufgezogen haben, wirklich meine (natürlichen) Eltern; bin ich nicht das Kind anderer?” Und diese Frage will ich jetzt durch meinen Gang zum Amt endlich ein für alle mal klären.

2.6 Wenn wir in diesem Sinne wissen, wer wir sind, dann können wir das auch andere wissen lassen. Bilder von uns können wir auch den anderen zeigen. Habe ich ein Bild von mir, dann kann ich es auch einem anderen zeigen und sagen: Schau, das bin ich. Und dasselbe gilt auch für die Bilder, die es von unseren diversen Seilschaften gibt. Und wir alle wissen: Welche Bilder wir von uns zeigen und welche nicht, das sagt eine Menge darüber, wer wir sind. Und welche dieser Bilder von uns oder auch nur von einem oder einer von uns wir wem zeigen und wem nicht, das sagt eine Menge darüber, wie wir zueinander stehen. Fast könnte man sagen: 2 Siehe www.uni-leipzig.de/-kk/ 23

Wer sind wir?

3.3 Kann ich wirklich wissen, wer ich bin, wenn ich nur meinen Namen kenne? Kann ich wissen, wer ich bin, ohne zu wissen, ob ich noch Angehörige habe, wer diese sind, wo ich geboren bin, was mein Beruf ist, was ich mir gestern oder irgendwann früher für heute bzw. für das Alter, in dem ich jetzt bin, vorgenommen hatte?

oder nicht hat; es ist allenfalls etwas, was man mehr oder weniger hat. Aber dann taucht sofort das Problem auf, welche der Listen-Punkte für das Vorliegen eines WIB-Wissens mehr zählen sollen als die anderen; und ob das innerhalb des ReferenzBereichs der Liste immer so sein soll oder dies seinerseits wieder von weiteren Volks- Stammes-, Kultur-, Ethnien- oder ähnlicher Faktoren abhängig sein darf. Und vielleicht wird man, um dieser Diskussion zu entgehen, letzlich dann doch nicht mehr fordern können als dies: Wer keinen einzigen der jeweiligen Listen-Punkte erfüllt, von dem und nur von dem gilt, daß er wirklich nicht weiß, wer er ist.

Die erste Frage würde ich strikt verneinen, die zweite mit all ihren Teilfragen mit je verschieden starkem Zögern letztlich bejahen. Ich würde zum Beispiel zugestehen, dass ich wissen kann, wer ich bin, ohne zu wissen, dass ich in Australien einen Bruder habe. 3.4 Wir stoßen hier auf eine grundsätzlichereFrage: Gibt es nicht so etwas wie eine Liste von all den Dingen, die man wissen muß, damit man weiß, wer man ist?

Aber was wäre, wenn ich zwar nicht die Bedingungen meiner (lies: der für meine Gruppe einschlägigen) WIB-Wissens- Liste erfülle, dafür aber die einer anderen Liste? Dürften dann Angehörige dieser anderen Listen-Kultur/Region etc. von mir mit allem Fug und Recht sagen, ich wüßte, wer ich bin - auch wenn das in meiner eigenen Kultur anders gesehen würde?

Eine solche Liste sähe mit ziemlicher Sicherheit anders aus, je nachdem, ob sie, sagen wir einmal, für unsere Zwillings-Spezies auf Betelgeuze gemacht würde oder für uns auf der Erde. Sie wäre eine von Kultur zu Kultur, von Epoche zu Epoche, vielleicht sogar von Region zu Region etc. mehr oder weniger verschiedene. Und was wirklich auf diese Liste drauf muß und was nicht, das dürfte heftigst umstritten sein.

(c) So spannend diese Diskussion sich an dieser Stelle auch anhören mag. Ich breche einfach ab. Mein stärkster Grund dafür steht schon oben: Die soeben geführte Diskussion beruht schlicht auf mangelnder Phantasie. Für jede der imaginären WIB-Listen kann ein Romanautor geboren werden, der sie mit hinreichender Phantasie falsifiziert. Trotzdem: So ganz witzlos scheinen diese Listen nicht zu sein. Was ist es, was sie uns doch als nicht völlig irrelevant erscheinen läßt?

(a) Aber das ist hier nicht das Problem. Vielleicht gibt es ja wirklich so etwas wie einen Kern dessen, was innerhalb der jeweiligen Gruppe als notwendiger Bestandteil eben dieser Gruppen-Liste gilt. Was ist, wenn ich einen dieser Listen-Kern-Bedingungen nicht erfülle? Weiß ich dann nicht, wer ich bin? Und falls ich, wer ich bin, in so einem Fall nicht weiß, weiß es dann ein anderer einfach schon deshalb, weil er außer meinem mangelnden ListenWissen auch noch das Stückchen Wissen über mich hat, das mir nach Voraussetzung fehlt? Hängt der Unterschied zwischen “Ich weiß, wer ich bin” und “Ich glaube zu wissen, wer ich bin” tatsächlich nur davon ab, daß ich alle Listen-Bedingungen erfülle - bis auf eine?

3.5 Noch ein Nachtrag: Wissen kann nicht eine Frage des mehr-oder-weniger sein. Man kann etwas allenfalls mehr oder weniger zu wissen glauben. Entweder die für ein Wissen notwendige Überzeugung trifft zu oder nicht - tertium non datur. Also: Wenn ein “WIB-Wissen” eine mehr-oderweniger Sache sein soll, dann ist dieses “Wissen” eben nur ein angebliches Wissen, kein echtes; oder ... oder das betreffende mehr oder weniger bezieht sich nicht auf das Vorliegen des Wissens, vielmehr auf das Gewußte. Nun, es gibt ein echtes WIB-Wissen: Es gibt Wesen, die wissen, wer sie sind (und zwar nicht wenige; einige sind mir bekannt). Also trifft nur die zweite Alternative zu. Mein der-oderder-Sein ist eine Frage des mehr oder weniger. IchIdentität ist eine mehr-oder-weniger Sache.

(b) Dieses Problembündel legt nahe, einer solchen Liste - wenn man sich auf diese Listen-Diskussion überhaupt einlassen will - einen schwächeren Witz zu verleihen. Verfehlt erscheint die starke Forderung, wonach für ein Wer-Ich-Bin-Wissen (kurz: für ein WIB-Wissen) die Erfüllung der Liste in allen Punkten (bzw. auch nur in allen Kern-Punkten) notwendig ist. Näher liegt diese Auffassung: Ein WIB-Wissen ist kein Wissen, das man entweder hat 24

Georg Meggle

4. Wissen, wer wir sind (Ego. Dritter Einstieg)

begonnen hatte, das war die Geschichte des Kindes, des Jugendlichen, des Mannes, wie ich sie heute sehe. Und heute sehe ich manches durchaus anders als damals. Wie schön ein sonniger Frühlingstag in den Voralpen sein kann, das habe ich damals gar nicht so richtig wahrgenommen. Diese Schönheit sehe ich eigentlich erst jetzt. Aber nicht nur die damaligen Landschaften erscheinen mir heute in klarerem Licht; entsprechendes gilt auch für mein eigenes damaliges Treiben, für mein damaliges Ich. Und ebenso gilt auch das Umgekehrte: Manches von dem, was uns früher wichtig war, sinkt in den Schatten des Vergessens zurück, manches Frühere wollen wir später überhaupt nicht mehr wahrhaben, selbst die größten Glücksmomente von damals bedenken wir heute vielleicht nur noch mit einem verstehenden Lächeln.

4.1 Wir sind in einer Variante unserer Geschichte, in der das Marsmädchen ein echtes Interesse an uns hat. Statt zu fragen, unter welchen Bedingungen wir wissen, wer wir sind, oder wir herausfinden, ob wir wissen, wer wir sind, können wir auch ganz ganz anders reagieren. Ich könnte zum Beispiel keinen langen Vortrag halten - sondern mit dem Marsmädchen ins Lindenfels gehen und ihm ganz einfach meine Geschichte erzählen. Daß ich im Allgäu zur Welt kam, daß dort die Landschaft viel schöner ist als hier, vor allem im Frühjahr mit den saftigen Wiesen, die Berge dahinter noch voller Schnee, wie ich als kleiner Ministrant während der Messe, sozusagen als Mutprobe, dem Glasaugenblick des unter dem Altar als Gerippe liegenden Heiligen nicht auszuweichen versuchte, wie mir noch heute, inmitten des mitunter echt komischen Unigetriebes, die Erinnerung an ein Lächeln meiner Mutter mehr Kraft gibt als alles, was ich je in Vorlesungen hörte, wie toll es war, als ich zusammen mit meinem Freund Wolfgang auf dem Gipfel des Aconcagua stand, daß Sarah, meine Tochter, kurz vor dem Abitur ist, daß ich schon immer von einem Marsmädchen träumte, daß ich mich riesig darüber freue, daß Sebastian, mein Sohn, im kommenden Jahr mit mir für zwei oder drei Wochen - usw.

4.3 Wir ändern uns. Und bleiben trotzdem dieselben. Das war schon für die sogenannten Alten Philosophen Anlaß zum Grübeln - und das hat zu vielen Theorien darüber geführt, wie etwas trotz aller Änderungen wirklich dasselbe bleiben kann. Trotz aller Änderungen? Nein, natürlich nicht wirklich aller. Was darf sich alles ändern, damit man trotzdem noch von demselben reden kann? Genau dies ist, auf uns angewandt, das Problem der PersonenIdentität.

4.2 Was lehrt uns diese Geschichte? Das Marsmädchen lernt mich umso mehr kennen, je mehr ich ihm von meiner Geschichte, von meinem Weg durch die Welt, von meiner Welt erzähle. Muß ich also, wenn ich wissen will, wer ich bin, dasselbe auch mir gegenüber tun? Muß ich, um zu erfahren, wer ich bin, auch mir selbst meine eigene Geschichte erzählen?

Zum Thema Personen-Identität liefert die Analytische Philosophie seit einigen Jahren die scharfsinnigsten Beiträge. Sich mit diesen zu beschäftigen, schärft nicht nur den Verstand; die dort geführten Diskussionen machen mit ihren immer raffinierter werdenden Gedankenexperimenten (Zeitreisen, Brainsplitting, Gehirn-Austausch und -Wäsche, Memoryblocks und dergleichen mehr) einfach Spaß. Aber mehr als das: Sie werden in dem Maße auch für die Überprüfung unserer praktisch-ethischen Entscheidungen relevanter, als sich unsere technischen Möglichkeiten (Klonen, humanoide Hybride, zunehmende Austauschbarkeit fast aller unserer Körperorgane etc.) unseren früheren Gedankenexperimenten zunehmend annähern. Diese Komplexitäten stehen aber jetzt nicht zur Debatte.

Nein - und zugleich Ja. Nein insofern, als ich meine eigene Geschichte ja schon kenne. Sonst hätte ich sie meinem Gegenüber gar nicht erzählen (im Unterschied zu: erfinden) können. Warum trotzdem auch Ja? Der Grund dafür ist dieser: Die Geschichte meiner Allgäuer Kindheit, meiner leicht wilden Münchner Studenzeit usw. - die Geschichte, die ich dem Marsmädchen im Lindenfels zu erzählen

4.4 Das Hauptresultat der modernen philosophischen Theorien der Personen-Identität läßt sich auch so, auch ohne diese Gedankenexperimente, auf den Punkt bringen: Es darf in unserer Geschichte keine zu großen Brüche geben. Daß ein Bruch in meiner Geschichte zu groß ist, heißt dabei: Es gibt nicht mehr meine Geschichte. Das wiederum kann heißen: Es gibt gar keine Geschichte

Kein Zweifel, das Marsmädchen wüßte dann schon ziemlich gut, wer ich bin. Und Sie werden verstehen: Es würde nicht allzu lange dauern, und schon erzählte ich ihm einige Dinge mehr. Auch solche, die ich eben nicht gleich jedem erzähle.

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Wer sind wir?

mehr, die für mich selbst meine Geschichte ist; oder es gibt mehrere Geschichten - aber zwischen ihnen fehlt der Zusammenhang. Die erste Alternative ist das Ende von mir als Person; die zweite Alternative mein Zersplittern in mehrere Personen, der Beginn der sogenannten Multiplen Persönlichkeiten. Eine MPS, eine Multiple Persönlichkeitsstörung, liegt bei “mir” genau dann vor, wenn es “mich” als Einheit nicht mehr gibt. Wenn “ich” zwischen mehreren inkohärenten Geschichten wechsle, von denen jede - und damit keine - “meine” Geschichte ist. Genau dann also, wenn “ich” ab-wechselnd in verschiedenen Welten lebe, zwischen denen die Verbindungen gerissen sind. “Ich” - das ist in diesen Fällen ein Plural, zugleich aber ohne die Einheit des Wir.

sches Problem sein. Ziehen wir eben in eine größere Kneipe. Alles klar? Leider nicht. Denn zum einen ist immer noch offen, ob es das Marsmädchen wirklich nur nach Aufklärung über uns - im Sinne von: uns hier Versammelten - verlangt, oder ob es nicht doch über eine größere Klasse von uns aufgeklärt werden möchte. Konzentrieren wir uns, wie auch sonst bei derartigen Fällen nicht unüblich, auf uns selbst - und da auch dieses uns selbst immer noch unklar genug ist, will ich uns im Sinne von Uns Hier Versammelte, i.f. auch kurz als UHV-Klasse bezeichnen. Zunächst also sei des Marsmädchens WerFrage nur an diese Klasse gerichtet. 5.3 Oder machen wir es uns noch einfacher und nehmen, wiederum nicht unüblich, einfach an, daß wir, d.h. die Elemente der UHV-Klasse, die einzigen auf dieser Welt sind. Ein Trick, mit dem wir mit einem Schlag aller wir- bzw. uns- Referenzprobleme enthoben wären.

Teil II: Das Kollektiv 5. Wissen, wer wir sind (Plural) 5.1 Bisher drehte sich fast alles nur um mich. Genauer: Um mich, weil wir unterstellten, daß das Marsmädchen mit seiner Frage, obwohl diese “Hey, wer seid denn Ihr?” lautete, eigentlich nur mich meinte. Es ist leider Zeit, auch dies zu revidieren. Natürlich war das Mädchen nicht so unhöflich, den Rest der Welt auszuschließen. Seine Frage richtete sich tatsächlich nicht nur an mich, vielmehr an uns. Und obwohl ihm ja an mir, wie ich weiterhin hoffen will, etwas mehr liegt, so dürfen Sie doch davon ausgehen, daß hinter seiner Frage ein, wie ich oben sagte, echtes Interesse an uns steckt.

Die UHV-Elemente als die einzigen - als die einzigen was? Die einzigen Lebewesen? Die einzigen Warmblütler? Die einzigen nicht-künstlichen Intelligenzen? Die einzigen I-Sucher? All diese Einzigkeitsvermutungen wären falsch. Um nur ein Falsifikationsbeispiel zu nennen: Das Marsmädchen. Es lebt, hat ein warmes Herz, ist kein Computer und es ist, wie es mir vorher im Lindenfels verraten hat; schon 38 Mars-, also ca 4000 Erdenjahre auf der Suche nach sich selbst.

Das sollte uns den Einstieg zu uns selbst nun genauso erleichtern, wie entsprechendes mir den Weg zu mir selbst leichter gemacht hatte, den Weg, auf dem ich das Marsmädchen zu einer ersten Erkenntnis dessen, wer ich bin, geführt hatte. 5.2 Diese Einstiegserleichterung ist auch nötig. Denn die Differenz zwischen meinem Fall und unserem Fall ist auch so noch groß genug. Selbst wenn wir jetzt alle, worum ich Sie ganz herzlich bitte, unserem Marsmädchen gegenüber eine ähnlich aufgeschlossene Einstellung einnehmen wollen wie ich, so gibt es bei uns doch eine Reihe Probleme, die es bei mir allein nicht gab.

Die einzigen Menschen? Auch falsch: Siehe Betelgeuze. Die einzigen Menschen auf Erden? Vielleicht. Nehmen wir das einfach mal an. Nein, lieber doch nicht! Welche Geschichten könnten die UHVElemente dem Marsmädchen denn dann noch erzählen? “Unsere” jedenfalls nicht. Keine Vorfahren, keine nicht-mit-in-diesen-Vortrag-mitgekommene Partner, keine zu Hause auf uns wartende Kinder. Nur noch Kolleginnen und Kollegen und einige Unbekannte, die wer weiß was hierher geführt hat. Was für ne Welt! Wie sollten wir unter dieser Restriktion unserem Marsmädchen wirklich noch klarmachen können, wer wir sind? Wo doch fast alles “uns” Wichtige fehlt?

Zum Beispiel das Platzproblem. Ich bin mit dem Marsmädchen gleich ins Lindenfels abgezogen. Wir können das nicht. So viel Leute haben da einfach nicht Platz. Aber das dürfte nur ein techni-

Die einzigen derzeit lebenden Menschen? Ein klein wenig besser, weil es immerhin unsere Geschichten über unsere Vorfahren und etwaige Träume über von UHV-Mitgliedern miteinander noch zu zeu26

Georg Meggle

gende Kinder zuläßt; aber immer noch eine Welt, in der kein echter derzeit lebender UHV-Angehöriger, der sich diese fiktive Welt wirklich vor Augen führt, wirklich würde leben wollen. Bitte: Spielen Sie dieses Gedankenspiel auf Ihrer Rückreise zu Ihren Lieben einmal in aller Ruhe durch und versuchen Sie die Grenze, von der ab Sie die UHV-Klasse als die Klasse der einzigen XYZ nach reiflicher Überlegung tatsächlich zu akzeptieren bereit wären, möglichst genau zu bestimmen! Vergleichen Sie dann das Resultat dieses Experiments mit der Welt, in der wir tatsächlich leben, und Sie werden sehen ... na was wohl?

als 100. Das wirkliche Problem ist, ob von dieser Klasse alle zusammen, sozusagen en bloc, gefragt sind oder jedes Element nur für sich. Will das Marsmädchen von einer jeden Einzelnen von uns wissen, wer sie ist, dann kann auch jedes Element von uns für sich das tun, was ich getan habe: mit dem Mädchen alleine ins Lindenfels ziehn. Sind wir als Gruppe - als Gruppe - gefragt, geht das nicht. Es sei denn, wir benennen eine Sprecherin und geben dieser den Auftrag: Sag's Du ihr. 5.7 Das Dumme auch an dieser Wahl ist: Welche Seite man auch immer wählt, beide Alternativen haben Konsequenzen, die nicht sehr schön sind. Wählt man rechts, gerät der en bloc Charakter der Gruppe außer Sicht; wählt man links, ist nicht mehr das Individuum als solches gefragt. Fragt das Marsmädchen die UHV-Klasse im Sinne von rechts, dann ist die Zugehörigkeit der so Gefragten zu dieser Klasse für die Beantwortung der Frage völlig irrelevant; fragt es diese Klasse im Sinne von links, dann wäre die Frage schon allein mit Verweis auf unsere Klassenzugehörigkeit erschöpfend beantwortet. In diesem Fall bliebe aber alles das, was mich von Ihnen unterscheidet, ganz außen vor. Nun liegt mir aber, wie Sie schon gemerkt haben werden, daran, daß dem Marsmädchen an mir etwas liegt - und zwar an mir als Person, nicht nur an mir als einem der Elemente unserer Klasse. Und so wissen Sie auch schon, wie ich mich entscheiden würde: Meiner Marsmädchen-Affinität wegen für rechts. Eine speziell grüne Grüne-MarsmädchenPartei gibt es ja noch nicht.

Mein Plädoyer: Geben wir die Einzigkeits-Klausel auf! Wir, die UHV-Klasse; auch wir generell, egal, in welche Klasse wir mehr oder weniger zufällig geraten sind. 5.4 Einzigkeit hin oder her - das Marsmädchen interessiert sich nun mal (auch) für uns, für die UHVKlasse. Unser Problem bleibt: Wie soll diese Klasse die an sie gerichtete Marsmädchen-Frage beantworten? Ob Sie's glauben oder nicht: Genau an dieser Stelle scheiden sich die Geister. Nicht irgendwelche, ziemlich große. Jetzt zwei Fotos: Eins von Max Weber; eins von Durkheim. Nicht nur zwei; viele. Weitere kleinere Fotos, jeweils einer dieser Figuren zugeordnet. Zu Weber: Gary Becker, James Buchanan, Raimo Tuomela; zu Durkheim: Marx, Wittgenstein, Habermas.

5.8 Diese pro rechts Entscheidung bedeutet: Jedes Element der UHV-Klasse ist jetzt dem Marsmädchen gegenüber in der Lindenfels-Situation; welche Geschichten die einzelnen Mitglieder von uns in dieser Situation jetzt von sich geben wollen, ist ganz und gar deren Sache. Theoretisch kommt somit bei dieser rechts-Entscheidung nichts Neues hinzu. Im Unterschied dazu wirft die pro links Entscheidung die Frage auf, als welche Klasse sich die UHV-Klasse dem Marsmädchen gegenüber selbstklassifizieren will. Nur als die UHV-Klasse? Diese Antwort wäre zwar richtig - aber absolut trivial. Sie sagte nichts anderes als: Wir, die hier Versammelten, machen zusammen die Klasse der hier Versammelten aus. Damit die pro links Entscheidung überhaupt einen Witz hat, müßten also schon informativere Klassen-Bestimmungen her. Aber welche? Welche, die nicht ihrerseits wieder trivial sind? Die links-Entscheidung schreit geradezu nach einer Vertiefung. Die kommt gleich.

Es geht bei unserem Problem um nicht wenig. Es geht um unser Thema: Wer sind wir? Genauer: Was ist der Sinn von “wir”. 5.5 Diese Sinnfrage läßt sich mit Hilfe des Zu-wenig-Platz-Problems verdeutlichen. Ich konnte mit dem Marsmädchen, um ihm seine an mich gerichtete Frage zu beantworten, einfach ins Lindenfels ziehen. Dort haben aber nur circa 100 Leute Platz. Ergo: Was ich konnte, kann die UHVKlasse aus Platz-Gründen nicht. Ist dieser Schluß gültig? Wenn er es ist, dann haben - jedenfalls im heutigen Kontext - die Individualisten gewonnen; Wenn nicht, die von Kollektivisten. Nun, wählen Sie selbst! 5.6 Stimmen Sie (bei dieser Wahl) nicht zu schnell für links. Es geht jetzt nämlich nicht nur um das simple Problem, ob mehr als 200 Leute mehr sind 27

Wer sind wir?

5.9 Vorher eine Warnung: Ziehen Sie aus meinem Votum für rechts keine voreiligen Schlüsse. Es gibt andere Situationen, in denen ich ebenso klar für links votieren würde. Am kommenden Montag und Dienstag zum Beispiel. Wovon das abhängt? Von genau den gleichen Faktoren wie meine Wahl von soeben: Was sind meine eigenen Interessen? Welche die der Gruppe? Und wie, falls für mich die Gruppeninteressen überhaupt ins Gewicht fallen, gewichte ich beide?

Fangen wir noch einmal bei Adam und Eva an. So heißen die zwei, die unsere potentielle Mini-WG bilden. Wodurch werden Adam und Eva, und sei es auch nur für die Dauer ihres Weges über den Nikolaikirchhof, zu einem Wir? 6.3 Selbst auf diese simple Frage können sich unsere Welt-Top-Experten bis heute nicht einigen. Kein Wunder also, daß es auch über größere Kollektive bislang keinen Konsens gibt. Und wie gut, daß Adam und Eva meist auch ohne unsere Top-Experten zurandekommen.

5.10 Meine obige Darstellung des Grundlagenstreits zwischen Individualisten einerseits und Kollektivisten andererseits war nicht sehr fair. Gegenüber meiner persönlichen Marsmädchen-Bindung hatet die Bindung an diese UHV-Klasse, an diese Uns-Hier-Versammelten-Klasse (wohlgemerkt: an diese Klasse, nicht an einzelne ihrer Elemente) ohnehin kaum eine Chance. Ginge es Ihnen denn wirklich anders? Würden Sie wirklich des Erhaltes dieser heutigen Abendversammlung wegen auch nur eine Ihrer bedeutsameren Bindungen opfern? Ich denke: nein. Es mag wohl einige Teilgruppen in dieser Klasse geben, für die solches gälte; aber eben nicht für diese Klasse selbst.

Niemand hat bisher bestritten: Damit Adam und Eva eine WG sind, müssen sie etwas gemeinsam haben. Aber was? Der Streit über dieses Was betrifft (a) die drei Ebenen, die auch bei jeder Betrachtung von Einzel-Handlungen zu berücksichtigen sind. Nämlich: Was tun die Betreffenden? Was glauben sie? Und was wollen sie; was sind ihre Ziele. Zugleich ist dieser Streit (b) auch ein Streit darüber, ob diese drei Dimensionen zur Charakterisierung der Adam & Eva-WG ausreichen oder nicht - und was man des weiteren braucht, falls es nicht reichen sollte. Reicht es nicht, dann werden gewöhnlich Normen bzw. Rechte und Pflichten als vierter Faktor ins Spiel gebracht. Meine Position zu (b): Für spezielle WGs, Wohngemeinschaften zum Beispiel, braucht man Normen; aber nicht für alle - z.B. noch nicht für die Adam & Eva-WG.

Damit ist der wesentliche Unterschied zwischen unserer UHV-Klasse und solchen Teilgruppen bereits benannt: Wir, wir als UHV-Klasse, sind noch keine Gruppe im engeren Sinne: noch keine sogenannte Wir-Gruppe, kurz: noch keine WG. Für eine WG ist diese unsere UHV-Klasse derzeit noch viel zu ephemär.

Adam & Eva spazieren von diesem Haus über den Platz zur Nikolaischule. Adam spaziert. Eva spaziert. Nicht zu weit auseinander. Ist ihr beider Spazieren damit auch schon ein's zusammen? Ja, wenn das nicht mehr heißt als daß sie eben beide dasselbe tun. Nein, wenn zusammen mehr heißen soll. Eine WG, eine Wir-Gruppe,verlangt dieses mehr. Nicht nur ein schwaches zusammen, sondern ein starkes. Was ist dieses mehr, was das schwache zum starken macht? Wie gesagt: Wenn Sie die heutigen zehn Top-Experten zu dieser Frage befragen: Sie kriegen keine einheitliche Antwort.

6. Wir-Gruppen 6.1 Wann sind wir ein Wir in einem stärkeren Sinne? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit wir wirklich eine WG sind? Genau zu dieser Frage hatte die Leipziger Forschergruppe Kommunikatives Verstehen in den letzten beiden Jahren drei Workshops organisiert. Von den weltweit zehn Top-Experten zu diesem Thema waren sieben bei uns. Was sagen die zu unserer Frage? Und was sage nach all diesen Workshop- Debatten zu diesem Thema ich?

6.4 Warum nicht? Das liegt nicht nur daran, daß die einen links und die anderen rechts Denker sind. Es hat zwei weitere Gründe: Falsche Scheu und schlechte Sicht. Daß falsche Scheu falsch ist, zeigen uns schon Adam & Eva. Denn für diese gilt ohne Zweifel: Adam & Eva spazieren nur dann zusammen, wenn sie auch zusammen spazieren wollen.

6.2 In wenigen Minuten werden wir viele kleinere und größere Grüppchen sich von hier zur Nikolaischule bewegen sehen. Betrachten wir nur eines dieser Grüppchen. Welche Bedingungen sind notwendig und hinreichend dafür, daß aus diesem Grüppchen eine Mini-WG wird?

Das sehen zwar auch die Top-Leute so; aber sie ignorieren es sofort wieder - weil sie schon im er28

Georg Meggle

sten Semester für Logik & Wissenschaftstheorie gelernt haben, daß man so etwas einfach nicht sagt. Und auch ich nähme keinen ernst, der die Zusammenheit unserer WG mit Hilfe dieses Satzes zu definieren versuchte. Was die Top- Experten nicht gesehen haben: Daß dieser Satz trotzdem nicht nur richtig, vielmehr Gold wert ist. Er liefert zwar keine Definition, aber etwas genauso Wichtiges: Ein Kriterium, mit dem wir jeden Definitionsvorschlag prüfen können. Angenommen, jemand behauptet, er hätte endlich eine brauchbare Definition für das Zusammenheits-Merkmal von WGs gefunden, und dann stellt sich raus, daß nach dieser Definition Adam und Eva auch dann zusammen spazieren können, wenn sie gar nicht zusammen spazieren wollen - was dann? Dann zeigt unser Satz, daß diese Definition nichts taugt. Also: Keine falsche Scheu vor Zirkularitäten.

ten Wir-Definitionen wurden nicht mal von ihren eigenen Erfindern wirklich durchschaut. Wenn Sie mich also nach dem Stand der Forschung auf dem Gebiet der begrifflichen Grundlagen der WGTheorie fragen sollten, so würde ich vollen Ernstes antworten: Am besten, wir fangen nochmal - ohne falsche Scheu, und mit besserem logischen Durchblick - bei Adam & Eva an. 6.6 Wer sind wir? Genau wann sind wir eine WirGruppe? Auf diese Frage würde ich, sofern es weiterhin nur um von uns noch einigermaßen überschaubare Gruppen geht, folgendes als Antwort geben: Erstens: Nur dann, wenn wir selber eine Wir-Gruppe sein wollen. Zweitens: Nur dann, wenn es zwischen uns Gemeinsames Wissen ist, daß wir selber eine Wir-Gruppe sind. (Woraus mit erstens folgt: Nur dann, wenn es zwischen uns Gemeinsames Wissen ist, daß wir eine Wir-Gruppe sein wollen.) Und drittens: Nur dann, wenn Gemeinsame Ziele für uns als Gruppe eine Rolle spielen. Und schließlich viertens: Was all das genau heißt, das wissen wir bisher nicht so genau.

6.5 Das war der erste Grund dafür, weshalb selbst die TOP-Experten bisher nicht mal mit Adam & Eva zurechtkommen. Jetzt zu dem zweiten Grund, zur schlechter Sicht. An dieser Krankheit leiden wir leider alle. Auch das zeigt sich schon bei Adam & Eva.

6.7 Dies zur Logik unseres starken Wirs. Noch einmal eine inhaltliche Frage. Angenommen, wir selbst wären Adam & Eva und wirklich und ohne Zweifel und voll und ganz eine Wir-Gruppe. Und nun würde das Marsmädchen uns fragen, wer wir denn sind. Wie sähe dann unsere Antwort aus?

Adam spaziert zur Nikolaischule. Eva auch. Und beide wollen das auch zusammen tun. Reicht das schon für eine WG? Nein. Dazu muß Adam auch wissen, daß die neben ihm gehende Frau die Eva ist, und er muß auch glauben, daß Eva ihn ihrerseits für den Adam hält usw. Und er muß auch glauben, daß Eva ihrerseits glaubt, daß Adam sie für seine Eva hält usw. Solcherart interpersonale Glaubensbeziehungen werden schon allein bei Adam und Eva ganz schnell total unübersichtlich - sobald man über sie spricht. Und um dieses kommt man als Experte für Zwischenmenschliche Beziehungen ja kaum herum. Unser Umgangssprachen-Verstand blickt bei solchen überkomplexen Relationen rasch nicht mehr durch. Ohne logische Brille sind wir alle selbst den einfachsten Aufgaben in diesem Gebiet nicht gewachsen. Ich wette, daß niemand aus dieser UHV-Klasse ohne logische Gehirnwäsche auch nur die Hausaufgabe auf dieser Folie mit den elementaren Glaubensrelationen 2. Stufe in weniger als einer Stunde schafft. Sie sollten das nicht jetzt probieren.

Gefragt ist jetzt keine Antwort, die zwei Individuen jeweils nur für sich geben, auch nicht die bloße Benennung einer nicht-trivalen Klassen-Eigenschaft. Gefragt ist jetzt eine Geschichte, die von uns beiden auch als unsere gemeinsame Geschichte - und wenn das im Rückblick auch nur die des gemeinsamen Schlenderns über den Nikolaikirchhof gewesen sein sollte - akzeptiert wird. Ob dann unsere je individuellen Geschichten von dieser gemeinsamen Geschichte wirklich zu trennen sind, ob zum Beispiel Adam ohne die Eva wirklich Adam und Eva ohne den Adam wirklich Eva wäre, das würde - anders als unsere Experten - unser Marsmädchen schon rauskriegen. Nachtrag

Das geht den Experten nicht anders. Trotzdem tragen die wenigsten von ihnen bisher eine Brille. Logische Glaubenssysteme sind selbst unter den oben erwähnten zehn Top-Experten fast noch ein Fremdwort. Die meisten der erst in diesem Jahr (2000) auf unseren hiesigen Workshops vorgeleg-

Egal, ob Geschichte nur als meine Geschichte oder als unsere Gemeinsame Geschichte verstanden wird, beidemal war in allem bisherigen nicht nur die Zurückliegende Geschichte gemeint: Wer ich bin und wer wir sind - wer das wirklich wissen will, der darf nicht nur danach fragen, was mit uns bish 29

Wer sind wir?

er geschehen ist und wie wir dieses Geschehen heute selbst sehen: Nicht weniger wichtig ist, was wir mit unsrem weiteren Leben noch anfangen wollen. [An dieser Stelle: Schleichwerbung für Der Sinn des Lebens, dtv 2000.] Wir als Individuen. Und wir als Wir. Selbst wenn wir also alles über unsere Vergangenheit wüßten, so würde in diesem zukunftsbezogenen Sinne immer noch gelten: Wer wir sind, das wissen noch nicht einmal wir selbst. Dies ist kein Mangel. Sondern das, was uns erst zu uns macht. Wir sind frei. Wer wir sind - von wem das unter anderem auch abhängen könnte? Von uns selbst.

*** Aus Zukunft und Vergangenheit zurück zum Jetzt: Wir sollten uns schämen. Wir haben unseren heutigen Gast vom Mars noch nicht mal begrüßt. Dabei wäre alles doch so einfach gewesen. Etwa so: “Hey, wer seid denn Ihr?” Antwort: “Wir sind Erdlinge. Und wer bist Du? Aber zuerst mal: Herzlich Willkommen bei uns. Und jetzt gibts gleich was zu trinken. Komm doch einfach mit! Bis gleich - und jetzt auf in die Nikolaischule!” Literatur Meggle 2005: G. Meggle, Kollektive Identität. Oder: Wer sind wir? In: W. Kellerwessel et al. (Hrsg.), Diskurs und Reflexion (Würzburg, Königshausen und Neumann 2005) 291-299.

Sebastian Meggle, Das Marsmädchen, 2003

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Stamm, Volk, Ethnizität, Kultur: die gegenwärtige Diskussion Christoph Brumann, Institut für Völkerkunde, Universität Köln

setzt ein Gegenüber in Form von anderen, genauso konstituierten Einheiten voraus. Ethnische Identitäten können bei ein und derselben Person durchaus geschachtelt auftreten; ob sie sich als Kölner, Rheinländer, Wessi, Deutscher oder Europäer fühlt, ist situationsbedingt und hängt davon ab, ob sie einem Düsseldorfer, Westfalen, Ossi, Franzosen oder Amerikaner gegenübersteht.

Nicht wenige Ethnologen sehen ihr Metier als eine Wissenschaft, die einen guten Teil ihrer theoretischen Impulse von außen erhalten hat. Dies ist bei näherem Hinsehen zwar nicht wirklich stichhaltig. Dennoch tut es gut, selbst als potentieller Ideengeber verdächtigt und in dieser Eigenschaft zur Tagung einer Nachbarwissenschaft eingeladen zu werden. Ich werde im folgenden zunächst einen Überblick geben, wie die zentralen Begriffe dieser Tagung in der neueren Ethnologie diskutiert werden. Im Anschluß gehe ich - in den sehr engen Grenzen meiner diesbezüglichen Sachkenntnis - auf Impli-kationen dieser Diskussion für die prähistorische Forschung ein.

Erworbene Merkmale wie Sprache, Religion, Kleidung, aber auch physische Merkmale unterstützen die Selbst- wie auch die Fremdabgrenzung häufig. Oft kommt es im Prozeß ethnischer Selbstfindung zu bewußten Bemühungen, die erworbenen Kennzeichen zu vereinheitlichen, so daß sich die Korrespondenz zwischen subjektivem Empfinden und objektiv beobachtbarem Verhalten erhöht. Entscheidend bleibt aus ethnologischer Sicht aber das Zugehörigkeits- bzw. Nichtzugehörigkeitsgefühl der Beteiligten, und es werden heutzutage keine Versuche unternommen, mittels beobachtbarer Merkmale so etwas wie ‘objektive’ ethnische Gruppen zu bilden. Im Gegenteil enthüllen Detailstudien häufig, daß die den Angehörigen einer Ethnie als primordial, d. h. als angeboren oder doch ähnlich untrennbar mit der eigenen Person verknüpft erscheinenden Merkmale nichts anderes als die mehr oder minder arbiträren Produkte sozialer Prozesse sind. Gelegentlich begegnet man - eher außerhalb der Ethnologie als innerhalb - der Neigung, Ethnizität als gänzlich konstruiert darzustellen, bloße Maskerade für die wahren Konflikte wie z. B. Klassengegensätze, die im Verborgenen bleiben. In der Tat ist nicht zu bestreiten, daß Ethnizität häufig instrumentalisiert wird; der Ruanda- und der Balkankonflikt haben hierfür Anschauungsmaterial in Hülle und Fülle geliefert. Es gibt aber auch genügend Beispiele für das Bestehen auf ethnischen Identitäten und Gegensätzen, ohne daß dies durch Assimilierungsdruck provoziert würde oder irgend jemand wirtschaftliche oder politische Vorteile brächte. Daher ist es angemessen, Ethnizität als zumindest teilunabhängige Dimension menschlichen Sozialverhaltens zu sehen. Für eine nicht geringe Zahl von Menschen ist sie offensichtlich wichtig,

Von ‘Stämmen’ und ‘Völkern’ wird heute in der Ethnologie nur noch selten geredet. Wo ethnische Gruppen sich selbst als Stämme oder tribes bezeichnen und dieser Begriff - wie in den USA oder Australien - eine soziale und rechtliche Realität geworden ist, können die mit diesen Gruppen arbeitenden Ethnologen dies natürlich nicht ignorieren. Als Fachterminus überdauert ‘Stamm’ aber nur noch in sehr spezifischen Verwendungen; so z. B. in der politischen Ethnologie, wo tribe von band, chiefdom (Häuptlingstum) und state (Staat) unterschieden und damit ein Gesellschaftstyp bezeichnet wird, der zwar überlokale Institutionen der kollektiven Entscheidungsfindung, aber keine starke, ihr Amt womöglich vererbende zentrale Autoritätsperson kennt. An die Stelle von ‘Stamm’ und ‘Volk’ ist statt dessen der Begriff der ‘ethnischen Gruppe’ (ethnic group) oder ‘Ethnie’ getreten, und mit dem Sonderfall der ‘Nation’ (nation) oder ‘Nationalität’ (nationality) ist dann eine ethnische Gruppe gemeint, die exklusiven Anspruch auf ein bestimmtes Territorium erhebt. Eingeleitet durch den Sammelband Ethnic groups and boundaries des norwegischen, in England ausgebildeten Ethnologen Fredrik Barth wird Ethnizität, d. h. ethnische Identität, heute als dynamisch gesehen (Barth 1969). Sie ergibt sich als soziales Produkt sowohl der Selbst- als auch der Fremdwahrnehmung einer Gruppe und 31

Stamm, Volk, Ethnizität und Kultur in der gegenwärtigen Ethnologie

so fragwürdig die in ihrem Namen erhobenen Tatsachenbehauptungen oft auch sein mögen. Auch hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten gezeigt, daß alle Modernisierung und Globalisierung die Bedeutung von Ethnizität nicht zurückdrängt. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, womöglich gerade als Folge der Ausbreitung moderner Transportund Kommunikationstechnologien, die es sehr viel leichter machen, mit Andersartigkeit in Berührung zu kommen und Vorbilder für das Bestehen auf und das Überhöhen von Andersartigkeit zu finden.

custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society.” (Tylor 1871, 1)

Mehr noch als er, der seinen evolutionistischen Grundannahmen verhaftet blieb, war es allerdings der deutsche, in die USA emigrierte Jude Franz Boas, der zusammen mit einem Kreis berühmter Schüler das moderne ethnologische Kulturkonzept prägte. Boas knüpfte dabei an seine Studienjahre in Berlin an, wo Rudolf Virchow und Adolf Bastian das Wort von Vorläufern wie Johann Gottfried von Herder und Alexander von Humboldt übernahmen, den Begriff aber seiner mystischen Überhöhung für Herder war die Kultur eines Volkes von ihrem ‘Volksgeist’ durchdrungen - entkleideten (Kuper 1999, 12-14). Vor allem ab den zwanziger Jahren breitete sich die zentrale, heute in der Ethnologie unumstrittene Botschaft der Boasianer aus - nicht das biologische Erbe, sondern soziale Vermittlung, d. h. Kultur, ist für die Unterschiede im Denken und Verhalten menschlicher Gruppen verantwortlich. Alle Menschen können prinzipiell jede Kultur erlernen. Ihre spezifische Sozialisation und spätere soziale Einflüsse machen sie aber zu Angehörigen ein oder mehrerer bestimmter Kulturen. Denken, Handeln und selbst Fühlen der einzelnen Individuen bleiben davon geprägt, so daß die BoasSchülerin Ruth Benedict in ganzen Gesellschaften den Typus der maßvollen, ‘apollinischen’ oder der zum Exzeß neigenden, ‘dionysischen’ Persönlichkeit zu entdecken meinte (Benedict 1934).

Besondere Konjunktur im öffentlichen Diskurs hat der ‘objektive’ Gegenbegriff zur ‘subjektiven’ Ethnizität, ‘Kultur’. Schon vor der Debatte über die deutsche “Leitkultur” im Herbst 2000 war zu beobachten, daß darunter zusehends etwas dem ethnologischen Verständnis ungefähr Entsprechendes gemeint ist; Prägungen wie Eß-, Unternehmens-, Streit- oder Spielkultur etwa finden sich mittlerweile häufig. Für den englischen Sprachraum ist bezüglich culture das gleiche festgestellt worden: “Suddenly people seem to agree with us anthropologists; culture is everywhere. Immigrants have it, business corporations have it, young people have it, women have it, even ordinary middle-aged men have it, all in their own versions ... We see advertising where products are extolled for ‘bed culture’ and ‘ice cream culture’, and something called “the cultural defense plea” is under debate in jurisprudence.” (Hannerz 1996, 30).

Anstatt die Bedeutung des Kulturkonzepts zu schmälern, befördert es die Globalisierung laut Sahlins paradoxerweise eher noch:

Auch wenn die wenigsten heutigen Ethnologen so weit wie Benedict gehen möchten, hat sich doch (oder vielleicht besser: hatte sich bis vor kurzem) die Definition von einer Kultur als den sozial tradierten und geteilten Denk- und Verhaltensweisen einer Gruppe von Menschen in der gesamten Disziplin etabliert. Die kognitive Ethnologie beschränkt die Definition gerne auf das Denken und sieht im Verhalten nur den Schlüssel, um das erstere zu ermitteln; andere Fachvertreter beziehen neben Denken und Verhalten auch die Artefakte ein und sehen in diesen somit nicht nur ‘materialisierte’, d. h. die eigentliche Kultur in den Handlungsweisen und in den Köpfen nur zum Ausdruck bringende, sondern ‘materielle’ Kultur. Letztendlich ist diese Diskrepanz jedoch weniger entscheidend, als es manchen der Kontrahenten vorkommt, denn kein ernsthafter Ethnologe bestreitet enge Wechselwirkungen zwischen Denken, Verhalten und Artefakten, und jeder betrachtet alle drei Aspekte. Zudem waren fast alle theoretischen Richtungen des letzten Dreivierteljahrhunderts um Holismus bemüht, d. h. darum, die systemischen Zusam-

“The cultural self-consciousness developing among imperialism’s erstwhile victims is one of the more remarkable phenomena of world history in the late twentieth century. ‘Culture’—the word itself, or some local equivalent—is on everyone’s lips. ... For centuries they may have hardly noticed it. But today, as the New Guinean said to the anthropologist, ‘If we didn’t have kastom, we would be just like white men.’ ” (Sahlins 1994, 378, Hervorhebung im Original; kastom von englisch “custom” ist in der Verkehrssprache Papua-Neuguineas die Bezeichnung für die traditionellen Sitten und Bräuche einer Gruppe).

Hier darf sich die Ethnologie tatsächlich einen Exportschlager zugute halten, denn sie ist eindeutig der Vater (bzw. die Mutter) des Gedankens. Es war der britische Ethnologe und Evolutionist Edward B. Tylor, der 1871 erstmals von culture in ihrer modernen Bedeutung sprach und sie folgendermaßen definierte: “Culture, or civilization, ... is that complex whole which includes knowledge, belief, art, law, morals,

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Christoph Brumann

menhänge zwischen unterschiedlichen, auf den ersten Blick vielleicht unverbunden erscheinenden Kulturbereichen herauszustreichen. In der Regel wurden diese auf eine zentrale Größe zurückgeführt; seien es menschliche Grundbedürfnisse (im biopsychologischen Funktionalismus Malinowskischer Prägung), das Gleichgewicht der sozialen Institutionen (britischer Strukturfunktionalismus), elementare Strukturen des menschlichen Denkens (Strukturalismus und kognitive Ethnologie), demographisch-wirtschaftlich-technische Rahmenbedingungen (Kulturmaterialismus), Produktionsverhältnisse (Neomarxismus) oder Schlüsselsymbole (interpretative Ethnologie). Unstreitig ist zudem, daß es bei Kultur um den auf soziale Weise, d. h. durch alle Arten der angeleiteten oder selbständigen Imitation erworbenen Anteil am Denken und Verhalten geht. So definiert, ist Kultur keineswegs eine rein menschliche Angelegenheit, denn die neuere Primatenforschung findet immer mehr Belege für zweifelsfrei soziale Vermittlung auch z. B. bei Schimpansen und Bonobos. Doch ist der Kulturgebrauch für den Menschen ungleich bedeutsamer, und als einzigartig schnelles und flexibles Anpassungsmittel hat er die genetische Anpassung innerhalb der Evolution unserer Art fast vollständig ersetzt.

dest Ähnliches gemeint ist, wenn von Kultur die Rede ist, ist also durchaus kein Sonderfall mehr. Wie stehen nun die Begriffe ‘ethnische Gruppe’ und ‘Kultur’ zueinander? Bleibt man bei den Definitionen, ist ethnische Selbsteinschätzung - da sozial erworben - selbst ein Kulturelement, oft ein zwar wichtiges, aber immer nur eines unter vielen. Die Gründerväter des Fachs gingen in kaum hinterfragter Selbstverständlichkeit von einer weitgehenden Isomorphie aus; sie dachten sich die Welt als Mosaik aus räumlich abgrenzbaren, diskreten und mit ethnischen Gruppen (bzw. damals noch ‘Völkern’ oder ‘Stämmen’) kongruenten Kulturen. Diese Vorstellung trifft heutzutage allerdings immer weniger zu, wenn sie es denn je getan hat. Durch Migration bilden sich vielmehr überall in der Welt Diaspora-Kulturen, oft mit deutlichen Unterschieden nicht nur zur Mehrheits-, sondern auch zur jeweiligen Herkunftskultur. Nicht-ethnische Gruppen haben in geschichteten, arbeitsteiligen Gesellschaften ebenfalls charakteristische, sozial erworbene Denk- und Handlungsweisen, so daß man durchaus von Alters-, Geschlechts-, Berufs- oder Schichtenkulturen sprechen kann. Viele von diesen nicht-ethnischen Kulturen machen an ethnischen oder nationalen Grenzen nicht halt, wie man es auf jedem internationalen Wissenschaftskongreß beobachten kann. Außerdem führt der Prozeß der Globalisierung zu weltweiten kulturellen Übernahmen. Diese wirken zwar keineswegs alle in Richtung einer Vereinheitlichung oder gar Verwestlichung und betreffen auch keineswegs alle Menschen in gleichem Maß. Doch der Anteil des Importierten wächst in so gut wie allen kulturellen Repertoires und erweitert die individuellen Wahl- und Ausdrucksmöglichkeiten, so daß auch das Betonen der feinen Unterschiede gegenüber zumindest denjenigen anderen, mit denen man auf keinen Fall assoziiert werden möchte (Blümchentapeten-Liebhaber, ‘Big Brother’-Gucker oder wer auch immer), in mehr und mehr Gesellschaften relevant wird. Wir finden daher immer mehr lokale kulturelle Differenzierung, aber gleichzeitig immer mehr kulturelle Übereinstimmung zwischen Menschen an verschiedenen, teils sehr entfernten Orten. Somit ist es empirisch angemessen, Individuen als in den Schnittmengen verschiedener Kulturen stehend zu sehen - wir alle sind letztendlich multikulturell. Dabei überschneiden sich nicht nur ethnische mit nicht-ethnischen Kulturen, sondern z. B. beim hier aufgewachsenen Migrantenkind auch verschiedene ethnische Kulturen. Da eine spezifische Kultur darin einer biologischen Spezies ähnlich - immer dort entsteht, wo eine relative Dichte sozialer

In der Öffentlichkeit blieb im deutschen wie im englischen Sprachraum das Wort ‘Kultur’ lange Zeit mit einerseits ‘Anbau’ oder ‘Zucht’ (wie in ‘Monokultur’ oder ‘Bakterienkultur’) und andererseits elitären Bildungsinhalten wie Literatur und Kunst (wie in ‘Kulturausschuß’ oder ‘Kulturbanause’) assoziiert; die ethnologische Bedeutung fand dagegen in die englischen Konversationslexika erst in den späten zwanziger Jahren Eingang (Kroeber/Kluckhohn 1952, 63). Doch gilt die Dominanz der älteren Bedeutungen, wie schon erwähnt, immer weniger, und auch in den Äußerungen der ‘Leitkultur’-Debatte war zu beobachten, daß sich zwar einerseits auf beiden Seiten auf ein traditionell-normatives Kulturverständnis bezogen wurde (wenn es um die Aufstellung eines Grundwertekanons ging, der je nach Standpunkt gefordert, mit Inhalten gefüllt oder für unmöglich erklärt wurde), andererseits aber auch ein erweitertes, im Prinzip ethnologisches Kulturverständnis zum Einsatz kam (dort, wo der relative Rang der - umfassend verstandenen - Lebensstile von Einheimischen und Migranten diskutiert wurde, wie auch dort, wo die berechtigte Frage gestellt wurde, ob es diese einheitlichen Lebensstile überhaupt gibt). Daß in der Öffentlichkeit etwas dem ethnologischen - und prähistorischen - Verständnis zumin33

Stamm, Volk, Ethnizität und Kultur in der gegenwärtigen Ethnologie

Interaktionen innerhalb einer Gruppe einem relativen Mangel an sozialen Interaktionen nach außen hin gegenübersteht, wird sich dieser Trend zur Unübersichtlichkeit in Zukunft wohl noch verstärken, denn wenn die Menschen-, Waren- und Informationsströme der Globalisierung eines nicht erzeugen, dann sind dies soziale Inseln (s. hierzu vertiefend Brumann 1998).

Recht auf kulturelle Selbstvertretung. Obwohl ursprünglich angetreten, den Rassebegriff zu überwinden, wird Kultur damit in letzter Konsequenz genauso zum Ausgrenzungsmittel.

“...’culture’ operates in anthropological discourse to enforce separations that invariably carry a sense of hierarchy.” (Abu-Lughod 1991, 137-8) “... it could be ... argued that culture is important to anthropology because the anthropological distinction between self and other rests on it. Culture is the essential tool for making other. As a professional discourse that elaborates on the meaning of culture to account for, explain, and understand cultural difference, anthropology also helps construct, produce, and maintain it. Anthropological discourse gives cultural difference (and the separation between groups of people it implies) the air of the self-evident.” (ebd., 143). “Despite its antiessentialist intent ... the culture concept retains some of the tendencies to freeze difference possessed by concepts like race.” (ebd., 144). “It would be worth thinking about the implications of the high stakes anthropology has in sustaining and perpetuating a belief in the existence of cultures that are identifiable as discrete, different, and separate from our own.” (ebd., 146).

Wie Ethnizität mit Kultur korrespondiert, wieviel Wir-Gefühl also wieviel objektiven Gemeinsamkeiten des Denkens und Handelns entspricht, ist noch kaum geklärt. Beträchtliche kulturelle Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen und beträchtliche kulturelle Unterschiede innerhalb derselben ethnischen Gruppe sind immer wieder dokumentiert worden und machen klar, daß hier zwar wohl eine Korrelation, aber keinesfalls eine streng deterministische Verbindung besteht. Doch ansonsten hat das Schwergewicht der ethnologischen Ethnizitätsforschung auf ethnographischen Detailstudien gelegen, und es fehlt an einer allgemeinen, prädiktiven Theorie zum Verhältnis von Kultur und Ethnizität allgemein wie auch speziell zum Verhältnis von materieller Kultur und Ethnizität.

Da bleibt nur noch der Rückzug auf das Adjektiv ‘the cultural’ als vermeintlich weniger essentialistischen Ersatz für das Substantiv (unabhängig voneinander: Appadurai 1996, 12; Barnard/Spencer 1996, 142; Keesing 1994, 309) oder gar der völlige Verzicht auf den Kulturbegriff - “perhaps anthropologists should consider strategies for writing against culture” (Abu-Lughod 1991, 147). Es ist wohl kein Wunder, daß gerade US-amerikanische Ethnologen diese Kritik besonders vehement vertreten. Zum einen ist hier das Gedankengut der französischen Poststrukturalisten und Dekonstruktivisten besonders dankbar aufgenommen worden und hat zur Etablierung einer postmodernen, diskurskritischen Strömung mit großem Einfluß im Fach geführt. Zum anderen trägt sicherlich auch die besondere politische Situation bei, die sich sehr stark auf die gesellschaftliche Teilhabe und das verbale Selbstvertretungsrecht ethnischer und anderer, häufig benachteiligter Gruppen konzentriert hat; anstatt etwa auf eine Diskussion über ökonomische Ungleichheit:

Die jüngere Kritik am Kulturbegriff Statt solche Fragen in Angriff zu nehmen, mehrt sich statt dessen in der Ethnologie seit den achtziger Jahren eine grundlegende Kritik am Kulturbegriff. Sie fällt in den meisten Fällen zwar vergleichsweise verhalten aus, ist dafür aber um so verbreiteter und eint Vertreter von ansonsten konträren Richtungen. Zum einen ist die Kritik empirisch motiviert: Angesichts der überall und jederzeit vorhandenen individuellen Varianz im Denken und Verhalten, die in der Gegenwart aus den beschriebenen Gründen eher noch zunimmt, suggeriert die Identifizierung einer Kultur unweigerlich mehr Trennschärfe, als sie in der sozialen Realität vorhanden ist, und führt dadurch in die Irre. Direkt daran an schließen sich moralisch-politische Bedenken: Eine Kultur zu konstatieren, macht sie zu einem Ding oder gar etwas Lebendigem, ‘reifiziert’ also eine Abstraktion, ein rein gedankliches Konstrukt. Durch diesen klassifikatorischen Akt werden Unterschiede zwischen dem ethnologischen Beobachter und den untersuchten Fremden - oder ganz allgemein zwischen westlichen und nichtwestlichen Gesellschaften - festgeschrieben und vertieft, ein Prozeß, der mitunter als ‘othering’ bezeichnet wird. Gleichzeitig entzieht dies den Beschriebenen die eigene Stimme und raubt ihnen das

“American society has become culture-conscious, to the point of a ‘culture cult’ in civic society.” (Eller 1997, 252). “Culture and difference have become the dominant paradigm of the day, and individuals are being encouraged, even driven, to conceive of themselves in these terms.” (ebd., 251).

Allerdings sind tatsächlich Bestätigungen für den von Friedman beobachteten Vorgang zu finden: 34

Christoph Brumann

zu sehr als autonomes Reich der Zeichen und Bedeutungen gesehen und die ökologischen, materiellen und sozialen Rahmenbedingungen für menschliches Handeln vernachlässigt haben (Kuper 1999). Aber auch manche amerikanischen Ethnologen wie Roy D’Andrade werfen die Frage auf, ob Kultur als Ganzes wirklich erklärende Kraft und damit eine konzeptuelle Berechtigung hat:

“In global terms the culturalization of the world is about how a certain group of professionals located at central positions identify the larger world and order it according to a central scheme of things.” (Friedman 1994, 208).

Der wohl prominenteste Fall sind die Thesen des amerikanischen Politologen Samuel Huntington (1993, 1998), der eine Reihe von ‘Zivilisationen’, die er als kulturelle Einheiten maximaler Größe definiert, als die Konflikt-, womöglich Kriegsparteien der Zukunft sieht. Dies mag als Unsinn abgetan werden; zwar populär, aber auch längst nicht nur von ethnologischer Seite aus zurückgewiesen. Schwieriger ist für Ethnologen der Umgang mit dem Problem, das sich keine Äußerung über Kultur vor ihrer Rückführung in den ethnischen Diskurs sicher sein kann. Zwar hat sich das ethnologische Herangehen an ethnische und nationale Bewegungen häufig eines dekonstruktiven Ansatzes bedient, der - auch in Anlehnung an den bekannten Sammelband The Invention of Tradition der englischen Historiker Hobsbawm und Ranger (1983) - herausstreicht, wie sehr die Festlegung des jeweils ‘Traditionellen’ von gegenwärtigen sozialen Interessen bestimmt ist. Doch gründen sich ethnische und nationale Diskurse häufig auf als Tatsachenbehauptungen gemeinten Aussagen über Kultur, die nicht selten der wissenschaftlichen Literatur entnommen sind. Ethnogenese und ethnische Revivals mit alten Ethnographien in der Hand sind berichtet, und ebenso kommt es zu Konflikten um die Definitionsmacht über bestimmte Kulturen, wenn deren Träger erfolgreich das geistige Eigentum an ihr reklamieren. So erfolgt z. B. die ethnologische Erforschung der australischen Aborigine-Gruppen gegenwärtig fast nur noch als von diesen bezahlte und letztendlich kontrollierte Auftragsforschung. Die Beschreibung und Analyse von Kultur - und dies gilt sicherlich auch für die Prähistorie - kann weniger denn je erwarten, auf einer sauber von den beobachteten Realitäten geschiedenen Metaebene zu verbleiben; vielmehr muß mit kaum überschaubaren Rückkopplungseffekten gerechnet werden.

“There is nothing wrong with reification and essentialization if what one reifies and essentializes has strong causal properties. ... To categorize the great quantum flux of the universe into ‘somethings’ is to engage in reification, and to treat any category of flux as 'doing something' is to essentialize it, that is, to attribute to it causal powers. Without reification and essentialization there is no way to explain things. ... But does culture have causal properties? Does it, as a totality, reproduce itself, give meaning to life, legitimate institutions, etc? Can we reasonably essentialize and reify culture? Can we say that culture is a big thing that does things?” (D’Andrade 1999, 17; Hervorhebungen im Original).

Ist Kultur nicht als Ganzes kausal wirksam - so die Implikation -, wird der Begriff verzichtbar, und man sollte statt dessen diejenigen kleineren Einheiten bezeichnen, die tatsächlich etwas verursachen. Als weiteres Manko weniger des Kulturbegriffs, sondern eher des Umgangs mit ihm wird häufig die Unfähigkeit der Fachvertreter gewertet, sich auf eine einheitliche Definition festzulegen. Gern wird dies mit der bereits 1952 erschienenen Sammlung Culture: A Critical Review of Concept and Definitions belegt, in der die Amerikaner Alfred Kroeber und Clyde Kluckhohn mehr als 150 Kulturdefinitionen aus der damaligen ethnologischen Literatur auflisten (Kroeber/Kluckhohn 1952). Gegenargumente zur Kritik am Kulturbegriff Diese ganzen Kritikpunkte lassen sich meines Erachtens aber auch entkräften. Schaut man sich um mit der begrifflichen Konfusion zu beginnen die ethnologischen Kulturdefinitionen näher an (z.B. Brumann 1999, 3-4), so unterscheiden sie sich in ihren Aussagen über die Rolle und die Konsequenzen von Kultur; Aspekten also, die in Definitionen - was ist Kultur? - ohnehin nichts verloren haben. Daß es um sozial Erworbenes und Geteiltes unter Menschen geht, ist dagegen fast immer deutlich. Auch sind sich die klassischen Vertreter des Fachs zumindest in ihren theoretischen Schriften des konstruierten Charakters jedweder Kultur durchaus bewußt und so kein geeignetes Ziel für

Zur empirischen und zur moralisch-politisch begründeten Kritik am Kulturbegriff tritt eine weitere, die eher theoretisch-argumentationsökonomischer Natur ist. Besonders in der britischen social anthropology ist die Überzeugung verbreitet, daß man eigentlich Gesellschaften erforscht und den Begriff der Kultur gar nicht braucht. Aus dieser Perspektive sind es gerade Leitfiguren der amerikanischen cultural anthropology wie Clifford Geertz, Marshall Sahlins und David Schneider, die Kultur 35

Stamm, Volk, Ethnizität und Kultur in der gegenwärtigen Ethnologie

die Attacken der modernen Kritiker auf einen vermeintlich ‘traditionellen’ ethnologischen Kulturbegriff. Statt dessen finden sich Aussagen, denen auch die Generalisierungsfeinde der Gegenwart kaum etwas hinzufügen könnten, wie etwa bei den folgenden beiden Boas-Schülern:

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“Every individual is ... in a very real sense, a representative of at least one subculture which may be abstracted from the generalized culture of the group of which he is a member. Frequently, if not typically, he is a representative of more than one subculture, and the degree to which the socialized behavior of any given individual can be identified with or abstracted from the typical or generalized culture of a single group varies enormously from person to person.” (Sapir 1949, 515-6; nach Kroeber/Kluckhohn 1952, 247). “... a culture is invariably an artificial unit segregated for purposes of expediency. ... There is only one natural unit for the ethnologist - the culture of all humanity at all periods in all places ...” (Robert Lowie, zitiert nach Kroeber/Kluckhohn 1952, 165).

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Die ethnographische Praxis wurde diesen Vorgaben selten gerecht; dort schilderte man tatsächlich nur “die Trobriander” oder “die Nuer” als unproblematische, intern nicht weiter differenzierte Einheiten und setzte zudem noch Kultur und Ethnie in stillschweigender Selbstverständlichkeit gleich. Doch hindert diese sicherlich zu kritisierende Tradition deren Wirkungsmacht auch auf ihrer Verankerung in der gängigen Praxis vor- und außerethnologischer Völkerbeschreibungen seit Herodots Zeiten beruht - nicht daran, die theoretischen Vorgaben ernster zu nehmen.

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Auf ein Kulturkonzept verzichten und statt dessen Gesellschaften erforschen zu wollen, ist ohnehin nur eine Akzentverlagerung, denn beide sind notwendigerweise Ausdruck voneinander, und Kultur setzt - aufgrund der sozialen Vermittlung - Gesellschaft voraus. Und in aller Regel machten auch die britischen Gegner des Kulturbegriffs ihre Feldforschungen nicht vor der Haustür, sondern in Afrika oder Ozeanien, und sie interessierten sich für spezifische lokale - also kulturelle - Ausprägungen des Sozialverhaltens weit mehr als für seine universalen, dem genetischen Erbe des Menschen entspringenden Anteile. Wenn also Gesellschaftsforschung, so betrieben auch sie die Soziologie des kulturell Anderen und nahmen damit implizit doch auf Kultur Bezug. Außerdem gibt es Fälle, wo - wie von D’Andrade gefordert - Kultur(en) als Ganzes sinnvoll kausale Qualitäten zugeschrieben werden können; etwa wenn danach gefragt wird, was denn die Ähnlichkeiten des Denkens und Verhaltens in (bestimmten) zusammen lebenden Gruppen von Menschen verursacht.

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Abb. 1. Drei hypothetische Verteilungen von Personen und Merkmalen

Auch wenn man all dies zugesteht, bleibt jedoch das basalere und schwierigere Problem der individuellen Varianz, denn alle kulturelle Prägung führt doch nie dazu, daß verschiedene Menschen exakt gleich 36

Christoph Brumann

denken und handeln. Im Prinzip läßt sich das Problem wie in Abbildung 1 veranschaulichen. In jeder der drei Kreuztabellen sollen die Buchstaben in der Senkrechten für Personen, die Zahlen in der Waagerechten für deren sozial erworbene Merkmale (wie z. B. Denk- und Verhaltensmuster) stehen. Reale Verteilungen solcher Merkmale sehen häufig so aus wie in der unteren Tabelle (Abb. 1c), d. h. nicht völlig regelmäßig wie in der oberen Tabelle (Abb. 1a), aber auch nicht völlig regellos wie in der Mitte (Abb. 1b). Mit einiger Plausibilität ließe sich in Abb. 1c eine Kultur mit den Merkmalen 1 bis 6 ausmachen, die von den Individuen A bis F getragen wird, und eine weitere Kultur der Merkmale 9 bis 12 und eventuell 8, die von den Personen G bis L getragen wird. Merkmal 7 scheint zur zweiten Kultur zu tendieren, aber ein Grenzfall zu sein. Spricht man in einer solchen Situation - und schärfere Verteilungen sind in der Realität kaum zu erwarten - von Kulturen, suggeriert man sauber voneinander abgetrennte Blöcke wie in Abb. 1a. Dies ist empirisch falsch und den Kritikern zufolge moralisch heikel. Bestreitet man aber die Existenz von Kulturen, suggeriert man völlige Regellosigkeit wie in Abb. 1b, und das ist empirisch genauso falsch. Es handelt sich also um eine pragmatische Frage. Den Kulturbegriff abzuschaffen, hieße, einen zentralen, vergleichsweise wenig vorbelasteten Begriff zu opfern, der zudem in Nachbarwissenschaften und zunehmend auch in der Öffentlichkeit populär ist und der zumindest im seriösen Diskurs andere Erklärungsmodelle für die Denkund Verhaltensunterschiede zwischen menschlichen Gruppen wie etwa ‘Rasse’ abgelöst hat. Ich plädiere daher für die Beibehaltung - eine Formulierung wie ‘japanische Kultur’ erleichtert die Kommunikation, genauso wie ‘gotischer Stil’ in der Kunstgeschichte oder ‘Trümmerliteratur’ in der Germanistik; und so abstrakt sie sein mag - man kann eine Kultur genauso wenig anfassen wie die anderen beiden Beispiele -, so sehr bezieht sie sich doch auf ein in der Realität unbestreitbar vorhandenes Cluster von Einzeltatsachen (der Wiederkehr von bestimmten charakteristischen Denk-, Redeund Handlungsweisen in einer bestimmten Gruppe von Menschen über einen bestimmten Zeitraum), dessen Unterschiedlichkeit von anderen ähnlich strukturierten Clustern und dessen praktischer Folgenreichtum nicht zu leugnen sind. Wenn Zeit ist, kann man das Cluster in allen Details schildern; wenn nicht, dürfte allerdings selbst informierteren Laien bewußt sein, daß es sich hierbei um Abstraktionen und Vereinfachungen handelt, denen in der Wirklichkeit nie mehr als an den Rändern aus-

fransende, nicht allen Sonderfällen gerecht werdende fuzzy sets gegenüberstehen. Auch verpflichtet nichts dazu, die Einteilung von Kulturen rein intuitiv vorzunehmen. Eine generell beste Aufteilung der Kulturen für das obige Beispiel gibt es nicht; möchte man aber genau zwei Kulturen einteilen, könnte - nach Überführung der Matrix von einer Person-x-Merkmals-Matrix in eine Person-x-Personen-Ähnlichkeitsmatrix (etwa durch Bestimmung des Pearsonschen Korrelationskoeffizienten zwischen jedem möglichen Personenpaar) - das in der sozialen Netzwerkanalyse entwickelte Verfahren des block modelling eine Lösung mit maximaler Trennschärfe ermitteln. Auf die gleiche Ähnlichkeitsmatrix kann auch ein von der auf amerikanische Ethnologen zurückgehende cultural consensus analysis abgeleitetes Verfahren angewendet werden (siehe hierzu den methodischen Anhang). Die Abschaffung des Kulturbegriffs würde die Ethnologen in die paradoxe Situation bringen, Experten für etwas zu sein, dessen Existenz sie bestreiten. Für vielversprechender halte ich es, die öffentliche Akzeptanz eines ethnologisch-breiten anstatt wie früher elitären Kulturbegriffs zu nutzen, aber mißbräuchlichen Verwendungen mit Fakten entgegenzutreten. So ist es nicht schwer zu zeigen, daß Huntingtons Thesen nichts als aufrüstungsfreundliche Schreckgespenster sind, da die postulierten ‘Zivilisationen’ in der kulturellen Diffusität der Gegenwart keine realen Entsprechungen haben und die Anwendung weniger intuitiver Methoden (Burton u. a. 1996) zu anderen Einteilungen gelangt. Oder es läßt sich zeigen, daß in den Diskursen der Neuen Rechten zwar häufig Kultur gesagt, aber Rasse gedacht (Stolcke 1995), also Etikettenschwindel betrieben wird. Jede verantwortliche Rede von der Kultur darf allerdings nicht müde werden, die folgenden vier Punkte zu betonen: 1. Kultur ist nicht von Natur aus stabil. Da sie sozial übermittelt wird und diese soziale Übermittlung niemals perfekt ist, steht ihr Wandel vielmehr zu erwarten (Wir sind sicher nicht die ersten, die sich geweigert haben, die Lebensweise unserer Eltern vollständig zu übernehmen). Die Abwesenheit von kulturellem Wandel über lange Zeiträume ist nicht weniger erklärungsbedürftig als ein besonders schneller Wandel, besonders dann, wenn naheliegende Alternativen bestanden haben. Dies gilt uneingeschränkt auch für die vorgeschichtliche Vergangenheit. 37

Stamm, Volk, Ethnizität und Kultur in der gegenwärtigen Ethnologie

2. Kultur hat Grenzen. Einerseits teilen wir als Angehörige der Subspezies Homo sapiens sapiens genetische Merkmale, die viele basale Gemeinsamkeiten im Denken und Verhalten zur Folge haben und womöglich auch mit kulturellen Universalien verbunden sind. Andererseits sind wir alle Individuen, die durch unsere kulturelle Ausstattung in unserem Denken und Handeln bestenfalls eingeschränkt, niemals aber im strikten Sinne determiniert sind. Auch hier gibt es keinen Grund zu der Annahme, daß dies in der Vergangenheit anders war. Es empfiehlt sich daher meines Erachtens zwar kein “writing against culture” im Sinne AbuLughods, wohl aber ein “researching against culture”: Wo immer wir menschliches Denken und Handeln erklären, sollten wir es erst dann auf Kultur zurückführen, wenn allgemein-menschliche Gemeinsamkeiten und individuelle Besonderheiten als Ursachen ausgeschlossen sind. Kulturwissenschaftler zu sein heißt nicht, daß man soviel Kultur wie möglich zu finden hätte.

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3. Kultur und Ethnizität sind nicht dasselbe, sondern mitunter alles andere als eng verbunden. Ein großer Teil der tatsächlichen kulturellen Gemeinsamkeiten ist viel zu banal, um in hehren ethnischen oder nationalen Diskursen Berücksichtigung zu finden. Dort wird dann - wie in der ‘Leitkultur’Debatte - selbst noch das römische Recht eher bemüht als die Dinge, die wir wirklich teilen - die Lust am Frühstücksbrötchen, die Kenntnis Thomas Gottschalks oder Knecht Ruprechts. Auch ist nicht alle soziale Identität ethnischer Natur. Mit der Existenz von Personen, die z.B. eher stolz darauf sind, Ur- und Frühgeschichtler zu sein, als darauf, Deutsche zu sein, muß nicht nur bei uns gerechnet werden. Und ebenfalls nicht nur in unserer Gesellschaft spielen die ethnisch bedingten Kulturunterschiede im Konzert der durch Alter, Geschlecht, Einkommen, Bildung, Region und kapitalistischer bzw. sozialistischer Geschichte bedingten Kulturunterschiede keineswegs a priori die erste Geige.

Abb. 2 Hypothetische räumliche Verteilung von Fundorten und –merkmalen

Implikationen für die vor- und frühgeschichtliche Forschung Für die ur- und frühgeschichtliche Diskussion um den Kulturbegriff sehe ich - in den Grenzen meiner mangelnden Fachkenntnis - folgende Konsequenzen: 1. Schon um die Ähnlichkeit des Anliegens mit dem der Archäologie, der Alltags- und Sozialgeschichte, der Volkskunde und der Ethnologie hervorzuheben, halte ich es für vorteilhaft, Kulturen als Gegenstand auch der Ur- und Frühgeschichte umfassend als “sozial erworbene, geteilte Denkund Verhaltensmuster” zu definieren und nicht wie verschiedentlich vorgeschlagen - einfach bloß mit charakteristischen Fundvergesellschaftungen gleichzusetzen. Immer interessieren ja nicht nur die letzteren, sondern auch das hinter ihnen Liegende, das keine Spuren hinterlassen hat. Daß ur- und frühgeschichtliche Kulturen vielleicht niemals vollständig zu rekonstruieren sind, ändert nichts daran, daß sie seinerzeit vollständig waren.

4. Kultur hat Systemcharakter. Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Bereichen sind zu erwarten, auch zwischen entfernten, wie z. B. Anbaupraktiken und Religion, oder zwischen solchen, die materielle Spuren hinterlassen, und solchen, die es nicht tun. Eine holistische Perspektive in der Untersuchung von Kultur ist daher angemessen. Dies impliziert aber weder, daß die Bestandteile einer Kultur sich immer in einem Gleichgewichtszustand befinden, noch, daß ein kulturelles System nach außen hin klar und eindeutig abgeschlossen ist.

2. Kehren charakteristische Fundvergesellschaftungen, die nicht durch Umweltbedingungen o. ä. nahegelegt werden, mit mehr als stochastisch zu erwartender Wahrscheinlichkeit wieder, halte ich es für legitim, vom Vorhandensein sozialer Über38

Christoph Brumann

mittlung und damit von Kultur auszugehen. Nehmen wir an, daß das Diagramm in Abbildung 2a eine Art Karte von Fundorten ist, in der jeder Buchstabe für ein charakteristisches Merkmal steht, das unter den gegebenen Umweltbedingungen mit jeweils gleicher Wahrscheinlichkeit von etwa 1:26 auftritt. Dann liegt bei den “UFG”-Fundorten in der Mitte kulturelle Übermittlung nahe. Weiß man also nicht mehr als das in den Buchstaben Ausgedrückte, ließe sich die Abgrenzung einer Kultur wie im Diagramm rechtfertigen. Eine geringe Entfernung der Fundstellen zueinander stützt diese Argumentation, doch spricht prinzipiell auch nichts gegen die Annahme von Übermittlung über größere Entfernungen. Sicher ist jedoch nur die kulturelle Übermittlung an sich, nicht jedoch die Abgrenzung, die vielleicht anders aussähe, wenn alle relevanten Merkmale bekannt wären - wie im unteren Diagramm durch die Leerpunkte angedeutet. Auch müssen verschiedene Kulturtypen am selben Ort nicht zwangsläufig ein Indiz für eine Übergangsphase sein. Es kann sich auch um synchrone Multikulturalität handeln, und kulturelle Verschiedenheit muß nicht unbedingt ethnische Verschiedenheit heißen - Statusgruppen kommen z. B. ebenfalls in Betracht (siehe Beitrag Lucy). Und schließlich sind Kulturen selbst im günstigsten Fall nicht mehr als ein Mittel zum Zweck, ein Werkzeug zur Erleichterung des Denkens und der Kommunikation, aber nichts ‘Natürliches’ - das Wort “ethnologist” im oben angeführten Lowie-Zitat läßt sich ohne Abstriche durch “archaeologist” ersetzen.

stünden durchaus Methoden für ihre Bearbeitung zur Verfügung. Generell verlangt die Einteilung von Kulturen in ur- und frühgeschichtlichen Befunden allerdings die Nutzung aller Erkenntnisse; bloß eine Material- oder Fundart zur Grundlage zu nehmen, würde der bei menschlichen Kulturen notwendigen systemisch-holistischen Betrachtungsweise nicht entsprechen. 4. Über die ohne Spuren verschwundenen Kulturelemente lassen sich natürlich auch dann keine Aussagen treffen. Zur Frage, wieviel Ähnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit der materiellen Kultur wieviel Ähnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit z. B. der Kosmologien erwarten läßt, kann die Ethnologie vielleicht in Zukunft einmal von historischen und heutigen Kulturen abgeleitete Annahmen beisteuern; im Moment ist sie dazu aber nicht in der Lage. Auch läßt sich bislang nicht verbindlich sagen, wieviel Wandel in der materiellen Kultur wieviel Wandel in anderen Bereichen erwarten läßt. 5. Gleiches gilt für die ethnische Identität; bislang gibt es wie schon gesagt keine gesicherten allgemeinen Erkenntnisse zur Korrespondenz von materiellen Hinterlassenschaften und ethnischer Identität und sehr viele Beispiele, die ein elastisches Verhältnis vermuten lassen. Sicherlich kann eine über Jahrhunderten ohne naturräumliche Notwendigkeit bestehende Grenze kultureller Verteilungen (siehe Beitrag Zimmermann) kaum bestanden haben, ohne daß sie den dort lebenden Menschen entgangen wäre und Auswirkungen auf ihr Sozialverhalten gehabt hätte. Und sicherlich ist auch ein nicht abnehmbarer, lebenslang deutlich sichtbar getragener Körperschmuck mit normalerweise bloß regionaler Verbreitung (siehe Beitrag Jockenhövel) außerhalb seiner Heimatregion bemerkt und als nicht-lokal registriert worden. In Ermangelung von Zeugnissen über die Fremd- und Selbstsicht der Betroffenen können Annahmen zu der dahinter stehenden Ethnizität aber nicht mehr als - ohne Zweifel sehr plausible - Spekulationen sein. Diese könnten allerdings an Gewicht gewinnen durch Vergleiche mit ethnologisch erfaßten Gebieten, in denen ähnliche Bevölkerungsdichten, Wirtschaftsweisen und Mobilitätsmuster vorliegen und in denen die ethnischen Verhältnisse bekannt sind.

3. Ein Herausarbeiten des Kulturellen von der individuellen Ebene, wie es in der Ethnologie möglich ist, ist in der Ur- und Frühgeschichte zwar manchmal - z. B. im Fall von Individualgräbern -, aber beileibe nicht immer zu leisten. Doch selbst dann, wenn Fundorte die kleinste Einheit des Vergleichs bleiben, ließen sich ihre Merkmale doch auf ähnliche Weise in einer Matrix darstellen wie die Merkmale bestimmter Individuen in den Tabellen von Abbildung 1, und alles zum möglichen methodischen Vorgehen Gesagte gilt analog. Die unterschiedliche zeitliche Einordnung kann man als dritte Dimension einführen, und dies läßt sich bis zu einer gigantischen Fundort-x-Merkmal-x-Zeitpunkt-Matrix weiterspinnen, in die sämtliche Ergebnisse der ur- und frühgeschichtlichen Forschung Eingang finden würden. Im Prinzip müßte diese gesamte Matrix betrachtet werden, um zu einer bestmöglichen Einteilung von Kulturen zu kommen. Praktisch gesehen dürfte dies utopisch sein; könnte man sich aber auf die Inhalte einer solchen Matrix bzw. zumindest ihrer Teile einigen,

Womöglich günstiger stellt sich die Lage dar, wenn historische Quellen vorhanden sind, die von Ethnien reden oder auf sie schließen lassen. Versuche, diese einzelnen Befunden zuzuordnen, halte ich für legitim. Zu beachten ist allerdings, daß beispielsweise Germanen und Kelten nur in der - von Ste39

Stamm, Volk, Ethnizität und Kultur in der gegenwärtigen Ethnologie

reotypen und Propagandaabsichten nicht freien Fremdbeschreibung der Römer übermittelt sind. Über ihre ethnische Selbstsicht wissen wir so gut wie nichts; auch nicht - was angesichts der heutigen Erkenntnisse zu Ethnizität nicht einmal überraschend wäre -, ob der Zusammenschluß gegen die römische Bedrohung die ethnischen Einheiten, die die römischen Chronisten beschreiben, überhaupt erst geschaffen hat.

Hier sind wohl nur Gratwanderungen möglich, denn schließlich verlangt die Wahrheit ihr Recht, aber auch das öffentliche Interesse, daß nun einmal größer ist, wenn es bei den Grabungsfunden um “die eigenen Vorfahren” geht. Denen, die bis dahin noch zuhören, sollte aber vor allem die erste der oben aufgeführten vier Wahrheiten über Kultur nahegebracht werden: Kultur neigt, da nur sozial erworben und nicht genetisch fest verankert, zum Wandel, und kulturelle Ahnenreihen haben niemals die (potentielle) Eindeutigkeit genetischer Abstammung. Und so ist es möglicherweise harmlos und verzeihlich, die “ersten Sachsen” (oder ähnliches) entdeckt sehen zu wollen, bei eingehenderer Überlegung aber auch reichlich absurd.

6. All das Gesagte gilt für den innerwissenschaftlichen Diskurs. Wie bereits angeführt, läßt sich dieser nicht gefangensetzen. Im öffentlichen Umgang mit kulturwissenschaftlichen Erkenntnissen sind daher Güterabwägungen zu treffen, für die man sicher keine einfachen Pauschalregeln aufstellen kann. Ein in der Ethnologie recht bekannt gewordener Fall ist ein Aufsatz des amerikanischen Ethnologen Alan Hanson (1989). In den achtziger Jahren entwickelte sich in Neuseeland ein recht lebhaftes ethnisches Revival der Maori, die den Pakeha - den Weißen - gegenüber selbstbewußter als zuvor ihre Rechte einklagten. Eine große soziale Bedeutung gewann dabei der heroische Mythos von der ‘Großen Flotte’, einer Armada von Auslegerbooten, mit denen die ersten Maori um 1350 als geschlossene Gruppe in Neuseeland anlangten. Hanson erfuhr von Grabungen, die diese Theorie widerlegten - einzelne Fundstücke waren älter, und ihre Unterschiedlichkeit weist eher auf mehrere zeitlich gestaffelte Besiedlungen als auf eine einzige hin. Diese und weitere Unstimmigkeiten im Geschichtsbild der Maori-Bewegung veranlaßten Hanson, im American Anthropologist einen mit The Invention of Maori Tradition betitelten (und sich so explizit auf Hobsbawm und Ranger 1983 beziehenden) Artikel zu veröffentlichen. In diesem legte er einerseits die empirischen Unstimmigkeiten dar, betonte andererseits aber unter Rückgriff auf Michel Foucault, daß keiner der konkurrierenden Diskurse mehr als das Produkt soziohistorischer Umstände ist. Diese postmoderne Ökonomie des Wissens hielt neuseeländische Zeitungen jedoch nicht von Schlagzeilen wie “Maori Culture Invented” ab und brachte großen Verdruß in den Reihen der Maori-Bewegung, mit der Hanson eigentlich sympathisierte. Von Fachkollegen ebenfalls kritisiert (Levine 1991; Linnekin 1991), blieb Hanson zwar bei seiner Argumentation, bedauerte aber ausdrücklich die Verwendung des Wortes “invention” (Hanson 1991). Mit dem Streben gegenwärtiger ethnisch-nationaler Gruppen, sich der Vergangenheit zu bemächtigen, ist also nicht zu spaßen.

7. Nicht nur bei Themen wie Kultur und Ethnizität sind die Möglichkeiten für die gegenseitige Bereicherung von Ethnologie und Ur- und Frühgeschichte keineswegs ausgereizt. Die Leipziger Tagung demonstrierte für mich sehr deutlich, daß wir am gleichen Fachgegenstand arbeiten und mit teilweise sehr ähnlichen Gesellschaften zu tun haben. Anders als in den USA, wo die - dort meist ur- und frühgeschichtlich verstandene - archaeology und die cultural anthropology klassischerweise in der gleichen faculty of anthropology beheimatet sind, gibt es heute in Deutschland keine privilegierte Verbindung zwischen beiden Fächern und eine Vielzahl von institutionell gesehen ähnlich weit entfernten Nachbarfächern. Ein verstärkter Austausch würde jedoch beiden Seiten nützen, gerade wenn es um theoretische Fragen geht. Methodischer Anhang: Übereinstimmungs-Analyse als Werkzeug zur Ermittlung von Kulturen Im folgenden möchte ich vorführen, wie ein eng an die von amerikanischen Ethnologen entwickelte Konsensusanalyse (cultural consensus analysis; Romney et al. 1986; ihrerseits eine spezielle Form der Hauptkomponenten- bzw. Faktorenanalyse) angelehntes Verfahren dazu genutzt werden kann, Muster der Übereinstimmung und Unterschiedlichkeit in Gegenstands-x-Merkmals-Kontingenztabellen zu ermitteln und zu bewerten. Wenn diese Übereinstimmungen bzw. Unterschiedlichkeiten der Gegenstände - Menschen, Gruppen, Fundeinheiten, Fundorte - durch sozialen Erwerb zustandegekommen sind oder es ihrer Natur nach sein müssen, liefert das Verfahren die Möglichkeit, auf nicht-intuitive Weise Kulturen zu finden. Ich verwende als Beispiel einen Datensatz, der bereits mit 40

Christoph Brumann

Hilfe der in der archäologischen Forschung gebräuchlicheren Korrespondenzanalyse (siehe z. B. Müller/Zimmermann 1997) ausgewertet worden ist, wodurch sich auch gleich die Möglichkeit bietet, diese beiden rechnerisch durchaus ähnlichen statistischen Methoden miteinander zu vergleichen.

koeffizient, und Tabelle 1 gibt ihn für jedes Paar von Fundeinheiten an, wobei theoretisch jeder Wert von +1 (vollständige Proportionalität) bis -1 (vollständige negative Proportionalität) erreicht werden kann. Auf diese Korrelationsmatrix kann nun die Hauptkomponentenanalyse angewendet werden. Diese ist ein sogenanntes dimensionsreduzierendes statistisches Verfahren: Das in der Korrelationsmatrix zum Ausdruck kommende Muster von Übereinstimmungen und Unterschieden zwischen den Fundeinheiten wird in unabhängige, nacheinander einen möglichst großen Anteil des Gesamtbilds einfangende Dimensionen - die Hauptkomponenten - zerlegt. Die Übereinstimmung jeder einzelnen Zeile/Spalte (d. h. Fundeinheit) mit jeder dieser Komponenten läßt sich ihrerseits als Pearsonscher Korrelationskoeffizient ausdrücken. Idealerweise ist bereits mit wenigen Komponenten ein Großteil der Varianz in der Korrelationsmatrix erklärt1.

Der Beispiel-Datensatz bezieht sich auf das Vorkommen von 23 unterschiedlichen Keramik-Verzierungsmotiven in 27 Fundeinheiten des südfranzösischen Néolithique ancien (Baumeister/van Willigen 1997). Von fast 140 Fundeinheiten, die die Autoren in der Literatur ermittelten, boten nur diese 27 “annähernd gesicherte stratigraphische Angaben” und “eine für kombinationsstatistische Untersuchungen ausreichende Fundmaterialmenge” (ebd., 75). Die Seriation mit Hilfe der Korrespondenzanalyse ergab die von mir transponierte d. h. mit den Zeilen als Spalten und den Spalten als Zeilen geschriebene -, in der oberen linken Ecke von Tabelle 1 umrandete Tabelle oder Matrix (ebd., 79). Die Positionen der Fundorte auf den ersten beiden Hauptachsen der korrespondenzanalytischen Zerlegung (ebd., 82, 83, 85) deuten die Autoren in Anlehnung an den Forschungsstand als Ausdruck einer zeitlich und räumlich verursachten Differenzierung: Der im gesamten Südfrankreich einheitlichen (wenn auch im Rahmen der 27 Fundeinheiten auf das Rhône-Tal konzentrierten) Phase des Cardial classique - gekennzeichnet durch in horizontalen Bändern angeordnete Cardiumabdruckverzierungen - folgte eine Aufspaltung in das Epicardial des Languedoc - gekennzeichnet durch Riefenverzierungen - und in das Cardial final der Provence - gekennzeichnet durch eher flächig strukturierte Cardiumabdruckverzierungen (ebd., 84). Die von den Autoren vorgenommenen Zuordnungen der Fundorte und Verzierungen zu den drei Stilen (ebd., 82-83) sind rechts neben und unter der eigentlichen Seriationsmatrix in Tabelle 1 aufgeführt (um der Kürze willen gebe ich die Karten, Abbildungen und Diagramme der ursprünglichen Auswertung nicht wieder).

Diese Dimensionen der Zerlegung sind durchaus wörtlich zu nehmen: Im Prinzip kann man sich jede der Fundeinheiten - also jede Tabellenspalte in der Ausgangsmatrix - als eine Koordinatenachse und alle Koordinatenachsen als senkrecht zueinander stehend vorstellen. Dann läßt sich jede der Verzierungen als Punkt in dieses Koordinatensystem eintragen, je nachdem, wie häufig sie in jeder einzelnen Fundeinheit präsent ist (mit Fundeinheit 84-14 als x-Achse und Fundeinheit 84-13 als y-Achse würde dann der Punkt für das Verzierungsmotiv 3 bei {2;5} liegen). Der so entstehende Raum hat so viele Koordinatenachsen/Dimensionen wie Fundeinheiten, also 27, und ist damit zwar nicht mehr in seiner Gesamtheit zu veranschaulichen - mehr als drei Dimensionen auf einmal können wir uns nicht vorstellen -, wohl aber noch rechnerisch zu bearbeiten. Doch kann man das Koordinatensystem im Raum drehen, und zwar so, daß eine der Koordinatenachsen allen Verzierungs-Punkten so nahe wie möglich kommt, d. h. die Summe der quadrierten Abstände - ein in der Statistik häufig verwendetes Maß - zu den Punkten minimiert. Gleichzeitig ist diese Koordinatenachse diejenige aus einer im Prinzip unendlichen Menge möglicher Achsen, die die Streuung der Punktpositionen auf ihr maximiert. Verläuft sie jedoch nicht mitten durch alle Punkte hindurch, lassen sich die verbliebenen 26 Achsen des Koordinatensystems um die erste, nunmehr fixierte Achse herum so weiter im Raum dre-

Wenn Fundeinheiten einem gemeinsamen Stil angehören sollen, müssen sie untereinander Ähnlichkeiten aufweisen, sich von anderen Fundeinheiten aber unterscheiden. Ein gebräuchliches Maß für die Ähnlichkeit von zwei Gegenständen hinsichtlich ihrer Merkmale ist der Pearson’sche Korrelations-

1 Als Einführung in die Hauptkomponentenanalyse siehe Bortz (1997, 495-546). Möglicherweise erleichtert es den Nachvollzug, zunächst weiter unten die Erläuterung der Ergebnisse zu betrachten und dann zur folgenden Erklärung zurückzukehren. 41

84-14

c

1 1 1

07-10

42

0,83 0,81 0,83 0,18 0,87 1,00 0,80 0,85 0,61 0,55 0,71 0,71 0,20 -0,09 -0,19 -0,03 -0,15 -0,03 -0,15 -0,13 -0,12 -0,13 -0,17 -0,13 -0,13 -0,13 -0,13

c

2 2

c

1

30-21

0,78 0,73 0,77 0,20 0,78 0,80 1,00 0,92 0,93 0,38 0,60 0,51 0,06 -0,01 0,26 -0,10 0,00 -0,09 -0,13 -0,09 -0,12 -0,09 -0,11 -0,08 -0,08 -0,08 -0,09

Tab. 1. Analyse aller Fundeinheiten

0,78 0,82 0,86 0,20 1,00 0,87 0,78 0,92 0,65 0,38 0,60 0,69 0,06 0,13 -0,04 -0,10 0,10 -0,09 0,01 -0,09 -0,12 -0,09 -0,15 -0,08 -0,08 -0,08 -0,09

c

1

3 2

2

30-29 0,80 0,79 0,83 0,19 0,92 0,85 0,92 1,00 0,80 0,37 0,61 0,59 0,02 0,04 0,09 -0,13 0,02 -0,11 -0,08 -0,11 -0,15 -0,11 -0,12 -0,10 -0,10 -0,10 -0,11

c

1

1 1

4

30-09 0,58 0,56 0,58 0,22 0,65 0,61 0,93 0,80 1,00 0,24 0,43 0,38 -0,05 0,12 0,50 -0,13 0,15 -0,11 -0,12 -0,11 -0,16 -0,11 -0,12 -0,11 -0,11 -0,11 -0,11

c

1 5

5 1

04-04/3 0,38 0,34 0,45 -0,07 0,38 0,55 0,38 0,37 0,24 1,00 0,67 0,33 0,63 -0,23 -0,23 -0,16 -0,18 0,27 -0,20 -0,14 -0,20 -0,14 -0,04 -0,13 -0,13 -0,13 -0,14

c

1

1 1

1

13-16 0,60 0,56 0,58 0,04 0,60 0,71 0,60 0,61 0,43 0,67 1,00 0,36 0,42 -0,15 -0,16 -0,11 -0,04 0,45 -0,14 -0,10 -0,13 -0,10 0,10 -0,09 -0,09 -0,09 -0,10

c

1

1

83-11/47 0,51 0,52 0,53 -0,01 0,69 0,71 0,51 0,59 0,38 0,33 0,36 1,00 0,20 0,14 -0,15 -0,01 0,13 0,08 -0,16 -0,19 0,33 0,08 0,23 -0,18 0,17 -0,01 0,08

c

1

1

1

1 1

1

2

30-05 0,20 0,17 0,15 0,02 0,06 0,20 0,06 0,02 -0,05 0,63 0,42 0,20 1,00 -0,02 -0,21 0,07 0,24 0,64 -0,32 0,21 -0,18 0,21 0,06 0,20 0,33 0,06 0,21

c

1

2

1

1

2

1 2

1 1

13-02/3 -0,15 -0,06 -0,08 0,06 0,13 -0,09 -0,01 0,04 0,12 -0,23 -0,15 0,14 -0,02 1,00 0,27 0,42 0,52 0,29 0,14 -0,15 0,06 0,29 -0,07 -0,15 0,41 -0,15 0,29

f

2

2

2 1 1

06-06 -0,15 -0,13 -0,16 0,04 -0,04 -0,19 0,26 0,09 0,50 -0,23 -0,16 -0,15 -0,21 0,27 1,00 -0,18 0,30 -0,16 0,08 0,25 -0,06 -0,07 -0,05 -0,15 -0,15 -0,10 -0,16

f

1

1 1

2

2 5

2 8

07-07 -0,10 -0,12 -0,14 0,04 -0,10 -0,03 -0,10 -0,13 -0,13 -0,16 -0,11 -0,01 0,07 0,42 -0,18 1,00 0,17 0,31 -0,07 -0,11 0,36 0,31 -0,03 -0,10 0,43 -0,10 0,31

e

1 2

3

30-11 -0,18 -0,10 -0,13 -0,04 0,10 -0,15 0,00 0,02 0,15 -0,18 -0,04 0,13 0,24 0,52 0,30 0,17 1,00 0,40 -0,03 0,40 0,01 0,25 0,15 0,38 0,38 0,38 0,25

e

1 3

1 3

1

1

3 2

38-01 -0,09 -0,10 -0,12 -0,14 -0,09 -0,03 -0,09 -0,11 -0,11 0,27 0,45 0,08 0,64 0,29 -0,16 0,31 0,40 1,00 -0,14 -0,10 0,04 0,45 0,29 -0,09 0,60 -0,09 0,45

e

1

1

83-11/44 -0,13 -0,09 -0,12 -0,13 0,01 -0,15 -0,13 -0,08 -0,12 -0,20 -0,14 -0,16 -0,32 0,14 0,08 -0,07 -0,03 -0,14 1,00 -0,14 -0,19 0,54 -0,22 -0,13 -0,13 -0,13 -0,14

f

3

1

1

1

1

11-05 -0,09 -0,10 -0,12 -0,14 -0,09 -0,13 -0,09 -0,11 -0,11 -0,14 -0,10 -0,19 0,21 -0,15 0,25 -0,11 0,40 -0,10 -0,14 1,00 -0,13 -0,10 0,04 0,60 -0,09 0,60 -0,10

e

1

1

11-06 -0,12 -0,14 -0,17 -0,08 -0,12 -0,12 -0,12 -0,15 -0,16 -0,20 -0,13 0,33 -0,18 0,06 -0,06 0,36 0,01 0,04 -0,19 -0,13 1,00 0,04 0,66 -0,12 0,09 0,19 0,04

e

3

3

1

2

04-04/2 -0,09 -0,10 -0,12 -0,14 -0,09 -0,13 -0,09 -0,11 -0,11 -0,14 -0,10 0,08 0,21 0,29 -0,07 0,31 0,25 0,45 0,54 -0,10 0,04 1,00 0,04 -0,09 0,60 -0,09 0,45

f

1 1

34-04 -0,15 -0,17 -0,20 -0,20 -0,15 -0,17 -0,11 -0,12 -0,12 -0,04 0,10 0,23 0,06 -0,07 -0,05 -0,03 0,15 0,29 -0,22 0,04 0,66 0,04 1,00 0,09 0,13 0,53 0,10

3 3 11 1 e

3

2

4

1

11-13/3 -0,08 -0,10 -0,12 -0,13 -0,08 -0,13 -0,08 -0,10 -0,11 -0,13 -0,09 -0,18 0,20 -0,15 -0,15 -0,10 0,38 -0,09 -0,13 0,60 -0,12 -0,09 0,09 1,00 -0,08 0,78 -0,09

e

2

1

34-15/4 -0,08 -0,10 -0,12 -0,13 -0,08 -0,13 -0,08 -0,10 -0,11 -0,13 -0,09 0,17 0,33 0,41 -0,15 0,43 0,38 0,60 -0,13 -0,09 0,09 0,60 0,13 -0,08 1,00 -0,08 0,94

1 e

2

34-15/3 -0,08 -0,10 -0,12 -0,13 -0,08 -0,13 -0,08 -0,10 -0,11 -0,13 -0,09 -0,01 0,06 -0,15 -0,10 -0,10 0,38 -0,09 -0,13 0,60 0,19 -0,09 0,53 0,78 -0,08 1,00 -0,09

e

2 1

11-13/2 -0,09 -0,10 -0,12 -0,14 -0,09 -0,13 -0,09 -0,11 -0,11 -0,14 -0,10 0,08 0,21 0,29 -0,16 0,31 0,25 0,45 -0,14 -0,10 0,04 0,45 0,10 -0,09 0,94 -0,09 1,00

1 e

1

0,92 0,91 0,94 0,37 0,90 0,93 0,89 0,92 0,74 0,54 0,71 0,62 0,19 -0,07 -0,03 -0,16 -0,11 -0,06 -0,15 -0,17 -0,17 -0,17 -0,17 -0,16 -0,16 -0,17 -0,17

-0,20 0,66 4,31 -0,25 -0,06 -0,04 0,13 0,45 0,32 -0,36 0,19 -0,41 -0,41 -0,24 -0,38 -0,36 -0,42 -0,57 -0,51 -0,33 -0,63 -0,42 -0,48

Werte -0,44 -0,46 0,32 -0,37 -0,30 -0,02 0,24 -0,51 -0,41 -0,79 0,94 -0,87 0,73 -0,23 -0,59 0,42 -0,53 -0,27 -1,28 0,09 3,72 1,12 -0,53 -0,37 -0,43 0,06 -0,30 -0,47 -1,24 -1,48 1,78 2,59 0,02 -2,11 0,63 0,77 -0,34 0,00 -0,46 -0,02 0,56 0,30 -0,11 1,19 -0,27 -0,30

Ladungen 0,00 0,02 -0,03 0,00 -0,01 0,03 -0,02 -0,01 -0,01 -0,14 -0,19 0,12 0,08 0,01 0,19 0,06 0,04 -0,10 0,02 0,02 0,27 0,02 0,01 0,22 -0,03 -0,04 0,46 0,12 0,17 -0,56 0,21 0,20 -0,32 0,35 0,08 0,01 0,53 0,41 -0,38 0,50 -0,29 0,54 -0,18 -0,08 0,69 0,52 -0,21 0,07 0,49 0,39 0,61 0,82 0,11 -0,24 -0,11 -0,41 0,21 -0,13 0,70 0,31 0,20 0,09 -0,03 0,63 -0,24 0,14 0,26 0,46 -0,09 -0,10 0,78 0,19 0,88 -0,11 0,08 -0,06 0,85 0,21 0,75 -0,13 0,04

-0,65 -0,58 0,29 -0,60 -0,42 -0,34 0,03 0,20 -0,41 0,20 1,02 -0,33 -0,53 -0,54 -0,69 -0,47 -0,35 4,15 -0,18 -0,10 -0,27 -0,04 0,61

0,01 0,00 -0,01 -0,03 0,05 0,05 0,03 0,05 0,00 -0,23 -0,12 0,43 -0,42 -0,01 -0,10 0,19 -0,16 -0,20 -0,22 -0,29 0,88 -0,17 0,65 -0,21 -0,05 0,18 -0,04

-0,09 -0,40 0,27 -0,07 0,33 -0,67 -0,55 -0,06 -0,25 1,24 -1,03 -0,29 -1,06 0,22 -0,28 -0,59 -0,18 -0,20 -0,85 2,01 -0,76 3,33 -0,07

0,22 0,17 0,14 0,09 0,05 0,04 0,02 0,01 0,01 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00

15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

0,30 14

13

0,45

0,62

11 12

0,71

0,93

1,04

10

9

8

1,41

1,60

6 7

2,00

5

2,42

4

99,97

99,94

99,85

99,72

99,52

99,19

98,67

98,04

97,22

96,11

94,45

92,17

89,54

86,08

82,24

77,04

71,13

63,73

54,76

44,07

29,89

0,00 100,00

0,00 100,00

0,00 100,00

0,00 100,00

0,00 100,00

0,03 100,00

0,04

0,09

0,14

0,20

0,33

0,52

0,63

0,82

1,10

1,66

2,28

2,63

3,45

3,84

5,21

5,91

7,40

8,97

2,89 10,69

3,83 14,18

8,07 29,89

3

2

1

Komponente

c

1

1

2

84-10

1 14 1 4

Zuordnung c c c c c c c f f e e f f e f e f e f e e e e

5

Eigenwert

c

1

3 5

84-06

1 4 1

Komponente 2 3 4

% der erklärten Varianz

c

1 2

13-02/6

1 2 5

1

kumulierte %

Korrelationsmatrix der Fundeinheiten 84-14 1,00 0,98 0,95 0,54 84-13 0,98 1,00 0,95 0,62 13-02/6 0,95 0,95 1,00 0,50 84-06 0,54 0,62 0,50 1,00 07-10 0,78 0,82 0,86 0,20 84-10 0,83 0,81 0,83 0,18 30-21 0,78 0,73 0,77 0,20 30-29 0,80 0,79 0,83 0,19 30-09 0,58 0,56 0,58 0,22 04-04/3 0,38 0,34 0,45 -0,07 13-16 0,60 0,56 0,58 0,04 83-11/47 0,51 0,52 0,53 -0,01 30-05 0,20 0,17 0,15 0,02 13-02/3 -0,15 -0,06 -0,08 0,06 06-06 -0,15 -0,13 -0,16 0,04 07-07 -0,10 -0,12 -0,14 0,04 30-11 -0,18 -0,10 -0,13 -0,04 38-01 -0,09 -0,10 -0,12 -0,14 83-11/44 -0,13 -0,09 -0,12 -0,13 11-05 -0,09 -0,10 -0,12 -0,14 11-06 -0,12 -0,14 -0,17 -0,08 04-04/2 -0,09 -0,10 -0,12 -0,14 34-04 -0,15 -0,17 -0,20 -0,20 11-13/3 -0,08 -0,10 -0,12 -0,13 34-15/4 -0,08 -0,10 -0,12 -0,13 34-15/3 -0,08 -0,10 -0,12 -0,13 11-13/2 -0,09 -0,10 -0,12 -0,14

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 Zuordnung

Verzierungsmotive

84-13

Fundeinheiten

Stamm, Volk, Ethnizität und Kultur in der gegenwärtigen Ethnologie

Eigenwert

Stamm, Volk, Ethnizität und Christoph KulturBrumann in der gegenwärtigen Ethnologie

Tatsächlich wird die Hauptkomponentenanalyse nicht geometrisch, sondern per Matrixalgebra durchgeführt2. Für jede der Komponenten werden dabei der Eigenwert, die Komponentenladungen und die Komponentenwerte ermittelt. Der Eigenwert gibt an, wieviel der insgesamt vorhanden Varianz die Komponente erklärt, d. h. wieviel ‘Gewicht’ in ursprünglichen Koordinatenachsen sie hat; er muß zwischen 0 und der ursprünglichen Anzahl der korrelierten Größen (im Beispiel 27) liegen. Die Komponentenladungen geben an, wie stark die ursprünglichen Koordinatenachsen (im Beispiel die Fundeinheiten) mit der Komponente (d. h. der neuen Koordinatenachse) assoziert sind, d. h. wie sehr (zwischen +1 und -1) sie korrelieren. Das Quadrat der jeweiligen Ladung einer bestimmten Fundeinheit ‘auf’ einer bestimmten Komponenten gibt an, wieviel von der Gesamtvarianz der Fundeinheit durch die Komponente erklärt wird; je näher die Ladung der 0 ist, desto geringer ist die Assoziation. Summiert man für eine bestimmte Komponente die quadrierten Ladungen aller Fundeinheiten, erhält man den Eigenwert der Komponente. Summiert man für eine bestimmte Fundeinheit ihre quadrierten Ladungen auf allen interpretierten Komponenten (zur Interpretation in Kürze mehr), erhält man die sogenannte Kommunalität. Sie gibt an, wie weit die Fundeinheit durch das Komponentenmodell erklärt ist, und muß zwischen 0 und 1 liegen. Summiert man für eine bestimmte Fundeinheit die quadrierten Ladungen auf allen (auch den nicht interpretierten, kleinen) Komponenten, ergibt sich 1.

9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0

5

10

15

20

25

Komponente

Tab. 1b, Analyse aller Fundeinheiten, Screeplot

hen, daß eine zweite Koordinatenachse wiederum die Summe der quadrierten Abstände zu den Punkten minimiert und die (noch erreichbare) Streuung der Punktpositionen auf der Achse maximiert. Diese Streuung kann höchstens so groß sein wie die auf der ersten Achse, liegt aber häufig schon sehr viel niedriger. Um die fixierten ersten beiden Achsen - hier versagt die räumliche Vorstellung vollends - lassen sich nun die restlichen 25 Achsen so drehen, daß eine dritte Achse mit wiederum maximaler (aber höchstens genauso großer) Streuung der Punktpositionen festgelegt wird usw., bis hin zur letzten Achse, deren Position als einzige durch die Positionen der vorherigen Achsen bereits festgelegt ist. Das Koordinatensystem wird dadurch insgesamt gedreht, aber es bleibt ein Koordinatensystem mit zueinander rechtwinkligen Achsen. Die Lage der Punkte im Raum bleibt außerdem unangetastet, und genauso wie sie sich mit den Positionen auf den 27 Ausgangs-Koordinatenachsen angeben ließ, läßt sie sich auch mit den Positionen auf den neuen Koordinatenachsen angeben. Der Vorteil der neuen Koordinatenachsen - der Hauptkomponenten - ist allerdings, daß oft schon wenige von ihnen genügen, um die Position der Punkte so gut wie vollständig zu bestimmen. Eine große Zahl von Dimensionen wird so auf häufig nur zwei oder drei reduziert, die sich dann auch wieder problemlos graphisch darstellen lassen.

Die Komponentenwerte schließlich enthalten die ‘Bedeutung’ der Komponente. Dies sind in der geometrischen Veranschaulichung des Beispiels die Positionen der Verzierungspunkte auf der neuen Koordinatenachse, d. h. der Komponente. Da die neuen Achsen rechtwinklig zueinander stehen, sind die Werte zweier Komponenten zu 0, d. h. gar nicht miteinander korreliert. Die Komponentenwerte, d. h. die Positionen der Punkte auf den Achsen, werden gewöhnlich als z-Werte angegeben (also so standardisiert, daß die Summe der Werte 0 und die

2 Sie sucht nach einer Folge von im Beispielfall 27 Zahlenwerten, die – wenn man sie (in der gleichen Reihenfolge) in die Spalte vor und die Zeile über eine Tabelle von 27 x 27 Feldern schreibt und dann in jedes Feld das Produkt aus dem in der gleichen Zeile stehenden und dem in der gleichen Spalte stehenden Wert der Folge einträgt – die tatsächliche Korrelationsmatrix so genau wie möglich reproduziert. (In der Sprache der Matrixalgebra wird also ein Spaltenvektor gesucht, der rechts mit seiner Transponierten multipliziert die Korrelationsmatrix reproduziert.) Das Maß für die erreichte Nähe ist die Summe der quadrierten Abweichungen von den Vorhersagewerten. In fast allen Fällen wird mit nur einer Komponente, d. h. mit nur einer Zahlenfolge, keine vollständige Übereinstimmung erreicht. Dann wird die Residualmatrix der tatsächlichen Werte der Korrelationsmatrix minus den errechneten Werten errechnet und erneut eine Folge von Zahlen bestimmt, deren sämtliche Produkte dieser zweiten Matrix so nahe wie möglich kommen. Wiederum bleibt meist ein ‘Rest’, und das Verfahren wird für diesen wiederholt usw. bis alle Differenzen 0 sind.

43

Stamm, Volk, Ethnizität und Christoph KulturBrumann in der gegenwärtigen Ethnologie

Ladung auf 2. Komponente

1

die letzten 4 Komponenten (bis auf Rechenungenauigkeiten) den Eigenwert 0 haben, doch auch die vorherigen Komponenten sind kaum größer. Ohnehin sollten sinnvollerweise nur Komponenten mit Eigenwerten größer als 1 berücksichtigt werden, denn alle anderen haben ein Gewicht, das kleiner ist als das einer einzelnen Fundeinheit, und fassen insofern die Vergleichsobjekte nicht zusammen, sondern spalten sie auf. Im Beispielfall erfüllen 8 Komponenten diese Bedingung, und gemeinsam erklären sie mehr als 86% der gesamten Varianz. Üblicherweise interpretiert man jedoch Komponenten nur bis zu dem Punkt, ab dem die Eigenwerte nur noch geringe, langsam kleiner werdende Differenzen aufweisen - in der gebräuchlichen Darstellungsweise des screeplot (Tab. 1b) ist dies das ‘Knie’ der Kurve. Im Beispielfall ist dieser Punkt nicht zweifelsfrei zu lokalisieren; sowohl die Interpretation von nur zwei Komponenten, die 44% der gesamten Varianz erklären, oder die von drei Komponenten, die 54% der gesamten Varianz erklären, wäre vertretbar.

0

-1 -1

0

1

Ladung auf 1. Komponente Cardial classique

Epicardial

Cardial final

Abb. 3. Analyse der Cardial classique-Fundeinheiten, Ladungen der Fundeinheiten auf den ersten beiden Komponenten

Standardabweichung 1 ist). Eine positive Ladung auf der Komponente bedeutet eine Assoziation mit dem positiven Pol der durch die Komponentenwerte gebildeten Skala, eine negative Ladung eine Assoziation mit dem negativen Pol.

Die Konsensusanalyse verlangt nun eine im Vergleich zu den anderen Komponenten sehr starke erste Komponente und durchweg positive Ladungen der Vergleichsobjekte auf dieser, um von einer gemeinsamen Kultur sprechen zu können. In der Tat ist der Eigenwert der ersten Komponente mehr als doppelt so hoch wie der der zweiten, aber dies entspricht nicht dem in der Literatur geforderten Verhältnis von 3 oder mehr (Borgatti 1992b, 44), und die Komponentenladungen (in der unteren Hälfte der Tabellenmitte) sind nicht durchweg positiv. Dieser Befund deckt sich mit den Erwartungen, denn schließlich sehen Baumeister und van Willigen ja gleich drei Kulturen im Datenbestand und nicht nur eine. Es fällt allerdings auf, daß es sehr hohe positive Ladungen auf der ersten Komponente gibt - allesamt bei Fundeinheiten des Cardial classique -, während die negativen Ladungen vergleichsweise niedrig sind. Im Diagramm der Ladungen der Fundeinheiten auf den ersten beiden Komponenten (Abb. 3) zeigt sich denn auch, daß einige Fundeinheiten des Cardial classique dicht beieinander liegen.

Die Hauptkomponentenanalyse ‘tut nichts’ mit den Daten, sie liefert nur eine lineare Transformation der ursprünglichen Datenmatrix. Das multidimensionale Koordinatensystem drückt die Information der Datenmatrix komplett aus, und es wird nur im Raum gedreht; die Daten(-Punkte) bleiben jedoch dieselben und werden nur auf eine neue Weise betrachtet. Dementsprechend können aus den Komponentenladungen und Komponentenwerten sowohl die Korrelationsmatrix als auch die ur-sprüngliche Datenmatrix (in z-standardisierter Form) zurückgerechnet werden3. Betrachten wir, was diese Art der Analyse im Beispielfall bringt. Wie häufig in realen Anwendungen ergibt die Komponentenanalyse nicht weniger Komponenten bzw. Dimensionen als die Ausgangs-Korrelationsmatrix, nämlich 27 (siehe die Spalten am rechten Rand von Tabelle 1). Da es nur 23 Verzierungsmotive und damit auch nur 23 Punkte im multidimensionalen Raum gibt, müssen

Dies läßt vermuten, daß diese Fundeinheiten zumindest für sich eine Kultur bilden. Und tatsächlich - wiederholt man die Hauptkomponentenana-

3 Den Korrelationskoeffizienten zweier Fundeinheiten erhält man, wenn man die miteinander multiplizierten Ladungen der beiden Fundeineiten auf jeder Komponenten summiert. Multipliziert man für jede Komponenten den Komponentenwert des Verzierungsmotivs a und die Komponentenladung der Fundeinheit b und summiert die Produkte, erhält man für Fundeinheit b den z-standardisierten Wert für das Verzierungsmotiv a. Über den Mittelwert und die Standardabweichung aller Verzierungsmotive der Fundeinheit b läßt sich aus dem z-Wert der Originalwert errechnen.

44

4

1

1 1 1

2

1 1

1

1 5

2 2

1

1 2

1 1

1

2 1

1 1 1

2

1 1 1

0 1 3 0 0 0 0 1 1 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0,15 0,92 3,46 0,15 0,38 0,23 0,54 0,69 0,62 0,23 0,46 0,00 0,08 0,08 0,00 0,08 0,00 0,23 0,00 0,08 0,08 0,08 0,00

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

kumulierte %

0,16 0,78 3,43 0,13 0,26 0,27 0,41 0,70 0,58 0,14 0,50 0,05 0,08 0,15 0,05 0,08 0,05 0,21 0,05 0,15 0,08 0,15 0,05

% der erklärten Varianz

0,49 4,04 -0,69 -0,50 -0,77 0,46 0,31 -0,41 -1,15 0,29 0,70 -0,30 0,13 -0,52 -0,30 0,13 -0,30 0,21 -0,30 -0,66 0,13 -0,66 -0,30

Eigenwert

-0,70 -1,52 0,05 -0,41 -0,11 1,25 2,11 -0,88 -1,35 -0,60 2,83 -0,33 0,26 -0,41 -0,33 0,26 -0,33 0,99 -0,33 -0,19 0,26 -0,19 -0,33

Komponente

30-05

83-11/47

13-16

1

1 1

3 2

1

1

1

1 1

04-04/3

30-09

5 1

3

Mittelwert der Tabellenzeilen

2

2

gerundet

2

1 1

1 -0,30 0,58 4,36 -0,35 -0,15 -0,14 0,06 0,48 0,30 -0,33 0,19 -0,46 -0,42 -0,32 -0,46 -0,42 -0,46 -0,23 -0,46 -0,31 -0,42 -0,31 -0,46

"kulturelle Verteilung"

1 14 1 4

30-29

30-21

1 4 1

84-10

3 5

1 2 5

07-10

84-06

1 2

13-02/6

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

84-13

84-14

Stamm, Volk, Ethnizität und Christoph KulturBrumann in der gegenwärtigen Ethnologie

7,87 60,52 60,52 1,79 13,76 74,28 1,30 9,98 84,26 0,77 5,92 90,18 0,47 3,61 93,80 0,27 2,10 95,89 0,21 1,64 97,53 0,16 1,20 98,73 0,08 0,64 99,37 0,04 0,34 99,72 0,03 0,22 99,93 0,01 0,06 100,00 0,00 0,00 100,00

Komponentenladungen 1 0,92 0,91 0,93 0,35 0,91 0,93 0,90 0,93 0,74 0,52 2 -0,14 -0,20 -0,13 -0,49 -0,08 0,11 -0,12 -0,13 -0,25 0,73 3 0,27 0,31 0,21 0,75 -0,18 -0,11 -0,25 -0,25 -0,32 0,09 Mittelwert Standardabweichung

0,72 0,65 0,45 0,15 0,00 -0,27

0,37 1,16

Ladungen der Fundeinheiten auf dieser Komponente (hier zeigt sich übrigens auch im screeplot ein deutliches ‘Knie’ bei der zweiten Komponente). Die Bedingungen für eine einheitliche Kultur können für diese 13 Fundeinheiten also als erfüllt gelten. Die Betrachtung der Komponentenwerte zeigt, daß diese gemeinsame Kultur - die mehr als 60% der Varianz der Fundeinheiten erklärt - vor allem durch die überdurchschnittliche Anwesenheit der Verzierungsmotive 3 und (mit einigem Abstand) 2, 8, 9 und 11 gekennzeichnet ist, bei gleichzeitiger überdurchschnittlicher Abwesenheit vor allem der Verzierungsmotive 12, 15, 17, 19, 23 - alle nirgendwo vorhanden - sowie 13, 16, 21 und 44. Die Komponentenwerte sind (an Mittelwert und Standardabweichung orientierte) z-Werte; was ihnen an Absolutwerten entspricht, ist also von Fundeinheit zu Fundeinheit unterschiedlich. Die Absolutwerte für eine Art ‘idealer Fundeinheit’ des Cardial classique lassen sich allerdings aus den Werten der er-

8 7

Eigenwert

6 5 4 3 2 1 0 1

2

3

0,22 0,77 0,41

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

Komponente

Tab. 2. Analyse der Cardial classique-Fundeinheiten.

lyse nur mit ihnen (Tab. 2; hier und in den weiteren Tabellen wird auf die Wiedergabe der Korrelationsmatrix verzichtet, und die Komponentenladungen stehen in Zeilen statt in Spalten), ergeben sich eine erste Komponente, die mehr als viermal so stark ist wie die zweite, und durchweg positive

4 Selbst wenn man die nirgendwo vorhandenen Verzierungsmotive aus der Analyse ausschließt – also gewissermaßen versucht, es durch Ignorieren dieser ‘Einheitlichkeit im Mangel’ der gemeinsamen Kultur so schwer wie möglich zu machen, bzw. so tut, als ob die anderen 14 Fundeinheiten nie entdeckt worden wären – ist die erste Komponente mit 58 % erklärter Varianz weiterhin viermal so groß wie die zweite, und alle Ladungen bleiben positiv.

45

04-04/2

06-06

83-11/44

Stamm, Volk, Ethnizität und Christoph KulturBrumann in der gegenwärtigen Ethnologie

2

-0,58 -0,58 -0,58 -0,58

-0,38 -0,38 -0,38 -0,38

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

-0,58 -0,58 -0,58 1,19 0,47 -0,09 -0,58 1,19 -0,23 -0,58 0,21 -0,58 0,07 2,08 3,14 -0,51 -0,58 -0,51 -0,58

-0,38 -0,38 -0,38 1,27 3,19 0,24 -0,38 1,27 1,47 -0,38 0,03 -0,38 -0,71 -0,16 -2,04 -0,01 -0,38 -0,01 -0,38

8

1

1 2 3 4

2 1 1

2 8

1

2

2 5

1

2

1 1

2 1 1

3

1 1

1

sten Komponente nach der folgenden Formel bestimmen (* steht für Multiplikation, / für Division): Absolutwert für Verzierungsmotiv i = Mittelwert der gesamten Ausgangsmatrix (0,37) + Komponentenwert von i * Standardabweichung der gesamten Ausgangsmatrix (1,16) * Eigenwert der Komponente (7,87) / Anzahl der Fundeinheiten (13).

Die so errechneten Werte als ‘kulturelle Verteilung’ der Verzierungsmotive sind in am rechten Rand der Tabelle 2 angegeben5. Ein ganz anderes Bild ergibt sich, wenn man diese Analyse für die von Baumeister und van Willigen dem Cardial final (Tab. 3) und für die dem Epicardial (Tab. 4) zugeordneten Fundeinheiten durchführt. Für keine der beiden Auswahlen wird eine starke erste Komponente ermittelt. Auch wenn man Cardial final- und Epicardial-Fundeinheiten gemeinsam analysiert (Tab. 5), ändert sich dies nicht. Die 27 Fundeinheiten rechtfertigen also nur die Einteilung einer dem Cardial classique entsprechenden Kultur mit den ersten 13 Fundeinheiten; alle anderen Fundeinheiten streuen so sehr, daß weder Baumeisters und van Willigens Zuordnungen zu Cardial final und Epicardial noch irgend eine andere Einteilung weitere Kulturen ergibt. Mit den 27 Fundeinheiten allein ist die Vorstellung von einem Cardial final und einem Epicardial also nicht zu halten. Empirische Unterstützung für die Existenz dieser Stile könnte sich aus den 113 schwach besetzten Fundeinheiten oder aus der in der Seriationsmatrix nicht berücksichtigten unverzierten Keramik (ebd., 86) ergeben, und für ihre Einbeziehung in die Auswertung bestehen keine Hindernisse. Ohnehin braucht der geringe Umfang des Datenbestands und damit die “Anfälligkeit” aller auf ihm basierenden Einteilungen kaum betont zu werden (Für die Demonstration der Methode ist die geringe Zahl der Fundeinheiten und Variablen von Vorteil, ihre wahre Stärke entfaltet sich aber gerade bei größeren, weit weniger übersichtlichen Datensätzen). Interessiert in erster Linie das Vorkommen eines Verzierungsmotivs als solches, läßt sich die ganze Ausgangsmatrix nur mit Einsen (für alle belegten Felder) und Nullen rekodieren und die gleiche Ana-

Komponentenladungen

1 2 3 4

0,23 0,82 0,78 0,84 -0,35 -0,28

a

kumulierte %

Eigenwert

% der erklärten Varianz

0,59 0,52

Komponente

1 2

1,70 42,39 42,39 1,17 29,37 71,76 0,74 18,53 90,28 0,39 9,72 100,00

b

Eigenwert

2

1

0 1

2

3

Komponente

4

c

Tab. 3. Analyse der Cardial final-Fundeinheiten

5 Die angegebene Formel geht davon aus, daß die erste Komponente 60%ige Erklärungskraft behält, und schaltet den Einfluß der anderen Komponenten aus. Entfernt man die Gewichtung mit der erklärten Varianz, also die Multiplikation mit dem Quotienten aus dem Eigenwert der Komponente und der (mit der Summe der Eigenwerte identischen) Anzahl der Fundeinheiten, gibt dies der ersten Komponente 100%ige statt nur 60%ige Erklärungskraft. Dies führt allerdings gewissermaßen zu einer Überdehnung der Koordinatenachse, so daß manche der Absolutwerte negativ werden.

46

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

3 2

1

3

2 1

1

4

1

1 2 1

1 2

1 3

1

1 3

1

3

3

3 3 11 1

1 3

2

1

2

2 1 1

1

3 -0,17 -0,17 -0,17 -0,17 -0,17 -0,17 -0,17 -0,67 -0,33 1,17 0,16 -0,17 -0,96 0,18 -0,17 -0,48 -0,26 -0,77 -0,17 1,82 -0,96 3,61 -0,82

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

% der erklärten Varianz

2 -0,40 -0,40 -0,40 -0,40 -0,40 -0,40 -0,40 0,12 0,00 -0,60 -0,10 -0,40 0,76 -0,29 -0,40 0,28 -0,32 -0,44 -0,40 0,05 4,16 1,09 -0,70

Eigenwert

1 -0,54 -0,54 -0,54 -0,54 -0,54 -0,54 -0,54 -0,03 -0,15 0,47 0,73 -0,54 -0,43 -0,43 -0,54 -0,56 -0,11 4,00 -0,54 0,15 0,14 0,46 1,17

Komponente

11-13/2

34-15/3

34-15/4

11-13/3

34-04

11-06

11-05

38-01

30-11

07-07

Stamm, Volk, Ethnizität und Christoph KulturBrumann in der gegenwärtigen Ethnologie

2,90 29,04 2,72 27,20 1,68 16,79 0,90 8,99 0,71 7,11 0,45 4,54 0,39 3,94 0,17 1,68 0,04 0,42 0,03 0,30

Komponentenladungen 1 2 3

0,56 -0,18 0,10

0,52 0,51 -0,30

0,75 -0,09 -0,10

-0,05 0,78 -0,30

0,33 0,09 0,86

0,38 0,40 0,73

-0,03 0,85 -0,24

0,91 -0,16 -0,24

0,07 0,93 0,17

von Motiv 3 in Fundeinheit 84-10) auf das Analyseergebnis zurück7. Und ebenfalls denkbar ist es, nicht den absoluten Zahlenwert für das Vorkommen eines Verzierungsmotivs, sondern den Anteil dieses Wertes am gesamten Vorkommen des Verzierungsmotivs in allen Fundeinheiten als Grundlage für die Korrelationsmatrix zu nehmen. Man teilt also die Zahlenwerte jeder Zeile der Ausgangsmatrix durch die Zeilensumme und läßt die Korrelationen auf der Basis der neuen, zwischen 0 und 1 liegenden Werte bestimmen. In derselben Weise, wie die Be- rechnung von Korrelationen zwischen Fundeinheiten diesen das gleiche Gewicht gibt (ganz gleich, ob die Fundeinheiten reich oder arm an Funden sind, denn jeder Einzelwert wird ja am Mittelwert der jeweiligen Fundeinheit gemessen), verleiht dieses Vorgehen allen Verzierungsmotiven das gleiche

Eigenwert

3

2

1

0 1

2

3

4

5

6

7

8

9

0,82 -0,18 -0,25

10

Komponente

Tab. 4. Analyse der Epicardial-Fundeinheiten

lyse mit dieser Matrix durchführen6. Dadurch geht der Einfluß einzelner Häufungen eines Verzierungsmotivs (wie etwa das 14malige Vorkommen

6 Dies wären dichotome Daten, so daß es sich strenggenommen nicht mehr um den Korrelationskoeffizienten, sondern um den Φ-Koeffizienten handeln würde. Die rechnerische Durchführung bleibt davon allerdings unberührt. 7 Möchte man schließlich das einzelne Vorkommen eines Verzierungsmotivs nicht im Kontext der insgesamt in einer Fundeinheit vorkommenden Verzierungsmotive, sondern in allen Fundeinheiten gleich hoch bzw. niedrig bewerten, ist es möglich, nicht nur die Anwesenheit, sondern auch die Abwesenheit eines jeden Verzierungsmotivs zu kodieren, unten an die Matrix also gewissermaßen noch einmal die gleiche Anzahl von Zeilen zu hängen und in jede der neuen Zeilen das Gegenteil (statt der 1 eine 0 und statt der 0 eine 1) der entsprechenden Zeilenwerte aus der oberen Hälfte einzutragen. Dann hätten alle Fund-

47

48

2

1

1 1

2

2 5

2

13-02/3

2 8

06-06

2 1 1

1 2

3

07-07

30-11

-0,19 0,73 0,37 -0,05 -0,10

1 3

1 3

1

1

3 2

38-01

0,22 0,21 -0,70 0,49 0,24

1

1

83-11/44

0,19 0,51 -0,61 0,29 0,25

3

1

1

1

1

11-05

-0,18 0,80 0,21 -0,33 0,07

1

1

11-06

0,92 0,06 -0,01 -0,23 -0,15

3

3

1

2

-0,14 0,92 -0,06 -0,06 0,24

1 1

04-04/2 3 3 11 1

3

2

4

1

34-04 0,80 0,02 -0,04 -0,31 -0,21

Tab. 5: Analyse der Cardial final- und der EpicardialFundeinheiten

Komponentenladungen 1 0,60 0,47 0,73 2 -0,04 0,58 0,09 3 -0,16 0,45 -0,08 4 0,12 0,26 -0,11 5 -0,03 -0,10 -0,09

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

1

11-13/3 0,60 -0,06 0,35 0,47 -0,10

2

1

34-15/4 -0,10 0,03 0,48 0,70 -0,19

1

2

34-15/3 0,02 -0,32 0,47 0,04 0,79

2 1

11-13/2 0,69 -0,10 0,25 -0,14 0,56

1

1

1

2

3

4

5

-0,48 -0,48 -0,48 -0,48 -0,48 -0,48 0,34 -0,09 0,55 0,43 -0,03 -0,61 -0,43 -0,50 -0,58 -0,13 4,18 0,20 -0,11 -0,62 -0,15 0,87

-0,45 -0,45 -0,45 -0,45 -0,45 -0,45 -0,08 0,03 -0,39 0,16 -0,66 0,69 -0,30 -0,60 0,18 -0,44 0,44 -1,05 0,21 3,95 1,32 -0,31

-0,22 -0,22 -0,22 -0,22 -0,22 -0,22 1,55 1,36 -1,07 -0,66 0,90 1,31 -0,48 0,38 0,02 0,23 0,18 1,40 -1,43 1,05 -2,75 -0,43

-0,54 -0,54 -0,54 -0,54 -0,54 -0,54 1,44 2,39 0,99 -0,32 0,94 0,77 -0,38 0,01 -1,05 -0,22 -0,39 -0,52 1,23 -1,12 1,61 -1,59

-0,35 -0,35 -0,35 -0,35 -0,35 -0,35 -0,08 -1,17 -0,15 -0,34 0,15 -1,09 -0,19 0,38 -0,23 0,43 -0,21 3,77 0,33 0,48 1,47 -1,10

-0,48 -0,45 -0,22 -0,54 -0,35

kumulierte %

% der erklärten

Eigenwert

Komponente

0

1

2

3

4

1

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

2

2,79 1,92 1,42 1,27 0,97 0,69 0,57 0,24 0,22 0,17 0,12 0,03 0,01

3

19,94 13,69 10,12 9,04 6,92 4,91 4,05 1,68 1,56 1,23 0,85 0,23 0,08

5 Komponente

4

45,64 59,33 69,45 78,49 85,41 90,32 94,37 96,05 97,61 98,84 99,69 99,92 100,00

1 3,60 25,70 25,70

6

7

8

9

10

11

12

13

14

Stamm, Volk, Ethnizität und Christoph KulturBrumann in der gegenwärtigen Ethnologie

Eigenwert

Stamm, Volk, Ethnizität und Christoph KulturBrumann in der gegenwärtigen Ethnologie

Gewicht. Eine Hauptkomponentenanalyse auf der Basis dieser Korrelationsmatrix ist rechnerisch nichts anderes als eine Korrespondenzanalyse der aus der Ausgangsmatrix gewonnenen Zeilenprofile, d. h. der Verzierungsmotiv-Profile (besser gesagt: Die Korrespondenzanalyse ist ein Spezialfall der Hauptkomponentenanalyse; ein Umstand, der gelegentlich außer Sicht gerät8). Anders als bei der Korrespondenzanalyse liegt aber das Schwergewicht des hier vorgestellten Verfahrens auf der Interpretation der Komponentenladungen (der Fundeinheiten), weniger der Komponentenwerte (der Verzierungsmotive). Ob es sachlich gerechtfertigt ist, insgesamt seltenen Verzierungsmotiven den gleichen Einfluß auf das Analyseergebnis zu verleihen wie insgesamt häufigen (was die Korrespondenzanalyse unweigerlich tut), sollte zunächst überdacht werden, bevor man zu einer Standardisierung der Zeilen greift9.

Verfahren erzeugten) Korrelationsmatrix Dimensionen der Übereinstimmung bzw. Unterschiedlichkeit zu gewinnen. Die Faktorenanalyse analysiert nur die gemeinsame Varianz zwischen den korrelierten Größen, d. h. zwischen den Fundeinheiten, und verwirft den - unterschiedlich großen - Anteil der individuellen Varianz einer jeden Fundeinheit. Dies - bzw. genauer die minimum residual analysis (Comrey 1962) - ist auch das von den Entwicklern der Konsensusanalyse (Romney u. a. 1986, 320) vorgeschlagene Verfahren. Gerade für die von ihnen häufig bearbeiteten kleinen Datensätze ist es von Vorteil, bei größeren Datensätzen sind die Unterschiede zu den Ergebnissen der Hauptkomponentenanalyse jedoch zu vernachlässigen, und es gibt Aspekte, die für die Anwendung der letzteren sprechen10. Bruchlos lassen sich außerdem die anderen Annahmen der Konsensusanalyse - ein sehr starker erster Faktor (Faktoren sind die Entsprechung der Komponenten) mit durchweg positiven Ladungen als Bedingung für die Diagnose einer Kultur übertragen11. Im weiteren Kontext der Hauptkom-

Statt einer Hauptkomponentenanalyse wäre auch die Anwendung einer Faktorenanalyse möglich, um aus der (mit irgendeinem der beschriebenen

einheits-Spalten die gleiche Anzahl von Einsen und Nullen und damit den gleichen Mittelwert und die gleiche Standardabweichung, was jedem einzelnen Vorkommen eines Verzierungsmotiv in jeder Fundeinheit das gleiche Gewicht verleihen würde. Die Interpretation könnte sich aber weiterhin auf die obere Hälfte der Matrix – also auf die Anwesenheit der Verzierungsmotive – beschränken. 8 “Although for discrete data correspondence analysis represents a straightforward (graphic) extension of PC [= principal components/Hauptkomponenten]/canonical correlation-type models ... this seems to have been somewhat obscured in the past ... perhaps because of the literal, nonstandard translation of statistical terms from French into English. [Fußnote: For example, a scatter diagram is referred to as a ‘cloud’, (weighted) variance becomes ‘inertia’, and so forth.] The result has been an overinflated claim of originality for the procedure” (Basilevsky 1994, 299). Auch die deutsche Terminologie der Korrespondenzanalyse weicht von der der Hauptkomponentenanalyse ab und mag so bei flüchtigem Hinsehen als eigenständiger erscheinen, als sie tatsächlich ist. 9 Gibt es z. B. Grund zu der Annahme, daß sich bestimmte Verzierungsmotive seltener erhalten haben als andere, früher aber ähnlich häufig waren, dann ist diese Art der Zeilen-Standardisierung durchaus zu rechtfertigen. Besteht jedoch kein Grund dazu und liegt im Gegenteil nahe, daß die Fundhäufigkeit der Verzierungsmotive ihrer zeitgenössischen Häufigkeit entspricht, riskiert eine solche Analye, durch die überproportionale Berücksichtigung von "Exoten" ein verzerrtes Bild zu liefern. 10 Die Faktorenanalyse mag logisch gesehen das angemessenere Modell sein; schließlich interessieren ja auch im Beispielfall die Bezüge zwischen den Fundeinheiten und nicht der Anteil der Varianz einer Fundeinheit, der völlig unabhängig ist. Die Rückrechenbarkeit der Korrelationsmatrix und der z-transformierten Ausgangsmatrix aus den Faktorladungen und Faktorwerten ist jedoch nicht mehr gegeben, da die individuelle Varianz verworfen wird. Dadurch wird die geometrische Veranschaulichung komplexer, und es kann das Problem der negativen Eigenwerte auftreten (Comrey und Lee 1992, 98). Speziell bei binären Daten ist zudem das Faktorenmodell von individueller und gemeinsamer Varianz strenggenommen nicht zu halten (Kim und Mueller 1994, 142), und grundsätzlich liefert die Faktorenanalyse nur eine auf dem Modell von gemeinsamen und spezifischen Faktoren aufbauende Schätzung der Ladungen und Werte, während die Hauptkomponentenanalyse eine eindeutige Lösung ermittelt, die – bis auf die Annahme linearer Beziehungen zwischen den Zahlenwerten – modellfrei ist. Die rechnerische Differenz zwischen den beiden Verfahren ist allerdings geringer als die “philosophische”, und dementsprechend wird die Hauptkomponentenanalyse häufig (auch z. B. in SPSS und in der bekannten Einführung von Bortz 1999) als Spezialfall der Faktorenanalyse eingeordnet. Denn matrixalgebraisch gesehen besteht der einzige Unterschied darin, welche Werte in der Hauptdiagonale der Korrelationsmatrix stehen, d. h. wie die Korrelation einer Fundeinheit mit sich selbst behandelt wird. In der Haupt komponentenanalyse ist dies der errechnete Korrelationskoeffizient 1, während die minimum residual analysis (in der Sprache der deutschen Version von SPSS die Option “ungewichtete kleinste Quadrate”) sie gleich 0 setzt bzw. ignoriert (andere faktorenanalytische Verfahren verwenden wiederum andere, zwischen 0 und 1 liegende Werte.) Je größer die Korrelationsmatrix wird, desto geringer ist aber der Anteil der Hauptdiagonale an jeder Zeile/Spalte, so daß beide Methoden praktisch gleiche Ergebnisse liefern. 11 Im Fall von nicht-metrischen Daten – etwa den Ergebnissen einer multiple-choice-Befragung – wird außerdem in der cultural consensus analysis ein correction for guessing genanntes Verfahren angewendet (Romney u. a. 1986, 319-20). Dies macht jedoch nur dann Sinn, wenn guessing vorliegen kann, die Daten also aus den Antworten bestehen, die eine Reihe von Versuchspersonen auf bestimmte Fragen gegeben haben. Außerdem gehört zur cultural consensus analysis auch noch die Ermittlung der

49

Stamm, Volk, Ethnizität und Christoph KulturBrumann in der gegenwärtigen Ethnologie

ponenten-/Faktorenanalyse ist die Konsensusanalyse sowohl in ihrer ursprünglichen Form als auch in der hier präsentierten Modifizierung ein Fall von sogenannter Q-Analyse, bei dem die Korrelationsmatrix der Gegenstände (der Fundeinheiten) und nicht wie bei der R-Analyse die der Variablen (der Verzierungsmotive) zugrundegelegt wird (Bortz 1999, 544-5) - letztere ist eigentlich das in den Sozialwissenschaften wesentlich häufigere Verfahren. Die Q-Analyse bietet in dieser Art von Anwendung aber den großen Vorteil, daß der erste Faktor/die erste Komponente - im Gegensatz zur R-Analyseeine natürliche Interpretation hat, eben als die Grunddimension der Übereinstimmung/Unterschiedlichkeit zwischen allen verglichenen Größen (die das Resultat sozialer Vermittlung, also kulturell sein kann). Hingegen ist in der R-Analyse besonders dann, wenn Variablen inhaltlich sehr auseinanderstreben oder sogar gegenteilige Bedeutungen haben, ein gemeinsamer Faktor bzw. eine gemeinsame Komponente, auf der alle Variablen positiv laden, oft nicht sinnvoll zu interpretieren und erfordert eine Rotationstransformation, für die es kein anerkannt bestes Verfahren gibt (Goddard/Kirby 1976, 22; Kline 1994, 39, 174). Bei der rechnerischen Durchführung ist darauf zu achten, daß das, was üblicherweise als Vergleichsgegenstand ist (eine Person oder eine Fundeinheit), als Variable behandelt wird. Benutzt man dazu SPSS oder ein anderes Statistikprogramm, müssen also die Gegenstände wie in Tabelle 1 die Spalten bilden und die Variablen die Reihen. Wählt man in den gängigen Programmen die Option Faktorenanalyse bzw. Hauptkomponentenanalyse, so errechnen diese selbständig die Korrelationsmatrix und

ziehen aus dieser dann Faktoren bzw. Komponenten, ohne daß die Korrelationsmatrix automatisch angezeigt wird12. Ob es sich bei dem hier vorgestellten Verfahren um eine Konsensusanalyse handelt oder nicht, mag man diskutieren - selbst eigentlich im Glauben, den Boden dieser Methode nicht verlassen zu haben, wurde ich anläßlich eines Tagungsvortrags von einigen ihrer Vertreter auf die Unterschiede hingewiesen (Hauptkomponentenanalyse statt Faktorenanalyse, keine ‘correction for guessing’, keine Ermittlung der ‘kulturell richtigen’ Werte mittels Bayes’schem Wahrscheinlichkeitstheorems; siehe Anm. 10 und 11). Zudem müssen Übereinstimmungen im Verhalten oder in den Artefakten - im Gegensatz etwa zu Übereinstimmungen in den Antworten auf Wissensfragen - auch nicht unbedingt auf soziale Vermittlung zurückgehen; sie können ja z. B. auch durch die Rahmenbedingungen erzwungen sein oder auf genetisch begründeten Universalien beruhen. Diese Einwände haben allerdings andere nicht daran gehindert, ihre ähnlich wie meine durchgeführten Analysen als cultural consensus analysis zu bezeichnen (z. B. Dressler et al. 1997), und auch das von Ethnologen viel genutzte Computerprogramm ANTHROPAC (Borgatti 1992a) bietet für die Konsensusanalyse intervallund metrisch skalierte Daten als Optionen an. Ein anderer Name wie ‘Übereinstimmungsanalyse’ bzw. agreement analysis für das hier präsentierte Verfahren mag gleichwohl angezeigt sein. Dieses bleibt jedoch der Konsensusanalyse genügend ähnlich, um ihre theoretischen und inhaltlichen Annahmen bezüglich der Bedeutung und der re-

“kulturell richtigen” Antworten (der sogenannte answer key), die mithilfe eines Bayes'schen Wahrscheinlichkeitstheorems auf der Grundlage der Antworten erfolgt, die mit den als ‘kultureller Kompetenz’ interpretierten Ladungen der Versuchspersonen auf dem ersten Faktor gewichtet werden (ibid.: 321). Fundeinheiten können allerdings nicht raten, so daß dieses Verfahren selbst im Fall einer binären Kodierung unangemessen erscheint. Für intervall- und metrische skalierte Variablen ist ohnehin keine ‘correction for guessing’ und keine Ermittlung der ‘kulturell richtigen’Antwort per Bayes'schem Wahrscheinlichkeitstheorem entwickelt worden. 12 Für SPSS (Version 10.0) ist das Vorgehen wie folgt: Bringe die Tabelle in die korrekte Form – die Vergleichsgegenstände in die Spalten und die Merkmale in die Zeilen (so daß SPSS die Vergleichsgegenstände als Variablen behandelt). Fülle alle Felder, also schreibe (am einfachsten mit ‘Transformieren’ und ‘Umkodieren’) Nullen in die Felder, die in Tabelle 1 der Übersichtlichkeit halber leer gelassen wurden. Wähle unter ‘Analysieren’ die Option ‘Dimensionsreduktion’ und dort die Option ‘Faktorenanalyse’. Wähle in der sich öffnenden Dialogbox die zu analysierenden Variablen aus. Wähle in der Dialogbox ‘Extraktion’ un-ter ‘Methoden’ ‘Hauptkomponenten’ (bzw. ‘kleinste ungewichtete Quadrate’, wenn eine minimum residual analysis durchgeführt werden soll), unter ‘Analysieren’ ‘Korrelationsmatrix’ und unter ‘Anzeigen’ sowohl ‘Nicht rotierte Faktorlösung’ als auch ‘Screeplot’. Belasse die anderen Einstellungen so, wie sie sind (also ‘1’ unter ‘Extrahieren’ ‘Eigenwerte größer als:’ und ‘25’ unter ‘Maximalzahl der Iterationen für Konvergenz:’) oder setze sie gegebenenfalls herauf. Wähle in der Dialogbox ‘Werte’ die Option ‘Als Variablen speichern’ und lasse dann in der ursprünglichen Dialogbox mit ‘Okay’ die Berechnung durchführen. In der Ausgabe erscheinen die Rubriken ‘Kommunalitäten’ (für die Komponentenlösung mit allen Komponenten größer dem voreingestellten Eigenwert, d. h. normalerweise 1 – sollten nicht alle diese Komponenten interpretierbar sein, kann man die Analyse mit einem höheren Mindest-Eigenwert oder einer vorgegebenen Anzahl von Komponenten wiederholen), ‘Erklärte Gesamtvarianz’ (mit den Eigenwerten der Komponenten), ‘Screeplot’ und ‘Komponentenmatrix’ (mit den Komponentenladungen). Die Komponentenwerte erscheinen nicht in der Ausgabe, sondern werden im Datenblatt als Variablen mit einem mit ‘fac’ beginnenden Namen an die Ausgangstabelle angehängt.

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lativen Stärke der Faktoren-/Hauptkomponenten und der Ladungen der Vergleichsobjekte auf diesen zu übernehmen. Auch gibt es die Möglichkeit, sich an einer großen Zahl von Anwendungsfällen zu orientieren (siehe Romney 1999, 114, und die kommentierte Bibliographie auf Romneys Internet-Homepage unter: www.socsci.uci.edu/mbs/personnel/romney/akr-con. html). Daß eine solche Einbettung existiert und daß sich die ‘Übereinstimmungsanalyse’ wirklich zentral auf das bezieht, was eigentlich mit dem Vorhandensein einer ‘Kultur’ gemeint ist - nämlich eine besondere (sozial vermittelte) Form der Übereinstimmung zwischen Vergleichsobjekten (Menschen, Artefakten, Fundeinheiten o. ä.) bezüglich ihrer Merkmale -, sehe ich für den in der Beispielanalyse verfolgten Zweck der Ermittlung von Kulturen als Vorteil gegenüber der Korrespondenzanalyse. Denn die letztere beschränkt sich nicht auf die Vergleichsobjekte, sondern analysiert die Stellung der Vergleichsobjekte bzw. der Variablen im Kontext aller Vergleichsobjekte und aller Variablen zugleich. Daher bin ich unsicher, ob man wie Baumeister und van Willigen die per Korrespondenzanalyse ermittelten Positionen der Fundeinheiten auf den ersten beiden Hauptachsen (1997, 83, 85) zur Einteilung der Kulturen benutzen sollte. Fairerweise sollte betont werden, daß es den Autoren nicht nur darum, sondern auch um die chronologische Ordnung geht. Doch versäumen sie es zusätzlich, die Trägheiten der ersten beiden Hauptachsen (d. h. die Eigenwerte der ersten beiden Hauptkomponenten) anzugeben. Der Verdacht, daß die beiden Hauptachsen nur einen kleinen Teil der gesamten Trägheit (d. h. der gesamten Varianz) einfangen und damit für weiterreichende Schlußfolgerungen wenig geeignet sind, kann so nicht ausgeräumt werden. Inhaltlich gesehen ist zu guter Letzt anzumerken, daß eine Analyse nur der keramischen Verzierungsmotive und ein Ermitteln von “Kulturen” bloß aus diesen heraus dem oben vertretenen Postulat des Holismus nicht entspricht. Gibt es weitere Daten zu den Fundeinheiten - wie etwa das Vorkommen anderer Artefakte -, sollten diese einbezogen werden. Jedoch lassen sich die gleichen Postulate der internen Einheitlichkeit und der externen Unterschiedlichkeit natürlich auch für einen ‘Stil’ o. ä. erheben und sich dann das geschilderte Verfahren auch zu dessen Ermittlung anwenden.

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Consumption and ethnicity in the interpretation of cultural form

Consumption and ethnicity in the interpretation of cultural form Michael Rowlands, University College London

22). If the wars of the 19th and 20th centuries had primarily been “wars of peoples” conducted by citizen armies, then future wars will be between those identifying themselves as belonging to and justifying the existence of different civilisations.

Introduction It would appear that in 1989 the world suddenly became more ethnic. Writing about that moment the influential US Senator and former Harvard professor Daniel Patrick Moynihan remarked that:

Conflicts over belonging and identification are on the rise globally at present as are statements that the differences between civilisations are not only real but basic (Huntington 1993, 25). Such differences are deemed to be “centuries old” that will not soon disappear. The optimism of modernisation that a global culture of liberal democracy would accompany the triumph of capitalism is now denied by some of the most conservative of political writers. The reason for this is that ethnicity as a term can be used both as a way of describing events and as a means of explaining them. It becomes a matter of self evident truth that primordial sentiments should justifiably evoke profound hatreds. Ethnicity becomes almost substitutable for a determinist view of culture. People who in practice have lived together, shared the same language, intermarried for generations become victims of some basic cultural violence that can no longer be repressed. There exists a deep-rooted conception of history and culture in Europe that has justified this way of thinking through assuming the existence of an idea of culture whose history unfolds as a coherent linear story. This 19th century paradigm of continuity was consistent with the foundation of nation-states where a value was attributed to the past consistent with the role it played in justifying particular sociopolitical identities. It should therefore not be surprising that much the same ideals are now a widespread feature of modernising processes elsewhere in the global periphery.

“It seemed to me that the world was entering a period of ethnic conflict, following the relative stability of the cold war. This could be explained. As large formal structures broke up, and ideology lost its hold, people would revert to more primal identities”.

At the beginning of the 1990's Moynihan's pessimism was not widely shared. His view that the role of American global policing in the future would be directed to contain violent low intensity conflicts ran against the tide of post cold war optimism summed up by George Bush when he declared the dawn of a new World Order. By the mid 90's Moynihan's views, after the violence of ‘ethnic cleansing’ in Bosnia and Central Africa, became more widely shared. Moreover the idea that ethnic violence had primordial origins made a strong reappearance. In the BBC television series The Century of Warfare, ‘African tribalism’ was blamed for causing a bloody civil war in Liberia in 1989 and for the ethnic cleansing in Rwanda in 1994. In 1993, former Secretary of State in the Bush administration, Warren Christopher described the collapse of communist rule in Yugoslavia as the catalyst which released pent up ancient rivalries and by allowing a Balkan mentality a free rein:

“The death of president Tito raised the lid on the cauldron of ancient hatreds. This is the land where at least three religions and half a dozen ethnic groups have vied across the centuries. It was the birthplace of World War. It has long been a cradle of European conflict and it remains so today.” (quoted in Turton 1997, 89).

Prominent academics also got in on the act. An influential paper by Samuel P. Huntington (Director of the Institute of Strategic Studies at Harvard) was published in the State department journal Foreign Affairs (it is distributed to every American embassy and consul) in which he described the future of world politics as “conflicts between nations and groups of different civilisations” (Huntington 1993,

Archaeology and ethnicity As one of the academic disciplines that offered the best insights into ethnicity and “other cultures” in the past, archaeologists have found themselves caught off-guard by these events. They are genuinely shocked by events such as the destruction of 54

Michael Rowlands Consumption and ethnicity in the interpretation of cultural form

the mosque at Ayodha or of cultural property in Bosnia. Even worse the apparent complicity of colleagues in some of these events who subsequently refuse to condemn such destruction has been more than perplexing but evoked memories of nazi atrocities when archaeology was used to justify Aryan myths of racial superiority. It would appear even more important than ever that archaeologists should have a sophisticated and well worked out answer, both theoretically and pragmatic, to such assaults on the right to possess a culture and identity.

ve to race. Urban sociologists (particularly the Park school in Chicago) would talk about culture and ethnicity as interchangeable or have debates as to whether culture was different from ethnicity since whilst people were socialised into culture as children and such nurturing could not be so easily changed, it was quite obvious that people could adopt new ethnic identities as a matter of personal self-interest. Edmund Leach's famous anthropological monograph, Political Systems of Highland Burma (1970) and Barth's influential Ethnic Groups and Boundaries (1969) can be seen as antiprimordial in sentiment, justifying the argument for fluid and malleable identities among both non-western others as well as the archaeological past.

But actually archaeologists have tended to emphasise social processes in their exploration of identity and belonging and have not investigated deeply held cultural or psychological motivations to support the values of particular group identities. They also rarely support the idea that ethnicities are discrete cultural unities which may be inescapably destructive towards outsiders. Instead they emphasise that ethnic boundaries are of recent derivation, often have political and economic interests to defend and protect interests that are best defended and advanced if the differences are seen as primordial/ deeply embedded in remote origins and times. But archaeologists now claim that bounded cultural entities have rarely exited in the past and some claim the very idea of ethnicity itself may well be a modernist fiction; a product of colonialism or postcolonial identities and rarely, in most cases, of more than a hundred years old (cf. Jones 1996 for survey). In other words just as the western world rediscovers the emotional appeal that attends ethnic identities, archaeologists have given up studying the reality of such claims in the past. Perhaps this allows an ethical policy of not allowing archaeological evidence to be used to define exclusive identities but it doesn't tackle the essential question that contemporary groups do have past identities and archaeology is one of the major sources of evidence to evaluate the claims to lands and other resources made in their names.

If citation indices mean anything, Barth's Ethnic groups and Boundaries is the most frequently cited work on ethnicity in the last ten years with over 350 articles or books making reference to it as a key text. His argument that ethnic groups and cultural units are not the same thing and that the study of ethnicity should focus primarily on the way in which ethnic boundaries are constructed and maintained has been of considerable influence in archaeology. The problem with Barth's relationalist/ instrumentalist definition of ethnicity as boundary maintenance was that it did not explain how and why people embed such identities (class, age, gender dont often have quite the same violent tendencies) with fear and violent behaviour. As Shore (1995) has said:

“While anthropologists often agree on how social boundaries are articulated and maintained, explaining how they are generated is usually far more problematic.”

It might be thought that archaeologists should have an answer to his problem. But the reasons for the abandonment of the archaeological culture representing a people or an ethnic group were different from the anthropological/sociological need to distinguish ethnicity from race or culture. The ethnoarchaeological work by Hodder, for example, on the Baringo (explicitly uses Frederick Barth on boundary maintenance to demonstrate that interaction between shared cultures may be prior to and more basic than ethnic boundaries which need not therefore correspond with cultural similarities and differences. In this particular case, this was due to the fact that ethnic/tribal divisions in East Africa were mostly colonial inventions and there was no reason to suppose they would correspond with more long term cultural and linguistic continuities.

If ethnicity is a recent phenomenon, it has served principally to define others as inferior. The English first used the term ethnic in the 14t century to describe heathen populations (ethnos and ethnikos) of inferior status. The association of ethnicity with inferiority still continues for example in the USA where until the 1940's Jews, Italians, Irish and others of ethnic descent remained inferior to those of ‘English descent’ (i.e it is never the dominant group that has an “ethnic identity”). The term ethnicity grew in popularity in the 50's as an alternati55

Consumption and ethnicity Michael in the Rowlands interpretation of cultural form

The colonial invention of tribes in Africa was of course only a projection of the ideals of cleansed and purified nation states in Europe. Archaeology and associated museum disciplines had become a significant technology for the achievement of modernist and nationalist ideals of purified spatial identities. National order was a matter of mapping boundaries and the discussion of organic cultures as ‘living beings’ that achieved a certain continuity through time by evoking a collective memory and a sense of common past. More recently an earlier stress on cultural continuity of bounded units has been challenged by simply stressing that nationalism had imposed a new structure on older and more enduring aspects of cultural identity. Ernest Gellner captured this sense of the difference of modern to past identities by comparing modern and pre-modern to two ethnographic maps - one before the age of nationalism and the other of the modern era where state and culture have been made to coincide (Gellner 1983).

identities in cleanse and purified spaces. On the other hand, particularly in the old peripheries, we see the rise of religious fundamentalism, neo-nationalism, ethnic movements and tribalisation on a scale that threatens a new ‘world disorder’. The promotion of nostalgic identities in the past and a desire for traditional ‘roots’ in the face of global uncertainties and hybridities is the more worrying trend that justifies attacks on immigrants and recalls ancient humiliations to be revenged in the present. The relationship between ethnic boundaries being cross-cut by long standing beliefs and practices that people had practised in a more enduring sense of belonging has been raised poignantly by the conflicts in Yugoslavia:

“Ethnic boundaries, dormant for decades, were activated: presumed cultural differences which had been irrelevant for two generations were suddenly remembered and invoked as proof that it was impossible for the two groups to live side by side. It is only when they make a difference in interaction that cultural differences are important in the creation of ethnic boundaries” (Eriksen 1993, 39).

He described the premodern map of identity as like a painting by Kokoschka:

“The riot of diverse points of colour is such that no clear pattern can be discerned in any detail, although the picture as a whole does have one. A great diversity, and plurality and complexity characterises all distinct parts of the whole.”

Recent migrations into Europe have tested the 19th century paradigm that cultures are pure and identities fixed and unchanging. Processes of globalisation now make it impossible to believe that cultures exist as separate and only ‘in contact’ with each other. Instead it has become normative to claim that identities are changing and overlapping, fluid and dynamic. The same person may have alternative identities dependent on context; or over-lapping identities with certain interests in mind; belonging is about how identification (as a process) to others relates to self identification and dialogue. Hybrid identities are as likely to pull in different directions and provide multiple cultural spaces in which to create partial identities depending upon interests. If such statements appear post-modern in their concern with movement, diasporic spaces and fluid identities, then some recent archaeological research suggests that similar complexities existed in the remote past in Europe. Up until recently archaeology was concerned with recognising discrete cu1tural identities through quantitative expressions of difference. This was a mistake. Identities are codes usually in part visual - that convey perceived or experienced perceptions of similarity or difference from others. These express both identities between social groups and identities with them eg. age, gender, status etc. Wels-Weyrauch, for example, in her study of Middle Bronze Age female costumes in Southern Germany showed that visual codes are

Gellner’s other map - modernist and nationalist ressembles a painting by Modigliani - very little shading, neat flat surfaces clearly separate from one another with little ambiguity or overlap. But it is not so clear that Gellner's precapitalist melange is all that different from postmodernist hybridity. Rushdie, defending his writing in the Satanic Verses, claims: “it celebrates hybridity, impurity, intermingling, the transformation that comes of new and unexpected combinations of human beings, cultures, ideas, politics, movies, songs. It rejoices in mongrelisation and fears the absolutism of the pure. Melange, hotchpotch, a bit of this and a bit of that is how newness enters the world.”

So what are the responses to this new uncertainty brought about by globalisation and postmodernity? As might be expected the outcome appears to be quite diverse and contradictory. On the one hand, there is considerable discussion of cultural hybridity and cosmopolitanism as identity. Diversity is celebrated as both a means of access to world music, art and literature as well as a celebratory political agenda that dissolves boundaries and a politics of exclusion that depends on the assertion of fixed 56

Consumption and ethnicity Michael in the Rowlands interpretation of cultural form

present in rule bound combinations of ornaments and dress fittings in all five regional groupings of metalwork, despite local differences in the style of objects used in each category. Thus the articulation of ornaments to parts of the body, by drawing attention to either the chest or the waist, created a visual gendered separation of women that cross cut the five regional groupings distinguished otherwise typologically. The idea that all five groups share certain common codes of gender, age and status al-though expressed differently by each groups would also account for a certain shared dialogue and re-pertoire of expectations no matter the apparent hostility expressed as ethnic divergence (WelsWeyrauch 1991). If ethnic boundaries are never absolute but are relative to shared codes then situations may develop where codes are ruptured and more absolute differences appear to underlie regional groupings of discrete artefact clusters. For example in the EBAMBA sequence in the Northern German plain there are great similarities in regional traditions, dress and appearance in the EBA and clearer distinctions and local divergences in the MBA. The latter is accompanied by extensive contacts and influences between groups and increased evidence of trade and movement. This suggests that it is shrinkage of socio-economic space that brings groups in to competition with each other. If the argument is correct that ethnic identities are always a product of contact rather than isolation. Ethnic conflict and separatist movements are symptoms of “shrinkage of space”. In the case of the Middle Bronze Age, according to Sørensen (1997), this shrinkage of space goes with an explosion of ornamentation in order to accentuate the permanent identification of female bodies and their movement. The movement of persons and goods across these boundaries now obeys a different code of a more absolutist kind. Moreover womens bodies become prestige goods signifying the status of the groups from which they derive an that of the group into which they marry.

through ethnographic fieldwork. A similar focus in archaeology on ‘cultures’ was biased towards cultural uniqueness over time. A refocus on identification as social process need not lead to a contrast between the possession of either fixed or fluid identities. There have been numerous recent studies that emphasise a relational view of ethnicity and have treated creolisation not as hybrid mixture but as the basis of new cultural syntheses. Earlier racist views that saw the dissolution of pure identity through contact and admixture as decidedly negative have been largely replaced by attempts to define ‘hybridity’ in more creative terms as the blending of different cultural traditions. Among the Punjabi community in Southall, West London Gillespie for example suggests that the consumption of even the most global products like Coca Cola or MacDonalds have highly localised meanings depending on how specific family contexts regulate access and the consumption of these products (Gillespie 1995). She suggests that terms like race and ethnicity in modern contexts are too homogenising and do not take account of the diversity of response in consumption strategies. The idea of a spectrum can be used with closed endogamous group at one end who remain “obstinately other” despite all attempts to integrate them into a wider multicultural society and at the other end groups of diverse origins who in a specific context like multicultural Britain will, identify with the notion being‘Black’ (Miller 1998, 162). A similar creative view of creolisation emerges from its original use to describe the origins of languages as always Creole with the implication that the paradigm can be usefully applied to past societies to replace 19th century obsessions with cultural unity and boundaries (Rowlands 1994). The idea of a spectrum allows for both these extremes and therefore a number of categories to exist between them as well as situations in which identity itself is a problematic notion either because it is not selfconsciously recocognised as such or because it is in a process of dissolution and change. This does have much greater flexibility for understanding a diversity of identities in past societies than previously allowed by the polarised extremes of cultural homogeneity and heterogeneity.

The attention paid in archaeology to flows of people, information, images and wealth across ethnic and or national boundaries (ie. implying that the pre-modern/modern distinction à la Gellner is not particularly useful) has undermined the use of simplistic models of cultural homogenisation in the study of past societies. In fact examples of ethnic cultural homogenisation are extremely unusual and instead more complex realities have been recognised of shared codes/flows and interactions. The essentialism of earlier Anthropological writings on ethnicity came from a focus on individual groups

Conclusion The general argument that emerges from this discussion is that identification is a process situated in particular social situations. The contrast between hybrid/Creole identifications against closed essentialist identities is not absolute but a contrast deri57

Michael Rowlands Consumption and ethnicity in the interpretation of cultural form

ved from differences in social position. If essentialist identities are on the rise in the cultural economies of the late 20th century, then it is because they form a response to the uncertainties and fears of dissolving boundaries and rhetoric about the end of the nation state which also accompanies globalization. Debates about multiculturalism, diasporas and immigration are unsettling to those brought up in the image of Europe as white and Christian. Archaeologists could contribute more to this need to rethink identities by stressing the contrasting nature of the past rather than implicitly supporting ideas of nostalgia, tradition and long term continuity in cultural narratives. Studying the past as “other” has a great deal of potential in demonstrating the diversity of identities that have coexisted in the past and will do so in the future.

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Gillespie 1995: M. Gillespie, Television, ethnicity and cultural change (London 1995).

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Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften Ulrike Sommer, University College London Dem Andenken an Günter Smolla

Einleitung

betreffende Klassifikationseinheit verstanden, der größte Teil der zeitgenössischen Lebenswelt wird bewußt ausgeklammert. Wie eine archäologische Kultur als imaginäre Einheit aussehen könnte, darüber werde ich gegen Ende des Artikels etwas spekulieren. Hier eine Darstellung der Entwicklung des archäologischen Kulturbegriffes zu geben wäre sowohl langwierig als auch potentiell langweilig. Außerdem scheint bei diesem Thema, wie J. Lüning schon 1972 bemerkte, das, was wir tun, und das, was wir sagen, was wir tun, ohnehin sehr stark auseinanderzufallen. Die theoretischen Äußerungen sind daher nie in Isolation von ihrer praktischen Anwendung zu beurteilen.

Benedict Andersons (1983) nun immerhin schon siebzehn Jahre alten Begriff der ”imagined communities” auf die Archäologie zu übertragen, ist vermutlich nicht besonders originell, auch wenn hier der in anderen Geistes- und Kulturwissenschaften zur Zeit sehr populäre Konstruktivismus noch nicht sehr weit verbreitet ist (aber vgl. Holtorf 1997; 1998). Liest man die Abhandlungen zum archäologischen Kulturbegriff, die insgesamt zahlreicher sind, als man vermuten würde, scheint es ohnehin, als sei alles wichtige mindestens einmal, meist aber bereits mehrfach gesagt worden (vgl. Wotzka 1993). Da es sich bei dem Kulturbegriff um einem der Kernbegriffe, wenn nicht gar das konstituierende Element der prähistorischen Ar-chäologie überhaupt handelt, kann er vermutlich gar nicht abschließend definiert werden, sondern muß immer wieder neu in den Kontext der aktuellen Diskussion eingeordnet werden.

Der Begriff Kultur Das Wort Kultur und sein semantisches Umfeld, vor allem die Begriffe Rasse, Volk, Ethnos, Stamm, Nation, Sprache und Abstammung werden nicht nur im wissenschaftlichen, sondern auch im alltäglichen und tagespolitischen Diskurs verwendet. Außerdem sind die Definitionen in den Nachbarwissenschaften (und in anderen Sprachen) naturgemäß nicht mit jener der Archäologie identisch. Alle Begriffsfelder des Umfelds haben ebenfalls ihre Geschichte, was u. U. dazu führen kann, daß ein antiker Begriff heute in der Wissenschaft bewußt in einem anderen Sinne verwendet wird als durch seine Schöpfer1.

Die essenzialistische Interpretation archäologischer Kulturen als Gemeinschaften, die Gleichsetzung von Kulturgruppen mit Völkern ist ein Konzept, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine fast hegemoniale Stellung erlangen konnte, aber bereits seit seiner Entstehung im Umfeld des modernen Nationalstaates für die Herausbildung einer wissenschaftlichen Alterthümerkunde von Bedeutung war. Dagegen beruht die Gleichsetzung eines bestimmten Keramik- oder Bronzetyps mit einer Kultur auf einem imaginären Kultur-Konzept: Kultur wird hier als bloß vorgestellte, von außen herangebrachte, partielle, weil nicht das gesamte materielle Inventar einer wie auch immer definierten Gruppe

Die meisten frühen Definitionen bringen die Begriffe Rasse-Stamm-Volk-Staat-Nation in eine hierarchische Abfolge, in der letztlich biologisch, also durch gemeinsame Abstammung definierte

1 Wenn z. B. H. Wolfram (1998, 609) gens als „polyethnische politische Einheit definiert, „entgegen der Etymologie wie der zeitgenössischen Wahrnehmung“. 2 Das ist sicher auch durch die Besonderheit der deutschen Entwicklung bedingt. Bei dem „Volk ohne Nation“ wurde aus eben dieser (behaupteten) kulturellen Einheit der Anspruch auf nationale Einheit abgeleitet (Böckenförde 1995, 137-139; Schulze 1995, 170-171). 59

Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften

Gruppen, die auch durch gleiche Sprache, Kultur und oft auch Religion gekennzeichnet sind, zunehmend politisches Bewußtsein erlangen2. Das Wort ‘Kultur’ weist vielfältige Bedeutungsebenen auf. Abgeleitet von dem lateinischen Verb colere (einen Acker) bebauen, hat es im Alltag den Beiklang ‘Hochkultur’, ‘Dichter und Denker’ etc., während im politischen Bereich lange die Abgrenzung der deutschen ‘Kultur-Nation’ gegenüber der oberflächlichen französischen ‘civilisation’ mitschwang (vgl. Kallscheuer/Leggewie 1996; Giese/ Junge 1996; Yengoyan 1997; Bollenbeck 1999). Spätestens mit dem verschärften Nationalchauvinismus der Jahrhundertwende erhielt es auch essenzialistische Züge, was bereits bei J.-G. Herder (1995 [1784-1791]), wenn hier auch noch unter allgemein humanistischen Vorzeichen, angelegt war, wenn dieser den Einfluß der natürlichen Umwelt auf den Volkscharakter betonte, der zu einer, wenn auch langsamen Veränderung körperlicher Merkmale führte. Diese Entwicklung gipfelte im nationalsozialistischen Konzept einer ”arteigenen Kultur”, die, im Gegensatz zur Zivilisation, von ”Artfremden” nicht erworben werden könne.

Wissenschaft von einzelnen Kulturen als von Kultur zu werden”, ein Trend, der sich heute eher noch verstärkt hat. Ma-terielle Kultur wird oft einfach mit Kultur gleichgesetzt, weil der “Rest” für den Archäologen ohnehin nicht sichtbar sei. In der Ethnologie wird zwischen einer Kulturdefinition von außen (etischer oder objektiver Kulturbegriff) und der Selbstdefinition einer Gruppe (Wir-Gruppe, emischer oder subjektiver Kulturbegriff) unterschieden; F. Vivelo (1978) benutzt dafür die Begriffe Kategorien und Gruppen. Das ließe sich auf die Archäologie übertragen als eine Trennung zwischen einem essenzialistischen Kulturbegriff, mit dem der Wissenschaftler glaubt, eine wie auch immer geartete Wir-Gruppe zu beschreiben, und einem taxonomischen Kulturbegriff, der von einer Selbstdefinition unabhängig ist. Im Unterschied zu der Ethnographie ist hier jedoch noch ein zusätzlicher Interpretationsschritt zwischengeschaltet, da wir nicht per se wissen, was Ähnlichkeiten der materiellen Kultur - oder vielmehr der Teile der materiellen Kultur, die archäologisch überliefert wurden, über die Beziehungen zwischen ihren Herstellern oder Benutzern aussagen.

„Kultur kann nicht anerzogen werden, Kultur muß im Blute liegen. Das sehen wir heute am besten an den Juden, die höchstens unsere Zivilisation, nie aber unsere Kultur sich aneignen können.“ (H. Hanak, Kreisleiter von Innsbruck, Zitat nach Hobsbawm 1991, 78).

Klassifikationssysteme Jede Definition archäologischer Kulturen ist von dem verwendeten Klassifikationsschema abhängig, das von den geistigen Tendenzen der Zeit nicht zu trennen ist. Michel Foucault (1974) unterscheidet in der Ordnung der Dinge drei große Wissenschaftstraditionen, die auf unterschiedlichen Klassifikationssystemen beruhen: 1. Die Ordnung nach Ähnlichkeit (1974, 46)3, in der die Dinge nach ihrer Bedeutung und den so zwi-schen ihnen existierenden inneren Beziehungen geordnet werden. Zum Beispiel wird so ein Pantherfell einem Narwalzahn zugeordnet, weil sowohl das Pardeltier als auch das Einhorn Emblemata der Keuschheit sind. Dieses Klassifikationsschema verwenden etwa die Kuriositäten- und Naturalienkabinetten der Aufklärung und des Barock. Hier begann auch die erste Beschäftigung mit der Vorgeschichte, sie wurde aber noch nicht von der Natur- oder der Heilsgeschichte getrennt. Artefakte konnten, genau wie die Petrefakten, als (mißlungene) Produkte der Spontanzeugung gedeutet werden (Haeckel 1868).

In der Archäologie wird der Begriff Kultur sowohl für prähistorische Gruppen im Sinne funktionierender („lebender“) Einheiten, als auch zur Bezeichnung bestimmter auf Grund von Artefakt- und Be-fundmerkmalen definierter Gruppen benutzt, bei denen es sich eigentlich nur um Materialgruppen handelt. Wenn Kultur als ”man’s extrasomatic means of adaptation” (Binford 1989), „a system of learned information and the rules for processing and transforming that information into action or behaviour“ (Schiffer/Reid 1973, zitiert nach Binford 1981, 202) oder „a homeostatic device, a conservative in-fluence ensuring that change in the system will be minimised ... despite fluctuations in the natural en-vironment“ (Renfrew 1972, 486) beschrieben wird, sagt dies noch nichts über Methode und Art der Abtrennung einzelner Kulturen aus. Wie G. Childe (1952) in seinen Stufen der Kultur bemerkte, neigt die Archäologie dazu, eher eine

3 Conventia, also räumliche Nähe, die einen gegenseitigen Einfluß bedingt, Aemulatio, die Reflexion eines Dinges in einem anderen, Analogie, die Ähnlichkeit in den Verhältnissen, und die Symphatie, die eine Angleichung verschiedener Dinge bewirkt (Foucault 1974, 46-56). 60

Ulrike Sommer

Erwählten bedrohen, zu deuten ist6, sei hier dahingestellt. 5. In einer Weiterführung des Foucault’schen Schemas können die auf einer mechanisierten (Kombinationsstatistiken), später teilweise quantifizierten Typologie (Seriation) beruhenden Ordnungssysteme, die in den Vereinigten Staaten seit Vierzigern, in Deutschland und Mitteleuropa seit dem Beginn der fünfziger Jahre (Eggert 2001, 201221) vorherrschen, als starre Schubladensysteme beschrieben werden, in dem wiederum nach Ähnlichkeiten geordnet wird, diesmal allerdings in zwei oder mehr Dimensionen, und bei denen nicht nur die Anordnung, sondern auch der Abstand zwischen den Fächern Bedeutung hat. Die Beziehungen zwischen den Ebenen sind (zunächst) nicht genetischer, sondern stochastischer Art. 6. Das Materiallager der Postmoderne oder der postprozessualen Archäologie schließlich kann als das von M. Shanks (1992, 35-36) in Anlehnung an G. Deleuze (2000) beschriebene rhizomatische System unregelmäßig und unhierarchisch miteinander verbundener Stränge und Wurzelknollen imaginiert werden (vgl. Holtorf 1998). Das (alleinige) Ordnungsprinzip heißt hier freie Assoziation (Abb 1). Jedes dieser Systeme macht Vorgaben darüber, wie die Einzelelemente in Verbindung gesetzt werden und gesetzt werden können.

2. In der Ordnung nach Differenzen (Foucault 1974, 87), dem Tableau-System, wurde versucht, die Dinge durch systematischen formalen Vergleich in ein hierarchisches System einzugliedern, wobei die Kriterien zur Feststellung dieser Ähn-lichkeit frei definierbar und mechanisch, dem Gegenstand weitgehend äußerlich waren4. Beispiele dafür sind etwa die sich nun durchsetzende Ordnung von Büchern und lexikalischen Einträgen nach dem Alphabet, oder auch das Linné’sche System (lange vor Darwin entwickelt und nicht alsAbstammungssystem verstanden). Aus dem Gebiet der Archäologie kann man hier die Klassifikation von Johann Gustav Gottlieb Büsching (1824) anführen (Sommer/ Struwe 2006), aber auch das Dreiperiodensystem, das nach archäologischer Fama (Bibby 1972, 24) ohne die Absicht einer zeitlichen Gliederung zuerst allein zum Ordnen des Magazins entwickelt wurde. Ob diese Ordnung tatsächlich so gänzlich vorgabenlos war, kann bezweifelt werden, war eine Abfolge von Materialien (und eine damit verbundene kulturelle Wertung) doch u. a. schon bei Hesiod und Lukrez mit dem goldenen, silbernen und ehernen Zeitalter vorgegeben5. 3. Das Tableau-System wird abgelöst durch Ordnungssysteme nach struktureller Ähnlichkeit, also nach Verwandtschaften: Stammbäume. Es kann mit der Darwinschen Evolutionstheorie verbunden werden, zeigt sich jedoch auch in anderen ‘Entwicklungsgeschichten’, von Hegel bis zu Marx und Morgan, um hier nur Beispiele aus den Geschichtsund Gesellschaftswissenschaften zu nennen. Oskar Montelius’ typologische Methode (1903) mit ihrer, der biologischen Evolution analogen “Entwicklung” von Artefakten (vgl. Åberg 1928) entspricht diesem Stadium. 4. Ob die seit der Jahrhundertwende verstärkt aufkommenden rassistischen “Wissenschaften” als eine Extremform solchen Stammbaumdenkens, oder, in Anbetracht der teilweise polygenetischen Vorstellungen (s. z. B. Daim 1994) als einfache duale Aufteilung zwischen Herrenmenschen und Untermenschen mit einer breiten grauen Zwischenzone von Mischlingen, welche die Reinheit der

Im Gegensatz zu einer Naturwissenschaft können in der Archäologie, wie auch in vielen Geisteswissenschaften, grundlegende Kategorien und Prinzipien nur aus ihrer Anwendung erschlossen werden (vgl. Mante 2000). Im folgenden sollen einige Aspekte der Beziehung zwischen archäologischer Kultur und ihren ‘Trägern’ kurz beleuchtet werden. Die Gleichsetzung von Kultur und Volk Ethnische Deutung und die Rückprojektion historisch überlieferter Völker in die ‘ferne’Vergangenheit (was immer das im jeweiligen zeitgenössischen

4 „Das Ähnliche wird, nachdem es gemäß der Einheit und gemäß den Beziehungen von Gleichheit oder Ungleichheit analysiert wurde, gemäß der evidenten Identität und den Differenzen analysiert: Differenzen, die in der Ordnung der Vernunftschlüsse gedacht werden können. Diese Ordnung oder dieser verallgemeinerte Vergleich wird jedoch nur nach der Verkettung in der Erkenntnis errichtet.“ (Foucault 1974, 87). 5 Im Buch Daniel (2, 39-44) sind die fünf Reiche der Vision Nebukadnezars mit Gold, Silber, Erz, Eisen und Ton gekennzeichnet, darauf baut eine christliche Tradition auf (Augustinus). Zu Vorläufern im 18. und 19. Jahrhundert, die sich vermutlich auf die antike Tradition stützen s. Gräslund 1987, 17-18; Kristiansen/Schnapp 1999, 24-25). 6 vgl. M. Douglas (1966) zur Bedrohung, die das Überschreiten von Kategorien darstellt. 61

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Abb. 1. Bambus-Rhizom, Ausschnitt (Kochhar 2006).

Kontext bedeutet) gilt in der heutigen Archäologie als wissenschaftlicher Sündenfall, auch wenn es für den 'populären Bereich', beginnend mit dem hallstattzeitlichen „Keltenfürsten“ von Hochdorf (Biel 1985) wieder zunehmend praktiziert wird.

der Diskussion aus dem Weg zu gehen, einen eben nur scheinbar neutralen wissenschaftlichen Euphemismus zu verwenden, den man bedenkenloser gebraucht als das Wort ‘Volk’, dessen Geschichte immer mitgedacht werden muß? Oder sollte die Verwendung des Begriffes ‘Volk’ bewußt eingeschränkt werden, um nicht genau dieses Bewußtsein seiner Geschichte abzustumpfen? Mit einfacher ‘Sprachhygiene’ und einer scheinbaren politischen Korrektheit, die Problemfälle meidet, statt sie offenzulegen, ist der wissenschaftlichen Diskussion jedenfalls nicht gedient. Zu beachten ist ferner, daß der Ausdruck ‘Ethnizität’ im englischen Sprachraum und teilweise auch in den Sozialwissenschaften in der Bedeutung ‘ethnische Minderheiten’ verwendet, was zu Mißverständnissen führen kann8.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich den Begriff der ‘ethnischen Deutung’, der hier und im Folgenden trotzdem durchgehend verwendet wird, problematisieren. Meines Wissens wurde er in der Archäologie zuerst von W. La Baume in einem Aufsatz von 1930 verwendet, bekannter wurde E. Wahles Abhandlung von 1941 Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen. Das Wort ‘ethnisch’, ‘Ethnos’ wird inzwischen, da der Ausdruck ‘Volk’ durch seine völkische Vergangenheit belastet ist und auch ‘Stamm’ wegen rassistischer und eurozentristisch/kolonialistischer Konnotationen nur mit schlechtem Gewissen verwendet wird, gerne als neutraler Ausdruck für eine prähistorische ‘Wir-Gruppe’ verwendet7. Bedeutet das aber nicht,

Daß der Begriff ‘Kultur’, im Gegensatz zu ‘Stamm’ und ‘Volk’ in der Nachkriegsarchäologie als neutral und für eine weitere wissenschaftliche Verwen-

7 Zu dem Begriff s. u.a. Leggewie 1999. 8 Auch S. Jones (1997) trennt in ihrem ansonsten sehr anregenden Buch The archaeology of ethnicity nicht sauber zwischen diesen beiden Bedeutungsebenen, was m.E. teilweise zu Mißinterpretationen führt. 62

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dung korrekt galt, mag daran liegen, daß er über Gordon Childe in die anglo-amerikanische Forschungstradition übergegangen war (Veit 1989) und von da quasi unbelastet zurückentlehnt werden konnte.

geschichte, den Faktor Raum zu ergänzen. Methodisch diente die siedlungsarchäologische (Kossinna 1920) oder völkergeschichtliche Methode, wie sie von M. Jahn (1952, 8) treffender genannt wurde, der räumlich möglichst scharfen Abtrennung von Gruppen maximaler zeitlicher Tiefe an Hand beliebiger Merkmale der materiellen Kultur11. Die Interpretation solcher Gruppen lautet dann Volk die ethnische Deutung. Diese ist methodisch aber nicht zwingend vorgegeben. Das typologische System läßt Unschärfe in nur einer Richtung zu, entweder in der Zeit oder im Raum. Die Alternative zu Kossinnas Methode wäre also eine Art Momentaufnahme einer (typologisch) maximal ausgedehnten Gruppe (wobei sich die Zeitstellung ohne unabhängige Kriterien nicht überprüfen läßt). Dabei würde vermutlich etwas in Art der Kulturkreise herauskommen.

Die Gleichsetzung der Hersteller oder Benutzer archäologischer Funde mit den Angehörigen historisch überlieferter Völker schien in der Frühphase der späteren Vor- und Frühgeschichte problemlos und offensichtlich. Durch die Kürze der biblischen Chronologie konnten die von den antiken Schriftstellern erwähnten Völker nicht allzu lange vor der Entstehung dieser Quellen vom Berg Ararat her in ihre jetzigen Siedlungsgebiete eingewandert sein. Der Vorgeschichte fehlte jede zeitliche Tiefe, Bodenfunde konnten so alle jeweils einem Volk, seien es nun Römer, Kelten, Germanen oder Slawen, zugeordnet werden. Die typologische Methode, die ununterbrochene Ketten von Funden braucht und mit ihrer auf die biologische Evolution gegründeten Methodik9 eine biologische Deutung auch der Ergebnisse nahelegt, führte dann fast zwangsläufig zu dem Kontinuitätsgedanken, einer ununterbrochenen Abstammungsreihe von Materialklassen, die um so länger wurde, wie nach dem Bruch mit dem biblischen Chronologiesystem die zeitliche Tiefe der prähistorischen Epoche wuchs10. Abrupte Brüche der typologischen Entwicklung mußten in diesem System das Ergebnis von Fremdeinwirkungen, Invasionen bzw. Migrationen sein. Die Idee der (Völker)-Wanderungen war sowohl durch die biblische Ge- schichte (Auszug aus Ägypten, Auszug Abrahams aus Chaldäa), die antike Tradition (z. B. Aeneis) als auch durch die ethnogonischen Erzählungen der Völkerwanderungszeit und des Mittelalters vorgegeben.

Wohin die Anwendung von Kossinas Siedlungsarchäologie führte, ist allgemein bekannt und muß hier nicht weiter ausgeführt werden12. Was aber folgt daraus für die archäologische Methodik? Ist es die Methode an sich, die methodisch falsch ist, und wenn ja, warum? Hat Kossinna die Methode “inkonsequent” oder “falsch” angewendet (Wahle 1941; Jahn 1952, 7; Narr 1984; Veit 1989, 340; Wendowski 1995, 33-36), oder war lediglich seine Interpretation zu einseitig, wie dies bei Eggers (1964, 58) anklingt: “Der ganze Streit um die ‘ethnische’ Deutung verliert aber seine Spitze und wird gegenstandslos, wenn man statt dessen von historischer Deutung von Kulturprovinzen redet und die ethnische Deutung nur als eine von vielen Möglichkeiten ansieht... wenn er [Kossinna] ... vorsichtig erwogen hätte, ob eine bestimmte Gruppe von Funden Niederschlag eines Staates, einer Religionsgemeinschaft, einer sozialen oder Berufsgruppe, des Handels, des Krieges, des Brauchtums usw. usw. sei - ja, wer würde gegen eine solche Erörterung wohl jemals etwas einzuwenden gehabt haben? Gegen einzelne Deutungsmöglichkeiten natürlich - aber nie gegen die historische Deutung als solche!”

Kossinnas „Methode“ Montelius’ Methode gliederte die Funde in der Zeit. G. Kossinna versuchte mit seiner Siedlungs-

9 “Immer ist aber der Mensch bei seinem Schaffen von neuen Formen genötigt, dem selben Gesetze der Entwicklung zu gehorchen, welches für die übrige Natur gilt.” (Montelius 1903, 20). Oder, wie es N. Åberg in seinem Artikel über die typologische Methode in Eberts Reallexikon (13, 1929, 508) ausdrückt : “Die Typologie ist die Anwendung des Darwinismus auf die Produkte der menschlichen Arbeit”. 10 So führte O. Montelius schon 1884 (1888) den Nachweis, daß “unsere germanischen Vorfahren“ bereits in der Steinzeit nach Schweden eingewandert seien. 11 Der freilich kaum über den immer wieder zitierten Satz, daß “scharf umgrenzte archäologische Kulturprovinzen ... sich zu allen Zeiten mit ganz bestimmten Völkern oder Völkerstämmen [decken]“ (Kossinna 1920, 3) hinausgeht, und sich höchstens noch mit dem aus der Polemik gegen Hoernes zu erschließenden Forderung der Definition von Kulturen durch die gesamte überlieferte materiellen Kultur und nicht durch Einzelmerkmale ergänzen läßt (Kossinna 1920, 11), der er aber in der Praxis selbst meist nicht folgte. 12 vgl. Leube/Mortensen (2000), Steuer (2001), Halle (2004). 63

Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften

Waren Kossinnas Kulturprovinzen lediglich zu ausgedehnt, wie K.-J. Narr (1985, 66) anzudeuten scheint, wenn er prähistorische Ethnien als ”überschaubare ... Einheiten, die charakterisiert sind durch zusammengehörige, aber funktional nicht unmittelbar voneinander abhängige Kulturelemente, zumal wenn eine solche Gruppierung in einem einigermaßen umreißbaren, in einem möglichst geschlossenen Siedlungsgebiet auftritt, dessen Begrenzungen jedoch nicht durch ökologischgeographische Faktoren allein schon hinreichend zu erklären sein darf” zu identifizieren sucht13? Oder wurden die Funde nur der falschen ethnischen Gruppe zugewiesen? Wie (zum Beispiel) K. Kostrzewski und K. Jażdżewski gezeigt haben, läßt sich „die Methode“ sehr gut gegen die Ansprüche ihres Erfinders wenden (Raczkowski 1996, 203-213), aus Proto-Germanen werden so im Falle der Przeworsk-Kultur dann eben Proto-Slawen, aus den Illyrern der Lausitzer Kultur Proto-Polen (z. B. Kostrzewski 1965). Auch heute reagiert man z. B. bei der Bezeichnung “germanisch” wesentlich empfindlicher als bei “keltisch” (vgl. Collis 1996, 176-177; Collis, dieser Band), und wenn eine Gruppe australischer Aborigines mit dem Argument ethnischer Kontinuität die Wiederbestattung paläolithischer Skelettfunde erreicht (Bowdler 1992), wird das von vielen Archäologen, gerade aus dem linken politischen Spektrum, sogar ausdrücklich begrüßt14. Oder liegt das Problem vielmehr in der Ideologie, die den verwendeten Ausdrücken (Stamm, Volk, Kultur) zu Grunde liegt?

ohne Nation’ wichtig. Auf ehemalige Größe konnte im Mittelalter, aber auch in einer verklärten germanischen Vorzeit zurückgegriffen werden (vgl. Schulze 1995, 181-186). In der Geschichtswissenschaft wurde eine Kontinuität deutschen Wesens und eines deutschen Ringens um den Nationalstaat von der Vorzeit bis in die Gegenwart, von Arminius über Karl den Großen, Luther und Friedrich den Großen konstruiert (vgl. Heckmann 1991, 64; Hoffmann 1991, Anm. 5). Zur Begründung dieser Kontinuität war der Beitrag der Archäologie sicher erwünscht, aber nicht unbedingt notwendig. Die Gleichsetzung von Kultur und Stil Nach 1945 wurde in Westdeutschland die ethnische Deutung archäologischer Kulturen aufgegeben, wobei eine inhaltliche und methodische Auseinandersetzung mit Kossinna und seiner Schule weitgehend ausblieb. Günter Smollas Kossinna-Syndrom (1980) gehört hier inzwischen zu den gerne zitierten Schlagworten (vgl. etwa Veit 1984; Härke 1991; 1992; Wolfram 2000). Der Kulturbegriff und die damit verbundenen Probleme wurden zwar immer wieder behandelt (Eggers 1950; Asmus 1951; Wahle 1952; Menghin 1952; Fischer 1958; Mandera 1965; von Uslar 1965; Sangmeister 1967; Bergmann 1968; Bergmann 1972; Lüning 1972; Bergmann 1973/74; 1974a; Angeli 1976; Strahm 1977; Eggert 1978; Daim 1982; Winkler 1983; Veit 1984; Hachmann 1987, Veit 1990; Narr 1991, Schier 1993, Wotzka 1993; Wotzka 2000)15. Es fand jedoch keine wirkliche Diskussion statt, gewöhnlich wurde die Meinung der Kollegen zwar dargestellt, aber selten dezidiert auf deren theoretische Grundlagen eingegangen16. Auch daher ist anzunehmen, daß diese Überlegungen wenig Einfluß auf die archäologische Praxis hatten. Archäo-Geographica, eine von H.-J. Eggers herausgegebene Zeitschrift, die sich, mit einem Schwergewicht auf Quellenkritik, mit der Verteilung von Funden im Raum befaßte, womit an den durch die Siedlungsarchäologie aufgeworfenen Problemen weitergearbeitet werden

In der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herrschte die Definition von Volk als Abstammungsgemeinschaft vor (Koselleck 1992), also ein essenzialistischer Volksbegriff. Das Volk ist ewig; auch wenn sich materielle Kultur, Territorium, Sprache, Religion und politische Verfassung ändern, bleibt eine geheimnisvolle Essenz - Blut, Volksgeist, Kultur, Art - gleich. Diese Auffassung war seit den napoleonischen Kriegen gerade in den deutschen Ländern für die Entwicklung eines Nationalgefühls für das ‘Volk

13 Auch P. Goessler (1950, 14) betont in Verteidigung von Kossinnas Methode, daß zu große Einheiten (wie die der Hallstatt- oder der Urnenfelderkultur) als Einheiten gefaßt würden, die jedoch nicht Kossinnas Kulturprovinzen entsprächen. 14 vgl. zu diesem Problemkreis Bernbeck/Sommer 1994. 15 Auf die Entwicklung in der DDR und den Ländern des Comecon wird hier bewußt nicht eingegangen, da hier völlig andere Rahmenbedingungen herrschen. 16 Eines der wenigen Beispiele für eine Diskussion in der Vorgeschichte ist die Entgegnung J. Bergmanns (1974) auf eine Rezension Jacob-Friesens, diese wird aber von den Herausgebern der Germania sichtlich ungern geduldet, vgl. deren Anmerkung auf S. 161. 64

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sollte, mußte Mitte der 60iger Jahre das Erscheinen einstellen.

wählt, der viel stärker den räumlichen Aspekt in den Vordergrund stellt. Hier wird von der Siedlungskammer ausgegangen, auf die zunächst auch die Chronologie bezogen ist (Müller-Karpe 1974, 8). Je kleiner die Bezugseinheit gewählt wird, desto stärkere Variationen sind natürlich möglich. Als eines der Ziele des Unternehmens wurde genannt, den Wert des Kulturkonzeptes an Hand ”spezifischer und gut dokumentierter Funde” zu überprüfen (Müller-Karpe 1973). Es fällt auf, daß konsequent mit einem mehrstufigen Klassifikationsschema gearbeitet wird (Kulturen, Gruppen, Facies) und die Stellung einer Klassifikationsebene innerhalb dieses Systems auch kontrovers diskutiert wird. Es werden mehrere Deutungskonzepte Werkstattkreise, Trachtkreise, fremde Frauen etc. von Ähnlichkeiten und Unterscheiden der materiellen Kultur verwendet. Ein implizites ethnisches Konzept ist hier nicht ohne weiteres festzustellen. Eine Auswertung des Unternehmens in die ursprünglich angekündigte Richtung scheint allerdings nicht in Sicht, statt dessen existiert inzwischen ein terminologisches Dickicht, das die Orientierung erschwert (vgl. die Kritik W. Kimmigs (1988, 213) an W. Kubachs Stufe Wölfersheim). Allerdings scheint in der bangen Frage Kimmigs, ob dieses perfekte chronologische Gebäude denn auch mit ”Leben” zu füllen sei, wieder die Suche nach einer geistigen Essenz jenseits der puren Fundgliederung anzuklingen.

Aus dem Zwiespalt zwischen dem, was wir machen, und dem, was wir sagen, was wir machen, zog J. Lüning 1972 einen radikalen Schluß und paßte, indem er für einen rein taxonomischen Kulturbegriff plädierte, die Theorie der Praxis an. Neolithische Kulturen sind für ihn an Hand keramischer Merkmale definierte chronologische Abschnitte, denen andere Funde und Befunde durch Assoziation mit der Keramik zugeordnet werden können, wobei es für die Klassifikation der Keramik keine einheitlichen Kriterien geben muß. Die Grenzen im Raum liefert die Verteilung der keramischen Gruppen. Es entstehen so ”scharf umgrenzte“ Verteilungen, die keine Variation im Raum vorsehen. Ziel war zunächst eine Ordnung des Fundmaterials in Zeit und Raum. Mit dem Postulat, daß nur jeweils eine Kultur in einem Gebiet existiere (Lüning 1979), die Abgrenzung von der Freiburger Schule E. Sangmeisters, wurde die Suche nach Außengrenzen zu einem heuristischen Mittel, ohne daß die Natur solcher Grenzen diskutiert wurde oder innerhalb dieses Bezugssystems diskutiert werden mußte. Die Einordnung des Fundmaterials in diese “Schubladen” (Lüning 1972, 164) bildet die notwendige Grundlage für jede weitere Interpretation. Da Lüning in Berufung auf O. Menghin (1952) eine rein induktive Interpretation des Materials forderte, bleibt allerdings weitgehend im Dunkeln, worin eine solche ”weitere Interpretation” des Fundgutes bestehen könnte. Es handelt sich also um eine Beschränkung des Kulturbegriffs auf das in der archäologischen Praxis tatsächlich geleistete. Lüning gibt keine Definition von ‘Kultur’ bzw. ‘kulturell’, aus dem Zusammenhang läßt sich eine weitgehende Gleichsetzung von Kultur mit Stil erschließen. Ob und welche Beziehung zwischen Kultur (im Sinne funktionierender Systeme) und archäologischen Kulturen besteht, wird nicht diskutiert und erscheint auch nicht wesentlich, solange das Erkenntnisziel Typologie ist. Dabei wird z.B. das Problem der unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten sehr wohl erkannt (Lüning 1972, 164), Lüning begibt sich aber der Möglichkeit, dafür Gründe zu finden.

Die taxonomischen Definitionen archäologischer Kulturen unterscheiden sich vor allem durch die Anzahl der berücksichtigten Merkmale. Im Extremfall reicht ein Merkmal aus (Leitfossil oder Leitform). Dieses System war vor allem in der Frühzeit der Forschung gebräuchlich, vor allem wenn, wie im Paläolithikum, insgesamt wenig Funde überliefert sind. Existieren viele Fundstellen ohne Leitfunde, stößt es rasch an seine Grenzen. Das prototypische System (Bezeichnung nach Mahmood/Armstrong 1992, 8) definiert dagegen das Inventar einer ”typischen” und optimal erhaltenen Fundstelle17, das in der Praxis jedoch, wegen schlechter Überlieferungsbedingungen und/oder starker funktionaler Gliederung des Siedlungssystems, nicht überall vorkommen muß. Es beruht also auf dem, was im englischen Sprachgebrauch meist als assemblage bezeichnet wird. In der Praxis wird auch hier meist auf einige wenige Leitfossilien zurückgegriffen. Dabei handelt es sich nicht um die häufigsten Artefakte (typische Funde) - das sind in

Interessanterweise hat die Bronzezeitforschung des PBF-Unternehmens einen ganz anderen Ansatz ge-

17 eigentlich eines kompletten Siedlungssystemes, mit Siedlungen, Gräberfeldern, kultischen Orten und anderen special activity sites, wie Bergwerken, Jagdstationen, Fluchtburgen, Horten etc. 65

Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften

nach 1990. Diese Spindeln müssen auch in der Zeit nicht gleichmäßig sein, ohne absolute chronologische Kontrolle ist das aber nicht zu erkennen (vgl. Schier 1993, 26; Wolf 1998; Kolb 1998). Ein solches kybernetisches Modell beschreibt also nur abstrakt eine Beziehung zwischen verstrichener Zeit und stilistischen Entwicklung, liefert aber keine Erklärung. Zeit ist jedoch nicht der einzige Faktor, der eine gerichtete Veränderung der materiellen Kultur bedingt. Variation kann entlang der Achsen von Zeit, Raum und sozialer Struktur stattfinden, die Funktion eines Fundplatzes innerhalb des Siedlungssystemes (Binford 1973) schneidet das Ganze unter Umständen noch. Bei dem Strahm’schen Modell fehlt die räumliche Dimension. Denkbar wäre: -auch die Variation im Raum folgt dem Modell der Normalverteilung, die Anzahl spezifischer Artefakte dünnt also von einem Zentrum zum Rand hin immer mehr aus (distance-decay). -eine gleichförmige Verteilung mit scharfen Grenzen, wodurch eine Art Flickenteppich in der Art moderner politischer Karten entsteht, -die Kulturen überlappen sich mit Mischzonen.

Abb. 2. Kulturentwicklung nach Strahm (1977, Abb. 2)

einer Siedlung oft unmodifizierte Abschläge und unverzierte Wandscherben, deren Datierung eher schwierig ist -, sondern um Gegenstände, die mehr oder weniger ausschließlich in dieser Kultur vorkommen - aber nicht vorkommen müssen (spezifische Funde). Die numerische Typologie ist letztlich eine Weiterentwicklung des prototypischen Systems, bei dem nicht nur das gemeinsame Vorkommen, sondern auch die Mengenanteile der verschiedenen Artefakte oder von Einzelmerkmalen berücksichtigt werden, meist aber auch nur die ausgewählter, eben spezifischer Artefaktklassen. Als einer der wenigen deutschsprachigen Archäologen hat sich Chr. Strahm (1977) über den Zusammenhang von Kulturwandel und Stilwandel geäußert. Schon H.-E. Mandera stellte 1965 fest, daß Belege für Übergangsphasen neolithischer Kulturen sehr selten sind, führt das aber auf unser zu grobes Wahrnehmungsraster zurück. Strahm be-schreibt das Aufkommen, die Entwicklung und das Absterben einer Kultur mit dem Modell von Spindeln (Abb. 2), also analog der Entstehung, Verbreitung und dem Aussterben von Tier- und Pflanzenarten. Mit solchen Spindeln, die meist Abarten von Normalverteilungen darstellen, lassen sich neben natürlichen auch viele kulturelle Vorgänge beschreiben, zum Beispiel das Aufkommen und Abklingen von Moden oder die Verbreitung technischer Neuerungen (Abb. 3). Es entspricht jedoch nicht notwendigerweise der Realität. Verzerrungen können zum Beispiel durch Dauer des Gebrauchs entstehen: selbst wenn die Herstellung abrupt endet, werden die hergestellten Dinge selber nur allmählich immer seltener – zum Beispiel der Trabbi

Die letzte Anstrengung zu einer stringenten Definition eines umfassenden Gliederungssystems unternahm D. Clarke (1968) mit einem systemtheoretischen Ansatz, in dem er versuchte, Kulturen mit einem polythetischen Merkmalssystem zu be-

Abb. 3. Abfolge der Beleuchtungskörper (Malina / Vasicek 1990, Abb. 33). 66

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schreiben, das alle Bereiche der materiellen Kultur berücksichtigen sollte. Das Problem dieses Systems ist weniger der ”moderne Jargon” (Lüning 1972, Anm. 61), an den sich inzwischen auch die meisten Kritiker gewöhnt haben dürften, als die absolute Mutlosigkeit bezüglich der Möglichkeit einer praktischen Anwendung, die auch den Bewunderer dieser imponierenden Konstruktion befällt. Doch trägt der Versuch einer solchen umfassenden Gliederung dazu bei, daß sich jeder Forscher überlegen muß, wie seine eigenen Klassifikationen aufgebaut sind, auf welcher der von Clarke herausgearbeiten Ebenen er sich damit bewegt. Der Gebrauch des scheinbar neutralen Wortes Kultur bedeutet jedoch nicht das völlige Ende der ethnischen Deutung, im Gegenteil. Lüning (1972, 147) beschreibt den ”...weitverbreiteten Sprachgebrauch, der das wirklich gemeinte verschleiert und der es ermöglicht, den suspekten Volksbegriff zu vermeiden, seinen Inhalt aber wenigstens teilweise unauffällig und daher vielfach unbewußt in den Kulturbegriff hinüberzuleiten.” Als Beispiel dafür mag die Gleichsetzung der Hallstattkultur mit den frühen Kelten gelten, die spätestens seit dem ”Keltenfürsten” von Hochdorf wieder populär ist (und mit der größeren Volkstümlichkeit und Werbewirkung dieses Begriffes entschuldigt wurde). Die Trennung zwischen Hallstatt- und Latènekultur macht in kaum einem Bereich der materiellen Kultur Schwierigkeiten und geht einher mit einem Wechsel der Siedlungsweise und Bestattungssitten, enthält also alles, was für die Abgrenzung einer neuen Kultur und sogar, nach der klassischen Definition von Montelius für die Annahme eines Bevölkerungswechsels notwendig ist. Da man sich aber relativ sicher ist, daß zu diesem Zeitpunkt keine größeren Bevölkerungsverschiebungen stattfanden, werden zwei sehr unterschiedliche archäologische Kulturen unter einem Begriff subsumiert, dessen Anwendbarkeit auch nur auf den gesamten Bereich der Latène-Kultur nicht vorauszusetzen ist (vgl. Collis, dieser Band). Selbst bei Autoren, die sich kritisch mit der ethnischen Deutung auseinandersetzen, finden sich immer wieder solche Argumentationsmuster. Diese Verwirrung kommt vielleicht am klarsten in einem Zitat aus der Arbeit von M. Wendowski (1995, 31f) über ”Archäologische Kultur und ethnische Ein-

heit” zum Ausdruck, wenn sie schreibt: ”Seit dem Neolithikum können wir einen raschen Wechsel in den materiellen Formen erkennen, die als archäologische Überreste erhalten sind. Hierbei wechseln Veränderungsrate und regionale Abgrenzungen. Hinter diesem Wandel in Formen und Sitten stehen wahrscheinlich dauernde Änderungen auch im sozialen, religiösen, ökonomischen etc. Verhalten. Dieser Wandel führt dazu, daß wir in Mitteleuropa eine Vielzahl archäologischer ”Kulturgruppen” bestimmen, deren Ablösung in den seltensten Fällen einen Bevölkerungswechsel bedeuten muß. Das heißt aber auch, daß sich zusammengehörig fühlende - ethnische - Gruppen im Zeitlauf hinter verschiedenen, sich ablösenden Kulturgruppen verbergen können.”

Mit anderen Worten, Änderungen von Sozialstruktur, Religion und Wirtschaftsweise führen zu Än-derungen in der materiellen Kultur, ohne das postulierte Wir-Gefühl zu beeinflussen, das dann also nur auf gemeinsamer Abstammung beruhen kann? Wenn dem so ist, können Abstammungsgruppen in der Tat nicht archäologisch nachgewiesen werden, was aber nicht weiter betrüblich wäre, wenn wir dafür die aufgezählten anderen Veränderungen fassen könnten. Das Zitat belegt aber auch, wie unfruchtbar das Konzept ist. Angenommen, daß Kossinnas Methode in Verbindung mit einem durch Abstammung definierten Volksbegriff eine akzeptable Methode der Forschung ist - ob man das glaubt, ist letztlich eine politische Entscheidung-, die ”Schnurkeramiker”18 also Germanen oder Urgermanen oder Indoeuropäer oder Urindoeuropäer sind, und die Träger der Jastorf-Kultur ebenfalls, welche neuen Er-kenntnisse über die Träger der schnurkeramischen Kultur, der Jastorf-Kultur oder die Germanen ergeben sich daraus? Essenzialistischer Nationsbegriff

versus

voluntaristischer

Auch in der Politikwissenschaft herrschte Ende des 19. bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts ein essenzialistischer Volks- und Staatsbegriff vor, das heißt, die Zugehörigkeit zu diesen Gruppen wurde über ‘objektive’ Kriterien wie Sprache, Abstammung, Kultur, gemeinsame Geschichte und eventuell Rasse und Religion definiert. Etwas anders war es bei dem Begriff der Nation, da

18 Bereits die Bezeichnung der Menschen(gruppen?), welche die Artefakte herstellten, mit denen wir archäologische Kulturen definieren, ist problematisch. Lockere Formulierung wie „Bandkeramiker“, „Schnurkeramiker“ etc. implizieren ethnische Gruppen, und auch die Bezeichnung „Träger der xy-Kultur“ umgeht das Problem nicht wirklich (vgl. Bergmann 1974b, 164). Letztlich ist nur eine sperrige Bezeichnung wie „Bevölkerung mit MBK“ wirklich neutral, aber auch hier besteht die Gefahr, daß aus einer Kategorie sehr schnell eine Gruppe (im Sinne von Vivelo 1978) wird. 67

Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften

sich das revolutionäre Frankreich als Willensnation verstand. In der berühmten, von E. Renan 1882 in Hinsicht auf das annektierte Elsaß formulierten Definition stellt die Nation ein permanentes Plebiszit dar, sie ist bestimmt durch den subjektiven Willen zusammenzuleben, die freiwillige Entscheidung für eine gemeinsame Vergangenheit und Zukunft (vgl. Wodak 1998, 20-21). Franzose war demnach, wer sich als Franzose fühlte. Demgegenüber war in allen deutschen Staaten Staatsangehörigkeit durch Abstammung definiert, Bürger von Bayern ist, wer von bayerischen Eltern abstammt usw. Dieses ius sanguinis wurde, wie durch die aktuelle Diskussion hinreichend bekannt sein dürfte, auch die Grundlage der bundesdeutschen Staatsbürgerschaft. Dieses essenzialistische Prinzip war jedoch nicht unangefochten19. Max Weber schrieb bereits 1921 (Weber 1947, 219), und es lohnt sich, hier ausführlicher zu zitieren:

schiede der “Sitten” und ”ethnische Grenzen” (ebd., 221). Das entscheidende Wort hier ist ‘Glaube’: Glaube an eine gemeinsame Abstammung. Dieser Glaube unterliegt jedoch auch unserer Wahrnehmung, jedenfalls ist es auffällig, daß essenzialistische Positionen auch in theoretisch aufgeklärten Darstellungen immer wieder durchschlagen. Eine Reihe von Untersuchungen belegen, daß die Erinnerung der aktuellen Wirklichkeit sehr schnell angepaßt werden kann, sowohl im persönlichen als auch im gesellschaftlichen Bereich. So werden in segmentären Gesellschaften die Stammbäume an die aktuelle politische Situation angepaßt (Schott 2000, 179f.; Vansina 1985; Schachermeyr 1984), ein fast unumgänglicher Vorgang, da politische und soziale Zustände als Verwandschaftsbeziehungen beschrieben werden (Müller 1992) und ein Auseinanderfallen teilweise allein aus sprachlichen Gründen nicht möglich ist. Aber nicht allein Genealogien auf der Ebene der Großelterngeneration oder tiefer sind plastisch, auch bereits die Elternschaft kann es sein (z.B. Mead 1930, 67). Auch das Einsetzen schriftlichen Überlieferung beendet die ständige Umgestaltung und Anpassung der Vergangenheit nicht. Ein Widerspruch zwischen einer Vergangenheit, wie sie stattfand und wie sie hätte stattfinden müssen wird selten lange ertragen. Dementsprechend wurde die Vergangenheit den aktuellen politischen und sozialen Erfordernissen angepaßt. Mittelalterliche Urkunden, zum Beispiel, sind nach modernen Schätzungen zu einem hohen Anteil ‘gefälscht’ (Grafton 1991, 24): die Vergangenheit wurde der Gegenwart angepaßt, Belege quasi nachgeliefert. Berühmtestes Beispiel ist die Konstantinische Schenkung. Auch die Existenz mehrerer konkurrierender Geschichtsversionen wurde akzeptiert, belegten sie doch jeweils unterschiedliche Interpretationen der Gegenwart. Erst seit der Durchsetzung des modernen Geschichtsbewußtseins wird erwartet, daß die Vergangenheit unveränderlich und monolithisch ist.

”Wir wollen solche Menschengruppen, welche auf Grund von Aehnlichkeiten des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider oder von Erinnerungen an Kolonisation oder Wanderung einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinschaft hegen, derart, daß dieser für die Propagierung von Vergemeinschaftungen wichtig wird, dann, wenn sie nicht ”Sippen” darstellen, ”ethnische” Gruppen nennen, ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinsamkeit objektiv vorliegt oder nicht. Von der ”Sippengemeinschaft” scheidet sich die ”ethnische” Gemeinschaft dadurch, daß sie eben nicht nur (geglaubte) ”Gemeinsamkeit, nicht aber ”Gemeinschaft” ist. ... Die ethnische Gemeinschaft .... ist demgegenüber nicht selbst Gemeinschaft, sondern nur ein die Vergemeinschaftung erleichterndes Element.”

Weber führt weiter aus, daß es vor allem politische Gemeinschaft ist, die zur Bildung ethnischer Gruppen führt. Der Prozeß folgt dem verbreiteten Schema der Darstellung politischer Beziehungen als verwandtschaftlicher Beziehungen (ebd., 219), die unter vorstaatlichen Beziehungen die Rechtsverhältnisse geordnet hatten. Unter Habitus führt We-ber neben der Sprache vor allem die ”Lebensführung des Alltags”, Kleidung, Haar- und Barttracht, Wohnungs- und Ernährungsweise, Art der gesellschaftlichen Arbeitsteilung an, sowie die Frage, was als ”schicklich” gilt (ebd., 221). Unterschiede der Sitten werden durch bereits existierende Ge-meinschaften oder durch scharfe politische und ökonomische Bedingungen hervorgerufen, oder auch durch scharfe ökologische Grenzen. Wenn diese fehlen, gibt es auch keine deutliche Unter-

‘Stamm’ und ‘Kultur’ in der Anthropologie In der Anthropologie war es, grob vereinfacht, der Stammesbegriff, der lange als ‘natürliches’ Gliederungsprinzip diente. Das Schema war historisch vorgegeben (Stammeseinteilungen der Griechen und Römer20) und wurde auch durch die moderne Kolonialverwaltung genutzt (System der Britischen

19 vgl. Hoffmann 1991, Anm. 5. 20 Wobei hier eigentlich die künstliche Natur dieser Stämme klar zutage trat, z.B. bei der kleisthenischen Reform, aber auch, daß sie trotzdem als identitätsstiftende Einheiten angelegt waren, als Kultgemeinschaften mit einem eponymen Heros. 68

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indirect rule). Der Stamm wurde, wie Volk oder Nation, als eine durch gleiche Herkunft definierte Einheit angesehen. Die Zuordnung zu einem Stamm/einer Kultur galt als einfach und eindeutig, wissenschaftliche und Selbstdefinition schienen deckungsgleich. Stämme wurden meist implizit mit ‘Kulturen’ gleichgesetzt. Seit den 1950er Jahren mehrten sich jedoch die Anzeichen, daß Stamm und Kultur nicht immer glatt übereinstimmten. Bekannte Beispiele sind E. Leachs (1954) Untersuchungen der „instabilen“ ethnischen Zuordnung im burmesischen Hochland und M. Moermans (1965) Studie der Lue in Thailand, die sich zwar explizit als Stamm definierten, aber keine kulturellen Eigenheiten aufwiesen, die sie eindeutig von den Nachbar’stämmen’ unterschieden. Nach 1945 und mit der beginnenden Entkolonialisierung galt das Wort ‘Stamm’ zunehmend als nicht mehr politisch korrekt, weil Rückständigkeit und mangelnde Entwicklungsbereitschaft implizierend, nach dem Motto: ”Ihr habt Stämme, wir haben Staaten” (vgl. Eriksen 1993, 10). ‘Stamm’ war in den gängigen Modernisierungstheorien ein zu überwindendes Entwicklungsstadium (vgl. Jones 1997, 52; Kuper 1988; Southall 1970; Abu-Lughod 1991) auf dem Weg zur Nation. Ein modernes Wörterbuch der Ethnologie (Streck 20002) enthält noch nicht einmal mehr das Stichwort Stamm.

er eine “echte” Nuer-Kultur, die sich von der tatsächlich beobachteten in wesentlichen Zügen unterschied. Zwischen beiden Gruppen gibt es deutliche äußere Unterschiede, zum Beispiel Stammesnarben21. Auch das Vieh der beiden Gruppen sehe unterschiedlich aus (Burton 1981, 160) - wie auch immer das bei ständigem Viehdiebstahl funktionieren mag. Nuer und Dinka selbst sehen sich ebenfalls als getrennte Völker an, wobei die (von beiden akzeptierte) Definition lautet: Die Nuer sind die, die den Dinka das Vieh stehlen, die Dinka diejenigen, deren Vieh gestohlen wird (Glickman 1972, 591). Während Evans-Pritchard (1940, 126) davon ausging, daß die Nuer als Eroberer in das Territorium der Dinka eingedrungen sind und diese teilweise verdrängt haben, nahmen andere Forscher an, daß die Nuer „eigentlich“ Dinka sind, die auf Grund eines abweichenden Sozialsystemes (segmentäre, strikt hierarchisch organisierte lineages), das eine stärkere Gruppensolidarität bedingt, den locker, in sich überschneidende Solidaritätsmuster gegliederten Dinka militärisch überlegen waren und sie allmählich verdrängten. P. Newcomer (1972) sieht diese Unterschiede des Sozialsystems als Ergebnis einer spontanen “sozialen Mutation“. Glickmann (1972) führt sie auf Umweltbedingungen zurück, welche die Nuer zu großmaßstäblichen jahreszeitlichen Wanderungen zwingt, bei denen sozialer Kontakt zwischen verschiedenen Stammesgruppen stattfindet, während die Dinka stärker seßhaft sind und ihre Interaktion und Gruppensolidarität dadurch geringer ist. Auch häufigere Überfälle von Sklavenjägern aus dem Norden (Sacks 1979) und mangelnde Ausbreitungsmöglichkeiten, die die Nuer zur Aggression gegen ihre Nachbarn zwang (Southall 1976, 475) werden als Grund der Unterschiede angeführt. Während M. Sahlins (1961) das Nuer-Sozialsystem als Grund der erfolgreichen Eroberungen sieht, geht K. Gough (1971) davon aus, daß es erst im Zuge der Eroberungen entstand. A. Southall betont zudem, daß die strikt hierarchische agnatische Gliederung hauptsächlich für die führenden, aristokratischen Clans von Bedeutung ist, während für die Dinka, aber auch für Nuer aus weniger mächtigen Clans territoriale Bindungen von größerer Bedeutung sind (Southall 1976, 473). Das für die Nuer als typisch beschriebene Verwandtschaftssystem kann auch als Mechanismus zur Eingliederung unterworfener Bevölkerungsgruppen gleich welcher ethnischen Herkunft verstanden werden,

Das Beispiel der Nuer Als kurzes Beispiel für die Entwicklung des ethnologischen Stammesbegriffes möchte ich die Nuer vorstellen. Seit der klassischen Ethnographie von E. Evans-Pritchard (1940) sind sie das Standardbeispiel für den ostafrikanischen cattle-complex und für segmentäre Gesellschaften. Die Nuer betreiben Ackerbau, Prestige wird jedoch allein über den Besitz von Vieh erworben, das auch für die Zahlung von Mitgift und Blutgeld unerläßlich ist. Sie leben im Überschwemmungsgebiet des Weißen Nils im Südsudan, fast auf allen Seiten umgeben von den Dinka, die eine sehr ähnliche Wirtschaftsweise haben. Die Sprachen der Nuer und Dinka sind nahe verwandt, auch die Kultur zeigt große Ähnlichkeiten. E. Evans-Pritchard mußte zudem wiederholt feststellen, daß viele Sitten und Gebräuche der Nuer von den Dinka übernommen waren, ja, daß bis zur Hälfte der Nuer von Dinka abstammen (Evans-Pritchard 1940, 221). Mit anderen Worten: um die Nuer zu beschreiben, definierte

21 Häufige Heiraten mit Dinka-Frauen führen dazu, daß Nuer mit Dinka als Muttersprache aufwachsen und teilweise auch Dinka-Stammesnarben erhalten, vgl. Burton (1981, 159). 69

Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften

Damit sind bei dem Kultur- und Stammesbegriff22 dieselben Mechanismen am Werk, die auch zu der essenzialistischen Definition von Volk bzw. Nation geführt haben. Um die Notwendigkeit eines politisch angestrebten Zustandes zu belegen, wird er in die Vergangenheit zurückverlegt bzw. als ”natürlich” erklärt: so war es schon immer, anders kann es auch gar nicht sein und so muß es folglich auch werden. Auch Wissenschaftler machen sich nur schwer von solchen Denkgewohnheiten frei. Diese bestimmen damit die Forschung (und deren blinde Flecken). Die so gewonnenen Ergebnisse sind nicht falsch, aber unvollständig (was wissenschaftliche Erkenntnisse natürlich immer und zwangsläufig sind). Nur durch einen völligen Wechsel der Perspektive, dem vielstrapazierten Paradigmenwechsel, der eine neue Sicht auf die Quellen ermöglicht, und der sowohl aus der Wissenschaft selber, als durch ”äußere Faktoren” (falls man das so säuberlich trennen kann, vgl. Latour 1994) ausgelöst wird, ist eine wirkliche Neuinterpretation möglich, die natürlich ebenfalls blinde Flecken aufweist - aber andere.

und die „verworrene“ Gruppenstruktur der Dinka als Resultat der Nuer-Einfälle, die Stämme aus ihrem Territorium vertrieben und sie zwang, sich anderen Gruppen anzuschließen (Southall 1976, 486). „Eigentlich“ sind außerdem weder die Nuer Nuer noch die Dinka Dinka (Southall 1976). Nuer ist die Dinka-Bezeichung für eine Gruppe, die sich selber Naath nennt, was, wie auch die Eigenbezeichnung der Dinka, Jieng, einfach ‘Leute’ bedeutet. Die Bezeichnung der Nuer (wie ich sie der Einfachheit weiter nennen werde) für die Dinka, Jaang, ist keineswegs eindeutig, sondern kann jede der Gruppen bezeichnen, deren Vieh sie gewohnheitsmäßig rauben (Southall 1976, 464). Auch die Sprachen der beiden Gruppen sind keineswegs so unterschiedlich, wie in frühen Beschreibungen dargestellt, sondern es gibt einen räumlichen Gradienten, und manche Dinka-Dialekte ähneln Nuer stärker als an-deren Dinka-Dialekten (Southall 1976, 464). Der Unterschied zwischen Nuer und Dinka wäre damit tatsächlich nur noch der, daß die einen Vieh rauben und den anderen Vieh geraubt wird. Dieses Ungleichgewicht führt zu unterschiedlichen Identitäten und deren Ausdrucksformen, die nichts mit Abstammung zu tun haben (vgl. Southall 1976, 487), sondern mit sozialen Machtverhältnissen (vgl. Burton 1981). Southall (1976, 464) kommt zu dem Schluß:

Die Entwicklung eines neuen Begriffes der Ethnizität wurde begünstigt oder bedingt durch: -Dekolonisierung: aus Stämmen oder Stammesgruppen wurden Nationen -Bürgerrechtsbewegungen von Minderheiten in Nationalstaaten, die eine neue Identität begründeten und nicht mehr als rückständige Gruppen, die von der “höheren” Kultur assimiliert werden oder sich assimilieren müssen, behandelt werden wollten -Migration, i.e. ”Gastarbeiter”, die aus vorher weitgehend homogenen oder als homogen empfundenen Staaten multi-ethnische Staaten machten -Auflösung der Nationalstaaten durch die Schaffung größerer Einheiten, bzw. der umgekehrte Prozeß der Auflösung von Nationalstaaten im ehemaligen Ostblock und in Jugoslawien (z. B. Eriksen 1993). Es setzte sich zunehmend ein Kulturbegriff durch, in dem Kultur nicht mehr als angeboren oder zumindest als gegeben verstanden wurde, sondern als erworben und durch das Individuum oder die Gruppe formbar und im politischen/gesellschaftlichen Prozessen aktiv nutzbar. Kultur ist nicht mehr eindeutig. Ein Individuum kann an mehreren kulturellen Identitäten teilhaben. R. Rosaldo (1989, 21) definiert diesen neuen, voluntaristischen Kulturbegriffes wie folgt:

„...Dinka and Nuer were convenient fictions for the early explorers, administrators, missionaries, and, alas, linguists and anthropologists, and so they are still with us, having acquired sufficient vested interests in the identities imposed upon them during the colonial period to perpetuate them.“

Der subjektivistische Ethnizitätsbegriff Auch der Begriff Stamm ist also keineswegs so problemlos, wie gerade von Archäologen oft angenommen. Viele ethnologisch beschriebene Gruppen waren weder nach Außen einheitlich abgegrenzt noch innerlich homogen. Woher kommt dann aber die Erwartung innerer Homogenität, die den bisherigen Kultur- und Stammesbegriff prägt? Nach E. Gellner (1983) und B. Anderson (1983) ist erst in den modernen Nationalstaaten die Kultur homogen, unter anderem, um die freie Austauschbarkeit von Arbeitern zu garantieren. Sie ist Resultat eines Modernisierungsprozesses (Gellner 1983; Hobsbawm 1991), gefördert durch technische Innovationen, welche die Kommunikation intensivierten und veränderten (Anderson 1983). 22 ‘Volk’ im archäologischen Sprachgebrauch. 70

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schen und historischen Bedingungen, unter denen diese Grenzziehungen erfolgen, nicht der ”cultural stuff”, den die Grenzen umschließen. Unter dem Gesichtspunkt der Ethnizität sind die Kulturelemente, die für die Markierung der Abgrenzung verwendet werden, und nicht jene, die den Archäologen (und man kann hinzufügen, unter Umständen auch dem untersuchten Ethnos selber) als charakteristisch oder authentisch erscheinen, am bedeutsamsten. Ethnische Identität ist in diesem Modell ein Bestandteil der sozialen Organisation, nicht ”irgendwie” Teil von ‘Kultur’. Sie wird über individuelle Zuweisung/Selbstzuweisung definiert, und funktioniert nur, wenn sie Teil der persönlichen Identität wird. Ethnische Identität kann so aktiv manipuliert werden und ist nicht passiver Ausdruck einer kulturellen Ideologie oder eines diffusen Volkswillens (nach Barth 1994, 12). Kultur funktioniert so als Politik (Verdery 1994, 42; Hobsbawm/Ranger 1983). I. Hodders (1979, 1982) Baringo-Studie bietet dafür ein bekanntes ethnoarchäologisches Beispiel. Hodder kann zeigen, daß die zunehmende Konkurrenz um knappe Ressour-cen zu verstärkten Unterschieden in der materiellen Kultur der untersuchten Gruppen führte24. Welche Teile des kulturellen Inventars ausgewählt werden, um ethnische Grenzen zu signalisieren (vgl. Verdery 1994, 41; Cohen 1969), und wie stark diese Grenzen betont werden, ist in jeder Gesellschaft anders, und kann auch zwischen den verschiedenen Straten/Klassen und funktionellen Gruppen einer Gesellschaft jeweils verschieden sein. Da sich nicht vorhersagen läßt, welche Merkmale zur Markierung von Grenzen ausgewählt werden, multiple Grenzlinien wechselnder Stärke möglich oder sogar wahrscheinlich sind und die verwandten Gegenstände (z. B. Kleidung) nicht unbedingt überliefert werden, ist die Suche nach ethnischen Grenzen in der Archäologie eine komplexe Aufgabe, die nur Erfolg haben kann, wenn möglichst viele Bereiche der materiellen Kultur und auch die Art, wie sie miteinander in Beziehung stehen, berücksichtigt werden. Offensichtlich ist, daß in der Vorgeschichte Veränderungen stattgefunden haben, und diese Veränderungen nicht überall gleichmäßig waren, sondern

”In contrast with the classic view, which posits culture as a self-contained whole made up of coherent patterns, culture can arguably be conceived as a more porous array of intersections where distinct processes crisscross from within and beyond its borders. Such heterogeneous processes often derive from differences of age, gender, class, race and sexual orientation.”

Identität ist nicht gegeben, sondern wird ständig konstruiert. Sie kann viele verschiedene Facetten haben, je nach Situation, oder relativ rasch gewechselt oder neu gebildet werden. Daß Ethnizität konstruiert wird, bedeutet natürlich nicht, daß sie frei wählbar ist. Als Teil des Sozialsystems (Barth 1969) ist Identität auch immer eine Machtfrage. Es kann Situationen mit relativ weiten, und solche mit sehr engen Restriktionen geben, und diese können wieder von der Stelle innerhalb der Gesellschaft, an der sie stattfinden, abhängen. Dieser neue Kulturbegriff war, gerade für ethnische Minderheiten, ein emanzipatorischer Ansatz. Inzwischen ist allerdings ein Umschlagen von Ethnizität in einen neuen Essenzialismus zu beobachten (Verdery 1994, 53; Vermeulen/Govers 1994, 7; Katznelson 1995, 85). ”Theory is also always politics, potentially affecting the world as well as describing it.” (Verdery 1994, 54).

Ethnizität und Abgrenzung In der Anthropologie, ähnlich wie in der Archäologie, wird meist wenig Aufmerksamkeit auf Grenzen gerichtet, sie werden als gegeben vorausgesetzt (Cohen 1994, 64-67). Der norwegische Anthropologe F. Barth (1969) definierte Ethnizität als ein Mittel, mit Unterschiedlichkeit umzugehen, ”a form of organizing difference”. Man kann sein Modell als transaktionalistisch (Cohen 1994, 60) bezeichnen. Er versteht Ethnizität als Taktik, die einem Kosten/NutzenSchema folgt. Grenzen23 sind nicht a priori gegeben, sondern werden bewußt erschaffen und aufrechterhalten. Indem sie Teil der sozialen Umwelt werden, prägen sie dann ihrerseits wieder das Verhalten. Grenzen werden nicht ohne Grund errichtet, wenn sich der Grund auch vielleicht im Laufe ihres Bestehens verändert. Wichtig sind die Grenzen selber und die konkreten politischen, ökonomi-

23 Im Gegensatz zum Englischen (frontiers, borders, boundary) besitzt die deutsche Sprache nur einen Ausdruck für Grenze. Das macht es schwer, hier Bedeutungsnuancen auszudrücken. Gemeint ist mit Grenze hier keine starre Grenzlinie, sondern eine Zone der Trennung, die räumlich nicht unbedingt fixiert sein muß. 24 Hodder betont, daß dieser Mechanismus nicht zwangsläufig so abläuft, sondern von einem komplexen Wechselspiel von Faktoren abhängt. Nur bestimmte Teile der Variation der materiellen Kultur markieren zudem Abgrenzungen zwischen Gruppen, andere betreffen Grenzen/Konfliktsituationen zwischen Altersklassen oder den Ge-schlechtern. 71

Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften

räumliche und zeitliche Ungleichmäßigkeiten aufweisen. Also braucht die Vorgeschichtsforschung eine Terminologie, um solche Veränderungen, deren Art, Ausmaß und Dauer zu beschreiben, und Theorien, um ihr Vorhandensein, ihre Mechanismen und Unterschiede zu beschreiben. Jede Übernahme solcher Konzepte aus Ethnologie, Anthropologie oder Soziologie ist eine Analogie, mit den bekannten Problemen (vgl. Gramsch 2000). Das betrifft den Volksbegriff aber genauso wie den der Ethnizität. Die Existenz wie auch immer gearteter ‘Wir-Gruppen’ in der Vorgeschichte sollte weder selbstverständlich angenommen noch a-priori geleugnet oder einfach ignoriert werden. Wenn wir davon ausgehen, daß sie nicht naturwüchsig gegeben sind, können wir untersuchen, wie sie entstanden, wie stark ihr Zusammenhalt war und wie er gesichert wurde, und wie sie sich wieder auflösten. Dafür fehlt uns allerdings bis jetzt eine genügend differenzierte Terminologie.

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Schluß Ich hoffe gezeigt zu haben, daß eine Diskussion der Kulturentwicklung unter dem Gesichtspunkt der Identitätsbildung/Abgrenzung durchaus sinnvoll ist. Ob man dafür allerdings den Begriff der ethnischen Deutung/Ethnizität verwenden sollte, ist eine andere Frage25. Aber es scheint an der Zeit, über ‘erfundene Ge-meinschaften’ im der Vorgeschichte zu diskutieren und dabei die in der Praxis längst nicht mehr homogenen Kulturen hinter sich zu lassen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten der Gruppenbildung, deren detaillierte Untersuchung zu neuen Theorien über den Prozeß des Kulturwandels führen kann.Zu zeigen, daß Ethnizität eine historische Erscheinung ist, und wie plastisch sie unter bestimmten Umständen sein kann, hat dabei immer auch eine politische Bedeutung (vgl. Rowlands, dieser Band).

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25 Auch in der Sozialanthropologie ist der Nutzen des Konzeptes nicht unumstritten. So fragt H. Eriksen (1993, 157) im Abschlußkapitel seines Übersichtswerkes.: „Is it still analytically fruitful to think about the social world in terms of ethnicity? Perhaps a wider term, such as ‚social identity‘ would be more true to the flux and complexity of social processes“. 72

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Nations, cultures, and types: dismantling archaeological discourses of the Orcadian Neolithic and beyond Siân Jones, University of Manchester

"Some cultural ideologies seek temporal depth for modern homogeneity. They articulate an idiom of structural nostalgia: they seek to reconstitute perfect archaic forms out of modern cultural idioms and genetic phenotypes. Appealing to the idea of a corrupted world, they rebuild original texts (the folklorist’s Urtext), racial ideals (as in ethnic cleansing and Nazi obsessions with racial purity), and national arts. They construct claims of similarity - imperfect but recoverable - between modern and ancient cultures. These claims, which are essentially appeals for legitimacy on the basis of historical priority, are grounded in literalistic ideas about cultural content - that is about the etymological, archaeological, genetic, and ethnological data out of which historical continuities can be constructed. ... Because resemblance looks natural, challenges to such projections of iconicity are profoundly disturbing to those who have learned to accept them. In this way, resemblance perpetuates itself." (Herzfeld 1997, 58-59).

“one answer lies in these archaeologists’ willingness to act ‘in the service of the state’; the abandonment of evidentiary standards and adoption of obviously incorrect .... theory”. Through this and similar arguments nationalism is situated as an exterior force channelled through individuals or state institutions and the assumed purity of archaeological ‘facts’, and of the Academy itself, is apparently preserved. But if this is the case, why then, as the same authors argue, is there “an almost unavoidable or natural relationship between archaeology and nationalism” (ibid, 3), and why does archaeology appear “as a discipline almost in wait of state interference” (ibid. 8)? In trying to probe the roots of this relationship some have highlighted the coeval development of nationalism and archaeology and the extent to which the discipline is embedded in the institutions of the state (see contributions to Díaz Andreu/Champion 1995; Trigger 1995). Others have focused on the concepts and assumptions embedded in archaeological epistemology, particularly those concerning culture and ethnicity, and have argued that the development of these concepts has been strongly influenced by nationalist discourses (see Díaz Andreu 1996; Jones 1996, 1997).

It is now commonly acknowledged that archaeological enquiry is intimately bound up with the history of nationalism and the pursuit of particular nationalistic interests. Numerous case studies have been produced illustrating the role of archaeological activity in providing the kind of temporal depth for modern cultures that Herzfeld highlights. The iconicity of resemblance between past and present which these case studies reveal is powerful and striking: Masada providing a metaphor for Israeli defiance and endurance in the twentieth century (Zerubavel 1994); the Roman Empire providing British scholars of the late nineteenth and early twentieth century with a model for the British Empire and its imperial activities (Hingley 2000); early Christian art in Ireland providing an iconicity for modern Irish national symbolism and the ‘Celtic spirit’ more generally (see James 1999).

In this article I take up the latter argument and suggest that nationalist ideology has had a pervasive impact on archaeological enquiry generally, informing the very way in which we recognise and classify archaeological evidence; in effect how we constitute material remains as archaeological ‘facts’. Scholars of modern nationalism have shifted away from studying the overtly political and institutional contexts of nationalism to explore its banal operation in people’s everyday lives (see Billig 1995; Herzfeld 1997; Palmer 1988), likewise I intend to focus on the mundane workings of archaeological practice rather than the striking and explicit uses of archaeology in the service of the state that are now so renowned. Specifically I am going to examine the way in which resemblance and homogeneity are routinely attributed to Neolithic archaeological remains in Orkney (Scotland) leading to the production of coherent artefact and

Less attention has been devoted to why archaeology lends itself so readily to claims of similarity between modern and ancient cultures. For some commentators such cases are, at least in part, the product of inappropriate treatment of the evidence by particular individuals, or the undue influence of state institutions (see for example Kohl and Fawcett 1995; Anthony 1995). For instance, in asking why some archaeologies are so easily appropriated by the state, Kohl/Fawcett (1995, 6) argue that 79

Nations, cultures, and types: dismantling archaeological discourses of the Orcadian Neolithic and beyond

ges is one of neat, ordered categories of settlement, megalithic ritual and funerary monuments, and artefacts, which are associated with two partly contemporaneous cultures or phases. Else-where Colin Richards and I have reviewed the historical development of this classificatory framework through the work of Childe, Piggott, Renfrew and others in some detail (see Jones/Richards 2000; Richards 1995). Here it is sufficent to outline the orthodox framework that still prevails today which is made up of two Neolithic cultures (see, for example, Henshall 1985, 112; Ritchie 1985, 50-51). The first consists of an earlier Neolithic culture (dating to c. 3,500-2,800 BC) characterised by scattered farmsteads made up of one or two elongated oval houses, linear chambered tombs referred to as stalled cairns within the broader Orkney-Cromarty group of tombs, and round-based pottery, some of which is decorated round the collar and referred to as Unstan ware (see fig. 1). The second consists of a partly contemporaneous, but predominantly later, Neolithic culture (dating to c. 3,000-2,000 BC) characterised by villages made up of circular houses, passage graves with long entrance passages and a central internal structure with side-cells, and flat-based pottery, often possessing incised patterns, known as Grooved ware (see fig. 2) (Clarke/ Sharples 1985; Renfrew 1979). In addition the later cultural phase is also associated with the appearance of the henge monuments, the Ring of Brodgar and the Stones of Stenness. As in most regions, idealised ‘type sites’ are regarded as epitomising these two cultures, the settlement type site for the earlier Unstan ware culture being Knap of Howar, and for the later Grooved ware culture, Skara Brae. The terminology derived from these type sites and the schematic drawings employed in publications further reify and idealise these two archaeological types (see figs 1 and 2 for examples of such schematic drawings).

Fig. 1. Simplified plans of early Neolithic ‘type-sites’ and pottery in Orkney (after Ritchie 1985). Top:Midhowe, Middle: Knap of Howar, Bottom: Unstan ware.

monument categories and ultimately neat, bounded cultural entities. In examining how these classificatory processes operate through a specific example, I hope to reveal something about why archaeological knowledge provides such an ideal resource for cultural ideologies which ‘seek temporal depth for modern homogeneity’ (Herzfeld 1997, 58).

These two cultural phases are represented as neatly ordered, homogeneous entities and have had a profound influence on the way in which we think about this period of Orcadian prehistory. We are encouraged to evaluate the questions that we ask and to debate the interpretive solutions produced. As is commonly the case in archaeology these questions and debates have concentrated on the issue of change that is located at the spatial/temporal juncture of the two cultures outlines above (Jones/ Richards 2000, 104-5). Why or how did the architecture of the tombs and houses come to change? Why are the settlements apparently more concentrated in the later phase? What changes came about

The imposition of order on diverse and multivocal pasts: the case of the Orcadian Neolithic Despite having discussed the expectations of homogeneity, boundedness and resemblance which lie at the heart of archaeological concepts of culture at a theoretical level (Jones 1996), their power at a very basic level in terms of the creation of archaeological ‘facts’ only became apparent to me recently in the context of fieldwork in Orkney. Reading through the literature dealing with the Orcadian Neolithic period (c. 3,800 - 2,000 BC), the picture that emer80

Siân Jones

in society leading to these changes in architecture and settlement organisation? Were they a product of external cultural influences or internal evolution? These and other question regarding social change have been the focus of much recent work (e.g. Henshall 1985; Renfrew 1979; 1985; Hodder 1984; Richards 1990). In contrast, we are rarely encouraged to question the classificatory categories themselves, nor indeed would this be possible from much of the literature where the evidence is already constituted in terms of characteristic types representing two homogeneous cultures. Thus, whatever theoretical approach is adopted in attempting to interpret social change, culture historical, evolutionary, structuralist, all start out working with the same categories. Failure to question the underlying categories that frame our recognition and classification of archaeological facts is in part a product of the separation of theory and practice within the discipline and a misguided tendency to view fieldwork as the mere gathering of objective data (see Shanks/McGuire 2000 [1996] for a broader discussion). But paradoxically it is in the context of fieldwork that the hard, clear boundaries of our categories are fleetingly unsettled and resisted by the material we encounter, and their power in actively creating order out of chaotic, conflicting material, thus constituting the evidence in their own image, is exposed (see Downes/Richards 2000). Whilst encountering Neolithic archaeological remains during fieldwork in Orkney, I became uncomfortably aware of the ways in which the existing classificatory templates discussed above guided my experience and very recognition of the remains. The discrete uniform architectural and artifact types, and the homogeneous cultures they are associated with, tend to determine what features of a building or an object are meaningful, indeed to some extent even which ones are visible. On entering a tomb or excavating a house I found myself looking for the characteristic features of particular types. Did the tomb have a long linear chamber subdivided by large upright stones projecting from the walls creating ‘stalls’ (as in fig. 1), or did it have a central chamber of corbelled construction with radiating cells (as in fig. 2)? Was the house under excavation oval or circular in shape, and was it sub-divided internally in a cruciform manner by stone furniture or subdivided in a linear Fig. 2. Simplified plans of later Neolithic ‘type-sites’ and pottery in Orkney (after Ritchie 1985). Top: Quanterness, Middle: Skara Brae, Bottom: Grooved Ware from Barnhouse 81

Nations, cultures, and types: dismantling archaeological discourses of the Orcadian Neolithic and beyond

Fig. 3. Simplified plan of the Isbister tomb (after Henshall 1985)

Fig. 4. Simplified plan of the Unstan tomb (after Henshall 1985)

fashion into separate compartments extending away from the door (see fig 1 and 2)? One way or another it was usually possible to extract features which created a series of resemblances with one or other of the existing types and their associated cultures. The recognition of these characteristics allowed the architecture encountered to be slotted into a category, and in the case of newly discovered sites to attribute relative dates long before radiocarbon dates would be obtained. Initial categorisation also influenced what we went on to look for and what we expected to find (in a way comparable to the processes of recognition that Hodder (1999, 34-38) describes in relation to Haddenham causewayed enclosure in Cambridgeshire, Britain).

ber (in the manner of the passage graves) (fig. 3). In another case, Unstan, progressing down the long passage of what appeared to be a passage grave I found that I had entered, at its mid-section, a linear stalled interior chamber running at right angles to the passage (fig. 4). Similar unsettling experiences characterised our excavations of the Neolithic settlements of Stonehall and Crossiecrown (Richards et al. in prep.). At Stonehall, apparently early Neolithic houses of oval form were encountered in close association with one another rather than as dispersed farmsteads according to our pre-understandings. Furthermore, each house seemed to reveal unique combinations of elements. A curved wall that initially appeared to be part of a circular house turned out to be part of a distinctly D-shaped structure with a burial cist where we expected a hearth (fig. 5). In other cases, large paving stones which would ordinarily be expected outside of the building were located inside, and doorways were located in unexpected positions, disrupting the order of the idealised ‘type sites’. At Crossiecrown, one large house within the late Neolithic - early Bronze Age settlement was partially uncovered in 1998, when it was immediately assumed to be similar to House 2 at another Neolithic settlement, Barnhouse (see Richard 2005). Much confusion ensued when in 1999 further excavation revealed not only that it was architecturally different (fig. 6), but that the doorway had been incorrectly identified on the basis of this assumed similarity. Even in terms of the artefacts associated with these structures there

The process of experiencing archaeological remains, whether tombs or houses, therefore depends upon categories which are recognized through a powerful process of analogy and resemblance. The categories are thus perpetuated through a processing of drawing out similarities with pre-existing categories and a lack of attention to anomalies. Difference tends to be significant only when it coincides with the boundaries of our categories and hence is a distinguishing factor between uniform entities. However, disturbing anomalies and unsettling signs of diversity within categories fleetingly resist this classificatory experience. For instance, on entering some of the tombs, such as Isbister, I encountered a disturbing mixture of stalled divisions of a linear chamber (in the manner of the stalled OrkneyCromarty tombs) with cells radiating off that cham82

Siân Jones

Figure 5: Plan of D-Shaped house in Trench B at Stonehall.

are sometimes disturbing anomalies which do not fit with our expectations derived from our existing categories. For instance, the classic later Neolithic village, Rinyo, produce a mixture of the earlier Neolithic Unstan ware and the later Neolithic Grooved ware.

structed within them (Richards 1988). At a later date, after the passage had been blocked, small single burials were often placed in the top of them in stone box-shaped cists. During the 1st millennium BC and 1st Millenium AD they were often broken into from the top, or became the focus for settlement.

Finally many of the structures have been subject to modification and reuse over a period of time adding further ambiguities and anomalies. The houses are rebuilt, walls reused and incorporated into new buildings, doorways blocked and opened elsewhere, hearths removed from use, sealed with clay, and later reused, walls buttressed and extended. In the case of the tombs, the human remains within the tombs are sorted, moved in and out, and cairns may be modified and additional chambers con-

Such is the chaotic, messy and ambiguous character of archaeological remains, which is perhaps most evident in the context of direct engagement with them through fieldwork. But as I have tried to illustrate here, the process of archaeological reasoning results in the taming of this dissonance. Unsettling though it may be at times, the diversity and multivocality is reduced, ‘disciplined’, in order to produce the neat coherent ‘types’ and ‘classes’ 83

Nations, cultures, and types: dismantling archaeological discourses of the Orcadian Neolithic and beyond

Fig. 6. Plan of House 1 at Crossiecrown.

Fig. 7. Plan of House 2 at Barnhouse (after Richards 2005) 84

Siân Jones

we expect to find. Even when material remains simply will not be forced into pre-existing categories, ‘sub-types’ and ‘hybrids’ are created to overcome the problem and maintain the uniformity and boundedness of pre-existing ‘types’ and ‘classes’ (see Davidson and Henshall 1989 in relation to the chambered tombs). This process of imposing order is not usually a conscious one. Rather it is a result of the powerful position of analogy and resemblance in our subliminal habitual reasoning, drawing out features relating to existing categories and suppressing anomalies. The act of scrutinising this mode of reasoning is suppressed by a long tradition in archaeology of seeing them as inherent characteristics of the data itself (Miller 1985, 10-11). Consequently, most archaeologists are unwilling to confront the contingent nature of the resemblances on which they are based, at least in their archaeological practice. As Herzfeld (1997, 62-3) points out “ ‘sameness’ and ‘likeness’ have virtually been given the status of primary data, not problems worthy of investigation in themselves”. If, however, it is accepted archaeologists do not merely discover and assemble facts about the past, but actively ‘craft’ them out of existing knowledge (Shanks/McGuire (2000 [1996], 60) then it becomes both possible and profitable to scrutinise and debate the kinds of craft work that we engage in. In what follows I wish to examine and question the powerful influence of expectations of homogeneity and resemblance in the creation of cultural types and entities. If such resemblance and homogeneity is not inherent in the material we encounter, what are its historical roots and associations? How does its creation tie in with diverse contemporary communities and interests? And how might we engage in other kinds of craft work?

ry to dissect the ways in which cultural homogeneity, resemblance and difference are conceptualised within a nationalist framework. From a nationalist world-view, nations are considered to be discrete, homogeneous and integrated entities, almost on a par with traditional conceptions of the individual in western thought. As such, each nation is attributed its own autonomy and ‘will’, as well as a distinctive character and biography, including its birth, development, golden age, decline and fall. Since the emergence of cultural nationalism in the nineteenth century, the idea of culture has been central to nationalist discourse - it is culture which distinguishes one nation from another and which provides the content of national identity. The act of possessing a culture symbolises the nation’s individual existence. In Richard Handler’s (1988, 39) words “the assertion of cultural particularity is another way of proclaiming the existence of a unique collectivity”. Cultural resemblance has thus become central in the classification of people and stands in for their classification by nationality. In the modern era, nation states have devoted much time and energy to preserving such representations of the nation. State bureaucracies, with their immense power to command resources, are devoted to creating an impression of a core, natural homogeneous culture. They classify and quantify their populations, subject them to research and often engage in social engineering to increase solidarity and common identity. But, in practice most national cultures are heterogeneous, fluid and hybrid in nature - products of centuries of interaction with others, and active construction and manipulation by those in power. Faced with such disorder, which threatens the purity and autonomy of the nation, many states have attempted to suppress diversity through policies of assimilation, and control their borders in order to stem supposed sources of ‘impurity’. In more extreme forms of nationalism, states have even tried to erase all sources of heterogeneity, by excluding, or ‘weeding out’, those defined as ‘undesirables’, processes that are exemplified by forms of ethnic cleansing. In all cases, such acts are founded in, and justified by, an allusion of iconic purity lying at the heart of the nation and a need to control and curtail any perceived sources of pollution, whether these be youth non-conformism (as in the case of punk culture of the late 1970s), alternative life-styles (as in the case of the new age travellers in Thatcherite Britain), or immigrant minorities and asylum seekers (as currently domi-

Culture, classification and nationalist discourses Having illustrated the type of archaeological process that I wish to talk about, I now want to examine them in more detail and look at how archaeologists habitually reason, specifically in relation to typology. The act of classifying archaeological remains into types, classes and cultures plays a central role in the processes of tidying up the past that I have been talking about. These classificatory practices are I suggest historically linked to the emergence of nationalist discourses and tie in with particular communities of interest in the present, most obviously those concerned with the erosion/ suppression of diversity and of multivocality of the present. To explore this argument it is first necessa85

Nations, cultures, and types: dismantling archaeological discourses of the Orcadian Neolithic and beyond

nates the political agenda in many European nation-states).

basic classificatory categories. Furthermore, the notions of culture and society that they employ still carry over many of the same assumptions of holism and homogeneity, e.g. as in the case of systemic models of society with their segmentary components and organic solidarity, or structuralist approaches to culture with their emphasis on unifying binary oppositions.

Many recent scholars of nationalism have pointed out the role of scholarly research in forging an image of past and present cultural unity corresponding to the nation, even though that image is always to a greater or less degree illusory (see e.g. Grillo 1980; Handler 1988; Herzfeld 1997; Hobsbawm/Ranger 1983). Indeed this alliance is not merely restricted to the creation of convenient origin myths or particular interpretations of folk-culture, but can be traced to the very conceptualisation of culture. There are striking similarities between the way in which culture is conceived in nationalist discourses on the one hand and academic theory and practice on the other. Nationalist ideologies and social scientific enquiry - anthropology, archaeology, sociology etc - have developed in the same historical context - that of the post-Renaissance European world - and the two have reacted upon each other from their beginnings. Thus in the social sciences and humanities, cultures have been regarded as bounded, homogeneous entities, occupying exclusive spatio-temporal positions and which are assumed to be the normal and ‘healthy’ units of social life (Clifford 1988; Handler 1988).

So much for abstractions. In practice, just like nationalists, archaeologists find that their material is much messier and more chaotic. Like the inhabitants of nation-states, the material fragments of the past need to be worked on, the untidiness suppressed, diversity ‘weeded out’. As Strassburg eloquently argues, in archaeology, as in other disciplines, there is a powerful desire for purity, transparency, and order:

“Equally pressing is the corresponding dislike for what is chaotic [and] blury. Such disturbances to the preferred order constitute a problematic ‘noise’ to the archaeological discipline that constantly pollutes its frequency, as it were, and hinders it from becoming crystal clear. Sometimes, this noise is regarded as little more than an irritating nuisance to be ignored. Thereby, the alleged noise is mistaken for redundancy. Other times, almost a holy war is directed against the noise ...” (Strassburg 2000, 4).

In practice, the noise is filtered out by the classification of material into coherent types - artefact types, settlement types, burial types, etc. As I have tried to illustrate in relation to Neolithic archaeology in Orkney, these types are forged out of an array of diverse forms and decorative styles usually with reference to ‘type sites’ and expectations of a normative cultural tradition. Exceptions are noted and then largely ignored. Types that are out of place, chronologically or spatially, are often re-ordered through concepts of intrusion and residuality, which in many instances amount to a methodological sleight of hand rather than an interpretation based on direct stratigraphic evidence. Finally in the definition of cultural types themselves there is great emphasis on discovering the original form and meaning of an artefact or a site. Modification, reuse, and destruction are separated out in order to maintain the original pure form and style. Having imposed order on the untidy and often chaotic material fragments that we retrieve, we then use these types as the basic units of our analyses of cultural change, social evolution, social structure, ethnicity, gender, political organisation and so on. As a certain order has already been imposed upon the evidence in keeping with our expectations about normative processes and the nature of culture, history can then be made to unfold in a smooth,

The concept of an archaeological culture represents a particular variant of this formula. Bounded material culture complexes are assumed to be the material manifestation of past peoples, who shared a set of prescriptive learned norms of behaviour. Archaeological cultures came to be regarded as organic entities, just like national cultures. Like nations, archaeological cultures are also compared to individuals. Hence, Childe argued that through the identification of archaeological cultures prehistorians “...can recognise peoples and marshal them on the stage to take the place of the personal actors [individuals] who form the historian’s troupe.” (Childe 1940, 2). Thus, so often in the archaeological literature, cultures have been given their own agency, they ‘do’ things, they are the actors who make (pre)history. Furthermore, whilst it might be legitimately argued that these are the constructions of a now discredited form of archaeology, they still play a central role in the production of archaeological knowledge. Processual and post-processual archaeologists may declare themselves to be interested in more ambitious analytical and interpretive agendas than the mere documentation of past cultures. They may argue that they utilise different conceptions of society and agency. But, for the most part, as illustrated above, they still use the same 86

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co-herent linear narrative with periods of change e.g. transitions from one type of monument to another - and intervals of homogeneous empty time in between (cf. Fabian 1983, 23 on typological conceptualizations of space and time in relation to cultural entities).

powerful: we are creating an icon of contemporary nations (as represented within nationalist ideologies) in the archaeological record. Alternative archaeologies Having dissected these processes at work, how might they be counteracted and their powerful grip on archaeological practice dismantled? I have argued above that such categories are not inherent in the material remains themselves, but are a product of a particular way of working, a particular craft work, which is dominated by attention to resemblance and analogy. The reconstruction of past cultures and peoples and their distribution through space and time is no longer the main preoccupation of archaeologists as it was prior to the 1960s. Furthermore, the normative concepts of culture which underlie the classificatory processes discussed in this paper, have of course been criticised and replaced in the theoretical literature of the last three decades not least by practice (Bourdieu 1977) and structuration (Giddens 1984) theories which introduce elements of dynamism and strategic play to our understanding. Bourdieu (1977) for instance argues that culture (or habitus) consists of underlying subliminal structures which provide people who have grown up in that context with a sense, often unarticulated, of the correct way to do things. Put basically people have a sense of the ways in which things should be done, things like cooking food, making pots, greeting one’s mother in law, and building houses. These structuring structures have a generative power, providing principles for action, but the ways in which they are manifested in specific situations by specific people can lead to considerable diversity in practice. Furthermore, there is a transformative capacity in social practice as specific agents act tactically in specific contexts altering their habitual performances and transforming them in the process.

If such aspects of archaeological reasoning were merely restricted to contexts where they are directly associated with overtly nationalist agendas in the present then the relationship between nationalism could be portrayed as an external force perverting the course of objective science. However, similar processes can also be observed in the banal case of Neolithic Orkney. Here such archaeological reasoning does not obviously serve contemporary nationalist interests, territorial agendas or separatist desires. Orcadians do express a sense of identity distinct from mainland Scotland, but where history is drawn upon in this respect it is often a much later Viking/Scandinavian heritage. Here, it is this very banality - banal in the sense of commonplace rather than trite or inconsequential - which serves to illustrate the deeper more insidious relationship between nationalism and prevailing forms of archaeological reasoning. The main artefact and monument types that have long dominated Neolithic archaeology in Orkney provide the basic framework through which new evidence is constituted, recognised, interpreted. The diversity within typological categories is reduced by the tendency to focus on ideal types. Those sites and artefacts that refuse to be reduced to these types are identified as sub-types or idiosyncratic anomalies and become part of Strassburg’s background ‘noise’. It is the ideal types, stalled OrkneyCromarty tombs, passage graves etc., which then provide the basis for the production of archaeological knowledge as they form the building blocks in our analyses and interpretation of Neolithic society. Through this act the disturbing and ambivalent ‘noise’ is written out of our analyses. Furthermore, as Miller (1985, 2) points out, the hard bounded types and material categories produced often symbolically stand in for social categories. Hence archaeological types and cultures come to stand in for peoples/ethnic groups/nations. Here then is a clear example Herzfeld’s (1997, 68) process of iconicity at work through the role of resemblance in the classification of archaeological remains and subsequent distributional analysis of these classes. It does not matter whether in the process specific contemporary nationalist interests are explicitly served. The effect is much more subtle and more

Such theoretical work has at times led to a focus on how the deep, shared structures of the habitus are reproduced, in the process perpetuating a concern with resemblance in the archaeological literature. However, it can also be used to facilitate a new focus on ‘culture’ as heterogeneous, fluid, and ever changing by looking at the diverse ways in which these structures are manifested and transformed in social practice. There may be underlying structuring principles which are drawn on to reproduce the conditions under which people act, but they are constantly being re-worked and manipulated in different social encounters. It is this understanding 87

Nations, cultures, and types: dismantling archaeological discourses of the Orcadian Neolithic and beyond

of culture which is developed in more recent studies of the British Neolithic and Bronze Age (e.g. Barrett 1994; Thomas 1996).

an icon of our own immediate experience in the archaeological record: a world composed of rigidly demarcated, culturally homogeneous nations. The power of resemblance persists in our crafting of archaeological ‘facts’ in relation to pre-existing classificatory frameworks still dominated by rigidly demarcated, homogeneous entities whether these be ‘types’, ‘styles’ or ‘cultures’. The result is the production of a certain kind of past - one where heterogeneity and multivocality are suppressed and a single unilinear narrative focusing on neatly packaged entities dominates. The multiple meanings and voices of any past social reality are denied and this in turn enables the denial of alternative interpretations in the present. If a single authentic meaning and use can be attributed to an archaeological monument in the past, then it is all the easier to impose a singular interpretation and way of experiencing that material in the present.

Such arguments have been made many times in the theoretical literature and have to some degree influenced the interpretation of broad socio-cultural developments in archaeology. However, problematically, they have had very little influence on archaeological practices in the field, specifically those concerned with the recognition and classification of artefacts and structures. Here, as I have described, the desire to impose order through seeking out resemblance persists. One of the problems is that the categories that we utilise, ‘type’, ‘style’, ‘culture’, are all conceived of as bounded units or entities and this restricts them to the status of objects; timeless and closed (Thomas 1996, 75-6). Rather than relying on such categories as our experiential toolkit when encountering archaeological remains, we need instead to focus on exploring the series of historically embedded practices whereby underlying generative principles were manifested (and hence reproduced or transformed) in often quite distinct ways. It is a matter of shifting our focus from the search for resemblance to locating the highly personalised, distinct, idiosyncratic ways in which individual people had acted in response to specific circumstances, whilst drawing on common underlying principles. Such an approach does not erase categories from our thinking altogether, but it facilitates the recognition of their fuzziness and their indeterminancy, and it ensures they are utilised contextually, acquiring meaning through archaeological practice rather than as the hard bounded entities of neat abstract typologies. It also circumvents the tendency to see artefacts and monuments, for example chambered tombs or houses, as the product of single events with modification separated out and defined as ‘re-use’. In place of this view, stages of use can be considered part of an open-ended project, each representing a manipulation and reworking of what came before (see Richards et al., in Vorb.).

To return to the questions posed at the beginning of this paper, it is not merely the abandonment of evidentiary standards, or the existence of individual ar-chaeologists willing to place themselves in the service of the state, which leads to production of nationalist archaeologies. The relationship between archaeology and nationalism is far deeper and lies in the routine production of archaeological ‘facts’ in the context of fieldwork, and the failure to scrutinise this process due to a misplaced assumption that the artefact and monument categories involved are simply objective attributes of the material world. Of courses some form of taxonomy is inevitable otherwise we would not ‘know’ about the past at all. But equally it is important to scrutinise our craft, because “knowing about that knowing - i.e. how it works - undermines the tendency for taxonomy to become a hypostatized datum in its own right” (Herzfeld 1997, 63). Here I have tried to use that process of scrutiny to shed light on the relationship between archaeology and nationalism, and also to propose an alternative form of engagement with artefacts and monuments in the field in order to appreciate and account for the disorder, ambiguity and heterogeneity that we so often encounter.

Conclusions

Acknowledgements:

In his book Cultural Intimacy, Herzfeld (1977, 63) ventures that early twentieth century diffusionism in anthropology and archaeology created an icon of contemporary imperial mercantilism in the archaeological record. Similarly, I have argued here that in the more particularistic focus on archaeological types and cultures that emerged from the demise of hyper-diffusionism we have likewise constructed

I am grateful to Nick Card, Martin Carruthers, Jane Downes, Stuart Jeffrey, Richard Jones, Angus Mackintosh, Colin Richards and the students of Glasgow and Manchester Universities, I excavated with in Orkney. I am particularly indebted to Colin Richards for contributing to the development of many of these ideas and for providing critical com88

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ments on several versions of this paper. None of them are responsible for my own peculiar arguments, but without them these arguments would be much impoverished. Many thanks.

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90

Bandkeramische Stämme? Versuche zur Messung von Kommunikationsintensität Andreas Zimmermann, Universität Köln

Im folgenden soll die Frage, ob Unterschiede in der Verteilung materieller Kultur als Belege für politische oder soziale Grenzen gedeutet werden können, am Beispiel der Bandkeramik diskutiert werden. Die Bandkeramik (5.500-4.900 v. Chr. cal.) steht in Mitteleuropa am Beginn des Neolithikums. Bei der Untersuchung der Feuersteinrohmaterialien von bandkeramischen Inventaren in der Westfälischen Lößbörde fiel schon früher auf (z.B. Gabriel 1974), daß zwischen Werl und Soest der Anteil an Rijkholt-Feuerstein aus dem Gebiet um Maastricht (Abb. 1, Stern) auf geringer Distanz von West nach Ost deutlich abnimmt. In einer großräumig angelegten Studie konnte dies als Verbreitungsanomalie

bestätigt werden (Abb. 1 oben, westlich von Soest). Im bandkeramischen Verbreitungsgebiet Westdeutschlands zwischen Aachen und Frankfurt a. M. ließ sich eine derart krasse Veränderung der Rohmaterialanteile sonst nur noch einmal beobachten, nämlich in der Wetterau nördlich von Frankfurt zwischen Niedermörlen und Bad Nauheim einerseits sowie Butzbach und Griedel andererseits. Da die untersuchten Inventarumfänge der des letztgenannten, nördlichen Fundplatzpaares für eine sichere Aussage viel zu wenig umfangreich war, hat erst die später erfolgte Analyse der bandkeramischen Gefäßverzierungen durch J. Kneipp (1998 sowie in der Kurzfassung 1995) auch diese Verbreitungsanomalie in den Blickpunkt des Interesses gerückt (Abb. 2, südlich von Gießen). Kneipp ver-

Abb. 1 Anteil von Rijckholt-Feuerstein in Inventaren der mittleren Bandkeramik in Prozent. Das Gewinnungsgebiet ist am rechten Kartenrand mit einem Stern gekennzeichnet (nach Zimmermann 2002, Abb. 3b). 91

Bandkeramische Stämme? Versuche zur Messung von Kommunikationsintensität

Abb. 2 Darstellung der Ähnlichkeit von Bandtypenspektren in der späten und spätesten Bandkeramik (Zimmermann 2002, Abb. 3a).

wendet eine kanonische Korrespondenzanalyse, um die regionalen Unterschiede der Bandtypenhäufigkeiten quantitativ darzustellen.

setzung der Feuersteinrohmaterialien und in der Verzierung der Gefäße für zusammenhängende Symptome halten muß.

In jüngster Zeit konnte durch die Arbeit von A. Hauzeur (2006) eine weitere Kleinregion an der mittleren Mosel erkannt werden, in der sich die Rohmaterialspektren von Silexartefakten ebenfalls kleinräumig radikal verändern.

Sowohl in Westfalen als auch in der Wetterau teilt die Anomalie in der Fundverteilung einheitliche Naturräume, so daß man sie nicht als Reaktion auf eine unterschiedliche Ausstattung der Um-welt ansehen kann. Diese kulturgeographischen ‘Grenzen’ haben sich in zwei völlig unterschiedlichen Materialgruppen niedergeschlagen, die man ganz verschiedenen Sektoren des steinzeitlichen Lebens zuordnen wird (z.B. Keramik – weibli-che Tätigkeitssphäre, Silexartefakte – männliche Tätigkeitssphäre). Deshalb ist damit zu rechnen, daß sich auf beiden Seiten solcher Grenzen Men-schengruppen befanden, die kaum die sonst übli-chen Kontakte zwischeneinander pflegten. Streit oder zumindest gegenseitiges Unverständnis wäre eine Annahme, die ein solches Verhalten verständ-lich machen würde. Dies würde bedeuten, daß den betroffenen Menschen die Unterscheidung von ‘wir’ und ‘die anderen’ bewusst war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich bei diesen Gruppie-

Bei den Untersuchungen von Zimmermann handelt es sich um Rohmaterialspektren der einer „mittleren“ Bandkeramik (Phase III und IV sowie der ältere Teil der Phase V nach Meier-Arendt 1966). Kneipp konnte die erwähnten Unterschiede bei der Keramikverzierung in der späten und spätesten Bandkeramik beobachten (etwa Phase IV und V nach Meier-Arendt; Kneipp 1998, 157 ff. und 185 Abb. 62). Erklärung Die räumliche Koinzidenz ist so deutlich ausgeprägt, daß man die Unterschiede in der Zusammen92

Andreas Zimmermann

rungen um Differenzierungen handelt, die nur für den Archäologen in der historischen Distanz sichtbar sind.

zu erkennen (Richter 1997, Karte II.2 Neolithikum 1, Alt- und Mittelneolithikum; Preuss (Hrsg.) 1998 Karte 1). Das Beispiel aus Hessen wurde von Th. Saile auf genauerem Niveau bearbeitet (Saile 1998, 143 f. mit den Abb. 200 und 201). Auch hier steht das quellenkritische Argument (Saile diskutiert die Reliefenergie) der Sicht als kulturgeschichtliche Grenze gegenwärtig gleichberechtigt gegenüber. In der heute nicht mehr gebräuchlichen Terminologie von Jankuhn könnten diese Zonen verringerter Fundstellendichte als ‘Ödmarken’ zwischen verschiedenen ‘Stämmen’ angesehen werden (Jankuhn 1977, 187). Auch frühe Ethnologen wie Morgan (1877) hätten wenig Zweifel gehabt, die genannten Beobachtungen mit dem Begriff Stammesgrenzen zu erklären.

In den beiden Fällen, in Westfalen und wie auch in der Wetterau könnte man als Ursache für Streitigkeiten Zugangsrechte zu einer besonderen Ressource, dem Salz, vermuten, das örtlich in Form von Salzquellen zu Tage tritt. Bei einer anderen Überlegung wäre in den Vordergrund zu stellen, daß es sich bei dem fraglichen Phänomen um eine Erscheinung von über 100jähriger Dauer handelt. Dies könnte man mit der Ausbreitung bandkeramischer Lebensweise am Beginn des Neolithikums in Zusammenhang bringen. Die Erschließung der südlichen Wetterau würde man aus dem Süden, die der nördlichen Wetterau eher aus dem Osten erwarten. Dies wäre ebenfalls die Diffusionsrich-tung nach Ost-Westfalen, während die Wurzeln der bandkeramischen Bevölkerung um Werl eher in Richtung der Rheinischen Bucht vermutet werden dürfen. Bei dieser Vorstellung wären gemeinsame Verwandtschaftsbeziehungen und Allianzen einige Gründe, weshalb die Kommunikationsintensität innerhalb dieser Traditionslinien enger war als zwischen verschiedenen Ausbreitungsrichtungen. Deshalb wäre es sogar möglich, daß entlang dieser Verbreitungsanomalien eine Art Sprach- oder Dialektgrenze verlief, auch wenn dies nie beweisbar sein wird.

Nachdem heute jedoch die unscharfe Bedeutung des Begriffs ‘Stamm’ herausgearbeitet ist - M. Fried (1975) benennt deshalb in seinem Buch The notion of tribe ein Kapitel „Do tribes exist?“ - fehlt den Archäologen ein einfacher, auch NichtFachleuten leicht verständlicher Begriff, mit dem die vorliegenden Beobachtungen beschrieben werden können. Dies ist um so bedauerlicher, als die ersten Fragen der Öffentlichkeit an den Facharchäologen lauten: „Wer hat das gemacht?“ und „Wie alt ist das?“ Können die genannten Beispiele mit dem Terminus ‘kulturgeschichtliche Grenzen’ belegt werden, obwohl möglicherweise vorhandene soziale Einheiten in der Größenordnung von Stämmen keinesfalls vollständig territorial abgegrenzt werden können? Nur in Teilsegmenten erkennen wir ehemals existierende Ungleichheiten. Vielleicht war auch für die steinzeitlichen Akteure die Abgrenzung von sozialen Einheiten in der Größenordnung von Stämmen in dichter besiedelten Gebieten weniger deutlich?

Ein neues Argument könnte diese Sicht erhärten. Bei der Analyse großräumiger Punktverbreitungskarten kann man für die Bandkeramik auch innerhalb naturräumlich gleich ausgestatteter Gebiete Zonen unterschiedlicher Fundstellendichte beobachten. Wir sind es seit den grundlegenden Schriften zur archäologischen Landesaufnahme (Tode 1926) und zur Siedlungsarchäologie (Jankuhn 1977) gewöhnt, diese Unterschiede auf quellenkritische Probleme zurückzuführen. Es wäre aber verkehrt, aus diesem Problembewußtsein die Er-wartung abzuleiten, daß man innerhalb einheitlich ausgestatteter Naturräume mit konstanten Bevöl-kerungsdichten zu rechnen habe. Besonders gut untersuchte Regionen, z. B. die Aldenhovener Platte in der Rheinischen Bucht, wo im Zuge des Braunkohleabbaus flächendeckende Surveys stattfanden, belegen das Gegenteil.

Literatur Fried 1975: M. H. Fried, The Notion of Tribe (Menlo Park 1975). Gabriel 1974: I. Gabriel, Zum Rohmaterial der Silexartefakte im Neolithikum Westfalens und Nordhessens. Antiquitas R. 2 Bd. 10. Festschrift K. Tackenberg (Bonn 1974) 25-45.

Positiv läßt sich gegenwärtig festhalten, daß alle drei genannten kulturhistorischen Grenzen in solche Bereiche verringerter Fundstellendichten fallen. Dies ist für die Mosel und Westfalen leicht auf den großräumigen Punktkarten zur Bandkeramik 93

Bandkeramische Stämme? Versuche zur Messung von Kommunikationsintensität

Hauzeur 2006: A Hauzeur, Le Rubané au Luxembourg. Contribution à l’étude du Rubané du Nord-Ouest européen, ERAUL 114, 2006. (Dossiers d’Archéologie 10).

Preuß 1998: J. Preuß (Hrsg.), Das Neolithikum in Mitteleuropa. Kulturen - Wirtschaft - Umwelt vom 6. bis 3. Jahrtausend v. u. Z. - Übersichten zum Stand der Forschung (Weissbach 1998).

Jankuhn 1977: H. Jankuhn, Einführung in die Siedlungsarchäologie (Berlin, New York 1977).

J. Richter 1997: J. Richter unter Mitarbeit von E. Claßen mit einem Beitrag von A. J. Kalis und J. Meurers-Balke. Neolithikum. Geschichtl. Atlas Rheinlande. Beih. II 2.1 2 (Köln 1997).

Kneipp 1995: J. Kneipp, Innvovationsfreudigkeit und Traditionalismus im Frühneolithikum zwischen Rhein, Weser und Main. Arch. Informationen 18, 1995, 45-52.

Saile 1998: Th. Saile, Untersuchungen zur ur- und frühgeschichtlichen Besiedlung der nördlichen Wetterau. Materialien zur Vor- und Frühgeschichte von Hessen 21 (Wiesbaden 1998).

Kneipp 1998: J. Kneipp, Bandkeramik zwischen Rhein, Weser und Main. Studien zu Stil und Chronologie der Keramik. Universtätsforsch. Prähist. Arch. 47 (Bonn 1998).

Tode 1926: A. Tode, Organisation und praktische Durchführung einer allgemeinen archäologischen Landesaufnahme. Vorgesch. Jahrb. 3, 1926, 10-21.

Meier-Arendt 1966: W. Meier-Arendt, Die bandkeramische Kultur im Untermaingebiet. Veröff. Amt Bodendenkmalpflege Reg.-Bez. Darmstadt 3 (Bonn 1966).

Zimmermann 1995: A. Zimmermann, Austauschsysteme von Silexartefakten in der Bandkeramik Mitteleuropas. Universitätsforsch. Prähist. Arch. 26 (Bonn 1995).

Morgan 1976: L. H. Morgan, Die Urgesellschaft “Ancient Society”. Untersuchungen über den Fortschritt der Menschheit aus der Wildheit durch die Barbarei zur Zivilisation. Nachdruck der Ausgabe von 1908 (Lollar 1976).

Zimmermann 2002: A. Zimmermann, Die ersten Bauern, Bandkeramik. In: Menschen, Zeiten, Räume. Archäologie in Deutschland (Katalog Berlin 2002) 135-138.

94

Zu Mobilität und Grenzen in der Bronzezeit Albrecht Jockenhövel, Münster

Die durch die archäologische Quellenüberlieferung in unterschiedlich hohem Maße gefilterte und weitgehend auf haltbare Materialien reduzierte Sachkultur ist a priori jedoch nicht identisch mit diesen ‘frühen Völkern’, d. h. die jeweilige Verbreitung materieller Güter beruht auf anderen Mechanismen. Insofern kann für die Bronzezeit die alte, im 19. Jahrhundert Europas wurzelnde, mit allen Mitteln gesuchte Übereinstimmung von Volk, Sprache, Nation und Territorium (vgl. Wolf 1994, 1-12; Veit 1994; Banks 1996) als Mittel für die ethnische Zuweisung der bronzezeitlichen Kulturhinterlassenschaften nichts taugen. Wenn ich die Bronzezeitforschung richtig überblicke, verfolgt auch kein seriöser und verantwortungsbewußter Archäologe diese Richtung.

Die Bronzezeit Alteuropas ist die letzte Geschichtsepoche, in der namenlose Menschen und Menschengruppen handelten. Schon aus der nachfolgenden Eisenzeit sind aus antiken Nachrichten und den ältesten Schriftdenkmälern bereits Personen, Personengruppen, Stämme bzw. Ethnien namentlich bekannt. Wenn wir die ältesten Völkertafeln Homers, Hekataioses und Herodots richtig lesen, ist an einer Existenz vieler unterschiedlicher Ethnien nicht zu zweifeln1. An Sprachen hörte man in der vorrömischen Eisenzeit Europas zum Beispiel Indoeuropäisch, Semitisch oder andere nicht-indoeuropäische Sprachen2. Wie tief diese Sprachvielfalt in die ältere Eisenzeit zurückverfolgt werden kann, ist noch offen, jedoch liegen aus dem mittleren und westlichen Mittelmeergebiet schon aus dem 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. entsprechende Sprachdenkmäler für das Griechische, Etruskische und Phönizische vor. So wie selbstverständlich die antiken Schriftsteller, Geographen und Historiker ‘Völker’ mit ihren Namen, ihren Ethnonymen, kennzeichneten, so werden diese ‘Völker’ in den vorangegangenen Zeiten, während ihrer Ethnogenese, d. h. mindestens seit dem Übergang von der Späten Bronzezeit zur Früheisenzeit existiert haben3. Insofern muß m. E. auch die Bronzezeitforschung in der Theorie an dem Anspruch festhalten, zu den räumlichen Wurzeln der ‘Völker’ Alteuropas vorzudringen. Ob dies in der Praxis gelingen kann, ist jedoch fraglich, bleibt doch die überlieferte Sachkultur stumm. Ein Zitat Strabons (Geographica 7,5,4) belegt jedoch auch die Vielschichtigkeit einer ethnischen Zuweisung, der sich die antiken Geographen gegenüber sahen. Strabon sagt von den Japoden, sie würden sich wie die anderen Illyrer und Thraker tätowieren, hätten aber die keltische Bewaffnung übernommen (Müller-Karpe 1951, 610).

Ein gewichtiger Schwerpunkt der Bronzezeitforschung Europas ist die Gliederung des Fundstoffes nach Zeit und Raum. Vorrangiges methodisches Mittel ist - seit Oscar Montelius - die sachgerechte Anwendung der typologischen Methode (Montelius 1903; vgl. Kunst 1982). Auch diesem Ziel hat sich seit Beginn des Unternehmens im Jahre 1965 das Forschungs- und Editionsprogramm “Prähistorische Bronzefunde” verschrieben4. Die Bereitstellung adäquat aufbereiteter Originalmaterialien ermöglicht historische Auswertungen (vgl. hierzu Müller-Karpe 1974, 7), beispielsweise zum Fundzusammenhang, zum Gebrauch, zu sozial-, wirtschafts- und religionsgeschichtlichen Aspekten. Der in jüngster Zeit verbreiteten Meinung (Brather 2000, bes. 156 ff), daß die Aufstellung von definierten Typen, ihre Addition zu Formenkreisen und in Kombination mit anderen Merkmalen zu geographisch umschriebenen ‘archäologischen

1 Vgl. Müller (1972); Timpe (1999); siehe auch Lund (1990); Sieberer (1995), zusammenfassend vgl. Kristiansen (1998). 2 Vgl. Untermann (1980); Karte bei Kimmig (1983, Abb. 1). 3 Vgl. Bernhardt/Kandler-Pálson (1986); Pulpudeva 6, Ethnogenése des peuples balkaniques (1993) mit mehreren Beiträgen, darunter exemplarisch: Meier-Arendt (1993); vgl. auch Parzinger (1991). 4 Grundsätzliches Müller-Karpe (1973). 95

Zu Mobilität und Grenzen in der Bronzezeit

Kulturen’, ‘Gruppen’ und ‘Gruppierungen’5 sowie ‘Fazies’6 nur wissenschaftliche Konstrukte des jeweiligen Forschers seien, kann ich nur eingeschränkt zustimmen. Der vom vorgeschichtlichen Menschen jeweils geschaffene Kulturapparat ist soweit durch “Überreste” (Johann Gustav Droysen) erhalten geblieben - ein raumzeitliches Abbild menschlichen differierenden Handelns, Denkens und Glaubens, das ohne Einbindung in dynamisch verlaufende soziale, religiöse, ökonomische und ökologische Rahmenbedingungen nicht verständlich ist. Mit zunehmender Komplettierung und Durchdringung des Fundstoffes wuchs jedoch auch die Erkenntnis, daß die einer archäologischen Kultur in einem angeblich geschlossenen Gebiet eigenen gleichartigen Züge und Traditionen (materielle Kultur, Siedlungsform, Wirtschaftsweise, Grabritus)7 niemals räumlich zur Deckung gebracht werden können, es also keine scharf umrissenen und in sich geschlossenen ‘Gruppen’ gab. H. Müller-Karpe bezweifelte bereits 1973 die Existenz von ‘Kulturgruppen’: “Je weitergehend die Bronzefunde nun aufgearbeitet und dabei auf ihre typologische Feingliederung ebenso geachtet wird wie auf das allgemeine Fund- und Kulturmilieu, [...] desto deutlicher tritt in Erscheinung, daß man allein mit dem Interpretationsmodell der ,Kulturgruppe’ dem vorhandenen Denkmälerbestand nicht gerecht wird. Und dies offensichtlich nicht nur deshalb, weil das zugängliche Fundgut zur Erkenntnis solcher ,Kulturgruppen’ noch nicht ausreicht, sondern weil es ,Kulturgruppen’ der vielfach postulierten Art in der Regel gar nicht gegeben hat” (Müller-Karpe (1973, 19). Der Fundstoff einer Fundlandschaft gehört nach Müller-Karpe (1975, 74-81) zu sehr unterschiedlichen Bereichen, die er wie folgt gliederte: - Produktionskreise und -bereiche, - Trachtkreise und -bereiche, - Bewaffnungskreise und -bereiche, - Stilkreise und -bereiche, - Technikkreise und -bereiche, - Siedlungskreise und -bereiche, - Sepulkralkreise und -bereiche,

- Symbol- bzw. Kultkreise und -bereiche, - Katastrophenkreise u. a. In meinem kurzen Vortrag kann ich diese Einzelbereiche nicht alle vorstellen, es geht aber allein aus den Stichworten hervor, daß für die für jeden Bereich der bronzezeitlichen Kultur wichtigen Fundgruppen niemals eine räumliche Deckung im Sinne des Konzepts eng umrissener Kulturgruppen erzielt werden kann und wird. Ich beschränke mich im folgenden auf einige wenige Bereiche, die stets zu den wichtigsten Eigentümlichkeiten des vorgeschichtlichen Menschen gehören: auf die Tracht bzw. das Trachtzubehör und auf die von ihm hergestellte Keramik. Bei diesen beiden Bereichen kann man a priori davon ausgehen, daß sie einerseits Zeugnisse eher kleinräumiger Art sind, sie andererseits gleichzeitig auch wichtige Bedeutungsträger für die jeweiligen Personen- und Sozialverbände waren, d. h. identitätsstiftende Funktionen ausübten. Paläodemographische Rahmenbedingungen der bronzezeitlichen Gruppenverbände Für den Komplex Ethnos, Stamm, archäologische Gruppierung usw.8 ist es zunächst methodisch von Bedeutung, sich eine Vorstellung davon zu machen, wie groß überhaupt bronzezeitliche Gruppenverbände waren, die sich zusammengehörig fühlten (sog. ‘Wir-Gruppen’, vgl. Rittershofer 1997). Wir können davon ausgehen, daß auch in der Bronzezeit die ‘Familie’ die kleinste soziale Gruppe bildete. Ihre Mitglieder wohnten zusammen und wurden auf den Gräberfeldern in sogennannten Familienbezirken bestattet: vgl. exemplarisch die Struktur auf den Gräberfeldern von Gemeinlebarn F (Teschler-Nicola/Prossinger 1997, 43-57), Franzhausen (Berner 1997), Großbrembach (Ullrich 1972), Volders (Sperber 1992a; Sperber 1992b) oder Vollmarshausen (Bergmann 1982). Dies bestätigen sowohl archäologische (z. B. Mehrfachbestattungen von Mann, Frau, Kindern usw.) wie auch anthropologische (somatische, molekularbiologische Befunde)9. Die Größe dieser familiär strukturierten

5 Begriff geprägt von Kubach (1974). 6 Verwendet von Jockenhövel (1974). 7 Vgl. die klassische Formulierung bei Fischer (1956, 254ff): “Wir bestimmen das Wesen von vorgeschichtlichen Kulturen durch eine Reihe von Momenten, im Einklang mit dem uns zur Verfügung stehenden Quellenstoff, wie Kunstgewerbe, Geräteindustrie, Siedlungsform, Wirtschaft, Grabritus”; siehe auch Fischer (1987); zum Kulturbegriff Hachmann (1987). Zu Gustaf Kossinna: Paul Reinecke; Martin Jahn; Ernst Sprockhoff; Gero von Merhart; Oswald Menghin; Ernst Wahle; Vladimir Milojčić; Vere Gordon Childe; Lewis R. Binford; Wotzka (1993). 8 Instruktiv Angeli (1991). 9 Osteologische und molekularbiologische Verwandtschaftsanalyse: Stuchliková u. a. (1985, Tabelle): Epigenetische Merkmale und Blutgruppenangehörigkeit sprechen für eine Familie mit rascher Kinderfolge, fast jedes Jahr eine Geburt; Großbrembach: Ullrich (1972, 47 ff), zur Alteisenzeit vgl. Alt u.a. (1995); Alt/Vach (1994). 96

Albrecht Jockenhövel, Münster

Sozialverbände betrug ca. zwischen vier und 100 Personen. Man nimmt an, daß lediglich die großen befestigten Siedlungen der ausgehenden Bronzezeit von wesentlich mehr Menschen, vielleicht bis zu 500-1000 Personen, bewohnt wurden. Es handelt sich somit zumeist um kleine und kleinste Lokalpopulationen bzw. Fortpflanzungsgemeinschaften, die - um dem drohenden Isolat zu entgehen (vgl. Schwidetzky 1978) - auf bestimmte Residenzregeln (patrilokal, matrilokal usw.), d. h. vor allem auf Endo- oder Exogamie, somit auch auf räumliche Mobilität von Männern und Frauen angewiesen waren, die sich gelegentlich im archäologischen Befund niederschlägt.

Die räumlichen Distanzen von Ausheiraten in die ‘Fremde’ (sog. Xenogamie) bewegen sich in der Regel zwischen 50-200 km, eher zwischen 50-100 km, selten darüber hinaus11. Fast gesetzmäßig schält sich heraus, daß solche ‘Fremde Frauen’ nur bis in ihre jeweilig direkte Nachbargruppe gelangten12. Offenbar kann dieses Modell auch auf den Aktionsradius bzw. eventuell auf eine Ausheirat von Männern dieser Zeit angewendet werden13. Damit entspricht diese räumliche Dimension in etwa der räumlichen Ausdehnung subneuzeitlicher Trachtlandschaften und Heiratskreisen14. Die Kartierung von Schmuckgarnituren aus böhmischen (Kytlicová 1975, Abb. 8), mitteldeutschen (v. Brunn 1968, Karten 19, 20) und polnischen (Blajer 1996) Hortfunden liefert ein ähnliches Bild der räumlichen Struktur von abgrenzbaren, zeitgleichen Mustern von Trachtkombinationen, die das aus den Grabfunden gewonnene Bild bestätigen. Innerhalb solcher geschlossenen Trachtkreise lassen sich eventuell auch noch kleinregionale Heiratskreise erkennen, so z. B. aufgrund gewisser Schmuckensembles in der mittelbronzezeitlichen Lüneburger Gruppe (vgl. Lehmkühler 1991; Laux 1996).

Zur Mobilität in der Bronzezeit Zur Mobilität von Personen Modellhafte Untersuchungen aus der vorrömischen Eisenzeit und dem Frühmittelalter aufgreifend (Krämer 1961; Werner 1970), wurde für die mittlere Bronzezeit im Jahre 1991 ein Modell der individuellen Mobilität von Frauen während der mittleren Bronzezeit im westlichen Mitteleuropa mit ihren gut umschreibbaren Trachtregionen entwikkelt (Jockenhövel 1991). Zugrunde liegt der Methode das Konzept der sog. “Fremden Frau” (Krämer 1961): Frauen tragen eine von ihrer Umgebung, ihrer Regionalgruppe abweichende Tracht bzw. Trachtbestandteile (Trachtzubehör) und sind somit als aus der ‘Fremde’ stammende Person nicht nur für uns heute archäologisch erkennbar, denn dieser vestimentäre Kontrast, die “fremde Tracht”, war selbstverständlich auch der damaligen Lokalgruppe bewußt und sie tolerierte es in bestimmten Einzelfällen, was wiederum auf die Stellung dieser Frauen, auf ihr Selbstbewußtsein, auf ihr Integrationsvermögen usw. schließen läßt. Nach meinen Vorstellungen läßt sich diese Erscheinung am besten mit der Ausheirat bzw. Einheirat von Frauen erklären10.

Gemäß der mittelbronzezeitlichen Quellenüberlieferung erfassen wir heute ‘fremde Personen’ nur aufgrund ihrer reicheren Ausstattungen. Diese Personen gehörten demnach zur damaligen Oberschicht (Blajer 1996: “Prinzessinnen”). So liegt die Vermutung nahe, daß es sich nicht um zufällig oder absichtlich (durch auch in der Antike belegten Frauenraub) außer Landes gelangte und in der ‘Fremde’ verstorbene Personen handelt, sondern daß dahinter eine wie auch immer geartete Absicht lag, wie das Anbahnen verwandtschaftlicher Verknüpfungen, zum Beispiel als Bekräftigung von interregionalen Allianzen. Möglicherweise handelt es sich auch um herrschaftliche Überschichtungen15.

10 Vgl. auch Bouzek (1997); Benkovsky-Pivovarová (1996); Zich (1992); Hansen (1994, Abb. 195) Beispiel Polsingen, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen mit Teilgarnitur aus der Ostschweiz (Entfernung ca. 250-300 km). Zuletzt Geschwinde (2000, 161 ff.). 11 Jockenhövel (1991, Abb. 1); Wels-Weyrauch (1989b, bes. 121 Abb. 2): “Schema der typischen Bronzeformen in Frauengräbern der mittelbronzezeitlichen Gruppierungen Süddeutschlands”. - Wiegel (1994); Wiegel (1995). 12 Davon jedoch deutlich abweichend als Einzelfall die ‘Fremde Frau’ von Fallingbostel, Kr. Soltau, die aus einer Entfernung von über 800 km von der mittleren Donau nach Norddeutschland gelangte, wo sie zu ihrer angestammten Tracht eine einheimische Flügelhaube (als Zeichen ihrer Stellung als verheiratete Frau?) aufsetzte: zusammenfassend Laux (1996). 13 Wels-Weyrauch (1989a): Ein offenbar von der Schwäbischen Alb stammender Mann wurde im ca. 200 km entfernten oberbayerischen München-Obermenzing begraben. 14 Vgl. einen Heiratskreis des Ancien Regime in Frankreich: Braudel (1990, 310) mit Karte mit solchen der jüngeren Vergangenheit: Helm (1934); Schmidt u. a. (1986); Lehmkühler (1991), dort ältere Literatur. 15 Vgl. die Überlegungen von Laux (1995). 97

Zu Mobilität und Grenzen in der Bronzezeit

Die landschaftlich sich verändernden Tracht- bzw. Trachtzubehörkombinationen spiegeln nicht nur vordergründig bestimmte Werkstattbereiche bzw. -stile wieder, sondern sie sind zugleich Ausdruck und Abzeichen der sozialen Struktur der Gruppe, denn das äußere Erscheinungsbild ist zugleich Spiegelbild des gesamten Lebenszusammenhanges. Die Ausstattung von Männern und Frauen kann - parallel zu deren sozialer Position - in Relation gesetzt werden zu den jeweiligen Altersstufen und dem ‘Familien’-Stand der Personen. So zeigt sich in der Lüneburger Gruppe und im Nordischen Kreis eine Akkumulation von Trachtbestandteilen, die offenbar mit dem Wechsel der Altersstufen und der damit verbundenen neuen Rolle der Personen, vor allem der weiblichen, einher geht. Kinder haben einen Grundbestand an Schmuckteilen, der im Erwachsenenalter erweitert wurde (Laux 1996; Willroth 1990, bes. 553 f.; Steffgen 1998). So liegt es nahe, bei Frauen mit einem bestimmten Habitus an verheiratete und unverheiratete Personen zu denken, die später - wiederum anders gewandet als ‘alte Frauen’ (darunter auch ‘Witwen’) erkennbar waren. Insofern ähneln in ihrer Aussagekraft die bronzezeitlichen Trachten bzw. das Trachtzubehör durchaus den seit ca. 50-100 Jahren verschwundenen bäuerlichen Volkstrachten16. Offenbar waren beide ein visueller Ausdruck persönlichen Selbstbewußtseins, des individuellen Reichtums, des sozialen Rangs, des individuellen Lebensalters und der individuellen Lebenssituation. Diese vestimentär gebundenen Zeichen waren den bronzezeitlichen Zeitgenossen sicher auch bewußt, besonders in den Fällen, in denen die ‘fremde Tracht’ der lokalen Konvention gegenüberstand.

-einmalige oder kontinuierliche Migration, von Einzelpersonen bis zu größeren Personengruppen, -Bevölkerungsverschiebungen, -Landnahmen, -Land- und Seereisen bzw. -expeditionen17, -Gründung von Emporien und Kolonien, Enoikismus18, -Gesandtschaften (Wachsmann 1987), -Gütertausch (‘Handel’, Dobrowski 1992; umfassend Hänsel 1995), -Gastgeschenke, -Gabentausch (Hansen 1995), -Heiratsgut, Brautpreis (Schmitz 1999) -Güter als Bestätigung von Allianzen (Rowlands 1980), -Weihegut (Kilian-Dirlmeier 1984); (Neugebauer/ Stöllner 1994), -Raub, Piraterie, Plünderei, -Irrfahrten, -Reisläuferei usw., -Wanderhandwerker. Fast alle diese Vorgänge, soweit sie nicht nur schriftlich belegt sind, lassen sich im Fundstoff der alteuropäischen Bronzezeit wiederfinden bzw. belegen. Zu Grenzen in der Bronzezeit Die Bronzezeitforschung hat fachimmanent gleichfalls auf der Grundlage von unzähligen Typbeschreibungen von Fundgattungen (bes. Bronzen und Keramik) und ihrer chronologischen Ordnung und chorologischen Gruppierung eine Vielzahl von (sog. archäologischen) Kulturen, Kulturkreisen, Kulturgruppen, Gruppierungen und Fazies erarbeitet, die bis vor wenigen Jahrzehnten zumeist als real existierende, historisch handelnde Gebilde interpretiert wurden (z. B. ‘Urnenfelderbewegung’, ‘Große Wanderung’). Sie wurden zudem mit spezifischen Ethnika verbunden (z. B. ‘Urgermanen’, ‘Urkelten’, ‘Urillyrer’, ‘Urslawen’, ‘Urbalten’). Heute ist sich die Bronzezeitforschung weitgehend einig, daß sich auf vielerei Ebenen - vgl. die eingangs geschilderten Bereiche nach Müller-Karpe unterschiedliche Gruppierungen bilden, die sich einer ethnischen Deutung auf dem direkten oder regressiven Wege entziehen.

Zur Mobilität von Gütern Neben dieser, nur in Einzelfällen erkennbaren, auf persönlicher Mobilität von Personen und der mit ihnen ursächlich verknüpften Vermittlung von Gütern hat es in der Bronzezeit eine vielfältige Mobilität von Personen und von Personengruppen sowie von immateriellen und materiellen Gütern gegeben. Der archäologische Nachweis ist jedoch nicht immer leicht zu führen. Als Wirkkräfte für die Mobilität von bronzezeitlichen Gütern kommen, auch in Analogie zu historisch bekannten Vorgängen, in Frage:

16 Vgl. Böth (1994). Instruktiv auch Schellmann u.a. (1983, bes. 13-21). 17 Kilian (1993); Giardino (1995); Werner (1990); Muckelroy (1981, Abb. 1): Spätbronzezeitliche Schiffswracks in England mit “kontinentaler” Fracht; Pfeiffer-Frohnert (1997). 18 z. B. die griechische und phönikische Kolonisation: Niemeyer (1984, bes. 29 ff). 98

Albrecht Jockenhövel, Münster

Zu Interaktionen und Grenzen von Siedlungsverbänden in der Bronzezeit Durch eine Vielzahl von Kartierungen unterschiedlicher Fundgruppen, insbesondere solchen mit einer stärkeren regionalen Bindung wie Keramik und Schmuckgarnituren sowie Gerätschaften zum täglichen Gebrauch und regional gebundenen Bestattungssitten usw. sowie dem Einzugsbereich von offenen und befestigten Siedlungen kann die territoriale Größe bronzezeitlicher Personalverbände abgeschätzt werden. A. Harding kam unter Berücksichtigung verschiedener Verbreitungsbilder zum Ergebnis, daß ein bronzezeitliches Kernterritorium eine Fläche von ca. 100-200 km im Durchmesser umfaßte (Harding 1997). Diese ’Mesoregionen’ zerfallen noch einmal in mehrere ‘Mikroregionen’ von nicht mehr als ca. 20-200 qkm19. Innerhalb der archäologischen Fundgruppen kommt der von Natur aus “ortskonstanteren” Keramik eine regionale Leitfunktion zu. Ausgehend von einer weitgehend materialbedingten Immobilität der zerbrechlichen Gefäße ist ihre Technologie, ihr Stil und ihre Ornamentik zumeist kleinräumig verbreitet20. Bei einigen Gruppen gelingt es, die technologischen und ornamentalen Interaktionen zu bestimmen. Hierfür stehen zwei Fallbeispiele: Zu den Leitformen der inneralpinen Jungbronzezeit gehört die sog. Laugener Keramik. Schwerpunkte ihrer Verbreitung sind die Alpenregionen zwischen Vorderrhein/Engadin und Osttirol/Steiermark/Kärnten. Mineralogische Untersuchungen konnten nachweisen, daß innerhalb des westlichen Verbreitungsbereiches Laugener Keramik in gleichkulturelle Nachbargebiete exportiert bzw. importiert wurde. Exportzielgebiet war vor allem das Unterengadin, in das Fertigprodukte aus dem Eisacktal, aus dem Bozener Becken und aus dem Trentino gelangten. Das Bozener Becken scheint dabei eine zentrale Vermittlerfunktion ausgeübt zu haben, denn von hier aus gelangte Bozener-Laugener Keramik in die unmittelbaren Nachbarlandschaften (Trentino, Valle di Non: Maggetti u. a. 1983).

Wenn wir auch im vorgeschichtlichen Bereich auf Töpfernamen, Töpfermarken oder mit identischen Mustern gestempelte bzw. abgerollte Ware verzichten müssen, gelingt es in vielen Fällen doch, engumschriebene Formen und Typen von Keramik auf eine oder einige wenige Töpferwerkstätten zurückzuführen. Sie sind der räumliche Niederschlag eines häuslichen Eigenbedarfs. Hierfür stehen beispielhaft die mittel- und südhessischen Keramikstile der älteren und mittleren Urnenfelderzeit (Herrmann 1966, 36 ff) sowie die schwerpunktmäßig in Ostbayern verbreitete sog. “Attinger Ware” (Rind 1999, 117 ff., Abb. 21). Eine merkwürdige Kombination von Raum, Zeit, Keramiktechnologie und sozialem Status zeichnet die sog. ‘Adelskeramik’ der älteren und mittleren Urnenfelderzeit Mittelund Südhessens aus21. Die offenbar einer untermainischen Töpferei entstammende feinwandige, hochglänzende Ware mit zuweilen übertrieben scharfer Profilierung und reicher plastischer Verzierung aus Girlandenriefen, runden Buckelwarzen und reicher Rillen- und Schmalriefenverzierung ist überwiegend aus bronzereichen Steinkistengräbern dieser Region überliefert. “Grenzen” zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen? Vergleichbar anderen Zeitperioden konzentriert sich die bronzezeitliche Besiedlung vor allem auf ökologisch gut ausgestattete geographische Räume. Die Kartierung zeitgleicher Fundgruppen zeigt, daß häufig ein siedlungsleerer bzw. siedlungsarmer, d. h. fundleerer Raum - eine Art Ödland - zwischen solchen Gruppierungen bestand, der durch die jeweilig unterschiedlichen naturräumlichen Begebenheiten noch betont wurde. Auch in der Bronzezeit ist die hausgemachte Keramik mit ihren Formen, ihrem Stil und ihrer Ornamentik eine der wichtigsten regionalen Leitformen, die sich - Einzelheiten zusammengefaßt - zu größeren Einheiten zusammenfassen lassen. Unterschiedlich geformte Keramik kann die Verschiebung von Binnengrenzen zwischen jungbronzezeitlichen Keramikgruppierungen belegen. Am Beginn der Jungbronzezeit bildet sich im Gebiet

19 Vgl. die Kartierungen von gleichzeitigen Rasiermesser- und Fibelformen (Hennig 1986), Pfattener Messer (Kristiansen 1998, Abb. 45) oder Tüllenbeilformen der Periode V (Kristiansen 1998, Abb. 53). 20 Hierfür liegen eine Unmenge von Verbreitungskarten vor, die auch minimale Unterschiede berücksichtigen. Im raschen Zugriff vgl. Kristiansen (1998, Abb. 60): 25-40 km. 21 Definition durch Müller-Karpe (1948, 22); danach Herrmann (1966, 34) mit Verbreitungskarte Abb. 4. Ergänzungen: Ebel-Zepezauer (1992, 29); Leitschuh-Weber (1993, 27) z. B. Etagengefäße und Schulterwulstamphoren: Hennig (1970, 42ff., Abb. 4). 99

Zu Mobilität und Grenzen in der Bronzezeit

zwischen Nordmähren, der Nordslowakei, Westund Südpolen, Ostböhmen und dem östlichen Ostdeutschland die sog. “Lausitzer Kultur” heraus, die, trotz aller regionaler Unterschiede, sich aufgrund ihres Keramikstiles deutlich von ihren jeweiligen Nachbargruppen absetzt. Die jeweiligen ‘Grenzen’ sind dabei über mehrere Jahrhunderte zu verfolgen. Sie bleiben jedoch nicht stabil, sondern sie sind dynamisch, d. h. es können expansive und regressive Prozesse konstatiert werden.

tälern im Norden kommend bis in die lößbedeckten Tiefebenen des Donauvorfeldes vordringt22. 3. Böhmen-Mittelböhmen In einem landschaftlichen Kleinraum Ostböhmens, im durch die Elbniederung geprägten Raum um Kolín, pendelt eine ebenfalls dynamische Grenze zwischen dem Ostrand der Knovízer Fazies und dem Westrand der ostböhmischen Lausitzer Fazies. In dieser naturräumlich grenzlosen Elblandschaft nimmt die Knovízer Fazies der Lausitzer Fazies Gelände ab (Jiráň 1996, Abb. 1. 2).

1. Süd- und Mittelmähren Das Siedlungsgebiet der im gesamten Mittel- und Südmähren verbreiteten jüngeren Hügelgräberkultur zerfällt zu Beginn der Jungbronzezeit in zwei durch die Keramikstile scharf voneinander geschiedene Kulturgruppen. Im Süden ist die Frühphase der Velaticer Fazies vertreten, eine Untergruppe der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur. Direkt nördlich ist zur gleichen Zeit die Altlausitzer Fazies zu finden. In den darauffolgenden Zeitphasen bleibt diese Keramikstil-Grenze weitgehend stabil. Die Fundstellen der auf die Velaticer Fazies folgenden, aus ihr hervorgegangenen Podoler Kultur verzahnen sich nur wenig mit denen der Junglausitzer Kultur, der sog. Schlesischen Fazies. Es läßt sich somit in Mähren über ca. sechs Jahrhunderte hinweg eine ausgeprägte Grenze erkennen, die nicht immer durch natürliche Bedingungen vorgezeichnet ist. In der Schlesischen Stufe ist sie einige Kilometer weiter nach Süden vorverlegt (vgl. Říhovský 1958a, 105, Abb. 9; Říhovský 1958b, Abb. 98; Podborský 1970, 13, 18 ff. mit Beilage).

Die Lausitzer Fazies rückt sowohl in der Slowakei als auch in Mähren zahlreiche Kilometer nach Süden vor, während ihr die Knovízer Fazies in Ostböhmen Gelände abnimmt. Ob diese Verschiebungen der naturräumlich nicht vorgegebenen Binnengrenzen aggressiv (Krieg) oder friedlich verliefen, ist ungeklärt. Die wenigen Funde von ‘Fremdkeramik’ der Lausitzer Fazies im Verbreitungsgebiet der Velaticer und Podoler Fazies können als Keramikimporte (samt unbekannten Inhalts), als Niederschlag der Tätigkeit eingeheirateter Frauen, als Symbiose von Personengruppen, als Enoikismos an zentralen Orten (“Märkte”) o. ä. interpretiert werden. Dabei zeigt sich, daß die Lausitzer Gefäße an wesentlich mehr Fundstellen der jeweiligen Nachbargruppen vorhanden sind als umgekehrt. Die Lausitzer Fazies scheint in Mähren und der Slowakei eine größere Dynamik in dieser Region besessen zu haben. Wenn wir Keramik als historische Quelle nutzen wollen, ist zu fragen, was sich hinter diesen klaren Grenzen, die großräumig über Jahrhunderte mehr oder weniger stabil blieben, aber kleinräumig einer Dynamik unterlagen, verbirgt. Sind es nur unsere heutigen Konstrukte? Kein Bronzezeitforscher, der sich mit diesen Gruppierungen beschäftigt, würde dies bejahen. Oder haben wir es mit einem Niederschlag gewachsener und stabiler Identitäten von Personenverbänden zu tun?

2. Südwestslowakei Vergleichbar ist die Entwicklung in der Jungbronzezeit in der Süd- und Westslowakei. In der durch die reichsten Gräber der Frühurnenfelderzeit Mitteleuropas gekennzeichneten Čaka-Fazies und der auf sie folgenden Velatice-Fazies ist die Grenzlinie zur nördlich angrenzenden Lausitzer Facies durch eine Linie zwischen den Kleinen Karpaten und der Mittleren Tatra in Höhe der mittleren Waag markiert. In der jüngeren Bronzezeit weicht die auf der Velaticer Fazies aufbauende Podoler Fazies weit in die Tieflandschaften der West- und Südwestslowakei zurück. Die vorher von der VelaticeFazies geprägten und offenbar zeitweise unbesiedelten Gebiete werden nun von der späten Lausitzer Kultur eingenommen, die von den Gebirgs-

Ihnen ein Ethnikum zulegen zu wollen, übersteigt jedoch die Aussagemöglichkeiten der zu Verfügung stehenden Quellen. Vor einer zu allzu einfachen Übernahme dieses Schlusses warnen die Arbeiten von Rafael von Uslar (1951) oder von Niels Bantelmann (1978) zu Formengruppen in der “Germania Libera” der Römischen Kaiserzeit23: Die ar-

22 Veliačik (1996) dort Verweis auf ältere Arbeiten; siehe auch Jockenhövel (1996). 23 Außerordentlich wichtig, jedoch für die Vorgeschichte bisher kaum genutzt: Wenskus (1961) mit der Besprechung durch v. Uslar (1965); vgl. auch Willroth (1998). 100

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chäologischen Formenkreise sind nicht mit den aus antiken Quellen belegten Wohnsitzen der germanischen Stämme deckungsgleich. Insofern ist daher die ethnische Deutung der europäischen Bronzezeit gleichfalls zum Scheitern verurteilt. Aber gilt dies nicht auch für die nachfolgenden Zeiten, der Frühgeschichte, die mit den Kelten beginnt? Lassen Sie mich meine Eindrücke von der Gliederung des bronzezeitlichen Fundstoffes wie folgt zusammenfassen: Auf unterschiedlichen Ebenen sind klein- und großräumige Gruppierungen erkennen, deren Grenzen im ‘Innern’ wie auch nach ‘Außen’ fließend sind. Kleinräumig sind Keramikstile, Schmuckgarniturensembles usw., großräumig religiöse und symbolische Erscheinungen und Sitten sowie auch Wirtschaftsräume mit gleichen Strukturen gebunden an die jeweilige Umwelt. Es ergibt sich das Bild eines bunten Flickenteppichs, eines ‘Patchworks’, mit einer jeweiligen Hauptfarbe und zahlreichen sichtbaren bzw. zunächst unsichtbaren Komplementärfarben. Es entsteht das Bild eines bronzezeitlichen “Europa der kleinen Regionen”, der “vielfältig gestaffelten Räume” (Braudel 1990, 308), aus denen erst durch imperiale und nationale Ideologien größere (auch sprachliche) Einheiten gebildet wurden. Insofern schimmert im heutigen Europa trotz aller Einigungs- und Ausgleichsbestrebungen der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Idee von Nationalstaaten eine aus der Urzeit rührende stammende Identitätsvielfalt durch, die heute noch immer, trotz aller Harmonisierungs- und Globalisierungstendenzen, politisch und kulturell virulent ist und bleiben wird.

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Soziale Strukturen und ethnische Identitäten der Bronzezeit Ostpolens Sławomir Kadrow, Universität Rzeszów

Die Publikation von Fredrik Barth (Barth 1969) gab den Studien über Ethnizität, ethnische Gruppen und Identitäten neue Impulse. Im Gegensatz zum Optimismus (und zur Simplifizierung) von Gustaf Kossinna (Kossinna 1912) sind heutige Forscher, die sich mit ethnischen Problemen beschäftigen, viel vorsichtiger und sehr oft auch pessimistisch. Die Interessen haben sich von Untersuchungen innerhalb einer Einheit zu den Beziehungen zwischen Einheiten verschoben. Ethnische, aber auch kulturelle Gruppen sollten nicht mehr nach dem Modell organischer, klar abgetrennter Einheiten aufgefaßt werden. Sie werden vielmehr als dynamische soziale Einheiten verstanden (Jones 1997). Man kann einen Übergang von ‘Objektivität’ zur ‘Subjektivität’ beobachten. Es gibt hier also kein Platz mehr für traditionell benutzte ‘harte’ Begriffe wie ‘Stämme’ oder ‘Völker’ (Pohl 1991). Kultur, Ethnizität und verschiedene Typen von Identitäten müssen analytisch getrennt werden (Brumann 1999). Es ist auch klar, daß diskrete Einheiten mit geschlossenen Verbreitungen wie archäologische Kulturen oder Sprachgebiete nur analytische Konstrukte darstellen. Ethnische Gruppen (oder Ethnien), die eine ganz andere Natur haben, decken sich gewöhnlich nicht mit diesen Konstrukten.

Nach Frederik Barth sind ethnische Gruppen eine Form der sozialen Organisation. Ihre Mitglieder identifizieren sich bewußt mit dieser Organisation. Diese ist ein Mittel, um ökonomische und politische Ziele zu erreichen. Sie ist auch Mittel des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Gruppen in Situationen von begrenztem Zugang zu Ressourcen (Barth 1969). Die ethnische Dimension einer sozialen Gruppe existiert nicht in Isolation von anderen Gruppen (Mühlmann 1964), sondern sie manifestiert sich in der Opposition von ‘wir’und ‘sie’ (Olsen/Kobyliński 1991). Insgesamt ist die Ethnizität das Hauptmerkmal der ethnischen Gruppe, eine Gemeinschaft mit historisch entstandenen soziokulturellen Merkmalen, welche die Besonderheit der Gruppe in Bezug auf andere Gruppen hervorhebt. Die Bezugnahme auf einen gemeinsamen Vorfahren im ethnischen Bewußtsein (ob authentisch oder fiktiv ist hier unwichtig), auf eine gemeinsame Tradition und auf die Symbolik des gemeinsamen Erbes erlaubt es, in dem Begriff der Ethnizität den Hauptgaranten von Kontinuität und Kohäsion in der sozio-kulturellen Evolution zu sehen. Ethnische Differenzierung stützt sich auf Identitäten, die kulturell, sozial und emotional begründet sind (Urbańczyk 2000a). Ethnische Identität, wie andere Identitäten, stellt eine bewußte und subjektive Selbstzuordnung zu einer Gruppe dar. Diese Zuordnung basiert auf Abgrenzungsmechanismen (Brather 2000). Ethnische Identitätszuordnung ist relativ flexibel. Prozesse des ethnischen Identitätswechsels sind durch verschiedene geschichtliche (politische, ökonomische und soziale) Kräfte bedingt und konnten sehr schnell verlaufen (Pohl 1991). Der Versuch, tiefe Wurzeln moderner oder historisch bekannter Ethnien bis in prähistorische Zeiten zu verfolgen, bleibt daher immer noch eine sehr riskante Beschäftigung (Brather 2000; Werbart 2000).

Es gibt viele Definitionen von ‘Ethnos’ und von ‘ethnischer Gruppe’. Alle betonen, daß das ‘WirBewußtsein’ oder ‘Selbstbewußtsein’ einer Gruppe das wichtigste Element in der Konstruktion von Ethnizität ist. Zusätzliche Kriterien wie reale gemeinsame Abstammung, Sprache, Rechts-, Siedlungs-, Religions-, und/oder Kulturgemeinschaft, einheitliche materielle Kultur u.a. sind in ihrer jeweiligen Bedeutung stark veränderlich und können nicht allein zur Definition einer ethnischen Einheit herangezogen werden. Für viele Forscher entspricht der Begriff Ethnos am ehesten dem deutschen Terminus ‘Stamm’ (Höffer 1988). Dieser Standpunkt nähert sich den Ansichten von Gustaf Kossinna (vgl. Adler 1993). Manchmal findet sich auch die Ansicht, daß Ethnien endogene Gruppen seien (Orywal/Hackstein 1993). Diese These geht zu Unrecht davon aus, daß Ethnien meist auf dem Niveau der Stammesorganisation vorkommen.

Ethnische Gruppen sind aber die größten souveränen sozialen Einheiten, deren Mitglieder sich der Zugehörigkeit zu diesen Gruppen bewußt sind und den Wunsch ihrem weiteren Fortbestand haben (Mühlmann 1964). Also kann man ihre Existenz und 107

Soziale Strukturen und ethnische Identitäten der Bronzezeit Ostpolens

Bedeutung, auch in Rahmen den archäologischen Studien, nicht einfach ignorieren. Damit stellt sich aber die Frage, wie Ethnien archäologisch identifiziert werden können.

Sherratt unterstreicht, daß Stammesorganisationen keine zwingend notwendige Etappe in der Evolution menschlicher Gesellschaften darstellen und, in der Regel, im Kontakt mit viel mehr entwickelten politischen Einheiten entstehen (Sherratt 1984). Richard Thurnwald schrieb, daß

In der Regel sind kulturelle, archäologische, soziale und ethnische Einheiten nicht deckungsgleich. Das gilt besonders für sogenannte Makrostrukturen wie archäologische Kulturen und Kulturgruppen, ‘Völker’, ‘Stämme’ usw. Die Archäologie hat mit der Identifikation von sozialen und ethnischen Makrostrukturen (Ostoja-Zagórski 1989) große Prob-leme. Es stellt sich die Frage, ob z. B. archäologische Kulturen und Kulturgruppen nur analytische Einheiten sind, oder ob es auch eine Relation zwischen diesen Einheiten und realen Formen der sozialen Organisation gab. Meist wird angenommen, daß den Kulturen und Kulturgruppen Stämme entsprechen. Manchmal spricht man schon in für das Mesolithikum (Stoczkowski 1987) von Stämmen. Hermann Behrens meint z. B., daß im Mittelelbe-Saale-Gebiet die Stammesorganisation im Spätneolithikum “infolge von Einflüssen aus dem ostmediterranen Bereich der frühen Hochkulturen mit ihren frühstaatlichen Phänomenen” (Behrens 1976, 209) erstmals aufgetreten sei. Er hat aber auch angemerkt, daß gewöhnlich für die Lokalgruppen ein äußerer Zwang vorliegen müsse, “sich zu einem Stamm zusammenzuschließen, um etwa vorhandene Schwierigkeiten gemeinsam zu meistern” (Behrens 1976, 208-209). Andrew

“wenn bestimmte Gruppen von Primitiven als Stämme klassifiziert werden, es sich hierbei in vielen Fällen um von Europäern aufgestellte theoretische Konstruktionen von Klans, Siedlungsgemeinden und Gauen handelt in denen dieselbe Sprache geredet wird, welche eine ähnliche zivilisatorische Ausrüstung besitzen und deren Kulte und Zeremonien, Überlieferungen und Einrichtungen einander ungefähr gleichen. Im übrigen aber mögen Fehden und Feind-schaften herrschen, und bei Heiraten und Freund-schaften können stammesfremde Nachbarn bevorzugt werden” (Thurnwald 1935, 22).

Ähnlich hat sich Wilhelm Mühlmann geäußert:

“Viele Einheiten von Naturvölkern, mit denen der Ethnologe operiert, sind einfach forschungspraktische Klassifikationen auf Grund von kulturellen oder sprachlichen Kriterien, ohne daß die darunter subsumierten Bevölkerungen ein Bewußtsein der Zusammengehörigkeit hätten.” (Mühlmann 1954, 165).

Bernhard Hänsel fügt hinzu:

“Das Wesen früher Stammesgesellschaften ist unter dem unglücklichen und unsäglichen Gegenwartsbezug sehr oft verkannt und entstellt worden” (Hänsel 1995, 9-10).

Abb. 1. Kulturen und Kulturgruppen am Anfang des II. Jahrtausends v. Chr. in Mitteleuropa. 1 - Mierzanowice Kultur, 2 - Aunjetiz Kultur, 3 - Iwno Kultur, 4 - Trzciniec Kultur, 5 - wichtigste Fundstellen mit Riesenbecher, 6 - Füzesabony-Mad’arovce Kulturkomplex. 108

die Nachbargebiete: nach Wolhynien, Podolien, Oberschlesien, Nordostmähren und in die Südwestslowakei. Die Mierzanowice Kultur entstand im kulturellen Umfeld der Kraków-Sandomierz Gruppe der spätneolithischen Schnurkeramik (Kadrow 1995). Zusammen mit den Nitra- und Košt’any-Gruppen (Kulturen) bildete sie den sog. epi-schnurkeramischen karpatenländischen Kulturkreis (ESKK; vgl. Machnik 1967; Machnik 1972).

Wenn urgeschichtliche Archäologie solche Makrostrukturen im ethnischen Sinne analysiert, ist die pessimistische Einstellung vieler Forscher zu ethnischen Studien völlig berechtigt. Ich möchte aber die Aufmerksamkeit auf bestimmte Möglichkeiten richten, die rationale Überlegungen im erwähnten Bereich ermöglichen. Die Analyse der Mikrostrukturen ermöglicht ethnische Studien in prähistorischen Archäologie. Es geht dabei um Familien, verschiedene Verwandschaftsgruppen und Dorfgemeinschaften (oder lokale Gruppen), die nach den Ergebnissen der Siedlungsarchäologie Bauernhöfen, Siedlungen oder Siedlungsmikroregionen entsprechen (Behrens 1976; Bednarski 1987; Kadrow 1994; Urbańczyk 2000a). Zusätzlich müssen aber außerdem angemessene Modelle der kulturellen, sozialen und ethnischen Prozesse entwickelt und angewendet werden, die nicht ausschließlich auf organischen (biologischen) Modellen beruhen.

Am Anfang der Frühbronzezeit, in der Protomierzanowice-Phase (2300-2200 BC) haben wir es nur mit einzelnen Gräbern (z. B. Chłopice, Kraków-Nowa Huta-Kopiec Wandy, Hulín), kleinen, kurzlebigen Siedlungen (z. B. Świerszczów Kolonia, Přáslavice) und Einzelfunden zu tun (Kadrow/ Peška 1999; Kadrow/Peška/Vitula 2000). Die räumliche Distribution der Spuren dieser Zeit ist ganz zufällig, d.h. sie bilden keine mikroregionale Strukturen. Das erinnert an das Siedlungsmuster der Schnurkeramik in ihrem paneuropäischen Horizont.

Als praktische Beispiele für das oben erwähnte Programm werden in diesem Artikel die frühbronzezeitliche Mierzanowice Kultur und zweitens die mittelbronzezeitliche Trzciniec Kultur Ostpolens (Abb. 1) vorgestellt.

In den drei folgenden Phasen (2200-1600 v. Chr.) setzt sich das Siedlungsnetz der Mierzanowice Kultur aus vielen Gruppen von Fundstellen in den Lößgebieten Kleinpolens zusammen. Die Siedlungspunkte konzentrieren sich in bestimmten Zonen und bilden mehr oder weniger stabile mikroregionale Strukturen. Einerseits kann man Siedlungsspuren in Form von Einzelfunden, Lagerplätzen, Siedlungen, Gräbern und Gräberfeldern unterscheiden. Anderseits kann man auch die Plätze für Abbau und die Verarbeitung von Feuerstein, kleine kurzzeitige Siedlungen (Filialen), die mit bestimmten Formen wirtschaftlicher Aktivität verbunden waren, und dauerhafte Hauptsiedlungen, also Plätze oder Orte stetiger Besiedlung mit Spuren von stabilen Häusern erkennen. Sie wurden immer in den höher gelegenen Regionen angelegt. Diese Siedlungen waren von Gräberfeldern begleitet.

Die Mierzanowice Kultur Die Mierzanowice Kultur dominierte die Frühbronzezeit Südostpolens. Sie dauerte von ca. 23001600 v. Chr. Das bedeutet, daß diese Kultur durch die ganze Periode A der Bronzezeit (nach Reinecke) existierte. In ihrer Entwicklung kann man vier Hauptetappen unterscheiden. Die absolute Chronologie der Etappen stellt sich so dar:

Phase I Protomierzanowice II frühes Mierzanowice III klassisches Mierzanowice IV spätes Mierzanowice

cal. BC 2300-2200 2200-2050

Mikroregionen haben gewöhnlich eine Fläche von einigen wenigen km2 bis zu 10 km2. Die besser untersuchten Mikroregionen (Iwanowice, Szarbia Zwierzyniecka; vgl. Kadrow 1991b; Baczyńska 1994) liefern Belege dafür, daß wenigstens einige von ihnen durch fast ganze Frühbronzezeit existiert haben, d.h. ungefähr 600 Jahre (2200-1600 BC). Sie bestehen aus nur einer (z. B. Pleszów, Fundstelle IV/20), häufiger aus zwei (Iwanowice) oder aber auch aus drei (Mierzanowice und Wojciechowice) Hauptsiedlungen. Jede Hauptsied-

2050-1950/1800 1950/1800-1600

(Kadrow 1991a; Kadrow/Machnik 1993). In der zweiten Phase erreichte die Mierzanowice Kultur die größte territoriale Ausdehnung (Kadrow 1995). Über Kleinpolen hinaus expandierte sie in 109

lung hat ein eigenes Gräberfeld, in dem ihre Bewohner nach dem Tod bestattet wurden (Kadrow/ Mach-nikowie 1992). Das paläobotanische Material (Lityńska-Zając 1994; Kadrow/Lityńska-Zając 1994) und die Ergebnisse von Analysen (Kadrow 1995) weisen auf die wichtige Rolle des Ackerbaus hin. Die Felder befanden sich in unmittelbarer Nähe der Siedlungen. Weiden für wahrscheinlich relativ große Rinder- und Schafherden (Makowicz-Poliszot 1992) lagen auch in weiter entfernten Gebieten, bis zu 8 km von den Hauptsiedlungen entfernt (Kadrow 1995).

waren (Kadrow 1995). Nur wenige andere Mikroregionen (z. B. Mierzanowice und Wojciechowice) wiesen mehr Einwohner auf. In drei ersten Phasen (2300-1900 v. Chr.) der Mierzanowice-Kultur gibt es fast keine Belege für einen weitreichenden Austausch. Spektralanalysen von Metallobjekten und die Untersuchung der Provenienz von Feuersteingeräten weisen darauf hin, daß vorwiegend lokale Rohstoffe genutzt wurden. Das wirtschaftliche System reichte selten über die Mikroregion hinaus (Kadrow 1995). In der vierten, letzten Phase begann die Zirkulation von importierten steinernen Sicheln, Fayence-Perlen und, noch sehr selten, Metallobjekten. Gleichzeitig mit diesen Importen kann man auch die sogenannten Fremdeinflüsse in der lokalen Keramikproduktion feststellen. Die bisher geschlossenen Gesellschaften (Lokalgruppen) öffneten sich äußeren Impulsen.

Jede Hauptsiedlung bestand aus 5 bis 20 Höfen. Die einzelnen Höfe hatten mindestens 200 m2 Fläche (Kadrow 1991b), wahrscheinlich mit mehreren Gebäuden, einschließlich eines Kellers. Diese Hauptsiedlungen konnten in verschiedene Formen und Größen auftreten, je nach den lokalen Bedingungen und Möglichkeiten. Ein und dieselbe Siedlung konnte ihre Parameter im Laufe der Zeit auch verändern (Kadrow 1991b). Die Bevölkerungeiner Hauptsiedlung überstieg 150 Einwohner nicht. Das Beispiel der Mikroregion Iwanowice, die zwei Hauptsiedlungen enthielt, belegt, daß auch Einwohnerzahlen von bis zu 200 Menschen möglich

Fast jede Siedlungsmikroregion hatte eigene, spezifische Elemente, z. B. gewisse Verzierungsmotive der Keramik. Es muß jedoch betont werden, daß zu Beginn der Entwicklung dieser Kultur zwischen allen Siedlungsmikroregionen eine große stilisti-

Abb. 2 Modell der wachsenden stilistischen und kulturellen Differenzierung des epischnurkeramischen karpatenländischen Kulturkreises und der Mierzanowice Kultur. 1 - Mierzanowice Kultur in der Protomierzanowice-Phase (MK I), 2 Veselé-Typ, 3 - zentrale Gebiete der Mierzanowice Kultur, 4 - Gródek-Zdołbica Kultur in der frühen Phase der Mierzanowice Kultur (MK II), 5 - Nitra Kultur/Gruppe, 6 - Mierzanowice Kultur, 7 - Strzyżów Kultur in der klassischen Phase der Mierzanowice Kultur (MK III), 8 - Košt’any Kultur/Gruppe, 9 - Giebułtów Gruppe, 10 - Szarbia Gruppe, 11 - Samborzec Gruppe, 12 - Pleszów Gruppe der späten Phase der Mierzanowice Kultur (MK IV). 110

Sławomir Kadrow

sche und typologische Einheitlichkeit herrschte. Im Laufe der Zeit vollzog sich dann eine stilistische Differenzierung (Abb. 2). Schon in der frühen Phase kann man zwei Zonen der MierzanowiceKultur unterscheiden: eine östliche mit gemischter Schnur- und Ritzverzierung und eine westliche, in der es nur Schnurverzierungen gab. In der nächsten, klassischen Phase entstand am südwestlichen Rande dieser Kultur, teilweise auf ihrer Basis die NitraGruppe/Kultur. Im nordöstlichen Teil erschien die Strzyżów-Kultur. In der späten Phase wurde diese Differenzierung noch tiefgreifender. Man kann in dieser Zeit mindestens sechs lokale Gruppen unterscheiden: Giebułtów, Szarbia, Samborzec, Pleszów, Počapy und Košt’any. Weiterhin bildeten sich auch die Nitra- und Strzyżów-Kulturen heraus.

ist eine territoriale Gemeinschaft, die aus Familien zusammengesetzt ist, die als Nachbarn verbunden sind. Die lokale Bindung, die solche Gruppen erzeugt, ist auf die direkten Kontakte zwischen allen Familien zurückzuführen (Bednarski 1987). Diese beiden Formen der sozialen Orga-nisation, die Familie und die Lokalgruppe sind die einfachste und am weitesten verbreitete Form der sozialen Mikrostruktur (Abb. 3). Die wirtschaftlich autarken und kulturell homogenen Lokalgruppen, welche die Siedlungsmikroregionen bewohnten, bildeten gleichzeitig eine ethnische Einheit. Es gab in der Frühbronzezeit Kleinpolens keine Faktoren, welche die verschiedenen, Lokalgruppen zu gemeinsamen politischen oder wirtschaftlichen Operationen (oder Aktionen) zwangen. Es gab also keine Möglichkeiten für die Entstehung irgendwelcher Makrostrukturen wie z. B. einer Stammesorganisation. Vielleicht hatte jede Lokalgruppe eine eigene Sprache (vgl. Robb 1993). In der späten Phase der Mierzanowice Kultur entstanden, im Zusammenhang mit dem Fern-

Grundeinheit der Sozialstruktur bildete die Kernfamilie. Potentiell waren die Kernfamilien ökonomisch unabhängig, sie bewohnten jeweils einen Bauernhof. Gewöhnlich bildeten zwei Hauptsiedlungen eine Siedlungsmikroregion, die im soziologischen Sinn einer Lokalgruppe entsprach. Das

Abb. 3 Modell der Relation zwischen verschiedenen Formen der sozialen Organisation und ihren archäologischen Äquivalenten, die für die Mierzanowice-Kultur typisch sind. 111

Soziale Strukturen und ethnische Identitäten der Bronzezeit Ostpolens

austausch, Bedingungen für die Verringerung der Anzahl der Sprachen, und wahrscheinlich auch für die Entstehung einer gemeinsamen Handelssprache (Robb 1993; Sherratt 1988). Eine eventuelle Evolution der Sprachen mußte die Entwicklung der ethnischen Struktur jedoch nicht unbedingt direkt beeinflussen.

zung relativ großer Gebiete. Große Rinder- und Schafherden sorgten dafür, daß diese Flächen danach permanent waldfrei blieben (Kruk/ Milisauska/Alexandrowicz/Śnieszko 1996). Es gab einen prinzipiellen Gegensatz in diesem System. Populationen, die diese Art der Landwirtschaft verwendeten, sind - im gewissen Sinn - in eine Falle geraten. Die um-gestaltete Umgebung bot bessere Bedingungen für Viehzucht als für Ackerbau.

Die große stilistische und typologische Einheitlichkeit der ersten (Protomierzanowice) Phase (2300-2200 v. Chr.) könnte dem Formierungsprozess neuer Gesellschaft ähnlich sein, der von Wilhelm Mühlmann als Colluvies gentium bezeichnet wurde (Mühlmann 1962; Zimmer 1990). Mühlmann hat festgestellt, daß manche ethnische Gruppen mit einheitlichen ‘Stammesnamen’ keineswegs einheitlicher Herkunft waren, sondern in Wirklichkeit aus zusammengewürfelten Gruppen von Menschen unterschiedlicher ethnischen Herkunft und - ursprünglich - auch verschiedener Sprache bestanden. Mühlmann schreibt:

Diese Art der Wirtschaft funktionierte über einen sehr langen Zeitraum (ca. 800 Jahre). Am Ende der klassischen Phase der TRB hat das zu zwei Strömungen wirtschaftlicher Spezialisierung geführt, ‘reine’ Viehzucht und ‘reiner’ Ackerbau. Als Ergebnis dieser Prozesse fiel die TRB schließlich in zwei strukturell selbständige Komplexe auseinander. Für den ersten Komplex waren seßhafte Populationen charakteristisch, die Ackerbau betrieben und große Siedlungen bewohnten. Der zweite Komplex, der hauptsächlich von der Viehzucht lebte, führte ein eher mobiles Leben (Milisauskas/ Kruk 1989). Die großen Unterschiede in der Wirtschaftsweise und die immer unterschiedlicheren Sozialstrukturen (Lokalgruppen bei den Bauern und Verwandschaftsgruppen bei den Hirten) führten anfänglich zu keinem Abriß des tiefen Netzes der diversen gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden Komplexen. Davon zeugt der Keramikstil, der bei beiden Gruppen der gleiche ist. In dieser Zeit überwogen insgesamt kleine ethnische Einheiten, die Lokalgruppen oder größeren Verwandschaftsgruppen entsprachen.

“Die Colluvies gentium ist ein Modus unter vielen, wie neue ethnische Einheiten entstehen. Hunderte, ja tausende Male wird das Zusammentreffen flüchtiger Personen auf einem gemeinsamen Boden ein verfehltes Experiment gewesen sein, das keine soziologischen Dauerfolgen gehabt hat. Aber manchmal ist das Experiment eben gelungen. Wir befinden uns diesem Phänomen gegenüber gleichsam in der Lage des Archäologen, der meist nur das Gewordene, Fertige und Geglückt-Gestalthafte feststellen kann, nicht aber den Prozeß des Werdens selber, obwohl er weiß, daß alles Gestalthafte den Prozeß voraussetzt. Die Vorstellung der Ethnogenese als beruhend auf reiner Filiation von einem ‘Urstamm’ her ist auf keinen Fall haltbar.” (Mühlmann 1962, 309).

Die so rekonstruierten Ereignisse bilden die notwendigen Vorbedingungen für die Herausbildung und das schließliche Vorherrschen der Viehzucht auf den Lößhochebenen Kleinpolens am Ende des Neolithikums. Allerdings hat diese Wirtschaftsentwicklung nicht die neue Form der kulturellen (im archäologischen Sinne) Einheiten entschieden oder determiniert. Vielmehr war das Aufkommen einer neuen kulturellen Einheit, und wahrscheinlich auch einer neuen ethnischen Identität in Form des ältesten Horizontes der Schnurkeramik der Faktor, der zu der Verstärkung der Tendenz der oben beschriebenen Prozesse geführt hat. Die innere Evolution der TRB war eine notwendige, aber nicht ausreichende Bedingung für die Entwicklung der Schnurkeramik. Das Beispiel der TRB-Populationen auf dem Gebiet der Lubliner und wolhynischen Hochebene zeigt, daß ähnliche sozio-ökonomische Veränderungen hier, unter einem stärkeren Einfluß der Kugelamphorenkultur, zu ganz anderen Strukturen führten.

Die ökologischen, wirtschaftlichen und soziologischen Ursachen dieses oben erwähnten Prozesses wurzeln in dem Milieu der spätneolithischen Gesellschaften. In Details habe ich das schon anderswo beschrieben (Kadrow 2001). Hier möchte ich nur auf die wichtigsten Momente hinweisen. Die Einführung des Brandrodungs-Systems in der Trichterbecherkultur (TRB) an der Wende vom 5. zum 4. Jahrtausends als die vorherrschende landwirtschaftliche Technik bedeutete den Anfang eines sozio-kulturellen Wandels in der Lößzone von Kleinpolen (Kruk 1993). Mit diesem Prozeß ging eine Vergrößerung der Siedlungen und der Siedlungsmikroregionen (z. B. Bronocice) einher. Gleichzeitig spezialisierte sich ein Teil der TRBPopulationen einseitig auf Tierzucht, der andere auf Ackerbau. Dieses extensive landwirtschaftliche System verursachte großmaßstäbliche ökologische Veränderungen, hauptsächlich durch die Abhol112

Sławomir Kadrow

Zu jedem anderen historischen Zeitpunkt hätte die Ankunft der ältesten ‘Schnurkeramiker’ keinen solchen Wandel, der einen ähnlichen Charakter und Maßstab hatte wie das, was am Ende Neolithikums geschah, verursacht. In diesem Zusammenhang ist es nicht wichtig, ob diese Leute nun aus dem Osten kamen oder nicht. Wichtig ist vielmehr, daß sie eine vollständig durchstrukturierte Kultur mitbrachten, eine Kultur, die den TRB-Hirtengemeinschaften die definitive Trennung von den TRB-Ackerbauern erlaubte. Offensichtlich mußten die ehemaligen TRB-Hirtengemeinschaften auch ihr ethnisches Bewußtsein verändern. Die Gruppen der ältesten Schnurkeramik waren nicht groß, es ist möglich, daß es sich nur um Einzelpersonen handelte. Ihre Lebensweise könnte dem Modell des nomadischen Pastoralismus entsprochen haben. Die ältesten Gräber der Schnurkeramik (aus dem sogenannten paneuropäischen Horizont) stellen die archäologisch sichtbaren Spuren dieser Gruppen dar. Die Akkulturation von den Teilen der TRB-Po-pulationen, die schon vorher auf Viehzucht spezialisiert waren, ist sicherlich relativ schnell verlaufen. Dasselbe gilt vermutlich für den Wechsel der ethnischen Identität.

sich nicht zu einer landwirtschaftlichen Beschäftigungen erniedrigen. Wenn allerdings die Existenz bedroht ist, nimmt die ganze Population der Hirten, oder ein Teil, andere Beschäftigungen auf, vor allem der Ackerbau (Mace 1993). Technisch und organisatorisch stellte die Aufnahme der Landwirtschaft für die Hirten kein großes Problem dar. Mit der Kraków-Sandomierz Gruppe fassen wir diese Etappe der Evolution der Schnurkeramik archäologisch. Währenddessen setzten in den anderen Teilen Kleinpolens Hirtengruppen die Traditionen der ‘älteren' Schnurkeramik fort.

Bei den Populationen mit überwiegend landwirtschaftlichen Wirtschaftsweise überwogen andere Prozesse. In einer ‘badenisierten’ oder ‘reinen’ Form setzten sie die älteren Traditionen der TRB fort. Allerdings intensivierte sich der schon erwähnte Abholzungsprozeß. Sicherlich war das für die Populationen der Hirten förderlich und verringerte gleichzeitig die Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Gruppen, weil das Brandrodungs-System von der Existenz von Wäldern abhängig war. Die Asymmetrie der Beziehungen zwischen beiden Populationen konnte ein ähnliches Ergebnis verursachen. Auf der einen Seite gab es Hirtenkrieger, die mit Steinäxten bewaffnet waren, auf der anderen Bauern, die nur zum Teil in befestigten Siedlungen wohnten. Die beständige Abnahme der Zahl der Bauern, verbunden mit der beständigen Zunahme der Zahl der Hirten hat zu einer anderen - diesmal ökonomischen - Falle geführt: Die Gemeinschaften der Hirten konnten nicht ohne landwirtschaftliche Produkte überleben. Als das landwirtschaftliche Siedlungsnetz in der Mitte des 3. Jt. v. Ch. verschwand, geriet die Population der Schnurkeramik in eine tiefe Krise. Um weiterexistieren zu können, mußte die landwirtschaftliche Produktion wieder aufgenommen werden. Die Ideologie der Hirten verschärfte diese Situation. Die könnte man wie folgt zusammenfassen: ein Hirte durfte 113

Das Vorkommen kleiner Gräberfelder und die Stabilisierung des Siedlungsnetzes könnte ein Anzeichen für eine verringerte Beweglichkeit dieser Gruppe und die gewachsene Bedeutung des Ackerbaus sein. Der Wandel des Siedlungsnetzes deutet auch auf die Veränderungen der sozialen Struktur hin, möglicherweise wurden die vorherrschend auf Verwandschaftsbeziehungen beruhenden sozialen Beziehungen durch überwiegend territorial bestimmte Beziehungen abgelöst. Die Bestattungssitten der Kraków-Sandomierz Gruppe spiegeln die Gleichheit und Vollständigkeit der Rechte für alle Erwachsene in der Gemeinschaft wider. Das Fehlen von Hügeln, die gleichartige Konstruktion der Grabgruben und in der Regel gleichartige Bestattungen zeugen von dem egalitären Charakter dieser Gruppe. Die symmetrische Vertretung beider Geschlechter steht im Gegensatz zu den Bestattungssitten der älteren Schnurkeramik, wo meist nur Männer begraben wurden. Die Gemeinschaften der Kraków-Sandomierz Gruppe reproduzierten im Prinzip den Typ der materiellen Kultur, der für die ‘älteren’ Einheiten der Schnurkeramik charakteristisch ist. Die neue Art der Wirtschaft, die ihnen durch die neue historische Situation aufgedrängt wurde, hat den Wandel des Siedlungsnetzes und der prinzipiellen Merkmale der sozialen Struktur angeregt. Es scheint, daß diese ‘älteren’ Traditionen wegen der weiterhin großen Anziehungskraft der Hirtenkultur fortgesetzt wurden. Es läßt sich belegen, daß pastorale Gemeinschaften, die durch äußere Bedingungen zur Landwirtschaft gezwungen wurden, in Symbolen, Ge- wohnheiten und in der religiösen Sphäre ein Interesse an der Viehzucht beibehielten. Die Nuer z. B. “are always talking about their beasts. I used to despair that I never discussed anything with the young men but livestock and girls and even the subject of girls led inevitably to that of cattle” (EvansPritchard 1940, 18-19).

Soziale Strukturen und ethnische Identitäten der Bronzezeit Ostpolens

Die Weiterführung der alten Symbolik und vieler Elemente der alten Ideologie unter neuen wirtschaftlichen und sozialen Umständen im Milieu der Kraków-Sandomierz Gruppe verursachte verschiedene innere Konflikte. Als die ersten Gruppen der Glockenbecher-Kultur in den westlichen Teil von Kleinpolen eindrangen (ca. 2400-2300 v. Chr.) erleichterte diese Situation Prozesse der Akkulturation und die Veränderung ethnischer Identitäten. Ausgewählte Muster der fremden Kultur wurden besonders durch Unzufriedene akzeptiert. Mit der neuen materiellen Kultur (Proto-Mierzanowice, das eine Mischung von Schnurkeramik und Glokkenbecher darstellt) wurde die Trennung zwischen diesen Unzufriedenen innerhalb der Kraków-Sandomierz Gruppe auf der einen Seite und von Mitgliedern von Gruppen, welche die älteren Traditionen der Schnurkeramik fortsetzten auf der anderen Seite unterstrichen. Die kleinen Proto-Mierzanowice Gruppen waren sehr mobil. Archäologisch sind die Spuren dieser Leute auf weiten Gebieten vom nordöstlichen Mähren bis nach Wolhynien greifbar. Gerade sie (und nicht die Vertreter der Glockenbecher direkt) haben, in bescheidener und annehmbarer Form, einige Ideen der frühbronzezeitlichen Welt unter der Bevölkerung der KrakówSandomierz Gruppe ausgebreitet. Das alles dauerte bis zu bis drei Generationen. Diese 'weiche' Akkulturation führte zur Ausbildung einer neuen kulturellen, sozialen und ethnischen Qualität, die sich archäologisch in Form der frühen Phase der Mierzanowice-Kultur fassen läßt.

1. Frauen sind der soziale Hauptwert und das wertvollste Objekt des Austausches, das einen biologischen Wert, und als Kommunikationsmittel Kommunikationswert hat, 2. persönliche und gesellschaftliche Verhältnisse werden in einem gewissen Grade durch Frauenaus tausch reguliert, 3. Sozialstrukturen entstehen um den Hauptgegensatz, den der Zugang oder der fehlende Zugang zu einer Gattin darstellt. Dank der Analyse des Begräbnisritus (Kadrow/ Machnikowie 1992; Kadrow 1995) kann man auch etwas über die ‘vertikale’ Dimension der Sozialstruktur, d.h. über die sozialen Unterschiede der Bevölkerung der Mierzanowice-Kultur sagen. Während der drei ersten Phasen (2300-1950/1800 v. Chr.) war die frühbronzezeitliche Gesellschaft völlig egalitär. Es gab aber eine große Asymmetrie in der sozialen Position der Geschlechter. Der Anteil der auf den Gräberfeldern begrabenen Frauen scheint nicht größer als 50% zu sein, während wahrscheinlich alle Männer dort Platz fanden. Eine solche Asymmetrie war auch für die spätneolithischen Gesellschaften der Schnurkeramik oder der Einzelgrabkultur charakteristisch (z. B. Randsborg 1974; Kempisty 1978). Alle Personen, einschließlich der Kinder, wurden nach für Frauen und Männer unterschiedlichen Regeln begraben, und diese Regeln wurden sehr genau eingehalten. In der späten Phase der Mierzanowice Kultur ist diese Geschlechtsasymmetrie auf den Gräberfeldern verschwunden. Zum ersten mal aber sind nun sogenannte reichere Gräber vorhanden. Manche Männer, aber auch manche Frauen haben eine höhere soziale Position erlangt. Man kann in diesem Fall von dem Beginn einer ranked society sprechen. Diese soziale Differenzierung war mit der Zirkulation von Prestigeobjekten verbunden.

In den nächsten drei Phasen der MierzanowiceKultur (2200-1600 v. Chr.) bildeten die Siedlungsmikroregionen mit den entsprechenden Lokalgruppen die wichtigste Form der sozialen Struktur. Die relativ große Homogenität der Keramik in der frühen Phase kann man durch das System der Wohnfolge (Maritalresidenz) besser erklären als über eine Stammesorganisation. Die Mierzanowice-Kultur kann man also als ein relativ geschlossenes Gebiet gegenseitiger Tauschheirat betrachten. Wenn wir annehmen, daß die Keramik gewöhnlich durch Frauen hergestellt wurde, und daß in der Mierzanowice-Kultur ein patrilokales Residenzsystem herrschte, erklärt dies die stilistische Einheitlichkeit der Keramik. Die fortschreitende stilistische und typologische Differenzierung kann man mit einer Tendenz der fortschreitenden Verkleinerung der Gebiete, innerhalb derer Heiratspartner ausgetauscht werden, erklären. Nach Claude Levi-Strauss (1949) basiert die Tauschheirat auf drei Grundkonzeptionen:

Die Trzciniec Kultur Der Untergang der frühbronzezeitlichen Welt und das Aufkommen der Trzciniec-Kultur (Abb. 1) stellt das nächste Beispiel eines kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und ethnischen Wandels dar. Diese Kultur existierte während des gesamten 2. Jahrtausends v. Chr. (Czebreszuk 1996; Górski 1998; Makarowicz 1998b). Die frühe Phase (2000-1600 v. Chr.) entspricht der frühbronzezeitlichen Mierzanowice-Kultur, die klassische Phase (1600-1400 v. Chr.), ist gleichzeitig mit dem Komplex der Hügelgräberkulturen, und die späte Phase 114

Sławomir Kadrow

(1400- 1200/1000 v. Chr.) entspricht chronologisch dem Anfang der Lausitzer Kultur.

dawski 1959; Dąbrowski 1972). Eine lokale Metallurgie mit eigener Stilistik hat sich erst in späten Phase entwickelt, d.h. in der Periode D der Bronzezeit. Vorher gab es wenige Importe (oder Nachahmungen) aus dem Westen (Hügelgräberkulturen) oder aus dem Süden (Kosziderzeit, Blajer 1998).

Die Trzciniec-Kultur unterschiedet sich radikal von der frühbronzezeitlichen Welt. Das betrifft nicht nur die Keramik (Gardawski 1959) und die Metall-objekte (Dąbrowski 1972; Blajer 1998), sondern auch die Struktur des Siedlungsnetzes, die Begräbnissitten und die wirtschaftliche Grundlage. Statt der stabilen, dauerhaften Mikroregionen der Mierzanowice-Kultur (Kadrow 1995) gab es in der Trzciniec-Kultur ein Netz von kleineren, kurzlebigen, aber insgesamt zahlreicheren Siedlungen (vgl. Grygiel 1987; Makarowicz 1998a; Taras 1995), die gewöhnlich eine mikroregionale Struktur bildeten. Als Stabilisierungspunkte dienten, im Gegensatz zu den frühbronzezeitlichen Mikroregionen, Gräberfelder (Czopek 1996). Eine Siedlung wurde meistens von einer Familie bewohnt (Makarowicz 2000). Alle Bewohner einer Mikroregion benutzten ein gemeinsames Gräberfeld. Wahrscheinlich bildeten sie eine Verwandschaftsgruppe (Sippe oder Klan). In Abhängigkeit von den lokalen ökologischen Bedingungen verfolgten die Mitglieder dieser Verwandschaftsgruppen verschiedene SubsistenzStrategien. Die strengen Regeln des Begräbnisritus in der Mierzanowice Kultur (Kadrow/ Machnikowie 1992) wurden durch die sehr differenzierten Begräbnissitten der Trzciniec-Kultur ersetzt (Gar-

In der Trzciniec-Kultur ist der Zusammenhalt zwischen den Elementen der materiellen Kultur also sehr gering. Einige Archäologen haben diese Kultur daher kürzlich als ‘Phänomen ’ oder ‘Prozeß der kulturellen Integration’ und nicht mehr mit dem Begriff der traditionellen ‘archäologischen Kultur’ bezeichnet (Czebreszuk 2001). Auf dem ganzen Gebiet dieser Kultur kommen praktisch nur Gefäße vor, die den Riesenbecher ähnlich sind (Czebreszuk 1998). Kurt Stegen hat diese Keramik so beschrieben: “Riesenbecher sind alle von einer groben Machart (Wandstärke bis zu 2 cm), der Ton ist oft sehr stark mit kleinen Steinchen durchgesetzt. Die Größe schwankt zwischen 30 und 50-55 cm (...). Ein besonders charakteristisches gemeinsames Kennzeichen aller Riesenbecher ist der winzig kleine Boden. (...) Die Form des Riesenbechers wird durch das S-förmige Profil in seiner ganzen Variationsbreite bestimmt. (...) Die Nahtstelle zwischen Rand und Körper wird oft durch einen Wulst oder Wellenleiste betont” (Stegen 1954:280).

Abb. 4. Modell der Relation zwischen verschiedenen Formen der sozialen Organisation und ihren archäologischen Äquivalenten wie sie für die Trzciniec-Kultur typisch sind. 115

Soziale Strukturen und ethnische Identitäten der Bronzezeit Ostpolens

Die älteste Keramik dieser Art ist in Jütland und Niedersachsen auf die 2. Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. datiert (Czebreszuk 1998; Mertens 1998). In Kujawien sind die ältesten Beispiele solcher Keramik dagegen erst um die Wende des 3. zum 2. Jahrtausends datiert (Czebreszuk 1998; Makarowicz 1998b).

wickelter Formen (wie Stämme oder Völker, die so typisch für das Mittelalter waren) der ethnischen Wirklichkeit verhindert. Trotz der unbestrittenen Kontinuität der Besiedlung Ostpolens im anthropologischen Sinn kann man an der Wende Spätneolithikum/Frühbronzezeit und Frühbronzezeit/Mittelbronzezeit nicht von einer Kontinuität im ethnischen Sinn sprechen. Jede Periode hatte ihre eigene charakteristische Sozialorganisation, die sich in der Siedlungsstruktur widerspiegelte. Verhältnismäßig plötzliche Veränderungen dieser Strukturen mußten auch das ethnische Bewußtsein beeinflussen. Somit hat es auch keinen Sinn, die Vorfahren heutiger Nationen oder Sprachgruppen in so entfernten Zeiten wie der Bronzezeit Ostpolens zu suchen.

Die Gesellschaften mit Riesenbecher fanden sich am nord-, nordwest- oder nordöstlichen Rande der Aunjetizer Kultur. Sie hatten einen ganz endneolithischen Charakter. In Kujawien wurden die ältesten Riesenbecher in der Iwno-Kultur hergestellt, die in der Bronzezeit A2 reiche, aunjetizähnliche Metallinventare aufwies. Diese bereits erwähnten Kultureinheiten entsprechen aber noch nicht der echten Trzciniec-Kultur, die erst nach dem Untergang der frühbronzezeitlichen Welt entstanden ist (Kadrow 1998). In der Mittelbronzezeit hat sich diese Kultur von Großpolen bis zum Dnepr in der Ukraine ausgebreitet (Gardawski 1959).

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Ethnische Identität und frühgeschichtliche Archäologie - Das Beispiel der Franken

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Archäologie - Das Beispiel der Franken Sebastian Brather, Universität Freiburg i. Br.

1. Einleitung

homogene Einheiten mit scharfen, distinkten Grenzen vor, abseits allen historischen Wandels. Der Blick blieb auf räumliche statt auf zeitliche Veränderungen fixiert (vgl. Jones 1997).

Der Versuch, Sachkultur und ethnische Gruppen miteinander zu verbinden, ging von der frühgeschichtlichen Archäologie aus1. Man bemühte sich, die Geschichte der modernen Nationen weit in schriftlose Zeiten zurückzuverfolgen bzw. zu verlängern. Seit dem 16. Jahrhundert erhob sich überall in Europa die Frage, welches antike ‘Volk’am Beginn der (eigenen) Geschichte wohl gestanden hatte. Die Romantik sah den Beginn einer patriotischen Sicht auf das Altertum - die “vaterländische Altertumskunde”. In Deutschland lautete die entscheidende Frage: Ist das archäologische Material keltisch, germanisch oder slawisch? Im Zeitalter des Imperialismus erlangte die prähistorische Archäologie auch politische Relevanz. Archäologische Funde konnten ein “exzellentes” Argument für territoriale Ansprüche abgeben, mitunter bis heute (vgl. Kohl/Fawcett 1995; Díaz-Andreu/Timothy 1996).

Neuere Konzepte ethnischer Identität betonen die Selbstzuordnung (das Wir-Gefühl) und die Flexibilität dieser Gruppen sowie die Wechselwirkung zwischen Inklusion (‘Identität’) und Exklusion (‘Alterität’). Ethnische Gruppen besitzen einen Glauben an eine gemeinsame Kultur und eine gemeinsame Abstammung, an gemeinsame Geschichte und Tradition, an die gemeinsame Sprache und das gemeinsame Recht, an die eigenen religiösen Vorstellungen und Mythen. Die ‘Angehörigen’ benutzen kulturelle Symbole, um ihre Zugehörigkeit zu demonstrieren. Denn angesichts der großen Übereinstimmungen mit den Nachbarn - Wirtschafts- und Lebensverhältnisse, Sozialstrukturen - können sich Abgrenzungsbemühungen nur auf ausgewählte Kennzeichen berufen. Die Auswahl, die sich ihrer ‘Plausibilität’ wegen auf reale Differenzierungen stützen muß, wird ideologisch überhöht und zu prinzipiellen Unterschieden gesteigert. Die-se scharfe Distinktion nach außen bedeutet zugleich die Behauptung innerer Homogenität, denn in bezug auf die ‘Charakteristika’ erscheinen alle Gruppenangehörigen als ‘identisch’. ‘Ethnische Identität’ deckt die soziale Differenzierung einer Gesellschaft zu; sie ist das kollektive Bewußtsein der kulturell definierten Zugehörigkeit zu einer politisch und sozial bestimmten Gesellschaft (zusammenfassend: Brather (2000; ebenso Wallerström 1997).

Vier Begriffe standen im Mittelpunkt der Argumentation: Volk, Kultur, Sprache und Rasse. In der Zeit um 1800 wurde ‘das Volk’ entdeckt. Bald gerieten Vorstellungen eines ‘Volksgeistes’ zu einer zentralen Kategorie der historischen Disziplinen. ‘Kultur’, als Begriff der Prähistorie und Ethnologie im mittleren 19. Jahrhundert von Gustav Friedrich Klemm (1802-1867) und Edward Burnett Tylor (1832-1917) geprägt, konnte in zwei Richtungen interpretiert werden: historisch innerhalb eines evolutionistischen Konzepts oder als regional verschiedene Kulturen. Letztere Auffassung, ‘popularisiert’ und durchgesetzt von Gustaf Kossinna (1858-1931) und Vere Gordon Childe (1892-1957, vgl. Veit 1984), dominiert noch heute. Volkskunde und Prähistorie verstanden ihre Kategorien nicht als (wissenschaftliche) Rekonstruktionen, sondern als Realitäten. Ähnlich wie ‘Sprache’ in der Linguistik und ‘Rasse’ in der Anthropologie stellte man sich ‘Kultur’ und ‘Volk’ als kongruente und

2. Systematik ‘ethnischer Deutung’ Das ‘ethnische Paradigma’ umfaßt in der (frühgeschichtlichen) Archäologie im wesentlichen folgende Fragestellungen: die ethnische Zuweisung von Siedlungsräumen, die Verbindung kultureller und ethnischer Kontinuitäten, Ethnogeneseprozes-

1 Vorliegender Aufsatz entstand im Rahmen des Teilprojekts C 4 “Ethnische Einheiten im frühgeschichtlichen

Europa. Archäologische Forschung und ihre politische Instrumentalisierung” des Freiburger Sonderforschungsbereichs 541 “Identitäten und Alteritäten. Die Funktion von Alterität für die Konstitution und Konstruktion von Identität”. 120

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken

Abb. 1 Systematik der ‘ethnischen Deutung’. Die Vielzahl der Versuche, archäologisches Material ‘ethnisch’ zu interpretieren, läßt sich auf fünf Grundmuster zurückführen. Den Ausgangspunkt bildet die Gleichsetzung von Kultur und Ethnos. Von dort aus gelangt man über Kontinuitäten zu Ethnogenesen bzw. in umgekehrter zeitlicher Richtung über Wanderungen zur Ermittlung von Fremden

reotypen, aber nicht den sozialen Realitäten. ‘Archäologische Kulturen’, ‘Sprachen’ und ‘Populationen’ sind wissenschaftliche Klassifikationen, um das Quellenmaterial zu ordnen und einer Interpretation zugänglich zu machen. Sie ziehen innerhalb eines Kontinuums Grenzen, die von der Auswahl der jeweils herangezogenen und berücksichtigten Merkmale abhängen. Es ist die Projektion des modernen Nationalstaats auf frühgeschichtliche Verhältnisse3, die die Kongruenz ethnischer, kultureller, sozialer und politischer Verhältnisse erwarten läßt. Doch nicht einmal moderne Staatsgewalt hat Homogenität im Innern zu erreichen vermocht (vgl. etwa Anderson 1996). Für die Frühgeschichte dürfen deshalb schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus keine homogenen Verhältnisse erwartet werden4.

se, den Nachweis von Wanderungen und die Identifizierung von Fremden und ‘Minderheiten’. Alle diese Aspekte sind eng miteinander verbunden, können aber analytisch getrennt werden, um die Übersicht zu erleichtern. Diese fünf systematischen Aspekte lassen sich in eine (durchaus imaginäre) zeitliche Ordnung bringen, d. h. auf einer Zeitachse nacheinander anordnen. Ausgangspunkt ist die Identifizierung von ‘Ethnos’ und ‘Kultur’ - zu einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Raum. Im zeitlichen Zurückschreiten würden kulturelle und ethnische Kontinuitäten solange verfolgt, bis man bei der Genese von ‘Kultur’ und ‘Ethnos’ angelangt ist. In umgekehrter Richtung, in der Beobachtung zeitlichen Voranschreitens bedeutete kulturelle Ausstrahlung aus dem festgestellten ‘Ursprungsgebiet’ zugleich Ausdehnung bzw. Wanderungen sowie schließlich die Feststellung ‘fremder’ Individuen in einer ethnisch und damit auch kulturell andersartigen Umwelt oder die Beschreibung ethnisch heterogener Gesell-schaften. Allerdings läßt sich diese Unterscheidung nur systematisch durchhalten, denn beispielsweise können Wanderungen auch zu (neuen) Ethnogene-sen führen (Abb. 1)2.

3. Unterscheidung I: Franken und Romanen ‘Franken’, kurz vor 260 zum ersten Mal genannt, war ein Name, der in Spätantike und frühem Mittelalter überaus verschiedene Gruppen bezeichnete (Pohl 2000). Aus römischer Sicht waren es zunächst alle plündernden Barbarenscharen, die über Mittel- und Niederrhein zogen (am Oberrhein hießen sämtliche Plünderer ‘Alemannen’). In spätantiker Zeit wurden ‘Franken’ zu Söldnern und römischen Militärs5. ‘Fränkisch’ waren auch die Königsfamilien bzw. Dynastien der Merowinger und Karolinger. Die Abgrenzung der Franken und der Francia konnte sehr unterschiedlich ausfallen. Im 6. Jahrhundert war in Gallien mit francus ein ingenuus gemeint, der für das Heer verfügbar war und keine Steuern zahlte, ein romanus dagegen ein steuerzahlender Grundbesitzer (Halsall 1995, 28).

Voraussetzung all dieser Schlußfolgerungen ist, daß die zu identifizierenden (ethnischen) Gruppen nach innen homogene und nach außen deutlich abgeschlossene (distinkte) Einheiten darstellten. Außerdem müßten verschiedene Ebenen kongruent zusammenfallen (Abb. 2): regionale Gruppierungen der Sachkultur, ethnisches Selbstverständnis, Sprachraum und schließlich auch die biologische Seite der Verwandtschaft (‘Abstammungsgemeinschaft’). Dies entspricht gängigen ethnischen Ste-

2 vgl. Brather (2002) zur Exemplifizierung am Beispiel der Alemannen. 3 Nur selten scheint diese Projektion durch, so wenn beispielsweise Volker Bierbrauer von einer “national-gotischen

Tracht” (Bierbrauer 1994, 166) und “national-langobardischen Bügelfibeln” (Bierbrauer 1980, 97) ausgeht oder Alexander Koch “national-spezifische Bügelfibeltrachten” aufspürt (Koch 1998, 540). 4 vgl. aus ethnologischer Sicht Lentz (1998). 5 aus archäologischer Sicht Martin (1998, 407-422); Böhme (1974). 121

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken Abb. 2. Romantische Auffassung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Kul-tur, Volk, Sprache und ‘Rasse’ seien je-weils homogene und nach außen scharf geschiedene, einander kongruente To-talitäten. Denkbar wäre eine solche Konstellation allenfalls in einer stark isolierten Inselsituation ohne äußere Kontakte. Für nahezu alle historisch bekannten Situationen erweist sich dieses Bild als völlig unzutreffend, denn Kulturen bzw. Gesellschaften existieren nie in der Isolation von ihren Nachbarn. Die sich daraus ergebenden Beziehungen haben unscharfe Grenzen zur Folge. Verschiedene Bereiche bzw. Ebenen des Austauschs tragen zur diffusen Abgrenzung bei.

Der austrasische Hausmeier Pippin II. der Mittlere († 714), im modernen Verständnis so etwas wie ein prototypischer Franke, besiegte 687 in der Schlacht von Tertry die Neustrier unter König Theuderich III. (675-690/1) und dem Hausmeier Berchar († ca. 691); im Liber Historiae Francorum wird dies als Sieg über das regnum Francorum, den exercitus Francorum und den rex Francorum gefeiert (Liber Historiae Francorum 35-37; 41; 43; 45 f.; 53; vgl. Gerberding (1987). Dieselbe Quelle sah aber nach Pippins II. Tod 714 Franken gegen Franken (Neustrier gegen Aquitanier) kämpfen, betrachtete Austrasier als Franci superiores und Ribuarier als Franci seniores (Liber Historiae Francorum 51; 27; 38). Während im Verständnis des 7. Jahrhunderts meist die Neustrier als ‘Franken’ galten, titulierte man die Aquitanier als ‘Römer’; wahrscheinlich waren damit regionale Identitäten des Adels gemeint (Geary 1996, 203; Halsall 1995, 30-32). Vom umfassenden regnum Francorum schied man die kleinere Francia: Sie bezeichnete in den FredegarFortsetzungen (Fredegar, Chronicon, Continuationes 2) den Raum zwischen Seine und Rhein (eine “erweiterte” Île de France) - Bourges und Luxeuil lagen bereits südlich der Francia. Aus itali(en)ischer Perspektive begann die Francia dem Liber Pontificalis zufolge bereits jenseits der Alpen (Liber Pontificalis 93,19; 93,25); Vienne an der Rhône gehörte schon dazu. Die Francia der Karolingerzeit erstreckte sich über den Rhein hinweg; in St. Emmeram (Regensburg) glossierte man deshalb Germania mit Franchonolant (Pohl 1999, 199 mit Verweisen).

Als ‘Franken’ wurde noch unter den frühen Karolingern nur eine kleine Gruppe politisch Handelnder bzw. Handlungsberechtigter verstanden, nicht so etwas wie ein ‘Volk’ der Franken. Den Schilderungen in den Fortsetzungen des sog. Fredegar zufolge erhoben die Franci bzw. die gens Francorum ihre Könige oder zettelten Verschwörungen an. Pippin III. der Jüngere (714-768), Hausmeier der Merowinger, schickte 751 im Konsens omnium Francorum (Fredegar, Chronicon, Continuationes 33) jene berühmte Gesandtschaft an Papst Zacharias (741-752), die dessen Zustimmung zur Absetzung des letzten Merowingerkönigs und zur Errichtung des karolingischen Königtums erbrachte. Das fränkische Heer umfaßte universa multitudo gentis Francorum (ebd., 43). Daß also ‘die Franken’ eine kleine, d. h. zahlenmäßig begrenzte und sozial abgehobene Gruppe waren, zeigen Formulierungen wie maiores natu Francorum (ebd., 2), proceres Francorum (ebd. 38), optimates Francorum (ebd., 42), nobiles Franco-rum oder Franci seniores (ebd., 38; Pohl 1999, 199). Aus anfänglich mehreren Gruppierungen wurden erst unter den Merowingern die Franken (Wood 1995, 53). Dennoch blieben die Begriffe variabel: “Francus, thus, seems to have been a word with many nuances, even within a single source” (Wood 1995, 48 f.). Festgefügte, homogene Grup-pen werden in den Quellen nicht beschrieben. Die archäologische Forschung suchte die Franken in zwei Richtungen abzugrenzen: im nördlichen

6 Die Gegenüberstellung Germanen - Römer stellt letztlich die Fortschreibung des antiken Gegensatzpaares Barbaren - Römer dar (Amory 1997, 326; vgl. Goffart 1980).

122

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken

Gallien - ebenso wie Historiographie und Linguistik - gegen die ‘Romanen’6, südlich des Mains gegen die ‘Alemannen’. Alle Versuche konzentrieren sich dabei auf die sogenannten ‘Reihengräberfelder’, denn Siedlungen sind nur unzureichend bekannt. Anhand der Ausstattung im Grab werden Kriterien der Differenz entwickelt, um verschiedene Bevölkerungsgruppen zu unterscheiden. Daß es diese ‘ethnisch’ verschiedenen Großgruppen tatsächlich gab, die nach innen homogen und nach außen scharf abgegrenzt waren, wird dabei vorausgesetzt. Frauke Stein stellt z. B. ihrer Untersuchung der “Bevölkerungsverhältnisse im Saar-Mosel-Raum” die folgenden beiden Homogenitäts-Prämissen voran: 1. “ethnische Zugehörigkeit der Menschen” drückte sich im Merowingerreich “auch in ihrer Muttersprache” aus, und 2. wirkt sich “[e]thnische Zugehörigkeit ... im kulturellen Verhalten in den verschiedensten Bereichen aus” (Stein 1994, 69). Demgegenüber stellt die jüngere historische Forschung fest, daß sich ethnische Gemeinschaftsbildung auf die Fiktion einer Abstammungsgemeinschaft und das gentile Heer stützte, die Sprache aber höchstens eine untergeordnete Rolle spielte (Pohl 1985, 97f.)7. In kultureller Hinsicht bestanden viele Gemeinsamkeiten zwischen benachbarten Gesellschaften und große (soziale) Unterschiede innerhalb von Gesellschaften. Kleidung (“Tracht”) erschien der Archäologie lange Zeit als (symbolischer) ethnischer Indikator par excellence, und sie wird anhand der erhaltenen metallenen Bestandteile rekonstruiert8.

die es nahezu ausschließlich in “germanischen’ Bestattungen gebe (Ament 1992, 262)10. Idealty-pisch sollten Waffen und Schmuck ‘germanische” Gräber charakterisieren und in “romanischen” Bestattungen fehlen. Denn innerhalb des spätantiken Imperiums sind Waffen und Fibeln selten mit in die Gräber gelegt worden, häufig dagegen im militärischen Zusammenhang (Limes und Kastelle, “Garnisonsfriedhöfe”, Böhme 1998, 33-40; Böhme 1974). Dabei verbreitete sich die Waffenbeigabe nur zögerlich, und “[d]as übrige Grabinventar ... setzt sich zumeist aus gängigen Produkten spätrömischer Werkstätten und Ateliers zusammen” (Böhme 1998, 44)11. Lassen sich für die Fibeln und ihre “Beigabe” (das heißt Bestattung in der Kleidung) Vorbilder und Parallelen in der Germania magna finden12, fällt dies für die Waffenbeigabe schwer. Denn Waffen in “germanischen” Männergräbern sind keineswegs “regelhaft”, sondern regional sehr unterschiedlich verbreitet (Weski 1982, 205-208; Schultze 1987, 93-117). Es läßt sich keine ununterbrochene “Tradition” erkennen, und stets waren es jeweils nur wenige Individuen, die im Grab mit Waffen ausgestattet wurden. An Rhein und Weser, Main und Donau - den an die römischen Provinzen grenzenden germanischen Siedlungsgebieten - fehlen Waffengräber bis ins 4. Jahrhundert. Ihr allmähliches Aufkommen dort wie in den nordgallischen Provinzen kann mit Entwicklungen auf Reichsgebiet in Verbindung gebracht werden. Die größte Häufigkeit erreichten Waffengräber im Elbegebiet sowie im Bereich der Przeworsk-Kultur in der frühen Kaiserzeit, das heißt, gerade nicht in der Nachbarschaft des Imperiums (Schultze 1987, 19-23; Weski 1982, 63-184).

Zur Unterscheidung zwischen “Romanen”9 und “Germanen” (hier Franken) dienen “Waffen in Männergräbern und Fibelsätze in Frauengräbern”,

Als Grund für die “romanische Beigabenlosigkeit” wird häufig die Durchsetzung des christlichen Glaubens vermutet, doch läßt sich für eine religiös

7 “Most early medieval kingdoms were at least bilingual, and Visigoths, Lombards and Franks gradually abandoned

their Germanic tongue without any perceptible crisis of identity” (Pohl 1998, 25). 8 “Fibeln als notwendiger Kleiderverschluß trugen verständlicherweise nur germanische Frauen mit einer entsprechend geschnittenen Tracht (Peplos) und nicht Romaninnen, deren andersartige Kleidung (Tunika) schon seit Jahrhunderten gänzlich ohne solche Metallaccessoires auskam” (Böhme 1974, 32). 9 Das Kunstwort “Romanen”, das von romanus = Römer abgeleitet ist, gibt es nur im Deutschen. Die französische Historiographie hat im 19. Jahrhundert die ‘Gallo-Römer’ als Bezeichnung für die Bevölkerung in den gallischen Provinzen erfunden (vgl. Thierry 1840-1847). 10 So schon Zeiss (1941). Zur Geschichte der Fragestellung vgl. Fehr (2001). 11 Die Kerbschnitt-Gürtelgarnituren können nicht mehr als ausschließlich römische Produkte gelten, seitdem entsprechende Gußformen auch in “germanischem” Zusammenhang entdeckt wurden (Steuer 1994) und Kerbschnitt sich ebenfalls auf Fibeln im Elb-Weser-Dreieck und auf Holzmöbeln von Vremen findet (Schön 1995). 12 Allerdings gehen auch die Bügelfibeln des 5. Jahrhunderts wohl auf römische Anregungen zurück (SchulzeDörrlamm 2000). 123

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken

motivierte “Beigabenfeindlichkeit” des Christentums kein Beleg anführen13 - abgesehen davon, daß wir es dann mit einem religiösen und nicht einem ethnischen Gegensatz zu tun hätten. “[I]m 6. und 7. Jahrhundert ... fällt auf, daß die regelhafte Beigabenlosigkeit nun öfters durchbrochen wird”, d. h. auch “römische” Gräber Beigaben enthalten. “Dieses seltsame Wiederaufleben der ‘Beigabensitte’ bei den Romanen” sei im gesamten Imperium und nicht nur in “Kontaktbereichen” mit Germanen zu beobachten und deshalb im allgemeinen keine Folge einer “Germanisierung” oder “Barbarisierung” der früheren provinzialrömischen Bevölkerung (Bierbrauer 1996, 111). Zugleich kann Beigabenlosigkeit aber auch als Indiz für geringen Sozialstatus von Germanen interpretiert werden, sind doch oft nicht wenige Bestattungen eines Reihengräberfelds (weitgehend) beigabenlos. Die “negative” Charakterisierung der provinzialrömischen Bestattungen - als “beigabenlos” - ist daher nicht grundsätzlich durchzuhalten. Für den nordgallischen Raum scheinen hier Vorstellungen einer “fränkischen Landnahme” (Petri 1977) und eines damit verbundenen “Überschichtungsprozesses” (Bierbrauer 1996, 119) durch, die die eindringenden Franken letztlich zu Herrschenden und die ansässige Provinzbevölkerung zu Beherrschten gemacht habe. Eine solche “fränkische Invasion” in Nordgallien hat Karl Ferdinand Werner jüngst als historiographischen Irrtum bezeichnet (Werner 1997, 7-45)14. Dies deckt sich mit anderen, neueren Forschungsansätzen, die die gemeinsame Lebenswelt von Römern und Germanen auf dem Gebiet des Imperiums herausstellen. Eine konfrontative Gegenüberstellung kennzeichnet wohl nicht die Realitäten der Spätantike. Beide Seiten arrangierten sich mit den sich verändernden Verhältnissen - Germanen wurden zu römischen Militärs und Beamten, Römer zu ihren Ratgebern und Historiographen. Identitäten muß-

ten sich nicht zwischen ‘römisch’ oder “germanisch’ entscheiden: Francus ego cives, Romanus miles in armis, berichtet ein Grabstein der Zeit um 300(?) aus Aquincum (Pannonien)15. Darüber hinaus stellten weder die römische Provinzbevölkerung noch die germanischen Heere homogene Einheiten dar, auf beiden Seiten fanden sich ‘Römer” und ‘Germanen’. Ein anderes Modell, das Aufkommen der Reihengräber und der für sie typischen Schmuck- und Waffenbeigaben zu erklären, setzt an dieser gemeinsamen Lebenswelt an16. Die Verbreitung der Reihengräberfelder ist geographisch eine Erscheinung der Peripherie - der Peripherie des spätantiken Imperiums zwischen Loire und Rhein, von Burgund bis Rätien und Noricum17 sowie (eingeschränkt) in Spanien (Ripoll López 1994, 311, Abb. IV, 14-15; Sasse 1997, 32-33, Abb. 1; Bierbrauer 1994, 167 Abb. 37; Ebel-Zepezauer 2000, 117 Abb. 31). Reihengräber finden sich sowohl auf römischem Boden als auch im Gebiet des angrenzenden Barbaricums. Insofern scheint es sich beim Aufkommen der Reihengräber um kulturelle Neuformierungen gehandelt zu haben, deren Zurückführung auf mutmaßliche “germanische” oder (provinzial-)”römische” Traditionen zu kurz greift. Verschiedene kulturelle “Wurzeln” waren beteiligt (ohne daß sich die “entscheidende” feststellen ließe), doch wichtig war die kulturelle Neuorientierung18. Ebenso wie bei der Entstehung “germanischer” Reiche auf “reichsrömischem” Boden dürfte es ergiebiger sein, statt dieser Dichotomie die verbindenden Elemente herauszustellen. Die “Auflösung” bisheriger politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Strukturen forderte von den Zeitgenossen die Suche nach neuen und den neuen Verhältnissen angemessenen Bezügen und Identitäten. Daran mußten Germanen und Ro-manen - beides in jeder Hinsicht nichts weniger als homogene und distinkte Gruppierungen - gele-

13 Ein Brief Theoderichs gibt ökonomische Gründe für die “Unsinnigkeit” von Grabbeigaben an, die spätere Inter-

pretationen als vorgeschoben ansahen und statt dessen religiöse Motive vermuteten. Gerade das geht aus dem Text jedoch nicht hervor: Prudentiae mos est in humanos usus terris abdita talenta revocare commerciumque viventium non dicere mortuorum, quia et nobis infossa pereunt et illis in nullam partem profutura linquuntur. Metallorum quippe ambitus solacia sunt hominum, nam divitis auri vena similis est reliquiae terrae, si iaceat: usu crescit ad pretium, quando et apud vivos sepulta sunt, quae tenacium manibus includuntur (Cassiodor, Variae IV,34; vgl. Mommsen 1894, 129; vgl. Effros 1994, 151-172). 14 Bereits Haller (1944, 67 Anm. 1) hatte die Auffassung Franz Petris und Franz Steinbachs als “durch die Tatsachen widerlegt” angesehen. 15 CIL III 3576 (fehlerhafte Quellenangabe bei Pohl (2000, 36) sowie James (1988, 42); die zweite Zeile der Inschrift lautet: Egregia virtute bello mea dextera sem(p)er). 16 Dieser Ansatz ist nicht neu (vgl. de Laet/Dhondt/Nequin 1952, 149-172; Young 1977, 5-81). 17 vgl. die Karte von Werner (1979, 8); Schnurbein (1995, 26 f. Abb. 8). 18 Patrick Périn (1981, 144f.) spricht von “une culture mixte ‚romano-franque’”. 124

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken

gen sein. Dann scheint auch die Ausstattung im Grab, die im Bereich der Reihengräber fibelgeschmückte Kleidung bei den Frauen und die Waffenbeigabe bei den Männern umfaßte, durch diese Neuorientierung erklärt werden zu können19. Aufgrund der stetig abnehmenden Reichweite und Durchsetzungskraft der antiken Administration entstanden soziale Konkurrenzen und Instabilitäten. In dieser Situation konnten Waffen die Kontrolle bewaffneter Kräfte demonstrieren sowie Gürtel und Fibeln als “Rangabzeichen” fungieren. So könnte sich auch die alte Elite in neuem Habitus präsentiert haben, um anstelle des Bezugs auf die nicht mehr funktionierende imperiale Macht sich mit nichtautorisierten lokalen Machthabern und den Barbarenkönigen zu arrangieren (Halsall 1995, 250f.).

untergeordnete Rolle, wenngleich Sozialprestige nun durch Kirchenstiftungen erworben werden konnte20. Vor diesem Hintergrund erscheinen die “Akkulturations”-Vorgänge in einem anderen Licht21. In der Spätantike standen sich wahrscheinlich nicht zwei völlig unterschiedliche, “unverfälschte Kulturmodelle” (Bierbrauer 1994) gegenüber, und die Kennzeichnung der Veränderungen als “Romanisierung” im Westen und “Frankisierung” im Osten des Merowingerreiches (Bierbrauer 1996, 119f.), die auch die Ursache für die Ausbildung der romanisch-germanischen Sprachgrenze gewesen sei (Stein 1994), greift zu kurz. Beiderseits des früheren limes läßt sich ein gleichartiges Reagieren auf den historischen Wandel und die Suche nach neuen sozialen Bezügen erkennen. Die “fränkische Identität” bot sich als einzig sichtbare Alternative zum zerfallenden Imperium an. Innerhalb des Frankenreichs - unterhalb der übergreifenden “fränkischen” Identität - blieben Offenheit und Raum für regionale Entwicklungen und Identitäten.

Denn an welches ‘Publikum’ richtete sich die Ausstattung im Grab? Sie war nur während eines sehr kurzen Zeitraums sichtbar - nämlich während der Bestattung selbst. An der Grablegung waren die Familie und ein mehr oder weniger großes soziales Umfeld beteiligt. D. h., demonstrative und repräsentative Absichten, die mit der Bestattung verbunden waren oder wurden, richteten sich an die eigene Gesellschaft; sie suchten ein Idealbild des sozialen Prestiges der Familie des oder der Verstorbenen zu zeichnen. Soziale Abgrenzungen waren innerhalb der Gesellschaft zu ziehen, nicht gegenüber überhaupt nicht oder allenfalls zufällig anwesenden “Fremden”, d. h. anderen Gesellschaften. Unter stabilen Verhältnissen, wenn sozialer Rang gesichert erscheint, bedarf es keiner besonderen oder herausgehobenen Grabausstattung. In unsicheren Situationen muß dagegen der Aufwand zur Statussicherung gesteigert werden. Aus dieser Sicht ist es nicht unwahrscheinlich, daß das Aufkommen von Grabbeigaben seit dem 4. Jahrhundert - angesichts der offenkundigen Auflösungserscheinungen des Imperiums - einen Versuch darstellte, soziales Prestige durch Demonstration im Grab zu behaupten. Dafür spricht auch, daß mit den sich festigenden politischen Verhältnissen im Frankenreich seit dem 7./8. Jahrhundert die Ausstattung im Grab wieder abnimmt und schließlich verschwindet. Der christliche Glaube spielte hierbei wohl eher eine

“Im Fall der Franken war es gerade der außergewöhnliche Erfolg derjenigen, die unter diesem Namen operierten, der eine Entwicklung zu stärkerer fränkischer Identität und größerer ethnischer Geschlossenheit verhinderte” (Pohl 2000, 37).

4. Unterscheidung II: Franken und Alemannen Zur archäologischen Unterscheidung zwischen Franken und Alemannen22 in der Merowingerzeit gibt es zwei methodische Ansätze. Traditionell wird die Kleidung als ‘ethnisch’ spezifisch und aussagekräftig eingeschätzt, deren metallene Bestandteile - vor allem Fibeln - untersucht werden. Alexander Koch geht dabei von der nicht weiter begründeten “festen Überzeugung” aus, daß “[k] eine Fränkin ... ostgotische, thüringische oder langobardische Bügelfibeln getragen haben [wird], sofern sie nicht durch besondere Umstände dazu gezwungen wurde” (Koch 1998, 536f.; 563). Zugrunde liegt die Auffassung, daß sich “ethnische Identität praktisch nur durch Tracht nach außen artikuliert” (Koch 1998, 535) bzw. alle Frauen einer “alten, angestammten nationalen Volkstracht” (Bierbrauer 1980, 95) verpflichtet seien, da “Frauen

19 Auf diese Weise ließe sich auch die archäologische “Unsichtbarkeit” der tolosanischen Westgoten erklären, die Bierbrauer (1994, 155) für ein “Miraculum” hält. Aquitanien gehörte nicht zu jenen peripheren Regionen, in denen Reihengräber und Fibelausstattungen den zeitgenössischen Habitus prägten. 20 Zu Details dieser Argumentation vgl. Halsall (1995); Halsall (1995/19972); Effros (1994). 21 Grundsätzlich Gotter (2000). 22 Zum Hintergrund vgl. zwei neuere Sammelbände (Geuenich 1998; Wood 1998). 125

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken

Abb. 3 Ethnische Interpretation im Titel von Gräberfeldpublikationen. “fränkisch”; “alemannisch”; “bajuwarisch”; ethnisch neutral - “frühmittelalterlich” (nach Siegmund 2000, 4, Abb. 1)

direkte Verknüpfung mit den Alemannen zu vermuten” (Abb. 4, Koch 1998, 541 Karte 1). Aller-dings zeigt die Kartierung, daß die Mehrzahl (!) der Fundpunkte außerhalb der frühmittelalterlichen Alemannia liegt. In vergleichbarer Weise werden auch “thüringische” (Vogelkopf- und Zangenfibeln) und “gotische” Fibeln (Silberblechfibeln) de-finiert. Für den gallischen Raum ist eine Vielzahl an Fibeltypen beschrieben worden, so daß die charakteristische “fränkische” Fibel offensichtlich nicht zu identifizieren ist, wenn auch A. Koch die Verbreitung von Fünfknopffibeln mit gleichbreitem bis leicht trapezoidem Fuß und halbrunder gegitterter Kopfplatte sowie Bügelfibeln vom Typ Hahnheim “gewissermaßen [als] Dichtezentren fränkisch-germanischer Prägung” begreift (Abb. 5, Koch 1998, 574). Es läßt sich fragen, ob Typen-

nur einmal im Leben Fibelschmuck erhielten” (Koch 1996, 35). Unter dieser Prämisse erscheint es dann unverständlich, daß Alemannen, Thüringer und andere Germanen innerhalb des Merowingerreichs “ihren spezifischen ethnischen Charakter auf der Ebene der Tracht gegenüber dem sie umgebenden fränkischen Milieu ... bewahren” konnten, “ihre ethnische Eigenständigkeit (Identität) auf der Ebene des Rechts” jedoch bereits verloren hatten (Koch 1998, 562). Grundlage der Unterscheidung sind die Verbreitungsschwerpunkte einzelner Fibeltypen. Sie werden mit den aus schriftlichen Quellen erschlossenen Siedlungsräumen parallelisiert (Abb. 3). So sei für bestimmte Fibelformen des 5. Jahrhunderts aufgrund “der historischen Überlieferung ... eine

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Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken

Abb. 4 Verbreitung „alemannischer“ Bügelfibeln der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts. 1 Formengruppe GroßUmstadt; 2 Formengruppe Nieder-Florstadt/Wiesloch; 3 Fibeln mit ähnlicher Kopfplattenbildung wie bei der Form Florstadt/Wiesloch. Die Fibeln dieser variantenreichen Typen gelten als individuelle Einzelanfertigungen, so daß ihr möglicher Symbolwert gering zu veranschlagen sein dürfte (nach Koch 1997, Karte 1)

Abb. 5 Verbreitung “fränkischer” Bügelfibeln des 6. Jahrhunderts. Fünfknopffibeln mit gleichbreitem bis leicht trapezoidem Fuß und halbrunder gegitterter Kopfplatte; Bügelfibeln vom Typ Hahnheim. Das diffuse Verbreitungsbild besitzt einen Schwerpunkt zwischen Seine und Rhein (nach Koch 1998, 574 f. Abb. 20-21) 127

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken

jene Fälle mit einem “ethnisch gemischten” Inventar. “Die Frau in Grab 89 [von Pleidelsheim] kombinierte die bei den Thüringern recht beliebten silbernen Almandinscheibenfibeln und ein großes Paar ostgotischer silberner Bügelfibeln ... Als Obolus verwendete die in Pleidelsheim verstorbene Thüringerin gemäß fränkischem Brauch eine vorzüglich erhaltene, in Ravenna zwischen 540 und 552 geprägte Viertelsiliqua” (Koch 1996, Hervorhebung S. B.)24. Warum handelt es sich eigentlich definitiv um eine Thüringerin? Ein weiteres Beispiel: “Eindeutig ist die fränkische Herkunft der beiden Frauen [der ersten Generation von Klepsau]. Das Rosettenscheibenfibelpaar mit ungegliederter Mittelzelle aus Grab 15 ... ist eine typisch fränkische Form; die Bügelfibel vom Typ Hahnheim aus Grab 10 ... wurde am nördlichen Oberrhein gefertigt.” (Koch 1990, 243; Hervorhebung S. B.). Und manchmal wird sogar der Lebenslauf rekonstruiert, z. B. für die “Dame von Ficarolo” (Veneto), die aufgrund ihrer “gotischen” Fibel(n) und der Gürtelschnalle um die Mitte des 5. Jahrhunderts im Karpatenbecken aufgewachsen sei, ihre Haarnadel im alemannischen Raum erhielt und schließlich “496/497 bzw. 505/506 zusammen mit anderen Alamannen nach Oberitalien übergewechselt bzw. ‘geflüchtet’” sei, wo sie schließlich starb (Abb. 6)25. Könnte das Ensemble nicht auch in Italien zusammengestellt worden sein?

Abb. 6 Kleidungsbestandteile und Schmuck des Frauengrabes von Ficarolo (Veneto). 1 Haarnadel; 2 Armring; 3-4 Bügelfibel; 5 Fingerring; 6 Gürtelschnalle; 7 bronzene Ringe; 8 Glasperle. M. 1:1 (nach Büsing/Büsing 1998, 263, Abb. 7).

verbreitungen tatsächlich stets die Siedlungsräume verschiedener ethnischer Gruppen reflektieren23. Alternative Erklärungsansätze berücksichtigen zunächst Herstellung und Distribution der Schmuckstücke (Steuer 1999, 542-556). Denn wenn die Verbreitung der Stücke beispielsweise von mobilen Handwerkern und herrschaftlichen Beziehungen abhing (die ebenfalls zwingend regionale Verbreitungsschwerpunkte hervorrufen), kann sie nicht für ethnische Interpretationen verwandt werden.

Diese “ethnisch gemischten” Ausstattungen markieren deutlich die Grenzen des Modells. Wie soll man sich entscheiden - für die “thüringischen” oder die “ostgotischen” Fibeln? “Fremde” sind angesichts der Mobilität des frühen Mittelalters nicht überraschend, doch sollten die Fibeln niemals “gewechselt” und gegen “modernere” eingetauscht oder auch die Kleidung verändert worden sein? Und warum sind eigentlich immer nur “fremde” Frauen zu fassen? Nur ein Teil der Gräber enthält überhaupt Fibeln, die zudem - aus Silber, Gold und Halbedelsteinen gefertigt - als Indikatoren sozialen Prestiges gelten müssen. Bei weitem nicht alle Franken oder Alemannen waren sich also (in der Kleidung) gleich, und nur ein Bruchteil wäre auf

Sind regionale Fibelformen erst einmal ethnisch zugewiesen, lassen sich auch Individuen in einem kulturell “fremden” Milieu ausmachen - verschiedenste germanische Gruppen im Merowingerreich, Alemannen in Norditalien, Langobarden nördlich der Alpen usw. Methodisch interessant erscheinen

23 “Die Tracht gleichsam als Regionaluniform existierte wohl nirgendwo und nie, weil auch regionale Materialien

und Schnitte immer den wirtschaftlichen wie ästhetischen Einflüssen unterlagen, die aus dem Handel, der handwerklichen Produktion und der überregionalen Mobilität erwuchsen” (Kaschuba 1999, 227). 24 Selbstverständlich geht die Grabausstattung auf die bestattende Gemeinschaft und nicht auf die Verstorbene selbst zurück; vgl. Koch (1997, 219-232). 25 (Bierbrauer 1993, 318-332, bes. 330; vgl. Büsing/Büsing 1998, 253-276). Die beiden Autoren des letzten Aufsatzes konstatieren, daß anhand des Grabinventars “[a]n der ‘Dame von Ficarolo’ ... zum erstenmal ein Lebensweg in der frühen Völkerwanderungszeit handgreiflich sichtbar geworden” sei, während sie sich zugleich gegen die “ethnische Deutung” der Funde aussprechen und statt dessen “Landschaftsstil”, “Zeitstil” und “handwerkliche Tradition” hervorheben (ebd., 275 f.). 128

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken

Abb. 7 Unterschiedliche “Kulturmodelle” im 6. Jahrhundert. Die Modelle basieren auf den Häufigkeiten von Waffenund Gefäßbeigaben pro Friedhof. “Alemannen”; “Franken”; “Thüringer”; x “noch nicht klassifiziert” (“Sachsen”?). Je kleiner das Symbol, desto mehr weicht es vom Durchschnitt des jeweiligen “Kulturmodells” ab. Die Kartierung zeigt diffuse Übergänge in der Sachkultur, die auf die Spätantike zurückgehen, jedoch keine Identitäten (verändert nach Siegmund 1999, 213 Abb. 4).

diese Weise “ethnisch” zuzuordnen. Stellt man sich die “Wirkung” der “Schmuckstücke” an der Frauenkleidung vor, so dürfte der Eindruck von glänzendem Silber den detaillierter stilistischer Unterschiede überwogen haben. Dies korrespondiert mit der oben angestellten Überlegung, daß die Demonstration von Zugehörigkeit und Abgrenzung zunächst auf die eigene Gesellschaft zielt und allenfalls sekundär “Fremde” meint.

ganze Gräberfelder in den Mittelpunkt. Eine Hochrechnung der Beigabenausstattungen auf jeweils 100 Gräber ermöglicht den statistischen Vergleich. Auf diese Weise sollen gewissermaßen die “materialisierte Ethnizität” oder mit anderen Worten “Sitten und Gebräuche” (Siegmund 2000, 85) erfaßt und beschrieben werden. Großräumige regionale Unterschiede in der Häufigkeit von Keramikund Glasgefäßbeigaben sowie der Waffenausstattung ergeben in der Kombination ein fränkisches und ein alemannisches “Kulturmodell”. Im “fränkischen” Raum finden sich mehr Glasgefäße und Drehscheibenkeramik sowie mehr Lanzen und Äxte, im “alemannischen” Bereich kaum Glas und viel handgemachte Keramik, mehr Saxe und Spa-

Jüngst hat Frank Siegmund (2000) einen anderen beispielhaften Ansatz verfolgt, da er die Konzentration auf einzelne (Fibel-)Typen und deren Aussagekraft hinsichtlich ethnischer Identitäten für unzureichend hält. Statt dessen stellt Siegmund 129

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken % 50

Grenzziehungen innerhalb des Merowingerreichs (Herzogtümer) sekundär zur Ausbildung unterschiedlicher Kommunikations- und Kulturräume geführt haben.

Franken

40

30

5. Ethnische Ausweg?

20

0 Lanze

Sax

Spatha

Sax

Spatha

% 60

6. Jahrhundert 50

7. Jahrhundert

Alemannen

40 30 20 10 0 Axt

Lanze

als

methodischer

Analysen der Sachkultur - seien es “archäologische Kulturen” oder einzelne Typen - ergeben selten scharfe Grenzen, sondern fast stets ein diffuses Kontinuum (Abb. 7). Klare Abgrenzungen, wie sie ethnische Identitäten behaupten, sind im archäologischen Material nicht auszumachen. Stets ist es ein “Mehr oder Weniger”, das benachbarte Kulturräume unterscheidet. Als methodischer “Ausweg” aus dem kulturellen Kontinuum könnte die Ermittlung jener Symbole sein, die zur ethnischen Abgrenzung verwendet wurden. Der Archäologie selbst dürfte es prinzipiell schwer fallen, allein aus dem “Kontext” der Funde deren symbolischen Hintergrund zu erschließen, auch wenn die contextual archaeology dies versucht. Da Zeichen grundsätzlich arbiträr sind - und zur ethnischen Unterscheidung die jeweils auf die konkrete Situation “passenden”, d. h. eine soziale Grenzziehung ermöglichenden Charakteristika “willkürlich” ausgewählt werden -, bedarf es zusätzlicher Informationen aus den Schriftquellen.

10

Axt

Symbole

Abb. 8 Häufigkeit verschiedener Waffenbeigaben in merowingerzeitlichen Männergräbern West- und Südwestdeutschlands (nach Siegmund 1996, 705 Abb. 577)

thas. Dabei sind diese Elemente räumlich und zeitlich unterschiedlich häufig, weil sie von unterschiedlichen Faktoren abhängen; erst in der Summierung entstehen daraus “Kulturräume” (Abb. 7)28.

Gelegentlich erwähnen frühmittelalterliche Historiographen solche “ethnischen” Besonderheiten (Pohl 1998). Aufgrund der etymologischen Verwandtschaft des Frankennamens und der Franziska, einer Kampfaxt, wird diese Waffe als ethnisches Symbol der Franken (bzw. fränkischer Krieger) apostrophiert. Allerdings ist diese Bezeichnung nur aus dem Spanien des frühen 7. Jahrhunderts bekannt (Isidor von Sevilla, Etymologiae sive origines XVIII,6,9), bevor sie dann auch fränkische Quellen zwischen dem 8. und dem 10. Jahrhundert verwenden. Die Kennzeichnung als zweischneidige Axt in karolingerzeitlichen Quellen geht letztlich stets auf Gregor von Tours zurück, der bipennis (als die die Franziska bei Isidor bezeichnet ist) und securis synonym verwandte (Gregor von Tours, Historiae II,27). Das genaue Aussehen der Franzisken - nicht nur die Zahl der Schneiden - ist heute ebenso unbekannt wie ihre Handhabung - geworfen oder mit der Hand geführt (Dahmlos 1977). Eine Identifizierung von Franzisken im archäologischen Material ist daher praktisch nicht möglich, auch

Spätantike Voraussetzungen spielen für die diffusen regionalen Unterschiede eine wesentliche Rolle. Die Häufung von Glas um Köln, Mainz und Trier geht ebenso wie das Vorkommen von Drehscheibenkeramik vor allem auf antike Produktionszentren bzw. Werkstätten im Rheinland zurück; die handgemachte Keramik im Südwesten hängt mit einfacheren Herstellungsverfahren im ehemaligen Limesvorland zusammen, wie Siegmund betont. Die regional unterschiedliche Häufigkeit von Sax und Spatha, Lanze und Axt in Männergräbern weist dieselben Entwicklungstendenzen auf: Verschwinden der Äxte und Bevorzugung des Saxes (Abb. 8). Alles in allem unterscheiden sich die herangezogenen Elemente zwar in der relativen Häufigkeit, doch stets ist es ein “Mehr-oder-Weniger”, kein “Entweder-Oder”. Zur ethnischen Abgrenzung scheinen sie daher nicht besonders geeignet, denn ihnen fehlt die Eindeutigkeit, die eine Zuordnung voraussetzt. Mittelbar mögen allerdings politische

28 Vgl. das “polythetische Kulturmodell” bei Clarke (1968, 246 Abb. 53). 130

Ethnische Identität und frühgeschichtliche Sebastian Brather Archäologie - Das Beispiel der Franken

wenn der Name als Kennzeichnung bestimmter Formen Eingang in die wissenschaftliche Literatur gefunden hat (Hübener 1980). Äxte waren darüber hinaus eine allgemein verbreitete Waffe (Siegmund 1996, 705 Abb. 577).

zu unterstreichen. Hier bietet sich ein weites Feld kultur-, sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Fragestellungen. Literaturhinweise:

Ähnlich sieht es mit den Sachsen und ihrem “namengebenden” (Scrama-)Sax, einem einschneidigen (Hieb-)Schwert, aus. Erst Widukind von Corvey (Res gestae saxonicae I,6-7) behauptete aus der Rückschau des 10. Jahrhunderts, der Sax sei so et-was wie ein “Wahrzeichen” der Sachsen des frühen Mittelalters gewesen. Für die Archäologie ist dieser Hinweis, ungeachtet seiner möglichen Richtigkeit, ohne heuristischen Wert. Denn Saxe gab es seit der späten vorrömischen Eisenzeit in einem weiten mitteleuropäischen Raum (Capelle 1998, 9); sie waren in der Völkerwanderungszeit in Mittel- und Westeuropa weit verbreitet. Zur Merowingerzeit kämpften auch Franken und Alemannen mit dem Sax, der vom 6. zum 7. Jahrhundert die zweischneidige Spatha verdrängte (Abb. 8, Siegmund 1996, 705 Abb. 577). Der Sax scheint daher in einer bestimmten Zeitspanne vor allem für den Sozialstatus herausgehobener Krieger Bedeutung besessen zu haben.

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Die Suche nach feststehenden materiellen Symbolen (andere sind der Archäologie nicht zugänglich) läßt die Flexibilität ethnischer Zuordnungen außer acht (Geary 1983). In unterschiedlichen Situationen waren unterschiedliche Abgrenzungen relevant, die je nach Gegenüber auch mit verschiedenen ‘Zeichen’ arbeiten mußte. Habitus und Han-deln waren jeweils entscheidend (Bourdieu 1979), nicht prinzipielle Unterschiede, die angesichts der großen kulturellen Ähnlichkeiten zwischen einander benachbarten Gesellschaften als subjektive ‘Schematisierungen’ angesehen werden müssen. Aus unterschiedlichen sozialen Zugehörigkeiten ergaben sich für jedes Individuum verschiedene, je nach Situation relevante Identitäten29. Dabei haben ethnische Zugehörigkeiten “im frühen Mittelalter das Leben der meisten Menschen weniger beeinflußt als andere Formen der Gemeinschaft, in denen diese beheimatet waren” (Pohl 1994, 24). Familie, Alter, Geschlecht und Herrschaft waren die entscheidenden sozialen Bezugsgrößen. Anhand von deren Analyse vermag die Archäologie, die Subjektivität ethnischer (und anderer) Identitäten

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29 Dabei konnten einem einzelnen durchaus mehrere “ethnische” Identitäten zugeschrieben werden, die auch deshalb nicht “eindeutig” erscheinen: Odoaker, König in Italien, war der Sohn einer Skirin und eines Hunnen; er selbst galt sowohl als Skire als auch als Rugier, Gote oder Thüringer (Amory 1997, 282). 131

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Celts and Politics

Celts and Politics John Collis, Department of Archaeology, University of Sheffield

I start from the basic premise that all work we archaeologists undertake is political, in the sense that we are studying the past on behalf of our own societies, we receive our funding from outside of archaeology, and that funding and support will disappear if we do not produce results that satisfy the needs of society. In the years following the Second World War, German archaeologists were openly opposed to discussing links between archaeological and political ideas, conscious of the excesses of the 1930s, but the German experience, while extreme, was in fact normal. All societies use the past to promote or excuse their ideologies; Britain at the same time was explaining its archaeology in terms of migration and diffusion which supported its ideals of colonialism and imperialism; others such as Gordon Childe were using the same methodologies to promote a Marxist interpretation of the past. Nowadays Gustaf Kossinna may be attacked for his narrow nationalist agenda, and Childe praised for his social and economic interpretations, but basically their methodology (the Culture-Historical paradigm) was the same.

Perhaps nowhere is this conservatism of thought more clearly expressed than in the study of the Celts, though similar criticisms of conservatism can also be made of the French and Anglo-Saxon schools as well. Basically the methodology that appears in studies of the Celts is that used by Kossinna looking at the origin of the Germans (Kossinna 1911). It is a confusion between the ambiguous interpretations of the historical sources, linguistic, art history, ‘culture groups’, and poorly interpreted distribution maps. In this article I shall question these basic assumptions, not merely attacking the theoretical and factual basis, but also investigating the history of the subject, to show how false directions were taken, with misguided interpretations which are now simply taken as fact (e.g. why a group of related languages are called ‘Celtic’, and why La Tène art is termed ‘Celtic’). These matters have been discussed in greater detail in Collis (2006). The Ancient Sources It is clear from reading the recent literature on the Celts that few authors check what the ancient authors actually say, or treat them critically. There are several principles which we need to follow: 1) The use of the term Celtae or Keltoi will vary from one author to another. Thus, when Ephorus refers to Celts occupying Western Europe, he is using it as a general term much as we would refer to the native inhabitants of America as ‘Indians’. Caesar, in contrast, defines a geographical area inhabited by a group who called themselves Celtae, contrasting them with Aquitani, Britanni, Belgae and Germani. 2) The definition of the Celtae also varies; it can be geographical, but more often it is based on stereotypes - tall, blonde, warlike, drunken, child-like. In fact there is no clear definition (and certainly not by language). 3) Nomenclature varies, with some authors using the terms Keltoi and Galatae (or Galli and Celtae) as meaning the same thing, others contrasting them (Keltoi west of the Rhine, Galatae to the east).

I also start from the assumption that if we, as archaeologists, do not deal with general political and social interpretations, then others who do not understand the limitations of archaeological data, will do it for us, with disastrous results. But we must ourselves be aware of the history of our subject, to know where ideas and interpretations come from, and the paradigms which lie behind them. My major criticism of German archaeology in the second half of the 20th century was that it did not engage in a critical assessment of methodology, and theoretical problems were largely ignored, in favour of traditional studies of chronology and typology. An interesting start was made in the 1950s, especially by Hans-Jürgen Eggers in the critical analysis of distribution maps, summarised in Einführung in die Vorgeschichte (1959), but sadly he too went little beyond an interest in chronological and ethnic interpretations of cultures, and avoided social and economic paradigms - was this because they were considered left wing?

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Celts John andCollis Politics

4) With time both geographical location and nomenclature becomes more precise. Thus Hecataeus and Herodotus place Keltoi vaguely in Western Europe (did Herodotus really know where the Danube rose?). With Caesar, Strabo and Livy reference is more to the names of tribes, cities and sometimes individuals. We cannot use the two sets of information in the same way. 5) Most authors are outsiders (mainly Greeks and Romans), but we do have authors who refer to themselves or their ancestry as being at least in part Celtic (Martial, Sidonius Apollinaris); or it is implied (Trogus Pompeius); or they came from territory where Celts had formed part of the population (Livy, Pliny). Caesar says that Celtae is the name used by the inhabitants of central Gaul to describe themselves.

2) No sources refer to the Celts moving from east to west; they are always moving from west to east, or to the south (northern Italy, Greece, Asia Minor). The one exception are the Belgae who move from east to west, to Britain. 3) Languages and language groups were not recognised as defining features. According to Caesar Celtae and Belgae spoke different languages, but both languages are clearly related. Tacitus refers to Germanic tribes speaking Britannic (Aestiones, Gothuni). 4) No ancient author ever refers to the inhabitants of Ireland and the British Isles as Celts.

A detailed study of the sources lies outside the scope of this article, but I wish to make four points: 1) The earliest fifth century sources (Hecataeus, Herodotus) place the Celts in southern and central France (‘inland from Marseilles’), along the Atlantic in Iberia or France (‘outside the pillars of Hercules’), and possibly in southern Germany, though this could equally refer to southern France (the source of the Danube ‘near the town of Pyrenee’).

The ‘Celtic’ languages

All these points suggest that the maps usually published of the origin and spread of the Celts have little to do with the ancient sources (fig. 1).

Though there are references to a Celtic language in the ancient sources, it is the language spoken by people who called themselves Celts, and it is not a defining characteristic. What we call ‘Celtic’ languages were also spoken by people who were not called Celts (Belgae, Britanni, possibly Germani and Aquitani).

Figure 1. The origin and spread of the Celts (and the La Tène Culture). This map is taken from Megaw/Megaw 1989, fig. 2 but it is derived from Pauli 1980, and it is regularly reproduced for books and exhibitions (e.g. Raftery 1984; James 1993; Cunliffe 1997). 137

Celts John andCollis Politics

The first classification of languages is by Dante Alighieri (1265-1321); the recognition of Romance, Germanic and Slavic languages is usually assigned to a posthumous paper of Joseph Scaliger (Casaubonus 1610). In fact, the first classification of the group of languages which we now term ‘Celtic’ was by a Scotsman, George Buchanan in 1582 - it is worth noting that he was a friend of Scaliger and his father, Julius (Aikman 1827; Collis 1999). As well as a Germanic and a Classical Latin-derived group, he recognised what he referred to as a ‘Gallic’ language, with subgroups which he called ‘Celtic’ (in Spain, central Gaul, Ireland and Scotland), ‘Belgic’ (in northern Gaul, southeastern England, and perhaps Wales) and ‘Britannic’ (Picts, and the Germanic tribes referred to by Tacitus, and also possibly Wales). He is the first to make use of place-name evidence (he collected all the names in -briga, -dunum, and -magus to de-monstrate that the language spoken by the early in-habitants of Britain was similar to that spoken in antiquity on neighbouring parts of the continent). He is also the first person to talk of Celts in Ireland and Scotland (deriving them from Spain, and ultimately southern France), arriving as the first colonisers of the islands in the 4th-3rd centuries BC. Given the sources available to him, it was a brilliant interpretation, effectively destroying the medieval origin myths involving Greeks and Trojans.

1706). Though in his preface he recognised that ‘Celtic’ was a term which should properly only be used on the continent, under Pezron’s influence, he referred to the group of languages as ‘Celtic’. It is with these two authors that we find the classical usage turned on its head, from the Celtic language being the language spoken by people who were called Celts, to the modern definition of a Celt as someone who speaks (or whose recent ancestors spoke) one of the Celtic languages. With this new definition, the Ancient British became ‘Celts’ and by the end of the 18th century we find this view has been generally adopted in Britain. Simon James (1999) assigns this shift as due to a common reaction by the Scots, Welsh and Irish against English dominance following the Act of Union with Scotland in 1710. For my part, I see it as part of the rise of Romanticism, and especially the in- terest in the Druids shown by early Antiquaries such as William Stukeley and Henry Rowlands, culminating in MacPherson’s fabricated Celtic epic Ossian, and the novels of Sir Walter Scott (Collis 2006, and Collis forthcoming). The Indo-Germanic Languages When Sir William Jones first put forward the idea of a common origin of many of the languages in southwestern Asia and Europe, the Celtic language was in the list he gave. The first book to deal with the Celtic languages, using the new linguistic techniques developed by the German school of linguists (e.g. Lautverschiebung, as in Grimm’s Law) was published by the physical anthropologist James Cowles Prichard in 1831 (Stocking 1973), and dedicated to Jakob Grimm. With the publication of Franz von Bopp’s study in 1838, and the full synthesis by Zeuss in 1853, the Celtic languages become fully accepted into the Indo-European family. The source of the original ‘mother language’ was sought in eastern Europe, and already in 1831 Prichard had been arguing for an origin of the Celts in central or eastern Europe. Both this theory, and that of the Tower of Babel demanded east to west migrations to explain the introduction of the IndoEuropean and the Celtic languages, as we have seen, the reverse of what the classical sources tell us.

The shift in nomenclature to the ‘Celtic’ languages comes at the beginning of the 18th century. In a very influential book Antiquité de la Nation et de la Langue Celtique (1704), the Abbé Paul-Yves Pezron, a Breton living in Paris, claimed that Breton was the last surviving trace of the language spoken by the ancient Celts of Gaul (linguists in fact suggest it was in fact introduced from Britain in post-Roman times). He claimed that Celtic was one of the original languages spoken at the time of the Tower of Babel, and that similarities found in Greek and Latin were due to periods of overlordship over the Greeks and Roman during the movement of the Celts to the west. He recognised the similarity of Breton and Welsh, but says nothing about Irish. The book was rapidly translated into English (1705). Contemporary with Pezron, a Welshman, Edward Lhuyd had been compiling a comparative ‘glossography’ of Gaelic, Irish, Breton and Cornish, and he demonstrated the similarity of the languages, as well as dividing them into two, with Irish and Gaelic using ‘C’ where Welsh and Breton used ‘P’, what he termed ‘Goidelic’ and ‘Brythonic’ (Lhuyd

However, certain languages in western Europe did not fit in with this group, most notably Finnish and Basque. From this, and from place-name evidence, it was argued that there was a population which predated the arrival of the Indo-European speakers, indeed Indo-Europeans as they became known, as 138

Celts John andCollis Politics

some also assumed that language and race or ‘peoples’ could be equated. A school of ‘craniologists’ emerged in the early 19th century (Morse 1999, 2005) who claimed that race, and the language people spoke, could be identified from the shape of the skull (despite the views of Prichard (1843, Stocking 1973) who claimed that racial differences were due to rapid adaptation to environmental conditions - hence his interest in language as the marker of population movements). At the same time in the 1830s and 1840s the first relative chronology was being put forward for prehistory, with the Ages of Stone, Bronze and Iron, and it was the physical anthropologists such as Prichard who first disseminated its use. Measurements in Scandinavia showed a shift in skull shape from dolichocephalic (long-headed) associated with stone tools, to brachycephalic (round-headed) associated with bronze tools, and during the second half of the 19th century this was taken to mark the arrival of the speakers of Indo-European languages, including the Celts. In France the leading advocate of this new interpretation was Henri d’Arbois de Jubainville, later to become the first Professor of Celtic Studies in the Sorbonne, in his book Premiers Habitants de l’Europe, first published in 1877. Previously the

main textbook on the Gauls, Amédée Thierry’s Histoire des Gaulois, first published in 1828, had assumed the Gauls were the original inhabitants of Gaul, arriving sometime in the 2nd millennium BC, in the dispersal into Europe by the sons of Japheth in the aftermath of the fall of Babel. With the publication of Charles Darwin’s Origin of Species, the biblical chronology that had constrained writers such as Thierry and Prichard was broken, and long chronologies were now possible giving greater time for linguistic and physical changes in the population. D’Arbois de Jubainville used only the evidence of the classical sources and linguistics, and he argued for a succession of ‘empires’ in western Europe. The earliest was that of the cave men (typified by Polyphemus the Cyclops!) followed, from 6000 BC by an Iberian empire, dating from the drowning of Atlantis. The Iberians were replaced by the first Indo-Europeans, the Ligurians, who introduced Indo-European languages from eastern Europe, farming, and bronze metallurgy. Last to arrive were the Celts. This, d’Arbois de Jubainville argued, was relatively late, as evidence could be found of them replacing Iberian populations in southern France (e.g. west of the Rhone) around 400-300 BC. He argued on the evidence of Herodotus and of Polybius, that in the fifth century the Gauls were only just entering Gaul from southern Germany, and still only occupied the eastern

Figure 2. The origin of the Celts who invaded Italy, according to Livy (Pare 1991, fig. 10). 139

Celts John andCollis Politics

and northern parts of modern France. Thierry, on the other hand, had assumed that the tribes who invaded Italy and named by Livy and Polybius came from central and eastern Gaul where they were established at the time of Caesar, a view recently revived by Pare (Fig. 2).

Congress in Bologna in 1870 some supposedly Etruscan burials from Marzabotto were exhibited. Emile Désor immediately recognised the similarity of these finds with those from La Tène, and in a published paper Gabriel de Mortillet compared them with finds from northern France, assigning both to the Senones as evidence of the historical invasion by Gallic tribes in the 5th - 4th century BC (de Mortillet 1870-71).

Art and Archaeology Winckelmann’s studies of classical art in the 18th century and Napoleon’s expedition to Egypt, along with the increasing information gathered from around the world by ethnographers, showed that ethnic groups could have distinctive art styles. In the 1850s the English archaeologist, John Kemble, suggested that there was a distinctive art in the British isles which could not be assigned to the Romans, the Anglo-Saxons or Vikings; it was especially characterised by a distinctive curvilinear design resembling a trumpet, and he assigned it to the native population, which, as we saw had in the 18th century been termed ‘Celtic’. Kemble died before he could publish his results, but his ideas were immediately adopted, for instance in Cuming’s report on the discovery of the Battersea shield (1857, 1858), and in William Wilde’s description of Irish antiquities (1861). In 1863 Kemble’s last works were brought together in the Horae Ferales (Latham/Franks 1863), and the plates which he had commissioned to illustrate the art were published with a text by Augustus Franks who termed the art style ‘Late Keltic’ (‘Early Celtic’ still referred to Bronze Age finds as is clear from the first book on Celtic Art published by J. Romilly Allen in 1904). Franks pointed out continental parallels, including the finds from La Tène, but it was another half century before this was adopted on the continent. In a series of unpublished Rhind lectures in the 1895, Sir Arthur Evans suggested a continental origin for the style (see also Evans 1897).

Synthesis: Joseph Déchelette The various lines we have been following were brought together in the work of the Manuel d’Archéologie of Joseph Déchelette (1910, 1914), and it is here that we find the modern view of the Celts as it appears in most standard textbooks, though with certain subtle differences of interpretation (e.g. Powell 1958; Pauli 1980; Megaw and Megaw 1989; James 1993; Cunliffe 1997). He followed d’Arbois de Jubainville in seeing the Celts or Gauls as late arrivals, he thought in the Iron Age, and he looked for means of identifying them. His main criterion was burial rites; Ligurians had crouched inhumation, Celts extended inhumation, and Germans and groups influenced by them (e.g. the Belgae), cremation. He accepted the concept of culture groups, though not with the dogmatic nationalism of Kossinna, so he was able to differentiate between the civilisations of Hallstatt and La Tène, and within La Tène he envisaged three varieties: Celtic, Germanic and Insular. He also adopted the idea of Celtic Art, and accepted that this could also be applied to much material on the continent, and he also assumed that the modern definition of the Celts, as peoples speaking a Celtic language, could be applied to the ancient world. With the work of Reinecke, he was able to build up his own chronology, and so look for the origins of the Culture and Art of La Tène. These he sought in the 5th century in northeastern France, the Rhineland, southern German and Bohemia. This area, he argued, was Celtic because of the inhumation burial rite, which started during his Hallstatt II, and extended from Slovakia to the Massif Central in the Hallstatt period. From this core area the Celts and La Tène spread west and east, though the absence of La Tène material in Spain meant that it must have been colonised by Celts in the Hallstatt period. This is essentially the version which appears on the maps of Pauli (1980), Megaw and Megaw (1989) and others (Fig. 1).

On the continent, however, the objects which now appear as masterpieces of ‘Celtic Art’ were still largely considered to be imports from either Etruria or from southern France. Lindenschmit was systematically publishing Iron Age finds from the Rhineland, and chronologies were being established by Tischler and Reinecke. The ethnic interpretation was encouraged firstly by the gradual development of the concept of culture groups which was to culminate in Kossinna’s racial interpretation of 1911. Secondly, at the International

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Criticism

the burial rite of the Aedui at Mont Beuvray in the 1st century BC, and no-one would doubt their claim to be Celts. Like his contemporaries, he considers that ethnicity and language can be equated, that Celts were a people who spoke a Celtic language, and that the Celts formed some sort of racial group. In fact many of us would see some sort of genetic continuity, perhaps extending back to the last glaciation, and though new peoples might arrive, and there was a continuous intermarriage between adjacent groups, we assume that aspects of culture such as language, burial rites, ceramic and metal types can change without any substantial change in the population. New ideas imply some new people have arrived, but as part of the normal interchange between adjacent populations, and not the wholesale replacement envisaged by 19th and early 20th century scholars.

From the ancient sources we can come out with two alternative hypotheses on the origin of the Celts: either they came from outside, and were still expanding their territory in the last millennium BC (d’Arbois de Jubainville, Déchelette); or they developed indigenously, and we only have evidence for an expansion to the east (Thierry). If we assume that most tribes were already in place by the 5th century BC, and we follow Livy in terms of the tribes who took part, then the origin of most of the immigrants would have been from central Gaul, not the north. It might also imply that the area in which it is claimed that the La Tène Culture and Art had its origin was in fact not Celtic, but mainly Belgic (if we accept Caesar’s distinctions between Celtae and Belgae).

Conclusions

But we should also beware of the bias in the archaeological sources for much of the Iron Age. In the majority of the areas defined as Celtic by Caesar, we do not know what the burial rite was be- cause burials are notable by their absence. Thus, it is not surprising that the majority of imported objects and rich masterpieces come from the north where we have burials, rather than the Celtic area where there are none. The hints we are now getting from settlement evidence suggests that the blank areas could be rich, indeed by the 2nd century we have documentary evidence that this is the case, with the rise of the Arverni under their leaders Luernios and Bituitos. It is interesting to note that the evidence now coming out from Bourges of the numbers of Classical imports from the settlement (or at least, non-funerary areas) makes this the richest site outside the Mediterranean littoral, despite the lack of any exceptionally rich burials. It reminds us that according to Livy it was the Bituriges Cubi who played the prominent role in the invasions of Italy and central Europe, and that under their king, Ambigatus, they were the leading tribe in Gaul. The only thing wrong is Livy’s chronology; he places the events around 600 rather than 400 BC. The archaeological evidence would thus support the Thierry theory of indigenous origins, or at least that the tribes were already located by 500 BC in the areas where Caesar was to find them four centuries later.

The failure of the post-war generation of archaeologists, especially in Germany, but also elsewhere, to engage in theoretical debate, and to deal with the social and political implications of their interpretations has in fact led to a long survival of the theories and methodologies which brought much of European archaeology into disrepute in the early 20th century, and also lays us open to the misuse of false methodologies in political propaganda and in ways which we as archaeologists would not want our material to be used. The Celts epitomise these problems with outdated and discredited theories continuing to be invoked, largely to continue what seems a harmless myth. The following are the main mistakes which have led us astray: 1) The ancient sources are ambiguous, and cannot be interpreted in the simplistic way implied by all the maps of the origins and spread of the Celts. 2) The Celtic languages are so-called because of a misinterpretation in the 18th century which suggested that Breton was the descendant of the language spoken by the Celts of Gaul. 3) A new definition of the Celts then appeared, as the people who spoke one of the languages mistakenly called Celtic. This definition may be applicable in the present; it certainly cannot be transferred to the past. 4) The term Celtic Art was based on this misinterpretation which envisaged that the inhabitants of Britain and Ireland were Celts, which has no confirmation in any of the ancient texts. 5) The link between La Tène art style and certain burial rites and material culture is mistaken, as the area invoked for its origin only partly lies within

We must also be critical of the assumptions that lie behind Déchelette’s interpretation. None of us would accept his simplistic identification of ethnic groups through the burials rites, especially as they are blatantly wrong; cremation, we know now, was 141

Celts John andCollis Politics

territory which we can definitely say was inhabited by Celts. 6) This link between Celts and a La Tène culture is only acceptable if we follow the theories of d’Arbois de Jubainville, of a late immigration from the east. The weight of evidence might suggest an indigenous development for the Celtic languages (after an initial introduction of Indo-European languages at some relatively early phase of prehistory - Renfrew 1991). The development of an ethnic group called the Celts is also probably indigenous, but we have no date for it other than it preceded the 5th century BC. 7) The present interpretations of the Celts rely on the assumption that we can equate Culture Groups with ethnic groups; few archaeologists would now accept this basic premise. 8) The archaeological evidence is heavily biased against central and western France, areas where burial evidence is rare, and often settlements are difficult to locate; this does not necessarily imply poverty or lack of population.

Celts in Iberia (Ruiz Zapatero 1993), and the way in which they have been used politically in the past. It is time for a similar questioning of our methodology and interpretations in France, Germany and central Europe.

In summary, we need to fundamentally rethink our interpretations of the Celts, going back to the primary sources with a new critical approach. We need to recognise where terms like Celtic Art and Celtic languages come from, and treat these as separate elements, not confuse them all into one package. We cannot assume that all Celts spoke a Celtic language, or that everyone who spoke a Celtic language was necessarily a Celt. We cannot assume there is something which we can call ‘Celtic religion’ or ‘Celtic society’; these ideas rest on stereotypes which we can demonstrate from archaeology to be blatantly false or a distortion. There may be some sort of partial correlation between the distribution of people who called themselves Celts, who spoke Celtic languages, or who had La Tène Art, but it is far from a one to one correlation, and simply to call anything ‘La Tène Celtic is simply wrong. In some cases it has lead us badly astray with our interpretations (e.g. Collis 1984, 1985, 1994).

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Celts John andCollis Politics

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Die Rolle der Archäologie im Konflikt zwischen regionaler und nationaler Identität in Frankreich Olivier Buchsenschutz, CNRS und Laurent Olivier, Musée National

andere: sie soll Identifikationsprozesse erklären, ohne sie zu bewerten.” (Cuche 1996, 89).

Seit dem 19. Jahrhundert lernen die kleinen Franzosen in der Grundschule, dass die Gallier ihre Vorfahren sind. Die republikanische Ideologie hat in dieser fernen und wenig bekannten Periode eine Grundlage ihrer Legitimität gefunden, die um so einfacher zu konstruieren war, als die Kenntnisse lückenhaft sind. Diese ganze Ideologie ist auf der Basis von Schriftquellen konstruiert, besonders dem Text von Caesar, der ein unübertroffenes Modell heimtückischer und wirksamer Propaganda ist. Konnten nun die neueren Erkenntnisse der Archäologie in Frankreich in den letzten Jahrzehnten die Vorstellung, die unsere Zeitgenossen sich von ‘ihren Vorfahren‘ machen, ändern? Kann die Archäologie zu Kenntnissen über den Bereich der Kultur kommen, über die Art und Weise, wie die Gallier selbst sich die Welt vorstellten? Oder vermag sie lediglich festzustellen, wie sich die materiellen Überreste der Gallier von denen anderer Bevölkerungsgruppen unterscheiden?

Archäologen werden zweifellos nie erklären können, wie die kulturelle Identität der Kelten im Altertum konstruiert war. Es ist auch nicht sicher, ob sie herausfinden können, ob sich die eisenzeitlichen Bevölkerungsgruppen im Europa nördlich der Alpen selbst als ‘keltisch‘ bezeichneten, oder ob nur ihre Nachbarn sie mit diesem generischen Namen bezeichneten. Gabun, das Hexagon und die Bretagne Als Illustration der Aussagen D. Cuches über das völlige Fehlen jeder Übereinstimmung zwischen historischen Daten und den Forderungen aktueller Gruppierungen ziehen wir eine politische Partei im Gabun als Beispiel heran, die Gallische Sammlungsbewegung (Rassemblement des Gaulois, RG), die im Jahre 1994 durch A. Koumba gegründet wurde. “Jeder von uns ist ein Stück weit Gallier”, schrieb der Oppositionsführer an Präsident Bongo. Es gehe darum, “die nationale Identität von Gabun auszudrücken”, und dem Land einen neuen, “wirklich seriösen” Namen zu geben, da das Wort ‘Gabun’ von dem Namen eines portugiesischen Weins abgeleitet sei (Libération, 15.2.1994). Der Historiker hat in der Tat nicht das Recht, diese Neubestimmung der Abstammung zu beurteilen, die sich über den Ursprung, über das Klima, über Tausende kultureller Züge hinwegsetzt. Er kann nur hervorheben, dass dieser Gabunische Politiker die französischrepublikanische Lektion gelernt hat, das “Recht der Völker, über sich selbst zu verfügen” - ihre Vergangenheit eingeschlossen.

Wir können hier nicht all diese Fragen behandeln. Wir werden uns auf das Problem der Quellen der kulturellen Identität konzentrieren, die momentan entweder mit den Kelten oder den Galliern verknüpft werden. Wir werden untersuchen, inwieweit diese auf neue, von Archäologen erarbeitete Erkenntisse über die Kulturen der Eisenzeit Bezug nehmen. Einleitend möchten wir betonen, dass Soziologen, Historiker und Wissenschaftler im allgemeinen ernsthaft davor warnen, eine Beziehung zwischen wissenschaftlichen Daten und den Elementen, auf die sich momentan kulturelle Identitäten begründen, herzustellen. So schreibt D. Cuche: “Es ist nicht an der Soziologie oder an der Anthropologie, schon gar nicht an der Geschichte oder einer anderen Disziplin, zu sagen, was die genaue Definition beispielsweise der bretonischen oder der kabylischen Identität ausmacht. Es ist nicht an der Sozialwissenschaft, den authentischen oder mißbräuchlichen Charakter dieser besonderer Identitäten zu beurteilen. Es ist nicht an der Wissenschaft, “Ausweiskontrollen” durchzuführen. Die Rolle der Wissenschaft ist eine

Untersuchen wir nun jene Ideologien, die sich in Frankreich auf die Kelten beziehen. Wir unterscheiden hier zwei große Kategorien: “unsere Vorfahren” sind von den Lehrern der Dritten Republik als “die Gallier” bezeichnet worden. Die Wahl dieses Wortes enthüllt bereits den geographischen Hintergrund, der diesem Diskurs unterliegt. Die Gallier bewohnen Gallien, das heißt, das durch die 145

Die Rolle der Archäologie im Konflikt zwischen regionaler und nationaler Identität in Frankreich

Gebirge und Flüsse so gut definierte Fünfeck Frankreichs, womit die Gebietsansprüche in einer mythischen und ewigen Vergangenheit begründet werden. Die Bewegung der keltisch-sprachigen Bretonen erhebt keine ähnlich ausgedehnten territorialen Forderungen. Sie zerreißt im Gegenteil die nationale Geographie, indem sie eine ‘keltische’ Identität zurückfordert und sich auf andere keltophone Länder wie Cornwall, Wales und Irland beruft. Erinnern wir uns an den ersten Satz des Bellum gallicum: “Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur.” Für unsere Zeitgenossen bezieht sich das Wort Gallier auf die Vorfahren der Franzosen und auf Asterix; die Bezeichnung ‘Kelten’ dagegen auf die Bretagne und die Länder der Atlantikküste. Die Gallier in der französischen Geschichte Vor der Epoche der Romantik und der Dritten französischen Republik hatten die Gallier einen nur recht geringen Anteil an der - quasi-mythologischen - Ursprungskonstruktion. Die phantastischen Stammbäume des Adels benutzten die Gallier manchmal als Verbindung zu den trojanischen oder biblischen Helden, um dieser gewagten Verbindung etwas mehr Plausibilität zu verleihen. Diese Namen erscheinen manchmal auch in der Geschichte der Provinzen, die damit ihre Anciennität belegen wollten. Die Stadt Toulouse zum Beispiel führte die Volker als Vorfahren an, die das Gold von Delphi entwendet und es ihren Göttern geweiht haben sollen. Wie man weiß, wurde dieser Diebstahl in Wahrheit durch einen römischen General begangen, der sich mit diesem doppelten Sakrileg viel Verdruß einhandelte. Man blieb im Bereich von Mythologie und Moral.

in den letzten Jahren die Ergebnisse der Ausgräber von Napoleon III. bestätigt hat. Aber all diese regio nalistischen Forderungen erscheinen sekundär im Vergleich mit der Konstruktion einer nationalen Identität. Wenn die Gallier und ihre Hinterlassenschaften die Forschungstätigkeiten der Gelehrten und Archäologen der letzten zwei Jahrhunderte unermüdlich mobilisierten, so auch deshalb, weil sie weiterhin einen entscheidenden Platz in der Konstruktion einer gemeinsamen französischen Identität einnehmen. Denn durch die Etablierung des Mythos’ von unseren Vorfahren, den Galliern (“nos ancêtres les Gallois”) tat die französische Republik nichts anderes, als die nebulösen trojanischen und fränkischen Genealogien der Eliten des Ancien Regime durch eine andere, ebenso imaginäre UrsprungsTradition zu ersetzen. Wichtiger noch, ersetzte sie darüber hinaus auch die Geschichte ‘großer Männer’ durch die kollektive Geschichte der Na- tion. Dies bedeutet, dass sie die alte, dem Ideal der Gleichheit widersprechende Geschichte der Eroberer mit einer neuen Geschichtsschreibung ersetzte, deren Hauptfigur das Volk ist. Auf diese Weise änderte die französische Republik den tie-feren Sinn der Geschichte, die nicht mehr das Privileg einiger Weniger, andere zu beherrschen rechtfertigte, sondern das Recht der Mehrheit un-termauerte, ihr Schicksal gemeinsam in die Hand zu nehmen. Es erstaunt also nicht, dass man jedes Mal, wenn die politischen und ideologischen Grundlagen der Republik durch Umwälzungen in Frage gestellt wurden, auch versuchte, das vorherrschende Bild der Gallier zu verändern. So rechtfertigte die Propaganda des Vichyregimes die Zusammenarbeit mit dem Nazi-Reich und versuchte der gallischen Niederlage des Jahres 52 v. Chr. einen neuen Sinn zu geben, indem sie diese mit dem französischen Zusammenbruch vom Juni 1940 verglich. Das Schicksal der fast schon ins römische Impe-rium integrierten Gallier gab so dem Regime die Gelegenheit zu zeigen, dass nach dem Beispiel der römischen Eroberung, welche die gallo-rö-mische Zivilisation aus der Taufe gehoben hatte, der Sieg der Nationalsozialisten als Anlaß der Wiedergeburt des französischen Volkes angesehen werden müsse, das so, endlich vom unheilvollen Erbe der Revolution befreit, in ein neues, durch Großdeutschland beherrschtes Europa eingegliedert werde. Kürzlich hat der “Neuheidnische” Flügel der französischen extremen Rechten - auf Betreiben besonders von Pierre Vial aus der Gruppe Terre et Peuple (“Erde und Volk”) - versucht, den

Das Problem von Alesia steht unserem Anliegen als Historiker näher. Die Erinnerung an den Ort der Schlacht ist im Gedächtnis geblieben, wie mehrere Texte bestätigen (Schnapp/Buchsenschutz 1993), die Kartographen und die Ausgräber des 19. Jahrhunderts bestätigten diese Überlieferungen lediglich. Die zweite Schlacht von Alesia, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu den Ausgrabungen in den 1990er Jahren andauerte, mobilisierte Professoren, Beamte und Politiker, die ungeachtet aller Beweise zu belegen versuchen, dass der Ort dieser berühmten Schlacht (einer Niederlage!) jeweils bei ihnen ‘zu Hause’ zu finden sei. Die Lo-kalisierung von Uxellodunum und Gergovia hat ebenfalls eine reiche Literatur hervorgebracht, die sich gegen die “offizielle Wissenschaft” richtet, die 146

Olivier Buchsenschutz und Laurent Olivier

Widerstandskampf der Gallier gegen die römische Eroberung als einen notwendigen und unvermeidbaren totalen “ethnischen Krieg” zu bezeichnen, den das “französische Volk” gegen die Einwanderung von Ausländern nach Europa zu führen habe.

gut dokumentierten Werkes von A. Deniel (Deniel 1976) nachvollziehen kann, sind weit we-niger durchsichtig und haben nur wenige Erfolge erzielt. Ihre Forderungen waren hauptsächlich “AntiJakobinisch”, also vor allem gegen die zentralistische Macht in Paris gerichtet, ganz gleich, wer dort gerade diese Macht vertrat. Sie stellten sich als Vertreter der Provinz dar, ausgenutzt durch die Hauptstadt, die auf der bretonischen Halbinsel eine Art von Kolonialismus betrieben habe. In der Praxis stützte sich diese Bewegung auf nichts anderes als die Forderung nach Gerechtigkeit und der Anerkennung einer vereinigten Bretagne, die sich aus den fünf Départements im Westen zu-sammensetzen sollte. Diese Forderung war nicht sozialer Natur – sie wurde weder von den für zu revolutionär oder zu internationalistisch gehaltenen Arbeitern, noch von der sehr traditionellen bäuerlichen Welt getragen, die vor allem an ihrem Land hing. Die Unterstützung der Kirche wurde ebenfalls nicht eingefordert, obwohl deren ‘freier’ Unterricht der laizistischen republikanisch-öffentlichen Schule viel mehr als sonst in Frankreich widerstanden hatte. Zwischen den Kriegen agierte die Bewegung als regionale Minderheit gegen die Zentralisierung. Sie setzte sich aus einer kleinen Elite zusammen, die mühsam eine Zeitung veröffentlichte und Versammlungen organisierte, zu denen sich bestenfalls einige Tausend Personen einfanden. Diese Gruppen waren sehr opportunistisch und suchten Verbündete überall dort, wo sie auf eine Unterstützung gegen Paris hoffen konnten. Sie nahmen so mit der Bewegung im Elsass Kontakt auf, wenig später auch mit der deutschen NSDAP. Die deutsche Abwehr glaubte, daß der Moment kommen werde, in dem Flandern und die Bretagne versuchen würden, mit deutscher Unterstützung die bestehenden Republiken niederzuwerfen und regionale faschistische Regimes einzurichten. Eini-ge der Führer der bretonischen Bewegung be-schritten diesen Weg tatsächlich, entweder aus Op- portunismus oder aus ideologischer Sympathie. Olivier Mordrel und seine Bewegung waren der Abwehr willkommen und wurden von ihr un-terstützt, weil diese sie für viel einflußreicher hielt, als sie es in Wirklichkeit waren. Aber diese Projekte wurden nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Frankreich sehr schnell aufgegeben. Zum einen trieb die deutsche Armee die Einteilung von Frankreich in Militärbezirke voran, welche die Organisation der Küstenverteidigung gegen die England erleichtern sollte. Zum anderen wurde durch die neu eingesetzte Regierung des Marschalls

Wie alle Fragen, die die Ursprünge berühren - und insbesondere ‘ethnische’ Ursprünge – ist die Frage der Gallier vor allen Dingen eine politische und ideologische Frage, bevor sie ein Problem für die Archäologen oder Historiker wird. Wenn man die Forschungsgeschichte genau betrachtet, könnte man sogar sagen, dass die archäologischen Ergebnisse von der Gesellschaft nur in dem Maße übernommen werden, als sie die Darstellung ihrer kollektiven Identität unterstützen. Die Bewegung der fortwährenden (Neu)auslegung der Geschichte und der Archäologie findet nicht nur im nationalen Maßstab statt, sondern ebenso - und vielleicht noch stärker - auf regionaler Ebene. Der Fall der Bretagne ist in dieser Hinsicht besonders bedeutsam. Die Kelten und die bretonische Bewegung Die Bretagne spielt bei der Diskussion über die Kelten eine wichtige Rolle, da ihre Bevölkerung eine keltische Sprache spricht oder einmal sprach. Sie bildet so eine linguistische Gemeinschaft mit anderen Ländern der Atlantikküste außerhalb Frankreichs. Mit diesen verbindet sie auch andere Gemeinsamkeiten, zum Beispiel das feuchte und gemäßigte Klima, die enge Beziehung zum Meer und die Randlage in Bezug auf eine starke zentralistische Macht, wie London und Paris es sind. In den Schulen der französischen Republik wurden alle Dialekte, aber auch regionale Sprachen wie das Bretonische gewaltsam bekämpft. Schüler, die sich dieser Sprachen bedienten, wurden systematisch bestraft. Das positivste Ergebnis, das die bretonischen Interessengruppen zwischen den Weltkriegen erzielten, liegt genau auf diesem Gebiet. Im Jahre 1940 fordern zahlreiche Bürgermeister das Ende dieser Ausgrenzung des Bretonischen und außerdem Einrichtungen, um einen Bretonisch-Unterricht zu entwickeln. Sie erhielten beides. Die Bevölkerung forderte diese Sprache als ein Element ihrer kulturellen Identität, nachdem sie zwanzig Jahre lang gezwungen worden war, das Französischen als die einzige Sprache des Wissens und des kulturellen Fortschritts anzuerkennen. Die anderen Zielsetzungen der bretonischen In- teressengruppen, deren Geschichte man dank des sehr 147

Die Rolle der Archäologie im Konflikt zwischen regionaler und nationaler Identität in Frankreich

Pétain die Karten neu verteilt. Trotz seiner regionalistischen Propaganda weigerte sich Pétain, aus den fünf Départments eine Provinz Bretagne zu bilden. Ohne irgendeinen Vorteil aus der Lage ziehen zu können, hatten sich die bretonischen Bewegungen in den Augen der anderen regionalistischen Gruppierungen komprommitiert. So werden Bewegungen, die sich auf ‘keltische Kultur’ beziehen, in Frankreich heute noch automatisch und quasi reflexhaft daraufhin überprüft, ob sich dahinter eine rechtsextremistische Ideologie verbirgt.

Verständnis der Prozesse kollektiver Identifikation, die auf der materiellen Kultur basieren, sind insbesondere von der Ethnoarchäologie erzielt worden. Trotzdem wird die Arbeit der Archäologen, wenn es, wie jetzt, um Fragen der kulturellen Identifikation, der ‘keltischen’ Identität oder der gallischen Ursprünge Europas geht, ignoriert oder in den Massenmedien verfälscht. In der Presse, im Fernsehen und in Spielfilmen ist es nicht so sehr die Wirklichkeitsnähe, die in der Darstellung der Vergangenheit zählt, sondern wie sie sich selber darstellt. Außerhalb der archäologischen Wissenschaft sind die durch die Archäologie bestätigten ‘keltischen’ kulturellen Erscheinungen nur dann von Interesse, wenn sie in dem wiederfinden lassen, was heute als authentisch “keltisch” bezeichnet wird; also eine Collage moderner Elemente, die in der Mehrzahl erfunden oder im letzten Jahrhundert hinzugefügt wurden. Der Streit über die Lage von Alesia, der regelmäßig in den französischen Medien aufgewärmt wird, paßt in dieses Raster: obwohl diese alternativen Alesias, in Hinblick auf archäologische Entdeckungen nicht mit dem “offiziellen” Standort bei Alise-Sainte-Reine in Konkurrenz treten können, sind sie trotzdem ein wirksames Werkzeug, um den Zorn der Wächter der Orthodoxie zu erregen und den Dünkel der zentralen archäologischen Institutionen gegenüber lokalen Amateuren und unabhängigen Forschern zu blosszustellen.

Die große Mehrheit der heutigen bretonischen Bewegung beruft sich auf kulturelle Kriterien. Musik und der Tanz spielen eine große Rolle, während die Sprache, trotz der Anstrengungen von Lehrerverbänden und der Medien sehr im Rückgang begriffen ist. Das “pan-keltische” Fest von Lorient zieht jedes Jahr Zehntausende an. Bei dieser Gelegenheit erhöhen nationale Zeitungen die Zahl der Reportagen und Interviews, die sich mit bretonischer Kultur und Identität beschäftigen, merklich. Geborene Bretonen, die im Pariser Exil leben, Wahlbretonen und echte Bretonen geben dann eine Definition ihrer kulturellen Identität, die allerdings weit davon entfernt ist, einen Historiker zufrieden zu stellen. Sie sprechen von einem ausgeprägten Freiheitsgefühl, vom Land des Granits und des Windes, vom Dudelsack und der Volksmusik sowie der Verteidigung der Minderheiten und der ‘Mestizen’. Der Kampf gegen Paris ist von dem gegen die Globalisierung abgelöst worden. Na-türlich eignet sich das Europa der Regionen für sie besser als jenes der Nationen. Man ist weit entfernt von den keltischen Wurzeln! In der Geschichte finden die heutigen Bretonen ihre Wurzeln im Zeitalter von König Arthur und den Invasionen der Inselkelten, die sehr allmählich waren, und vom 5. bis zum 11. Jahrhundert andauerten (Fleuriot 1980). Sie zeigen kein Interesse an den spektakulären Ergebnissen der Archäologen, die sich in der Bretagne seit etwa zwanzig Jahren mit der Eisenzeit beschäftigen. Zwischen der kulturellen Identität der Bretonen und der Archäologie gibt es keine Verbindung.

Kulturelle Identität ist kein statisches Konzept, denn sie ist von Grund auf relational. Über das hinaus, was die Natur und die Kultur aus uns machen - durch die Biologie, die Sprache und die materielle Kultur - definieren wir uns individuell und kollektiv durch das, was wir gerne wären, oder das, was wir als legitim zu sein anerkannt haben. Die kollektive Identität, der Glaube, einen gemeinsamen Ursprung zu haben, ist ein imaginäres Konzept, das seinen Sinn durch Opposition oder, im Gegenteil durch die Einbeziehung der anderen erhält. Im Grunde sind die Gabunischen Mitglieder der Gallischen Sammlungsbewegung ebenso Gallier wie die anderen. Sie haben weder mehr, noch weniger Anrecht, dies zu behaupten als die Künstler, die eine “keltische” Volkskultur fortsetzen, um sich als “Kelten” verstehen zu können. Das müsste uns zu Denken geben: es gibt keine Gründe, dass dies in der Vergangenheit fundamental anders war. Vielleicht verstecken sich in den Gräbern, die wir als ganz typische ‘keltische’ Gräber der Eisenzeit definieren, einfach nur Ausländer, die sich als Gallier gefühlt haben? Uns als Archäologen steht es auf jeden Fall nicht zu, das Gegenteil zu behaup-

Seit dem 19. Jahrhundert ist die Rekonstruktion kultureller Identitäten der Vergangenheit der eine der Hauptaufgaben der europäischen Archäologie geworden, insbesondere für Vorgeschichtler und für Forscher, die sich mit dem Hoch-Mittelalter beschäftigen. In anderthalb Jahrhunderten Arbeit ist eine gewaltige Menge von Informationen angesammelt worden. Entscheidende Fortschritte im 148

Olivier Buchsenschutz und Laurent Olivier

ten. Bibliographie Cuche 1996: D. Cuche, La notion de culture ans les sciences sociales, La Découverte (Paris, 1996). Déniel 1976: A. Déniel, Le mouvement breton (Paris 1976). Fleuriot 1980: L. Fleuriot, Les origines de la Bretagne (Paris 1980). Schnapp/Buchsenschutz 1993: A. Schnapp/O. Buchsenschutz, Alésia. In P. Nora (Hrsg.), Les Lieux de mémoire (Paris 1993) 272-315. Übersetzung: D. Lukas

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Kelten in Süddeutschland? Jörg Biel, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Esslingen

Bezeichnung ‘Kelten’ nicht um einen modernen Topos handeln könnte. F. G. Maier warnte als Althistoriker eindringlich davor, die antiken Quellen zu überfordern und empfahl, ethnische Verbände und archäologische Kulturprovinzen voneinander getrennt zu halten. Diese Warnung griff Kossack wieder auf und verwies dabei auch auf das Werk von R. Wenskus (1961), ließ aber trotzdem keinen Zweifel daran, dass z.B. in Ungarn keltische Einwanderer und nicht etwa die Träger der Latène-A-Kultur - auf die einheimische Szentes-Vekerzug Kultur getroffen seien. Es war zwar nicht Thema des Kolloquiums, sich mit dem Begriff ‘Kelten’ auseinanderzusetzen, aber es war bezeichnend, wie selbstverständlich er von allen Teilnehmern gebraucht wurde.

Der Titel meines Referates gilt der generellen Frage, ob es in Süddeutschland Kelten als historische Realität überhaupt je gegeben hat? Den Hintergrund dieser Frage bildet die Tatsache, dass von angelsächsischen Autoren die Kelten als historische Größe neuerdings stark in Zweifel gezogen werden. Dies betrifft sowohl die Einschätzung des Begriffes ‘Kelten’ als zusammengehöriges Volk im weitesten Sinne, als auch die Relevanz dieses Begriffes vor dem Hintergrund von forschungsgeschichtlich bedingtem politischem oder nationalem Interesse. Hierzu gibt es inzwischen umfangreiche Literatur, und John Collis wird sicher darauf näher eingehen. In meinem Referat soll es daher weniger darum gehen, seit wann, wo und wie lange es Kelten in Süddeutschland gegeben hat. Mit diesen außerordentlich komplexen Problemen haben sich zahllose Autoren beschäftigt, die zu widersprüchlichen Ergebnissen gekommen sind, und es ist im Rahmen eines kurzen Referates nicht möglich, einen auch nur annähernd schlüssigen Überblick zu geben. Recht interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch ein Kolloquium mit dem Titel Was ist in Süddeutschland archäologisch gesehen keltisch? (Heimat- und Altertumsverein Heidenheim a. d. Brenz 1982), das 1980 in Heidenheim stattfand und an dem die damals namhaftesten Keltenforscher Deutschlands teilnahmen. Liest man das schmale Bändchen, so wird deutlich, welch enormen Zugewinn an Wissen die Forschung in den vergangenen 20 Jahren erreicht hat, aber auch, dass die damals festgestellten Forschungslücken, vor allem im Bereich der Siedlungsarchäologie, immer noch bestehen.

Im selben Jahr hat sich L. Pauli in seinen Beiträgen zu der von ihm konzipierten Ausstellung Die Kelten in Mitteleuropa (Hallein 1980) ausführlich mit der Frage der Kelten beschäftigt. In seinem Aufsatz Die Herkunft der Kelten, Sinn und Unsinn einer alten Frage beschreibt er eindrucksvoll, wie einseitig und für den Leser geradezu frustrierend dieses Thema in der Forschung, sowohl von der Archäologie als auch vor allem von der Sprachwissenschaft angegangen worden sei. Paulis kenntnisreichen und kritischen Ausführungen vermag ich nichts hinzuzufügen, sondern möchte stattdessen seine Quintessenz hier wörtlich zitieren (Pauli 1980, 16-24): „So bietet sich als Modell für die mitteleuropäischen Verhältnisse an, dass die auf Grund äußerer Umstände begünstigte Herrschaftsbildung in den Späthallstattzentren zwischen Seine, Moldau und Alpenrand mit einem neuen Selbstverständnis der Oberschicht als Voraussetzung und Rückwirkung gekoppelt war. Stabile Herrschaftsräume und überregionale Beziehungen auf persönlicher und wirtschaftlicher Ebene förderten die Entstehung eines Wir-Bewusstseins, das sich allmählich auf breitere Schichten übertrug und dadurch zur Bildung von Gemeinschaften führte, die wir im Nachhinein als Stämme bezeichnen. Ihnen begegnen wir mit Namen in den antiken Schriftquellen, und dort werden sie auch als „Kelten“ zusammengefaßt. Da diese Entwicklung im Laufe des 6. Jahrhunderts ihren Anfang nimmt, ist es erlaubt, die westliche Hallstattkultur ebenfalls als „keltisch“ zu

Es fällt aber auch auf, dass damals der Begriff ‘keltisch’ kaum in Frage gestellt wurde. W. Kimmig ließ in seinem Hauptreferat keinen Zweifel daran, dass beispielsweise die Heuneburg als keltisch zu gelten habe; und auch in sehr kritischen Diskussionsbeiträgen wie dem vom G. Kossack wurde nicht an „keltischen Viereckschanzen“ gezweifelt. Lediglich K. Spindler stellte damals die Frage - ohne sie allerdings weiter zu verfolgen - ob es sich bei der 150

Kelten inJörg Süddeutschland? Biel

eingehen. Wir können tatsächlich im gesamten Süddeutschland um 50 v.Chr. einschneidende Veränderungen im Siedlungsverhalten feststellen, deren Ausmaß und Gründe diskutiert werden.

bezeichnen, zumal der Name „Kelten“ damals schon existierte.“

Dieser prägnanten Zusammenfassung, die auch durch neuere Forschungsergebnisse nicht in Frage gestellt worden ist, kann ich mich hier nur anschließen und muß sie nicht begründen. Pauli hat dies in dem zitierten Aufsatz ausführlich getan.

Von Seiten der Archäologie ist die Ausgangslage besser. Die Latènekultur wurde, nach ihrer Definition durch H. Hildebrand 1872 und ihrer Untergliederung durch O. Tischler 1885 vor allem durch die Beobachtungen G. de Mortillets anlässlich des Kongresses von Bologna 1871 mit den Funden aus dem Marnegebiet verglichen und ihre Träger den in Oberitalien durch Livius belegten Kelten zugeschrieben. Die Gleichsetzung der archäologischen Latènekultur mit den Kelten oder Galliern wurde damals allgemein akzeptiert.

Trotzdem will ich einige Einzelaspekte anführen, allerdings nur recht summarisch und auf das Wesentliche beschränkt. Zunächst zu den historischen Überlieferungen: Die älteste und immer wieder zitierte Nachricht um 500 v.Chr. stammt von Hekataios von Milet, der die Keltiké im Hinterland oder nördlich von Massilia-Marseille lokalisiert. Allerdings könnte diese Stelle, die bei Stephanos von Byzanz überliefert ist, auch eine spätere Einfügung oder Präzisierung sein. Bleibt Herodot, der um 450 v.Chr. berichtet, dass die Kelten an den Quellen der Donau bei Pyrene wohnen. Das ist zunächst eine klare Lokalisierung, die allerdings durch den Begriff Pyrene (Pyrenäen?) wieder in Frage gestellt wird. Hierzu hat sich vor allem F. Fischer (1972) ausführlich und sehr kritisch geäußert. Seit allerdings Pyrene mit der Heuneburg in Verbindung gebracht worden ist, hat die Kritik an der Zuverlässigkeit dieser Quelle etwas nachgelassen. Diese Zuschreibung hat in der Tat einiges für sich, denn sowohl die Lehmziegelarchitektur der Heuneburg in Phase IV als auch die zahlreichen späteren Importe griechischer Keramik unterstützen diese Interpretation. Nach Herodot beschäftigen sich die antiken Quellen nicht mehr mit Südwestdeutschland, sondern mit den Keltenzügen nach Süden und Osten.

Die Ergebnisse der Linguistik sind für Süddeutschland in unserem Zusammenhang zu vernachlässigen. Hier gibt es genügend Orts-, Fluss- oder Bergnamen, die mit der sogenannten keltischen Sprachfamilie in Verbindung gebracht werden. Für Süddeutschland wichtig ist natürlich noch die Frage, seit wann wir von Kelten sprechen können. Die Nachricht Herodots um 500 v. Chr. kann, wie schon ausgeführt - wenn wir sie als Quelle überhaupt akzeptieren - eigentlich nur die Späthallstattkultur, Pyrene möglicherweise die späthallstattzeitliche Heuneburg betreffen. Die lange andauernden und mit Erbitterung geführten Diskussionen zu einer eventuellen zeitlichen Überschneidung von Späthallstatt- und Frühlatènekultur und, damit verbunden, zum absoluten Ende der Hallstattzeit oder der Heuneburg sind wohl abgeschlossen. Die Forschung hat sich weitgehend auf eine Abfolge Hallstatt-/Latènekultur geeinigt, und mit dem Dendrodatum aus der jüngsten Bauperiode der Heuneburg, das noch vor 500 v.Chr. liegt, dürfte das absolute Ende der Heuneburg markiert sein. Zu dem schwierigen Thema der Entstehung des Latènestiles oder der Latènekunst ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, doch dürfte eine kontinuierliche Entwicklung der Latène- aus der Hallstattkultur heute unbestritten sein.

Weniger klar sind die Aussagen Caesars, der ja grob gesagt rechts des Rheins von Germanen berichtet - dies allerdings zu einem viel späteren Zeitpunkt, d.h. nach dem Auszug der Helvetier 58 v. Chr. aus ihren Stammesgebieten. Diese lokalisiert Caesar zwischen Bodensee, Oberrhein, Jura, Genfer See und Alpen, also in der heutigen Schweiz. Nach Tacitus war das Gebiet der Helvetier jedoch ursprünglich viel größer und umfasste auch den westlichen Teil Süddeutschlands. Ob, wann und in welchem Umfang die Helvetier sich von dort zurückgezogen haben, wird heute vehement diskutiert. Die Vindeliker sind uns vor allem anlässlich des Alpenfeldzuges des Drusus und Tiberius im Jahr 15 v.Chr. durch Strabon und andere Quellen überliefert. Auf die sehr schwierige Frage nach Kelten und Germanen in Süddeutschland möchte ich hier nicht

In Hinblick auf die Referate zu Frankreich und Großbritannien möchte ich jetzt versuchen, die Forschungsgeschichte für Süddeutschland ebenfalls vor einen politischen Hintergrund zu stellen. Auch diesen kann ich nur ganz skizzenhaft anreißen. Die Kelten in Süddeutschland scheinen in einem gewissen Dreiecksverhältnis zwischen den Preußen im Norden und den Welschen oder Romanen 151

Jörg Biel

im Westen gestanden zu haben, was wohl verhinderte, dass sich hier stärkere Identifikationsbestrebungen mit den Kelten als süddeutschem Urvolk entwickelten.

Archäologie, der Numismatik und auch der Linguistik geführt wurde. Es ist unmöglich, hier auf diese Arbeiten einzugehen oder auch nur die wichtigsten zu erwähnen.

1866 hatten die Süddeutschen zusammen mit Österreich den Krieg gegen Bismarck und den norddeutschen Bund verloren, schlossen sich dann aber wegen französischer Gebietsforderungen zum „Schutz- und Trutzbündnis“ mit Preußen zusammen. (Damals entstand wohl auch der bayerische Begriff „Saupreiß“!). Im Krieg von 1870/71 schlug dieses Trutzbündnis Frankreich und schloss sich zum zweiten deutschen Kaiserreich zusammen mit Königreichen in Preußen, Württemberg, Bayern und Sachsen, wobei die beiden letztgenannten Länder diesen Sonderstatus als Freistaat ja bis heute beibehalten haben. Im ländlichen Schwaben war der Dialekt bis zum ersten Weltkrieg noch außerordentlich stark vom Französischen geprägt und in meiner Kindheit waren noch zahlreiche französische Ausdrücke üblich, die heute ausgestorben sind. Ich möchte damit deutlich machen, dass es unabhängig von politischen Bestrebungen und Ereignissen in Süddeutschland bis heute Aversionen gegen die Norddeutschen gibt und eher Affinitäten zu südlichen oder westlichen Regionen bestehen. Vielleicht kann damit erklärt werden, warum in Süddeutschland die Identifikation mit dem Nationalstaat eine zwiespältige Angelegenheit geblieben ist und eine solche mit den Kelten kaum stattgefunden hat.

Die Herkunft der Kelten wurde unterschiedlich gesehen. So schrieb A. Schliz 1905: „Die gallischen Bauernhöfe der Frühlatènezeit im Neckargau“ den Galliern zu, die „damals über uns hereinbrachen“. Man fragt sich natürlich, wer dieses „uns“ gewesen sein soll? Schliz endet entsprechend: „Der Bau der Häuser, die Anlage der Werkstätten, alle hinterlassenen Reste der Kultur zeugen von behaglicher Lebensführung auf gesichertem Besitz und es ist nicht zu verwundern, dass die Helvetier beim Ansturm der kriegerischen Germanen es vorzogen, sich anderswo einen ihren Ackerbaugewohnheiten entsprechenden Boden zu suchen, statt sich als Grenzer mit letzteren herumzuschlagen.“

Verschiedentlich, aber immer sehr summarisch äußerte sich P. Goessler zur Herkunft der Kelten, z.B. in seiner populär geschriebenen Vor- und Frühgeschichte von Stuttgart-Bad Cannstatt, die 1920, also kurz nach dem 1. Weltkrieg erschien. Darin wurden die Hallstattgrabhügel - mit dem etwas süffisanten Verweis auf die Berliner Professoren Kossina und Schuchardt - den Urkelten zugeschrieben; der Alt-Latènestil entwickelte sich autochthon; anschließend wanderten die keltischen Helvetier ein. In diesem Werk erscheint übrigens interessanterweise bei der Abhandlung der alamannischen und fränkischen Besiedlung an keiner Stelle das Wort ‘germanisch’ oder ‘Germanen’.

Betrachten wir ganz kursorisch die Forschungsgeschichte der keltischen Archäologie in Süddeutschland, so ist festzustellen, dass schon 1764 die Regenbogenschüsselchen als keltisch bezeichnet wurden. Latènefunde wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch sehr unterschiedlich als vorgeschichtlich, altgermanisch oder keltisch bezeichnet. So beschrieb O. Fraas 1879 die Funde aus dem Grabhügel Kleinaspergle als Ausstattung eines altgermanischen Fürsten der Zeit um 500 v. Chr. 1877 unterteilte E. Paulus die Altertümer in Württemberg in römische, altgermanisch-keltische und alamannisch-fränkische. Seit 1893 wurde in den Fundberichten aus Schwaben der Begriff ‘Latènezeit’ verwendet, zunächst eher unsystematisch, dann aber auffallend oft, während die Zuordnung ‘keltisch’ etwas zurücktrat.

Einen wesentlichen Fortschritt brachte das 1932 erschienene Werk von Kurt Bittel Die Kelten in Württemberg. Als Band 8 in den Römisch-Germanischen Forschungen publiziert, dürfte es von der RömischGermanischen Kommission als deutliches Signal gegen eine völkisch orientierte Vorgeschichte gesetzt worden sein. Dies wird jedoch in dem außerordentlich nüchtern geschriebenen Werk an keiner Stelle ausgeführt. Schon 1930 hatte sich Bittel ausführlich mit der Späthallstatt- und Frühlatènezeit auseinander gesetzt und im Bereich der westlichen Hallstattkultur zwischen Hallstatt D und Latène A eine Kontinuität gesehen (Bittel 1930, 41-49). Auf Grund verschiedener Überlegungen, die ich hier nicht referieren will, hat er die Funde der Westhallstattkultur als keltisch, die der Osthallstattgruppe als illyrisch angesehen. Mit Latène B sei dann im Zuge der historisch belegten Keltenzüge eine Einwanderungswelle von Westen gekommen, für die unter anderem die Flachgräber typisch seien.

Im Mittelpunkt der zahlreichen Arbeiten zu den Kelten stand eindeutig die Auseinandersetzung mit der historischen Überlieferung, die von Seiten der 152

Kelten inJörg Süddeutschland? Biel

Eine keltische Einwanderung aus Gallien mit oder während der römischen Okkupation soll uns hier nicht interessieren, denn der Begriff ‘Gallo-romain’ hat in der Süddeutschen Forschung nie Eingang gefunden.

an Oberrhein. Der Einführungstitel dieser im Elsaß natürlich absolut propagandistisch gedachten Veranstaltung lautete:

In der nationalsozialistischen Propaganda spielten die Kelten eine etwas seltsame und oft undurchsichtige Rolle. In der politisch hochbrisanten Rede von Hans Reinerth bei der 3. Reichstagung für Deutsche Vorgeschichte in Ulm am 19. Oktober 1936 in Ulm unter dem Titel Süddeutschlands nordisch-germanische Sendung (Reinerth 1936) machte Reinerth Front gegen die herrschende Forschungsmeinung, dass die süddeutsche Bevölkerung das Produkt einer Mischung aus keltischer, römischer und erst in letzter Linie germanischer Volkskultur sei. Die folgende üble Polemik richtete sich aber ausschließlich gegen die provinzalrömische Forschung, denn die völkische Zugehörigkeit der Kelten war ihm wohl doch ein zu heißes Eisen. Diese Unsicherheit zeigte sich auch in einem nur kurz zuvor im GermanenErbe erschienenen Artikel von Adolf Rieth (1936) zu den Fürstengräbern in Schwaben. Er schrieb:

Zu den Kelten lesen wir hier:

„Zwei Jahrtausende vor Germanen und Römern kämpften und siedelten indogermanische Bauernvölker zu beiden Seiten des Rheins.“ (Schnitzler 1990). •„Aus der Vermischung dieser Kulturen [d.h. der Schnurkeramik- und Glockenbecherkultur; J.B.] erwächst das Urkeltentum der Bronzezeit.“ •„Die Kelten sind ein indogermanisches Volk, von hoher Kultur, mit nordischem Einschlag. Die antiken Schriftsteller schildern sie als hochgewachsen, mit blondem Haar und hellen Augen. Sie werden daher von den Römern häufig mit den Germanen verwechselt, von denen sie sich aber in Sprache und Kultur unterscheiden.“

•„Gegen den germanischen Angriff errichteten die Kelten mächtige, von Mauern und Wällen umgebene Volksburgen – Odilienberg, Tarodunum, Heiligenberg, Grabenstetten.“

Gallier, die historisch schon lange gesehene Anbindung der rechtsrheinischen Oppida an diejenigen in Gallien, oder die Feldzüge Caesars in Gallien werden völlig unterschlagen und die Urkelten als Indogermanen dem Deutschtum schlicht einverleibt.

„Über die rassische Erscheinung dieser Menschen läßt sich noch nichts endgültiges sagen. Von den wenigen erhaltenen Schädeln ist die Mehrzahl ziemlich lang.“

Und später:

Ich konnte hier nur einen flüchtigen Überblick geben, aber es wäre sicherlich lohnend, das Thema zu vertiefen und vor allem die aus der Literatur nicht so offensichtlich hervorgehenden Gegenstimmen der seriösen Wissenschaft zu bewerten. Allerdings ist festzustellen, dass diese Art von Propaganda, soweit es die Kelten betrifft, im heutigen Geschichtsbewusstsein Süddeutschlands keinerlei Spuren hinterlassen hat. Die Kelten sind heute ein Volk, das zwar früher hier gewohnt hat, mit dem uns aber kaum etwas verbindet, abgesehen von esoterischen Verirrungen. Weniger die nationalsozialistische Propaganda, die völlig ins Leere lief, als unterschwellige, emotionale und keinesfalls national gefärbte Sympathien zu den Kelten, ihrer Kultur, ihrer Kunst und ihren sonstigen Hinterlassenschaften haben sie heute zu einer Art archäologischem Markenzeichen gemacht. Dieses ist, zumindest in Süddeutschland, völlig unabhängig von rassistischen Strömungen oder realpolitischen Überlegungen, dafür aber verkaufsfördernd: Mein Buch Der Keltenfürst von Hochdorf (Biel 1985), in dem sie kaum Informationen zu den Kelten finden, ist bereits in vierter Auflage erschienen.

„Wahrscheinlich stehen die süddeutschen Hallstattleute den Kelten anthropologisch ziemlich nahe.“

Aber dann:

„Die Katastrophe für die Hallstattkultur kam im 4. Jahrhundert, als ein keltischer Stamm, wahrscheinlich die Boier, im nördlichen Württemberg einbrach.“

Im selben Band dieser Zeitschrift behauptete jedoch Werner Hülle (1936):

„Unter nordischer Führung [gemeint ist hier die Schnurkeramik; J.B.] entsteht eine Kultur, die weit über Süddeutschland hinausgreift und die wir als die keltische bezeichnen.“

Damit waren die Kelten von Seiten des Reichsbundes vereinnahmt. Ob diese Diskussionen und Unsicherheiten zur Ausgrabung des Grabhügels Hohmichele führten, die ein Jahr später 1937 unter Führung der SS begonnen wurde, sei dahingestellt (vgl. Strobel 2002, 282-285). Die Einverleibung der Kelten in die nordische Rasse legitimierte jedenfalls den Zugriff auf Gebiete, die bisher außerhalb der als keltisch betrachteten Regionen gelegen hatten, etwa auf die Bretagne oder auf die Ostgebiete. Diese Vereinnahmung der Kelten gipfelte in der vom 19. Juni bis zum 15. August 1942 in Straßburg gezeigten Ausstellung Deutsche Größe mit ihrer Unterabteilung 2000 Jahre deutscher Kampf

Die Keltenausstellungen in Hallein, Rosenheim oder Venedig waren Publikumsmagneten. Die Stuttgarter Ausstellung Der Keltenfürst von Hochdorf 153

Jörg Biel

im Jahr 1985, in der inhaltlich von den Kelten nicht die Rede war, wurde von etwa 300.000 Personen besucht, während die Alamannenausstellung 1997, die unsere eigentlichen Vorfahren zum Thema hatte, nur knapp über 100.000 Besucher verzeichnen konnte. Dagegen dürfte die Trojaausstellung, ebenfalls ein Markenzeichen, im nächsten Jahr der absolute Besucherhit werden.

Heimat- und Altertumsverein Heidenheim a. d. Brenz 1982: Heimat- und Altertumsverein Heidenheim a. d. Brenz (Hrsg.), Was ist in Süddeutschland archäologisch gesehen keltisch? 2. Arch. Koll. Heidenheim a. d. Brenz 1980 (Heidenheim 1982). Pauli 1980: L. Pauli, Die Herkunft der Kelten. In: Die Kelten in Mitteleuropa. Ausstellungskatalog Hallein (Salzburg 1980) 16-24.

Fasst man das Gesagte zusammen, so dürfte es einiger Anstrengungen der Kritiker am Keltenbegriff bedürfen, um die süddeutsche Keltenforschung auf eine bloße Eisenzeitforschung zu reduzieren.

Paulus 1877: E. Paulus [d. Ä], Die Alterthümer in Württemberg aus der römischen, altgermanischen (keltischen) und alemannischen (fränkischen) Zeit. Württ. Jahrb. 4, 1877, 1-80.

Literatur

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Constructing the English: Early Medieval Cemeteries and Changing Conceptions of Anglo-Saxons Sam Lucy, Cambridge Archaeological Unit

debate surrounding the interpretation of fifth century events rests on a now well-known passage from Bede’s work (I, 15), which appears to be an authorial interpolation into a narrative largely based around Gildas, resting at least partly on the political nomenclature of Bede’s own day:

Introduction Since its inception, early Anglo-Saxon archaeology (the archaeology of eastern Britain from the fifth to the seventh century AD) has operated within a ‘common-sense’ framework. We ‘know’ that people from northern Europe migrated to Britain in the fifth and sixth centuries AD, for the documentary sources tell us. The archaeological evidence supports this. Or does it? This paper will return to the origins of Anglo-Saxon archaeology, showing that the concept of the ‘Anglo-Saxons’ was one formulated within the nationalist discourse of the nineteenth century. Archaeological evidence came to form part of this discourse, used to help define the very idea of ‘Englishness’ itself. The interpretation of new burial rites and grave-goods as indicators of Germanic migration has thus never seriously been challenged. However, recent critiques within prehistoric archaeology of the concept of ‘culture’ are also applicable to Anglo-Saxon archaeology. This paper will argue that much of the terminology and methodology used by scholars of this period can be questioned, and that historicising the debate is one way of starting this process.

“They came from three very powerful Germanic tribes, the Saxons, the Angles and the Jutes. The people of Kent and the inhabitants of the Isle of Wight are of Jutish origin, and also those opposite the Isle of Wight, that part of the Kingdom of Wessex which is still today called the nation of the Jutes. From the Saxon country, that is, the district now known as Old Saxony, came the East Saxons, the South Saxons, and the West Saxons. Besides this from the country of the Angles, that is the land between the kingdoms of the Jutes and the Saxons, which is called Angulus, came the East Angles, the Middle Angles, the Mercians, and all the Northumbrian race ... as well as the other Anglian tribes. Angulus is said to have remained deserted from that day to this” (Colgrave/Mynors 1969, 51).

This passage in Bede provides a clear and unambiguous statement about the ‘coming of the Saxons’, which he dated to the mid-fifth century, and this was used as the starting point for the chronological sequences of battles and political take-overs depicted by the later compilers of The Anglo-Saxon Chronicle. However, historians are now pointing out the problems of using this material in a straightforward way. All these works were written for specific purposes, in contexts of emerging and stabilising kingdoms and territories. Susan Reynolds (1983) argues that this desire to classify the peoples of Europe (seen in passages like Bede’s) began in the sixth to seventh century AD, that such myths of common origin served to increase or express the sense of solidarity of such peoples, and that their origins lay “in the desire of learned clerics both to find honourable origins for their own peoples and to make sense of the contemporary world in the light of classical and Christian learning” (ebd. 375). She emphasises that all origin myths, those that derive descent from the Trojans, or from the north German peoples among them, are just that, myths, and that ‘we have very little evidence at all, outside stories that were told and elaborated after

The Origins of the Anglo-Saxons Before looking at the archaeological background, however, it is important to understand the historical preconceptions on which interpretations of the archaeological material rest. There are two fundamental texts for the early Anglo-Saxon period in Britain: Gildas’ De excidio Britanniae et conquestu, and Bede’s The Ecclesiastical History of the English People. In Book One of his work, Gildas depicted events from the fourth century to his own day, probably sometime in the sixth century, as punishment by God in the form of barbarian onslaughts for the failings of the British church and leaders (Winterbottom 1978; Lapidge/Dumville 1984). This was used heavily in the Venerable Bede’s eighth century work, (see Goffart 1988, 235-328 for details of the historical context and political purpose of Bede’s work). Much of the 155

Constructing the English: Early Medieval Cemeteries and Changing Conceptions of Anglo-Saxons

the sixth century, that a larger proportion of the population of Europe moved around during the ‘Age of Migrations’ than at any other time’ (ebd. 379). These myths came to have particular appeal when ideas about the common descent and custom of a group came to coincide with a territorial definition of a people - when all those living within an area claimed allegiance to the same leader (ebd. 382-823). Thus, while in the eighth century Bede ascribed slightly different origins to the Angles, Saxons and Jutes, and did not question the right to independence of the separate kingdoms, a sense of English solidarity was only evident from the tenth century (ebd. 383-84). In this she is supported by Wood (1990, 96):

for a fuller account of this replacement). This ‘Anglo-Saxonist’ version of the past is still, to a lar-ge extent, historical dogma, although not as powerful as it once was, for many people in England, especially those schooled before the 1960s, would still regard themselves as being descended from the Germanic peoples said to have settled in Britain in the fifth and sixth centuries. The Origins of Anglo-Saxonism

“the adventus Saxonum, whatever it was, is scarcely noticed by 5th and 6th century writers; it is only Bede, interpreting Gildas, who transforms the ‘Coming of the Saxons’ into a major event in the emergence of England”.

However, when versions of the English past were penned in previous centuries, it was these historical sources which were first turned to, for they were accepted as more or less true records of the events of the fifth, sixth and seventh centuries, which were the beginnings of the inexorable process of the ‘rise of the English nation’. The ‘Coming of the Saxons’ is now so much a part of our national mythology that it is not often realised that the origins of the people who live in the eastern and southern part of Britain, now known as the English, have not always been traced back to Germanic invaders or migrants from the continent. Although this was the case from about AD 700 to AD 1100, and from around AD 1600 through to the present, for a large part of the medieval period a different ‘origin myth’ was in place, that of the Brutus, which traced the origins of the Britons back to the Trojans, with the advent of the Saxons seen as an unimportant episode (MacDougall 1982). The Brutus myth (seen in its most popular form in Geoffrey of Monmouth’s History of the Kings of Britain, written around 1136) was widely accepted as historical truth in Britain from at least the twelfth to the sixteenth century, in many different versions. This is also the version of the history of Britain which introduced Arthur as a key (mythical) historical figure. However, due to political and religious conflicts, this origin story came to be replaced in the course of the sixteenth and seventeenth centuries by a different version of the past, which saw characters such as Hengist, Horsa and Alfred as the pivotal figures in the creation of the English people and nation (see Lucy 1998, 5-9 and MacDougall 1982 156

The Anglo-Saxonist version of the English past also changed over time. At the beginning of the eighteenth century, while there was a widespread belief in the Germanic nature of English institutions such as parliament and trial by jury, by the later nineteenth century this had mutated into depictions of the fifth and sixth century as a time when the native inhabitants of Britain were exterminated, or driven into Cornwall and Wales, by massed forces of Germanic tribes. This is clearly related to changing ideas about the nature of ‘peoples’ and nations, with the introduction of a strong racial element into interpretations of history during the nineteenth century. The development of such attitudes can perhaps be linked to the increasing importance of issues of nationhood and nationalism (c.f. Hobsbawm 1990). After the Act of Union with Scotland in 1707, Britain was a Protestant state. Successive wars with France, a Catholic country, throughout the eighteenth century provided an ‘other’ in opposition to which Britons defined themselves, and thus an idea of ‘Britishness’ was super-imposed over an array of internal English, Welsh and Scottish differences (Colley 1992). French contamination was perceived as an evil, and many believed that Britons needed to become more moral and united. Evidence for this was sought in the past: in 1756 John Frere called for the English, Lowland Scots and the Hanoverian Kings, all of whom were descendants of the Saxons, to live in harmony with the Ancient Britons (the Welsh) (ebd. 90). Likewise, the French Revolution in 1789 prompted Burke (1790) to eulogise the British constitution and social system, stressing its antiquity and emphasising national differences in government and history (Peardon 1933, 163-64). The Napoleonic Wars and the loss of America in the War of Independence around the turn of the century also served to bring the ties between England and Scotland closer together (Colley 1992, 144). Such patriotic feeling in Britain at this time prompted an interest

Sam Lucy

in periods of national origin and glory, and specifically renewed enthusiasm for the medieval period, both pre- and post-Conquest (Peardon 1933, 229-30; Smith 1987, 56). The uniting of a Protestant Britain also facilitated the creation of oppositions with Catholic Ireland, and antagonism to increasing Irish immigration into Britain after 1800 (Colley 1992, 330).

impact on English historians of the time, although after the 1830s there was some editing and translation work being done by Thorpe and Kemble (Burrow 1981, 119). Thorpe had translated Lappenberg’s A History of England under the Anglo-Saxon Kings (1834) in 1846, but it was not until 1849 that an English historian again turned to the subject of the Anglo-Saxons.

The first historian to make full use of the AngloSaxons in this patriotic sense was Sharon Turner. In his A History of the Anglo-Saxons (1799-1805) he stated that “the subject of Anglo-Saxon antiquities had been nearly forgotten by the British public; although a large part of what we most love and venerate in our customs, laws and institutions, originated among our Anglo-Saxon ancestors” (Turner ebd. vii). In 1820 (in the preface to the 3rd edition: v-viii) it could be related of him that, looking back, “his favourite desire has been fulfilled - a taste for the history and remains of our Great Ancestors has been revived, and is visibly increasing”. Turner was the first of the ‘Germanist’ historians, who be-lieved that the Germanic element was responsible for the finest features of the English: “This nation exhibits the conversion of ferocious pirates, into a highly civilized, informed and generous people - in a word, into ourselves” (1799-1805 vol. II: xi-xii) and that: “Our language, our government, and our laws display our Gothic ancestors in every part. They live, not merely in our annals and traditions, but in our civil institutions and perpetual discourse” (ebd. vol. I, 188-89). Turner wished to demonstrate that the English language was principally Saxon, in reaction to Hume’s view that it was predominantly of French origin (Peardon 1933, 221). In like manner, Rev. James Ingram, in his Inaugural Lecture as Professor of Anglo-Saxon at Oxford in 1807, made an appeal for Anglo-Saxon studies to be based on patriotic grounds (Peardon 1933, 244-45). All aspects of the subject - archaeology, language and architecture among them - could be used to re-inforce the current opinion of the English (and hence British) nation.

In 1834 Kemble had studied philology under Grimm at Göttingen, having become interested in the Anglo-Saxon language while a student at Cambridge. In 1849 he published The Saxons in England in which he questioned the narratives of Bede and the Anglo-Saxon Chronicle reproduced in the works of Turner and Lappenberg (Sims-Williams 1983, 1): “I confess that the more I examine this question, the more completely I am convinced that the received accounts of our migrations, our subsequent fortunes, and ultimate settlement are devoid of historical truth in every detail” (Kemble 1849 I, 16).

He regarded the earliest historical sources as “a confused mass of traditions borrowed from the most heterogeneous sources, compacted rudely and with little ingenuity, and in which the smallest possible amount of historical truth is involved in a great deal of fable” (ebd. 3). Although he was the first historian to deal with the Anglo-Saxons in a critical and narrative manner, he nevertheless showed signs of deeply-entrenched Germanism in his work. He did not doubt that the migrations took place, and that the current population of England were Germanic in their spirit and institutions, but he saw the transformation as a gradual process beginning in the third century AD, with AD 449 being an episode within this, rather than a decisive event in the history of England. In addition, he did not require the extermination of the native population:

‘the mass of the people, accustomed to Roman rule or the oppression of native princes, probably suffered little by a change of masters, and did little to avoid it’ (ebd. 20).

Such ideas, however, attacking the English national story with the weapons of foreign scholarship (Sims-Williams 1983, 1) were not found congenial by the increasingly nationalistic public.

In a similar manner, from 1800 to 1850, historical scholarship in Germany had been undergoing dramatic changes, linked to ideas of national cultural independence, and a rise in respect for the nonClassical past (Burrow 1981). Rather than a source of national shame, barbarian origins came to be seen as a dynamic impulse in a people, prompting continuous innovation and cultural change (Rowlands 1988, 59). This new attitude, at first, had little

Far more in favour were the works of Edwin Guest, and the historians of the so-called ‘Oxford School’ (in fact a group of close friends who were clerics and men of independent means, largely on the fringes of academe), such as E. A. Freeman, William Stubbs and J. R. Green, whose works were thoroughly reliant on the historical framework found in the pages of Bede and the Anglo-Saxon Chronicle 157

Constructing the English: Early Medieval Cemeteries and Changing Conceptions of Anglo-Saxons

(c.f. Freeman 1869; Green 1874; Guest 1850; Stubbs 1870). Broadly, these works promoted ‘Anglo-Saxonism’, a position which held that the Anglo-Saxons were an identifiable and historically attested race, with common ties of blood, language, geographical origin and culture; that Anglo-Saxon societies were the fullest expression of civil and religious liberties, a fact which was directly attributable to their peculiar genius in political affairs; that the Anglo-Saxons of Britain had virtues and talents which made them superior to all; that attributes (which included reason, restraint, selfcontrol, love of freedom, hatred of anarchy, respect for the law and distrust of enthusiasm) were transmissible from one generation to the next; and that serious threats came from physiological or biological forces inside the nation or race, including deterioration, limitation or contamination (Curtis 1968, 11-12). Such ideas were obviously derived from the racial theory which had emerged in the course of the nineteenth century, with its view of historical peoples as distinct ‘races’, the inheritable characteristics of which are threatened by mixing with the blood of another ‘race’.

purely German institutions that any branch of the German race has preserved” (1880 vol. I, 6). Such historical models were heavily dependent on the atmosphere of racial determinism which pervaded these years, well illustrated by Kingsley (the historical novelist who held the Chair of Medieval History at Cambridge from 1860): of the Teuton, he asserted in a lecture that Teutonic purity “had given him, as it may give you, gentlemen, a calm and steady brain, and a free and loyal heart; the energy which springs from health; the self-respect which comes from self-restraint; and the spirit which shrinks from neither God nor man, and feels it light to die for wife and child, for people, and for Queen” (1875, 46). Ideas of ‘national’ characteristics were extremely prevalent at this time, with Anglo-Saxons often being compared favourably to Celts, who were assigned the traits which were deplored or despised by the upper and middle Victorian classes, such as femininity, violence, emotional incontinence and indolence (Curtis 1968, 64-65). Such nationalistic feeling was thus a way of justifying manifestos of hostility to ‘foreigners’, such as the Irish (Hobsbawm 1990, 109). One rather disturbing aspect of this emphasis on race as the primary determinant of behaviour were the attempts made by anthropologists to correlate cranial size, intelligence, national character and race (Curtis 1968, 67). The most notorious example of this was John Beddoe, who published his ‘index of nigrescence’, claiming that one could find in Ireland residual survivals of primitive people who had affinities with ‘Africanoid’ man (‘proving’ this by his survey of Cambridge undergraduates, which found a correlation between those with firsts and those who had light hair and blue eyes - obviously those of ‘Anglo-Saxon’ parentage) (Curtis 1968, 72).

Kemble, although not so vehement in his views, was still susceptible to the general atmosphere of the period, which saw the characteristics of one’s ancestors as passed down through generations. Such thinking is apparent in both his history and his archaeology (1849, 1856, 1863). Others took the tenets of Anglo-Saxonism to greater extremes, especially during the 1860s and 70s, when the influence of the ‘Oxford School’ was at its peak. This historical tradition attributed Victorian success directly to their Teutonic forefathers: “our forefathers really became the people of the land in all that part of Britain which they conquered” and “were thus able to grow up as a nation in England, and their laws, manners and language grew up with them, and were not copied from those of other nations” (Freeman 1869, 28). Green thought that “the English conquest was a sheer dispossession and slaughter of the people whom the English conquered” and that “the new England ... was the one purely German nation that rose upon the wreck of Rome” (Green 1874, 9, 11). Such ideas plainly relied on extermination of the native population.

Although by the 1880s, the more extreme forms of invective were no longer generally current, and strident Anglo-Saxonism was toned down by its former proponents, in the face of a long tradition of criticism of such ideas by other writers (e.g. Allen 1880; Nicholas 1868), its influence was still pervasive in popular thought. Allen (1880, 487) offers an amusing observation on this point: “The idle, ignorant, superstitious Kelt has so often been contrasted with the clear-headed, energetic, pushing AngloSaxon, that everybody has hastened to enroll himself under the victorious Anglo-Saxon banner ... [yet] ...’Silly Suffolk’ is the conventional phrase for the most purely Teutonic country in Britain”.

Stubbs, the first trained historian to hold the Chair of Modern History at Oxford (from 1866-1884), was convinced that England rested on Teutonic foundations: “The political institutions that we find established in the conquered land ... are the most 158

Sam Lucy

In the last two decades of the nineteenth century, history became a more scholarly discipline, with growing emphasis on the use of primary sources, such as original documents, of which in-depth studies were made (Jann 1985, 218-19). Broad generalisations thus gradually fell out of favour within the academic profession. The agenda, however, had by this time been defined, and the actual fact of the migrations hardly ever questioned. There remained an implicit assumption that English success and superior qualities could be equated with Germanic origins. These assumptions were to have far-reaching effects on the interpretation of Anglo-Saxon cemeteries and the material found within them.

could be of Frankish migrants (Roach Smith 1860, 135). J. M. Kemble built on this work by demonstrating the similarities between British and German material of this period. During a visit to Hanover museum, he noted similarities between the funerary urns of the two areas, concluding that “the urns of the ‘Old Saxon’ and those of the ‘AngloSaxon’, are in truth identical ... The bones are those whose tongue we speak, whose blood flows in our veins” (1856, 280). Kemble thought that by the comparison of such urns “we are brought ... many steps nearer to our forefathers on the banks of the Elbe and its tributary rivers, and we can henceforth use indifferently the discoveries of Englishmen and North Germans for the elucidation of our national treasures” (1863, 230). With these observations, he was able to convince his German contemporaries that the urns in their museums should be regarded as Saxon, rather than Slavonic, as they had thought them (Rhodes 1990, 49).

The Origins of Anglo-Saxon Archaeology It was in this period of national definition and opposition that Anglo-Saxon archaeology began to develop as a discipline. The research topics of the historians became the research topics of the archaeologists, and re-evaluations of the material culture of the early medieval period bolstered the growing affections of the historians for ‘pure’ Germanic origins for the English. The origins of Victorian democracy and independence were seen to reside in the earliest English settlements, and those settlements were identified by the archaeologists through the ever-increasing numbers of furnished cemeteries which were excavated during the nineteenth century. Roach Smith (1850, 88-9) associated the regional variations in the British material which were just becoming evident (the East Anglian and Midland distribution of cruciform brooches and the distinctiveness of Kentish buckles, for example), with the Venerable Bede’s eighth-century account of Jutish, Saxon and Anglian territories in his Ecclesiastical History of the English People (I, 15). It is from this point onwards that one sees the association of particular items of material culture with particular tribal groupings: cruciform brooches with the Anglians, saucer brooches with the Saxons, and the linking of Kentish material with the Jutes. These regional distributions were explained in detail by Thomas Wright in his 1852 publication, The Celt, the Roman and the Saxon.

Thus, by the later nineteenth century, if an artefact found in eastern England could be paralleled by one in northern Germany (where Bede stated the Saxons came from), then that artefact was termed ‘Saxon’. A burial in a cemetery which exhibited Anglian, Saxon or Jutish material came, in time, to be called ‘Anglo-Saxon’. There was little doubt among most archaeologists that these remains indicated the burials of immigrants from these continental areas or their direct descendants (c.f. Bateman 1861, xiii; Rolleston 1870; Wright 1855). Even material found in these cemeteries which was unparalleled on the continent, such as annular brooches, came to be termed Anglo-Saxon because of its associations with the general assemblage. There was thus a widely held view in the later nineteenth century that the vast majority of the later fifth and sixth century population of eastern England were of Germanic ancestry. For example, Rolleston (1870, 118) stated “we know, from finding cremation urns of the Anglo-Saxon type all over England nearly, that the whole of the country was overrun by a heathen population”. In addition, the historians’ emphasis on the Anglo-Saxon ancestry of the English, and the hostility expressed towards ‘Celtic’ characteristics (Curtis 1968, 64-5, 89) meant that any mixing of the Celtic and AngloSaxon ‘races’ in the past was discounted.

It was not long before scholars started to look to the continent for detailed parallels. Roach Smith, for example, had noted several similarities between artefacts found in Britain, and those being found in excavations of Frankish cemeteries near Dieppe, publishing his observations in the journal which he had founded, Collectanea Antiqua (Roach Smith 1852), even arguing that some of the graves in Kent

The accumulation of more evidence over the course of the late nineteenth and early twentieth century served to blur these once clear-cut distinctions, however. By 1937 enough evidence was accumulating to allow Myres to question Bede’s division 159

Constructing the English: Early Medieval Cemeteries and Changing Conceptions of Anglo-Saxons

of eastern Britain into the regions of the three tribes. He drew attention to the Saxon element in the supposedly Anglian areas of the Fens and areas bordering the Humber, with saucer brooches, equalarmed brooches and Saxon ceramics found in Cambridgeshire (Myres 1937, 325-26), and pottery from the Humber area being more closely paralleled in Frisia (now Holland) than in northern Germany (ebd. 326). Leeds, in the same way had noted that Bede’s tribal divisions did not stand in the face of the archaeological evidence, with the whole area from Norfolk to the Berkshire Downs, especially the area around Cambridge, standing out in its overlapping and mixed distributions (1945, 78-80). Myres (1970, 3) noted that much of the statement in the Ecclesiastical History was undoubtedly derived from the political geography of Bede’s own day (the early to mid eighth century AD, when Britain was divided up into a number of major kingdoms including Wessex, Essex, Northumbria, Mercia and the East Anglian kingdom). However, rather than question these groupings at a fundamental level, Myres went on in this article to ‘test’ Bede’s distributions of peoples against those which he discerned in the pottery assemblages. Despite the ambiguities, similarities between pottery forms were still interpreted in a straight-forward manner by Myres as indicating migration: “Both the earlier and simpler manifestations and the more exuberant developments of the second half of the [fifth] century occur in Britain exactly as they do in Germany. This can only mean that folk who enjoyed this peculiar vogue were pouring into Britain throughout this time and bringing this exotic taste with them. The similarities between the English and the continental examples are too close to permit any other explanation” (Myres 1970, 18).

Sonia Chadwick Hawkes saw the people of Kent as having a mixed continental origin, with Danish, Frisian, Jutish and Frankish elements all visible in the material culture seen in the fifth and sixth century cemeteries such as Bekesbourne, Howletts and Bifrons (Hawkes 1969, 189-90), although she was adamant that the Frankish element was the result of trade rather than migration (ebd. 191). This built on an idea already put forward by Christopher Hawkes (1956, 96), who painted a clear picture of groups being pushed around northern Europe in the fifth century, with the lack of cremation cemeteries in Jutland suggesting an influx of “inhuming Danes” from south Sweden, pushing “Jutes who would not become ‘Half-Danes’” into Frisia, and then into Kent, using archaeology to confirm this view: “their homeland connexions with both the AngleJutish peninsula and the intervening Frisian coast, have been confirmed for us by Myres in his recognition of ‘Anglo-Frisian’ pottery” (ebd.). Even today, archaeologists are using the same reasoning behind their interpretations of the material. Vera Evison, for example, felt able to state that:

‘The saucer brooches ornamented with five running spirals have been regarded as a reliable indication of the presence of fifth-century Saxons, for they occur in a limited area between the mouths of the Elbe and Weser before the migration, and further developments of the species take place only in England (Evison 1981, 137).

It is interesting to examine how those ‘simplistic’ readings of material culture came about, for this tells us a lot about the assumptions which we bring to our material. Actually they rest on a number of different, but inter-connected ideas. These are, firstly, that artefacts are direct indicators of people’s ethnic identities - that burial with a brooch which was made in a certain continental district shows that person to have originated from that district; secondly, that those ethnic identities were ‘natural’ ones, inherited from ones parents and determined by one’s origin; and thirdly, that such ethnic identities were all-important, separating ‘Anglo-Saxon’ from ‘Briton’, and determining their attitudes towards one another.

Myres saw, however, parallels between the material culture of the Saxon areas of the continent, such as pottery urns with “standing arches” and saucer brooches and that of supposedly “Anglian” areas of Britain: “In the earliest days it would seem that folk of Angle and Saxon, and indeed other, antecedents were establishing themselves indiscriminately over the regions that were later dominated by Anglian regimes” (Myres 1970, 23).

Questioning the links between peoples, language and culture

Others sought explanation for such ‘cultural mixing’ by suggesting that the incoming tribes were already inextricably mixed before embarking on their migrations to Britain (see, for example Evison 1965, 6).

The link between artefacts and identities, though a strongly-held one in Anglo-Saxon archaeology, is actually open to question. Historians of archaeolo-

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Sam Lucy

gy have demonstrated very clearly how this link was made from the mid-nineteenth century as a way of interpreting archaeological evidence so that it would fit in with historical debates, which were often framed around the concept of ‘races’, and origins of nations. Although Darwinism had shown that humans could not have multiple origins, for we are all one species, they were still thought of as belonging to different ancestral stocks, from which various personal and cultural characteristics were inherited (Jones 1997, 43). In the atmosphere of late-nineteenth century nationalism, where ‘peoples’ and ‘nations’ were supposed to coincide, there was an interest in tracing back the history and culture of such ‘national’ groups as far as possible (Olsen/Kobylìnski 1991, 9). In addition, language and physical anthropology began to be equated with these groups, such that there arose the expectation that a ‘Saxon’ would speak a ‘Germanic’ language, use ‘Germanic’ material culture, and also be of a specific physical type (ebd.). What we have here is the generation of the idea that the world is populated by ‘peoples’, who have distinctive characteristics, both physical and cultural, and who exist in sharply-delineated physical territories. The shadow of nationalism is very clear in this formulation. Such ideas are, however, starting to be challenged. Historians, as seen above, are now taking a more critical approach to their sources. Geary (1983, 18), for example, has highlighted the assumptions often used by historians when dealing with early medieval texts (such as that ethnicity would have been re-cognisable to others, that it would not change ex-cept over several generations, and that it was a source of friction within societies), and has demonstrated how such assumptions have coloured readings of the sources. In addition, the contexts in which people or groups got given names in the documentary sources have been re-examined, and the conclusion drawn that such groups as the Franks (James 1988), the Burgundians (Amory 1993) and the Anglo-Saxons (Wormald 1983; Reynolds 1985; Pohl 1997) are as much historical creations as anything; that documentary records have helped to create that which they purported to describe. The role of the church and its historians seems to have been a major factor in this process (Pohl 1997, 19). It has also been pointed out that many people who are mentioned in early medieval sources are not given any ethnic attribution at all, and it has been suggested that perhaps an ethnic identity was important only for some members of 161

the population, and that such identities were brought into being in connection with certain members of the elite (Amory 1994; Pohl 1997, 23). Moreover, ethnicity cannot be seen as a cause of antagonism between groups, for this is an inadequate explanation in a pre-modern context. Rather, we need to examine the underlying relationships which caused those ethnic identifications to be made - ethnicity was not an inherent aspect of biology, but a constructed identity, which was probably of little importance for the vast majority of the population. Thus the historical basis which provided the foundation for interpretations of both prehistoric and early medieval ethnicity in the past has been shown to be far more illusory than was once thought. The very idea of the ‘concreteness’ of ethnicity has also been challenged, mainly by research in sociology and anthropology working with present-day populations. Contemporary observations of how human groups define themselves and others has produced the general consensus that ethnicity is not an objective, biological attribute, which can be independently observed by others. Rather, it is something which is lived and created, a ‘self-defining system’, which is emphasised in certain situations, but not others (Barth 1969; Geary 1983; Jones 1997, 60). The creation of feelings of similarity (to members of one’s own group) and difference (to members of others) is important in the construction of such groups (Bentley 1987, 34; Jones 1997, 93). Language, artefacts and everyday practices do not coincide in the expression of neatly-bounded groups, although such things can be consciously seized on in the expression of ethnic allegiance (McGuire 1982, 160-61; Jenkins 1997, 76-77; Jones 1997, 95 125). Thus, ethnicity and ethnic groups do not exist separately from the people involved in them - it is only when a group of individuals see themselves as forming an ethnic group (usually in opposition to others), and act in accordance with that sense of belonging, that an ethnic group can be said to exist (Jones 1997, 84). In this light, ethnic groups are continually imagined (though not imaginary) groups (Jenkins 1997, 77), which can have no fixed boundaries, as they are not solid, bounded categorisations. In addition, ethnicity may only be one aspect of an individual’s sense of identity - they may experience an ‘ethnic’ sense of belonging on various different levels of inclusiveness and exclusiveness (Bentley 1987, 36; Jenkins 1997, 85), as well as being subject to social norms regarding their age, gender and status.

Constructing the English: Early Medieval Cemeteries and Changing Conceptions of Anglo-Saxons

Re-interpreting Anglo-Saxon Cemeteries

cemetery evidence, we are not looking at unconscious everyday activity, as we might see on a settlement site, but at an intermittent and deliberately articulated practice. The mourners are the active participants in burial rituals (Barrett 1990, 182), such that burials are not static - there is nothing ‘natural’ about them. Rather, they are the result of many different culturally-situated decisions. A person’s identity cannot be ‘read off’ from the way in which they were buried, but their burial can shed light on the aspects of the deceased which the mourners thought important to emphasise through the use of material culture and other aspects of the ritual (Lucy 1998, 107).

Where does this leave us in our attempts to place evidence from Anglo-Saxon cemeteries into a wider context? What, exactly, is it evidence for, given that the reasoning behind seeing it as evidence for Germanic invasion and settlement seems to be based on rather shaky grounds? Lethbridge got to the heart of the matter, when he stated (1956, 113): “Because a large number of ornaments are found in a series of graves and it can be shown that the origin of the style of ornaments lies in some continental district or other, is it any proof that the people in those graves were descended from those in the land in which that style of ornament was formerly common? Of course it is not”,and that, “Because we speak of a collection of objects as Anglo-Saxon, we must not assume that they indicate the presence of a pure-blooded Teutonic stock in the district in which they were found. They indicate no more than the presence in that district of people with a taste for barbaric ornaments of Teutonic types” (ebd. 114). The key question is, therefore, how we interpret this material culture.

Rather than making a priori assumptions about what the burial rite means, then, a different approach is needed. Through detailed analysis of burials, archaeologists can start to observe the construction, in the context of the burial rite, of gender and age-based identities using material culture, and how such identities changed over time (see, for example, Pader 1982; Lucy 1998; Stoodley 1999). Examination of assemblages of grave-goods, with associated textiles, can give an in-depth picture of how people of different sex and age were dressed for burial. In terms of the preparation and provisioning of burial costumes, this can indicate how different groups were viewed by the mourners. Such provisioning will not directly reflect the role of the deceased in life, but we can start to see the complex patterning of ideas about death and the dead held by the mourners. Patterning visible on a local or regional level might suggest deliberate reinforcement of local or regional identities by the mourners. However, it is not enough to see local patterning as represented by the presence of a handful of brooches in a handful of cemeteries: if one is arguing for a regional costume (cf. Hines 1994), then it must be a costume, for example the long-sleeved garment suggested by the use of sleeve-clasps.

In recent years, some archaeologists have been focusing on the active role of material culture, pointing out that the objects and artefacts that people use in their day to day lives do not directly reflect social conditions, but that they are a crucial part of the way that people conduct their lives (Barrett 1990, 179). Material culture is integral to social life - it helps to mediate relationships between people, by conveying information about them in subtle ways, in the same way that business suits or uniforms can convey status, role or authority to-day, and set up social expectations of the ways in which people should interact. Like such uniforms, objects do not have inherent meanings, but through their use in specific contexts, those objects become imbued with significance in the eyes of those who use them, and those who watch them being used (Sørensen 1991, 121). The things that people use are the result of many separate choices, rather than being inevitable aspects of their society (their ‘culture’), although, of course, the range of artefacts which are available to choose from may be limited by a variety of factors such as production, trade and cost.

Attention to the contexts in which imported artefacts were used have thrown up some interesting patterns. Brugmann (1999, 38) has shown how it is pottery, brooches, bracteates and Jutish-Kentish square-headed brooches which provide the main links between Kent and Jutland in the early phase of cemetery use, yet she points out many instances of unorthodox use of these artefacts, and the very limited selection of continental artefacts which are employed in Anglo-Saxon fashions at this time. In previous interpretations, the very presence of these imported artefacts would have been enough to infer

It is in this context that we need to view the artefacts found through excavation of Anglo-Saxon cemeteries, rather than seeing them as direct indicators of population movement. There is a further complicating factor too, in that, when we deal with 162

Sam Lucy

the burial of immigrants. However, such detailed analyses show that something more complex was going on: the deliberate selection of artefacts from a range of available material, and their deliberate inclusion within burials as an integral part of localised burial rites.

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Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen

Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen Jan Klápště, Karlsuniversität Prag Dem Andenken an Professor František Graus (1921-1989).

1. Die Verführungen durch die neuzeitliche Nationalidentität

trum des heutigen Prag zu begeben und den Blick auf die Details des Reiterstandbilds des heiligen Wenzel von J. V. Myslbek auf dem Wenzelsplatz zu richten (Abb. 1).

Die national orientierte tschechische Archäologie hatte es ziemlich schwer. Des lebendigsten öffentlichen Interesses konnte sie sich in ihren Anfängen im romantischen 19. Jahrhundert erfreuen. Damals bot sie greifbare Requisiten für die Träume vom Heldenzeitalter der alten Tschechen. Archäologische Funde waren nicht nur der Stolz der Museen, sondern nahmen auch Einfluß auf die Werke der darstellenden Kunst. Es genügt, sich in das Zen-

Abb. 1. Josef Václav Myslbek: Heiliger Wenzel auf dem Wenzelsplatz in Prag (1887-1904, installiert 1912-1913). Als Vorlage der Rüstung wurden verschiedene frühmittelalterliche Artefakte benutzt, vor allem der sog. St. Wenzelshelm und ein Steigbügel aus Zbečno.

Auf die bildende Kunst berufe ich mich nicht zufällig, denn gerade sie zeichnet ein empfindsames und dabei allgemein aussagekräftiges Bild des geistesgeschichtlichen Bewußtseins. Zwei Kunstwerke aus dem 19. Jahrhundert liefern Beispiele für den Umgang mit archäologischen Artefakten. J. Mánes schuf die Illustrationen zu romantischen Handschriftenfälschungen (vgl. Matějček 1925) angeblich altertümlicher tschechischer Literaturdenkmäler von dem Anfang des 19. Jahrhunderts, die zu der „vaste symphonie de fraude“ gehören, die M. Bloch (1974, 86) zufolge in weiten Teilen des damaligen Europas ertönte. Den Kern dieser Handschriften bildet das Bild der alten Tschechen, die im Kampf mit den Unterdrückung und Gewalt bringenden Eindringlingen ihre Freiheit verteidigen. Ihrer primitiven, aber gesunden Kraft standen technischer Überlegenheit, verbunden mit Hinterlist gegenüber. Deshalb sehen wir z. B. in der 1858 von J. Mánes gezeichneten Illustration „Plündern-

Abb. 2 Der sog. St. Wenzelshelm aus dem Schatz des St. Veitsdoms (vgl. Merhautová 1992) und der Steigbügel, der als ein Einzelfund bei Zbečno in Mittelböhmen gefunden wurde (vgl. Košnar 1982). 166

Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld Jan Klápště verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen

de Fremde“ (Abb. 3) in den Händen der Tschechen Bronzeschwerter, während die Eindringlinge mit gotischen Waffen kämpfen. Die Zeichnung Mythos von M. Aleš ist 1878 entstanden (Abb. 4). Die im unteren Teil des Bildes aufgehäuften Artefakte aus der Zeit vom Neolithikum bis zur Bronzezeit sollen die “freien“ Epochen der nationalen Vergangenheit darstellen. Am Horizont rauchen die Ruinen von Burgen, was an die schicksalsschwere mittelalterliche Geschichte erinnern soll, deren unliebsames Erbe der neuzeitliche Aufstieg der tschechischen Nation wird sicher überwinden können.

Auch die weitere Entfaltung der archäologischen Wissenschaft in Böhmen vollzog sich vor allem als Erforschung der Anfänge der Nation. So läßt sich z. B. die Behauptung der Slavinität der bronzezeitlichen Urnenfelder schon vom Ende des 18. Jahrhunderts an verfolgen. Nachdem dieser Entwurf an der Wende zum 20. Jahrhundert in der Auffassung J. L. Píčs eine festere Gestalt angenommen hatte, überlebte er in verschiedenen Varianten ungefähr zwei Generationen (als eines der letzten Beispiele s. Filip 1946). Eine Bilanz der entsprechenden Literatur zeigt, daß derartige Überlegungen eher mit „der Suche nach den Anfängen“ zusammenhingen als mit einem primär nationalistisch orientierten Bemühen, die Geschichte des eigenen Volkes auf schriftlose Zeiten auszudehnen und damit das nationale Selbstbewußtsein zu stärken oder sogar nationalistische Ansprüche zu begründen. Die Ausgangsfrage hat nie den Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion verlassen, in der neben Ansichten über den urslawischen Charakter der bronzezeitlichen Lausitzer Kultur auch äußerst kritische und dabei autoritative Stimmen laut wurden (z. B. Niederle 1914). Zudem sei betont, daß diese Diskussion in der breiteren Öffentlichkeit so gut wie keinen Anklang gefunden hat.

Die beiden zitierten Werke gründen sich auf eine Vorstellung, die das Konzept der neuzeitlichen Nation weitgehend auf die mittelalterliche Geschichte übertrug. Es wurden hier zwei sehr gegensätzlich interpretierte Etappen unterschieden: Die ursprüngliche Demokratie der alten Tschechen endete mit der Einwanderung der Deutschen im 13. Jahrhundert, welche die ‘deutsche Feudalordnung’ durchsetzten. Wissenschaftlich untermauert wurde diese Auffassung in dem Werk František Palackýs (1798-1876), dem „Vater der Nation“ und Begründer der modernen tschechischen Geschichtsschreibung. Wir haben gesehen, wie noch in den 50er bis 70er Jahren des 19. Jahrhunderts ‘wehrlose’ archäologische Quellen in den freizügigen Träumen vom Leben der Urväter genutzt wurden.

Abb. 3. Josef Mánes: Plündernde Fremde (1858).

Worin lagen nun die Ursachen für das weitgehende Desinteresse der Nation an der Slavinität der Urnenfelderkultur? Die tschechische Geschichts-

Abb. 4. Mikoláš Aleš: Mythos (1878). 167

Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen Jan Klápště

schreibung, die sich einer beträchtlichen nationalen Hochachtung erfreute, löste die Frage der Anfänge der Slawen in den böhmischen Ländern auf ganz andere Weise. Sie zog die relativ späte Ankunft der Slawen nie in Zweifel. František Palacký brachte die Anfänge der Slawen in Böhmen zeitlich mit der Wanderung der Hunnen in der Mitte des 5. Jahrhunderts in Verbindung. Die Historiker und ihre breite Lesergemeinde waren zudem betreffs der wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten der Archäologie lange äußerst skeptisch. Für den überwiegende Teil der Einwohner Böhmens im 19. Jahrhundert lag der Ursprung der Nation, genauso wie heute, in der Ankunft des ‘Urvaters’ Bohemus mit den alten Tschechen. Diese Geschichte, die zuerst in der Chronik des Prager Domdechanten Kosmas (†1125) überliefert ist, war (und ist es auch noch heute) im Bewußtsein einer langen Reihe von Generationen fest verankert. In der nationalen Argumentation waren alle angedeuteten Unterschiede in den Ansichten über die Anfänge der slawischen Besiedlung der böhmischen Länder gänzlich nebensächlich. Wichtig war allein, daß die Tschechen vor den Deutschen in Böhmen gewesen waren, d.h., daß sie vor den deutschen Kolonisten des 13. Jahrhunderts angekommen waren. Mit diesem Grundsatz begründete die tschechische Seite oft die Grundsätze der neuzeitlichen Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen. Die Tschechen waren Einheimische, während sich die Deutschen wie höfliche Gäste zu benehmen hatten. Die Überzeugung, ‘Erstgeborener’ zu sein, bedurfte keiner weiteren, z. B. archäologischen Untermauerung. Eben deshalb stießen vielleicht die Überlegungen von der Slavinität der Lausitzer Kultur in der Öffentlichkeit auf keinen fruchtbaren Boden. Als Bertold Bretholz (ein deutscher Geschichtsschreiber aus Mähren) in den ersten Jahren des Bestehens der Tschechoslowakei seineAntikolonisations-Theorie (sog. Anti-Palacký) vorstellte, die das späte Auftreten der Deutschen in Böhmen in Frage stellte und eine örtliche Kontinuität von den alten Germanen zu den böhmischen Deutschen des 13. Jahrhunderts behauptete, war dies Anlaß zu einer bewegten Diskussion (vgl. Leśniewska 1998; Žemlička 1999). Der Meinungsaustausch dauerte Jahre, und es waren sowohl tschechische als auch deutsche Historiker beteiligt. Dagegen gibt es keine Stellungnahmen von Archäologen. Auch diese Tatsache zeugt von der damaligen Orientierung der tschechischen Archäologie.

Es sei jedoch betont, daß das systematische archäologische Interesse noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zeitlich vor dem Beginn des 13. Jahrhunderts halt machte. Das jüngere Mittelalter wurde durchweg als eine durch die Schriftquellen ausreichend dokumentierte Etappe angesehen, deren Aussagen von der Archäologie kaum bereichert werden konnten. Die Archäologie des Frühmittelalters wurde dabei als ‘slawische Archäologie’ bezeichnet. Diese Definition enthält in ihrem idealen Anspruch eine besonders wichtige Botschaft, sie operiert nämlich mit der Vorstellung von der Einheit der slawischen Kultur. Noch in den Ausführungen J. Eisners (1961) tritt die archäologisch erforschte Kultur der alten Slawen als eigenständige, vom benachbarten Kulturraum verschiedene Einheit auf. Im Prinzip bahnte diese Auffassung den Weg zu panslawistischen Ideen mit einer eigenen politischer Dimension. Dieser allgemeinen Möglichkeit können wir auch eine konkrete gesellschaftliche Situation und konkrete Persönlichkeiten zuordnen. Mittel- und Osteuropa standen im ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts trotz aller dramatischen Umbrüche der Expansion des pan-slawistischen Gedankens nicht offen. Für das tschechische Fallbeispiel dürfte genügen, wenn wir uns das Werk der beiden Hauptprotagonisten der slawischen Archäologie, L. Niederle (1865-1944) und J. Eisner (1885-1967), in Erinnerung rufen. Wollen wir aus heutiger Sicht eine flüchtige Bilanz wagen, so müssen wir in erster Linie betonen, daß der Beitrag dieser Forscher zu allen folgenden und wie auch immer aufgefaßten Mittelalterarchäologien außerordentlich anspruchsvoll war. Mit der “Welt der alten Slawen” als dem ausschließlichen Rahmen unserer Erkenntnis werden wir aber kaum mehr arbeiten können. Das Konzept der Einheit der slawischen Kultur, das u.a. den Vergleich und die freie Verbindung einzelner Erscheinungen aus verschiedenen Teilen der (vor allem sprachlich abgegrenzten) slawischen Welt erlaubte, ist heute längst nicht mehr lebendig. Wenn der Rahmen der heutigen böhmischen Mittelalterarchäologie definiert wird, so geschieht dies vor allem unter Betonung der natürlichen mitteleuropäischen Zusammenhänge. Die Bilanz des Anteils der tschechischen Archäologie bei der Konstruktion der nationalen Identität fällt also bescheiden aus. Aus heutiger Sicht ist die Auffassung der Nation als einer variablen historischen Kategorie einer der wertvollsten Beiträgen der tschechischen Geschichtsforschung (z.B. Graus 1980; Hroch 1985; 1996). Grundsätzlich verhindert ein solches Konzept eine einfache Gleichsetzung der neuzeitlichen Gesellschaft mit der fernen Ver-

168

Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld Jan Klápště verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen

gangenheit, welche gewönlich die Grundlage des Mißbrauchs der Geschichte bildet.

2. Das erste Forschungsthema: Slawen versus Germanen

Die vorhergehende allgemeine Stellungnahme will nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch in tschechischen Kreisen eine ganze Reihe archäologischer Äußerungen einer gründlichen Aufarbeitung bedürfen. Wir erlauben uns, zu dieser Kategorie auch die Auffassung zu rechnen, nach der in den Diskussionen um die aktuelle Unterscheidung zwischen ‘West-’ und ‘ Osteuropa’ Entsprechungen in den Entwicklungen urgeschichtlicher Kulturen in den böhmischen Ländern, Deutschland und Skandinavien eine Rolle spielen sollen (Neustupný 1993a, 130). Dem Geschichtsbewußtsein der heutigen Gesellschaft kommt dabei zweifellos eine bestimmte Bedeutung zu, es bleibt aber fraglich, ob wir uns dabei auf die urgeschichtliche Situation berufen können und sollen. Zu der von E. (Neustupný aufgestellten Gliederung des europäischen Kontinents ließen sich zahlreiche Parallelen finden. Ein ganz extremes Beispiel bietet die Karte der Verbreitung des westlichen (Erinaceus europaeus) und des östlichen Igels (Erinaceus concolor), auf der Böhmen und Mähren gerade an der Grenze zwischen den beiden Arten liegen. Es gibt nur einen wesentlichen Interpretationsunterschied: Mit ‘unseren’ urgeschichtlichen Kulturen sollten wir uns in irgendeiner Weise identifizieren und ihre Existenz in unser heutiges Geschichtsbewußtsein eingliedern. Diese Vorgehensweise ist jedoch kaum zu empfehlen.

Im aktuellen Spannungsfeld des Selbstverständnisses der böhmischen Mittelalterarchäologie dominieren drei Problemkreise. Der erste betrifft die Beziehung zwischen der ältesten slawischen und der früheren Bevölkerung, dem „Substrat“. Ausgangspunkt sind die archäologischen Fundkarten. Das Verzeichnis der ältesten slawischen Siedlungsbelege aus dem 6. bis 7. Jahrhundert in Böhmen zählt heute etwa hundert Fundorte, die eigentlich auf einen kleinen Landesteil begrenzt sind (vgl. Zeman 1976). Bestimmt spielt hier auch die sicher unvollständige Kenntnis der tatsächlichen historischen Situation eine Rolle, das kann aber nicht der einzige Grund sein. Die Fundkarten der einzelnen Horizonte der frühmittelalterlichen Besiedlung bilden nämlich eine Folge, von der langfristigen Ausdehnung des Siedlungsareals zeugt (in einer Skizze Sláma 1967). Diese Expansion folgte gleichzeitig auch der naturräumlichen Gliederung der böhmischen Landschaft und erfaßte erst schrittweise nach und nach Gebiete mit schlechteren natürlichen Voraussetzungen. So hat es wohl den Anschein, als seien prinzipielle Widersprüche zwischen den groben Umrissen der archäologischen Karte der Besiedlung im 6. bis 7. Jahrhundert und der historischen Realität nicht zu erwarten. Die Auswertung der erwähnten Fundsituationen ist von grundsätzlicher Bedeutung nicht nur für das Verständnis eines historischen Kapitels an sich, sondern ist auch Bestandteil der Diskussion um das Erbe des (keltischen und germanischen) ‘Substrats’ in den folgenden Abschnitten der Geschichte Böhmens. Auch in dieser Hinsicht hatte die Archäologie den Weg der Desillusionen beschritten und die noch vor einigen Jahren geäußerten, zu stark vereinfachten Interpretationen des Kontakts zwischen verschiedenen Ethnika gerieten in Vergessenheit. Als Schlüsselmoment blieben gerade noch die archäologischen Fundkarten, die wir als das sprichwörtliche ‘Nadelöhr’ ansehen, durch welches das erwogene Substrat-Erbe so oder so gezwängt werden mußte. Für uns ist die Überlagerung der germanischen und frühslawischen Siedlungsareale (Zeman 1976, Karte 6 und 7), die eine Vorstellung von der kontinuierlichen Nutzung einiger bestimmter Siedlungsräume zu vermitteln scheint, ein Indikator von grundsätzlicherer Bedeutung.

Die Ergebnisse der ‘grauen Wissenschaft’ können jedoch offensichtlich den „nationalen und politischen Opportunismus“, dessen verschiedene Erscheinungsformen die Archäologie wohl immer begleiten werden, nicht vollständig unterdrücken. Die archäologischen Ausgrabungen großmährischer Fundstätten sollten das Leben der gemeinsamen Vorfahren der Tschechen und Slowaken, der beiden Völker der sozialistischen Tschechoslowakei, beleuchtet. Vor kurzem war zu lesen, daß die Franken, die ‘Wegbereiter Europas’, „einen einheitlichen Wirtschaftsraum“ gebildet hätten, u.a. „ohne die regionalen Unterschiede einzuebnen“ (Kohl 1996). Ähnliche Behauptungen, manchmal von den Ergebnissen der eigenen wissenschaftlichen Arbeit gleich wieder in Frage gestellt, lassen sich wohl einfach begründen. Sie sind durchweg von dem Bemühen begleitet, Unterstützung für die archäologische Tätigkeit zu gewinnen, deren Betrieb im Maßstab der Geisteswissenschaften außerordentlich aufwendig ist.

An der Diskussion über das ‘Substrat-Erbe’ beteiligen sich auch in Böhmen die Sprachwissenschaftler, die besonders bei den Hydronymen eine vor169

Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld Jan Klápště verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen

slawische Gruppe ausgliedern. Mit dieser Gruppe hängt jedoch ein Problem zusammen, das bisher noch nicht zufriedenstellend gelöst wurde. Einige der besagten Namen finden sich weit außerhalb des archäologisch belegten slawischen Siedlungsgebietes. Auch wenn wir natürlich nicht die archäologische Fundkarte mit der historischen Realität gleichsetzen können und der Vorstellung einer scharfen und undurchdringlichen Grenze zwischen ‘Kulturlandschaft’ und ‘Naturlandschaft’ bestimmt keinen Platz einräumen wollen, so bereitet diese Erscheinung doch wesentliche Schwierigkeiten. Jedenfalls ruft die methodisch sehr komplizierte Frage der böhmischen Substratnamen nach einer weiteren kritischen Würdigung (vgl. z. B. Donat/ Fischer 1994).

schieden im regionalen Brauchtum bei der Darstellung von Wassermännern heran. In der böhmischen Archäologie leitete er so die Untersuchung der tschechischen Stämme ein, die 70 Jahre später in einer Monographie R. Tureks gipfeln sollte (1957). Heute ist es sinnlos, die Geschichte dieser Gebilde zu analysieren. Die allgemeine Fehlerhaftigkeit dieser Vorstellungen von den böhmischen frühmittelalterlichen Stämmen wurde besonders nach der Ausgabe des monumentalen Buches von R. Wenskus (1961; vgl. 1967) offensichtlich, aber schon die Rezensionen von R. Tureks Auffassung wiesen auf die unangemessene Argumentation hin (sehr kritisch H. Preidel 1957). Ein wissenschaftlicher Schlußstrich hinter die ‘böhmische Stammestheorie’ wurde erst in den 80er Jahren gezogen. Vorbote dieser Etappe war das Buch von F. Graus (1980), eine von Grund auf neue historische Auffassung des Problems hat jedoch erst D. Třeštík (1988) vorgestellt. Von einem definitiven Ende kann allerdings noch lange nicht die Rede sein, aus unerklärlichen Gründen treibt sie immer und immer wieder in einigen Schulbüchern ihr Unwesen.

Auf die Problematik der Kontakte der ältesten Slawen zur ‘Substrat’-Besiedlung in Böhmen kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Es sei nur auf die heutigen gesellschaftlichen Zusammenhänge hingewiesen: Die angedeuteten Fragen pflegen die Arbeitsräume der Wissenschaftler nicht zu verlassen und sind für die Öffentlichkeit kaum von Interesse. Gleichzeitig verläuft auch in der Tschechischen Republik eine Welle der ‘Keltomanie’ und sogar einige im übrigen ernst zu nehmende Intellektuelle sprechen sich heute für einen eher keltischen als slawischen Ursprung der heutigen Tschechen aus. Während sich die Wissenschaft in ihrer eigenen Welt eingerichtet hat, können dem Wir-Gefühl keine Grenzen vorgeschrieben werden.

In der Archäologie genauso wie in der böhmischen Mediävistik herrscht heute die Vorstellung von einem großen Stamm der Tschechen vor, der das böhmische Becken bewohnte. Im Rahmen dieses einzigen Stammes, dessen Existenz aus den Schriftquellen hervorgeht, ist seit dem 8. Jahrhundert der Aufstieg von Elite-Gruppen zu beobachten. Zunächst sind sie an mehreren Stellen des Landes im archäologischen Material belegt, um bald darauf unter der Bezeichnung duces usw. Eingang in die Schriftquellen zu finden (Žemlička 1989). Das Spannungsfeld zwischen diesen duces (und den dazugehörigen sozialen Segmenten) können wir im Sinne der peer polity zu den wichtigen Treibkräften der damaligen Gesellschaft rechnen. Jedenfalls finden wir aber keinerlei Spuren einer inneren Landesgliederung in fester umgrenzte Bereiche.

3. Das zweite Forschungsthema: Einheit und Gliederung des frühmittelalterlichen Böhmens Zu den bemerkenswerten Aspekten der Geschichte der böhmischen Archäologie gehört die beschwerliche Suche nach dem Verhältnis zwischen Einheit und innerer Gliederung des frühmittelalterlichen Böhmens. Die Forschungsgeschichte begann im Jahr 1888, als J. L. Píč, einer der Begründer der tschechischen Archäologie, seine regionale Studie um eine Überlegung zu den frühmittelalterlichen Stammesgrenzen im besagten Gebiet bereicherte (Píč 1888). Er schloß sich dabei den Auffassungen einiger Historiker über die Existenz verschiedener Stämme bei den Tschechen an und sammelte dafür vielfältige Argumente. Er ging vom frühmittelalterlichen Burgen-Netz aus, schöpfte aus der Geschichte der Kirchenverwaltung, der Dialektologie und der Folklore, bemerkte physische Unterschiede in der zeitgenössischen Bevölkerung sowie in der Dekorationsweise der Häuser und zog auch Unter-

Unter den archäologischen Quellen nimmt die Keramik eine besondere Stellung ein. Aus der Sicht der ‘lebenden Kultur’ handelt es sich um einen recht kuriosen Zeugen der Vergangenheit, der auf seine Weise jedoch z. B. eben von der Einheit und Gliederung des frühmittelalterlichen Böhmen ein schillerndes Zeugnis ablegt. Wir nehmen uns die Freiheit, die Bewertung und schrittweise Erkenntnis der Differenzierung der regionalen Töpfertraditionen als eines der wichtigsten aktuellen archäologischen Ergebnisse zu bezeichnen. Der Beginn 170

Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld Jan Klápště verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen

Abb. 5. Zwei regionale mittelböhmische Töpfertraditionen - die “westmittelböhmische” (A) und “ostmittelböhmische” (B) frühmittelalterliche Sequenz im Vergleich. Nach Šolle (1979). dieser Erscheinung, die offensichtlich mit den Anfängen der spezialisierten Töpferproduktion zusammenhängt, datiert in das 9. Jahrhundert. Von den bemerkenswerten Tatsachen, die aus der schrittweise zusammengestellten Karte der regionalen Töpfertraditionen hervorgehen, will ich einen einzigen Punkt erwähnen. Das Zentrum Böhmens, das Prager Becken, lag an der Grenze von zwei recht verschiedenartigen und langen Produktionstraditionen (Abb. 5). Diese Erscheinung, deren Ursachen wir nicht kennen, scheint in keinem Wechselverhältnis zu irgendeinem anderen sozialen Faktum zu stehen.

4. Das dritte Forschungsthema: Tschechen versus Deutsche Aus der schon veröffentlichten Bewertung der Anfänge der sog. Kolonisationskeramik des 13. Jahrhunderts (Klápště 1998) wollen wir nur zwei Thesen hervorheben. Zu Beginn der Keramikentwicklung des jüngeren Mittelalters in Böhmen waren ethnische Unterschiede nicht ausschlaggebend. Entscheidende Bedeutung kam der vermittelnden Rolle des städtischen Marktes zu, der die betreffende Region ohne Rücksicht auf innere ethnische Unterschiede versorgte.

Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zu ketzerischen Überlegungen. Als Archäologen setzen wir normalerweise eine prinzipielle Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Niveaus der gesellschaftlichen Realität voraus. Eine relativ gut bekannte Erscheinung (z. B. gerade die Regionalisierung der Keramikproduktion) wird dann oft zum Ausgangspunkt für die Erkenntnis des Ganzen. Würden wir die Kraft finden, diese Vorstellung in Zweifel zu ziehen, so könnte ein ausschlaggebender Teil des archäologischen Denkens zum Einsturz gebracht werden.

Im Zusammenhang mit dem der Keramikentwicklung des jüngeren Mittelalters in Böhmen änderten sich die Fundkarten der regionalen Keramikproduktion. Einige dieser Verteilungen überschritten die Grenzen der böhmischen Länder, scheinbar ohne auf Hindernisse zu stoßen. Nordwestböhmen unterhielt enge Beziehungen mit Sachsen, Südböhmen mit dem Donauland. Die Integrität Böhmens, des böhmischen Staates usw. wurde dadurch nicht in Frage gestellt und war zudem durch die einzigartige geographische Abgeschlossenheit des 171

Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen

böhmischen Beckens gestärkt. Dieser wie auch immer geartete feste Rahmen war durch eine auffallende Divergenz mit den Nachbarländern verbunden.

telalterliche Kultur als kompliziertes, einzelne gleichartige und unterschiedliche Teile des Subsystems vereinendes dynamisches Prinzip auf (allgemein vgl. z.B. Shennan 1989; Brather 2000). Die Ursache für die Grenzen der archäologischen Aussagefähigkeit würde dann nicht auf der Natur der archäologischen Erkenntnismöglichkeiten, sondern auf der Natur des Gegenstandes selbst beruhen. Wenn wir in den besagten Fällen daran zweifeln, daß die archäologische Methode im Prinzip im Stande ist, „to restore the essential knowledge about the past“ (Neustupný 1993b, 156), bleibt als letzte Frage: Gilt dieser Schluß nur für die ‘spezifisch’ mittelalterliche (jedoch anhand der Aussage anderer Quellenarten kontrollierbare) Situation oder berühren wir hier ein allgemeingültiges Problem? - Ich persönlich bin von der zweiten Möglichkeit überzeugt.

All diese Kontraste verleiten zu weiteren ketzerischen Überlegungen. Eine Bewertung allein der archäologischen ‘Sachkultur’ hätte uns zumindest in diesem Fall nicht zur richtigen Bewertung der tatsächlichen historischen Situation geführt. - Nur am Rande können wir daran erinnern, daß die von der Archäologie des Mittelalters und der Urgeschichte festgestellten grenzüberschreitenden böhmisch-sächsischen Kontakte Bestandteil der Versuche waren, die Gebietsansprüche des nationalsozialistischen Deutschland zu begründen (Radig 1936; vgl. Sommer 2000, 136). Die Absurdität solcher Konstrukte entzieht sich den Möglichkeiten der Diskussion. 5. Schluß

Bibliographie

Im Spannungsfeld der verschiedenen archäologischen Identitäten haben wir im Prinzip zwei Problemkreise angeschnitten. Während sich der erste bereits mehr oder weniger zu einem Gegenstand der Forschungsgeschichte entwickelt hat, steht beim zweiten eine zufriedenstellende Lösung noch aus.

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Erstens: Sowohl die tschechische Geschichtsschreibung als auch die tschechische Archäologie betonen, daß die mittelalterliche Vergangenheit nicht als lebendiger Bestandteil unserer eigenen Identität verstanden werden kann. Eine Schlüsselstellung nimmt dabei die Kritik an der Vorstellung von ‘Nation’ als einer konstanten und uralten Kategorie ein. Es gibt in diesem Zusammenhang zwar zwar extreme Äußerungen, die sich auf archäologische Erkenntnisse berufen, sie werden aber kaum größeren Anklang finden.

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Zweitens: Einen weiteren Problemkreis bildet die räumliche Gruppierung der archäologischen ‘Sachkultur’. Wir haben nur zwei Beispiele für regionale Differenzierung der mittelalterlichen Töpferproduktion erwähnt. Beide widersetzen sich trotz ihrer Vielfalt der Vorstellung von einem abgeschlossenen, innerlich homogenen und einheitlich strukturierten kulturellen Ganzen. Wenn wir uns dieser Wertung anschließen, sagen wir gleichzeitig, daß sich aus den bereits erwähnten archäologischen Zeugnissen nicht einmal eine grobe Vorstellung des damaligen kulturellen Zustands geradlinig ableiten läßt. Auch in der extremen Teilansicht tritt die mit-

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Die Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld Jan Klápště verschiedener Identitäten: Das Fallbeispiel Böhmen

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174

Modern Serbian archaeology and the problem of ethnic identification Miloš Jevtić, Faculty of Philosophy, Belgrade

ing many years of the disintegration of the former, Second Yugoslavia. The reason for this, in my opinion, is simple: in the prevailing anti-intellectual climate under the Milosevič-regime, the representatives of the regime expressed the opinion that archaeology was unnecessary and should be abolished. In the last few years a substantial number of books on archaeological subjects have been published in Serbia that glorify the past in an absolutely unscientific and often vulgar way and that revise the history of the Serbian people. They belong to the pseudo-scientific genre and are not worthy of any serious discussion. Far more dangerous, even if they are small in number, are publications of some Serbian archaeologists who try to validate their hidden nationalism with a re-interpretation of archaeological data or of the written sources about the ethnic composition of the original inhabitants of the Balkans. But I will discuss this problem in the second part of my contribution.

When we were invited to participate in the Conference “ In search of identities: People – tribe – culture –“ethnos” at the University in Leipzig, we thought that it would be very useful to listen to the proposed lectures and possibly to take part in the discussion concerning certain themes. Naturally, we also pondered which topics from Serbian archaeology could be of interest for the meeting in Leipzig that had rather provocative requirements related to the investigation of ethnic identity based on archaeological data. In the course of archaeological investigations in recent years of the multilayered settlement Židovar near Vrsac (southern Banat) we have had to deal with with the problem of the ethnic identity of the inhabitants of the latest settlement horizons dating from the Late La Tène. Earlier investigators attributed these either to the Celts, that is, more precisely, the Eastern Celtic tribe of the Scordisci, or to the Dacians (Lazić 1997, Jevtić/Sladić 1999). One possible theme for investigation could be therefore be the use of archaeological data to establish the western border of the powerful Dacian state under the king Burebistas (middle of the 1st century BC), which extended over a considerable part of the territory of Scordisci, and the other the incidence of Celtic finds in the territories belonging to the Dacians. as well as the incidence of Celtic finds in the territories belonging to the Dacians. Having probably in mind the recent events in our country as well, our esteemed host Prof. S. Rieckhoff from the Department of History, University of Leipzig suggested that I should also say a few words about the treatment of ethnic questions in the contemporary Serbian archaeology in general. This presentation is not intended as an at-tempt to justify any of the misfortunes that happened to a considerable number of inhabitants of former Yugoslavia in the last ten years. I think first of all about the great ethnic movements in large areas of the Western and Central Balkans in which the former regime of S. Milosevič seems to have had a decisive role.

For the time being, the Belgrade archaeological school has been very cautious in relation to the complex question of the ethnic composition and identification of certain archaeological culture groups in the Central Balkans, that is, in the territory of modern Serbia. Although many works have been written about the Pre-Roman people of the Central Balkans, the prevailing opinion is that only experienced and mature scholars should attempt to answer questions of ethnogenesis and the identification of territorial borders of ethnic groups which are often closely related. This fact can be illustrated by the fact that in the last ten years only two doctoral dissertations have been published at our Faculty, both concerning the prehistoric cultures that have had the decisive role in the formation of the Triballi and the ethnogenesis of the Dardanians. In a thesis on the Basarabi culture in the Yugoslav Danube valley and North and East Serbia, the author dedicates only a couple of pages to a discussion of the Triballi as the possible bearers of this Early Iron Age culture (Jevtić 1992, 398-399). A similar case is the thesis about the Late Bronze

Serbian archaeology managed to overcome to a great extent the nationalist euphoria prevalent dur175

Modern Serbian archaeology and the problem of ethnic identification

Abb. 1. Central Balkan tribes in Pre-Roman times

Age cultural group of Donja Brnjica, which is most probably crucial for an improved comprehension of the ethnogenesis of the Dardanians. In that thesis ethnic questions are avoided to a considerable extent as well (Lazić 1996).

spiritual culture of the Late Iron Age in Serbia, the time from the advent of the Celts in the Balkans (end of 4th and beginning of 3rd century BC) till the Roman invasion and the arrival of Roman legions at the Danube at the end of 1st century BC and the beginning of the 1st century AD. Some more polemic tones were provoked by the question of the ethnic determination of the rich, so-called princely tombs dating from the end of 6th and the beginning of 5th century BC in the central Balkan area (Novi Pazar, Atenica, Pecka Banja, Pilatovici etc). That is approximately the time when classical

The traditional concept of an investigation of prehistoric cultures based mostly on the typology of archaeological finds and artifacts still predominates in Serbian archaeology. Ethnic questions are usually raised only in research into the protohistoric period, that is, in investigations of the material and 176

Miloš Jevtić

sources describe the large ethnic groups in the continental part of the Balkans, deep in the northern hinterland of the Greek koine. Among them, the Triballi are the first to be mentioned. The territory and boundaries of certain Central Balkan tribes in the Pre-Roman times, like the Triballi, Dardanians, Autariatae, Mysi and Scordisci are discussed in the comprehensive work of F. Papazoglu (1969, 1978) that is based on the detailed analysis of the classical sources. This study of F. Papazoglu, published about thirty years ago, has become the basis of all future discussions about the ethnic identification of archaeologically confirmed cultural groups in the territory of Serbia. Of other larger ethnic groups, it seems that only penetrations of Pannonian tribes to the south of the rivers Sava and Danube, in the zone between Macva in Serbia and Semberija in Bosnia can be confirmed archaeologically. The appearance of the so-called Thrako-Cimmerians and sparse Scythian finds did not change the ethnic picture of the Central Balkans.

When the thesis of the linguist Vl. Georgiev appeared in the 1960s, were he distinguished a DacoMysian language in the territory of the northern Thracians (the area to the North of the HemusBalkan mountains); the territories of the Triballi, Mysi and Dardanians were added to this group. Georgiev’s claims of a Daco-Mysian substratum in the central Balkans as well has gradually become generally accepted among archaeologists in Serbia. D. Srejović, in his work on the ethnogenesis of the Dardanians, proceeded from the Starčevo culture of Early and Middle Neolithic, exceptionally well represented in Kosovo (Rudnik etc.), to the Late Neolithic Vinča culture and the culture of the Early Bronze Age and followed the genesis of this people to the Donja Brnjica group and the Late Hallstatt necropolis in Karagac near Pristina (Srejović 1973). In many publications, M. Garašanin has discussed the genesis and formation of certain Central Balkan tribes on a Daco-Mysian basis. The same author distinguishes wider cultural complexes in the earlier prehistoric periods of the Central Balkans, like the Balkan-Anatolian complex of the Early and Late Neolithic, or the Danube-Balkan complex of the Early Bronze Age that both differ from similar cultural circles in the territory of the western and eastern Balkan.

Although the existence of the above-mentioned tribes of the Central Balkans that are considered to be closely related to the Paeonians in the upper and middle Vardar valley in Macedonia (Mitrevski 1997, Petrova 1999) have not been disputed, their relations to the Illyric ethnos in the Western Balkans and to the Thracians in the Eastern Balkans remain controversal. A third large ethnic group consists of the Hellenic tribes south of the Balkans. They exercised a strong influence on the Paeonians, Brygi, Macedonians and many of the smaller tribes recorded in the North of Macedonia (Petrova 1996, Mitrevski 1997).

The thesis of Georgiev contributed to a reduction of the Thracian territory that had previously been overestimated (even up to Slovakia) and provided a help to distinguish between southern Thracian tribes (already confirmed in the sources) and North-Thracians, which comprised of the Getae, Mysi, Dacians and probably the Triballi and Dardanians. When comparing many Bronze and Iron Age cultures from the south Carpathians and the Lower Danube valley with the contemporaneous cultures of the Yugoslav Danube valley and the northern areas of the Central Balkans, we notice an exceptional affinity, which can not be explained as a result of cultural influence only, but, first of all, as a result of an identical genetic basis.

A large body of literature exists about the Illyrians and Thracians (cf. some volumes of the Bibliographia Illyrica by A. Stipcevic and of the Bibliographia Tracica (for the most recent volume see Boshnakov et al. 1999) and it is concerned with the written classical sources, linguistic and archaeological data. In the most of these works the border between Illyrian and Thracian tribes is located in the Morava-Vardar valley and thus certain Central Balkan tribes are attributed to one or the other ethnic group. The Autariatae, who are identified as the bearers of the Glasinac culture in eastern Bosnia and SW Serbia are closer to the Illyric ethnos while the Triballi, probably the bearers of the Basarabi culture in the area between the Morava and the Isker in Bulgaria are closer to the Thracian group of tribes. The Dardanians, situated in Kosovo and the south Morava valley are most often identified as independent ethnic group in the sources.

The long predominance of pan-Illyrian theories left a trail in archaeology. Until very recent times regions very far from the Illyrian territories like, for instance, the southeastern Alpine Hallstatt area and the Iron Age barrows in southwestern Oltenia have been claimed as Illyrian territories or explained as the result of a penetration of small Illyrian enclaves. The Symposium sur la delimitation territorial et chronologique des Illyriens a l’epoque préhistorique in Sarajevo in 1964 was the turning point in the investigation of the Illyrian ethnic 177

Modern Serbian archaeology and the problem of ethnic identification

group. Here, finally, the ethnic concept of Illyrians, which most probably originated from a small south Illyrian tribe Illyri proprie dicti (Pliny the elder, III, 144; Katičić 1964; Suić 1976) has been separated from the administrative concept of Illyricum of Roman times. The central Illyrian territory has to be understood first of all as the territory of the Illyrian state (Papazoglu 1967).

The most serious restriction in the discussion of the ethnogenesis of certain Paleobalkanic people during the long-lasting period of pre- and protohistory lies in unprovable cultural and chronological continuity and insufficiently explored archaeological groups in certain territories. In contrast to some of our neighbours who in romantic enthusiasm try to prove an autochthonism of modern populations since ancient, even Pre-Roman times, our archaeology has no such problems, as the South Slavs and sometime later the Serbs arrived in the Balkans rather late. There are only rare attempts to modify historical facts according to the archaeological data and to propose the arrival of the South Slavs in the 4th or even the second half of the 3rd century. This results in works were Late Roman material, belonging to certain barbarian people like the Sarmathians for instance, is partially attributed to the Slavs. Our colleague Dj. Jankovic, Assistant Professor for Medieval Archaeology in the Faculty of Philosophy in Belgrade, persistently looking for the early Slavic or Serbian culture in the western and northern parts of the Central Balkans discovered, in his view, a new type of Early Serbian monuments, the so-called Serbian gromila (Serbian stone tumulus) which are so distinct that they can be exclusively attributed to the Serbs. These are small circular stone constructions made of broken stone, usually only about 20 cm high. They do not contain any remains of cremation, and normally no archaeological finds at all (if there is any material, it most frequently consists of prehistoric or Late Roman pottery). According to the author, these constructions were used as a foundation for small wooden caskets placed on a stick that contained the cremated remains of the deceased. It was also suggested that genuine wooden houses had been built to store the cremated remains, but there are no material traces except some small pieces of burned wood. All this could have been interesting if the author had not concluded:

Our colleagues from Albania tenaciously insist on the administrative concept of Illyricum which covers territories from Epirus to Istra, includes the territories of the Veneti and reaches from the Adriatic to Western Morava in Serbia. Naturally, the problem of Kosovo and the ethnic character of the Dardanians are also the focus of interest for Albanian scholars. Even though certain archaeologists from Kosovo, like E. Shukriu-Hotti (1979), professor at the University in Pristina, notice the differences between the Early Iron Age culture in the Metohia plain and other areas of Kosovo, the Dardanians are identified as Illyrians. However, based on the written sources, F. Papazoglu (1988) distinguished the Dardanian kingdom from the Illyrian state. At some time in the 7th and 6th centuries BC Metohia, together with Pester, the southwest part of Serbia and northern parts of Albania had been included in the large Glasinac complex, specified also as Glasinac-Mati. Archaeologically, this region is characterized by inhumations in small stone and earth barrows belonging to certain families or clans, while in the Kosovo territory cremation burials predominated from the Late Bronze Age till the end of the Early Iron Age, at first with urns and later without. The catalogue of the large exhibition The archaeological treasures of Kosovo and Metohia (published in the beginning of 1999) is an example of the excellent collaboration between associates of the Museum of Kosovo in Pristina and scholars of the Institute of Balkanology and the Faculty of Philosophy in Belgrade.

"The Gromile in a simple and obvious way mark the boundaries of the Serbian ethnic territory in the early medieval period" (Jankovic 1998, 151).

Within the scope of a few smaller projects in Serbia that are investigating later prehistoric cultures (Bronze and Iron Age), special attention is paid to the so-called ‘contact zones’ situated between two or three larger ethnic groups. These investigations follow ethno-cultural movements, for example at Pester (the contact zone between the Dardanians and Autariatae) in northeastern Serbia that belonged to the Triballi or Mysi or in the Western Morava valley, where the border between Triballi and Dardanians is supposed to be located.

We have organized a discussion about this book, considering it particularly dangerous as the author is a lecturer at the University. There were strong negative reactions by colleagues. Fortunately, we can say that ‘one swallow does not make spring’ and that this book, published without

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Miloš Jevtić

relevant references is really an exception in the contemporary Serbian literature about ethnic questions.

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180

The Present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia Predrag Novaković, Dept. of Archaeology, University of Ljubljana

it may come as surprise that ethnic and religious clashes among the nations who formed Yugoslavia are of a rather late date; they started in the last decades of the 19th century, and reached their peaks during the Second World War and in the recent Yugoslav wars, that is, in the periods when the South Slavic nations achieved a certain level of autonomy or independence. Prior to this period there had been a long history of unrests and regional and local wars in which various South Slavic nations found themselves on opposing sides, but the political context was the 'high' politics of the major rulers in the region – Ottomans, Austrians, Hungarians and Venicians, and not regional ethnic history. Indeed, all these major powers exploited ethnic, linguistic, religious and cultural differences in the Balkans in order to secure their influence and their control.

Prologue: living and staying with ancestors From the weeks following the Dayton accord (December 1995) which imposed cease fire in Bosnia & Herzegovina, and the reunification of the city of Sarajevo, many people may have remembered a set of particularly shocking images of fleeing Sarajevo Serbs digging out the coffins of their dead and taking them away together with other personal valuables. The images conveyed very powerful message about the identity - the fleeing people ultimately renounced the place and time they had in lived for generations. Their statement was irrevocable – there was no way back after such an eradication of their presence. There is one simple reason why we have recalled these images; they picture 'Blut und Boden' ideology in full action, stripped of any masks and disguises. The message was far from being metaphorical only, indeed, it was very concrete and its language was completely understandable to all involved in the ethnic wars of the last decade in former Yugoslavia. The nationalist vocabulary, so abundant of terms like 'ancestors', 'bones', 'hearths', 'homes' and motherlands', made the gesture of the Sarajevo Serbs to appear perfectly 'normal' and 'logical'.

In both Yugoslavian states (the first from 1918-1941, and the second from 1941-1991) the national identity was one of the major issues in internal pol-icy, which required very careful consideration of interethnic, inter-confessional and inter-cultural balance – a task that has never been successfully accomplished, as we can say now. The formation of the national identities of the nations co-habiting in Yugoslavia were highly complex and depended on many factors of both internal and foreign policy. In addition to this, a socialist episode (1945-1991) also played an important role. These processes were not uniform, and they varied considerably from one nation to another depending on political, historical and cultural contexts. Nevertheless, two structures – language and religion – played the key role in all cases, and had much stronger and more long-tem effects than the other factors usually involved in the creation of national identity (e.g. the idea of a common history, shared myths, common cultural traditions etc.). Indeed, the concept of a shared past developed cohesive force much later than the linguistic or religious factors, and was active only from the mid-19th century onward.

Archaeology in former Yugoslavia could neither avoid nationalism, nor the war. Many authors have dealt with the reasons for the collapse of Yugoslavia, searched for the historical roots of the inter-ethnic clashes or analyzed the recent changes from many different points of view, but very few (e.g. Slapšak 1993; Kaiser 1995) have observed and analyzed archaeology with reference to these changes, or with reference to the war (Chapman 1994). *** From the very beginning, the state of Yugoslavia was a mosaic of nations, religions, languages and different cultural traditions. However, although the history of the Balkans is frequently considered as abounding in ethnic, religious, and tribal tensions, 181

The Present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia

Though it is not our intention to discuss at length the reasons of the recent inter-ethnic wars in former Yugoslavia, we would like to point out one fact – the recent inter-ethnic wars do not originate from competing nations, but from competing nationalisms. The amount of bloodshed, cruelty, ethnic cleansing and some genuine forms of genocide cannot be ascribed to what one would call patriotism, but to the utmost aggressive nationalism and chauvinism that had no scruples to deploy any tool imaginable. What we have witnessed is a fetishisation of the nation, and this fetish justified all means. National identity became reified in territories, monuments, religions, symbols, particular words and in peoples, and its meaning became fixed in the 19th century concept of Volksgeist. This, in the context of an unstable multiethnic state inevitable lead to denying someone else's identity, past, culture, territory and, finally rejecting their presence as well. Battlegrounds were numerous, from real places, monuments and other tangible records of people to arenas where wars were fought with symbols, images and words. It turned out that the 'symbolic' battles were by no means benign; indeed, they catalysed a series of processes and events with severe material consequences.

further accelerated by a substantial economic and social crisis in the 1980s. With the 'socialist values and achievements' rapidly disappearing in the 1980s, the national principle quickly replaced the principle of a common political state. The events that followed are well known. After national referenda, Slovenia, Croatia, Macedonia and Bosnia & Herzegovina proclaimed their independence in 1991, while Serbia (together with Vojvodina and Kosovo) and Montenegro formed the Federal Republic of Yugoslavia. Of course, the territories of these states did not correspond to the ‘ethnic’ maps and, in particular, to the historical territories claimed. Nationalist projects of Greater Serbia and Greater Croatia re-emerged, together with ‘zombies’ (ustashas and chetnicks)1 from WW2, and they collided with actual borders. This pushed peoples in Croatia, Bosnia & Herzegovina and Serbia into inter-ethnic wars that lasted until 1995. Later, for similar reasons, Kosovo and Macedonia came to the front pages of the media. Changing identity The process of the dissolution of Yugoslavia can be witnessed in many fields, history and archaeology included. Growing nationalist ideologies required pasts and cultural traditions different from those in use during the 'Yugoslav and socialist' period. This included discovering, reviving and even inventing new national and cultural traditions. The recent Yugoslav past was questioned first, particularly the role of the Communist party and its national policy. In the beginning, the role of archaeology seemed to be considered less important for the construction of new national identities than historiography. The main reason for this lies in the fact that the end of the 1st millennium A. D is traditionally considered to be the chronological divide between the archaeological and historical periods of the national history. In this sense, only the arrival of Southern Slavs and their earliest settlement fall into the domain of archaeology. Nevertheless, the nationalist interests soon turned to more ‘distant’ times as well – the justification of ‘historical rights’ and ‘historical territories’ had more appeal and mobilizing powers with historical and archaeological arguments to put forward.

The wars, and the political, social and economic changes which accompanied the collapse of Yugoslavia brought to light such a number of different empirical evidences and experiences that it is impossible to encompass them all in one single theoretical framework of social and historical analysis. It is not by chance that we have begun our paper with a short episode describing attitudes towards ancestors. Our paper, too, is dealing in a certain sense with the 'shifting' of ancestors, in particular with their shifting place on geographical maps and on historical timelines. The history of European archaeology abounds in such cases, and archaeology in former Yugoslavia is by no means an exception. However, after WW2, under the socialist regime, a considerable level of inter-national balance was kept until Tito's death in 1980. After that, nobody was able to seize the same amount of power on the federal level, and power shifted from the federal bodies to the individual republics. This process was

1 Ustashas (ustaše), an extreme Croatian nationalist and pro-faschist movement established in the 1920s; during the WW2 the major armed force of the quisling ‘Independent State of Croatia’. Ustashas also ruled the concentration camps. Chetniks were their Serbian counterparts. Officially they officially fought for the re-establishment of the Kingdom of Yugoslavia, but in reality, they pursued a Serbian nationalist policy. Both formations sided with the Germans and Italians, and were responsible for the most severe atrocities and genocide during the WW2 in Yugoslavia.

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Predrag Novaković

The disputes about ethnogenesis and national history were not limited to the academic sphere. In fact, highly politicized disputes about these issues evolved in the lay sphere and influenced politics. The disputes were particularly heated when the medieval past was discussed. It was the pre-Ottoman period (pre-Charlemagne in the case of the Slovenes, and pre-Hungarian for the Croats) that was looked for as a model for modern statehood and the foundations of ethnic territories. Needles to say, such an instrumentalisation of the past ignored many scientific standards. The numbers of false theories and bad science grew, and the national regimes in the newly formed states coquetted intensely with them in their quest for new traditions. Furthermore, in the conditions of war, many of the claims were put into action. In order to secure ‘our’ past, the past of the ‘others’ was attacked. It is no surprise that churches, mosques, and other cultural monuments, graveyards and other reminders of the ‘alien’, were among the structures most frequently purposefully destroyed.

on some of the phenomena that were common to most of the nations and which best illustrate how archaeology and history became involved in the nationalist discourse in the last two decades. In particular, we will deal with three phenomena: the mass appearance of the autochthonist theories, the re-discovery of the Medieval period, and the growing influence of the Church. All of them heavily relied on language and religion – the two forces that had long-term effects in defining the national identity of the peoples living in Yugoslavia. Autochthonism The recent autochthonist theories are not new at all. Most of them were actually based on ideas proposed in the 19th century context of the struggle for national emancipation from the Ottoman and Austro-Hungarian empires. In the 19th century, the idea of Illyrian descendent became the strong point of the Illyrian movement3 in its endeavours to politically and culturally unite the Southern Slavs. However, in spite of its pan-Slavic orientation, the Illyrian project was met with suspicion in Slovenia and Serbia. The major national movements there advocated the concept of separate independent states. After 1848, the Illyrian movement disappeared from the political scene, while the autochthonist ideas remained in circulation; they faded away (but not completely) with the onset of scientific historiography and archaeology at the end of the 19th century, when the ‘migrationist’ theory of the origin of the Slavs became widely accepted.

The role of scholars and other intellectuals varied substantially. It is almost impossible to elaborate this issue without a careful consideration of the political context in the individual states. There were heated disputes between intellectuals from opposing countries engaged in war, and there were always critical voices which disagreed with the policy of their respective countries. However, it remains a fact that influential groups of historians, linguists, art historians, novelists, poets and artists found their ways into the new political elites and actively contributed to the production of aggressive national ideologies, and to the ‘hate speech’2.

In the 1980s, in the context of rising nationalism, theories about an autochthonous origin of the Slovenes re-emerged. A series of “forefathers” was proposed: Etruscans, Veneti, Urnfield Culture, etc. The Illyrians were not acceptable as ancestors because of their ‘Balkaneness’. The authors of these hypotheses were exclusively lay historians and linguists4. The basis for such authochthonist

The search for archaeological and historical elements in the changing national and cultural identity took many different forms among the individual nations and it is impossible to describe all the episodes and cases. For this reason we have focused

2 E.g. a quote from the circular e-mail letter to the scientists of the world written at the occasion of the clashes in Slovenia by P. Tanzig (Slovene Minister for Science and Technology in early 1990s, Green party member and distinguished computer scientist himself): “...the basic reason for all the past/present “mess” [in Yugoslavia] is the incompatibility of two main frames of reference/civilizations.... On one side, you have a typical violent and crooked oriental-bizantine [sic] heritage, best exemplified by Serbia and Montenegro.... On the other side (Slovenia, Croatia) there is a more humble and diligent western-catholic tradition.... Trying to keep Yugoslavia afloat ... is very bad geostrategical thinking, as independent (and westernized) Slovenia (and Croatia) could and would act as a “cordon sanitaire” against the eastern tide of chaos.” (Hayden 1993). In this context, we can also draw attention to F. Tuđman (President of Croatia, PhD in history), who stated that he is happy his wife is neither Serbian nor Jewish. 3 Political and cultural movement of the first half of the 19th century, which developed predominantly in Croatia. 4 A. Berlot and I. Rebec, So bili Etruščani Slovani (Were the Etruscans Slavs?), Koper 1984; J. Šavli and M. Bor, Unsere Vorfahren die Veneter, Klagenfurt 1988; I. Tomažić (ed.) Z Veneti v novi čas (With the Veneti towards New Times), Vienna 1990; I. Tomažić (ed.) Etruščani in Veneti (Etruscans and Veneti), Vienna 1995, etc. 183

The Present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia

theories was linguistic – in the early 80s, the poet M. Bor (member of the Slovene Academy of Arts and sciences) in a series of articles in Delo (a major daily newspaper in Slovenia) proposed the “decipherment” of Venetic inscriptions (2nd half of the 1st mill. B.C.) on the basis of the modern Slovenian language. These ideas seemed very appealing to some Slovenian nationalists, who used this idea to claim that the modern Slovenes are the descendants of truly European peoples and that the Slovene ethnogenesis had nothing to do with other Balkan Slavs or with Slavs whatsoever. In the disintegrating Yugoslavian state, these ideas additionally fuelled nationalist feelings – the ‘others’ (the Balkanic People, the Slavs) were seen as uncivilised newcomers who had destroyed the high culture and the Christianity of the ‘ancient’ Slovenes and separated them from ‘Europe’. One of the recent variants of the ‘Venetian’ theory was also used to demonstrate that the Slovenes, as one the oldest European nations, have a ‘natural’ right to become a member of the family of European nations (European Union)5.

edonians. V. Iljov (1997), architect, Director of the Cultural and Natural Heritage Protection Office at Skopje (sic!), considers symbols on Neolithic finds (7.000-6.000 B.C.) as the earliest proof of the Macedonian alphabet and language, and as such the basis for other Slavic languages as well. Similar ideas were advocated by D. Aleksovski and V. Stojčev, who see the earliest Macedonian language represented in the Neolithic rock art in Macedonia (Stojčev 2001). Traditionally, the most powerful idea is that the modern Macedonians are descendants of the ancient Macedonians. Indeed, the myth of Alexander the Great had an important cohesive effect in the formation of the modern Macedonian nation in the 19th century. The myth has been preserved in folklore and legends. It gradually faded away in the 20th century, particularly after WW II, when Macedonians were granted the status of a nation in the state of Yugoslavia. After the collapse of Yugoslavia, the Macedonians found themselves in a much more “open” space, enclosed by neighbours who threatened the existence of their state and their national identity. In the case of Slovenia we can speak of a moderate flirt with autochthonism by the government, but in Macedonia this was much more straightforward. The case of the national flag, bearing the so called Vergina Star (a symbol found on the supposed grave of the Philip II. of Macedon in Vergina, present day Greece) is the most notorious case. The name and the flag fuelled disputes with Greece, who accused Macedonia of stealing Greek national heritage and also of territorial aspirations8.

Professional archaeologists in Slovenia reacted promptly and demonstrated the falseness of such theories from linguistic, historical and archaeological points of view6. But this did not stop the autochthonists. They have been appearing regularly in the national media, talkshows and continue to publish their works. The Slovene National Party included the thesis of the autochthonous origin of the Slovenes in its programmatic texts. Though the party is rather marginal, they have been represented in the parliament since 1992. From time to time the official state authorities coquetted with these autochthonist theories as well, finding some of their elements useful for creating a new national ‘imaginarium’7.

In Croatia, due to the 19th century tradition of the Illyrian movement, one would expect the Illyrians to re-appear as Croat forefathers, but this was not the case. The Illyrians had to be shared with other Balkan and Yugoslav nations and as such they could not provide a case for Croatian distinctive-

Language also was a key issue in some recent theses on the autochthonous origin of the Slavic Mac-

5 J. Šavli, I. Tomažić and M. Bor, Veneti. The First Builders of European Community, Vienna 1996. The book was commented by Tareq Y. Ismael (University of Calgary, Alberta) as aimed at “peaceful coexistence among the nations of Central Europe, all of whom, according to the authors, share to some degree in the cultural heritage of the Veneti.” (see in http://www.prah.net/ slovenia/books/inveneti.htm). 6 Arheo (the Journal of Slovene Archaeologica Society) published two issues - one dedicated to the refusal of the Venetic and similar theories (Venetovanje 1990), and another in which ethnogenesis of Slavs was discussed (Pleterski 1990). 7 Some motivs on identity cards and passports are taken from the Venetic situlae art. A copy of the situla from Vače was given as a gift to the UN Secretary General when Slovenia became a member of the UN. 8 For someone who would like to further explore the exploitation of the ancient Macedonians, the weekly Makedonsko sonce (Macedonian sun (sic!)) is an interesting reading matter. This political journal is systematically promoting and defending the myth of ancient Macedonia. In the articles published in the last years, we can find statements such as “The prehistoric helmet made of steel, and found in Macedonia, caused panic among the Greek archaeologists who were afraid of admitting that Macedonians were technologically superior to Greeks”; and “The miracolous egg laid recently in a Macedonian village, bearing a 10-ray sun” (an attempt to ‘naturalize the reduced number of rays on the second new Macedonian flag). The same weekly publishes fierce invectives on Macedonian archaeologists and historians who dared to criticise these interpretations. 184

Predrag Novaković

ness. Instead, the idea of an Iranian origin appeared. According to this ‘theory’, based on ‘scientific’ interpretations of Old Iranian inscriptions, the modern Croats were one of the oldest European (Indo-European) nations. The ‘Iranian theories’ were supported by the highest possible political authority in the state, the president of Croatia. F. Tuđman (an historian himself) personally stated on several different occasions that the symbols of the Croatian coat of arms (chequer-board) were of ancient Persian origin. He became convinced of this fact after visiting a Turkish archaeological museum, and seeing a prehistoric vase with an incised chequer-board. His statements not only encouraged those who already believed in the Iranian origin of the Croats, but also gained them a huge promotion in media which would normally refuse to publish such articles. Furthermore, the official presentation of one of the ‘Iranian’ books was held in the Iranian Embassy and received considerable publicity.

substantial resources for his archaeological investigations. The funds would have exceed the sum the regional professional archaeological services got for their regular work but, fortunately, they have never been deployed. In the 1990s, with the war already raging in Bosnia & Herzegovina, the notions of the 'particularity' of Bosnia & Herzegovina in the ancient past gave place to national (Serbian, Croatian or Muslim) perspectives, but they did not fade out completely. This time it was the turn of Illyrians to be the ancient Bosnians. But this time it was not an amateur who proposed this idea. In a book by E. Imamović, archaeologist, Professor at the Department of History, University of Sarajevo, we can read that before the Turkish arrival, a large proportion of Bosnians had preserved ‘Illyrian’ physical anthropological traits, and that today these traits are best preserved among the part of the Bosnian population who turned to the Muslim faith (Imamović 1998, cf. Lovrenović 2000).

In Serbia, several theories of autochthonous origin were in circulation, but none of them was exploited as intensively as in Slovenia, Croatia or Macedonia. The Vinča-tablets from Tărtaria were “deciphered” as the earliest Cyrillic text in an old Serbian language – a procedure which did not differ much from the “Slovene” decipherment of the Late Iron Age Este-tablets. Ideas about a Celtic or Egyptian origin of the Serbs were in circulation as well. Nevertheless, all these ‘theories’ were considered as too exotic and politicians did not find any real potential in them - other historic periods and topics were more ‘useful’.

The most longstanding Illyrian debate was about of the origin of the Albanians. Soon after the idea of the Illyrian origin of Croats and other Southern Slavs had been dismissed in scientific circles in the second half of the 19th century, it was taken on by Albanians and developed further in the 20th century. The topic became highly politicised in the context of the Albanian endeavours for an independent state and an ethnically united territory. The establishment of the modern Albanian state did not stop the promotion of this idea, neither in Albania nor in neighbouring regions where ethnic Albanians lived. Needless to say that political developments in Kosovo and Serbia additionally influenced the debate.

In ethnically mixed Bosnia & Herzegovina, in the 1980s it was impossible to support any of the theories about either Serbian, Croatian or Bosnian (Muslim) “glorious” Bosnian forefathers, without offending the other two nationalities. Something else was needed, and this was to be the most intensively exploited story in ancient history – Troy. The Bosnian ‘Schliemann’ was a Mexican amateur historian, Salinas Price, who identified the site of Troy near the mouth of the Neretva river. Though professional archaeologists and other experts immediately dismissed this ‘discovery’ as a charlatan's piece of work9, Salinas' book gained unprecedented publicity in the media. The Bosnia & Herzegovina Tourist Board invited Price and planned to allocate

Despite of the fact that, according to modern archaeological standards, both sides, the pro-Illyrian (predominantly Albanian) and anti-Illyrian (predominantly Serbian) faction failed to present clear evidence to support their thesis, neither of the sides accepted any scientific critique. There was a much bigger issue at stake – the Kosovo territory. For the Serbs, the Kosovo was the “cradle” and “Holy Land” of their civilization and no one else should claim Kosovo for himself, while for the Albanians the Illyrian origin meant a common pre-Ottoman past which made them a ‘nation’ much earlier than their Serbian opponents were willing to admit10.

9 A group of linguists and historians published a book in order disprove this theory (Šešelj 1985). However, the critique did not point out the nationalist perspective underlying the whole affair of Troy in Bosnia. It was B. Slapšak (1993) who clearly demonstrated nationalism as the background phenomenon. 10 The ethnogenesis of the Albanians was also discussed also at the meetings of the Central Committee of the Serbian Communist party in the mid 1980s (for details see Stipčević). 185

The Present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia

publicly supported any of these theories (the issue of Illyrian/Albanian ethnogenesis excluded). On the contrary, professional experts in one way or another have tried to react against them, either in special publications which clearly demonstrated the wrongness of such theories, or by expressing their opposing personal views when interviewed or otherwise publicly asked for their opinion.

The Illyrians also appeared as forefathers in some theories about the Montenegrin ethnogenesis. The Illyrian Queen Teuta, who, at the end of the 3rd century B.C. fought a war against Rome, and had her headquarters in Boka Kotorska bay became a symbol of Montenegrin distinctiveness from the Serbs and of a glorious ancient past. Nevertheless, as in the case of Serbia, the Montenegrin autochthonist theories were much less exploited compared to other former Yugoslavia countries; it was the medieval period which served better.

The Splendour of medieval period The Medieval past was a much bigger reservoir of symbols and narratives for the new self-portraits of the South Slavic nations. Furthermore, it provided models for constructing national pasts and ideologies in new circumstances. Among the principal issues was the justification of the modern statehood based on the existence of independent medieval Slavic states, and the justification of territorial claims by reference to “historical” national territories (particularly in the case of Serbia and Croatia). Medieval history was also the field where new (“old”) symbols and traditions were looked for, for the accentuation of the “Europeaness” and glorification of civilisatory achievements (particularly of the Slovenes and Croats, as opposed to the Balkanism/Orientalism/Byzantinism of the other Southern Slavic and non-Slavic nations, as Serbs, Macedonians, Albanians, Turks etc.). On the other ‘side’, and particularly in Serbia, the civilisational achievements of the Byzantine culture and the Orthodox Church became glorified.

There were (and still are) many other autochthonist theories and their variants in circulation. Though these theories differ a lot, they all deny what the autochthonists termed the “official” narrative of the Slav migration to the Balkans during the Migration period. Indeed, they stigmatize this narrative as a Communist interpretation used to “naturalize” Yugoslavia, its common history, and ethnic balance. The loudest autochthonists, regardless of their national background, consider the concept of early medieval Slavic migrations as a sort of a conspiracy theory for suppressing any notion of autochthonism or non-South Slavic origin. All autochthonist theories are, naturally, full of incoherencies, not only when compared to known historical and archaeological facts but also when associated with other mythical narratives used in making national myths and self-images. For example, how is the Christianisation in the early Medieval period to be explained if all of these nations already existed from the late prehistory onwards. Another great incoherence is linguistic. If the majority of “autochthonists” claim a non-Slavic origin of their nations, then, how is one to explain the linguistic closeness of the South Slavic languages and their closeness to other Slavic languages as well, if not by a sort of pan-Palaeoslavic theory, which, in turn, contradicts the presumed nonSlavic origin. Nevertheless, these and many other incoherences did not stop the production of autochthonist theories. The major problem with these theories is not that they promote narratives different from those developed by the academic establishment, but that they contain a strong chauvinist and racist component.

What was common to all national myths was that they had to integrate a historical tragedy into the mythological national narrative – the loss of independence of the medieval Slavic states. The final redemption only came about with the independence gained in the early 1990s (“centennial dreams came through”). In the case of Slovenia, this national tragedy was the end of the Carantanian state under Charlemagne. For the Croats, the ‘tragedy’ started at the end of 11th century with the first Hungarian King who assumed the Croatian crown, for the Serbs it was the battle against the Turks at Kosovo polje in 1389, and for the Macedonians the tragedy was the end of Samuel's state in the 9th century. Bosnia & Herzegovina presents, again, a particular case. While the present day Bosnian Serbs and Croats depict the Turkish occupation as a time of oppression, cruelties and barbarism, for most of the Bosnian Muslims this period represens the period in which their nationality was formed. Their ‘problem’ was not reconciling the ‘historical

It is very important to stress that the autochthonist theories were developed and promoted almost exclusively in lay-circles, and, regardless of their nationalist appeal, no professional archaeologist 186

Predrag Novaković

tragedy’ with the idea of a nation, but in a reconciling the fact that their language is Slavic, while their religion and culture were, traditionally, Muslim and Turkish influenced. It is no surprise that the reasons for such a ‘peculiar’ combination were looked for (and attempted to naturalise) in the pre-Ottoman periods.

Another medieval story which was intensively exploited in Slovenia is that of the Cilli counts, a 14th-15th century aristocratic family, rival to the Habsburgs (the longstanding rulers of the Slovene lands) that had ruled much of the present-day Slovene territory. In spite of the uncertain ethnic origin of the Cilli counts (probably German) they became an example of “Slovene” nobility, and a strong metaphor for the ‘destiny’ of the Slovenes in Yugoslavia. Namely, the last Cilly count, involved in disputes with the Hungarian king, was assassinated in Belgrade. Since he had no heirs, the Cilli lands fell to the Habsburgs. Though the Cilli family died out, their family symbols re-appear on the present day Slovene flag and coat of arms.

The narratives of a national ‘tragedy’ in the medieval period, the subsequent loss of independence, and the centuries of subjugation to foreign rulers also provided a template to interpret life in modern Yugoslavia. Since neither of the nations had had full statehood in the common state, such narratives also provided an analogy, justifying why it became unbearable to stay part of Yugoslavia.

In Croatia, the existence of an early Croat state (9th-11th century) in medieval Dalmatia was one of the most heavily exploited historical arguments for a new Croatian independent state. Numerous books, exhibitions, symposia etc. glorifying the achievements of the period of the “Croatian national Kings” have been appearing since the late 1980s. Another important political force which strongly influenced Croatian national history were the Ottomans. The rather peculiar, crescent-like shape of the present Croatian state territory is the result of the Austrian and Hungarian organization of the defence line against Ottoman Bosnia. Croatian nationalists in the past and Tuđman's regime in the present have tried to enlarge Croatian territory on the expense of Bosnia & Herzegovina (“to bring back Croatian lands to the motherland”).

In Slovenia, the intensive ideological exploitation of the medieval state of Carantania already began at the end of 1980s and reached its peak in the first half of the 1990s. Carantania, whose history goes back to the 7th and 8th century was for a century or so an autonomous political unit, until Charlemagne, in his military operations against the Avars, incorporated it into his Empire at the beginning of the 9th century. The myth of a free Carantania, which appeared in the romantic national movement in the 19th century became very appealing to many Slovenes in recent times as well. The first Slovenian banknotes (issued in 1991, abolished in 1992) depicted the throne of the Carantanian princes11. Another component of the same myth was exploited as well – the “genuine democratic character” of the Slovene Carantanians. It was repeatedly stressed that Thomas Jefferson, when creating the U.S. constitution, copied the famous formula “of the government of the people and for the people” from the ritual of the coronation of the Carantanian princes, described in historical texts by Aenas Silvio Piccolomini (later Pope Pius II.). The exploitation of this aspect of the Carantanian myth should be seen in the context of establishing a new democratic regime and in Slovene endeavours to become a full member of the EU as a “genuine democratic state”.

The history of the conflicts with the Ottomans and their recent political and ideological exploitations have created another widely diffused narrative in Croatian history – that of antemurale christianitatis12. The Croats were seen as the last Christian (i. e. Catholic) defence line against the invading Turks, the Islam and the Orient in general13. This idea, which appeared in the 19th century, was revived in the context of the recent Croatianmegali idea. For Tuđman, in the longer perspective, the

11 These banknotes caused a dispute between Slovenes and Austrians which did not differ much from the dispute between Macedonians and Greeks regarding the Macedonian name and flag. The capital of the Carantanian princes and the throne were near Klagenfurt, Carinthia, southern Austria, and the Austrians were accusing Slovenes of “stealing” their national and historical heritage (the symbols of the Carinthian statehood) and of expressing territorial aspiration for the territories in Austria, where a Slovene ethnic minority lives. 12 The same idea was present in Slovenia, Serbia and Montenegro but with different aspects. 13 An interesting variation of this idea can be seen in the 700th anniversary of the Croatian victory over the Mongols at Grobnik near Rijeka, NW Croatia. At this occasion an official celebration was organized, with the President speaking, but the battle itself has never been historically proven. 187

The Present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia

major “civilisational” enemies were the Muslims and not the Serbs, with whom he actually made plans for dividing the Bosnian territories. Needless to say, the ‘antemurale christianitas’ idea contained numerous chauvinist and racist elements, and has made its contribution to the recent ethnic cleansing, and the destruction of many Turkish and Muslim religious and cultural monuments in Bosnia & Herzegovina.

the Serbian media was that of an uncivilised, barbaric, and cruel people14. The 600-year celebration of the Kosovo battle (1989) was the event of the political “apotheosis” of Milosević as the undisputed Serbian leader (see more in Kaser/Halpern 1998). The position of Bosnian Muslim nationalists was rather peculiar - they did not have any ‘Motherland’ to join, their religion clearly differentiated them from both Serbs and Croats, their Turkish legacy fixed them on the wrong side of the ‘Christian wall’, but their language was the same dialect of Serbo-Croatian as spoken by Serbs and Croats in Bosnia & Herzegovina. For this reason, a particular combination of cultural and ethnic components of Bosnian Muslim identity was selected in the Bosnian pre-Ottoman ethnic and religious situation. Bosnian Muslims were interpreted as the descendants of a particular medieval Slavic ethnic group, different from both Serbs and Croats, or as descendants of the ancient Illyrians, slavicised in the medieval period. Another version identified the Bosnians as descendants of Bosnian bogumili15 who had converted to Islam. Indeed, the case of the bogumili served as a perfect model of Bosnian particularity and individuality – not being Orthodox and prosecuted by the Catholic Church, they were pictured as the core of the future Muslim nation in Bosnia & Herzegovina.

The exploitation of the medieval period in Serbia was, to a large extent, similar to that in Croatia. The precedent of modern statehood was seen in the medieval Serbian state, and, last but not least, in another version of the ‘antemurale christianitas’: that of the martyrdom and revenge of the Serbs who had to suffer the ‘Turkish yoke’ for centuries. The medieval state of Dušan Silni (reigned 1331-1355), which for a short period incorporated a large part of the Southern Balkans, including modern Al- bania, Macedonia and large parts of modern Greece, was an example of the extraordinary political and historical achievements of the Serbs and of their high civilization. The Codex of Dušan Silni (based on Byzantine law), the architecture of medieval monasteries, and works of art like icons etc. were considered as the greatest achievements of a “Serbian civilization” which could be only paralleled by the greatest achievements in the most dev- eloped medieval states in Europe.

The statehood of modern Bosnia and Herzegovina was looked for in the pre-Ottoman period as well, in the medieval state of Bosnia, whose fundaments were laid in the 13th century. It is not by chance that the first flag and the coat of arms of the modern state of Bosnia & Herzegovina were the symbols of the Kotromanić royal family, under whose reign Bosnia achieved the largest territorial expansion. But, as these symbols excluded the Muslim ethnic component and culture, the flag and coat of arms were soon replaced by symbols bearing no ethnic or historical symbols whatsoever.

However, the major myth associated with medieval Serbia is the battle at Kosovo polje in 1389. Soon after this battle the Serbian state was annexed by the Ottoman Empire, and Serbian nobles became subjects of the Sultan. The myth survived in oral epics and became a powerful mobilizing instrument during the Serbian uprisings against the Turks in the 19th century. In the national mobilization of Serbs in the last two decades, the myth was used in similar way, only this time the ‘Turks’ were different – Albanians and Muslims. The province of Kosovo, where a large majority of the population were ethnic Albanians, was a territory of constant ethnic tension, since the Serbs considered it as the “cradle of Serbdom”. It is not accidental that Milosević started his political career in Kosovo as the protector of the local Serbian people. The image ascribed to the Kosovo Albanians by most of

In Macedonia, there were two medieval narratives which played a key role in re-building the national ideology and identity in the late 1980s and 1990s - the myth of the medieval state of Samuel I. (Bulgarians claim that he was a Bulgarian Emperor)

14 In the 1980s, major Serbian media were diffusing the stories of about Albanians raping the Serbian women, though empirical data indicated the opposite. The society of Kosovo Albanians was quite traditional, and the ratio of all such crimes were much lower than in richer and more modern republics, let alone the ratio of ‘ethnic’ rapes. 15 The Bogumili were a strong Cathar community which persisted in Bosnia for two or three centuries before the arrival of the Turks in the 15th century. 188

Predrag Novaković

and the cult of Cyril and Method, two missionaries from Thessaloniki who christianised Macedonians, Pannonian and Great Moravian Slavs in mid 9th century. Cyril and Method translated the major holy texts into a Slavic language (the so called Old Church Slavic). In order to do this, they had to standardize the language and to develop the Cyrilic alphabet. They did this based on the Slavic idiom spoken in the area of Thessaloniki. In the 19th century, the worship of Cyril and Method developed into a genuine and highly popular cult of national saints, who were credited not only with their missionary deeds, but also with the high cultural achievements of medieval Macedonia.

Under the socialist regime, the churches were limited to their most basic services. After 1991, they immediately regained an important influence in number of aspects in public life through political parties whose programmes included some religious doctrines, morale etc. During the privatisation of public and state property, the churches also substantially improved their material position. Without exception, the clerical authorities sided with the nationalists in all new states, and exercised strong anti-communism, revanchism and a desire to “reevangelise” their countries18. The growing influence of the church depended on the individual state and its conditions after the collapse of Yugoslavia. In Slovenia, not affected by ethnic conflicts, the Catholic Church has been trying to impose its values and concepts in education, family planning, and in a series of moral issues. At the occasion of his nomination, the current Archbishop of Ljubljana openly declared the re-evangelization of Slovenes as his mission. During the last four years, he has been constantly attacking the liberal governments for atheism, modern barbarism, value-voidedness, and slavery to the capital, based on the account of the national and Christian values.

New crusades and holy wars In many former socialist countries, one can witness a revival of the Church after independence and the abolishment of socialist regimes. This is the case in the countries established after the collapse of Yugoslavia as well. The official clergies did not only put forward programmes for bringing the people back to pre-Communist values, they also became a nationalist avant-garde in many respects. The overall influence of the cleric authorities in the transitional period and in the transformation of national identities demands much more attention and a detailed analysis that exceeds the scope of this paper. What we will present here are just a few episodes, which are only the tips of the iceberg.

The growth of the influence and the material wellbeing of the Church affected archaeology, history and art history as well. One of the most visible facts was the restoration of numerous church buildings and monasteries in the early 1990s. For example, the first large archaeological exhibition organised in the National museum of Slovenia after the independence was an exhibition on the Early Medieval period. It stressed the importance of the Christian Church in organizing refugii settlements after the collapse of the Roman Empire. The official inaugural speaker was the Minister of Culture (member of the Slovene Christian Democrats) who claimed a need for a “third” Christianisation of the Slovenes. Whether the timing of the exhibition was a pure coincidence or a planned step towards a reconciliation with the Catholic Church, it remains a fact that the exhibition was highly illustrative of the changing atmosphere in Slovenia.

From the 19th century onwards, the Churches in the countries of former Yugoslavia succeeded in imposing confession as the probably most important signifier of nationality, and, consequently, as a signifier of major difference to neighbouring nations. This is particularly the case with Serbs, Croats, Muslims, and Montenegrins, where language could not provide a distinctive feature of nationality16. Thus, the Catholics were Croats, the Orthodox were Serbs and Montenegrins, and Islam signified the Bosnian Muslims17. ‘Integral’ Serbism, Croatism or Muslimism could not be conceived of without its confessional component; Catholic Serbs or Orthodox Croats were perceived as virtually impossible (Detrez 2000).

16 In 1851, these nations, living in Austrian Empire, Serbia, and in Montenegro, accepted a common standard language, SerboCroatian. The Serbo-Croatian or Croato-Serbian language, as it was officially termed in Yugo-slavia after the second World War, has recently been replaced by the Serbian, Croatian and Bosnian languages. 17 Actually, in the period of the First Yugoslavia (1918-41) and until 1974 in the Second Yugoslavia, before the recognition of the Muslims as nation, Muslims were considered as either Serbs or as Croats. 18 Having been on the side of nationalist quislings and operating against the Partisans movement in second World War, the Church autorities, once they had gained political power, openly demanded a revision of recent history. 189

The Present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia

In Croatia, Serbia, Montenegro, and in Bosnia & Herzegovina all three major churches demonstrated a peculiar mixture of religious and national fundamentalism. Bog i Hrvati (God and Croats), Srbi, sveti narod (Serbs, the Holy nation) and many similar slogans were frequently heard in the 1990s in the media, popular songs, and in political speeches as well. Religious fundamentalism was not only directed against other confessions, but was it equally aimed at a re-birth of the nation with high moral and social values19.

Both episodes are similar not only because bones were instrumentalised, but also because both of them tell the story about the Turks and the ‘national tragedy’ that started with their arrival. The Catholic Church in Croatia seems to be particularly zealous It gained more influence in political and social affairs than any other church the post-Yugoslav states. For example, in the field of education, the joint venture of the nationalist Tuđman's regime and the Catholic authorities can be seen in the case of ‘Croatian studies’, established in the mid 1990s at the University of Zagreb. While Tudjman's nationalist regime efficiently purged elementary and secondary schools of nonCroat teachers, books and topics, the same enterprise was much more difficult at the Universities, where many critical and respected intellectuals raised their voices against nationalist abuses of research and teaching. So Tuđman took another way. Instead of purging the Universities, and particularly the departments of social and humanistic studies, he established a parallel curriculum – Croatian studies. The aim of this general curriculum, made up of several subjects (Croatology, journalism, sociology, philosophy etc.) was to teach national, social, historical, cultural, and religious issues to a new generation of students. The idea was to undermine the power and the influence of the traditional studies in social and humanistic sciences. Looking at the curriculae of individual subjects and courses within Croatian studies, one can find numerous Croato-centric (if not nationalist) and Catholic topics20.

The two rather similar episodes described below demonstrate the ways in which the Church played a highly influential role in mobilizing the nation. In the late 1980s the Serbian Orthodox Church organized a procession in which the relics of Duke Lazar (commander of Serbian troops at Kosovo polje battle) were displayed (a ritual known as “the sunbathing of the bones”). In every place the procession visited, a religious service and festivities were held. In this way, by associating a dead hero of mythical dimensions with the ethnic turmoils in the last years of Yugoslavia, the Serbian Orthodox Church mobilized hundreds of thousands of people for a new “decisive” and “holy” war for Serbia (see more in Mastnak 1998). A similar episode occurred in the late 1990s in Jajce, Bosnia & Herzegovina, only this time, the bones of the last medieval Bosnian king were involved. Franciscan priests transported the sarcophagus of the last Bosnian king, Stjepan Tomašević, and re-buried him in their monastery in Jajce (the King's capital). Regardless of the fact that Stjepan was King of Bosnia, his Catholic faith was enough to proclaim him Croat in the Croatian media, and so to lay claim to “Croat” lands in Bosnia & Hercegovina.

In Bosnia & Herzegovina, Muslim religious authorities openly supported the Bosnian President Alija Izetbegović and his Party of Democratic Action21.

19 For example: In Croatia, there was a series of Bill proposals in circulation: the so called Youth Bill, which would, amongst other, ban youngsters from staying outside their homes after a certain hour of the night, also requiring early closing hours for discotheques, bars, and late night rock concerts; there was a proposal for a five-year maternity leave; the Ministry of Education and Culture have tried to forbid female teachers in primary schools to wear trousers etc.). Muslim religious and political authorities have been actively promoting traditional costumes for women, attempted to ban alcohol and the like. The Serbian Orthodox Church in the 1990s was somewhat less directly associated with the regime (due to the Milošević’s communist tradition and his way of rule), but it was in no sense less nationalist and chauvinist. The Serbs as the ‘holy nation’ could act as ‘bastion’ against the invading Orient only if cleared of all western and oriental contaminations. 20 For example in the description of the curricula we find topics such as: the Fundamental values of the Croatian community; The role of the Croats as guardians and heirs of a great deal of the European cultural heritage; Croatian political and state theory of Dr. Franjo Tuđman; Analysis of the works of A. Pavelić (the leader of the Croatian quisling state in WW2 and of the Ustasha movement, a war criminal); in the aims of the subject Social ethics (a course in journalism) we can read that the students should master basic elements of the Christian social doctrine, Christian solidarity, and Christian social doctrine from the Rerum novarum of the Pope Leo XIII. to modern times. In some cases we can find even racist dimensions; under the subject Religions of the World, we find the concept of the ’Naturvölker’ (i.e. aboriginals) of Africa, Oceania, Central India and Tierra del Fuego). 190

Predrag Novaković

In turn, the Muslim authorities were given almost completely free reins for exercising their influence on a series of public affairs in education and culture. The Muslim ideologists, indeed, embraced and promoted a pan-Islamic ideology as the only way for preserving the nationality and the statehood of the Bosnian Muslims (for more detail see Bougarel 1999). This, of course, meant new subjects and priorities in the education system, and, last but not least, in the interpretation of the Medieval and recent past.

nation-state frameworks, became ultimately national, but not necessarily nationalistic. The cases of instrumentalisation of archaeology in the pursuit of new identities and the invention of traditions presented above found, after all, few, if any, supporters among professional archaeologists. However, the rising nationalisms and the wars left their traces in the community of professional archaeologists as well, and this issue urgently calls for careful consideration in another study. But there were always critical voices which were extremely helpful in avoiding the pit-falls of aggressive nationalism, and presented an important counter-balance to the power structures which attempted to use archaeology in their nationalist projects.

The role of the Macedonian Orthodox Church presents another dimension of the problem. The national Church of the Macedonians is not officially recognized by any of the other national Orthodox Churches. The Orthodox Church in Macedonia used to be part of the Serbian Orthodox church, but in the process of the emancipation of the Macedonian nation the Macedonian Orthodox clergy in 1967 officially established the Macedonian's Orthodox Church. This caused conflicts between Serbia and Macedonia, but Tito and the Communist party succeeded in keeping the problems under control and preventing their escalation onto other fields of public life. Nowadays, the Macedonian Orthodox Church is seen as one of the most important pillars of the Macedonian nation. It is perceived as the guardian of the most 'sacred' national heritage, which ultimately contributed to the birth of the Macedonian nation - the deeds of Cyril and Method, the works of their disciples, the Medieval monasteries and other civilizatory achievements of the Medieval Macedonians.

Archaeology, particularly in Croatia, Bosnia & Herzegovina, Kosovo, and Serbia suffered in many respects. Above all, archaeological sites, monuments, museums, collections, libraries etc. were purposely destroyed. This was accompanied by an enormous increase of bad science and pseudoscience in the service of the nationalist and chauvinist regimes and ideologies which, once again, brought ancestors and the living together in the process of national homogenization. But, on the other hand, the recent political changes have made the line between bad and correct science clearer. In spite of a long tradition of ‘ethnic archaeology’ the professional archaeologies in all post-Yugoslav states have generally succeeded in detaching themselves from those laymen circles, pressure groups, and political powers who pursued extreme nationalist agendas. Scientific standards achieved after the second World War, positive experiences from joint works in Yugoslavia and personal ties have played a crucial role in this.

Professional archaeology The above cases illustrate the atmosphere in Yugoslavia prior to its collapse. Professional archaeology could not escape the destiny of the former state and the subsequent states but, from a certain chronological distance it is now possible to say, that, in spite of clear abuses, professional archaeology has succeeded in avoiding the type of nationalist instrumentalisations of archaeological science known from the Nazi and fascist regimes in the pre-WW II period. Archaeologies, by virtue of establishing

However, the wars have created particular contexts which required a different approach to the observation of the developments in and about archaeology. We are only at the beginning of this task, and the most recent atmosphere may be suitable for sound reflection.

21 The Reis el-ulema, the supreme Muslim religious authority in Bosnia and Herzegovina, stated that Alija Izetbegović is the ‘13th envoy of Allah’ who came to Bosnia to bring welfare and good fortune to Muslims (Miletić et al. 1995). The same A. Izetbegović is also the author of the Islamic Declaration, the text which became a programme of the new Bosnian Muslim ideology in the 1990s and appeared in the early 1980s. It was never published, and the author was tried and imprisoned on charges of pan-Islamism and the disruption of the brotherhood and unity in Yugoslavia. 191

The Present makes the past: the use of archaeology and changing national identities in former Yugoslavia

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Die rumänische Archäologie und die Versuchung des Nationalismus vor und nach der Wende Mircea Babeş, Archäologisches Seminar, Universität Bukarest

man heute die kolossale, bei Alesia errichtete Statue des Vercingetorix, wird klar, daß die Leidenschaft des Kaisers für die keltische Archäologie ganz bestimmt auch machtpolitische Beweggründe hatte. Vergleichbare Erscheinungen machten sich in Deutschland ungefähr gleichzeitig, in der wilhelminischen Zeit, bemerkbar. Bei Detmold, wo man das Schlachtfeld im Teutoburger Wald vermutete, wurde 1875 eine kolossale Statue des Arminius errichtet, als Symbol des heldenhaften Germanentums, aber auch des jüngst erzielten Sieges über Frankreich. Im Unterschied zu Vercingetorix war Arminius/Hermann, der Cheruskerfürst, ein Sieger; er sollte dort, im Jahre 9 n. Chr. die drei von Quintilius Varo kommandierten Legionen vollständig vernichtet haben.

Die Anfänge der Archäologie liegen weit zurück im 18. Jahrhundert und sind mit dem Namen des großen deutschen Gelehrten Johann Joachim Winckelmann verbunden. Es ging dabei um die Wiederentdeckung der klassischen griechisch-römischen Zivilisation, hauptsächlich anhand von Architektur und Kunstwerken. Reine Neugier, Sammlerlust und Bewunderung der antiken Kunst waren die Beweggründe der ersten klassischen Archäologen. Ganz anders bei der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie, die den Status einer Wissenschaft erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte. Es ist kein Zufall, daß dies in der Zeit der Entstehung und der Etablierung der europäischen Nationen stattfand. Damals entwickelte sich bei den Franzosen wie bei den Engländern, bei den Deutschen wie bei den Polen, bei den Ungarn wie bei den Rumänen in breiten Kreisen der Bevölkerung ein brennendes Interesse für die Herkunft der eigenen Nation. Die spärlichen Schriftquellen der Antike oder des frühen Mittelalters erlaubten zwar oft die Identifizierung der Vorfahren und eine skizzenhafte Rekonstruktion ihrer frühen Geschichte. Für eine gründliche Kenntnis der Kultur, d.h. der Lebensweise, Wirtschaft, Kunst, Religion usw. dieser frühen Völker war aber die Mitwirkung der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie von Anfang an unentbehrlich. Die Archäologie wurde populär, bald aber geriet sie unter einen starken politischen Druck, der sich im Laufe der Zeit oft nachteilig auf ihre Entwicklung auswirkte. Man erwartete von der Archäologie, daß sie die aktuellen, politisch-ideologisch motivierten, klischeehaften Vorstellungen von den “Urahnen” belegte. Die edle Herkunft, die hohe Kultur und die Tugenden der eigenen Vorfahren sollten mit Hilfe der archäologischen Funde und Befunde glaubwürdig gemacht werden.

Statuen werden von Politikern bestellt und von Künstlern geschaffen. Sie bilden oft literarisch überlieferte Mythen ab, die von den Historikern und Archäologen unkritisch ausgewertet worden sind. In den Jahrzehnten nach der Errichtung des Arminius-Denkmals war Gustav Kossinna (1858 1931) die größte Autorität in der deutschen Archäologie. Der Titel eines seiner Bücher drückt die von ihm vertretene Richtung sehr deutlich aus. Dieses 1912 erschienene Buch heißt: Die deutsche Vorgeschichte, eine hervorragend nationale Wissenschaft. Ein Zitat soll diese Einstellung noch deutlicher machen: “Nichts wären wir heute von dem, was wir sind und was großes in uns steckt und noch weiter aus uns hervorbrechen mag, hätten wir nicht die große Erbschaft von unseren Vorvätern zu eigen. Unsere längst erloschenen Ahnen haben uns nicht nur ihr Fleisch und Blut, sondern darin auch ihre Gedanken, ihren Geist und ihren Charakter vererbt”.

Und weiter die Schlußfolgerung:

“Wer unsere früheste und eigenste Art rein und unverfälscht auf sich wirken lassen will, der muß bei der Vorgeschichte anfragen. Und dadurch besitzt diese junge Wissenschaft ihren so hervorragenden Gegenwartswert, ihre hohe nationale Bedeutung”.

In verschiedenen Ländern Europas wurde die Archäologie von dieser Malaise zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten getroffen. Frankreich erlebte unter Napoleon III., der die großen Ausgrabungen in Alesia in den Jahren 1861-1865 durchführen ließ, eine lebhafte Gallomanie. Betrachtet

Es überrascht nicht, daß Hans Reinerth bis zum Ende des 2. Weltkrieges Kossinnas Nachfolger als Ordinarius für deutsche Archäologie an der Berliner 193

Die rumänische Archäologie und die Versuchung des Nationalismus vor und nach der Wende

Universität wurde, der Herausgeber eines dreibändigen, stark nationalistisch gefärbten Werkes Vorgeschichte der deutschen Stämme. Germanische Tat und Kultur auf deutschem Boden, das 1940, unter der Schirmherrschaft des Reichsamtes für Vorgeschichte der NSDAP erschienen ist.

dafür ganz und gar nicht günstig. Rumänien war bis 1958 von sowjetischen Truppen besetzt, und die sowjetischen Ratgeber waren allmächtig. Die herrschende Ideologie war der sogenannte Internationalismus, der alle nationalistischen Tendenzen ausschloß. Tatsächlich versteckte sich hinter dem Internationalismus die sowjetische Hegemonie, und das bedeutete nicht nur die Zwangsübernahme des sowjetischen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Systems in Rumänien, sondern auch die Russifizierung der rumänischen Kultur und Geschichte. Unter starkem politischen Druck mußten die rumänischen Archäologen die Überlegenheit der slawischen Kultur betonen und auch dort slawische Funde identifizieren, wo es keine gab.

Glücklicherweise sind die meisten und sicherlich die bedeutendsten deutschen Archäologen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen der KossinnaRichtung nicht gefolgt. Ganz besonders verdient hier Gero von Merhart erwähnt zu werden, der erste Ordinarius für Vorgeschichte in Deutschland, Gründer des vorgeschichtlichen Seminars an der Philipps-Universität in Marburg/Lahn und Chef einer Schule von internationalem Renommée. Hier promovierte im Mai 1932 Ion Nestor, der erste Humboldt-Stipendiat unter den rumänischen Archäologen, der bei Merhart offenbar nicht nur viele Fachkenntnisse, sondern auch die richtige Deontologie erlernen konnte.

Anfang der 60er Jahren begannen die rumänischen Kommunisten, sich von der UdSSR zu distanzieren. 1964, im vorletzten Lebensjahr des Parteichefs Gheorghiu-Dej, kam es zum offenen Bruch. Sein Nachfolger, Nicolae Ceauşescu, setzte die Politik der Unabhängigkeit fort und spielte geschickt die Karte des Nationalismus, um an Popularität zu gewinnen. Daß es sich um ein rein politisches Kalkül handelte, steht heute fest. Die Partei- und Staatspropaganda bediente sich vor allem historischer Mythen; manche waren alt, aus der Zeit der Romantik im 19. Jh., andere waren neu, von den sog. “Hof-” oder “Diensthistorikern” auf Befehl erfunden. In vielen Fällen wurden massive Propagandakampagnen in den Medien organisiert, die unter der aktiven Mitwirkung von Wissenschaftlern, einschließlich der Archäologen, durchgeführt werden sollten. Viele von uns können sich noch gut an die peinlichen Shows des Jahres 1980 erinnern, die angeblich den 2050. Jahrestag der Gründung des sogenannten “unabhängigen geto-dakischen Zentralstaates” feierten, genauso wie an die Feierlichkeiten des Jahres 1985, die man offiziell dem Andenken der von Herodotos überlieferten “ersten Kämpfe der Geten für Unabhängigkeit” vor 2500 Jahren widmete. Für die Althistoriker und Archäologen stellte sich damals die Frage, ob die Teilnahme an solchen öffentlichen, politisch motivierten, die historische Wirklichkeit fälschenden Kampagnen mit dem Status eines Wissenschaftlers vereinbar war. Diese Frage ist auch heute, zehn Jahre nach der Wende,

Sowohl Nestor als auch die anderen Vertreter seiner Generation (selbst diejenigen, die führende Mitglieder der “Eisernen Garde”1 waren, wie V. Christescu und Vl. Dumitrescu) haben es verstanden, die Archäologie von den ausgeprägt nationalistischen Tendenzen des damaligen politischen Lebens eindeutig zu trennen. Die meisten waren Schüler von Vasile Pârvan und sind lange Zeit nach dem frühen Tod des Meisters (1927, im Alter von nur 45 Jahren) unter seinem schöpferischen Einfluß geblieben. Und Pârvan - das muß unterstrichen werden -, war ein Patriot, der gelegentlich, hauptsächlich in seinem Standardwerk Getica (1926), die “Tugenden der Vorfahren”, Geten und Daker, idealisierend darstellte, er war aber kein Nationalist. Folglich holte sich damals die von Neculai Densuşianu (Dacia preistorica, 1913) begründete Thrakomanie eine kräftige Abfuhr bei den Fachleuten und konnte in der Tat nur unter den Laien Anhänger sammeln. Der Dacismus, eine Theorie, die die Herkunft der Rumänen allein auf die GetoDaker zurückführt, starb aber nicht aus, und sollte überraschenderweise 4-5 Jahrzehnte später, unter dem nationalkommunistischen Regime Ceauşescus wieder auferstehen. Während der ersten zwei Jahrzehnte des kommunistischen Regimes waren die politischen Bedingungen

1 Die “Eiserne Garde” war, seit ihrer Gründung (1923) durch Corneliu Zelea Codreanu, eine rechtsradikale, ausgeprägt nationalistische und xenophobe Bewegung Ursprünglich trug sie den Namen “Die Legion des Erzengels Michael”, wegen ihrer Anhänger als “Legionäre” bekannt und befürchtet wurden. Ihre ganze Geschichte ist durch Gewaltakten gegen die demokratische Staatsordnung und gegen Andersdenkenden gekennzeichnet. Für kurze Zeit, vom September 1940 bis Januar 1941, gelangte die Eiserne Garde sogar an die Macht, wurde aber nach dem gescheiterten Staatsstreich gegen dem “Staatsführer” General Antonescu weitgehend dezimiert. 194

Mircea Babes

schwer zu beantworten. Diejenigen, die den Kompromiß eingegangen sind, behaupten, dieser sei für das Überleben der archäologischen Forschung und des Hochschulunterrichts in diesem Fache, sowie für die Rettung der archäologischen Denkmäler notwendig, ja unausweichlich gewesen. Sie glauben, sie hätten die Propagandaschriften und deren Themen (Autochtonie, Kontinuität) von echten wissenschaftlichen Beiträgen scharf trennen können. Das mag in manchen Fällen stimmen, in anderen aber wieder nicht. Eine “Ansteckung” war immer möglich, und es kam nicht selten vor, daß in Fachpublikationen der damaligen Zeit Themen, Begriffe und sloganartige Interpretationen der historischen Nationalpropaganda - bewußt oder unbewußt - aufgenommen wurden. Die besten Vertreter des Faches haben dieser Versuchung aber widerstanden, auch dann, wenn sie unter starkem Druck gesetzt wurden und ihre berufliche Laufbahn gefährdet sahen. Allen voran soll hier das beispielhafte mutige Verhalten einer Gruppe von Mitarbeitern des Bukarester Archäologischen Instituts unter Führung von D. M. Pippidi erwähnt werden, die es abgelehnt haben, in einem großen Handbuch zur Geschichte Rumäniens falsche, von der Parteizentrale vorgeschriebene Thesen und Ansichten zu übernehmen. Dank dieses Widerstandes ist schließlich diese offizielle, national-kommunistische Version der Geschichte Rumäniens, die 1979 gedruckt werden sollte, nie erschienen.

sprachen, oft in im Ausland gedruckten Büchern und Zeitschriften. Man könnte somit glauben, daß in der rumänischen Archäologie für nationalistisch gefärbte Interpretationen und Theorien keine Voraussetzungen mehr gegeben sind. Bei einer genaueren Betrachtung der Fachliteratur sind trotzdem Spuren dieser negativen Erbschaft zu bemerken. Überbleibsel der “hölzernen Sprache”, mit der Wiederholung von leeren Slogans wie “Bodenständigkeit”, "Einheit" und “Kontinuität” zeigen, daß man immer noch nicht kritisch genug darüber reflektiert. Andererseits kommen aus der Richtung von Gesellschaft und Politik ständig Signale, die zeigen, daß der Nationalismus noch nicht abgestorben ist, und daß man sich dabei auch immer wieder auf Geschichte und Archäologie bezieht. Der rezente Streit um die Schulbücher für das Fach Geschichte ist ein Beispiel dafür2. Man könnte auch an eine Zeremonie erinnern, die 1991 vor dem mit rumänischen Fahnen geschmückten Siegesdenkmal Trajans (Tropaeum Traiani) in Adamclisi in Anwesenheit des damaligen Staatschefs stattfand; Priester der Ortodoxen Kirche hielten bei dieser Gelegenheit einen Gottesdienst zur Erinnerung an die dort 101-102 n. Chr. gefallenen dakischen und römischen Soldaten ab, und eine Ehrengarde präsentierte das Gewehr. Historische Argumente werden auch im Westen in der aktuellen politischen Debatte herangezogen; dort geht es aber neuerdings mehr um die europäische Integration als um nationale Traditionen. So sind die Titel von manchen im letzten Jahrzehnt in Europa organisierten archäologischen Austellungen zu verstehen, wie I Celti - la prima Europa, Die Bronzezeit - die erste goldene Zeit Europas und Die Franken, die Wegbereiter Europas. Aus der Sicht eines Wissenschaftlers bin ich nicht sicher, ob eine perspektivenreiche politische Zielsetzung - die Vereinigung Europas - diese Vermengung von Politik und Wissenschaft rechtfertigt.

Der Zusammenbruch des Ceauşescu-Regimes hat das Leben der rumänischen Gesellschaft vielfältig und grundsätzlich geändert. Für die Wissenschaftler bedeutet das eine nahezu unbegrenzte Bewegungsund Äußerungsfreiheit - beide wesentliche Bedingungen für die Entfaltung der Forschung. Nach vielen Jahren der Isolation folgte eine wirkliche Öffnung in alle Richtungen, die unter anderen von der Humboldt-Stiftung maßgebend unterstützt wird. Die rumänischen Archäologen sind wieder Mitglieder der Familie der archéologues sans frontières. Sie nehmen wieder an Kongressen und Kolloquien teil, sie beteiligen sich an internationalen Forschungsprojekten, sie führen zusammen mit ausländischen Teams Ausgrabungen im Lande durch und sie publizieren ihre Ergebnisse in Fremd-

2 Die Einführung von mehreren “Alternativ-Schulbüchern” für jeden Fach, vor 2-3 Jahren, wurde als Teil der Schulreform betrachtet und theoretisch von allen politischen Parteien befürwortet. Die Tatsache, daß einige Schulbücher bestimmte traditionelle Clichés und Mythen der rumänischen Geschichtsschreibung anzutasten schienen und somit die Grundlagen der “patriotischen Erziehung” In Frage stellten, hat, seit 1999 zu heftigen Kontroversen, bis ganz hoch ins Parlament geführt. Die rezente Entscheidung des Unterrichtsministeriums zur Begrenzung der Anzahl der “alternativen” Schulbücher auf acht pro Fach ist als ein Erfolg der konservativen Richtung zu betrachten.

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Regionale Modernisierungspolitik und Ethnisierung

Regionale Modernisierungspolitik und Ethnisierung Wolfgang Luutz, Zentrum für Höhere Studien, Universität Leipzig

1. Zum Problem In ihrem einführenden Beitrag hat Sabine Rieckhoff als Anliegen der Tagung formuliert, die ethnische Deutung der prähistorischen Archäologie, die als Ruine bis in die heutige Zeit fortbesteht, abzutragen. Sie hält diese Auseinandersetzung nicht nur aus innerwissenschaftlichen Gründen, sondern auch wegen der beängstigenden Langlebigkeit des nationalistischen Paradigmas für notwendig. Nun gehören nationale Identitäten zu den, wie Reese-Schäfer meint, am intensivsten und kritischsten reflektierten Bereichen der sozialwissenschaftlichen Erforschung ‘kollektiver Identitäten’ (ReeseSchäfer 1999, 20). Offen scheint hingegen die Frage, ob Bruchstücke dieser „Ruine“ ethnische Deutung beim Neubau moderner Regionen ihren Platz finden können. Das schließt ein, dass ich das von Ulrike Sommer am Schluss ihres Beitrages aufgeworfene Problem, „ob eine Identitätskonstruktion über Vergangenheit in der Moderne, oder der Postmoderne, noch sinnvoll und wünschenswert ist”, für den Bereich des ‘region-building’ für keineswegs geklärt halte. Allerdings: Wird in der politikwissenschaftlichen Literatur zur Regionalisierung bzw. Regionalpolitik in einer modernisierungstheoretischen Perspektive über Ethnizität geschrieben, dann in der Regel in einem sehr distanzierten Ton. Es scheint zu den Selbstverständlichkeiten nicht nur dieses Faches zu gehören, dass regionale Modernisierungspolitik und (rückwärtsgewandte) Ethnisierung sich ausschließen. So hat beispielsweise in Benno Werlens Konzept rationaler Regionalpolitik unter Bedingungen der Globalisierung die Förderung eines Wir-Bewusstseins, das aus der Vorstellung abgrenzbarer Territorien erwächst, keinen Platz (Werlen 2000). Anders als Werlen hält Wolfgang Fach zwar eine Rehabilitierung der symbolischen Regionalpolitik für möglich, aber auch er begreift Ethnisierung und Modernisierung als ein sich ausschließendes Verhältnis: „Eine ‘progressive’ Strategie mit dem Ziel, moderne High-Tech-Verhältnisse zu schaffen und

einen Landstrich für den Weltmarkt ‘fit’ zu machen“, schreibt er, „wird kaum Anschluss finden an ‘reaktionäre’ Gefühle, deren Orientierungspunkte in der Vergangenheit liegen, und nostalgische ‘Verlierer’, die ihre ethnische Besonderheit feiern, sind das falsche Publikum für Fortschrittsappelle.“ (Fach 2001, 11.) Schließlich noch Arthur Benz, der in seinem netzwerktheoretischen Regionalisierungsansatz zwar auch die Ressource Vertrauen einbaut und in diesem Zusammenhang eine Stelle für ‘regionale Identität’ freihält, sich aber ausdrücklich gegen eine Verengung moderner regionaler Identität auf ethnisch-kulturelle und historische Aspekte ausspricht. Bei den neuen Regionalisierungen, betont er, handle es sich gerade nicht um eine bloße Rückbesinnung auf die ethnischen Grundlagen politischer Gemeinschaften (Benz u.a. 1999, 23ff.). Ein Grund für diese doch recht apodiktischen Behauptungen scheint in der berechtigten Furcht vor den Folgen der Ethnisierung, der Zunahme ethnischer Spannungen und Konflikte zu bestehen (s. z. B. Hettlage et al. 1997). Es wird aber aus meiner Sicht zu undifferenziert die Gefahr der ‚Balkanisierung‘ beschworen, ohne die unterschiedlichen politischen Kontexte ethnisch aufgeladener Regionalisierungen und die Möglichkeiten eines ‚pazifizierten‘ Regionalismus hinreichend in Betracht zu ziehen. Ein anderer Grund scheint mir in der Bevorzugung bestimmter Untersuchungsgegenstände, insbesondere der Konzentration auf wirtschaftliche Modernisierungsprozesse, zu liegen. Im Mittelpunkt der Regionalisierungsforschung stehen zumeist kleine leistungsfähige, sich quer zu etablierten politischadministrativen Grenzziehungen formierende Wirtschaftsregionen (das Paradebeispiel ist immer wieder Silicon Valley). Es geht in diesen Ansätzen dann höchstens darum, im nachhinein für diese neu sich etablierenden wirtschaftlichen Einheiten entsprechende Institutionen zu schaffen, um Netzwerke zu stabilisieren und Reibungsverluste zu minimieren. Eine wie auch immer geartete „politische Logik“, die den Menschen - jenseits wirtschaftlicher Eliten und „organisatorischer Kerne“ als Bürger (mit Partizipationschancen) begreift und 196

Regionale Modernisierungspolitik Wolfgang Luutz und Ethnisierung

entsprechende Formen von Gruppenkohärenz bzw. -mobilisierung untersucht, scheint nicht im Mittelpunkt zu stehen. Zugespitzt formuliert, läuft das auf eine technokratische Politik hinaus, der es nicht gelingt, die Bewohner mitzunehmen1. Werden ‘ideologische Faktoren’ in die Untersuchung des Region-Building einbezogen, dann eher in der Form der prospektiven Konstruktion attraktiven Regiovisionen. So ist immer wieder die Forderung nach Umstellung der Identitätskonstruktion von der Vergangenheit auf die Zukunft zu hören (vgl. Lehner u. a. 1995). Meines Erachtens vereinfacht diese Formel das moderne ‘Region-Making’ aber in einer unzulässigen Art und Weise. Nicht nur, dass in dieser ideologiekritischen Perspektive die Ethnisierung nur als folkloristische bzw. rückwärtsgewandte Technik, der bestenfalls kompensatorische Bedeutung zugesprochen wird, betrachtet wird. Übersehen wird in dieser Sicht vor allem das der Ethnisierung innewohnende funktionale Element der Handlungsintegration und Handlungsmobilisierung. In diesem Beitrag wird deshalb dafür plädiert, die Frage nach dem Zusammenhang von Geschichte/ Ethnizität und moderner Regionalpolitik etwas offener zu halten. Gefragt wird, welchen Platz punktuelle (‘schwache’) Ethnisierungsdiskurse im Rahmen regionaler Modernisierungspolitiken gewinnen können. Der Ethnizitätsbegriff im sozialwissenschaftlichen Diskurs Da der Begriff der Ethnisierung wegen seiner Einordnung in ganz unterschiedliche theoretische (und politische) Kontexte zu Missverständnissen gerade zu einlädt, scheint es sinnvoll, einen knappen Blick auf den aktuellen Stand der sozialwissenschaftlichen Diskussion zum Ethnizitätsproblem zu werfen. Im Zusammenhang mit dem verschiedentlich konstatierten ‘ethnic revival’ ist seit einiger Zeit eine Renaissance des Ethnizitätsbegriffs im sozialwissenschaftlichen Diskurs zu beobachten (vgl. Hettlage et al. 1997). Dabei sind es, soweit ich sehe, vor allem drei Kontexte, in denen das Ethnizitätsproblem neu verhandelt wird: -das zunächst überraschende Wiederaufleben ethnisch-nationaler, mit der Forderung nach politischer Selbstbestimmung unter Einschluss territorialer Lostrennung auftretender Bewegungen nach

dem Zerfall des ‘realen Sozialismus’ in Südost-, Ost- und Ostmitteleuropa2, -der sich z. Teil vor dem Hintergrund der (west-) europäischen Integration abspielende sogenannte ‘Aufstand der Provinzen’, das heißt Kämpfe von Regionen in West- bzw. Südeuropa um kulturelle und wirtschaftliche Autonomie seit den 70er Jahren, die in der Regel im Rahmen des etablierten Staatengefüges bleiben (vgl. Hettlage et al. 1997, 98ff), -in den USA einsetzende und später auf Westeuropa übergreifende Kulturkämpfe benachteiligter Gruppen um den Abbau von Diskriminierungen und die Anerkennung besonderer (ethnischer u.a.) Identitäten (vgl. Lohauß 1999, 65ff). So unterschiedlich diese Kontexte, so unterschiedlich die theoretische Reflexion. Dabei ist der Begriff der Ethnizität und der mit ihm gekoppelte Begriff der Identitätspolitik als sozialwissenschaftlicher Begriff ursprünglich vor allem im dritten Kontext rehabilitiert worden. Inzwischen hat sich aber zumindest teilweise auch in den anderen erwähnten Forschungszusammenhängen seine weitgehend wertneutrale, analytische Verwendung eingebürgert. So sieht beispielsweise Giordano zwar durchaus die mit dem Ethnizitätsbegriff verbundenen Gefahren, er hält seine Verwendung als Werkzeug zur Beschreibung der mit dem ‘ethnic revival’ verbundenen Tendenzen aber unter der Voraussetzung, dass ein konstruktivistischer Ansatz verfolgt wird, für möglich (vgl. Giordano 1997, 56ff). Dementsprechend werden in der sozialwissenschaftlichen Literatur der Gegenwart zwei gegensätzliche Herangehensweisen an die Untersuchung von Ethnizität unterschieden: -ein primordialistischer, essentialistischer (objektiver) Standpunkt, der Ethnizität als eine objektive Realität auffasst, die ihre Wurzel in einem Volksgeist, einer bestimmten Abstammung etc. hat, -ein interpretativer, konstruktivistischer (subjektiver) Standpunkt, der Ethnizität als Produkt der Vorstellungen der Teilnehmer betrachtet (vgl. (Giordano 1997, 59ff). Selbstverständlich wird angesichts der konstruktivistischen Wende in den zeitgenössischen Sozialwissenschaften von fast allen Teilnehmern am wissenschaftlichen Diskurs der zweite Standpunkt favorisiert. Nur dieser, meint zum Beispiel Giordano, sei in der Lage, die mit dem Ethnizitätsbegriff verbundene Gefahr der Essentialisierung und damit

1 Siehe z. B. die Kritik von F. Müntefering in Lehner et al. 1995, 118. 2 Vgl. Hettlage et al. 1997, inbes. Kapitel IV (Postsozialismus und die ethnische Dimension), 194ff. 197

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der ethnischen Abgrenzung zu umgehen (vgl. Giordano 1997, 60). Allerdings werden in jüngster Zeit auch vorsichtigkritische Stimmen laut, die vor einer Dogmatisierung der überzogen konstruktivistischen Position warnen. So betont zum Beispiel Reese-Schäfer, dass dieser in der Literatur ermüdend oft wiederholte Antiessentialismus argumentativ trivial ist, „denn er folgt aus der Definition, nicht aus der Beobachtung, und er kann dementsprechend wenig damit anfangen, wenn die irgendwann einmal auf künstlichste Weise konstruierten ethnischen oder nationalen Identitäten plötzlich als soziale Tatsachen manifeste Wirkungen entfalten.” (ReeseSchäfer 1999, 7). Andere versuchen dem Rückfall in die alte Ideologiekritik und dem damit verbundenen Manipulationsverdacht dadurch zu entgehen, dass sie zwischen Konstruktionsprozessen der Ethnizität von oben und von unten unterscheiden (vgl. Giordano 1997, 56ff). Weichhart schließlich weist nach, das die Ethnisierung in Form von landsmannschaftlichen Stereotypen nicht nur Produkt ideologischer Indoktrination, sondern auch Bestandteil lebensweltlicher Regionalisierungen sein kann (vgl. Weichhart 1990, 30ff). Auch ich würde eine Modifizierung des konstruktivistischen Ansatzes begrüßen. Ich muss mich in dieser Frage aber nicht weiter positionieren, denn ich untersuche Ethnizität hier nicht als soziale Erscheinung jenseits politischer Prozesse, sondern mich interessiert die Ethnisierung, das heißt eine bestimmte diskursive Technik als Bestandteil des politischen Diskurses, die mit der Vorstellung typischer Volkseigentümlichkeiten arbeitet. Unter Ethnisierung will ich hier zunächst recht allgemein verstehen, dass Mitgliedern einer bestimmten Gruppe bestimmte gemeinsame, sich über die Zeit erhaltende besondere Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen zugesprochen werden. Dabei lassen sich nach Art der Herleitung dieser ‘Volkseigentümlichkeiten’ im politischen Diskurs analytisch drei Typen von Ethnizitätskonstrukten unterscheiden:

Einmal kann es um Eigenschaftskomplexe geht, die als aus dem gemeinsam bewohnten Territorium, der Landschaft erwachsend gedacht werden (Verbindung Volk-Boden). Zum zweiten wird die Kontinuität von Wesensmerkmalen über Herkunftsbeziehungen, quasi verwandtschaftliche Bezüge erklärt (Volk als geglaubte Abstammungsgemeinschaft). Drittens werden diese Volkseigentümlichkeiten als Ausdruck einer besonderen Geschichte und Kultur gedeutet (Volk als Schicksals-, Sprach-, Religionsgemeinschaft etc.). Selbstverständlich sind die Übergänge zwischen diesen drei Ebenen fließend. Die Ethnisierung als Bestandteil von regionalen Modernisierungsdiskursen arbeitet also nicht notwendigerweise mit einem geophysikalischen Konzept (Ebene 1) oder einem biologistischen Ansatz (Ebene 2) sondern ist unter Umständen mit Vorstellungen eines kulturell-historischen Determinismus verbunden. Im Rahmen des letzteren Erzählmusters ist die (Erfolgs-)Geschichte in besonderen Wesensmerkmalen des regional verorteten Menschen geronnen. Diese Eigenschaften verkörpern die Kontinuität regionaler Geschichte, das Bleibende im Wandel. Bei der Ethnisierung, verstanden als eine diskursive Technik des politischen Diskurses, handelt es sich insofern um eine Strategie der Auslöschung der Geschichte mit Mitteln der Geschichte. Aber nicht nur diese weit in die Vergangenheit hinein verlängerte Kontinuitätsfiktion ist charakteristisch für die Ethnisierung. Wie auch Ulrike Sommer in ihrem Beitrag herausarbeitet, schließt Ethnisierung immer Spezifizitätsbehauptungen (es werden nur für dieses Volk eigentümliche Eigenschaften angenommen) und Homogenitätserwartungen (die Eigenschaften werden als für alle Mitglieder des Volkes gleichermaßen typisch angesehen) ein3. Wie diese Techniken im politischen Regionalisierungsdiskurs ihren Platz finden, soll im folgenden untersucht werden.

3 Vgl. Sommer 2003. Allerdings sollen auch die Unterschiede zwischen dem von ihr verwendeten Begriff der eth-

nischen Deutung und dem von mir eingeführten Begriff der Ethnisierung nicht verwischt werden. Während es in dem einen Fall primär um ein obsolet gewordenes Verfahren der prähistorischen Archäologie geht, geht es im anderen Fall um eine Technik des politischen Diskurses. Zu beachten ist auch, dass U. Sommer den Begriff des Ethnizitätskonstruktes für die (im wesentlichen biologisch verstandene) Konstruktion der Kontinuität eines Volkes im Sinne einer Abstammungsgemeinschaft reserviert und diese Kontinuitätsfiktion anderen Kontinuitätsannahmen (der Kultur, des Territoriums) gegenüberstellt. Aus meiner Sicht scheint der Ethnizitätsbegriff aber gerade auf die Verflechtung von geglaubter Abstammung, gelebter Kultur und bewohntem Territorium abzuzielen. Außerdem sind moderne Ethnizitätskonstrukte im Sinne von unwandelbaren Volkseigentümlichkeiten eher kulturell als blutsverwandtschaftlich untersetzt. 198

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Zum Platz der Ethnisierung im Rahmen des sächsischen Modernisierungsdiskurses Ich will diese Überlegungen anhand eines von mir verfolgten Projektes über den Modernisierungsdiskurs der sächsischen Staatsregierung im Zeitraum 1990 – 1999 verdeutlichen4. Mich interessiert hier vor allem, welche Funktionen das diskursive Verfahren der Ethnisierung im Rahmen von regionaler Modernisierungspolitik besitzt. Das ist bisher noch wenig untersucht5. Zu den Ergebnissen der Analyse: Ein von uns zunächst nicht erwartetes Resultat der Untersuchung des sächsischen Modernisierungsdiskurses war, dass in diesem Diskurs, in dem Sachsen als moderner zukunftsfähiger Standort präsentiert wird, zugleich mit einer ausgefeilten Ethnisierungstechnik gearbeitet wird. Vorstellungen typisch sächsischer Volkseigentümlichkeiten sind dabei insbesondere für die - der Außenpräsentation dienenden - Imagebroschüren und Werbetexte, herausgegeben von der sächsischen Staatskanzlei, charakteristisch6. Sie sind allerdings - das war die eigentliche Überraschung - nicht auf diese Textsorte beschränkt, sondern für den gesamten Diskurs, so auch für die Textsorte Regierungserklärungen, nachweisbar. Ein Textbeispiel als Beleg: Auf die rhetorisch aufgeworfene Frage, was Sachsen in das geeinte Deutschland einbringe, antwortet Biedenkopf in seiner ersten programmatischen Regierungserklärung 1990: „Wir bringen das Wichtigste ein, was wir haben, nämlich uns selbst. Unser Land mit seinen Menschen, un-sere Geschichte, unseren Unternehmensgeist, unsere Phantasie, unseren Witz (...) Seine Menschen und das Land werden die Identität der neuen Bundesrepublik mitprägen.” (Biedenkopf 1991a).

Nun könnte man diesen Befund mit der Bemerkung abtun, dass es sich hierbei lediglich um einen für Sachsen spezifischen Fall handelt, der seine Erklärung in der besonderen ‘Nachwendesituation’ findet. Dagegen spricht, dass inzwischen auch von anderen Autoren, die sich gänzlich anderen Regionen zuwenden, nachgewiesen wurde, dass eine punktu-

elle Ethnisierung im Rahmen von Modernisierungspolitik eine Rolle spielen kann. Ich verweise etwa auf Michael Keating, der sich in vergleichenden Perspektive mit der Untersuchung politisch-kultureller und sozialer Bedingungen der Modernisierung zweier spanischer Regionen, Katalonien und Galizien, beschäftigt. Als ein wichtiges Ergebnis stellt er heraus, dass in beiden Fällen mit Stereotypen des typischen Katalanen bzw. Galiziers gearbeitet wird. Allerdings sind die Stereotype des typischen Katalanen (er wird als geschäftstüchtig, mit Unternehmergeist und Hang zum Kompromiss ausgestattet beschrieben) eher als die des typischen Galiziers (ihm wird nachgesagt, dass er familienorientiert, ohne unternehmerische Ambitionen, wenig bereit zu umfassender Kooperation ist) für die wirtschaftliche Modernisierung geeignet. Dennoch, so Keating, gibt es in Katalonien auch Gegenstereotype; namentlich erwähnt er den den Katalanen zugesprochene Hang zu Rebellion und Gewaltbereitschaft. Außerdem lassen sich nach Keatings Auffassung die Stereotype des typischen Galiziers zumindest partiell, werden sie uminterpretiert, für Modernisierungsdiskurse nutzen. So kann aus der dem Galizier zugeschriebenen Unsicherheit die positive Eigenschaft der Nachdenklichkeit werden. Und der fehlende Dogmatismus, vormals ein Zeichen der Abhängigkeit von den Meinungen anderer, wird heute als Zeichen von Offenheit bewertet. Gegen einen Kultur- und Geschichtsdeterminismus wendet er deshalb ein, dass es auf die politische Auswahl bzw. Interpretation solcher scheinbar überkommenen Traditionen und Bürgertugenden ankommt (vgl. Keating 2001). Allerdings bleibt doch offen, inwieweit solche Stereotypisierungen im modernisierungstheoretischen Kontext ‘funktional’ sind, ob es Grenzen in der Anknüpfung bzw. Umdeutung solcher Stereotype gibt. Klar ist auch nicht, in welchem Ausmaß überhaupt Generalisierungen bezüglich politischinstitutioneller und kulturell-sozialer Bedingungen der Modernisierung möglich sind oder ob lediglich von Fall zu Fall entschieden werden kann. Insofern sind weitere Untersuchungen notwendig.

4 Das Projekt „Region als Ideologie. Zur Konstruktion der regionalen Identität im politischen Diskurs“ wurde im

Rahmen des SFB 417, Regionenbezogene Identifikationsprozesse, das Beispiel Sachsen‘ bearbeitet. Dabei kam ein spezifischer diskurstheoretischer Analyseansatz zur Anwendung. 5 Es gibt aber in der Literatur durchaus Hinweise, die in diese Richtung gehen. So ist nach Lange eine sich von der gesamtstaatlichen abgrenzende regionale Identität eine, wenn auch nicht hinreichende, Bedingung regionaler Mo-bilisierung (vgl. Lange 1998). Auch in verschiedenen Beiträgen des von Hettlage herausgegebenen Buches wird trotz überwiegend kritischer Sicht auf die Rolle der Ethnisierung als Form politischer Mobilisierung in der Mo-derne hingewiesen (vgl. Hettlage u.a. 1997). 6 Vgl. z.B.: Faltblatt „Freistaat Sachsen“ (Hrsg. Sächsische Staatskanzlei); Sachsen. Und Sachsen (Hrsg. Sächsische Staatskanzlei; www.sachsen.de (Internet-Präsention der Freistaates Sachsen). 199

Regionale Modernisierungspolitik Wolfgang Luutz und Ethnisierung

Wir gehen davon aus, dass man die mentalen und kognitiven Qualitäten, die für den Modernisierungsprozess auf Seiten der Teilnehmer erforderlich sind, nicht voraussetzen kann, jedenfalls nicht in Sachsen in den 90er Jahren. Dass hier ein Problem vorliegt, wird aus entsprechenden Umfrageergebnissen ersichtlich. So weisen EMNID-Erhebungen darauf hin, dass den Sachsen eine Politik des Abbaus der Arbeitslosigkeit und der sozialen Sicherheit wichtiger ist als eine Politik zur Förderung von Wissenschaft, Technik und Bewahrung der Umwelt7. Das heißt, die für die Modernisierung der Region zentralen Eckpunkte Wissenschaft, Technik und ökologische Erneuerung haben im Alltagsbewusstsein der in Sachsen lebenden Menschen nur nachgeordnete Bedeutung. Hier setzen Ethnisierungsverfahren an. Die im untersuchten politischen Diskurs verwendeten Beschreibungen des typisch Sächsischen stellen zwar scheinbar auf tatsächliche Verhaltensweisen des durchschnittlichen Sachsen ab, fungieren in Wahrheit aber als soziale Aktivitätsmatrizen. Vermittels der Form nach deskriptiver Aussagen („der Sachse ist tätig und industriös“) wird ein Sollen formuliert, werden Verhaltensstandards etabliert8. Da es sich um positiv konnotierte Eigenschaftskomplexe handelt („der Sachse als Erfinder und Tüftler“), bieten sich diese den Adressaten zur Selbstbeschreibung und damit als Identifikationsmuster an. Es geht also darum, die auf die Bewältigung der Zukunft gerichteten modernen Verhaltenszumutungen auf dem „Umweg“ über Geschichte und Volkseigentümlichkeiten lebensweltlich anschlussfähig zu halten9. Welche Eigenschaften und Verhaltensstandards sind es, die den Adressaten als „typisch sächsisch“ nahegelegt werden? Auf diese Frage kann hier nicht ausführlich eingegangen werden. Nur soviel sei erwähnt: Gelobt werden die „Sächsinnen und Sachsen“ besonders für „ihren Mut, ihre Initiativen, ihren Fleiß, ihre Beharrlichkeit und ihre Zuversicht“. Sachsens Erfolge, wird herausgestellt, sind auf die besondere Einsatzbereitschaft der Menschen in Sachsen zurückzuführen (vgl. Biedenkopf 1999a, 4). Insbesondere aber eine sächsische Volkseigentümlichkeit wird vom politischen Subjekt immer wieder in den Vordergrund gerückt: Es geht um die Bereitschaft der Menschen, sich auf tiefgreifende Veränderungen einzustellen und Selbstverantwor-

tung zu übernehmen. Hervorgehoben wird der Mut der Sachsen zum Neuen, ihr Wille, sich umzustellen, sich neues Wissen und Qualifikationen anzueignen. Zudem werden die Sachsen für ihr Vertrauen in die Zukunft und ihren Optimismus - nach Auffassung des politischen Subjekts eine wichtige mentale Voraussetzung für das Erreichen der ehrgeizigen sächsischen Zukunftsziele - gelobt (vgl. Biedenkopf 1991c). Die größte Leistung der Sachsen, heißt es in einem anderen Text, sei es, wie sie sich dem Neuen gegenüber geöffnet hätten, ohne es kritiklos zu übernehmen (vgl. Biedenkopf 1992a). Anlässlich des fünften Jahrestages der Neugründung des Freistaats Sachsen wird bilanziert: „Die Menschen haben in der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Umwälzung der letzten fünf Jahre Kraft, Mobilität, Experimentierfreude, Wagemut und Mut zur Selbständigkeit bewiesen.” (vgl. Biedenkopf 1995). In späteren Texten werden die Menschen dann zu noch mehr Eigeninitiative und Selbstverantwortung aufgefordert. Entscheidend, wird in einer Rede hervorgehoben, „ist die Bereitschaft von Menschen, selbst etwas zu unternehmen, aktiv zu werden, Risikobereitschaft zu entfalten“ (Biedenkopf 1999b). Deutlich wird: Bei den zugeschriebenen bzw. geforderten Verhaltenseigenschaften des „typischen Sachsen“ geht es im Kern um die Tugenden des modernen, flexiblen, selbstverantwortlich handelnden Menschen, der als „Unternehmer seiner selbst“ agiert. Dabei ist zu beachten, dass das Dispositiv des typisch Sächsischen im untersuchten Diskurs zum Teil seiner Natürlichkeit entkleidet wird, indem es vom Herkunfts- auf das Arbeits- und Wohnortprinzip umgestellt wird. Das heißt, man kann die sächsischen Eigenschaften unter Umständen erwerben, wenn man bereit ist, für Sachsen zu arbeiten, erst recht, wenn man sich entschließt, seinen Lebensmittelpunkt in Sachsen zu finden (vgl. Biedenkopf 1991b). Hier verliert das Sächsische den Charakter des Geburtsrechts und wird fast zur in freier Entscheidung erworbenen Eigenschaft. Insofern wird es zum Beispiel auch für zuzugswillige „Neusachsen“ geöffnet. Die Botschaft lautet: Jeder, der in Sachsens „Zukunft investieren will, ist in Sachsen willkommen. Jeder, der in Sachsen investiert, wird damit auch ein Wirtschaftsbürger Sachsens“ (vgl. Biedenkopf 1991b). Dabei wird auf das Stereotyp des traditio-

7 Vgl. Sommerbarometer für Sachsen. EMNID-Umfrage im Auftrag der Sächsischen Staatskanzlei, Juli 2000. 8 Auf den normativen Charakter solcher Ethnizitätskonstrukte wird zum Beispiel auch von P. Lohauß aufmerksam gemacht (vgl. Lohauß 1999, 65ff). 9 Ich stütze mich hierbei auf eine entsprechende These von Ipsen (vgl. Ipsen 1996). 200

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nell weltoffenen Sachsen zurückgegriffen: „Seit Jahrhunderten hat dieses Land Menschen aufgenommen, die ihre Heimat verlassen mussten“ (vgl. Biedenkopf 1992b). Unsere Folgerung, die wir aus der Untersuchung des „Sachsen-Diskurses“ abgeleitet haben, lautet deshalb: Ethnisierung und regionale Modernisierung schließen sich unter bestimmten Bedingungen nicht aus, sondern greifen ineinander. Ethnisierung in der von uns untersuchten Form ist Merkmal einer spezifischen Identitätspolitik, deren Anliegen in der Produktion von Subjekten als Adressaten und Trägern von Modernisierungsprozessen besteht. Sie ist insofern Teil einer neuartigen Mobilisierungs- und Machtdispositivs. Es geht um eine Entwicklung weg von rigiden Steuerungstechniken hin zu Selbststeuerungstechniken.

gegeben wurden und die vom sächsischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in Auftrag gegebenen Werbekampagnen anschaut10. Weiterhin kann Ethnisierung als effektive Strategie im Kampf um mehr politischen Gestaltungsspielraum bewertet werden11. So wird sie von den regional agierenden politischen Subjekten unter anderem als Druckmittel zur Erlangung zentral verwalteten Ressourcen eingesetzt12. Um von der übergeordneten Zentrale als Region anerkannt zu werden, die Ansprüche auf zentral verwaltete Mittel hat, um als Region Akteursstatus zu gewinnen, müssen der Raum/seine Bewohner als Einheit mit besonderen Problemlagen und Gestaltungschancen ausgeflaggt werden. Die Wahrnehmung als Einheit (von außen) und die symbolische Herstellung einer bestimmten Einheit des Willens (im Innern) setzt jedoch eine gewisse Homogenisierung voraus. Insofern ist Ethnisierung eine Bedingung der politischer Repräsentation der Region: Man kann noch weiter gehen und behaupten: Keine repräsentative Politik, die den Menschen als Bürger (und dass heißt bis heute als Bewohner eines bestimmten Territoriums!) anspricht, kommt ohne eine solche Vereinheitlichung und zugleich Spezifizierung („Versächsung“) aus (vgl. Biedenkopf 1998, 45). Zugespitzt formuliert: Der Souverän (das besondere Volk), das der (Regional-)Politiker vertritt, wird durch die differenzierende und integrierende Arbeit der Identifikation erst geschaffen. Ganz in diesem Sinne heißt es: „Die Bundesländer haben im Westen wie im Osten einen Anspruch auf ihre jeweilige Identität.“ Deshalb, artikuliert das Subjekt seine politischen Gestaltungsansprüche, wolle man zunächst den eigenen „sächsischen Weg“ definieren und diesen dann „in das größere Ganze“ einordnen (Biedenkopf 1995, 44). „Sachsen“, wird dieser Anspruch untersetzt, „hat sich seit jeher durch eine in Deutschland fast einmalige Verbindung von Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur ausgezeichnet. Es ist diese Verbindung, die einen we-sentlichen Teil der sächsischen Identität ausmacht, einer Identität, aus der die Menschen Kraft und Zuversicht schöpfen

Welche weiteren Funktionen der Ethnisierung im Rahmen von regionaler Modernisierungspolitik konnten anhand des sächsischen Beispiels nachgewiesen werden? Auffällig vor allem ist die extensive Verwendung von Ethnisierungstechniken im Rahmen des Standortdiskurses: In der Standortdebatte geht es darum, die Besonderheiten und Stärken der jeweiligen Region im Kampf um das international fluktuierende Kapital auszuflaggen. Besondere sächsische Volkseigentümlichkeiten („human resources“) sollen den Standort für auswärtige Investoren attraktiv machen. Der Ort der Zukunftssicherung, so die Erzählung, sind die Menschen der Region. Es war schon immer die menschliche Qualität, wird argumentiert, „die dieses Land reich und groß machte, und auf die wir aufbauen können“ (Biedenkopf 1991a). Mit seiner reichen Geschichte und seinem „Humankapital“ verfüge Sachsen über viele immaterielle Standortvorteile. „Wir haben“, heißt es in einem Biedenkopf-Text wörtlich, „keine Bodenschätze, wir haben kulturelle Schätze (Biedenkopf 1995). Noch augenfälliger wird diese Strategie, wenn man sich die verschiedenen Imagebroschüren, die von der sächsischen Staatskanzlei heraus-

10 (Biedenkopf 1995). So enthält die Werbebeilage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung „Innovationsstandort

Sachsen“ (Verlagsbeilage. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 118 vom 22. Mai 2001) unter anderem die folgenden Überschriften: - „Land der Tüftler. Sachsen behauptet sich als ostdeutsche Technologieregion“, - „Tätig und industriös. Unternehmerische Tradition und Innovationsfreude zeichnen den Freistaat aus“, - „Lokomotiven des Fortschritts. Über sächsische Brücken-, Maschinen- und Hochhausbauer“. 11 Es ist daher aus meiner Sicht eine unzulässige Verkürzung, wenn in der neueren regionalwissenschaftlichen Literatur die Region lediglich als Arena und Gegenstand von Politik betrachtet wird (vgl. zu diesem Standpunkt [Benz u.a. 1998, 15ff]). Sie wird vielmehr in bestimmter Hinsicht selbst zum Träger bzw. Subjekt von Politik. 12 Darauf wird auch von Hettlage aufmerksam gemacht (vgl. Hettlage 1997). 201

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(...)“. Die Notwendigkeit der Ausformung einer besonderen Identität wird dabei vom politischen Subjekt mit dem Bedürfnissen nach Sinnstiftung und überschaubaren Lebenseinheiten im stark zentralistisch organisierten bürokratischen Europa begründet (Biedenkopf 1999a, 57). „Europa“, wird gefolgert, „hat nur als Europa der Vielfalt und der Regionen eine wirkliche Zukunft.” (vgl. dazu Reese-Schäfer 1999, 27). Schließlich kann von einer sozialintegrativen Funktion der Ethnisierung gesprochen werden. Politisch initiierte Umverteilungsprozesse setzen zu ihrer Legitimation ein Bewusstsein, dass auch abgehängte Regionen Teile Sachsens sind und damit ein entsprechendes Wir-Bewusstsein voraus. Man muss den „Anderen“, sei es ein Leipziger, Dresdener oder Erzgebirgler, als „seinesgleichen“ ansehen, um zu solidarischer Verpflichtung motiviert zu werden. Jede Sozialpolitik ist folglich auf Identitätsvorstellungen angewiesen (vgl. (Biedenkopf 1991a, 62). Es geht um die Einebnung bzw. Überbrückung innersächsischer Scheidungen, und das in einem dreifachen Sinne. Einmal geht es um die Relativierung lokaler/subregionaler Differenzen (Vogtland, Erzgebirge, Oberlausitz, Sächsische Schweiz etc.). Die Vielfalt „seiner Regionen, seiner Landsmannschaften und Völker“ wird zwar als Spezifikum sächsischer kultureller Identität angesehen. Die Kulturgemeinschaften, wie zum Beispiel die Sorben, entfalten aber, wird argumentiert, ihre Besonderheiten nur im Rahmen, und nicht außerhalb der sächsischen Einheit (Biedenkopf 1991a, 36f.). Zum anderen wird das Konstrukt „sächsische Identität“ dazu benutzt, um politische Differenzen im Innern zu eliminieren. Dabei wird auf die Erzählung des/der friedlichen Sachsen zurückgegriffen. Sich auf die „friedliche Revolution, die von den Menschen in Sachsen ausging“ und deren Tradition der „runden Tische“ mit ihrer Konsensorientierung berufend, wird die Opposition zur Mitarbeit am Aufbauwerk Sachsen eingeladen. Politik, so die Selbstdarstellung, solle sich nur noch an Sachfragen, die gemeinsam zum Wohl des Landes und seiner Bewohner zu bewältigen sind, nicht mehr an Parteigrenzen orientieren (vgl. (Biedenkopf 1994). Weiterhin geht es um die Auslöschung sozialer Dif-

ferenzen. Ethnisch ausgerichtete Identitätspolitik kann hier als Versuch der Installierung einer imaginären Verantwortungsgemeinschaft jenseits wohlfahrtsstaatliche Fürsorge gewertet werden. Zur Verantwortung, wird ausgeführt, gehört immer auch die Verantwortung für diejenigen Menschen, die sich selbst nicht helfen können (Biedenkopf 1994, 59). In diesem Zusammenhang wird eine Umpolung des sozialen Engagemants vom staatlichen Verband auf sogenannte kleine Lebenskreise - die Familie, die Kommune, die Region - gefordert. 4. Ethnisierung im Rahmen von Modernisierungsdiskursen und Folgekosten: Versuch einer kurzen Bilanz Trotz nachgewiesenen Einordnung dieser - zudem eher schwachen - Form der Ethnisierung in modernisierungstheoretische Kontexte sei vor jeder Blauäugigkeit, was die angestrebten und erreichten Wirkungen betrifft, gewarnt. 1. Zu beachten ist, dass die Ethnizitätskonstrukte zumeist mit einem (lustigen) Augenzwinkern verwendet werden. Es wird dabei unter anderem auf Fremdwahrnehmungen („dem Sachsen wird nachgesagt“) über das typisch Sächsische verwiesen, um spezifisch Sächsisches behaupten und zugleich relativieren zu können. Damit versucht der politische Akteur dem Vorwurf der Essentialisierung zu entgehen. Dieser fast spielerische Umgang ändert aber aus meiner Sicht nichts an der Funktion dieser Stereotype als Verhaltenszumutungen, nur dass er diesen etwas die Härte nimmt und sie damit für den Adressaten „bekömmlicher“ macht. Außerdem ist anzunehmen, dass die Adressaten das Augenzwinkern aus der Entfernung vielleicht gar nicht wahrnehmen. Werden diese Stereotype des besonderen Sachsen aber zu wörtlich genommen, könnte das statt der angestrebten Weltoffenheit Provinzionalismus befördern. 2. Eine kritische Stellungnahme wäre möglich auch wegen anderer Effekte, die mit der Anwendung des Verfahrens der Ethnisierung verbunden sind. Wenn alle Standorte mit dem Argument um auswärtige Investoren werben, dass ihre Menschen fleißig, flexibel, dem Neuen gegenüber aufgeschlossen etc.

13 So argumentiert zum Beispiel der Oberbürgermeister von Oberhausen auf der Konferenz „Regiovision - Wege

in die Zukunftsfähigkeit“ ganz ähnlich: „Und mit dem Wissen, darüber hinaus auch nach wie vor das größte Kapital dieser Region, nämlich die Menschen, an seiner Seite zu haben, Menschen, die ans Zupacken gewöhnt, die auf- geschlossen gegenüber Neuem sind und deren Krisenerfahrung und unermüdlicher Fleiß (Hervorhebung - W.L.) dem Ruhrgebiet in wirtschaftlich schweren Zeiten immer wieder auf die Beine geholfen haben, können wir, so glaube ich, mit begründeter Zuversicht in die Zukunft schauen.“ (Lehner u.a. 1995, 117). 202

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Bibliographie

sind, dann dürften sich diese Strategien wechselseitig paralysieren13. 3. Die immanente Entwicklungslogik der Ethnisierung ist selbst, wenn man als Inhalt universalistische Verhaltensweisen unterstellt, eine latent partikularistische, da die Identifikation von besonderen sächsischen Eigenschaften eine implizite oder explizite Abgrenzung zu anderen „Volksgruppen“ verlangt (siehe etwa „Wir sind nicht der Osten, wir sind Sachsen”14). Unter den Bedingungen eines Wettstreits der Regionen, der neben prosperierenden Regionen auch abgehängte Regionen zurücklassen wird, dürfte sich dieser - heute noch latente - Partikularismus verschärfen. 4. Zudem sehe ich die Gefahr, dass die Stereotype anders als im modernisierungstheoretischen Kontext verwendet werden könnten. Das heißt, es ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sie zum Beispiel im rechtsradikalen Kontext aufgenommen und völkisch umgedeutet werden. Stereotype sind, wenn sie zirkulieren, nicht länger Eigentum des Produzenten, deshalb fallen Absichten und Wirkungen selten zusammen. Nicht die Inhalte allein, auch die Verfahren selbst könnten gefährlich sein. 5. Schließlich ist auch der modernisierungstheoretische Kontext des ethnisch aufgeladenen SachsenDiskurses („Standortwettstreit“, „Wissensgesellschaft“, „Deregulierung“ etc.), insbesondere aber dessen Dogmatisierung im politischen Diskurs, in Frage zu stellen. Die Verhaltenszumutungen des flexiblen, eigenverantwortlichen, als Unternehmer seiner Selbst agierenden Menschen werden, insoweit sie als Modernisierungsanforderungen verkleidet und nach hinten verlängert werden, als unausweichlich und unabänderlich dargestellt. Den Adressaten fällt es dementsprechend schwer, sich offen zu entziehen. Allerdings sind individuelle Gegenstrategien zu erwarten, die sich ebenfalls der Ethnisierung bedienen. Man knüpft dann an die unausweichliche Ambivalenz der Stereotype oder gar an Gegenstereotype des typisch Sächsischen an (der Sachsen ist nicht nur fleißig, sondern auch gemütlich/lässt sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen, er ist zwar allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, aber auch bodenständig und heimatverbunden etc.).

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14 So der Titel einer entsprechenden Regierungserklärung von Biedenkopf (vgl. Biedenkopf 1998). 203

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Archäologie und sächsische Identität Ulrike Sommer, University College London

Definiert man als Aufgabe der Archäologie die Produktion von Wissen über die Vergangenheit an Hand überlieferter materieller Kultur, bleibt eine Reihe von Fragen offen. Unter anderem, wer dieses Wissen produziert – scheinbar nicht nur die wie auch immer legitimierten professionellen Archäologen - und für wen für wen dieses Wissen produziert wird. Vor allem aber: um wessen Vergangenheit geht es eigentlich? Vergangenheit ist ein wichtiger Bestandteil von personaler und Gruppenidentität. „So weit wie das Bewußtsein sich auf vergangenes Handeln und Denken zurück erstreckt, so weit reicht die Identität dieser Person“ schrieb John Locke in seinem „Versuch über den menschlichen Verstand“ von 1690 (Thiel 1997). Stuart Hall (1994, 202-204) nennt fünf Elemente, die für die diskursive Konstruktion einer Nationalkultur wesentlich sind: 1.Die Erzählung der Nation, welche Geschichte, Landschaft, nationale Symbole etc. miteinander verbindet und aus Ereignissen der Vergangenheit eine zusammenhängende, sinnvolle Geschichte herstellt 2.Die Betonung von Ursprüngen, Kontinuität, Tradition und Zeitlosigkeit. Die Nation erscheint über alle Zeiten als unveränderlich 3.die Erfindung von möglichst alten Traditionen 4.ein Gründungsmythos, der in möglichst ferner Vorzeit liegt 5.die Idee eines reinen, ursprünglichen Volkes Die Vergangenheit spielt in allen diesen Punkten eine wichtige Rolle, und zwar nicht irgend eine Vergangenheit, sondern eine ‘eigene’ Vergangenheit. Im folgenden soll untersucht werden, wie die Kontinuität konstruiert wird, durch die aus Überresten der Vergangenheit ‘eigene’, also eine für die Selbsterzählung (vgl. Habermas 1981, 206 f.; Wodak et al 1998; Middell et al. 2000) einer wie auch immer definierten Gruppe geeignete Vergangenheit gemacht wird.

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Mechanismen der Kontinuitätskonstruktion Die Konstruktion einer Kontinuität zwischen Gegenwart und Vergangenheit kann über die Kontinuität eines Volkes, gleich, ob dieses nun biologisch, politisch oder sozial definiert wird (Anderson 1996; Eriksen 1992; Gellner 1983; Handler 1988; Hobsbawn 1996; Hobsbawn/Ranger 1983; Smith 1986), die Kontinuität einer Kultur, ob nun mit großem oder kleinen K, oder die Kontinuität eines Territoriums erfolgen, wobei die Definition jedes dieser Faktoren zu diskutieren ist (Sommer 2003). Die Vergangenheit des eigenen Volkes muß sich nicht unbedingt auf dem eigenen Territorium abgespielt haben. So präsentiert zum Beispiel das Nationalmuseum in Budapest eine große ethnographischer Sammlung aus Sibirien, weil man aus linguistischen Gründen dort das Heimatland der Ungarn sah. Das selbe gilt für die Vergangenheit der eigenen Kultur: Für das christliche Mittelalter über den Humanismus bis weit in das 19. Jahrhundert war die biblische Überlieferung die Grundlage jeder Geschichtsschreibung, an welche die Geschichte der jeweiligen Dynastie anzuhängen war. Die zweite Wurzel der abendländischen Kultur sah man in der klassischen Antike. Allerdings bemühte man sich in beiden Fällen, eine genealogische Verbindung herzustellen, über die Anknüpfung an die Völkertafel von Genesis 1,10 oder die Trojaner, von denen die Mehrzahl der europäischen Herrschergeschlechter abstammen wollten (Münkler und Grünberger 1994, 221; Graus 1989; Garber 1989). Eine solche Kontinuität wurde aber nicht allein über Abstammung konstruiert. Seit dem 18. Jahrhundert war die angebliche Seelenverwandtschaft der Deutschen zu den Griechen ausreichend (Butler 1935; Marchand 1996), um sie zu deren “wahren” Nachfolgern zu machen. Hier dürfte sowohl die Vier-Reiche-Lehre der Bibel (Buch Daniel), die in modifizierter Form noch bis ins 19. Jahrhundert den Aufbau weltgeschichtlicher Darstellungen prägte, als auch Hegels Geschichtsphilosophie von Einfluß gewesen sein. Hegel sah die Weltgeschichte als “die Entwicklung des Bewußtseins des

Archäologie und sächsische Identität

Geistes von seiner Freiheit” (1961, 117). Der Weltgeist verwirklicht sich in einer Abfolge von Reichen, die von verschiedenen Völkern getragen werden, in der die Prinzipien der (bürgerlichen) Freiheit zunehmend entwickelt werden. Die einzelnen Völker und ihre Reiche verschwinden zwar, und “[s]ind es Begierden, welche Völker zu Handlungen treiben, so gehen solche Taten spurlos vorüber, oder ihre Spuren sind vielmehr nur Verderben und Zerstörung.” (ibd., 133). Führen solche Handlungen dagegen zu zunehmender Selbsterkenntnis des Weltgeistes, so verschwinden die Völker zwar, aber indem sie in einer höheren Stufe der staatlichen Entwicklung aufgehoben werden.

1996), das teilweise das Vorbild des Alten Testaments (Exodus) aufgreift. Zwar wird schon bald nach ihrer Wiederentdeckung um 1455 in einer unbekümmerten Gleichsetzung der Deutschen mit den Germani auf die Germania des Tacitus zurückgegriffen, in der ja bekanntlich berichtet wird, daß die Germanen „Ureinwohner und von Zuwanderung und gastlicher Aufnahme fremder Völker gänzlich unberührt“ (Germania 2) seien. Bei den Humanisten Jacob Wimpfeling, Heinrich Bebel und Conrad Celtis z. B. wird aus dieser Angabe die Vorstellung von den Deutschen als dem „ältesten aller Völker“ entwickelt, das auf Grund dieser Tatsache eine Vorrangstellung beanspruchen könne (Münkler und Grünberg 1994, 227). Wie der Beitrag Novaković (dieser Band) zeigt, spielt das "Alter" der Völker sogar in der zeitgenössischen Diskussion noch eine Rolle. In der Konstruktion der deutschen origo-Erzählung konnte sich der Authochthonie-Topos zunächst nicht lange halten. Über den Pseudo-Berossos des Annius von Viterbo wurde eine Genealogie konstruiert, mit der Tacitus‘ Germanen über Mannus und Tuisco auf Noah zurückgeführt werden konnten (Münkler und Grünberg 1994, 227), also beide Ursprungserzählungen kombiniert wurden.

“Das Resultat dieses Ganges ist also, daß der Geist, indem er sich objektiviert und dieses sein Sein denkt, einerseits die Bestimmtheit seines Seins zerstört, andererseits das Allgemeine desselben erfaßt, und dadurch seinem Prinzip eine neue Bestimmung gibt. Hiermit hat sich die substantielle Bestimmung dieses Volksgeistes geändert, d.i. sein Prinzip ist in ein andres und zwar höheres Prinzip aufgegangen.” (ibd. 135f).

Damit konnte sich etwa der preußische Staat nach 1815 als direkter Nachfolger des antiken Griechenland verstehen. Im 18. und 19. Jahrhundert sahen viele europäische Staaten ihre eigentlichen Wurzeln in der griechischen oder römischen Antike (Turner 1981; Clarke/Eade 1989; Marchand 1996; Hingley 2000), die großen Sammlungen antiker Kunst sollten der Wiedergewinnung dieser Wurzeln dienen. Erst die Nationalsozialisten versuchten diese “Seelenverwandtschaft” wieder auf eine genealogische Beziehung, die “rein nordisch-germanisch[en]” Wurzeln des Griechentums zu gründen (Wirth 1938, 222; s.a. Marchand 1996, 349-354).

Erst mit dem Aufkommen des modernen Nationalstaates und der postulierten, das heißt vor allem angestrebten Einheit von Volk, Sprache, Territorium und einer wie auch immer definierten Kultur wurde der Autochthonismus wirklich populär1. Für die Archäologie hieß das, daß alle auf einem Territorium gemachten Funde und Bodendenkmäler als Hinterlassenschaften „unserer heidnischen Vorfahren“ bzw. konkret benannter und bereits als Vorfahren reklamierter „Völker“ gedeutet werden konnten. Für einige deutsche Staaten schien das relativ problemlos möglich, in Sachsen, mit einer durch mittelalterliche Quellen belegten slawischen und einer von vielen Forschern angenommenen keltischen Besiedlung war dieser Kontinuitätsfaden nur schlecht bzw. mit einigem argumentativen Aufwand herzustellen (vgl. Beitrag Biel für Württemberg). Auch in Preußen galten noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts die baltischen Pruzzen als Vorfahren (z. B. Märker 1821), bis sich spätestens 1871 das germanozentrische Weltbild durchsetzte. Eine Kontinuität konnte jedoch auch über das Land hergestellt werden, das Mentalität und Aussehen

Migration und Autochthonismus Die Kontinuitätskonstruktion über das Land ist zunächst eher selten. Fast alle mittelalterlichen europäischen ethnogenetischen Erzählungen sind Migrationserzählungen, die berichten, wie ein Volk, seien es nun Goten, Iren, Langobarden oder Ungarn, in ihre spätere Heimat einwanderte. Dies mag daran liegen, daß dieses Muster sowohl von der biblischen (Auszug aus Ägypten), als auch der antiken Überlieferung (Äneis) vorgegeben war. Autochthonie galt nicht als besonderer Vorzug, waren doch die Ureinwohner oft der unterworfene Bevölkerungsteil. Solche ethnogenetischen Erzählungen folgen meist einem festen Schema (Prem

1 Nicht nur in Deutschland: So behauptete z.B. Kalina von Jäthenstein, die Slaven seien in Böhmen autochthon und nur zeitweise durch Kelten und dann Germanen unterworfen gewesen (Sklenar 1983, 95). 206

Ulrike Sommer

seiner Bewohner prägte, in der Tradition des Umwelt-Determinismus etwa von Bodin, Montesquieu und Herder. Die prähistorischen Bewohner besitzen damit per se die selben Eigenschaften, die sich auch die heutigen Einwohner zuschreiben, gleichzeitig bestätigen diese in einem Zirkelschluß die Wahrheit dieser Behauptung und belegen die entsprechenden Eigenschaften bereits für die ferne Vergangenheit.

bereits in der Vorgeschichte aufgespürt und kamen später quasi zwangsläufig zum Tragen. So wurde in vielen populären Darstellungen stereotyp eine Blüte von Ackerbau und Viehzucht, Bergbau, Industrie und Handel für Sachsen bereits im Frühmittelalter postuliert und oft sehr direkt der aktuellen Entwicklung gegenübergestellt. Eduard Machatschek (1862) berichtet etwa von den “Sorbenwenden” folgendes:

“Doch war ihnen die friedliche Arbeit lieber, als der blutige Krieg. Sie trieben nicht nur unter einander mit Vieh, Wolle, Lein, Getreide, Salz und einem in Birkensaft aufgelösten Honig (Meth) eine Art Tauschhandel, sondern befuhren auch mit diesen Waaren auf leichtgezimmerten Schiffen die Elbe. Anfangs kleideten sie sich in Thierhäute, dann in Zeug und Pelzwerk, genoßen ihre Erzeugnisse an Brot, Butter, Käse, Honig, Fleisch und Wein, liebten Wettrennen zu Fuß und Pferd, Gesang, Kampfspiele und wildes Tanzen in Begleitung kriegerischer Musik. Sie waren in der Kunst des Schwimmens und Tauchens geschickt. Sonst ist ihnen, wie allen Slaven, Offenheit und Gradsinn, Freiheitsliebe und Tapferkeit, Gastfreundschaft und Arbeitssamkeit, Mäßigung und Ausdauer, Heiterkeit und Friedensliebe nachzurühmen.”

Sachsen etwa sind, als Bewohner eines fruchtbaren Durchgangslandes, damit auch schon in der Vorgeschichte weltoffen, fleißig, erfindungsreich und geschickt. Auf ethnische Konstrukte mußte nicht zurückgegriffen werden. Kontinuität über kulturelle Errungenschaften Die Schaffung einer Kontinuitätslinie kann auch über kulturelle Errungenschaften erfolgen. So wurden die Pfahlbauern zu den Vorfahren der Schweizer, als diese 1848 nach einem gemeinsamen Nenner jenseits der mittelalterlichen Geschichte suchten (Kaeser im Druck). Die Pfahlbauern, die sich schon durch ihre Siedlungsweise deutlich von den Nachbarn unterschieden und in allen Sprachzonen der Schweiz zu finden waren, empfahlen sich auch durch ihre friedliche, arbeitsame Lebensweise, generellen zivilisatorischen Fortschritt, den Handel mit den Nachbarn sowie ihre “sauberen, kunstreichen Siedlungen“ als Vorfahren eines Volkes, das sich die selben Eigenschaften zuschrieb (ibd.).

Noch direkter stellt Karl Petermann (1881) diesen Zusammenhang von Damals und Heute klar, wenn er ausführt: “Freuen wir uns jetzt über die fruchtbaren Getreidefluren in der Meißner, Lommatzscher, Leisniger und Leipziger Gegend, und erbauen wir jährlich im Durchschnitte 14-15 Millionen Hektoliter Körnerfrüchte, so wollen wir nicht vergessen, daß der Grund zum Anbau des Landes mit von den alten Sorben-Wenden gelegt worden ist.“

“During these years 1850 to 1880, the identification of the Swiss with the Lake-dwellers was not really based on the sharing of “Swiss blood“, or on the assertion of an essential, exclusive character. This identification rested on the idea that the Lake-dwellers had fulfilled, in the past, an ideal which was still the ideal of modern Switzerland. An ideal of peace and tolerance, built on freedom and progress, through education and labour” (ibd.).

Auch hier wurde eine also Verbindungslinie trotz fehlender oder zumindest nicht behaupteter ethnischer Kontinuität geschaffen, wobei unklar bleibt, wie diese Kontinuität tradiert wurde. Insgesamt waren es in Sachsen jedoch weniger die Archäologen als die Historiker, die den ideologischen Nutzen der Beschäftigung mit Geschichte und Vorgeschichte betonen welche den Patriotismus bzw. die Vaterlandsliebe fördere. Die Art, wie die Zeit des heidnischen Alterthums in eine geschichtliche Darstellung eingeordnet wurde, hatte jedoch direkte Auswirkungen auf die Interpretation von Bodenfunden.

T. Champion (2001) hat herausgearbeitet, wie die Phönizier in spät-Viktorianischer Zeit kurzfristig eine wichtige Stellung in der britischen Geschichte einnahmen, weil sie frühen Welthandel, industrielle Warenproduktion und eine ‘fast’ konstitutionelle Verfassung aufwiesen und durch ihr Vorbild wilde Stämme, wie zum Beispiel die alten Briten, höherer Zivilisation zuführten. Auch hier wurde, in einer Zeit des zunehmenden Antisemitismus, keine direkte genetische Verbindung behauptet, aber eine tiefe Wesensgleichheit aufgedeckt.

Fund und ethnische Deutung Fast das ganze 19. Jahrhundert stand die vaterländische Alterthumskunde unter dem Zwang, ihre Existenz angesichts der spärlichen und im Vergleich zu den Hinterlassenschaften der klassischen

Dieses Muster wurde auch in Sachsen eingesetzt. Die Wurzeln künftiger sächsischer Größe wurden 207

Archäologie und sächsische Identität

Antike ästhetisch wenig ansprechenden Funde zu rechtfertigen. Vielfach reihte sie sich denn auch weniger den Wissenschaften als den Freizeitbeschäftigungen zu, die jedem Interessierten offenstanden. Damit Bodenfunde in eine Erzählung über die Vergangenheit eingegliedert werden konnten, mußten sie als Artefakte erkannt werden. Das war keineswegs selbstverständlich, die berühmten selbstwachsenden Töpfe der Lausitz wurden in der Literatur bis zum Ende des 18. Jahrhunderts diskutiert. Bereits im 18. Jahrhundert wurden ethnische Zuweisungen von Bodenfunden, also eine Einordnung in das Interpretationsmuster von Volk und Abstammung versucht. Dies geschah meist ohne Angaben von Gründen und alternativen Deutungsmöglichkeiten und scheint hauptsächlich von den Vorlieben des jeweiligen Verfassers abzuhängen. Ohne Leonhard Franz‘ (1943) Rede von der Slawomanie folgen zu wollen, läßt sich doch beobachten, daß in Sachsen, besonders in der Lausitz, eine Deutung von Bodenfunden als slawisch bevorzugt wurde.

Sitten vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, und von Rußland bis ins Wendland weitgehend undifferenziert zusammen angeführt. Befestigungsanlagen wurden vor allem den „kriegerischen“ Germanen zugeschrieben, da die Slawen anerkanntermaßen friedfertigen Charakters waren und solche daher nicht benötigten. Dieses Deutungsmuster findet sich auch bei zeitgleichen tschechischen Autoren (Sklenar 1983, 95). Alternativ wurden die Anlagen als Tempel angesprochen (Grunwald 2004a, b). Autoren wie K. A. Engelhardt und K. B. Preusker gelang eine durchaus befriedigende Einbettung prähistorischer Funde in eine vaterländische Geschichte – wenn auch unter gegensätzlichen ethnischen Vorzeichen. Engelhardt (1802) interpretierte alle Bodenfunde aus Sachsen als slawisch, da die nomadisch umherziehenden Hermunduren kaum Spuren hinterlassen hätten. Preusker setzte sich in seinen 1841 erschienen Blicken in die vaterländische Vorzeit zwar nicht explizit mit dem Drei-Perioden-System auseinander, ordnete aber die Werkzeuge aus Stein und Bronze den Kelten zu, während sie von den Slawen nicht mehr verwendet worden seien. Zwischen beiden standen die Germanen, denen sowohl Bronze- als auch Eisengeräthe zugeschrieben werden. Die zeitliche Tiefe der Vorgeschichte war für Preusker immer noch so gering, daß sich auch aus der Keltenzeit noch Überlieferungen erhalten hatten, die sich etwa in Sagen über Braukessel, die er mit Opferkesseln gleichsetzte, und über Zwerge und Buschweibchen, die auf die Erinnerung an die unterworfene vorherige Bevölkerung zurückgingen, äußerten. Er zeigt sich hier stark von den Veröffentlichungen der Brüder Grimm geprägt. “Ohne Sage keine Alterthum, ohne Alterthum keine Geschichte” (Preusker 1841, 45) formulierte er apodiktisch. Dieser Ansatz bedingte fast zwangsläufig die Annahme einer zu mindest teilweisen ethnischen Kontinuität, da sonst keine Tradierung erfolgen konnte. Diese, seinerzeit durch nichts im Fundgut gestützte Annahme sollte auch weiterhin die Deutung der sächsischen Vorgeschichte beherrschen. Preusker bekannte sich auch zu einem Umweltdeterminismus.

Schon 1781 stellte die Oberlausitzische Gesellschaft in Görlitz die Preisfrage, ob Germanen oder Serben die ersten Bewohner der Oberlausitz waren, diese Aufgabe wurde jedoch erst 1841 zur Zufriedenheit der Gesellschaft bearbeitet. In dem ersten Abschnitt der Forschung wurden zur Beantwortung der Frage nach den ersten Bewohnern Sachsens lediglich die antiken Schriftquellen herangezogen, die Bodenfunde dienten im besten Falle als Illustration. Nach diesem Muster ist zum Beispiel Gustav Klemms Handbuch der germanischen Alterthumskunde von 1836, das vor allem sächsische Funde enthält, aufgebaut. Zur Diskussion als Urbewohner standen zu diesem Zeitpunkt Slawen und Germanen, auch die Kelten tauchen bis in die 1840er Jahre in der Diskussion immer wieder auf (z.B. Preusker 1841), neben vereinzelten Behauptungen römischer Funde (etwa Deer 1749; Anon 1750). Seit Mitte der 1820er Jahre begannen einige Autoren, aus den Schriftquellen Kriterien herzuleiten, die eine ethnische Zuordnung archäologischer Funde ermöglichen sollten. Insbesondere spezifische Bestattungssitten wird immer wieder diskutiert, die Frage konnte aber wegen der Widersprüchlichkeit der Quellen nicht gelöst werden, was wiederum an der fehlenden chronologischen und geographischen Auflösung liegt – so wurden etwa alle „slawischen“

“Die Bildungsgeschichte der Nationen steht daher mit der ursprünglichen Eigenthümlichkeit und der allmähligen Umänderung der natürlichen Landesbeschaffenheit in naher Beziehung...” (Preusker 1841, 58).

Heutige Grenzen seien für den Statistiker und Geographen bedeutsam, nicht aber für den ‘Culturhistoriker, Alterthums- und Naturforscher” (ibd). So rechnete er mit slawischen Siedlungen vor allen 208

Ulrike Sommer

Ethnische Deutung und Chronologie

in der Ebene und den Flußauen, da diese Nation eine natürliche Affinität zum Wasser besitze, zu deren Beleg unter anderem die Angaben Herodots herangezogen wurden (ibd. 73), während die Germanen entsprechend ihrer Natur wilde Gebirgsgegenden bevorzugten.

Die zunehmende Verwissenschaftlichung der Archäologie, ausgelöst auch durch die Frage der ethnischen Zuordnung, führte zu einer zunehmenden Distanz zwischen Fachwissenschaft und populärer Deutung. Zwar wurden durch bessere Datierungsmethoden und die dadurch seit 1860 rapide zunehmende zeitliche Tiefe der Vorgeschichte die schlichte Erzählung von „unseren Vorfahren“ in einer zeitlosen, - sei es idyllischen, sei es rohen Urzeit weitgehend hinfällig. Andererseits führte die katalog- und kartenmäßige Erfassung der vorgeschichtlichen Funde zu einer Herauslösung des Einzelfundes aus seiner konkreten Verortung, der Verbindung mit einer holistisch wahrgenommenen Landschaft und der volkstümlichen Überlieferung.

Ab der Mitte der 1830er Jahre finden sich Argumentationen, mit denen eine ethnische Deutung an Hand von Fundverteilung und Fundvergesellschaftung, also aus dem Material heraus versucht wurden. So forderten zum Beispiel der Antiquar Karl Benjamin Preusker und Gustav Klemm, Dresdner Bibliothekar und Museumsleiter, einen systematischen Vergleich von rein germanisch und rein slawisch besiedelten Gegenden, um die sächsischen Funde den betreffenden Völkerschaften zuweisen zu können.

Friedrich Lisch hatte slawische Keramik bereits 1847 identifiziert. Als Rudolf Virchow 1872 die Lausitzer Keramik von der germanischen unterschied, ordnete er ihr bezeichnenderweise kein Volk aus der historischen Überlieferung zu. In einem Vortrag von 1885 führte Virchow aus, daß in der früheren Altertumsforschung, die hauptsächlich durch die Geschichtsvereine betrieben worden sei, die Suche nach den Spuren der eigenen Vorfahren im Vordergrund gestanden habe und es letztlich darum gegangen sei, die eigene Geschichte so weit wie möglich in die Vergangenheit zu verlängern. Dieses Vorgehen bezeichnete Virchow jedoch als „verderbliche Methode“ (1885, 14). Diese Periode einer lokalen und historisch geprägten Vorgeschichtsforschung sei nun, mit der Durchsetzung des Dreiperiodensystemes abgeschlossen, und es gelte jetzt, nach wissenschaftlichen Kriterien zunächst die Verteilung bestimmter Artefakttypen in Zeit und Raum zu untersuchen. Es sei nicht mehr mit der vorgegebenen Frage nach Kelten, Germanen oder Slaven an das Material heranzugehen, sondern nach „anthropologische Provinzen“ zu suchen, die sich aus der objectiven Zusammenstellung des Materials ergäben. Die meisten Funde stammten ohnehin aus einer so fernen Vorzeit, daß die Frage „germanisch, keltisch oder slavisch“, die bisher die Vorgeschichtsforschung beherrscht habe, gegenstandslos sei (ibd.). Allenfalls könne man sie in ferner Zukunft, nach weiteren gründlichen Untersuchungen einmal angehen. In der neuen wissenschaftlichen Archäologie Virchows wurde der Bodenfund also zu einem anonymen Punkt auf der Karte reduziert, dessen ethnische Deutung zunächst nicht in Angriff genommen

Die Urbewohner Sachsens Über die Identität der ersten Bewohner von Sachsen bzw. der Mark Meißen wurde bis 1870 keine Einigkeit erreicht. Zwar wurde um die Zuordnung einzelner Funde und Fundgruppen durchaus erregt gestritten, besonders die Frage, ob es slawische Brandbestattungen gegeben habe, wurde immer wieder diskutiert, aber insgesamt scheint die Frage nicht von solcher Bedeutung gewesen zu sein, daß sie in Forscherkreisen wirkliche Konflikte auslöste. Das mag daran liegen, daß sich die sächsische Identität, je nach politischer Ausrichtung, an verschiedenen Vorfahren festmachen konnte. Während die Kelten allmählich wieder in den Nebeln der Romantik verschwanden, aus denen sie gekommen waren, verkörperten die Germanen kriegerische Erfolge und politische Freiheiten. Die Slaven dagegen standen für wirtschaftlichen Erfolg und friedliche Kultur, „blühende Landschaften“ (Sommer 2002). Eine direkte genealogische Verbindung wurde selten gezogen, aber die Sachsen des 19. und teilweise auch noch des 20. Jahrhunderts fanden ihren „Volkscharakter“ in den stereotypen Beschreibungen der Slaven wieder, die auf Herder, von Anton, aber auch auf polnische und tschechische Autoren, unter anderem Šafařík und Dobrovský zurückgingen. Ab 1848 existieren auch ausgesprochen slawenfeindliche Darstellungen (z. B. Wietersheim 1852), diese sind aber in Sachsen vergleichsweise selten. Das mag daran liegen, daß der Konflikt mit dem übermächtigen Nachbarn Preußen im Gewande eines Vergleichs zwischen kriegerischen Germanen und friedfertigen, kultivierten Slawen der Vorzeit thematisiert wurde (z. B. Stieglitz 1831). 209

Archäologie und sächsische Identität

oder schlichtweg für unmöglich (und implizit für uninteressant) erklärt wurde. Die Hinterlassenschaft „unserer Vorfahren“ wird zu einem weitgehend beliebigen Artefakt. Virchow beschränkte seine Forschungen keineswegs auf sein engeres Umfeld oder auch nur das deutsche Reich, sondern war z.B. auch im Kaukasus und in Ägypten tätig. Letztlich wurde in dieser Epoche eine Universalgeschichte/ Weltarchäologie angestrebt.

zurückfiel, ließ sich dies gut für das nationale Geschichtsbild nutzen. Für Sachsen mußte nun aber eine genealogische Linie konstruiert werden, die im Fundgut nicht eben offensichtlich war. Man behalf sich mit der Behauptung einer germanischen Restbevölkerung auch nach der Völkerwanderung, die über Ortsund hauptsächlich Flußnamen nachweisbar sei. Vor allem wurde aber betont, daß die kulturelle Entwicklung der Slawen so gering gewesen sei, daß sie in 400 Jahren der Besiedlung kaum bleibende Spuren hinterließen. Der „eitel romantische Spuk“, die „alte Bücherweisheit, die alle Lehrbücher durchzieht“ (Radig 1936, 63), also das Bild einer kulturell hochstehenden slawischen Urbevölkerung ließ sich offenbar nur mit Mühe ausrotten. Als scheinbar objektive Zeugnisse wurden archäologische Funde herangezogen, deren “rohe” und “grobe” Natur immer wieder hervorgehoben wurde. Daß die Archäologie inzwischen als Wissenschaft etabliert war, erhöhte die Glaubwürdigkeit solcher Behauptungen, die sich schließlich auf Artefakte stützen konnte. Eine eigentümlich sächsische Vorgeschichtsdeutung konnte sich im 20. Jahrhundert nur noch schwer durchsetzen. Die vorherrschenden Meistererzählungen reihten sich in die nationale, nicht mehr in die regionale Geschichtsschreibung ein. Hier wurde seit den 1880er Jahren eine historische Linie von der eigentlichen schriftlosen Vorgeschichte über die Germanen, Hermann, Karl dem Großen zu den sächsischen Kaisern und dem Heiligen Römischen Reich konstruiert. Sachsen wurde erst mit Heinrich I. und Otto I. berücksichtigt, und die Rolle der „deutschen Ostkolonisation“ betont. Slawen wurden nun erstmals und ausschließlich als Feinde der fränkischen oder sächsischen Herrscher beschrieben. Während der NS-Zeit wurde Sachsen als Bollwerk gegen den Osten und Vorbild einer gelungenen „Re“-Germanisierung charakterisiert. Die ethnische Zuordnung einzelner Kulturen war jedoch Gegenstand polemischer Auseinandersetzungen zwischen deutschen und polnischen Forschern (Rohrer 2004). In der folgenden DDR-Geschichtsschreibung wurde zwar die Rolle der Slawen positiv hervorgehoben und die Forschung konzentrierte sich, in Opposition zu den faschistischen Thesen über die “fehlende staatenbildende Kraft der Slawen”, auf den Nachweis frühfeudaler Strukturen (Herrmann 1973; Gramsch 1969). In Übersichtsdarstellungen wurde jedoch das kleindeutsche germanozentrische Geschichtsbild, wenn auch unter verschobenen Wertungen, weiter tradiert.

In Sachsen spiegelte sich dieser positivistische Ansatz Virchows zum Beispiel in der Darstellung der sächsischen Vorgeschichte durch Johannes Deichmüller (1900) und Johannes Richter (1922) wieder. Leitfaden der Darstellung war die stetige Höherentwicklung der Technik von der Altsteinzeit bis zum Ende der Vorgeschichte, die nur durch die „rohen“ und “ermüdend eintönigen” slawischen Erzeugnisse (Deichmüller 1900, 46) unterbrochen wurde. Redewendungen wie „unser Sachsenland”, “unsere Heimat”, “heimatlicher Boden” und “unsere Gegend” wurden häufig verwendet, dienten letztlich aber nur zur Bezeichnung eines geographischen Raumes. Die Formulierung „die ältesten Bewohner Sachsens“ (ibd., 31) und „unsere ältesten Vorfahren“ (ibd., 32) scheinen synonym verwendet worden zu sein. Eine gewisse genealogische Kontinuität kam zwar dadurch zustande, daß Einwanderungswellen aus unterschiedlichsten Gegenden jeweils zur Vermischung der Gruppen führen, insgesamt erfolgt die Verbindung von Fund und Gegenwart aber über das Territorium Sachsen. Insgesamt vermittelt die Darstellung allgegenwärtiger Funde, die oft mit einem konkreten Ortsnamen verbunden werden, die Botschaft der Beherrschbarkeit von Raum und Zeit durch eine wissenschaftliche Vorgeschichte. Die Funde sind in dieser Darstellung nicht mehr mit einer konkreten Landschaft verbunden, sondern mit einer Karte. Ethnische Bezeichnungen (Kelten, Germanen, Slawen) wurden zwar verwendet, letztlich bestimmte aber die aktuelle Staatsgrenze, wer zu den Bewohnern Sachsens und damit „unseren Vorfahren“ gehörte – die Durchsetzung des Prinzips des modernen Territorialstaats auch für die Vorgeschichte. Jedoch wurde der Bezug Territorium-Abstammung nie offensiv zerrissen. Es handelte sich um ein implizites Beziehungsgeflecht, das von seiner Natur her einer Umkehrung der Interpretation wenig Widerstand entgegen setzen konnte. Als Gustaf Kossinna fast 20 Jahre später wieder genealogische Verbindungslinien herstellte, die nun die Vorzeit in ihrer neuerschlossenen zeitlichen Tiefe bis ins Mesolithikum umfaßten, womit er freilich methodisch hinter den bereits Erreichten 210

Ulrike Sommer

Nach 1989 entsprach die vor allem von K. H. Blaschke (z. B. Blaschke 1997) geprägte Erzählung von Sachsen als einem Durchgangsland, in dem sich vielerlei Kulturen und Ethnien begegnen („der Vielfalt seiner Stämme“) und vermischen und so die typischen positiven sächsischen Eigenschaften hervorbrachten, die bereits aus den Selbstbeschreibungen des 18. und 19. Jahrhunderts bekannt sind (Anon 1806), entspricht mit ihrem „multikulti-Ansatz“ besser dem politischen Klima unserer Zeit als etwa ein Rückgriff auf „die Germanen“. Auch wenn hier vor allem „das Land“ in seinen „naturräumlichen Grenzen“ als Akteur auftritt, beruht auch diese Erzählung auf einer genealogisch begründeten, über lange Zeit tradierten Gruppenidentität mit potentiell exklusiven Konnotationen.

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Schluß Es ist zu fragen, ob eine Identitätskonstruktion über Vergangenheit in der Moderne, oder Postmoderne, noch sinnvoll und wünschenswert ist. Die Ablehnung einer solchen Identitätskonstruktion hat jedoch schwerwiegende Implikationen für die Identität der Archäologie: entweder definieren wir uns nicht weiter als die Wissenschaft, die von den „eigenen“ Ursprüngen erzählt, oder wir sind gefordert, diese Ursprünge jenseits eines essenzialistischen Volksbegriffs und dessen erfundener Geschichte neu zu definieren.

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Diskussion

Diskussion

Einleitende Bemerkungen Die Diskussion wurde über ein Mikrofon auf Band aufgezeichnet. Der Bitte, sich namentlich zu identifizieren, kamen leider nicht alle Diskussionsteilnehmer nach, daher finden sich im folgenden einige “anonyme” Beiträge. Beiträge, bei denen kein Mikrophon benutzt wurde, sind weitgehend unverständlich und wurden ganz oder teilweise weggelassen. Auslassungszeichen kennzeichnen akustisch unverständliche Partien. Die Diskussion in Sektion 4 fiel leider teilweise einer technischen Panne zum Opfer. Die Beiträge wurden sprachlich geringfügig gestrafft, Bezüge auf publizierte Literatur, wenn möglich, ergänzt. Die Transskription der Bänder geht auf D. Lukas zurück, sie wurden von U. Sommer überarbeitet. Die Beiträge von P. Wotzka (Köln), “Archäologische Kulturkonzepte: Vitrinen fossiler Identitäten?” und M. Schetelich (Leipzig), ”Die kroatischen Kinder der Göttin Saraswati” standen leider nicht für die Publikation zur Verfügung. P. Novaković mußte die Teilnahme an der Tagung kurzfristig absagen, stellte seinen Beitrag aber für den Druck zur Verfügung. Der Beitrag von M. Babeş geht auf einen Diskussionsbeitrag zurück, die Beiträge von M. Rowlands und U. Sommer wurden für diesen Band neu erstellt.

Sektion 3

Diskussionsleitung: Siegmar von Schnurbein (Frankfurt) Diskussion Beitrag Brather S. von Schnurbein: Vielen Dank, Herr Brather, für diesen dekonstruktivistischen Beitrag [Gelächter]. Es steht natürlich - das muß man doch sagen, hinter diesen Grab von Ficarolo und anderen, die uns überlieferte Tatsache der Wanderung – und das führt dazu, daß man solche Lebensläufe überhaupt sich traut einmal hypothetisch zu rekonstruieren. Wenn wir von diesen Wanderungen nichts wüßten – und die sind, denke ich unbestreitbar – dann käme man auch natürlich nicht auf eine solche Idee. Und

in sofern fand ich ihre etwas überspitzten Formulierungen provokativ und dem Autor gegenüber nicht ganz fair. Peter Wotzka (Köln): ....Habilschrift... [FrankSiegmund] ... Franken und Alamannen, Alemannen wie er sagt. Mich würde interessieren, wie ein Skeptiker wie Sie den Optimisten Siegmund (2000) kommentiert, denn sein Ergebnis ist ja ein sehr klares: Franken und Alemannen lassen sich sehr gut, exzellent sogar, archäologisch unterscheiden, natürlich an bestimmten Elementen des Bestattungsritus, der Bestattungssitten. Das sind im wesentlichen die Waffenbeigaben, Frequenzen verschiedener Waffentypen in fränkischen versus alemannischen Gräbern, und es sind vor allem Unterschiede in den Gefäßbeigaben keramischer Gefäße und gläserner Gefäße. Die Frauen fallen bei ihm, was diese Dinge anbelangt ja heraus, weil er dort argumentiert, daß die Frauenkleidung und Frauentracht modischen größerräumigen Strömungen unterliegt. Hier ist im Grunde genau das Gegenteil argumentiert von dem, was Sie gerade sagten. Ich möchte das nicht weiter ausführen sondern einfach fragen: Wie kommentieren Sie diese im Detail meines Erachtens elegant herausgearbeitete Kontrastierung zwischen Franken und Alemannen, das ist so ein bißchen Artefakt seiner quantitativen Technik, die auch von ihm auch als scharfe Grenze herausgestellt wird, so zwischen Würzburg und Straßburg und Zürichsee und Isar? Sebastian Brather (Freiburg): Ich lese das Buch anders als der Autor. Mein Eindruck ist, daß die scharfen Grenzen, die Siegmund zu sehen meint, in dem Material gerade nicht zu sehen sind. Es macht für mich unter dem Identitätsgesichtspunkt keinen Sinn zu sagen „Die Franken haben mehr als 27% Äxte in den Gräbern und die Alemannen weniger als 27%”. Das ist für mich eine Grenzziehung, die ich jetzt rein abstrakt nicht nachvollziehen kann. Was seine Kartierungen, die ich für sehr wichtig und sehr weiterführend halte, eigentlich zeigen, ist meiner Meinung nach eine unterschiedlich starke, sozusagen römische Tradition in dem, was wir als fränkischen Raum bezeichnen und eine stärker barbarische oder germanische Tradition im alemannischen Raum, nämlich mehr handgemachte Keramik, praktisch keine Glasgefäße 214

Diskussion Diskussion

u.s.w., während genau das, was man mit antiken Werkstätten oder dem Fortleben antiker Werkstätten in Verbindung bringen kann, eben die Glasgefäße oder die scheibengedrehte Ware, sich dagegen um Zentren wie Köln, Mainz und Trier finden. Ich denke, daß die Siegmundsche Arbeit ganz wichtig ist, aber eher sozial- und wirtschaftsgeschichtlich als ethnohistorische Ergebnisse liefert.

wenn es soviel Stabilität gab, aber mehr, denke ich, läßt sich nicht sagen.

S. von Schnurbein: Also ich bin ja schon froh, das ihnen eben das Wort „germanisch“ wieder aus dem Mund geschlüpft ist, nachdem sie vorher “barbarisch” gesagt haben. Dieses Problem wird uns ja wahrscheinlich noch mehrfach beschäftigen.

Babette Ludovici (Leipzig): Du sprachst davon, daß es Deiner Meinung nach keine soziale Differenzierung gebe, wenn man sich die Gräber, die ja eine nicht unbeachtliche Quelle ausmachen, betrachtet. Sie sind ja zunächst einmal ein Endprodukt einer rituellen Handlung, also letztendlich eine Quellengattung, die zu einem großen Maß auch eine religiöse, rituelle Konnotation besitzt. Könnte man nicht argumentieren, daß sie dadurch eigentlich nicht per se geeignet sind, unbedingt das Abbild einer sozialen Gemeinschaft im Hinblick auf soziale Differenzierung und Reichtumsklassen zu geben, sondern vielmehr erst einmal das Abbild einer Ritualgemeinschaft sind, wo damals beispielsweise durchaus Reichtumsunterschiede vorhanden gewesen sind, die wir heute als Archäologen nicht fassen, weil es für das Ritual der Bestattung schlichtweg unerheblich war, ob ich mehr oder weniger in diesem Grab habe? Das ist einfach eine Betrachtung der Quellen und deren Interpretation.

Anon Ich bin nicht ganz mit Ihrer Ablehnung nicht einverstanden. Wir wissen ja, daß es sehr schwierig ist, so etwas darzustellen ... denken wir mal an ostgermanische Frauengräber oder an Hunnen oder an jütische Männergräber. Aber den Versuch, immer wieder auf diesen ..Weg hinzugehen und vielleicht doch etwas herauszubringen... [schwierig zu verstehen] ... [einzelnes Applausklopfen]. Diskussion Beitrag Kadrow S. von Schnurbein: Vielen Dank, Herr Kadrow, für diesen Einblick in eine offensichtlich spezielle Situation, wo auf der einen Seite kleinere Gruppen offensichtlich, wie sie sagen, bis zu 600 Jahre stabil in einem Raum gelebt haben, und dann sich wieder weiter differenzierten. Wenn ich daran erinnere, was wir zu Anfang von Herrn Bruhmann gehört haben, dann war das Zugehörigkeitsgefühl ein entscheidendes Argument. Wenn wir uns nun Ihr Beispiel vor Augen halten, wo in einem Raum 600 Jahre lang Siedlungsstabilität herrscht und auch die Gräberfelder sehr kontinuierlich laufen, dann muß doch ein Zugehörigkeitsgefühl entstanden sein. Und wie nennen wir das dann? Herr Brumann, wie würden Sie das jetzt nennen? Ch. Bruhmann (Köln): Es kommt ein bißchen darauf an, was mit dem Begriff Zugehörigkeitsgefühl genau intendiert ist. Ich habe keine Probleme damit, eine Zugehörigkeit zu der Region, vielleicht zu einer fortdauernden sozialen Einheit zu mutmaßen oder zuzugestehen. Ob das eine ethnische Identität war, bei der also auch klare Grenzen existiert haben, eine Abgrenzung gegenüber der Nachbargruppe oder so, das ist die andere Frage. Die Vermutung liegt sicherlich nahe,

S. von Schnurbein: Das sind die Grenzen unseres Faches. Ch. Bruhmann: Ja.

Sl. Kadrow (Kraków): Wenn ich über soziale Unterschiede und dergleichen spreche, so meine ich, daß das im archäologischen Material widergespiegelt sein muß, nein, kann. Wenn wir die Situation in den Nachbargebieten betrachten, z. B. in Schlesien oder Groß-Polen oder auch südlich der Karpaten in Karpatenbecken, so wird sehr klar, daß in Südost-Polen fast nichts in diesem Sinne stattfand, ob wir [nun] über soziale Differenzierung oder über ganz andere Sachen reden. Das ist dieser Vergleich mit anderen Regionen. Es gibt ja auch einzelne Beispiele für reichere Gräber und so weiter, aber das sind nur einzelne Funde. Aber auf so großem Gebiet, da gab es fast keine einer Differenzierung des archäologischen Materials. B. Ludovici Ja schon aber ... die Gräber ein bestimmtes Bestattungsverhalten umfassen und nicht unbedingt... 215 215

Diskussion Diskussion

Sl. Kadrow: Ja ja, aber vielleicht habe ich das nicht gesagt, aber ich das in diesem Abstract geschrieben. Wenn wir über eben über diese weiter entwickelten ethnischen Organisationseinheiten sprechen, so ist für mich klar, daß wir auch weiter entwickelte Machtorganisation oder soziale Organisation haben. Ohne weiter entwickelte Machtformen, im Sinne von Behrens, hatte es keinen Sinn, kompliziertere Formen zu haben, auch im ethnischen Sinne.

Kultur in dem Sinne hat es ja so auch nicht gegeben, aber sie ist markant absetzbar von den regionalen anderen Gruppen, die darum herum liegen.

Diskussion Beitrag Jockenhövel

A. Jockenhövel: Tja, das ist eine Konventionsfrage, würde ich sagen. Die Hügelgräberkultur zerfällt, das muß man auch sagen, nur während etwa zwei oder drei Generationen in eine so klar differenzierbare, sagen wir mal Schmuckgarnitur-Landschaft, mit diesen Unterschieden. Diese gehen teilweise zusammen auch mit Werkzeugformen, mit Beilformen, also es steckt auch ein Gerät oder auch ein männlicher Aspekt dahinter. Aber wir können bei den Frauen, das hat ja schon F. Holste gezeigt, relativ gut diese Gruppierungen, wie W. Kubach das nennt, fassen. Unabhängig davon gibt es einen durch Grabhügel gekennzeichneten gemeinsamen Zug, der sich bis zur Nordseeküste mit den niederländischen Hügelgräbern sich zusammenfügt. Auch dort finden wir teilweise fremde Frauen, wie in Werdinge, die aus dem Hessischen kommen. Das ist eine religiöse Gesamtstruktur, die sich in diesen Hügel widerspiegelt.

S. von Schnurbein: Vielen Dank, Herr Jockenhövel, für diesen eindrucksvollen Beitrag mit dem markanten Bild dieser wandernden Grenze der Lausitzer Kultur, das ja für die Keramik gesprochen, weil sie so charakteristisch ist, völlig unfehlbar ist. Also das kann niemand wegdiskutieren. Dagegen zu kartieren wäre jetzt gewesen die Vielfalt vielleicht der bronzezeitlicher Erscheinungen im Metallbereich. Aber das war eine ganz andere Frage, die Sie ganz bewußt ausgeklammert haben. Sie haben ja auch auf die Kleinräume, die sich gebildet haben, noch einmal ausdrücklich am Schluß hingewiesen. Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt) Gibt es da nicht einen Widerspruch einerseits zwischen diesen Kleinräumen, die jetzt noch einmal zum Schluß den [?] rum haben und der großräumigen Verbreitung z. B. der Lausitzer Kultur? Ich meine, es reicht ja nicht, daß man jetzt nur eine Grenze definiert, sondern man muß die Sache ja dann noch zu Ende denken... Albrecht Jockenhövel (Münster): Ja, das ist richtig. Zu Ende denken kann ich es so, daß die Bronzezeit-Forschung der Slowakei, die Bronzezeit-Forschung der polnischen Kollegen, aber auch in Mähren, auch in Sachsen u.s.w. oder auch hier in Mitteldeutschland oder Ostdeutschland, wie man jetzt neuerdings sagt (auch hier ist die Grenze ja nach Westen gewandert, das ist ja auch nichts festes gewesen, Ostdeutschland war ja früher etwas anderes), muß man sagen, hat eine Vielzahl von regionalen Untergruppen geschaffen, die eben auch durch den Keramikstil bedingt sind. Aber wenn ich es mir als Ganzes nehme, hat diese Gruppe doch immer eine relativ erkennbare, für uns auch heute erkennbare Grenze gebildet, zur Unstrut-Gruppe z. B. – das hat Kollege Peschel ja kartiert. Sie kennen das in dem böhmischen Bereich, dort spricht man dann eben von einer OstBöhmischen Lausitzer Gruppe. Die Lausitzer 216 216

Anon 1 Ich hätte eine Frage hinsichtlich der mittleren Bronzezeit: würden Sie da von einer HügelgräberKultur oder von den HügelgräberkulturEN sprechen? Die Frage zielt ein bißchen in die selbe Richtung, nicht wahr?

Stefan Burmeister (Hamburg) Herr von Schnurbein, sie fassten eben kurz zusammen oder stellten fest, daß man diesen Befund, den Sie anhand der Keramikverbreitung schön beschrieben haben, nicht wegdiskutieren kann. Das würde ich auch sagen, ich glaube, das wird auch niemand versuchen wollen, weil das irgendwie offensichtlich ist. Sie haben das schön dargestellt, eine räumliche Verbreitung, eine Struktur, die irgendwie manifest ist, und das würde ich auch nicht als archäologisches Konstrukt ansprechen, das stellten Sie auch so ein bißchen in den Raum. Wir sitzen ja hier zusammen, um zu fragen, wie wir genau solche Verteilungsstrukturen deuten, die wir natürlich irgendwie beobachten, und die sicherlich auch Resultat einer irgendwie gearteten einstigen Realität, eines kulturellen Verhaltens gewesen ist. Da steckt sicherlich eine bestimmte Struktur dahinter, das wird niemand in Frage stellen. Wir sind ja genau hier, um irgendwie rauszukriegen, wie man solche Strukturen ausdeuten kann, und was solche Strukturen, solche Verteilungsbilder mit Volk,

Diskussion Diskussion

in der Bronzezeit. Wenn wir das Neolithikum und die Bronzezeit vergleichen, fällt auf, daß wir in der Bronzezeit eine sehr viel reichere Sachkultur und eine sehr viel reicher gegliederte Sachkultur haben, und siehe da, plötzlich löst sich diese schöne Einheit, die wir im Neolithikum wahrzunehmen meinen, in viele einander überlagernde, nicht deckungsgleiche Kreise auf. Daher wollte ich die Frage stellen: mag nicht unser Kulturkonzept, das wir im Neolithikum so schön anwenden, einfach ein Artefakt der ‘einfachen’ Kultur und der schlechten Überlieferungsbedingungen sein?

Stamm, Kultur und Ethnos zu tun haben. Die Frage ist meines Erachtens eine methodische Frage, und die steht nach wie vor im Raum. Ich würde Ihnen überhaupt nicht widersprechen wollen. Aber was ist das da nun? Daß das da eine Ethnie ist oder wie immer wir sie sprachlich oder begrifflich fassen wollen, das ist mir nicht klar geworden, auch letztendlich nicht bei Ihren Trachtkreisen, die Sie eben so schön dargestellt haben. Das können Werkstattkreise sein, oder was auch immer. Ist das eine Ethnie, und wie stellen wir das fest? A. Jockenhövel Die Trachtkreise sind meiner Meinung nach Werkstattkreise, die diese Trachtgarnituren hergestellt haben. Man kann das auch klein differenzieren: es gibt gußgleiche Stücke und es gibt Stücke, die wirklich von einer Hand gefertigt worden sind, die liegen noch enger beieinander. Die typologische Methode, wenn man sie richtig, korrekt anwendet, und da sollte man doch versuchen, auch von der Basis, von der Herstellung her zu kommen: was ist sich am nächsten, und was ist am weitesten davon entfernt. Wenn man das nüchtern betrachtet, kommt man über die Verzierung u.s.w. dazu, daß es Sätze sind, die von Handwerkern offenbar auch geschlossen angelegt worden sind. Wenn man das kartiert, kommt man dazu. Auf der gleichen Ebene haben sie dann die Anordnung, sie haben bestimmten Kopfschmuck, sie haben bestimmten Halsschmuck, sie haben Armringe, sie haben Fußringe u.s.w., und sie haben gleichzeitig in einer Nachbarlandschaft andere Formen, die nur gering davon abweichen, aber wo doch schon bestimmte Accessoires fehlen. Diese Kartierungen sind vielleicht überinterpretiert worden. Sie sind sich sehr ähnlich, aber trotzdem ist es ein Phänomen, daß z. B. für uns osthessische Tracht in Lüneburg sofort für uns erkennbar ist, aber auch damals erkennbar war. Wie ich das nun interpretiere, ist eine andere Sache. Ich komme selbst vom Dorf, ich kenne also noch Trachten, ich kenne auch fremde Trachten und weiß auch um das Schicksal, den Lebensweg dieser Personen. Ich will damit also nicht sagen, daß das Allheilmittel dieser Schmuckgarnituren in der Adaption des 19. Jahrhunderts - dieser Volkstrachten - liegt, aber es steckt doch eine ganze Menge von Verwandtschaft dahinter, und für mich ist es momentan das beste Modell, so wie ich es anwenden kann für die Auswertung dieser Dinge. Andere haben andere Modelle.

S. von Schnurbein: Das werden wir sicher gleich von Herrn Zimmermann hören [Gelächter]. Andreas Zimmermann (Köln): Ich möchte Dir heftig widersprechen. Wir haben Zeiten im Neolithikum, wo die Gliederung der Keramik ausserordentlich kleinstückig ist, denk’ beispielsweise an den Schulterbandhorizont, wo wir ca. 15 Gruppen in Süddeutschland haben. Das könnte dem Handwerkskreisen vom Herrn Jockenhövel ungefähr entsprechen. Ich stelle mir da einen anderen Grund vor, aber von der Größenordnung stimmt das ja. Also laß Dich nicht von diesen großen Verbreitungsgebieten von Bandkeramik und Michelsberg, und Trichterbecherkultur vielleicht, in die Irre führen. Das gilt ja nur für einige Zeithorizonte. Auch in dem Schulterbandhorizont haben wir selbstverständlich nicht die Metalle als gliederndes Material, sondern es bleibt weiterhin die Keramik, die auch so üppig nicht dekoriert ist, es gibt viel üppiger dekorierte Zeithorizonte, wie im Mittelneolithikum. Aber das sag‘ ich wirklich gleich. Anon: Das Konzept der fremden Frauen ist auf jeden Fall richtig. Nur die Vorstellung, die Lüneburger Frau mit den angeschmiedeten Bronze-Ringen, so n‘ bißchen wie ne beringte Brieftaube [vereinzelt Gelächter]... Es gibt zwei Befunde aus der Heide, sehr gut dokumentiert. Der eine eine Frau mit zwei gegossenen Armringen, beide Armringe in drei Stücke zerbrochen und jeweils ein Stück vom rechten mit dem linken vertauscht, d.h., da sind die Ringe postmortal umgelegt worden. Ein anderes Beispiel ist ein Lüneburger Beinringsatz, hergestellt, wie Sie das kennen, mit klassischen Abnutzungsspuren, bei dem man sagen kann, daß sie so getragen wurden. Nur haben die Ringe in situ am Fuß der Toten eine andere Reihenfolge als sie die Abnutzungsspuren

U. Sommer (Leipzig): Sie haben ja ganz klar gesagt: keine Kulturgruppen 217

Diskussion Diskussion

zeigen, d.h. auch diese Beinringe sind postmortal umgelegt worden. Diese Vorstellung, daß man gegossene Armringe nicht aufbiegen kann, um sie umzulegen, ist auch wahrscheinlich nicht ganz zutreffend – es gibt jetzt Versuche mit exakt nachgegossenen Legierungen und erstaunlicherweise funktioniert es. Versuche, einer Frau einen Armring umzugießen, hat es meines Wissen experimentell noch nicht gegeben. Zwischeneinwurf A. Jockenhövel: Aber auch, daß man am Körper angegossen hat, gab es in der Vorgeschichte. Die hessischen Hallstatt D-Ringe mit den Gußzapfen, die am Hals gefunden werden, müssen angegossen worden sein, weil sie gar nicht über den Kopf und den Körper gehen. S. Brather: Ich wollte noch zu den interessanten Karten fragen, die Sie gezeigt haben: Keramik gegen Kultur kartiert. Was steckt hinter der Kartierung der Kultur, die sozusagen als Fläche unter der Keramik lag: steckt da die Keramik auch drin oder ist das nur Metall, oder was steckt da drin? A. Jockenhövel: Das ist Keramik. Natürlich kann man die Lausitzer Kultur noch weiter differenzieren, sie kennt keine Schwertgräber wie die Velatice oder Čaka-Kultur oder PodolerKultur u.s.w. Es gibt noch andere Momente, die man hier hinzunehmen könnte. Aber es gibt natürlich auch gemeinsame Erscheinungen, wie Urnenbestattung, Brandritus oder auch befestigte Siedlungen. Interessanterweise spielen befestigte Siedlungen überhaupt keine Rolle. Man sagt ja auch, daß solche Grenzen auch erkennbar im Rahmen von Grenzen oder so etwas existieren. In der Slowakei, spielt das überhaupt keine Rolle! Es gibt [in der Slowakei] keine befestigten Siedlungen, weder von der einen als auch von der anderen Seite. Also hier ist nicht Kultur als Grenzmarke dieser Grenze zu verstehen. Man bringt es dort eher mit ökologischen und wirtschaftlichen Änderungen [in Verbindung]. Die Lausitzer Kultur, die offenbar eher in den Hochtälern in der Tatra gesessen hat, offenbar auch mehr Viehzucht betrieben hat, ist dann auf die aufgebenen Böden nach Süden gekommen. Aber das kann man nicht weiter ausdiskutieren. S. von Schnurbein: Ich möchte, ehe wir die Metallzeiten in Richtung Neolithikum verlassen, jetzt nur noch ein Argument

von Ihnen weiterführen, das eben nochmals angesprochen worden ist hinsichtlich der Abnutzung der lebenslang getragenen Schmuckelemente. Das ist ein Phänomen, das vorhin in dem Referat von Herrn Brather, wo es um die frühmittelalterlichen Fibeln ging, die möglicherweise ja auch ein Leben lang getragen worden sind, überhaupt nicht weiter diskutiert worden ist. Ich möchte aber auf die Arbeit von Herrn Richthofen (2000) hinweisen, der die kaiserzeitlichen Fibelsätze auf die Abnutzungsspuren hin untersucht hat und sehr schön nachweisen konnte, daß Fibeln ein Leben lang offensichtlich getragen worden sind und gelegentlich durch jüngere Stücke in der Tracht ergänzt worden sind. Wir müssen also sehr wohl mit diesen Dingen rechnen, über die vorhin so etwas gelacht worden ist. Ich schließe hiermit die Metallzeiten ab.

Sektion 4

Diskussionsleitung: S. von Schnurbein Diskussion Beitrag Biel S. von Schnurbein: Vielen Dank Herr Biel, da sieht man, wie man sich täuschen kann, meine Damen und Herren? Ich hatte einen Vortrag erwartet, der etwa dem entsprochen hätte, was damals in Heidenheim referiert worden ist, der eben von den archäologischen Fakten ausgeht. Herr Biel hat also etwas ganz anderes vorgetragen, aber um so interessanter war es, als dieser Ausblick wirklich in die aktuelle öffentliche Diskussion und Akzeptanz geführt hat, bis hin zu den ganz persönlichen mentalen Verwicklungen, die einen mal hier hin, mal dorthin treiben können. Diskussion Beitrag Collis S. von Schnurbein: Herzlichen Dank, Herr Collis, für diesen einerseits weit ausgreifenden, andererseits aber sehr prägnanten Überblick über die Entwicklung der keltischen Begriffe: was man der Reihe nach hineingestopft hat, wie sich immer mehr in diesen keltischen Begriff hineinpacken ließ, und wie er jetzt auch noch in der Moderne zum Teil in kurioser Bezeichnung mit Keltenmilch oder Keltenbier u.s.w. benutzt wird. Heiko Steuer (Freiburg): Kollege Collis, wir haben Ihnen sehr zu danken für die Ausbreitung dieser unterschiedlichen methodischen Ansätze, um die keltische Frühgeschichte zu 218

Diskussion

erschließen. Wir haben Ihnen auch zu danken, daß Sie auf dieses Methodenwirrwarr hingewiesen haben, und da möchte ich gleich noch einmal eine Frage stellen. Auf der Karte von Megaw (1989) werden ja ganz unterschiedliche Dinge auf dieselbe Karte gebracht. Am Anfang steht die keltische Kunst, dann steht die keltische Zivilisation, und dann stehen die Kelten. Ist das eigentlich Megaw und den andern Kollegen bewußt, daß sie so arbeiten wie Kossinna? Kossinna war wenigstens bewußt, daß er aus verschiedenen Bereichen methodische Ansätze zusammengenommen und den einen methodischen Ansatz aus der Sprachwissenschaft mit dem anthropologischen oder archäologischen verknüpft hat. Ist das den Kollegen wie Megaw auch bewußt, daß sie aus den verschiedenen Wissenschaften die Dinge zusammenknüpfen, oder ist das schon von vorneherein eine solche Mischung gewesen? John Collis (Sheffield): Für mich das ist nicht klar. Man findet genau das selbe Problem in anderen Büchern. Raftery (1991) z. B. spricht von keltischer Kultur und einige Sätze später von Kelten. Man denkt also, die zwei Sachen seien das Selbe. Für mich muß man sehr klar trennen: spricht man von Archäologie oder spricht man von Kelten und historischen Quellen? Sie haben recht, diese Vermischung, für mich das geht nicht. Aber das findet man in allen diesen Überblicken über Kelten. Sabine Rieckhoff (Leipzig): Was John Collis zum Schluß gesagt hat, daß man eben diese drei Ebenen trennen muß, ist genau der Punkt. Es gibt einmal die Sprache, dann die archäologische Überlieferung und dann die antiken Quellen. Im Prinzip kennt die antike Landkarte im Norden Europas, vom Mittelmeer aus gesehen also nördlich der Alpen nur zwei ethnische Begriffe, nämlich die Skythen und die Kelten. Im Nordwesten sind die Kelten, und alles, was im Nordosten ist, sind Skythen. Das finden sie auf den Landkarten bei Eratosthenes und anderen. Das ist die Überlieferung. Dann haben wir die Sprache. Da ist es ja tatsächlich so, wenn man den Sprachwissenschaftlern Glauben schenken darf, daß wir sprachliche Überreste von Spanien über die britischen Inseln, dann die Donau herunter bis Ungarn und natürlich in Oberitalien haben. Das ist eine Sache – wie alt diese Sprachreste sind, weiß niemand, die Sprachwissenschaft kann das jedenfalls nicht sagen. Jetzt kommen die

Sprachwissenschaftler und sagen zu den Archäologen, sagt uns doch mal, wie alt diese Sprachreste sein können. Zu dem, was Herr Biel gesagt hat, möchte ich noch etwas ergänzen. In Ludwig Paulis Konzept, in diesem Buch von Hallein (Pauli 1980), hat er hat gesagt, ich hör‘ einfach [mit der Bezeichnung Kelten] mit der Spät-Hallstatt-Kultur auf. Sonst fängt da eben der Unsinn an, dann kann ich das ja immer weiter nach hinten verfolgen, und dann komm‘ ich ins Aschgraue. Also reden wir ab Hallstatt D im West-Hallstattkreis von Kelten und da hören wir auf zu diskutieren. [Pauli] ist allerdings noch von einem Modell ausgegangen, daß sich im Laufe der Spät-Hallstatt Zeit ein interner Prozeß abspielt, demzufolge dann eine Gruppe von Leuten auswandert, und im Mittelrheingebiet sozusagen den ethnischen Hintergrund für das Entstehen der Lt-A Kunst/Kultur bildet. Diese Früh-Lt Kunst/Kultur breitet sich dann aus, wird also dann z. B. am Dürrnberg fassbar, oder bildet sozusagen den Lt-A-Kreis. Das ist aber sozusagen ein Transport von Ideen, von Formen, eine stilistische, typologische Ausbreitung. Mit den Überlieferungen der keltischen Wanderung, also um 400 v. Chr., setzt dann eine tatsächliche Migration ein, so wie sie von Livius beschrieben wird, und die erfasst dann auch den weiteren süddeutschen und donauländischen Raum. Im Prinzip hat Pauli die Kelten dann mit Lt-B, mit der Flachgräberzeit sozusagen, sich ausbreiten lassen, als Personen. Das war sein Modell 1980. Er hat aber zu einem späteren Zeitpunkt dieses Modell modifiziert und hat darauf hingewiesen, daß wir ja in der Golasecca-Kultur, also jedenfalls im 6./5. Jahrhundert im Tessiner Gebiet die sogenannten Lepontischen Inschriften haben, die dann auch als Altkeltisch bezeichnet werden. Das ist inzwischen auch nicht bestritten worden, De Marinis und andere Leute sagen das ja auch. Auf der anderen Seite hat man in der Golasecca-Kultur eine Tradition, die etwa bis ins 13.Jh. bis zur Canegrate-Kultur zurückgeht, und dann gibt es einen Bruch; und die Verbindungen zwischen Canegrate und der NW-alpinen Urnenfelderkultur, Herr Jockenhövel weiß das vielleicht noch besser. So jedenfalls hat Pauli es damals geschrieben. Das läßt also vermuten, daß im 13. Jahrhundert, also zu Beginn der Spät-Bronzeit, Gruppen in den oberitalischen Raum eingewandert sind, mit ihrer Kultur, mit ihrer Sprache, und daraus ist zurückzuschließen, daß man also im 13. Jh. im nordwest-alpinen Raum – jetzt mal ohne nähere Begrenzung, dass also sozusagen der ostfranzösische, schweizerische 219

Diskussion Diskussion

und süddeutsche Raum eine keltische Sprache gesprochen hat. Wenn um diese Zeit in diesem Raum wirklich schon eine keltische Sprache existiert hat, also ein Urkeltisch oder ein Altkeltisch, kann es natürlich auch genausogut in Spanien oder auch meinetwegen im Norden, an der Atlantikküste existiert haben. D.h., man käme mit der keltischen Sprache, wenn man dieser Interpretation glaubt, bis ins 13. Jh. zurück. Auf der anderen Seite davon ganz abzutrennen wäre eben diese archäologische Entwicklung. Da müßte man vielleicht auch noch dazusagen, daß die Ausstellung in Rosenheim (Dannheimer/Gebhard 1993), die “das keltische Jahrtausend” hieß, mit Ha-B, also um 1000 v. Chr. anfing. Das ist auch insofern richtig, denn wenn Sie in Bayern schauen, dann haben Sie eine ganz klare Kontinuität zwischen UK und Hallstatt und zwischen Hallstatt und La-Téne. Da gibt es keine großen Zäsuren. Die einzige Zäsur, die wir haben, ist das im 4.Jh., also mit LT-B, die Flachgräber anfangen. Aber niemand...

tokeltisch bezeichnet hat. Das ist heute nicht mehr so, das glaubt auch niemand in Frankreich und in Spanien mehr. J. Collis: Ja, diese sogenannte Urnenfelderkultur in NordOst Spanien ist wirklich ein Problem. Später hat man in diesem Gebiet eine iberische Sprache gesprochen, also vielleicht sie war nicht indoeuropäisch, aber sie haben diesen Bestattungsritus benutzt. Ja, es ist wirklich immer noch ein Problem. Diskussion Beitrag Olivier/Buchsenschutz S. von Schnurbein: Vielen Dank Herr Buchsenschutz und Herr Olivier. Überraschende Bilder haben wir gesehen, die Sie uns präsentiert haben, moderne Darstellungen, mit Rückgriffen auf die keltische Zeit, mit jungen Menschen davor und das, was sie uns dargestellt haben, war nun die Fortwirkung des Keltischen in die Gegenwart, vielleicht sogar in die Zukunft. Auf der anderen Seite haben wir gerade vorher in einer beginnenden Diskussion die Rückprojektion gehabt, die Frau Rieckhoff noch einmal dargestellt hat in einer kurzen Zusammenfassung. Wir müssen jetzt noch einmal versuchen, das in der Diskussion ein bißchen zusammenzufassen.

S. von Schnurbein: ...jetzt fangen sie genau an das zu vermischen – ja, genau das! S. Rieckhoff: ...Nein, ich wollte sagen, daß....

Mircea Babeş (Bukarest): Wenn sie es mir gestatten, würde ich gerne einmal noch ein bißchen auf den Vortrag von Herrn Collis zurückkommen, und zwar, indem ich mich einverstanden erkläre mit einer wichtigen und sauberen Trennung der Forschung im Geschichtsfeld, von sprachlichem Material und archäologischem Material. Doch möchte ich dafür plädieren - und das aus eigener Erfahrung im Osten und im Südosten Europas, daß man doch alle drei Kategorien oder wenigstens zwei untersuchen und sich ergänzen lassen soll. Würden wir die Archäologie beiseite lassen, würden wir nie wissen, daß es in Siebenbürgen eine keltische Kolonisation gegeben hat. Allenfalls ist eine Ausbreitung der keltischen mitteleuropäischen Kultur, die sich in Friedhöfen in Siedlungsfunden und auch in der Münzprägung äußert, [festzustellen], die allerdings zeitweise als keltisch/thrakisch betrachtet oder behandelt worden ist (das Buch von Herrn ... (unverständlich). Umgekehrt, wüßten wir aus den historischen Quellen nichts über das Königreich des Tiris in Thrakien, könnten wir es archäologisch nicht oder fast nicht feststellen, [es gibt] nur einige Fibeln und damit Schluß. Daher muß man in diesem Falle bei-

S. von Schnurbein: Archäologie und Schrift und Sprache wird vermischt, und Archäologie und Sprache... S. Rieckhoff: Entschuldigung, – ich bezog das jetzt nur auf die... in Bayern gibt’s eine archäologische Kontinuität. So, das ist ein Punkt! S. von Schnurbein: Also jetzt wird’s wirklich gefährlich, Frau Rieckhoff [Gelächter] Entschuldigung, daß ich jetzt eingegriffen habe, aber... Wo wir gerade eben davon gesprochen haben, daß man – und sie selber auch einmal davon gesprochen haben, daß man Archäologie und Sprache strikt voneinander trennen muß und die historische Quelle auch – Sie haben das eben ganz schön wieder zusammen geflochten. A. Jockenhövel: Ja, Frau Rieckhoff, wenn wir das weiterspinnen, sind wir noch ein paar Jahrzehnte weiter, bei der Westflanke der Urnenfelderkultur, die Bosch-Gimpera bis nach Spanien hin als Urkeltisch oder Pro220

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de Quellengattungen nebeneinander bringen und vielleicht zu dem Schluß kommen, daß es doch dort eine keltische Besiedlung im dritten Jahrhundert gegeben hat. Und noch ein Beispiel: An der Bugmündung in Südrußland liegt die Griechenstadt Olbia, aus der die berühmte Inschrift des Protogenes aus der Zeit um 200 v. Chr. stammt, in der von Galatern die Rede ist, und zwar im Zusammenhang mit einer Skythengefahr. Ich bin der Meinung, daß es sich hier um eine Verwechslung handelt. Die Griechen wußten nur, daß im Osten Skythen, im Westen Kelten wohnen, und da die Angreifer von Olbia keine Skythen waren, haben sie gedacht, daß es Galater sind. Diese Verwechselung gibt es auch bei den historischen Nachrichten von Polybius und so, die die Bastarnen mit den Galatern gleichsetzen, obwohl wir jetzt aus archäologischer Sicht die Bastarnen ganz eindeutig als Germanen zu betrachten haben.

deutschland oder bei uns der Begriff ‘Kelten’ vor allem ein ‘Markenname’ ist oder zu einem Markennamen reduziert wurde, der vor allem absatzfördernd im Bereich des Ausstellungswesens und des Katalogverkaufs wirkt, um das einmal so verkürzt darzustellen. 1997 wurde in Wales in Machynlleth bei Aberystwyth ‘CELTICA’ eröffnet, unterschrieben mit „The Celtic experience“. Auch die profitieren ganz gewiß davon, daß ‘Kelten’ ein populärer Markenartikel in England sind. Da hängt die ganze Esoterikbewegung dran, und noch ein paar andere. Da hat man aber den Eindruck, daß diese Attraktivität wiederum benutzt wird, um durch die Hintertür auch die politische Botschaft voranzutreiben. Für alle, die die Einrichtung nicht kennen: das ist eigentlich kein Museum, es ist irgend etwas zwischen Museum und Themenpark – wir haben da im Deutschen nicht so einen richtigen Begriff dafür. Ganz am Ende, wenn man da durch ist, prallt der Besucher in einen Raum, da steht ihm ein Chor gegenüber, der schmettert ihm mehrstimmig und ungeheuer ergreifend eine walisische Hymne entgegen mit dem Titel „Wir sind noch da!“, und mit diesen Worten verläßt man dann CELTICA. Meine Frage an Sie, Herr Collis: ist das ein Einzelfall, ist das ein ‘noch’, sind das ein paar Hinterwäldler die es noch nicht mitbekommen haben, oder sind wir da schon wieder auf einem neuen Trend, wo diese Mythen wieder aktiviert werden, für eine neue regionale Identität in einem Europa oder in einer Welt, die immer wieder diffuser ist. Was ist CELTICA, und wie wird das bei ihnen diskutiert?

Der folgende Diskussionsbeitrag von Mircea Babeş wurde zu einem Artikel ausgearbeitet (s. S. 189191). S. von Schnurbein: Vielen Dank Herr Babeş [Klopfen]. Wir haben in eindrucksvoll kurzen Worten gehört, wie die problematisch die politische Ausnutzung archäologisch-historischer Ergebnisse sein kann, wie das Pendel hin und her geht, und wie gefährlich die Situation immer wieder ist. Wir haben ja auch gestern schon davon gehört, daß das ein Problem ist, das immer ausgenutzt werden kann, wenn die entsprechende politische Situation über ein Land und über Archäologen hereinbricht.

J. Collis: Das Problem von CELTICA wurde bei uns diskutiert. Diese Stereotypen von Kelten usw. sind für uns als Archäologen ein Problem. Was man hier dem [Publikum] verkauft, ist nicht unsere Meinung, und es hinkt unseren Ideen um 50 Jahre hinterher. Es gibt immer diese Publikums-Sachen, sie sind, scheint mir, immer um 50 Jahre verspätet. Von Zeit zu Zeit man findet wirklich ganz unheimliche Sachen: Mein Großvater war in einer Versicherung, und dort hat man von den alten Namen der Städte gesprochen, als einem historischen Hintergrund dieser Gruppe. Es war nicht politisch, sondern nur eine Gruppe von Leuten, die Geld eingezahlt haben, und wenn man gestorben war, hatte man genug Geld, um etwas für seine Witwe zu machen u.s.w. Wir haben von Frankus gesprochen. Bei uns haben wir Brutus, ein Trojaner. Diese Geschichte geht auf

J. Collis: Was bedeutet dieses sogenannte Lt-Material in Rumänien, das man z. B. bei Ciumeşti findet? In jedem Fall müssen wir die Umstände studieren. Es ist möglich, daß es eine Einwanderung war, das ist nicht von der Hand zu weisen, das ist immer eine Möglichkeit. Aber es könnte [auch] eine Akkulturation sein. Das müssen wir chronologisch und [unter Einbeziehung aller] Umstände studieren und am Ende eine Interpretation geben. Aber man kann nicht einfach sagen, das ist La-Tène, also das muß keltisch sein. Wir müssen also immer skeptisch bleiben. Heidrun Derks (Kalkriese) Eine Frage an Herrn Collis: Herr Biel hat ja am Ende seines Beitrages ausgeführt, daß in Süd221

Diskussion Diskussion

mittelalterliche Geschichten zurück, aber die Leute haben daran geglaubt. Wir haben genau dasselbe Problem, glaube ich, mit CELTICA. Eine unserer Studentinnen hat eine Dissertation über die Präsentation der Kelten in Gallien geschrieben. Aber es gibt auch andere Sachen, wo es plus/minus archäologischer ist. Ich denke, man muß dem Publikum diesen Hintergrund dieser keltischen Ideen klar zeigen und sagen, ja, es ist wirklich ein Problemen und nicht nur ein einfaches Bild, das nichts wirklich mit unserer Archäologie zu tun hat.

S. von Schnurbein: Was immer wir tun – in diesem Sinne – sind wir nicht dagegen gefeit, daß irgend jemand kommt und das mißbraucht. Aus diesem Dilemma kommen wir nicht heraus. Angela Kreuz (Wiesbaden): Ich habe die diversen Gefahren und Bedenken zu Begrifflichkeiten und so weiter sehr gut verstanden. Jetzt möchte ich aber doch einmal fragen: Mir ist nicht ganz klar, was ich mit nach Hause nehmen soll. Ich habe im Rahmen des Romanisierungsschwerpunktes der DFG und des Germanisierungsschwerpunktes der Kommission zur Archäologischen Landesforschung bestimmte Ergebnisse erarbeitet. Und zwar archäobotanische Ergebnisse zur Landwirtschaft in den Jahrhunderten um Christi Geburt. Und ich frage mich, wie ich diese Ergebnisse sortieren soll. Ich war ganz froh, daß Herr Biel gesagt hat, er lehne zwar das Wort „Volk“ ab, aber immerhin möchte er nicht nur Eisenzeit sagen. Wenn ich meine Datenreihen nach absoluten Daten, also nach 14C oder was auch immer sortiere, dann hab ich eigentlich eine Kontinuität von der Eisenzeit zur [römischen] Kaiserzeit. Das einzige ist, daß der Gartenbau von den Römern eingeführt wird, ansonsten tut sich da nicht viel. Wenn ich das aber anders sortiere, wenn ich nämlich die archäologischen Formenspektren berücksichtige, und ich benutze jetzt einfach mal die Worte ‘keltisch’, ‘germanisch’, ‘römisch’ – was auch immer das ist – dann hab ich eine Kontinuität von keltischen Siedlungen zu römischen, bis auf den Gartenbau – aber die Kulturpflanzenspektren, die dann auch zu den Hauptgetreiden bei den Römern werden, sind alle schon bei den Kelten da, und ich habe eine Diskontinuität von Kelten zu Germanen, und von Germanen zu Römern. Und das wäre mir eigentlich unangenehm, wenn ich das unter den Tisch fallen lassen müßte. Meine (Frage) hier an die Archäologen ist, wie wir damit umgehen. Mir ist es eigentlich egal, wer das war, ob das [Gelächter] Kelten sind, Germanen sind, oder was auch immer, wie wir das nun nennen. Ich denke nur, es gibt einfach Merkmale, die sozusagen zusammenkommen und die immer wieder ein bestimmtes Muster ergeben, und dem würde ich mich eigentlich schon gerne stellen, und daraus auch etwas machen, und das auch bewerten.

Stefan Bühnen (Hamburg): Ich möchte noch einmal vom Empirischen und Methodischen zurück zum Theoretischen, auch wenn ich gestern da vielleicht einige Momente und Gelegenheiten verpaßt habe. Wir müssen vorsichtig sein, glaube ich, wenn wir immer von ‘anderen’ sprechen, die die Vergangenheit falsch konstruieren. Prof. Meggle gestern Abend hat da, wo ich ihn verstanden habe und wo es nicht um Marsmädchen ging, davon gesprochen, daß jede Identität, das heißt auch unsere individuelle, immer eine konstruierte Vergangenheit braucht. Unsere persönliche Identität ist natürlich auch das Resultat unserer Vergangenheit, wie wir sie inzwischen sehen, nicht, wie sie tatsächlich unbedingt verlaufen ist. Genauso ist es mit politischen Identitäten und mit jeder Gruppenidentität, einschließlich der der Archäologen, der der Männer, der der Frauen, der der Alten u.s.w. Mein Hintergrund ist: ich habe in Afrika historische und ethnologische Forschung gemacht, und da habe ich festgestellt, daß jede Gruppe, sei es eine Verwandtschaftsgruppe, sei es eine ethnische Gruppe, eine konstruierte Vergangenheit hat. Das heißt, das Problem ist kein modernes. Es ist natürlich heute virulent geworden durch staatliche Maßnahmen und Möglichkeiten, aber das Problem hat es immer gegeben, es ist ein menschliches Phänomen, das nicht durch wissenschaftliche Rationalisierungen aus der Welt geschafft wird. Wir müssen sozusagen unsere Rolle als Archäologen, als die wir Identitäten dekonstruieren und rationalisieren, auch wiederum im Kontext dieser Auseinandersetzung zwischen Rationalisieren und dem ewig menschlichen Bedürfnis, der Notwendigkeit, nach einer Identität, die immer nur konstruiert sein kann, sehen. Und deshalb ist es vielleicht ein bißchen einseitig gewesen (aber ich fand die Vorträge sehr interessant), daß immer der Zeigefinger gegen die rechten Bösen und die Rückwärtsgewandten gerichtet wird - wir müssen sehen, daß das nur eine kleine Seite des gesamten Phänomens ist. [Klopfen].

S. von Schnurbein: Da fühle ich mich als Koordinator dieses Schwerpunktes der DFG natürlich angesprochen [Gelächter]. Für mich ist die Sache im Grunde ganz 222

Diskussion

banal und einfach: Wir haben antike Namen, die in der Zeit, mit der Sie sich beschäftigen, für diese entsprechenden Bereiche verwendet worden sind. Wir haben keine anderen Quellen als die antiken Quellen. Diese sprechen bei Cäsar von Galliern, die bis zum Rhein saßen, vorher sogar noch etwas weiter drüben saßen, je nach dem, und er spricht von Germanen, und anschließend wird die Sache zeitweise römisch. Welche anderen Begriffe sollen wir denn verwenden? Ich hab’ keine besseren. Sie können erfinden, welche Begriffe Sie auch immer sie wollen, aber zur Verständigung [darüber], welche Leute wir dort haben, welche Kontinuitäten weiter gehen, welche gebrochen werden, können wir nur mit diesen Begriffen arbeiten.

wollte die Kelten lieber sterben lassen und bestimmt keine Traditionen schaffen. Wenn ich jetzt auf das antworte, was Sie sagen, dann kann ich nur sagen, dann müssen wir einfach späteisenzeitlich, frühkaiserzeitlich sagen. Es ist einfach so, daß Cäsar die rechtsrheinischen Germanen auch erfunden hat, das können sie bei Lund (1998) ganz gut nachlesen. Es gab irgendeinen Stamm Germanicis rhenani, also irgendeine Gruppe, die links des Rheins gelebt hat und die zu seiner Zeit Germanen hießen, und Caesar hat das einfach auf diesen rechtsrheinischen Raum übertragen. Mit den Kelten ist es das, was Frau Sommer gerade sagte: Wir haben aus der antiken Überlieferung diesen völlig diffusen Begriff für einen riesigen Raum, und ansonsten haben wir eisenzeitliche kleine archäologisch definierbare Gruppen, die wir jetzt Stämme nennen können, oder Kulturen nennen können oder Gruppe nennen können, aber das hat nichts miteinander zu tun. Es hat überhaupt nichts miteinander zu tun, und diese Sprache muß ja auch nicht ‘Keltisch’ heißen, die hätte man auch ‘gallisch’ oder ‘bretonisch’ nennen können, das ist ja eine Erfindung der Sprachwissenschaft. Weil man aus der antiken Überlieferung den Begriff ‘Kelten’ hatte, hat man diese Sprachrelikte, die zusammen hingen, ‘keltisch’ genannt, aber man hätte sie auch anders nennen können. Das einzige, was wir wissen, ist, was Cäsar sagt, daß in der Mitte von Gallien die Celtae leben...

A. Kreuz: Das meinte ich aber nicht so. Ich meinte nicht, daß der Begriffe alleine, sondern man hat das Gefühl, es dient zu einer Ablehnung ... [schwer verständlich] ... daß es überhaupt Gruppen gegeben hat, die in irgendeiner Form zusammen gehörten. S. von Schnurbein: Glaub‘ ich nicht. U. Sommer: Ich denke, das große Problem, dass wir mit diesen Namen haben ist, daß da so die Idee des 19. Jahrhunderts dahintersteckt: die Kelten haben ‘ein Volk, ein Raum, ein Führer’, einen Ackerbau, eine Art von Töpfen u.s.w. Und das tragen wir dann an unsere archäologischen Funde heran, wo sich eigentlich, wenn man genauer guckt, sehr schön zeigt, daß eben die Grenzen teilweise anders verlaufen. Es mag eine politische Einheit gegeben haben, die Kelten hieß, die irgendwelche Sprachen sprachen, die vielleicht miteinander verwandt waren. Das muß uns Archäologen eigentlich nicht berühren, aber das heißt nicht, daß alle Klassifikationen, die wir treffen können und die im archäologischen Bereich relevant sind, dieser Grenze entsprechen. Und das, denke ich, ist das gefährliche bei diesem Volksbegriff, weil er sehr eindimensional ist. Und er ist aufgeladen aus einer Zeit, wo er ein Kampfbegriff war, um Nationalstaaten zu gründen. Und deshalb müssen wir uns überlegen, wenn wir diese Begriffe verwenden, weil die sicher einen Aspekt der Sache treffen, aber nicht das Ganze.

Olivier Buchsenschutz (Paris): Es ist für mich ein bißchen schwer, auf deutsch über diese Probleme zu sprechen – aber trotzdem: Sie vermischen, glaube ich, viele Sachen. 1. Wir müssen zuerst die Identitätsprobleme, also die aktuellen Identitätsprobleme und die Identitätsprobleme des 19.Jh., des 20. Jh. von der Geschichte trennen. Das hat nichts [miteinander] zu tun und wir haben versucht, wiederum zu demonstrieren, daß diese moderne keltische Idee kein Zusammenhang, absolut keinen Zusammenhang mit Vergangenheit hatte. 2. Ich bin nicht nur Archäologe, ich bin auch Historiker. Ich arbeite mit allen Quellen, die ich verstehen kann, ich arbeite mit Texten, mit Archäologie, mit römischen und griechischen Texten, die ich lesen kann. Das Keltische – das ist ein Paradox, das kann ich nicht [lesen]. Das kommt von mir, das ist eine faiblesse [lacht] – aber trotzdem, wir müssen als Historiker mit beiden arbeiten. Meine Arbeit, mein ganzes Leben ist es, Texte zu lesen, archäologische Forschung zu machen und evtl. die beiden zu vergleichen. Z. B. nehme ich

S. Rieckhoff: Ja ich muß ja auch noch einmal etwas sagen, weil ich vorhin wirklich mißverstanden worden bin. Ich 223

Diskussion Diskussion

etwas [aus] der Keltologie. Als ich Student war, haben wir die Agrargeschichte des Mittelalters durch die Texte gelernt. Und die politique terminants und all diese Texte. Und die Agronomen und die Paläobotaniker haben demonstriert, nicht, daß die Texte falsch waren, aber dass wir diese Texte nicht korrekt lasen, und mit diesen neuen Entdeckungen kann man diese Texte besser verstehen. Das ist das selbe für die Vorzeit, und wir müssen einerseits die Archäologie und andererseits die Texte betrachten, wenn wir diese nicht selbst zusammenbringen. Die anderen werden das für uns machen – und da beginnt die Identitätsproblem u.s.w. Denn wir müssen mit diesen Texten arbeiten. Wenn man das Beispiel von Cäsar und den Kelten und Germanen nimmt, hat man archäologisch demonstriert, daß diese Trennung von Germanen und Kelten von vorne herein falsch war. In den letzten Jahren hat Goudineau (?) anhand des Textes demonstriert, daß Cäsar diese Trennung selbst gemacht hat, gegen [Ansichten] der Historiker und die Geographen dieser Zeit. Heute, nachdem unsere Identitätsprobleme gelöst sind, können wir vielleicht z. B. sagen, daß die Kelten rechts und links vom Rhein wohnten. Aber, und die letzte Sache ist, daß wir zusammen über unsere Probleme sprechen können, aber wenn wir zu der Öffentlichkeit sprechen, wenn [wir] zu jungen Schülern sprechen, kann man nicht sagen, ja, es gab Leuten im Norden von Europa, wer sie waren, das wissen wir nicht genau, und die Römer wohnten vielleicht in Rom, aber das ist nicht sicher. Wir müssen trotzdem große Linien zeichnen, natürlich entsprechend des Forschungstandes, aber man kann nicht immer nur sagen, ‘wir wissen nichts’. Denn es gibt viele Leute, die diese Periode, die ‘weich’ [plastisch] ist benützen werden, um etwas Schreckliches zu bauen. [kräftigeres Klopfen].

kommen so Leute wie z. B. Haeckel als Biologe, der auf Basis von archäologischen Argumenten versucht, biologisch nachzuweisen, daß z. B. sozialdarwinistische Überlegungen zu fassen sind, und das wird dann von einer breiten Öffentlichkeit rezipiert. Man darf nicht unterschätzen, daß die Gelehrten Anfang des 20. Jh. überzeugt waren von diesen Überlegungen. Wenn man dann sagt, daß die Kelten z. B. da sind, oder die Germanen da sind, dann erfüllt das im Grunde genommen eine soziale Funktion, die der Kollege [Bühnen] angefügt hat: Das ist im Grunde genommen ein ganz banaler Schöpfungsmythos, wie die Inkas den kennen, wie die Mayas den kennen, wie ganz viele andere Kulturen das kennen. Wir unterschätzen die Revolution, die mit Darwin eingesetzt hat:Archäologie ist ein Gründungsmythos, ein Schöpfungsmythos, eigentlich unserer westlichen Zivilisationen.

Sektion 5

Diskussionsleitung J. H. F. Bloemers Diskussion Beitrag Klápštĕ J. H. F. Bloemers (Amsterdam): Vielleicht kann ich dann mal Herr Zimmermann fragen, was er vielleicht von diesen Grenzen – diesen Keramikgrenzen, die offenbar vorgestellt worden sind, vielleicht auch von anderen Interpretationsmodelle aus – Identität oder ethnische Interpretationsmodelle [... sehr schlechte Ton-Qualität] Prokuktion, Verbreitung und solchen Dingen, und [...] ... Grenzen, wie auch von Herrn Jockenhövel gestern angesprochen worden ist – diese archäologischen Grenzen, ... ja, Deutungssuche. A. Zimmermann Einen fertigen Deutungsversuch in keinem Fall. Aber ich beginne ja darüber nachzudenken, und ich habe im Prinzip zwischen dem Konzept, so wie ich es für die Bandkeramik entwickelt habe, und auch schon dem von Herrn Jockenhövel einen grundsätzlichen Unterschied gesehen – ich gehe, anders als Herr Wotzka, mit dem ich mich immer darüber streite, in der Bandkeramik tatsächlich davon aus, daß die Gefäße im Hausfleiß hergestellt werden, also in irgendeiner Art und Weise für den eigenen Bedarf für den einzelnen Haushalt, die einzelne Siedlung, das weiß ich nun nicht so genau. Aber jedenfalls keine Marktsituation, wie Sie [J. Klápštĕ] sie jetzt hier für die Slawen dargestellt haben, oder wie Herr Jockenhövel das schon für die Bronzezeit-Metalle gesehen hat. Nein, und das

Susanne Grunwald (Leipzig) Ich wollte nur noch eine Anmerkung machen. ... [schwer zu verstehen]. ... unsere eigene Wirkung auf die Öffentlichkeit. Wenn man mal bedenkt, was für ein großes Publikum z. B. Bücher von Heinrich Schliemann erreicht haben, und was das für im Grunde genommen für eine geisteswissenschaftliche Revolution war: die Entdeckung der Tiefenzeit – ich kann Kulturen nachweisen – ich habe sie materiell. Und dann, auf einmal, sagen die Archäologen: „Wir arbeiten für uns, wir forschen für uns“ und dann 224

Diskussion Diskussion

stilistisch sehr gut abgrenzen lassen. Das ist ein Niederschlag von kleiner arbeitenden Töpfereien, aber es gibt dort auch eine Gruppe, die man dort als Adelskeramik bezeichnet. Ich nehme mal diesen Begriff, obwohl ich mit dem Adel dort nichts am Hut habe, aber sie ist so bezeichnet, und diese Keramik ist eine sehr hochwertige Keramik und sie ist an ein kleines Gebiet gebunden, aber gleichzeitig auch [an] eine hierarchische Struktur, denn sie findet sich in bronzereichen Steinkistengräber dieser Zeit. Da haben wir die Bindung von Keramik, Produktion und Hierarchie. Wir haben ganz unterschiedliche Verbreitungsbilder, die wir so interpretieren könnten, ob sie die Wahrheit sind, weiß ich nicht, aber wenn wir die Merkmale kombinieren – Herstellung, Fundzusammenhang, Kontext – könnte man so argumentieren.

hat auch, denke ich, von dem, wie wir diese Grenze angehen, grundsätzliche Konsequenzen über die ich mir aber noch nicht im Klaren bin. Aber ich muß das ja auch nicht alles wissen – was folgt denn daraus? J. F. K. Bloemers: Wenn ich (jetzt) auch versuche, zu improvisieren, denke ich, daß wenn wir von der Frage von Produktion, Verbreitung redet, also nach einem Begriff, der auch öfter in der deutschen Archäologie verwendet wird von „Technologietransfer“, daß es vielleicht Gemeinsamkeiten gibt zwischen diesem zwischen diesen neolithischen und bronzezeitlichen und frühmittelalterliche archäologische Gruppen, oder Materialgruppen. Beim Feuerstein ist es das Material, das man im einen Gebiet nicht hat, und sich deswegen von außerhalb des eigenen Gebiets holt oder einkauft. Das ist ein Punkt. Bei Bronze-Artefakten gibt es die vergleichbare Problematik: wo kommt der Rohstoff her, und woher die Technologie. Nun bin ich unsicher, Herr Jockenhövel, haben Sie über Bronzen oder über Keramik gesprochen – es war Keramik – ja gut, erster Fehler von mir. Und dann zur frühmittelalterlichen Keramik, ich hab‘ nicht so genau verstanden, inwieweit damit auch Hausproduktion oder tatsächlich Manufakturen oder solche Produktionstechnologie gemeint ist. ...

Irmgard Bauer (Zug) Ja, mir sind diese Ergebnisse natürlich auch sehr bekannt. In der Bronzezeit kommt es ja auch immer drauf an. Keramik wird, nehme ich an, nicht grundsätzlich verhandelt – vielleicht in gewissen Fällen schon, aber häufig ist das ja auch ein Behältnis für etwas, und es ist sicher sehr komplex. Auch in der Schweiz kennen wir möglicherweise schon Werkstätten, aber auf der anderen Seite hat die Keramikherstellung in den einzelnen Haushalten ein ganz großes Gewicht. Obwohl es auch Provinzen gibt, kann man sehen, daß die Siedlungen untereinander sich unterscheiden, in den bevorzugten Verzierungsstilen, in der Art wie verziert wird, u.s.w. Für eine Siedlung, die ich jetzt bearbeite, ZugSumpf, kann man sogar für einzelne Haushalte zeigen, daß es unterschiedliche Leute sind, die das gemacht haben. Also ich denke, es ist ein völlig anderes Wirtschaftssystem als was Sie vorher gezeigt haben. Für die Bronzezeit ist es extrem komplex.

A. Jockenhövel Ich glaube, man kann auch die Bronzezeit-Keramik, genauso wie Herr Kollege Klápštĕ das gemacht hat, regionalisieren – in Verbindung auch mit naturwissenschaftlichen Methoden. Es gibt solche Versuche, Frau Burger, es gibt die Laugener Keramik in der Schweiz, im Alpenland, also die alpine Raeter-Republik sozusagen als Vorläufer, oder die ‘Alpenrepublik’ als Vorläufer, könnte man mal politisch etwas sarkastisch sagen. Man hat dort festgestellt, daß eine Laugener Keramik, die von Aussen her sehr einheitlich aussieht, im Inneren mineralogisch unterschiedlich ist, man hat festgestellt, daß ein Produktionszentrum in Bozener Becken liegt und von dort aus Keramik ins Unterengadin und anderweitig exportiert worden ist. Das Unterengadin, das war wohl irgendwie so ein Backwater der damaligen Zeit, aber es gibt auch andere Täler, die ihre Keramik in andere Täler gebracht haben. So hab ich das gelesen, was Herr Macetti erforscht hat: ich kann es nur so wiedergeben. Es gibt andere keramische Gruppen, gerade auch im Mittelrheingebiet, im Untermaingebiet, die sich

Anon: Ich habe noch eine Frage an Herrn Klápštĕ: Wir haben ja in Böhmen eine historisch belegte Einwanderung gerade aus deutschen Landen. Wir wissen auch, wo die Leute ungefähr herkommen, z. T. zumindest. Manifestiert sich das im archäologischen Fundgut irgendwie – und vor allem, wenn ja wie lange? Also wann hört die Unterscheidung zwischen eingewanderten Deutschen und den lokalen Böhmen auf, sichtbar zu sein? J. Klápštĕ: Das ist eine mehr kulturelle als ethnische Frage, und diese Veränderung hängt besonders mit der Urbanisation Böhmens zusammen. Wir können 225

Diskussion Diskussion

Verbindungen z. B. von der Töpferei aus Böhmen bis nach SW-Deutschland zeigen, das ist klar. Aber das war nur immer eine der Ebenen des Problems. In Böhmen können wir die verschiedenen Bereiche, die besonders Städtn und Landschaften oder Städten und Regionen zusammenhängen – also das ist etwas das geht für unsere archäologische Evidenz sehr schnell und das ist sehr sehr schnell, das ändert sich für richtig kulturelle Frage ohne diese ethnische Barrieren und Grenzen. Wir dürfen diese direkten Kontaktenicht aus der Sicht verlieren, [aber] wir haben keine direkten Belege dieser Leute, die aus dem Gebiet z.B. aus Böhmen kommen, soweit, das fehlt durchaus. Und dazu...

shortly for Romania and what is the state now – are there some differences in the weight of the pre- and the postslavic identities in Serbia, Croatia and the new states – what do you think about that?

J. H. F. Bloemers: ...vielleicht abschließen jetzt zu diesem Diskussion vielleicht, daß wir hier auf Zimmermann...

Abschlußdiskussion

Miloš Jevtić (Beograd): It is hard to explain for me, as I am a prehistorian and I studied the early Iron age-period and maybe some Bronze-Age period – I’m not an expert on Slavic questions, but I think that this is some kind of very dangerous attempts to rewrite the history of the Slavic period. [Diskussion Slaven/Sarmaten, weitgehend unverständlich]

Diskussionsleitung J. H. F. Bloemers:

J. Klápštĕ: Diese Diskussion kann man nicht abschließen, das ist [Gelächter] eine ewige archäologische Frage – wir studieren Regionalisierung u.s.w. und wir möchten auch die gesellschaftlichen Strukturen kennenlernen, und dort gibt’s eine Verbindung und dort fehlt gleichzeitig eine klare Überdeckun und das ist die Hauptursache unserer Probleme – das ist alles.

J. H. F. Bloemers: Ich habe noch eine Bitte an das Publikum: Als Vorbereitung zur Abschlußdiskussion haben Frau Sommer und Frau Rieckhoff und ich haben eine Struktur für die Enddiskussion skizziert. Ich bitte Sie, in den kommenden 20 bis 25 Minuten mal darüber nachzudenken, was sie von dieser Tagung an interessantesten oder informativen Punkt mitnehmen. Also im Sinne der Frage von Frau Kreuz: “was nehme ich jetzt mit nach Hause”?

Diskussion Beitrag Jevtić

(Mittagspause)

J. H. F. Bloemers: Entschuldigung, ich bin in Deutschland [Gelächter]. Ich denke, daß wir die letzte Aussage von Herrn Jevtić als eine Einladung für eine freie Diskussion betrachten müssen; heute, jetzt. Wir haben dazu noch etwas Zeit. Jedenfalls auf mich hat die letzte Bemerkung von Herrn Jevtić sehr großen Eindruck gemacht. Sie macht mich sehr vorsichtig zurückhaltend, weil ich das als die Bemerkung von einem Wissenschaftler betrachte, der sich in einer schwierigen politischen Lage an seine wissenschaftlichen, ethischen und politischen Überzeugung oder Normen gehalten hat. Damit sind wir, glaube ich, auch in medias res – von der Aktualität der Frage von der Identität.

J. H. F. Bloemers: Ich würde vorschlagen, daß wir jetzt zur Schlußoder Abschlußdiskussion kommen, daß wir uns da uns noch vielleicht eine Stunde Zeit für nehmen, und auch Fragen und Themen, die heute Mittag angesprochen worden sind, in die Diskussion einbinden. Die Frage ist natürlich, wie wir das alles, was wir gehört haben, strukturieren und zu einem sinnvollen Bilanz zusammenfassen können, soweit wir dazu im Stande sind. Ich glaube, daß die Organisatoren dieser Tagung als ein Ziel hatten, diese Problematik als ein Diskussionsthema vorzustellen und nicht unbedingt, um das heute Mittag zu lösen. Wenn das möglich ist, wäre das nett, aber dann kann vielleicht der SFB auch direkt aufgehoben werden – und das ist wohl nicht das Ziel. Vielleicht gibt es im Publikum Leute, die jetzt sagen möchten, was sie interessant gefunden haben an dieser Tagung, nur in zwei Wörter. Ich bitte um Freiwillige, damit ich eine Ahnung habe, was ihnen diese Tagung überhaupt gebracht hat.

Sabine Reinhold (Berlin) How would you wage the Pre-Slavic and the Slavic aspect of the identities in the former Yugoslavian, well, history culture? Do you think that one is more important or less important and did that maybe change in time, as Mr. Babeş summarized very 226

Diskussion

A. Zimmermann: Mir ist aufgefallen, daß bei den Beiträgen der Tagung der, sagen wir mal zur Vorsicht mahnende Aspekt, die mögliche Missbräuchlichkeit unserer Ergebnisse im Vordergrund gestanden hat. Und dass, Herr Buchsenschutz hat es ja vorhin auch schon gesagt, die positiven Möglichkeiten, Identitäten und Geschichte zu schaffen, doch sehr in den Hintergrund getreten sind. Das gibt mir zu denken. Sind wir eigentlich zu etwas nütze?

aneinander vorbeireden und solche Tagungen veranstalten, die weiterbringen, aber irgendwie nicht den Durchbruch bringen. Das ist mein Eindruck – leider habe ich den wohl alleine, ich habe mich mit einigen Leuten unterhalten und niemand hat mir zugestimmt. I. Bauer Also wie es gewesen war können wir ja sowieso nie sagen, wir können das nicht überprüfen. Für mich war das wahnsinnig spannend und ein Satz ist mir eigentlich am meisten im Gedächtnis geblieben aus einem Diskussionsbeitrag: daß archäologische Interpretationen gewissermaßen die Schöpfungsmythen der heutigen Zeit sind. Das hat mich wirklich sehr getroffen in meiner Arbeit, und ich denke, als Archäologin muß ich mich darum kümmern. Ich muß auch die Probleme und die Mißbräuche diskutieren, wie wir das hier getan haben. Aber wenn ich es nicht mache, machen es andere – und die diskutieren die Mißbräuche dann eben nicht. Also ich war sehr froh für diese Tagung, sie wird mich auch dazu bringen, wieder ein bißchen sorgfältiger mit Begriffen umzugehen.

Anon: Ich würde vielleicht fragen, ob die Themenstellung der Tagung, die natürlich auch aus dem Komplex des SFB hervorgeht, auf die Dauer weiterführt, wenn man nämlich auf der Suche nach Identitäten nur einlinig an „Volk, Stamm, Ethnos“ denkt. Wir haben ja bei diesen Referaten auch gehört, daß es ganz andere Identitäten gibt – nicht nur gestern Abend bei dem öffentlichen Vortrag, so daß wir auch fragen sollten, welche Art von Identitäten kann die Archäologie bedienen? S. Bühnen Also, nochmal aus nicht-archäologischer Sicht – ich fand es einerseits interessant und auf der anderen Seite bin ich enttäuscht. Nicht enttäuscht über die Beiträge oder die Tagung als solche, sondern über den Stand der theoretischen Diskussion. Das ist kein Fehler der Teilnehmer hier, es ist möglicherweise auch kein Fehler der Archäologie, sondern der Kasus knacksus ist, daß die Leitwissenschaften der Archäologie – sei es die Kulturwissenschaften, sei es die Sozialwissenschaften, ich spreche jetzt nicht von Naturwissenschaften, auch noch nicht viel weiter sind, und wir haben diese ganze Begriffsverwirrung. Gestern am Ende von Herrn Zimmermanns Vortrag – „Wie sollen wir’s nennen?“, Stämme, oder wie auch immer? – Allein, daß die Frage immer wieder auftauchte, und daß man Ethnizität, Sprache und dabei immer schon Tüddelchen [Luftgänsefüßchen] machte, ist ein absoluter Ausdruck dafür, daß es keine theoretische Unterfütterung für die Begriffe gibt. Und so lange wir die nicht haben, nützt es relativ wenig, sich über Methoden zu streiten. Daß es da eine Menge zu sagen und anzumerken gibt, haben wir gemerkt. Aber ich glaube, es fehlt immer noch im Unterbau. So lange der nicht zumindest etwas klarer geworden ist - und die Antworten werden wahrscheinlich nicht aus dem Bereich der Archäologie kommen – solange wird man immer wieder in terminologischen Schwierigkeiten sein,

Anon: Ich hatte vor der Tagung ähnliche Einstellungen, Ansichten, wie sie auch von Sam Lucy vorgetragen wurden: es gibt andere Identitäten, nach denen wir forschen können und müssen, Alter, Geschlecht u.s.w. Im Verlauf der Tagung ist mir aber immer wieder klar geworden: Wenn wir auf Grabung sind, fragen die Leute zuerst: „Ja wer war denn das, der die Töppe da begraben hat?“ Wenn wir die Verbreitungskarten angucken, wir haben es mit Gruppen zu tun, bzw. wir können es nicht einfach ausschließen, daß wir uns auch mit Gruppen beschäftigen. Alter und Geschlecht sind individuelle Identitäten, wir müssen aber auch uns mit Gruppenidentitäten befassen. Das ist, was ich jetzt hier gelernt habe, daß da meine alte Ansicht ein bißchen zu revidieren ist. Anon 2 Im Bereich der Frühgeschichte, wo wir historische Überlieferung haben, können und müssen wir weiterhin mit diesen ethnischen Begriffen operieren, und das halte ich auch für legitim, wenn man sich der ganzen Problematik bewußt ist. Nur für den Bereich, wo es keine historische Überlieferung gibt, da sollte man diese Begriffe wirklich über Bord werfen, weil das letztlich gesehen, Geschichtsmodelle des 19. Jh. sind. Da sollten wir

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Diskussion Diskussion

nach neuen Begrifflichkeiten suchen.

ner schlechten Handschrift aufgeschrieben ist, ist das Produkt von mir und Frau Sommer und ich hoffe auch Frau Rieckhoff, daß das einigermaßen dazupaßt.

J. H. F. Bloemers: Gut, jetzt werde ich sagen, was ich interessant fand. Ich habe versucht, im Chaos meines Gehirns etwas Ordnung zu bringen, und ich werde am Ende Herrn Brumann bitten, noch etwas zum wissenschaftlichen Bereich zu sagen, und Herrn Kunow als Leiter des Landesdenkmalamts in Brandenburg über politisch/gesellschaftliche Dinge. Wir haben dann Zeit, noch einige Minuten darüber nachzudenken. Herr Wotzka hat, glaube ich am Ende seines Vortrags gesagt, daß die ethnische Deutung überhaupt keine Priorität hätte für ihn – stimmt das?

Diese Probleme sind wissenschaftliche Problem, aber auch politisch - gesellschaftliche. Ab und zu habe ich sogar das Gefühl gehabt, daß wir implizit über unsere eigene Existenz als archäologische Disziplin diskutieren. 1. Im wissenschaftlichen Rahmen sind die Konzepte angesprochen worden. Besonders von Brumann, Jones und Lucy wurden neue Konzepte aus der Anthropologie eingebracht, keine statische Konzepte, aber Dynamik, Interaktion, situationsbezogene oder kontextbezogene Bedeutungen. Es ist auch angesprochen worden, daß Kontinuität oder Diskontinuität ein Element ist, das einbezogen wird, und daß man aktuelle politische Strukturen nicht 1:1 in die Vergangenheit zurückprojizieren darf. 2. Auf der anderen Seite steht die Ideegeschichte oder die Wissenschaftsgeschichte, oder die Ideologie, die mit dieser archäologischen Problematik verbunden ist. Die Analogie - und so interpretiere ich den Beitrag von Herrn Brumann, aber auch von Sîan Jones – aus der Anthropologie oder Ethnologie, Soziologie, politische Wissenschaften ist eine Methodik, die uns Archäologen und auch Historikern behilflich sein kann, um wegzukommen von den üblichen Konzepten. Wobei es deutlich ist, daß es hier komplexe, neue und verwirrende Konzepte sind, die uns bestimmt nicht regelmäßig einen Anhaltspunkt geben. Das passt zu dem Charakter des Fluiden, des Dynamischen, des Kontextbezogenen. 3. Außerdem ist, jedenfalls für mich, die politische und gesellschaftliche Problematik genauso wichtig – es ist für mich keine freischwebende Diskussion. Es ist auch kein Zufall, daß wir hier in Leipzig sind, und daß hier die Thematik auch die sächsische Identität ist. Ich war gestern morgen 200m weiter in dieser Ausstellung im Haus der Zeitgeschichte, die die Wende behandelte. Die DDR und die BRD – ich bin so frei, als simplistischer Holländer zu denken, daß es hier irgendwo eine Verbindung gibt zu dieser Thematik. Die Problematik der europäischen Gemeinschaft – nationale Identitäten, europäische Identitäten, die Verhältnisse der Stimmen der einzelnen Mitglieder, worüber an diesem Wochenende in Nizza entschieden wird - oder nicht entschieden wird. Wie man mit Identitäten, nationalen oder auf Länderebene föderalen Identitäten von größeren und kleineren Gebieten umgeht, ist ein aktuelles europäisches Thema, in dem wir mittendrin stecken.

P. Wotzka: Ja... [unverständlich] J. H. F. Bloemers: Jaja, nein, keine Nuancen – es geht nur mir darum [mehrere Zwischenrufe, unverständlich] – wir fangen jetzt nicht an zu diskutieren – ich hab‘, was mir aufgefallen ist – jetzt bin ich dran. Bitte – sie dürfen meine Position nicht untergraben! [Gelächter, Zwischenrufe]. Herr Brather hat, glaube ich, am Ende gesagt, daß die ethnische Deutung nur in einem Kontext mit historischen Daten zu studieren ist – stimmt..., hat er schon, glaub‘ ich heute morgen noch bestätigt. Was ich interessant fand bei den Vorträgen von Herrn Jockenhövel und Zimmermann waren archäologische Grenzen. Und Herr Zimmermann hat auch vorsichtig zur Diskussion eingeladen und gesagt: Sind das nun Grenzen von Stämme, oder nicht? Aber [es wurde] sehr fundiert analytisch aufgezeigt, dass es solche Grenzen gibt, und die Frage ist nun, „was die dann bedeuten?“ Eine Reihe von Vorträgen, von Buchsenschutz und Olivier, auch von Biel und Klapste und Jevtic haben den historisch-politische Kontext geschildert, in denen diese Bilder oder Scheinbilder von ethnischer Deutung konstruiert worden sind, im 19. und 20. Jahrhundert und bis heute. Die Dekonstruktion ist ein Konzept oder eine Methode, um uns das bewußt zu machen. Neue Ansätze wurden von Herrn Brumann und Sîan Jones und Sam Lucy vorgeführt, und ich denke, daß es nützlich ist, dass wir das in der Diskussion noch etwas weiter zu bringen versuchen, weil uns da neue Ansätze angeboten werden. Die umzusetzen ist nicht so einfach, das hat Sîan Jones gestern schon gesagt. Gut, das war eine Auswahl aus dem, was mir aufgefallen ist und mich interessiert hat. Wenn ich nun versuche, das zu strukturieren und was hier in mei228

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Und wenn über Kelten- oder BZ-Ausstellungen geredet wird, dann kennen wir das auch schon aus der Literatur. Für die Denkmalpflege im Rahmen von der Raumordnung gibt es die Valetta-Konvention. Ich weiß, daß in Deutschland die Valetta-Konvention nicht sooo hoch auf der Tagesordnung steht. Aber für diejenigen, die das nicht wissen: Die europäische Kommission hat 1992 eine Konvention angenommen, in der angestrebt wird, die Denkmalpflege weltweit im Raumordnungsverfahren einzubinden. Das bedeutet, daß wir Archäologen und besonders die Leiter von Bodendenkmalpflegeämtern wie z. B. Herr Biel oder Herr Kunow in ihren täglichen Aufgaben darüber nachdenken müssen, was wir dann schützen, wie wir das bewerten und wie wir selektieren. Das sind unsere Fachkollegen, die die Bodendenkmalpflege direkt im politischen Bereich vertreten. Wir in den Niederlanden konstruieren jetzt im Rahmen der Raumordnung neue Leitbilder, die Architekten und Städtebauplaner für die Entwicklung in den kommenden 30 Jahren in den Niederlanden benutzen werden Eine Million Wohnungen, Schnellbahntrassen und so weiter in einer globalisierenden, kompetitiven Gesellschaft. Und Kulturgeschichte, archäologische Landschaften sind da in möglicherweise. prägende Elemente – aber welche dann? Die Bataver, die Friesen, wer auch immer? Es gibt die EAA, die erste Organisation, die tatsächlich auf europäischer Ebene Wissenschaft, Denkmalpflege, berufliche Ethik miteinander zu verbinden sucht. Museen, Ausstellungen, Freilichtmuseen sind das Fenster zur Publikum. Welches Bild – es wurde auch heute morgen angesprochen – präsentieren wir? Ich hörte über die Vorbereitung einer großen deutschen Ausstellung in Berlin 2002 über die deutsche Vor- und Frühgeschichte. Die Frage ist natürlich, welche deutsche Vor- und Frühgeschichte da dann präsentiert wird? Dazu passt Dekonstruktion, und in dem Moment, in dem wir dekonstruieren, fangen wir wahrscheinlich aufs neue an zu konstruieren. Es gibt also keine wertfreie, neutrale Konstruktion oder Dekonstruktion. Für mich liegt die Antwort in Action Research. Das ist ein Begriff, den ich von den Soziologen geklaut habe, und er bedeutet ‘Denken und Handeln’. Es ist ein Begriff, der für sehr komplexe gesellschaftliche Probleme benutzt wird. Und Kulturgeschichte/ Archäologie/Identität ist so ein komplexes Problem. Merkmal einer solchen komplexen Lage ist, daß wir alle insgesamt mit allen unseren Kenntnissen und Forschungen nicht im Stande sind, weiter als

zwei bis drei Jahren über ein Problem vorauszudenken, weil mit diesem Problem allerhand politische Entscheidungen verbunden sind. Die Variablen sind so groß und so komplex, daß es einfach nicht vorauszusehen ist, wie das Problem sich entwickelt und wie es gelöst wird. Und der Begriff Action Research bedeutet auf der einen Seite, daß man nach Erkenntnissen forschen muß, während dieser komplexe Prozeß abläuft und auf der anderen Seite, daß zur gleicher Zeit politische Entscheidungen getroffen werden müssen – und diese, einfach gesagt, diese Erkenntnisse beeinflussen werden. Das können Sie bei grossen Problemen erleben wie bei der Wende, aber auch in komplexen Umweltfragen, oder auch bei der Frage, wo man Schnellbahntrassen baut. Ich denke, daß Ethnizität in Verbindung mit z. B. dem, was sich in Europa jetzt vollzieht und was nicht ohne die Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte und dem 20.Jahrhundert, das geprägt worden ist von vernichtenden Kriegen in Europa - daß das nicht ohne eine Verbindung von politischen Entscheidungen und einer Kenntnis kritischer wissenschaftlicher Forschung erforscht werden darf. Das ist meine Stellungnahme. Ich gehe davon aus, daß Sie da überhaupt nicht zustimmen, das macht natürlich Spaß – aber ich bin neugierig. Ich habe Herrn Brumann vor dem Mittagessen gefragt, ob er vielleicht noch einmal nachdenken würde über einige behilfliche Gedanken, wie Anthropologen und Soziologen sich in diesem Problematik verhalten, und dann wird vielleicht Herr Kunow etwas dazu sagen. Chr. Brumann: Einerseits war für mich bei dieser Tagung doch recht eindrucksvoll, daß hatte ich so nicht erwartet, daß ich das Gefühl hatte, das sind Leute, die machen dasselbe – sie sind an denselben Fragen interessiert wie die Ethnologen, und falls Sie also bislang den Eindruck hatten, daß wir etwas ganz anderes tun, muß ich Sie da korrigieren. Ich kann sie eigentlich nur einladen, den Dialog eben auch mit der Ethnologie zu suchen. Einen solchen Dialog werde ich sicher selber auch in Zukunft stärker suchen. Ich glaube, da können sicherlich beide von einander lernen, gerade auch von Ihren teilweise ausgefuchsten Methodologien. Da könnten sich manche heutige Ethnographen, die im Wuste der Differenziertheit moderner Gesellschaften ganz schnell die Waffen strecken und dann nur noch sehr undifferenziert beschreiben, sicherlich bei Ihnen eine große Scheibe abschneiden. Letztendlich vereint uns das Anliegen Kultur. Ich denke aber, wenn Sie denn Termini aus der 229

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Ethnologie übernehmen, dann sollte auch genau hingesehen werden, was denn jeweils konnotiert ist. Das möchte ich doch noch mal wiederholen, weil mir schien, daß das doch nicht alle so sehen. Aus der Sicht der Ethnologie wird meistens zwischen Kulturen auf der einen Seite und Ethnizität auf der anderen Seite unterschieden. Und diese Ethnizität, also das Wir-Gefühl, die Selbst-Zuschreibung und Fremd-Zuschreibung von Leuten, beruft sich zwar häufig auf kulturelle Merkmale, aber wie schon gesagt, kann das auch nur lose zusammenhängen, es muß kein so deutlicher Zusammenhang sein, wie er in aller Regel behauptet wird. Das, was die Mitglieder der Gruppe wirklich kulturell gemeinsam haben, ist dann mitunter etwas ganz anderes, als an was sie selber denken, wenn sie gefragt werden, was sie denn vereint. Es ist ganz eindrucksvoll gewesen, bei dieser Leitkulturdebatte zu sehen, wie da rumgeeiert wurde, bei dem Versuch, das inhaltlich zu füllen. Da war selbst das römische Recht nicht zu schade, um unsere deutsche Kultur zu definieren, während gleichzeitig, wenn man mal wirklich darüber nachdenkt, wahrscheinlich das Wissen darum, was ein Tempo-Tuch ist oder wer Thomas Gottschalk ist oder so, dasjenige ist, was wir wirklich alle teilen. Also völlig undifferenziert, während das römische Recht mir persönlich leider nur sehr bruchstückhaft bekannt ist. Ethnizität und Kultur wäre also zu trennen. Die älteren Begriffe, die ersetzt worden sind, in aller Regel ‘Volk’ und ‘Stamm’, werden häufig gerade von einem breiteren Publikum eben mit dem identifiziert, was ethnische Gruppen heute in der Ethnologie meinen. Deshalb muß man sicherlich vorsichtig sein, wenn man speziell den Begriff ‘Stamm’ noch verwenden will, daß der dann eben nicht mißverstanden wird, wenn er rein analytisch gemeint ist (wie Herr Zimmermann das sagte), dass dem unbelasteten Zuhörer automatisch eine WirIdentität suggeriert wird. Die kann ja dagewesen sein, wenn große kulturelle Übereinstimmungen da sind – sie muß es allerdings nicht. Ein weiterer Punkt, der mir aufgefallen war, ist der, daß Kulturen ganz sind. Ich glaube einmal in einem Beitrag herausgehört zu haben, daß man sich irgendwie fein aus der Affäre ziehen kann, wenn man sich auf eine Materialart oder sagen wir mal nur auf die Bronzen, oder nur auf die Keramik, oder nur auf den Ackerbau oder sonst irgend etwas bezieht, und dort saubere Einteilungen macht, also Verbreitungsgebiete definiert, Grenzen feststellt. Aber wenn man die Zuordnung der eventuell nicht kongruenten Grenzen der Bronzen, der Keramiken, der Ackerbaumethoden, der was auch immer, der

evtl. linguistischen Rekonstruktionen, wenn man die jeweils nicht überlappenden Gebiete, die da heraus kommen, nicht doch versucht, gesamtkulturell zu sehen und zu interpretieren, machen es eben andere. Das hat Herr Olivier ja auch gesagt: Die werden es wahrscheinlich schlechter machen. Diesem Umstand, daß Kulturen insgesamt da waren, muß man sich sicher stellen, selbst wenn es aus Gründen der methodischen Spezialisierung oder sonstigen pragmatischen Gründen vielleicht einfacher ist, sich jetzt zunächst in seiner eigenen Doktorarbeit oder Habilitation nur mit einem einzigen Gegenstand zu beschäftigen. Aber das zusammen zu denken würde ich also als mindestens genauso wichtig wie die Einzelerhebung betrachten. Denn: Es kam zusammen vor, und wenn das nicht zusammengedacht wird, wenn nicht jemand diese Aufgabe nimmt, das alles in einen gemeinsamen Kontext zu stellen, vielleicht versucht, eine Gesamtkultur daraus zu rekonstruieren werden sie auch dementsprechend, denk‘ ich, weniger Resonanz finden bei Kulturwissenschaftlern, die das relativ selbstverständlich tun – wie Ethnologen eben, die heute untersuchen und die natürlich immer auf Gesamtkulturen treffen. Die also schon allein durch die Vielfalt der Kultur dann geradezu daran gehindert sind, sich derart auf einen einzigen Gegenstand oder zu konzentrieren, wie Sie es vielleicht völlig selbstverständlich tun. Was diese Rückkopplungseffekte anbetrifft, dass die Ergebnisse der Archäologie der nationalistisch ausgebeutet/ausgedeutet werden, eine Frage, die mir Herr Bloemers vorhin noch privat gestellt hat, dass ich mir da etwas dazu überlegen soll – also, vor dem Problem steht die Ethnologie genauso, dass heute mit den Stimmen der Erforschten selber konkurriert werden muß, die eventuell ganz andere Vorstellungen darüber haben, wie ihre Kultur aussieht, und evtentuell sich sogar das Recht verbürgt haben, das auch selber allein vertreten zu dürfen, und ähnliches mehr. Da geschehen mitunter dann auch Dinge letztendlich mit dem, was Ethnologen dann schreiben, die vollkommen konträr zu dem laufen was sie [Pause, Unterbrechung...] ...was ist es dann noch für eine kulturelle Kontinuität – also ich denke, ganz egal wie man’s macht, ist bei der Breitenwirkung vielleicht so gerade der dekonstruktive Appell, oder einfach die Binsenweisheit, oder die Aufforderung, da mal darüber nachzudenken, was man da eigentlich behauptet. Ganz egal, ob das nun Kelten waren, damals, oder nicht: wo soll der Bezug zu heute sein – über 2000 Jahre hinweg, was ist das eigentlich für ein Bezug? Diejenige Frage, die dann vielleicht Archäologen 230

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in der Öffentlichkeit stellen sollten, wenn sie feststellen, dass auf diese Weise ihre Erkenntnisse da evtl. falsch gebraucht, mißbraucht, böswillig mißbraucht – einfach nur dumm gebraucht werden – also daran ist sicherlich, denk‘ ich, kein Mangel. Das war schon ziemlich lang – pardon. [großes Klopfen].

ein Teil der Identität, wo man uns im Grunde nicht braucht, nicht ernstnimmt – wie Sie’s auch immer wollen. Wo wir produktiv, auch sehr schnell produktiv sind, das ist vielleicht auf kleineren Ebenen. Wenn wir z.B. unsere Städte sehen, unsere historischen Altstädte, und wir führen da Grabungen durch, auch über einen längeren Zeitraum, dann sind wir schon für diese Bürgerschaft da vor Ort. Wir tragen irgendwie ganz konkret etwas zu dem Geschichtsbild, zur Geschichte dieser Stadt bei. Also das, denke ich, ist ein positiver Aspekt, der sehr schnell gesehen wird und wo wir also im Grunde auch Akzeptanz bekommen. Die erste Reaktion ist natürlich immer “die Bodendenkmalpflege ist Investitionshemmnis für die Stadtentwicklung”, aber wenn da mal Ruhe eingekehrt ist, sieht man im Grunde auch den Sinn unserer Arbeit, daß wir eben zum Geschichtsbild, zur Geschichte dieser Stadt, etwa im Mittelalter, ganz wesentliches beitragen können. Wie gesagt, das auf Brandenburger Ebene. Wenn ich das jetzt auf deutscher Ebene ein bißchen betrachte, da sind ja so ein paar Stichworte genannt. Berlin 2002: für die, die das von Ihnen nicht wissen, für das Jahr 2002 ist eine große Archäologieausstellung im Gropiusbau geplant – eine nationale Archäologieausstellung, wenn Sie so wollen. Und das ist in einem föderalen Staat, tatsächlich eine Leistung, wenn man nicht wegen, sondern trotz der Kulturhoheit der Länder so etwas zusammenkriegt. Das ist schon ein Prozeß, wo auch eine Gruppendynamik abläuft. Natürlich stellt man sich die Frage, welches Bild der Archäologie wollen wir denn verbreiten? Es gibt also auch eine Strukturkommission für diese Ausstellung. Es werden die archäologischen Funde wichtiger Grabungen der letzten 25 Jahre – also natürlich Deutschland West, Deutschland Ost – dargestellt. Wir haben, muß ich ehrlich zugeben, dieses eigentlich nicht sehr scharf diskutiert. Sicherlich, eine Botschaft ist zu zeigen, wie reich der Boden ist in Deutschland, daß er im Grunde eine Schatzkammer ist, dass man mit diesen Quellen entsprechend sorgsam umgehen muß. Natürlich transportieren wir auch ein Bild: die neuen Techniken, wissenschaftlichen Fragestellungen, die zum Einsatz kommen – ich denke, das ist jetzt nicht weiter aufregend. So ein klein bißchen hat die Diskussion dann aber doch geknistert, als es um die Darstellung der späten Eisenzeit ging. Da stellte sich die Frage, was bringen wir eigentlich zu den frühen Germanen, welche Position haben wir da? Und es gab natürlich einige Vertreter die sagten: „Also damit können wir jetzt von der Archäologie her, nichts sagen – wir machen im Grunde eine

Jürgen Kunow (Wünstorf) Ja, die Frage, denke ich, ist eigentlich von Zimmermann richtig aufgeworfen worden, die ich mir hier auch gestellt habe – was leisten wir in der Öffentlichkeit, was leisten wir für die Öffentlichkeit? Wenn wir da keine überzeugenden Antworten geben können, dann verlieren wir das öffentliche Interesse. Und wenn wir das öffentliche Interesse verlieren, als Denkmalpfleger, als Museumsmann, dann spüren wir das unmittelbar: wir kriegen weniger Geld, wir kriegen schlechte Denkmalschutzgesetze. Also müssen wir tatsächlich glaubhaft mit diesem öffentlichen Interesse umgehen. Die Archäologie war sicherlich im letzten Jahrhundert bis ins 3. Reich hinein identitätsstiftend oder identitätsverstärkend. Ganz klar, in den letzten fünfzig Jahren hat man im Grunde eine erheblich neutralere Position gefunden. Aber natürlich ist heute auch die aktuelle Diskussion in den Ländern: was ist identitätsstiftend und was ist identitätsverstärkend, und welchen Beitrag kann die Bodendenkmalpflege, die Landesarchäologie dazu leisten? Natürlich wird das für jedes Bundesland unterschiedlich ausfallen. Wenn ich das aber auf Brandenburg beziehe, wo ich die Situation natürlich kenne, auch durch Diskussionen im Landesparlament mit Landespolitikern, Landesministern – da gibt es natürlich nicht die Brandenburger Identität, aber es gibt doch so ein paar Hauptströmungen. Eine ist „Brandenburg ist weiterhin die ‘kleine DDR’, das ist der eine Teil der Identität, die anderen sagen dazu ‘sozialistische Wärmestuben’. Die zweite Identität, die man versucht, jetzt zu gewinnen, oder wiederzugewinnen, ist ‘Preußen’; Brandenburg-Preußen. Wir haben im nächsten Jahr 2001 ja ein großes Jubiläum. Vor 300 Jahren, also 1701, ist die Königskrönung gewesen von Friedrich I. Es wird natürlich ein Riesen-Preußen-Fest in Berlin und Brandenburg gemacht, es wird ein Haus der Brandenburg-Preußischen Geschichte eröffnet. Die Politiker bei uns sprechen auch schon durchaus offen von Brandenburg-Preußen, d.h. man hat also sozusagen Identität, man versucht, mit der Identität dort anzuknüpfen. Wir sind mit der ‘Archäologie vor Preußen’ auch in diesem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte präsent, gewisse Ouvertüren werden auch wir leisten, aber das ist 231

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Ausstellung, wo wir also dieses Thema aussparen“. Aber wir müssen ja nicht nur die Köpfe der Leute erreichen, wir müssen ja auch die Herzen der Leute erreichen. Und das sind natürlich schon die Fragen, die gestellt werden, weil die eben so emotionsgeladen sind: was können wir zu dieser Frage der frühen Germanen/späten Eisenzeit beitragen? Und wir müssen etwas beitragen, jedenfalls dann, wenn wir mehr sein wollen als eine antiquarische Wissenschaft. Und wenn wir auf diese Fragen, die uns gestellt werden, nicht eingehen, dann werden wir relativ schnell das öffentliche Interesse verlieren.

die Auswertung unserer Wissenschaft anderen überlassen, oder sie gar nicht erst versuchen anzugehen. Hinterher schreien wir dann natürlich „Mißbrauch!“, aber dem Mißbrauch ist dann Tür und Tor geöffnet, wenn von uns nichts kommt. [Klopfen].

J. H. F. Bloemers: Ich danke für die zwei Statements, wie das auf Neudeutsch offenbar heißt. Gibt es dazu Wortmeldungen oder sind sie schon so ermüdet, oder möchten Sie ihren Zug erreichen, oder was auch immer?

J. H. F. Bloemers: ...wollte nur höflich die Gelegenheit geben. Gut, noch andere? Vielleicht dann, bevor ich dann das Mikrophon an Frau Rieckhoff gebe, dass ich erstens mich bedanke, dass sie noch da sind. Ich weiß nicht, ob Frau Kreuz etwas mit nach Hause nimmt, was etwas festere Form hat. Ich nehme mit nach Hause, daß es komplex ist, das macht mir Spaß. Auf komplexe Dinge gibt es keine einfachen Antworten. Dazu sind wir als Wissenschaftler hier: um komplexen Problemen nicht aus dem Wege zu gehen. Auch wenn die vielleicht nicht zu unseren üblichen Grundsätzen passt. Gut, das ist eins – das zweite was ich zum letzten tun muß, ist Frau Rieckhoff, Frau Sommer und alle Mitarbeiter und Studenten, die diese Tagung vorbereitet haben und auch so perfekt durchgeführt haben zu bedanken – ich muß nicht vergessen, daß es offenbar noch einen Blumenstrauß gibt – Ja, hab es nicht vergessen [gewaltiges Klopfen] – und ich wollte zu den Studenten und Mitarbeitern sagen, daß das Essen und Trinken gestern Abend ausgezeichnet war [äußerst gewaltiges Klopfen].

J. H. F. Bloemers: Herr Wotzka, wollten sie noch etwas sagen... tja, jetzt haben sie die Chance...? P.Wotzka: ...hab schon gesagt...[schwierig zu verstehen]

A. Zimmermann: Also, eine ganz kleine Ergänzung zu dem, was der Herr Kunow gesagt hat. Meiner Meinung nach, gerade im Zuge der Globalisierung und weiteren der Zukunft der EU u.s.w. glaube ich, ist die Bildung von Identitäten auf einem niedrigeren Niveau [wichtig]. Ich weiß nicht ob es das Landesniveau sein soll, oder noch niedriger – eine wichtige Aufgabe für uns, denke ich, die wir positiv erfüllen können. Meine Frage war rhetorisch gemeint. U. Sommer Ich weiß nicht, ob wir Identitäten konstruieren sollen, aber eines, denke ich ist ganz wichtig: daß wir es uns nicht aus der Hand nehmen lassen sollten, das, was wir finden, selbst zu interpretieren. Auch so zu interpretieren, das es in einen größeren Gesamtzusammenhang gestellt wird – was ich aus meinem Vortrag rausgeschmissen hab‘ ist, daß natürlich die meisten dieser Großerzählungen von Historikern stammen, die die Archäologie nur so als schmückendes Beiwerk verwenden, die aber gleichzeitig die Archäologie zu Illustration und als Beleg nutzen: das ist ein ‘objektiver Fund’, der ist ausgegraben worden, der lag da tausend Jahre im Boden, das muß ja so stimmen. Wir wissen, daß wir kritischer mit diesen Funden umgehen können, wir schaffen es aber nicht, selber eine Erzählung zu prägen. Das überlassen wir wieder anderen. Und wir überlassen auch die Wahl der Begriffe, mit denen wir arbeiten, anderen – wir holen uns halt da so mal da einen, mal dort einen, das paßt ja irgendwie. Und da sehe ich die eigentliche Gefahr im Umgang, daß wir die Kontrolle über

S. Rieckhoff: Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich muß mich bedanken bei Ihnen. Ich freue mich, dass alle, die wir gefragt haben, unserer Einladung gefolgt sind. Ich hab mich natürlich ganz besonders gefreut, daß die Diskussion so intensiv gewesen ist, wenn auch manchmal kontrovers – aber das gehört ja dazu. Ich denke, es war meine gute Erfahrung auf dieser Tagung, dass das Thema wirklich auf Interesse gestoßen ist, und ich auch viel gelernt habe. Ja, von mir aus, ganz herzlichen Dank – es freut mich, wenn’s ihnen gefallen hat.

232

Diskussion

Literatur Dannheimer/Gebhard 1993, H. Dannheimer, R. Gebhard (Hrsg.), Das keltische Jahrtausend (Mainz 1993). Holste 1939: F. Holste, die Bronzezeit imNordmainischen Hessen (Berlin 1939). Lund 1998: A. Lund, Die ersten Germanen (Heidelberg 1998). Megaw/Megaw 1989: R. Megaw/V. Megaw, Celtic Art, from its Beginnings to the Book of Kells (London 1989). Pauli 1980: L.Pauli (Hrsg.), Die Kelten in Mitteleuropa (Salzburg 1980). Raftery 1991: B. Raftery, Celtic Art (Paris 1991). Siegmund 2000: F. Siegmund, Alemannen und Franken (Berlin 2000). von

Richthofen 2000: J. von Richthofen, Fibelgebrauch – gebrauchte Fibeln, Studien an Fibeln der älteren römischen Kaiserzeit. Archäologische Berichte 13 (Bonn 2000).

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Schlusskommentar J.H.F. Bloemers, Amsterdams Archeologisch Centrum

In diesem Kommentar werden Elemente aus den unterschiedlichen Kongressbeiträgen hervorgehoben, die meines Erachtens sowohl aus historischer als aus soziologisch-anthropologischer Sicht für das Verständnis der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aktualität relevant sind. Er wird abgeschlossen mit einigen Bemerkungen zum Umgang bei den Aufgaben im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Alltag.

bestimmt von der Wechselwirkung zwischen der Struktur und dem Prozess der Identitätsbildung. Theorien zur Analyse der Identitätsbildung müssen dem gerecht werden. Der Strukturalismus als Theorie eignet sich wenig dazu, weil hier die Struktur gegenseitiger Beziehungen zu statisch ist (Eggert/ Veith 1998, 123-6). Viel geeigneter ist die Strukturierungstheorie, wo Struktur und Prozess in einen Zusammenhang und in Wechselwirkung gestellt werden und ausserdem die Rolle des Individuums und seine Perzeption anerkannt wird (Eggert/Veith 1998, 152-5). Kernkonzepte, die sowohl für historische als gegenwartbezogene Disziplinen Bedeutung haben, sind ‚Kontext’ und ‚(Dis)kontinuität’. Die Relevanz des ersten Konzepts begründet sich auf die Anerkennung von Perzeption und Subjektivität beim Verhalten von Individuen und Gruppen als kritischer Faktor in Transformationsprozessen. Die Bedeutung des zweiten wird deutlich in der Definition von Dunnell (1982): “change and persistance expressed by phenomena that are historically and empirically related to one another”. Die klassische Thematik von historischen Revolutionen und Brüchen und damit im Grunde auch des (scheinbaren) Erscheinens und Verschwindens von Identitäten lässt sich im Prinzip mit Hilfe dieser Interpretation analysieren. Die beiden Konzepte beziehen sich nicht nur auf das übliche Objekt wissenschaftlicher Tätigkeit – die historischen oder aktuellen Gruppen - , sondern auch auf uns selbst als Wissenschaftler. Ersteres wird allgemein anerkannt, letzteres ist jedoch weniger selbstverständlich. Weil wir Wissenschaftler Teil unseres eigenen Kontexts sind, wird unsere wissenschaftliche Arbeit mitbestimmt von wissenschaftlichen Paradigmen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. ‚Dekonstruktion’ als Verfahren bei der Erforschung der Ideengeschichte einer Disziplin oder eines Themas ist deswegen unentbehrlich.

Aus wissenschaftlicher Perspektive ist es für das Verständnis von Identität wesentlich, anzuerkennen dass sie ein dynamisches Phänomen ist und dass Transformation deshalb ein Charakteristikum ihrer Erscheinungsform ist. Diese Transformation wird

Die gesellschaftliche Aktualität möchte ich am Beispiel von Kulturgeschichte und Raumordnung behandeln. In der Raumplanung wird die Identität als eines der Merkmale von räumlicher Qualität betrachtet: die kulturgeschichtlichen Elemente in

Der Kongress stellt ein Thema von grosser Aktualität in den Vordergrund: Identität und die damit verbundenen Aspekte. Es ist aktuell sowohl im Bezug auf die Wissenschaft als auf die Gesellschaft. Für die Vor- und Frühgeschichte ist das Thema teilweise mit der klassischen Frage nach der Ethnizität sozialer Gruppen, ihren materiellen Korrelaten und deren räumlichen Niederschlag verbunden. Für die Soziologie und Ethnologie gilt dies in vergleichbarer Weise, wobei jedoch die studierten Gruppen noch am Leben sind und deshalb das Phänomen differenzierter und kontrollierbarer zu erforschen ist. Gesellschaftlich ist das Thema möglicherweise noch bedeutender, wie vor allem vom Leipziger Sonderforschungsbereich Regionenbezogene Identifikationsprozesse. Das Beispiel Sachsen bezeugt wird. In einem Land wie Deutschland nach der Wende, im heutigen Mittel-Europa während der Ausweitung der Europäischen Union nach Osten, in einer globalisierenden Welt sind die Identitätsfrage und ihre Entwicklungen für die betroffenen sozialen Gruppen nicht zu umgehen. Überraschenderweise kommen in diesem Kontext jedoch auch Kulturgeschichte und so ebenfalls die Archäologie ins Bild. Da die moderne Raumplanung Identität als ein Merkmal räumlicher Qualität betrachtet und kulturgeschichtliche Elemente in der Landschaft dazu wesentlich beitragen, wird auch die Bau- und Bodendenkmalpflege mit diesem Thema konfrontiert.

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Schlusskommentar Tom Bloemers

der Landschaft sind deren materieller Niederschlag. Dies kommt in der 2000 in Florenz von dem Europarat angenommenen Europäischen Landschaftskonvention (2000) zum Ausdruck. Diese Konvention definiert ‚Landschaft’ als “ein Gebiet, wie es von Menschen wahrgenommen wird und dessen Charakter das Ergebnis der Wirkung und Wechselwirkung von natürlichen und/oder menschlichen Faktoren ist”. In der Präambel wird zur Begründung der Zielsetzung der Konvention ausserdem gesagt‚ dass “die Landschaft zur Herausbildung lokaler Kulturen beiträgt … und somit zum Wohlergehen der Menschen und zur Festigung der europäischen Identität beiträgt”. Auch die 1992 vom Europarat angenommene Konvention von Valletta (1992) die sich besonders auf die archäologischen Bodendenk-mäler bezieht, fordert zu einer aktiven Beteiligung an der Raumordnung auf mit der Begründung, dass sie eine Quelle des europäischen kollektiven Gedächtnisses seien. Die Region ist die räumliche und soziale Einheit, in der Ziele umgesetzt werden können und müssen. Hier treffen sich Raum, Verwaltung, Politik, Bürger und Kulturgeschichte. Hier wird das Spannungsfeld zwischen Erhaltung und Entwicklung sichtbar, werden Entscheidungen getroffen u.a., bestimmt von den Erfahrungen und der Wahrnehmung der Beteiligten, wobei Erzählungen und Geschichten eine wichtige Vermittlerrolle für das Selbstbild spielen. Kernproblem ist hierbei, was die Grundlagen dieser Erzählungen sind und wie ihre Anwendung und Effekte in wissenschaftlich und gesellschaftlich verantworteter Weise in die Alltagspraxis eingebunden werden können. Wissenschaftliche und gesellschaftliche checks and balances müssen Rahmenbedingungen schaffen für einen vernünftigen Umgang mit dem Bedürfnis nach Geschichte, ohne Furcht vor Mißbrauch.

scheidungen gelangt (‘subjektive Korrektheit’). Dabei wird anerkannt, dass die Prozedur der Planung oft nicht ganz rational ist. Das Verständnis für die emotionale Erregung der Einwohner bei der Umformung ihrer Umgebung kann entscheidend sein. Planung ist also – neben einem gesetzlich strukturierten Verfahren – auch ein interaktiver Kommunikationsprozess zwischen sehr verschiedenen Disziplinen, Institutionen und Interessen gruppen (During et al. 200, 114 ff.). Ich interpretiere die Beiträge in diesem Kongressband so, dass wir Archäologen brauchen bei der Verbindung von Kulturgeschichte und Raumordnung im Sinne der Europäischen Landschaftskonvention, das Konzept der Dekonstruktion aus den Geschichtswissenschaften und die Einsichten der Sozialwissenschaften über eine angemessene Anwendung der Analogie. Das Ergebnis kann Pla nern, Städtebauern und Landschaftsarchitekten als Quelle der Inspiration für bei einer identitätsstiftender Gestaltung unserer Umgebung dienen. Die Metapher von ‚Geschichte als Baustelle’, die Sabine Rieckhoff in ihrer Einführung zum Kongressband benutzt, und das Handlungskonzept von ‚Denken und Handeln’ passen in diesem Sinne sehr gut zueinander. Literatur Bloemers et al. 2001: J.H.F. Bloemers/R. During/ J.N.H. Elerie/H.A. Groenendijk/M. Hidding/J. Kolen/Th. Spek/M.-H. Wijnen (red.) 2001: Bodemarchief in Behoud en Ontwikkeling. De conceptuele grondslagen (Den Haag 2001). Dunnell 1980: R.C. Dunnell Evolutionary theory and archaeology. In: M. B. Schiffer (Hrsg.), Advances in archaeological method and theory 3 (New York etc., 1980) 35-99.

Aus meiner niederländischen Forschungsperspektive ist die Anerkennung der Komplexität des Problems die Grundlage für den Umgang mit diesem Kernproblem. Seine Merkmale sind die Verflechtung der Dynamik des Phänomens Identität mit Wissenschaft und Politik, und mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der methodische Weg, den wir in unserem nationalen Forschungsprogramm Protecting and developing the Dutch archaeological-historical landscape (BBO; Bloemers et al. 2001) gewählt haben, ist das Konzept von action research, auf Deutsch etwa ‚Denken und Handeln’. Im BBO-Programm bedeutet es die Verbindung des Prozesses, in dem man wissenschaftliche Erkenntnisse erwirbt (‘objektive Wahrheit’) mit dem Prozess, in dem man zu politisch korrekten Ent-

During/Elerie/Groenendijk 2001: R. During/H. Elerie/H. A. Groenendijk, Denken en doen: verpachten van wijsheid of delen van kennis? Pleidooi voor de verbinding van cultuurhistorische kenniseilanden en een relatie met de sociale wetenschappen’. In: J.H.F. Bloemers et al., Bodemarchief in Behoud en Ontwikkeling. De conceptuele grondslagen. (Den Haag 2001) 111-157. Eggert/Veit 1998: Eggert, M. K. H./U.Veit (Hrsg.), Theorie in der Archäologie: Zur englischsprachigen Diskussion (Münster 1998). 235

J.H.F. Bloemers Florence 2000: European Landscape Convention (Florenz 2000). http://conventions.coe.int/ Treaty/en/Treaties/Html/176.htm Valletta (1992): ‘Europees Verdrag inzake de bescherming van het archeologisch erfgoed (herzien); Valletta, 16 januari 1992’. Tractatenblad van het Koninkrijk der Nederlanden 97/2, 1992.

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Zusammenfassungen

Christoph Brumann, Institut für Ethnologie, Universität Köln: Stamm, Volk, Ethnizität, Kultur: Die gegenwärtige Diskussion Der Beitrag bezieht sich auf die jüngere Diskussion zum Tagungsthema in der Völkerkunde/Ethnologie, d. h. der Disziplin, die sich explizit als die Wissenschaft von der menschlichen Kultur versteht. Der Begriff ‘Stamm’ ist als soziale und juristische Realität für viele ethnische Gruppen z. B. in den USA oder Australien - und somit auch für die mit ihnen arbeitenden Ethnologen - weiterhin bedeutsam, hat aber als ethnologischer Fachterminus (außer in sehr spezifischen Verwendungen der politischen Ethnologie) weitgehend ausgedient. Das mit ‘Stamm’ oder ‘Volk’ unterstellte Zusammengehörigkeitsgefühl wird stattdessen heute mit ‘ethnischer Gruppe’ eingefangen. Ausgehend von Frederik Barth wird eine solche als oftmals geschachtelte und immer dynamische soziale Einheit verstanden, die sich in Selbst- wie auch Fremdabgrenzung (also immer im Gegenüber mit anderen solchen Einheiten) als zusammengehörig erfährt. Kulturelle Merkmale wie Sprache, Religion, Kleidung, Ursprungsmythen etc. unterstützen dies gewöhnlich, doch handelt es sich bei diesen immer um eine mehr oder minder selektive Auswahl. Dies gilt auch für den Sonderfall einer Nation, d. h. einer ethnischen Gruppe mit exklusivem Gebietsanspruch. Unter ‘Kultur’ wird hingegen das sozial tradierte Wissen und Verhalten einer Gruppe von Menschen verstanden. Manchmal wird dies auf das Wissen beschränkt; manchmal werden auch Artefakte einbezogen, ohne daß dies in der Forschungspraxis die diese Bereiche ohnehin als verbunden ansieht - entscheidende Konsequenzen hätte. Die Definition impliziert einen objektiven Standpunkt: Die ethnische Selbsteinschätzung ist zwar ein wichtiges Kulturmerkmal, aber nur eines unter vielen, und nicht-ethnische Kulturen (wie etwa die Sitten und Bräuche der Rechtsanwälte) sind nicht ausgeschlossen. Das genaue Verhältnis der beiden Größen ‘Kultur’ und ‘ethnische Gruppe’, also etwa die Frage, wieviel Wir-Gefühl mit wieviel objektiven Gemeinsamkeiten korrespondiert, ist noch kaum geklärt. Außerordentliche Flexibilität - daß beträchtliche Gemeinsamkeiten zwischen und ebenso beträchtliche Unterschiede in ethnischen Gruppen in der sozialen Praxis übersehen werden können 237

- ist jedoch hinreichend demonstriert worden; ein beträchtlicher Teil der ethnologischen Ethnizitätsforschung hat sich mit der Dekonstruktion ethnischer und nationalistischer Selbstbilder beschäftigt. Komplizierend kommt hinzu, daß der Anteil der auf Geschlecht, Alter, Beruf, Bildungsstand oder auf Globalisierungseffekte zurückgehenden gegenüber den lokalitätsbedingten kulturellen Gemeinsamkeiten zunimmt, d. h. immer mehr Menschen immer mehr Kulturen angehören. Die solche Phänomene behandelnde Kulturforschung kann zudem niemals ausschließen, daß ihre Ergebnisse Eingang in den ethnischen Diskurs finden und dort zur Schaffung oder Betonung kultureller Gemeinsamkeiten/ Unterschiede Anlaß geben. Die nationalistischen Linguisten und Historiker des 19. Jahrhunderts haben diesen Effekt bewußt gesucht, und heutzutage geraten Ethnologen, die gegen die Wahrheiten ethnischer und nationaler Selbstfindungsdiskurse anschreiben, mitunter in Zwiespälte zwischen Wahrheitsanspruch und politischen Sympathien. Im Bewußtsein der Rückkopplungseffekte wird nun innerhalb der Ethnologie die Forderung erhoben, den Kulturbegriff ganz abzuschaffen, da er - ganz wie der Rassebegriff, den zu ersetzen er ursprünglich etabliert wurde - unweigerlich Ausgrenzungsmittel sei. Dies würde das Fach jedoch eines zentralen, auch jenseits der Akademie immer verbreiteteren Konzepts berauben. Sinnvoller erscheint mir, den Begriff beizubehalten, ihn allerdings gegenüber der überall vorhandenen individuellen Variation und den transkulturellen Gemeinsamkeiten richtig zu positionieren. Es ist also nicht Aufgabe der Kulturwissenschaft, so viel Kultur wie möglich zu finden. Außerdem gilt es, Kultur, Ethnizität und Identität analytisch zu trennen: Nicht alle Kultur ist ethnizitätsrelevant, nicht jede Identität ist ethnisch oder kulturell begründet. (Siehe hierzu auch meinen Artikel “Writing for culture: Why a successful concept should not be discarded” in Current Anthropology 40 (1999), Supplement, S. 1-27.) Das flexible Verhältnis zwischen Kultur und ethnischer Identität macht mich skeptisch gegenüber Ver-suchen, Gruppen, die nur in fremden Aufzeichnungen oder überhaupt nicht historisch belegt sind, ethnische Identitäten und ein Wir-Gefühl zu unterlegen. Mehr als plausible Spekulationen sind hier kaum zu erreichen. Unproblematisch ist meines Erachtens jedoch die Identifikation von prähistorischen Kulturen. Überträgt man das holistische Kul-

Zusammenfassungen turverständnis der Ethnologie, das zwischen verschiedenen Lebensbereichen (also etwa zwischen Religion und Anbauformen) Querbezüge erwartet, sollte sich dies allerdings immer auf charakteristische Kombinationen aller Fundstücke und nicht nur auf einzelne Artefakt- oder Materialarten beziehen.

den. Ein solches Modell ist, meines Erachtens nach, von nationalistischen Diskursen abzuleiten, die einen tiefen Einfluß auf die archäologische Forschung hatten, der weit über die Beschäftigung mit speziellen nationalen Ursprungsmythen hinausging. Genau wie moderne Nationalstaaten ihre Bevölkerungen klassifizieren und kontrollieren und versuchen, Zusammengehörigkeit und ein bestimmtes Niveau von Homogenität herzustellen, wird auch die archäologische Überlieferung in die Form homogener Typen und Kulturen gepreßt. Sowohl in modernen Staaten als auch in vergangenen Kulturen wird so Diversität „ausgemerzt“ und Heterogenität unterdrückt. Neuere Theorien betonen dagegen die fließende und situationale Natur von Ethnizität, sowie die unterschiedlichen und heterogenen Wege, auf denen materielle Kultur genutzt wird, um Identität zum Ausdruck zu bringen. Wie ich darstellen werde, erfordert ein solcher Ansatz einen grundlegend anderen Zugang zur archäologischen Überlieferung, nicht nur eine neue Interpretation der Verbreitung bestimmter kulturspezifischer Artefakttypen und Stile. Archäologische Kategorien wie ‘Kulturen’ und ‘Typen’ müssen als primäre Analyseeinheiten aufgegeben werden, und stattdessen müssen wir uns auf ein kontextuelles Herangehen an Fragen der sozialen Interaktion und der sozialen Praxis konzent-rieren. Ich will meine Ausführungen mit einigen Beispielen erfolgreicher praxisorientierter Analysen der kulturellen Identität beschließen, die sich auf architektonische Muster, die Strukturierung der Interaktion von Bewegungsmustern und des sozialen Raumes sowie die strukturierte Ablagerung materieller Kultur konzentrieren.

Ulrike Sommer, Institute of Archaeology, University College London: Archäologische Kulturen als imaginäre Gemeinschaften Der Begriff der Kultur zählt zu den Kernkonzepten der prähistorischen Archäologie. Ursprünglich dem Bereich des Ackerbaus entnommen, danach hauptsächlich für das Geistesleben verwendet, wurde es seit dem 19. Jahrhundert zum Kampfbegriff, indem deutsche Kultur und französische Civilisation kon-trastiert wurden. Archäologische Kulturen, wie auch immer charakterisierte Vergesellschaftungen von Bodenfunden, wurden ursprünglich definiert, um von der ethnischen Deutung vorgeschichtlicher Reste abzukommen. Vor allem durch Kossinna wurden sie aber wieder Völkern oder Stämmen gleichge-setzt. Der Vortrag gibt eine kurze Übersicht über die Entwickling des Kulturbegriffs in der Archäologie und plädiert für einen transaktualistischen Kulturbegriff im Sinne von Barth. Danach ist ethnische Identität Teil der sozialen Organisation, und sie wird in Reaktion auf bestimmte Stimuli aktiviert und verändert. Ethnizität und Kultur sind danach nichts gegebenes und unveränderliches. Eine Terminologie, um die unterschiedlichen und unterschiedlich starken Ausprägungen solcher kultureller Manifestationen in der Vorgeschichte zu beschreiben, fehlt aber noch.

Andreas Zimmermann, Institut für Vor- und Frühgeschichte, Universität Köln: Stämme in der Bandkeramik? In diesem Vortrag wird ausgeführt, weshalb in zwei Fallbeispielen der bandkeramischen Kultur (gegen Ende des 6. Jahrtausends v. Chr.) mit einer ‘Grenze’ zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen gerechnet werden muß. Als ‘Grenze’wird hier eine Zone verringerter Kommunikationsintensität bezeichnet. Als archäologische Quellen werden zunächst einerseits die Zusammensetzung der damals genutzten Feuersteinrohmaterialien und andererseits die Verzierung der Keramik herangezogen. Eine Unterschiedlichkeit des Feuersteinrohmaterialspektrums kann für den Zeitabschnitt der gesamten mittleren Bandkeramik belegt werden; in der Keramikdekoration lassen sich die Verschiedenheiten auf beiden Seiten der ‘Grenzen’ erst am Ende der Bandkeramik fassen. In beiden Materialklassen war der Kommu-

Siân Jones, School of Art History and Archaeology, University of Manchester: Archäologie und Ethnizität Die Identifikation von Völkern der Vergangenheit, die wahlweise als Stämme, Nationen oder ethnische Gruppen bezeichnet wurden, hat durch die ganze Geschichte des Faches hindurch eine zentrale Rolle gespielt. Bisweilen war es, oft durch nationalistische Absichten beeinflußt, das ausdrückliche Ziel, die Geschichte ethnischer Gruppen der Vergangenheit nachzuzeichnen. Zu anderen Zeiten wurde Kulturen und ethnischen Gruppen nur eine Rolle im Hintergrund zugewiesen, aber implizit blieben sie ein wesentlicher Aspekt in der Klassifizierung archäologischer Funde. In diesem Vortrag werde ich einen kurzen Überblick über traditionelle Forschungsansätze geben, in welchen abgegrenzte homogene Kulturen mit ethnischen Gruppen der Vorzeit gleichgesetzt wer238

Summaries nikationsfluß nicht völlig unterbrochen. Einzelne “fremde” Elemente lassen sich auf beiden Seiten beobachten. Wenn man sich bemüht zu verstehen, wie es einerseits im Gebiet zwischen Werl und Soest (Westfalen) und andererseits im Raum Nieder-Mörlen, Steinfurth, Echzell (Hessen) zu einer langfristig wenig entwickelten Kommunikation kam, sind zwei Deutungsansätze möglich. 1. Beide ‘Grenzzonen’ befinden sich in der Nachbarschaft einer seltenen Ressource. Dort wurde zumindest in späteren Zeiten Salz gewonnen. Bei diesem Interpretationsversuch würde man Streit um Zugangsrechte für die Entstehung unterschiedlicher Identitäten diesseits und jenseits der ‘Grenze’ verantwortlich machen. 2. Bei einer detaillierten Analyse des Neolithisierungsablaufes und der Untersuchung, wie sich dann später das Mittelneolithikum ausgebreitet hat, kann man Hinweise darauf finden, daß in den beiden fraglichen Gebieten Einflußströmungen aus verschiedenen Regionen aufeinandergestoßen sind. Daß die ethnische Deutung in der Ur- und Frühgeschichte forschungsgeschichtlich belastet ist, darf nach Meinung des Referenten in keinem Fall zur Schlußfolgerung führen, die Suche nach Identitäten dürfe für urgeschichtliche Untersuchungen kein Thema mehr sein. Das hieße auf eine zentrale Fragestellung historischer Arbeiten zu verzichten. Es gehört mit zum Verständnis von Identitäten, ihre Einbettung in soziale Einheiten anderer Größenordnungen sowie ihre sich im Laufe der Zeit dynamisch verändernde Bedeutung zu untersuchen. Mit einem entwickelteren Bewußtsein von der Veränderlichkeit solcher sozialer Gruppierungen läßt sich vermutlich auch die Gefahr mißverständlicher Deutungen verringern. Sebastian Brather, Universität Freiburg: Ethnische Identität und frühgeschichtliche Archäologie I. Einleitung: Der Versuch, Sachkultur und ethnische Gruppen miteinander zu verbinden, ging von der frühgeschichtlichen Archäologie aus. Man bemühte sich, die Geschichte der modernen Nationen weit in schriftlose Zeiten zurückzuverfolgen bzw. zu verlängern. Seit dem 16. Jahrhundert erhob sich überall in Europa die Frage, welches antike ‘Volk’ am Beginn der (eigenen) Geschichte wohl gestanden hatte. Die Romantik sah den Beginn einer patriotischen Sicht auf das Altertum – die „vaterländische Altertumskunde“. In Deutschland lautete die entscheidende Frage: Ist das archäologische Material keltisch, germanisch oder slawisch? Im Zeitalter des Imperia-

lismus erlangte die prähistorische Archäologie auch politische Relevanz. Archäologische Funde konnten ein exzellentes Argument für territoriale Ansprüche abgeben, mitunter bis heute. II. Systematik ‘ethnischer Deutung’: Das ‘ethnische Paradigma’ umfaßt in der (frühgeschichtlichen) Archäologie im wesentlichen folgende Fragestellungen: die ethnische Zuweisung von Siedlungsräumen, die Verbindung kultureller und eth-nischer Kontinuitäten, Ethnogeneseprozesse, den Nachweis von Wanderungen und die Identifizierung von Fremden und ‘Minderheiten’. Alle diese Aspekte sind eng miteinander verbunden, können aber analytisch getrennt werden. Diese fünf systematischen Aspekte lassen sich in eine (durchaus imaginäre) zeitliche Ordnung bringen, d. h. auf einer Zeitachse nacheinander anordnen. III. Unterscheidung: Am Beispiel der Franken läßt sich zeigen, wie die Archäologie des frühen Mittelalters „ansässige Romanen“ und „eingedrungene Germanen“, Franken im nordöstlichen Gallien und Alemannen in Südwestdeutschland, in den Reihengräberfeldern auseinanderzuhalten suchte. Voraussetzung all dieser Bemühungen ist, daß die zu identifizierenden (ethnischen) Gruppen nach innen homogene und nach außen deutlich abgeschlossene (distinkte) Einheiten darstellten. Außerdem müßten verschiedene Ebenen kongruent zusammenfallen: regionale Gruppierungen der Sachkultur, ethnisches Selbstverständnis, Sprachraum und schließlich auch die biologische Verwandtschaft (Abstammungsgemeinschaft). Anhand einiger Versuche der letzten Zeit sollen die Grenzen dieses Vorgehens demonstriert werden. Mit neueren historiographischen Studien ist auf die gemeinsame frühmittelalterliche Lebenswelt hinzuweisen. Die Ausstattung im Grab muß daher vor allem in sozialgeschichtlicher Hinsicht (Rang, Geschlecht, Alter, Familie, Bestattungsgemeinschaft) analysiert werden. IV. Ethnische Symbole als methodischer Ausweg?: Analysen der Sachkultur ergeben keine scharfen Grenzen, sondern fast stets ein diffuses Kontinuum. Ethnische Grenzziehungen berufen sich daher auf wenige Symbole, mit denen kulturelle Unterschiede zu prinzipiellen Differenzen gesteigert, d. h. ideologisch überhöht werden. Mittelalterliche Chroniken weisen mitunter auf solche ‘ethnischen Zeichen’ hin, doch sind diese Anhaltspunkte meist nicht zeitgenössisch, oder sie beziehen sich auf andere Zusammenhänge. Ohne Zusatzinformation ist die Archäologie nicht in der Lage, ethnische Symbole aus dem Kontext zu erschließen, weil wir den Kontext nicht kennen. 239

Zusammenfassungen Slavomir Kadrow, Instytut Archeologii, Uniwersytet Rzeszowski Soziale und ethnische Strukturen der Bronzezeit Polens Das Referat geht von folgenden Annahmen aus: a. Ethnien sind selbstdefinierte Gruppen, die über den Mechanismus eines sozialen und kulturellen Vergleichs (Wir/Andere) enstanden sind, und b. ethnische Identifikation wird durch die Verfolgung gemeinsamer Interessen verstärkt. Daraus folgt: (1) Ethnizität muß als dynamisches Ereignis verstanden werden, und (2) ethnische Analysen sollten sich auf die soziale Organisation und die Mechanismen politischer Macht konzentrieren. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß ethnische Prozesse nur nach dem Modell organischer Muster verlaufen können. Im Gegenteil kann man annehmen, daß sich viele wichtige ethnische Prozesse nach ganz anderen Modellen (z.B. colluvies gentium) gestalteten. Gegenstand des Referates sind die Gruppen, die den östlichen Teil Polens vom Ende des Neolithikums bis zum Anfang der Lausitzer Kultur (2500 – 1000 BC) bewohnt haben. Als Grundlage für die Erschließung ihrer sozialen Strukturen dienen vielschichtigen Siedlungsanalysen, die durch Ergebnisse der Gräberanalysen ergänzt werden. In der Bronzezeit Ostpolens sind die kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und ethnischen Prozesse sehr viel anders abgelaufen als in den mitteleuropäischen Gebieten. Im allgemeinen haben sich die spätneolithischen Muster fortgesetzt, bronzezeitliche (mittel- oder südosteuropäische) Einflüsse wurden nur sehr oberflächlich adaptiert. Wahrscheinlich hat die Fluidität und der geringe Organisationsgrad der kleinen ethnischen Einheiten einer Stagnation der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung entsprochen. Es ist daher sehr zweifelhaft, ob diese in ihrer Mitgliedschaft sehr flüssigen, ohne innere Dynamik lebenden und sich nur langsam verändernden kleinen Gesellschaften als Basis für die historisch überlieferten größeren ethnischen Einheiten dienen konnten. John Collis, University of Sheffield, Dept. of archaeology: Die Kelten und die Politik Wenn man das Verhältnis zwischen Archäologie, Rasse, Ethnizität und Politik untersucht, geben die Kelten eine der interessantesten Fallstudien ab, sowohl für die Art und Weise, wie die Kelten der Antike benutzt wurden, als auch während des Aufstiegs der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert und nicht zuletzt für die Entwicklung einer pan-europäischen Identität in der jüngsten Vergangenheit. In

den letzten 15 Jahren wurde zu diesem Thema sehr viel publiziert, daher kann ich nur ein paar wenige Punkte herausgreifen. Im heutigen Europa wird die Konzeption der Kelten auf vier verschiedenen Ebenen genutzt: 1. um eine pan-europäische Identität, die sich auf gemeinsame Wurzeln beruft, von Irland bis in die Türkei und von Portugal bis Polen. zu befördern; 2. um eine regionale Identität für die Bewohner der europäischen Atlantikküste, die keltische Sprachen sprechen oder sich mit moderner „keltischer“ Kultur identifizieren, zu schaffen. 3. um in den moderner Nationalstaaten wie Frankreich, Irland und Spanien Ursprungsmythen zu schaffen; 4. um auf der lokalen Ebene eine lokale Identität zu fördern, wie im Fall von Galizien in Spanien, oder um die Entwicklung des Tourismus voranzutreiben (Tara, Navan Fort, Mont Beuvray). Für uns Archäologen besteht das Problem darin zu entscheiden, welche Rolle wir dabei spielen wollen, denn obwohl wir diesen politischen Zielen wohlwollend gegenüber stehen mögen, wurde Archäologie in der Vergangenheit benutzt, um Rassismus, extremen Nationalismus und andere Formen kultureller Vorherrschaft zu befördern. Daher sollten wir uns hüten, eine falsche Methodologie zu verwenden, nur weil sie unseren besonderen Zwecken dient (z. B. der Unterstützung von Minderheiten) oder weil sie unschuldig erscheint. Archäologen verdammen zum Beispiel die Methodologie von Gustaf Kossinna, weil sie durch den Gebrauch durch die Nazis belastet erscheint, aber die Methodologie, mit der heute der Ursprung und die Ausbreitung der Kelten erklärt werden, ist damit fast identisch (und genauso falsch!), wird aber dennoch weiterhin in wissenschaftlichen Publikationen und Ausstellungen verbreitet. Archäologen müssen sich deshalb der theoretischen Grundlagen ihrer Methodologien und der Geschichte ihres Faches bewußt sein. Die Konzeption der Kelten basiert auf einer Reihe falscher Annahmen über die Vergangenheit, die nicht in Frage gestellt werden. Dazu gehört folgendes: 1. Die Annahme, daß die Bewohner der britischen Inseln Kelten waren, ist eine moderne Erfindung des 16. Jahrhunderts (Georg Buchanan). 2. Die Definition der Kelten als eines Volkes, das eine keltische Sprache spricht, ist ebenfalls modern. Sie beruht auf der falschen Annahme des Abbé Pezron, daß Bretonisch ein Überbleibsel der alten, in Gallien gesprochenen Sprache sei und deshalb sowohl Bretonisch als auch verwandte Sprachen „keltisch“ seien. 240

Summaries 3. Keltische Kunst wird als solche bezeichnet, weil man im 19. Jahrhundert die antike Bevölkerung Großbritanniens für keltisch hielt, und daher mußte auch deren Kunst keltisch sein (Tara-Fibel, Battersea-Schild). 4. Die Verbindung einer „La-Tène-Kultur“ mit den Kelten, die sich von Nordfrankreich und Süddeutsch-land her ausbreitete, basiert auf der Annahme, daß die Kelten irgendwann in der Eisenzeit von außer-halb nach Mitteleuropa kamen. Dafür finden sich in den Textquellen kaum Belege. 5. Die archäologische Verbreitung der Kelten, wie sie die meisten Karten zeigen, beruht auf der Annahme Joseph Déchelettes, daß die Kelten anhand ihrer Grabsitte, der gestreckten Körperbestattung identifiziert werden könnten (im Unterschied zu den Brandbestattungen der Germanen). Den meisten Archäologen sind sich dieser Tatsachen nicht bewußt, und wegen dieser Unkenntnis fahren sie fort, dem breiten Publikum falsche Informationen zu vermitteln, die dann für politische Ziele verwendet werden können. Daher müssen Archäologen ihr Forschungsgebiet besser verstehen lernen sowie die gesellschaftlichen und politischen Implikationen ihrer Handlungen. Laurent Olivier, Musée des Antiquités Nationales à Saint-Germain-en-Laye und Olivier Buch-senschutz, CNRS, Paris: Die Rolle der Archäologie im Konflikt zwischen regionaler und nationaler Identität in Frankreich Seit dem Mittelalter spielen die Gallier als das von den antiken Quellen überlieferte Ur-Volk eine grundlegende Rolle in der Entwicklung der französischen kollektiven Identität. In Wahrheit sind diese Quellen unvereinbar, lückenhaft und widersprüchlich und bestehen im wesentlichen aus Cäsars De Bello Gallico. Dieser Text, seit dem 16. Jahrhundert immer wieder aufgelegt, ist der Ur-Text für die Geschichte und später die Archäologie der Gallier und hat nacheinander sowohl zur Legitimation der absoluten Monarchie wie auch der republikanischen Nation gedient. Das Gallien Caesars ist so das Modell für das zeitgenössische Hexagon, Frankreich in seinen natürlichen Grenzen. Die Aufklärung und die republikanische Ideologie kehrten die bis dahin gültige Geschichtsinterpretation um. Man ließ die Franken, die als die Begründer der Ungleichheit des Ancien Regime galten, verschwinden und ersetzte sie durch die Gallier, welche nun die Rechte der Gemeinschaft verkörperten und L’histoire de France eröffneten. Wie vorher die absolute Monarchie führte aber die Republik den jahrhunderte-

langen Prozeß der Zentralisation als Nachfolger der nos ancêtres les Gaulois weiter. Der Anspruch auf regionale Identität, besonders der Bretagne, blieb dabei unbeachtet, wie man auch die Ansätze einer antirepublikanischen Restauration, die während des 19. und 20. Jahrhunderts immer wieder hier und da aufflammte, nicht völlig ersticken konnte. Das Modell der nationalen - gallischen - Wurzeln ist heute umstritten, einerseits, weil das traditionelle Modell des Nationalstaats selber zusammengebrochen ist, anderseits, weil die moderne Forschung gezeigt hat, daß die heutigen Staaten mit den antiken Kulturgruppen, seien sie germanisch, italisch oder auch hispanisch, nichts zu tun haben. Den nationalen Galliern werden nun die Kelten der regionalistischen Bewegungen gegenübergestellt. Wie während des zweiten Weltkrieges suchen diese Bewegungen eine Basis jenseits von Frankreich, in einer europäischen Identität. In der Definition ihrer Identität spielen Musik, Sprache und Landschaft eine Rolle, und auch das, was sie von der Geschichte wissen, aber all das ist nebensächlich im Vergleich zu dem politischen Kampf um Selbstverwaltung. Jan Klápšĕ, Archeologický ústav Akademie ved CR, Praha: Archäologie des Mittelalters im Spannungsfeld der verschiedenen Identitäten: das Fallbeispiel Böhmen 1. Germanen : Slawen Die Anfänge der slawischen Besiedlung Böhmens, archäologische und sprachwissenschaftliche Konzepte im Vergleich. 2. Einheit und Gliederung Stamm - Stämme, Kleinstämme oder etwas anderes? Nachweise der frühmittelalterlichen Gliederung Böhmens in den Schriftquellen und in der Archäologie. Versuch eines Vergleichs und einer geschichtlichen Bewertung der Erscheinung. 3. Tschechen : Deutsche Die ethnische Karte Böhmens und die materielle Kultur im 13. Jahrhundert - Sprachwissenschaft und Archäologie im Vergleich. Hochmittelalterliche Diskrepanz als eine Ausnahme oder eine allgemeinere Regel? Miloš Jevtić, Univerzitet u Beogradu, Odeljenje za arheologiju: Modern Serbian archaeology and the problem of ethnic identification Als wir die Einladung zu dieser Tagung annahmen, war uns bewußt, daß unsere ausländischen Kolle241

Zusammenfassungen gen gerne unsere Ansichten über die Ethnizitätsforschung in der gegenwärtigen serbischen Archäologie, d. h., während der letzten zehn Jahre des Milošević-Regimes kennenlernen möchten. Das Thema ist von weitreichender Bedeutung und erfordert einen umfassenden Ansatz, denn während des ehemaligen Regimes gab es innerhalb der Grenzen des ehemaligen Jugoslaviens ausge-prägte ethnische Bewegungen. Zu den grundlegenden Fragen, die in diesem Zusammenhang beantwortet werden sollen, zählen: -Wie weit hat es die serbische Archäologie geschafft, der nationalistischen Euphorie zur Zeit des Zu-sammenbrauchs des zweiten Jugoslavien zu widerstehen? -Gibt es offene oder versteckte nationalistische Tendenzen in neuen archäologischen Publikationen, und wie steht die serbische Archäologie dazu? -Welche Bereiche der serbischen Archäologie sind besonders anfällig für die Entstehung oder die Wiederbelebung eines Nationalismus? Alle diese und ähnliche Fragen sind nicht einfach zu beantworten und erfordern ausgedehnte Untersuchungen. Da es sich um eher ethische als rein wissenschaftliche Fragen handelt, war es mir ein Anliegen, vor Abfassung dieses Textes meine verehrten Kollegen zu konsultieren, vor allem Prof. Dr. Garašanin, Prof. N. Tasić und Assistenz Prof. A. Palavestra. Da mein Forschungsschwerpunkt auf der materiellen und geistigen Kultur der paläo-balkanischen Gesellschaften des Zentralbalkans während der Bronze- und frühen Eisenzeit liegt, möchte ich mich im ersten Teil meines Vortrages auf die Probleme der ethnischen Identifikation und der Kontaktzonen bestimmter archäologischer Kulturgruppen in diesem Gebiet in protohistorischer, d.h., in vorrömischer Zeit konzentrieren. In diesem Zusammenhang könnte man die Frage stellen, inwieweit die allgemein anerkannte Theorie, daß ein dako-mösisches Substrat im Zentralbalkan die grundlage für die Heraus-bildung größerer ethnischer Gruppen, besonders der Triballer und der Dardanier bildete, Ausdruck des Wunsches ist, nicht im Niemandsland zu stehen, also auf der Grenze zwischen Illyrern und Thrakern. Trotzdem ist dieser Ansatz, unserer Meinung nach, das einzige wirklich wissenschaftlich begründte methodologische Konzept, das in der serbischen Archäologie immer noch akzeptiert wird. In den letzten Jahren mußten wir in Serbien leider beobachten, daß viele Bücher über archäologische

Themen publiziert werden, die von Laien verfaßt wurden und alle Merkmale pseudo-wissenschaftlicher Literatur aufweisen. Solche Bücher werden in allen Kulturen und bei allen Nationen publiziert, aber das anti-intellektuelle Klima unter dem ehemaligen Regime führte dazu, daß die Zahl solcher Bücher in Serbien deutlich anstieg. Bücher über die Serben als das älteste aller Völker, über das VinčaAlphabet als in den Grundzügen serbisch und ähnliche Werke verdienen keine besondere Beachtung oder ernsthafte Diskussion. Sehr viel gefährlicher sind Artikel und Broschüren, die von Archäologen stammen – und in denen auf der Basis spärlicher archäologischer Daten und nicht belegter oder falsch verstandener Schriftquellen behauptet oder angedeutet wird, daß die serbische Nation “historische Anrechte” auf bestimmte Gebi-te des Balkans habe. Wir möchten ferner besonders auf die Ansichten einiger Mittelalterarchäologen hinweisen, die auf Grund ihrer Forschungen zur serbischen Ethnogenese zu behaupten versuchen, daß die Serben seit der römischen oder sogar der vorrömischen Epoche die authochthone Bevölkerung des Balkans darstellen. Predrag Novaković, Oddelek za arheologijo Univerze v Ljubljani: Archäologie und wechselnde Identitäten im früheren Jugoslawien Während seiner gesamten siebzigjährigen Geschichte als Staat befand sich Jugoslawien, ein Mosaik aus einer Anzahl nationaler, ethnischer, religiöser und kultureller Geschichten und Identitäten, in einer immerwährenden Suche nach einem Ausgleich zwischen seinen Nationen und nach einer Identität und einer gemeinsamen Grundlage auf dem Feld der Politik, Geschichte und Kultur. Zwei groß angelegte Versuche, eine gemeinsame Identität herzustellen, wurden ausgelöst durch die herrschenden politischen Eliten: Der jugoslawische Integrationalismus (1918-1941) und die Ideologie der Brüderlichkeit und Einheit (1945-1991). Beide Versuche scheiterten und endeten schließlich in inter-ethnischen- und Bürgerkriegen. Obwohl die durch Tito geleitete jugoslawische kommunistische Partei nach dem zweiten Weltkrieg in der Wiederherstellung des jugoslawischen Staates auf neuen ideologischen Grundlagen erfolgreich war, gab es in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren keine Macht mehr, die in der Lage war, dies ebenfalls zu erreichen. Die auf den Tod von Tito (1980) folgenden Jahrzehnte zeichneten sich durch zwei bedeutende politische Probleme aus: die wachsende Unzufriedenheit mit der sozialistischen Regierung 242

Summaries und die Forderungen nach einem demokratischen System sowie die verstärkter Betonung von Nationalismus und die Forderungen nach unabhängigen Nationalstaaten. Diese beiden Probleme hingen eng miteinander zusammen. Der Großteil des Diskurses über historische, kulturelle und Identitätsfragen verlief zentrifugal, da die jugoslawische Haltung für die neuen nationalistischen Eliten, die in allen Teilrepubliken entstanden, unerträglich wurde. Das sozialistische Regime und seine Ideologie wurden als erstes angegriffen. Den Forderungen nach einem demokratischen System folgten bald auch Forderungen nach nationaler Unabhängigkeit. Letztere griffen die Ideologie und Doktrin der Brüderlichkeit und Einigkeit an, wie sie von dem kommu-nistischen Regime proklamiert worden waren. Die Neuinterpretation der Vergangenheit stellte eine der offensichtlichsten Strategien in diesem Prozeß dar. Die Geschichte, reich an Episoden von offenen ethnischen, religiösen, politischen und kulturellen Konflikten, illiberalen Regimen und Diktaturen, lieferte einen unerschöpflichen Fundus von Fragen und Themen, die dann im Rahmen eines nationalistischen Diskurses eingesetzt werden konnten. Während die kommunistische Partei immer noch auf denjenigen Elementen der Geschichte beharrte, die als gemeinsame Grundlage für die Identität des Staates und der Regierung dienen konnten (die nationale Befreiungsbewegung als die Basis des neuen Nachkriegsjugoslawiens; die entscheidende Rolle von Tito und der kommunistischen Partei in der Erschaffung eines neuen Nachkriegs-Jugoslawiens; die Rückprojektion dieser Elemente der Brüderlichkeit und Einheit in die Vergangenheit usw.), neigten die neuen nationalistischen Eliten in den Republiken eher zur Nationalgeschichten und nationalen Identitäten und gestalteten diese so abweichend wie nur irgend möglich von der „offiziellen“ Erzählung. Man bemühte sich nicht nur, die Geschichte der Neuzeit zu revidieren, sondern auch Alte Geschichte und Archäologie. Die Versuche, die antike und vorgeschichtliche Vergangenheit zu revidieren, manifestierte sich in vielfältiger Weise. Drei wichtige Phänomene können hier skizziert werden können: erstens die Erscheinung autochthoner Ethnogenese-„Theorien“, zweitens die Forderung nach unabhängigen Staaten, die auf der Staatlichkeit der slavischen Nationen im Frühmittelalter und Mittelalter und auf den mit ihnen verbunden Mythen beruhten sowie den wachsenden Bestrebungen der christlichen (katholischen und orthodoxen) Kirchen und der muslimischen Geistlichkeit, moralische und öffentliche Fragen zu

beeinflussen, und schließlich drittens auch die Deutung der Vergangenheit. Obwohl viele dieser Behauptungen zu falschen Theorien und schlechter Wissenschaft führten, kokettierte die nationale Politik dieses Zeitabschnitts bereitwillig damit und half so, „neue“ Traditionen zu etablieren – die so verschieden wie nur irgend möglich von den Traditionen anderer slavischer Nationen in Jugoslawien und von den Traditionen der kommunistischen Interpretation der Vergangenheit waren. Die Rolle der Wissenschaftler und Intellektuellen war sehr unterschiedlich. Es ist fast unmöglich, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Die meisten von ihnen lehnten die extremen Verirrungen und auch die schlechte Forschung ab, aber auf der anderen Seite gab es einflußreiche Gruppen von Historikern, Linguisten, Kunstgeschichtlern, Schriftstellern, Dichtern und Künstlern, die ihre Zukunft bei den neuen politischen Eliten in den jeweiligen Republiken und Nachfolgestaaten sahen und aktiv zu der Herstellung und Verbreitung nationaler Ideologien und Identitäten beitrugen. Der Vortrag untersucht einige Beispiele der Erfindung von Traditionen, den Forderungen historischer begründeter Anrechte und der Herstellung neuer Identitäten, bei denen Archäologie und deren Praxis in den ehemaligen jugoslawischen Republiken und Nachfolgestaaten beteiligt waren. Sam Lucy, Cambridge Archaeological Unit: Die Konstruktion des Englischen: Frühmittelalterliche Gräberfelder und die veränderte Wahrnehmung der Angelsachsen Seit ihren Anfängen hat die Archäologie der frühen Angel-Sachsen (die Archäologie Ostenglands vom fünften bis zum siebenten Jahrhundert n.Chr.) in einem auf dem „gesunden Menschenverstand“ beruhenden Rahmen operiert. Wir „wissen“, daß Leute aus dem Norden Europas im 5. und 6. Jahrhundert nach Chr. nach Großbritannien eingewandert sind, da die Schriftquellen dies berichten. Das archäologische Fundgut bestätigt das. Tut es das wirklich? Dieses Referat will zu den Anfängen der Angelsachsen-Archäologie zurückkehren und zeigen, daß das Konzept von den Angelsachsen im des nationalistischen Diskurs des 19 Jh. entstanden ist. Das archäologische Fundgut wurde Teil dieses Diskurses, es wurde benutzt, um die Idee des “Englischen” an sich zu definieren. Die Interpretation neuer Grabriten und Grabbeigaben als Anzeichen germanischer Einwanderung wurde so niemals ernsthaft in Frage gestellt. Aber die gegenwärtige Kritik an dem Kulturbegriff in der prähistorischen Archäologie kann 243

Zusammenfassungen auch auf die Archäologie der Angelsachsen angewandt werden. Dieses Referat wird zeigen, daß ein großer Teil der Terminologie und Methodologie, die von den Frühmittelalterforschern verwendet wird, in Frage gestellt werden kann. Die Historisierung der Debatte zu ist ein Weg, um diesen Prozeß einzuleiten. Ulrike Sommer, Institute of Archaeology, University College London: Archäologie und sächsische Identität Die Entwicklung der sächsischen Archäologie ist eng mit der Frage nach der Identität der Hersteller prähistorischer Objekte und Bodendenkmäler verknüpft. Nachdem der Artefaktcharakter der Funde allmählich anerkannt worden war, stellte schon 1781 die Oberlausitzische Gesellschaft in Görlitz die Preisfrage, ob ”Germanen oder Serben die ersten Bewohner der Oberlausitz” waren?“. In einem ersten Abschnitt der Forschung wurden zur Beantwortung der Frage nach den ersten Bewohnern Sachsens lediglich die Schriftquellen herangezogen, für die Bodenfunde im besten Falle als Illustration dienten. Seit ca. 1820 begannen jedoch eine Anzahl von Autoren, aus den Schriftquellen Kriterien herzuleiten, die eine ethnische Zuordnung archäologischer Funde ermöglichen sollten. So werden etwa Befestigungsanlagen den „kriegerischen“ Germanen zugeschrieben, da die Slawen anerkanntermaßen friedfertigen Charakters waren. Ab der Mitte der 1830er Jahre finden sich dann Argumentationen, mit denen eine ethnische Deutung an Hand von Fundverteilung und Fundvergesellschaftung, also aus dem Material heraus versucht wurde. So fordert K. B. Preusker zum Beispiel einen systematischen Vergleich mit rein germanisch und rein slawisch besiedelten Gegenden, um die sächsischen Funde den betreffenden Völkerschaften zuweisen zu können. Autoren wie K. A. Engelhardt (1802) und K. B. Preusker (1841) gelingt auf diese Weise eine durchaus befriedigende Einbettung prähistorischer Funde in eine vaterländische Geschichte – wenn auch unter gegensätzlichen ethnischen Vorzeichen. Über die Identität der ersten Bewohnern von Sachsen bzw. der Mark Meißen wurde keine Einigkeit erreicht. Zwar wurde um die Zuordnung einzelner Funde und Fundgruppen durchaus heiß gestritten wurde, aber insgesamt scheint die Frage nicht von solcher Bedeutung gewesen zu sein, daß sie in Forscherkreisen wirkliche Konflikte auslöste. Das mochte daran liegen, daß sich die sächsische Identität, je nach politischer Ausrichtung, verschiedenen „Vorfahren“ festmachen konnte. Während die Kelten allmählich wieder in den Nebeln der Roman-

tik verschwanden, aus denen sie gekommen waren, verkörperten die Germanen kriegerische Erfolge und politische Freiheiten. Die Slaven dagegen standen für wirtschaftlichen Erfolg und friedliche Kultur. Eine direkte genealogische Verbindung wurde selten gezogen, aber die Sachsen des 19. und teilweise auch noch des 20. Jahrhunderts fanden sich gut in den stereotypen Beschreibungen der Slaven wieder, die auf Herder, aber auch auf polnische und tschechische Autoren zurückgingen. Der Versuch, die Frage der ethnischen Zuordnung zu lösen, und die damit einhergehende Verwissenschaftlichung der Archäologie führte zu einer zunehmenden Distanz zwischen Fachwissenschaft und populärer Deutung. Zwar wurden durch bessere Datierungsmethoden und die dadurch seit 1860 rapide zunehmende zeitliche Tiefe der Vorgeschichte die schlichte Erzählung von „unseren Vorfahren“ in einer zeitlosen, - sei es idyllischen, sei es rohen - Urzeit widerlegt. Aber andererseits führte die katalog- und kartenmäßige Erfassung der vorgeschichtlichen Funde zu einer Herauslösung des Einzelfundes aus seiner konkreten Verortung, der Verbindung mit der holistisch wahrgenommenen Landschaft und der volkstümlichen Überlieferung. Als G. Kossinna fast 20 Jahre später wieder genealogische Verbindungslinien herzustellen versuchte, die nun die Vorzeit in ihrer gesamten neuerschlossenen zeitlichen Tiefe umfaßten, womit er freilich methodisch hinter den bereits erreichten Stand zurückging, ließ sich dies gut für das nationale Geschichtsbild nutzen. Für Sachsen ergab sich damit aber die Notwendigkeit, eine genealogische Linie zu konstruieren, die im Fundgut nicht eben offensichtlich war. Eine eigentümlich sächsische Vorgeschichtsdeutung konnte sich im 20. Jahrhundert nur noch schwer durchsetzen. Die vorherrschenden Meistererzählungen reihten sich in die nationale, nicht mehr regionale Geschichtsschreibung ein. Während der NSZeit wurde Sachsen als Bollwerk gegen den Osten und Vorbild einer gelungenen „Re“-Germanisierung beschrieben. In der DDR wurde zwar die Rolle der Slawen positiv hervorgehoben und die Forschung konzentrierte sich, in bewußter Opposition zu den Thesen über die fehlende staatenbildende Kraft der Slawen, auf den Nachweis frühfeudaler Strukturen. In allgemeinen Darstellungen wurde jedoch das kleindeutsche germanozentrische Geschichtsbild, wenn auch unter verschobenen Wertungen, weiter tradiert. Die von K.H. Blaschke geprägte Erzählung von Sachsen als Durchgangsland, in dem sich vielerlei Kulturen und Ethnien begegnen und vermischen und so die typischen positiven sächsischen Eigen244

Summaries schaften hervorbringen, wie sie bereits aus den Selbstbeschreibungen des 18. und 19. Jahrhunderts bekannt waren, entspricht mit ihrem „multi-kultiAnsatz“ besser dem politischen Klima unserer Zeit als etwa ein Rückgriff auf „die Germanen“. Auch diese Erzählung beruht aber auf einer genealogisch be-gründeten, über lange Zeit tradierten Gruppenidentität mit potentiell exklusiven Konnotationen.

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Zusammenfassungen

Summaries

Christoph Brumann, Institut für Ethnologie, Universität Köln: Tribe, people, ethnicity and culture, the current debate This paper refers to the recent dicussion about the subject of the congress in ethnology, that is, the discipline that explicitly defines itself by the study of human culture. The term ‘tribe’ is a social and legal reality for numerous ethnic groups for example in the US and Australia – and thus is still meaningful for the ethnologists working with them, but as an technical term it is more or less obsolete in ethnology (except for very specific uses in political ethnology). The type of solidarity implied by the term tribe or people today is described by the term ‘ethnic group’ instead. Proceeding from the work of Frederik Barth this is defined as a often complex, interacting and always dynamic social unit that experiences cohesion both trough self-delimination and through delimination by others (that is, there always has to be a contrast to other units of the same kind). Cultural traits like language, religion, dress, myth of origin etc. normally support this, but always form a more or less comprehensive selection. The same holds true for the special case of a nation, that is, an ethnic group with an exclusive territorial claim. Culture is used to describe the socially transmitted knowledge and behaviour of a human group. Sometimes the term is is restricted to knowledge, sometimes artefacts are included as well. The consequences in the field are minimal, as these two subjects are perceived as interconnected. This definition implies an objective point of view: while the ethnic self-identification is an important cultural trait, it is only only one amongst many, and non-ethnical cultures (like the customs and habits of stock-brokers) are not necessarily excluded. The exact relation of the two variables ‘culture’ and ‘ethnic group’, for example the extent of the correlation between group-identity and objective common traits is relatively badly known. It has been demonstrated that extraordinary flexibility can exist: both a high degree of correspondence and marked differences between ethnic groups in can easily be ignored in the social practice. A considerable part of ethnological research on identity has been concerned with the deconstruction of ethnic and nationalist self-images. Additional complications are produced by the fact that similarities

caused by age, gender, occupation, education and the effects of globalisation increase in favour of local cultural traits. More and more people belong to more and more different cultures. Cultural studies that look into these phenomena can never exclude the possibility that their results are included in an ethnic discourse and used to create or emphasise cultural similarities and differences. The nationalist linguists and historians of the 19th century have been consciously looking for this effect. Today historians who write against the ethnic and national discourse of self-definition can get into a quandary between a claim to truth and political sympathies. Keeping in mind these feedback-links, there there have been calls in ethnography to get rid of the culture concept altogether, because the concept of culture, like the concept of race, it was originally established to replace, is claimed to be inevitably exclusive. This would rob the discipline of an important and central concept, that is widely known outside of academia as well. To me, it seems more sensible to keep the term, but to put it into the correct position in relation to the ubiquitous individual variation and transcultural similarities. It is thus not the task of cultural studies to find as much culture as possible. Additionally, culture, ethnicity and identity have to be kept separate analytically. Not all of culture is relevant to ethnicity, not every ethnicity is ethnically or culturally founded (compare my article: Writing for culture: why a successful concept should not be discarded in Current Anthropology 40, 1999 supplement, 1-27). Because of the flexible relation between culture and ethnic identity I am sceptical of attempts to ascribe group-solidarity and ethnic identity to groups that are only known from outside observation or no historical accounts at al. Plausible speculation is the most we can try for. The identification of prehistoric cultures is unproblematical in my view. But if the holistic culture concept of ethnology, that expects correlations between different areas of daily life (for example between religion and forms of cultivation) is transferred to archaeology, this should be based on a characteristic assemblage of all finds and not on a single artefact type or class of material.

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Summaries Ulrike Sommer, Institute of Archaeology, University College London Archaeological cultures as invented communities The culture-concept is central to prehistoric archaeology. Originally connected to agriculture, then used to describe intellectual and artistic achievement, in Germany the term ‘culture’ also became a politically charged at the beginning of the 19th century, when German culture was contrasted to French civilisation. Archaeological cultures, that is, assemblages of specific finds and features were defined originally to get rid of ethnic ascriptions. But Kossinna and his pupils equated them again with peoples or tribes. The paper provides a short history of the culture-concept in archaeology and pleads for the use of a transactionalist concept of culture, as proposed by Barth. Here, ethnic identity is seen as an integral part of social organisation, which is activated and changed in reaction to specific stimuli. Neither ethnicity nor culture are given or static. A terminology to describe the different cultural manifestations in prehistory and their changing magnitude is not yet in existence. Siân Jones, School of Art History and Archaeology, University of Manchester: Ethnicity in archaeology The identification of past peoples, variously referred to as tribes, nations and ethnic groups, has played a central role in the production of archaeological knowledge throughout the history of the discipline. At times, often influenced by a nationalist agenda, tracing the history of past ethnic groups has been the explicit agenda. At other times, cultures and ethnic groups have been relegated to a back seat role, but implicitly remain a fundamental aspect of the classification of archaeological remains. In this paper, I will briefly review traditional approaches involving the equation of discrete homogeneous culture areas with past ethnic groups. Such a model, I will argue, is derived from modern nationalist discourses which have had a profound impact on archaeological research far beyond the pursuit of particular national origin myths. Just as modern nation states classify and control their populations, attempting to engineer cohesion and a certain level of homogeneity, so archaeological evidence is moulded into the form homogeneous types and cultures. In the case of both modern states and past cultures diversity is ‘weeded out’ and heterogeneity suppressed. Recent theories, however, highlight the fluid and situational nature of ethnicity, and the diverse, heterogeneous ways in which material culture is used

in the expression of identity. Such an approach, I will argue, requires a fundamental shift in approaches to archaeological evidence, not merely new interpretations of the distribution of particular cultural ‘types’ and styles. Existing archaeological categories such as ‘cultures’ and ‘types’ need to be abandoned as primary units of analysis, and in their place we need to focus on a contextual approach to social interaction and social practice. I will conclude by providing examples of cases where a practice centred analysis of cultural identity has been successful using an array of approaches focusing on architectural order, the structuring of movement interaction and social space, and the structured deposition of material culture. Andreas Zimmermann, Institut für Vor- und Frühgeschichte, Universität Köln: Are there Linearbandceramic tribes? Based on two case studies, this paper will argue the existence of a border between two different population units of the Linearbandkeramic culture (at the end of the 6th Millenium bc). The term border is used here to denote a zone where the intensity of communication drops off. I will start by considering the composition of lithic raw material assemblages and the style of ceramic decoration. For the areas in question, a different raw material spectrum can be attested for the whole Middle Linearbandkeramic. Differences in the style of ceramic decoration on both sides of the ‘border’ only show up by Late Linearbandkeramic times. Thus in both classes of material, the information flow was not completely severed. A low amount of “foreign” elements are still found on both sides. One of these zones of reduced information flow is located between Werl and Soest (Westphalia, Germany) and the other in the region of Nieder-Mörlen, Steinfurth, Echzell (Hesse, Germany). There are two possible ways of explaining the origin of this apparently long-term development: 1. Both border zones are located in the vicinity of a scarce resource. Later on, salt was produced later on. In this interpretation the different identities on both sides of the border would have originated of in a quarrel for rights of access. 2. A detailed analysis of the process of neolithisation and the spread of the middle-Neolithic shows that there are indications for cultural influences from different regions clash in the areas in question. The fact that ethnic interpretation has a tainted history should not, in my opinion, lead to the conclusion that a search for identities cannot be a proper

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Zusammenfassungen area of investigation. This would mean to abandon a central topic of historical research. In order to understand identities, their embeddedness in differently sized social units, and the diachronic change of their meaning has to be looked into. Presumably, an increased consciousness of the changeability of such social groups will serve to reduce the danger of misleading interpretations.

history of modern nations far into pre-literate times. Since the beginning of the 16th century all over Europe the question was posed which of the „peoples“ described by the classical authors had stood at the origin of the respective national history. Romanticism saw the advent of a patriotic view on Antiquity – the so called „vaterländische Altertumskunde“. In Germany, the essential question was whether the archaeological finds were of Celtic, Germanic or Slavic origin. During the period of Imperialism prehistoric archaeology achieved political relevance as well. Archaeological finds could be used as an excellent argument for territorial claims, sometimes until today. 2. The systematics of ethnic ascription In Early Medieval archaeology the „ethnic paradigma” principally covers the following subjects: the ethnic ascriptions of settlement areas, the combination of cultural and ethnic continuity, processes of ethnogenesis, the substantiation of migrations and the identification of foreigners and „minorities“. All these aspects are close connected, but it is possible to separate them analytically. The five systematic aspects can be put in an (imaginary) chronological order, that is, they can be put one after another on a chronological trajectory. 3. Differentiation The example of the Franks can serve to show how Early Medieval archaeology tried to separate „indigenous Romance“ and „foreign Germans“ - Franks in north-eastern Gaul and Alemanni in south-west Germany - in the “Reihengräberfelder”. All these attempts are based on the assumption that the ethnic groups to be identified are internally homogeneous and clearly distinctive units externally. Additionally, different layers of argumentation have to be congruent as well: regional groupings of material culture, ethnic self-ascription, language-group and finally biological kinship (common descent). I will consider some recent publications in order to demonstrate the limits of this approach. Recent historiographic studies have demonstrated a common Lebenswelt for the early Middle Ages. Because of this, it is mainly social categories (status, gender, age, family and burial community) that ought to be used in the analysis of grave inventories. 4. Ethnic symbols as a methodological way out? Analyses of the material culture do not show any clear borders, but, on the contrary, a diffuse continuum. Therefore, the delineation of ethnic borders is mainly based on a few select symbols that are used to elevate cultural differences to fundamental distinctions, which are highly charged ideologically. Chronicles of the Middle Ages sometimes point out such „ethnic signals“, but often they are not con-

Slavomir Kadrow, Instytut Archeologii, Uniwersytet Rzeszowski Social and ethnic structures in the Polish Bronze Age My paper proceeds from the following assumptions: a. Ethnic groups are self-conscious units that originate by way of a social and cultural comparison with other groups (we/them). b. Ethnic identification is strengthened by the pursuit of common interests. From this it follows that: (1) ethnicity has to be understood as a dynamic process and (2) ethnic analyses should concentrate on the social organisation and the mechanisms of political power. There is no reason to believe that ethnic processes are necessarily patterned after organic models. On the contrary, it can be expected that many important ethnic processes take place according to quite different models (e.g. colluvies gentium). The paper discusses the communities that inhabited the Eastern part of Poland from the End of the Neolithic till the beginning of the Lusatian culture (2500-1000 BC). Multi-component settlement analyses, complemented by the analyses of graves form the basis for inferences about their social structure. The processes of cultural, economic and ethnic development of the Early Bronze Age communities of Eastern Poland differed very much from Central Europe. In general, Late Neolithic patterns persisted, and Bronze Age (Central or Southern European) influences were only superficially adapted. The fluidity and low degree of organisation of the very small ethnic units corresponded to a stagnation of the cultural, economic and social development. Thus it seems extremely doubtful that the membership of this fluid, slowly changing small societies could form the basis of historically attested bigger ethnic units. Sebastian Brather, Universität Freiburg: Ethnic Identity and prehistoric archaeology: the example of the Franks 1. Introduction The attempt to connect material culture and ethnic groups was initiated by Early Medieval archaeology. It was attempted to trace back the origin and 248

Summaries temporary, or they belong into to a different context. Without additional information, archaeology is not able to deduce ethnic symbols from the context, because we do not know this context. John Collis, University of Sheffield, Dept. of archaeology: Celts and politics In studying the relationships between archaeology, race, ethnicity and politics, the Celts is one of the most interesting case studies, both in the way the Celts were used in Antiquity, in the rise of the nations states in the 19th century, and more recently in the development of a pan-European identity. There has been a considerable literature over the last 15 years, and so I can only touch on a few aspects. In modern Europe the concept of the Celts is employed at for different levels: 1 In promoting a pan-European entity, emphasising common roots, from Ireland to Turkey, and from Poland to Portugal. 2 A regional identity for those on the Atlantic Fringes who speak Celtic languages, or identify with modern ‚Celtic‘ culture. 3 In the mythology of the origin of modern nation states, such as France, Ireland and Spain. 4 At a local level, either to emphasis local identity (e.g. Galicia in Spain), or in the development of Tourism (Tara, Navan Fort, Mont Beuvray). For archaeologists there is a problem about what role we should play, as though we may be sympathetic to these political aims, in the past archaeology has been used to promote racism, extreme nationalism, and other forms of cultural dominance. We should not use false methodologies because they suit our particular aims (e.g. to help minorities) or because they seem innocuous. Thus, for instance, archaeologists condemn the methodology of Gustav Kossinna because it is tainted by its use by the Nazis, yet the methodology to explain the origin and spread of the Celts is virtually identical (and equally false!), but it is still widely promoted in academic books and exhibitions. Archaeologists need to be aware of the theoretical basis of their methodologies, and of the history of their subject. The concept of the Celts is in fact based on a number of false assumptions in the past that are now never questioned. There include: 1. The assumption that the inhabitants of the British Isles were Celts, but this is a modern invention starting in the 16 th century (George Buchanan). 2. The definition of the Celts as a people who speak

Celtic languages is also modern, based on the misconception by the Abbé Pezron that Breton was a survival of the ancient language of Gaul, and so it and related languages are ‚Celtic‘. 3. Celtic Art is so-called because in the 19th century it was thought the ancient population of Britain was Celtic, and so their art must be Celtic (Tara brooch, Battersea Shield). 4. The association of a ‘La Tène Culture‘ with the Celts, spreading from northern France and southern Germany, is based one the assumptions that the Celts arrived from outside central Europe sometime in the Iron Age. This has little textual support. 5. The archaeological distribution of the Celts as shown on most maps is based on the assumption by Joseph Déchelette that the Celts could be identified from their burial rite of extended inhumation (contrasting with the cremation burial rite of the Germans). Most archaeologists are unaware these aspects, and because of their ignorance, continue to diffuse false information and false methodologies to a wider public, which can then be used for political aims. Archaeologists thus need to understand their subject more, and the social and political implications of what they are doing. Laurent Olivier, Musée des Antiquités Nationales à Saint-Germain-en-Laye and Olivier Buchsenschutz, CNRS Paris: The role of archaeology in the conflict between regional and national identity in France Depuis le Moyen Age, les Gaulois occupent une place essentielle dans la constitution de l’identité collective française, en tant que peuple des origines attesté par les sources historiques antiques. En réalité, ces sources sont disparates, discontinues et contradictoires et se concentrent pour l’essentiel dans les Commentaires de la Guerres des Gaules de César. Relu et réédité sans cesse depuis le 16ème siècle, ce texte fondateur de l’histoire et de l’archéologie gauloises a contribué à asseoir successivement la légitimité de la monarchie absolue comme de l’étatnation républicain. La Gaule de César est le modèle de l’hexagone français dans ses frontières naturelles. Plus profondément, le mouvement des Lumières et l’idéologie républicaine opèrent un renversement de l’histoire telle qu’elle était perçue jusqu’alors, en escamotant les Francs, considérés comme à l’origine de l’ordre inégalitaire de l’Ancien Régime, pour leur substituer les Gaulois, qui incarnent désormais le droit de la collectivité. Pourtant, ce mouvement qui prolonge le processus de centralisation engagé plusieurs siècles auparavant sous l’ordre

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Zusammenfassungen CR, Praha: The dichotomy of identities in Medieval Archaeology: The case of Bohemia. 1. Germani : Slavs The beginning of the Slavic settlement of Bohemia, a comparison of archaeological and linguistic concepts. 2. Unity and organisation Tribe, tribes, small tribal groups or something completely different? Evidence for the early medieval territorial organisation of Bohemia according to written and archaeological sources. An attempt at a comparison and a historical assessment of the phenomenon. 3. Czechs : Germans The ethnical map of Bohemia and 13th century material culture – a comparison of linguistics and archaeology. The high Medieval discrepancies: exception or general rule?

monarchique, laisse dans l’ombre la question des revendications identitaires régionales (notamment comme celle de l’identité bretonne), comme il ne parvient pas complètement à étouffer les tentatives de restauration antirépublicaine, qui se succéderont tout au long des 19ème et 20ème siècles. Cette interprétation est mise aujourd’hui en crise à la fois par l’effondrement du modèle traditionnel de l’Etat-nation, comme par la recherche actuelle, qui met en évidence une inadéquation totale entre les divers Etats-nation contemporains et les groupes culturels antiques, qu’ils soient celtes, germains, italiques ou encore hispaniques. Aux Gaulois de la République s’opposent donc désormais les Celtes des mouvements régionalistes. Ce que ces groupes connaissent de l’histoire joue un rôle à côté de la musique, de la langue, du paysage, pour définir leur identité, mais tout cela est secondaire par rapport à leur revendication autonomiste. Since the middle ages, the Gauls, being the ancestors attested by the classical sources, played a fundamental role in the constitution of French collective identity. In reality, these sources are contradictory, discontinuous and consist mainly of Caesars “de bello Gallico”. This text, constantly reprinted since the 16th century, is the foundation for the history and later on the archaeology of the Gauls. It has served consecutively both in the legitimisation of the absolute monarchy and the republic. Caesar’s Gaul is the model for today’s hexagon, France in her natural borders. The enlightenment and the republican ideology reversed the interpretation of history that had been dominant up to then. More importantly, the Franks, who were seen as the founders of inequality in the Ancien Regime were substituted by the Gauls, who enbodied civil rights at the roots of French history. Like the absolute monarchy, the republic continued the centuries-long process of centralisation as the heir of “nos ancêtres, les Gallois”. The demand for regional identities, especially in Brittany, were ignored, as were the attempts at an antirepublican restoration, that recurred repeatedly during the 19th and 20th century and could not be totally stamped out. The idea of national Gallic roots is controversial today, because the traditional model of a nation-state has collapsed and because recent research has demonstrated that the modern nations have nothing in common with cultural groups described by the classical authors, be they Germanic, Italic or Hispanic. Jan Klàpště, Archeologický ústav Akademie ved

Miloš Jevtić, Univerzitet u Beogradu, Odeljenje za arheologiju: Modern Serbian archaeology and the problem of ethnic identification Accepting the theme suggested by the organisers of the Conference in Leipzig, we understood that our colleagues from other countries are very interested to hear our opinion about the study of ethnicity in the contemporary Serbian archaeology, that is, during the last ten years of the Milošević regime. The subject is very serious and requires a rather comprehensive approach, as there were very extensive ethnic movements within the wider territory of former Yugoslavia during the decade of rule of the former regime. Some of the basic questions that should be answered were: -How much has Serbian archaeology managed to resist the euphoria of nationalism in the time of the disintegration of the second Yugoslavia? -Is there any kind of nationalism in the new books on archaeology, either open or hidden and what is the attitude of Serbian archaeologists towards it? -Which field of archaeology is particularly suitable for the rising or reviving of nationalism? The answers to these and similar questions are certainly not simple and require extensive investigation. As these are more ethical than purely scientific questions, I felt the need to consult some of my esteemed colleagues in preparing this text, first of

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Summaries all Prof. Dr. Garašanin, Prof. N. Tasić and Assistant Prof. A. Palavestra. As my special interest lies in the material and spiritual culture of the palaeo-Balkan communities of the central Balkans during the Bronze- and early Iron Age, in the first section of my paper I will concentrate on the problems of ethnic indetification and of the contact zones of certain archaeological cultural groups in this area in the protohistorical, i.e. pre-Roman period. In this connection, the question could be asked to which extent the generally accepted theory of a Daco-Moesian vasis within the area of the central Balkans as the basis for the formation of large ethnic groups, primarily the Triballi and Dardanians is an expression of the intention not to be in a ‘no-man’s land’, that is, on the border between the Illyrians and the Thracians. However, such an approach represents, in our opinion, the only firmly scientifically grounded methodological concept that still predominates in Serbian archaeology. Unfortunately, in recent years we have witnessed in Serbia the publication of many books on archaeological subjects written by non-archaeologists which, according to all criteria, belong to pseudo-scientific literature. Similar books appear in all cultures and among all nations, but in the anti-intellectual climate of the former regime in Serbia the number of such books definitely increased. Books about the Serbs as the oldest nation, about the Vinča alphabet as basically Serbian and similar works do not deserve special attention and serious discussion. More dangerous are texts and brochures written by archaeologists, based on meagre archaeological data and unconfirmed or incorrectly understood written sources where the conclusion is drawn or the suggestion made that the Serbian nation has the “historical rights” to certain territories in the Balkans. We would especially like to point out the intentions of some Medieval archaeologists, who study the ethnogenesis of the Serbs and claim that they are autochthonous in the Balkans since the Roman or even the pre-Roman period. Predrag Novaković, Oddelek za arheologijo Univerze v Ljubljani: Archaeology and the changing identity in the former Yugoslavia Through all 70 years of its history as a state, Yugoslavia, a mosaic composed of a number of national, ethnic, religious, and cultural histories and identities, was in constant search for a balance between its nations and for an identity and common grounds in the fields of politics, history and culture. Two

major attempts at creating a common identity were instigated by the ruling political elites: the Yugoslav integralism (1918-1941) and the ideology of brotherhood and unity (1945-1991). Both attempts failed and ultimately ended in inter-ethnic and civil wars. Although the Yugoslav Communist Party, led by Tito, succeeded in reconstructing the state of Yugoslavia after WW2, based on new ideological foundations, by the late 80s and early 90s there was no such power capable of accomplishing the same. The decade that followed Tito’s death (1980) was marked by two major political issues: the growing discontent with the socialist regime and claims for a democratic system, as well as the heightened displays of nationalism and claims for independent national states. The two issues were not strictly independent of one another. Most of the discourse concerning historical, cultural and identity issues, was to a large extent “centrifugal”, since the “Yugoslav” stance became unbearable for the new nationalist elites emerging in all the republics. The socialist regime and ideology was the first to be assaulted. The claims for a democratic system were soon followed by claims for national independence. The latter claims assailed the ideology and doctrine of brotherhood and unity, as was advocated by the communist regime. A reinterpretation of the past represented one of the most evident strategies in this process. History, rich in episodes of open ethnic, religious, political and cultural conflicts, illiberal regimes and dictatorships, provided an abundant »reservoir« of issues and topics then applied in a nationalistic discourse. While the Communist party still persisted upon those elements of history conceived as common ground for the identity of the state and of the regime (the national liberation movement as the basis for new post-war Yugoslavia, the crucial role of Tito and the Communist party in the process of molding a new (post-WW2) Yugoslavia, the projection of the elements of brotherhood and unity in the past etc.), new nationalist elites in the republics were far more inclined towards national histories and identities making them as different as possible from the “official” narrative. It was not only endeavored to revise modern history, but ancient history and archaeology as well. The attempts to revise the ancient and archaeological past manifested many different forms, among which three major phenomena can be outlined: the appearance of autochthonal “theories” of ethno-genesis, the claims for independent states, which were based on the statehood of the early medieval and medieval states of Slavic nations and on the myths associated with them, and the growing aspirations of the Chris-

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Zusammenfassungen tian (Catholic and Orthodox) and Muslim clergy in shaping moral and public issues and, consequently, the views on the past as well. Though many such claims wielded false theories and bad science, the national politics during the period in question willingly coquetted with them and helped in establishing “new” traditions - as different as possible from the traditions of other Slavic nations in Yugoslavia, and from the tradition favored by the communist interpretation of the past. The role of scientists and intellectuals varied substantially. Indeed, it is almost impossible to find a common denominator. Most of them disagreed with the most extreme aberrations as well as with the bad science; yet on the other hand, influential groups of historians, linguists, art historians, novelists, poets and artists found their respective ways among the new political elites in their corresponding republics and subsequent states, and actively contributed to the production of national ideologies and identities. The paper examines several cases of the invention of tradition, claims for historical rights and of the production of new identities, which included archaeology and its practice in the former Yugoslav republics and subsequent states.

way of starting this process. Ulrike Sommer, Institute of Archaeology, University College London Archaeology and Saxon identity The question of the ethnicity of the producers of prehistoric finds and monuments lies at the roots Saxon archaeology. After it was generally accepted that pots and stone implements were indeed artefacts, already in 1781 the Oberlausitzische Society in Görlitz offered a reward for essays on the question of whether “Germans or Sorbs were the first inhabitants of the Oberlausitz”. At first, only written sources were utilised in the pursuit of the first Saxons. The actual archaeological finds only served as illustrations. In the 1820ies a number of authors started to deduce criteria for an ethnical ascription of the finds from the written sources. Thus, for example hillforts were identified as Germanic, as Slavs were of an decidedly peaceful character and thus not in need of fortifications. Since the middle of the 1830ies the distribution and associations of finds are used as arguments as well. Thus, K. B. Preusker advocated a systematic comparison of Saxon finds with those from purely Germanic and purely Slavonic settlement areas in order to be able to assign them unequivocally to one people. Writers like Karl August Engelhardt (1802) and Karl Benjamin Preusker (1841) comfortably managed to incorporate prehistoric finds in the history of the Saxon fatherland. But no consensus was reached about the identity of the first inhabitants of the Meißen margravate. While the ascription of individual finds and assemblages was hotly debated, the question as such does not seem to have created any real conflicts. The reason might be that Saxon identity could find a foundation in either of the possible forebears - depending on the author’s political orientation. Whilst the Celts slowly disappeared into the romantic mists they had emerged from, the Germani stood for warlike prowess and political freedom, and the Sorbs (Slavs) for economic success and peaceful culture. In the main without the help of a genealogical succession line, the Saxons of the 19th and 20the century recognized themselves in the stereotyped descriptions of the industrious Slavs originating with Herder and Polish and Czech panslavic authors. It was at least partly the attempt to solve the problem of ethnic ascription that led to an increasing professionalisation of archaeology. Subsequently, this created an increasing rift between scholarly research and popular interpretation. For one, the sim-

Sam Lucy, Dept. of archaeology, University of Durham: Constructing the English: Early Medieval cemeteries and changing conceptions of Anglo-Saxons. Since its inception, early Anglo-Saxon archaeology (the archaeology of eastern Britain from the fifth to the seventh century AD) has operated within a ‘common-sense’ framework. We ‘know’ that people from northern Europe migrated to Britain in the fifth and sixth centuries AD, for the documentary sources tell us. The archaeological evidence supports this. Or does it? This paper will return to the origins of Anglo-Saxon archaeology, showing that the concept of the ‘Anglo-Saxons’ was one formulated within the nationalist discourse of the nineteenth century. Archaeological evidence came to form part of this discourse, used to help define the very idea of ‘Englishness’ itself. The interpretation of new burial rites and grave-goods as indicators of Germanic migration has thus never seriously been challenged. However, recent critiques within prehistoric archaeology of the concept of ‘culture’ are also applicable to Anglo-Saxon archaeology. This paper will argue that much of the terminology and methodology used by scholars of this period can be questioned, and that historicising the debate is one 252

Summaries ple account of a timeless - be it idyllic, be it rude - past was rapidly becoming obsolete because of the rapidly increasung time-depth of prehistory and the concommitantly improving methods of chronological classification. On the other hand, the the singular find was torn out of its connection with a holistically perceived landscape and popular tradition by systematic inventarisation and mapping und reduced to a simple dot on the map. A specifically Saxon interpretation of prehistory was hard put to keep it’s own in the 20th century. The predominating historical master-narratives now no longer formed part of a regional, but a National framework. During the “3rd Reich”, Saxony was seen as a bulwark against the East and the model of a successful re-germanisation. In the GDR, the positive role of the Slavs was emphasised. Research concentrated on Slavic early feudal structures to counter the NS-claim of their missing nation-building abilities. But in historical overviews the germanocentric worldview was is still pertinent, even if the general assessment had changed. It was mainly K. H. Blaschke who managed to create a new narrative about a specifically Saxon identity. Saxony was described as an age-old place of transit, where the positive typically Saxon qualities originated by the mixture of many different peoples. While this fits better into the political climate of our times than a recourse on the Germani, it still is based on the model of a group-identity that is genealogically founded and transmitted over a long period of time, and thus has exclusive connotations.

Translation: U. Sommer/P. Rahemipur, with thanks to H.-M. Moderow

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Zusammenfassungen

Adressen der Autoren

Mircea Babeş Universitatea Bucureşti, Facultatea de Istorie Seminarul de Arheologie Bd. Regina Elisabetha 4-12 RO-030018 Bucureşti Rumänien [email protected]

John Collis Department of Archaeology, University of Sheffield Northgate House, West Street Sheffield S1 4ET Großbritannien [email protected]

Jörg Biel Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart Berliner Str. 12 73728 Esslingen am Neckar [email protected]

Miloš Jevtić Odeljenje za arheologiju, Universitet Beograd Kneza Mihaila 35/IV, B.P. 202 11000 Beograd Serbien Albrecht Jockenhövel Historisches Seminar, Abt. für Ur- u. Frühgeschichtliche Archäologie, Universität Münster Robert-Koch Str. 29 48149 Münster [email protected]

Tom Bloemers Amsterdams Archeologisch Centrum Faculteit der Geesteswetenschappen van de Universiteit van Amsterdam Nieuwe Prinsengracht 1018 VZ Amsterdam Niederlande [email protected]

Siân Jones School of Art History and Archaeology, University of Manchester Oxford Road Manchester M13 9PL. Großbritannien [email protected].

Sebastian Brather Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Universität Freiburg Belfortstrasse 22 79085 Freiburg im Breisgau [email protected] Christoph Brumann Institut für Ethnologie der Universität zu Köln Albertus-Magnus-Platz 50923 Köln [email protected]

Sławomir Kadrow Instytut Archeologii, Uniwersytet Rzeszowski ul. Hoffmanowej 8 35-016 Rzeszów Polen [email protected]

Olivier Buchsenschutz Directeur de recherches au CNRS 1, rue des Lilandry, Guermantes 77600 Bussy Saint Georges Frankreich [email protected]

Jan Klápště Archeologický Ústav Praha Letenská 4 CZ 118 01 Praha 1 Tschechische Republik [email protected]

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Summaries Sam Lucy Cambridge Archaeological Unit Department of Archaeology, University of Cambridge Downing Street, Cambridge, CB2 3DZ Großbritannien [email protected]

Sabine Rieckhoff Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte, Universität Leipzig Ritterstrasse 14 04109 Leipzig [email protected] Ulrike Sommer Institute of Archaeology, University College London 31-34 Gordon Square London WC1H 0PY Großbritannien [email protected]

Wolfgang Luutz Zentrum für höhere Studien, Universität Leipzig Emil-Fuchs-Str. 1 04105 Leipzig [email protected] Georg Meggle Institut für Philosophie, Universität Leipzig Beethovenstraße 15 04107 Leipzig [email protected]

Heinz-Werner Wollersheim Institut für Allgemeine und Vergleichende Pädagogik, Schulpädagogik und Pädagogische Psychologie, Universität Leipzig Karl-Heine-Straße 22b 04229 Leipzig [email protected]

Predrag Novaković Oddelek za arheologijo, Univerza v Ljubljani Aškerčeva 2, P.P. 580 1000 Ljubljana Slovenien [email protected]

Andreas Zimmermann Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität zu Köln Weyertal 125 50923 Köln [email protected]

Laurent Olivier Musée des Antiquités nationales Château - Place Charles de Gaulle 78105 Saint-Germain-en-Laye Frankreich [email protected]

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